Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
– Ich begrüße Sie alle herzlich. Auf den Vorschlag zurnamentlichen Begrüßung aller erschienenen Kolleginnenund Kollegen komme ich gegebenenfalls im Verlaufe derVeranstaltung zurück.Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:Befragung der BundesregierungDie Bundesregierung hat als Thema ihrer heutigenKabinettssitzung mitgeteilt: Bericht zum Stand derAusbildungsförderung nach § 35 Bundesausbildungs-förderungsgesetz.Das Wort für den einleitenden Kurzbericht hat dieBundesministerin für Bildung und Forschung, FrauBulmahn.Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildungund Forschung:Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der großendEotdggdAti2ddtaBmuTsRedetBAföG-Reform im Jahre 2001 hat die rot-grüne Bundes-regierung eine Erfolgsgeschichte auf den Weg gebracht.Es ist uns gelungen, den jungen Menschen das Vertrauenin die staatliche Ausbildungsförderung zurückzugeben.Wir konnten mehr junge Menschen für ein Studium ge-winnen und die Studienanfängerzahl seit 1998 von da-mals 27,7 Prozent auf 36,5 Prozent eines Jahrganges,also um 9 Prozentpunkte, steigern. Die Zahl der Geför-derten ist von 1998 bis 2003 von 341 000 auf 505 000gestiegen. Die Gefördertenquote liegt damit bei 25,6 Pro-zent; das heißt, dass jeder vierte Student, der sich in derRegelstudienzeit befindet, BAföG erhält.Mehr als zwei Drittel der BAföG-Geförderten hättennach eigenen Angaben ohne BAföG nicht studnen. Das unterstreicht den Stellenwert, denrung für Studierende inzwischen erreicht hatdere die mit der BAföG-Reform geschaffene
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Ich rufe nun zunächst Fragen zu dem Bericht der Mi-
nisterin auf. Zu Wort gemeldet hat sich zunächst die
Kollegin Berg.
Frau Ministerin, Sie haben eben eindrucksvoll darge-
stellt, dass mit der BAföG-Reform der Anteil der Studie-
renden aus Elternhäusern, die als bildungsfern einzustu-
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ie zeigen insbesondere, dass es uns gelungen ist, Kin-er aus den so genannten bildungsfernen Schichten anie Universitäten zu holen.Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass sich der An-eil der Studierenden an allen Kindern, deren Eltern nur
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Bundesministerin Edelgard Bulmahnüber einen Hauptschulabschluss verfügen – das ist dieDefinition der so genannten bildungsfernen Schichten –,im Zeitraum von 2000 bis 2003 von 16 auf 21 Prozenterhöht hat.
Das zeigt sehr klar, dass die Erhöhung der Studierenden-quote insgesamt zu einem erheblichen Anteil darauf zu-rückzuführen ist. Es ist uns also wirklich gelungen, Stu-dierende aus bildungsferneren Familien für ein Studiumzu gewinnen und an die Hochschulen zu holen.Die Hürde, die es in den 90er-Jahren ganz offensicht-lich gab – der Anteil war damals ja noch erheblich nied-riger –, haben wir beiseite geräumt. Dadurch haben wirdie Möglichkeit dieser Kinder und Jugendlichen, mehrBildung zu erwerben und höhere Bildungsabschlüsse zuerlangen, deutlich erhöht. Das ist der eigentliche Erfolgder BAföG-Reform. Im Gegensatz zu der oft aufgestell-ten Behauptung – ich habe das vorhin bereits gesagt –,dass es nicht gelingt und nicht möglich ist, ist es uns tat-sächlich gelungen. Das zeigt auch die Empirie. Sie un-terstreicht, wie wichtig es war, diese BAföG-Reformdurchzuführen, und wie wichtig es ist, dass es dasBAföG auch weiterhin geben wird.Deshalb habe ich vorhin auch gesagt, dass ich keinVerständnis für die Vorschläge aus Hamburg oder auchdes BDA habe, die im Klartext bedeuten, dass es keinBAföG mehr geben soll. Das würde heißen, diesen Ju-gendlichen den Zugang wieder zu versperren und wiederhohe Hürden aufzubauen. Das werden wir nicht tun.
Kollege Tauss.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Ministerin, Sie haben mir das Stichwort gelie-
fert. Neben den unionsgeführten Ländern fordern insbe-
sondere die Arbeitgeberverbände die Einführung von
Studentensteuern und Intelligenzabgaben. Dies soll ge-
mäß dem BDA-Modell nicht nur durch das BAföG, son-
dern auch durch das Kindergeld finanziert werden. Mich
würde interessieren, wie man sich dazu stellt und ob dies
überhaupt verfassungskonform ist.
Daneben würde mich interessieren, ob Sie ergänzend
zu den geführten BAföG-Debatten Vorschläge der Wirt-
schaft kennen, mehr Stipendien für Studierende in
Deutschland bereitzustellen, wodurch sie insgesamt eine
höhere finanzielle Verantwortung für die deutschen Uni-
versitäten übernehmen würde, wie dies in anderen Län-
dern bereits der Fall ist.
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:
Ich fange einmal mit dem zweiten Teil der Frage an,
nämlich ob ich es für richtig und sinnvoll halte, dass die
Wirtschaft mehr Stipendien zur Verfügung stellt. Diese
Frage beantworte ich ausdrücklich mit Ja. Die Wirtschaft
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ir haben eine klare Korrelation zwischen der Erhö-
ung der Zahl der Studienanfänger und der BAföG-Re-
orm. Im Jahre 2001 ging es richtig los. Die Zahl der
tudienanfänger steigt ebenso wie die Zahl der durch
AföG Geförderten. Es gibt also einen klaren Zusam-
enhang zwischen BAföG-Reform und der Steigerung
er Studierendenzahlen. So viel zum ersten Punkt.
Zweitens. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen,
ass wir mit dieser Reform eigentlich drei Dinge erreicht
aben: Wir haben erstens die Vollförderung, das heißt
en Satz, erheblich erhöht. Diese beläuft sich jetzt ein-
chließlich Kindergeld auf 750 Euro monatlich. Das ist
icherlich keine üppige Ausstattung, aber eine Ausstat-
ung, mit der man seinen Lebensunterhalt während des
tudiums finanzieren kann.
Zweitens haben wir die Verschuldung begrenzt. Das
st deshalb so wichtig, weil BAföG zur Hälfte als Zu-
chuss gegeben wird und zur anderen Hälfte als Darle-
en. Das ist ein zinsgünstiges Darlehen, wobei die ver-
ünstigten Zinsen ebenfalls durch Steuermittel finanziert
erden. Vor der Reform häuften diejenigen, die eine
ollförderung erhielten, Schulden in Höhe von
0 000 bis 35 000 Euro bis zum Abschluss des Studiums
n. Das wollten wir ändern. Deswegen haben wir die
chulden gedeckelt. Man zahlt also jetzt auch bei einer
ollförderung höchstens 10 000 Euro nach dem Studium
urück. Diese Kombination hat offensichtlich dazu ge-
ührt, dass die Akzeptanz deutlich gestiegen ist. Es ist
ns damit wirklich gelungen, Studierende aus den bil-
ungsfernen Schichten zu erreichen. Sonst wäre es uns,
ürchte ich, nicht gelungen, eine Steigerung von 16 auf
1 Prozent innerhalb von drei Jahren zu erreichen. Das
st ein deutlicher Fortschritt. Es gibt die klare Korrela-
ion zwischen diesen Reformschritten im Rahmen der
AföG-Gesetzgebung und den Ergebnissen, die ich Ih-
en heute vorgestellt habe.
Last, not least will ich darauf hinweisen, dass sich
ieses positiv auf die Senkung des durchschnittlichen
lters der Studierenden auswirkt. Über 80 Prozent der
tudierenden sind jetzt jünger als 26 Jahre. Das war eine
er Zielsetzungen, die wir mit der Reform erreichen
ollten.
Frau Kollegin Reiche.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Februar 2005 14547
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Frau Ministerin, Sie haben der Kollegin Dominke wi-
dersprochen, die einen Zusammenhang zwischen der zu-
nehmenden Armut in diesem Land und der steigenden
Zahl von BAföG-Beziehern festgestellt hat. Hinsichtlich
der überplanmäßigen Ausgabe für das Schüler-BAföG in
Höhe von 42 Millionen Euro im Jahr 2004 hat die Bun-
desregierung zugegeben, dass diese Ausgabe notwendig
wurde, weil die wirtschaftliche Lage im Land so
schlecht ist. Ich frage mich, warum etwas, das für das
Schüler-BAföG gilt, nicht auch für das BAföG für Stu-
dierende gelten soll.
Auch die KfW hat zusätzlichen Kreditbedarf von
BAföG-Empfängern für die Finanzierung des Lebens-
unterhalts festgestellt. Die KfW wird in Kürze ein ent-
sprechendes Finanzierungsmodell vorstellen. Ich frage
Sie, wie Sie dieses Modell beurteilen.
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:
Zunächst zu dem ersten Teil Ihrer Frage, Frau Kolle-
gin: Die Ausgangssituation ist beim Schüler-BAföG an-
ders als beim BAföG für Studierende. Es ist richtig, dass
der Bedarf an Schüler-BAföG sehr stark gestiegen ist.
Das ist darauf zurückzuführen, dass viele junge Leute,
die eine berufliche Ausbildung absolvieren wollten, in
den vergangenen Jahren keinen betrieblichen Ausbil-
dungsplatz gefunden – wir haben den Pakt für Ausbil-
dung geschlossen, um die Zahl der betrieblichen Ausbil-
dungsplätze zu erhöhen – und sich aus diesem Grund für
eine vollzeitschulische Maßnahme bzw. Berufsausbil-
dung entschieden haben. Das ist auch richtig und ver-
nünftig; denn eine vollzeitschulische Berufsausbildung
ist immer noch besser als gar keine Berufsausbildung.
Insofern liegt die Ursache für den Anstieg des Be-
darfs an Schüler-BAföG in der nicht ausreichenden Zahl
der betrieblichen Ausbildungsplätze. Deshalb habe ich
im Parlament auch immer wieder die Wirtschaft aufge-
fordert, in größerer Zahl betriebliche Ausbildungsplätze
zur Verfügung zu stellen, und zwar nicht nur deshalb,
weil wir andernfalls das BAföG für die betroffenen Ju-
gendlichen aus Steuermitteln aufbringen müssen, son-
dern auch, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass
eine betriebliche Ausbildung sehr viele Vorzüge hat.
Ich hoffe von daher, dass wir in den kommenden Jah-
ren mit einer gemeinsamen Anstrengung erreichen kön-
nen, dass sich die Schüler nicht mehr aus Mangel an
betrieblichen Ausbildungsplätzen für eine vollzeitschuli-
sche Maßnahme bzw. Ausbildung entscheiden, sondern
nur dann, wenn sie dies wirklich wollen und für den ge-
eigneten Ausbildungsweg halten.
Insofern ist eine Unterscheidung vorzunehmen: Bei
den Schülerinnen und Schülern liegen andere Gründe für
die Steigerung des BAföG-Anteils als bei den Studieren-
den vor. Ich wiederhole: Es besteht ein klarer Zusam-
menhang zwischen der Steigerung der Zahl der Studie-
renden aus den bildungsfernen Schichten von 16 Prozent
auf 21 Prozent – eine solche Steigerung hat es seit Jahr-
zehnten nicht mehr gegeben – und den gestiegenen
BAföG-Zahlungen, die wir für die Studierenden leisten
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Dr. Gesine Lötzschgehe davon aus, dass Sie auch nach dem Urteil des Bun-desverfassungsgerichtes an Ihrer Position festhalten.Mich interessiert, welche Pläne und Strategien Sie auchweiterhin gegen die Einführung von Studiengebührenverfolgen.Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildungund Forschung:Frau Kollegin, das Bundesverfassungsgericht hat jaausdrücklich festgestellt, dass der Bund nicht regelndarf, ob Studiengebühren erhoben werden oder nicht.Damit kann die Bundesregierung in dieser Frage nichtregelnd tätig werden. Das liegt nun allein in der Handder Bundesländer. Sie wissen sicherlich ebenfalls, dassdie SPD-regierten Bundesländer erklärt haben, an einemgebührenfreien Erststudium festzuhalten – das unter-stütze ich ausdrücklich –, und zwar entweder in Formvon Studienkontenmodellen oder durch eine generelleRegelung. Aufseiten der unionsregierten Bundesländergibt es eine Mehrheit, die sich für die Einführung vonStudiengebühren ausspricht. Einige dieser Bundesländerhaben allerdings die Einführung von Studiengebühren,die sie für 2005/06 angekündigt hatten, um ein Jahr ver-schoben. Das gibt Anlass zu der Hoffnung, dass sichdiese Bundesländer das vielleicht noch überlegen wer-den. Mehr will ich dazu nicht sagen.
Frau Dominke.
Frau Ministerin, ich möchte noch einmal auf das
Thema Anpassung der Bedarfssätze zurückkommen. Sie
haben in Ihrem aktuellen Bericht einen Anpassungsbe-
darf in Höhe von 6,5 Prozent und in Ihrem Bericht von
vor zwei Jahren einen Anpassungsbedarf in Höhe von
3 Prozent – das ist in den 6,5 Prozent schon kumuliert –
festgestellt. Während Sie in Ihrem letzten Bericht noch
festgestellt haben, dass es die Bundesregierung weiter-
hin für richtig und grundsätzlich für notwendig hält,
durch zeitnahe und regelmäßige Anpassungen zu reagie-
ren, fehlt in Ihrem aktuellen Bericht eine entsprechende
Feststellung. Sie begründen nun den Verzicht – anders
als vor zwei Jahren, als auf die mangelnden Steuerein-
nahmen hingewiesen wurde – mit dem Hinweis auf die
Haushaltskonsolidierung und auf Hartz IV. Darf ich das
so verstehen, dass Sie nach nunmehr fünf Jahren das
Postulat der zeitnahen und regelmäßigen Anpassung auf-
gegeben haben?
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:
Das dürfen Sie so nicht verstehen; denn es ist und war
nicht von einer losgelösten zeitnahen Anpassung die
Rede, auch nicht in dem Bericht. Vielmehr hängt die
Entwicklung der Sätze, und zwar sowohl bei den Ein-
kommensgrenzen als auch beim BAföG selber, immer
von der Entwicklung der Lebenshaltungskosten und der
generellen Einkommensentwicklung ab. Deshalb habe
ich vorhin ausdrücklich gesagt, dass wir die Frage nach
der Angemessenheit der Bedarfssätze sorgfältig im Blick
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Deshalb möchte ich fragen, welche Rolle bei Ihren Ana-
lysen der Umstand spielt, dass wir es gerade bei Studien-
fächern, die ausgesprochen zukunftsbedeutsam sind, mit
einer großen Zahl von zulassungsbeschränkten Studien-
gängen zu tun haben. Weist dieser Umstand nicht darauf
hin, dass wir eventuell falsche finanzielle Anreize in Be-
zug auf diejenigen Studienbereiche gegeben haben, die
die größte Ausbildungsrendite im Hinblick auf den Ar-
beitsmarkt versprechen? Müssten Sie vor diesem Hinter-
grund nicht bereit sein, über intelligente Methoden der
Beteiligung an den Studienkosten etwas vorurteilsfreier
zu sprechen, als Sie es in Ihren bisherigen Einlassungen
getan haben?
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:
Herr Bergner, der Anteil der Kinder aus so genannten
bildungsferneren Schichten, die ein Studium aufnehmen,
ist durch die BAföG-Reform innerhalb von drei Jahren
von 16 Prozent auf 21 Prozent gestiegen.
– Studierende aus so genannten bildungsferneren
Schichten kommen aus Familien, in denen die Eltern ei-
nen Hauptschulabschluss haben. Das ist genau definiert,
Herr Bergner. Das haben nicht wir definiert, sondern die
Wissenschaft.
– Wenn ich das einmal so sagen darf – sonst tue ich das
nicht –: Was Sie da erzählen, ist Unsinn; Herr Bergner,
was Sie eben gesagt haben, ist einfach unzutreffend.
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iese Definition ist von Wissenschaftlern formuliert
orden.
Wenn Sie, Herr Bergner, verkennen und verleugnen,
ass es in unserem Land einen Zusammenhang zwischen
ildungschancen und sozialer Herkunft gibt, dann igno-
ieren Sie sämtliche empirischen Untersuchungen und
as sollte zumindest ein Wissenschafts- und Forschungs-
olitiker nicht tun.
ämtliche empirischen Untersuchungen zeigen ganz
usdrücklich, dass in unserem Land der Zusammenhang
wischen sozialer Herkunft und Bildungschancen so
tark ist wie in keinem anderen Land. Deshalb ist es
ichtig, festzustellen zu können, dass es uns durch die
etzung von guten Rahmenbedingungen jetzt endlich
umindest bei den Studierenden gelungen ist, dieses
roße Problem deutlich zu entschärfen und den Anteil
er Studierenden aus bildungsfernen Schichten zu erhö-
en. Das war, finde ich, mehr als überfällig.
enn Sie das als selbstherrlich bezeichnen, dann kann
ch das offen gesagt nicht nachvollziehen, Herr Bergner.
Ich finde, dass das eine gemeinsame gesellschaftspo-
itische Aufgabe ist, die die CDU/CSU genauso hat wie
ie SPD, das Bündnis 90/Die Grünen, die FDP und die
ertreterinnen der PDS im Deutschen Bundestag. Zu-
indest meiner Meinung nach sollte sich niemand hier
um das einmal klar und deutlich zu sagen – dieser Auf-
abe und dieser Verantwortung entziehen.
Mit diesem schönen Disput sind wir am Ende der Be-ragung der Bundesregierung.Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2 auf:Fragestunde– Drucksache 15/4816 –Ich werde die Geschäftsbereiche in der ausgedruckteneihenfolge aufrufen und die eingereichten Fragen be-ntworten lassen.Die Frage 1 des Kollegen Günter Nooke zum Ge-chäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanz-eramtes wird schriftlich beantwortet.Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-esministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung
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Vizepräsident Dr. Norbert Lammertsteht der Parlamentarische Staatssekretär Wagner zurVerfügung.Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Nolting auf:Will die Bundesregierung nach wie vor an der Beschaf-fung von MEADS – Medium Extended Air Defense System –festhalten und, wenn ja, wann ist mit der Beschaffungsvorlagezu rechnen?H
Herr Präsident! Herr Kollege Nolting, die Bundes-
regierung hält an der beabsichtigten Realisierung des
Luftverteidigungssystems MEADS zusammen mit Ita-
lien und den Vereinigten Staaten von Amerika fest.
Zur weiteren Befassung des Parlaments ist entspre-
chend dem phasenweisen Vorgehen zunächst eine so ge-
nannte 25-Millionen-Euro-Vorlage zur Entwicklung von
MEADS – nicht zur Beschaffung – vorgesehen. Die Zu-
leitung der Entwicklungsvorlage an die Ausschüsse des
Deutschen Bundestages soll so erfolgen, dass eine Be-
handlung in der zehnten Kalenderwoche dieses Jahres
ermöglicht wird. Sie wissen, dass wir bis zum 26. März
dieses Jahres erklären müssen, ob wir uns an der Ent-
wicklung von MEADS beteiligen. Mit einer Beschaf-
fungsvorlage MEADS ist erst zum Ende dieses Jahr-
zehnts zu rechnen, frühestens 2009, soweit die zu
erwartenden Entwicklungsergebnisse dies rechtfertigen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben den Kostenrahmen an-
gesprochen. Können Sie denn schon etwas zu den Be-
schaffungskosten sagen? Es gibt ja Meldungen in der
Presse, nach denen sich der Kostenrahmen zwischen
3,5 und 10 Milliarden Euro bewegt.
H
Herr Kollege, darüber wird sehr viel spekuliert. Die
illustresten Gutachten werden abgegeben. In der Tat
schwanken die Angaben zwischen 2,5 und 10 Milliarden
Euro. Alle Zahlen sind unzulänglich; solange im Zuge
der Entwicklung nicht festgestellt worden ist, ob sich das
System überhaupt rechnet, kann auch über die Größen-
ordnungen der für die Beschaffung notwendigen Sum-
men nichts gesagt werden.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist denn gewährleistet oder sicher,
dass alle beteiligten Nationen an dem Projekt festhalten?
Ha
Die Vereinigten Staaten und Italien als die beiden an-
deren Partner haben erklärt, dass sie dann, wenn sich
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
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14552 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Februar 2005
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sie muss, wie der Kollege Hedrich zu Recht sagt –, be-
ogen sich auf einen speziellen Aspekt, nämlich die
rage der Einladung von Dissidenten. Ansonsten sind
ie Pressemeldungen seitens der Frau Staatsministerin
nd der Bundesregierung unwidersprochen geblieben.
ch zitiere einmal „Die Welt“ vom 28. Januar 2005, die
erichtet, dass mehrere Länder, darunter Deutschland
nd Frankreich, die Beziehungen zu Kuba normalisieren
ollen und dieses Vorhaben mitbetrieben haben, was zu
em Beschluss vom 31. Januar geführt hat.
Als Carl-Dieter Spranger als Minister noch Verant-
ortung für das von Ihnen repräsentierte Ressort trug,
urden eine Reihe von Kriterien für die deutsche Ent-
icklungszusammenarbeit festgelegt, die vom Deut-
chen Bundestag einstimmig gebilligt wurden. Demnach
ind beispielsweise eine marktwirtschaftliche Orientie-
ung und die Achtung der Menschenrechte zentrale Kri-
erien für die Vergabe von Mitteln im Rahmen der
ntwicklungszusammenarbeit. Ich möchte Sie grund-
ätzlich fragen: Gilt dies für die heutige Bundesregie-
ung nach wie vor?
Dr
Dies gilt für die heutige Bundesregierung nach wie
or. Leider hat sich die damalige Regierung nicht strikt
n diese Kriterien gehalten. Denn über die Entwick-
ungskooperation mit China wurde keine Debatte ge-
ührt. Sie können sich sicherlich noch daran erinnern,
ass ein Staatssekretär der damaligen Regierung wegen
er EZ mit China zurücktreten musste.
Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Peter Weiß auf:Soll nach Kenntnis der Bundesregierung die derzeit einge-frorene Entwicklungszusammenarbeit der EuropäischenUnion mit Kuba wieder aufgenommen werden und, wenn ja,wie verhält sich die Bundesregierung hinsichtlich dieserFrage?
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Februar 2005 14553
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Dr.
Herr Abgeordneter, seitens der EU-Kommission sind
vorerst lediglich Sondierungsgespräche vorgesehen.
Eventuelle Ergebnisse werden dann zeitnah im Lichte
der Gesamtsituation zu beurteilen sein.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, nachdem die Außenminister
der EU beschlossen haben, die Sanktionen vom Juni
2003 gegenüber Kuba aufzuheben, und Kontakte
zwischen hochrangigen Vertretern Kubas und der EU-
Mitgliedstaaten wieder möglich sind, ist angekündigt
worden, dass der neue Kommissar für Entwicklungszu-
sammenarbeit und Humanitäre Hilfe, Louis Michel, als
erster Repräsentant der EU nach Kuba reisen soll. Wenn
dies ein Ergebnis des Beschlusses vom 31. Januar dieses
Jahres ist, dann muss ich Sie fragen: Was ist der Auftrag
von Louis Michel? Reist er zum Vergnügen nach Kuba
oder hat er den Auftrag, konkret über den Beginn der
Entwicklungszusammenarbeit zwischen der EU und
Kuba zu sprechen?
Dr
Zunächst einmal muss ich Sie korrigieren, Herr Abge-
ordneter. Die Maßnahmen sind nicht beendet, sondern
nur vorübergehend ausgesetzt worden. Auch darüber ha-
ben wir heute Morgen im Ausschuss diskutiert. Man hat
Sie wiederholt darauf hingewiesen, dass die Maßnahmen
nur ausgesetzt worden sind. Ich bitte Sie daher, die
Schlussfolgerungen des Rates korrekt wiederzugeben.
Die ausgesetzten Maßnahmen werden vor Juli dieses
Jahres noch einmal überprüft. Dann wird vor dem Hin-
tergrund der Entwicklung die Frage, ob die Maßnahmen
fortgesetzt werden sollen, neu gestellt.
Ich möchte noch etwas Grundsätzliches zur Reisedi-
plomatie sagen. Herr Kollege Weiß, Sie wissen doch so
gut wie ich
– das weiß ich; denn auch er reist in diese Länder –, dass
Abgeordnete aller Parteien in solche Länder reisen – wir
begrüßen das –, um dort den politischen Dialog zu füh-
ren und deutlich zu machen, dass es uns um die Verbes-
serung der Menschenrechtslage geht.
Ich bin davon überzeugt, dass dies auch das Ziel von
Herrn Michel ist. Denn der Beschluss des Rates besagt,
dass ab jetzt von hochrangigen Vertretern der EU Ge-
spräche mit Vertretern der Zivilgesellschaft und der
friedlich agierenden Opposition zu führen sind. In Ge-
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Weitere Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, Ihr richtiger Hinweis, dass der
eschluss vom 31. Januar in einem halben Jahr über-
rüft werden soll, wirft die Frage auf, was Herr Michel
etzt eigentlich verhandeln soll.
Sie interpretieren den Ratsbeschluss so, dass die
anktionen einstweilen aufgehoben werden sollen. Dann
uss man aber auch prüfen, ob die kubanische Seite ih-
erseits etwas tut, um die Menschenrechtsverletzungen
bzustellen – aufgrund dieser Missstände haben wir ja
ie Sanktionen verhängt –, und ob sie bereit ist, alle
5 politischen Gefangenen des Jahres 2003 freizulassen.
Es wäre doch sinnvoller, Verhandlungen über eine
ventuelle Aufnahme der Entwicklungszusammenarbeit
ürden nach erfolgreicher Prüfung in einem halben Jahr
tattfinden und nicht jetzt. Deswegen frage ich Sie noch
inmal, was der spezielle Auftrag von Louis Michel bei
einem Besuch in Kuba ist.
Dr
Ich habe ihn nicht gefragt. Ich bin aber gerne bereit,
hnen diese Antwort nachzuliefern; denn ich kenne sei-
en Auftrag nicht.
Allerdings bin ich davon überzeugt, dass er genau das
msetzt, was in dem von Ihnen angesprochenen Ratsbe-
chluss gefordert wird: dass er sich mit Dissidenten bzw.
ertretern der Zivilgesellschaft trifft. Ich würde mich
reuen, wenn er zum Beispiel Vertreter der Konrad-
denauer-Stiftung, der Hanns-Seidel-Stiftung, der Böll-
tiftung und der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kuba treffen
ürde; denn die würden ihn informieren. Ich werde ihm
orschlagen – das werde ich ihm mit auf die Reise
eben –, dass er auch die Vertreter der deutschen Stiftun-
en, die es in Kuba gibt, trifft. Denn deren Informatio-
en braucht er, um mit Fidel Castro kompetent und sach-
ezogen über die Einhaltung der Menschenrechte und
ie Situation der Dissidenten zu sprechen und einzufor-
ern, dass diejenigen, die noch im Gefängnis sind, bald
ntlassen werden.
Kollege Hedrich.
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14554 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Februar 2005
)
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Frau Staatssekretärin, finden Sie es nicht merkwürdig,
dass Sie ständig – gerade zu Beginn Ihrer Regierungstä-
tigkeit und auch danach, bei der Information der Aus-
schüsse und der Öffentlichkeit – auf die Notwendigkeit
und die Intensivierung der Koordinierung zwischen den
bilateralen Gebern und unter den Mitgliedstaaten der Eu-
ropäischen Union hinweisen und dass Sie auf die kon-
krete Frage des Abgeordneten Weiß antworten, Sie hät-
ten Herrn Michel nicht gefragt? Deshalb frage ich Sie: In
welcher Form haben während der Vorbereitung dieser
Reise intensive Abstimmungsgespräche zwischen der
Bundesregierung und der Europäischen Kommission
stattgefunden?
Dr
Auf den ersten Teil Ihrer Frage antworte ich: Dies
finde ich nicht merkwürdig.
Zweitens. Da Herr Michel einen klaren Auftrag hat,
hinter dem wir alle stehen, wird er diesen Auftrag erfül-
len, ohne dass ich persönlich mit ihm gesprochen habe.
Ich rufe die Frage 10 der Kollegin Lötzsch auf:
Welche konkreten Vorschläge hat die Bundesregierung in
die internationale Diskussion zur Finanzierung des Kampfes
gegen die Armut eingebracht und wie will sie diese Vor-
schläge international umsetzen?
Dr
Zunächst einmal ist klar, dass eine nachhaltige Ent-wicklung und die Bekämpfung von Armut nur erfolg-reich sein können, wenn wir die Millenniumsziele errei-chen. Sie wissen: Im Jahre 2000 wurde beschlossen, dasswir bis 2015 bestimmte Ziele erreichen wollen. Dafürbrauchen wir Geld; das ist gar keine Frage.Es gab dann in Monterrey eine VN-Konferenz zurEntwicklungsfinanzierung. Dort haben sich die Geber-länder und die Nehmerländer auf den so genannten Mon-terrey-Konsensus geeinigt. Dieser Monterrey-Konsensusbesagt, dass zunächst einmal Mittel in den Entwick-lungsländern mobilisiert werden müssen. Sie wissen,dass die Kapitalflucht aus Afrika ungeheuer groß ist.Warum? Weil die reichen Leute in Afrika nicht im eige-nen Land investieren, da kein Vertrauen in die eigeneWirtschaftspolitik besteht. Also zahlt man das Geld aufSchweizer, Luxemburger oder andere Auslandskontenein. Das heißt, man muss erst einmal dafür sorgen, dassdas Geld im eigenen Land bleibt und dort reinvestiertwird.dKwsBdMvawfmumdMMstisszdwmwdeFd–züvhszgdgsdBgsp
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Februar 2005 14555
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Weitere Zusatzfrage.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Staatssekretärin,
Sie haben das Stichwort „Bündnispartner“ genannt; das
möchte ich gern aufgreifen. Das französische und das
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um Beispiel die Wirtschaftsminister von Hessen und
aden-Württemberg, und wie beurteilen Sie das?
Nach den Todesurteilen!
K
Die Teilnahme dieser Länder an der Herbstmesse ist
ir bekannt. Die Bundesregierung begrüßt solche Akti-
itäten; denn – auch darauf werde ich bei den folgenden
ragen noch zu sprechen kommen – es kann ein Instru-
ent sein, durch eine Öffnung sowie durch Dialog und
ustausch etwas an der Situation in Sachen Demokratie
nd Menschenrechte in Kuba zu verändern.
Frau Kollegin Nolte.
Frau Staatsministerin, bis zum kommenden Sommer
oll die Prüfung erfolgen, wie in Zukunft verfahren wird.
m Jahr 2003 bestand ein konkreter Anlass dafür, diplo-
atische Sanktionen zu verhängen. Was hat sich seitdem
n der Menschenrechtslage in Kuba konkret verändert,
as den Beschluss vom 31. Januar dieses Jahres rechtfer-
igt, und was wird Ihrer Erwartung nach im nächsten hal-
en Jahr passieren, sodass eine Beschlussgrundlage für
ine im Sommer zu treffende abschließende Regelung
egeben ist?
K
Da es sich um zwei Fragen handelt, die nachher noch
estellt werden, möchte ich etwas zum weiteren Vorge-
en sagen: Entweder verweise ich nur noch auf die Ant-
orten, die ich später geben werde, oder ich beantworte
ie betreffenden Fragen gleich mit. Ich stelle anheim,
ies zu berücksichtigen. Wir können gerne in eine Dis-
ussion darüber eintreten.
Ich schlage vor, dass sich all diejenigen, die sich für
usatzfragen gemeldet haben, durch einen Blick in ihre
nterlagen versichern, ob die vorgesehene Frage nicht
hnehin schriftlich eingereicht war, und sich dann, was
hre Frage betrifft, so verhalten, wie sie es für richtig hal-
en. Sie, Frau Staatsministerin, beantworten die Fragen
nd verweisen gegebenenfalls auf bereits erteilte Aus-
ünfte.
Ich habe vielleicht keinen Anspruch darauf, jetzt eineemerkung zu machen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Februar 2005 14557
)
)
So ist es, Frau Kollegin.
Aber ich muss sagen: Die folgenden Fragen sind von
ihrer Fragestellung her nicht so präzise wie das, was ich
jetzt gefragt habe.
K
Doch.
Von daher können Sie diese Fragen schon jetzt beant-
worten.
K
Jetzt muss ich Ihre Kolleginnen und Kollegen in
Schutz nehmen.
Verweisen Sie bitte auf die jeweiligen Fragen; dann
können Sie so verfahren.
K
Gut. – Was hat die EU also zu ihrer Entscheidung be-
wogen? Hat sich die Menschenrechtslage verbessert?
Immerhin wurden 14 von 75 Gefangenen freigelassen.
Aber ich möchte hinzufügen, dass sich an der Men-
schenrechtslage nicht sehr viel verändert hat.
Genau dies ist der Grund, warum in der Europäischen
Union eine Diskussion über die Instrumente, die zukünf-
tig eingesetzt werden, begonnen wurde und warum die
Europäische Union im Interesse der Dissidenten und im
Sinne einer Verbesserung der Menschenrechtslage ver-
sucht, ihre diplomatische Handlungsfähigkeit zurückzu-
gewinnen und eine vorläufige Aussetzung der Sanktio-
nen herbeizuführen. Im Ziel sind wir uns zwar einig;
aber man weiß nie, welche Instrumente zum Erfolg füh-
ren. Genau deshalb ist eine halbjährliche Überprüfung
der Situation vorgesehen. Die erste Überprüfung steht
schon im Juli dieses Jahres an.
Nun verweise ich auf die Antwort, die ich soeben ge-
geben habe: Wir werden uns für eine Verbesserung der
Menschenrechtslage einsetzen und uns an dem von der
Europäischen Union im Hinblick auf eine Intensivierung
des Dialogs beschlossenen Maßnahmenbündel – auf
seine einzelnen Bestandteile komme ich noch zu spre-
chen – intensiv beteiligen. Wir erwarten, dadurch die
Situation hinsichtlich der Menschenrechte und der De-
mokratie verbessern zu können.
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Meines Erachtens sind das politisch zwei völlig ver-
chiedene Dinge. Guantanamo war nicht Gegenstand der
eratungen in der EU und ist auch nicht Gegenstand des
eschlusses des EU-Rates.
Kollege Weiß.
Ich glaube, gewisse Ereignisse in unserem eigenen
and sollten uns davor warnen, Äpfel mit Birnen zu ver-
leichen; das nur als Anmerkung zur letzten Frage.
Frau Staatsministerin, Sie und Frau Staatssekretärin
id haben vorhin wiederholt darauf hingewiesen, dass
er Beschluss der EU-Außenminister vom 31. Januar
ieses Jahres zur Aufhebung der Sanktionen gegen Kuba
n einem halben Jahr erneut überprüft wird. Gleichzeitig
aben Sie auf die Frage vom Kollegen Eppelmann aus-
eführt, dass Sie selbst und die Bundesregierung die
enschenrechtslage auf Kuba für äußerst prekär halten.
eswegen meine Frage: Was sind die konkreten Krite-
ien, anhand deren in einem halben Jahr überprüft wird,
b es bei der Aufhebung der Sanktionen gegen Kuba
leibt oder nicht? Gehört dazu, dass neben den 14 bisher
reigelassenen politischen Gefangenen nicht nur die rest-
ichen der insgesamt 75 im Jahr 2003 inhaftierten Dissi-
enten, sondern alle politischen Gefangenen – auch die
eit 2003 hinzugekommenen – in einem halben Jahr be-
ingungslos frei sein müssen? Gehört dazu auch, dass
ie kubanische Bevölkerung frei von ihrem verfassungs-
äßigen Recht, durch Unterschriftensammlung eine Ab-
timmung herbeizuführen, Gebrauch machen kann? Sind
as die konkreten Bedingungen, von denen in einem hal-
en Jahr die Fortsetzung oder Nichtfortsetzung der
anktionen abhängig gemacht wird?
K
Herr Kollege Weiß, Sie wissen genauso gut wie ich,ass die Erwartungen, die wir haben und die unsere EU-artner teilen, nicht alle in einem halben Jahr erfüllt sein
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14558 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Februar 2005
)
)
Staatsministerin Kerstin Müllerwerden. Wir appellieren und wir haben gemeinsam mitden Partnern darauf gedrängt, dass Gefangene freigelas-sen werden. Wir kritisieren regelmäßig in Genf mit ent-sprechenden Resolutionen die Menschenrechtslage. Siewissen, dass dies das Regime bisher nicht sehr beein-druckt hat.Es geht hier doch nicht darum, Anforderungen aufzu-stellen, von denen wir schon heute wissen, dass das Re-gime sie in einem halben Jahr natürlich nicht erfüllenwird, weil es sich nicht derart verändert haben wird.Vielmehr geht es darum, die Instrumente zu überprüfen,wie wir Schritt für Schritt eine Verbesserung der Lageder Menschen in dem Land erreichen können; um dieseInstrumente dreht sich der Ratsbeschluss. Die Ziele sind,einen Prozess des Übergangs zu einer pluralistischenDemokratie, die Achtung der Menschenrechte undGrundfreiheiten sowie eine nachhaltige Erholung undVerbesserung des Lebensstandards der kubanischen Be-völkerung zu fördern. Das sind zugleich die Kriterien,über deren Erfüllung die EU-Partner dann diskutierenund anhand deren sie abwägen werden, ob weitere Sank-tionen sinnvoll sind oder nicht.Wir befürworten einen intensiveren Dialog, zum ei-nen mit den Dissidenten und der Opposition, zum ande-ren mit den gemäßigten Kräften in der Regierung. Dabeiwollen wir uns natürlich dafür einsetzen, dass weitereGefangene freigelassen werden und die Menschen-rechtslage sich verbessert.
Kollege Hedrich.
Frau Staatsministerin, Sie haben es eben als einen po-
sitiven Schritt bewertet, dass 14 Gefangene freigelassen
wurden, und sich dabei auf 75 verurteilte Dissidenten
bezogen. Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass seit der
Freilassung dieser 14 schon wieder 21 andere verhaftet
und verurteilt worden sind, sodass man nicht von 75,
sondern von 82 ausgehen muss?
K
Ich verurteile das aufs Schärfste und ich kann hinzu-
fügen, dass es nach unserem Informationsstand in Kuba
derzeit insgesamt über 300 politische Gefangene gibt.
Hinzu kommt, dass den Kubanern sämtliche Freiheits-
rechte – vom Versammlungsrecht über die Presse- und
Meinungsfreiheit bis hin zur Freizügigkeit – verweigert
werden.
Herr Kollege, ich glaube nicht, dass wir uns in der
Bewertung unterscheiden: hinsichtlich Menschenrechts-
lage, Stand der Demokratie oder Lebensstandard der Be-
völkerung. Zurzeit wird darüber diskutiert, was die ge-
eignetsten Instrumente sind, um hier eine Verbesserung
zu erreichen.
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Ich rufe die Frage 15 des Kollegen Rainer Eppelmannuf:Wie wird sich angesichts der Neuausrichtung der europäi-schen Kubapolitik die Bundesregierung bei der Tagung derVN-Menschenrechtskommission im März/April 2005 in Genfgerade auch im Hinblick auf eine mögliche Resolution zuKuba verhalten?
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Februar 2005 14559
)
)
Ke
Die Bundesregierung geht davon aus, dass von dritter
Seite wie in den Vorjahren auch eine Resolution zur
Menschenrechtslage in Kuba vorgelegt werden wird. So-
bald ein Resolutionstext vorliegt, wird die Bundesregie-
rung gemeinsam mit den EU-Partnern prüfen, ob sie den
Text unterstützen und eventuell sogar mit einbringen
kann.
In den kommenden Wochen wird es entscheidend auf
die Menschenrechtspolitik der kubanischen Regierung
im Lichte des eben diskutierten Ratsbeschlusses vom
31. Januar 2005 ankommen. Die Bundesregierung wird
ihre Haltung zum Resolutionsentwurf, die sie eng mit
den EU-Partnern abstimmen wird, mit Blick auf die Ent-
wicklung in Kuba festlegen.
Zusatzfrage?
Nein.
Keine Zusatzfrage. – Ich rufe die Frage 16 der Kolle-
gin Claudia Nolte auf:
Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung im Hin-
blick auf das Votum des Auswärtigen Ausschusses des Deut-
schen Bundestages zu Kuba vom 26. Januar 2005 für die Sit-
zung des EU-Außenministerrates in Brüssel am 31. Januar
2005 gezogen und was hat sie diesbezüglich für die und wäh-
rend der Sitzung unternommen?
K
Bundesminister Fischer hat sich in der Sitzung des
Rates für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbezie-
hungen am 31. Januar dieses Jahres mit Nachdruck im
Sinne des Beschlusses des Auswärtigen Ausschusses des
Deutschen Bundestages vom 26. Januar 2005 eingesetzt.
Erst nachdem alle anderen Delegationen ihr Einver-
ständnis mit der jetzigen Fassung des Ratsbeschlusses
erklärt hatten, die im Übrigen noch einmal verändert
wurde, und um die Gefahr eines Auseinanderbrechens
der EU in dieser wichtigen Frage zu vermeiden, hat er
sich dem EU-Konsens angeschlossen.
Im Sinne der Entschließung des Auswärtigen Aus-
schusses des Bundestages wurde erreicht, dass der Rat
auch beschlossen hat, die Kontakte zu den Dissidenten
zu intensivieren und auf eine solidere Grundlage zu stel-
len. Die tschechische Regierung, die in der Sitzung
ebenfalls eine kritische Haltung gegenüber der Politik
der kubanischen Regierung eingenommen hatte, hat der
Bundesregierung für die Unterstützung und den dann ge-
fundenen Kompromiss gedankt.
Zusatzfrage? – Nein.
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Zusatzfrage?
Frau Staatsministerin, der Beschluss bezüglich der
inladung der Dissidenten zu den Feierlichkeiten in die
otschaften ist im Rahmen eines informellen Beschlus-
es gefasst worden. Ich möchte Sie fragen: Kennen Sie
ie Beweggründe dafür, vor allen Dingen vor dem Hin-
ergrund, dass dieser informelle Beschluss postwendend
n die Presse weitergegeben worden ist?
K
Ich muss einmal nachfragen: Welchen informellen
eschluss meinen Sie?
Der Presselandschaft ist zu entnehmen gewesen, dass
ie konkrete Frage der Einladung der Dissidenten in ei-
em informellen Rahmen besprochen worden ist. Also
uss die Presse dazu einen Zugang gefunden haben.
K
Die vorläufige Aussetzung der Sanktionen beinhaltetben auch, bei der Einladungspraxis anders zu verfahrennd die bisherige Form des Kontakts durch einen ande-en, intensiveren Dialog zu ersetzen. Insofern wird dieraxis bis Juli 2005 so aussehen, dass EU-Länder, derenationalfeiertag vor Juli 2005 begangen wird, zu entspre-henden Veranstaltungen weder Vertreter der kubanischenegierung noch Vertreter der friedlichen kubanischen Op-osition einladen werden, sondern ausschließlich Ange-örige des diplomatischen Korps und eigene Staatsange-örige. Die Einladungspraxis der Bundesregierung istavon nicht berührt, da die Überprüfung im Juli ansteht.
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14560 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Februar 2005
)
)
Kollege Meckel.
Wie Sie schon dargestellt haben, ist bei dem Außen-
ministertreffen am 31. Januar beschlossen worden, nicht
nur mit den Dissidenten regelmäßigere und intensivere
Kontakte zu pflegen, sondern darüber hinaus auch mit
der Zivilgesellschaft. Gibt es schon konkretere Vorstel-
lungen, wie dies im Einzelnen geschehen kann?
Ich gehe davon aus, dass höherrangige Politiker wie
auch Abgeordnete nicht nur des Deutschen Bundestages,
sondern auch der Europäischen Union bei ihren Besu-
chen auf Kuba sowohl offizielle Stellen als auch künftig
intensiver Dissidenten und andere Oppositionelle treffen
werden. Ich hoffe aber, dass es darüber hinaus eine Stra-
tegie gibt. Können Sie dazu schon etwas sagen? Ansons-
ten möchte ich die Bitte äußern, dass darüber demnächst
im Auswärtigen Ausschuss berichtet wird.
K
Wir würden es natürlich ausdrücklich begrüßen, wenn
nun seitens des Parlaments oder der Wirtschaft verstärkt
Besuche stattfänden und dabei der intensive Dialog mit
der Opposition und den Dissidenten gesucht würde.
Im Vorgriff auf meine Antwort auf Frage 18 stelle ich
kurz die geplanten Maßnahmen zu der Frage „Was heißt
ein intensiverer Dialog mit der Opposition?“ dar. Dazu
sollen unter anderem regelmäßige Treffen aller EU-Bot-
schafter mit den Dissidenten gehören, monatliche Treffen
der von den jeweiligen Botschaftsreferenten gebildeten
Menschenrechts-AG mit Dissidenten und Familienange-
hörigen der Inhaftierten, bilaterale Botschaftskontakte
auf allen Ebenen und eine halbjährliche Bilanz der EU-
Präsidentschaft über das Erreichte, um einige Beispiele
zu nennen.
Kollege Hedrich.
Frau Staatsministerin, was waren die eigentlichen
Beweggründe der Bundesregierung, sich über das fast
einstimmige Votum des Auswärtigen Ausschusses, die
Einladungspraxis für Dissidenten beizubehalten, hin-
wegzusetzen?
K
Wir haben uns nicht darüber hinweggesetzt. Ich ver-
weise insofern auf meine Antwort auf die vorangegange-
nen Fragen. Herr Außenminister Fischer hat sich im
Sinne des Beschlusses eingesetzt. Der Beschluss wurde
verändert und es wurde ein Kompromiss gefunden. Die
tschechische Regierung hat sich bei uns für die Unter-
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as hielte ich für überhaupt nicht im Interesse der Dissi-
enten bzw. im Interesse der Verbesserung der Men-
chenrechtslage in Kuba.
Kollege Weiß.
Frau Staatsministerin, können Sie bei Ihrer Darstel-
ung des Verlaufs der Beratung im EU-Ministerrat vom
1. Januar dieses Jahres bestätigen, dass die Tschechi-
che Republik und einige weitere neue Mitgliedstaaten
er Europäischen Union ursprünglich dezidiert gegen
ine Aufhebung der Sanktionen gegen Kuba votiert ha-
en, nur auf Drängen der Spanier, der Deutschen, der
ranzosen und anderer der Beschluss zur Aufhebung der
anktionen erfolgt ist und der deutsche Außenminister
usätzlich den Beschluss des Auswärtigen Ausschusses
ortragen musste? Es ist also durchaus nicht so, dass
ich andere bei uns dafür bedankt haben, dass wir diesen
eschluss etwas abgemildert haben. Vielmehr ist auf un-
er Drängen überhaupt erst der Beschluss zur Aufhebung
er Sanktionen gegen die Bedenken anderer Mitglied-
taaten der Europäischen Union gefasst worden.
uss nicht der von Ihnen jetzt angeführte intensivere Di-
log mit den Dissidenten geradezu wie ein Trostpfläster-
hen dafür wirken, dass die eigentlich knallige Nachricht
om 31. Januar die ist: Wir verzichten künftig darauf, die
issidenten zu Empfängen an Nationalfeiertagen einzu-
aden und damit ein offensives Zeichen nach außen zu
etzen, dass wir uns für die Dissidenten in Kuba einset-
en?
K
Zur ersten Frage: Ich kann Ihrer Darstellung über-aupt nicht folgen. Ich möchte Sie darauf hinweisen,ass die EU nach intensiven Beratungen einen Kompro-iss gefunden und einen einstimmigen Beschluss ge-asst hat, dem sich auch die Beitrittsstaaten angeschlos-en haben. Das heißt, wir haben jetzt einen EU-Konsensnd alle europäischen Länder werden ihre Kubapolitikemeinsam auf der Grundlage dieses gefundenen Kom-romisses gestalten.Zweitens. Ich kann nicht nachvollziehen, inwiefernocktailempfänge, die eine gewisse Symbolwirkung ha-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Februar 2005 14561
)
)
Staatsministerin Kerstin Müllerben können, ein besseres diplomatisches Instrument sindals ein intensiver und strukturierter Dialog mit der Oppo-sition und mit den Dissidenten. Dieser Einschätzungkann ich nicht folgen.
Es geht hier um die Instrumente, und zwar um wirk-same Instrumente. Es geht darum, was den Dissidentenund der Opposition hilft. Symbolik kann hilfreich sein,aber das war sie offensichtlich in der Vergangenheitnicht.
Wir kommen zur Frage 18 des Kollegen Hedrich:
Wie wird die Bundesregierung die Einladungspraxis ge-
genüber Dissidenten in Kuba in Zukunft handhaben?
K
Ziel der Bundesregierung und ihrer EU-Partner ist es,
den Kontakt mit der friedlichen kubanischen Opposition
zu intensivieren und regelmäßiger zu gestalten. Am
31. Januar wurde im Rat für Allgemeine Angelegenhei-
ten daher beschlossen, den Dialog auszubauen. Was die
geplanten Maßnahmen betrifft, so verweise ich auf
meine vorhin gegebene Antwort.
Die Deutsche Botschaft Havanna hat auf bilateraler
Ebene stets regelmäßigen Kontakt zu Mitgliedern der
kubanischen Opposition unterhalten. Sie wird diesen
Kontakt weiterhin intensiv pflegen. Bundesminister
Fischer hat darüber hinaus am 31. Januar im Rat für All-
gemeine Angelegenheiten klargestellt, dass Dissidenten,
die an Veranstaltungen der Deutschen Botschaft Ha-
vanna teilnehmen möchten, nicht zurückgewiesen wer-
den.
Zusatzfrage?
Frau Staatsministerin, ist es möglich, dass Sie uns
noch etwas präziser erläutern, was die Formulierung
„strukturierter Dialog“ bedeutet?
K
Das habe ich soeben in meiner Antwort auf die Frage
des Kollegen getan.
Darüber hinaus kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nichts
dazu sagen. Ich meine aber, dass das, was im Zusam-
menhang mit dem strukturierten Dialog beschlossen
wurde, sehr ins Detail geht.
Gibt es eine weitere Zusatzfrage?
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Februar 2005 14563
)
)
Eine weitere Zusatzfrage? – Nein, und zwar im Ein-
vernehmen.
Frage 21 des Kollegen Ruck:
Wie wertet die Bundesregierung die Aussage der amerika-
nischen Außenministerin Condoleezza Rice, die Kuba als ei-
nes von sechs Ländern als „Vorposten der Tyrannei“ bezeich-
nete?
K
Die Aussage der amerikanischen Außenministerin
entspricht der bekannten Haltung der US-Administration
zur menschenrechtlichen Situation in Kuba. Fest steht,
dass die Menschenrechtssituation in Kuba sehr schlecht
ist. Sowohl die US-Administration als auch die Bundes-
regierung als auch die EU-Partner haben diese Situation
kritisiert. Insofern stimmen unsere Positionen überein.
Die Beschlüsse des Rates für Allgemeine Angelegenhei-
ten vom 31. Januar zielen auf eine Verbesserung der
Lage der friedlichen Dissidenten und der Menschen-
rechtssituation in Kuba insgesamt ab.
Zusatzfrage. – Keine.
Ich rufe die Frage 22 des Kollegen Vaatz auf:
Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung in Zukunft
die Einladungspraxis gegenüber kubanischen Dissidenten von
der EU und dabei insbesondere in den drei Beitrittsstaaten
Tschechien, Polen, Slowakei sowie den Niederlanden gehand-
habt?
K
Auch diese Frage habe ich schon beantwortet; es geht
dabei noch einmal um die Einladungspraxis. EU-Länder,
deren Nationalfeiertag vor Juli 2005 begangen wird,
werden zu entsprechenden Veranstaltungen weder Ver-
treter der kubanischen Regierung noch Vertreter der
friedlichen kubanischen Opposition einladen. Das gilt
insbesondere für die in dieser Frage angesprochenen
Niederlande, die ihren Nationalfeiertag am 30. April be-
gehen.
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Frau Staatsministerin, bitte sehr.
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Ob das Argument der Wiedergutmachung eine Rolle
espielt hat, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann nur
och einmal auf die Antworten auf die vorangegangenen
ragen verweisen. Tschechien ist eines der Länder, die
m Hinblick auf die Aussetzung der Sanktionen eine sehr
ritische Position einnahmen. Noch einmal: Alle Bei-
rittsstaaten haben dem Beschluss zugestimmt und sich
em dort gefundenen Kompromiss nach intensiven Be-
atungen angeschlossen.
Zweite Zusatzfrage.
Sie können die Notwendigkeit der Wiedergutma-
hung durch die genannten Länder also nicht bestätigen.
alten Sie einen solchen Wiedergutmachungsbedarf der
undesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin der
rüheren DDR in Erwägung der gewaltigen Unterstüt-
ung, die zum Beispiel das Ministerium für Staatssicher-
eit beim Aufbau von totalitären Strukturen in Kuba ge-
eistet hat, für realistisch?
K
Ich bitte Sie! Natürlich muss man dieses Kapitel derergangenheit zutiefst kritisieren. Jetzt geht es uns dochemeinsam darum – Sie nennen es „Wiedergutma-hung“ –, wie wir die Situation der Dissidenten, derppositionellen und die Demokratie in diesem Lande
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14564 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Februar 2005
)
)
Staatsministerin Kerstin Müllerverbessern können. Ich würde dabei nicht von „Wieder-gutmachung“ sprechen; vielmehr möchte ich dabei vonder moralischen Pflicht eines jeden Demokraten spre-chen. Das ist die Intention des Beschlusses.In der Einschätzung der politischen Lage stimmenwir, glaube ich, völlig überein. Die Frage ist: WelchenWeg wählen wir, um eine Verbesserung der Lage zu er-reichen? Die Überprüfung des Beschlusses des Allge-meinen Rates wird ergeben, welche Instrumentarien diegeeignetsten sind.
Das waren die beiden Zusatzfragen zur Frage 22.
– Entschuldigung. Die Meldung ist hier nicht registriert
worden. Bitte schön.
Frau
Können Sie der Be-
urteilung zustimmen, dass Kuba zum Teil nur deswegen
in der heutigen Art und Weise existiert, weil eine Blo-
ckadepolitik betrieben wurde und weil 1992 der
Torricelli-Act und 1996 der Helms-Burton-Act verhängt
wurden, was im Grunde genommen jeweils gegen gel-
tendes Völker- und Handelsrecht verstieß?
K
Auf die Diskussion über den letzten Teil Ihrer Frage
möchte ich mich jetzt nicht einlassen. Generell noch ein-
mal Folgendes: Es gibt immer noch eine Form der klaren
Politik der Isolation dieser Regierung. Aus gutem Grund
wurden auch die Sanktionen verhängt, weil wir nämlich
Kritik an der Menschenrechtslage haben. Diese Instru-
mente gilt es aber immer wieder zu überprüfen. Wenn
wir feststellen, dass eine Isolationspolitik eher dazu
führt, dass sich die Lage von Dissidenten und Oppositio-
nellen verschlechtert – diese Frage müssen wir uns nicht
nur mit Blick auf Kuba, sondern auch mit Blick auf an-
dere Länder stellen –, dann muss dieses Instrument über-
prüft werden und muss überlegt werden, ob zum Bei-
spiel das Instrument des kritischen Dialogs – so möchte
ich es einmal nennen – nicht eher dazu führen kann, dass
sich ein Land öffnet und dass sich damit auch die Situa-
tion der Oppositionellen verbessert.
Frage 23 des Kollegen Vaatz:
Wie beurteilt die Bundesregierung die kritische Einschät-
zung mehrerer führender Dissidenten, zum Beispiel die von
Vladimiro Roca und Sanchez Santa Cruz, zur Neuausrichtung
der europäischen Kubapolitik und teilt sie die Einschätzung,
dass Fidel Castro bestrebt sei, die EU-Mitgliedstaaten zu spal-
ten?
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)
)
In der „Augsburger Allgemeinen“ vom 4. Februar
dieses Jahres war zu lesen, dass die Abgeordnete
Claudia Roth den Medien einen Brief vorgelegt hat, den
ich an den Staatsminister Volmer geschrieben habe und
in dem ich aus humanitären Gründen eine Einreise be-
fürwortete. Es ging um einen Einzelfall, nämlich eine
ganz schwierige krankheitsbedingte Situation eines klei-
nen Buben. Ich selbst habe diesen Briefverkehr nicht der
Frau Roth gegeben und auch niemanden dazu veranlasst.
Hat die Bundesregierung, hat das Auswärtige Amt,
Frau Staatsministerin, Untersuchungen eingeleitet, wie
dieser Schriftverkehr zu Händen der Kollegin Claudia
Roth gekommen ist? Haben Sie diesbezüglich interne
Untersuchungen durchgeführt? Haben Sie wegen offen-
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Ich möchte aber noch einmal bei meiner Frage nach-
aken. Sie haben festgestellt, Sie hätten meinen Brief
icht weitergegeben. Ich stelle fest, dass Frau Roth diese
orrespondenz von mir nicht erhalten hat und ich sie
uch sonst niemandem zugänglich gemacht habe. Haben
ie denn dann nicht Veranlassung gesehen, in Ihrem
inisterium nachzuprüfen, wie dieser komplette Schrift-
erkehr, der ja nur in Ihrem Ministerium vorhanden ist,
u Händen der Frau Roth gelangt ist?
K
Ich weiß nicht, ob dieser Schriftverkehr nur im Minis-erium vorhanden ist. Ich kann mich erinnern, dass michn den letzten anderthalb Jahren in den Fragestundenolleginnen und Kollegen Ihrer Fraktion mit sehr vielennterlagen, Briefen usw. konfrontiert haben.
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14566 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Februar 2005
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)
Staatsministerin Kerstin MüllerIch kann Ihnen nur noch einmal sehr deutlich sagen:Die Bundesregierung hat diesen Briefwechsel nicht wei-tergegeben. Ich möchte hinzufügen: Ich finde es sehr ho-norig, dass Sie sich im Falle dieses Buben für die Ertei-lung eines Visums eingesetzt haben. Ich hoffe, dass dieDiskussion, die wir zurzeit im Zusammenhang mit demVisa-Untersuchungsausschuss führen, nicht zur Folgehat, dass es künftig nur noch schwer möglich sein wird,solche berechtigten humanitären Begehren positiv zu be-scheiden.
Eine Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.
Frau Staatsministerin, der Fall, den der Kollege
Singhammer geschildert hat, ist ja kein Einzelfall. In der
letzten Zeit mehren sich Fälle, in denen Briefe, die Kol-
legen an das Auswärtige Amt geschrieben haben, in dem
vom Kollegen Singhammer beschriebenen Zusammen-
hang in der Presse auftauchen, obwohl die Kollegen ver-
sichern, dass sie diese Briefe nicht an Dritte weitergelei-
tet haben. Deswegen – damit wir das für das Protokoll
ganz klar haben – meine Frage: Wissen Sie davon nichts
oder können Sie bestätigen, dass Sie es nicht veranlasst
haben, dass diese Briefe an Dritte weitergegeben wer-
den?
K
Ich verweise noch einmal auf meine Antworten zu
den Fragen des Kollegen Singhammer. Die Antwort lau-
tet: Nein.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Rose.
Halten Sie es nicht für seltsam, Frau Staatsministerin,
wenn Sie – wie es vorhin in Ihrer Antwort zum Aus-
druck kam – in Verteidigung – so muss ich es empfin-
den – der unsäglichen Konsequenzen von hunderttau-
sendfachem Missbrauch jetzt bei den Abgeordneten wie-
derum so tun, als wären wir, weil wir einige humanitäre
Anliegen weitergetragen haben, schuld daran, dass diese
Praxis in Zukunft vielleicht nicht mehr möglich ist? Das
passt doch überhaupt nicht zusammen.
K
Herr Kollege, ich kommentiere Ihre Einschätzung
meiner gegebenen Antworten nicht. Ich möchte nur wie-
derholen: Ich hoffe, dass die Diskussion im Zusammen-
hang mit dem Visa-Untersuchungsausschuss nicht dazu
führt, dass Ermessensspielräume, die wir im Sinne einer
positiven Visaerteilung für humanitäre Einzelfälle aus-
zuschöpfen versuchen, in der Zukunft verbaut werden.
Sie wissen genau, dass sich die Visapolitik – jede Visa-
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Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Dr. Klaus Rose
uf:
Welchen ehemaligen Botschaftern des Auswärtigen Amts
wurde in den zurückliegenden fünf Jahren der ehrenvolle offi-
zielle Nachruf des Auswärtigen Amts versagt?
K
Herr Kollege Rose, wenn Sie erlauben, würde ich die
ragen 25 und 26 gerne im Zusammenhang beantwor-
en.
Dann rufe ich noch die Frage 26 des Kollegenr. Klaus Rose auf:Nach welchen Kriterien veranlasst das Auswärtige Amteinen offiziellen ehrenvollen Nachruf für verdiente Führungs-persönlichkeiten im deutschen diplomatischen Dienst?
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Die bisherige Praxis des Auswärtigen Amtes, jedem
ehemaligen Mitarbeiter einen Nachruf in der internen
Zeitschrift des Auswärtigen Amtes zukommen zu lassen,
wurde ab September 2003 aus gegebenem Anlass abge-
ändert. Auslöser war der Nachruf für einen ehemaligen
Bediensteten, der so nie hätte erscheinen dürfen und der
für erhebliche Entrüstung sorgte. Der Verstorbene hatte
vor 1945 als Oberstaatsanwalt und NSDAP-Mitglied in
einem der von Deutschland besetzten Gebiete an zahlrei-
chen Verfahren mitgewirkt. Vergleichbare Fälle würden
im In- und Ausland zu Recht auf Unverständnis und Em-
pörung stoßen und wären geeignet, das Ansehen der
Bundesrepublik zu beschädigen.
Ehemalige Angehörige des Auswärtigen Amtes, die
Mitglieder der NSDAP waren, erhalten deshalb grund-
sätzlich keinen Nachruf mehr. Deswegen unterblieb
auch, wie kürzlich bekannt geworden, der Nachruf für
einen ehemaligen Bediensteten, der Untersturmführer
der SS und Mitglied der NSDAP war.
Bei der Entscheidung über die Veröffentlichung eines
Nachrufes durch das Auswärtige Amt geht es nicht um
eine erneute historische Aufarbeitung der Vergangenheit
einzelner ehemaliger Amtsangehöriger. Das ist und
bleibt Aufgabe der Historiker.
Von der Änderung der Nachrufpraxis seit September
2003 waren bislang zwölf Angehörige des höheren
Dienstes betroffen. Ich bitte Sie aber um Verständnis,
dass das Auswärtige Amt aufgrund datenschutzrechtli-
cher Vorgaben und wegen der Persönlichkeitsrechte der
Betroffenen und Hinterbliebenen ohne Einwilligung der
Hinterbliebenen keine Stellung zu Einzelfällen nehmen
kann.
Ihre erste Zusatzfrage, bitte.
Ich hatte ursprünglich gefragt, ob es für ehemalige
Botschafter entsprechende Zahlen aus den zurückliegen-
den fünf Jahren gibt. Ich möchte die Frage aber weiter
fassen: Kann es sein, dass auch Mitarbeiter des Auswär-
tigen Amtes im gehobenen Dienst, die bei Kriegsende
18 Jahre alt waren, Mitglied in der Hitlerjugend waren
und später im auswärtigen Dienst beschäftigt waren, kei-
nen ehrenvollen Nachruf bekommen haben?
K
Dies kann sein. Ich kann nur wiederholen: Mir sind
zwölf Angehörige des höheren Dienstes bekannt, auf die
der in der Frage 25 beschriebene Sachverhalt zutrifft. Es
gibt weitere Fälle aus dem Bereich des gehobenen
Dienstes. Ich kann aber ohne Einwilligung der Hinter-
bliebenen über die betroffenen Personen keine näheren
Angaben machen, weil dies den datenschutzrechtlichen
Vorgaben widersprechen würde.
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– Um noch einmal die Dimension klar zu machen: Es
geht um eine interne Zeitschrift für Mitarbeiter des Aus-
wärtigen Amtes.
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Ich rufe die Frage 32 des Kollegen Helmut Lamp auf:
Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, solchen
Regierungsmitgliedern, die nachweisbar bewusst das von ih-
nen ausgeübte Regierungsamt zum Nachteil der Bundesrepu-
blik Deutschland missbrauchten, zusätzlich zu politischen und
möglicherweise gerichtlichen Konsequenzen auch die ihnen
aufgrund der Mitgliedschaft in Regierung und Parlament zu-
stehende Altersentschädigung abzuerkennen?
F
Ich möchte auch die Fragen 32 und 33 im Zusammen-
ang beantworten.
Dann rufe ich auch die Frage 33 des Kollegen Lamp
uf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, Regelungen zu initi-
ieren mit dem Ziel, Regierungsmitgliedern, die nachweislich
ihre Machtbefugnisse in grober Weise missbraucht haben, alle
auf politische Ämter und Mandate bezogenen Altersentschä-
digungen abzuerkennen oder zumindest einzuschränken?
F
Herr Kollege Lamp, die Bundesregierung kann nur inezug auf die Rechtsverhältnisse der Mitglieder derundesregierung antworten; ich glaube, das verstehtich von selbst. Für die Regelungen der Altersentschädi-ung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages ister Deutsche Bundestag zuständig.Eine Kürzung von Versorgungsansprüchen setzt beieamten die Verhängung einer solchen Maßnahme im
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Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf KörperRahmen eines Disziplinarverfahrens voraus. § 8 desBundesministergesetzes schließt in diesem Falle ein Dis-ziplinarverfahren gegen Mitglieder der Bundesregierungund ehemalige Mitglieder der Bundesregierung aus-drücklich aus. Unbeschadet dessen gelten allerdings dieallgemeinen straf- und haftungsrechtlichen Vorschriften.Die Notwendigkeit, darüber hinausgehende Regelungenzu treffen, besteht aus unserer Sicht nicht.
Ihre Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir denn zu, dass es
Steuerzahler als Zumutung empfinden müssen, wenn sie
für eine komfortable Altersversorgung für Regierungs-
mitglieder aufkommen müssen, die zum Beispiel entge-
gen ausdrücklicher Warnung von Ministerkollegen inter-
nationale Vereinbarungen missachtet, die Tore der EU
nicht nur für Touristen, sondern auch für Terroristen, für
Kriminelle weit geöffnet, wiederholt auf äußerst beunru-
higende Lageberichte der Bundespolizei nicht reagiert
haben und von Gerichten in diesem Zusammenhang des
kalten Putsches gegen unsere Gesetzeslage bezichtigt
wurden?
F
Herr Kollege Lamp, ich will noch einmal ausdrück-
lich anführen, was in § 8 des Ministergesetzes steht:
Ein Disziplinarverfahren gegen Mitglieder der Bun-
desregierung findet nicht statt.
Das bedeutet allerdings nicht, dass gegenüber Minis-
terinnen und Ministern keine Kontrolle stattfände. Es
wird hier vielmehr ein anderes Instrument angewendet,
die politische Kontrolle. In diesem Falle ist der Bundes-
kanzler am Zuge. Wenn Sie das Disziplinarrecht betrach-
ten, werden Sie einsehen, dass ein Disziplinarverfahren
in diesem Bereich nicht passen würde. Deswegen gibt es
ja das andere Instrument. Dies ist im Übrigen, lieber
Herr Kollege, auch immer völlig unstreitig gewesen.
Ich rufe Frage 34 der Kollegin Petra Pau auf:
Wie viele antisemitische Straftaten wurden im vierten
Quartal 2004 in der Bundesrepublik Deutschland begangen
und wie viele Opfer dieser Straftaten gab es?
F
Frau Kollegin Pau, heute brauche ich, glaube ich,
nicht so lange zu reden. Im vierten Quartal 2004 wurden
insgesamt 209 antisemitische Straftaten gemeldet, die
dem Phänomenbereich „politisch motivierte Kriminalität
rechts“ zuzuordnen waren; im vierten Quartal 2004 wur-
den zwei Personen verletzt; Todesfälle waren nicht zu
verzeichnen.
Ihre Zusatzfragen, bitte.
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14572 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Februar 2005
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
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– Genau, Herr Kollege Fromme, dann wäre die Bundes-regierung die Erste, die kritisiert werden müsste, weil dieFehler, die in den letzten Jahren gemacht wurden – ichnenne nur die falsche Finanz-, Haushalts-, Wirtschafts-und Arbeitsmarktpolitik –, so eklatant sind, dass die EU-Kommission trotz dieses Kriteriums gar nicht anderskönnte, als festzustellen, dass Deutschland im Jahre 2005den Stabilitäts- und Wachstumspakt das vierte Mal nach-einander bricht. Das ist eine verhängnisvolle Position.
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enn man 40 Milliarden Euro Jahr für Jahr um 5 Mil-iarden Euro absenken würde, um auf null zu kommen,räuchte man acht Jahre, bis der Bund mit den Einnah-en wieder auskommt. Das ist eine wirklich verhängnis-olle Situation.Sie lässt sich parallel dazu auch an den Arbeitsmarkt-ahlen ablesen. Die Arbeitslosigkeit explodiert. Der Ver-uch, die Zahl der erwerbsfähigen Sozialhilfeempfängererauszurechnen, muss scheitern, weil die entsprechen-en Daten gar nicht vorliegen. Es ist eine schlimme Re-ordarbeitslosigkeit. Dies ist die Folge aus der Tatsache,ass der Bundeshaushalt keine Spielräume mehr hat. Dieettoneuverschuldung beträgt 40 Milliarden Euro, wäh-end Investitionen in Höhe von 22 Milliarden Euro getä-igt werden. Es wird also fast doppelt so viel Geld aufge-ommen als für Investitionen ausgegeben. Schauen Sieich an, was die Regierung dagegen tut! Ich habe einaar Forderungen aus dem Katalog von Herrn Eichelorgetragen.Es ist übrigens merkwürdig, dass er als Fordernder inie Verhandlungen mit den anderen europäischen Fi-anzministern geht, anstatt ganz kleinlaut, am besten un-r der Tür hindurch, in den Saal zu kommen.
Er muss in Sack und Asche gehen, wie der Kollegeichtig sagt. – Anstatt dort kleinlaut aufzutreten, stellt erorderungen, um deutlich zu machen, welche Zuge-tändnisse ihm die anderen Finanzminister möglicher-eise machen sollen. Dabei ist das Kriterium 3-Prozent-efizit bereits heute eine Regel, die einen erheblichenpielraum eröffnet. Wenn man 3 Prozent gemessen amruttoinlandsprodukt an Krediten aufnehmen kann,ann heißt das doch, dass man eine Flexibilität in diesemmfang hat. Wenn das nicht ausreicht, reichen aucheue Vereinbarungen nicht. Wer das eine Gesetz bricht,
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Dietrich Austermannbricht auch das andere Gesetz. Hier will der Straftäterden Gang des Strafprozesses dirigieren. Das kann sonicht angehen.
Rot-Grün marschiert mit Turbo in den Schuldenstaat.Seit 1998 wurden 180 Milliarden Euro neue Schuldengemacht, davon 110 Milliarden Euro in den letzten dreiJahren. Der Verfassungsbruch und die Verletzung desMaastricht-Vertrages werden zur Regel.Angesichts dieser Tatsachen fragt man sich: Was tutdie Regierung? Es gibt Erkenntnisse, die dafür sprechen,dass ernsthaft an einer Erhöhung der Mehrwertsteuer ge-bastelt wird. Meine Recherchen haben ergeben, dass imFinanzministerium der eine oder andere auf die Frage„Bereitet ihr eine Mehrwertsteuererhöhung vor?“ ant-wortet: So wie die Lage der Finanzen ist, gibt es keineDenkverbote mehr. Ich möchte heute von demjenigen,der für den Finanzminister redet, wissen: Trifft es zu,dass Sie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer vorbereiten,oder nicht? Sehen Sie dazu Alternativen? Frau Simonisin Schleswig-Holstein hat den Anfang gemacht. Sie for-dert seit Jahren eine Erhöhung der Mehrwertsteuer. Ichmöchte gerne wissen, ob Sie eine gleichermaßen ver-hängnisvolle Finanz- und Haushaltspolitik machen wieSchleswig-Holstein. Das muss hier heute aufgeklärt wer-den.
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Letzter Satz, Frau Präsidentin. – Sie haben das Land
in die Krise geritten, sodass Sie im nächsten Jahr prak-
tisch nur noch mit Überziehungskrediten arbeiten kön-
nen, gewissermaßen mit dem Dispo des Steuerzahlers.
Sie müssen uns erklären, wie Sie aus dieser Falle, die Sie
selbst gestellt haben, wieder herauskommen. Wir jeden-
falls tragen diesen Bruch von Gesetzen, Verfassung und
des Maastricht-Vertrages nicht mit. Wir wollen zu einer
soliden Finanz- und Haushaltspolitik und damit zu sin-
kenden Arbeitslosenzahlen zurück.
Das Wort hat die Kollegin Brigitte Schulte, SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen!In einer Stunde und 14 Minuten trifft sich der Vermitt-lungsausschuss. Er trifft sich deshalb, weil eine unver-antwortliche Opposition und die Mehrheit des Bundesra-tdhKsAGHjz–MHEK–iesMIgAGhd5Adwabdwin
Sie tun das auf der Grundlage von politischen Ge-ichtspunkten, die genauso durchsichtig sind wie dernlass für diese Aktuelle Stunde.
äbe es am Sonntag keine Landtagswahl in Schleswig-olstein, Herr Kollege Austermann, dann hätten wiretzt korrekt unsere Haushaltsausschusssitzung fortset-en und über den Stabilitätspakt nachdenken können.
Darauf komme ich gleich. Sie als Opposition und dieehrheit des Bundesrates verhindern, dass wir denaushalt, den dieser Bundestag mit seiner Mehrheitnde November beschlossen hat, ordnungsgemäß inraft setzen können.
Auf die Verfassungsmäßigkeit komme ich gleich. Dasst der nächste Punkt. Für den Stammtisch und für Ihreigene Klientel erklären Sie, es müssten weitere Steuer-enkungen und -vergünstigungen durchgeführt werden.it Solidität hat das überhaupt nichts zu tun.
ch will als langjährige Parlamentarierin nicht so weitehen, zu sagen, dass Sie verantwortungslos handeln.ber verantwortlich handeln Sie in dieser Situation weißott nicht.Es geht aber noch ein bisschen weiter. Gemeinsamaben Bundesrat, Bundesregierung und Bundestag inen letzten fünf Jahren eine steuerliche Entlastung von2 Milliarden Euro netto beschlossen, Herr Kollegeustermann. Hätten wir dies nicht gemeinsam gemacht,ann würden wir uns über bestimmte Finanzproblemeahrscheinlich nicht zu unterhalten haben. Wir haben esber getan, weil wir gemeinsam die Konjunktur ankur-eln wollten und weil wir davon ausgingen, dass da-urch die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands erhöhtird. Genau dies ist erfolgt, Herr Kollege. Wir haben esn Deutschland 2004 geschafft, im Export alle internatio-alen Rekorde zu brechen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Februar 2005 14575
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Brigitte Schulte
Ich war mit einer Delegation unserer Kollegen zumNational Prayer Breakfast. Der Kollege Grassley, seinesZeichens amerikanischer Senator und langjähriger Vor-sitzender des Finanzausschusses, hat mich erstaunt ge-fragt:
Wie erreichen Sie als ein Land, das kürzere Wochenar-beitszeiten hat, eine so gewaltige Effizienz, effizienterals jeder große Industriestaat der westlichen Gesellschaf-ten?
– Ich komme gleich darauf.Es wunderte ihn deshalb auch nicht, dass die Ameri-kaner
so viel Kapital nach Deutschland exportieren und dortInvestitionen tätigen. Schauen Sie sich einmal an, wersich alles um unsere Anleihen schlägt. Schauen Sie sicheinmal an, wie die amerikanischen Finanzdienstleisterauf den europäischen Märkten agieren. Das kann dochwohl kaum daran liegen, dass wir eine unbefriedigendeFinanzpolitik machen.
Sie von der CDU stellen – nur ein bisschen von der CSUgebremst – noch weiter gehende Forderungen nach Steu-ersenkungen.
Ich habe mir die entsprechenden Zahlen angesehen. Ichkann es kaum glauben, weil ich Sie der Beherrschungder vier Grundrechenarten für fähig halte. Sie forderneine weitere Steuersenkung in Höhe von 32 MilliardenEuro.
– Das haben wir schon bei den 52 Milliarden Euro ge-glaubt. Sie loben immer Herrn Kirchhof.
Ich habe das zweifelhafte Vergnügen, ihn seit 29 Jahrenin haushaltspolitischen und finanzpolitischen Fragen zubegleiten. Er glaubt, wir müssten die Steuern sogar inHöhe von 42 Milliarden Euro senken.Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Erstens.Der Euro ist so stark wie nie. Zweitens. Die deutscheVolkswirtschaft ist so stark wie nie.
DLDnacImaEnldmDvnPHWmseDÜDhesttust
as will ich überhaupt nicht bestreiten. Anstatt dem Fi-anzminister in den Rücken zu fallen, müssen wir jetztufpassen, dass sich dieser Stabilitätspakt weiterentwi-kelt.
ch bin nämlich nicht gewillt, den Unfug der 90er-Jahreitzumachen, der darin bestand, dass wir mehr als allenderen für Europa gezahlt und gleichzeitig die deutscheinheit geschultert haben. Das brauchten andere Ländericht. Wir können nicht alles gleichzeitig leisten.Ich glaube schon – da sind wir uns einig, Herr Kol-ege Austermann –,
ass wir die Verschuldung des Staates in Grenzen haltenüssen.
as ist meine tiefe Überzeugung. Ich bin aber auch da-on überzeugt, dass das, was Sie heute hier machen,ichts anderes als billige Wahlkampfpolemik ist.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Kollege Professor Dr. Andreas
inkwart, FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Die Nachrichten zum Stabilitätspakt und zumachstum vom heutigen Tage lassen die durch die dra-atischen Arbeitslosenzahlen hervorgerufenen ohnehinchon dunklen Wolken über unserem Land noch dunklerrscheinen.
ie „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ macht mit derberschrift auf: „Die deutsche Wirtschaft schrumpft“.ie „Financial Times Deutschland“ titelt: „Deutschlandebelt Defizitverfahren aus“.Die rot-grüne Koalition – Frau Schulte, Sie haben dasben exemplarisch deutlich gemacht – versucht, ange-ichts der dramatischen Lage den Eindruck zu vermit-eln, als sei der von Deutschland durchgesetzte Stabili-äts- und Wachstumspakt verantwortlich für die Krise innserem Land. In Wahrheit verhält es sich aber so, dassich Rot-Grün seit drei Jahren eben nicht an diesen Ver-rag hält, sondern ihn – genauso wie das Grundgesetz –
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14576 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Februar 2005
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Dr. Andreas Pinkwartpermanent verletzt. Sie sind für die Krise in unseremLand verantwortlich.
Ihre Politik führt im Ergebnis zu 5 Millionen Arbeits-losen, zu exorbitanten Schulden und über kurz oder lang,wenn Sie so weitermachen, zum Staatsbankrott. In demMaße, in dem die Staatsverschuldung angestiegen ist,sind auch die Arbeitslosenzahlen angewachsen. Zu-gleich wird der Stabilitätspakt im Jahr 2005 nach allem,was wir wissen, zum vierten Mal hintereinander gebro-chen. Für ein Aufweichen der Verschuldungsgrenzen desStabilitätspaktes spricht daher nichts, aber auch garnichts. Gegen Stagnation wegen hoher Kosten und Steu-ern, wegen zunehmender Regulierungsdichte und wegengrüner, ideologisch begründeter Wachstumskiller helfenkeine Nachfragespritzen.Ich zitiere das „Handelsblatt“ vom heutigen Tage.Frau Schulte, Sie sollten es sich vielleicht einmal an-schauen.
– Lesen ist auch gut. – Es heißt dort mit Blick auf das,was Sie über Deutschland als Exportweltmeister gesagthaben, im Kommentar auf der ersten Seite:Schließlich ist 2004 selbst das gewaltige, kosten-lose Konjunkturprogramm aus dem Ausland ver-pufft.Warum ist es verpufft? Hierzu stellt „Die Welt“ in einemKommentar auf der ersten Seite fest – ich zitiere aus derheutigen Ausgabe –:Während die Wirtschaft weltweit 2004 so stark ge-wachsen ist wie seit fast drei Jahrzehnten nichtmehr, hat Deutschland das Kunststück vollbracht,bei diesem Aufschwung in erster Linie Zuschauerzu bleiben.Genau das ist der Punkt. Sie – vor allem die Regierung,die nahezu vollständig durch Abwesenheit glänzt – ver-schwenden Ihre Zeit und Ihr Engagement darauf, inBrüssel die Regeln des Stabilitätspakts aufzuweichen,statt endlich im Land die notwendigen Maßnahmendurchzuführen, um Wachstum und Arbeitsplätze zuschaffen.
Statt entschlossen zu handeln, schwebt der Kanzler. Erschwebt aber nicht auf einer Woge des wirtschaftlichenErfolges; er schwebt in Wahrheit als Pleitegeier über demStabilitäts- und Wachstumspakt. Mit Rabulistik fordert ereine Ausweitung des Verschuldungsspielraums. Das istökonomisch falsch gegenüber den Arbeitslosen und denSteuerzahlern und verantwortungslos gegenüber derkünftigen Generation. Statt die Regeln auszuhebeln undkreative Buchführung zu betreiben, ist es erforderlich,dass die Regierung endlich die Probleme, die in die Mi-sere geführt haben, klar benennt und löst.
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– Keine Vorschusslorbeeren, Herr Kollege!Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Ich hatte gehofft, dass es Herr Austermann amnde seines sicherlich engagierten Wahlkampfeinsatzesür Schleswig-Holstein heute schaffen würde, einenrundwiderspruch der Union aufzulösen. Beantragturde eine Aktuelle Stunde zur Verschuldung und zumuropäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt. Es gehtm ernste Ziele und wichtige Themen.Ich möchte aber deutlich sagen: Der Grundwider-pruch der Union liegt darin, ihre manchmal auch mitdeologischer Verve vorgetragene Forderung einer Poli-ik der Steuersenkungen im zweistelligen Milliardenbe-eich mit der wichtigen Einhaltung der Stabilitätskrite-ien zusammenzuführen. Sie haben noch vor einigenochen eine gemeinsame Anhörung zu diesen Themenustande gebracht. Sie hätten dabei eine echte Chanceehabt, diesen Grundwiderspruch aufzulösen. Das hätteinen Lernfortschritt aufseiten der Opposition bedeutet,en dieses Land nötig hat.
Ich möchte begründen, warum dieses Land das so nö-ig hat.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Februar 2005 14577
)
)Anja Hajduk
Vorhin wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass heuteder Vermittlungsausschuss tagt. Dabei geht es auch umden Subventionsabbau.
Wenn bis tief in Ihre Reihen hinein heute die Tatsacheanerkannt wird, dass wir mit der bestehenden Steuer-quote in der Haushaltspolitik auf keinen verlässlichenZweig kommen,
wenn sich auch bei Ihnen offiziell die Erkenntnis durch-setzt, dass es nicht angebracht ist, massive Steuerentlas-tungen zu versprechen, sondern dass es darum geht, dasSteuersystem zu verändern, und wenn Sie die unseligeVerknüpfung einer von Ihnen nicht mehr verfolgten Ein-kommensteuersenkung mit der Verhinderung des Sub-ventionsabbaus aufgeben, dann kommen wir mit Blickauf nachhaltige Haushalte hoffentlich einen Schritt wei-ter, auch wenn Sie sich nicht getraut haben, das hier zu-zugeben.
Ich will noch einmal deutlich festhalten: Die Expertenhaben sich von Ihnen abgewandt. In der Einkommen-steuerdiskussion sind Sie nun aufgrund Ihrer absurdenOrientierung an Tarifsenkungen statt einer Verbreiterungder Bemessungsgrundlage isoliert.
Da ich glaube, dass Sie diese Isolation nicht wollen,habe ich Hoffnung auf Bewegung in den nächsten an-derthalb Jahren.
Das gilt im Übrigen auch für die Unternehmensteuerre-form.
Sie werden sicherlich ein paar Jahre brauchen, um zuverstehen, dass es notwendig ist, die Zusammenhängezwischen Tarif und Bemessungsgrundlage zu berück-sichtigen. Wir sind auf die zukünftigen Auseinanderset-zungen gespannt.Ich komme nun auf das Thema europäischer Stabili-täts- und Wachstumspakt zu sprechen und möchte aus-drücklich Stellung dazu nehmen, was ich an der aktuel-len Reformdiskussion für richtig und wichtig und wasich für falsch halte. Ich halte es für maßgeblich, dass dieedDeegILIdRRsmW–egRtADewdWkMiblmmi
eswegen würde ich es kritisieren und bedauern, wenns besondere nationale Gründe gäbe, die die Einleitungines Defizitverfahrens verhinderten; das will ich hieranz deutlich sagen.
ch hielte auch nichts davon, wenn es eine beliebig langeiste mit Ausnahmen, eine Art Wunschliste, gäbe.
ch bin davon überzeugt, dass wir dann bei der Reformes Stabilitäts- und Wachstumspakts nicht in die richtigeichtung gingen. Ich halte es aber für falsch, sich einereformdiskussion nicht zu stellen. Sie haben nicht ge-agt, welche Richtung die Reform einschlagen muss, da-it Sie sie mittragen. Ich will ganz deutlich sagen:
enn ein Land die Latte beim Defizitkriterium reißtdavon ist Deutschland momentan betroffen –, dann ists nach meiner Meinung berechtigt, zu schauen – ichlaube, zu sehen, dass die Europäische Union in dieseichtung argumentiert, und zwar zu Recht –, ob das be-reffende Land genügend Reformeifer beim nachhaltigenbbau der impliziten Verschuldung zeigt oder nicht.
amit will ich sagen, dass die Europäische Kommissions positiv bewerten sollte,
enn ein Land schwierige Reformen in der Renten- under Arbeitsmarktpolitik durchführt.
enn man in der Reformdiskussion zu dem Ergebnisäme, dass der Abbau der impliziten Verschuldung einerkmal für eine gute, qualitätsvolle Haushaltspolitikst, dann kämen wir einen Schritt weiter. Ich würde dasegrüßen.
Des Weiteren finde ich es richtig und wichtig, darzu-egen, wo die Diskussion über die Lissabon-Strategieit der über die Stabilität zusammengeführt werdenuss. Das heißt, eine wirkliche Stärkung der Ausgabenm Bereich von Bildung und Forschung ist notwendig.
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14578 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Februar 2005
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)
Anja HajdukWenn Sie von der Opposition uns wegen der schwieri-gen Haushaltslage geißeln, dann will ich Ihnen sagen:Sie sind Vorschläge für eine wirkliche Reform der sozia-len Sicherungssysteme schuldig geblieben, die unsereHaushalte langfristig gesunden lässt. Sie ergehen sichvielmehr ständig in haushaltspolitischem Aktionismus.Das ist unglaubwürdig und führt nicht weiter.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ich komme zum Schluss. – Deswegen haben Sie nicht
zu einer Lösung beigetragen.
Nächster Redner ist der Kollege Bartholomäus Kalb,
CDU/CSU-Fraktion.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Da-men und Herren! Das, was sich die Bundesregierung nunin Sachen Stabilitäts- und Wachstumspakt leistet, scha-det in hohem Maße Europa insgesamt, der europäischenGemeinschaftswährung und in besonderem Maße deneuropäischen Institutionen. Es schwächt vor allem dasVertrauen und verstärkt die Zweifel hinsichtlich der Ver-lässlichkeit getroffener Vereinbarungen und Regelwerke.
Was noch schwerer wiegt: Schröder und Eichel ge-fährden das Vertrauen der Menschen in die Politik. Eskommt einem Vertrauensbruch gleich, was hier began-gen wird. Bekanntlich haben wir, die BundesrepublikDeutschland, besonders darauf Wert gelegt, dass mitdem Vertrag von Maastricht ein klares Regelwerk vor-handen ist. Wir haben den Menschen versprochen, dassder Euro genauso stabil sein wird wie die D-Mark.
Dieses Versprechen muss auch gehalten werden. Hierwird es mit Füßen getreten.
Das jetzige Vorgehen wird dem Euro auch langfristigschaden. Wir dürfen uns von den aktuellen Kursrelatio-nen hier nicht irritieren lassen. In einer früheren Debatteist vom Kollegen Bernhardt schon darauf hingewiesenworden: Die momentane Euro-Dollar-Relation hat etwasdamit zu tun, dass der Dollar – vermutlich absichtlich –vergleichsweise schwach gehalten wird.
Außerdem sind bei der Einführung des Euro viele inter-nationale Finanzanleger und Zentralbanken nicht in denENsrtBs3MmrnsGlBenhDdduvdzbstdgwdsbub9zg
Nun fordern Sie Flexibilisierung. Dazu muss manchon sagen: Wenn 3 Prozent – das sind gesamtstaatlichund 65 Milliarden Euro – keine ausreichende Flexibili-ät bieten, dann weiß ich nicht, was Flexibilität sein soll.
ei einer guten, vernünftigen Politik müsste es möglichein, auch schwierige Situation im Rahmen dieserProzent zu bewältigen.Die 3 Prozent sind ja nicht aus der Luft gegriffen.an hat damals vernünftigerweise unterstellt, dass esit der Einhaltung der 3-Prozent-Grenze unter der Vo-aussetzung einer durchschnittlichen Inflation und bei ei-em mittleren Wachstum gelingen könnte, die gesamt-taatliche Verschuldung innerhalb der 60-Prozent-renze zu halten. Das wird meistens nicht gesagt.Am 14. Juni 2002 hat uns Herr Eichel regierungsamt-ich versprochen – ich habe das dokumentiert –, auf derasis der vereinbarten Eckwerte bereits im Jahre 2004inen „nahezu ausgeglichenen“ und im Jahre 2005 einenach der EU-Abgrenzung „ausgeglichenen“ Staatshaus-alt vorzulegen.
avon sind Sie heute Lichtjahre entfernt.
Noch schlimmer ist: Sie bemühen sich nicht mehr,iese Kriterien zu erfüllen. Sie bekämpfen nicht mehrie Verschuldung und die Defizite, sondern die Kriteriennd den Stabilitäts- und Wachstumspakt.Andere Länder gehen einen anderen Weg. Bayernersucht, den Haushalt zu konsolidieren. Auch viele an-ere Länder und Gemeinden versuchen, die Haushalteu konsolidieren. Das ist aber ein dornenreicher Weg,eispielsweise in Ländern wie Hessen und Niedersach-en, wo die Spitzen der SPD einstmals regiert haben.Wenn man sich die Verschuldungs- und die Wachs-umskurven anschaut, dann erkennt man: Die Verschul-ung ist steil angestiegen und die Wachstumsraten sindenau in dem Moment weggesackt,
o Sie angefangen haben, die Steuer- und Abgabenlasturch Ökosteuer, durch Energiesteuer, durch Tabak-teuer, durch UMTS-Lizenzen – auch das war für eineestimmte Branche eine Sondersteuer –
nd durch eine chaotische Steuer- und Sozialgesetzge-ung zu erhöhen. Es gab in den letzten sechs Jahren über0 steuerrechtsändernde Gesetze und über 50 Gesetzeur Änderung des Arbeits- und Sozialrechtes; zum Teilab es die Korrektur der Korrekturen.
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Bartholomäus Kalb
Das hat zu Verunsicherung und zu mehr Bürokratie ge-führt.Jetzt kommen Sie auch noch mit dem Antidiskrimi-nierungsgesetz. Wenn das in Kraft tritt, dann brauchenwir uns um Wachstumsimpulse nicht mehr zu bemühen,weil wir jedes sprießende Pflänzchen sofort tottrampeln.
Dazu kann ich nur sagen: Gute Nacht, Freunde von Rot-Grün.
Was wir brauchen, ist eine Politik der Berechenbar-keit anstelle einer Politik der Beliebigkeit. Es ist wichtig,dass wir uns gemeinsam bemühen und auch von derBundesseite her mit Blick auf Länder und Kommunenalle Ausgaben genau durchforsten.
Es ist wichtig, dass wir durch die Bundesgesetzgebunges auch den Ländern und Gemeinden ermöglichen, ihreHaushalte zu konsolidieren.
Herr Kollege, auch Sie haben nur fünf Minuten.
Ich komme sofort zum Ende, Frau Präsidentin. – Der
Bundesrat hat den Entwurf eines kommunalen Entlas-
tungsgesetzes eingebracht, weil die Ausgaben in den Ge-
meinden explosionsartig steigen und die Gemeinden
keine Chance mehr haben, die Ausgaben zu begrenzen.
Herr Kollege Kalb, es hilft nicht, wenn Sie darauf
nicht reagieren.
Deswegen kann ich nur darum bitten, dass wir diesen
Gesetzentwurf des Bundesrates hier ernsthaft diskutieren
und ihm im Ergebnis zustimmen.
Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär
beim Bundesminister der Finanzen, Karl Diller.
K
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! „Aktuelle Stunde“ heißt dieser Tagesordnungs-punkt. Was ist an diesem Thema eigentlich aktuell?VddEiDlfAewWhpWwrbmiPsNhwf
or drei Wochen haben wir auf Ihren Antrag hin überas gleiche Thema diskutiert. Seit dieser Zeit hat sich aner Haltung der Bundesregierung nichts geändert.
Es ist in den Ausschüssen darüber diskutiert worden.s hat eine Anhörung im Bundestag stattgefunden. Es istm Bundestag debattiert worden.
ie Position der Bundesregierung ist bekannt: Wir wol-en den Stabilitäts- und Wachstumspakt weder abschaf-en noch aufweichen.
ber im Unterschied zu Ihnen beteiligen wir uns auf deruropäischen Ebene an der Diskussion über die Fortent-icklung. Sie sind die Einzigen, die im Abseits stehen.enn Sie wollen, lassen wir Sie weiter im Abseits ste-en. Sie wissen ja, was es bedeutet, wenn auf dem Sport-latz einer im Abseits steht.
ir bekennen uns zum Stabilitäts- und Wachstumspakt,eil – ich sage es noch einmal – die EU eine Koordinie-ung und eine Regelbindung für die Finanzpolitikraucht.Nun sind einige Redner mit neuen Anwürfen gekom-en, darunter der Kollege Austermann. Deswegen seihm klar gesagt: Derartige Planungen gibt es nicht.
rofessor Pinkwart hat gemahnt, es sollte neue Steuer-enkungen geben.
eben ihm sitzt der Herr Kollege Michelbach, dem icheute auf seine mündliche Frage hin aufgelistet habe,
ie wir die Steuern gesenkt haben, beispielsweise auchür sehr gut verdienende Unternehmen.
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14580 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Februar 2005
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Pa
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine GmbH mit 250 000 Euro Gewinn vor Steuern, dieihren Gewinn zu zwei Dritteln an ihren alleinigen An-teilseigner ausschüttet,
hatte zu Ihrer Regierungszeit, 1998, noch Gewerbe-,Körperschaft-, Einkommensteuer und Solizuschlag von128 000 Euro zu bezahlen.
Das waren 51,3 Prozent Gesamtbelastung. In diesemJahr beträgt die Gesamtbelastung nur noch 111 000 Eurooder 44,4 Prozent.
Damit werden immerhin 13,5 Prozent Steuern gespart.
Ein Einzelunternehmer musste zu Ihrer Regierungs-zeit
bei einem Gewinn von 250 000 Euro – das ist für einenEinzelunternehmer ein extrem hoher Gewinn; die Pro-zentzahlen, die ich Ihnen als Entlastung angebe, sind beigeringer Verdienenden natürlich viel größer –
132 000 Euro an Gewerbe- und Einkommensteuer sowieSolidaritätszuschlag zahlen.
Das entsprach einer Gesamtbelastung von 52,9 Prozent.Die war damit zu Ihrer Regierungszeit höher als die steu-erliche Belastung einer Kapitalgesellschaft.Wir haben das geändert. Heute zahlt dieser Unterneh-mer nicht mehr 132 000 Euro, sondern nur noch105 000 Euro Steuern.
Das ist, bezogen auf den Gewinn vor Steuern, nur nocheine Belastung von 42,1 Prozent.
Damit liegt sie sogar um zwei Prozentpunkte niedrigerals bei einem vergleichbar hohen Gewinn einer GmbH.
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Nächstes Beispiel: Wenn Sie unsere Vorschläge füren Subventionsabbau mitgetragen hätten,
ätten wir 17,5 Milliarden Euro eingespart.
as hätte bedeutet, dass wir beim Maastricht-Kriteriumm 0,75 Prozentpunkte besser abgeschnitten hätten.
ass wir jetzt also um 0,75 Prozentpunkte schlechter ab-chneiden, ist ausschließlich Ihre Schuld, meine Damennd Herren.
Nun komme ich noch einmal zu Ihren Vorschlägen fürinen besseren Haushalt.
ie Parteifreunde von den Damen und Herren, die hierechts sitzen, haben im Bundesrat dafür gesorgt, dass un-er Haushalt noch nicht in Kraft ist.
as bedeutet, dass vom Staat keine Impulse für die wirt-chaftliche Entwicklung ausgehen, denn der Verkehrs-inister und alle anderen Minister dürfen die Mittel, dieür neue Projekte vorgesehen sind, nicht bewilligen,
eil wir immer noch keinen rechtskräftigen Haushalt ha-en. Sie halten die wirtschaftliche Entwicklung auf,icht wir!
Nun ein paar Worte zur Solidität Ihrer Vorschläge be-üglich des Haushaltes.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Februar 2005 14581
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Parl. Staatssekretär Karl DillerSie wollten – das haben Sie eben auch in Ihren Zwi-schenrufen wieder bestätigt – den Zuschuss für dieSteinkohleförderung auf null zurückführen.
Damit würden wir in der Tat 1,6 Milliarden Euro sparen.Gleichzeitig hätten wir aber einen Vertrag gebrochen,
den ein FDP-Wirtschaftsminister, der leider Gottes ver-storben ist, nämlich Herr Rexrodt, selbst unterschriebenhat. Der damalige Wirtschaftsminister Rexrodt hat alsMitglied der Kohl-Regierung diesen Vertrag unterschrie-ben.
Wir sind an diesen Vertrag gebunden. Mit Ihrem Antragauf Streichung der Kohlesubventionen fordern Sie unszum Vertrags- und Rechtsbruch auf. Was ist denn das fürein Vorschlag, meine Damen und Herren?
Sie haben zweitens vorgeschlagen, den Etatansatz fürdie Arbeitslosenhilfe in diesem Haushaltsjahr um1 Milliarde zu senken. Wenn wir diesem Vorschlag ge-folgt wären, hätte das bedeutet, wir hätten den Arbeits-losenhilfeempfängern
am Ende des Monats Dezember, wo sie nach altemRecht ihre Arbeitslosenhilfe ausgezahlt bekommen,
zwei Drittel der ihnen zustehenden Arbeitslosenhilfe garnicht auszahlen können.
Es ist unglaublich, dass Sie in diesem Parlament einesolche Täuschung der Menschen wagen.
Drittens haben Sie beantragt, die Ausgaben für Zinsenund Gewährleistungen um 1,8 Milliarden zu kürzen.
Wenn wir das gemacht hätten, wären wir ein Risiko ein-gegangen, das eigentlich nur ein Zocker eingeht.D1rW1tDzvzthkwWaCKTeetl
ie Wahrscheinlichkeit nämlich, dass wir in diesem Jahr,8 Milliarden an Zinsen und Gewährleistungen einspa-en könnten, liegt bei 15 Prozent.
er bei einer Wahrscheinlichkeit von 15 Prozent,8 Milliarden Euro einsparen will, der muss von absolu-er Zockermentalität geprägt sein.
as hat nichts mehr mit seriöser Haushaltsplanberatungu tun.
Schließlich die Krönung des Ganzen: Die Union hatorgeschlagen, alle flexibilisierten Mittel um 10 Prozentu kürzen. Das hätte bedeutet, mehrere tausend Bediens-ete des Bundes
ätten sich samt ihren Familienangehörigen mit Wir-ung vom 1. Januar 2005 in Luft auflösen müssen, weilir ihnen kein Gehalt mehr hätten überweisen können.
er solche Vorschläge macht, hat keinen Anspruch, hierls seriös wahrgenommen zu werden.
Nächster Redner ist der Kollege Leo Dautzenberg,
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär, dashema der Aktuellen Stunde lautet: Verschuldung unduropäischer Stabilitäts- und Wachstumspakt. Zu denntsprechenden Punkten, zu denen sich der Finanzminis-er in den letzten Wochen und sogar noch Tagen einge-assen hat, haben Sie hier kein Wort verloren.
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Leo DautzenbergWir haben kein einziges Wort gehört, wie Sie dem Stabi-litäts- und Wachstumspakt demnächst entsprechen wol-len.
Eine weitere Frage haben Sie auch nicht beantwortet,nämlich die Frage nach der Mehrwertsteuererhöhung.Dazu gibt es ja in Ihrem Hause konkrete Überlegungen.Diese Frage haben Sie nicht beantwortet.
Sie haben zu bestimmten anderen steuerpolitischen Fra-gen Stellung bezogen, aber nicht konkret die Frage be-antwortet, ob Sie an einer Mehrwertsteuererhöhung ar-beiten.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen undKollegen, es ist erforderlich, noch einmal in Erinnerungzu rufen, worauf der Stabilitäts- und Wachstumspakt be-ruht. Er beruht auf den Maastricht-Verträgen, die wie-derum Aufnahmekriterien für den Beitritt zum Eurover-bund beinhalten. Alle politisch Verantwortlichen warensich nach langem Ringen einig, dass es nicht nur einenMaßstab für die Aufnahme zum Euroverbund, sondernauch einen Maßstab für eine dauerhafte Festigung diesesGebildes geben muss, dass also ein Stabilitätspakt ge-schaffen werden muss, aus dem sich ein Wachstumspaktentwickeln kann.
– Denn nur durch Stabilität, Herr Kollege Schultz, lässtsich dauerhaftes Wachstum generieren.
Umgekehrt – wie Sie es in der Bundesrepublik Deutsch-land schon seit einigen Jahren praktizieren – funktioniertdas nicht.Das war die Grundlage. Deutschland – vor allen Din-gen durch Kohl und Waigel – war führend, als dem Sta-bilitäts- und Wachstumspakt 1997 auf europäischerEbene zum Durchbruch verholfen wurde.Dazu darf ich hier vielleicht eine kleine Reminiszenzanbringen. Was antwortet das Bundesfinanzministeriumim Internet auf die Frage: „Was ist der Stabilitäts- undWachstumspakt?“? Zitat:Insbesondere Deutschland als traditionell stabili-tätsorientiertes Land hat die Initiative für den Paktergriffen und sich maßgeblich für ihn eingesetzt.Aber auch andere, kleinere Mitgliedstaaten habenden Pakt nachdrücklich befürwortet. Alle Staatenhaben ihm zugestimmt.Das war damals die Grundlage. Wenn wir nun sehen,wie vonseiten des Finanzministers und des Kanzlers seitMSdhwdldesgbVdBNhddßsgVtBegtgPdTtdilümtWghvgd
Es ist ein Unding, meine Damen und Herren! Insofernaben Sie Recht, Herr Diller. Diese Thematik beratenir seit Monaten: Stabilitäts- und Wachstumspakt undessen mögliche Flexibilisierung und Weiterentwick-ung. Man müsste das auch semantisch klären. Es wer-en Vorschläge gemacht, die als Änderung oder als Fort-ntwicklung des Paktes dargestellt werden. Mancheagen, der Stabilitätspakt sei tot. Wenn das so weiter-eht, ist er tot. Das darf nicht passieren. Warum unter-reitet der Finanzminister oder auch der Kanzler seineorstellungen nicht zuerst hier im Parlament – wir habenas im Finanzausschuss schon oft beraten –, ehe er sie inrüssel immer wieder neu unterbreitet?
Wir haben Beispiele dafür, meine Damen und Herren.och vor zwei Tagen war von zehn Punkten die Rede,eute liest man in der „Financial Times Deutschland“,ass es um sechs qualitative Punkte gehe. Man verstän-igt sich darauf, dass es Sanktionen bei groben Verstö-en geben müsse. Schon in Art. 104 des EU-Vertragesteht, dass Vorkehrungen hinsichtlich grober Verstößeegen die Haushaltspolitik und damit hinsichtlich einererschuldungspolitik getroffen werden müssen.Dies wird im parlamentarischen Bereich nicht thema-isiert. Dass Sie auf europäischer Ebene dafür keineündnisgenossen finden, ist klar. Klar ist auch, dass aufuropäischer Ebene vieles, wie Sie sagen, im Konsenseschieht. Die Länder, die voraussichtlich gegen die Kri-erien verstoßen, werden Sie in Bezug auf Veränderun-en schnell ins Boot bekommen. Aber wir täten diesemakt einen Tort an, wenn er aufgeweicht würde.
Es ist schon mehrmals betont worden: Die Stabilitätes Euros hängt auch damit zusammen, dass die andereneilnehmerländer in den letzten Jahren eine hohe Stabili-ät hatten. Wenn wir dieses Kriterium aufweichen, wirdas nachhaltig zu Instabilität führen. Dafür gibt es auchn der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik Deutsch-and Beispiele.Deshalb geht es darum, dass wir uns hier im Plenumber die Kriterien auseinander setzen, ehe der Finanz-inister im Ecofin-Rat über eine Aufweichung der Kri-erien spricht. Diesen Weg können wir nicht mitgehen.ir müssen uns im Rahmen des Art. 104 des EU-Vertra-es bewegen. Er sorgt für genügend Flexibilität. Die bis-erige Diskussion macht deutlich, wie wir in Zukunfterfahren sollten. Wir stehen dazu und würden diese Re-ierung auch unterstützen, wenn es um die Einhaltunger Kriterien geht.Vielen Dank.
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Leo Dautzenberg
Das Wort hat die Kollegin Anna Lührmann, Bündnis 90/
Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Ich möchte zu Beginn zwei wichtige Fragenstellen, die es im Zusammenhang mit dem Stabilitäts-pakt zu beantworten gilt. Erste Frage: Hätten wir inDeutschland weniger Probleme in den öffentlichenHaushalten, wenn es den Stabilitätspakt nicht gäbe? Dieklare Antwort darauf ist Nein. Auch dann hätten wir so-wohl im Bundeshaushalt als auch in den Länderhaushal-ten ein enormes Problem mit der Verschuldung. ZweiteFrage: Hat denn der Stabilitätspakt geholfen, ein zu ho-hes Defizit des Bundes und der Länder zu verhindern?
Die Antwort darauf ist ebenfalls Nein.
Deshalb muss es das erklärte Ziel einer Reform desStabilitätspaktes sein, den Pakt wirksamer zu machen.
In konjunkturell guten Zeiten muss daran gearbeitet wer-den, Defizite zu reduzieren und Haushalte auszuglei-chen. Dann hätte man in konjunkturell schlechten Zeiteneinen gewissen Spielraum nach unten.
Wir brauchen zwei Reformmaßnahmen, um den Paktwirksamer zu machen. Mit der ersten Maßnahme soll si-chergestellt werden, dass früher eingegriffen werdenkann. So kann verhindert werden, dass zu hohe Defiziteentstehen. Der präventive Teil des Stabilitätspaktes mussalso – darin sind sich viele Finanzminister der Europäi-schen Union einig – gestärkt werden.
Dieser Gedanke ist auch schon im Protokoll zur Verfas-sung ausgedrückt. Die Kommission und der Ecofin-Ratmüssen das Recht haben, Auflagen zu erteilen, damitStaaten in konjunkturell guten Zeiten Konsolidierungs-programme fahren und Defizite abbauen. So können wirlangfristig eine nachhaltige Haushaltspolitik erreichen.
Mit der zweiten Maßnahme – auch diese sorgt dafür,dass der Stabilitätspakt wirksamer wird – sollen die na-tKdHwfsIedsfffsu–swmWsDi
Denn wir reden bisher immer nur über die Problemees Bundeshaushalts. Aber die Probleme, die in denaushalten der Länder und der Kommunen bestehen,erden nicht diskutiert.Früher eingreifen und den nationalen Stabilitätspaktorcieren sind also die beiden wesentlichen Reform-chritte in Bezug auf den Stabilitätspakt.
ch sage ganz klar: Erst wenn diese beiden Bedingungenrfüllt werden – und nur dann –, kann man darüber nach-enken, ob man das Defizitverfahren am Ende anpasst.
Aber auch im Zuge einer solchen Reform muss manich von dem Gedanken leiten lassen, dass 3 Prozent De-izit immer 3 Prozent zu viel sind.
Die Reform des Stabilitätspakts in Bezug auf das De-izitverfahren kann nur durchgeführt werden, wenn dieolgenden drei Kriterien erfüllt werden:
Erstens. Reformen, die zu einer Verminderung destrukturellen und impliziten Defizits führen – sie wurdennter Kohl nicht angepackt –,
leider, ansonsten hätte er vielleicht anders gehandelt –
ollten in einem Defizitverfahren positiv angerechneterden.Zweitens. Die Bildungs- und Forschungsausgabenüssen erhöht werden. So wird die Perspektive für mehrachstum und mehr Beschäftigung langfristig verbes-ert.
as sind die einzigen Kriterien, nach denen man Ländern einem Defizitverfahren nachsichtiger beurteilen kann.
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Anna LührmannDenn es macht keinen Sinn, ein Land, das daran arbeitet,seine strukturelle Verschuldung zu senken, indem essinnvolle Reformen angeht, zu Strafzahlungen zu ver-pflichten.Ich fasse zusammen: Das Ziel muss sein, dass der Sta-bilitätspakt wirksamer wird. Das heißt, dass wir frühzei-tiger eingreifen, um einen ausgeglichenen Haushalthinzubekommen. In konjunkturell guten Zeiten musskonsolidiert und müssen ausgeglichene Haushalte undHaushalte mit einem Einnahmenüberschuss gewährleis-tet werden. Bund und Länder müssen im Rahmen einesnationalen Stabilitätspaktes Verantwortung übernehmen.Das ist für mich die Richtung, in die eine Reform desStabilitätspaktes gehen kann.
Nächster Redner ist der Kollege Jochen-Konrad
Fromme, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! HerrStaatssekretär, Sie suchen die Schuld immer bei anderenund niemals bei sich selber. Was nützt es, wenn man denHaushalt schnell verabschiedet? Bei den Bahninvestitio-nen haben wir es gesehen. Monatelang haben Sie dieseverzögert. Die vorgesehenen Mittel konnten nicht ausge-geben werden, obwohl sie bewilligt waren.Sie sprechen hier von „Zockern“. Sie sollten sich ein-mal an Ihre eigene Adresse wenden. Schon zum drittenMal hintereinander haben Sie bewusst einen Haushaltmit riesigen Lücken vorgelegt.
Am Ende haben Sie dann erstaunt die Augen aufge-macht, als die Realität Sie eingeholt hat. Was unterschei-det uns eigentlich von den Griechen? Ob ich von vorn-herein mit getürkten Zahlen vorgehe oder hinterher dieZahlen verändere, das Ergebnis bleibt das gleiche.
Die Regierung hat natürlich nicht zum Stabilitätspaktgesprochen; denn das wäre ihr – das ist völlig klar –peinlich. Das macht sie immer; sie spricht immer überandere Punkte und nicht über diejenigen, die auf der Ta-gesordnung stehen.Herr Eichel hat erklärt: Zukunftsvorsorge statt Zins-ausgaben! Wenn ich mir das Ergebnis anschaue, dannkann ich feststellen, dass wir genau das Umgekehrte ha-ben: mehr Zinsausgaben, weil Sie ständig Defizite auf-häufen.piDgmtdrdsdmASdfEDkgSsilhnEzAbe„mssknbPdJWzwvEb
enn das ist doch keine Formvorschrift. So wie Sie vor-ehen, macht das doch keinen Sinn. Der Sinn ist, dassan sich selber diszipliniert. Der Stabilitätspakt beinhal-et Korsettstangen gegen überflüssige Ausgaben. Genauas sehen Sie nicht. Dies ist doch ein System zur Siche-ung der Nachhaltigkeit. Die Schulden von heute sindie Steuern von morgen. Sie mindern dadurch, dass Sieich nicht um diese Fragen kümmern, den Handlungs-ruck.Sie haben immer mehr ausgegeben, als Sie eingenom-en haben.
ls die Kreditmöglichkeiten nicht mehr reichten, habenie jede Menge Tafelsilber verscheuert. Was machen Sieenn eigentlich, wenn Sie nichts mehr haben? Jederünfte Euro im Haushalt 2005 ist nicht durch ordentlicheinnahmen gedeckt.
as heißt, irgendwann ist das Tafelsilber verkauft. Wasommt dann? Steuererhöhungen! Frau Simonis sprichtanz offen darüber. Sie ist die Einzige, die sich das traut.ie machen es still und heimlich. Das Ergebnis wirdein, dass Sie es tun werden.Sie haben alles verkauft, was nicht niet- und nagelfestst. Nicht einmal das Gold der Bundesbank ist Ihnen hei-ig. Sie haben den Posttreuhandfonds aufgelöst. Sie ge-en an das ERP-Sondervermögen. Sie kümmern sichicht um das, was tatsächlich notwendig wäre, nämlichinnahmen und Ausgaben in Einklang zu bringen, undwar auf der Ausgabenseite. Nichts anderes wird helfen.lle Vorschläge, die wir dazu in den Bundesrat einge-racht haben, haben Sie vom Tisch gewischt. Sie habens mehr oder weniger zum Ausdruck gebracht: ImFinanztreff“ findet sich heute die Aussage des Finanz-inisteriums, auf der Ausgabenseite sei nichts zu be-chicken, deswegen brauche man sich damit nicht zu be-chäftigen. Sie haben dieses Ziel doch aufgegeben. Soann es nicht weitergehen.Wenn wir all Ihren Vorschlägen gefolgt wären undicht einiges für eine vernünftige Steuerreform aufgeho-en hätten, dann hätten Sie schon in diesem Jahr dieleite erklären müssen. Denn wenn wir voriges Jahr allas gemacht hätten, was Sie wollten, hätten Sie diesesahr nichts mehr gehabt, was Sie vorzeigen können. Inahrheit wollen Sie Ihre Vorschläge ja gar nicht umset-en. Die Eigenheimzulage ist bei Ihnen der Jäger 90. Sieird für jede Maßnahme vorgeschoben, damit Sie keineernünftige und seriöse Begründung finden müssen. Amnde machen Sie dann Schulden, anstatt bei dem zuleiben, was richtig ist.
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Jochen-Konrad FrommeWenn man den Haushalt in Ordnung bringen will,heißt das, auch diejenigen zu pflegen, die einem die Ein-nahmen bringen. Ich muss die Kuh füttern, die ich mel-ken will. Was haben Sie denn mit dem Mittelstand ge-macht? Sie haben dem Mittelstand das Wirtschaftentäglich durch immer neue Bürokratieauflagen, durch dieÖkosteuer und Ähnliches erschwert und wundern sicham Ende, wenn dieser Motor nicht läuft.
Der Export führt zu nichts, und zwar auch deshalb, weilder Anteil an der Wertschöpfung immer kleiner wird.Deswegen werden wir immer weniger von einem gutenExport profitieren.Der zweite Punkt ist die Situation auf dem Binnen-markt. Wenn Sie – das ist die Aussage seitens der Bun-desbank – der Bevölkerung jedes Jahr ein halbes Prozentan realer Kaufkraft nehmen, dürfen Sie sich nicht wun-dern, wenn der Binnenmarkt keinen Beitrag zur Kon-junkturbelebung leisten kann und damit die Staatsfinan-zen ruiniert werden; denn wenn wenig umgesetzt wird,wenn keine Arbeit vorhanden ist, werden nicht mehrSteuern gezahlt, sondern nur hohe Sozialausgaben ge-leistet.Ich rate Ihnen, sich einmal unseren Zehn-Punkte-Plananzusehen. Die Maßnahmen kosten keinen einzigenEuro. Sie erfordern nur ein Tätigwerden des Gesetzge-bers und ein bisschen Mut, sich mit der InteressengruppeGewerkschaft anzulegen. Durch die Umsetzung diesesPlans könnten wir einen Riesenschritt machen und wie-der Vertrauen erwecken. Wenn wir die Konjunktur bele-ben und den Stabilitätspakt einhalten wollen, müssen wirVertrauen in die zukünftige Entwicklung erwecken, da-mit die Menschen sich wieder betätigen.
Das werden Sie niemals erreichen, weil Sie kein Kon-zept haben. Sie haben hier überhaupt nichts vorgetragen.
Der eine sagt, steuerliche Änderungen müssten vorge-nommen werden, der andere, dies müsse nicht gesche-hen. Wie soll die Wirtschaft denn kalkulieren können,wenn Sie noch nicht einmal innerhalb der Bundesregie-rung zu einer einheitlichen Meinung kommen? SehenSie sich doch nur Clement und Eichel an.
Herr Kollege, darf ich Sie an Ihre Redezeit erinnern.
Solange diese Stümper an der Regierung bleiben,
wird sich in diesem Lande nichts verändern.
Das ist die Wahrheit. Deshalb brauchen wir ein Ende.
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n Demut verneige ich mich vor Ihrem fulminanten kon-eptionellen Beitrag, der uns allen eine klare Zukunft er-ffnet hat.
ch glaube, die rhetorische Wanderdüne, die Sie vor demintergrund der Wahlen in Schleswig-Holstein gegebenaben, war es nicht wert, hier vorgetragen zu werden.
Ich kann mich eigentlich nur dafür bedanken – inso-ern ist der Zeitpunkt dieser neuerlichen Debatte überen Stabilitäts- und Wachstumspakt nicht schlechtewählt –, dass die Bundesregierung durch den Bundes-anzler und den Bundesfinanzminister an drei ganzichtigen Fronten eine neue Dynamik in die europäischeiskussion bringt.
azu gehört die Entwicklung der Finanzen auf europäi-cher Ebene und auch, welchen Anteil daran wir aufzu-ringen haben. Starke Volkswirtschaften – und zu diesenählen wir – haben einen größeren Anteil ihres Wachs-ums abzugeben, und zwar an diejenigen, die nicht sotark wachsen. Das beeinflusst natürlich auch das 3-Pro-ent- und das 60-Prozent-Kriterium und deren Wertung.
Wir diskutieren über eine Fortentwicklung der Lissa-on-Strategie, damit zukunftsorientiertes Wachstum inie Gänge kommt, welches die Voraussetzung dafür ist,eld zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte zurwirtschaften.
ir reden über die Neuauslegung des Stabilitäts- undachstumspakts, ohne das 3-Prozent- und das 60-Pro-ent-Kriterium infrage zu stellen. Jedoch sind die Rah-enbedingungen, unter denen diese Kriterien bewerteterden, neu zu definieren. Man kann hier doch nicht soun, als machten Minister Eichel und der Bundeskanzleries alleine, als würden sie in einem Feldzug über dasuropa der 25 herfallen und diktieren, was zu geschehenat. Das Bedürfnis, den Stabilitäts- und Wachstumspakt
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14586 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 156. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 16. Februar 2005
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Reinhard Schultz
einvernehmlich neu auszulegen, ist offensichtlich sehrbreit angelegt. Zu Recht wird diese Diskussion in fast al-len Volkswirtschaften Europas geführt.
– Über Nebentätigkeiten können wir gerne diskutieren,mein Lieber. Ich finde mindestens 30 auf Ihrer Seite, mitdenen ich in froher Gemeinschaft darüber diskutierenkönnte. Das kann ich so sagen, ohne in das Handbuch zusehen. Einer sitzt bei Ihnen ganz hinten. Herr Meyer, ichgrüße Sie.Zum Thema Stabilitätspakt gehört auch, dass wir unsauf eine Balance zwischen Konsolidierung und Wachs-tumskräften verständigen müssen. Wir haben die Ent-wicklung in Deutschland unterschätzt. Keiner von Ihnenund auch keiner von uns hat geahnt, dass wir gut dreiJahre wirtschaftliche Stagnation haben würden, was na-türlich dazu beigetragen hat, dass die Einnahmeerwar-tungen des Staates, aller öffentlichen Ebenen, auch derSozialkassen, nicht erfüllt wurden.Natürlich hätte man darauf in der Art antworten kön-nen, wie einige von Ihnen es immer wieder vorschlagen,dass man immer weitere drastische Einschnitte zum Bei-spiel bei den Sozialleistungen oder bei der Bildung vor-nimmt. Das Ergebnis wäre gewesen, dass der Staat sei-nen sozialen Auftrag genauso vernachlässigt hätte, wieer auch keinen eigenständigen Beitrag zum Wachstumhätte leisten können, indem er selber Nachfrage erzeugt.All das übersehen Sie bei Ihren ständigen Debatten, ob-wohl Sie es selber natürlich viel besser wissen.Die Krönung ist dann allerdings, dass Sie immer neueSteuerreformdiskussionen mit dem Ziel führen, milliar-denschwere Geschenke zu machen.
Sie haben doch jetzt erst einmal etwas für die Einkom-mensteuer, die von Privaten zu entrichten ist, vorgelegt.
Bis zur Unternehmensteuer sind Sie überhaupt nicht vor-gestoßen. Es kann ja sein, dass Sie jetzt Herrn Clementirgendetwas nachplappern. Von Ihnen gibt es kein Kon-zept. Im Finanzausschuss kommen wir mit Ihren Anträ-gen zur Einkommensteuerreform seit Wochen nicht wei-ter, weil Sie in der Anhörung, die Sie selber beantragthaben, gemerkt haben, dass Sie auf dem falschen Damp-fer sind und dass Sie selber in Bezug auf die Unterneh-mensteuerreform nachbessern müssen, weil Sie dazukein einziges Wort verloren haben.
In der Anhörung haben die Sachverständigen durch dieBank – einschließlich derjenigen der Wirtschaftsver-bsdVnWdgdVSWhszCHLrDtnddeaLbBuuEdd
or kurzer Zeit ist ja erst die letzte Stufe einer großenteuerreform in Kraft getreten. Insofern wird Ihnen deranderdünensand, den Sie den Schleswig-Holsteinerneute auf den letzten Drücker noch in die Augen zutreuen versuchen, auch nicht viel nützen. Sie seheniemlich klar im Norden.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Georg Fahrenschon, CDU/
SU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Lieber Herr Schultz, liebe Frau Kolleginührmann, Sie werden dem Ernst der Lage nicht ge-echt.
er Stabilitätspakt ist und war das Versprechen der Poli-ik an die Bürger, in Europa eine solide und stabile Fi-anzpolitik zu entwickeln. Zusätzlich haben wir uns alle,ie wir für die Einführung des Euros gekämpft haben,er Verpflichtung unterworfen, genauso konsequent aniner sparsamen, soliden und stabilen Finanzpolitik zurbeiten. Und nur damit haben wir die Menschen imande im Grunde davon überzeugt, die D-Mark abzuge-en und in den Euro zu investieren.
ereits mit der Unterzeichnung des Maastricht-Vertragsnd mit der Annahme des Stabilitätspaktes haben wirns bewusst allgemein gültigen Regeln innerhalb deruropäischen Union unterworfen, um das Ziel, dassie neue Währung genauso hart und stabil wie einstie D-Mark sein soll, zu erreichen.
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Georg FahrenschonKeine sechs Jahre nach Einführung des Euros fordertder deutsche Bundesfinanzminister jetzt das glatte Ge-genteil. Ich zitiere aus der „Financial Times Deutsch-land“ von heute:Verfahrensschritte in einem Defizitverfahren …können nur eröffnet werden, wenn dem Mitglieds-staat tatsächlich schwerwiegende Fehler vorzuwer-fen sind.Damit ziehen Sie dem Automatismus, der Tatsache, dasswir uns den allgemein gültigen Regeln innerhalb derEuropäischen Union unterwerfen, den Zahn.
Das ist der zentrale Fehler Ihrer Politik.
Der Finanzminister fordert damit die EU auf, sich ausder nationalen Finanz- und Haushaltspolitik gefälligstherauszuhalten. Das ist der Fehler Ihres Ansatzes.
Denn wir brauchen den Automatismus in dem Moment,in dem wir zwar einen einheitlichen Währungsraum,aber unterschiedliche nationale Wirtschafts- und Haus-haltspolitiken fahren. Er ist ein zentraler Punkt.
Sie haben erst mit einer Sperrminorität den Stabili-tätspakt ausgehebelt, dann sind Sie vor dem Europäi-schen Gerichtshof gescheitert und haben mit diesemVerfahren zu einer erheblichen institutionellen Verunsi-cherung auf europäischer Ebene beigetragen.
Jetzt verlangen Sie flexiblere Interpretationen. Manmuss Ihnen allerdings entgegenhalten: Durch eine nochweiter gehende Interpretation wird das gesamte Systemdes regelgebundenen Verfahrens innerhalb der Europäi-schen Union aufs Spiel gesetzt. Deshalb machen wir da-bei nicht mit.
Wir brauchen das genaue Gegenteil: klar definierte, vor-hersehbare und transparente Regeln, die der beste Garantdafür sind, dass eine effektive, vernünftige und auf Sta-bilität ausgerichtete Haushaltspolitik, die auch zur Nach-haltigkeit beiträgt, durchgesetzt werden kann.Mir sei noch ein zweites Zitat erlaubt; denn HerrEichel fordert heute – ich zitiere –so viel Zeit, wie der Mitgliedsstaat benötigt, umseine Wirtschafts- und Finanzpolitik wieder aufmehr Wachstum, Beschäftigung und gesundeStaatsfinanzen umzustellen.MSntDbrR1AEMdDwl7EdgzlöSGUngrRdsmD
eine sehr geehrten Damen und Herren, lieber Herrtaatssekretär, wie viel Zeit brauchen Sie eigentlichoch, um wieder Ordnung in Ihren Haushalt zu bringen?
Sie sind seit über sechs Jahren an der Regierung. Un-er Ihrer Führung explodieren die Schulden seit Jahren.ie Arbeitslosigkeit steigt und steigt. 5 Millionen Ar-eitslose in unserem Land, das ist Nachkriegsrekord. Pa-allel dazu steigen die Schulden; auch hier sind Sieekordhalter. Derzeit beträgt die Schuldenlast415 Milliarden Euro. Darauf gehen Sie in dieserktuellen Stunde in keinem Punkt ein. 1 415 Milliardenuro – das ist eine Summe, die sich selbst fantasievollsteenschen nicht mehr vorstellen können.Jeder fünfte Steuer-Euro geht mittlerweile für Zinsenrauf.
as Dramatische ist: Die Gesamtverschuldung steigteiter. Sie betrug einmal knapp unter 60 Prozent. Mitt-erweile beträgt die Staatsverschuldung insgesamt fast0 Prozent.
ine Trendumkehr ist nicht in Sicht. Anstatt jetzt Schul-en abzubauen, versuchen Sie, die Grundpfeiler unsereremeinsamen europäischen Währung über Brüssel zuerschießen.
Eine solche Politik ist fahrlässig, gefährlich und ver-ogen. Sie ist fahrlässig, weil sie der Willkür Tür und Torffnet.
ie ist gefährlich, weil sie die Preisstabilität und dieeldpolitik der Eurozone gefährdet.
nd sie ist verlogen, weil der Stabilitätspakt damals undoch heute ein Versprechen der Regierungen an die Bür-er war, sich an allgemein gültige finanzpolitische Spiel-egeln zu halten. Wenn Sie sich jetzt nicht mehr an dieseegeln halten wollen, weil sie Ihnen unbequem gewor-en sind, dann belügen Sie die deutsche und die europäi-che Öffentlichkeit und sägen den Ast einer gemeinsa-en, stabilen und erfolgreichen Währung in Europa ab.abei machen wir nicht mit.
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Das Wort hat der Kollege Axel Schäfer, SPD-Frak-
tion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Das Thema „Verschuldung und europäischer Stabilitäts-und Wachstumspakt“ steht heute zum wiederholten Malauf der Tagesordnung des Bundestages.
Das meiste von dem, was die Kolleginnen und Kollegenvon CDU/CSU und FDP dazu gesagt haben, hatte bereitsvor einem Jahr der luxemburgische Ministerpräsident,der einer christlich-liberalen Koalition vorsteht, festge-stellt.
Er hat gesagt: So wie diese Diskussion zurzeit inDeutschland geführt wird, geschah es auch im Jahr 1992.Er, der letzte aktive Vertreter derjenigen, die den Stabili-täts- und Wachstumspakt ins Leben gerufen haben,führte aus: So dogmatisch, wie Sie den Pakt sehen, warer nicht gedacht. Das alles können Sie nachlesen. In demeinen Jahr, in dem diese Diskussion geführt wurde, ha-ben Sie aber leider nichts dazugelernt.
Deshalb will ich bewusst auf einzelne Punkte einge-hen. Zunächst zur Währungsstabilität. Die Inflationsratein der Eurozone liegt konstant unter 2 Prozent.
Während einige EU-Länder eine höhere Teuerungsratehaben, weist Deutschland die niedrigste Inflationsrateüberhaupt auf, wodurch es entscheidend zur Stabilität inEuropa beigetragen hat.
Erstaunlicherweise hat auch der starke Euro der deut-schen Ausfuhr nicht geschadet.
Wir alle wissen noch, welche Sorgen bestanden, dasseine ungünstige Relation zwischen Euro und Dollar zuSchwierigkeiten führen könnte. Diese negative Pro-gnose, die Sie aufgestellt haben, ist nicht eingetreten.dAbZmzdrDDuug4mNAsdLSmrDzKuDdESDs
nfang der 90er-Jahre, während Ihrer Regierungszeit,etrug die Neuverschuldung 2,9 Prozent. Dieses und dieahlen anderer Länder waren dafür entscheidend, dassan sich ausdrücklich darauf verständigt hat: 3,0 Pro-ent sind 3,0 Prozent. Im Unterschied zu damals befin-en wir uns jetzt in der Situation, dass das Minus in Eu-opa eben nicht mehr bei 5 Prozent liegt, sondern imurchschnitt bei 2,5 Prozent.
as heißt, wir haben in Europa durch den Stabilitäts-nd Wachstumspakt insgesamt Fortschritte erreicht
nd wir sind besser aufgestellt als zum Beispiel ver-leichbare Wirtschaftsräume wie Japan mit minus,2 Prozent oder die Vereinigten Staaten von Amerikait minus 7,1 Prozent.
un zu Deutschland: Was Deutschland an besonderennstrengungen unternommen hat, hat die EU-Kommis-ion in allen ihren Stellungnahmen ausdrücklich gewür-igt.
eider ist das bei Ihnen bis heute nicht angekommen.
Der zweite Punkt: Lassen Sie uns über die spezifischeituation in Europa reden. Wir haben heute in der Ge-einschaft gravierende Unterschiede, was die Struktu-en anbelangt; darauf müssen wir Antworten finden.eutschland ist bevölkerungsmäßig im Durchschnittehn- bis 20-mal so groß wie andere Länder. Das hatonsequenzen dafür, wie man Politik in Deutschlandmsetzen kann.
eutschland hat als eines von wenigen Ländern ein fö-erales System. Wir wissen doch ganz genau, welchentscheidungen damit erschwert werden.
ie wissen das doch, weil Sie ständig Dinge blockieren.as gibt es in anderen Ländern überhaupt nicht, wennie sich intern verändern: Die haben ein Ein-Kammer-
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Axel Schäfer
Parlament, da wird etwas entschieden und entsprechendumgesetzt.
Der dritte Punkt, die aktuellen Dinge. Der EU-Wäh-rungskommissar Almunia hat am 14. Februar dieses Jah-res festgestellt, dass sich der Stabilitäts- und Wachstums-pakt in der gegenwärtigen Ausgestaltung nicht bewährthat, weil er zum Beispiel prozyklische Wirkung auf dieLänder hat und sie damit im Falle eines Falles weiter indie Rezession treibt.
Er hat deshalb gesagt: Der Stabilitäts- und Wachstums-pakt muss weiterentwickelt werden. Er muss vor allenDingen auch deshalb weiterentwickelt werden, weil wirvon Indikatoren der 80er-Jahre ausgegangen sind, als er1992 formuliert wurde. Damals lagen die Wachstumsra-ten bei über 3 Prozent. Mittlerweile sind Probleme wieRezession und Stagnation und internationale Schwierig-keiten auf uns zugekommen, Stichwort Terrorismus.Darauf muss die Politik antworten können – alles anderewäre Dogmatismus.
Und die Bundesregierung antwortet darauf: Sie stelltsich auf die Positionen der Kommission ein,
sie leistet Überzeugungsarbeit für ein gemeinsames Er-gebnis in Europa. Der Kollege Schultz hat darauf hinge-wiesen: Dass das in engem Zusammenhang damit steht,wie wir uns künftig positionieren, zeigt doch die finan-zielle Vorausschau, Stichwort 1-Prozent-EU-Haushalt.Fünf Länder haben sich dem angeschlossen und auch dieCDU/CSU und die FDP haben diese gute Position vonHans Eichel und Gerhard Schröder ausdrücklich unter-stützt und wollen auf den Haushalt nicht noch irgendwiedraufsatteln.Ich komme zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kol-legen.
Wie Sie von der Opposition die Diskussion führen,könnte man zusammenfassen als „in Einfalt geteilt“. Eu-ropa muss aber in Vielfalt geeint werden. Das werdenwir leisten.
Das Wort hat der Kollege Otto Bernhardt, CDU/CSU-
Fraktion.
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is vor einem Jahr bestand hier im Hause Einigkeit überiese Feststellung. Herr Diller sagt, es gibt keinen An-ass, darüber zu sprechen. Herr Schultz sagt, das Themast sehr aktuell, schon dadurch, dass der Herr Bundes-anzler und der Herr Finanzminister jeden Tag außer-alb dieses Hauses Vorschläge zu diesem Thema unter-reiten, aber nicht bereit sind, mit uns hier im Hause zuiskutieren. Das ist dem Parlament gegenüber unver-chämt.
Ein solches Thema gehört nicht zunächst in die euro-äischen Gremien und in die Zeitungen, sondern mussier im Bundestag diskutiert werden.
Meine Damen und Herren, der letzte Haushalt, füren wir die Verantwortung getragen haben – das war998 –, wies eine Nettoneuverschuldung von 2,2 Pro-ent auf. Dann kamen Sie. Im ersten Haushalt, den Sieamals vorgelegt haben – einige erinnern sich noch anen Finanzminister; ich glaube, er hieß Lafontaine –, ha-en Sie 15 Milliarden Euro an zusätzlichen Ausgabeneranschlagt.
in Jahr später war es das Verdienst von Herrn Eichel,ass er genau diese 15 Milliarden Euro wieder einge-ammelt hat. Er ließ sich als Sparminister feiern. Mehr,ls das zurückzunehmen, was Lafontaine zugelegt hatte,at er nicht geleistet.
anach ist er zum Spitzenreiter bei der Verschuldung in-erhalb der EU geworden. Das ist die Realität.
Nun sagen Sie natürlich zu Recht, die Nettoneuver-chuldung und die Gesamtverschuldung seien das Er-ebnis von Bundes- und Landespolitik. Wenn wir unsinmal die Länder anschauen, dann kann ich Bayern vonieser Stelle aus nur loben. Wenn alle Länder eine solchernünftige Finanzpolitik wie Bayern betrieben hätten,ann gäbe es in Deutschland keine Probleme.
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Otto BernhardtWenn Bayern ein selbstständiges Land wäre, dannstünde es bezogen auf die Stabilität an der Spitze derEU-Länder. Auf Platz 2 läge Sachsen und auf Platz 3Baden-Württemberg.
Drei unionsregierte Länder haben Stabilität.
Genau so, wie Rot-Grün in der Finanzpolitik im Bundversagt, versagen Sie in den Ländern, in denen Sie regie-ren. Mein schönes Heimatland Schleswig-Holstein hatSchulden in Höhe von 7 000 Euro pro Einwohner. InBayern sind es 1 700 Euro. Ich kann nur sagen: Das istein Skandal.
Meine Damen und Herren von der Regierungsseite,ich sage es mit aller Deutlichkeit: Wenn die Regierungund die sie tragenden Fraktionen so viel Kraft für die Li-beralisierung des Arbeitsmarktes wie – ich drücke eseinmal positiv aus – für die Liberalisierung der Stabili-tätskriterien aufbringen würden, dann hätten wir inDeutschland manches Problem nicht. Um die Finanzenwieder in Ordnung zu bringen, brauchen wir eine andereWirtschaftspolitik und andere Maßnahmen für den Ar-beitsmarkt.Sie konnten von der schleswig-holsteinischen Minis-terpräsidentin gestern im Fernsehen wieder hören, dasssie für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer eintritt.
Herr Austermann hat hier die Regierung gefragt, ob dieGerüchte aus dem Hause stimmen.
– Herr Staatssekretär, ich habe nicht gehört, dass Sie diesdementiert haben. Ich sage: Wir brauchen zurzeit keineSteuererhöhungen, sondern eine Liberalisierung des Ar-beitsmarktes.
Lassen Sie mich deshalb abschließend feststellen,dass egal, wo Rot-Grün regiert, ob im Bund oder in denLändern, die Finanzen kaputt sind. Der alte Vorwurf, So-zialdemokraten können mit Geld nicht umgehen, bestä-tigt sich leider. Um das zu erkennen, müssen Sie sich nurdie konkreten Zahlen anschauen.
Letzte Rednerin in dieser Aktuellen Stunde ist die
Kollegin Bettina Hagedorn, SPD-Fraktion.
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-en! Bevor ich zu dem komme, was ich eigentlich sagenollte, kann ich es mir nicht verkneifen, zunächst einmaltellung zu den Unterstellungen zu beziehen, die geradeon Ihrer Seite gekommen sind.
Kurz vor der Schleswig-Holstein-Wahl versuchen Sieassiv, zu unterstellen, hier seien Steuererhöhungen ge-lant.
enn Sie sich nur einmal das Steuerkonzept der schles-ig-holsteinischen Landesregierung anschauen würden,as seit einem Dreivierteljahr öffentlich auf dem Marktst,
ann wüssten Sie, dass die Vorschläge von Frau Simonisahin gehen – –
Herr Kampeter, es wäre schön, wenn Sie wenigstens soiel Höflichkeit besitzen würden, mich ausreden zu las-en.
s ist schon ein starkes Stück, welche Unterstellungennd Verdrehungen Sie hier vortragen. Wenn Sie meinen,ass Sie auf diese Art und Weise an die Macht kommen,ann unterschätzen Sie die Menschen in Schleswig-Hol-tein.
Es geht um Folgendes: Wir haben in Deutschlandein Problem mit den Steuern, sondern mit den Lohnne-enkosten.
as Konzept, das durchaus nicht unvernünftig ist, siehtor, die Mehrwertsteuer nur in dem Maße zu erhöhen,ie gleichzeitig Lohnnebenkosten gesenkt werden.
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Bettina Hagedorn
Eine Familie mit zwei Kindern, die 37 000 Euro im Jahrverdient und unter Rot-Grün keine Steuern mehr zahlenmuss,
kann am Ende nur durch die Senkung der Lohnneben-kosten mehr Geld übrig haben.
– Es ist ausgesprochen schwierig, gegen Sie anzureden,aber ich tue mein Bestes.
Liebe Kollegen, ich denke, der Fairness und des An-
stands halber sollte man die Frau Kollegin Hagedorn
jetzt sprechen lassen.
Ich möchte mich in erster Linie mit dem Thema Ver-schuldung beschäftigen. Mir liegt eine Presseerklärungvon Union und FDP vor – sie ist erst zwei Tage alt –, inder Sie erneut behaupten, dass die Verschuldung desBundes seit drei Jahren massiv zunimmt.
Ich möchte in diese Diskussion gern ein bisschen Wahr-heit bringen. Unbestritten ist doch, dass wir die Ver-schuldung der öffentlichen Hand alle gemeinsam undauf allen Ebenen wahrlich nicht auf die leichte Schulternehmen
und wir uns der Verantwortung gerade im Hinblick aufdie junge Generation, die heute noch im schulpflichtigenAlter und jünger ist, sehr bewusst sind.
Allerdings entspricht es der Wahrheit, dass seit 1971der Deutsche Bundestag 34 Jahre in Folge Haushalteverabschiedet hat, die nicht ausgeglichen waren. Daranwaren Sie von der Union mindestens so beteiligt wie wir.Am allermeisten war die FDP daran beteiligt, nämlichinsgesamt 28 Mal. Es wäre darum sehr gut, wenn wirheute im Bundestag zu dieser gemeinsamen Verantwor-tung für diese Schuldenlast stehen würden, anstatt uns inritualisierten, dumpfen Schuldzuweisungen zu üben.Wbdcb1hwbdrmsWavWdErmrdShnd
ir müssen uns mit dem Thema Schuldenlast ernsthafteschäftigen, um unserer Verantwortung gerecht zu wer-en.
Um Ihnen Ihre eigene Verantwortung zu verdeutli-hen – Sie scheinen ein paar Gedächtnislücken zu ha-en –, will ich Ihnen noch einmal sagen, dass in den6 Jahren der Kohl-Regierung knapp 70 Prozent deseute vor uns liegenden Schuldenberges aufgetürmtorden sind und mit Zins und Zinseszins ein durchauseachtliches und trauriges Erbe dargestellt haben.
Die Neuverschuldung seit 1998, die unbestritten be-auerlich hoch ist und höher ist, als wir uns das in unse-en ehrgeizigen Zielsetzungen vorgenommen haben,acht einen Anteil von 15,3 Prozent an dem Gesamt-chuldenberg aus.
eil das so ist, taugen Sie von der Union und der FDPm allerwenigsten zu Chefanklägern in Sachen Staats-erschuldung.
er mit dem Finger auf andere zeigt, auf den weisenrei Finger zurück.
s wäre schön, wenn Sie das beherzigen würden.Ich will durch diese Zahlen in keiner Weise relativie-en, dass in den letzten Jahren Schulden gemacht werdenussten. Aber ich will deutlich sagen, dass ich das pha-isäerartige Gejammere der CDU/CSU über diese Schul-enentwicklung leid bin.
ie haben daran einen so großen Anteil, dass Sie sichier nicht mit Unschuldsmiene hinsetzen und so tun kön-en, als ob Sie damit nichts zu tun hätten. Sie rennen le-iglich zum Bundesverfassungsgericht; das hat übrigens
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Bettina Hagedornauch schon die CDU in Schleswig-Holstein gemacht. Siestellen damit der Politik ein Armutszeugnis aus; denn diefinanzielle Handlungsfähigkeit des Gemeinwesens fürdie Zukunft zu sichern, ist eine Aufgabe der Politik undnicht eine Aufgabe der Justiz.Wir haben im Bundestag viele Vorschläge zum Sub-ventionsabbau gemacht – ich will nur an das Steuerver-günstigungsabbaugesetz erinnern – und in den letztenzwei Jahren diskutiert.
Sie hätten nicht nur dem Bund beachtliche Mehreinnah-men gebracht, sondern auch – das ist nicht zu verges-sen – den Ländern und Kommunen.
Frau Kollegin, bitte denken Sie an Ihre Redezeit.
Frau Kollegin, Sie müssen jetzt zum Schluss kom-
men.
Ich komme jetzt zum Schluss.
In Wahrheit sitzen wir alle, alle Parteien und vor allen
Dingen Bund, Länder und Kommunen, im gleichen
Boot.
Frau Kollegin, ich drehe Ihnen ungern das Mikrofon
ab, aber Sie haben schon vor einer Minute gesagt, dass
Sie zum Schluss kommen.
Es wäre gut, wenn wir in eine Richtung rudern wür-
den. Auf dem Wasser weisen uns die rot-grünen Tonnen
Ich komme zum Schluss.
Aber ich möchte diesen Gedanken noch zu Ende führen.
6,7 Milliarden Euro hätte dieses Gesetz alleine den
Kommunen gebracht. Das magere Ergebnis im Vermitt-
lungsausschuss hat ihnen gerade 9 Prozent, nämlich
600 Millionen Euro, bis 2006 beschert. Sie tragen also
die Hauptverantwortung für die katastrophale Finanzsi-
tuation der öffentlichen Hand.
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Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estags auf morgen, Donnerstag, den 17. Februar 2005,
Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.