Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! DieSitzung ist eröffnet.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 21 a und 21 b so-wie die Zusatzpunkte 6 und 7 auf:21 a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionender SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-NEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zurSicherung und Förderung des Fachkräftenach-wuchses und der Berufsausbildungschancen der
– Drucksache 15/2820 –
aa) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-schusses für Bildung, Forschung und Tech-nikfolgenabschätzung
– Drucksache 15/3064 –Berichterstattung:Abgeordnete Willi BraseWerner LensingZRedetGrietje BettinCornelia Pieper
gemäß § 96 der Geschäftsordnung– Drucksache 15/3065 –Berichterstattung:Abgeordnete Klaus-Peter WillschDr. Günter RexrodtCarsten SchneiderAlexander Bondeb) Beratung der Beschlussempfehlung unrichts des Ausschusses für Bildung,
Corneliader AbDückert,und derGRÜNE
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9896 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004
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Präsident Wolfgang ThierseAusbildungschancen für alle jungen Frauenund Männer sichern – durch einen konzertier-ten Ausbildungspakt– Drucksache 15/3055 –Zu dem Entwurf eines Berufsausbildungssicherungs-gesetzes, über den wir später namentlich abstimmenwerden, liegen ein Änderungsantrag der AbgeordnetenDr. Gesine Lötzsch und Petra Pau sowie ein Entschlie-ßungsantrag der Fraktionen der SPD und des Bündnis-ses 90/Die Grünen und ein Entschließungsantrag derFraktion der CDU/CSU vor.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile dem KollegenWilli Brase, SPD-Fraktion, das Wort.
Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, liebeKolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen undHerren! Nach einer Repräsentativbefragung des Institutsfür Schulentwicklungsforschung der Universität Dort-mund, an der 3 300 Erwachsene teilgenommen haben,haben 57 Prozent der Bundesbürger angesichts der Lehr-stellenproblematik das Vorhaben der Koalitionsfraktio-nen, eine Ausbildungsplatzumlage zu erheben, begrüßt.Nur 20 Prozent waren dagegen.
Eine gleichzeitig von den Schulforschern vorgenom-mene Elternbefragung ergab, dass 42 Prozent der Väterund Mütter in Sorge sind, ihr Kind werde nach Ab-schluss der Schule keinen angemessenen Ausbildungs-platz finden. Vor zehn Jahren waren bei einer vergleich-baren Umfrage desselben Instituts lediglich 32 Prozentder Eltern dieser Auffassung.Darüber, dass Handlungsbedarf besteht, müssen wirin diesem Haus hoffentlich nicht streiten.
Die Dramatik der Situation sei kurz am Rückgang dereingetragenen Ausbildungsverhältnisse dargestellt. ImJahr 2003 war im öffentlichen Dienst ein Minus von7,1 Prozent, in den freien Berufen ein Minus von7 Prozent und im Handwerk eines von 2,3 Prozent zuverzeichnen. Ich denke, diese Zahlen sprechen eine klareSprache. Sie werden zudem von Jahr zu Jahr schlechter.Dies wird auch im Berufsbildungsbericht der Bundes-regierung deutlich zum Ausdruck gebracht.Allen Kritikern entgegnen wir: Es geht nicht an, dasssich niemand von ihnen dazu äußert, wie das Problemauf andere Weise zu lösen ist. Die Bedenkenträgerei fei-ert Urständ in nie gekanntem Ausmaß und – machen SiesnfAADV2wnWgdBOlWkdAHwmVJsMlkgsvaurnmhddg
Daher ist ein Berufsausbildungssicherungsgesetz er-orderlich. Dieses Gesetz hat zum Ziel, dass auch imusbildungsjahr 2004/2005 alle jungen Menschen eineusbildungschance erhalten.
abei haben freiwillige untergesetzliche Regelungenorrang. Wir schlagen deshalb einen Ausbildungspakt004 vor und sind der Auffassung, dass ein solcher frei-illiger Ausbildungspakt Sinn macht und dann gegebe-enfalls die Umlage ersetzen kann.Lassen Sie mich dazu aber einige Punkte anmerken.ir müssen die Diskussion in der Öffentlichkeit verfol-en. Aus dem Berufsbildungsbericht 2004 geht hervor,ass nach wie vor 26,7 Prozent der ausbildungsfähigenetriebe im Westen Deutschlands und 25,7 Prozent imsten nicht ausbilden. Allein diese Tatsache macht deut-ich, dass wir alle Anstrengungen unternehmen müssen.enn wir die ausbildungsfähigen Betriebe veranlassenönnten, Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen,ann hätten wir sehr viel für die jungen Leute getan.
Sie haben sicherlich mitbekommen, dass wir einenusbildungspakt 2004 vorschlagen, den wir auch iminblick auf das Gesetz berücksichtigen werden. Wirollen aber eine verbindliche Vereinbarung und ichöchte zwei Gründe nennen, warum sich eine solcheereinbarung positiv von allen Bemühungen der letztenahre abheben könnte. Erstens. Wir wollen mit einemolchen Ausbildungspakt erreichen, dass alle jungenenschen in berufliche Ausbildung kommen. Wir wol-en nicht, dass nach den Kriterien „Ausbildungsfähig-eit“ und „Ausbildungswilligkeit“ aussortiert wird. Eseht darum, wie gesagt, allen jungen Menschen eine Per-pektive zu geben.
Zweitens. Wir können uns beispielsweise Folgendesorstellen: Wenn Herr Braun, der Präsident des DIHK,nbietet, 50 000 neue Ausbildungsplätze zu schaffen,nd wenn das auf die Ebene der örtlichen Kammern he-untergebrochen und dort finanziert wird, dann ist dasach unserer Auffassung eine verbindliche Zusage, alsoehr als eine Willenserklärung. Wenn wir in den Ver-andlungen über den Ausbildungspakt dafür sorgen,ass die dafür notwendigen Kriterien festgelegt werden,ann haben wir etwas Gutes für die jungen Menscheneschaffen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004 9897
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Willi BraseTarifliche Vereinbarungen werden von uns aus-drücklich begrüßt. Wir haben das im Gesetz berücksich-tigt und werden das auch in den notwendigen Gesprä-chen über den Ausbildungspakt 2004 auf den Wegbringen. Das Kampfgeschrei mancher Unternehmens-vertreter ist doch nicht sachdienlich. Entscheidend istvielmehr, dass den jungen Menschen Ausbildungsplätzein ausreichender Zahl zur Verfügung gestellt werden.
In den letzten Wochen ist viel über unsere Ansätzediskutiert worden. Es lohnt sich nicht, auf alle gängigenGegenargumente einzugehen. Das dümmste Argumentist das von der angeblich weiteren Verstaatlichung derBerufsausbildung durch die Abgabe.
Kollege Brase, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Thiele?
Nein.
Ich halte diese Argumentation für falsch und verlo-gen. Wir sind der Meinung, dass durch die Abgabe mehrbetriebliche Ausbildungsplätze geschaffen werden. Dasbedeutet weniger Staat. Und das ist auch gut so in die-sem Lande.
Ein weiteres Argument, das vor allem von der Wirt-schaft immer wieder angeführt wird, ist die fehlendeAusbildungsreife der jungen Leute. Es besteht keinZweifel daran, dass dies ein sehr ernsthaftes Problem ist,das – möglicherweise – noch größer zu werden droht. Essteht ebenso außer Frage, dass die Abgabe allein keineLösung hierfür ist. In diesem Punkt will ich den Kriti-kern durchaus Recht geben. Nur leider sitzen Sie einemIrrtum auf: Keiner von uns hat jemals das Gegenteil be-hauptet. Ich glaube vielmehr, dass andersherum einSchuh daraus wird. Die Ausbildungslücke wächst Jahrfür Jahr, und zwar in erster Linie deshalb, weil die Un-ternehmen aus kurzfristigen Kostengründen handeln. Al-les andere ist Augenwischerei oder bewusste Täuschungdes Publikums. Wie sonst sind die immer zahlreicherwerdenden Meldungen zu erklären, dass Jugendliche mitmittlerer Reife oder sogar Hochschulreife keinen Aus-bildungsplatz finden? Wir brauchen ein Berufsaus-bildungssicherungsgesetz aus folgendem Grund: Wirmüssen die Dominanz des kurzfristigen Denkens zu-rückdrängen; denn es geht auch darum, eine Erosion derFacharbeitermärkte zu verhindern. Schließlich werdenwir in wenigen Jahren wesentlich mehr qualifizierte undgut ausgebildete junge Leute für unsere Wirtschaft inDeutschland brauchen.
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ie sollen die Jugendlichen in der Schule Biss zeigen,enn sie mitbekommen, wie es auf dem Arbeits- undusbildungsmarkt aussieht? Die Wirtschaft trägt Mit-erantwortung für die Zukunftsperspektiven der Jugend-chen und damit auch für deren fehlende Motivation.ir wollen Anschluss statt Ausschluss; wir wollen allengen Leute mitnehmen.
Mangelnde Ausbildungsreife muss daher bedeuten:assive Verstärkung der Angebote der Arbeitgeber imereich der Berufsausbildungsvorbereitung. Hier muss,erade mit Blick auf den angebotenen Ausbildungspakt,twas Konkretes mit Substanz auf den Tisch kommen.ine Quantifizierung in diesem Bereich wäre ein weite-es verbindliches Merkmal für den zukünftigen Ausbil-ungspakt. Dadurch würde gerade den schwächeren, be-achteiligten Jugendlichen wieder eine Perspektiveegeben.Wenn die Lücke nicht geschlossen wird, dann hat dieundesregierung gesetzeskonform zu prüfen, die An-endung und Erhebung der Abgabe in Kraft zu setzenowie die Schaffung und Förderung zusätzlicher betrieb-cher Ausbildungsplätze und den Leistungsausgleichuf den Weg zu bringen.Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf und den Ent-chließungsanträgen zum Angebot eines Ausbildungs-aktes 2004 und der Einrichtung einer Stiftung „Beruf-che Bildung und lebensbegleitendes Lernen“ehmen wir die Verantwortung für unsere jungen Men-chen sehr ernst und sorgen dafür, dass die Umsetzunges Beschlusses des Europäischen Rates von Lissabon,ie Zahl der Jugendlichen ohne Ausbildung bis 2011 umie Hälfte zu verringern, endlich eine realistische Per-pektive bekommt.
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9898 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004
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Willi BraseDie Subsidiarität unserer Vorgehensweise – der Pakt,der die Anwendung des Gesetzes überflüssig machenkann – ist richtig. Sie ist eine moderne Antwort auf ver-änderte Verhältnisse. Wir geben den Unternehmen damitdie Gewissheit, auch in Zukunft über qualifiziertenFachkräftenachwuchs zu verfügen. Den jungen Men-schen geben wir mit diesem Gesetz zusammen mit deranstehenden BBiG-Novellierung die Sicherheit und dieZuversicht, die bestmögliche Qualifikation für ihr zu-künftiges Arbeitsleben und für ihre soziale Sicherung zubekommen. Deshalb bitte ich um Zustimmung.
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen
Guido Westerwelle, FDP-Fraktion, das Wort.
Herr Kollege Brase, Sie haben in Ihrer Rede zu Recht
darauf hingewiesen, wie ernst und wichtig das Thema
ist, das wir jetzt zu beraten haben. Vor diesem Hinter-
grund stelle ich für die Freien Demokraten fest, dass wir
es als einen Skandal empfinden, dass auf der Regie-
rungsbank nur eine einzige Bundesministerin vertreten
ist. So geht die Regierung mit dem Deutschen Bundestag
um!
Wir wissen, dass sich die deutsche Öffentlichkeit da-
für interessiert, wie die Politik, wie die Regierung Ju-
gendarbeitslosigkeit bekämpfen will. Wir streiten da-
rüber, ob Ihr Weg, eine mit Bürokratie verbundene
Abgabe einzuführen, richtig ist. Wir werden diesen Ge-
setzentwurf selbstverständlich ablehnen. Sie werden
durch diese Maßnahme in Wahrheit nur mehr Mittel-
ständler in die Pleite treiben und keinen einzigen neuen
Ausbildungsplatz schaffen.
Zu einem politischen Diskurs gehört ein Minimum an
Umgang miteinander und ein Minimum an Respekt ge-
genüber dem Deutschen Bundestag. Die Tatsache, dass
die Regierung hier nicht vertreten ist, – –
– Sie, die Parlamentarischen Staatssekretäre, sind – um
das einmal klar zu sagen – die Auszubildenden der Bun-
desregierung. Entschuldigen Sie bitte, wenn ich das an
dieser Stelle sagen muss.
Wenn Sie von der Regierungsbank aus Zwischenrufe
machen, dann kriegen Sie auch was zurück.
Die Tatsache, dass die Regierungsbank leer ist, ist
nicht nur eine Respektlosigkeit gegenüber dem Deut-
schen Bundestag, sondern auch gegenüber den Men-
schen in Deutschland, die Arbeit und Ausbildung su-
chen.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle
est, dass die zuständige Bundesministerin dort sitzt und
leich zu uns sprechen wird. Wir freuen uns darauf; denn
ie wird die richtigen Worte sagen.
Ich stelle weiterhin fest, dass nach unserer Auffas-
ung die Bundesregierung ausreichend vertreten ist.
ch weise es entschieden zurück, wenn Parlamentarische
taatssekretäre als Auszubildende der Bundesregierung
ezeichnet werden; das ist kein fairer Umgang miteinan-
er, Herr Kollege Westerwelle.
Uns geht es darum, dass wir mit einem Bündel von
aßnahmen, wie ich sie zum Teil dargestellt habe und
ie wir sie in der Debatte noch verdeutlichen werden,
ndlich dazu kommen, dass sich Unternehmen in dieser
epublik ihrer Verantwortung stellen. Man kann nicht
mer nur von Sozialhilfeempfängern und Arbeitslosen-
eldempfängern Verantwortung verlangen und ihnen
erpflichtungen auferlegen, aber bei den Unternehmen
uf reine Freiwilligkeit setzen.
ie Jugendlichen sind dann die Dummen, die in die
öhre gucken. Das machen wir nicht mit!
Ich erteile Kollegin Maria Böhmer, CDU/CSU-Frak-
ion, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Esst in der Tat unerhört, dass die Bänke der Regierung inieser Art und Weise leer bleiben.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004 9899
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Dr. Maria Böhmer
Parlamentarische Staatssekretäre sind in dieser heutigenDebatte kein Ersatz für die zuständigen Minister.
Die CDU/CSU-Fraktion erwartet – das sage ich in al-ler Deutlichkeit –, dass der Wirtschaftsminister unmit-telbar im Parlament erscheint und an dieser Ausspracheteilnimmt;
denn er ist für das Chaos, das wir in diesem Land haben,mit verantwortlich und er muss hier Farbe bekennen,was seine Haltung zur Ausbildungsplatzabgabe angeht.Noch gestern hat er in der Öffentlichkeit deutlich ge-macht, dass er gegen diese Abgabe ist, dass er nichts da-von hält. Ich werte das als einen stillen Protest. Wir er-warten, dass er hier erscheint.
Was Sie uns heute bieten, ist absurdes Theater;
denn Sie wollen ein Gesetz beschließen, von dem Sieselbst sagen, dass es nicht in Kraft treten soll. Das hatdieser Bundestag noch nie erlebt und das ist ein Verfah-ren, das letztlich auf dem Rücken der jungen Leute, derUnternehmen und der Zukunft unseres Landes ausgetra-gen wird.
Sie haben kurzfristig einen Antrag eingebracht undbieten an, einen freiwilligen Ausbildungspakt mit derWirtschaft einzugehen. Aber die behauptete Vorrangig-keit eines solchen Paktes gibt es nicht. Wer genau hin-schaut, erkennt, dass Sie keinen Millimeter nachgebenwerden; denn die Bundesregierung wird letztlich ent-scheiden, ob die Wirtschaft die Anforderungen an diesenAusbildungspakt erfüllt oder nicht. Das ist nicht Freiwil-ligkeit, das ist Zwang.
Deshalb haben die Spitzenverbände der deutschenWirtschaft dieses Angebot mit Recht klar abgelehnt.Was Sie hier tun, ist im Grunde genommen das Ent-scheiden einer Machtfrage, nichts anderes.
Sie können es in den Kommentaren heute wie auch indenen der letzten Tage nachlesen. Es ist ein Vorhaben,das dazu dient, dass Ihr neuer Parteivorsitzender das Ge-sicht nicht verliert.
So ist es in der „Welt“ nachzulesenuWMzsddszwZSwldSulaIibswzDsLdLDg
Sie haben gesagt, es komme nichts dabei heraus. Imetzten Jahr sind 500 000 neue Ausbildungsverträgebgeschlossen worden.
ch finde, das verdient Anerkennung. Deshalb möchtech mich bei all denjenigen herzlich bedanken, die sichemüht haben und von Betrieb zu Betrieb gegangenind, sowie bei den Handwerksmeistern, die in einerirtschaftlich schwierigen Lage noch Ausbildungsplätzeur Verfügung gestellt haben. Ihnen allen gilt unserank für ihr Eintreten für eine bessere Ausbildungsper-pektive der Jugendlichen.
Unser Ziel ist es – darin müssen wir alle in diesemand übereinstimmen –, dass all den jungen Menschen,ie ausbildungswillig und ausbildungsfähig sind, eineehrstelle zugesichert wird.
urch die Ausbildungsplatzabgabe wird es keinen einzi-en zusätzlichen Ausbildungsplatz geben.
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9900 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004
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Dr. Maria Böhmer
Das ist nicht nur die Auffassung der CDU/CSU-Frak-tion, der FDP und der Wirtschaft. Diese Aussage hatHarald Schartau, SPD-Vorsitzender in Nordrhein-West-falen, gemacht. Peer Steinbrück, der Ministerpräsidentvon Nordrhein-Westfalen, spricht von Gift für denStandort Deutschland. Dazu wird es durch das Gesetzkommen, das Sie uns heute vorlegen. Das ist die Wahr-heit.
Bei genauerer Untersuchung des Gesetzentwurfes zurAusbildungsplatzabgabe stoßen wir auf absurde Rege-lungen. Die Ausbildungsquote von 7 Prozent, die Siebundesweit zugrunde legen, ist völlig willkürlich festge-legt. Das Gesetz droht damit auch verfassungsrechtlichzu scheitern. Schließlich betragen die Verwaltungskosten160 Millionen Euro.
Frau Ministerin Bulmahn, Sie haben gestern Ihr großesProjekt im Bereich der Nanotechnologie verteidigt.Diese wird aber mit weniger als 160 Millionen gefördert.Das heißt, die Relationen stimmen hier einfach nichtmehr.
Mit Ihrem Gesetz stoßen Sie eine Entwicklung an, diedazu führen wird, dass die duale Ausbildung ausgehöhltwird. Sie wird deshalb ausgehöhlt werden, weil vieleUnternehmen angesichts einer drohenden Ausbildungs-platzabgabe von 500 Euro abwägen werden, ob sie fürteures Geld tatsächlich ausbilden oder sich freikaufen.Im Ausland hat man nach Einführung einer solchen Ab-gabe die Erfahrung gemacht, dass viele Unternehmendiesen Weg beschreiten. Das heißt, das duale Systemwird geschwächt und wir kommen zu einer Verstaatli-chung der beruflichen Ausbildung.
Damit bahnen Sie einen Weg, der für die jungen Men-schen und für die Wirtschaft fatal ist. Das ist schädlichfür unser Land.
Der eigentliche Fehler liegt darin, dass Sie den Haupt-grund für die anhaltenden Probleme auf dem Ausbil-dungsmarkt nicht sehen wollen: Es ist die Wachstums-schwäche in Deutschland. Diese Situation schlägt vollauf den Ausbildungsmarkt durch. Es ist angesichts des-sen kein Wunder, dass immer weniger Ausbildungs-plätze von den Unternehmen bereitgestellt werden kön-nen. Das möchte ich betonen. Die Unternehmen kannhier kein Vorwurf treffen.
Wer nämlich wirtschaftlich vor dem Aus steht, kannnicht noch zusätzliche Ausbildungsplätze schaffen.GkssdIojunihbdP2SdanagFPsßdulisz
ehen Sie einmal durch die Innenstädte und in die Ein-aufszentren. Sie werden sehen: Einzelhandelsgeschäftechließen, alteingesessene Familienbetriebe müssenchließen. Das heißt, Ausbildungsplätze fallen weg undie Chancen für junge Leute verringern sich. Ursache isthre chaotische Wirtschaftspolitik.
Wir sind in der Tat mit einer dramatischen Situationhnegleichen konfrontiert: Mehr als eine halbe Millionnger Menschen, darunter fast 200 000 allein in deneuen Bundesländern, suchen einen Job. Der Hälfte vonnen fehlt jegliches Ausbildungszertifikat.
Wir müssen einmal fragen, worin die Gründe dafürestehen. Die Defizite liegen in der vorberuflichen Bil-ung, in der Schule und im Elternhaus. Wir wissen seitISA um die mangelhaften Deutschkenntnisse; so haben00 000 Schüler jedes Jahrgangs schwere Lese- undchreibprobleme. Außerdem verlassen 100 000 Schülerie Schule ohne Abschluss. 85 000 von ihnen kommenus der Hauptschule. Die Bugwelle der Klasse der Hoff-ungslosen wächst von Jahr zu Jahr. Ihre Ausbildungs-bgabe wird nichts daran ändern; denn damit lassen Sieerade die lernschwachen jungen Leute, die dringend derörderung bedürfen, im Stich.
Heinz-Peter Meidinger, der Bundesvorsitzende deshilologenverbandes,
pricht von der Ausbildungsplatzabgabe als einem „gro-en Ablenkungsmanöver der Politik“. Denndie eigentliche Frage, die Förderung von schwa-chen Schülern,
die nicht in der Lage sind, eine Ausbildung zu ma-chen, wird völlig außer Acht gelassen.Ich sage Ihnen: Hier muss endlich umgesteuert wer-en,
nd zwar besser, als Sie es tun. Wir müssen die Jugend-chen während der Schulzeit fördern,
tatt nach der Schulzeit mit teuren Reparaturmaßnahmenu versuchen, sie in eine Ausbildung zu bringen. Es
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004 9901
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Dr. Maria Böhmermuss am Anfang investiert, statt am Ende mit Milliar-denbeträgen repariert werden.
Not tut die möglichst frühe Verzahnung von Schuleund Berufspraxis.
Wir brauchen längere Praxismodule schon in der Schul-zeit; das ist der richtige Weg. Diese müssen später beider Berufsausbildung anerkannt werden.Dringend notwendig ist – dazu haben wir Ihnen einenkonkreten Vorschlag gemacht – die Reform des Berufs-bildungsrechts. Dieses schleift seit langer Zeit, FrauBulmahn. Sie haben uns zuerst mit Worten und dann mitEckpunkten abgespeist. Heute sollen wir im Bundestagauch noch begrüßen, dass Ihr Berufsbildungsgesetz erstnächstes Jahr novelliert wird. Die Zeit rennt uns davon;so kann man eine Aufgabe nicht schleifen lassen undvernachlässigen.
Stimmen Sie unserem Entwurf einer Novelle des Be-rufsbildungsgesetzes, wenn dieser zur Abstimmung an-steht, zu!Zum Schluss habe ich noch eine dringliche Bitte. Ichhoffe, dass Sie zuhören und nicht nur schreien. Ich habehier einen der vielen Briefe, die ich aus dem ganzenLand erhalten habe; ich schätze, viele von uns haben sol-che Briefe bekommen. Er kommt von einem mittelstän-dischen Unternehmer vom Bodensee.
Dieser Unternehmer schreibt:Wir appellieren im Interesse der Jugendlichen anjene vernünftigen Politiker und Meinungsbildner,die ein solch unsinniges Gesetz ablehnen, sich ve-hement für die Ablehnung einzusetzen.Wir tun das. Folgen auch Sie diesem Appell!Danke.
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen
Jörg Tauss, SPD-Fraktion, das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Böhmer, es ist gut, wenn wir uns hier
demnächst auch mit der Reform der beruflichen Bildung
beschäftigen. Auch das ist ein Projekt, das Sie 16 Jahre
lang liegen gelassen haben.
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ür inakzeptabel halte ich die Tatsache, dass Sie die Tau-
enden von jungen Menschen, die berufsreif sind – wir
eden nicht von den anderen; um die kümmern wir uns
eiterhin, was auch die Aufgabe des Staates ist; Länder
nd Bund tun hier viel –, hier in dieser Form verhöhnen.
ie sind die Opfer der Entwicklung und nicht die Täter.
us diesem Grunde habe ich die herzliche Bitte, dass
iese Beschimpfung der Jugendlichen nicht fortgesetzt
ird.
Zweitens. Sie haben völlig Recht mit Ihrer Bemer-
ung, dass die SPD ihren Partei- und Fraktionsvorsitzen-
en selbstverständlich gerne stützt.
ber mit großer Freude sehen wir, dass auch die Christ-
ich-Demokratische Arbeitnehmerschaft unsere Posi-
on teilt. Ich zitiere einmal wörtlich aus den Beschlüssen
er Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft. Da
eißt es:
Betriebliche und überbetriebliche Ausbildung wird
auf der Grundlage eines kontinuierlichen Lasten-
ausgleichs zwischen den Betrieben finanziert. Die
öffentlichen Arbeitgeber sind den privaten Arbeit-
gebern gleichzustellen. Das soll im Berufsbildungs-
gesetz verankert werden.
Ich freue mich, dass offensichtlich auch die CDA gese-
en hat, dass der Partei- und Fraktionsvorsitzende der SPD
estützt werden soll. Herzlichen Dank an Ihre Kollegin-
en und Kollegen von der Christlich-Demokratischen Ar-
eitnehmerschaft, die die Probleme so sieht wie wir!
Kollegin Böhmer.
Herr Kollege Tauss, ich habe keine andere Interven-ion von Ihnen erwartet. An Ihren Äußerungen ist nichtsberraschendes; wir kennen das ja schon. Aber icheise ganz klar Ihren wiederholten Vorwurf zurück, wirürden Jugendliche verhöhnen. Uns geht es darum, dassie Qualifizierung der jungen Leute besser gelingt undass die Jugendlichen nicht durch eine Scheinlösung insbseits gestellt werden. Genau das tun Sie nämlich, in-em Sie die Probleme der lernschwachen Jugendlichentets tabuisieren. Ihre Politik des Unter-den-Teppich-ehrens hat zu dieser Misere geführt.
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9902 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004
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Dr. Maria Böhmer
Sie haben einen Beschluss der CDA zitiert. Dazumuss ich sagen: Sie haben zwar ein gut sortiertes Archiv– es ehrt Sie, dass Sie Informationen sammeln –, aberSie müssen auch wissen, was wo und wann gesagt wor-den ist. Herr Tauss, der von Ihnen zitierte Beschluss istjahrzehntealt
und bezieht sich auf völlig andere wirtschaftliche undrechtliche Gegebenheiten. Wir ziehen hier an einemStrang. Dass Sie im Jahr 2004 eine Äußerung aus demJahr 1977 zitieren, zeigt, dass Sie in die falsche Richtungdenken und nicht fähig sind, dieses Land zu regieren.
Ich erteile das Wort Kollegin Grietje Bettin, Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen! Wer sich nicht um die Jugend kümmert und wer dieJugendlichen allein lässt, der stellt sich selbst ins Ab-seits. Wo bleiben Ihre konkreten Änderungsvorschläge?Wieder haben Sie nur die Interessen der Wirtschaft imKopf. Die Interessen der jungen Menschen erwähnen Siehier mit keinem Wort.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposi-tion, sind für mehr verantwortlich als nur dafür, die Inte-ressen der Wirtschaft zu vertreten. Sie tragen in den vonIhnen regierten Ländern – das ist die Mehrzahl – die Ver-antwortung für die Qualität unseres Bildungssystems.Sie sind aber nicht bereit, beispielsweise über die Ab-schaffung der Eigenheimzulage zugunsten einer Verbes-serung der Bildung mit uns zu diskutieren.
Was wollen Sie dann? Die Jugend soll nach Ihren Vor-stellungen die Zeche für alles zahlen. Da machen wirnicht mit.
Eines kann ich aber mit Freude feststellen: Das Ge-setz wirkt schon, noch bevor wir es beschlossen haben.AzdsvgAreudDlMmdgaAdzflmwgBusenapshvlGIZBnrgdbst
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,ie Ausbildungsplatzumlage ist – ich wiederhole esern so lange, bis Sie es verstanden haben – keine Straf-bgabe. Sie schafft einen fairen und sozial gerechtenusgleich zwischen ausbildenden und nicht ausbilden-en Unternehmen. Kleinere Betriebe mit weniger alsehn Mitarbeitern sind von der Zahlung der Umlage be-reit. Zur Kasse gebeten werden logischerweise vor al-em die großen Ausbildungsverweigerer unter den Fir-en.In den vielfältigen Verhandlungen zum Gesetz habenir unter anderem erreicht, dass schulische Ausbildun-en mit hohem betrieblichen Anteil und akademischeerufsausbildungen im Gesetz gesondert berücksichtigtnd unter Umständen sogar gefördert werden. Auch füroziale Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Pflege-inrichtungen und für die finanziell häufig angeschlage-en Kommunen gelten entlastende Sonderregelungen.Wir begrüßen natürlich jede Initiative – das will ichusdrücklich betonen –, die betriebliche Ausbildungs-lätze schafft. Der vorgeschlagene Pakt vom DIHK-Prä-identen Braun ist dazu vielleicht geeignet. Deswegenaben wir in dem vorliegenden Antrag vorgesehen, dasserbindlich und schriftlich vereinbarte freiwillige Rege-ungen der Wirtschaft Vorrang vor der Anwendung desesetzes haben.
ch bin durchaus optimistisch, dass dies gelingen kann.Was ist aber, wenn im Herbst trotz allem wiederehntausende von Jugendlichen dastehen, die keineneruf erlernen können, weil es wieder einmal nicht ge-ug Ausbildungsplätze gibt? Sollen wir wieder appellie-en? Sollen wir noch mehr Programme auflegen? Ausenau diesem Grund haben wir ins Gesetz geschrieben,ass es nicht zur Anwendung kommt, solange genügendetriebliche Ausbildungsplätze vorhanden sind. Fehlenie, gibt es die Umlage.Auch der Vorschlag von Beck und Steinbrück gehteilweise in die richtige Richtung. Positiv finde ich etwa
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004 9903
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Grietje Bettindie regionale Ausrichtung der Vorschläge und die Ein-bindung der Handwerkskammern oder auch dieErhöhung des Praxisanteils bei vollzeitschulischen Aus-bildungen. Das Konzept ist aber bislang völlig unver-bindlich. Es setzt auf die Freiwilligkeit aller Akteure.Auf die setzen natürlich auch wir, deshalb das Auslöse-kriterium.Kritisch sehe ich die Ausweitung der außerbetriebli-chen statt der betrieblichen Ausbildung. Außerdem sollin diesem Konzept die öffentliche Finanzierung der Be-rufsausbildung ausgeweitet werden. Aber gerade diesenTrend zur Verstaatlichung der Berufsbildung müssen wirstoppen.
Deswegen halte ich diesen Vorschlag unterm Strich fürungeeignet.Wir wollen die Sicherung der dualen Berufsausbil-dung mit deren inhaltlicher und struktureller Reformkombinieren. Wir wollen ein Gesetz schaffen, das An-reize setzt, auszubilden, und das die Möglichkeit fürjunge Menschen verbessert, eine betriebliche Ausbil-dung zu erhalten. Die anstehende Reform des Berufsbil-dungsgesetzes, zwei Entschließungsanträge und das Um-lagegesetz werden einiges zur Sicherung der dualenAusbildung beitragen.
Unter anderem wollen wir die Anrechnung informellerworbener Kompetenzen verbessern und die Ausbil-dungsvorbereitung und die Berufsausbildung besser mit-einander verzahnen. Das erleichtert Jugendlichen mitAnlaufschwierigkeiten die berufliche Qualifikation.Neben dem Gesetz zur Umlage liegt ein Entschlie-ßungsantrag vor, in dem wir anregen, eine Stiftung „Be-triebliche Bildungschance“, StiBB, einzurichten. Mit ihrwollen wir Einzelpersonen, Unternehmen und Sozial-partnern Anreize geben, das Umlagevermögen zu ergän-zen. Wir wollen einen gesellschaftlichen Prozess anre-gen, der über das Bereitstellen privater Mittel weithinausgeht.Lassen Sie mich abschließend ganz klar sagen: DasGesetz, das wir heute verabschieden,
greift erst, wenn im Herbst wieder große Ausbildungslü-cken entstehen. Leider deuten im Moment – das mussman sehen – noch alle Zahlen darauf hin. Setzen Sie sichmit uns gemeinsam dafür ein, dass die Wirtschaft ihreZusagen endlich wahr macht und langfristig ausreichendAusbildungsplätze zur Verfügung stellt! Nicht zu verges-sen ist dabei: Hätte die Wirtschaft dies freiwillig frühergetan, hätten wir über eine Umlage gar nicht erst redenmüssen.Danke schön.FHwWwWSzdSdrmmcDBKMlKtllamnWtbsd
Ich erteile das Wort Kollegen Christoph Hartmann,
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Herr Kollege Brase, Sie haben von der Verant-ortung der Wirtschaft gesprochen.
o ist denn die Verantwortung der Bundesregierung,enn der Bundeswirtschaftsminister nicht hier ist?
o ist die Verantwortung der Ministerpräsidenten, wennteinbrück und Beck nicht hier sind? Die sind ja nichtufällig nicht hier. Die sind deswegen nicht hier, weil sieieses Gesetz ablehnen.
ie haben Recht: Diesem Ausbildungsplatzverhin-erungsgesetz, in dem Sie in 24 Paragraphen 23 Ände-ungen vorgenommen haben, kann man nicht zustim-en.Die Zeit der Alchemisten ist vorbei. Aus Eisen kannan eben mit noch so viel Hokuspokus kein Gold ma-hen.
ie Ausnahmen, die Sie vorgesehen haben – insolventeetriebe, notverwaltete Gemeinden, Krankenhäuser undirchen –, sind für die Betroffenen gut. Aber für denittelstand, der 500 Euro pro Ausbildungsplatz bezah-en muss, ist dieses Gesetz nicht gut. Für ihn ist dies eineatastrophe. Sie setzen Ihre wirtschaftspolitische Geis-erfahrt fort.
Unternehmen, die keine Bewerber finden, sollen zah-en. Firmen, die keine geeigneten Bewerber finden, sol-en zahlen. Hochschulen, die zum Beispiel Doktorandenusbilden, aber nicht dual, sollen zahlen. Sie bringenittelständische Unternehmen zusätzlich in Existenz-öte.
Gestern rief mich eine Zeitarbeitsfirma aus meinemahlkreis im Saarland an. Sie beschäftigt zehn Mitarbei-er in der Verwaltung und einen Auszubildenden. Dasedeutet eine Ausbildungsquote von 10 Prozent. Insge-amt sind es 600 Mitarbeiter, wovon 590 verliehen wer-en. Ihre Ausbildungsquote von 7 Prozent gilt aber für
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9904 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004
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Christoph Hartmann
alle. Das heißt, dieses Unternehmen müsste 41 weitereAuszubildende bei nur zehn Mann Stammbelegschafteinstellen.Aber wie sollen sie überhaupt ausgebildet werden?
Ich kann Ihnen sagen, was am Montag passieren wird,wenn dieses Gesetz verabschiedet wird. Die Alternativefür diese Zeitarbeitsfirma heißt nämlich: entweder250 000 Euro zahlen und damit in die Insolvenz gehenoder – das werden sie tun – die Arbeitsplätze nach Lu-xemburg verlagern.
Dieses Gesetz ist kein Ausbildungsplatzschaffer, diesesGesetz ist ein Arbeitsplatzvernichter.
Ich möchte die Kommunen als Beispiel anführen.Der Oberbürgermeister von München – in Klammern: Ergehört der Sozialdemokratischen Partei Deutschlandsan – schrieb an die FDP-Fraktion:Es kann doch nicht im Ernst wahr sein, dass die …Ausbildungsabgabe im konkreten Ergebnis zu einerBestrafung der Städte führt, beispielsweise derStadt München, die seit Beginn des letzten Jahrhun-derts weltweit beachtete Leistungen für die berufli-che Bildung erbringt.Herr Ude, es ist wahr; es sind Ihre Parteifreunde, die die-sen Irrsinn durchsetzen wollen.
Schauen wir doch ins benachbarte Ausland: In Frank-reich und Dänemark gibt es die Ausbildungsplatzabgabe.In Deutschland beträgt die Jugendarbeitslosigkeit10,3 Prozent, sie ist zugegeben zu hoch. In Dänemarkliegt sie bei 10,6 Prozent und in Frankreich bei20,1 Prozent, und zwar trotz Umlage. Die Ausbildungs-quote in Deutschland beträgt 6,4 Prozent, in Dänemarkbeträgt sie 3 Prozent und in Frankreich 1,2 Prozent, trotzUmlage.
Sie erzählen uns immer wieder, dass die Bauwirtschafteine freiwillige Umlage hat und dass das ein leuchtendesBeispiel ist.
Kollege Hartmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Montag?
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Kollege Montag, Sie haben das Wort.
Herr Kollege Hartmann, als Münchener Abgeordneter
rage ich Sie, ob Sie bereit sind, das Parlament darüber
n Kenntnis zu setzen, dass der Brief von Oberbürger-
eister Ude nicht nur an Sie geschickt wurde und dass er
ich darüber hinaus auf einen ersten Entwurf dieses Ge-
etzes bezogen hat.
öchten Sie das Parlament ferner darüber in Kenntnis
etzen, dass in dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf
ufgrund der Intervention von Oberbürgermeister Ude
nd vielen anderen Kommunalpolitikern all diese Pro-
leme bereinigt sind
nd die Anstrengungen der Kommunen zur Bekämpfung
er Jugendarbeitslosigkeit tatsächlich berücksichtigt
erden?
Herr Kollege, ich bedanke mich herzlich für diesewischenfrage, weil sie mir die Gelegenheit gibt, etwaslarzustellen.
ie Ausnahme, die Sie für die Kommunen machen, giltur für notverwaltete Kommunen. Für alle anderen giltiese Ausnahme nicht.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004 9905
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Christoph Hartmann
Das heißt, dieses Gesetz bestraft die Kommunen, die gutund wirtschaftlich arbeiten. Sie haben damit die Pro-bleme nicht beseitigt.
Sie differenzieren nicht nach Branchen, Sie differen-zieren auch nicht nach Größe der Unternehmen odernach Regionen. Dieses Gesetz ist Gleichmacherei, esgeht an der Wirklichkeit vorbei. Dass Planwirtschaftnicht funktioniert, hat man in der DDR gesehen. Das wasSie jetzt hier einführen, ist Planwirtschaft light.
– Herr Kollege, ich kenne die Probleme schon deswe-gen, weil ich selbst Inhaber einer kleinen Firma bin, dieausbildet.
– Ja, dafür muss man sich in diesem Haus wirklich mitt-lerweile entschuldigen.
90 000 Schülerinnen und Schüler verlassen unsereSchulen ohne Abschluss. 25 Prozent – das wissen wirseit PISA – haben große Probleme beim Lesen und beimRechnen. 15 Prozent schaffen die Ausbildung nicht. Wirbrauchen flächendeckend theoriegeminderte, zweijäh-rige Ausbildungsberufe. Schwächere Jugendliche brau-chen eine Chance.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das zweiteProblem ist die Höhe der Auszubildendenvergütungen.
– Herr Tauss, dieser Meinung ist übrigens nicht nur dieFDP. Ich zitiere den Sprecher des Arbeitskreises Arbeitund Soziales der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung,Herrn Höpfner: „Die Kosten der Ausbildung sind zuhoch.“Tausende von Auszubildenden verdienen in außerbe-trieblichen Ausbildungen weniger als 200 Euro. Wirwollen, dass es betriebliche Ausbildungen gibt. Aber wirsind der festen Überzeugung, dass es besser ist, Men-schen für 350 Euro auszubilden, als sie für 750 Euronicht auszubilden.
Die weiteren Hindernisse müssen weg: Die Ausbil-ungszeiten müssen entschlossen differenziert und flexi-ilisiert werden. Die immer noch reichlich vorhandenenürokratischen Hemmnisse müssen abgebaut werden.ie Präsenz der Auszubildenden im Betrieb muss gestei-ert werden.Dieses Ausbildungsplatzverhinderungsgesetz ist deralsche Weg. Es ist bürokratisch. Es ist planwirtschaft-ich. Es belastet die Wirtschaft. Es ist unsozial, weil esrbeitsplätze verhindert. Es stellt dem Kabinett eine ein-alige Möglichkeit zur Verfügung, nämlich per Knopf-ruck zu entscheiden, ob diese Ausbildungsplatzabgabeommt. Damit öffnet es der Willkür Tür und Tor.Die Wirtschaft braucht aber Vertrauen, damit Arbeits-lätze entstehen.
ie bezeichnen Unternehmer, die Deutschland verlassen,ls „vaterlandslose Gesellen“. Dieses Gesetz wird dazuühren, dass es weitere „vaterlandslose Gesellen“ nachhrer Definition gibt –
icht weil die Betriebe dieses Land verlassen wollten,ondern weil diese Betriebe dieses Land verlassen müs-en.
Ich erteile das Wort
undesministerin Edelgard Bulmahn.
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildungnd Forschung:Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrtenerren und Damen! In wenigen Monaten beginnt daseue Ausbildungsjahr. Für viele – zu viele – jugendlichechulabgängerinnen und Schulabgänger gibt es bishereinen Ausbildungsplatz.Wir wissen aber auch, dass der Wirtschaft in denommenden Jahren aufgrund der demographischen Ent-icklung immer mehr Fachkräfte fehlen werden. Dereutliche Rückgang der Jahrgänge von jungen Men-chen, die in den Beruf gehen, ab dem Jahre 2009 führt
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9906 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004
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Bundesministerin Edelgard Bulmahnnach Einschätzung aller Experten zu einem Fachkräfte-mangel von rund 3,5 Millionen Menschen allein in derAltersgruppe zwischen 30 und 45. Das ist gerade die Al-tersgruppe, von der die Innovationskraft der Wirtschaftabhängt.Meine sehr geehrten Damen und Herren auch von derOpposition, die wirtschaftliche Zukunft unseres Landeshängt davon ab, ob wir auch 2010 und 2015 noch ausrei-chend qualifizierte Fachkräfte haben.
Wir werden im globalen Wettbewerb doch nicht mit un-qualifizierten Menschen bestehen können.
Deshalb sage ich Ihnen ganz ausdrücklich: Sie vertretennicht die Interessen der Wirtschaft,
wenn Sie diese Entwicklung ignorieren und so tun, alsgäbe es kein Problem und als könne man einfach so wei-termachen. Das geht nicht.Nichts ist schlimmer für einen Jugendlichen, als ohnequalifizierte Ausbildung in das Leben starten zu müssen,auf das Abstellgleis geschoben und nicht gebraucht zuwerden. Das ist für junge Menschen eine sehr harte Er-fahrung.
Dieses Problem wird in den kommenden Jahren nichtgeringer, sondern es wird ein noch brennenderes Pro-blem werden,
weil die Zahl der Jugendlichen noch bis zum Jahre 2010steigt.
Ein weiteres Problem. Nur rund die Hälfte der Be-triebe mit mehr als zehn Beschäftigten bildet überhauptnoch aus.
Wenn sich in einem dualen Berufsbildungssystem zuviele Unternehmen und Betriebe der Verantwortung fürihre eigene Zukunft entziehen, indem sie nicht genugqualifizierte Fachkräfte ausbilden,
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Dazu habe ich von den Rednerinnen und Rednern derpposition kein einziges Wort gehört, auch nicht von Ih-en, Frau Böhmer. Sie haben keinen einzigen konkretenorschlag gemacht, wo die Jugendlichen ausgebildeterden sollen.
ie sollen zwar weder zusätzlich in den Betrieben nochn den Verwaltungen ausgebildet werden. Aber wo sol-en sie denn ausgebildet werden? Fachkräfte fallen nichtom Himmel; sie müssen ausgebildet werden. Daherrauchen wir Betriebe, die ausbilden!
Inzwischen, meine sehr geehrten Herren und Damen,erden öffentliche Mittel in Höhe von 10 Milliardenuro in die berufliche Ausbildung investiert.
enau das ist die schleichende Verstaatlichung der be-uflichen Ausbildung, die Sie hier immer beschwören.ir wollen sie nicht. Ich halte eine Verstaatlichung fürine falsche Entwicklung.
m Gegenteil, wir müssen wieder mehr Betriebe für dieerufliche Ausbildung gewinnen. Darum geht es.
en Vorzug der Ausbildung in Betrieben und Schulen,en die Regierungsfraktionen und ich nicht preisgebenollen, können wir nicht einfach durch eine staatlicheusbildung ersetzen.
eshalb macht mir die Entwicklung der letzten Jahre soroße Sorge.In den letzten Jahren hat sich die Situation kontinuier-ich verschlechtert. Im Jahre 2003 ist die Anzahl derusbildungsplätze wiederum zurückgegangen. Inzwi-chen sind in den alten Ländern rund 50 000 Ausbil-ungsplätze, in den neuen Bundesländern rund6 000 weggefallen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004 9907
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Bundesministerin Edelgard Bulmahn
Damit befinden wir uns wieder auf dem Tiefstand derJahre 1997 und 1998, den Jahren, in denen noch CDU/CSU und FDP dieses Land regiert haben. Das ist alsoeine Entwicklung, die nicht erst in den letzten drei, vierJahren stattgefunden hat. Wenn Sie das sagen, haben Siesich nicht die entsprechenden Zahlen angesehen.
Seit Anfang der 90er-Jahre gibt es diese Entwicklung.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich erwarte schon,dass man sich wirklich ernsthaft mit dieser Entwicklungauseinander setzt. Darum bitte ich Sie.
Angesichts dieser Entwicklung einfach den Kopf inden Sand zu stecken – ich sage ganz offen, dass die Op-position hier diesen Eindruck erweckt –, das ist wirklichdie schlechteste aller Lösungen.
Vielmehr brauchen wir konkrete Vorschläge. Ich habeimmer gesagt – das gilt auch für meine Kolleginnen undKollegen –: Wenn es gute, konkrete Vorschläge gibt,dann bin ich offen, sie aufzugreifen. Denn es geht unsum das Ziel: Wir wollen mehr betriebliche Ausbildungs-plätze schaffen. Wir wollen, dass alle Jugendlichen aus-gebildet werden. Darum geht es doch.
In den vergangenen Jahren haben wir zahlreiche Ini-tiativen gestartet, um die Wirtschaft bei ihren Ausbil-dungsanstrengungen zu unterstützen. Allein seit 1999haben wir – wenn ich auch dieses Jahr berücksich-tige – 160 Berufe modernisiert bzw. neu geschaffen, imÜbrigen auch Berufe mit zweijähriger Ausbildung.
Hier besteht überhaupt kein Grundsatzstreit. Die Unter-nehmen müssen das aber auch nutzen.
– Herr Hartmann, schon vor zwei Jahren haben wir fürUnternehmen die Möglichkeit geschaffen, für Teilquali-fikationen auszubilden.Frau Böhmer, im Übrigen haben wir schon vor zweiJahren das Berufsbildungsgesetz zum ersten Mal novel-liert. Ich bedauere, dass Sie als zuständige stellvertre-tende Fraktionsvorsitzende das offensichtlich nicht ein-mal wissen; das ist – offen gesagt – nicht gerade einZeichen von Qualität.WesdwFeveuDdSgfdzPffAddnnpDdDrnspzssrZWjg
ir haben die Benachteiligtenförderung verändert undin besseres Konzept entwickelt, das wirklich greift. Ichage ganz klar: Wir müssen auch die schulische Ausbil-ung deutlich verbessern. Nur wundert es mich schon,arum die Opposition mich persönlich, aber auch meineraktion, massiv angreift, weil wir, die Bundesregierungs wagen, zu fordern, dass die schulische Ausbildungerbessert werden soll,
s wagen, die Länder beim Ganztagsschulprogramm zunterstützen. Sie haben sich dagegen gestellt.
abei ist es doch eine wichtige Voraussetzung dafür,ass es besser wird. Was ist denn das für eine Politik?ie haben ja Recht, dass die schulische Ausbildung nichtut genug ist. Nur, dann tun Sie gefälligst auch etwas da-ür, dass sie besser wird; unterstützen Sie uns dabei!
Ich finde es gut – das will ich ausdrücklich sagen –,ass die Fraktionen den Antrag eingebracht haben, derum Inhalt hat, über den Gesetzentwurf hinaus einenakt für Ausbildung zu schließen. Ich halte das deshalbür so gut, weil ich persönlich davon überzeugt bin, dassreiwillige Lösungen immer besser sind als Gesetze.uch das Gesetz über die Umlage nimmt deshalb genauiesen Grundgedanken auf und setzt auf Subsidiarität;as Subsidiaritätsprinzip gilt auch in diesem Gesetz: Zu-ächst wird darauf gesetzt, dass die Wirtschaft aus eige-er Kraft, freiwillig, ein ausreichendes Ausbildungs-latzangebot schafft.
as war von Anfang an der Kerngedanke und wird mitiesem Antrag noch einmal ausdrücklich unterstrichen:ie Wirtschaft ist und bleibt verantwortlich für die be-ufliche Ausbildung; das wird auch durch dieses Gesetzicht geändert. Der Ball liegt jetzt im Feld der Wirt-chaft: Stellt sie bis zum Herbst genügend Ausbildungs-lätze zur Verfügung, wird der Mechanismus des Geset-es nicht ausgelöst und keine Umlage erhoben. Ich hoffeehr, dass die Wirtschaft diesen Ball aufnimmt und dassie mit Engagement und auch mit großer Bereitschaft da-an mitwirkt, dass dieser Pakt ein Erfolg wird. Das ist dieielsetzung.
ir müssen es schaffen – da stehen wir gegenüber derüngeren Generation in der Verantwortung, aber genausoegenüber der Wirtschaft –, dass wir nicht bloß vage
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9908 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004
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Bundesministerin Edelgard BulmahnVersprechungen und gute Absichten äußern, sonderndass wir wirklich verbindlich das Ziel sicherstellen, allejungen Menschen in Ausbildung zu bringen, um damitauch die qualifizierten Fachkräfte zu gewinnen, die wirbrauchen.Die staatliche Seite – also auch der Bund, die Län-der – bleibt dabei selbstverständlich im Boot. Die Bun-desregierung wird die bestehenden Programme zur Aus-bildungsförderung weiterführen; wir werden sie nichtkürzen, auch nicht einschränken. Wir werden auch inden kommenden Jahren die Ausbildung von benachtei-ligten Jugendlichen – also denjenigen mit schlechtenSchulabschlüssen – finanziell unterstützen müssen. Daskönnen und werden wir nicht allein der Wirtschaft über-tragen; da muss auch die staatliche Seite kräftig mithel-fen, damit es auch weiterhin gelingt. Deshalb werden wirdas auch in Zukunft tun.Ich baue darauf, dass die Unternehmen ihrer Verant-wortung aus eigener Kraft mit gutem Willen gerechtwerden. Es kann und darf nicht dabei bleiben, dass nurungefähr die Hälfte aller Betriebe überhaupt ausbildet,Jugendliche auf der Straße stehen und die Wirtschaft da-mit ihren entscheidenden Wettbewerbsvorteil verspielt.
Mit dem Ausbildungspakt machen wir der Wirtschaftnoch einmal ein ganz konkretes Angebot. Wenn es nichtzur Erhebung der Umlage kommt, dann deshalb, weil inunserer Gesellschaft endlich wieder – freiwillig – all dieKraft für Ausbildung mobilisiert wird, die – ich glaube:immer noch – in ihr steckt. Es wäre die beste Lösung füralle Beteiligten.Ich bedanke mich.
Ich erteile das Wort Kollegen Werner Lensing, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen!Meine Kollegen! Der abstruse Kalauer „Wer nicht aus-bildet, wird umgelegt!“ wird heute durch den vorgeleg-ten Gesetzentwurf mit bitterem Ernst bestätigt.
Daran ändern auch die Ausführungen von Frau Bulmahnund die von Ihnen in Panik nachgeschobenen Anträgenichts. Das Nachschieben von Anträgen bestätigt nurIhre spürbare und täglich wachsende Unsicherheit.
Die Anträge zeugen von trauriger, ja sogar Mitleiderregender Konzeptionslosigkeit in Ihren Reihen.
SuDrdnVgekvdmhtrHemhZddAindiDssdmsarswnmn
Sie können es doch nicht leugnen, meine Damen underren von den Regierungsfraktionen: Ihre Abgabe stelltine gewaltige Fehlsteuerung planwirtschaftlichen Aus-aßes dar, ist inhaltlich Nonsens und wird fatale Folgenaben.
um einen wird die Schaffung kostengünstiger Ausbil-ungsplätze gefördert, kostenintensiver dagegen verhin-ert. So erhalten Jugendliche oftmals staatlich gelenkteusbildungen, mit denen später kein Job zu gewinnenst. Zum anderen werden diejenigen bestraft, die heuteoch Arbeitsplätze schaffen. Denn durch die Bemessunger Abgabe auf die versicherungspflichtig Beschäftigtenst sie in Wirklichkeit eine Arbeitsplatzsteuer.
Das ist eine Politik, die nicht den Jugendlichen dient.eswegen können wir diesem Gesetzentwurf nicht zu-timmen. Wir, Frau Bulmahn, stecken den Kopf ange-ichts der Realität nicht in den Sand, sondern Sie tunies.Ganz abgesehen davon – das ist aber nicht meine pri-äre Sorge – durchkreuzt die Bundesregierung mit die-em Gesetz ihre eigenen Ziele, nämlich die Bürokratiebzubauen, die Lohnnebenkosten zu senken und die Ta-ifautonomie zu stärken.
Ich wiederhole es: Ihr Entwurf ist falsch gedacht undchlecht gemacht. Sonst würden Sie heute nicht eineneiteren Antrag einbringen, der der Intention Ihres eige-en Gesetzentwurfs grundlegend widerspricht. Sie,eine Damen und Herren von den Regierungsfraktio-en, müssen sich schon entscheiden, was Sie eigentlich
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Werner Lensingwollen: Antrag oder Gesetz. Beides zusammen gehtnicht. Ein anderes Handeln würde an Schizophreniegrenzen, der Wahnsinn würde wieder einmal traurigeTriumphe feiern.Sie schieben einen Entschließungsantrag nach, um ei-nen Sinneswandel zu suggerieren. Gleich 23 Änderun-gen an ursprünglich 25 Paragraphen vorzunehmen zeugtnicht von Qualitätsarbeit, sondern von totaler Unsicher-heit.
Die Abgabe wird trotz eines eventuell geschlossenenPaktes mit der Wirtschaft ausgelöst, wenn – allein nachKabinettsmeinung – diese Vereinbarung „für die Zieler-reichung nicht geeignet ist“. Gemeint sind hier wohlallein die Ziele der Regierung. Das ist Politik nach Guts-herrenart.
Es ist sicherlich richtig, dass Praktikanten, Volontäreund Auszubildende an Berufsakademien jetzt zu denAuszubildenden gerechnet werden. Ich frage Sie aller-dings: Wieso werden nicht folgerichtig auch Firmen frei-gestellt, die nicht ausbilden können oder dürfen oder dienachweislich keine Auszubildenden finden? Sie sehen esdoch selbst: Der Gesetzentwurf ist und bleibt trotz allerErweiterung aberwitziger Unsinn. Deswegen können wirihm im Interesse der Jugendlichen nicht zustimmen.
Das Problem ist ganz offenkundig: Aufgrund Ihresmechanistischen und immer wieder ideologiefixiertenDenkens kommen Sie, weil Sie nicht mehr souveränsind, geradezu zwangsläufig zu Ihren Ergebnissen. ImGegensatz zu Ihrer Partei, in der es gewöhnlich zuBasta-Beschlüssen und Kanzlerzwang kommt, könnendie Kammern, die Betriebe und die Institutionen ihreMitglieder eben nicht mit Druck und Gewalt zwingen,Auszubildende einzustellen. Wie sollte das praktischauch funktionieren? Noch leben wir in einem freienStaat. Ausbildungsplätze auf Knopfdruck gibt es ebennicht – nicht einmal in Ihren Ministerien, im DGB und inseinen Unterorganisationen.Sie versuchen immer wieder – das ist der eigentlichearbeitsmarkt- und bildungspolitische Skandal –, Ihre Re-gierungsverantwortung auf den Mittelstand abzuwäl-zen. Dabei unterstellen Sie, die Wirtschaft wolle erst garnicht ausbilden. Die Realität aber sieht anders aus; daswissen Sie und verschweigen es. Aufgrund Ihrer Politikkann der Mittelstand die genügende Zahl leider nicht be-reitstellen. Deswegen wiederhole ich es noch einmal: IhrEntwurf dient nicht den Jugendlichen. Das ist ebenso be-dauerlich wie traurig.Lassen Sie mich vielleicht auch diesen Aspekte nochansprechen: Zugleich ist Ihr Gesetzesentwurf auch des-wegen abstrus, weil auch 1992, als ein Überhang voninsgesamt rund 114 000 Lehrstellen gegenüber den Be-werbern zu verzeichnen war und somit jeder Jugendlicheeigentlich eine Stelle hätte finden können und müssen,rthi–EUatsLadzpSlrf–rsgaLlBg
Herr Tauss, stürzen Sie sich ruhig in den Katarakt dermpörung.Die Union fordert eben keine staatlichen Eingriffe.
In diesem Sinne hat die CDU/CSU eine Reihe vonösungsvorschlägen eingebracht. Ich denke nur einmaln unsere Anträge für die Wirtschafts-, die Finanz- undie Arbeitsmarktpolitik, durch die wichtige Vorausset-ungen für die Bereitstellung geeigneter Ausbildungs-lätze geschaffen werden sollen.
chließlich wollen wir – unser entsprechender Entwurfiegt bereits vor; Frau Kollegin Böhmer hat bereits da-auf verwiesen – die Berufsausbildung modernisieren,lexibilisieren, dynamisieren und internationalisieren.
Sie haben es wohl nicht begriffen, obwohl Sie es be-eits gelesen haben.Mit unserer Novelle wird die Ausbildung tatsächlichchneller, günstiger und zielgerichteter verlaufen. Damitehen wir konkret und nicht durch eine Symbolpolitikuf die Sorgen und Nöte der Jugendlichen ein, die eineehrstelle suchen. Wir bieten Anreize und setzen auf Er-eichterung.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Hans-Werner
ertl, SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kolle-en! Die betriebliche Ausbildung ist nach wie vor eine
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Hans-Werner Bertlgroßartige Gemeinschaftsleistung eines Teils unsererWirtschaft. Wir alle wissen: Keine Delegation fährt vonhier aus ins Ausland, ohne dort erfolgreich für praxisori-entierte und betriebsnahe Ausbildung zu werben. Dazupasst, dass das duale System mittlerweile ein deutscherExportschlager geworden ist.Wir erzählen aber nicht, dass sich in Deutschland nurnoch 23 Prozent aller Unternehmen an der Ausbildungbeteiligen. Wir erzählen nicht, dass jeden Sommer Kara-wanen von Ministern und Oberbürgermeistern durchsLand reisen und händeringend um Ausbildungsstellenwerben und dass Kammerpräsidenten Tausende vonBriefen an Unternehmen schicken, um Ausbildungsstel-len zu mobilisieren.
Wir erzählen nicht, dass im letzten Ausbildungsjahr un-ter den insgesamt 720 000 jugendlichen Bewerbern330 000 so genannte Altbewerber waren, die schon min-destens einmal keine Ausbildungsstelle gefunden haben.Sie sind weiß Gott nicht alle ungeeignet gewesen.
Wir erzählen nicht, dass unser duales Ausbildungs-system tatsächlich kurz vor dem Kollaps steht und nurnoch funktioniert, weil schon heute umgelegt wird:durch Vereinbarungen in der Bauindustrie, durch Verein-barungen im Bereich Chemie und durch öffentliche Mit-tel in Höhe von 10 Milliarden Euro. Jetzt liegt es wiedereinmal auf dem Tisch: das Angebot der Selbstverpflich-tung der Wirtschaft. Ich sage Ja zur Selbstverpflichtungder Wirtschaft, aber nur wenn wir Beweise haben, dasssie eingehalten wird. Ich sage das nicht leichtfertig, aberdie Bilanz der Selbstverpflichtung der deutschenWirtschaft ist eine Bilanz des Versagens und des Täu-schens.
Sehen Sie sich den „Spiegel“ von vor drei Wochen an,dann wissen Sie um die Bilanz gebrochener Versprechender Wirtschaft: Klimaschutz, Altautoverwertung, Dosen-pfand, Gleichberechtigung, Benzinverbrauch, Lehrstel-len. – Und dann kommt die Entschuldigung: OlafHenkel erklärt die Selbstverpflichtung zur reinen Not-wehr. Das heißt im Umkehrschluss, bei Nichterfüllungwar es eine Notlüge und damit eine lässliche Sünde.Jetzt stehen wir vor der Frage: Was tun? Sollen wirnach dem Prinzip von Hoffnung und Glauben die Exis-tenz von Tausenden von jungen Menschen in die Dispo-sition einer möglichen Notwehrmaßnahme der Wirt-schaft geben oder schaffen wir es, Verbindlichkeitenherzustellen?
Diesmal greifen wir zur Notwehr – Notwehr für die jun-gen Menschen in unserem Land, die einen Anspruch aufAusbildung haben und Notwehr für unsere Wirtschaft,die vor dem Hintergrund der demographischen Entwick-lung schon in wenigen Jahren von uns Hilfe in Form vonawsabgrddkgLVstrbSswwKdpsWKAWvtefhWrcHslie
anz nach der Devise: weg mit dem Gesetz, dann gibt esehrstellen. Vor dem Hintergrund so vieler gebrochenerersprechen können wir das nicht mehr glauben. In die-er Frage können wir der Wirtschaft nicht nur nichtauen, nein, wir müssen die Wirtschaft überdies davorewahren, sich selbst zu schaden.
ie braucht nämlich hoch qualifiziertes Personal.
Viele fragen nun: Muss das Gesetz so kompliziertein? Ich sage: Ja, leider; denn jene, die das alles nichtollen, haben dann um Ausnahmen gebeten. Dadurchurde das Gesetz zwangsläufig kompliziert. Bei allenlagen: Sind nicht die Handwerksordnung und das In-ustrie- und Handelskammergesetz ebenfalls hochkom-liziert? Trotzdem sollen wir, wenn es nach der Wirt-chaft geht, davon die Finger lassen.
Für mich viel entscheidender ist eine andere Frage:ie kompliziert ist das Leben in einer Familie, dereninder ein, zwei oder drei Jahre vergeblich nach einerusbildungsstelle gesucht haben?
ie kompliziert – viel schlimmer: wie aussichtslos –erläuft das Leben eines jungen Menschen, dessen wei-re Lebensplanung durch eine fehlende Ausbildung in-rage gestellt wird? Welche gesellschaftlichen Kostenaben wir im Nachhinein zu tragen? Woher nimmt dieirtschaft eigentlich in fünf, sechs, sieben oder acht Jah-en Fachkräfte? Dann reicht eine Greencard nicht mehr.Für mich immer wieder faszinierend ist in Gesprä-hen mit der Wirtschaft, mit dem Handwerk und demandel der Appell an die Politik: „Nehmt euch ein Bei-piel an den anderen Ländern!“ Und dann hört man be-ebig genehme Beispiele. Ich nehme jetzt auch einmalin Beispiel und frage:
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004 9911
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Hans-Werner BertlWorin besteht eigentlich der Unterschied zwischen deut-schen und dänischen Unternehmern? Louise Pihl vomdänischen Arbeitgeberverband sagt – das war gestern inder „Stuttgarter Zeitung“ zu lesen –, in Dänemark funk-tioniere ein solches System der Umlage, das vom däni-schen Parlament 1977 beschlossen wurde, seit langemprima;
die solidarische Umlage habe die Bereitschaft der Ar-beitgeber gestärkt, Ausbildungsplätze anzubieten.
Sind wir in unserem Land so viel anders als die Dä-nen? Haben wir eine andere Vorstellung von Verantwor-tung für die Generation unserer Kinder? Haben wir eineandere Moral, andere Vorstellungen von Wirtschaft? Le-ben und wirtschaften wir in unserem Land etwa auf Teu-fel komm raus nach der Devise: Uns fällt schon etwasein, wenn es nicht mehr geht. Als letztes Mittel hilft beiuns immer der Gang der Lobby in das Parlament. Denenpressen wir, wenn es nötig ist, die Finanzierung derFachkräfte aus den Rippen bzw. aus den Haushalten?
Kollege Bertl, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Schauerte?
Nein. – Das alles ist in den 60er- und 70er-Jahren pas-
siert. Damals hatten wir das größte Umlagesystem in
diesem Land. Damals haben die Beitragszahler mit ihren
Beiträgen zur Bundesanstalt für Arbeit die Qualifizie-
rung von Fachkräften, die die Wirtschaft dringend benö-
tigt hat, bezahlt.
So etwas kann eine Lösung sein. Dann muss aber ehr-
lich verhandelt werden, sonst verabschiedet sich die
Wirtschaft aus der Verantwortung für die duale Ausbil-
dung. Das wollen wir nicht. Für mich ist das Lamento
über dieses Gesetz, welches wir in den nächsten Wochen
zu erwarten haben, nicht von Belang. Wir haben es ange-
passt und die notwendigen Ausnahmen geschaffen. Ganz
entscheidend ist, dass im Gesetz – einmalig in unserem
Land – keine festen Zahlen definiert wurden. Auslöse-
kriterium ist vielmehr der Tatbestand, den wir verbind-
lich haben wollen. Wir entwickeln so einen Weg zwi-
schen Wirtschaft und Bundesregierung, der im Ergebnis
etwas mit Moral – das kann auch in der Wirtschaftspoli-
tik nicht schaden – zu tun hat:
Verantwortung für die Generation unserer Kinder ver-
bindlich wahrzunehmen heißt: Her mit den Ausbildungs-
stellen! Dann liegt dieses Gesetz nicht als Drohung, son-
dern als Notwehr für die junge Generation in unseren
Schubladen.
Ich danke Ihnen.
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Ich erteile das Wort Kollegen Michael Kretschmer,
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bun-esministerin stellt sich hier hin und sagt: Jeder Jugend-iche soll einen Ausbildungsplatz bekommen.
or einem Jahr hat der Bundeskanzler den Jugendlichenenau dasselbe versprochen. Was ist daraus geworden?iese Bundesregierung will nur noch. Sie will dieugendlichen unterbringen, sie will einen ausgegliche-en Haushalt, sie will die Halbierung der Arbeitslosig-eit – nur, in der Wirklichkeit sieht alles anders aus. Tat-ache ist doch: Sie bekommen einfach nichts mehr hin.
Was ist die Lösung? Die Lösung besteht Ihrer Mei-ung nach in Verschleierung. Die Ausbildungsplatzab-abe ist ein dreistes Ablenkungsmanöver von den wirkli-hen Ursachen des Lehrstellenmangels. Seit 1998 sindber 191 000 Unternehmen in Deutschland wegen Ihrerirtschaftspolitik kaputtgegangen.
ie Binnennachfrage war noch nie so gering wie heute.er Einzelhandel klagt über eine enorme Kaufzurück-altung. Das duale System, das hier und heute viel be-chrieben worden ist, lebt aber von der Dynamik derirtschaft. Es kann kein konjunkturunabhängiges Lehr-tellenangebot in diesem System geben.
Wenn wir keine Verschulung wollen, was auch vonhnen, Herr Tauss, oft genug erklärt worden ist, dann hatie Politik nur zwei Möglichkeiten. Die erste besteht da-in, die Hemmnisse für die Ausbildung so gering wieöglich zu machen.
as fängt bei der Ausbildungsvergütung an, geht weiterber die Abschaffung bürokratischer Regeln bis hin zurchaffung zweijähriger Ausbildungsberufe, von denenns Frau Bulmahn sagt, es gebe eine ganze Reihe. Von50 Ausbildungsberufen in Deutschland sind ganze 30,lso nicht einmal 10 Prozent, zweijährig. Das ist dieealität in diesem Land.
Die zweite Möglichkeit besteht in einer Wirtschafts-olitik, die für Wachstum sorgt. Wenn das Wachstumesichert ist, dann haben die Unternehmen in Deutsch-nd eine Zukunft. Ein Unternehmen, das eine Zukunftat, wird auch ausbilden. Denn Ausbildung bedeutet für
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9912 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004
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Michael Kretschmerdie Jugendlichen, aber auch für die Unternehmen eineInvestition in die Zukunft. In Deutschland besteht dasProblem darin, dass die Unternehmen für sich keine Zu-kunft in diesem Land sehen.
Wer das ignoriert oder umdreht, der handelt so, als wenner die Erde noch einmal zur Scheibe erklären würde.Die Folgen werden besonders für die neuen Bundes-länder dramatisch sein. Denn Fakt ist, dass die Ausbil-dungsquote in den neuen Ländern mit 5,9 Prozent we-sentlich höher ist als in den alten Ländern mit4,7 Prozent. Es ist die Arroganz der Macht, die dafürsorgt, dass Sie sich nicht fragen, woran das liegt undwelche Möglichkeiten es gibt, bewährte Regelungen ausden neuen Bundesländern auf die alten zu übertragenund damit das Problem zu lösen. In den neuen Ländernhaben sich – anders als in den alten Bundesländern –Kammern, Gewerkschaften, öffentliche Verwaltungenund Betriebe eine Reihe von Freiheiten zugestanden. DieVergütung ist in Teilen geringer; denn wer ausbildet, darfnicht durch ein hohes Entgelt abgeschreckt werden. Aus-bildungsplatzentwickler beraten die Betriebe und Aus-bildungsverbünde unterstützen gerade die kleinen Unter-nehmen. Die neuen Länder zeigen, dass es auch in einemschwierigen wirtschaftlichen Umfeld möglich ist, neueAusbildungsplätze zu schaffen, wenn man den Beteilig-ten die Freiheit bietet, für sich selbst zu arbeiten.
Deshalb quälen wir Sie seit Monaten mit unseren Vor-schlägen zur Reform des Berufsbildungsgesetzes.
Unsere Aufforderung an Sie kann nur lauten: Moderni-sieren Sie endlich die Berufsausbildung! Das ist unsereAntwort auf den Amoklauf von Rot-Grün bei der Aus-bildungsplatzabgabe.
Das Problem in Ostdeutschland ist nicht die Ausbil-dungsquote, sondern die Unternehmenslücke. Das Insti-tut für Wirtschaftsforschung Halle hat errechnet, dassgemessen an der Einwohnerzahl 100 000 Unternehmenfehlen. Eine Folge davon ist, dass es an Ausbildungsbe-trieben mangelt.Tatsache ist deshalb, dass in Ostdeutschland staatlicheFörderung zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätzeauch zukünftig unabdingbar ist. Deswegen gibt es einAusbildungsprogramm, mit dem zusätzliche Ausbil-dungsplätze geschaffen werden sollen, um den jährlich15 000 Jugendlichen ab 16 Jahre, die ihre Ausbildungfern der Heimat beginnen und zwischen Ost- und West-deutschland pendeln, eine Chance zu bieten. Bisher sindmit diesem Programm 14 000 Ausbildungsplätze ent-standen. Aber ausgerechnet in diesem Jahr, in dem dieProbleme sehr groß sind, will Rot-Grün das Programmkürzen und 4 000 Plätze streichen. Das nenne ich schofe-lig, und zwar zum einen gegenüber den Jugendlichen inumSehPzAsqswüw4wswWvamläNgDWPsH–Pe–dfl
ie erzählen uns, dass Sie die Ausbildungsplatzabgaberst im Herbst auslösen wollen, wenn die Quote bis da-in nicht erreicht wird. Parallel dazu kürzen Sie aber dasrogramm, um eine sich selbst erfüllende Prophezeiungu konstruieren. Das ist in der Tat schändlich!In Ost wie West gibt es Unternehmen mit einer hohenusbildungsquote. Ich habe unlängst eines davon be-ucht, das 80 Auszubildende hat und eine Ausbildungs-uote von 6,3 Prozent – das liegt weit über dem ostdeut-chen Durchschnitt – aufweist. In diesem Unternehmenurde mir deutlich gesagt: Wir wollen die Jugendlichenbernehmen, aber das ist nur dann möglich, wenn dieirtschaftliche Entwicklung positiv verläuft.Das Unternehmen hatte vor wenigen Jahren0 Auszubildende. Derzeit sind es 80 und in Zukunfterden es vielleicht 100 Auszubildende sein; das richtetich immer nach der wirtschaftlichen Entwicklung. Des-egen fordern wir Sie auf: Kümmern Sie sich um dieirtschaftspolitik! Sorgen Sie dafür, dass dieses Landorankommt! Verzichten Sie auf die Ausbildungsplatz-bgabe, schmeißen Sie sie in die Tonne! Sie schaden da-it Deutschland und ganz besonders den neuen Bundes-ndern und dem Aufbau Ost.
Lieber Kollege Kretschmer, ich gratuliere Ihnen im
amen des ganzen Hauses sehr herzlich zu Ihrem heuti-
en Geburtstag.
Nun erteile ich Kollegin Thea Dückert, Bündnis 90/
ie Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!enn es um Ausbildung geht, wird häufig auch über dieISA-Studie geredet. Wenn man sich die Reden in die-em Haus zu Gemüte führt, sollten wir das bedenken.err Hartmann, ich habe während Ihrer Rede festgestellt ich glaube, dieses Problem hat auch etwas mit derISA-Studie zu tun –, dass Sie offenbar unseren Gesetz-ntwurf nicht gelesen haben.
Ja, oder Sie haben ihn nicht verstanden.Sie behaupten, die Ausnahmeregelungen zugunstener Kommunen würden nur im Falle von Insolvenz oderinanziellen Problemen gelten. Lieber Herr Hartmann,assen Sie sich Folgendes gesagt sein: Auch in unseren
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004 9913
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Dr. Thea DückertReihen gibt es viele, die sich um die Kommunen sor-gen. Wir haben lange über den vorliegenden Gesetzent-wurf diskutiert und wesentliche Dinge festgelegt. Eswird berücksichtigt, wenn sich die Kommunen, egal obkleine oder große, in der Ausbildung von jungen Leutenoder beispielsweise in Ausbildungsgängen engagieren,die nicht dem dualen System zugerechnet werden – wirhaben alle entsprechenden Bereiche im Gesetz ausge-nommen –, oder wenn sie in der Arbeitsmarktpolitikbzw. in der Arbeitsmarktintegration initiativ werden. Ichempfehle auch Ihnen von der FDP, unseren Gesetzent-wurf zu lesen. Vielleicht kochen Sie dann Ihre Kritik aufkleinerer Flamme.
Frau Böhmer hat in ihrer Rede – auch dieses Problemscheint mir etwas mit der PISA-Studie zu tun zu haben –aus Briefen, die sie vonseiten der Wirtschaft bekommenhat, vorgelesen und wollte damit darstellen, in welcherSituation sich die Betriebe nach Einführung der Ausbil-dungsplatzumlage befinden werden. Liebe Frau Böhmer,auch hier sollte man die komplette Wahrheit sagen. Es istrichtig, dass auch wir solche Briefe erhalten haben unddie Bedenken der Wirtschaft kennen. Aber wir habenauch viele Briefe erhalten, in denen junge Leute ihre jah-relange Odyssee bei der Suche nach einem Ausbildungs-platz beschreiben. Wir haben Briefe von Aus-bildungsträgern und Eltern bekommen, in denenbeschrieben wird, dass junge Leute kein Ausbildungs-platzangebot erhalten, obwohl sie von Pontius zu Pilatuslaufen und obwohl sie fit und ausbildungswillig sind.Das akzeptieren wir nicht.
Kollegin Dückert, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Dr. Pinkwart von der FDP-Fraktion?
Herr Präsident, das tue ich nicht; denn ich habe ge-rade von Frau Böhmer gelernt, dass wir in dieser Debattekeine Zwischenfragen zulassen. Ich möchte also fortfah-ren.
Die neuen Zahlen belegen, dass die Lehrstellenlückegrößer wird. Das ist ein riesengroßes Problem. Deswe-gen habe ich eben die Briefe angesprochen, in denen be-schrieben wird, was aufseiten der Jugendlichen ge-schieht. Aber die Hinweise in den Briefen aus derWirtschaft zeigen auch, dass wir in Zukunft unter einemFacharbeitermangel leiden werden. Wir müssen diesesProblem ebenfalls lösen. Diesem Zweck dient die Aus-bildungsplatzumlage.Die Umlage ist – auch das sage ich – kein Selbst-zweck. Ich weiß, dass es harte Debatten – auch in unse-rer Fraktion – über dieses Instrument gibt, das dem Er-reichen des Ziels dient, mehr Ausbildungsplätze zuschaffen. Es gibt grundsätzliche Einwände, die sich da-rauf beziehen, dass die Eigeninitiative im VordergrundsdPüevVLdzWlsaIbmzDsamiUsnnDe–gmPapdSdsßsKu
Zu der Debatte über die Ausbildungsplatzabgabeöchte ich Ihnen noch Folgendes sagen: Der momentanu beobachtende öffentliche Machtpoker ist unseriös.as, was uns die Wirtschaft anbietet, ist schizophren. Sieagt auf der einen Seite: Wir wollen den Pakt. Auf dernderen Seite sagt sie: Wir schließen diesen Pakt ver-utlich nicht, wenn ihr dieses Gesetz verabschiedet. Dasst doch merkwürdig. Dieses Gesetz schreibt fest: Diemlage greift nicht, wenn die Wirtschaft einen Paktchließt. Gleichzeitig sagt die Wirtschaft: Wir wollen ei-en Pakt. Mit Hinweis auf das Gesetz will sie ihn abericht schließen. Das verstehe wer will.
ie Situation auf dem Ausbildungsmarkt ist viel zurnst, um weiterhin solche Spielchen zu treiben.
Spielchen macht die Wirtschaft, wenn sie die von mirerade erwähnten Drohungen ausspricht. Spielchenacht die Wirtschaft, wenn sie sagt: Wir wollen denakt; aber wir schließen ihn nicht, wenn das Gesetz ver-bschiedet wird. Das ist ein Spielchen, das ist ein Macht-oker.
Die Bevölkerung hat das längst begriffen. 57 Prozenter Menschen in diesem Land sagen, dass in dieserituation die mit diesem Gesetz beschlossene Umlageer richtige Schritt ist. Ein Großteil der Bevölkerungagt aber auch: Eigeninitiative hat Vorrang. Dem schlie-en wir uns an.Wir haben uns mit vielen Einwänden auseinander ge-etzt. Ich sprach schon vorhin von den Problemen derommunen. Wir sind darauf eingegangen. Wir habenns natürlich damit auseinander gesetzt, wie es möglich
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Dr. Thea Dückertist, die betriebliche Ausbildung zielgerichtet zu unter-stützen. Dabei haben wir zum Beispiel an kleine Unter-nehmen gedacht, was darin zum Ausdruck kommt, dasswir auch Bildungsverbünde unterstützen. Wir habenuns damit auseinander gesetzt, dass es um duale Ausbil-dung geht. Bei Ausbildungsgängen wie denen in derPflege darf die Umlage natürlich nicht greifen.Alles in allem muss ich Ihnen sagen: Auch die in un-serer Fraktion geäußerten Bedenken – einige haben einesehr kritische Debatte geführt – sind mit den am Gesetz-entwurf vorgenommenen Änderungen – Vorrang für dieEigeninitiative; Vorrang für einen Pakt; Konzentrationauf betriebliche Ausbildung – beseitigt worden. UnsereFraktion unterstützt dieses Gesetz. Ich hoffe, Sie machenda mit.
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen
Andreas Pinkwart das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Frau Kollegin Dückert hat eben zum Ausdruck
gebracht, dass die Kommunen, insbesondere solche, die
sich in einem Haushaltssicherungskonzept befinden,
von diesem Gesetzentwurf nicht betroffen seien. Ich
möchte darauf aufmerksam machen, dass der beamtete
Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Herr
Catenhusen, im Finanzausschuss des Deutschen Bundes-
tages – er hat sich in dieser Woche annähernd zwei Stun-
den mit dem Gesetzentwurf und mit den Änderungsan-
trägen der Koalitionsfraktionen befasst – den
vorliegenden Gesetzentwurf auf Nachfragen dahin ge-
hend interpretiert hat, dass nicht nur Kommunen, die
sich nicht in einem Haushaltssicherungskonzept befän-
den, abgabepflichtig seien, sondern dass auch Kommu-
nen, die sich in einem Haushaltssicherungskonzept be-
fänden, durchaus abgabepflichtig sein könnten.
In § 10 dieses Gesetzentwurfs werden nämlich zwei
Bedingungen an den Härtefall geknüpft. Dabei geht es
nicht nur um die Tatsache, dass ein Arbeitgeber kommu-
nalaufsichtlichen Notbewirtschaftungsmaßnahmen un-
terworfen sein müsse – ich verweise auf § 10 Abs. 1 die-
ses Gesetzentwurfs –, sondern auch darum, dass er
gegenüber dem Bundesverwaltungsamt zusätzlich den
Nachweis erbringen müsse, dass seine wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit nicht hinreichend sei, um eine solche
Abgabe zu erbringen.
Herr Catenhusen war fest davon überzeugt, dass seine
Heimatstadt Münster in Nordrhein-Westfalen nach dem
vorliegenden Gesetzentwurf die Ausbildungsplatzab-
gabe zu zahlen habe, obwohl sie jetzt in ein Haushaltssi-
cherungskonzept komme.
Die Ankündigung von SPD und Grünen, die Kommu-
nen seien nicht betroffen, entbehrt damit jeder Grund-
lage. Das Gegenteil ist der Fall. Ich fordere die Frak-
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Ich will Ihnen damit sagen: Es ist viel einfacher. Sie
aben viele Worte für einen sehr einfachen Sachverhalt
ebraucht.
Wenn die Kommunen einem Haushaltssicherungsver-
ahren unterliegen – das ist der erste Punkt –, müssen sie
das ist der zweite Punkt – einen Antrag stellen. So ein-
ach ist das. Das ist die Voraussetzung, die erfüllt werden
uss.
Ich erteile Kollegen Alexander Dobrindt, CDU/CSU-
raktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die „Süd-eutsche Zeitung“ berichtet heute darüber, dass Wirt-chaftsminister Clement für kommenden Mittwoch zurusbildungsoffensive 2004 einlädt:Der Wirtschaftsminister hatte dem Vernehmen nachkein Interesse, Bulmahn einzubinden, weil er vonihrer Mitarbeit an einer vergleichbaren Initiative imvergangenen Jahr enttäuscht sei.er will das dem Wirtschaftsminister verdenken?
Die heutige Debatte bringt es immer mehr zum Vor-chein: Ihr Gesetzentwurf zur Ausbildungsplatzumlagest an Absurdität kaum zu überbieten. Anstatt die Rah-enbedingungen so zu ändern, dass Ausbildung ineutschland wieder in größerer Zahl möglich wird, ver-uchen Sie, diejenigen zu bestrafen, die unter ohnehinchon großen Schwierigkeiten in Deutschland den Men-chen Arbeitsplätze zur Verfügung stellen.Über ein Drittel der deutschen Unternehmen machtberhaupt keinen Gewinn mehr. 50 Prozent aller Mit-elständler haben ihr Eigenkapital nahezu vollständig
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Alexander Dobrindtaufgebraucht. Laut der Produktionsstudie 2004 desFraunhofer-Institutes will jedes zweite Unternehmen in-nerhalb der nächsten drei Jahre seine Produktion teil-weise oder komplett nach Osten verlagern. Ihre Ausbil-dungsplatzabgabe macht vielen diese Entscheidungdeutlich leichter, und zwar deswegen, weil Sie den büro-kratischen Unsinn in unserem Land weiter verstärken,weil Sie die Belastungen für die Unternehmen hoch-schrauben und weil Ihre Politik nicht mehr verlässlichist.Schauen Sie sich das Gezerre um die Ausbildungs-platzumlage auch heute wieder an! Seit Wochen erzählenSie öffentlich, welche Wunderwaffe dieses Gesetz fürdie Schaffung neuer Ausbildungsplätze ist – einmal ab-gesehen von den ständigen Zwischenrufen unwesentli-cher Regierungsmitglieder, die schon lange darauf hin-weisen, dass es fahrlässig ist, dieses Gesetz zuverabschieden. Aber es liegt ohnehin die Vermutungsehr nahe, dass dieses Gesetz wohl eher einem einzigenArbeitsplatz liegen soll, nämlich dem des Parteivorsit-zenden der SPD.
– Hören Sie doch zu!Das „Handelsblatt“ schreibt in seiner gestrigen Aus-gabe – das ist auch für Sie interessant –:
SPD-Chef Müntefering hat noch rechtzeitig dieKurve gekriegt. Und das offenbar nicht nur aus tak-tischen Gründen, sondern aus der Einsicht heraus,dass die Abgabe viel Schaden anrichten würde undvermutlich nicht das gewünschte Ergebnis bringt.Ich persönlich glaube, dass das „Handelsblatt“ hier ei-ner Fehlinformation aufgesessen ist. Von Einsicht kannüberhaupt keine Rede sein. Sonst würden Sie diesen Ge-setzentwurf – er ist ohnehin das Papier nicht wert, aufdem er steht – heute zurückziehen.
Diese Ausbildungsplatzabgabe wird zu gewaltigenFehlsteuerungen innerhalb des Arbeitsmarktes führen.In Branchen, in denen überhaupt keine Arbeitsplätze zurVerfügung stehen, werden zukünftig mehr Menschenausgebildet werden, um anschließend auf der Straße zustehen und dann mit teurem Geld von der Bundesagenturfür Arbeit in Umschulungen qualifiziert zu werden. Ichkann mir nicht vorstellen, dass dies richtig ist.Betriebe, die hart ums Überleben kämpfen und ein-fach nicht mehr die Kraft haben, Lehrlinge auszubilden,werden mit zusätzlichen Kosten und Bürokratie belastet.Dafür können sich gut verdienende Großkonzerne zu-künftig über ordentliche Subventionen freuen, wenn sieLehrlinge zusätzlich ausbilden und die anschließend aufdie Straße setzen. Das ist Ihre Politik, meine Damen undHerren!dBülSdBMudidwcdpt–4hhSwshgrpaidedkzubG2gkSdg
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Wir sind nicht etwa für die Umlage, weil uns nun plötz-lich die Regelwut erfasst hätte. Wir sind für eine Ausbil-dungsplatzumlage, weil es zu viele Jugendliche gibt, diekeine Lehrstelle bekommen. 35 000 Lehrstellen fehlennach Ansicht der Bundesregierung; allein das wäreschon schlimm. Real sind es aber rund 200 000 und dasist schlimmer.Nun haben die Ministerpräsidenten Beck undSteinbrück – beide SPD – einen Ausbildungspakt insSpiel gebracht. Das ist, wie ich finde, wahrlich keineneue Idee, zumal die Hoffnung, dass die Wirtschaft vonsich aus ausreichend Lehrstellen anbietet, seit Jahren im-mer wieder getrogen hat. Deshalb ist der Steinbrück/Beck-Vorstoß aus meiner Sicht unglaubwürdig. Mir sindübrigens die SPD-internen Kontroversen weitgehendegal. Ich halte hier für das Protokoll nur fest, dass maß-gebliche SPD-Politiker im Zweifel als Anwalt der Unter-nehmen und nicht als Anwalt der Zukunft operieren,ganz so wie Minister Clement beim Klimaschutz.
Unserer Meinung nach geht der so genannte Ausbil-dungspakt auch an der Sache vorbei. Zum Ersten soll derPakt zu einem Drittel durch Steuergelder finanziert wer-den. Mit einem solchen Pakt würden also der unbefriedi-gende Status quo und die Flucht der Unternehmen ausihrer Verantwortung noch legalisiert werden. Zum Zwei-ten soll der Pakt Ländersache sein. Das heißt, die Län-der, die arm dran sind, bleiben auch arm, und die Länder,in denen mehr ausgebildet werden könnte, werden ausder Solidarität entlassen. Schließlich soll der Pakt auchnoch eine Alternative zur Umlage darstellen nach demMotto: Entweder-oder. Der Steinbrück/Beck-Vorstoßträgt also obendrein auch noch erpresserische Züge.
Tatsache ist: Drei von vier Unternehmen bilden nichtaus, obwohl viele von ihnen es könnten. Das ist unmora-lisch, asozial und übrigens auch rechtlos. Regelrechtdumm wird es, wenn dieselben Unternehmen, die nichtausbilden, nun drohen: Kommt die Umlage, dann bildenwir überhaupt nicht mehr aus. Dass die Opposition zurRechten diesen Blödsinn auch noch durch alle Medienträgt, spricht nicht gerade für ihre PISA-Tauglichkeit.
Ich wiederhole für die PDS im Bundestag: Wir hättengern ein besseres Gesetz. Deshalb haben wir entspre-chende Änderungsanträge gestellt. Wir haben zweiGrundanliegen: Wir wollen, dass alle Jugendlichen, egalob in Mecklenburg-Vorpommern, im Saarland oder inBSwafsuudgdzFWRwgDgmzfsussFmwwdaBDgzs
Ich erteile das Wort Kollegin Nicolette Kressl, SPD-
raktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!enn jemand in der heutigen Debatte ausschließlich dieednerinnen und Redner der Opposition gehört hätte,äre ihm nicht klar geworden, um was es eigentlicheht.
enn was Sie gebracht haben, war ausschließlich Genör-el; Sie haben keinen einzigen konkreten Vorschlag ge-acht.
Ich will Ihnen sagen, um was es geht. Es geht umwei wichtige Dinge: zum einen um Zukunftschancenür junge Leute – bedeutend für die Stabilität von Gesell-chaft und Demokratie –
nd zum anderen um die Zukunftsfähigkeit von Wirt-chaft. Die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft ist einer-eits deshalb notwendig, weil wir dringend ausreichendachkräfte brauchen und im Hinblick darauf lang- undittelfristig denken müssen, und andererseits deshalb,eil junge Leute – ich habe immer den Eindruck, dasird gerne vergessen –, wenn wir ihnen keine Ausbil-ung ermöglichen, Sozialkosten verursachen. Sie tun so,ls ob nur Unternehmen und nicht alle Bürgerinnen undürger das letztlich über Steuermittel bezahlen müssten.
as Schlechteste, was wir machen können, ist, die jun-en Leute zu Sozialhilfeempfängern der Zukunft werdenu lassen, deren Kosten wir alle gemeinsam tragen müs-en.
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Nicolette KresslWir diskutieren eigentlich gern mit Ihnen über denWeg, um das Ziel einer qualifizierten Ausbildung für allezu erreichen. Das Problem ist nur, dass es nichts gibt,worüber wir mit Ihnen diskutieren könnten.
Sie legen uns zwei Vorschläge vor. Der eine beinhaltetdie Kürzung der Ausbildungsvergütung. Dazu kann ichnur sagen: Wir wissen genau, was Tarifautonomie heißt.Sie tun hier so, als könne der Bundestag per Gesetz be-schließen, dass alle Ausbildungsvergütungen gekürztwerden. Wir haben uns aber in allen Bereichen für Tarif-autonomie eingesetzt, selbstverständlich auch in diesem.Sie scheinen nicht zu wissen, wo welche Kompetenzenliegen.
Ihr zweiter Vorschlag ist die Novellierung desBerufsbildungsgesetzes, die Sie als Alternative darstel-len. Da kann ich Ihnen nur sagen: Herzlich willkommenim Klub! Schon am 9. Februar hat die Bundesbildungs-ministerin Eckpunkte zur Novellierung des Berufsbil-dungsgesetzes vorgelegt; denn wir wissen selbstver-ständlich, dass es Strukturveränderungen geben muss.Wir haben das bereits in unserem Koalitionsvertrag fest-geschrieben. Wenn Sie auf diesem Weg jetzt langsamhinterherhüpfen und behaupten, Ihre Vorschläge seienAlternativen, dann können Sie doch nicht ernsthaft glau-ben, dass die Menschen nicht merken, dass Sie mit IhrenVorschlägen in Wirklichkeit nur hinterherhinken!
Lassen Sie mich noch einmal Folgendes deutlich ma-chen. Gerade weil es um die Zukunft junger Leute geht,hat Freiwilligkeit für uns in drei wichtigen Punkten Vor-rang:Erstens hat Freiwilligkeit für uns Vorrang, weil erstam 30. September entschieden wird, ob die Instrumenteder Umlage greifen. Am liebsten wäre uns, wenn wir am30. September feststellen könnten, dass es genügendAusbildungsplätze gibt, und vom Kabinett beschließenlassen könnten, dass wir die Instrumente nicht einsetzenmüssen.Die zweite Säule der Freiwilligkeit: Die tariflichenVereinbarungen sollen ausdrücklich Vorrang erhalten;denn wir wissen natürlich, dass in branchenbezogenenTarifverträgen einige regionale und branchenspezifi-sche Besonderheiten besser aufgegriffen werden könnenals durch ein Gesetz. Ich kann daher nur an die Tarifpart-ner appellieren: Tut etwas! Ihr könnt es besser als wir!
Wenn ihr es allerdings nicht auf freiwilliger Basis hinbe-kommt, dann greifen die gesetzlichen Instrumente. – Füruns sind auch zukünftig freiwillige tarifliche Vereinba-rungen besser als die Anwendung dieser Instrumente.
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Wenn Sie sich diesen Pakt anschauen, dann werdenie feststellen, dass viele der uns bekannten Problemeufgegriffen wurden. Wir wissen, dass es junge Men-chen gibt, die die Berufsreife noch erlangen müssen.eshalb unterstützen wir ausdrücklich den Vorschlag,ass in Zusammenarbeit und unter Mitwirkung der Wirt-chaft junge Leute über Praktikumsplätze zur Berufs-eife geführt werden. Wir wissen, dass dies notwendigst. Der Staat nimmt seine Verantwortung wahr, indem erntsprechende Leistungen erbringt. Das stellen wir unsnter einer konzertierten Aktion vor. Wir begrüßen die-en Teil des Paktes ganz ausdrücklich. Auch von Herrnraun gab es einen entsprechenden Vorschlag.
Wir müssen gemeinsam schauen – das begrüßen wirbenfalls ausdrücklich, weil wir wissen, worauf es an-ommt –, wie regionale Unterschiede überbrückt werdenönnen und wie Angebot und Nachfrage im Bereich dererschiedenen Kammern besser zueinander gebrachterden können. Wir sind bereit, eine entsprechende Un-erstützung zu leisten; denn es macht natürlich Sinn, dasseispielsweise die Kammer in Dresden mit der Kammern Stuttgart zusammenarbeitet. Die Kammern könnenemeinsam überlegen, wie Unternehmen, die verzwei-elt junge Leute suchen, Informationen über die jungeneute bekommen können, die in den neuen Bundeslän-ern Ausbildungsplätze suchen. Es macht Sinn, Angebotnd Nachfrage näher zusammenzubringen. Wir werdenm Rahmen des Paktes unseren Teil dazu beitragen.Erst wenn wir erkennen würden – was ich nichtoffe –, dass dieser Pakt nicht greift, würden wir zu demnstrument einer solidarischen Umlagefinanzierungwischen den Unternehmen greifen. Aber auch an diesertelle will ich ausdrücklich sagen: Die solidarische Um-agefinanzierung, die im Gesetz verankert ist, ist keinetrafabgabe. Damit soll vielmehr erreicht werden, dassnternehmen, die viel und engagiert ausbilden, eine För-erung erhalten, die mit dem Geld derjenigen Unterneh-en finanziert wird, die zu wenig oder gar nicht ausbil-en.
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Nicolette KresslDies ist ein solidarisches Prinzip. Das eingenommeneGeld geht also nicht in einen staatlichen Topf und wirdnicht an die Schulen verteilt, sondern mit dem Geld derUnternehmen, die sich weniger stark engagieren, werdendiejenigen Unternehmen unterstützt, die sich schon seitJahren – viele davon überdurchschnittlich – bei der Aus-bildung engagieren. Deren Leistung wird auf dieseWeise stärker als bisher honoriert.
Ich will Ihnen einmal sagen, wie die Realität aussieht.Wenn Sie die mittelständischen Unternehmen fragen,was deren Problem ist, dann hört man die Antwort – wirhaben das oft erlebt –, dass sie es nicht akzeptabel fin-den, dass sie seit vielen Jahren mit viel Engagement aus-bilden, dass aber hinterher die Unternehmen, die nichtausbilden, ihnen die Arbeitskräfte wegschnappen, weilsie etwas mehr zahlen. Dies zu verhindern ist Kern derUmlagefinanzierung, die in diesem Gesetz enthalten ist.Deshalb ist es wirtschaftsnah organisiert und orientiertsich an den Interessen der Unternehmen.
Ich kann nur an die Wirtschaftsverbände appellieren:Sie haben uns das Angebot eines Paktes mit der Wirt-schaft gemacht. Wir nehmen es gerne an. Lassen Sie unsgemeinsam zum Ziel kommen; denn das wäre die besteLösung! Aber eines ist für uns als politisch Verantwort-liche auch klar: Wenn wir diese Lösung nicht hinbekom-men, dann wissen wir, worin unsere Verantwortung be-steht. Dann nehmen wir im Zweifel unsere staatliche undpolitische Verantwortung wahr. Die jungen Leute habengenau dies verdient.Vielen Dank.
Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich dem
Kollegen Hartmut Schauerte, CDU/CSU-Fraktion, das
Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Vor-bemerkung: Niemand sollte hier wechselseitig unterstel-len, dass wir das Thema, über das wir heute beraten,nicht wirklich ernst nehmen und nicht nach einer Lösungsuchen.
Wir von der Union lassen uns in der Ernsthaftigkeit beider Suche nach einer vernünftigen Lösung von nieman-dem übertreffen.
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82 000 Fehlplätze hat es in den zurückliegenden Jahrenu diesem Zeitpunkt im Jahr noch nie gegeben. Seitdemie regieren, vergrößert sich diese Lücke Jahr für Jahr.
Wer ist hier eigentlich Täter und wer ist Opfer? Dieserage wurde ja zu Anfang gestellt, Herr Kollege Brase.pfer sind – bedauerlicherweise und ganz eindeutig –ie Jugendlichen. Opfer sind die mittelständischen Un-ernehmen, deren wirtschaftliche Basis so gefährdet ist,ass ihnen das Ausbilden täglich schwerer fällt. Täterind diese Bundesregierung und die Regierungsfrak-ionen. Sie sind nach sechs Jahren Regierung für das ver-ntwortlich, was sich hier abbildet.
Damit klar wird, wer hier Opfer und Täter ist, nurine Zahl ins Verhältnis gesetzt: Wir haben in diesemoment 25 000 weniger Angebote an Ausbildungsplät-en als im Vorjahr. Wir hatten aber in diesem Jahr0 000 Pleiten mehr als im Vorjahr.
enn nur die Hälfte derer, die Pleite gegangen sind,icht mehr ausbilden kann – was ja wohl wahrscheinlicht, Herr Kollege Brase –, dann ist die Verschlechterunger Ausbildungssituation allein an der Zahl der wirt-chaftlich und politisch bedingten Pleiten im Mittelstandestzumachen. Das ist Ihre Täterschaft.
Damit Sie erkennen, wie richtig das ist, was wir hierortragen, ein Beispiel, das Ihnen weh tut: In zwei Bun-esländern der Bundesrepublik Deutschland, in denenie CSU bzw. die CDU seit Jahren eine unzweifelhaftute Wirtschaftspolitik macht, in Bayern und in Baden-ürttemberg, gibt es keine Ausbildungsplatzlücke, son-ern einen Ausbildungsplatzüberschuss.
n allen anderen Ländern der Bundesrepublik Deutsch-nd ist, je länger sie rot regiert worden sind, die Ausbil-ungsplatzlücke ständig größer geworden. Je länger Rot,esto größer die Ausbildungsplatzlücke! Wirtschaft kön-en Sie nicht und deshalb können Sie auch keine Ausbil-ung!
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Hartmut SchauerteDann wird hier die These verkündet, dass die Sache inDänemark, Herr Bertl, so hervorragend laufe. Die hätteneine Ausbildungsplatzabgabe und dort laufe es tadellos.Wissen Sie eigentlich nicht, wovon Sie reden?
Dänemark hat – mit Abgabe – eine Ausbildungsquotevon 3 Prozent; Deutschland hat – ohne Abgabe – eineAusbildungsquote von 6,5 Prozent. Herzlichen Glück-wunsch zu diesem Beispiel, das in der Tat in die Irreführt!
Ich kann nur hoffen, dass die Wirtschaft wegen diesesGesetzes, das Sie heute aus parteipolitischen und macht-politischen Gründen durchpeitschen, den angebotenenPakt nicht verweigert. Ich habe große Sorge; denn unterDruck kommen freiwillige Lösungen verdammt schlechtzustande. Herr Brase, das wissen Sie als alter Gewerk-schaftler. – Da Sie mich so kritisch anblicken, möchteich eine interessante Bemerkung an Sie richten, HerrBrase: Je kleiner die Betriebe in Deutschland und je ge-ringer der gewerkschaftliche Einfluss sind, desto höherist die Ausbildungsleistung.
Je größer die Betriebe und der gewerkschaftliche Ein-fluss in Deutschland sind, desto schlechter ist die Aus-bildungsquote. Darüber sollten Sie hauptberuflich nach-denken und sich darum kümmern.
Kollege Schauerte, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Niebel?
Ja, natürlich.
Vielen herzlichen Dank, Herr Kollege Schauerte. Sie
haben zu Recht die hervorragende Wirtschaftspolitik in
Baden-Württemberg gelobt. Würden Sie mir bitte bestä-
tigen, dass der Wirtschaftsminister in Baden-Württem-
berg, Dr. Walter Döring, von der FDP ist? Sie haben lei-
der vergessen, zu erwähnen, dass wir dort zusammen
regieren.
Herr Kollege Niebel, Sie haben Recht. Durch gute
CDU-Wahlergebnisse haben wir es Ihnen ermöglicht,
den Wirtschaftsminister zu stellen.
Was bringt die Ausbildungsplatzabgabe? Sie bringt
mehr Bürokratie und verteuert die Ausbildung. Die
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Für diese Fehlsteuerung will ich Ihnen ein Beispiel
ennen, über das bisher noch nicht diskutiert worden ist.
ch bin gestern – das soll mein letzter Punkt sein – mit
inem Unternehmenschef aus der Finanz- und Versiche-
ungsbranche zusammengekommen. Er hat mir erklärt,
r zahle gegenwärtig pro Jahr für die Ausbildung in sei-
em Unternehmen 17 Millionen Euro und seine Be-
riebswirte hätten ausgerechnet, welche Auswirkungen
ie Ausbildungsplatzabgabe für sein Unternehmen ha-
en würde. Sie sind zu folgendem überraschenden Er-
ebnis gekommen: Wenn er diese 17 Millionen Euro
icht mehr in die Ausbildung stecken und stattdessen die
usbildungsplatzabgabe in vollem Umfang zahlen
ürde, müsste er dafür 7 Millionen Euro aufbringen. Er
ürde 10 Millionen Euro an der von Ihnen organisierten
usbildungsplatzabgabe „verdienen“.
Es ist eine katastrophale Fehlsteuerung zu erwarten,
igentlich gibt es sie jetzt schon. Kluge Leute sagen, die
röße der Ausbildungslücke, die wir jetzt zu Recht be-
lagen, sei zum Teil aus der wirtschaftlichen Entwick-
ung gespeist – darüber habe ich schon gesprochen – und
ei zu einem großen Teil schon die Frühreaktion auf das
ommende. Sie verteuern die Ausbildung in Deutsch-
and und erweisen den jungen Menschen keinen guten,
ondern einen schlechten Dienst.
ies ist kein guter Tag für die Ausbildung in Deutsch-
and, leider!
Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den von denraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grüneningebrachten Gesetzentwurf zur Sicherung und För-erung des Fachkräftenachwuchses und der Berufsaus-ildungschancen der jungen Generation, Drucksache5/2820. Der Ausschuss für Bildung, Forschung undechnikfolgenabschätzung empfiehlt unter Nr. 1 seinereschlussempfehlung auf Drucksache 15/3064, den Ge-etzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen.ierzu liegt ein Änderungsantrag der Abgeordnetenr. Gesine Lötzsch und Petra Pau vor, über den wir zu-rst abstimmen.Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache5/3113? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Än-erungsantrag ist mit den Stimmen aller Fraktionen ge-en die Stimmen der beiden fraktionslosen Abgeordne-en abgelehnt.Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in derusschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solmschen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetz-entwurf ist in zweiter Beratung angenommen.Wir kommen zurdritten Beratungund Schlussabstimmung. Dazu liegt eine größere Zahlvon persönlichen Erklärungen nach § 31 der Geschäfts-ordnung vor. Ich will die Namen nicht im Einzelnen vor-tragen.Es wurde namentliche Abstimmung verlangt. Ich bittedie Schriftführerinnen und Schriftführer, die Plätze ein-zunehmen. – Sind alle Plätze besetzt? – Das ist der Fall.Dann eröffne ich die Abstimmung.Haben alle Mitglieder des Hauses ihre Stimme abge-geben? – Das ist der Fall. Dann schließe ich die Abstim-mung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Ab-stimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.1)Ich bitte Sie, wieder Platz zu nehmen, damit wir mitden Abstimmungen weitermachen können.Wir kommen nun zur Abstimmung über die Ent-schließungsanträge. Wer für den Entschließungsantragder Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grü-nen auf Drucksache 15/3066 stimmt, den bitte ich umdas Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koa-litionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositions-fraktionen bei Enthaltung der beiden fraktionslosen Ab-geordneten angenommen.Wer für den Entschließungsantrag der Fraktion derCDU/CSU auf Drucksache 15/3067 stimmt, den bitte ichum das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltun-gen? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmender Koalitionsfraktionen bei Zustimmung der CDU/CSU-Fraktion und Enthaltung der FDP-Fraktion abge-lehnt.Tagesordnungspunkt 21 b: Beschlussempfehlung desAusschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgen-abschätzung auf Drucksache 15/3064 zu dem Antrag derFraktion der FDP mit dem Titel „Ausbildungsplatzab-gabe verhindern – Wirtschaft nicht weiter belasten – Be-rufsausbildung stärken“.Der Ausschuss empfiehlt unter Ziffer 2 seiner Be-schlussempfehlung, den Antrag auf Drucksache 15/2833abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-lung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – DieBeschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koali-tionsfraktionen und den Stimmen der beiden fraktions-losen Abgeordneten gegen die Stimmen der FDP beiEnthaltung der CDU/CSU-Fraktion angenommen.Zusatzpunkt 6: Beratung des Gesetzentwurfs derFraktion der FDP zur Änderung des Berufsbildungsge-setzes. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-wurfs auf Drucksache 15/3042 an die in der Tagesord-nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt esdnFadcWWKtwZAdb1) Ergebnis Seite 9922 D
Paziorek, Cajus Julius Caesar, Dr. MariaFlachsbarth, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion der CDU/CSUNaturschutz im Miteinander von Mensch,Tier, Umwelt und wirtschaftlicher Entwick-lung– Drucksache 15/2467 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
SportausschussRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für TourismusAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Unionb) Beratung des Antrags der Abgeordneten GittaConnemann, Peter H. Carstensen ,Dr. Peter Jahr, weiterer Abgeordneter und derFraktion der CDU/CSUVertrauensvolle und konstruktive Zusammen-arbeit zwischen Landwirtschaft und Umwelt-schutz stärken– Drucksache 15/2969 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaft
RechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitP 8 Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Christel Happach-Kasan, Hans-MichaelGoldmann, Dr. Volker Wissing, weiterer Abge-ordneter und der Fraktion der FDPProjekt des Umweltbundesamtes zur so ge-nannten verdeckten Feldbeobachtung stoppen– Drucksache 15/2668 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaft
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. Gibt esazu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist soeschlossen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004 9921
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsIch eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-ner dem Kollegen Cajus Julius Caesar von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Die Bewahrung der Schöpfung und der Schutz der na-türlichen Lebensgrundlagen stellen für unsere Gesell-schaft die zentrale Herausforderung dar. Wir als Union,als CDU und CSU, wollen der zukünftigen Generation,wollen unseren Kindern eine intakte Umwelt übergeben.Dies ist aus unserer Sicht nur gemeinsam möglich: in-dem alle politischen Kräfte gebündelt werden und wirgemeinsam den Weg in die richtige Richtung beschrei-ten. Lassen Sie uns dies im Miteinander angehen; dasbedeutet auch, Ökologie, Ökonomie und die sozialeKomponente, also drei Säulen, gleichermaßen zu be-rücksichtigen. Das bedeutet zugleich: weniger Staat, we-niger Bürokratie und die vor Ort betroffenen Menscheneinzubeziehen.Dies wollen wir unter der Überschrift „Vertragsnatur-schutz“ und nicht, wie dies oft bei SPD und Grünen derFall ist, durch die Voranstellung hoheitlicher Maßnah-men auf den Weg bringen. Deshalb bedauern wir es sehr,dass unser Antrag, 3 Millionen Euro mehr für freiwilligevertragliche Vereinbarungen zur Verfügung zu stellen,abgelehnt wurde. Dies bedeutet, Geld statt für Projektefür Personal und Prospekte bereitzustellen. Das könnenwir nicht hinnehmen.
Wir wollen den Weg der Kooperation, nicht den derKonfrontation. Wir wollen die vor Ort wirtschaftendenund arbeitenden Menschen einbeziehen. Die vielen ge-setzlichen Regelungen, auch die der vergangenen Mo-nate, führten zu einem Bürokratiedschungel, den kaumnoch jemand durchschauen kann: weder die Bürger unddie Betriebe noch all diejenigen, die die Dinge vor Ortvoranbringen sollen.Deshalb ist es auch nicht hinnehmbar, dass neben dieFachgesetze – etwa durch die „gute fachliche Praxis“ beider Landwirtschaft oder bei der vorgesehenen Novellie-rung des Bundeswaldgesetzes – weitere, wahllos heraus-gegriffene Formulierungen gestellt werden. Dies führt zumehr Bürokratie und Undurchschaubarkeit und behin-dert damit den praktischen Naturschutz vor Ort. Das istnicht die Politik der Union, das ist nicht die Politik, diewir wollen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, zudem musses so sein, dass das Vertrauen zwischen der Politik unddenen, die vor Ort Verantwortung tragen – den Bürgern,aber auch den Vereinen –, weiterhin aufgebaut wird,nicht abgebaut wird. Gelder, die die Regierung für Ein-griffe etwa im Zusammenhang mit der FFH-Regelungversprochen hat, werden eben nicht gezahlt. Oder Gel-dzkVNrcsZwdVsmddumgddDerzEgiuDdmsvswrenDsdwansSawui
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9922 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004
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Den nachwachsenden Rohstoffen und der Biomasse
kommt mehr Bedeutung zu, als sie derzeit haben.
Ich möchte einen Vergleich zwischen Energiegewin-
nung aus Biomasse und aus Wind ziehen: Die Leistung,
die man aus Wind gewinnt, ist etwa viermal so hoch wie
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Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme
um Schluss auf die Leistung der Vereine, der Verbände,
er Institutionen und des Ehrenamtes zu sprechen. Es
t für uns unverständlich, dass die Regierung im Haus-
alt gerade die Mittel für den Bund für Heimat und
mwelt, der 500 000 Mitglieder der Heimatvereine ver-
itt, drastisch gekürzt hat und damit die ehrenamtlich
ätigen bei der Arbeit, die sie leisten, trifft. Dabei findet
an in den Erläuterungen zum Haushalt die Aussage
on Regierungsseite, dass der Bund für Heimat und Um-
elt – sinngemäß – Hervorragendes und Außerordentli-
hes leiste. Die Mittel sind, wenn man die Haushaltsan-
ätze vergleicht, von rund 250 000 Euro im Jahr 2000
uf rund 50 000 Euro im vergangenen Jahr zurückgegan-
en. Das können wir nicht hinnehmen. Wir wollen das
hrenamt unterstützen, weil die ehrenamtlich Tätigen
erausragendes leisten.
Mit unserem Antrag „Naturschutz im Miteinander
on Mensch, Tier, Umwelt und wirtschaftlicher Ent-
icklung“ haben wir ganz konkrete Vorschläge einge-
racht, die zu einer Umweltpolitik im Miteinander und
it Perspektive führen.
Herzlichen Dank.
Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile,ebe ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmungum Berufsausbildungssicherungsgesetz bekannt. Abge-ebene Stimmen 584. Mit Ja haben gestimmt 300 Abge-rdnete, mit Nein haben gestimmt 284, keine Enthal-ung. Der Gesetzentwurf ist damit angenommen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004 9923
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsEndgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 584;davonja: 300nein: 284JaSPDDr. Lale AkgünGerd AndresIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHermann BachmaierErnst Bahr
Doris BarnettDr. Hans-Peter BartelsEckhardt Barthel
Klaus Barthel
Sören BartolSabine BätzingUwe BeckmeyerKlaus Uwe BenneterDr. Axel BergUte BergHans-Werner BertlPetra BierwirthRudolf BindigLothar Binding
Kurt BodewigGerd Friedrich BollmannKlaus BrandnerWilli BraseBernhard Brinkmann
Hans-Günter BruckmannEdelgard BulmahnUlla BurchardtDr. Michael BürschHans Martin BuryHans Büttner
Marion Caspers-MerkDr. Peter DanckertDr. Herta Däubler-GmelinKarl DillerMartin DörmannPeter DreßenDetlef DzembritzkiSebastian EdathySiegmund EhrmannHans EichelMarga ElserGernot ErlerPetra ErnstbergerKarin Evers-MeyerAnnette FaßeElke FernerGabriele FograscherRainer FornahlGabriele FrechenDagmar FreitagLilo Friedrich
Iris GleickeGünter GloserUwe GöllnerRenate GradistanacAngelika Graf
DMKGAWKHBAMNHRRDGPMGGSGJWIrFEKCLBRJKJUDUHKADWFKRAENVADHEHUDCCCWDEGieter Grasedieckonika Griefahnerstin Grieseabriele Gronebergchim Großmannolfgang Grotthausarl-Hermann Haack
ans-Joachim Hackerettina Hagedornlfred Hartenbachichael Hartmann
ina Hauerubertus Heileinhold Hemkerolf Hempelmannr. Barbara Hendricksustav Herzogetra Heßonika Heubaumisela Hilbrechtabriele Hiller-Ohmtephan Hilsbergerd Höferelena Hoffmann
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ike Hovermannlaas Hübnerhristel Hummeothar Ibrüggerrunhilde Irberenate Jägerann-Peter Janssenlaus-Werner Jonasohannes Kahrslrich Kasparickr. h.c. Susanne Kastnerlrich Kelberans-Peter Kemperlaus Kirschnerstrid Klugr. Heinz Köhler
alter Kolbowritz Rudolf Körperarin Kortmannolf Kramernette Krammernst Kranzicolette Kresslolker Kröningngelika Krüger-Leißnerr. Hans-Ulrich Krügerorst Kubatschkarnst Küchlerelga Kühn-Mengelte Kumpfr. Uwe Küsterhristine Lambrechthristian Lange
hristine Lehderaltraud Lehnr. Elke Leonhardckhart Leweringötz-Peter LohmannGEDDTLCCHMUPUAUMCGFDVDDHHJJDFDKGDCWRRDKMGOMTAAGBDSHOHUSDWHCWOKFWOabriele Lösekrug-Möllerrika Lotzr. Christine Lucygairk Manzewskiobias Marholdothar Markaren Markshristoph Matschieilde Mattheisarkus Meckellrike Mehletra-Evelyne Merkellrike Mertenngelika Mertensrsula Moggichael Müller
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esine Multhauptranz Münteferingr. Rolf Mützenicholker Neumann
ietmar Nietanr. Erika Oberolger Orteleinz Paulaohannes Pflugoachim Poßr. Wilhelm Priesmeierlorian Pronoldr. Sascha Raabearin Rehbock-Zureicherold Reichenbachr. Carola Reimannhristel Riemann-Hanewinckelalter Riestereinhold Robbeené Röspelr. Ernst Dieter Rossmannarin Roth
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9924 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004
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r. Maria Flachsbarthlaus-Peter Flosbacherbert Frankenhauserr. Hans-Peter Friedrich
rich G. Fritzochen-Konrad Frommer. Michael Fuchsans-Joachim Fuchtelr. Jürgen Gehborbert Geisoland Gewaltberhard Giengereorg Girischichael Glosalf Göbelr. Reinhard Göhneranja Gönnerosef GöppelPDUKRHMMMKOHGKHUSUMJBEPRKJHSDDBSBSVGEJJKMNHTRMGGDDWDDHBKVWPUEDPDeter Götzr. Wolfgang Götzerte Granoldurt-Dieter Grilleinhard Grindelermann Gröheichael Grosse-Brömerarkus Grübelanfred Grundarl-Theodor Freiherr vonund zu Guttenberglav Guttingolger-Heinrich Haibacherda Hasselfeldtlaus-Jürgen Hedrichelmut Heiderichrsula Heineniegfried Heliasda Carmen Freia Hellerichael Hennrichürgen Herrmannernd Heynemannrnst Hinskeneter Hintzeobert Hochbaumlaus Hofbaueroachim Hörsterubert Hüppeusanne Jaffker. Peter Jahrr. Egon Jüttnerartholomäus Kalbteffen Kampeterernhard Kaster
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004 9925
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und konsequent verwei-, wenn es darum geht, fürkennen. Wir sagen: Dasurschutz muss bestehenU/CSU]: Richtig!)zigen Fassung ist gut fürch Haaren in der Suppe, sagen: Der Hochwasser-irklicht werden. Ihre Ab-ter.Haben wir nicht viele ge-aben wir. Unter dentaloges, den Sie mit Fleiß, die wir gerne mitzeich-n [FDP]: Na siehstWas ist der gemeinsame Nenner dieser drei Anträge? immer besonders für Ihre eigenen Anträge; das ist ver-Dr. Ole SchröderBernhard Schulte-DrüggelteUwe SchummerWilhelm Josef SebastianHorst SeehoferKurt SegnerMatthias SehlingMarion SeibHeinz SeiffertBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerJens SpahnErika SteinbachChristian von StettenGero StorjohannAndreas StormMax StraubingerMatthäus StreblLena StrothmannMichael StübgenAntje TillmannEdeltraut TöpferDr. Hans-Peter UhlArnold VaatzVolkmar Uwe VogelAndrea Astrid VoßhoffGerhard WächterMarko WanderwitzPeter Weiß
Gerald Weiß
Ingo WellenreutherAnnette Widmann-MauzKlaus-Peter WillschWilly Wimmer
Werner WittlichDagmar WöhrlElke WülfingWolfgang ZeitlmannWolfgang ZöllerWilli ZylajewFDPDaniel Bahr
Rainer BrüderleAEHJUOHRDHJDDCKUBDMDGJAls nächster Rednerin erteile ich das Wort der Kolle-gin Gabriele Lösekrug-Möller von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!Meine Damen und Herren! Im Rahmen der Beratungenzu diesem Tagesordnungspunkt befassen wir uns mitdrei Anträgen. Ich möchte deren Titel kurz nennen. Diebeiden Anträge der CDU/CSU lauten „Naturschutz imMiteinander von Mensch, Tier, Umwelt und wirtschaftli-cher Entwicklung“ sowie „Vertrauensvolle und kon-struktive Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft undUmweltschutz stärken“, der Antrag der FDP lautet „Pro-jekt des Umweltbundesamtes zur so genannten verdeck-ten Feldbeobachtung stoppen“.BeEnThmtwSrwmN
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9926 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004
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Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ichfürchte, Sie glauben tatsächlich an die heilende Wirkungdieses Breitbandpräparates. Führt dies wirklich zu einerhöheren Akzeptanz des Naturschutzes insgesamt, einemZiel, das wir wohl alle erreichen wollen und müssen? Ichhabe starke Zweifel daran. Am Ende mögen wir einenNaturschutz im Politikformat eines Bierdeckels haben.Wie viel Naturschutz haben wir dann verloren?Die Idee von Verträgen nimmt in Ihrem Antrag vielRaum ein. Sie sprechen von einem ökologischen Gene-rationenvertrag und von vielen vertraglichen Vereinba-rungen zwischen den dort – ich nehme an, Sie beziehensich damit auf naturschutzrelevante Gebiete – lebendenund wirtschaftenden Menschen. Was stünde am Ende Ih-rer Naturschutzstrategie? Wäre das eine unübersehbareZahl von Verträgen? Wer mit wem, worüber, wie lange,zu welchen Bedingungen und mit welchen Rechten undPflichten? Fragen über Fragen! Wir sagen: Auch vertrag-liche Vereinbarungen im Naturschutz brauchen vorgege-bene, staatlich definierte Rahmen.
Es obliegt nun einmal dem Staat, den Schutz des öffent-liches Gutes Natur zu verantworten. Vertragsnatur-schutz ist dabei ein Instrument. Das entwickeln wirpfleglich weiter.
Es bleiben weitere Fragen offen. Wie wollen Sie eszum Beispiel mit jenem notwendigen Naturschutz halten– ich bitte Sie wirklich um Aufmerksamkeit –, mit demkeinerlei Profit zu erzielen ist und der ökonomischen In-teressen eindeutig zuwiderläuft? Aber vielleicht gibt esden dann ja gar nicht mehr.Auf der Suche nach Gemeinsamkeiten bin ich den-noch fündig geworden. Ich stelle das Positive nach vorneund nenne zum Beispiel NAWAROS, also nachwach-sende Rohstoffe. Ich kann nur sagen: Wir haben daserstklassig ins EEG aufgenommen. Man muss Sie an Ih-rwhmhtnbmtZDsvvsÜbsKFdZ–PfKhelswf
Als weiteres Beispiel nenne ich die Biomasse. Auchier sind wir erklärtermaßen auf dem richtigen Weg. Sieüssen sich beeilen, um uns einholen zu können.
Auch beim Thema Bodenschutz herrscht weitestge-end Übereinstimmung. Über die 10 Prozent Kostenbe-eiligung für die Kalkung müssen wir an dieser Stelleicht reden. Hier wünscht man sich aber den Staat her-ei, den man an anderer Stelle überhaupt nicht habenöchte.Ein anderer wichtiger Punkt ist die nationale Nachhal-igkeitsstrategie. Wir freuen uns auf eine konstruktiveusammenarbeit. Darauf müssen wir alle Wert legen.abei werden wir Sie an Ihren Taten messen. Ich binchon sehr gespannt, ob es wieder so läuft wie bei denorgenannten Gesetzgebungsverfahren: Erst sind Sieoll dafür, aber wenn es darum geht, Farbe zu bekennen,ind Sie nicht mehr da.
Wir geben nicht auf, Gemeinsamkeiten zu suchen,bereinstimmungen herauszuarbeiten und Zusammenar-eit anzubieten. Aber – das werden Sie verstehen – die-en Anträgen können wir nicht zustimmen.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Christel Happach-
asan von der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!rau Lösekrug-Möller, ich verstehe bei all dem Lob füren ersten CDU/CSU-Antrag nicht, dass Sie doch sagen:ustimmen können wir nicht.
Das Lob war deutlich. Übereinstimmung war in vielenunkten da.Ich kann nur sagen: Wer im Mai durch Deutschlandährt, erlebt eine schöne, eine reizvolle Landschaft, eineulturlandschaft, die sich in Generationen entwickeltat. Wir als FDP wollen unseren Kindern und Enkelnine solche Landschaft übergeben, die zu erleben sichohnt. Gerade in einer globalisierten Welt brauchen Men-chen Regionen, die sie als ihre Heimat empfinden. Wirollen sie ihnen nicht nehmen, sondern wir müssen sieür sie erhalten.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004 9927
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Dr. Christel Happach-Kasan
Der Schutz von Natur und Landschaft und die imSinne der Nachhaltigkeit betriebene Weiterentwicklungkann nur im vertrauensvollen Miteinander gestaltet wer-den. Dabei müssen alle vor Ort tätigen Akteure beteiligtwerden: die Landeigentümer, die Land- und Forstwirte,die Tourismusbetriebe und die im Naturschutz tätigenVerbände. Es gilt: Die existenziellen Interessen müssenberücksichtigt und Nutzungseinschränkungen im Inter-esse der Gesellschaft auch von der Gesellschaft finanzi-ell ausgeglichen werden.Ein gutes Beispiele dafür ist das Konzept der Land-schaftspflegeverbände. Der kooperative Ansatz derDeutschen Umwelthilfe – Frau Lösekrug-Möller, da-rüber haben wir uns gerade unterhalten – ist richtig.Über vertragliche Regelungen wurden einvernehmlicheLösungen erzielt. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegenvon Rot-Grün, wir wollen keine Kolonialisierung derländlichen Räume durch die Städte.
Die Menschen haben zurzeit oft das Empfinden, dassihre Freiräume durch politische Entscheidungen immermehr eingeschränkt werden. Die Proteste vor Ort kündendavon. Das gilt auch für das Vorhaben der Bundesregie-rung, das Bundeswald- und Bundesjagdgesetz zu novel-lieren und im Fazit die Regelungsdichte zu erhöhen.
Die Regulierungswut von Rot-Grün ist vom Miss-trauen gegen die Bürgerinnen und Bürger getragen.
Ein solches Projekt des Misstrauens ist der vom UBAvergebene Auftrag zur Erfassung des Fehlverhaltens beider Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Laut Pro-jektbeschreibung soll mittels verdeckter Feldbeobach-tungen ein realistischer Überblick gewonnen werden.
Das Projekt wird sehr zutreffend unter dem Stichwort„Bauernspione“ diskutiert. Wir lehnen es ab.Ich will herausstellen: Der sachgerechte Umgang mitPflanzenschutzmitteln ist im Interesse der Vermeidungvon Beeinträchtigung der Natur und im Interesse desVerbraucherschutzes unverzichtbar.
Aufgrund des Lebensmittelmonitorings wissen wir: DieRückstände von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmittelnsind minimal. Unsere Lebensmittel sind sicher. Dahergibt es keinen Bedarf für ein solches Projekt.
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Herr Zöllmer, das ist Unsinn. Schauen Sie sich einmaln einem Landkreis um. – Die Behörden unseres Landesaben eine dienende Funktion und dürfen dieses pau-chale und völlig ungerechtfertigte Misstrauen nicht be-ienen. In einem Rechtsstaat haben verdeckte Ermitt-ungen auf dem Grund und Boden eines Landwirts mitem Ziel, sein mögliches, noch nicht einmal wahrschein-iches Fehlverhalten nachzuweisen, absolut keinen Platz.
Ich will ganz deutlich sagen: Ich bin sehr dankbarSie alle waren dabei –, dass sich in der Diskussion imusschuss die Sprecher aller Fraktionen – Kollegeeisheit, Kollege Carstensen genauso wie Kollegestendorff – gegen das Projekt ausgesprochen haben.ch bin entsetzt, dass das Vorhaben inzwischen dennochergeben worden ist. Der Einfluss der Abgeordneten deroalitionsfraktionen – das müssen Sie doch sehen – istffensichtlich sehr gering. Wir als FDP fordern deshalbie zuständigen Minister Trittin und Künast sowie denBA-Präsidenten Troge nochmals auf, dieses unsäglicherojekt zu stoppen und sich bei den Landwirten zu ent-chuldigen.Über die Bauernspione wird in jeder Agrarzeitungiskutiert, die zuständige Ministerin aber äußert sich miteinem Wort. Das ist unglaublich. Frau Künast, Sie alsinisterin für Verbraucherschutz, Ernährung und Land-irtschaft haben die Pflicht, die Landwirte vor unge-echtfertigten und unhaltbaren Angriffen zu schützennd zu verteidigen. Natürlich ist die Ministerin bei einerolchen Debatte nicht da; das ist wieder einmal typisch.
ffensichtlich steht die Ministerin hinter diesem Projekt;nders ist ihr Schweigen nicht zu erklären.
och eines will ich erwähnen: In der Vorbereitung desBA-Projektes wurde als einziger Verband deraturschutzbund Deutschland eingebunden, nicht derauernverband, nicht einmal der Bauernbund. So warie Antwort der Bundesregierung auf die Frage vonolker Wissing. Seit wann lehnt Rot-Grün die Beteili-ung von Betroffenen ab? Wohl nur dann, wenn es sichm Landwirte handelt. Sie können sich wohl nicht vor-tellen, dass auch Landwirte Betroffene von Ihrer Politikind.
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9928 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004
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Dr. Christel Happach-Kasan
Der liberale Umweltminister Sander in Niedersachsenhat mit seinem Höflichkeitserlass einen richtigen Wegbeschritten.
Ich würde mir wünschen, dass dieser Weg der Weg ist,den auch die Bundesregierung geht. Ich bedanke mich,dass die CDU/CSU-Fraktion dieses in ihrem Antrag auf-gegriffen hat.
Frau Kollegin Happach-Kasan, erlauben Sie eine
Zwischenfrage des Kollegen Herzog?
Ja, gerne.
Bitte schön.
Frau Kollegin Happach-Kasan, sind Sie bereit, zur
Kenntnis zu nehmen, dass der Beirat von dem Projekt,
über das Sie sprechen, gestern getagt hat und dass nach
meiner Kenntnis auch eine Vertreterin des Deutschen
Bauernverbandes dabei war?
Herr Kollege Herzog, ich bin gerne bereit, dieses zur
Kenntnis zu nehmen. Ich freue mich, dass inzwischen
auch der Bauernverband eingebunden ist. Gleichwohl
bleibt bestehen, dass der Bauernverband bei der Vorbe-
reitung des Projektes nicht eingebunden war und es of-
fensichtlich des öffentlichen Druckes bedurfte, um diese
Mindestforderung, die gerechtfertigt ist, zu erfüllen.
Ich komme zum Schluss. Wir brauchen eine Koopera-
tion mit den Landwirten. Nur so können wir den Natur-
und Umweltschutz und die Landwirtschaft in Deutsch-
land weiterbringen. Das ist im Interesse der Menschen in
den ländlichen Räumen. Ich fordere Sie auf, Ihr Abstim-
mungsverhalten zu den Anträgen noch einmal zu über-
denken.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Kollege Friedrich Ostendorffvom Bündnis 90/Die Grünen.NrAJFgvCFsdibSdhtmzsisssLDDaVUafwtUgklwaCn
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-en! Wir behandeln heute zwei Anträge der CDU/CSU.ber vergleichen Sie bitte einmal diese beiden Anträge.eder wird sich fragen: Ist das dieselbe Fraktion? Wasrau Connemann und Herr Carstensen hier zusammen-eschrieben haben, fällt doch deutlich hinter den Antragon Herrn Paziorek, Caesar und anderen von der CDU/SU zurück.
ür uns ist dieser Antrag allerdings typisch für das Ge-pann Connemann/Carstensen, der Berliner Zweigstellees Deutschen Bauernverbandes:
nhaltlich dünn, dafür aber umso aufgeblasener vorge-racht.
ie fangen mit Allgemeinplätzen zur so genannten ver-eckten Feldbeobachtung an, aber im Forderungsteilaben Sie schon vergessen, womit Sie angefangen hat-en. Da ist von verdeckter Feldbeobachtung keine Redeehr. Stattdessen fordern Sie die Änderung des Pflan-enschutzgesetzes, das Sie selbst geschrieben und be-chlossen haben. Statt greifbarer Inhalte beschwören Sien Ihrem Antrag das angeblich durch das Pflanzen-chutzgesetz und das Umweltbundesamt geschürte ge-ellschaftliche Misstrauen gegenüber der Landwirt-chaft, um dann zu postulieren: „Dies wird deneistungen und Verdiensten der Landwirtschaft ineutschland in keiner Weise gerecht.“Was wollen Sie uns denn mit solchen Floskeln sagen?as ist doch nichts weiter als eine billige Anbiederungn einen Berufsstand, zu dem Sie, Frau Connemann, alserfasserin dieses Antrages sehr oft weit entfernt stehen.nserer Meinung nach ist das inhaltliches Gewäsch. Ichls Bauer fühle mich durch solche Sätze veräppelt undür dumm verkauft. Heute spielen Sie sich als Oberan-älte der Landwirtschaft auf, aber wenn es um die Ver-eidigung der Rechte von Bauern und Bäuerinnen gegenS-Importeure von Gensoja und Futtermittelkonzerneeht,
önnen die Bäuerinnen und Bauern von Ihnen wenig So-idarität erwarten,
ie Sie diese Woche wieder sehr eindrucksvoll im Agrar-usschuss gezeigt haben. Dann vertreten Sie von derDU/CSU nur noch die Interessen der Industrie. Wirennen das scheinheilig.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004 9929
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Friedrich OstendorffWie Sie wissen, habe ich persönlich eine sehr kriti-sche Einstellung zu der so genannten verdeckten Feldbe-obachtung, weil ich die Methode für nicht richtig halte.
Gegen das Ziel, einen realistischen Überblick über dieAnwendungspraxis im Pflanzenschutz und den Umgangmit Abstandsregelungen zu gewinnen, ist nichts einzu-wenden, aber bitte nur im offenen Dialog mit den Bauernund Bäuerinnen.
Der Bauernverband spielt hierbei im Übrigen eindoppeltes Spiel. Zunächst werden mit populistischemGebrüll die Stammtische bedient, dann aber ist HerrSonnleitner der Erste, der „Hier!“ schreit, wenn es umdie Vergabe eines Postens in einem Beirat zu dem Pro-gramm geht.
Entscheidend ist, dass der konstruktive und vertrau-ensvolle Ansatz des Reduktionsprogramms – jetzt soll-ten Sie zuhören! –,
der sehr wichtig und wertvoll ist, nicht gestört wird. Sieinteressieren sich gar nicht für das Reduktionspro-gramm. In Ihren Anträgen ist davon keine Rede. Siewollen nur den gesellschaftlichen Konflikt schüren.Es gibt durchaus Probleme mit der Gewässerbelas-tung durch Pflanzenschutzmittel. Auch gibt es besondereProblembereiche wie das Alte Land und Verstöße gegendas geltende Recht, die entsprechend bestraft werdenmüssen. Denn Wasserverschmutzung ist kein Kavaliers-delikt. Das muss man benennen und sachgerecht ange-hen. Dies tun wir auch.Wir haben mit dem Reduktionsprogramm, das bereitsvorliegt, einen sehr konstruktiven Ansatz gewählt. Es istuns gelungen, die gesamte Breite der Verbände von denAnwendern über die Umweltverbände bis hin zur Indus-trie gemeinsam mit Bund und Ländern an einen Tisch zubringen. Es ist gelungen, auf dieser breiten Basis kon-struktiv zu arbeiten.Das ist unser Ansatz, der auf Kooperation und Ver-trauen basiert. Diesen Weg werden wir weiter beschrei-ten, wie wir es im rot-grünen Koalitionsvertrag gemein-sam vereinbart haben.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Gitta Connemann von
der CDU/CSU-Fraktion.
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amit wird ein ganzer Berufsstand kriminalisiert. Mirällt dazu nur ein Wort ein: infam. Das sage ich durchausus eigener persönlicher Betroffenheit, Herr Ostendorff.ch komme nämlich aus einem landwirtschaftlichen Be-rieb, der zurzeit von meinem Bruder bewirtschaftetird, und ich weiß, wie sehr ihn dieser Vorwurf getrof-en hat.
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9930 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004
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Frau Kollegin Connemann, erlauben Sie eine Zwi-
schenfrage der Kollegin Krogmann?
Ja, wenn Sie die Zeit anhalten.
– Sie ist nicht bestellt.
Ich halte die Zeit an. – Bitte, Frau Dr. Krogmann.
Kollegin Connemann, Sie haben eben das Projekt
„verdeckte Feldbeobachtung“ angesprochen. In der Ver-
gangenheit gab es insbesondere im Alten Land eine gute
Kooperation zwischen Umweltschutz und Landwirt-
schaft, die aufgrund der dort vorhandenen differenzier-
ten Gräbenstruktur auch notwendig ist. Teilen Sie meine
Auffassung, dass gerade durch dieses Projekt die gute
Kooperation im Alten Land kaputtgemacht wird, weil
man pauschal alle Obstbauern kriminalisiert und unter
Generalverdacht stellt?
Frau Kollegin Krogmann, Ihre Auffassung teile ichuneingeschränkt. Selbst der Kollege Ostendorff hat ein-geräumt, dass es Probleme gibt. Gerade die Obstbauernim Alten Land werden hinsichtlich des Einsatzes vonPflanzenschutzmitteln völlig allein gelassen; denn ihnenwerden gar keine legalen Pflanzenschutzmittel mehr zurVerfügung stehen. Das ist so.
– Ich habe den Kollegen Carstensen gefragt. Ich habe so-gar Anfragen an die Bundesregierung gestellt, in denenich deutlich gemacht habe, dass keine legalen Pflanzen-schutzmittel mehr zur Verfügung stehen und dass manmit diesem Problem die Obstbauern alleine lässt.Die Erfahrungen zeigen jedenfalls, dass das Miteinan-der von Umweltschutz und Landwirtschaft im AltenLand hervorragend ist. Dieses Miteinander wird gefähr-det. Deswegen muss dieses Projekt gestoppt werden. Esist ein infames Projekt.
Stellen Sie sich vor, welch einen öffentlichen Auf-schrei es gegeben hätte, wenn andere Wirtschaftsberei-che von diesem Projekt betroffen wären! Stellen Sie sichvor, es wären Pläne bekannt geworden, wonach ver-deckte Ermittler in Automobilbetriebe geschickt werdensollten, um die Einhaltung von Umweltschutzbestim-mungen zu überprüfen!
Der Bundeskanzler wäre sicherlich der Erste gewesen,der sich empört zu Wort gemeldet hätte. Vielleicht wäreelFfjfWtBLhltdlSPügdmwuseedltbGdwSzdVDidcfVwebLKLdL
Leider blieb eine solche Empörung im vorliegendenall aus. Niemand reagierte. Erst als der Druck der Öf-entlichkeit zu groß wurde, ließ man erklären, das Pro-ekt werde eingestellt. Tatsächlich soll es aber weiterge-ührt werden, allerdings in leicht abgewandelter Form.ie diese aussehen wird, ist nicht bekannt. Eine Präsen-ation des Projekts ist in nächster Zeit vorgesehen.Der eben beschriebene Vorgang zeigt, wie verzerrt derlick gerade der Bundesregierung auf die deutscheandwirtschaft ist. Frau Kollegin Lösekrug-Möller, Sieaben mit Ihrer Rede bewiesen, dass bei Ihnen Vorstel-ung und Wirklichkeit weit auseinander klaffen. Es gibtatsächlich keinen einzigen Grund für eine Diffamierunger deutschen Landwirtschaft; denn die in Deutsch-and tätigen Landwirte unterliegen strengsten Auflagen.ie müssen einen Sachkundenachweis erbringen. Ihreflanzenschutzgeräte werden regelmäßig vom TÜVberprüft. Die Ausbringung unterliegt einem dichten Re-elungswerk mit detaillierten Vorschriften. Das betrifften Zeitraum für die Ausbringung, die Art, die Zusam-ensetzung und die Konzentration der Mittel ebensoie die Wartezeiten, die nach dem Einsatz vor der Erntend der Vermarktung einzuhalten sind. Es sind Ab-tandsbestimmungen den Gewässerschutz betreffendinzuhalten. Die Zahl der Wirkstoffe ist – anders als imuropäischen Ausland – auf 200 begrenzt. Angesichtser sehr hohen Kosten gebietet zudem die Wirtschaft-ichkeit den sparsamen Einsatz von Pflanzenschutzmit-eln. Landwirte arbeiten verantwortungsbewusst. Sie ha-en damit deutliche Erfolge im Bereich desewässerschutzes erzielt. Die Daten des UBA belegenas.Um eines klar zu sagen: Eine kritische Betrachtungs-eise beim Umgang mit Pflanzenschutzmitteln ist eineelbstverständlichkeit. Niemand will denjenigen schüt-en, der wissentlich gegen Gesetze verstößt. Aber geradeie Landwirte tun dies nicht und haben deshalb unserertrauen verdient.
ie Kontrolle der betroffenen Landwirte sollte deshalbn einem Dialog, in einem Miteinander geschehen. Wir,ie Union, wollen gemeinsam mit der FDP ein deutli-hes Signal an unsere Landwirte, aber auch an die Öf-entlichkeit richten. Es muss Schluss mit pauschalenerdächtigungen und Diffamierungen sein. Deswegenollen wir eine Änderung des Pflanzenschutzgesetzesrreichen. Wir haben entsprechende Anträge einge-racht, die nicht nur den Landwirten, sondern auch derandschaft, der Natur dienen. Denn eines sollten Sie zurenntnis nehmen: Es gibt keinen Naturschutz ohneandwirtschaft. Die Pflege einer Kulturlandschaft wieer unsrigen und der darin lebenden Tiere ist nur mit derandwirtschaft möglich. Wenn Sie diesen Dialog, dieses
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004 9931
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Gitta ConnemannMiteinander infrage stellen, dann schaden Sie dem Na-turschutz und dem Tierschutz am meisten.
Vor diesem Hintergrund sage ich Ihnen: Wir habenunsere Vorschläge gemacht. Wir sind sicherlich auch ge-sprächsbereit, wenn Sie andere Vorschläge haben. Wirwerden zu allem, was geeignet ist, das Ansehen derLandwirte zu stärken und einen Beitrag zu einem ver-trauensvollen Miteinander von Umweltschutz und Land-wirtschaft zu leisten, unsere Zustimmung geben.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Gustav Herzog von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Wir beraten heute drei Anträge der Opposition zum
Komplex Naturschutz und Landwirtschaft. In zwei An-
trägen geben Sie, die Damen und Herren der Opposition,
vor, die Landwirtschaft vor bösen Angriffen schützen zu
müssen.
Ich stelle fest, dass zwei Anträge der CDU/CSU und
der FDP zum UBA-Projekt der Landwirtschaft bereits
Schaden zugefügt haben und dem Image der deutschen
Landwirtschaft auch weiterhin Schaden zufügen wer-
den. Dass wir hier zur besten Sendezeit über dieses
Thema reden, wird auch noch den letzten Zuhörer in die-
ser Republik darauf aufmerksam machen, dass es in der
Landwirtschaft durchaus Verfehlungen gibt. Genauso
wie der Bauernverband tun Sie der deutschen Landwirt-
schaft mit dieser Debatte keinen Gefallen.
Sie haben aufgebauscht und aufgehetzt; Sie haben das
auch heute wieder hier am Mikrofon getan. Sie sollten
einmal überdenken, ob Sie Ihren Beißreflex richtig ein-
setzen, wenn es um das Umweltbundesamt oder das
Bundesamt für Naturschutz geht. In Ihrem Antrag for-
dern Sie sogar eine Gesetzesänderung mit einem Frei-
brief für illegale Anwender.
Bevor ich zum Projekt und zur Ausgangssituation
komme und die Anträge kommentiere, will ich eine wei-
tere Vorbemerkung machen. In der Diskussion ist des
Öfteren das Wort „Stasi-Methode“ gefallen. Ich
komme aus der Pfalz; ich war also weit weg von der
Stasi. Vor 1990 habe ich aber einige Male die DDR be-
sucht – mit sehr gemischten Gefühlen. Stasi-Methoden,
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Für die SPD-Fraktion stelle ich fest: Chemischer
flanzenschutz ist für unsere Landwirtschaft, für die
roduktion von guten Lebensmitteln unverzichtbar. So
ie er bei uns in Deutschland gestaltet ist, ist er auch
urchaus verantwortbar.
uch wenn es um 35 000 Tonnen Wirkstoff geht, etwa
Kilogramm pro Hektar: In der Vergangenheit ist viel
rreicht worden. Die allermeisten Landwirte halten sich
n die gute fachliche Praxis.
Herr Kollege Herzog, erlauben Sie eine Zwischen-
rage der Kollegin Connemann?
Gerne.
Bitte schön, Frau Connemann.
Herr Kollege Herzog, ich frage Sie, in welchem Zu-
ammenhang ich das Wort „Stasi-Methoden“ gebraucht
aben soll. Ich bitte um Belegung dieser Stelle, unabhän-
ig davon, ob ich es hier in meiner Rede oder in anderen
ffentlichen Äußerungen gebraucht habe. Falls Sie die-
en – wie ich finde: unhaltbaren – Vorwurf nicht belegen
önnen, fordere ich Sie auf, sich zu entschuldigen.
Frau Kollegin Connemann, Sie können im Protokollachlesen, dass ich Sie nicht persönlich angesprochenabe.
ch habe gesagt: in der Diskussion zu diesem Thema.esen Sie „Agra-Europe“ vom 8. März! Der agrarpoliti-che Sprecher Ihrer Fraktion spricht dort von „Stasi-Me-hoden“.
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Gustav HerzogIch füge hinzu: Davon war schon in der Diskussion überdieses Thema, zum Beispiel im Ausschuss und in öffent-lichen Zusammenkünften, die Rede. Ihr KollegeCarstensen benutzt in der „Agra-Europe“ vom 8. Märzdas Wort „Stasi-Methoden“. Ich kann es Ihnen vorlegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben eineReihe von Erfolgen erzielt. Wir haben in Deutschlandsehr viele gute Mittel, sehr neue Mittel und können da-mit auch auf den Märkten in Europa und in der Welt be-stehen. Wir haben gut ausgebildete Anwender. Mo-dernste Technik ist im Einsatz. Trotzdem gibt es nochimmer viele schwarze Schafe. Frau KolleginConnemann, Sie haben das Alte Land erwähnt. Dazukann ich sagen: Schwarze Schafe sind dort schon des Öf-teren angetroffen worden.Wir hatten Diskussionen im Ausschuss. Sie solltensich bei Ihren Kollegen, die in der vorherigen Wahl-periode im Ausschuss waren, einmal danach erkundigen,was wir gemeinsam getan haben, um den Obstbau imAlten Land zu erhalten. Dort wurde wirklich in großemUmfang – das war dokumentiert durch die Anwenderselbst – gegen die gute fachliche Praxis verstoßen.
Wir haben durchaus Schwierigkeiten, praktikableAnwendungsbestimmungen zu finden, und das machtes für die Landwirte in Deutschland schwer. Ich nenneIhnen ein Beispiel: Ein Acker wird begrenzt durch einenWeg, durch einen Wasserlauf, durch eine Wiese unddurch einen anderen Acker. Verwendet der Landwirt einbestimmtes Getreideherbizid, muss er vier verschiedeneAbstände einhalten. Wenn er verschiedene Düsen be-nutzt, um das Mittel auszubringen, wird die Sache nochkomplizierter. Wenn der Acker dann auch noch in einemGebiet liegt, das kleinteilig strukturiert ist, wird es nochschwieriger.Das sehen wir auch ein. Wir sind da, denke ich, auf ei-nem guten Weg, bessere Technik verbindlich zu machenund auch die Auflagen für die Landwirte zu vereinfa-chen.Das Projekt des UBA hat sicherlich nicht den beson-deren Glanz, den ich für ein solches Projekt gern hätte.Auch da sind gewiss noch einige Dinge nachzubessern.Aber Ihre permanente Unterstellung, Frau KolleginConnemann,
die Ergebnisse dieser Untersuchung, die Einzelergeb-nisse und die Gesamtergebnisse, würden genutzt, umVerfahren gegen einen Landwirt einzuleiten, ist einfachfalsch. Die Ergebnisse werden in anonymer Form ausge-wertet und weitergegeben.Nun konkret zu den Anträgen, zunächst zu dem FDP-Antrag. Frau Kollegin Happach-Kasan, verdeckte Feld-beobachtung ist ein anerkanntes wissenschaftliches In-swnjwkuÜdScsddkvthgZDgmkBFmhmOBsDdmsiiEkdHmdze
berschrift und Inhalt haben überhaupt nichts miteinan-er zu tun. Ich bin mir auch nicht im Klaren darüber, obie überhaupt wissen, was Sie mit diesem Antrag errei-hen könnten,
ofern wir so unvernünftig wären, ihn umzusetzen, under Bundesrat dieser Unvernunft folgen würde, sodassie gewünschten Änderungen tatsächlich ins Gesetzblattämen.Sie wollen das Pflanzenschutzgesetz ändern und dieon mir vorhin mehrfach erwähnten Pflanzenschutzäm-er, die die Kontrollen zu machen und Sanktionen zu ver-ängen haben, ihrer Möglichkeiten berauben. Einem Ti-er, bei dem der Zahn wackelt, wollen Sie nicht nur denahn ziehen, sondern auch noch die Krallen ausreißen.a frage ich mich wirklich: Haben Sie die von Ihnen re-ierten Länder vorher gefragt, was sie zu diesem Antrageinen? Sie hätten dann nämlich bestimmte Möglich-eiten nicht mehr. Meine Fraktionskollegin hat schon eineispiel gebracht.Ich will das vertiefen. Sie wollen mit Ihrem Antragolgendes erreichen: Das zuständige Pflanzenschutzamtuss einen Brief an den Landwirt schreiben. – Jetztätte ich gern einen aktiven Bauern aus der Union na-entlich erwähnt, aber nun muss ich den Kollegenstendorff ansprechen, da er wohl der einzige aktiveauer hier im Plenum ist. – Das Pflanzenschutzamtchreibt also einen Brief, in dem es einen Besuch amienstag, von 14 bis 16 Uhr, ankündigt. – Für den Fall,ass der Kollegin Connemann die Frist noch nicht ange-essen erscheint: Der Besuch findet übernächste Wochetatt. – Es muss außerdem schreiben: Herr Ostendorff,ch will bei Ihnen auf dem Hof einmal nachschauen, obm Giftschrank nur das ist, was darin sein darf.
s muss noch dazusagen: Ich will auch Ihre Feldspritzeontrollieren.Zu dem angekündigten Termin kommt der Mann oderie Frau vom Pflanzenschutzamt und steht vor demaus. Herr Ostendorff sagt dann aber: Nein, nein; mitir aber nicht. – Dann darf die Kontrolle nicht stattfin-en. Der gute Beamte oder die gute Beamtin vom Pflan-enschutzamt dackelt wieder nach Hause und versucht,inen neuen Termin zu bekommen. – Das alles, weil Sie
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Gustav Herzogdie Einschränkung der Unverletzlichkeit der Wohnungbei den Kontrollen streichen wollen!
Noch einmal: Die Regelung, die Sie vorsehen, hat garnichts mit dem vom UBA kritisierten Projekt zu tun.Überhaupt beinhaltet Ihr Antrag eine irre Logik nachdem Motto: Weil wir die strengsten Bestimmungen ha-ben, ist Misstrauen nicht angebracht und deswegen müs-sen wir die Kontrollen abschaffen. So etwas können Siedoch wirklich niemandem klar machen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, kehren wir zurückzu einer sachlichen Diskussion. Folgen Sie den Wegen,die die rot-grüne Koalition vorgegeben hat. Damit brin-gen Sie Landwirtschaft und Naturschutz unter einen Hut.Im Ergebnis ist das gut für Bauer, Bach, Busch undBiene.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Kollege Josef Göppel von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich
möchte in den kommenden vier Minuten zu unserem Na-
turschutzantrag sprechen. Der Bedeutungsinhalt des Na-
turschutzes ist in den letzten zehn bis 15 Jahren gegen-
über den 80er-Jahren deutlich erweitert worden: vom
ursprünglichen Arten- und Biotopschutz hin zum Schutz
der Lebensräume, in den auch die Lebensräume des
Menschen einbezogen sind. Dieser Gedanke kam mir,
Frau Lösekrug-Möller, als Sie von der gleichen Augen-
höhe gesprochen haben. Im von Herrn Caesar ausge-
arbeiteten Antrag stehen Natur, Mitgeschöpfe sowie der
Mensch und seine wirtschaftliche Entwicklung auf
gleicher Augenhöhe. Ich finde, das ist der richtige An-
satz.
Wir alle haben in dieser Woche ja die Studie des Ber-
lin-Instituts „Deutschland 2020“ auf unseren Schreib-
tischen vorgefunden. Aus dieser Studie geht ganz deut-
lich hervor, dass Voraussetzung für eine gute
wirtschaftliche Entwicklung eine intakte Landschaft ist,
aber umgekehrt eine intakte Landschaft allein nicht aus-
reicht, um junge Menschen zu veranlassen, in einem
Raum zu bleiben. Aus diesem Grund geht der Antrag des
Kollegen Caesar in die richtige Richtung. Wir müssen
eine solche Zusammenschau vornehmen.
Ich hätte es mir sehr gewünscht, wenn es bezüglich
des SPD-Antrages zum Naturschutz, den wir vor einigen
Wochen behandelt haben, Gespräche mit der Union ge-
geben hätte. Nach meiner Meinung hätte es durchaus die
Möglichkeit gegeben, einen gemeinsamen Antrag zu-
stande zu bringen, denn die Zahl der Abgeordneten, die
sich um das Thema Naturschutz kümmern, ist ja, wie wir
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Mir sind aber darüber hinaus, meine verehrten Kolle-
innen und Kollegen von der Koalition, noch zwei
unkte besonders wichtig: Erstens. In dem Koalitions-
ertrag, den Sie im Jahr 2002 geschlossen haben, steht:
Wir werden den Naturschutz weiter stärken.
iesbezüglich sind natürlich Umsetzungsdefizite zu be-
lagen. Ich nenne nur das Stichwort Grünes Band. Es
äre sehr schön, wenn die Naturschutz- und Landwirt-
chaftspolitiker in den Koalitionsfraktionen ihren Fi-
anzminister so weit brächten, dass eine Lösung dafür
efunden wird, wie dieses nationale Kultur- und Natur-
rbe auf Dauer bewahrt und gleichzeitig unter Einbezie-
ung der Landwirtschaft eine Nutzung der Flächen er-
öglicht werden kann.
Ein zweiter Punkt ist mir im Zusammenhang mit der
grarreform besonders wichtig – ich wäre Ihnen dankbar,
err Kollege Herzog, wenn Sie etwas leiser telefonieren
önnten –: Bei der Einführung von Cross Compliance
ürfen die Naturschutzauflagen, die die Landwirtschaft
ut Gesetz einzuhalten hat, nicht so hoch geschraubt wer-
en, dass für den Vertragsnaturschutz kein Spielraum
ehr bleibt. Damit würden wir nämlich viele Landwirte,
ie sich frühzeitig dem Naturschutz zugewandt haben,
nttäuschen. Über diesen Punkt wird im Rahmen der Um-
etzung der Agrarreform in Deutschland derzeit am meis-
n diskutiert.
ier haben wir einen Prüfstein, ob dieses Miteinander
nd das Einbeziehen der Landwirtschaft in den Natur-
chutz funktioniert.
Ich bedanke mich – zwei Sekunden vor Schluss der
edezeit.
Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunktat die Kollegin Undine Kurth von Bündnis 90/Die Grü-en das Wort.Undine Kurth (BÜNDNIS 90/DIERÜNEN):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ehr geehrte Gäste dieses Hauses! Als letzte Rednerin iner Debatte über Naturschutzfragen möchte ich mit demeginnen, was mir an dem vorliegenden Antrag gefällt.ie Antragsteller haben Recht, wenn sie feststellen, dass
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Undine Kurth
Naturschutzfragen immer wieder ins Zentrum politischerEntscheidungen rücken müssen. Naturschutz geht allean; das ist richtig und völlig unumstritten.Ich bin auch nicht so vermessen zu meinen, wir wür-den alles richtig machen und es gäbe keine Punkte, überdie wir gemeinsam reden sollten. Das hat auch der soe-ben vorgelegte Bericht des Sachverständigenrates Um-welt deutlich gemacht, der uns vor Augen führt, dassHandlungsbedarf besteht.Aber damit hören die Gemeinsamkeiten im Wesentli-chen auch schon auf. Das tut mir eigentlich Leid; dennich finde, Herr Göppel hat Recht: Wir brauchen bei die-sem Thema sehr viele Gemeinsamkeiten. Aber Ihr An-trag macht leider ziemlich deutlich, dass Sie sich mitFragen des Naturschutzes als Teil der Daseinsvorsorgeoffenbar nicht wirklich und nicht ernsthaft auseinandersetzen wollen. Wenn hier davon geredet wird, dass dieAufgaben des Naturschutzes in gleicher Augenhöhe mitanderen Politikbereichen angegangen werden sollten, istdas richtig. Aber dann müssen Sie sich auch ernsthaftdamit auseinander setzen, wie die gleiche Augenhöhehergestellt werden kann. In Ihrem Antrag finde ich einSammelsurium von Forderungen, ziemlich kunterbuntund ohne jede Stringenz. Ein Antrag ist aber dazu da,konkret aufzuzeigen, wo welche Veränderungen erreichtwerden sollen. Es sollte nicht nach dem Motto gehen,dass über das geredet wird, über das jeder einmal redenwollte.Frau Happach-Kasan, was ist eigentlich „die Kolonia-lisierung des ländlichen Raums durch die Städte“? Wasist denn das für ein Begriff? Was soll man damit anfan-gen?
Andere Beispiele: Was sollen wir davon halten, wennSie fordern, „zu verständlichen, übersichtlichen und pra-xisnahen Formulierungen und Lösungen zurückzukeh-ren“? Werden Sie doch, bitte schön, etwas konkreter.Was verstehen Sie denn nicht? Was wollen Sie wie än-dern? Was Sie in Ihrem Antrag formulieren, ist sehr all-gemein.Was dürfen wir denn davon halten, wenn Sie, HerrCaesar, fordern, dass der Bund Flächen im GrünenBand für den Biotopverbund zur Verfügung stellen soll?Wir wissen doch, dass es das Angebot des Bundesfi-nanzministers gibt, dass die Länder kostenlos die Flä-chen übernehmen können. Es liegt jetzt an den Ländern,das auch zu tun. Wir sind einer Meinung, dass mit demGrünen Band etwas geschehen muss. Aber der Bund hatsein Mögliches getan.
Machen Sie Ihren Einfluss auf die Landeschefs geltend,damit die Übernahme jetzt erfolgen kann.Was meinen Sie, wenn Sie – ohne konkret zu werden –das „nicht mehr durchschaubare Bündel an unterschied-lichen Schutzgebietskategorien“ beklagen? Meinen SiedurssnBhFokbrhBIEpndsdgmvnSmJsudteNs7m7ddKrmmn
Also stellen Sie entweder Ihr Licht unter den Scheffelder – seien Sie ehrlich – Sie wollen Standards absen-en. Das sollten Sie dann aber auch aussprechen. Darü-er müsste man diskutieren.Sie fordern, dass in Nationalparken Sport und Tou-ismus möglich sein müsse. Warum um alles in der Weltaben Sie Ihren Experten im Tourismusbereich, Herrnrähmig, nicht gefragt? Leider ist er nicht hier. Er hättehnen sagen können, dass das längst gängige Praxis ist.r hätte darüber aufklären können, dass alle National-arke im Rahmen ihres Schutzzweckes touristisch undatursportlich genutzt werden. Glauben Sie wirklich,ass Sie dem Naturschutzgedanken einen Dienst erwei-en, wenn Sie die immer wieder gebrauchten Vorurteile,ass Naturschutz und ökonomischer Nutzen einander ge-enüberständen, bedienen? Ich glaube nicht, dass wir da-it die notwendige Debatte voranbringen können.
Ich glaube auch nicht, dass es richtig ist, darauf zuerweisen, dass die Föderalismusdebatte alle anderenotwendigen Debatten überlagern könnte.Noch ein letztes Wort zum Bundesjagdgesetz. Wennie sagen, wir würden die Novellierung dieses Gesetzesit dem Ziel betreiben, die freiwilligen Leistungen deräger nicht anerkennen zu müssen, dann muss ich Ihnenagen, dass das blanker Unsinn ist. Allein ein Blick innseren Koalitionsvertrag würde Ihnen zeigen, dass wiras Gesetz unter dem Gesichtspunkt des Natur- und Ar-nschutzes reformieren müssen.
ur wer nicht anerkennt, dass sich der Raum, in demich wild lebende Tiere heute bewegen, in den letzten0 Jahren gravierend verändert hat – auch durchenschlichen Einfluss –, kann leugnen, dass ein0 Jahre altes Gesetz in einigen Punkten novelliert wer-en muss. Es ist einfach Unsinn, so zu tun, als ob es iniesem Bereich keinen Handlungsbedarf gäbe.
Dass Veränderungsbedarf besteht, betonen wir beide,oalition und Opposition. Sie predigen aber das neolibe-ale Vaterunser „weniger Staat, weniger Bürokratie undehr marktwirtschaftliche Instrumente“. Das alleineacht es aber nicht. Denn ohne Regeln ist Naturschutzicht möglich, wie wir alle wissen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004 9935
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Undine Kurth
Unser Credo dagegen ist, den Naturschutz in die na-tionale Nachhaltigkeitsstrategie und somit in alle Politik-felder zu integrieren. Wenn das Wort von der Nachhal-tigkeit fällt, darf nicht ein jeder meinen – ich bitte Sie daum Ihre Unterstützung –, es sei nur das Umweltministe-rium gemeint.Haben Sie Verständnis, dass wir Ihren Anträgen nichtzustimmen können. Trotzdem äußere ich die Hoffnung,dass wir auf diesem so wichtigen Weg gemeinsam vor-ankommen.Danke schön.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 15/2467, 15/2969 und 15/2668 an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 23 a und 23 b auf:
a) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Korrektur
von Leistungsverschiebungen bei häuslicher Kran-
kenpflege zwischen gesetzlicher Krankenversi-
– Drucksache 15/1493 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Gesundheit und Soziale Sicherung
– Drucksache 15/3075 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Hilde Mattheis
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Gesundheit und So-
ziale Sicherung
– zu dem Antrag der Abgeordneten Hilde
Mattheis, Gudrun Schaich-Walch, Helga Kühn-
Mengel, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der SPD sowie der Abgeordneten Petra
Selg, Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck
, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Demenz früh erkennen und behandeln – für
eine Vernetzung von Strukturen, die Intensi-
vierung von Forschung und Unterstützung
von Projekten
– zu dem Antrag der Abgeordneten Verena
Butalikakis, Annette Widmann-Mauz, Andreas
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Obwohl damit der weitaus größte Teil an medizinischerBehandlungspflege erfasst wird, muss festgestellt wer-den, dass krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen wiezum Beispiel das Wechseln von Sprechkanülen oder dieSekretabsaugung bei der Nahrungsaufnahme damit nichtberücksichtigt werden.
Hier besteht weiterer Regelungsbedarf.Warum lehnen wir also trotzdem den Bundesratsent-wurf, der auf einen Antrag Bayerns zurückgeht, ab? DerUmsetzungsvorschlag aus Bayern ist zu verwaltungsauf-wendig; denn die Berücksichtigung des behandlungs-pflegerischen Hilfebedarfs bei der Feststellung derPflegebedürftigkeit wird von der häuslichen Versor-gungsstruktur abhängig gemacht. Wenn also die häusli-che Pflegeperson aus irgendeinem Grund ausfällt, musseine Neubeurteilung der Einstufung erfolgen. Das ist füralle Beteiligten unzumutbar.In dem Entwurf eines Pflege-Korrekturgesetzes wirdalso ein berechtigtes Anliegen formuliert, welches größ-tenteils durch das GMG erfüllt ist. Der hier vorgeschla-gene Lösungsweg ist zu verwaltungsaufwendig. ZumVorschlag aus Bayern kann also nur festgestellt werden:Problem erkannt, Lösungsvorschlag schlecht!
Wir lehnen das Pflege-Korrekturgesetz ab.Zur Debatte stehen heute auch drei Anträge zur Ver-besserung der Lebensbedingungen von Demenz-kranken. In allen Anträgen wird zu Recht die Verbesse-rung von Forschung, Prävention und Früherkennunggefordert. Die Begründungen der Forderungen sind al-lerdings unterschiedlich aussagekräftig. Zum FDP-An-trag ist lediglich zu sagen, dass in der letzten Forderungein Coming-out steckt. Sie fordern:Finanzierung der ärztlichen Leistungen außerhalbder gedeckelten Gesamtvergütung und Heraus-nahme der für Vorsorge und Therapie von Demenz-erkrankungen benötigten Arzneimittel aus denRichtgrößenvereinbarungen.Das heißt: keine Deckelung bei der Behandlung von De-menzerkrankten.Wir alle wissen, dass es Medikamente gibt, die denAusbruch von Alzheimer möglicherweise bis zu einemJahr verzögern können. Wir wissen aber auch, dass dieseMedikamente schwere Nebenwirkungen hervorrufenkönnen.Amwamd–EsKqCsnomsbwgTiTwnddavGavkmmsDcbVtssHamW
Herr Parr, bevor Sie sich aufregen:
ine medikamentöse Behandlung von Demenzkrankenchließt niemand aus. Wir wissen aber: Bei diesemrankheitsbild bringt soziale Betreuung mehr Lebens-ualität für die betroffenen Menschen.Diese Forderung der FDP war dann auch für dieDU/CSU zu viel. Sie will – ich nehme an, als Brücken-chlag zur kleineren Oppositionspartei, der sie inhaltlichicht ganz in den Rücken fallen will – die Entwicklungptimierter medikamentöser Behandlungsmaßnahmen –ehr nicht.Die CDU/CSU hat in ihrem Antrag zur Demenz we-entliche Teilbereiche unseres Antrags aufgegriffen: dieessere Unterstützung pflegender Angehöriger, die Aus-eitung der Beratung, die Erweiterung des Pflegebe-riffs, Fort- und Weiterbildungsangebote für Hausärzte,herapeuten und Pflegekräfte.Warum also debattieren wir heute drei in Teilen fastnhaltsgleiche Anträge? Bei aller Ernsthaftigkeit dieseshemas könnten sich unbeteiligte Beobachter fragen, obir mit dieser Vorgehensweise wirklich der Sache die-en und der Herausforderung gerecht werden. Die Einla-ung, einen gemeinsamen Antrag zu formulieren, hatteie Opposition erhalten. Zwischen den Berichterstatternller Parteien wurde verabredet, einen ersten Entwurforzulegen. Das haben wir von SPD und Bündnis 90/Dierünen getan. Die Begründung, mit der die CDU/CSUus dem interfraktionell geplanten Projekt zur Situationon Demenzkranken in unserem Land ausgestiegen ist,ann ich nur als fadenscheinig bezeichnen.1,2 Millionen Menschen leiden heute schon an De-enz. Sofern wir bei Therapie- und Präventionsmaßnah-en keine entscheidenden Fortschritte machen, wirdich diese Zahl in den nächsten Jahrzehnten verdoppeln.eshalb ist es notwendig, rechtzeitig die richtigen Wei-hen zu stellen. So können wir ein Netz von abgestuften,edürfnisorientierten und gemeindenahen Hilfe- undersorgungsstrukturen und -angeboten für hilfebedürf-ige Menschen und ihre Angehörigen schaffen. Diesteht im Mittelpunkt unseres Antrags.Wir wollen, dass auf der Grundlage eines qualitätsge-icherten Assessments ein individuell zugeschnittenerilfe- und Maßnahmenplan aufgestellt wird. Wir wollenmbulante Strukturen und verstärkt alternative Wohnfor-en, die ein Leben in Selbstbestimmung ermöglichen.ir wollen kostenträgerübergreifende Anreizstrukturen
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004 9937
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Hilde Mattheisfür Prävention und Rehabilitation. Wir wollen flexible,auf die Situation der jeweiligen Einrichtungen und ihreBewohner bezogene Instrumente der Personalbemes-sung.Neben der Weiterentwicklung dieser Strukturen ist esnotwendig, in der pflegerischen Versorgung selbst An-sätze und Konzepte zu unterstützen, die auf die Wieder-herstellung von Kompetenzen und Fähigkeiten pflege-bedürftiger Menschen abzielen. Hierbei ist einegrundsätzliche Lösung der Schnittstellenproblematik dereinzelnen Kostenträger nötig. Der Begriff der Pflege-bedürftigkeit soll erweitert werden. Hierfür muss nichtnur die Pflegebedürftigkeit neu definiert werden, son-dern wir müssen auch die Verfahren zur Feststellung derPflegebedürftigkeit verbessern.Demenz ist heute immer noch ein Tabuthema. Wirmüssen also Netze zwischen professionellen und ehren-amtlichen Einrichtungen knüpfen, die nicht nur demenz-kranke Menschen betreuen, sondern auch den pflegen-den Angehörigen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Wereinmal einen Demenzkranken gepflegt hat, weiß, welchephysische und vor allen Dingen psychische Belastung esbedeutet, einen geliebten Menschen nicht nur beim kör-perlichen, sondern auch beim geistigen Zerfall zu beglei-ten.Der Wunsch, einen gemeinsamen Beitrag für eine ge-samtgesellschaftliche Debatte zu leisten, konnte wegendes Verhaltens der Opposition nicht realisiert werden. Inder nächsten Zeit werden wir nicht nur über die Umset-zung des Bundesverfassungsgerichtsurteils,
sondern zumindest auch über den Fahrplan für eine um-fassende Reform der Pflege zu diskutieren haben. Wenndie Opposition ihr Verhalten, das sie bei diesem Antragan den Tag gelegt hat, fortsetzt, hilft sie der gesamtge-sellschaftlichen Debatte nicht.
So wird sie zu keiner Lösung kommen und erst rechtnicht den hilfebedürftigen Menschen dienen.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Verena Butalikakis
von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Demenzielle Erkrankungen sind eine sozial- undgesundheitspolitische Herausforderung erster Ord-nung.DJAndhg9rmdZkArmJdtRdhbddügAsIaGgBrtpvEaQFKfgBJVeebd
Worüber beraten wir? Die Anregungen und Forderun-en von Experten verschiedener Disziplinen und vonetroffenenvertretern sind zum großen Teil seit mehre-en Jahren bekannt. Wir wissen, dass wohnortnahe Be-reuungs- und Beratungsstrukturen, individuelle Hilfe-lanung und qualitätsgesicherte Pflege und Betreuung,ielschichtige Behandlungskonzepte und frühzeitigesrkennen durch kompetente Ärzte und Unterstützungs-ngebote für Angehörige ebenso wichtig sind wie dieualifizierung der Fachkräfte, verstärkte und vernetzteorschungsanstrengungen und die Aufklärung über dierankheit in der Öffentlichkeit.All diese Forderungen, ergänzt um die Umsetzungser-ordernisse aus aktuellen wissenschaftlichen Forschun-en, sind vor über zwei Jahren in einem umfassendenericht zusammengefasst worden. Und damit liegen seitanuar 2002 77 konkrete Handlungsempfehlungen zurerbesserung der Lage und der Versorgung Demenz-rkrankter vor, denn mit 77 Handlungsempfehlungenndete der Vierte Altenbericht zum Thema „Risiken, Le-ensqualität und Versorgung Hochaltriger – unter beson-erer Berücksichtigung demenzieller Erkrankungen“.
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9938 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004
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Verena ButalikakisDie Sachverständigenkommission, die diesen Bericht er-stellt hat, war von der rot-grünen Bundesregierung beru-fen worden und die Empfehlungen richteten sich anebendiese Bundesregierung. Das war für die zuständigeMinisterin eigentlich eine Aufforderung zum konkretenHandeln.Passiert ist seit Januar 2002, also seit über zwei Jah-ren, aber nichts. Seit über zwei Jahren gibt es keine kon-krete Initiative aus dem Haus der Gesundheits- und So-zialministerin, um auch nur eine dieser Forderungenumzusetzen.
– Richtig, Herr Kollege Parr. – Das sind zwei verloreneJahre für die Betroffenen und ihre Familienangehörigen.Sie haben vergeblich auf Hilfe gewartet.Weil dies so ist, beraten wir heute abschließend diedrei vorliegenden Anträge. Alle Anträge – auch der An-trag der rot-grünen Regierungskoalition – fordern dieBundesregierung zum Handeln auf – endlich.
Entsprechend meiner einleitenden Ausführungen greifendie Anträge zwangsläufig gleiche Themenpunkte auf.Sie unterscheiden sich aber in der Gewichtung und se-lektiven Beschreibung dieser Punkte und ganz deutlich,wenn es um die konkreten Forderungen geht.Der Antrag der FDP greift mit dem Thema „Früh-erkennung und Behandlung von Demenz“ einen wichti-gen Teilaspekt auf, den wir von der Intention her teilen.Einige Forderungen im Antragstext teilen wir aber sonicht – insoweit stimme ich der Kollegin Mattheis zu –und andere fehlen uns.
Frau Kollegin Butalikakis, darf ich Sie unterbrechen?
Der Kollege Dreßen würde gerne eine Zwischenfrage
stellen. Erlauben Sie das?
Ich würde dies gern zu Ende ausführen. Ich empfehledem Kollegen Dreßen, sich zu einer Kurzintervention zumelden.
Da der Antrag heute ohne Berücksichtigung unsererumfangreichen Änderungswünsche zur Abstimmung an-steht, werden wir als CDU/CSU-Fraktion den FDP-An-trag ablehnen.Der Antrag der rot-grünen Regierungskoalition undder Antrag der CDU/CSU-Fraktion, unser Antrag also,stimmen zunächst im Benennen mehrerer Themen-schwerpunkte überein.Die deutlichen Unterschiede will ich an zwei zentra-len Punkten aufzeigen: bei der Früherkennung und-behandlung und beim erweiterten Pflegebegriff.SigcsfEsbseebDpdSvdhhdDDuzAdhMkdstdwrFdpdfnJG
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denn im Januar dieses Jahres hat der Kanzler dieReform der Pflegeversicherung mit einem Machtwortgestoppt. Mittlerweile kann man der Presse entnehmen,dass das Sozialministerium in diesem Jahr keine Verbes-serungen für Demenzerkrankte auf den Weg bringenwird. Sie sind auf die folgenden Jahre verschoben wor-den. Durch die Aussagen der Kollegin Mattheis wurdedies ja gerade bestätigt.
Es geht nur noch um die Planung einer Änderung derPflegeversicherung – mehr nicht.Das passt auch zu dem Antrag von Rot-Grün; denndort heißt es: „... bedarf der Pflegebegriff in der Pflege-versicherung mittelfristig einer Überarbeitung“.
„Mittelfristig“ heißt nichts anderes, als dass der Beginnder Planungen auf einen unabsehbaren Zeitpunkt ver-schoben wird.
Hier muss ich natürlich das Wort an die Frau KolleginSelg richten: Frau Selg, wenn Sie Ihre Aussagen, dieman seit Ende April in der Presse lesen kann,
tatsächlich ernst meinen und wenn Sie glaubwürdig blei-ben wollen – gerade auch im Hinblick auf die letztenArtikel –, dann dürften Sie dem Antrag der Regierungs-koalition zumindest in diesem Punkt nicht zustimmen.
In Ihrem eigenen Antrag steht „mittelfristig“. In derPresse verbreiten Sie, dass Sie sich dafür einsetzen, dasswir noch in diesem Jahr im Bereich der Pflegeversiche-rung Verbesserungen für an Demenz Erkrankte bekom-men. Also: entweder Glaubwürdigkeit oder an dieserSaIWgcgTUrDd–sDSihwcTeswdskDH„äSnrvs
ir können so über die einzelnen Punkte unseres Antra-es abstimmen. Dann können Sie uns zustimmen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin si-her, dass ich mit den beiden Themenpunkten, die icherade aufgeführt habe, überdeutlich gemacht habe, dasshemen benennen das eine ist, die Forderung nachmsetzung das andere. Damit ist auch begründet, wa-um wir den Antrag der Regierungskoalition ablehnen.enn nur unser Antrag greift die zentralen Problemfel-er auf und fordert die Regierung – das ist das Wichtige zu schnellem und unverzüglichem Handeln auf.Ich möchte ganz kurz noch zwei wichtige Punkte an-prechen, die auch in unserem Antrag enthalten sind.as eine, was mir ein besonderes Anliegen ist, ist dieituation der Angehörigen. Hier haben wir – das sagech sehr deutlich – von der Grundeinstellung her, wieier Hilfen zu erbringen sind, keinen Dissens; da sindir uns in diesem Haus einig. Wir wissen, dass wir flä-hendeckende Angebote für Beratung, Betreuung undagespflege brauchen. Wir sind uns aber nicht ganz soinig, wenn es darum geht, wie das umzusetzen ist.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.
Aus unserer Sicht müssen die Kommunen hier unter-
tützt werden; sie dürfen nicht an den Pranger gestellt
erden. Eine Arbeitsgemeinschaft zwischen Bund, Län-
ern und Kommunen hätte die Bundesregierung, wenn
ie vernünftig gehandelt hätte, schon längst einrichten
önnen; dafür braucht man eigentlich keinen Antrag.
amit bin ich bei dem Zitat, mit dem ich enden möchte,
err Präsident. Bundeskanzler Schröder hat sich im
Focus“ am 26. April dieses Jahres folgendermaßen ge-
ußert:
Wenn wir außerdem etwas für Demenzkranke tun
können, ohne in ein finanzielles Risiko zu geraten –
wer hätte etwas dagegen?
o darf man mit dem Thema Demenz nicht umgehen.
Das Wort hat die Kollegin Petra Selg vom Bünd-
is 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-en! Die Reform der Pflegeversicherung hat mit den hierorliegenden Anträgen nichts zu tun. Sie können sicherein: Wir werden auch das regeln.
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Petra SelgWie Sie schon richtig bemerkten: Wir beraten wiedereinmal über diesen Bereich; so wiederhole auch ich michgerne.Zunächst zum Pflege-Korrekturgesetz. Wir alle sinduns der Schnittstellenproblematik zwischen Kranken-versicherung und Pflegeversicherung bewusst. Das Pro-blem besteht kurz gefasst darin, dass die Krankenkassenbestimmte Behandlungsleistungen der Pflegeversiche-rung zugeschoben haben, zum Beispiel das An- undAusziehen von Kompressionsstrümpfen. Die Betonungliegt aber auf „haben“; denn weil wir in der Koalitionuns der Problematik dieses Verschiebebahnhofes be-wusst waren, haben wir im Rahmen der Gesundheitsre-form gemeinsam mit Ihnen von der Union den entspre-chenden Paragraphen im Fünften Sozialgesetzbuch neugefasst.
Damit ist das An- und Ausziehen von Kompressions-strümpfen eindeutig als Leistung der Krankenversiche-rung definiert; der wichtigste und teuerste Teil ist damiterledigt.Herr Zöller, wenn Sie so laut rufen, dann frage ichmich: Hätten Sie mehr gewollt? Warum haben Sie esdann bei den Verhandlungen zum GMG nicht gesagtoder gefordert? Von so etwas habe ich nichts gehört!
Ich sage Ihnen auch, warum: weil es Geld kostet.
Es ist durchaus richtig, dass mit der Regelung zu denKompressionsstrümpfen nicht das ganze Problem gelöstist. Wenn wir jetzt den Rest des Verschiebebahnhofes,Einreibungen usw. auch noch regeln wollen, bin ich gerndabei. Aber dann benennen Sie bitte schön ehrlich die fi-nanziellen Auswirkungen und sagen Sie, wo das Geldherkommen soll.
Was mit diesem Gesetzentwurf vorgeschlagen wird, ist– Frau Kollegin Mattheis hat es schon gesagt – schlichtund einfach bürokratisch und zu umständlich, um dasvernünftig zu regeln; das kann es nun wirklich nichtsein. Sie fordern doch immer Bürokratieabbau. Mitdiesem Gesetz würden Sie Bürokratiemonster schaffen.Deshalb werden wir dieses Gesetz ablehnen.Kommen wir jetzt zu den Anträgen zum ThemaDemenz. Es lässt sich feststellen, dass sich offensicht-lich alle Fraktionen darüber einig sind, dass auf diesemGebiet Handlungsbedarf besteht. Es freut mich insbeson-dere, erkennen zu können, dass die FDP offenbar dochein soziales Gewissen besitzt, entgegen ihren jüngstenForderungen, die gesetzlichen Krankenkassen abschaf-fen zu wollen.gsSudKtzFsAdselVsfDgudnzbOrDdgLtuBmlvwBvs
ußerdem ist es viel zu einseitig, vor allem auf die Me-ikalisierung von Dementen zu setzen, wie es die Oppo-ition tut. Glauben Sie vielleicht, wir erfinden so einfachine Superpille gegen Demenz, womit alle Probleme ge-öst sind?
Insgesamt haben wir von der Regierung viel getan. Imierten Altenbericht der Bundesregierung von 2002teht all das, was Sie heute als Ihre Erkenntnis verkau-en. Darüber hinaus nenne ich nur das „Kompetenznetzemenzen“, das vom BMGS gefördert wird, die Neure-elung der Altenpflegeausbildung aus dem Jahr 2002nd das Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz, ebenfalls ausem Jahr 2002. Ich könnte noch weitere Beispiele nen-en. Meine Redezeit würde nicht ausreichen, alles auf-uzählen. Aber ich rate Ihnen: Lesen Sie; denn Lesenildet!
Es ist also viel passiert; das können auch Sie von derpposition nicht leugnen. Aber ich bin ehrlich: Daseicht nicht aus.
arin sind wir uns völlig einig. Aus diesem Grund hatie Koalition selbst einen Antrag zu diesem Thema ein-ebracht.
iebe Frau Butalikakis, wir ruhen uns auf dem Erreich-en keinesfalls aus.Wir fordern, in diesem Bereich vor allem Präventionnd Rehabilitation von Pflegebedürftigen zu fördern.ezogen auf Demenz heißt das: Die Krankheit mussöglichst früh erkannt und behandelt werden. Wir wol-en gute Modelle und Ansätze für neue Wohnformenerwirklichen und ambulante Netzwerke fördern undeiterentwickeln. Dabei muss vor allem der ambulanteereich gestärkt werden. Die Betroffenen müssen ihreerbliebenen Potenziale voll ausschöpfen können undollen nicht nur Pillen schlucken.
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Petra SelgIch betone immer wieder, dass wir auch die Angehö-rigen der an Demenz Erkrankten nicht vergessen dürfen,die oft bis an die Grenzen ihrer psychischen und physi-schen Belastbarkeit gefordert sind. Deshalb brauchenwir entlastende Versorgungsangebote wie Tages-, Nacht-und Kurzzeitpflegeeinrichtungen. Wir brauchen mehrInformations- und Beratungsangebote. Hier sind aberauch die Länder und die Kommunen gefordert.
Ich komme zu einem weiteren ganz wichtigen Punkt.Dass wir den Pflegebegriff in der Pflegeversicherung er-weitern müssen, ist allgemein bekannt. Der gegenwär-tige Begriff konzentriert sich einseitig auf die somati-schen Aspekte von Pflege. Das wollen und das werdenwir ändern.
Das muss schnell geschehen, da große Lücken bei derAbsicherung bestehen.Lassen Sie mich meine Rede mit einem Appell been-den. Wir alle sehen im Bereich der Demenz die gleichenProbleme und wollen etwas unternehmen. Wir könnenVerbesserungen für bedürftige Menschen aber nur dannerreichen, wenn wir ein solch sensibles Thema nicht füralberne politische Spielchen missbrauchen.
Deshalb sage ich Ihnen: Sie müssen an all Ihre Forderun-gen ein Preisschild hängen; denn, Herr Parr, all dieseForderungen kosten Geld. Darum brauchen wir gar nichtherumzureden.
– Frau Butalikakis, Sie wissen doch um den Zustand al-ler sozialen Sicherungssysteme, auch den der Pflegever-sicherung.
Wir wollen nicht nur Hoffnungen wecken, wie Sie estun. Sie hängen an Ihre Forderungen nur einen unge-deckten Blankoscheck. Das finde ich unseriös.
Wir werden die Reform der Pflegeversicherung umset-zen und damit auch eine Verbesserung für die Demenz-kranken erreichen.
InFntaDaMeDgEuteTrIamgwDzdnihgdlaine–ga
Das Wort hat der Kollege Detlef Parr von der FDP-
raktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deswegenichts zu tun, weil etwas Geld kostet, bedeutet, Hundert-usende von Menschen weiterhin im Stich zu lassen.as machen wir nicht mit.
Mein Vater ist 91 Jahre alt und leidet seit acht Jahrenn einer schweren Demenz. Dank meiner 84-jährigenutter, die noch die Kraft zur häuslichen Pflege hat, lebtr zu Hause in den eigenen vertrauten vier Wänden.iese familiären Verhältnisse haben zu unserem Antrageführt; deswegen haben wir ihn gestellt.
r wurde also mitten aus dem Leben heraus geschriebennd ist nicht von theoretischen Erwägungen geprägt.
Wir scheuen uns immer noch zu sehr, das Thema Al-rsverwirrtheit öffentlich zu machen. Das zeigt auch dieatsache, dass Rot-Grün über ein Jahr benötigt hat, unse-em Antrag einen eigenen Antrag gegenüberzustellen.mmerhin gibt es jetzt eine öffentliche Debatte. Sie istuch dringend erforderlich, weil sich die Zahl der De-enz- und Alzheimer-Erkrankten aufgrund der demo-raphischen Entwicklung in Zukunft dramatisch erhöhenird.
eshalb brauchen wir schnellstens ein Gesamtkonzeptur Verbesserung der Früherkennung und Behandlungieser Krankheiten, das wir im Antrag fordern.
Nach meiner Beobachtung würde mein Vater heuteicht mehr in seiner vertrauten Umgebung leben, wennm der medizinische Fortschritt nicht geholfen hätte. Erehört zu der Minderheit der Bevölkerung, die ein Anti-ementivum erhält. Dadurch wurde der Krankheitsver-uf deutlich hinausgezögert. Meine Damen und Herrensbesondere von Rot-Grün, ich frage mich, warum wirs zulassen, dass die Mehrheit der Demenzkrankeninsbesondere in den Altenheimen – stattdessen billi-ere Neuroleptika erhält, die zwar ruhig stellend wirken,ber erhebliche Nebenwirkungen mit sich bringen.
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Detlef Parr
– Herr Dreßen, ich komme noch auf den Finanzierungs-aspekt.Die Kosten für eine rechtzeitige kombinierte Behand-lung mit Antidementiva auf der einen und aktivierendenBehandlungsmaßnahmen im Hinblick auf die Hirnleis-tung auf der anderen Seite liegen nach meiner Überzeu-gung auf keinen Fall höher als die einer vorzeitigenHeimunterbringung. Rechnen Sie das einmal gegen!
Wenn wir uns Gedanken über die Humanität im Altermachen, dann muss klar werden, dass wir als Gesetzge-ber vor allem dafür Sorge tragen müssen, dass Demenz-kranke möglichst lange ein eigenständiges Leben führenkönnen und dass die häusliche Lebensqualität so langewie möglich hochgehalten werden kann.
Herr Dreßen, es mag sein, dass wir die Finanzierungein wenig zu optimistisch gesehen haben. Rechtfertigtdas aber ein Verteufeln innovativer Medikamente?
Wir dürfen keine Chance leichtfertig über Bord werfen,die Pflegebedürftigkeit so lange wie möglich hinauszu-zögern und dadurch zu einer Kostenersparnis im Pflege-bereich zu kommen. Dazu gehört natürlich auch dieChance, Demenzveranlagungen und -erscheinungendurch die rechtzeitige Teilnahme an Tests früh zu erken-nen. Die Testverfahren sind ausgereift und versprecheneine Erfolgsquote von 90 Prozent.
Herr Kollege Parr, erlauben Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Dreßen?
Natürlich tue ich das.
Bitte schön, Herr Dreßen.
Herr Kollege Parr, an dieser ganzen Debatte ärgert
mich Folgendes: Wir alle liegen bei der Analyse zwar ir-
gendwie richtig, da wir fordern, mehr gegen die Demenz
zu tun usw. Gleichzeitig ist aber keiner von uns bereit, zu
sagen, woher die Mehreinnahmen dafür kommen sollen.
Ich war bei der Entstehung der Pflegeversicherung
dabei und erinnere mich noch sehr gut daran, wie Ihre
Frau Babel damals die 1,7 Prozent zur heiligen Kuh ge-
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ir als FDP haben damals als einzige dafür gekämpft,ie als eine kapitalgedeckte Säule aufzubauen, sie alsoicht zum Bestandteil des Sozialsystems zu machen. Wirlle wissen mittlerweile, dass wir mit unserer damaligenorderung richtig lagen.Zweitens zu den Kosten. Ich haben Ihnen erläutert,ass man die Investitionen, die man zum Beispiel imedikamentenbereich tätigt, und die eingesparten Kos-n aufgrund einer späteren Heimeinweisung gegenrech-en muss. Wenn Sie diese Rechnung aufmachen, dannerden Sie erkennen, dass es nicht zu Mehrausgabenommt, sondern dass sich das rechnet. Wir sind von derhese, die wir aufgestellt haben, überzeugt; Sie bezwei-eln sie.
Wir alle hoffen auf ein hohes Alter bei guter Gesund-eit. Dafür müssen wir das Bewusstsein schaffen, unsechtzeitig Aufschluss über gewisse Lebensrisiken zuerschaffen und uns gegebenenfalls darauf einzustellen.ie bisherigen Erkenntnisse aus der Versorgungs- undrsachenforschung auf diesem Gebiet müssen erweiterterden; darin sind wir uns einig. Es darf aber nicht wieei dem Antrag von Rot-Grün bei einer plakativen Er-ähnung der Forschung in der Überschrift des Antragsleiben. Hier müssen wir unsere Anstrengungen konkret,eutlich und erkennbar verstärken.Wir müssen die Ausbildung im gerontopsychiatri-chen Bereich verbessern. Wir brauchen eine entspre-hende Fort- und Weiterbildung für Hausärzte und aufemenzdiagnose und Demenzbehandlung spezialisierteachärzte. Ich frage Sie, meine Damen und Herren vonot-Grün: Ist ein Konsens über einen evidenzbasierten
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Detlef ParrBehandlungskorridor wirklich nicht zu erreichen? Kön-nen wir uns vor dem Hintergrund der zu erwartendenVerdoppelung der Zahl der Demenzerkrankungen in dennächsten Jahrzehnten nicht doch einvernehmlich aufeine Diagnose- und Therapiekette zur Sicherung einerqualitätsgesicherten Demenzfrüherkennung und -be-handlung verständigen? Wir dürfen Hunderttausende andieser schrecklichen, schleichend den Verstand nehmen-den Krankheit Leidenden wie meinen Vater nicht imStich lassen. Wir dürfen die vielen Hunderttausende auf-opferungsvoll Pflegenden wie meine Mutter nicht alleinelassen. Wir müssen ihnen die erforderlichen Erleichte-rungen verschaffen, aus denen sie wieder Kraft für ihrenDienst am Nächsten schöpfen können.
Der FDP-Antrag wird gleich routinemäßig abgelehnt– das entspricht den Gepflogenheiten dieses Hauses –und dem rot-grünen Antrag wird zugestimmt. Es wäredieser Debatte nicht angemessen, wenn wir danach zumpolitischen Alltag übergehen würden. Ich fordere Sie,liebe Kolleginnen und Kollegen, auf, eine parteiüber-greifende Mehrheit zu organisieren, die sich demSchicksal der Kranken und Pflegenden dauerhaft zuwen-det. Die pflegerische Zeitbombe tickt. Wir alle müssenunseren Beitrag dazu leisten, sie zu entschärfen. Demenzdarf zu keiner vernachlässigten Krankheit werden.
Das Wort hat der Kollege Wolfgang Wodarg von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine ge-
meinsame und parteiübergreifende Lösung hat Herr Parr
von der FDP eingefordert. Vorher hat er davon gespro-
chen, dass die FDP etwas anderes im Sinn hatte als das,
was in diesem Haus vor einigen Jahren mit Mehrheit für
die Pflegebedürftigen beschlossen wurde, nämlich eine
solidarische, beitragsfinanzierte Lösung. Hier leistet je-
der nach seinen Kräften einen Beitrag und erhält je nach
Bedarf Hilfe. Herr Parr hat von einer kapitalgedeckten
Lösung gesprochen; denn die FDP möchte eine Versi-
cherung für die Pflege. Aber jeder weiß, dass eine Versi-
cherung etwas kostet.
Die Versicherungen werden das Risiko abwägen. Sie
werden hohe Beiträge von denen fordern, die ein hohes
Risiko bedeuten, und niedrige Beiträge von denen ver-
langen, die von der Pflegebedürftigkeit noch weit ent-
fernt sind.
Das werden wir nicht mitmachen.
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enn Sie parteiübergreifend vorgehen wollen, dann
üssen wir uns bezüglich der Details einigen.
Was fordern Sie?
Herr Kollege Wodarg, erlauben Sie eine Zwischen-
rage des Kollegen Bahr?
Natürlich.
Bitte schön, Herr Bahr.
Herr Kollege Wodarg, können Sie dem Hohen Hause
ahlen mitteilen, wie sich die Beiträge zur gesetzlichen
flegeversicherung im Umlageverfahren entwickeln
ürden, wenn wir nicht in eine Kapitaldeckung einstei-
en und damit die demographische Entwicklung ein we-
ig herausnehmen?
Wenn der Bedarf für Pflege und damit die Kostenteigen – wir sind uns einig, dass es immer mehr De-enzkranke geben wird –, dann müssen wir für das Sys-em mehr Geld zur Verfügung stellen. Wir müssen sagen,oher es kommt. Das hängt auch davon ab, was wir denenschen zuerkennen. Beispiele für Marginalien sindtützstrümpfe oder andere Versorgungsformen.
Wir müssen aber eine grundsätzliche Debatte darüberühren, welche Leistungen wir von wem erbringen las-en wollen. Auf der einen Seite stehen die Leistungenon Profis, auf der anderen Seite steht die Unterstützungn Form von Nachbarschaftshilfe und Selbsthilfe, vonemeinden und Familien. Diese Aktivitäten können wirnterstützen. Da bestehen sehr viele Kapazitäten undessourcen, deren Wert nicht in Geld ausgedrückt wer-en kann. Wenn Sie nun einen neuen Markt für die Ver-icherungswirtschaft eröffnen wollen, dann nutzen Sieamit die Hilfsbedürftigkeit vieler Pflegebedürftiger aus.as nützt denen, die kein Geld haben und hilfsbedürftigind, überhaupt nichts. Das sind aber diejenigen, an de-en sich die Qualität unserer politischen Lösungen mes-en lassen muss.
Die CDU/CSU unterstützt die Initiative des Bundes-ates. Der Bundesrat möchte strittige Leistungen bzw.olche, die zum Teil von der Pflegeversicherung nicht
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Dr. Wolfgang Wodargmehr erbracht werden können, auf die Krankenversiche-rungen verlagern; meine Vorrednerin hat das angespro-chen. Man kann darüber reden, wie man das Problemlöst. Was die CDU/CSU jetzt aber vorschlägt, machenwir nicht mit, weil es einen wahnsinnigen Aufwand be-deuten würde. Jedes Mal, wenn sich die familiären Ver-hältnisse ändern, ändert sich die Grundlage für die Be-gutachtung. Dann kann man mit Recht behaupten, esmüsse wieder ein Gutachter kommen. Familien in Not,die schon einmal auf einen Gutachter gewartet haben,wissen, was das bedeutet, und kennen die Unsicherheitund den Papierkrieg, der damit verbunden ist. Das kön-nen wir nicht mitmachen. Diese Lösung ist unpraktika-bel. Schon deshalb sollten wir sie ablehnen.Als die CDU/CSU in der Regierung war, hat sie Vor-schläge zur häuslichen Pflege gemacht. Bei dieser Gele-genheit muss ich daran erinnern, dass Herr Seehofer alsverantwortlicher Minister damals die gesamte häuslichePflege zur Disposition stellen wollte, indem er es denKrankenkassen überlassen wollte, diese nicht zu über-nehmen, wenn sie mit ihrem Geld nicht auskommen. Erhat die so genannten Gestaltungsleistungen in seinen Ge-setzentwurf geschrieben.
Bei den Gestaltungsleistungen konnten die Krankenkas-sen den chronisch Kranken die Taxifahrten, die häusli-che Pflege, die Rehabilitation und die physikalische The-rapie streichen, wie es ihnen beliebte. Sie wissen ganzgenau, dass das sehr hinterhältig war. Das war nämlichein Verschieben der Verantwortung auf die Krankenkas-sen, die im Wettbewerb natürlich kein Interesse daranhaben, sich um die zu kümmern, die Hilfe am nötigstenhaben. Das wusste Herr Seehofer ganz genau. So handeltdie CDU/CSU.Das waren Ihre Vorschläge. Konkrete Vorschläge, wiediese Probleme zu lösen sind, hätten Sie im Rahmen derVerhandlungen über das SGB V machen können.
Da ist von Ihnen aber nichts gekommen. Daher denkeich, wir können gemeinsam diese Regelung des Bundes-rates ablehnen. Wir sollten keine falsche Loyalität ge-genüber einer schlechten Politik zeigen. Wir sollten beider Sache bleiben und uns gemeinsam der Verantwor-tung stellen. Diese Verantwortung ist in der Tat drü-ckend. Wir brauchen in Zukunft Strukturen, die alle Res-sourcen mobilisieren, um den Menschen zu helfen, dieHilfe nötig haben.Dazu brauchen wir nicht nur Geld. Es handelt sich umeine Aufgabe, die nahe an den Betroffenen gestaltet wer-den muss. Das sehen wir in Skandinavien. Wir müssendafür sorgen, dass es denjenigen, die in der Nachbar-schaft und in den Gemeinden leben, leichter gemachtwird, Selbsthilfe zu organisieren. Da gibt es Methoden.Es gibt in Deutschland schon eine Menge Ansätze. Esgibt Pflegeinitiativen in Rheinland-Pfalz. Es gibt dieQualitätsoffensive in Schleswig-Holstein.DdteduSIsdrwMnmdD–GwwhufGIDklhzdeutduvll
as sind gute, an den Problemen orientierte Ansätze, dieafür sorgen, dass die Pflege besser und problemgerech-r wird. Es gibt auch Initiativen in den Bundesländern,ie von den Betroffenen selbst kommen. In Bielefeldnd Umgebung gibt es den Alt und Jung e. V., der dortelbsthilfe organisiert und neue Nachbarschaften bildet.n Berlin gibt es den Freunde alter Menschen e. V. Esind, wenn ich richtig gezählt habe, über 60 verschie-ene Selbsthilfeorganisationen, die die Pflege organisie-en. Durch die Menschen, die sich gegenseitig helfenollen und die stolz sind, helfen zu können, kann eineenge an Erleichterung geschaffen werden. Es mussicht immer eine neue Ware oder eine neue Pille sein,it der jemand Geld verdient. Wer sich darauf verlässt,er muss auch wissen, dass das bezahlt werden muss.as fällt einigen vielleicht leicht.
Nein, überhaupt nicht. Aber wenn wir ein Viertel deseldes, das für die Erforschung neuer Pillen ausgegebenird, dafür ausgeben würden, dass wir herausfinden, wieir die Menschen in die Lage versetzen, sich selbst zuelfen,
nd wenn wir soziale Forschung auf diesem Gebietinanzieren würden, dann hätten wir einen viel größerenewinn als den, den die Pharmaindustrie aufgrund dernteressen ihrer Aktionäre erzielt.en Unternehmen geht es darum, ihre Produkte zu ver-aufen und Gewinne zu erzielen. Welche Folgen sichangfristig daraus ergeben, ist häufig zweitrangig. Des-alb sind wir als Politiker aufgefordert, unsere Zielset-ung an den Menschen zu orientieren.Ich fordere Sie auf, gemeinsam auf allen Ebenen – inen Kommunen, den Ländern und auf Bundesebene –ine nachhaltige Politik zu gestalten, die die Ressourcennserer Gesellschaft nutzt und der Tatsache Rechnungrägt, dass Geld nicht alles ist.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Kollege Matthias Sehling von
er CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herrn Kolleginnennd Kollegen! Das vom Bundesrat auf Initiative Bayernsorgelegte Pflege-Korrekturgesetz soll bei der häus-ichen Krankenpflege die Leistungspflicht der gesetz-ichen Krankenversicherung für die Behandlungspflege
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004 9945
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Matthias Sehlingklarer regeln. Aufgrund eines Urteils des Bundessozial-gerichts aus dem Jahr 2001 fallen die Leistungen der Be-handlungspflege nicht mehr in den Leistungskatalog dergesetzlichen Krankenversicherung. Stattdessen mussnun die Pflegeversicherung für diese Leistungen auf-kommen. Das führt für den Einzelnen häufig zu einerunzumutbaren Aushöhlung der Pflegesachleistungen.
Ich möchte das an einem konkreten Beispiel deutlichmachen. Wenn bei einem Pflegebedürftigen zu Hausedurch die Pflegekraft häufig der Katheter gewechseltwerden muss, wird diese Leistung nach geltenderRechtslage nicht mehr wie früher von der Krankenkassebezahlt. Stattdessen fällt diese Behandlungspflege jetztnach dem genannten Gerichtsurteil in die Grundpflege-verrichtung „Nahrungsaufnahme und Ausscheidung“und muss somit von der Pflegeversicherung gezahlt wer-den. Gleiches gilt auch für die anderen Maßnahmen derBehandlungspflege wie die Schmerzmedikation oder dasWechseln von Sprechkanülen gegen eine Dauerkanüle.Vor dem Urteil des Bundessozialgerichts wurden übli-cherweise nur Maßnahmen der Grundpflege im Leis-tungskatalog der Pflegeversicherung berücksichtigt.Die seitdem erfolgte faktische Verschiebung zulasten derPflegeversicherung muss unterbunden und zurückge-nommen werden, vor allem deshalb, weil der Pflege-sachleistungsanspruch in der Höhe begrenzt ist. EinemPflegebedürftigen der Pflegestufe III stehen monatlichcirca 1 500 Euro für die Pflegesachleistungen zu. Wennnun – zum Beispiel wegen des genannten häufigen Ka-theterwechsels, der monatliche Kosten von bis zu700 Euro verursachen kann – hohe Kosten für die Be-handlungspflege anfallen, dann bleibt für die Grund-pflege nur noch ein entsprechend verminderter Rest-betrag übrig.Aus diesen Gründen hat der Bundesrat schon Mittedes vergangenen Jahres in seinem Gesetzentwurf vorge-sehen, dass diese Leistungen wieder von der Kranken-kasse gezahlt werden sollen. Die Pflegeversicherungdagegen soll nach dem Gesetzentwurf die Behandlungs-pflegekosten nur dann übernehmen, wenn der Pflege-bedürftige von einem Angehörigen gepflegt wird, da insolchen Fällen kein Rechtsanspruch auf häusliche Kran-kenpflege durch die gesetzliche Krankenversicherungbesteht.Bei der Anhörung zum Pflege-Korrekturgesetz habenfast alle anwesenden Institutionen und Sachverständigendringenden Handlungsbedarf festgestellt und deshalbdas Pflege-Korrekturgesetz begrüßt. Dass die Regie-rungskoalition ein solches Gesetz ablehnt, ist unver-ständlich. Ich hoffe, das liegt nicht nur daran, dass dieInitiative aus einem Bundesland kommt, das nicht vonIhnen regiert wird.
Sie haben das Problem längst erkannt – das ging ausder heutigen Debatte hervor – und den Verschiebebahn-hof in Ihrem Koalitionsvertrag eindeutig ausgemacht.Darin heißt es vollmundig: –RDsALiPBkhedwawNKspsvdhhsSnegmsebr
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Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Ute Granold.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen undKollegen! Weltweit werden jährlich mindestens700 000 Menschen, vornehmlich Frauen, zum Zweckder sexuellen Ausbeutung oder der Ausbeutung ihrer Ar-beitskraft gehandelt. Lange Zeit waren es Frauen aus Afri-ka, dann aus Südostasien und seit dem Zusammenbruchdes Kommunismus sind es hauptsächlich Frauen ausOsteuropa, die zur Prostitution gezwungen werden. DieKunden, das heißt die Freier, kommen von überall herund sind leider auch in Deutschland. Keiner der Beteilig-ten, ob Schlepper, Zuhälter oder Freier, hat ein Unrechts-bewusstsein.bvsaLnndhVujaaMWerDddbgshbKrRFlabgdFrudGRMdhbsSVbzs
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Das Wort hat jetzt die Abgeordnete IrmingardSchewe-Gerigk.GMlhSddndshAbAlb5bdhGZpaaVnnMhmsnnsmGdHshduTbdkeBbwsn
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!itten in Europa finden Tag für Tag Menschenrechtsver-etzungen elementarster Form statt. Frauen werden ge-andelt, misshandelt, verkauft. Eine moderne Form derklaverei im 21. Jahrhundert; und Deutschland ist eineser „Hauptabnehmerländer“ dieses menschenverachten-en Geschäfts. Das Verbrechen ist für die Händler nichtur lukrativ, sondern auch risikoarm. Die Gewinne wer-en in Europa auf ungefähr 10 Milliarden Euro ge-chätzt. Die Verurteilung der Täter ist eher eine Selten-eit, da die Opfer in den meisten Fällen wegen illegalenufenthalts abgeschoben werden. Nur wenige Opferleiben hier und sagen aus. Braucht der Staatsanwalt ihreussage nicht mehr, müssen die meisten unser Land ver-assen, während die Täter ihr Geschäft ungestört weiteretreiben können.Nach Angaben der EU werden jährlich circa00 000 Frauen aus Osteuropa nach Westeuropa ver-racht. Die Perspektivlosigkeit in ihren Herkunftslän-ern treibt die Frauen oft in die Arme der Menschen-ändler. Größtenteils werden sie über den tatsächlichenrund ihrer Einreise getäuscht, der am Ende meistwangsprostitution heißt. Der Übergang zur Kinder-rostitution ist dabei fließend. Frauenhandel umfasstber auch andere Formen der Ausbeutung wie Zwangs-rbeit, Heiratshandel oder Pornographie. Viele diesererbrechen werden mit dem deutschen Strafrecht bishericht richtig erfasst. Um sie wirksam bekämpfen zu kön-en, erweitern wir die strafrechtliche Definition desenschenhandels und setzen zugleich – Frau Granoldat es gesagt – einen Rahmenbeschluss der EU um. Ichöchte hier nur auf einige Punkte eingehen.Die bisherigen Menschenhandelstatbestände, die dieexuelle Ausbeutung betreffen, werden erweitert; denneben der Prostitution werden die Frauen auch zur Teil-ahme in Peepshows oder zur Herstellung pornographi-cher Darstellungen gezwungen. Diese Erscheinungsfor-en der sexuellen Ausbeutung werden durch dieesetzesänderung systematisch erfasst.Außerdem werden neue Tatbestände hinzugefügt, dieie Ausbeutung der Arbeitskraft unter Strafe stellen.Auch der Heiratshandel kann künftig in dreifacherinsicht besser bekämpft werden: erstens als besonderschwerer Fall der Nötigung, wenn das Opfer zur Einge-ung der Ehe genötigt wurde, was ja insbesondere beier Zwangsverheiratung der Fall ist, zweitens durch diemfassendere Einbeziehung sexueller Handlungen in dieatbestände des Menschenhandels zur sexuellen Aus-eutung. Drittens geht es darum, durch die Verhinderunger Ausbeutung der Arbeitskraft einen Beitrag zur Be-ämpfung des Heiratshandels zu leisten. Nicht selten ists ja so, dass die gehandelten Frauen unter unwürdigenedingungen als billige Arbeitskraft im Haushalt miss-raucht werden.Künftig wird auch eine erhöhte Mindeststrafe greifen,enn das Opfer in Todesgefahr gebracht oder einerchweren Gesundheitsschädigung ausgesetzt wird. Da-eben sind Kinder durch die erhöhte Mindeststrafandro-
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Irmingard Schewe-Gerigkhung unter besonderen Schutz gestellt. Mit diesen Ver-änderungen verbessern wir die effektive Bekämpfungdes Menschenhandels.Wir wollen aber nicht nur die Täter bestrafen, sondernauch den Opfern helfen, den Weg zurück in ein normalesLeben zu finden. Dies gilt umso mehr, wenn sie demStaat mit ihrer Aussage vor Gericht bei der Ermittlungder Täter helfen. In diesem Zusammenhang haben wirdurchgesetzt, dass die Staatsanwaltschaft unter erleich-terten Voraussetzungen von der Verfolgung einer Straf-tat, zum Beispiel des illegalen Aufenthalts, absehenkann, wenn die Opfer des Menschenhandels Anzeige ge-gen die Täter erstatten. Das ist so etwas wie eine kleineKronzeugenregelung. Wir werden nachher, Herr Kauder,sicher noch einmal darüber reden.Damit ist aber noch nicht alles getan. Die Opfer vonMenschenhandel benötigen professionelle Beratung undBetreuung. Dazu muss die rechtliche und finanzielle Si-cherheit der Opferberatungsstellen gewährleistet wer-den. Wir brauchen die Einrichtung eines Opferfonds, derzum Beispiel durch abgeschöpfte Gewinne gespeist wer-den könnte, aber auch ein Zeugnisverweigerungsrechtfür die Beraterinnen in den Beratungsstellen. Danebenwäre eine generelle Aufenthaltserlaubnis mindestensüber die Dauer des Prozesses nötig. Wie schwierig dieDurchsetzung einer solchen humanitären ausländerrecht-lichen Regelung aufgrund der Zustimmungspflicht desBundesrates ist, können wir derzeit bei der Zuwande-rungsdebatte bestens beobachten.Dabei sollten alle wissen, die darüber entscheiden:Die Rechtlosigkeit der Opfer ist der beste Täterschutz.Das wollen wir doch wohl alle nicht.
Vor dem Phänomen des Frauenhandels darf niemanddie Augen verschließen. Gerade durch die erweiterte Eu-ropäische Union ist mit einer Verlagerung und auch miteiner Zunahme zu rechnen. Jeder, der Kenntnis vonmisshandelten Opfern hat, muss helfen. Hier spreche ichinsbesondere die deutschen Freier an. Man weiß, dassMänner quer durch die Gesellschaft – ich muss hier nichtdie Namen nennen, die vor kurzem in Prozessen aufge-taucht sind – diese Dienste in Anspruch nehmen. Ohnederen Nachfrage nach billigem Sex und schutzlosen Op-fern würde diesem Geschäft der Boden entzogen.Ich glaube, wir haben hier eine große Verantwortung.Wir stehen erst am Anfang der Debatte. Ich freue michauf die Beratungen im Ausschuss und wünsche, dass wirdiesen Gesetzentwurf gemeinsam beschließen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Jörg van Essen.
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on daher ist es richtig, dass auch internationale Organi-ationen sich mit dieser Problematik befasst haben undass versucht wird, international zu gleichartigen Rege-ungen zu kommen. Zu den Besonderheiten des Ge-chäftes gehört eben, dass die Problematik nicht nur beins in Deutschland besteht, sondern dass Menschenhan-el zwischen verschiedenen Ländern stattfindet. Deshalbüssen in allen betroffenen Ländern ähnliche Verfol-ungsbedingungen vorhanden sein.Ich denke aber, dass neben den strafrechtlichen Din-en, die heute in der ersten Lesung eine Rolle spielenüssen, auch andere Gesichtspunkte erwähnt werdenüssen. Schwerste Kriminalität lebt insbesondere da-on, dass diejenigen, die sie begehen, ganz erhebliche fi-anzielle Vorteile haben. Deshalb fand ich den Vorwurf,en der Bundesrechnungshof in diesen Tagen gegenüberer Bundesregierung erhoben hat, dass nämlich Ge-inne, die im Rotlichtmilieu erwirtschaftet worden sind,icht abgeschöpft werden, dass die Dinge einfach laufenelassen werden, außerordentlich hilfreich. Denn hohetrafen sind notwendig. Sie können und müssen ab-chrecken. Wer wie ich als Oberstaatsanwalt in der Straf-erfolgung tätig war, der weiß, dass man die Täter amesten abschrecken kann, indem man an die Gewinneeht. Dazu gehört, dass die Gewinne im Rotlichtmilieuenauso versteuert werden müssen wie die Gewinne inedem anderen Bereich.Eine zweite Bemerkung kritischer Art möchte ich ma-hen. Frau Schewe-Gerigk hat gesagt, dass viele der jun-en Frauen nicht wissen, auf was sie sich einlassen.ach den Erfahrungen meiner Kollegen sind es nicht soiele, die nicht wissen, auf was sie sich einlassen. Ichlaube, man sollte da ehrlich sein. Wenn sich aber dieungen Frauen darauf einlassen, sind sie nicht wenigerchutzwürdig. Wer sich freiwillig auf Sklaverei einlässt,eil beispielsweise die wirtschaftlichen Bedingungenußerordentlich schlecht sind und weil es keine Alterna-iven gibt, der ist nicht weniger schutzwürdig als je-and, der möglicherweise mit falschen Versprechungenns Ausland gelockt worden ist.
uch das sollten wir feststellen; denn es gehört nacheiner Auffassung mit zur Wahrheit.Eine dritte kritische Bemerkung. Ich habe mich ge-undert, warum dieser Gesetzentwurf von den Koali-ionsfraktionen und nicht von der Bundesregierungwas ich gut gefunden hätte – eingebracht worden ist.ie Einbringung des Gesetzentwurfs durch die Bundes-egierung wäre ein klares politisches Signal gewesen,
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Jörg van EssenHerr Staatssekretär, dass die Bundesregierung hinter die-sen Überlegungen steht.
Ich darf auch meine Überzeugung äußern, dass es gutgewesen wäre, wenn dieser Gesetzentwurf von der Mi-nisterin vertreten worden wäre. Ich schätze den KollegenHartenbach. Ich muss aber sagen: Wenn die Ministerinpersönlich den Gesetzentwurf bei der Einbringung be-gründen würde, dann würde dies zeigen – auch das istein politisches Signal –, welche Bedeutung dieses Geset-zesvorhaben hat.Wir werden sicherlich eine Anhörung durchführenmüssen. Die Koalitionsfraktionen haben das schon ge-tan. Wir werden sorgfältig prüfen müssen, ob es nichtmöglicherweise zu Überschneidungen mit anderen Vor-schriften kommt. Das interessiert uns als Liberale.Das Ergebnis – ich hoffe, wir sind uns in diesemHause darüber einig – muss sein: Menschenhandel mussseine angemessene Berücksichtigung im Strafgesetz-buch finden. Das unterstreicht, dass diese GesellschaftMenschenhandel nicht akzeptiert und ihn mit höchstenStrafen belegt. Ich denke, das ist ein wichtiges Signal.Wenn wir alle daran mitwirken, dann habe ich die Hoff-nung, dass wir bei der Bekämpfung des Menschenhan-dels ein Stück vorankommen. Schön wäre es.Vielen Dank.
Ich erteile dem Kollegen Alfred Hartenbach das Wort
zu einer Kurzintervention.
Verehrter Herr Kollege van Essen, Sie haben behaup-
tet, die Bundesregierung stehe nicht hinter diesem Ge-
setzentwurf.
– Aber gedacht hat er es.
Ich darf klarstellen: Die Umsetzungsfrist bis zum
1. August ist unglaublich kurz. Es hat bei den Vorberei-
tungen Verzögerungen gegeben, die nicht die Bundesre-
gierung, sondern andere zu vertreten haben. Deswegen
haben sich die Koalitionsfraktionen entschlossen, einen
eigenen Gesetzentwurf einzubringen, der aber selbstver-
ständlich – ich glaube, das hat die Beteiligung der Bun-
desregierung an dieser Debatte heute gezeigt – die volle
Unterstützung der Bundesregierung findet.
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Herr Kollege van Essen.
Herr Kollege Hartenbach, ich habe der Bundesregie-
ung nicht unterstellt, sie stehe nicht hinter diesem Ge-
etzentwurf. Ich habe in meiner Rede mehrfach deutlich
emacht, dass eine breite Mehrheit dieses Hauses die
otwendigkeit für die gesetzgeberischen Maßnahmen
ieht.
Aber ich hätte mir gewünscht, dass Sie in Ihrer Rede
arauf hingewiesen hätten, warum der Gesetzentwurf
icht von der Bundesregierung eingebracht worden ist.
as Argument von der Notwendigkeit einer Beschleuni-
ung des Verfahrens ist stichhaltig. Ich freue mich über
ie Klarstellung, die Sie hier vorgenommen haben.
Ich wiederhole das, was ich in meiner Rede gesagt
abe: Wir sollten alle an einem Strang ziehen.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Erika Simm.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnennd Kollegen! Bis zur Öffnung der Ostgrenzen war innserem Verständnis, auch in meinem Verständnis alsuristin, der Menschenhandel ein eher exotisches Delikt,as wir – wenn überhaupt – vorwiegend als ein Problemer Dritte-Welt-Länder wahrgenommen haben. Allen-alls die Tatsache, dass sich deutsche Männer Frauen ausstasien holten, und die Umstände, unter denen dieserauen zum Teil bei uns lebten, waren Anlass für Dis-ussionen in der Öffentlichkeit.Das hat sich mittlerweile grundlegend geändert. Miter Öffnung der Ostgrenzen hat der Menschenhandelin Ausmaß und Formen angenommen, die es nichtehr zuließen, dieses Problem zu verdrängen. Dabeiussten wir auch zur Kenntnis nehmen, dass wir keines-alls nur Transitland, sondern durchaus auch Ziellandes Menschenhandels sind, dass sowohl Täter als auchpfer mitten unter uns leben.Der Deutsche Bundestag hat sich denn auch in denetzten Jahren wiederholt mit diesen Themen beschäftigt.ntsprechend dem bislang vorherrschenden Verständnis,ass Menschenhandel vorwiegend Frauenhandel sei mitem Ziel, die Frauen zur Prostitution zu bringen, habenir durch mehrfache Änderungen des Strafgesetzbuchesür Frauen und Kinder den Schutz vor sexuellen Über-
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Erika Simmgriffen verbessert. Wir müssen aber zur Kenntnis neh-men, dass nach wie vor Strafbarkeitslücken bestehen,etwa bei der Erfassung des Heiratshandels, und dassneue Formen des Menschenhandels wie sklavereiähnli-che Arbeitsverhältnisse mit den bestehenden Strafrechts-normen nur sehr unzureichend zu erfassen sind.Mit dem vorliegenden Strafrechtsänderungsgesetzzum Menschenhandel ziehen wir hieraus die notwendi-gen Konsequenzen. Gleichzeitig erfüllen wir, SPD undBündnis 90/Die Grünen, eine Verpflichtung aus demKoalitionsvertrag. Des Weiteren setzen wir damit – dasist schon gesagt worden – internationale Übereinkom-men zur Bekämpfung des Menschenhandels um, denensich die Bundesrepublik angeschlossen hat und die Stan-dards für Strafbarkeitsbestimmungen enthalten. UnserGesetzentwurf orientiert sich demgemäß bei der Neufas-sung der Strafvorschriften am Zusatzprotokoll zumÜbereinkommen der Vereinten Nationen gegen diegrenzüberschreitende organisierte Kriminalität und amRahmenbeschluss der Europäischen Union, der schongenannt wurde.Die bisher geltenden Straftatbestände der §§ 180 bund 181 StGB werden verständlicher gefasst, vereinheit-licht und übersichtlicher gestaltet, aber auch hinsichtlichdes Begriffes des Menschenhandels wesentlich erwei-tert, insbesondere um den neuen Tatbestand des Men-schenhandels zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeits-kraft. Systematisch werden die neuen Vorschriften ausdem Sexualstrafrecht herausgenommen und bei den„Straftaten gegen die persönliche Freiheit“ eingefügt, wosie nach meiner Einschätzung hingehören, weil es sichnur vordergründig um Sexualstraftaten handelt, dieserAspekt nicht den gesamten Bereich dieser kriminellenTaten abdeckt und die Straftaten sich in Wahrheit gegendie freie Willensbetätigung richten, indem zur Tataus-führung typischerweise Zwang, Täuschung, Drohung,aber auch die Ausnutzung von Notlagen gehören. Nachder Neuregelung wird künftig zwischen dem Menschen-handel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung und demMenschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Ar-beitskraft unterschieden. Heiratshandel und sklaverei-ähnliche Arbeitsverhältnisse werden künftig strafrecht-lich erfasst.Wir tragen aber auch einem Umstand Rechnung, derdie Verfolgung einschlägiger Straftaten erheblich er-schwert. Wir wissen, dass die relativ geringen Zahlen,welche die Kriminalstatistik in diesem Bereich ausweist– über die Jahre gesehen sind im Bereich des Menschen-handels pro Jahr im Durchschnitt um die 800 Taten zurAnzeige gekommen –, eine schmale Spitze des Eisber-ges sind. Die Dunkelziffer, das heißt der Zahl der Taten,die nicht zur Anzeige gebracht werden, ist extrem hoch.Das hat auch damit zu tun, dass es sich beim Menschen-handel in seinen verschiedenen Ausformungen um ein sogenanntes Kontrolldelikt handelt, das meist nur bei Poli-zeirazzien, also bei polizeilichen Kontrollen, sichtbarwird, selten aber von den Opfern oder gar von Drittenangezeigt wird. Ich habe dafür ein schönes Beispiel ge-funden. In der Kriminalstatistik von 1995 wird das ex-treme Anwachsen der Zahl der Menschenhandelsdelikteim Saarland dadurch erklärt, dass man damals im Saar-lumawniSwAlRFsemvWegdneüdsEDzptmsgdnilaP
Wir haben deswegen – das ist schon gesagt worden,ch will nur noch einmal darauf hinweisen – in § 154 ctrafprozessordnung die Möglichkeit für die Staatsan-altschaft eröffnet, bei Opfern, die sich offenbaren undnzeige erstatten und dadurch eine eigene Straftat offenegen, von der Strafverfolgung abzusehen.Ich freue mich, dass ich auf der Basis der bisherigenedebeiträge feststellen kann, dass wir uns über dieraktionsgrenzen hinweg in dem Anliegen, wirksametrafrechtliche Vorschriften zu schaffen, weitestgehendinig sind. Ich fände es schön, wenn es gelänge, zu ge-einsamen Regelungen zu kommen, die letztlich auchom gesamten Haus getragen würden.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Siegfried Kauder.
Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen!er meint, Menschenhandel habe etwas mit der EU-Ost-rweiterung zu tun, ist auf dem Holzweg! Im Jahr 2001ab es 273 Ermittlungsverfahren wegen Menschenhan-els, im Jahr 2002 waren es 289. Ein Verfahren bedeuteticht ein Opfer, sondern zahlreiche. Menschenhandel istin menschenunwürdiges Vorgehen von Tätern gegen-ber Frauen, die wie Vieh gehandelt und gehalten wer-en. Deswegen sind wir aufgerufen, dagegen grenzüber-chreitend vorzugehen.Einen Aspekt hat bisher noch niemand angesprochen.s ist nicht nur so, dass die Frauen über die Grenze nacheutschland verbracht werden, um dort der Prostitutionugeführt zu werden, sondern es gibt auch einen ausge-rägten Sextourismus von Deutschland in die EU-Bei-rittsländer. Ich kann jedem nur empfehlen, sich das ein-al an der tschechischen Grenze anzuschauen.Was machen wir gegen diesen Sextourismus? Men-chenhandel funktioniert nur in mafiosen Strukturen. Daibt es einen, der die Frauen aufkauft, einen anderen, derie Frauen schleust, einen Dritten, der die Frauen ab-immt, und einen Vierten, der die Dienste dieser Frauenn Anspruch nimmt. Wir werden also nur dann Ermitt-ungserfolge haben, wenn wir die mafiosen Strukturenufbrechen.Ein Menschenhändler erzielt einen deutlich höherenrofit als ein Drogendealer. Wie gelingt es uns beim
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Siegfried Kauder
Drogenhandel, mafiose Strukturen aufzubrechen? DerGesetzgeber hat aus gutem Grund § 31 ins Betäubungs-mittelgesetz eingeführt. Danach kann sich jemand, der inden mafiosen Strukturen verfangen ist, Straffreiheit er-kaufen, wenn er Anzeige gegen andere erstattet und da-mit Ermittlungsansätze ermöglicht. Diese Möglichkeitgibt es bezeichnenderweise auch bei der Geldwäsche,weil man erkannt hat, dass auch Geldwäschedelikte nurermittelt werden können, wenn man einem Täter denAusstieg durch Straffreiheit ermöglicht.Warum gibt es für den Menschenhandel keine gleichlautende Vorschrift wie die des § 31 BtMG? Wir werdendazu im Ausschuss einen Vorschlag unterbreiten.
Es gibt denjenigen – ich sagte das schon –, der dasmenschenunwürdige Verhalten von Menschenhändlernzu seinen Zwecken ausnutzt. Das ist der Freier! Nunkann man nicht von jedem Freier erwarten, dass er dieHintergründe des Menschenhandels durchleuchten underkennen kann. Derjenige, der davon weiß oder grobfahrlässig nicht erkennt, dass eine Frau wie ein Tier ge-halten wird, sie nicht einmal einen Personalausweis be-sitzt, nicht ausgehen kann, wann sie will, die Sprachenicht beherrscht und zu fünft in einem Zimmer lebenmuss, muss unseres Erachtens bestraft werden. Dasheißt, derjenige, der den Menschenhandel ausnutzt, mussebenso bestraft werden wie derjenige, der den Frauen-handel betreibt.
Der Straftatbestand des Menschenhandels und desMenschenraubs ist nicht neu. In den Straftatbestand desMenschenraubes wollen Sie einführen, dass derjenige,der finanziell ausgebeutet wird, Schutz genießt. Demstimmen wir zu.Aber dort, wo es um sexuelle Ausbeutung geht, mussman Ihren Entwurf genau durchsehen. Es stimmt näm-lich nicht, Frau Schewe-Gerigk, dass Sie das Schutzalteranheben. Wenn Sie sich die Vorschriften ansehen, stellenSie fest, dass Sie beim Grundtatbestand das Schutzaltervon 21 Jahren auf 18 Jahre senken. Erklären Sie mirbitte, warum Sie das jetzt wollen! Denn man hat schonbei der Einführung des § 180 b StGB gewusst, dass essystemwidrig ist, die Altersgrenze bei 21 Jahren festzu-legen, weil diese sonst im Strafgesetzbuch nicht auf-taucht. Es bestand und besteht aber ein Schutzbedürfnis.Auf eines weise ich Sie schon jetzt hin: Wenn Sie sa-gen: „Wer 18 Jahre alt ist, ist erwachsen und braucht kei-nen besonderen Schutz mehr“, entfachen Sie, Herr Kol-lege Ströbele, eine Diskussion darüber, ob man gegenheranwachsende Straftäter Erwachsenenstrafrecht undnicht mehr das Jugendstrafrecht anwenden soll.
Der Diskussion werden Sie sich stellen müssen.FsdMvhmgqhSdknphdnEteVwnaÜAkd
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004 9953
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Wir haben mit der Entkoppelung durchsetzen können,dass Marktmechanismen verstärkt greifen. Wir habenaber auch Cross Compliance durchsetzen können. Jeder,der sich einmal näher mit den Umweltbegleitumständender Baumwollproduktion beschäftigt hat, weiß, dass diestrikte Bindung künftiger Zahlungen an die Einhaltungder einschlägigen Umweltstandards gerade bei derBaumwolle zu einer erheblichen Entlastung der Umweltführen wird.Darüber hinaus haben wir bei der Baumwolle einwichtiges Signal zum Gelingen der nächsten WTO-Han-delsrunde gesetzt, weil gerade dieses Thema hoch um-stritten ist. Sie wissen, dass sich in den Staaten Westafri-kas Bauern beklagen, dass wir, die Staaten des Nordens,unsere Märkte abschotten. Wegen 25 000 Baumwollfar-mern in den Vereinigten Staaten, die durch die U.S.Farm Bill besonders abgesichert werden, drohen2,5 Millionen Bauern in den Westsaharastaaten ihreExistenz zu verlieren.Mit der klaren Entscheidung zur Entkoppelung – hiersind wir sogar noch weiter gegangen, als es die Kommis-sgddDwr–ghNwddsAhmwdpbchzEDlddMbiEbfdS
Herr Rossmanith, in Deutschland wird viel Hopfen an-ebaut. Auf das Thema – „Hopfen und Malz – Gott er-alt’s!“ – wollte ich nun zu sprechen kommen. Die guteachricht, Herr Kollege, ist, dass bei uns keine Baum-olle angebaut wird. Die schlechte Nachricht aber ist,ass wir die Subventionen für den Baumwollanbau trotz-em zahlen müssen.Nun komme ich zu dem Thema, das Sie, wie ich jaeit vielen Jahren weiß, mehr interessiert: zum Hopfen.
uch beim Hopfen ist uns Wesentliches gelungen. Wiraben es geschafft, dass die anerkannten Erzeugerge-einschaften im Hopfenbereich weiterhin unterstützterden. Ich halte das für eine richtige und gute Entschei-ung, weil wir unserer Landwirtschaft und den Hopfen-roduzenten – für einige von uns ist Hopfen ja ein ganzesonders wichtiges Produkt – auf Dauer Produktionssi-herheit geben können, ohne aber den Fehler gemacht zuaben, dies durch Zugeständnisse in anderen Bereichenu erkaufen.
Ich bin sehr froh, dass wir beim Tabak die völligentkoppelung bis zum Jahre 2010 durchgesetzt haben.enn es ist weder den Steuerzahlerinnen und Steuerzah-ern noch sonst jemandem zu erklären,
ass wir einerseits den Tabakanbau subventionieren, an-ererseits aber Programme in einer Größenordnung vonillionen bzw. Milliarden Euro zur Aufklärung über Ta-akkonsum finanzieren. Ich denke, dieser Kompromissst gut.
s wird für die Tabakbauern lange Übergangszeiten ge-en. Aber es wurde auch die klare Entscheidung getrof-en, dass die zum Teil sehr hohen Flächenprämien, dieie Tabakbauern bisher bekommen haben, nicht bis zumankt-Nimmerleins-Tag gezahlt werden.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir setzen die grundlegende Reform der
Agrarpolitik fort. Deutschland ist mit seiner Verhand-
lungslinie in Brüssel mehrheitsfähig. Selbst die Franzo-
sen konnten wir überzeugen, diesen Weg mitzugehen.
Ich glaube, das ist einer der wesentlichen Gründe dafür,
warum uns bei diesem Kurs der Entkoppelung eine
Mehrheit im Bundestag und auch eine Mehrheit der Län-
der – also auch unionsregierte Länder – unterstützen.
Das ist ein moderater Weg, der uns aber langfristig mehr
Markt, mehr Wettbewerb in der Landwirtschaft und eine
stärkere ökologische Orientierung bringt und der den
Bundeshaushalt insgesamt – zwar nicht so sehr, wie sich
das manche wünschen – spürbar entlasten wird.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Marlene Mortler.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Die Entscheidungen der EU-Agrar-minister über das Reformpaket für Hopfen und Tabaksind für unsere deutschen Landwirte bestimmt keinGrund zum Jubeln.
Die harten Einschnitte, die die Bundesregierung unserenBäuerinnen und Bauern bei der Umsetzung des erstenPakets der GAP-Reform zumutet, finden in diesem zwei-ten Paket ihre Fortsetzung. Es zeigt sich wieder einmal,dass unsere Landwirte in Rot-Grün keine verlässlichenFürsprecher auf europäischer Ebene haben.
Denn wie man hörte, ist der Vorschlag der EU-Kom-mission zum Hopfen von deutscher Seite ohne größereDiskussionen angenommen worden,
und das, obwohl Deutschland über das größte zusam-menhängende Hopfenanbaugebiet der Welt verfügt.
Auf diesen 17 500 Hektar werden rund 80 Prozent desEU- und rund 40 Prozent des weltweiten Hopfenanbausdurchgeführt.
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ach dem Beschluss der EU-Agrarminister tritt die Hop-enreform ja bereits 2005 in Kraft. Die Eckpunkte sehenie vollständige Entkoppelung vor.
er den Hopfen- und Tabakanbau in der Praxis kennt, derennt auch die hohen Investitionen in diesem Bereich. Soäre eine möglichst weitgehende Teilkoppelung aus be-riebswirtschaftlicher Sicht die sinnvollere Alternativeewesen. Die Gleichmacherei in Richtung Einheitsprä-ie – egal, ob es einen hoch spezialisierten Hopfen- oderabakanbaubetrieb betrifft oder einen so genanntenobby-Landwirt – ist für mich nicht nachvollziehbar.Lassen Sie mich folgende Rechnung aufmachen:ird die EU-Agrarreform beim Hopfen nach der Fischler-etriebsprämie umgesetzt, dann werden im Planungs-eitraum der EU-Agrarpolitik von 2005 bis 2012 mit ei-em Schlag ab 2005 – also ohne Abschmelzungsprozess,hne „Gleitflug“ – 75 Prozent der Direktzahlungen imopfenbereich entkoppelt von der Produktion be-riebsindividuell zugeteilt.Noch erhalten die Hopfenbetriebe – zum Beispiel inayern – Direktzahlungen von zumindest 360 Euro jeektar, auf die unsere Betriebe aufgrund des zum Teiltarken Preisverfalls der letzten Jahre für ihr Einkommenngewiesen sind. Bei einer Zuordnung der entkoppeltenirektzahlungen zu allen Ackerflächen, wie es nach demeutschen Gesetzentwurf vorgesehen ist, könnten dieseetriebe – zum Beispiel in Bayern – 2005 nur noch mitund 300 Euro je Hektar rechnen, also mit 60 Euro weni-er. Käme diese regionalisierte statt der betriebsindivi-uellen Zuteilung, würde das im Falle eines Hopfenan-aubetriebs mit 40 Hektar bedeuten, dass fast 2500 Euroom Einkommen der Anbauer abgezogen würden, eineminkommen, das zum einen reichen muss, um die Fami-ie zu versorgen, zum anderen aber auch, um Nettoinves-itionen zu tätigen. Deshalb ist der Gesetzentwurf an die-er Stelle zu korrigieren.
Die vorgesehene Unterstützung der Erzeugergemein-chaften allerdings begrüße ich. Die gefundene haushalts-eutrale Regelung war unter anderem auch ein Vorschlagayerns gegenüber dem amtierenden Agrarratsvorsitzen-en Joe Walsh. Die Erzeugergemeinschaften nehmenichtige Aufgaben im Bereich der Zertifizierung, derorschung und Vermarktung wahr. Sie steigern aber auch das möchte ich hier am Rande durchaus erwähnen – dasusammengehörigkeitsgefühl ihrer Kollegen und Kolle-innen. Ich kann das jedes Jahr bei der so genannten
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004 9955
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Marlene MortlerHopfenbegehung im August miterleben, durchaus nachdem Motto: „Hopfen und Malz – Gott erhalt’s!“. Es mussaber in den weiteren parlamentarischen Beratungen dis-kutiert werden, ob die Hopfenbeihilfe nicht als Top-up involler Höhe betriebsindividuell gewährt werden kann.Für die Hopfenbauern wäre das Modell der CDU/CSUwesentlich gerechter, würden doch zumindest 65 Prozentder Prämien betriebsindividuell zugewiesen werden.Noch kurz zum Tabak: In meinem Wahlkreis wirdnicht nur Hopfen angebaut, sondern liegen auch25 Prozent der bayerischen Tabakanbauflächen.
Viele Gespräche, die ich in den vergangenen Wochenund Monaten mit den Bauern geführt habe, haben michzu der Überzeugung geführt, dass sie in Zukunft eineschwere Last zu tragen haben. Denn wenn es nach demWillen Ihrer Politik geht, sollen sie 2010, dem Zeitpunktder vollständigen Entkopplung, ihre Betriebe schließen.Obwohl die Bundesministerin die schwerwiegendenAuswirkungen für die deutschen Tabakbauern kennt,wertet sie dieses Ergebnis als gesundheitspolitischen Er-folg – wir haben es von Herrn Berninger gehört – undlässt ihre Bauern damit im Stich.
Kein einziger Raucher wird mit dem Rauchen aufhö-ren, wenn in Deutschland kein Tabak mehr angebautwird.
Ich hatte die Ministerin in einem Brief gebeten, Alterna-tiven aufzuzeigen.
Darauf habe ich keine Antwort erhalten.An dieser Stelle möchte ich bemerken, dass geradeder Landkreis Roth der Landkreis in Bayern ist, der dievielfältigste Produktpalette vorzuweisen hat. Die Land-wirte dort haben also immer schon ihre Hausaufgabengemacht.Ich komme zum Schluss. Was wir brauchen – dasmöchte ich nun allgemein formulieren –, sind tragfähigeund verlässliche Zukunftsperspektiven für unsere Jung-landwirte und unsere Jungbäuerinnen. Ich frage michimmer wieder: Wo bleibt Ihr Einsatz für den Erhalt vonArbeitsplätzen? Stattdessen agieren Sie gegen den Erhaltvon Arbeitsplätzen. Landwirtschaft ist schließlich einTeil der Gesamtwirtschaft.
Frau Kollegin, ich habe Ihre Redezeit nun wirklich
reichlich bemessen.
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Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Matthias
eisheit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ch stelle fest: Wir sind wieder einmal unter uns.
Ja, Sie trifft man gewöhnlich nicht in unseren Aus-chusssitzungen. Es ist also eine Ausschusssitzung mittwas erweitertem Zuhörerkreis.Ich möchte die Gelegenheit nutzen und im Grundsatzarstellen – und es gutheißen –, was bei der europäi-chen Agrarpolitik verändert wurde. Die Agrarpolitiknsgesamt und diejenigen, die sich für die Agrarwirt-chaft einsetzen, standen in der Öffentlichkeit immer un-er massiver Kritik. Es wurde kritisiert, dass jede Mengeteuergelder ausgegeben werden, die eigentlich sinnvol-er verwendet werden könnten, dass diese Gelder fürberschussprodukte, Exporterstattung usw. ausgegebenerden, wodurch in anderen Ländern Märkte zerstörterden.Diese Kritik war bisher zum Teil berechtigt. Durchie neue Agrarpolitik ist ihr aber weitestgehend dierundlage entzogen. Denn nunmehr werden durch dieuropäische Agrarpolitik nicht mehr Produkte – und da-it Überschüsse – gefördert, sondern es wird endlichonoriert, was die Landwirtschaft leistet, nämlich dieflege der Kulturlandschaft, der Erhalt und die Weiter-ntwicklung dieser tollen Landschaft.
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9956 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 7. Mai 2004
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Matthias Weisheit
Es ist richtig, dass diese Leistung auf Dauer bezahltwird. Es ist ein riesengroßer Erfolg, dass man diese Ver-änderung hinbekommen hat. Diese gilt außer für dieKulturen, für die man schon beim Treffen in Luxemburgeinen Beschluss gefasst hat, jetzt auch für die Kulturen,die man bisher außer Acht gelassen hatte, nämlich Ta-bak, Hopfen, Baumwolle und Olivenöl. Baumwolle undOlivenöl spielen bei uns keine so furchtbar wichtigeRolle. Vor dem Hintergrund der WTO-Verhandlungen istdie Regelung bei Baumwolle aber natürlich ganz wich-tig; denn es kam immer wieder der große Vorwurf, dasswir den Baumwollanbau in anderen Ländern durch un-sere Subventionen kaputtmachen. Es wäre sehr wün-schenswert, wenn die Amerikaner bei dem, was ihnendie Europäer vorgemacht haben, endlich nachziehenwürden.Zum Hopfen. Hierzu habe ich andere Rückmeldun-gen als Sie, Frau Mortler. Auch ich komme aus einemHopfenanbaugebiet. Die Hopfenanbauer, mit denen ichmich unterhalten habe, waren zufrieden. Sie haben ge-sagt, das Wichtigste sei für sie zunächst einmal die Er-haltung ihrer Erzeugergemeinschaften und die finan-zielle Sicherung derselben gewesen. Das ist durchgesetztworden. Ob die Prämie je Hektar am Ende des Tages einbisschen niedriger oder höher ist, sei für sie nicht ent-scheidend, das könnten sie aufgrund ihrer guten Ausbil-dung mit der hohen Qualität und den damit verbundenenhöheren Preisen durchaus wettmachen.
Das ist ein Unterschied zu denjenigen, die sich immernur auf den Staat verlassen und das eigentlich gar nichtso sehr wollen.
Ich gestehe zu, dass es für die Tabakanbauer ein rie-siges Problem gibt. Diese müssen – das ist überhauptkeine Frage – ihre Produktion innerhalb der nächstenzehn Jahre im Prinzip aufgeben und sich um Alternati-ven kümmern.
Aufgrund der Koppelung der Prämien wird ihnen aberein anständig finanzierter Übergangszeitraum gewährt.
– Ein Teil ist doch entkoppelt. – Darüber, was entkoppeltwird und was gekoppelt bleibt, werden wir mit den Län-dern noch reden müssen. Ich war wirklich nicht glück-lich, als ich gehört habe, dass die Tabak anbauendenLänder dafür eintraten, dass 60 Prozent gekoppelt blei-ben und nur 40 Prozent entkoppelt werden. Mir wäre esschon aus verwaltungstechnischen Gründen lieber, manwürde am Anfang fifty-fifty machen. Hier scheiden sichaber die Geister.dhbLadmfd–oamwzdBBOedstGrshlssdpnBgü
Es ist die Sache jedes Einzelnen, ob er weiterhin rauchtder nicht.Es stellt sich in der Tat die Frage, ob wir den Tabak-nbau bei uns und in Europa weiterhin mit riesigen Sum-en unterstützen oder nicht. Ich finde es richtig, dassir das nicht tun und dass es einen langen Übergangs-eitraum gibt. Ich bin der Bundesregierung sehr dankbar,ass sie das so ausgehandelt hat.Herzlichen Dank.
Jetzt hat der Abgeordnete Goldmann das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!evor wir gleich alle nach Hause fahren und ich zumeispiel heute Abend ein Gespräch mit Landwirten instfriesland habe, die mich sicherlich fragen werden, obin Milchboykott denn Sinn macht – was Ausdruck derramatischen Situation in weiten Teilen der Landwirt-chaft wäre; wir alle wissen, dass die Einkommenssitua-ion außerordentlich schwierig ist –, will ich es imrundsatz gutheißen, dass wir uns alle sehr engagiert da-um bemühen, Lösungen zu finden.Sicher gibt es unterschiedliche Wege. Aber als Erstes,o meine ich, sollte man einmal betonen, dass wir alleier für eine zukunftsfähige Agrarwirtschaft in Deutsch-and arbeiten, in einer Kulturlandschaft, die den Men-chen Gott sei Dank sehr gut gefällt.
Zweiter Punkt. Der Irrsinn, dass eine Produktionchon deshalb gut ist, weil man etwas produziert und da-urch Prämien erhält – auch wenn man am Markt vorbeiroduziert –, muss durchbrochen werden; denn das istiemandem klar zu machen.
Ich finde es auch gut, dass hier die Problematik deraumwolle angesprochen wurde. Ich war mit der Kolle-in Gudrun Kopp in Cancun und muss sagen: Wir hattenberhaupt keine Chance, in Gespräche einzusteigen,
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Hans-Michael Goldmannweil aufgrund der Förderung der Baumwolle durch dieAmerikaner, zum Teil aber auch durch die Europäer,überhaupt keine Gesprächsgrundlage mehr dafür vor-handen war, um für die ärmsten Länder in Afrika Lösun-gen zu entwickeln. Deswegen ist auch dieses Signal ausmeiner Sicht genau richtig.
Liebe Kollegin Mortler, ich denke, die Lösung in Sa-chen Hopfen ist nicht einfach, sondern anspruchsvoll.Die Betroffenen können mit ihr insgesamt sicher leben,wenn wir uns weiterhin dafür verantwortlich fühlen– das wurde von Ihnen und vom Kollegen Weisheit zumAusdruck gebracht –, dass die Zukunftsfähigkeit geför-dert wird. Deshalb müssen wir klipp und klar sagen, dasswir bereit sind, für solche Zukunftsentwicklungen Ge-sellschaftsmittel – sprich: Steuergelder – zur Verfügungzu stellen.Tabak – ein Bereich, der mir als Nordniedersachse,wie ich ehrlicherweise zugeben muss, nicht besondersnah ist; aber ich höre das bei Gesprächen und bei Besu-chen vor Ort – ist ein interessantes Beispiel dafür, wiesich im ländlichen Raum eine gesamte Kultur auf derBasis einer Produktion entwickeln kann. Das geht hinbis zum Bau des Hauses, das so ausgestaltet wurde, dassdie Tabakbauern den Tabak unter ihren Dächern trock-nen können. Wir müssen also immer wieder im Auge ha-ben, dass wir es mit einer sehr langfristig angelegten, be-liebten und geschätzten Kulturentwicklung zu tun haben.Deswegen müssen wir zu guten Lösungen ohne Brüchekommen.
Das ist auch unter gesundheitlichen Aspekten, HerrStröbele, zu beurteilen – überhaupt keine Frage! Aber inTrier arbeiten mehr als 1 000 Menschen in diesem Be-reich. Sie stellen auch nicht nur „böse“ Tabakprodukteher, sondern machen wirklich exzellente Zigarren, dieeine Genusswelt darstellen. Zu Zeiten von Herrn Erhardzum Beispiel waren sie gewissermaßen Symbol von Zu-friedenheit und Wohlergehen.
Deswegen müssen wir sehr genau hinschauen, wie wirhier vorgehen.
Herr Berninger, ich war ein bisschen irritiert und inSorge, als uns im Ausschuss mitgeteilt wurde, dass inder Tabakproduktion wohl eine ganze Reihe kleinererBetriebe vom Markt gehen werde. Ich sage ganz klar– das hat auch Matthias Weisheit betont –: Wir müssenalles dafür tun, damit das Geld, das zur Verfügung steht– trotz aller Einsparmöglichkeiten gegenüber der Euro-päischen Union –, wirklich für marktgerechte Lösungengenutzt wird, damit diese Betriebe mit ihren Mitarbeite-rinnen und Mitarbeitern eine Perspektive haben. Wennwek–wkeweKSitegaNddwskAHwAlpAsmndniSg
Danke schön. Ihren Wunsch geben wir zurück, aber
in paar Reden kommen noch.
Jetzt hat die Kollegin Waltraud Wolff das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Lieber Kollege Goldmann, auch ich dachte,ie wollten mich schon ins Wochenende entlassen, aberch wollte doch noch hier vom Pult aus meine Rede hal-n.Liebe Frau Mortler, Bayern stand bei den Verhandlun-en zum ersten Teil der EU-Agrarreform ziemlich alleinuf weiter Flur.
ach Ihrer heutigen Rede habe ich leider den Eindruck,ass die CDU/CSU-Fraktion an dieser Stelle noch nichtsazugelernt hat. Herr Goldmann hat eben gesagt, wir alleollten eine gute Zukunft für die deutsche Landwirt-chaft. Diese Aussage muss ich ein bisschen einschrän-en: noch nicht alle! Vielleicht wird das im Laufe derusgestaltung des zweiten Teils etwas anders.Sie haben auch die geringeren Prämien für denopfen angesprochen. Wenn ich aus Bayern käme,ürde ich das möglicherweise auch tun.
ber ich finde – auch das muss man einmal ganz deut-ich sagen –, dass man nicht immer nur mit Scheuklap-en diskutieren kann, sondern man muss die europäischegrarpolitik und – das hat der Herr Staatssekretär ange-prochen – die WTO im Blick haben. Man darf nicht im-er in seinem Klein-Klein verbleiben.Sie haben darüber hinaus beklagt, dass die Subventio-en deutlich geringer ausfallen, und darauf hingewiesen,ass auch die Hopfenbauern schließlich Familien zu er-ähren haben. Ich habe immer gedacht, sie können vonhren Erträgen leben. Wenn sie allein von staatlichenubventionen abhängig wären, fände ich das nicht sout.
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Waltraud Wolff
Ich bin sehr froh, dass die Bundesregierung in so kur-zer Zeit, nämlich in nur zwei Wochen, einen Gesetzent-wurf vorgelegt hat, um die Forderungen des EU-Agrarrates zu erfüllen. Im Großen und Ganzen sinddiese Vorgaben mit den Ländern – auch mit den vonCDU und FDP geführten Bundesländern – abgestimmt.Ich finde es sehr positiv, dass wir über einen Bereichsprechen, der Deutschland nicht betrifft, nämlich dieBaumwolle. Man muss hervorheben, dass die WTO indiesem Zusammenhang eine große Rolle spielt und un-sere Entscheidung in Europa auch für die Entwicklungs-länder einen sehr hohen Stellenwert hat. Daher begrüßeich diese Entscheidung sehr.Zu Hopfen und Tabak ist vieles gesagt worden. BeiTabak entkoppeln wir nur 40 Prozent, sodass 60 Prozentals Betriebsprämie übrig bleiben werden. Das hat denHintergrund, dass die meist sehr kleinflächigen Anbau-betriebe nicht überfordert werden sollen. Brüssel fordertaber, dass im Jahr 2010 50 Prozent des entkoppelten Prä-mienvolumens in einen Umstrukturierungsfonds fließenmüssen. Daher stellt sich die Frage, was wir wollen.Wenn wir es beim Verhältnis 40 : 60 beließen, was HerrBleser gleich gefordert hat, als Herr Weisheit gesagt hat,dass wir mit einem Verhältnis von 50 : 50 schon alleinwegen der Bürokratie viel besser führen – Herr Bleser,Sie können ruhig zuhören; wenn ich Sie schon direkt an-spreche, wäre es nett, wenn Sie mir folgen würden –,
dann müssen im Jahre 2009 sämtliche Berechnungenneu erfolgen. Das ist ein riesiger bürokratischer Auf-wand.
Ich hoffe, dass dahinter kein politisches Kalkül steht.Sehr viel besser wäre es nämlich im Sinne der EU, eineBetriebsprämie von 50 Prozent und eine entkoppeltePrämie von 50 Prozent zu haben. Der Abschmelzungs-prozess – das ist auch noch nicht gesagt worden – wirdauch in diesen Bereichen in jedem Fall im Jahr 2013 ab-geschlossen sein.Nicht zu verhehlen ist auch, dass die Prämien für Ta-bak ein Vielfaches der gezahlten Getreide- und Hopfen-prämien betragen haben. Gesellschaftspolitisch ist dasauf lange Sicht nicht zu vertreten. Bund und Länder ha-ben sich dieser Tatsache angenommen und wissen, dassder Umlenkungsprozess sehr schwierig sein wird. Des-halb haben Sie einen gemeinsamen Weg gefunden. DerUmstrukturierungsfonds, von dem schon die Rede gewe-sen ist, gibt den Ländern die Möglichkeit, neue Erwerbs-chancen in den betroffenen Regionen zu erschließen.Das ist ein wichtiger Punkt.sbsdWk1sRsddnWitwDgtuldniWwlvzggduvebÜVetdhd
enn es nicht so viele Härtefälle gibt, dann hätte manmmer noch die Möglichkeit, die übrig gebliebenen Mit-el zu verteilen. Dieser Weg ist immer noch besser, alsenn man hinterher die Betriebsprämien in ganzeutschland kürzt, wenn die Mittel nicht ausreichen. Ichlaube, dass dieser Weg nicht so günstig wäre.Ich habe zum Schluss die Bitte an die Oppositionspar-eien, dass sie diese zwei Fragen noch einmal beratennd auf die Bundesländer zugehen. Ich kann mir vorstel-en, dass es zu Unmut unter den Bauern kommt, wennie nationale Reserve nicht ausreichen sollte. Ich hoffeicht, dass das die politische Intention der Oppositionst. Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam einen guteneg finden und gemeinsam unsere Kraft für die Land-irtschaft in Europa einsetzen.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Peter Bleser.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-egen! Nach der allgemeinen EU-Agrarmarktreformom vergangenen Jahr haben wir es nun mit der GAP IIu tun, die die Änderung der verbliebenen Marktordnun-en für Oliven, Baumwolle, Hopfen und Tabak mit sichebracht hat. Wir haben nun die nationale Umsetzunger auf EU-Ebene gefassten Beschlüsse vorzubereitennd kommen dieser Aufgabe mit der ersten Beratung desorliegenden Gesetzentwurfs nach.Ich möchte zunächst einmal deutlich machen, worums bei diesem Thema geht; denn einige scheinen zu glau-en, dass es in dieser Debatte um ein Randthema geht.ber 1 000 Betriebe in Deutschland bauen Tabak an.on diesen Betrieben sind mehr als 3 500 Beschäftigte,twa 10 000 Saisonarbeitskräfte sowie die Beschäftig-en im vor- und nachgelagerten Bereich abhängig.Es geht also um eine Vielzahl von Schicksalen, überie zu entscheiden ist. Bereits jetzt ist festzustellen – dasat die Bundesregierung auch nicht bestritten –, dassem Gesetzentwurf der Bundesregierung zufolge die
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Peter Bleserwirtschaftliche Existenz dieser Menschen spätestens imJahr 2013 beendet wird. Spätestens 2013 soll der Tabak-anbau, der in Deutschland seit 300 Jahren Bestand hat,eingestellt werden. Darum geht es in dieser Debatte.Wir müssen darüber diskutieren, wie die nationaleUmsetzung der EU-Agrarpolitik zu gestalten ist. Dennes besteht durchaus die Möglichkeit, für die betroffenenBetriebe und Familien Übergangsregelungen zu schaf-fen, um ihnen die Chance einzuräumen, ihre wirtschaftli-che Existenz zumindest zu einem großen Teil zu sichern.
Was die Bundesregierung wie auch die Fraktionen derSPD und der Grünen vorgetragen haben, ist im Grundeschizophren.
Man sagt, man könne nicht auf der einen Seite den ge-sundheitsschädlichen Genuss von Tabak geißeln, aberauf der anderen Seite den Tabakanbau fördern. Das hörtsich zwar gut an, aber glauben Sie wirklich, dass sich diedeutschen Raucher nur deshalb das Rauchen abgewöh-nen, weil der Tabak nicht mehr aus Deutschland kommt?Das ist doch eine Illusion, die Sie verbreiten. Sie schädi-gen damit nur weiter den Wirtschaftsstandort Deutsch-land. Das ist die einzige Konsequenz Ihres Vorhabens.
Das ist die Realität. Deshalb müssen wir uns mit IhrenVorschlägen befassen. Wir haben durchaus Verständnisdafür, dass diese Reform angegangen wurde. Natürlichwar die Tabakmarktordnung in den vergangenen Jahr-zehnten immer wieder auch Vehikel für andere Be-schlüsse in der Europäischen Union, um eine Bevortei-lung südlicher Länder, die dafür besonders prädestiniertsind, zu erreichen. Insofern will ich gar nicht in Abredestellen, dass eine Änderung der Tabakmarktordnung not-wendig war. Die gefassten Beschlüsse sollten aber soumgesetzt werden, dass in Deutschland die sich im Rah-men der Anpassung ergebenden Möglichkeiten genutztwerden.
Uns liegt ein Gesetzentwurf vor, der übrigens erst amMittwoch das Licht erblickt hat. Die Tabakverbände ha-ben sich wegen der komplizierten Darstellung zunächsteinmal nicht in der Lage gesehen, den Gesetzentwurf zubeurteilen.Sie haben die sich aus den EU-Beschlüssen ergeben-den Möglichkeiten, die Prämien bis 2010 in voller Höhezu gewähren, nicht ausgeschöpft, sondern sehen in Ih-rem Gesetzentwurf vor, die Prämien ab 2007 um jährlich10 Prozent zu reduzieren. Das schmälert die Chancender Tabakanbaubetriebe, sich auf diesen Subventionsab-bau einzustellen.asCmti–SfmwliSvzNwnaÜ
Ich schließe damit die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-urfs auf Drucksache 15/3046 an die in der Tagesord-ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt esndere Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist dieberweisung so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 26 a und 26 b auf:a) Beratung des Antrags der Abgeordneten GudrunKopp, Birgit Homburger, Angelika Brunkhorst,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDPNationales Energieprogramm vorlegen – Pla-nungssicherheit für Wirtschaft und Verbrau-cher herstellen– Drucksache 15/2760 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungHaushaltsausschussb) Beratung des Antrags der Abgeordneten UlrikeFlach, Cornelia Pieper, Angelika Brunkhorst,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDPForschung und Entwicklung für zukunfts-fähige Energietechnologien – 5. Energiefor-schungsprogramm umgehend vorlegen– Drucksache 15/2194 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
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Vizepräsidentin Dr. Antje VollmerAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung
ihre Reden zu Protokoll zu geben. Sind Sie damit einver-standen? – Das ist der Fall. Dann verfahren wir so.Es redet nur noch die Abgeordnete Gudrun Kopp.Frau Kopp, Sie haben das Wort. Bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren undDamen! Ganz so leer ist das Haus ja noch nicht. Ich läutedas bevorstehende Wochenende mit einem, wie ichfinde, äußerst wichtigen Thema ein. Die FDP-Bundes-tagsfraktion hat über vier Monate ein sehr umfassendesGesamtkonzept zur Energiepolitik in Deutschland erar-beitet, das Ihnen heute als Antrag vorliegt. Die FDP-Bundestagsfraktion eröffnet damit eine wichtige Ener-giedebatte. Es gilt, eine weitere Schwächung des Wirt-schaftsstandortes Deutschland zu verhindern. Denn dierot-grüne Bundesregierung macht, wie man einmal de-tailliert herausstellen muss, leider keine konsistenteEnergiepolitik.Wir legen Ihnen auf 15 Seiten unseres Antrags dar,dass sich der weltweite Energiebedarf bis zum Jahr2050 im Vergleich zu heute – einige Fachleute gehen so-gar davon aus, dass das möglicherweise schon bis zumJahr 2030 geschehen wird – verdoppeln wird. Da derKraftwerkspark in Deutschland überaltert ist, sind Inves-titionen in neueste Technologien notwendig. Außerdemmüssen wir uns dringend um die Regulierung des Strom-und Gasmarktes kümmern. Das darf nicht in bürokrati-scher, sondern sollte auf effiziente, den Wettbewerb stär-kende Weise geschehen.
Ich bin, wie meine Fraktion, davon überzeugt, dassdie Bundesregierung weit davon entfernt ist, auf Dauereine wettbewerbsfähige Energiepolitik zu machen. Unsliegt daran, dass der Energiemix aus fossilen – diese sindnatürlich endlich – und erneuerbaren Energieträgern so-wie aus der Kernenergie erhalten bleibt. Um es gleich zusagen: Der beschlossene Ausstieg aus der Kernenergieist ein Irrweg.
Gerade wer den Klimaschutz – er ist absolut notwen-dig – in den Mittelpunkt stellt sowie eine bezahlbare undsichere Energieversorgung haben will, der kommt aufDauer an dem von mir geschilderten Dreiklang in derEnergiepolitik nicht vorbei.
DSuhrsvBgkSdddldr3wtedRwwgVWMfnwPginKuwegvPesAw1) Anlage 7
Wir, die FDP-Bundestagsfraktion, legen auf unserenergiepolitischen Ziele Wert: Gleichrangigkeit, Versor-ungssicherheit, Wirtschaftlichkeit, Umwelt- und Sozial-erträglichkeit. Das alles steht im Einklang mit unseremrogramm, dessen intensives Studium ich Ihnen sehrmpfehle. Ich freue mich auf eine muntere energiepoliti-che Debatte, die wir im Rahmen der Beratungen in denusschüssen und dann auch hier, im Plenum, führenerden.Ich wünsche Ihnen allen ein gutes Wochenende.)
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(C)
(D)
Gudrun Kopp
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 15/2760 und 15/2194 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen,
wobei die Vorlage auf Drucksache 15/2194 federführend
an den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit überwiesen
werden soll. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf Mittwoch, den 26. Mai 2004, 13 Uhr, ein. Das
ist dann nach der Bundespräsidentenwahl.
Die Sitzung ist geschlossen.