1) Anlage 10
Berichtigung
171. Sitzung, Seiten IV, V und 16037, Anlagen 2 bis 4:
„Staatsminister für Europa Hans Martin Bury“ ist durch
„Staatssekretär Dr. Klaus Scharioth“ zu ersetzen.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16193
(A) )
(B) )
Vorlage, die zur Abstimmung steht, durchaus ehrlich be- destag. Deshalb werden wir mit Nein stimmen.
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
* für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Petra Pau und Dr. Gesine
Lötzsch (beide fraktionslos) zur Abstimmung
über den Entwurf eines Gesetzes zur Umbenen-
nung des Bundesgrenzschutzes in Bundespolizei
(Tagesordnungspunkt 25 b)
Wir stimmen gegen das Gesetz zur Umbenennung des
BGS in Bundespolizei. Die Wandlung des BGS zur
„Polizei des Bundes“, die hier ohne Aussprache vollzo-
gen wird, ist keine schlichte Namensänderung. Sie ist
aus unserer Sicht der Vollzug eines schleichenden, aber
planmäßigen Verfassungsbruchs. Insofern wurde in der
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Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich
Dominke, Vera CDU/CSU 21.04.2005
Griefahn, Monika SPD 21.04.2005
Heller, Uda Carmen
Freia
CDU/CSU 21.04.2005
Letzgus, Peter CDU/CSU 21.04.2005*
Marschewski
(Recklinghausen),
Erwin
CDU/CSU 21.04.2005
Pieper, Cornelia FDP 21.04.2005
Dr. Ramsauer, Peter CDU/CSU 21.04.2005
Dr. Ruck, Christian CDU/CSU 21.04.2005
Scharping, Rudolf SPD 21.04.2005
Teuchner, Jella SPD 21.04.2005
Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
21.04.2005
Vogel, Volkmar Uwe CDU/CSU 21.04.2005
Wicklein, Andrea SPD 21.04.2005
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Anlagen zum Stenografischen Bericht
chrieben: „Der Bundesgrenzschutz ist eine Polizei des
undes, deren Aufgaben sich längst nicht mehr auf den
lassischen Schutz der Grenzen beschränkt. Die beste-
ende Bezeichnung Bundesgrenzschutz wird der tat-
ächlichen Aufgabenvielfalt nicht mehr gerecht.“ Das
itat belegt: Es geht nicht nur um einen neuen Namen,
ondern vor allem darum, den Umbau des Bundesgrenz-
chutzes zu legitimieren. Das lehnen wir ab.
Die Forderung nach einer einheitlichen Bundespolizei
ird seit den 70er-Jahren immer wieder erhoben. Sie
urde ebenso oft abgelehnt, nicht zuletzt mit Verweis
uf das Grundgesetz und die darin beschriebene Aufga-
enteilung. Das Grundgesetz ist für Bundesinnenminis-
er Schily aber offenbar irrelevant. In einem „Stern“-In-
erview meinte er 2004: „Die Verfassungsväter konnten
ich eine Bedrohung wie die durch den islamistischen
errorismus nicht vorstellen. Damit muss ich mich be-
assen, nicht mit der Situation vor 50 Jahren.“
Wir stellen fest: Das Grundgesetz gilt. Wer es ändern
ill, soll das offen fordern, begründen und um entspre-
hende Mehrheiten werben. Das aber tut der für den
erfassungsschutz zuständige Bundesminister nicht. Er
gnoriert das Grundgesetz und versucht, es zu unterlau-
en. Dagegen ist die PDS im Bundestag. Mit unserem
ein zum aktuellen Antrag schützen wir das Grundge-
etz erneut.
Wir lehnen den Umbau des Bundesgrenzschutzes
rundsätzlich ab und wir verweisen zugleich auf die weit
eichenden Folgen, die damit verbunden sind:
Mit der neuen Regelung werden auch verschiedene
üstenstädte reguläres Einsatzgebiet der neuen „Polizei
es Bundes“. Sky Marshals werden an Bord deutscher
lugzeuge im internationalen Einsatz sein. Kurzum: Die
m Grundgesetz aus guten Gründen nicht vorgesehene
undespolizei erhält nach innen Befugnisse, die den
ändern vorbehalten sind, und sie darf nach außen welt-
eit agieren. Außerdem verfügt die neue Bundespolizei
ber enthemmte Vollmachten. Sie darf „verdachtsunab-
ängig“ agieren und eingreifen. Das widerspricht dem
echtsstaatsgebot. Auch deshalb lehnen wir das Gesetz
b.
Schließlich: Die föderalen Strukturen der Bundes-
epublik Deutschland, das Trennungsgebot, das Verbot
iner Bundespolizei und andere libertäre Grundsätze ka-
en als Lehre aus der NS-Zeit ins Grundgesetz. Ausge-
echnet zum 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschis-
us müssen wir festhalten: Demokratischen Strukturen,
ie nach 1945 eingeführt und gefördert wurden, werden
mmer mehr „präventiv“ geopfert. Bürgerrechte, ein ver-
rieftes und zugleich gern hofiertes Markenzeichen der
undesrepublik Deutschland, verwaisen.
Dagegen ist die PDS. Dagegen ist die PDS im Bun-
16194 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
(A) )
(B) )
Anlage 3
Erklärung
des Abgeordneten Ludwig Stiegler (SPD) zur
Abstimmung über die Beschlussempfehlung des
Vermittlungsausschusses zu dem Zweiten
Gesetz zur Änderung des Seemannsgesetzes
und anderer Gesetze (Zusatztagesordnungs-
punkt 13 a)
Ludwig Stiegler (SPD): In den abschließenden Ver-
handlungen des Vermittlungsausschusses am 21. April
2005 ist eine Protokollerklärung der Bundesregierung
vereinbart worden. Diese Protokollerklärung gebe ich
nachfolgend zur Kenntnis:
„Die Bundesregierung erklärt sich bereit, die Ausbil-
dungszeit bei Weiterbildungsmaßnahmen in der Alten-
pflege mit dem Ziel einer Verkürzung auf zwei Jahre
ernsthaft zu überprüfen.“
Anlage 4
Zu Protokoll gegebene Rede
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Änderung des Grundgesetzes (Art. 23) zur Ein-
führung eines Volksentscheids über eine euro-
päische Verfassung (Tagesordnungspunkt 10)
Petra Pau (fraktionslos): Wir beraten heute zum wie-
derholten Male über das Thema Volksabstimmung und
die Änderung des Grundgesetzes. Konkret geht es da-
rum, den Weg für eine Abstimmung über den Vertrag zur
Europäischen Verfassung frei zu machen
FDP und PDS wollen eine Volksabstimmung. SPD,
die Grünen sowie die CDU/CSU sind dagegen. Dabei
hätte alles so schön sein können; denn SPD und Bünd-
nis 90/Die Grünen haben zu Protokoll gegeben, man
„habe große Sympathien für das Anliegen“, Aber leider
habe die CDU/CSU kein Angebot unterbreitet, das Ple-
biszite grundsätzlich ermöglicht. Die CDU/CSU gab zu
Protokoll, man hege große „Sympathie für die Idee eines
Volksentscheides über die EU-Verfassung“. Aber das
europapolitische Gewicht Deutschlands erfordere Bere-
chenbarkeit und klare Verantwortlichkeit.
Ergo: Unbändige Sympathie für mehr Demokratie,
aber von Zuneigung keine Spur. SPD und Grüne haben
damit ein weiteres Wahlversprechen beerdigt.
Anlage 5
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur
Umsetzung der Richtlinie 2003/71/EG des Euro-
päischen Parlaments und des Rates vom 4. No-
vember 2003 betreffend den Prospekt, der beim
öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder
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bei deren Zulassung zum Handel zu veröffent-
lichen ist, und zur Änderung der Richt-
linie 2001/34/EG (Prospektrichtlinie-Umset-
zungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 11)
Nina Hauer (SPD): Das Prospektrichtlinie-Umset-
ungsgesetz wird oft als Meilenstein auf dem Weg zur
ollendung des europäischen Binnenmarktes im Wert-
apierbereich bezeichnet. Ich meine: zu Recht.
Was sind die Gründe hierfür? Erstens. Wir werden
rstmalig in Europa einen echten Pass für Wertpapiere
aben. Der von der Bundesanstalt für Finanzdienstleis-
ungsaufsicht, der BaFin, gebilligte Prospekt wird EU-
eit gelten. Deutsche Emittenten werden nicht nur in
eutschland, sondern auch in allen anderen 24 Mitglied-
taaten der Europäischen Union sowie in Island, Nor-
egen und Liechtenstein ihre Wertpapiere anbieten kön-
en.
Zweitens. Die Emittenten in Deutschland genießen
en Vorteil, dass sie nicht mehr verschiedene Stellen für
ie Prüfung eines Prospekts anlaufen müssen. Mit der
isherigen Zersplitterung der Zuständigkeiten für die
rüfung von Prospekten – BaFin einerseits für öffent-
iche Angebote, die sieben Börsenzulassungsstellen für
örsenprospekte – wird Schluss gemacht. Die Kleinstaa-
erei ist vorbei! Die BaFin wird zentrale Prüfungsstelle
ür sämtliche Prospekte.
Drittens. Bei der Sprache, in der die Prospekte abge-
asst werden, haben wir im Finanzausschuss eine ent-
cheidende Verbesserung vorgeschlagen. Mit einer
invernehmlich beschlossenen Änderung wird sicherge-
tellt, dass deutsche Emittenten den Prospekt nach ihrer
ahl in Deutsch oder Englisch abfassen können: Die
aFin muss einen englischsprachigen Prospekt ebenso
rüfen wie einen deutschsprachigen Prospekt.
Aus Gründen des Anlegerschutzes haben wir jedoch
orgesehen, dass im Falle eines englischsprachigen
rospekts immer eine Zusammenfassung in deutscher
prache vorliegen muss. Der Ausgleich zwischen den
nteressen der Emittenten einerseits und der Anleger an-
ererseits ist gelungen.
Viertens. Im Finanzausschuss haben wir uns zudem
afür eingesetzt, dass das Bookbuilding-Verfahren wei-
rhin möglich bleibt. Auch damit wird ein Gleichge-
icht zwischen Anlegerschutz und dem Interesse des
eutschen Finanzmarktes gewahrt. Beide Seiten wollen
n der Beibehaltung eines international üblichen und als
innvoll anerkannten Verfahrens zur Preisermittlung bei
euemissionen festhalten.
Fünftens. Schließlich haben wir Änderungen beim
iderrufsrecht vorgenommen. Natürlich ist das Wider-
ufsrecht ein Schutz für den Anleger. Das Widerrufsrecht
oll aber ausdrücklich nicht auf bereits erfüllte Rechts-
eschäfte anwendbar sein. Das gibt nicht nur den Emit-
nten Rechtssicherheit, sondern verhindert auch die Be-
achteiligung von Derivaten.
Im Finanzausschuss haben wir über die Fraktions-
renzen hinweg den Gesetzentwurf konstruktiv und
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16195
(A) )
(B) )
sachlich beraten und beschlossen. Dafür bedanke ich
mich herzlich bei meinen Kollegen und Kolleginnen.
Wenn wir heute den Gesetzentwurf der Bundesregie-
rung gemeinsam verabschieden, setzen wir auch ein
Stück Tradition in der Geschichte der einvernehmlichen
Kapitalmarktpolitik fort. Dies ist aus meiner Sicht be-
sonders wichtig: Wir stehen mit anderen europäischen
Finanzplätzen im Wettbewerb.
Die Richtlinie muss bis zum 1. Juli 2005 in nationales
Recht umgesetzt sein. Wir wollen zu den ersten zählen,
die diese Umsetzung vollendet haben. Deutsche Emit-
tenten und alle ausländischen Emittenten, die Deutsch-
land als Aufnahmestaat wählen wollen, sollen frühzeitig
Rechtssicherheit haben. Deshalb haben wir den Gesetz-
entwurf auch zügig beraten.
Mehr Zeit wünschen wir uns alle. Ich bin jedoch der
festen Auffassung, dass wir den Gesetzentwurf zwar zü-
gig, aber gründlich in den Ausschüssen und zwischen
den Berichterstattern diskutiert haben. Im Interesse des
Finanzplatzes Deutschland bitte ich Sie daher um eine
breite Zustimmung zu diesem wichtigen Gesetzentwurf.
Patricia Lips (CDU/CSU): Mit der Prospektricht-
linie sollen EU-weit gleich mehrere Ziele erreicht wer-
den: eine einheitliche Regelung der Zulassungsprospekte
für Wertpapiere bzw. der Emissionsprospekte, eine ein-
heitliche Prüfung – in Deutschland durch die BaFin –,
eine Rechtsvereinfachung durch diese Harmonisierung,
aber auch ein EU-weit gültiger Pass für einmal geneh-
migte Prospekte. Vor allem der zuletzt genannte Punkt
stellt uns vor die Herausforderung, die Richtlinie bei der
Umsetzung im nationalen Gesetzgebungsverfahren nicht
zusätzlich – wo unnötig – zu überfrachten und an den
Stellen – wo es im Interesse unseres Finanzstandortes ist
und im Einklang mit der Richtlinie steht – Spielräume zu
eröffnen. Das ist der Spannungsbogen, in welchem wir
uns befinden.
Die Richtlinie wird grundsätzlich von allen Marktteil-
nehmern begrüßt und auch wir schließen uns dem Ruf
nach Harmonisierung und einer Stärkung des Finanz-
platzes Deutschland an. Insofern ist es erfreulich, dass es
uns gelungen ist, im Sinne des Marktes und unseres Lan-
des den Gesetzentwurf an den entsprechenden Stellen
ändern zu können. Lassen Sie mich dennoch einige An-
merkungen machen:
In den vergangenen Tagen und Wochen waren wir in
zahllosen Gesprächen immer wieder mit Feststellungen
konfrontiert: „Das haben wir schon immer so gemacht“,
oder: „Das ist eine Übernahme bereits gültiger Grundla-
gen aus anderen Gesetzen und Verordnungen.“ Wenn
diese Regeln gut waren und dem Finanzstandort dienten,
ist dem auch nichts entgegenzusetzen. Wo uns aber
durch eine aktuelle Diskussion, durch ein neues Gesetz,
Spielräume eröffnet werden, die uns zusätzliche Chan-
cen geben, dann sollten wir diese nutzen. Wir müssen
davon ausgehen, dass in einem Markt, der im Bereich
der Finanzdienstleistung schon lange nicht mehr an
Grenzen Halt macht, andere Länder diese Chancen nut-
zen werden.
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Bei der Bedeutung und dem Namen, den Deutschland
n dieser Stelle genießt, und in einer Zeit, wo wir an an-
erer Stelle sehr stark an Wirtschaftskraft und Prestige
inbüßen, sollten unser Selbstbewusstsein und unsere
tärken in das Gesetz einfließen können und auch bishe-
ige Regelungen, sofern sie Vorgänge erschwerten, zu-
indest einer Prüfung auf die Zukunft unterzogen wer-
en können.
Und lassen Sie mich anmerken: Nicht nur der Stärke
es Finanzplatzes, auch dem Anlegerschutz in Deutsch-
and ist nicht gedient, wenn künftig auf Basis der für alle
ültigen Richtlinie Prospekte unter bestimmten Bedin-
ungen im Ausland genehmigt werden können, da es
ort durch die nationale Umsetzung im Detail für den
mittenten unkomplizierter vonstatten geht, und diese
ann auf diesem Wege auf den deutschen Markt quasi
urückkommen.
Trotz dieser genannten Selbstverständlichkeiten ha-
en wir sehr viel Zeit darauf verwendet, den ursprüngli-
hen Gesetzentwurf der Deutschen Bundesregierung von
usätzlichen Beschwernissen zu befreien, bisher gute
egeln wieder reinzuschreiben und in Teilen auf Richt-
inien-Niveau zurückzuführen.
Staatssekretärin Hendricks hat am gestrigen Tag im
inanzausschuss ihre Freude über das Ergebnis der Ver-
andlungen mit den Worten zum Ausdruck gebracht:
Das Gesetz (des Bundesministeriums der Finanzen)
urde deutlich verbessert.“ Wenn man dies im Um-
ehrschluss versteht, dann bedeutet dies nichts anderes,
ls dass die Bundesregierung sich nicht in der Lage sah,
inen Gesetzentwurf in die parlamentarische Debatte
inzubringen, von dem sie selbst überzeugt war, dass er
chon von vornherein gut ist und es eigentlich nichts zu
erbessern gibt. Es bedeutet darüber hinaus, dass es
urchaus von Vorteil ist, zusätzlich zu den Sachverstän-
igen der Branche auch noch einen Bundesrat und eine
pposition im Deutschen Bundestag zu haben, die letzt-
ndlich zu diesen „Verbesserungen“ beigetragen haben
üssen – folgt man den Worten der Staatssekretärin.
Ein ganzer Katalog von Einzelpunkten konnte im Ge-
etzentwurf geändert werden: inhaltlich oder redaktio-
ell. Sehr viele dienten der Rechtssicherheit der Markt-
eilnehmer, wohlgemerkt: für Emittenten wie auch für
nleger. Diese Änderungen wurden von der gesamten
ranche in großer Geschlossenheit – zuletzt im Rahmen
iner öffentlichen Anhörung vergangene Woche – vorge-
racht. Im Vorfeld der parlamentarischen Beratungen ha-
en dabei vor allem zwei Punkte die Öffentlichkeit in
ufregung versetzt: die geplante Aufhebung des bisher
ültigen Book-Building-Verfahrens und die Sprachrege-
ung, beides Punkte, die am Ende sehr schnell korrigiert
erden konnten oder bei welchen beschwichtigt wurde.
ber: Die Diskussion auch bei den anderen Themen
urde dadurch nicht einfacher.
Die Tatsache, dass am Beispiel Book-Building offen-
ichtlich noch nicht einmal im vollen Bewusstsein
dann wäre es politisch noch verständlich –, sondern
iel eher redaktionell eine unüberlegte Formulierung in
en Gesetzentwurf kam, führte dazu, dass in Folge nun
edes Wort tatsächlich auf den Prüfstand kam. Bei der
16196 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
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(B) )
Sprachregelung schloss man sich dem Formulierungs-
vorschlag des Bundesrates an, die Bestätigung in Wort
und Schrift erhielten wir jedoch erst Ende vergangener
Woche. Einige hätten sich eine noch weiter gehende Fle-
xibilisierung zur Sprache gewünscht. Aber einem Kom-
promiss – und am Ende ist es dies immer – kann diese
Formulierung gerecht werden.
An dieser Stelle möchte ich, wie schon im Ausschuss,
darauf hinweisen, dass der Druck, inhaltlich wie zeitlich,
auch uns als Parlamentarier in den Beratungen beträcht-
lich beschwerte. Ein schmaler Beratungskorridor ließ
Zeit für die wesentlichen Punkte, obgleich im Detail
vielleicht weiteres wünschenswert gewesen wäre. Inso-
fern werden wir die anschließenden Beratungen im Bun-
desrat wohlwollend begleiten. Einen Gesetzentwurf in
dieser Tragweite nur gut zwei Monate vor In-Kraft-Tre-
ten derart durch die Gremien zu schleusen, obgleich die
allermeisten Punkte bereits seit Wochen und Monaten im
Ministerium bekannt waren, trägt nicht unbedingt zu
größtmöglicher Sorgfalt bei.
Es war am Ende der Abwägungsprozess zwischen ne-
gativen Signalen an den Markt durch eine unerwartete
Verzögerung und der Tatsache, dass wesentliche Punkte
dann doch abgehandelt werden konnten, die uns dazu
bewogen haben, dem Gesetzentwurf mit den Änderun-
gen zuzustimmen. Nach Rücksprache mit den Marktteil-
nehmern ist für die allermeisten nun auch ein Umgang
mit dem Gesetz möglich. Ich komme jedoch noch ein-
mal an einer Stelle darauf zu sprechen.
In einer Pressemitteilung im Januar dieses Jahres ließ
Jochen Sanio für die Bafin verkünden: Die Prospekt-
richtlinie sei der härteste europäische Regulierungsham-
mer, der in diesem Jahr auf seine Behörde niedersausen
werde. Die Wortwahl allein lässt natürlich aufmerken.
Deutschland hatte aufgrund seiner bisherigen Genehmi-
gungsstruktur und der doch sehr großen Änderung eine
Ausnahmeregelung erhalten, die einen Übergangszeit-
raum zuließ. Auch hier ist die Zeit und sind die Vorberei-
tungen auf den l. Juli hin zu weit fortgeschritten, als dass
eine Inanspruchnahme nochmals thematisiert worden
wäre, unabhängig von den Forderungen der Bund/Län-
der-Arbeitsgruppe. Dennoch war es uns wichtig, dass
seitens des Finanzministeriums in der Ausschusssitzung
die Bestätigung eines reibungslosen Überganges an die
BaFin nochmals protokolliert werden konnte. Es darf am
Ende an dieser Stelle nicht zu unerwarteten Schwierig-
keiten kommen.
Ich möchte nicht jeden einzelnen Punkt nochmals im
Detail erläutern. Neben Book-Building und Sprachenre-
gelung konnten Änderungen im Zusammenhang mit
Doppelprüfungen, Handelsregistereintragungen, Rah-
menzulassungen, darüber hinaus bei der Klarstellung
von öffentlichen Angeboten, der Nachtragspflicht und in
Folge des Widerrufsrechtes erreicht werden. Wenigstens
an einer Stelle konnte beim zuletzt genannten Punkt da-
mit sichergestellt werden, dass abgeschlossene Vorgänge
wie bereits in der Vergangenheit nicht rück-abgewickelt
werden können. Dies ist in bestimmten Bereichen wie
dem Derivateverkehr schon allein technisch ein fast un-
überwindliches Problem. Der Handel mit Wertpapieren
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nd die Rechtsfolgen aus einem „Haustürgeschäft“ sind
un einmal nicht miteinander vergleichbar.
Die Richtlinie, die eine Maximalharmonisierung bei
llen Ländern anstrebt, nimmt wenig Rücksicht auf be-
ondere, individuelle Marktbesonderheiten der Mitglied-
taaten. Kann sie auch nicht. Dennoch wären deutlichere
erweise darauf, dass die im nationalen Gesetz letztend-
ich verankerten Regelungen für alle Wertpapiere und
amit ausdrücklich auch für den eher nur für uns typi-
chen Derivatemarkt Gültigkeit haben, erstrebenswert.
ies würde zu einer größeren Rechtssicherheit für dieses
arktsegment führen, welches eine unbestreitbar wach-
ende Bedeutung hat.
Wir beschließen heute vor dem Hintergrund von
ündlichen Beteuerungen und Hinweisen in Gesetzes-
egründungen. Deshalb sage ich auch heute noch
inmal, dass wir die Entwicklung in diesem Bereich
eobachten werden und uns bei Bedarf eine Nachbe-
rachtung vorbehalten. Es darf am Ende zu keiner Unter-
cheidung kommen, was den organisierten Handel im
erhältnis zum Freiverkehr angeht.
Es bleibt für die betroffenen Kolleginnen und Kolle-
en anzumerken, dass die Gespräche nicht von Konfron-
ation begleitet waren und am Ende in vielerlei Hinsicht
n einem Strang gezogen wurde. Es musste für uns alle
on elementarem Interesse sein, handwerkliche Fehler
urch Zeitdruck zu vermeiden wie auch ein Gesetz zu
erabschieden, dass den Finanzstandort mit einem Si-
nal auch über die eigenen Grenzen hinaus unterstützt.
Jutta Krüger-Jacob (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
as Gesetz zur Umsetzung der europäischen Prospekt-
ichtlinie, welches wir heute debattieren, räumt aus mei-
er Sicht mit einigen Vorurteilen auf. So zum einen mit
er Annahme, dass unter den Bundestagsfraktionen eine
onstruktive Zusammenarbeit unmöglich ist und schon
eshalb keine vernünftigen Gesetze mehr verabschiedet
erden. Die einheitliche Beschlussempfehlung beweist
ingegen, dass man bei gemeinsamen Anstrengungen
urchaus zu vernünftigen Ergebnissen kommen kann.
n dieser Stelle möchte ich mich deshalb bei allen Be-
eiligten für die konstruktive und zielorientierte Zusam-
enarbeit bedanken.
Das vorliegende Gesetz bestätigt vor allem, dass die
chaffung eines wettbewerbsfähigen gesetzlichen Rah-
ens für den Finanzstandort Deutschland auch bei
erücksichtigung der Interessen des Anlegerschutzes
öglich ist, sich die beiden Aspekte keineswegs aus-
chließen.
Diese Feststellung ist für uns Grüne besonders wich-
ig und motiviert uns, im Bereich der Finanzpolitik auch
ünftig auf die Durchsetzung des Verbraucherschutzes
u drängen.
Durch das neue Gesetz wird unter anderem geregelt,
ass Wertpapierprospekte eine Zusammenfassung und
udem in deutscher Sprache enthalten müssen. Damit
önnen sich in Zukunft alle Anleger, also auch solche,
ie nicht so sehr mit dem Jargon der Finanzwelt vertraut
ind, in kurzer, allgemein verständlicher Form über die
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16197
(A) )
(B) )
Chancen und Risiken eines Wertpapiers informieren.
Von wesentlicher Bedeutung ist auch, dass falsche, irre-
führende oder widersprüchliche Informationen, die in
der Zusammenfassung veröffentlicht werden, zu einer
Haftung führen. Somit wird gewährleistet, dass sich der
Kleinanleger auch ohne Berater die wesentlichen Infor-
mationen über eine Anlagemöglichkeit beschaffen und
darauf vertrauen kann. Dadurch wird die derzeitige Si-
tuation entscheidend verbessert, denn heute muss die
überwiegende Anzahl der Bürger den Angaben Dritter
vertrauen, ohne eine reelle Chance zu haben, diese An-
gaben verifizieren zu können.
Wesentliche Grundlage für die Vereinbarkeit von effi-
zienten gesetzlichen Rahmenbedingungen und Anleger-
schutz ist die hiesige Finanzdienstleistungsaufsicht. Mit
dem Prospektrichtlinien-Umsetzungsgesetz wird die al-
leinige Kompetenz der Prospektprüfung auf die BaFin
übertragen. Dies ist eine deutliche Verbesserung, denn
bislang existiert noch die Differenzierung der Prospekte
danach, ob ein öffentliches Angebot oder eine Börsenzu-
lassung der Wertpapiere erfolgen soll. Davon ist dann
die Zuständigkeit der BaFin bzw. der Zulassungsstellen
der einzelnen Börsen abhängig. Indem die Zulassungs-
befugnis nun bei der BaFin gebündelt wird, trägt dieses
Gesetz durch Regelungsvereinfachung sowohl dem An-
legerschutz als auch der weiteren Stabilisierung der Fi-
nanzwirtschaft Rechnung.
Die hohe Qualität der Finanzdienstleistungsaufsicht
durch die BaFin ist im internationalen Wettbewerb zu ei-
nem zentralen Standortfaktor für den Finanzplatz
Deutschland geworden. Eine effiziente Aufsicht gewähr-
leistet Vertrauen in den Standort und die dort angebote-
nen Produkte. Ohne dieses Vertrauen würden Kapital,
Investitionen und Arbeitsplätze aus Deutschland abgezo-
gen werden.
Wir Grünen begrüßen ausdrücklich, dass mit dem
konkreten Gesetz ein weiterer Meilenstein auf dem Weg
zur Implementierung des Anleger- und Verbraucher-
schutzgedankens im Finanzmarkt erreicht wird. Wir ha-
ben immer dafür geworben, einen Ausgleich zwischen
den Interessen der Kleinanleger und der Hauptakteure
auf dem Finanzmarkt zu schaffen. Dass sich diese Ein-
sicht zunehmend durchsetzt, freut uns natürlich beson-
ders. Gleichzeitig haben wir uns aber auch dafür einge-
setzt, Spielräume, die uns bei der Umsetzung der EU-
Richtlinie noch geblieben sind, zu nutzen, um die Posi-
tion des Finanzplatzes Deutschland im europäischen
Wettbewerb zu erhalten und weiter auszubauen. So be-
fürworten auch wir die marktnahe Preisfindung im Rah-
men des Bookbuilding-Verfahrens. Ebenso begrüßen wir
die flexible Auslegung der Sprachenregelung, wie sie in
der nun vorliegenden Gesetzesfassung verankert ist.
Schließlich haben wir in der heftig diskutierten Frage
des Widerrufsrechts bei Nachträgen eine Lösung gefun-
den, die den Interessen aller Beteiligten gerecht wird.
Mit diesem Gesetz wird nicht nur einfach eine EU-
Richtlinie umgesetzt, sondern, das möchte ich abschlie-
ßend noch einmal betonen, es wird eine Regelung ge-
schaffen, die den Finanzplatz Deutschland stärkt und
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azu beitragen wird, Arbeitsplätze und Wertschöpfung
n Deutschland zu sichern.
Dr. Volker Wissing (FDP): Manchmal ist es bei
omplexen Sachverhalten einfacher eine Entscheidung
erbeizuführen als bei einfachen. Das Prospektrichtlinie-
msetzungsgesetz ist ein Beispiel dafür. Allein schon
er Begriff ist ein Aufmerksamkeitskiller – und damit
arant für eine sachliche Auseinandersetzung.
Wir haben zusammen beraten, zusammen beschlossen
nd zusammen abgestimmt. Ich möchte mich deshalb an
ieser Stelle ausdrücklich bei den Kolleginnen und Kol-
egen der anderen Fraktionen sowie dem Bundesministe-
ium der Finanzen für die sachliche und konstruktive Zu-
ammenarbeit bedanken. Es kommt nicht oft vor, dass
an dazu Gelegenheit hat.
Gemeinsam haben wir versucht, den Anliegen aller
on dem Gesetzentwurf Betroffenen gerecht zu werden.
er Finanzstandort Deutschland sollte gestärkt, der
chutz der Anleger gewährleistet und die Arbeitsplätze
m Bankengewerbe sollten gesichert werden. Der vorlie-
ende Gesetzentwurf wird meines Erachtens all diesen
nforderungen gerecht.
Der Finanzstandort Deutschland wird gestärkt, indem
ir die Rückabwicklung von Derivatengeschäften ein-
chränken. Diese Möglichkeit bestand ohnehin nur auf
em Papier und wäre in der Praxis für die Unternehmen
aum zu bewerkstelligen. Die Konsequenz wäre gewe-
en: Die Unternehmen hätten ihre Produkte in den Län-
ern angeboten, in denen es diese Pflicht nicht gibt.
urch diese Entscheidung wird nicht die Position der
nleger geschwächt, sondern Rechtsklarheit geschaffen.
uch in Zukunft sind Anleger gegen falsche Angaben in
rospekten geschützt. Nur die Möglichkeit des Wider-
ufs nach Lieferung der Wertpapiere gibt es jetzt ein-
eutig nicht. Dafür gibt es jetzt aber Rechtssicherheit
nd -klarheit bei allen Beteiligten.
Die FDP begrüßt, dass es künftig nur noch eine für
ie Prüfung von Wertpapierprospekten zuständige Stelle
ibt. Damit wurde der bestehende Kompetenzwirrwarr
ei der Prüfung von Verkaufsprospekten einerseits und
er Börsenzulassungsprospekte andererseits abgeschafft.
ünftig gibt es nicht mehr sieben oder mehr zuständige
tellen, sondern nur noch eine: die Bundesanstalt für
inanzdienstleistungsaufsicht. Das schafft Transparenz
nd damit Vertrauen bei Anlegern und Emittenten. Wir
eisten damit auch einen Beitrag zum Bürokratieabbau.
Ein weiterer Beitrag zu einem verbesserten Anleger-
chutz ist die Beschränkung der Gültigkeit von Wertpa-
ierprospekten auf ein Jahr. Damit ist die Aktualität der
ngaben gewährleistet. Die Anleger können damit bei
hrer Investitionsentscheidung auf aktuelle Angaben zu-
ückgreifen. Sie haben durch die Einführung der Einjah-
esfrist die Gewährleistung, dass die Informationen in
em Prospekt aktuell sind und der Realität entsprechen.
Gemeinsam haben wir heute den Finanzstandort
eutschland gestärkt, ohne die Position der Anleger zu
chwächen. Wir haben damit nicht nur Rechtsklarheit
nd -sicherheit geschaffen, sondern auch Arbeitsplätze
16198 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
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im Finanzgewerbe gesichert. Gemeinsam haben wir
heute dazu beigetragen, den Finanzstandort Deutschland
fit zu machen, fit für die Zukunft, fit für Europa, fit für
den internationalen Wettbewerb.
Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim
Bundesminister der Finanzen: Beginnen möchte ich mit
einem Dank an die Berichterstatter für die von ihnen ge-
leistete gute Arbeit.
Fraktionsübergreifend ist ein solider und fundierter
Regierungsentwurf im Detail ausgeformt worden. Mei-
nen Dank möchte ich auch den Mitgliedern der Aus-
schüsse für ihre konstruktive Mitarbeit aussprechen. Die
einvernehmlichen und fraktionsübergreifenden Be-
schlussempfehlungen zeigen, dass wir ein gemeinsames
Ziel verfolgen: die Stärkung des Finanzplatzes Deutsch-
land.
Zu den Kernpunkten des Prospektrichtlinie-Umset-
zungsgesetzes:
Erstens. EU-Pass für Prospekte. Das Prospektrichtli-
nie-Umsetzungsgesetz wird mit Fug und Recht als Mei-
lenstein auf dem Weg zur Vollendung des europäischen
Binnenmarktes im Wertpapierbereich bezeichnet. Der
Grund hierfür liegt in Folgendem:
Ab 1. Juli 2005 werden wir erstmalig einen echten
EU-Pass für Wertpapierprospekte haben. Deutsche Emit-
tenten werden nach der Genehmigung ihrer Prospekte
durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsauf-
sicht, BaFin, ihre Prospekte für den europaweiten Ver-
trieb ihrer Wertpapiere nutzen. Der mühselige Gang zu
einer Vielzahl von Prospektprüfungsstellen gehört damit
der Vergangenheit an. Deutsche Anleger werden aus ei-
ner Vielzahl in- und ausländischer Produkte das für sie
geeignete Wertpapier auswählen können.
Zweitens. BaFin als zentrale Prospektprüfungsstelle.
Ab 1. Juli 2005 wird es nur einen einheitlichen Wertpa-
pierprospekt geben. Für die Prüfung dieses Wertpapier-
prospekts wird allein die BaFin zuständig sein. Die bis-
herige Zersplitterung der Zuständigkeiten für die
Prüfung der Verkaufsprospekte, bisher BaFin, und der
Börsenzulassungsprospekte, bisher Börsenzulassungs-
stelle, entfällt.
Die Vorbereitungen in der BaFin auf diese neue Auf-
gabe sind auf einem guten Weg. Eine neue Gruppe
„Prospekt“ ist seit dem 1. Januar dieses Jahres eingerich-
tet worden. Die BaFin wird kurzfristig noch erfahrene
Fachkräfte zur Verstärkung gewinnen. Die Kontakte mit
den Emittenten – aber auch mit den Börsenzulassungs-
stellen – werden gepflegt, um einen reibungslosen Über-
gang zu gewährleisten.
Drittens. Beschlussempfehlung des federführenden
Finanzausschusses: Entscheidende Verbesserung beim
Sprachenregime. Im Zuge der Berichterstattergespräche
ist das neue Wertpapierprospektgesetz weiter verbessert
worden. Bei der Sprache des Prospekts hat der Finanz-
ausschuss ein klares Zeichen gesetzt: Bei grenzüber-
schreitenden Emissionen können die Emittenten frei
wählen, ob sie den Prospekt in Deutsch oder in einer in
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ternationalen Finanzkreisen gebräuchlichen Sprache
also Englisch – erstellen wollen. Sie können sich nun-
ehr sicher sein, dass die BaFin auch einen englisch-
prachigen Prospekt prüft. Diese Entscheidung ist nicht
das Ermessen der BaFin gestellt. Dies erhöht die Pla-
ungssicherheit für die Emittenten. Eine kostspielige
oppelerstellung des Prospekts in Deutsch und Englisch
rübrigt sich. Diese im Finanzausschuss einvernehmlich
orgenommene Änderung erhöht die internationale At-
aktivität des Finanzplatzes Deutschland.
Die Erleichterung für Emittenten geht einher mit ei-
er Sicherstellung des Anlegerschutzes. Denn ein Pros-
ekt in englischer Sprache muss immer eine Überset-
ung der Zusammenfassung in Deutsch enthalten.
Ziel ist die fraktionsübergreifende Verabschiedung
es Gesetzentwurfs entsprechend der Beschlussempfeh-
ng der Ausschüsse. Ich hoffe daher, dass der Bundes-
g diesen Gesetzentwurf der Bundesregierung frak-
onsübergreifend verabschieden wird. Damit dürfte
eutschland zu den ersten Ländern in der EU zählen,
eren Parlamente diese entscheidende EU-Richtlinie
ebilligt haben. Ein zeitgerechtes In-Kraft-Treten des
rospektrichtlinie-Umsetzungsgesetzes erhöht die At-
aktivität des Finanzplatzes Deutschland und gibt den
mittenten – wie bereits ausgeführt – die benötigte Pla-
ungssicherheit.
Emittenten von Schuldverschreibungen ab 1 000 Euro
nd Derivaten haben künftig ein Wahlrecht, in welchem
itgliedstaat der Europäischen Union sie ihren Prospekt
enehmigen lassen wollen. Unsere Mitbewerber stehen
benfalls in den Startlöchern. Deshalb möchte ich bereits
eute die Bitte an die Adresse des Bundesrates richten,
seiner Sitzung am 27. Mai seine Zustimmung zum
esetz zu geben.
nlage 6
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Entwurfs eines Neunten Ge-
setzes zur Änderung des Wohngeldgesetzes (Ta-
gesordnungspunkt 13)
Wolfgang Spanier (SPD): Wir entscheiden heute
ber das Neunte Gesetz zur Änderung des Wohngeldge-
etzes. Wir regeln damit die wohngeldrechtliche Ein-
ommensermittlung von Heimbewohnern, die Sozial-
ilfe als Hilfe in besonderen Lebenslagen nach dem
undessozialhilfegesetz erhalten haben.
Der Wille des Gesetzgebers war es 1999, dass die
ilfe in besonderen Lebenslagen bei der Berechnung des
ohngeldes als Einkommen angerechnet wird. Das
undesverwaltungsgericht hat im Jahre 2004 in einem
rteil festgestellt, das diese Regelung in der Wohngeld-
erordnung nicht durch eine Ermächtigung im Wohn-
eldgesetz gedeckt gewesen ist. Diese Klarstellung er-
olgt nun mit dieser Gesetzesänderung. Das Gesetz
egelt dies rückwirkend für die Jahre 2001 bis 2004. Die
echtliche Möglichkeit der Rückwirkung wird in der Be-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16199
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gründung des Gesetzes ausführlich erläutert. Wir gehen
davon aus, dass diese Begründung stichhaltig ist.
Ich habe bereits in der ersten Lesung des Gesetzes
ausführlich erläutert, dass durch die bisher angewandte
Berechnungspraxis die Betroffenen nicht schlechter ge-
stellt und damit nicht benachteiligt werden. Zunächst
wird der Bedarf festgestellt. Die Leistungen von Hilfe in
besonderen Lebenslagen und von Wohngeld verhalten
sich zueinander wie zwei kommunizierende Röhren.
Grundsätzlich steigt oder fällt nämlich die Hilfe in be-
sonderen Lebenslagen im gleichem Maße, wie das
Wohngeld fällt oder steigt. Für die betroffenen Men-
schen, die Hilfe in besonderen Lebenslagen bekommen,
ist also durch die bisherige Praxis der Einkommenser-
mittlung, die übrigens von Bund und Ländern gleicher-
maßen akzeptiert worden ist, kein finanzieller Nachteil
entstanden. Sollte dies in Ausnahmefällen dennoch der
Fall sein, sieht der jetzige Gesetzentwurf einen Nach-
teilsausgleich vor.
Ein finanzieller Nachteil entsteht aber nur in ganz
speziellen Fällen, deren Zahl sehr gering sein dürfte,
deshalb werden die Mehrausgaben auch nur auf bis zu
75 Millionen Euro geschätzt, die dann von Bund und
Ländern je zur Hälfte zu tragen sind. Ein solcher Fall
kann vorliegen, wenn zum Beispiel ein unterhaltspflich-
tiges Kind die Sozialhilfezahlungen für die Mutter, die
im Heim lebt, in voller Höhe selbst übernommen hat.
Dann hat dieser Unterhaltspflichtige zu viel gezahlt, weil
das Wohngeld zu gering berechnet wurde. Diese Diffe-
renz müsste dem Unterhaltspflichtigen erstattet werden.
Wäre die Gesetzesänderung nicht rückwirkend, würden
auf Bund und Länder etwa 800 Millionen Euro an Mehr-
kosten zukommen, die sich Bund und Länder je zur
Hälfte teilen müssten. Für die betroffenen Heimbewoh-
ner ergäbe sich rückwirkend keine Änderung.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 18. Februar
beschlossen, gegen den Gesetzentwurf keine Einwände
zu erheben. Dem Ausschuss für Verkehr, Bau- und Woh-
nungswesen liegt eine Stellungnahme der Bundesverei-
nigung der kommunalen Spitzenverbände vor. Darin
wird der Gesetzentwurf abgelehnt. Die kommunalen
Spitzenverbände sehen im Gesetz eine ungerechtfertigte
Verschiebung der Finanzierungslast auf die Kommunen
als Sozialhilfeträger. Es geht aber nicht um eine Mehrbe-
lastung der Kommunen, sondern darum, dass die Betrof-
fenen wie auch die Sozialhilfeträger nicht mit Erstat-
tungsansprüchen rechnen konnten. In einheitlicher
Auslegung und Praxis wurde eben die Hilfe zum Le-
bensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz in be-
stimmtem Umfang als wohngeldrechtliches Einkommen
angerechnet. Die kommunalen Spitzenverbände argu-
mentieren, dass der Wille des Gesetzgebers fraglich sei.
Der Wille des Gesetzgebers war und ist klar, der ur-
sprüngliche Wille wird im Gesetz eindeutig klargestellt.
Es wird auch die Rückwirkung des Gesetzes infrage ge-
stellt. Ich habe bereits darauf verwiesen, dass dieses im
Gesetz sehr eingehend begründet wird.
Ich fasse zusammen: Aus den genannten Gründen
konnten wir den Einwänden der kommunalen Spitzen-
verbände nicht folgen. Der Fachausschuss hat mit den
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timmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP
em Gesetzentwurf zugestimmt. Ich bitte Sie, auch in
er abschließenden Lesung im Deutschen Bundestag,
ieses Gesetz zu verabschieden.
Gero Storjohann (CDU/CSU): Entgegen dem fach-
ichen Rat vieler Experten soll heute das Neunte Gesetz
ur Änderung des Wohngeldgesetzes verabschiedet wer-
en. Damit soll ein Fehler in der Gesetzgebung von Rot-
rün beseitigt werden. Die Bundesregierung will durch
en vorliegenden Gesetzentwurf für 2001 bis 2004 rück-
irkend für das Wohngeld die Einkommensermittlung
on Heimbewohnern regeln. Dabei geht es um Heimbe-
ohner, die Hilfe in besonderen Lebenslagen nach dem
undessozialhilfegesetz erhalten haben. Das Bundesver-
altungsgericht hat nämlich in einem Urteil vom 11. De-
ember 2003 festgestellt, dass diese in den Jahren 2001
is 2004 gewährte Hilfe in besonderen Lebenslagen
ach dem Bundessozialhilfegesetz wohngeldrechtlich
ein Einkommen ist. Genau dies aber wurde durch die
999 beschlossene Änderung des Wohngeldgesetzes so
eregelt.
Ähnlich wie aktuell bei der Besteuerung von Reise-
obilen hat Rot-Grün damals nicht zu Ende gedacht.
ir haben es also wieder einmal mit handwerklichen
ehlern und Gesetzespfusch von Rot-Grün zu tun. Diese
nzulänglichkeiten sollen nun durch den vorliegenden
esetzentwurf wieder behoben werden,
Das Schlimme daran ist, dass dies auf dem Rücken der
ommunen geschehen soll; denn durch den Gesetzent-
urf kämen erhebliche finanzielle Belastungen auf die
ommunen zu. Diese sind die Träger der Sozialhilfe. Ih-
en standen nach dem Gesetzentwurf von 1999 erwartete
ohngeldmehrausgaben für Bund und Länder in Höhe
on 800 Millionen Euro zu. Dieses Geld sollten die
ommunen größtenteils über Erstattungsansprüche und
bergeleitete Ansprüche erhalten. Diese den Kommunen
ustehende Rechtsposition soll durch den vorliegenden
esetzentwurf ausgeschlossen werden. Die vom Bundes-
erwaltungsgericht festgestellte eindeutige Rechtssitua-
ion würde damit zulasten der Sozialhilfeträger geändert
erden. Bund und Länder, die für das Wohngeld zustän-
ig sind, würden sich von ihrer Verpflichtung zur Leis-
ung entlasten. Genau diese Leistungsverpflichtung ist
edoch vom Bundesverwaltungsgericht festgestellt wor-
en.
Im Ergebnis bedeutet der vorliegende Gesetzentwurf
ine ungerechtfertigte Verschiebung der Finanzierungs-
ast von Bund und Ländern auf die Kommunen. Die
DU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag lehnt den
esetzentwurf daher entschieden ab!
Ein weiterer Grund für unsere Ablehnung ist die im
esetzentwurf vorgesehene echte Rückwirkung. Als Ar-
ument für diese Rückwirkung führt die Bundesregie-
ung in der Begründung des Gesetzentwurfes aus, dass
in Vertrauensschutz nicht gegeben sei. Die betroffenen
ohngeldempfänger hätten nicht damit rechnen können,
öhere Wohngeldansprüche zu haben. Das sei vor dem
rteil des Bundesverwaltungsgerichts einhellige Geset-
esauslegung und Praxis gewesen. Die Rückwirkung sei
16200 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
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daher zulässig. Tatsächlich hat es jedoch bereits 2002
zahlreiche Widersprüche gegen die Anrechnung der
Hilfe in besonderen Lebenslagen gegeben. Diese Wider-
sprüche bezogen sich auf die damalige Verwaltungspra-
xis. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erfolgte
jedoch erst im Dezember 2003. Schon lange zeitlich da-
vor haben also die betroffenen Empfänger aufgrund des
Gesetzeswortlauts mit höheren Wohngeldansprüchen ge-
rechnet. Das notwendige Vertrauen in den Fortbestand
der jetzt existierenden gesetzlichen Regelung liegt nach
Auffassung unserer Fraktion daher hier vor. Das Rechts-
staatsprinzip sieht ein Verbot rückwirkender Gesetze
vor. Dieses Verbot ist nach Auffassung der CDU/CSU-
Bundestagsfraktion aufgrund des Vertrauensschutzes
hier gegeben. Auch deswegen lehnen wir Ihren Gesetz-
entwurf ab!
Ihr Gesetzentwurf sieht einen Nachteilsausgleich für
die betroffenen Empfänger der Hilfe in besonderen Le-
benslagen und private Dritte vor. Dieser mit Rücksicht
auf das Rückwirkungsverbot vorgesehene Nachteilsaus-
gleich ist jedoch überhaupt nicht ausreichend. Warum ist
dies so? Die Empfänger von Hilfe in besonderen Le-
benslagen wurden durch die fehlerhafte Einkommensbe-
rechnung vielfach nicht benachteiligt. Die an sie ausge-
zahlten niedrigeren Wohngeldzahlungen wurden durch
entsprechend höhere Leistungen der Hilfe in besonderen
Lebenslagen ausgeglichen. Insofern sind von der rück-
wirkenden Gesetzesänderung im Wesentlichen die Sozial-
hilfeträger betroffen. Im Gesetzentwurf ist in diesem Zu-
sammenhang von den „Trägern öffentlicher Aufgaben“
die Rede. Das klingt schön und gut. Jedoch wird hier-
durch die unterschiedliche Verantwortung für die Finan-
zierung von Wohngeld und Sozialhilfeleistungen nicht
beachtet. Durch den Gesetzentwurf werden die Kommu-
nen belastet, die Haushalte von Bund und Ländern je-
doch entlastet.
Fazit: Der vorliegende Gesetzentwurf belastet durch,
seine Rückwirkung die Kommunen als Träger der So-
zialhilfe. Er belastet die Empfänger der Hilfe in beson-
deren Lebenslagen. Und er belastet private Dritte. Für
alle Genannten werden bereits erlangte Rechtspositionen
infrage gestellt. Alle sind von der Rückwirkung des Ge-
setzes daher nachteilig betroffen. Die CDU/CSU-Frak-
tion im Deutschen Bundestag wird den Gesetzentwurf
der Bundesregierung zur Änderung des Wohngeldgeset-
zes daher ablehnen.
Renate Blank (CDU/CSU): Wohngeld dient der
wirtschaftlichen Sicherung von angemessenem und fa-
miliengerechtem Wohnen und ist ein vom Bund und den
Ländern getragener Zuschuss zu den Aufwendungen für
Wohnraum und soll all jenen Bürgerinnen und Bürgern
helfen, deren Einkommen nicht ausreicht, um die Kosten
einer angemessenen Wohnung zu tragen.
Die verfehlte Steuer- und Arbeitsmarktpolitik der
Bundesregierung hat dazu geführt, dass leider immer
mehr Menschen in Deutschland auf Wohngeld angewie-
sen sind! Zur Erinnerung: Der vorliegende Gesetzent-
wurf ist durch ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
veranlasst und stellt einen herben Schlag gegen die
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chlampige, handwerklich fehlerhafte und inhaltlich un-
erechte Sozialgesetzgebung der Bundesregierung dar.
Diesen Hintergrund muss man im Auge haben, wenn
ir heute in zweiter und dritter Lesung den Gesetzent-
urf der Bundesregierung zur Änderung des Wohngeld-
esetzes abschließend beraten.
Für mich ist der Entwurf der Bundesregierung ein
usterbeispiel für sture rot-grüne Politik nach dem
otto „Augen zu und durch“! Das Gesetz sei lediglich
ine „Klarstellung aufgrund des Urteils des Bundesver-
altungsgerichts“, so der SPD-Kollege Spanier bei der
rsten Lesung im März. Ich sehe darin keine Klarstel-
ung, sondern nur das Verschleiern der Absicht, dass
ot-Grün ganz unverhohlen auf Kosten der Sozialhilfe-
räger sparen will! Die rückwirkende Gesetzesänderung
ntlastet den Haushalt von Bund und Ländern auf Kos-
en der Sozialhilfeträger, also zulasten der Kommunen.
Die gemeinsame Stellungnahme der kommunalen
pitzenverbände, also des Deutschen Städtetages, Deut-
chen Landkreistages und des Deutschen Städte- und
emeindebundes, spricht eine deutliche Sprache. Auch
ie zuständigen Bundesratsausschüsse hatten schwerste
edenken, auch wenn die Regierungskoalition dies
erne verschweigen würde.
Die in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bun-
esregierung vertretene Auffassung, wonach sich die So-
ialhilfeträger als Träger öffentlicher Aufgaben auf Ver-
rauensschutz und insoweit auf das Rückwirkungsverbot
icht berufen können, ist ebenfalls höchst problematisch,
eil sie die unterschiedliche Finanzierungsverantwor-
ung für das Wohngeld und die Leistungen der Sozial-
ilfe nicht berücksichtigt.
Im Vermittlungsausschuss zu Hartz IV hatten sich
und und Länder darauf verständigt, dass die Kommu-
en durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und
ozialhilfe insgesamt um rund 2,5 Milliarden Euro ent-
astet werden sollten. Im Wesentlichen sollte diese Ent-
astung aus den Einsparungen resultieren, die die Länder
urch die Einführung von Hartz IV beim Wohngeld ha-
en würden, rund 2 Milliarden Euro. Es war vereinbart
orden, dass Entlastungen vollständig an die Kommu-
en weitergegeben werden sollten.
Dieser Gesetzentwurf sieht jedoch keinen Ausgleich
ür die Sozialhilfeträger, also insbesondere die Kommu-
en, vor, wenn ihnen durch das Urteil finanzielle Nach-
eile entstehen. Die Frage, ob dies nicht gegen das ver-
assungsrechtliche Rückwirkungsverbot, also gegen das
echtsstaatsprinzip des Grundgesetzes, verstößt, bleibt
ngeklärt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat – eng am Wortlaut
es Wohngeldgesetzes orientiert – festgestellt, dass § 10
ohngeldgesetz nur zulässt, die Leistungen der laufen-
en Hilfe zum Lebensunterhalt auf den Wohngeldan-
pruch anzurechnen, nicht aber auch den Anteil zum Le-
ensunterhalt, der in der sozialrechtlichen Hilfe zum
ebensunterhalt in besonderen Lagen enthalten ist.
Solche Fehler dürfen dem Gesetzgeber nicht unterlau-
en! Zu oft – auch bei anderen Gesetzen – vertraut die
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16201
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Bundesregierung darauf, dass die Praxis schon mit den
Gesetzen umzugehen wisse, frei nach dem Motto, es sei
ja bekannt, was mit den Gesetzen gemeint ist. Diese ty-
pisch rot-grüne Vorgehensweise hält oft rechtsstaatli-
chen Nachprüfungen nicht stand.
Es ist auch merkwürdig, in der Gesetzesbegründung
davon zu sprechen, das Urteil des Bundesverwaltungs-
gerichts stelle sich für die Betroffenen als überraschende
Entscheidung dar, weswegen sie eigentlich gar keinen
Vertrauensschutz genießen würden. Ein merkwürdiges
Verständnis!
Die Bundesregierung trägt mit ihrem Vorschlag je-
denfalls die Verantwortung für mögliche weitere juristi-
sche Auseinandersetzungen. Das Ende finanzieller Risi-
ken für die Haushalte von Bund und Ländern aus dem
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezem-
ber 2003 wird damit nicht erreicht. Aufgrund des Urteils
hätten die Sozialhilfeträger quasi einen erheblichen Er-
stattungsanspruch für zu viel gezahlte Leistungen, die ei-
gentlich durch das Wohngeld getragen werden müssten.
Der Gesetzentwurf geht von circa 800 Millionen Euro
aus, die durch das Gesetz nun auf circa 75 Millionen
Euro reduziert werden sollen.
Fazit: Dieses Gesetz ist und bleibt unausgegoren!
Vor der Bundestagswahl 1998 hieß es bei Schröder:
„Wir werden nicht alles anders machen, aber vieles bes-
ser“. Heute müssen wir erneut feststellen: Es wurde vie-
les anders, aber nichts besser.
Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Ich möchte gleich zu Anfang der Diskussion
deutlich machen, dass es sich bei der vorgeschlagenen
Änderung des Wohngeldgesetzes um nichts anderes als
eine gesetzliche Klarstellung handelt. Wir beabsichtigen
weder, neue gesetzliche Tatbestände einzuführen, wie
gelegentlich bei der Debatte behauptet wird, noch betrei-
ben wir eine wirtschaftliche Schlechterstellung der Be-
troffenen. Lassen Sie mich kurz erläutern, warum.
Das Bundesverwaltungsgericht hat am 11. Dezember
2003 entschieden, dass die den Heimbewohnern ge-
währte Hilfe in besonderen Lebenslagen, HbL, nach der
Wohngeldreform 2001 wohngeldrechtlich nicht dem
Einkommen zuzurechnen ist. Ebendies war aber die ur-
sprüngliche Absicht des Gesetzgebers gewesen. Es ent-
spricht übrigens auch der bis Ende 2000 geltenden
Rechtslage und der Vollzugspraxis in Bund und Län-
dern.
Mit dem Gesetzentwurf soll nun für die Zeit vom
1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2004 die Einkom-
mensermittlung für Heimbewohner, die Hilfe in besonde-
ren Lebenslagen empfangen, rückwirkend neu geregelt
werden; neu in dem Sinne, dass damit der Rechtszustand,
wie er vor der Wohngeldänderung des Jahres 2001 be-
stand, wiederhergestellt wird. Es handelt sich also um
eine Klarstellung im Sinne der ursprünglichen Intention
des Gesetzgebers.
Ich glaube, es ist absolut gerechtfertigt, neben der
Rente auch den für den Lebensunterhalt bestimmten An-
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eil der Hilfe in besonderen Lebenslagen zum Jahresein-
ommen zuzurechnen und auf dieser Grundlage über
en Wohngeldanspruch zu entscheiden. Täten wir dies
icht, käme es zu einer Gerechtigkeitslücke gegenüber
nderen potenziellen Wohngeldempfängern, die keine
ilfe in besonderen Lebenslagen empfangen. Ich denke,
ir haben ausreichend Vorsorge getroffen, dass die Be-
roffenen wirtschaftlich nicht schlechter gestellt werden
ls vorher. Bereits in der Vergangenheit führte der Bezug
ines höheren Wohngeldes zu einer anteiligen Kürzung
er Hilfe in besonderen Lebenslagen. Die Betroffenen
atten also in der Regel keine finanziellen Vorteile. Und
ür die wenigen Ausnahmen von der Regel sieht der Ge-
etzentwurf einen Nachteilsausgleich vor.
Die Fraktion der CDU/CSU hat nun angekündigt,
em Gesetzentwurf nicht zustimmen zu wollen. Als Be-
ründung soll die beabsichtigte Rückwirkung des Geset-
es herhalten. Nun will ich Ihnen sagen, was passiert,
enn wir auf die Rückwirkung verzichten. Dann sind
ämlich für die Gruppe der Heimbewohner, die zwi-
chen 2001 und 2004 Wohngeld bezogen haben, nach-
räglich Wohngeldmehrausgaben in Höhe von bis zu
00 Millionen Euro zu erwarten. Diese Mehrausgaben
ind von Bund und Ländern zu tragen. Sehr verehrte
ollegen von der CDU/CSU-Fraktion, ich glaube nicht,
ass die Länder von Ihrer Position allzu erfreut sein
ürften.
Kritik kommt von den kommunalen Spitzenverbän-
en. Diese beklagen, dass Bund und Länder ihren Finan-
ierungsanteil für das Wohngeld auf die Kommunen als
ozialhilfeträger abwälzen wollen. Dem ist natürlich
icht so. Es entsteht eben keine neue Belastung der Sozial-
ilfeträger. Es geht lediglich darum, dass Erstattungsan-
prüche aus der Vergangenheit nicht mehr durchgesetzt
erden können. Das ist schon ein großer Unterschied.
Ich komme zum Schluss. Der Gesetzentwurf in der
orliegenden Form ist notwendig und sachgerecht. Ich
itte um Ihre Zustimmung.
Joachim Günther (Plauen) (FDP): Zum wieder-
olten Mal behandeln wir die Änderung des Wohngeld-
esetzes. Nachdem bereits im Ausschuss eine gemein-
ame Beschlussfassung herbeigeführt wurde, möchte ich
ur noch einmal auf die Schwerpunkte des Wertegangs
inweisen.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist durch ein Urteil
es Bundesverwaltungsgerichts veranlasst, das einen
erben Schlag gegen die schlampige und inhaltlich
ngerechte Sozialgesetzgebung der Bundesregierung
arstellt. Der vorliegende Gesetzentwurf greift die An-
eisungen und Klarstellungen des Bundesverwaltungs-
erichts auf und setzt sie um. Die FDP kann sich diesen
msetzungen und Klarstellungen anschließen. Die Re-
ierung trägt dabei die Verantwortung für die entstan-
ene Rechtsunsicherheit und die durch die notwendigen
orrekturen im Wohngeldgesetz anfallenden Mehrkos-
n in den öffentlichen Haushalten.
Handwerkliche Fehler der Bundesregierung führten
azu, dass nun aufgrund eines Urteils des Bundesver-
altungsgerichts wohngeldrechtliche Vorschriften, die
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das Verhältnis zu Ansprüchen aus der Sozialhilfe regeln,
geändert werden sollen, und das sogar rückwirkend für
die Jahre 2001 bis 2004.
Das Bundesverwaltungsgericht hat – eng am Wortlaut
des Wohngeldgesetzes orientiert – festgestellt, dass § 10
Wohngeldgesetz nur zulässt, die Leistungen der laufen-
den Hilfe zum Lebensunterhalt auf den Wohngeldan-
spruch anzurechnen, nicht aber auch den Anteil zum Le-
bensunterhalt, der in der sozialrechtlichen Hilfe zum
Lebensunterhalt in besonderen Lagen enthalten ist. Sol-
che Fehler dürfen dem Gesetzgeber nicht unterlaufen.
Zu oft – auch bei anderen Gesetzen – vertraut die Bun-
desregierung darauf, dass die Praxis schon mit den Ge-
setzen umzugehen wisse, es sei ja bekannt, was mit den
Gesetzen gemeint sei. Diese Vorgehensweise hält rechts-
staatlichen Nachprüfungen nicht stand.
Die FDP stimmt mit der Auslegung des Bundesver-
waltungsgerichts überein. Die FDP trägt das ursprüngli-
che Ziel des Wohngeldgesetzes und des nun vorliegen-
den Gesetzentwurfes mit, das Wohngeldgesetz so zu
fassen, dass Einnahmen, die zum Lebensunterhalt zur
Verfügung stehen, auch als Grundlage bei der Ermittlung
des Anspruches auf Wohngeld zu berücksichtigen sind.
Auch der Anteil der Hilfe in besonderen Lebenslagen,
der für den Lebensunterhalt bestimmt ist, muss dann
konsequenterweise auf zusätzliche wohngeldrechtliche
Ansprüche angerechnet werden.
Es ist nicht richtig, dass Menschen, die bereits in wirt-
schaftlicher Bedrängnis sind, für ihr geringes selbst er-
wirtschaftetes Einkommen nach der bestehenden Geset-
zeslage auch noch bestraft werden sollen. Die FDP
stimmt deshalb dem Urteil des Bundesverwaltungsge-
richts und dessen Umsetzung im vorliegenden Gesetz-
entwurf auch dahin gehend zu, dass Einnahmen des An-
spruchsberechtigten, die bereits bei der Berechnung der
Hilfe in besonderen Lebenslagen berücksichtigt wurden,
nicht noch einmal bei der Bemessung des Wohngeldes
– für Fälle der Pauschalierung nach § 8 Wohngeld-
gesetz – angesetzt werden dürfen.
Problematisch ist schließlich die so genannte echte
Rückwirkung der angestrebten Regelungen, weil sie in
die Wohngeldansprüche nach § 44 SGB X eingreift, die
mit Wirkung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts
vom 11. Dezember 2003 bestehen. Die Nachteilsaus-
gleichsklausel in § 40 Abs. 5 des Gesetzentwurfs zielt
darauf ab, Schaden von Betroffenen abzuwenden. Dies
beseitigt hoffentlich wirklich alle finanziellen Einbußen
der Betroffenen. Nicht beseitigen kann diese Klausel die
entstandene Rechtsunsicherheit und den entstehenden
Verwaltungsaufwand.
Es ist zynisch, in der Gesetzesbegründung davon zu
sprechen, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts
stelle sich für die Betroffenen als überraschende Ent-
scheidung dar, weswegen sie eigentlich gar keinen Ver-
trauensschutz genießen würden. Wer den Rechtsweg bis
zu den obersten Bundesgerichten beschreitet in dem
Glauben, dort Recht zu erhalten, ist wohl kaum über-
rascht, wenn seiner Klage schließlich stattgegeben wird.
Rechtsstaatlichkeit kann nicht mit dem Hinweis darauf
abgetan werden, dass die Wohngeldstellen nach Rück-
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prache mit dem Ministerium für Verkehr, Bau- und
ohnungswesen und den Ländern den vom Urteil be-
roffenen Personen, die nun einen Antrag auf Korrektur
rüherer Bescheide stellten, mitgeteilt haben, sie würden
ie Berichtigung der früheren Bescheide nun erst einmal
inten anstellen.
Insgesamt bleibt offen, welche Mehrkosten den öf-
entlichen Haushalten durch die fehlerhafte Gesetzge-
ung entstehen werden. Die im Gesetzentwurf enthalte-
en Korrekturen sind jedenfalls notwendig, um
echtliche Klarheit und soziale Gerechtigkeit wiederher-
ustellen. Dass dies erst wieder durch ein Urteil eines
undesgerichts veranlasst wird, wirft ein schlechtes Bild
uf diese Bundesregierung.
Iris Gleicke, Parlamentarische Staatssekretärin
eim Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungs-
esen: Der Regierungsentwurf regelt für das Wohngeld
ie Einkommensermittlung von Heimbewohnern, die
ozialhilfe als Hilfe in besonderen Lebenslagen erhalten
aben. Die Regelungen sollen rückwirkend für die Jahre
001 bis 2004 gelten. Ab 2005 stellt sich das Problem
icht mehr. Nach den Hartz-IV-Reformen sind Heimbe-
ohner, die Sozialhilfe erhalten, regelmäßig vom Wohn-
eld ausgeschlossen, weil ihre angemessenen Unter-
unftskosten durch die Sozialhilfe berücksichtigt
erden.
Anlass für den Gesetzentwurf ist ein im April 2004
ugestelltes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom
1. Dezember 2003, das sich auf die Gesetzgebung des
ahres 1999 bezieht.
Der Gesetzgeber hat im Jahr 1999 das Wohngeldrecht
it Wirkung zum 1. Januar 2001 geändert. Er wollte,
ass bei Heimbewohnern nach wie vor der für den Le-
ensunterhalt bestimmte Anteil der Hilfe in besonderen
ebenslagen dem wohngeldrechtlichen Einkommen zu-
erechnet wird.
Der für den Lebensunterhalt anzusetzende Anteil war
is 2004 durch einen Pauschalsatz in der Wohngeldver-
rdnung bestimmt. Es war zwischen Bund, Ländern und
en ausführenden Gemeinden unstreitig und einhellige
ollzugspraxis, dass dementsprechend die den Heimbe-
ohnern gewährte Hilfe in besonderen Lebenslagen als
inkommen bei der Berechnung des Wohngeldes zu be-
ücksichtigen war.
Völlig überraschend und im Gegensatz zur Vorinstanz
at das Bundesverwaltungsgericht dieser Praxis für die
ahre 2001 bis 2004 den Boden entzogen. Nach dessen
rteil ist die Anrechnung der Hilfe nach der Änderung
es Wohngeldrechts 1999 nicht mehr durch Wohngeld-
esetz und Wohngeldverordnung gedeckt.
Der Gesetzgeber hatte aber – wie gesagt – nicht die
bsicht, der Anrechnung der Hilfe in besonderen Le-
enslagen als wohngeldrechtliches Einkommen die
rundlage zu entziehen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil
ür den Fall des gesetzgeberischen Handelns ergänzende
inweise gegeben, die eine Doppelanrechnung einzelner
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16203
(A) )
(B) )
Einkommenspositionen sowohl bei der Hilfe in besonde-
ren Lebenslagen als auch beim Wohngeld verhindern
sollen.
Der dem Bundestag vorliegende Gesetzentwurf der
Bundesregierung schließt nun die vom Bundesverwal-
tungsgericht für die Einkommensanrechnung bei Heim-
bewohnern festgestellte Regelungslücke und greift dabei
die ergänzend gegebenen Hinweise auf. Es stellt damit
den gemeinsamen Willen von Bundestag und Bundesrat
aus dem Jahr 1999 in dem vom Bundesverwaltungsge-
richt gezogenen rechtlichen Rahmen klar. Vor diesem
Hintergrund erklärt sich von selbst, dass der Bundesrat
in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf keine Ein-
wände erhoben hat. Denn er regelt, was nach dem ge-
meinsamen Willen von Bundestag und Bundesrat ohne-
hin gelten sollte.
Wichtig ist, dass die betroffenen Heimbewohner
durch den Gesetzentwurf finanziell nicht schlechter ge-
stellt werden. Hilfe in besonderen Lebenslagen und
Wohngeld verhalten sich zueinander wie zwei kommuni-
zierende Röhren. Die Hilfe in besonderen Lebenslagen
steigt oder fällt in dem gleichen Maße, wie das Wohn-
geld fällt oder steigt. Für den Ausnahmefall, dass den
Heimbewohnern oder deren Angehörigen durch diesen
Gesetzentwurf ein finanzieller Nachteil entsteht, sieht
der Gesetzentwurf vorsorglich einen Nachteilsausgleich
vor.
Der Gesetzentwurf vermeidet somit für Bund und
Länder Mehrausgaben im Wohngeld in Höhe von je-
weils mindestens 400 Millionen Euro, ohne die Heimbe-
wohner finanziell zu belasten. Der Entwurf bewirkt auch
für die Träger der Hilfe in besonderen Lebenslagen
keine zusätzliche Belastung finanzieller Art. Er schließt
lediglich die für die Träger ebenfalls unvorhergesehenen
Rückerstattungsmöglichkeiten für die Jahre 2001 bis
2004 aus.
Ohne Gesetzesänderung käme hingegen ein hoher
Verwaltungsaufwand auf die Länder zu. Für bis zu
100 000 Heimbewohner, die in den Jahren 2001 bis 2004
Wohngeld erhalten haben, müssten die Wohngeldbe-
scheide neu bearbeitet werden. Ich denke, wir sollten im
Interesse der sozialpolitischen Leistungsfähigkeit des
Wohngeldes verhindern, dass es durch derartige zusätzli-
che Lasten geschwächt wird.
Zu dem Gesetzentwurf darf ich somit feststellen:
Erstens. Er stellt den gemeinsamen Willen von Bun-
destag und Bundesrat klar, wie er sich vor dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts auch in der allgemeinen
Vollzugspraxis niedergeschlagen hat.
Zweitens. Die betroffenen Heimbewohner werden
durch den Gesetzentwurf finanziell nicht schlechter ge-
stellt Eine ohne den Entwurf erforderliche Neuberech-
nung eines dann höheren Wohngeldes würde vielmehr
zur nachträglichen Kürzung der Hilfe in besonderen Le-
benslagen führen.
Drittens. Der Gesetzentwurf vermeidet Mehrausga-
ben für Wohngeld bei Bund und Ländern in Höhe von je-
weils mindestens 400 Millionen Euro.
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Viertens. Er bewirkt für die Träger der Hilfe in beson-
eren Lebenslagen keine zusätzliche Belastung finan-
ieller Art, sondern schließt lediglich die auch für die
räger unvorhergesehenen Rückerstattungsmöglichkei-
en für 2001 bis 2004 aus.
Fünftens. Er verhindert umfangreiche, verwaltungs-
ufwendige und damit kostenträchtige Neuberechnun-
en von Wohngeld.
nlage 7
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung der Anträge:
– Konversionsregionen stärken – Verbilligte
Abgabe von zu Verteidigungszwecken nicht
mehr benötigten Liegenschaften ermögli-
chen
– Konversionsregionen stärken – Sechs-
Punkte-Plan zur Strukturpolitik
(Tagesordnungspunkt 14 a und b)
Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Von der
DU/CSU wurde der Antrag gestellt, erneut über die
eseitigung der Konversionslasten zu debattieren.
Lassen Sie mich zunächst darauf hinweisen, dass wir
ereits im Plenum des Deutschen Bundestages am
7. Dezember 2004 und darüber hinaus im Haushalts-
usschuss am 26. Januar 2005 über dieses Thema aus-
ührlich beraten haben. Ich kann daher nur Folgendes
och einmal für die SPD-Fraktion deutlich machen:
Die veränderte Sicherheitslage und die neuen sicher-
eitspolitischen Herausforderungen sowie die schwie-
ige Finanzlage, in der sich unser Land befindet, sind
ichtige Faktoren bei der Strukturierung der zukünfti-
en Bundeswehr. Aufgrund der verbesserten sicherheits-
olitischen Lage brauchen wir für Deutschland glückli-
herweise weniger Soldatinnen und Soldaten als noch
or zehn oder 15 Jahren. Diese Umfangsreduzierungen
edeuten leider auch Standortreduzierungen: 105 Stand-
rte, davon über 50 Kleinst- und Kleinstandorte, müssen
eider geschlossen werden. Für die von der Schließung
etroffenen ist diese Neustrukturierung unserer Streit-
räfte mit Härten und Einschnitten verbunden. Auch für
ie betroffenen Städte und Gemeinden – das hat leider
uch für den Bundeswehrstandort Hildesheim in meinem
ahlkreis Bedeutung – sind das schmerzliche Ein-
chnitte.
In diesem Zusammenhang ist es mir besonders wich-
g, darauf hinzuweisen, dass es für die Zivilbeschäftigten
er Bundeswehr keine betriebsbedingten Kündigungen
eben wird. Dafür bin ich dem Verteidigungsminister,
errn Dr. Peter Struck, sehr dankbar. So bedauerlich die
tandortschließungen und Verlagerungen auch sind: Es
ibt hierzu keine sinnvolle Alternative. Das war auch
chon unter den Verteidigungsministern der Union der
all. Das politische Herumwurschteln aus Mitte der
0er-Jahre hat ein Ende.
16204 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
(A) )
(B) )
Die Kriterien, jeden Standort nur bezüglich militäri-
scher und betriebswirtschaftlicher Erfordernisse zu prü-
fen, machen die Standortentscheidungen nachvollzieh-
bar und somit auch transparent. Zu den eigenen
Standortschließungen kommt erschwerend hinzu, dass
auch Änderungen bei der Stationierung der US-Streit-
kräfte zu erwarten sind. Dieser Veränderungsprozess, der
spätestens 2010 abgeschlossen sein soll, stellt die betrof-
fenen Kommunen vor Herausforderungen, die nur ge-
meinsam mit Bund und Ländern bewältigt werden kön-
nen. Dabei muss es zu einem fairen Interessenausgleich
kommen. In den zurückliegenden Jahren hat sich aber
vielfach auch gezeigt, dass Konversion nicht nur Risi-
ken, sondern auch Chancen zur Weiterentwicklung von
Kommunen beinhaltet.
Nach der föderalen Aufgabenverteilung liegt die
strukturpolitische Verantwortung für die Bewältigung
der Konversionslasten vorrangig in der Verantwortung
der betroffenen Länder und Kommunen. Der Bund hat
und wird auch künftig daran mitwirken. Im Jahr 1993
wurde der Umsatzsteueranteil der Länder um 2 Prozent-
punkte erhöht, unter anderem zur finanziellen Flankie-
rung der Folgen des Truppenabbaus. Ich darf noch ein-
mal deutlich darauf hinweisen, dass diese Mittel den
Ländern dauerhaft zur Verfügung stehen, auch nachdem
sich die Belastungen durch den Truppenabbau im Zeit-
ablauf bis jetzt verringert haben.
Es liegt nach wie vor im Interesse des Bundes, dass
die aufgegebenen Militärflächen so schnell wie möglich
einer Anschlussnutzung zugeführt werden. Dabei hat
sich eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwi-
schen Bund, Ländern und Kommunen bewährt.
Es gab an der einen oder anderen Stelle aber auch
nicht hinzunehmende Verzögerungen und Reibungsver-
luste. Daher ist es besonders wichtig, dass alle beteilig-
ten Stellen noch erfolgsorientierter, zielführender und
pragmatischer zusammenarbeiten. Der BlmA fällt hier
gerade in der Startphase eine bedeutende und entschei-
dende Rolle zu.
Der Deutsche Bundestag hat in seiner 149. Sitzung
am 17. Dezember 2004 den Antrag auf Druck-
sache 15/4520 zur Federführung an den Haushaltsaus-
schuss und zur Mitberatung an den Innenausschuss, den
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit, den Verteidigungs-
ausschuss und den Ausschuss für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen überwiesen. Die mitberatenden Aus-
schüsse haben jeweils mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen und gegen die Stimmen der Opposition emp-
fohlen, die Vorlage anzunehmen. Im federführenden
Haushaltsausschuss wurde der Antrag der Koalition in
der Sitzung vom 26. Januar 2005 abschließend beraten
und mehrheitlich empfohlen, den Antrag anzunehmen.
Am Montag dieser Woche hatte der Verteidigungs-
minister zu einem Informationsgespräch nach Bonn ein-
geladen. Bei dieser Informationsveranstaltung waren
alle kommunalen Vertreter anwesend, die von Standort-
schließungen betroffen sind. Es wurde erneut deutlich
gemacht, dass dem Bundeshaushalt außerhalb der be-
kannten Instrumente keine weiteren Haushaltsmittel zur
Verfügung gestellt werden können. Das war übrigens
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uch bei allen bisher stattgefundenen Schließungen von
undeswehrstandorten der Fall und ist nichts Neues. Im
uge der bei der Konversion in den letzten Jahren ge-
ammelten Erfahrungen haben sich diverse Verwer-
ungsmodelle in der Praxis bewährt und genau zu dem
airen Interessensausgleich geführt, den ich schon zu Be-
inn meiner Ausführungen eingefordert habe.
Ich möchte hier nur zwei dieser Modelle erwähnen:
er Bund bleibt Eigentümer, die Kommunen führen die
rschließung und Entwicklung durch. Hierzu schließt
er Bund mit den Kommunen einen städtebaulichen Ver-
rag, wonach sich der Bund maßgeblich an den Erschlie-
ungs- und Entwicklungskosten auf der Grundlage eines
bgestimmten Planungs- und Baurechts sowie entspre-
hender Kosten- und Erlösprognosen beteiligt. Hierbei
ind die bei der bisherigen Verwertung gesammelten Er-
ahrungen zu berücksichtigen und gegebenenfalls zu er-
änzen.
Bundeseigene Grundstücke, für die eine Bauleitpla-
ung aufgestellt werden muss bei denen zum Beispiel
ebäude rückgebaut oder Flächen entwickelt werden
üssen, können – wie bisher auch schon praktiziert –
ommunen oder von ihnen getragene Gesellschaften
der Treuhändern zunächst gegen eine moderate Anzah-
ung überlassen werden. Der Kaufpreis wird erst nach
eiterveräußerung ausgekehrt und ermittelt sich aus
em Weiterveräußerungserlös abzüglich einer angemes-
enen Beteiligung des Bundes an den Erschließungs-,
ntwicklung- und Folgekosten.
Länder und Kommunen können vom Bund und der
uropäischen Union mitfinanzierte Förderungsinstru-
ente einsetzen. Hierzu gehören insbesondere die Ge-
einschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt-
chaftsstruktur“, die Städtebauförderung und Mittel aus
en Europäischen Strukturfonds. Diese Hilfen standen
uch bei den bisherigen Standortschließungen und -redu-
ierungen zur Verfügung.
Im weiteren Verfahrensablauf ist ferner von besonde-
er Bedeutung, dass die von Standortreduzierungen bzw.
schließungen betroffenen Landes- und Kommunalbe-
örden so früh wie möglich über den konkreten Zeitplan,
as so genannte Feinkonzept, unterrichtet werden. Dabei
st auch auf eine schnelle Erklärung zwecks Freigabe der
ilitärflächen hinzuwirken. Dazu gehört auch, an be-
roffene Kommunen schon vor der Freigabe alle für eine
berplanung notwendigen Informationen und Unterla-
en zur Verfügung zu stellen. Ich denke dabei zum Bei-
piel an Baubestandspläne, Lagepläne und vorliegende
utachten.
Bei der Informationsveranstaltung in Bonn wurde
benfalls deutlich: die von Standortreduzierungen bzw.
schließungen betroffenen Landes- und Kommunalbe-
örden frühestmöglich über den konkreten Zeitplan,
einkonzept, zu unterrichten und auf eine schnelle Frei-
abe der Militärflächen hinzuwirken, sofern der Verkauf
iner Liegenschaft vor Planungsreife erfolgt, planungsbe-
ingte Wertsteigerungen oder -minderungen gegenüber
en bei Vertragsschluß angenommenen Nutzungsmög-
chkeiten durch Nachzahlungs- oder Erstattungsver-
flichtungen Rechnung zu tragen, auch künftig in geeig-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16205
(A) )
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neten Fällen die Baureifmachung unter anderem durch
die finanzielle Beteilung an Machbarkeitsstudien oder
Nutzungskonzepten bis hin zur Bauleitplanung zu för-
dern und sich an einzelnen Standortentwicklungsmaß-
nahmen zu beteiligen.
Zu diesen vielfältigen Maßnahmen, die sich ebenfalls
in der Vergangenheit bewährt haben, gehören auch Zah-
lungserleichterungen wie ein Hinausschieben der Kauf-
preisfälligkeit oder die zinspflichtige Stundung des
Kaufpreises auch über mehrere Jahre zu ermöglichen.
Zum Schluss meiner Ausführungen noch einige An-
merkungen zum Verhalten der Opposition in den Aus-
schüssen und hier im Hohen Haus sowie in der Öffent-
lichkeit: Die Veräußerung bundeseigener Liegenschaften
ist nur zum vollen Wert zulässig, § 63 Abs. 3 BHO. Die
Bundesregierung beabsichtigt nicht, hiervon Ausnahmen
zuzulassen. Ein Verkauf unter Wert wäre auch unter EU-
beihilferechtlichen Gesichtspunkten problematisch. Der
Bund hat bei der Verwertung der Konversionsliegen-
schaften verschiedene Verwertungsmodelle entwickelt,
die eine angemessene Chancen- und Risikoverteilung
zwischen den Beteiligten vorsehen.
In Karlsruhe Verfassungsbeschwerde gegen den
Haushalt einlegen und auf der anderen Seite auf Einnah-
men verzichten – das passt nicht zusammen und bleibt
Ihr Geheimnis. Daher bitte ich um Zustimmung zu unse-
rem Antrag, der vom federführenden Haushaltsaus-
schuss und von den mitberatenden Ausschüssen jeweils
mit der erforderlichen Mehrheit angenommen worden
ist.
Anita Schäfer (Saalstadt) CDU/CSU): Im Herbst
2004 gab der Verteidigungsminister die Schließung von
105 Standorten bis zum Jahr 2010 bekannt. 30 weitere
werden erheblich verkleinert. Die Zahl der Dienstposten
schrumpft von 339 000 auf 290 000. Dies ist Teil der
„Transformation“ der Bundeswehr – so heißt die militä-
rische Dauerreform unter Rot-Grün neuerdings. Allein
in meiner Heimat Rheinland-Pfalz gehen rund 4 400 mi-
litärische und zivile Dienststellen verloren. Neun Stand-
orte sollen komplett geschlossen, sieben weitere redu-
ziert werden. Andere Bundesländer sind noch weitaus
härter betroffen.
Die drastischen Maßnahmen der Regierung werfen
drei Probleme auf:
Erstens. Sicherheitspolitisch erschweren sie einen ef-
fektiven Heimatschutz unter Einbindung der Bundes-
wehr.
Zweitens. Gesellschaftspolitisch droht die Veranke-
rung der Bundeswehr in der Fläche und damit in der Be-
völkerung verloren zu gehen.
Drittens. Strukturpolitisch sind erhebliche Nachteile
für Länder und Kommunen zu befürchten.
Eine vorausschauende und nachhaltige Politik steht
vor einer doppelten Herausforderung: Sie muss die mili-
tärische Sicherheitsvorsorge mit den strukturpolitischen
Bedürfnissen der Länder und Kommunen in Einklang
bringen. Beides leistet die jetzige Regierung nicht. Kon-
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ersionspolitik ist eine Angelegenheit von nationaler Be-
eutung. Der Bund darf sich hier seiner Verantwortung
icht entziehen. Die Schließung bzw. Verkleinerung von
undeswehrstandorten ist vom Bund zu verantworten.
amit steht der Bund auch in der Pflicht, angemessene
usgleichsmaßnahmen für die betroffenen Regionen zu
chaffen.
Als die Damen und Herren von der SPD noch in der
pposition standen, war das auch ihre Sicht. Kein gerin-
erer als der jetzige Verteidigungsminister Peter Struck
at 1991 einen Antrag seiner Fraktion unterzeichnet, der
in umfassendes, nationales Konversionsprogramm vor-
ah, Drucksache 12/882. Damals ging es um die Folgen
er deutschen Einheit und nicht darum, aus chronischer
inanznot die Bundeswehr zu reduzieren. Sie forderten
n dem Antrag nach dem „Verursacherprinzip“ die un-
eilbare Verantwortung des Bundes für die Folgen von
asernenschließungen ein. Natürlich ist richtig: Der
erteidigungsminister ist kein Infrastrukturminister.
eine Politik hat aber wesentlichen Einfluss auf die Ent-
icklung der Infrastruktur.
Derselbe Peter Struck, der seinerzeit eine Entlastung
er Kommunen durch den Bund forderte, zeigt sich jetzt
lind gegenüber den Konsequenzen seiner radikalen
tandortmaßnahmen. Anders ist das kategorische Nein
u einer fairen Lastenteilung auf der Konversionskonfe-
enz am letzten Montag nicht zu erklären. Die Aussage
es Ministers, der Bund habe kein Konversionspro-
ramm, ist nicht nur Konzeptlosigkeit dieser Regierung.
ehr noch: Rot-Grün wälzt konsequent die strukturpoli-
ische Verantwortung für die Bewältigung der Konver-
ionsfolgen auf Länder und Kommunen ab. Die Erklä-
ung des Ministers, der Bund habe beim Verkauf der
iegenschaften keine unrealistischen Verkaufspreise vor
ugen, ist ein billiges Trostpflaster. Nur die Bereitstel-
ung der Grundstücke an die Kommunen zu verbilligten
reisen fördert die schnelle, ergebnisorientierte Konver-
ion. Das ist die grundsätzlich entscheidende Frage.
Wenn dann noch Strucks Parteikollege Kurt Beck,
inisterpräsident von Rheinland-Pfalz, über seine posi-
iven Erfahrungen nach dem Wegzug zahlreicher ameri-
anischer Truppenteile aus „seinem“ Land berichtet, ist
ie Schmerzgrenze überschritten. Ohne Zweifel: Beck
ann „Positives“ vermitteln – aber aus einer Zeit, in der
nser Land noch ein Wirtschaftswachstum und keine
ünf Millionen Arbeitslose hatte!
Die Konferenz am letzten Montag war eine geschickt
nszenierte Informationskampagne des Verteidigungsmi-
isters – mit mageren Ergebnissen. Das Thema Heimat-
chutz und der Rückzug der Bundeswehr aus der Fläche
ar nicht einmal eine Randnotiz wert. Die Konferenz
ntermauerte faktisch das Desinteresse von Rot-Grün an
en Problemen der Kommunen, die Sie maßgeblich ver-
rsacht haben.
Der Antrag der Grünen- und SPD-Fraktion, der heute
ur Abstimmung steht, ändert daran nichts. Die Eck-
unkte bieten keine konkrete strukturpolitische Hilfe für
ie betroffenen Kommunen. Sie gehen über eine bloße
eratungs- und Koordinierungsfunktion nicht hinaus.
enn es denn kein Geld des Bundes gibt, dann geben
16206 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
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Sie den Gemeinden wenigstens die Grundstücke. Die
Forderung, „die in der Praxis bewährten Verwertungs-
modelle auch künftig anzuwenden“, ist ein Blendmanö-
ver. Ein Modell der fairen Lastenverteilung Bund-Län-
der-Kommunen ist gefragt. Dem gehen Sie aber mit
wolkigen Formulierungen aus dem Weg. Es ist lebens-
wichtig für die Gemeinden, dass militärische Liegen-
schaften übergeben werden, ohne sie in die Schulden-
falle zu treiben. Und hier steht im Antrag der
Regierungsfraktionen eine abenteuerliche Sache.
Ihre Idee der zinspflichtigen Stundung der Überlas-
sungskosten läuft auf Kredite des Bundes an die Kom-
munen hinaus. Und da Sie in der Altlastenbeseitigung
immer noch erhebliche Risiken bei den Kommunen be-
lassen, könnte nach Ihren Plänen so manche Kommune
über ein Konversionsprojekt in eine Schuldenfalle gera-
ten. Viele Standorte liegen in kleinen ländlichen Kom-
munen. Ich frage Sie: Wie sollen diese sowieso oft fi-
nanzschwachen Gemeinden dieses Risiko tragen?
Die Konversionswelle trifft unser Land in sehr
schwierigen Zeiten. Die vorliegenden Anträge der Union
bieten ein schlüssiges Konzept. Unser Sechspunkteplan
schafft einen überzeugenden Rahmen für ein nationales
Konversionsprogramm.
Wir müssen erstens die bestehende Strukturförderung
der Gemeinschaftsaufgabe optimieren, zweitens ein So-
fortprogramm für die Härtefälle in schwächeren Regio-
nen auflegen, drittens uns verstärkt um neue Mittel aus
den EU-Fonds kümmern, viertens die Konversion in den
Maßnahmen des Bundes und der Länder als feste Auf-
gabe verankern, fünftens Liegenschaften verbilligt und
ohne Altlastrisiko abgeben und sechstens die Verfahren
bei GEBB und Vermögensamt beschleunigen.
Lassen sie mich vor allem den zentralen Punkt „Ver-
wertung der Liegenschaften“ aufgreifen. Es sollte die
Möglichkeit bestehen, freigegebene Liegenschaften mit
einem erheblichen Abschlag vom vollen Wert, gegebe-
nenfalls zu einem symbolischen Preis, mit Wertsteige-
rungsklauseln an die betroffenen Länder, Kreise und
Gemeinden oder ansiedlungswillige Investoren zu ver-
äußern. Außerdem steht der Bund für die Beseitigung
militärischer Altlasten in der Pflicht. Die Verwendung
frei werdender Liegenschaften muss schnell, unbürokra-
tisch, flexibel und zu möglichst niedrigen Preisen erfol-
gen. Das steigert die Wachstumschancen und erleichtert
den anstehenden Strukturwandel in den Konversions-
kommunen.
Ich fordere Sie auf, zum Wohle der von Standort-
schließungen betroffenen Kommunen unseren Anträgen
zuzustimmen.
Alexander Dobrindt (CDU/CSU): Sechs Monate
sind inzwischen vergangen, seit Minister Struck am
2. November letzten Jahres das neue Stationierungskon-
zept der Bundeswehr verkündet hat: mit dramatischen
Einschnitten in die wirtschaftliche und soziale Ordnung
vieler Regionen und Kommunen, mit 105 Standort-
schließungen, vor allem verbunden mit großen Unsi-
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herheiten bei den betroffenen Bundeswehrangehörigen
nd den Zivilbeschäftigten.
Ein halbes Jahr ist verstrichen und bei der Frage der
onversion der betroffenen Standorte sind wir keinen
chritt weiter. Leider hat dies auch die Konferenz bzw.
as Erörterungsgespräch von Minister Struck mit den
etroffenen Kommunalpolitikern am vergangenen
ontag gezeigt. Die Bundesregierung ist bei der Kon-
ersion der zu schließenden Bundeswehrstandorte kon-
eptionslos. Die Kommentare in der Presse über diese
eranstaltung in Bonn sind eindeutig: Struck enttäuscht
offnungen, Struck lehnt Zuschüsse ab. Zornige Bürger-
eister suchen Ideen. Wenn sie Geld haben wollen, sind
ie hier an der falschen Stelle.
Genau diese Aussprüche sind mit einer der Haupt-
ründe, warum die betroffenen Bürgermeister fast ein-
ellig von einer „herben Enttäuschung“ sprechen. „Ich
ahle nichts“, „Geld habe ich auch nicht“ und „Der
ichel hat auch kein Geld“ – dies waren wohl die Kern-
ussagen dieser Konferenz am Montag. Das kann nie-
anden zufrieden stellen und darf auch niemanden zu-
rieden stellen.
Ich habe heute noch mit einem Bürgermeister meines
ahlkreises telefoniert, dem Bürgermeister der Ge-
einde Penzing. Dort ist ein Fliegerhorst angesiedelt:
as Lufttransportgeschwader 61, der älteste fliegende
erband der Bundeswehr, einziges LTG in Süddeutsch-
and und Drehscheibe für alle internationalen Einsätze
er Bundeswehr. An diesem Standort werden
640 Dienstposten gestrichen. In der Gemeinde Penzing
eben im Vergleich dazu 3 500 Einwohner.
Dieses Verhältnis zeigt doch klar, welche Problematik
or Ort entsteht. Die Bundeswehr hat hier tagtäglich das
eben eines jeden Bürgers in dieser Gemeinde be-
timmt. Dies ist kein Einzelfall!
Hier kommen vollkommen unverhältnismäßige Aus-
irkungen auf diese Gemeinden zu, denen jegliche Un-
erstützung zur Bewältigung dieser Probleme bisher
ehlt. Ich denke dabei an die direkten und indirekten Ar-
eitsplatzverluste, die Schwächung der kommunalen Fi-
anzen, die Kaufkraftverluste, die Unterauslastung der
er- und Entsorgungseinrichtungen, die Altlastenproble-
atik und an den Wohnungsmarkt, der mit entsprechen-
en Wertverlusten für die Eigentümer zusammenbrechen
ird.
Hier stehen gewaltige Aufgaben an, bei denen die
undesregierung in der Mitverantwortung steht. In der
eschlussempfehlung zum Antrag der Fraktion der SPD
nd des Bündnisses 90/Die Grünen steht geschrieben:
as durch den Bundesminister für Verteidigung verkün-
ete Ressortkonzept Stationierung führt infolge der Re-
uzierung der Bundeswehr in vielen der von diesen
aßnahmen betroffenen Kommunen zu gravierenden
irtschaftlichen und sozialen Konsequenzen. – Zumin-
est diese Erkenntnis ist richtig.
Gleichzeitig verkündet die Bundesregierung immer
ieder, dass die Stationierungsentscheidungen stets nach
ilitärisch funktionalen und betriebswirtschaftlichen
ründen erfolgen. Dass wir das in vielen Fällen bezwei-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16207
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feln und ich eher hinter einer Reihe von Entscheidungen
über Standortauflösungen reine politische Gründe ver-
mute und keine betriebswirtschaftlichen, das sei hier der
Vollständigkeit wegen erwähnt. So lange die Bundesre-
gierung keine echten Zahlen vorlegt, wird diese Vermu-
tung weiterhin im Raum stehen bleiben. Die Bundesre-
gierung führt immer wieder an, dass strukturpolitische
Gesichtspunkte nicht berücksichtigt werden.
Dr. Peter Struck ist kein Wirtschaftsminister; das ist
uns bekannt. Aber das entbindet ihn doch nicht von der
Verantwortung für die Folgen seines Handelns. Die Si-
tuation vor Ort hier ist vergleichbar mit einem
2 000 Mitarbeiter starken Unternehmen, das seine Pfor-
ten schließt – und das nicht einmal, sondern zig Mal im
Bundesgebiet. Da würde mich der Aufschrei der Politik
interessieren. Da würde über die soziale Verantwortung
der Unternehmen diskutiert werden, die dieser nicht
nachkommen. Da würden dann Aussprüche von Heu-
schreckenschwärmen kommen, die Unternehmen befal-
len, abgrasen und weiterziehen und die Betroffenen ohne
jegliches Verantwortungsgefühl zurücklassen.
Wir erleben ja die Argumentationen der Koalition.
Nehmen Sie hier doch Ihre Verantwortung wahr! Die
wirtschaftliche Situation in Deutschland ist doch derzeit
bei weitem nicht in der Lage, das aufzufangen, was hier
durch diese Standortreform an Belastungen auf die Bür-
ger zukommt.
Zur Situation der Kommunen: Tun Sie doch nicht so,
als ob hier große Chancen bestehen würden, nach der
Schließung der Standorte zu Marktbedingungen Unter-
nehmen anzusiedeln, Arbeitsplätze zu schaffen oder
Wohnraum zu bauen! All dies entspricht doch zurzeit
nicht der Realität bei Wachstumsschwäche, Überschul-
dung der Haushalte und riesigen Arbeitslosenzahlen.
Was die betroffenen Kommunen brauchen und zu
Recht von der Bundesregierung verlangen, ist ein So-
fortprogramm „Konversion“. Geben Sie beispielsweise
den Kommunen die Chance, die nicht mehr benötigten
Liegenschaften günstig zu vermarkten! Nehmen Sie den
Vorschlag des SPD-Ministerpräsidenten Kurt Beck auf,
so genannte „Nachbesserungsscheine“ auszugeben!
Wenn eine Kommune eine besonders lukrative Nachnut-
zung findet, kann der Bund ja anschließend beteiligt
werden.
Nehmen Sie also Ihre Verantwortung wahr und entwi-
ckeln Sie Lösungsansätze, anstatt die Betroffenen mit
dem Problem allein zu lassen!
Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Am 2. November 2004 gab Verteidigungsminister
Struck die Entscheidung zur Schließung weiterer
105 Standorte in Deutschland bekannt. Diese Anpassung
der Stationierungsplanung war vor dem Hintergrund der
Neuausrichtung und Reduzierung der Bundeswehr un-
ausweichlich. Unsere Fraktion begrüßt und unterstützt
die mutige Entscheidung des Ministers vorbehaltslos.
„Die Bundeswehr ist nicht dazu da, stationiert zu
sein.“ Diese markante Maxime des ehemaligen Verteidi-
gungsministers Rühe gilt auch noch heute. Mit der neuen
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tationierungsplanung wird die Zahl der militärisch ge-
utzten Standorte in Deutschland bis zum Jahr 2010 auf
irca 400 reduziert. Ausschlaggebende Kriterien der
euen Stationierungsplanung waren richtigerweise „die
ilitärische und funktionale Notwendigkeit sowie die
etriebswirtschaftliche Verantwortbarkeit“.
Die Änderung des Stationierungskonzepts wird bei ei-
igen Standorten zum strukturellen Aufwuchs, bei ande-
en zu Reduzierungen und bei wieder anderen zu per-
pektivischen Standortschließungen führen. Für viele
oldatinnen und Soldaten sowie die Zivilbeschäftigten
ird dies mit beruflichen und sozialen Veränderungen
nd Belastungen verbunden sein. In den von Reduzie-
ungen betroffenen Kommunen wird es zum Verlust von
ivilen Arbeitsplätzen, dem Wegfall von Kaufkraft so-
ie frei werdenden Kasernen, Depots und Übungsplät-
en kommen.
Dass sich viele Betroffene in der Anfangsphase nur
iderwillig oder unter Protest auf diesen Veränderungs-
rozess einlassen, ist verständlich. Im Hinblick auf die
usgestaltung dieses Konversionsprozesses gibt es in
eutschland reichhaltige praktische Erfahrungen aus
en 90er-Jahren. Diese Erfahrungen haben uns gezeigt,
ass der Abzug oder die Reduzierung der Bundeswehr
eine Katastrophe sein muss. Auch wenn es keine Pa-
entrezepte gibt, so gibt es durchaus zahlreiche Beispiele
afür, dass der Truppenabzug und die Kasernenschlie-
ungen kreativ und erfolgreich bewältigt werden konn-
en.
Ganz entscheidend ist, wie mit der Herausforderung
mgegangen wird. Der Antrag der Koalitionsfraktionen
ennt hier zentrale Anforderungen. Eine wichtige Vo-
aussetzung für eine erfolgreiche Bewältigung ist, dass
ich Bund, Länder und Gemeinden unverzüglich an die
rbeit machen. Notwendig ist als Erstes die schnelle und
mfassende Information über die Standortplanungen.
as ist mit der Feinausplanung vom 11. April gesche-
en. Hier sind die Maßnahmen aufs Quartal genau ein-
eplant.
Darüber hinaus kommt es auf das enge Zusammen-
irken der Beteiligten an. Im Rahmen der föderalen
rdnung liegt die Hauptverantwortung bei den Ländern
nd Kommunen. Der Bund – das ist die einhellige Auf-
assung aller Fraktionen des Deutschen Bundestages –
teht in der Mitverantwortung. Angesichts der Haus-
altssituation in Bund, Ländern und Gemeinden ist allen
etroffenen klar, dass es keine nennenswerten zusätzli-
hen Förderprogramme zur Bewältigung des Truppenab-
aus geben kann und geben wird. Wir begrüßen es, dass
er Bund der Forderung der Koalitionsfraktionen nach-
ommt und die Kommunen unter anderem bei der Ent-
icklung von Nutzungskonzepten, Machbarkeitsstudien
nd der Altlastenbewältigung großzügig zu unterstützen
ereit ist.
Darüber hinaus gibt es eine Reihe Förderprogramme
es Bundes und der EU, die von den Betroffenen und In-
ressenten in Anspruch genommen werden können.
ierzu zählen die „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesse-
ung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, der Europäi-
che Strukturfonds und die Städtebauförderung. Im
16208 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
(A) )
(B) )
Bereich der zivilen Anschlussnutzung von militärischen
Liegenschaften haben sich in den vergangenen Jahren
eine Reihe von Verwertungsmodellen bewährt, auf die
nun zurückgegriffen werden kann. Wir erwarten, dass
eine zügige Verwertung vonseiten des Bundes nicht
durch überhöhte Veräußerungsansätze behindert wird.
Viele Programme und Verwertungsmodelle sind häu-
fig nicht oder unzureichend bekannt. Deshalb haben die
Bündnisgrünen von Anfang an dafür plädiert, dass auf
der Ebene des Bundes und der Länder Konversionsbe-
auftragte mit Lotsenfunktion als Ansprechstellen zur
Verfügung stehen. Wir begrüßen, dass vonseiten des Fi-
nanz- und Verteidigungsministeriums im November ver-
gangenen Jahres eine solche gemeinsame „Koordinie-
rungsstelle für Konversionsfragen“ eingerichtet wurde.
Auch in den Ländern stehen entsprechende Konver-
sionsbeauftragte den Betroffenen Rede und Antwort. Die
„Konversionskonferenz“, zu der der Verteidigungsmi-
nister am Montag circa 300 Bürgermeister und Landräte
eingeladen hatte, war in diesem Sinne ein weiterer wich-
tiger und hilfreicher Beitrag für einen fruchtbaren Infor-
mations- und Erfahrungsaustausch.
Vor diesem Hintergrund bin ich optimistisch, dass die
Folgen der Stationierungsänderung erfolgreich gemeis-
tert werden können.
Gudrun Kopp (FDP): Die Neustrukturierung der
Bundeswehr im Zuge der veränderten sicherheitspoliti-
schen Rahmenbedingungen fordert nicht nur von den
Soldaten und ihren Familien, sondern auch von den
Standortkommunen große Anstrengungen. In nur einem
Jahrzehnt sind die Standorte der Bundeswehr um gut ein
Drittel von 603 auf jetzt projektierte 392 reduziert wor-
den. Insbesondere in den Städten und Gemeinden, die in
herausragender Weise von Bundeswehrgarnisonen ab-
hängig sind, kann durch den Abzug der Truppen und den
damit verbundenen Kaufkraftverlust eine zum Teil dra-
matische Situation eintreten.
Hier ist deshalb vor allem auch das Verteidigungs-
ministerium gefordert, wenn es darum geht, zusammen
mit den Kommunen nach möglichst reibungsfreien
Übergängen zu streben. Dies bedeutet vor allem, dass
die jetzt eingerichtete Koordinierungsstelle für Konver-
sionsfragen (KStK) entscheidend dazu beitragen muss,
dass die Veräußerung bzw. Transformation von Liegen-
schaften der Streitkräfte nicht in endlosen bürokrati-
schen Verfahren dahinschlummert, sondern möglichst
zügig und zielgerichtet umgesetzt werden kann.
Insbesondere die Bundesanstalt für Immobilienaufga-
ben (BImA) muss hier ihrer Verantwortung gerecht wer-
den und die einzelnen Prüfschritte wie Entbehrlichkeits-
prüfung, Prüfung von Rückübertragungsansprüchen,
Freigabeankündigung etc. möglichst zügig umsetzen,
damit interessierte Kommunen schnell von ihrem Pla-
nungsrecht Gebrauch machen können. Der Bund dage-
gen muss natürlich für bestehende Altlasten geradeste-
hen und diese bei Investoreninteresse möglichst schnell
beseitigen. Bei der Frage der Veräußerung unter Wert
sollte in der Tat geprüft werden, ob nicht im Interesse
von Planungssicherheit und schneller Abwicklung fle-
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ible Lösungen gefunden werden können. Das
chlimmste, was hier passieren kann, sind für die Kom-
unen Endlosverfahren mit großem bürokratischen Auf-
and, die nur Industriebrachen zurücklassen.
Alles in allem unterstützt die FDP alle Bemühungen
nd Maßnahmen, die dem Ziel dienen, wirklich „Vor-
ahrt für Arbeit“ und insbesondere auch für kommunale
nvestitionen zu realisieren.
Zu bedauern ist in diesem Zusammenhang jedoch,
ass mit den im November verkündeten Standortent-
cheidungen noch immer nicht das Ende der nunmehr
eit über einer Dekade andauernden Bundeswehrrefor-
en erreicht ist. Solange Rot-Grün nicht die Kraft hat,
ndlich die Frage der Wehrform abschließend zu ent-
cheiden – und dies kann nur das Ende der Wehrpflicht
edeuten – so lange werden uns auch die Konversions-
rozesse nicht erspart bleiben. Rot-Grün muss deshalb
uch hier endlich handeln, um Planungssicherheit für die
rmee, ihre Angehörigen sowie die betroffenen Kom-
unen herzustellen.
nlage 8
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Keine weitere Verzö-
gerung in der Frage der Entsorgung nuklearer
Abfälle (Tagesordnungspunkt 8)
Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Für eine fried-
iche Auseinandersetzung mit der Nutzung der Kernkraft
st der Energiekonsens, den die rot-grüne Bundesregie-
ung und die sie tragenden Fraktionen in ihrer ersten
mtsperiode im Jahre 2000 durchgesetzt haben, von be-
onderer Bedeutung. Der Ausstieg aus der Atomenergie
ient auch den Sicherheitsinteressen kommender Gene-
ationen. Leider haben die Oppositionsfraktionen mit ih-
er ideologischen Haltung zur Atomenergie dies bis
eute nicht kapiert. Sonst hätten sie mit ihrem Antrag
om 29. Juni 2004 nicht erneut untragbare Vorschläge in
ie Debatte eingebracht.
Das Ein-Endlager-Konzept als wichtiger Baustein des
nergiekonsenses lässt keine voreiligen Schlüsse auf
ndlagerstandorte und Endlagermedien zu. Die bisheri-
en Forschungs- und Entwicklungserkenntnisse sind
ichtig, aber längst nicht als abschließend einzustufen.
arum spreche ich mich vorab und grundsätzlich sehr
achdrücklich für eine Beibehaltung und einen Ausbau
er Endlagerforschung aus. Der Bundestag selbst und
ie beteiligten Ministerien – Umwelt, Wirtschaft und Ar-
eit sowie Bildung und Forschung – müssen weiter kon-
entriert an diesen Aufgaben arbeiten und in einem Wis-
ensverbund dafür sorgen, dass die Zwischenergebnisse
ielgerichtet und effizient weiterverarbeitet werden.
Es ist auch für die Koalition klar, dass ernsthafte Be-
ühungen um eine Lösung der Endlagerproblematik
hne jede Verzögerungen stattfinden müssen.
Zugleich stehen diesem nur mittel- oder langfristig rea-
sierbaren Ziel die ausreichenden und beherrschbaren
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16209
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(B) )
Möglichkeiten einer Zwischenlagerung nicht entgegen.
Die von der Opposition verbreitete Drucksituation und
die damit verbundene Angstmache sind völlig unsinnig.
Als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises
Salzgitter-Wolfenbüttel sage ich auch unter dem Ein-
druck direkter und praktischer Erkenntnisse, dass der
Antrag der CDU/CSU nicht akzeptabel ist. Mit dem ehe-
maligen Salzbergwerk Asse II haben frühere Bundesre-
gierungen – auch SPD-geführte – vollendete Tatsachen
geschaffen, die eine Einschätzung von Gefahren unter
dem Gesichtspunkt der Langzeitsicherheit außerordent-
lich schwer machen. Ich fordere ausdrücklich, dass die
Gefahrenanalyse – auch unter dem Eindruck eines mas-
siven und dauerhaften Laugeneinbruchs in Asse II – im
Rahmen der Arbeiten zum Abschlussbetriebsplan sehr
ernst genommen werden. Dabei sollte auch geprüft wer-
den, ob die rund 1 300 Fässer mit mittelradioaktivem
Atommüll in dem Bergwerksendlager verbleiben dürfen.
Schacht Konrad sofort für die Verfüllung mit
schwach- und mittelradioaktiven Abfällen mit vernach-
lässigbarer Wärmeentwicklung zugänglich zu machen
spricht für die nicht vorhandene Sensibilität in Fragen
der Gefahren von Atommaterialien bei der CDU/CSU.
Dass auch der Unionsabgeordnete aus dem Wahlkreis
Salzgitter-Wolfenbüttel diese Forderung mit unterschrie-
ben hat, sagt über seine Haltung zu diesen Gefahrenquel-
len und zu den Interessen der Menschen in der Region
alles – ist aber für diese Debatte nebensächlich.
Für Schacht Konrad sind im Rahmen des Energiekon-
senses die einzig möglichen und richtigen Grundlagen
geschaffen worden: Die gerichtlichen Entscheidungen
werden abgewartet und durch die Aussetzung des sofor-
tigen Vollzugs werden – anders als bei Asse II – keine
vollendeten Tatsachen zugelassen. Das Ein-Endlager-
Konzept, für das Schacht Konrad wegen der anderen
Grundlagen seiner Untersuchungskriterien nicht infrage
kommt, ist schon wegen der Volumen- und der Sicher-
heitsfragen richtig.
Es kommen aber auch die Standortinteressen der
Braunschweiger Region mit ihren mehr als l Million
Einwohnern hinzu. Wer will eigentlich mit dem vorhan-
denen Atommüllendlager Asse II und dem nahe gelege-
nen Schacht Morsleben in Sachsen-Anhalt dieser Region
noch mehr an Belastungen dieser Art zumuten? Leider
setzt sich – unabhängig von den regionalen Bundes- und
Landtagsabgeordneten der CDU – nicht einmal die
CDU/FDP-Landesregierung für diesen Aspekt ein. Die
Braunschweiger Region ist einer der wichtigsten Wirt-
schaftsstandorte in Norddeutschland; auch das interes-
siert die Vertreter dieser Parteien leider nicht.
Es bleibt also beim Widerstand gegen Schacht
Konrad und bei der nachdrücklichen Forderung nach
Klärung aller Sicherheitsfragen auch beim Atommüll-
endlager Asse II. Und es bleibt bei den Grundlagen des
Energiekonsenses.
Marianne Tritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der
Antrag der CDU/CSU soll offenbar von Ihren zahlrei-
chen Fehlleistungen in der Entsorgung radioaktiver Ab-
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älle in den Jahren vor dem Regierungswechsel im Jahr
998 ablenken. Zu Ihren, so wie Sie es im Antrag formu-
ieren, „bis 1998 entwickelten und im internationalen
ergleich vorbildlichen Entsorgungsstrukturen“ gehört
eispielsweise das Atomendlager Morsleben. Zuerst
urde durch Gerichtsbeschluss im September 1998 die
eitere Einlagerung in Morsleben untersagt und wenige
ahre danach mussten wegen drohenden Einsturzes um-
angreiche Stabilisierungsmaßnahmen ergriffen werden.
it Ihrer Sorglos-Atompolitik – hätte man Sie weiter ge-
ähren lassen – wäre die Bevölkerung mit faktisch un-
egrenzten Mengen radioaktiven Mülls „beglückt“ wor-
en. Noch unerträglicher ist es, dass Sie eine
ntsorgungspolitik betrieben haben, die stets die Sorgen
nd Bedenken der Bevölkerung ignoriert hat. Aus diesen
ründen steht seit über zwanzig Jahren Gorleben als
ymbol für Ihre gescheiterte Entsorgungspolitik. Die
ealität hat gezeigt, dass man gegen den Willen der be-
roffenen Bevölkerung zu keiner Lösung in der Endla-
erfrage kommen kann. Das sind die Fakten, um nur ei-
ige davon zu nennen.
Ihr Antrag ignoriert zudem ganz bewusst die erzielten
ortschritte der rot-grünen Bundesregierung in zentralen
ragen der Entsorgung. Wir haben Ihre Politik gegen die
evölkerung nicht nur beendet, sondern auch eine neue
ndlagerkonzeption entwickelt. Die Auswahl des best-
öglichen Standortes für ein Endlager soll in einem
ransparenten und nachvollziehbaren Verfahren auf der
asis des Vergleichs von Alternativen erfolgen. Diese
ielsetzung ist angesichts der unvermeidbaren langfristi-
en Risiken bei der Endlagerung Wärme entwickelnder
adioaktiver Abfälle ein Gebot der Sicherheit. Grundle-
endes Element ist die Beteiligung der Öffentlichkeit an
er Entwicklung, Festlegung und Durchführung des
uswahlverfahrens.
Dieses Verfahren soll ohne Vorfestlegungen bundes-
eit ausgerichtet werden. Dabei soll jede Region und
chließlich jeder Ort nach den gleichen vorher festgeleg-
en Kriterien beurteilt werden. Das betrifft dann auch die
egion Gorleben. Eine Fortführung der Erkundung von
orleben zum jetzigen Zeitpunkt, wie ihn die Opposi-
ion fordert, würde die Ergebnisoffenheit eines solchen
uswahlverfahrens mit Alternativenvergleich unterlau-
en und mögliche Fehlinvestitionen auslösen. Auch Ih-
en dürfte bekannt sein, dass die Betriebsbereitschaft ei-
es Endlagers für Wärme entwickelnde Abfälle aus
echnisch-wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Sicht
rst circa im Jahr 2030 erforderlich ist.
Das BMU hatte die Oppositionsfraktionen und auch
ie EVU schon im Jahr 2003 eingeladen, sich in einer
erhandlungsgruppe mit breiter gesellschaftlicher Re-
räsentanz unter der Leitung von Frau Staatssekretärin
robst am Auswahlverfahren zu beteiligen. Die Opposi-
ion und auch die EVU haben sich diesem Gesprächsan-
ebot verweigert. So sind auch die in der Koalitionsver-
inbarung von 2002 festgelegten Gespräche mit den
VU bisher ohne Erfolg geblieben.
Es lohnt sich für die CDU, einen weiteren Blick in die
igenen Reihen zu werfen. Das Land Niedersachen
acht viel Lärm um das genehmigte Endlager Konrad,
16210 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
(A) )
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nur sind den Worten bisher keine Taten gefolgt. Obwohl
die Klageschriften gegen den Planfeststellungsbeschluss
Konrad bereits seit eineinhalb Jahren vorliegen, lassen
die Klageerwiderungen des niedersächsischen Umwelt-
ministeriums weiter auf sich warten. Wer sich so der Lö-
sung des Endlagerproblems verweigert, sollte vorsichtig
sein, anderen Verzögerungen vorzuwerfen.
Es hat den Anschein, dass der Zug der Zeit an der Op-
position und auch den EVU vorbeizieht. Die Lehre, was
es heißt, alles auf eine Karte zu setzen, kann aus dem
Yucca-Mountain-Endlagerprojekt der USA gezogen
werden. Nach dem Urteil des Appellationsgerichts zum
Nachweis der Langzeitsicherheit ist die Zukunft dieses
Standortes ungewiss. Die USA haben keinen Alternativ-
standort, auf den Sie im Falle des endgültigen Scheiterns
ausweichen könnten.
International drohen wir zudem den Anschluss zu
verlieren. Die Vorgehensweise bei der Endlagerstandort-
suche ist bereits in einer Reihe von Ländern, zum Bei-
spiel in Schweden und Finnland, an der Einbindung der
betroffenen Bevölkerung orientiert und deshalb sehr er-
folgreich. Der schwedische Wirtschaftsstaatssekretär,
Claes Anstrand, hat im Dezember 2003 auf einer inter-
nationalen Endlagerkonferenz in Stockholm sinngemäß
festgestellt, dass die Errichtung eines Endlagers für ab-
gebrannte Brennelemente eine offensichtliche örtliche
Dimension habe. Um Vertrauen der Öffentlichkeit in den
Entscheidungsprozess herzustellen, habe sich Schweden
entschieden, die Öffentlichkeit an diesem Prozess zu be-
teiligen, und sichergestellt, dass diese Beteiligung die
Einflussnahme auf das Endergebnis ermöglicht. Ich
wünschte, Sie hätten den Mut, eine solche Entwicklung
für Deutschland zu unterstützen.
Die Grünen sind der Auffassung, dass es für alle de-
mokratischen Parteien im Deutschen Bundestag gute
Gründe gibt, einen Konsens in der Frage zu suchen, auf
welche Weise ein Endlager für nukleare Abfälle in
Deutschland ausgewählt wird.
Anlage 9
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Biologische Vielfalt
schützen und zur Armutsbekämpfung und
nachhaltigen Entwicklung nutzen (Tagesord-
nungspunkt 9)
Dagmar Schmidt (Meschede) (SPD): Zu Beginn
möchte ich mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen
bedanken. Es ist uns in den Beratungen im Ausschuss
gelungen, die Unterstützung aller hier im Hause vertrete-
nen Fraktionen für den Antrag zur biologischen Vielfalt
zu gewinnen. Jenseits aller parteipolitischen Differenzen
zwischen den Parteien gibt es also wohl einen breiten
Konsens über die Ziele zum Schutz und für eine nach-
haltige Nutzung der biologischen Vielfalt. Und das ist
gut so. Denn trotz aller Anstrengungen beschleunigt sich
die Zerstörung von Ökosystemen immer noch in alar-
mierender Weise. Jährlich werden 15 Millionen Hektar
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ald vernichtet und auch der Verlust an Arten und damit
es genetischen Reichtums der Erde schreitet unge-
remst voran. Täglich sterben 150 Arten aus und gehen
amit unwiederbringlich verloren. Alarm ist wirklich
ötig!
Deshalb hat sich die Weltgemeinschaft auf dem Welt-
ipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg im
ahre 2002 das Ziel gesetzt, die Verlustrate an biologi-
cher Vielfalt bis 2010 signifikant zu reduzieren. Ange-
ichts der riesigen Herausforderungen, die uns in den
ommenden Jahren und Jahrzehnten bevorstehen, ent-
prechen die gemeinsamen Forderungen des Deutschen
undestages im vorliegenden Antrag durchaus der
röße der Aufgabe.
Dennoch, meine Damen und Herren von der Opposi-
ion, kann ich Ihnen nicht ersparen, einige Ihrer Äuße-
ungen aus der ersten Debatte des Antrags am 10. März
ieses Jahres zu kommentieren.
Frau Kollegin Reichard von der Union hat sich vor
ut einem Monat hier hingestellt und das Hohelied der
mweltökonomie und der monetären Bewertung von
osten der Umweltzerstörung gesungen. Man konnte
chon staunen, haben doch gerade ihre Fraktionskolle-
innen und -kollegen in den vergangenen sechs Jahren
och jede umweltpolitische Maßnahme zur monetären
ewertung externer ökologischer Kosten in Bausch und
ogen als Untergang des Wirtschaftsstandortes Deutsch-
and verdammt.
Diesen geradezu grotesken Widerspruch haben Sie
ohl selbst erkannt und Ihre Begeisterung für die Um-
eltökonomie schnell wieder gedeckelt. Volkswirt-
chaftlich betrachtet – so führen Sie weiter aus – sei es
lso für Deutschland wesentlich günstiger, sich im Tro-
enwaldschutz in Südostasien zu engagieren als Treib-
ausemissionen in Deutschland einzusparen.
Hier offenbart sich ein umwelt- und entwicklungspo-
itisches Gedankengut, welches – wenn überhaupt – vor
0 oder 30 Jahren einmal modern war. Kurz zusammen-
efasst könnte man Ihre Position so darstellen: Solange
ir den Entwicklungsländern nur genügend Geld für den
rwaldschutz zur Verfügung stellen, können wir in
uropa und Nordamerika ganz beruhigt so weiterma-
hen wie bisher.
Sehr geehrte Frau Reichard, Ihre Rede lässt mich be-
ürchten, dass die Union trotz unseres gemeinsamen An-
rages immer noch auf der falschen Welle reitet. Globa-
er Natur- und Ressourcenschutz ist nicht nur eine
mweltpolitische, sondern immer auch eine entwick-
ungspolitische Herausforderung.
Die Industrieländer sind, obwohl sie nur 20 Prozent
er Weltbevölkerung stellen, für 80 Prozent des weltwei-
en Ressourcenverbrauchs verantwortlich. Es ist daher
nverantwortlich, ja verantwortungslos, auf eine ent-
icklungspolitisch abgefederte Abwälzung umweltpoli-
ischer Lasten auf die Entwicklungsländer zu setzen und
u vermitteln, so könne die Welt vor dem ökologischen
ollaps bewahrt werden. Außerdem übersieht Ihre Ar-
umentation, dass die Menschen in den Entwicklungs-
ändern ihre ökologischen Lebensgrundlagen nicht ohne
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16211
(A) )
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Grund zerstören, sie tun dies vielmehr aus Armut und
aus tagtäglicher Not.
Es kommt also nicht nur darauf an, unsere Anstren-
gungen im globalen Umweltschutz zu verstärken. Viel-
mehr müssen wir diese Anstrengungen in den weltwei-
ten Kampf gegen die Armut einbetten. Nur wenn wir den
Menschen in den Partnerländern eine nachhaltige ökono-
mische Perspektive verschaffen, eröffnen wir ihnen die
realistische Chance, aus dem Teufelskreis von Armut
und fortschreitender Umweltzerstörung auszubrechen –
wir handeln damit ohnehin in unserem ureigensten Inte-
resse.
Gerade die UN-Konvention über die biologische
Vielfalt spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige
Rolle. Im Gegensatz zu vielen anderen multilateralen
Umweltabkommen verbindet sie den Schutz der biologi-
schen Vielfalt mit deren nachhaltiger Nutzung und dem
gerechten Ausgleich der sich aus der Nutzung ergeben-
den Vorteile.
Die biologische Vielfalt ist das Kapital der Armen.
Das nachwachsende Gold unseres Planeten konzentriert
sich in erster Linie in den Entwicklungsländern. Das
ökonomische und kaufmännische Wissen für die indus-
trielle Nutzung und Vermarktung biologischer Vielfalt
ist dagegen vor allem in den Industrieländern angesie-
delt. Deshalb pochen die Entwicklungsländer zu Recht
auf die Umsetzung des dritten Ziels der UN-Konvention
über die biologische Vielfalt. Sie fordern ein internatio-
nales Regime für den gerechten Vorteilsausgleich sowie
einen wirksamen Schutz gegen Biopiraterie.
Die UN-Konvention über die biologische Vielfalt bie-
tet somit eine ideale Plattform für ein faires Bündnis von
Nord und Süd im weltweiten Umwelt- und Ressourcen-
schutz. Wenn es uns gelingt, beim Schutz und bei der
nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt zu einem
funktionsfähigen Regime des gerechten Vorteilsaus-
gleichs zu kommen, könnte dies als Prototyp für andere
Bereiche des globalen Umweltschutzes dienen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren von der
Union, wir haben gelernt, Armutsbekämpfung, nachhal-
tige Entwicklung und Umweltschutz als Einheit zu be-
trachten und unsere Entwicklungszusammenarbeit ent-
sprechend auszurichten. Bei Ihnen kann ich mich eines
Eindrucks nicht erwehren: Sie benutzen den globalen
Umweltschutz immer noch als Feigenblatt! Wollen Sie
so über die Defizite Ihrer Umweltpolitik im eigenen
Land hinwegtäuschen?
Lassen Sie mich dennoch betonen, dass ich über die
Gemeinsamkeit bei diesem Antrag zufrieden bin. Im
Laufe der Verhandlungen über den vorliegenden Antrag
haben Sie sich immerhin auf unseren breiteren und mo-
derneren Ansatz eingelassen.
Ganz im Sinne dieses Bewusstseinswandels wünsche
ich mir ein hohes Maß an Nachhaltigkeit in Ihrer Frak-
tion. Diese Hoffnung möchte ich ausdrücklich auch auf
die Kolleginnen und Kollegen von der FDP ausdehnen.
Obwohl wir nicht alle Ihre Forderungen erfüllen konn-
ten, haben Sie dem Antrag letztendlich zugestimmt. Das
verdient Anerkennung.
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Dennoch komme ich nicht umhin, verehrter Herr Kol-
ege Heinrich, auf eine Ihrer kritischen Anmerkungen
us der letzen Debatte näher einzugehen. Sie haben da-
als behauptet, in Punkt drei unseres Antrages werde
ie einseitige Bevorzugung der ökologischen Seite bei
ielkonflikten zwischen internationalen Handelsverein-
arungen und den Umweltkonventionen gefordert.
Zunächst einmal möchte ich hierzu anmerken, dass
ies so nicht im Antrag steht, vielmehr wird die Bundes-
egierung aufgefordert, sich in internationalen Verhand-
ungen dafür einzusetzen, dass die bestehenden Zielkon-
likte zwischen den Umweltkonventionen und den
nternationalen Handelsvereinbarungen aufgelöst und
ie Umweltkonventionen gestärkt werden. Sie werden
ir zustimmen, dass dies etwas völlig anderes ist, als
hre verkürzte Darstellung suggeriert.
Unabhängig vom Streit um Formulierungen ist Ihre
ritik aber auch einfach falsch. Es geht nicht darum, die
mweltkonventionen gegenüber den internationalen
andelsvereinbarungen zu bevorzugen. Vielmehr geht
s darum, zu verhindern, dass bereits bestehende interna-
ionale Umweltvereinbarungen im Zuge der WTO-Ver-
andlungen unterlaufen werden. Es geht also nicht um
ine Ausweitung internationaler ökologischer Standards,
ondern um die Verhinderung ihrer Aufweichung, inter-
ationaler ökologischer Standards übrigens, die noch
on der konservativ-liberalen Regierung unter Helmut
ohl ausgehandelt worden sind.
Im Übrigen ist es auch falsch, uns zu unterstellen, wir
ollten mit unserem Antrag eine neue Konditionierung
ugunsten des Umwelt- und Ressourcenschutzes bei der
erwendung von frei werdenden Mitteln aus der Ent-
chuldung einführen. Vielmehr wollen wir mit den Part-
erländern – wenn möglich – Projekte zum Schutz der
iologischen Vielfalt vereinbaren. Dies ist keine Kondi-
ionierung, sondern ein Angebot – ein gutes Angebot,
ie ich hier ausdrücklich betonen möchte.
Die Bundesrepublik Deutschland genießt seit vielen
ahren im Umwelt- und Ressourcenschutz international
in hohes Ansehen. Sie leistet einen überproportional
ohen Anteil im Bereich des globalen Umweltschutzes.
nter der rot-grünen Bundesregierung sind die Zusagen
er finanziellen und technischen Zusammenarbeit in die-
em Bereich von rund 560 Millionen Euro im Jahr 2000
uf circa 710 Millionen Euro im Jahr 2003 angehoben
orden. Gleichzeitig hat Deutschland seine Mittel, die
s multilateralen Gebern zur Verfügung stellt, von 2001
is 2003 von 58,9 Millionen auf 100 Millionen Euro fast
erdoppelt. Mit 128 Millionen Euro jährlich ist Deutsch-
and einer der weltweit größten Geber für Maßnahmen
m Bereich des Urwaldschutzes.
Mit dem vorliegenden Antrag zum Schutz und zur
achhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt ermuti-
en wir die Bundesregierung, den eingeschlagenen Weg
uch in Zukunft konsequent fortzusetzen.
Der diesjährige UN-Tag der biologischen Vielfalt am
2. Mai steht unter dem Motto: „Biologische Vielfalt –
ebensversicherung für unsere Welt im Wandel“. Wir
aben die enorme Bedeutung der Biodiversität für die
16212 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
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weltweite Bekämpfung der Armut und für die Zukunft
unserer Kinder erkannt. Wir sind bereit, die notwendigen
Beiträge für diese Lebensversicherung zu leisten. Und
das ist Zukunftsverantwortung in Zeiten rasanten Wan-
dels in einer globalisierten Welt.
Christa Reichard (Dresden) (CDU/CSU): Wie ich
bereits in meiner Rede am 10. März zum Thema deutlich
gemacht habe, ist der Erhalt der biologischen Vielfalt die
Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung auf un-
serer Erde. Doch was verstehen wir unter dem recht abs-
trakten Begriff „Biologische Vielfalt“? Es ist der Sam-
melbegriff für die Variabilität des Lebens in all seinen
Formen, angefangen bei der genetischen Vielfalt über
die Artenvielfalt bis hin zur Vielfalt einzelner Ökosys-
teme. Dass die biologische Vielfalt in vielerlei Hinsicht
als die Grundlage des menschlichen Lebens bezeichnet
werden kann, ist leider vielen in unserer Gesellschaft
nicht bewusst. Sie garantiert die Bereitstellung von Pro-
dukten und Leistungen, die das Wohlergehen von
Mensch und Natur ermöglichen und erhalten helfen.
Und genau diese Grundlagen zerstören wir in zunehmen-
dem Maße.
Ich möchte nur wenige Beispiele nennen: Wild-
lebende Tier- und Pflanzenarten werden durch eine un-
angepasste oder zu intensive Landnutzung verdrängt und
ausgerottet. Wertvolle Böden werden zunehmend degra-
diert und deren Produktivität wird für immer zerstört.
Durch das Abholzen der Wälder schwindet die Fähigkeit
von Ökosystemen, Wasser zu speichern und kontinuier-
lich abzugeben. Allein in Südostasien werden jährlich
rund 5,8 Millionen Hektar Urwald vernichtet – ein Ge-
biet so groß wie die Schweiz. Die Konsequenzen für das
Weltklima sind verheerend. Alarmierend ist auch die
Überfischung der Weltmeere und Binnenseen. Zudem
führt die zunehmende Meeresverschmutzung zu einer
großflächigen Gefährdung und Zerstörung von wertvol-
len Küstenökosystemen.
Natürlich ist es unsere gesellschaftliche Verantwor-
tung, die Vielfalt der Schöpfung und die ökologische In-
tegrität wichtiger Ökosysteme für zukünftige Generatio-
nen zu bewahren. Doch Anspruch und Wirklichkeit in
der deutschen Entwicklungszusammenarbeit klaffen lei-
der weit auseinander. Ich möchte dies am folgenden Bei-
spiel verdeutlichen: Gerade in diesem Jahr sprechen wir
intensiv über die Millenniumsentwicklungsziele – MDG –
zur Halbierung von Hunger und Armut in der Welt. Der
Schutz der natürlichen Umwelt, sprich unserer natürli-
chen Lebensgrundlagen, ist eine elementare Grundvo-
raussetzung für die Erreichung dieser Ziele. Eine erfolg-
reiche Bekämpfung der Armut, die flächendeckende
Versorgung der Menschen mit Trinkwasser und der
Schutz der Produktivität der Böden sind allesamt unmit-
telbar auf die Erhaltung und Nutzung der biologischen
Vielfalt angewiesen. Vollmundig propagiert die Ent-
wicklungsministerin die Notwendigkeit zur Unterstüt-
zung der Millenniumsziele, vernachlässigt jedoch in der
praktischen Durchführung zwei der wichtigsten Politik-
bereiche: die ländliche Entwicklung auf der einen Seite
und den Natur- und Ressourcenschutz auf der anderen
Seite. Ich empfinde die eklatante Diskrepanz zwischen
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er Rhetorik und der praktischen entwicklungspoliti-
chen Umsetzung erschreckend. Noch vor wenigen Jah-
en galt Deutschland auf internationaler Ebene als ein
ehr engagierter Partner im internationalen Natur- und
essourcenschutz. Der nun schon einige Jahre andau-
rnde schleichende Bedeutungsverlust dieses Sektors in
er bilateralen deutschen Entwicklungszusammenarbeit
st nicht hinnehmbar und muss umgehend gestoppt wer-
en.
Wenn Sie heute zum Beispiel durchs östliche und süd-
iche Afrika reisen, müssen Sie feststellen, dass die
eisten der renommierten Natur- und Ressourcen-
chutzprojekte, die von der deutschen Entwicklungszu-
ammenarbeit initiiert und aufgebaut wurden, inzwi-
chen beendet oder in die letzte Implementierungsphase
erwiesen wurden. Von einer Fortsetzung der erfolgrei-
hen und auf internationaler Ebene sehr angesehenen
rojektarbeit auf gleichem Niveau kann nicht gespro-
hen werden. Deutschland verabschiedet sich, von weni-
en lobenswerten Ausnahmen abgesehen, zunehmend
us diesem so wichtigen Sektor. Selbst namhafte Exper-
en bezeichnen den Beitrag der deutschen Entwicklungs-
usammenarbeit zum Schutz der Biodiversität inzwi-
chen als viel zu gering und ineffizient.
Um dieser Entwicklung entgegenzusteuern, wurde
uf Initiative der CDU/CSU-Fraktion letztes Jahr eine
xpertenanhörung im Bundestagsausschuss für wirt-
chaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung durchge-
ührt. Der heute zur Debatte stehende interfraktionelle
ntrag ist ein Ergebnis dieser Anhörung. Ich möchte in
iesem Zusammenhang meinen Kollegen von Rot-Grün
m Entwicklungsausschuss sehr herzlich danken, die uns
er Sache wegen bei diesem Antrag unterstützt haben.
ie schon in meiner Rede vom 10. März möchte ich auf
in paar Forderungen des gemeinsamen Antrags einge-
en, die meiner Meinung nach besonders wichtig sind.
ir fordern zum Beispiel die Bundesregierung auf, un-
eren biodiversitäts- und tropenwaldreichen Partnerlän-
ern folgendes Angebot zu machen: Wir sollten ihnen
nbieten, sie zusätzlich zu den in Regierungsverhandlun-
en vereinbarten Kooperationssektoren im Bereich
chutz und nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen
u unterstützen.
Des Weiteren erwarten wir von der Bundesregierung,
ass sie endlich die entsprechenden Maßnahmen er-
reift, um den Import von illegal eingeschlagenem Tro-
enholz nach Deutschland zu unterbinden. Hier können
ns vor allem anerkannte Zertifizierungssysteme zur
ennzeichnung von legalen und aus nachhaltiger Be-
irtschaftung stammenden Tropenhölzern weiterhelfen.
ie Unterstützung der verschiedenen anerkannten Zerti-
izierungssysteme auch in den Entwicklungsländern
alte ich für ungemein wichtig. Hier kann und muss die
eutsche Entwicklungspolitik einen Beitrag leisten.
Ich möchte nun zu einem anderen Punkt kommen, der
ir sehr wichtig erscheint. Nicht ohne Grund werden
eute viele Naturschutzgebiete und Nationalparks in
ntwicklungsländern als so genannte Papier-Parks be-
eichnet. Gemeint ist damit, dass sie zwar auf dem Pa-
ier als Park eingetragen sind, aber in Wirklichkeit kei-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16213
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nen effektiven Schutz genießen – sei es aus mangelndem
Willen oder aufgrund fehlender Finanzmittel. Ohne ver-
nünftiges Management, ohne eine Einbeziehung der Be-
völkerung und ohne engagierte Wildhüter sind viele
Parks dem Raubbau preisgegeben. Auch hier sollte die
deutsche Entwicklungszusammenarbeit einen verstärk-
ten Beitrag leisten und unseren Partnerländern unter die
Arme greifen. Gefragt sind Beratungsleistungen zum
Aufbau von effektiven Managementsystemen, Systeme
zur bestmöglichen Einbeziehung der lokalen Bevölke-
rung sowie neue innovative Instrumente zur langfristi-
gen Finanzierung von Naturschutzgebieten. Die Einrich-
tung und Unterstützung von Stiftungen oder so
genannten trust funds zur Finanzierung von Schutzge-
bieten halte ich für sinnvoll, betone aber zugleich, dass
diese nicht dazu führen dürfen, reformbedürftige und ge-
gebenenfalls korrupte Verwaltungen künstlich am Leben
zu erhalten. In vielen Fällen müssen wir uns die Frage
stellen, ob der Staat wirklich der beste Akteur für das
Management und die Absicherung von Schutzgebieten
ist. Ich behaupte, dass dies in vielen Ländern nicht der
Fall ist. Wir müssen uns daher verstärkt mit der Frage
beschäftigen, ob zumindest in manchen Fällen private
Akteure, kommunale Gemeinschaften oder NGOs einen
besseren Schutz der Natur gewährleisten können als zen-
tralistisch organisierte und bürokratische staatliche Insti-
tutionen. Gerade im südlichen Afrika haben sich private
Schutzgebietsansätze sehr bewährt. Es gibt eine Reihe
von sehr erfolgreichen privaten Naturreservaten und so-
gar professionellen privaten Unternehmen, die dem Staat
die Dienstleistung „Schutz und Management der staatli-
chen Parks“ anbieten. Auch sehr bewährt haben sich
Partnerschaftsmodelle zwischen der lokalen Bevölke-
rung, privaten Landbesitzern und dem Staat. Für die
deutsche Entwicklungszusammenarbeit sollte dies ein
Ansporn sein, sich intensiver mit innovativen Gover-
nance-Strukturen für Schutzgebiete zu beschäftigen.
Wir erwarten auch, dass die Bundesregierung die Er-
gebnisse der 7. Vertragsstaatenkonferenz der Konven-
tion über die Biologische Vielfalt – CBD – zu Schutzge-
bieten aktiv unterstützt und umsetzt. Eines der
Ergebnisse der 7. Vertragsstaatenkonferenz ist die Ein-
richtung eines repräsentativen globalen Netzwerks von
Schutzgebieten zu Land und zu Wasser. Im Juni dieses
Jahres wird in Italien eine Geberkonferenz zur Finanzie-
rung dieses Schutzgebietsnetzes stattfinden. Wir erwar-
ten, dass sich das Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit in diese Konferenz aktiv einbringt und
den Aufbau des globalen Schutzgebietsnetzwerks finan-
ziell unterstützt.
Ich habe bisher ausschließlich von Schutzgebieten ge-
sprochen. Uns allen sollte jedoch klar sein, dass der
größte Anteil der Biodiversität außerhalb von Schutzge-
bieten existiert. Gerade in diesen Gebieten ist die Natur
besonders gefährdet. Wir müssen uns deshalb auch ver-
stärkt auf Konzepte konzentrieren, die geeignet sind,
biologische Vielfalt auch außerhalb von Schutzgebieten
zu erhalten. Schutz durch nachhaltige Nutzung – ganz
im Sinne der Konvention über biologische Vielfalt – ist
hier oft der erfolgreichste Ansatz. Es geht um Anreizme-
chanismen für die lokale Bevölkerung, schonend mit den
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atürlichen Ressourcen umzugehen. In vielen Fällen
önnen wir nur dann die biologische Vielfalt erhalten,
enn es uns gelingt, umweltverträgliche Landnutzungs-
ysteme zu entwickeln, die eine ökonomische Alterna-
ive zu naturzerstörenden Landnutzungsformen, wie
andwirtschaftlichen Monokulturen und Kahlschlägen,
arstellen. Gerade in Afrika gibt es eine Reihe von Bei-
pielen, in denen durch eine nachhaltige Nutzung von
aturressourcen, beispielsweise Wildtiere – im Einver-
ehmen mit der lokalen Bevölkerung –, wertvolle Natur-
ebiete erhalten werden konnten.
Bitte verstehen Sie uns nicht falsch. Es ist nicht im-
er notwendig, mehr Geld in die Hand zu nehmen. Vie-
es kann schon allein durch verstärktes Engagement er-
eicht werden. Wir erwarten zum Beispiel von der
undesregierung, dass sie die Weltbank und die regiona-
en Entwicklungsbanken ermutigt, in ihrer Projektpla-
ung den Schutz und die nachhaltige Nutzung der biolo-
ischen Vielfalt stärker zu berücksichtigen.
Auch wünschen wir uns, dass der Schutz global wich-
iger Naturressourcen von allen beteiligten Bundes-
inisterien, wie zum Beispiel BMZ, BMU, BMBF und
A, gleichermaßen unterstützt wird. Dies ist bisher lei-
er nicht immer der Fall.
Abschließend möchte ich sagen, dass die CDU/CSU
en gemeinsamen Antrag als große Chance sieht, den et-
as in Vergessenheit geratenen Sektor „Schutz der Bio-
iversität“ wieder aufzuwerten. Wir reichen der Regie-
ung die Hand und bieten unsere konstruktive
nterstützung an. Lassen Sie uns in diesem Bereich zu-
ammenarbeiten. Es geht schließlich nicht nur um die
ebensgrundlagen künftiger Generationen, sondern auch
m Vermeidung von zukünftigen Krisen und Konflikten.
atur- und Umweltschutz sind zudem eine zentrale Vo-
aussetzung zur Erreichung der Millennium-Develop-
ent-Ziele.
Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auch
n den Beratungen in den Ausschüssen wurde die Bedeu-
ung des Themas „Biologische Vielfalt und Armutsbe-
ämpfung“ unterstrichen. Nur die FDP hat sich wirklich
chwer getan mit der Befassung. Ein einheitliches Vo-
um in den diversen Ausschüssen lässt sich nicht erken-
en. Dies mag nicht verwundern, war doch an keiner
telle der Debatte wirklich erkennbar, dass die Liberalen
em Thema die angemessene Aufmerksamkeit zukom-
en lassen. Gleichwohl bin ich froh, dass wir mit den
rgänzungen der Kollegen des Ausschusses für Verbrau-
herschutz, Ernährung und Landwirtschaft, die den An-
rag um den Aspekt der Ernährungssicherheit ergänzt ha-
en, diesen heute hier beschließen.
Lassen Sie mich also kurz beschreiben, warum der
rhalt der biologischen Vielfalt so existenziell, ja von
lobaler Bedeutung ist und warum ein unmittelbarer Zu-
ammenhang zur Bekämpfung der Armut besteht. Wie
st denn die Ausgangssituation? Pro Jahr werden rund
5 Millionen Hektar Wald vernichtet und pro Tag ster-
en rund 150 Arten aus. Die Zerstörung von Ökosyste-
en und der Verlust an Arten beschleunigt sich in alar-
ierender Weise. Die Staatengemeinschaft hat dies
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durchaus erkannt. Sie hat auf dem Weltgipfel von Johan-
nesburg das Ziel formuliert, die Verlustrate an biologi-
scher Vielfalt bis zum Jahre 2010 signifikant zu reduzie-
ren. Allein die Umkehr des negativen Trends zu
erreichen ist uns noch nicht gelungen. Und genau des-
halb müssen Industrie- und Entwicklungsländer mehr
tun, um die biologische Vielfalt zu erhalten.
Denn eines wird doch in den letzten Jahren immer
deutlicher: Globaler Klimawandel, Wüstenbildung, die
Zerstörung der Bodenfruchtbarkeit oder die Verringe-
rung der Vielfalt von Nutzpflanzen wie Getreide- und
Reissorten, die Überfischung der Weltmeere, von denen
die Welternährung abhängt – alles Entwicklungen, die
den Erhalt der biologischen Vielfalt beeinflussen –, ha-
ben globale Auswirkungen. Sei es bezogen auf die glo-
bale Sicherheit, auf die Bekämpfung der Armut oder, all-
gemeiner formuliert, auf die Entwicklungsperspektive
von Gesellschaften. So wird man auch daran erinnern
müssen, dass schon heute die Zahl der Umweltflücht-
linge höher liegt als die Zahl der Menschen, die infolge
von Bürgerkrieg und Krieg ihre Heimat verlassen müs-
sen.
Wir haben in der ersten Debatte zum Thema darüber
gesprochen, was man tun kann zum Erhalt der biologi-
schen Vielfalt und was die Bundesregierung getan hat.
Ich habe dabei die Bedeutung des Erhalts des Regenwal-
des erwähnt und Projekte des Umwelt- und Ressourcen-
schutzes beschrieben, habe Beispiele der Sicherung der
Agrobiodiversität erwähnt und das Nationalparkmanage-
ment. Die Bundesregierung, aber auch die Durchfüh-
rungsorganisationen haben hier wirklich Vorbildliches
geleistet, was in der Höhe der Finanzmittel und der Qua-
lität der Programme zum Ausdruck kommt. Sie wissen,
dass die Zusagen in der bilateralen Zusammenarbeit von
circa 558 Millionen Euro im Jahr 2000 auf circa
710 Millionen Euro im Jahr 2003 gesteigert wurden.
Deutschland ist zudem einer der größten bilateralen Ge-
ber im Bereich des Tropenwaldschutzes. Meine Fraktion
wird sich auch in den kommenden Jahren dafür stark
machen, hier nachzulegen.
Aber ich möchte an dieser Stelle noch einen weiteren
Aspekt ansprechen. Was können wir tun, um internatio-
nal weiterzukommen? Wir müssen Gebiete, die ökolo-
gisch von besonderer Bedeutung sind, erhalten. Dies gilt
vor allem dort; wo eine einzigartige Vielfalt existiert. Ich
spreche von den Ländern, die sich in der so genannten
Megadiversen-Allianz zusammengeschlossen haben.
Länder, in denen rund 80 Prozent der biologischen Viel-
falt der Erde beheimatet sind wie Brasilien, Indonesien,
Indien und China. Dies wird sich nur dann erreichen
lassen, wenn den Ländern langfristig mehr Einnahmen
entstehen durch den Schutz ihrer einzigartigen ökologi-
schen Vielfalt, durch Mittel aus der Entwicklungskoope-
ration, durch Ausgleichsmaßnahmen im Kontext der
Klimakonvention und der Konvention über die biologi-
sche Vielfalt sowie durch eine nachhaltige Nutzung der
Ressourcen.
Wir müssen die Biopiraterie zum Nachteil der Ent-
wicklungsländer bekämpfen und Regeln entwickeln im
Zuge der Nutzung biologischer Ressourcen und im Zu-
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ammenhang mit Patentanmeldungen. Wenn die Men-
chen aus den Ländern – dies schließt ausdrücklich die
okale Bevölkerung und die indigenen Gemeinschaften
it ein – nicht direkt profitieren, entfällt ein Interesse
m Erhalt. Wir brauchen eine gerechte Verteilung der
orteile und mittelfristig ein internationales Regime ein-
chließlich eines Mechanismus zur Umsetzung, das eine
ngemessene Verteilung gewährleistet. Mit der UN-
onvention über die biologische Vielfalt, CBD, haben
ir ein zwischenstaatliches Instrument, bei dem Schutz-
nd Nutzungsaspekte gleichermaßen im Blickfeld ste-
en. Das ist richtig; denn nur so kann der Schutz und Er-
alt der biologischen Vielfalt funktionieren.
Die Verleihung des Friedensnobelpreises an Wangari
aathai war auch eine Ermutigung derjenigen, die sich
eltweit für den Erhalt der Umwelt einsetzen. Die Bot-
chaft war klar: Umweltpolitik, Friedenspolitik und die
ekämpfung von Armut gehören zusammen. Der Erhalt
er biologischen Vielfalt ist wirklich ein Menschheitsan-
iegen. Wir können uns nicht damit abfinden, dass der
erlust der Artenvielfalt nicht aufzuhalten ist.
Ulrich Heinrich (FDP): Es freut mich, dass wir bei
iesem Antrag im Ausschuss zu einer so schnellen Eini-
ung gekommen sind. In dem uns heute vorliegenden
ntrag wurden in der letzten Ausschusssitzung einige
eränderungen vorgenommen, die ich hier noch einmal
erausstellen möchte.
Zum einen wurde die einseitige Hervorhebung der
SC-Zertifizierung für Holznutzung aufgegeben und er-
etzt durch die Forderung, die Unterstützung und Ver-
arktung bestehender unabhängiger Zertifizierungssys-
eme für eine ökologische, sozial und ökonomisch
achhaltige Waldbewirtschaftung zu stärken. Dadurch
önnen alle acht von der FAO anerkannten Systeme glei-
hermaßen gefördert werden und die Entwicklungslän-
er, die sich nicht für das FSC entschieden haben, wer-
en nicht mehr benachteiligt.
Zum anderen wurden die Widersprüche des Antrages
wischen dem partizipatorischen Ansatz unserer Ent-
icklungszusammenarbeit und den Interessen der Ent-
icklungsländer auf der einen Seite und die Forderun-
en, dass internationale Handelsvereinbarungen und frei
erdende Mittel aus Entschuldungen nach HIPC II zu-
unsten des Schutzes der biologischen Vielfalt verwandt
erden sollen, zwar nicht gelöst, aber zumindest ent-
chärft.
Des Weiteren finde ich es wichtig und richtig, dass in
er neuen Fassung des Antrages die Bedeutung der bio-
ogischen Vielfalt bei der Ernährungssicherung berück-
ichtig wird.
Anschaulich wird im Antrag geschildert, dass das
otenzial der Biodiversität in den Entwicklungsländern
esonders hoch ist. Dieses Potenzial kann den Menschen
ur zugute kommen, wenn sie den ökonomischen Wert
er biologischen Vielfalt kennen und anwenden. In die-
em Zusammenhang wird auch erkannt, dass der Schutz
er biologischen Vielfalt nur dann gelingen kann, wenn
ie Menschen in den Entwicklungsländern am Nutzen
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der vielfältigen Flora und Fauna beteiligt werden. Hier
besteht in den Entwicklungsländern noch enormer Nach-
holbedarf.
Unsere schnelle Einigung über diesen Antrag zeigt,
wie sehr uns allen der Schutz der Biodiversität am Her-
zen liegt. Ich möchte Ihnen für die Zusammenarbeit in
diesem Punkt danken.
Anlage 10
Zu Protokoll gegebene Reden
zur Beratung des Antrags: Togos Weg in die De-
mokratie unterstützen – Afrikanische Union
(AU) und ECOWAS beim Engagement für
Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaat-
lichkeit unterstützen (Zusatztagesordnungs-
punkt 10)
Gabriele Groneberg (SPD): Es ist richtig, wir in
Deutschland können uns aufgrund unserer gemeinsamen
Vergangenheit mit Togo verbunden und deswegen auch
verpflichtet fühlen. Vor dem Jahr 1993 hat sich dieses in
einer intensiven bilateralen Zusammenarbeit mit Togo
dargestellt. Wir haben dann diese intensive Zusammen-
arbeit einstellen müssen. Der Grund lag für uns in den
zuvor stattgefundenen Wahlen, die weder frei und demo-
kratisch abgelaufen waren und auch in höchstem Maße
unfair waren. Eine Zusammenarbeit mit dem diktatori-
schen Regime konnte unter diesen Umständen nicht
mehr aufrechterhalten werden. Dies haben wir alle sehr
bedauert. Wie haben allerdings weiterhin in Togo tätige
NGO’s unterstützt und tun dies immer noch. Die huma-
nitäre Hilfe für die Bevölkerung ist notwendiger denn je.
Das Interesse an einer Zusammenarbeit mit dem dik-
tatorischen Regime in Togo ist generell bei der interna-
tionalen Gemeinschaft wie auch bei anderen EU-Län-
dern nicht sehr groß. Ablesen kann man dies durchaus
daran, dass nur zwei EU-Länder, Frankreich und
Deutschland, Botschaften in Togo unterhalten.
Der plötzliche Tod des Präsidenten Eyadéma im Fe-
bruar 2005 hätte den Aufbruch in ein demokratisches
Zeitalter für Togo bedeuten können. Weit gefehlt! In ei-
nem Staatsstreich brachte das Militär den Sohn des Dik-
tators, Faure Gnassingbé, an die Macht. Diverse Verfas-
sungsänderungen sollten dafür sorgen, dass dieser bis
2008 ohne Wahlen im Amt bleiben sollte.
Erst der massive Druck der internationalen Gemein-
schaft, der USA, der EU, der AU – Afrikanische Union –
und ECOWAS – Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikani-
scher Staaten – haben dafür gesorgt, dass die alte Verfas-
sung wieder Gültigkeit erlangte und ein Übergangspräsi-
dent eingesetzt wurde. Ebenso wurden Neuwahlen
innerhalb 60 Tagen angeordnet.
Die Bundesregierung hat seit Anfang Februar mehr-
fach auf verschiedene Weise deutlich gemacht, dass sie
Vorgänge um die Machtübernahme durch Faure
Gnassingbé verurteilt.
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Am 23. Februar 2005 haben wir uns im Ausschuss für
irtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aus-
ührlich mit der Situation in Togo beschäftigt.
Wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir das Ver-
alten von Faure Gnassingbé und seinen Anhängern ver-
rteilen, und haben gefordert, dass die Wahlen frei, fair
nd demokratisch ablaufen. Wir haben damals – ebenso
ie die Bundesregierung – deutlich gemacht, dass es
ine Übergangsregierung geben muss und die nach der
erfassung gültigen Fristen für Neuwahlen eingehalten
erden müssen. Wir haben unseren Ausschussvorsitzen-
en beauftragt, unsere deutliche Stellungnahme und un-
ere Forderungen zu den Vorgängen in Togo in entspre-
hender Weise öffentlich zu machen.
Die Meldungen, die uns zwischenzeitlich erreicht ha-
en, lassen allerdings die Hoffnung, dass unsere berech-
igten Forderungen Gehör finden, nicht zu. Ich denke, je-
er von uns hier im Plenum hat seine berechtigten
weifel, dass diese Wahlen tatsächlich demokratisch
ein werden. Wir verurteilen deshalb auch auf das
chärfste das brutale Vorgehen des Militärs gegen De-
onstranten, die sich im Vorfeld gegen Manipulationen
ussprechen und dies durch Proteste deutlich machen.
Die Bundesregierung hat im Vorfeld durch die Aus-
ildung von Wahlbeobachtern in Zusammenarbeit mit
em Kofi-Annan-International-Peacekeeping-Centre in
hana bereits 2004 50 Wahlbeobachter aus ECOWAS-
taaten ausbilden lassen und gegenüber ECOWAS auch
uf deren Einsatz bei den Wahlen in Togo gedrängt. Die
undesregierung wird aus den Botschaften der umlie-
enden Länder Mitarbeiter zur Beobachtung der Wahlen
ach Togo entsenden. Trotzdem befürchten wir, dass es
ben nicht zu freien, fairen und demokratischen Wahlen
ommen wird. Wir haben also im Großen und Ganzen
ine Übereinstimmung mit den Aussagen und Zielen Ih-
es Antrages.
Ihre in Ihrem Antrag geäußerte Kritik an der AU und
n ECOWAS finde ich nicht angemessen. Beide Organi-
ationen müssen sich in ihrer neuen Rolle zurechtfinden.
as geht nicht von heute auf morgen. Im vorliegenden
all ist sehr gut reagiert worden. Umgehend ist massiver
ruck auf das Regime in Togo ausgeübt worden bis hin
u beschlossenen Sanktionen. In Kombination mit dem
ruck der internationalen Gemeinschaft hat das dazu ge-
ührt, dass Faure Gnassingbé zurückgetreten ist und die
erfassung wieder in Kraft gesetzt wurde.
Ich gehe davon aus, dass das gewachsene Selbstbe-
usstsein in beiden Organisationen in Zukunft dazu füh-
en wird, dass sich AU und ECOWAS früher als bisher
nd erfolgreich in afrikanische Konflikte einmischen
erden, und dafür brauchen sie unsere ungeteilte Unter-
tützung.
Wundern muss ich mich allerdings darüber, warum
hr Antrag erst mit Datum vom 19. April 2005 – das war
m Dienstag – eingereicht wurde. Jetzt bedenken Sie
inmal die Zeitschiene: Wir beraten heute am späten
onnerstagabend über diesen Antrag. Morgen, Freitag,
eginnt bei uns und in der EU das Wochenende und am
onntag sind die Wahlen. Insofern muss ich feststellen,
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dass Ihre an die Bundesregierung gerichteten Forderun-
gen absolut ins Leere laufen müssen, alleine aus zeitli-
chen Gründen.
Glauben Sie ernsthaft, dass jetzt quasi in letzter Mi-
nute die Bundesregierung und die EU-Partner eine
Chance haben, die togolesische Regierung und das Par-
lament zu überzeugen, dass die Präsidentschaftswahlen
auf einen anderen Zeitpunkt verschoben werden? Glau-
ben Sie das wirklich? Noch nicht einmal die sofortige
Abstimmung dieses Antrages haben Sie verlangt. So
wird der Antrag heute überwiesen, und was die Wahlen
betrifft, hat er sich am Montagmorgen erledigt.
Die Bundesregierung hat sich im Übrigen durch Frau
Staatsministerin Kerstin Müller heute noch einmal be-
sorgt zu den Wahlen geäußert und an die Verantwortli-
chen in Togo appelliert, ihre eingegangenen Verpflich-
tungen zu erfüllen.
Dr. Conny Mayer (CDU/CSU): Am vergangenen
Sonntag kam es in Togos Hauptstadt Lome zu blutigen
Auseinandersetzungen. Bei gewaltsamen Zusammenstö-
ßen zwischen Anhängern der Regierung und der Opposi-
tion sind mehrere Dutzend Menschen verletzt worden
und es gab mindestens einen Toten.
Die Republik Togo steht wenige Tage vor der Präsi-
dentschaftswahl. 38 Jahre lang hat Eyadéma sein Land
mit eiserner Hand regiert. Mit dem Tod des langjährigen
Diktators hat das Land eine große Chance: die Chance
auf einen friedlichen Übergang zu Rechtsstaatlichkeit
und Demokratie. Über viele Jahrzehnte hinweg enga-
gierte sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in
Togo. Seit 1993 ist diese eingefroren. Die deutsche EZ
konzentriert sich seitdem auf humanitär ausgerichtete
Einzelmaßnahmen sowie die Arbeit von NROs.
Mit einem Übergang zur Rechtsstaatlichkeit, mit kon-
sequenter Einhaltung der Menschenrechte, mit einem
friedlichen Wandel zur Demokratie hat Togo die Chance,
an diese Zeit vor 1993 anzuknüpfen.
Die Intensivierung der Beziehung mit Deutschland
und die Wiederaufnahme der Entwicklungszusammenar-
beit setzen freie und transparente Präsidentschaftswah-
len am kommenden Sonntag voraus. Dabei geht es nicht
nur um die Vorgehensweise am Tag der Wahl. Freie und
transparente Wahlen heißt auch, dass die Revision der
Wahllisten und die Ausgabe der Wahlkarten vor der
Wahl transparent und gemäß den Wahlgesetzen vor sich
gehen. Transparent und frei heißt auch, dass alle politi-
schen Kräfte bei der Vorbereitung, Durchführung und
Auszählung der Wahlen beteiligt sind. Und natürlich
heißt frei auch, dass die Wählerinnen und Wähler ohne
Angst und Einschüchterung zu den Wahlurnen gehen
können, um ihre Stimme abzugeben.
Ich will einen zweiten Punkt ansprechen: Ein weiterer
wichtiger Prüfstein sind die anstehenden Parlaments-
wahlen; diese waren schon vor dem Tode des Präsiden-
ten zentrales Thema der EU-Togo-Konsultationen. Uns
und der EU ist wichtig, dass es schnellstmöglich zu ei-
nem nationalen Dialog, auch mit der Zivilgesellschaft,
kommt, und dass gemeinsam der Rahmen für die Parla-
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entswahl besprochen und vereinbart wird. Auch hier
rwarten die internationalen Geber einen demokrati-
chen Verlauf.
Ich will zu meinem dritten Punkt kommen: Besonders
urch den Druck der Afrikanischen Union und der Wirt-
chaftsgemeinschaft der Westafrikanischen Staaten
COWAS wurde erreicht, dass Faure Gnassingbé zu-
ücktrat. Afrikanische Union und ECOWAS haben damit
re Verantwortung für den Kontinent und die Region
eutlich gemacht und eine Rückkehr zur Verfassung in
ogo mit erreicht. Sie haben damit Durchsetzungsstärke
ewiesen. Auch die Vorbereitung der Wahl wird von
COWAS begleitet. Das macht Hoffnung. Wir alle – ich
enke, ich spreche hier für das ganze Hohe Haus – wün-
chen uns und appellieren an die zuständigen Verant-
ortlichen, dass dieses Beispiel Schule macht. Auch in
nderen afrikanischen Ländern sollte sich die AU nicht
cheuen, Menschenrechtsverletzungen anzuprangern
nd Demokratie einzufordern.
Lassen Sie mich eine Bemerkung zum Schluss ma-
hen: Ich hatte über Ostern die Gelegenheit, Togo zu be-
uchen. Ich konnte Gespräche mit Vertretern der Regie-
ung und der Opposition führen und Menschen
ußerhalb der Politik treffen. Mir ging es wie vielen an-
eren vor mir auch: Die Freundlichkeit und Offenheit,
ie die Togolesen uns Deutschen entgegenbringen, hat
ich tief berührt. Togo und Deutschland verbindet eine
nge gemeinsame Geschichte. Unsere beiden Länder
erbindet eine tiefe Freundschaft. Ich wünsche mir sehr,
ass Togo die gebotene Chance ergreift. Und ich wün-
che mir sehr, dass Togo schnellstmöglich seinen Weg
ur Einhaltung von Menschenrechten, zum Rechtsstaat
nd zur Demokratie findet.
Anke Eymer (Lübeck) (CDU/CSU): In Togo zeigt
ich, wie eine der wenigen in Afrika noch herrschenden
iktatorischen Dynastien mit verzweifelten Mitteln um
hren Machterhalt ringt. In dieser sensiblen Phase ist es
in nicht zu unterschätzendes und wirksames Zeichen,
ass jene Länder Afrikas, die für ihre Völker den Weg
er Demokratie und Rechtsstaatlichkeit erfolgreich be-
chritten haben, sich in erster Linie mitverantwortlich
eigen.
Es gilt, die letzten Exklaven diktatorischer Staatsre-
ime anzuprangern und mit Sanktionen zu belegen, um
o den Prozess der Demokratisierung, einer freiheitli-
hen Rechtsstaatlichkeit und der Einhaltung der Men-
chenrechte einzufordern. Dass dieser Prozess vorrangig
in afrikanischer ist, aber zugleich alle Unterstützung
er freien Welt, im Falle Togos besonders jener Länder
ie Deutschland, Frankreich und England, die durch
hre geschichtlich-koloniale Verbindung bis heute eine
esondere Verantwortung und einen besonderen Einfluss
ehmen können, ist uns allen bekannt. Dabei dürfen wir
ber nicht übersehen, dass besonders in dem Bemühen
er EU, die seit vielen Jahren den Prozess der Demokra-
isierung in Togo aktiv begleitet, dringend notwendig
it einer Stimme gesprochen werden muss. Umso
chwerer ist dies, wenn auf der Seite der europäischen
auptakteure massive Eigeninteressen einer zu großen
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005 16217
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Unentschiedenheit gegenüberstehen. Um der deutschen
Position eine klare Form zu geben, liegt der Antrag mei-
ner Fraktion heute vor. In ihm nehmen wir zur Kenntnis
und würdigen wir die Leistung als auch die führende
Position der Länder der AU und ECOWAS. Durch eine
schnelle und klare Ablehnung der Machtergreifung
durch den Sohn des verstorbenen Staatspräsidenten ha-
ben sie wesentlich mit zum Rücktritt Faures beigetragen.
Seitens der EU und seitens der Bundesrepublik gilt es
dies weiterhin zu unterstützen und zu einem nicht nach-
lassenden Druck auf die Verantwortlichen in Togo zu er-
muntern; denn mit dem Rücktritt Faure Gnassingbes
vom Amte eines Interimspräsidenten und den angesetz-
ten Neuwahlen, so wissen wir alle, ist es in Togo bei
weitem nicht getan.
In einem Land, in dem es keine wie bei uns übliche
Struktur der Meldepflicht gibt, ist besonders die Vorbe-
reitung der Wahlen, der Wahlliste, und ein fairer Wahl-
kampf, der eine ausreichende Vorbereitungsspanne be-
sonders der Opposition braucht, einer der sensibelsten
Punkte, um zu freien, gleichen und fairen Wahlen zu
kommen.
Wie sehr die gesamte Situation der Wahlen durch eine
seit langem vorbereitete Kampagne zur Machterhaltung
und Machtübertragung vom verstorbenen Staatspräsi-
denten auf seinen Sohn Faure belastet ist, wird erst klar,
wenn wir uns des so genannten Verfassungsputsches
vom Dezember 2002 und dessen Auswirkungen auf die
jetzt bevorstehenden Wahlen vergewissern. In einem un-
erhörtem Akt wurde dort das Wahlgesetz geändert: So
wurde nicht nur eine dritte Amtszeit des Präsidenten er-
möglicht und die Machtübergabe an seinen Sohn vorbe-
reitet, indem das gesetzliche Mindestalter für den Präsi-
denten für den zu jungen Faure gesenkt wurde; zudem
wurde durch die Einführung einer Residenzpflicht einer
der führenden Oppositionellen, Gilchrist Olympio – aus
Sicherheitsgründen im Ausland lebend –, von der Wahl
per Gesetz ausgeschlossen.
Eine schnelle und ernsthafte Rückkehr zu einem Pro-
zess der Demokratisierung und der Rechtsstaatlichkeit
ist weiterhin auch als Bedingung für eine normalisierte
entwicklungspolitische Arbeit grundlegend. Die Einfor-
derung der Umsetzung jener 22 Punkte der Selbstver-
pflichtungen Togos aus dem Jahre 2004 auf diesem Weg
ist unverzichtbare conditio sine qua non.
Vor dieser Folie sind die anstehenden Wahlen zu be-
werten und ist auch die Gemeinschaft der afrikanischen
Länder zu unterstützen, die die Tatsache der Wahlen
nicht als hinreichenden Grund nehmen sollte, um den
Prozess in Togo nur kritisch zu beobachten und in ihrem
Druck auf die Verantwortlichen nachzulassen.
Ich wünsche mir, dass der Fall Togo ein positives Bei-
spiel werden kann, indem sich zeigt, wie durch die An-
strengungen sowohl im Lande als auch der afrikanischen
und der europäischen Länder ein Prozess der Befreiung
hin zur Demokratisierung erfolgreich beschritten werden
kann.
Einen wichtigen Schritt dazu stellt der vorliegende
Antrag dar, der eine gute Basis für eine gemeinsame Po-
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ition Deutschlands gegenüber der Entwicklung in Togo
ein kann.
Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN): Die Entwicklungen in Togo seit dem Tod von
iktator Eyadéma verfolgen wir alle mit einer Mischung
on Besorgnis und Hoffnung. Die Befassung des Deut-
chen Bundestages mit dieser Entwicklung begrüße ich.
ie sollte allerdings so ablaufen, dass nicht der Verdacht
ufkommt, es ginge hier zuallererst um Taktik zwischen
iesiger Opposition und Regierung oder um Profilierung
er einen Oppositionspartei.
Deshalb möchte ich, bevor ich auf die Situation in
ogo zu sprechen komme, gleich zum vorliegenden An-
rag klarstellen: Die zentrale Forderung, dass die Bun-
esregierung jetzt noch innerhalb von verbleibenden drei
agen dafür sorgen soll, dass die Wahlen in Togo ver-
choben werden, kann ich nicht als wirklich ernsthaftes
egehren im Sinne einer tatsächlichen Realisierung an-
ehen. Dies schadet leider dem Antrag. Schon darum ist
er Antrag der CDU/CSU mit diesem Aufforderungsteil
edenfalls heute nicht zustimmungsfähig.
Wie Sie wissen, bemüht sich die Bundesregierung da-
um, dass von Deutschland ausgebildete Wahlbeobachter
ei den Wahlen am Wochenende zum Einsatz kommen.
s ist wünschenswert, dass über die Aktivitäten der Bun-
esregierung hinaus ein Zeichen durch den Deutschen
undestag gesetzt wird. Wenn Sie dies und ein Votum
iner möglichst breiten Mehrheit wollen, wäre es besser
ewesen, den Antrag nicht erst am Dienstagnachmittag
ieser Woche zuzuleiten. Eine Beratung war in den Frak-
ionen nicht mehr möglich. Ich bedaure dies. Ich würde
s begrüßen, wenn wir im Ausschuss noch zu einem ge-
einsamen Ergebnis kommen.
Meine Hauptsorge ist die Gefahr einer erneuten Eska-
ation von Gewalt vor und auch nach der Wahl. Wir soll-
en daher heute in unseren Reden an die Vernunft aller
m Konflikt Beteiligten appellieren, besonnen zu han-
eln, die Wahlen ohne Blutvergießen durchzuführen und
lles zu tun, um eine Gewalteskalation zu vermeiden.
enn wir wissen ja aus einer ganzen Reihe von Beispie-
en, dass der Übergang aus einer jahrzehntelangen Dikta-
ur in eine Demokratie alles andere als einfach ist, mög-
icherweise von Rückschlägen begleitet. Die Wahlen
om Sonntag sind nur der erste Schritt. Allzu leicht kann
m weiteren Verlauf der Versuch einer demokratischen
elbstbestimmung in Blut ersticken. Auch die jetzigen
ahlen kamen ja nur auf Druck von ECOWAS zustande.
n Togo selbst waren nach dem Tode Eyadémas Putsch
nd Verfassungsbruch bereits Realität geworden.
Darum ist es wichtig, dass sich der Deutsche Bundes-
ag jetzt zu Wort meldet, aber auch den weiteren Prozess
er Demokratisierung begleitet.
Aber wir Deutschen haben auch besondere Gründe,
ns mit der Entwicklung im Kongo zu beschäftigen:
5 Jahre Entwicklungszusammenarbeit auch mit dem
iktaturregime und eine eigene unrühmliche Vergangen-
eit als Kolonialmacht in diesem Land Afrikas.
16218 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 172. Sitzung. Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
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Erstens. Fast vier Jahrzehnte Diktatur von Eyadéma
sind nicht die einzige historische Last, die ein demokra-
tisches Togo zu tragen hat. Wer dazu beitragen will, ei-
nen demokratischen Weg für Togo zu eröffnen, der muss
– dies gilt für Togo genauso wie für andere aus ehemali-
gen Kolonien entstandene Staaten – erst einmal selbst
wahrhaftig sein und das, was in Togo geschehen ist, auf-
arbeiten. Diese Wahrhaftigkeit, die Aufarbeitung der Ge-
schichte, hat in Afrika einen hohen Stellenwert, wie die
zahlreichen Wahrheitskommissionen belegen und wie
afrikanische Vertreter immer wieder betonen. Darüber
geht der Antrag hinweg. Unvermittelt stehen nebenei-
nander eine 38 Jahre währende Diktatur Eyadémas und
die jahrzehntelange Entwicklungszusammenarbeit mit
Deutschland, die erst 1993 beendet wurde. Wo bleibt
eine Bewertung von 25 Jahren Entwicklungszusammen-
arbeit mit dieser Diktatur?
Zweitens. Sie übernehmen Forderungen der Opposi-
tion in Togo als Forderungen an die Bundesregierung.
Aber diese Opposition buchstabiert den Vornamen Faure
des Eyadéma-Sohnes und RPT-Kandidaten auch als „Fe-
deration Assansins Unis Relayer Eyadéma“, also als
„Verband der Vereinigten Mörder zur Werbung für Eya-
déma“. Wenn die RPT ein „Verband der Vereinigten
Mörder“ ist, wie erklären Sie die uneingeschränkte Ab-
schiebepraxis der unionsgeführten Länder in Deutsch-
land? Kann das etwas mit der bekannten Duzfreund-
schaft von F. J. Strauß mit eben jenem Diktator zu tun
gehabt haben?
Drittens. Die gemeinsame Geschichte, die Deutsch-
land und Togo verbindet, ist auch die Geschichte
Deutschlands als Kolonialmacht in Togo. Es sind gerade
auch die ererbten postkolonialen Strukturen, die die
Grundlage für Diktatur, Gewalt und Rassismus nach der
Entkolonisierung bilden, also dazu beitragen, dass das
Unrecht fortdauert. Zum Beispiel hat der Diktator
Eyadéma Menschen, die nicht nachweisen konnten, dass
beide Eltern togoische Staatsbürger waren, mit Ausgren-
zung und Repression überzogen. Sie konnten nicht
Staatsbürger Togos bleiben. Von vielen Familien lebten
und leben Angehörige sowohl in Togo als auch in den
Nachbarstaaten. So wurden viele Menschen aus der Ge-
sellschaft in Togo ausgegrenzt und wurden Opfer dieser
deutschen Art von nach dem Blut definierter Staatsbür-
gerschaft. Sie führte zu willkürlichen, häufig schmerzli-
chen Ergebnissen wegen der willkürlich gezogenen Ko-
lonialgrenzen.
Deshalb spielt die Aufarbeitung der kolonialen Ver-
gangenheit wie auch die Aufarbeitung der Zusammenar-
beit während der Diktatur für den Weg Togos in die De-
mokratie eine wichtige Rolle.
Diese Hinweise auf die Vergangenheit sind notwen-
dig. Sie müssen uns auch beschäftigen, wenn wir einen
Antrag formulieren.
Um Missverständnissen vorzubeugen, betone ich
noch einmal: Ich halte es für richtig, wenn der Deutsche
Bundestag den Weg Togos in die Demokratie möglichst
geschlossen unterstützt und dies in einem gemeinsamen
Antrag zum Ausdruck bringt.
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Ulrich Heinrich (FDP): Afrika lässt uns nicht los.
er kalte Staatsstreich von Faure Gnassingbé, des Soh-
es des im Februar 2005 verstorbenen togolesischen,
iktatorisch regierenden Staatschefs Gnassingbé
yadéma, hat mithilfe des Militärs den von der Verfas-
ung vorgesehenen Interimspräsidenten, Parlamentsprä-
ident Natchaba, daran gehindert, sein von der Verfas-
ung vorgesehenes Amt des Interimspräsidenten bis zur
emokratischen Neuwahl eines Staatspräsidenten zu
bernehmen. Dies kann und darf nicht hingenommen
erden; nicht von den Europäern, aber vor allem auch
icht von den Afrikanern selbst.
Die FDP begrüßt deshalb vorbehaltlos die energische
eaktion des Kommissionspräsidenten der Afrikani-
chen Union, AU, Alpha Oumar Konaré, der den Coup
on Gnassingbé junior als eben das bezeichnet hat, was
r ist, nämlich als einen Staatsstreich. Wir begrüßen es,
ass die AU und übrigens auch die Wirtschaftsgemein-
chaft der Westafrikanischen Staaten, ECOWAS, Togo
it Sanktionen und mit militärischer Intervention ge-
roht haben. Genau diese schnelle und unzweideutige
eaktion der afrikanischen supranationalen Institutionen
st es, was wir uns noch viel öfter wünschen würden.
eider spricht Afrika bei anderen Konflikten nicht so un-
weideutig mit einer Stimme. Simbabwe steht dafür als
rominentestes, beileibe aber nicht als einziges Beispiel.
Gerade weil wir Afrika ernst nehmen, wünschen wir
ns, dass bei der Lösung von regionalen oder von Staats-
risen in Afrika in allererster Linie die afrikanischen In-
titutionen selbst eigene Krisenlösungsmechanismen in
ang setzen, bevor nach der Weltgemeinschaft gerufen
ird. Subsidiarität, die wir Europäer und gerade auch
ir Deutsche gerne für uns in Anspruch nehmen, muss
uch im Umgang mit Afrika gelten. Damit meine ich
icht, dass wir wegschauen sollen. Im Gegenteil, sonst
äßen wir ja auch heute nicht hier bei der Debatte dieses
ntrags. Nein, das heißt vielmehr, dass wir alles tun
üssen, um die Autorität der AU zu stärken und sie
andlungsfähiger zu machen. Kommissionspräsident
onarés Reaktion ist deshalb ein ermutigendes Signal
ür die Demokratie in Afrika und natürlich ganz beson-
ers für die togolesische Opposition.
Die FDP unterstützt den vorliegenden Antrag der
DU/CSU, der Gnassingbé junior dazu auffordert, die
xtrem kurzfristig für den 24. April 2005 angesetzten
ahlen zu verschieben. Denn unter den in Togo gegen-
ärtig herrschenden Umständen kann von demokrati-
chen Wahlen nicht gesprochen werden. Wenn der Sohn
on Präsident Eyadéma sein Land nicht in die internatio-
ale Isolation führen will, dann muss er diese undemo-
ratisch vorbereiteten Wahlen verschieben und neu aus-
chreiben. Wir Entwicklungspolitiker unterstützen
eshalb auch die Initiative des Menschenrechtausschus-
es des Deutschen Bundestages, der den gegenwärtigen
COWAS-Präsidenten und Präsidenten des Niger,
amadou Tandja, um eine nochmalige deutliche Inter-
ention gegenüber der togolesischen Interimsregierung
ugunsten einer Verschiebung der Wahlen gebeten hat.
Vieles verbindet uns Deutsche mit Togo: Viele Togo-
esen haben in Deutschland studiert, viele deutsche Bis-
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tümer und evangelische Landeskirchen arbeiten mit Ge-
meinden in Togo zusammen, aber natürlich gibt es auch
die 30 Jahre dauernde Kolonialgeschichte von 1884 bis
1914. Sogar noch länger, nämlich nicht weniger als
38 Jahre, von 1967 bis 2005, dauerte die diktatorische
Regierungszeit von Präsident Eyadéma und der ihn un-
terstützenden Clans aus dem Norden Togos. Der „Eco-
nomist“ vom 10. Februar 2005 nannte ihn in seinem
Nachruf gar „Africa’s most experienced despot“. Es darf
nicht sein, dass nach so langen Jahren der Familienherr-
schaft nun die Präsidentenwürde in Scheinwahlen auf
Eyadémas Sohn vererbt werden soll. Es ist das unantast-
bare Recht des togolesischen Volkes, sein Staatsober-
haupt endlich in freier Wahl zu bestimmen. Die FDP un-
terstützt deshalb nachdrücklich den vorliegenden
Antrag.
172. Sitzung
Berlin, Donnerstag den 21. April 2005
Inhalt:
Redetext
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5
Anlage 6
Anlage 7
Anlage 8
Anlage 9
Anlage 10