Protokoll:
15106

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 15

  • date_rangeSitzungsnummer: 106

  • date_rangeDatum: 30. April 2004

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  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:39 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 15/106 und der Fraktion der FDP: Die Chancen der EU-Erweiterung für Deutschland nutzen (Drucksache 15/2774) . . . . . . . . . . . . . . . . e) Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Die EU-Erweiterung als Gewinn begreifen – Sicherheit, Wohlstand und Stabilität in ganz Europa stärken (Drucksache 15/2973) . . . . . . . . . . . . . . . . Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . Dr. Angela Merkel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . . Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD) . . . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Hans-Michael Goldmann, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuches – § 246 – (Drucksachen 15/360, 15/2996) . . . . . . – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Christian Freiherr von Stetten, Marita Sehn, Manfred Grund und weiteren Abgeordneten eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Baugesetzbuches (Kommu- nale Rechte bei Windkraftanlagen stärken) (Drucksachen 15/513, 15/2996) . . . . . . 9581 D 9582 A 9582 B 9588 B 9592 D 9596 A 9598 B 9610 B 9610 B Deutscher B Stenografisch 106. Sitz Berlin, Freitag, den I n h a l Begrüßung der Botschafter der neuen Mit- gliedstaaten der Europäischen Union . . . . . . . Tagesordnungspunkt 19: a) Abgabe einer Erklärung durch den Bun- deskanzler: Erweiterung der Europäischen Union . c) Antrag der Abgeordneten Michael Kretschmer, Albert Rupprecht (Weiden), Peter Hintze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Die EU-Er- weiterung als Chance und Aufgabe (Drucksache 15/2748) . . . . . . . . . . . . . . . . d) Antrag der Abgeordneten Jürgen Türk, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Dr. Werner Hoyer, weiterer Abgeordneter D D G D G T a 9581 A 9581 C 9581 D Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bayern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9601 A undestag er Bericht ung 30. April 2004 t : r. Guido Westerwelle (FDP) . . . . . . . . . . . . r. Edmund Stoiber, Ministerpräsident (Bayern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ünter Gloser (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Gesine Lötzsch (fraktionslos) . . . . . . . . . ert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) . . . . . . agesordnungspunkt 20: ) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Anpassung des Baugesetzbuches an EU-Richtli- nien (Europarechtsanpassungsgesetz Bau – EAG Bau) (Drucksachen 15/2250, 15/2996) . . . . . 9605 A 9605 B 9605 D 9607 D 9608 C 9610 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Verkehr, Bau- und Wohnungs- wesen zu dem Antrag der Abgeordneten II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. April 2004 Joachim Günther (Plauen), Eberhard Otto (Godern), Horst Friedrich (Bayreuth), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Weitgehende Planungserleich- terungen bei Anpassung des Baugesetz- buches an EU-Richtlinien (Drucksachen 15/2346, 15/2996) . . . . . . . Wolfgang Spanier (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Götz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Günther (Plauen) (FDP) . . . . . . . . . . Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister BMVBW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Christian Ruck, Hermann Gröhe, Dr. Ralf Brauksiepe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Die Berliner Afghanis- tankonferenz – eine neue Chance für mehr Kohärenz und Koordinierung beim Wiederaufbau (Drucksachen 15/2578, 15/2991) . . . . . . . b) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN: Fortsetzung des Engagements der Bundesregierung für den Wiederaufbau- und Stabilisie- rungsprozess in Afghanistan (Drucksachen 15/2757, 15/3006) . . . . . . . Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . Dr. Christian Ruck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Johannes Pflug (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Löning (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . Bernd Schmidbauer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Petra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in d t ( T U B s l ( Z A d A f H H C W I D U J W U P K J A A N A L A E U D E B o 9610 C 9610 C 9612 B 9615 B 9616 B 9617 C 9619 C 9619 D 9619 D 9621 D 9623 C 9625 C 9627 A 9629 A 9630 C 9631 A er Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 (Zu- eilungsgesetz – NAPG) Drucksache 15/2966) . . . . . . . . . . . . . . . . . . agesordnungspunkt 23: nterrichtung durch die Bundesregierung: ericht zur Entwicklung von Qualitäts- tandards in der privaten Arbeitsvermitt- ung Drucksache 15/2521) . . . . . . . . . . . . . . . . . . usatztagesordnungspunkt 6: ktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion er FDP: Haltung der Bundesregierung zur llgemeinen Wehrpflicht und zu Plänen ür ein soziales Pflichtjahr . . . . . . . . . . . . . . elga Daub (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ans Georg Wagner, Parl. Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . hristian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU) . . . . . infried Nachtwei (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . na Lenke (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Hans-Peter Bartels (SPD) . . . . . . . . . . . . rsula Lietz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . utta Dümpe-Krüger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . illi Zylajew (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . rsula Mogg (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . etra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . laas Hübner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ürgen Herrmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . nton Schaaf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ndreas Scheuer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . nlage 2 rklärung nach § 31 GO der Abgeordneten ndine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN) zur Abstimmung über den ntwurf eines Gesetzes zur Anpassung des augesetzbuches an EU-Richtlinien (Tages- rdnungspunkt 20 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9632 C 9632 D 9633 A 9633 A 9634 A 9635 C 9636 D 9637 D 9638 D 9640 A 9641 A 9642 B 9642 D 9644 A 9644 D 9646 A 9647 B 9648 C 9649 D 9651 A 9651 D Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. April 2004 III Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Baugesetzbuches an EU-Richtlinien – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuches – § 246 – – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuches (Kommunale Rechte bei Windkraftanlagen stärken) – Beschlussempfehlung und Bericht: Weit- gehende Planungserleichterungen bei Anpassung des Baugesetzbuches an EU- Richtlinien (Tagesordnungspunkt 20) Petra Pau (fraktionslos) . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Natio- nalen Zuteilungsplan für Treibhausgas- Emissionsberechtigungen in der Zutei- lungsperiode 2005 bis 2007 (Tagesordnungs- punkt 22) Wolfgang Grotthaus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker (SPD) . . . . . Georg Girisch (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Petzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Birgit Homburger (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Unterrichtung: Bericht zur Entwick- lung von Qualitätsstandards in der priva- ten Arbeitsvermittlung (Tagesordnungs- punkt 23) Hans-Werner Bertl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Alexander Dobrindt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . Marie-Luise Dött (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . Dr. Hermann Kues (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dirk Niebel (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär BMWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 6 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9652 C 9653 B 9654 D 9656 A 9657 A 9658 A 9658 D 9659 D 9660 B 9661 A 9662 B 9663 D 9664 C 9665 D Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. April 2004 9581 (A) ) (B) ) 106. Sitz Berlin, Freitag, den Beginn: 9.0
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    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. April 2004 9651 (A) ) (B) ) zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf eine Änderung Montag, Jerzy BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.04.2004 Gegenüber dem ursprünglichen Entwurf enthält der nien (Tagesordnungspunkt 20 a)Meckel, Markus SPD 30.04.2004 Anlage 1 Liste der entschuldigte * ** A Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Andres, Gerd SPD 30.04.2004 Bachmaier, Hermann SPD 30.04.2004 Dr. Bauer, Wolf CDU/CSU 30.04.2004 Berg, Ute SPD 30.04.2004 Bindig, Rudolf SPD 30.04.2004* Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 30.04.2004 Dzembritzki, Detlef SPD 30.04.2004 Dr. Faust, Hans Georg CDU/CSU 30.04.2004 Flach, Ulrike FDP 30.04.2004 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 30.04.2004* Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 30.04.2004 Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.04.2004 Granold, Ute CDU/CSU 30.04.2004 Höfer, Gerd SPD 30.04.2004* Hörster, Joachim CDU/CSU 30.04.2004* Dr. Hoyer, Werner FDP 30.04.2004 Jäger, Renate SPD 30.04.2004* Jonas, Klaus Werner SPD 30.04.2004* Kampeter, Steffen CDU/CSU 30.04.2004 Kelber, Ulrich SPD 30.04.2004 Kopp, Gudrun FDP 30.04.2004 Kortmann, Karin SPD 30.04.2004 Dr. Leonhard, Elke SPD 30.04.2004 Letzgus, Peter CDU/CSU 30.04.2004* Link (Diepholz), Walter CDU/CSU 30.04.2004 Lintner, Eduard CDU/CSU 30.04.2004* Matschie, Christoph SPD 30.04.2004 M O D R R S S D S S D D D T W W D W A (C (D Anlagen zum Stenografischen Bericht n Abgeordneten für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der NATO nlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstim- mung über den Entwurf eines Gesetzes zur An- passung des Baugesetzbuches an EU-Richtli- ulthaupt, Gesine SPD 30.04.2004 tto (Godern), Eberhard FDP 30.04.2004 r. Pinkwart, Andreas FDP 30.04.2004 achel, Thomas CDU/CSU 30.04.2004 aidel, Hans CDU/CSU 30.04.2004** ager, Krista BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.04.2004 charping, Rudolf SPD 30.04.2004 r. Scheer, Hermann SPD 30.04.2004* cholz, Olaf SPD 30.04.2004 chultz (Everswinkel), Reinhard SPD 30.04.2004 r. Schwanholz, Martin SPD 30.04.2004 r. Stinner, Rainer FDP 30.04.2004 r. Thomae, Dieter FDP 30.04.2004 rittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.04.2004 ellenreuther, Ingo CDU/CSU 30.04.2004 ettig-Danielmeier, Inge SPD 30.04.2004 r. Wodarg, Wolfgang SPD 30.04.2004* ohlleben, Verena SPD 30.04.2004 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 9652 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. April 2004 (A) ) (B) ) des § 18 a Absatz 2 des Raumordnungsgesetzes. War bisher vorgesehen, in der Ausschließlichen Wirtschafts- zone (AWZ) das Bundesamt für Bauwesen und Raum- ordnung (BBR) mit der Durchführung der vorbereiten- den Verfahrensschritte zur Aufstellung der Ziele und Grundsätze der Raumordnung, einschließlich der Um- weltprüfung und der Öffentlichkeitsbeteiligung, zu be- trauen, so soll nunmehr hierfür das Bundesamt für See- schifffahrt und Hydrologie (BSH) zuständig sein, das dann gleichzeitig planende und genehmigende Behörde wäre. Diese Regelung halte ich für äußerst bedenklich. Eine planungsrechtliche Abwägung muss von einem Höchst- maß an Objektivität der mit der Raumordnung beauftrag- ten Stelle ausgehen. Die für Raumordnung zuständige Behörde sollte nicht zugleich Genehmigungsbehörde für an Vorgaben der Raumordnung gebundene Entscheidun- gen sein. Die Unabhängigkeit der Raumordnungsbe- hörde wäre nicht gegeben und die Kontrollfunktion ginge weitgehend verloren, wenn verpflichtende und verpflich- tete Behörde identisch wären. Sicherlich hat das BSH eine größere fachliche Nähe zum Thema Schutz der Meeresumwelt und Gewährleis- tung der Sicherheit und Leichtigkeit der Seeschifffahrt. Jedoch hat das BBR – im Gegensatz zum BSH – unbe- streitbar die notwendigen Kenntnisse im Bereich der Raumordnung und Raumforschung. Zudem engagiert es sich bereits im IKZM-Prozess (Integriertes Küstenzo- nenmanagement) und kann dadurch durchaus auf Erfah- rungen im Meeres- und Küstenbereich zurückgreifen. Im Interesse einer übergeordneten und koordinieren- den Planung ist die geringere sektorale Kompetenz des BBR auch gar nicht entscheidend. Dies ergibt sich aus dem Vorrang der Koordinationsziele vor den zu koordi- nierenden Aufgaben. Fachspezifische Erfordernisse kön- nen die Fachbehörden in ihren Planungen darlegen und von der Raumordnungsbehörde angemessen berücksich- tigt werden. Ich halte es für eine demokratietheoretisch und demo- kratiepraktisch fatale Entscheidung, dass die Trennung von Raumordnungsbehörde (BBR) und Fachplanungs- und Genehmigungsbehörde (BSH) aufgehoben wird, und lehne sie nachdrücklich ab. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung: – Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Baugesetzbuches an EU-Richtlinien – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuches – § 246 – – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuches (Kommunale Rechte bei Windkraftanlagen stärken) – Beschlussempfehlung und Bericht: Weitge- hende Planungserleichterungen bei Anpas- g s z d l r m z a u b n s g E k g p n u k d t i t u l B r u B z b R b g o n d p m u s u K t e (C (D sung des Baugesetzbuches an EU-Richtli- nien (Tagesordnungspunkt 20) Petra Pau (fraktionslos): Mit dem EAG sollten drei rundlegende Ziele verfolgt werden: erstens die Anpas- ung des nationalen Baurechts an die EU-Richtlinien, weitens die weitere Vereinfachungen im Baurecht und rittens die Aufnahme des Stadtumbaus und der Sozia- en Stadt in das Baugesetzbuch. Es ist selten, dass ein Gesetzentwurf der Bundesregie- ung, wenn auch in einer veränderten Fassung, einstim- ig im Bauausschuss beschlossen wird. Auch im Plenum eichnet sich eine fraktionsübergreifende Zustimmung b. Ein Grund dafür sind sicher die langfristige Vorarbeit nter Einbeziehung der Länder und Kommunen, die Ar- eit einer Expertenkommission und die Durchführung ei- es Planspiels. Die Positionen der PDS zur Baurechtsnovelle lassen ich in acht Punkten zusammenfassen. Erstens. Die vor- esehenen Anpassungen des nationalen Baurechts an die U-Richtlinien zur Umweltprüfung und zur Öffentlich- eitsbeteiligung sind notwendig, sinnvoll, im Kern gut elungen und unterstützenswert. Positiv ist die Ver- flichtung, grundsätzlich alle Raumordnungs-, Flächen- utzungs- und Bebauungspläne einer Umweltprüfung zu nterziehen. Zweitens. Die stärkere Betonung der Sozialpflichtig- eit, der Nachhaltigkeit und des Bodenschutzes sowie ie Aufnahme der Verkehrsproblematik mit der Ausrich- ung auf die Vermeidung und Verringerung von Verkehr n die Bauplanung wird ausdrücklich begrüßt. Drittens. Künftig sind alle Flächennutzungspläne spä- estens 15 Jahre nach ihrer Aufstellung zu überprüfen nd, wenn notwendig, an neue städtebauliche Entwick- ungen anzupassen. Diese von der PDS bereits bei der aurechtsnovelle im Jahr 1997 vorgeschlagene Ände- ung wird zu einer besseren Beteiligung der Bürgerinnen nd Bürger, zu mehr Transparenz und Klarheit führen. Viertens. Hervorzuheben ist die Konkretisierung der odenschutzklausel mit dem Ziel der Verringerung der usätzlichen Inanspruchnahme von neuen Flächen für auliche Nutzungen. Dies ist ein Schritt in die richtige ichtung, reicht aber nicht. Angesichts stagnierender zw. rückläufiger Bevölkerungszahlen, zunehmend un- enutzter (versiegelter) Flächen, welche zum Wohnen der für das Gewerbe geeignet sind, steht die Frage, ob icht ein im Grundsatz genereller Stopp weiterer Zersie- elungen und Baulandausweisungen nicht nur umwelt- olitisch notwendig, sondern auch möglich ist. Fünftens. Die Öffentlichkeitsbeteiligung und die de- okratischen Mitbestimmungsrechte für Bürgerinnen nd Bürger werden mit dem Gesetz gestärkt. Nicht ge- ondert thematisiert wurden mit Bezug auf das Kinder- nd Jugendhilfegesetz die Mitbestimmungsrechte für inder und Jugendliche. Erklärtes Ziel der PDS ist, Be- roffene zu Beteiligten zu machen. Mit dem neuen EAG rweitern sich ihre Möglichkeiten zur Mitwirkung an der Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. April 2004 9653 (A) ) (B) ) Entwicklung der Städte und Gemeinden und des Umlan- des. Eine Voraussetzung ist, dass die Beteiligungsrechte bekannt und genutzt werden. Dies sollte auch der Bund mit geeigneten Maßnahmen fördern. Sechstens. In Art. 3 GG heißt es, dass niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Des- wegen ist eine Verpflichtung zum barrierefreien Bauen im Baugesetzbuch überfällig. Die Praxis beweist tagtäg- lich, dass es nicht genügt, wenn sich der Bund lediglich für seine eigenen Bauvorhaben verantwortlich fühlt. Gummiparagraphen in den Landesbauordnungen bieten immer wieder Bauherren die Möglichkeit, Neubauten mit Barrieren zu bauen. Hier wäre einmal eine geeignete Gelegenheit, sich die USA zum Vorbild zu nehmen. Dass es auch in der Bundesrepublik anders geht, belegt der vorliegende Gesetzentwurf: Umweltstandards sind trotz Föderalismus durch Bundesrecht festgelegt. Siebtens. Problematisch ist die Streichung der Tei- lungsgenehmigungen für Grundstücke. Hier besteht ernsthaft die Gefahr, dass der beabsichtigte Bürokratie- abbau zulasten der Rechtssicherheit der Betroffenen ge- hen wird. Achtens. Erstmals seit 200 Jahren schrumpfen die Städte – im Osten und zunehmend auch im Westen. Die Folgen dieser Städteschrumpfung und der stellenweise regelrechten Entsiedelung im ländlichen Raum sind zu- nehmender Wohnungsleerstand, aber auch Überkapazitä- ten bei Gemeinde- und Infrastruktureinrichtungen. Durch die Unterschreitung erforderlicher Mindestfrequenzen müssen Schulen und Kultureinrichtungen, aber auch Arztpraxen und Geschäfte schließen. Dadurch sinkt die Lebensqualität und noch mehr Menschen ziehen fort. Die Aufnahme des Stadtumbaus und der Sozialen Stadt in das Baurecht wird begrüßt. Davon unbenommen müssen die Programme zum Stadtumbau und zur Sozialen Stadt an- gesichts der Situation vor allem in ostdeutschen Städten und Gemeinden fortgeführt und ausgebaut werden. Eine Reihe von Problemen der Bauplanung werden mit dieser Baurechtsnovelle nicht oder nur unzureichend gelöst. Trotzdem wird das Baurecht mit dem vorliegen- den Gesetzentwurf in vielen Bestandteilen besser als das bestehende Baugesetzbuch. Die drei selbst gesetzten Ziele wurden überwiegend umgesetzt. Gestärkt werden die Beteiligungsmöglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern und ihren Vertretungen sowie die Belange der Umwelt und Natur. Deswegen werden die PDS-Abge- ordneten dem Gesetzentwurf zustimmen. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Nationalen Zuteilungsplan für Treibhaus- gas-Emissionsberechtigungen in der Zutei- lungsperiode 2005 bis 2007 (Tagesordnungs- punkt 22) Wolfgang Grotthaus (SPD): Die Bundesregierung ist ihrer Verpflichtung aus der europäischen Richtlinie z K k w e V b e s u d l l d l o 5 w z z t B l m s r i d d d l w d B D s r a A 2 s a I I p u l d d Z l z E z n (C (D um Emissionshandel nachgekommen und hat der EU- ommission pünktlich den deutschen Nationalen Allo- ationsplan (NAP) übermittelt. Es ist nicht zu kritisieren, enn die Bundesregierung Termine einhält, auch wenn tliche Akteure in Europa, aber auch in Deutschland eine erzögerung der Lieferung des NAP einkalkuliert ha- en. Allein damit signalisieren wir, dass Deutschland die uropäischen Vereinbarungen einhalten wird und Klima- chutz weiterhin auf der Agenda der deutschen Umwelt- nd auch Wirtschaftspolitik steht. Wir erwarten nun von er EU-Kommission, dass sie die Umsetzung der Richt- inie in allen Mitgliedstaaten durchsetzen und sicherstel- en wird, dass keine Wettbewerbsverzerrungen zwischen en Mitgliedstaaten entstehen. Die Erstellung des NAP war von heftigen Vertei- ungskonflikten begleitet. Immerhin besitzen die Emissi- nsrechte einen monetären Wert (laut Öko-Institut: 4 bis Milliarden Euro pro Jahr) und können frei gehandelt erden. Andererseits sind die Potenziale zur Begren- ung der Emissionen sehr unterschiedlich verteilt sowie um Teil (zum Beispiel Stahl-, Zement- und Glasindus- rie) nur unter Produktionsrücknahme zu erzielen. Jede ranche und jede Anlage war daher bestrebt, ein mög- ichst großes Stück vom Zertifikate-Kuchen zu bekom- en. Viele Anlagenbetreiber, insbesondere aus der ostdeut- chen Energiewirtschaft, erheben Ansprüche auf An- echnung von „early actions“ (frühzeitige Vorleistungen n Form von Investitionen in moderne Technik). Aller- ings reduziert jede Tonne anerkannter „early action“ ie Menge für die anderen Marktteilnehmer. Alle Son- erzuteilungen für „early action“, Kraft-Wärme-Kopp- ung (KWK), Stilllegung von Kernkraftwerken usw. erden einer Reserve zugeordnet, deren Höhe wiederum ie Gesamtmenge an freien Zertifikaten schmälert. Eine erücksichtigung aller Emissionsreduktionen in eutschland seit 1990 würde den Gesamttopf vermutlich prengen und zu einer Verfehlung des Emissionsminde- ungszieles von 21 Prozent führen. Mit dem NAP wird Deutschland seine Verpflichtung us den europäischen Burden Sharing einhalten, seinen usstoß von Kohlendioxid bis 2012 um insgesamt 1 Prozent unter den Wert von 1990 zu senken. Das ent- pricht dann einer jährlichen CO2-Emissionsminderunguf insgesamt 846 Millionen in den Sektoren Energie, ndustrie, Gewerbe, Verkehr und Haushalte. Diese Absenkung wird in zwei Schritten geschehen: m ersten Schritt, das heißt in der ersten Verpflichtungs- eriode 2005 bis 2007 wird es in den Sektoren Energie nd Industrie eine Minderung vom Basiswert 505 Mil- ionen Tonnen auf 503 Millionen Tonnen geben und in er zweiten Verpflichtungsperiode 2008 bis 2012 wer- en 495 Millionen Tonnen erreicht sein. Das allgemeine iel für die Sektoren Gewerbe, Verkehr und Haushalte iegt dann bei 356 Millionen Tonnen CO2. Mit der heutigen Einbringung des Zuteilungsgesetzes um Nationalen Allokationsplan wird es gelingen, den missionshandel am l. Januar 2005 in Deutschland ein- uführen. Ich bin optimistisch, dass die Prüfung des Pla- es durch die EU-Kommission auf Kompatibilität mit 9654 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. April 2004 (A) ) (B) ) der europäischen Emissionshandelsrichtlinie und seine Vereinbarkeit mit den Zielen des Kiotoprotokolls mit ei- nem positiven Ergebnis enden wird, weil wir unsere Hausaufgaben sorgfältig gemacht haben. Zugleich stel- len wir mit dem Parlamentsvorbehalt sicher, dass wir auf die Vorschläge unserer europäischen Nachbarn noch an- gemessen reagieren können. Wir wollen, dass dieses neue Instrument des Klimaschutzes einen hohen und harmonisierten Qualitätsstandard aufweist. In diesem Gesetz verbinden wir die Erfüllung unserer Klimaschutzverpflichtung, haben aber auch die indus- triepolitischen Aspekte und Standortfragen in dieser kri- tischen Wirtschaftslage im Auge. In den Festlegungen der Regeln für die Zuteilung sowohl an bestehende An- lagen, aber auch für die Neu- und Ersatzinvestitionen spiegelt sich Augenmaß wieder. Die Unternehmen haben Freiraum für ihre unternehmerischen Entscheidungen und Anreize für Investitionen erhalten. Alle Anlagen erhalten ihre Emissionsberechtigungen kostenlos zugeteilt. Die Bestandsanlagen erhalten ihre Emissionsberechti- gungen auf der Basis ihrer früheren Emissionen nach dem Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2002. Dabei ist auch an besondere Härtefälle gedacht, auf die flexibel reagiert werden kann. Werden alte Anlagen durch neue ersetzt, greift die Übertragungsregelung, nach der die Emissionsberechtigungen in der Höhe, wie sie für die Altanlage zugeteilt wurden, für die Dauer von vier Jah- ren auf die Neuanlage übertragen werden können. An- schließend erfolgt die Zuteilung für diese Anlage 14 Jahre lang mit einem Erfüllungsfaktor von l, das heißt, es gibt für diese Zeit keine Minderungsverpflich- tungen. Das ist ein echter Anreiz zur Modernisierung alter und nicht mehr effizienter Anlagen und trägt dazu bei, eine nachhaltige Energiepolitik einzuleiten. Für Neuanlagen gelten Benchmarks, also Bezugs- werte, die sich an der besten jeweilig verfügbaren Tech- nik (Stand der Technik) orientieren. Auch gilt eine un- veränderte Zuteilung für 14 Jahre. Damit erhalten alle Energieträger die gleichen Chancen, wenn sie in die Zu- kunft investieren wollen. Wir hoffen, den Anreiz zur Modernisierung dadurch zu erhöhen, dass sehr alte Kraftwerke mit einem sehr ge- ringen Wirkungsgrad einer Malusregelung unterliegen, die die fortdauernde Emission von Kohlendioxid teurer macht. Nicht unwichtig sind die Sonderregelungen, auf deren Durchsetzung bei den Verhandlungen über die Inhalte der europäischen Richtlinie Deutschland besonders Wert gelegt hat. So werden frühzeitig, das heißt ab 1994 er- brachte Klimaschutzleistungen berücksichtigt. Mit ei- nem Topf von 110 Millionen Tonnen CO2-Berechtigun-gen soll schnelles und frühzeitiges Reagieren bei der Erbringung von Klimaschutzleistungen belohnt werden. Gesondert behandelt werden auch die hoch modernen und effizienten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, deren Beitrag zum Klimaschutz immer wichtiger werden wird. n b e z a e V w t m m d s C m a v v u q i s e s V g S g k j d p z g n g ü d b R m B d s R w S V j d (C (D Meine Fraktion glaubt aber, dass in diesem Punkt och Klarstellungen nötig werden. Die KWK-Technik raucht unsere volle Unterstützung, wenn es darum geht, ine sichere und umweltverträgliche Energieversorgung u schaffen. Kraft-Wärme-Kopplung kann als größenun- bhängige Technologie dezentral und verbrauchsnah ingesetzt werden und bietet in vernetzten Strukturen die orteile so genannter hoch effizienter virtueller Kraft- erke. Nicht ganz unwichtig ist auch die Berücksichtigung echnisch nicht möglicher Minderungen bei Prozesse- issionen. Auch dafür wird ein Topf vorgehalten, der it 61 Millionen Tonnen CO2 ausreichend gefüllt seinürfte. Insgesamt ist also festzustellen, dass die Energiever- orgung in Deutschland und die deutsche Industrie gute hancen hat, erfolgreich am Emissionshandel teilzuneh- en. Mit den Festlegungen zur Prozessenergie, zu „early ction“, aber auch in den für den Energieträgermix rele- anten Kriterien für die Zertifikatezuteilung bei Neuin- estitionen finden im NAP industriepolitische Aspekte nd Standortfragen in dieser sensiblen Wirtschaftslage in ualifizierter Form Berücksichtigung. Umso wichtiger st es nun, dass die Unternehmen die Chance des Emis- ionshandels, kostengünstig Klimaschutz zu betreiben, rgreifen. Am Ende bleibt aber auch festzustellen, dass mit die- em Mengengerüst die anderen Sektoren, Haushalte und erkehr, deutlich mehr zum Klimaschutz werden beitra- en müssen, nachdem die bisherigen Erfolge mehr auf eiten der Industrie erzielt wurden. Maßnahmen gibt es enug. Die Bundesregierung hat in ihrer Nachhaltig- eitsstrategie anspruchsvolle Ziele formuliert, das muss etzt angepackt werden. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker (SPD): Das Bun- eskabinett hat Ende März den Nationalen Zuteilungs- lan für die kostenlose Verteilung von Emissionslizen- en beschlossen und an die Europäische Kommission eschickt. Am 21. April hat dann das Bundeskabinett ei- en dazugehörigen Gesetzentwurf beschlossen. Die Re- ierungsfraktionen haben diesen Entwurf als den ihrigen bernommen, um ein Verfahren zu ermöglichen, bei dem ie Zuteilung von Lizenzen noch vor der Sommerpause eschlossen werden kann. Das hat den Vorteil, dass wir echtssicherheit rechtzeitig vor dem 1. Januar haben. Der Nachteil des Verfahrens ist bekannt: Die parla- entarische Beratung einschließlich der Anhörung von etroffenen leidet unter diesem Zeitdruck. Als Klimaschützer müssen wir uns andererseits über as Tempo freuen. Dieses ist nötig, damit der europäi- che Geleitzug nicht zu langsam wird. Die derzeitigen egierungen der USA, Australiens und anderer Bremser ürden nichts lieber sehen, als wenn der Geleitzug ins tocken käme. Deutschland hat dabei eine besondere erpflichtung zum Tempo. Ein wenig neidisch schauen a Österreicher und Dänen und andere auf uns, weil wir urch die industrielle Modernisierung Ostdeutschlands Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. April 2004 9655 (A) ) (B) ) einen sehr komfortablen Vorsprung bei der Reduktion der Treibhausgabe haben. Lassen sie mich ein paar Fakten zum Gesetzentwurf nennen: Das NAP-Gesetz enthält absolute CO2-Obergrenzenfür die erste und für die zweite Handelsperiode. In den Jahren 2005 bis 2007 beträgt das Budget für die Sektoren Industrie und Energiewirtschaft 503 Millio- nen Tonnen CO2 pro Jahr. Für die zweite Abrechnungs-periode 2008 bis 2012 sind es 495 Millionen Tonnen CO2 – das sind immerhin 2 bzw. 10 Millionen Tonnenweniger als im Jahresdurchschnitt 2000 bis 2002 emit- tiert wurden. Die anderen Sektoren – Haushalte, Verkehr, Handel/ Kleingewerbe und Dienstleistungen – dürfen 2005 bis 2007 jährlich 356 Millionen Tonnen CO2 und 2008 bis2012 351 Millionen Tonnen CO2 emittieren – 2 bzw.7 Tonnen CO2 weniger als im Jahresdurchschnitt 2000bis 2002. Besonders hervorzuheben ist, dass im Entwurf des NAP-Gesetzes bereits Ziele für die zweite Handelsperio- de enthalten sind. Die Vorgaben der EU-Richtlinie ver- langen lediglich Angaben für die erste Handelsperiode bis 2007. Der Vorteil des deutschen Vorgehens ist, dass es Planungssicherheit für Investoren bis 2012 schafft. Die CO2-Ziele für die zweite Handelsperiode sind imÜbrigen identisch mit den deutschen Kiotozielen bzw. mit unserem Anteil am „EU burden sharing“. Zurück zum NAP-Gesetz: Prozessbedingte CO2-Emissionen werden ohne zeitliche Befristung mit einem Erfüllungsfaktor 1 ausgestattet. Diese Anlagen, die na- turgemäß CO2-Reduktionen nur durch Produktionsrück-gang bewirken können, bekommen demnach durch den Emissionshandel keine CO2-Reduktionsverpflichtungen. Für die Kompensation des Atomausstiegs und für Mehrzuteilungen an Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen stehen in der ersten Handelsperiode jeweils Emissions- zertifikate in Höhe von 1,5 Millionen Tonnen CO2 jähr-lich zu Verfügung. Ein besonderer Anreiz zur Modernisierung und damit zur CO2-Einsparung ist die Übertragungsregelung. Neu-anlagen, die Altanlagen mit gleicher Leistung ersetzen, bekommen vier Jahre lang die Emissionszertifikate der alten Anlage in voller Höhe, danach erhalten sie 14 Jahre lang einen Erfüllungsfaktor von 1. Man hätte sich aller- dings, wie es die Zementindustrie fordert, eine analoge Vergünstigung für modernisierte – anstatt neue – Anla- gen vorstellen können. Den hier skizzierten Beschlüssen sind schwierige Verhandlungen zwischen den beteiligten Ministerien und nicht weniger schwierige Gespräche mit den hauptbe- troffenen Industriebranchen vorausgegangen. Man kann nicht sagen, dass alle Seiten zufrieden sind. Das ist aber bei Verteilungsfragen immer so. Unbestreitbar gibt es ein sehr positives Ergebnis. Die deutsche Wirtschaft, die zeitenweise große Sorgen im Zusammenhang mit dem Emissionshandel hatte, kann im Wesentlichen zufrieden s g z f a I v d R l to E s z d g E ü r t S n K h r s D e b t D l d B z e r r h O S v m l f n w S l s E i e (C (D ein: Die Zuteilung von Lizenzen an Industrie und Ener- iewirtschaft war unerwartet großzügig. Allerdings hat diese großzügige Zuteilung der Lizen- en auch Nachteile: Erstens bleibt damit der Marktpreis ür die Lizenzen sehr niedrig, was den Modernisierungs- nreiz verringert. Zweitens müssen die nun nicht von der ndustrie und Energiewirtschaft erbrachten Reduktionen on den Sektoren Verkehr und Haushalte erbracht wer- en, was vielleicht nicht einfach wird. Drittens bleibt die eserve für Neueinsteiger sehr gering, was sich viel- eicht als Fehler herausstellen könnte. Die europäische Richtlinie ebenso wie das Kiotopro- koll enthalten ein – politisch wohl unvermeidliches – lement des Strukturkonservativismus. Dieses findet ich auch im NAP wieder; denn bei der Zuteilung der Li- enzen kommen die CO2-intensivsten Betriebe beson-ers gut weg! Ihr innerer Wert nimmt durch den NAP so- ar zu. Das liegt daran, dass ihnen die Lizenzen für die missionen der Bezugsperiode 2000 bis 2002 kostenlos berreicht werden. Wenn sie nun aus reinen Modernisie- ungsgründen alte Anlagen stilllegen und neue, effizien- ere an ihre Stelle setzen, dann bleibt ihnen ein gutes tück Geld in der Hand, in der Form von nicht mehr be- ötigten Lizenzen. Dass sich die Betriebe, bei denen das Verbrennen von ohle zum Kerngeschäft gehört, gut stellen, hat immer- in auch einen politischen Vorteil. Es bewirkt, dass ge- ade diese Betriebe, die natürlich im Scheinwerferlicht tehen, mit dem Emissionshandel Positives verbinden. as kann in der Wirtschaft insgesamt die Akzeptanz für in ansonsten noch fremdartiges Instrument erhöhen. Im Sinne des Modernisierungsanreizes wäre es noch esser gewesen, wenn die Lizenzen gerade für die Indus- rie etwas weniger großzügig verteilt worden wären. ann wäre die ohnehin langfristig unvermeidliche öko- ogische Modernisierung schon jetzt lukrativer gewor- en und wir hätten größere Reserven für neu auftretende etriebe sowie für den Ausstieg aus der Atomenergie ur Verfügung. All dies hätte der deutschen Wirtschaft inen mittelfristig äußerst segensreichen Modernisie- ungsschub gegeben. Aber die Mehrzahl der real existie- enden Betriebe denkt wohl eher strukturkonservativ und at die Politik – im Regierungslager ebenso wie in der pposition – entsprechend zu beeinflussen versucht. chade! Einen wichtigen Unterschied zwischen dem im März orgelegten NAP und dem neueren Gesetzentwurf öchte ich noch hervorheben. Zugunsten Ostdeutsch- ands haben wir das Stichjahr für die Anerkennung von rühzeitigen Modernisierungsinvestitionen, die so ge- annte early action, noch auf 1994 vorverlegt. Damit erden Anlagen in Oranienburg, Zittau, Halle, Stendal, chwerin, Dresden, Zeitz, Chemnitz, Dessau, Neustre- itz, Potsdam, Jänschwalde und Boxberg einbezogen, ehr zur Freude ihrer Betreiber. Am 24. Mai werden wir noch eine Anhörung zum ntwurf des NAP-Gesetzes haben. Mir ist klar, dass das m Gesamtverfahren reichlich spät ist, aber es ist der rste praktikable Termin. Ich fühle mich umso mehr 9656 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. April 2004 (A) ) (B) ) verpflichtet, mich dafür einzusetzen, dass der Bundestag noch einzelne Modifikationen um Zuteilungsplan vor- nimmt, falls sich aus der Anhörung klar ergibt, dass der jetzt vorgelegte Plan noch eklatante Fehler oder grobe Ungerechtigkeiten enthält. Georg Girisch (CDU/CSU): Eines muss ich der Bun- desregierung bei der Umsetzung der EU-Emissionshan- delsrichtlinie in nationales Recht zugestehen: Sie hat sehr konsequent gearbeitet – nämlich konsequent am Deutschen Bundestag vorbei! Der Auftakt zum Drama dieser Desinformationspolitik bildete das Treibhausgasemissionshandelsgesetz (TEHG). Nur wenige Stunden, bevor das TEHG abschließend im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages beraten wurde, stellte die Bundesregierung den bisherigen Ge- setzentwurf auf den Kopf: Das Umweltbundesamt rückte an die Stelle der Bundesländer bei der Erteilung der Emissionszertifikate und der Überwachung der Emissio- nen. Die entsprechenden Änderungsanträge erhielten die Abgeordneten erst um 19 Uhr abends vor der abschlie- ßenden Sitzung. Damit wurde eine angemessene und ausreichende inhaltliche Befassung des Umweltaus- schusses mit diesem wichtigen Regelwerk verhindert. Anstatt aus ihren Fehlern zu lernen, setzte die Bun- desregierung diese Taktik jedoch auch bei den weiteren Bausteinen für die nationale Umsetzung der EU-Emis- sionshandelsrichtlinie fort: Am 31. März 2004 hat das Bundeskabinett den Nationalen Allokationsplan im Ka- binett beschlossen und diesen mit einem Parlamentsvor- behalt nach Brüssel gemeldet. Erst drei Wochen später verabschiedete die Bundesregierung das NAP-Gesetz. Den Allokationsplan mit einem Parlamentsvorbehalt zu versehen ist doch in Wirklichkeit nur Augenwische- rei. Sie wollen damit den Schein wahren, das Parlament habe noch die Möglichkeit, Korrekturen am vorliegen- den Gesetzentwurf vorzunehmen. Wieder einmal ist es Ihnen gelungen, die Abgeordneten außen vor zu lassen und diese durch den zeitlichen Druck zum Durchwinken des Gesetzes zu verurteilen. Denn wie wir alle wissen, bedeutet jeder Änderungswunsch eine Verzögerung des Zuteilungsverfahrens in unserem Land. Es handelt sich hier nicht um ein Planspiel, das wir beim Scheitern noch einmal von vorne beginnen können. Im Gegenteil: Mit der Einführung des Europäischen Emissionshandels am l. Januar 2005 steht eine der wich- tigsten umwelt- und wirtschaftspolitischen Entscheidun- gen der vergangenen Jahre an. Die Ausgestaltung des Emissionsrechtehandels in Deutschland wird entschei- denden Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes haben. Das Regelwerk zum Emissionshandel muss also von Anfang an sitzen, wenn wir einen weite- ren Export von deutschen Arbeitsplätzen verhindern wollen. Die über 2 400 betroffenen Anlagen brauchen endlich Planungssicherheit. Davon hängen schließlich auch In- vestitionsentscheidungen ab. Ich kann mir nicht vorstel- len, dass die Bundesregierung besonders glücklich über die Korrektur des prognostizierten Wirtschaftswachs- t u U s e e n G d g D E S N d t r m v E D d t f g E L d n a s k D a h t 7 E b d g a m i e S m D d B D w a (C (D ums auf nur noch 1,5 Prozent in diesem Jahr ist. Dann nternehmen Sie doch endlich etwas im Sinne unserer nternehmer! An dieser Stelle darf ich den RWE-Vor- tandschef Harry Roels zitieren: „Konkrete Investitions- ntscheidungen können wir erst dann treffen, wenn das ntsprechende Gesetz vorliegt und die EU den Plan ge- ehmigt hat.“ Mit dem heute auf der Tagesordnung stehenden NAP- esetz, dem Treibhausgasemissionshandelsgesetz und em Nationalen Allokationsplan liegen endlich alle Re- elwerke zur Einführung des Emissionshandels in eutschland vor. Das Gesetz als letzter Baustein zur Umsetzung der U-Emissionshandelsrichtlinie stellt jedoch keinen chlussstrich dar, denn es lässt noch viele Fragen offen: Über eine Woche, nachdem das Bundeskabinett das AP-Gesetz beschlossen hat, wurde gestern die Liste er am Emissionshandel teilnehmenden Anlagen im In- ernet veröffentlicht. Die Aufstellung enthält unter ande- em die voraussichtliche Zuteilungs- und Ausgaben- enge. Allerdings fehlen in der Tabelle noch die orgesehenen Zuteilungen gemäß den Sonderregeln für arly Action, KWK und prozessbedingte Emissionen. as Bundesumweltministerium begründet dieses Manko amit, dass diese auf der Grundlage der verfügbaren Da- enbasis noch nicht einbezogen werden konnten. Jetzt rage ich die Bundesregierung: Wann erhalten die Anla- enbetreiber endlich die Gewissheit darüber, wie viele missionsrechte sie erhalten? Die Veröffentlichung einer iste mit Stand vom 11. Februar 2004 kann nicht die ringend notwendige Planungssicherheit für die Unter- ehmen herstellen. Die historischen Emissionen von 2000 bis 2002, die ls Grundlage für die Ausgabemenge pro Jahr dienten, ind allerdings bislang nicht verifiziert worden. Staatsse- retär Baake hatte im Umweltausschuss verkündet, die eutsche Emissionshandelsstelle beim Umweltbundes- mt (UBA) komme mit 39 Stellen aus. Lassen Sie mich ier ergänzen, dass der Präsident des Umweltbundesam- es, Andreas Troge, in diesem Zusammenhang von 5 Stellen spricht. So oder so frage ich mich, wie die missionshandelsstelle die Daten in den noch verblei- enden Monaten verifizieren möchte. Denn der Leiter er Emissionshandelsstelle, Dr. Hans-Jürgen Nantke, eht von einer Fehlerquote in Höhe von etwa 2 Prozent us. 2 Prozent von 503 Millionen Tonnen CO2 sind im-erhin 10 Millionen! Hier sind die Landesbehörden mit hrem jahrelangen Erfahrungsschatz gefragt und nicht ine Behörde, die sich gerade im Aufbau befindet. Ich sagte vorhin, das NAP-Gesetz bilde noch keinen chlussstrich. Bislang fehlen nämlich noch die Bench- arks für Neuanlagen in Bereichen wie Zementklinker, achziegel und Behälterglas. Auch hier zeigt sich wie- er: Die Regierung hält mit wichtigen Zahlen hinter dem erg und kommt erst in letzter Minute damit aus der eckung. Weitere Fragen ergeben sich für die Sektoren Ge- erbe, Handel, Dienstleistungen und Verkehr, die nicht m Emissionshandel teilnehmen. Im Vergleich zum Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. April 2004 9657 (A) ) (B) ) NAP-Entwurf vom 29. Januar 2004 dürfen diese Sekto- ren anstatt 363 Millionen Tonnen CO2 nur noch 356 Mil-lionen Tonnen emittieren. Leider hat die Bundesregie- rung bislang noch keine Lösung präsentiert, wie denn diese Einsparziele erreicht werden sollen. Haben wir in Zukunft wieder mit Sonntagsfahrverboten zu rechnen wie in den 70er-Jahren während der Ölkrise oder plant die Bundesregierung gar, die Ökosteuer noch weiter in die Höhe zu treiben? Die Ungereimtheiten bei der nationalen Umsetzung der EU-Emissionshandelsrichtlinie lassen sich auf eine ganz einfache Formel bringen: Die Bundesregierung war bislang nicht in der Lage, ein Gesamtkonzept für eine sichere, umweltgerechte und wirtschaftliche Energiever- sorgung vorzulegen. Dieses Defizit trat schon beim Atomkonsens auf, setzte sich bei der Diskussion zur EEG-Novelle fort und findet seinen traurigen Höhepunkt bei der Umsetzung der EU-Emissionshandelsrichtlinie. Beenden Sie diesen unhaltbaren Zustand und legen Sie endlich ein energiepolitisches Konzept zur Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland vor! Ulrich Petzold (CDU/CSU): Kleine Schönheitsrepa- raturen machen aus einem Wrack nicht umgehend einen Flitzer und das Wegkratzen eines Rostflecks behebt nicht den Schaden. So und kaum anders sind die „Ver- besserungen“ aus der Sicht der neuen Bundesländer zu bewerten, die die Bundesregierung noch kurz vor Tores- schluss in das Allokationsplangesetz geschrieben hat. Für die Weiterführung des Aufbaus Ost, ja selbst für des- sen Stabilisierung auf niedrigem Niveau, ist das, was hier vorliegt, zu wenig und zu kurz! Immer wieder, schon beim TEHG, habe ich darauf hingewiesen, dass eine gerechte Lösung bei den „early actions“, den frühzeitigen Emissionsminderungen, für die neuen Bundesländer unbedingt und zwingend not- wendig ist. Nun hat sich der Umweltbundesminister zwar bewegt und das Inbetriebnahmejahr zur Anerken- nung von „early actions“ von 1996 auf 1994 vorverlegt. Doch was ist davon wirklich zu halten? Lassen sie mich dieses anhand eines praktischen Bei- spiels erläutern, denn die Praxis ist das Kriterium der Wahrheit. Das Beispiel sollen zwei Braunkohlekraft- werke sein: auf der einen Seite ein Kraftwerk eines ver- antwortungsbewussten Betreibers, der die internationa- len Klimavereinbarungen ernst genommen hat, 1990 mit den Planungen für ein modernes Braunkohlekraftwerk begonnen hat und dieses Kraftwerk mit einem Wir- kungsgrad von 46 Prozent – wie das Kraftwerk „Schwarze Pumpe“ – dann 1995 an das Netz genommen hat; auf der anderen Seite ein Kraftwerksbetreiber, der seine abgeschriebene Dreckschleuder aus den 50er- oder 60er-Jahren mit einem Wirkungsgrad von knapp über 31 Prozent immer noch betreibt und darauf wartet, dass er mit seinen Emissionsrechten Geld verdienen kann. Der umweltbewusst handelnde Betreiber erhält nun, für zwölf Jahre, also bis zum Jahr 2007, einen Erfül- lungsfaktor 1, der die Minderungsverpflichtung auf Null setzt. Dieses ist aber genau das Ende der ersten Zutei- lungsperiode, dem so genannten Probelauf. Erst an- s w w s e o g o D ü v s D K A v t d i k 1 d r e g s 3 e n B S l a P d d g w u a s D d d B K w w A G v d F t K (C (D chließend soll die heiße Phase einsetzen, in der es dann irklich um Geld geht. Und dann? Dann hat dieses um- eltbewusste Unternehmen kein Guthaben mehr, ihm teht dann kein Erfüllungsfaktor 1 mehr zu. Dann heißt s für dieses umweltbewusste Unternehmen: drosseln der blechen, also den Ausstoß trotz hohen Wirkungs- rades erneut senken oder Emissionsrechte zukaufen. Wie viel besser sieht es da für die bequemen, gewinn- rientierten Unternehmen aus: Die mehr als 30 Jahre alte reckschleuder mit einem Wirkungsgrad von knapp ber 31 Prozent erhält erst einmal einen Erfüllungsfaktor on 0,9755 und müsste damit 2,45 Prozent ihrer Emis- ionen dazukaufen. Aber dann fängt das Geschäft an. ie Faulen werden fleißig und beginnen endlich, ihre raftwerksanlage zu erneuern. Sie nehmen die neuen nlagen auf neuestem Stand, mit einem Wirkungsgrad on circa 47 Prozent, zum Jahreswechsel 2007/08 in Be- rieb. Dafür erhalten sie für vier Jahre die Genehmigung, ie eingesparten CO2-Emissionen, also circa 30 Prozenthrer ehemaligen Emissionen, mit gutem Gewinn zu ver- aufen und anschließend brauchen diese Unternehmen 4 Jahre keine Emissionsminderung vorzunehmen. Mit zusammengenommen 18 Jahren erhalten somit ie Nachzügler eine um ein Drittel verlängerte minde- ungsfreie Zeit gegenüber den Vorreitern, denen, wie ben beschrieben, nur zwölf minderungsfreie Jahre zu- estanden werden. Drei Jahre knapp 2,5 Prozent Emis- ionsrechte hinzukaufen und anschließend vier Jahre 0 Prozent der Emissionsrechte verkaufen, das nenne ich in gutes Geschäft. Anschließend kann der Betreiber och sechs Jahre länger minderungsfrei bleiben, etwas esseres kann einem kaum passieren. Der einzige chluss, den ich hieraus ziehen kann, ist: Eigeninitiative ohnt sich bei dieser Bundesregierung nicht! Nun könnte man dieses noch unter „dumm gelaufen“ btun, doch dieses ist ein gravierendes wirtschaftliches roblem, da es bedeutende regionale Unterschiede bei er bisherigen Emissionsminderung gibt. – Während in en neuen Bundesländern die Vorreiter überwiegen und roße Minderungsvorleistungen erbracht wurden, über- iegen im Rest Deutschlands die Nachzügler. Ich gebe nserem Ausschussvorsitzenden, Dr. von Weizsäcker, bsolut Recht, wenn er im Gespräch mit der „Mitteldeut- chen Zeitung“ von einer Bequemlichkeit im Rest eutschlands spricht. Diese Bequemlichkeit hat jedoch die Auswirkung, ass spätestens ab 2008, dem Beginn der Handelsperio- e, in der Emissionsrechte richtig an Wert gewinnen, die etriebe in den neuen Bundesländern vorwiegend als äufer und die Betriebe in den alten Bundesländern vor- iegend als Verkäufer von Emissionsrechten auftreten erden. Das hat dann aber auch gar nichts mehr mit dem ufbau Ost zu tun. Lebt die Bundesrepublik auf dem ebiet der Emissionsminderung jetzt noch nur moralisch on den erbrachten Vorleistungen der neuen Bundeslän- er, so wird es dann ab 2008 eine regelrechte finanzielle örderung des Aufbaus West aus den Betrieben im Os- en geben. Liebe Kollegen aus den neuen Bundesländern in den oalitionsfraktionen, wollen Sie das? Sollten wir nicht 9658 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. April 2004 (A) ) (B) ) schleunigst daran gehen, die von Ernst Ulrich von Weizsäcker in seinem Pressegespräch aufgeworfene Frage der Fairness noch einmal zu überdenken und neue Lösungsansätze in Richtung des Benchmarking aufneh- men? Birgit Homburger (FDP): Die FDP engagiert sich seit langem für eine aktive Klimapolitik und bekennt sich zu den internationalen Vereinbarungen im Rahmen der Klimarahmenkonvention und des Kiotoprotokolls. Um verbindliche und anspruchsvolle ökologische Ziele zu erreichen, verlangt eine nachhaltige Klimapolitik, dass pro eingesetztem Euro so viel Treibhausgase wie möglich vermieden werden. Genau dazu kann der Emis- sionshandel einen wesentlichen Beitrag leisten. Deshalb hat die FDP die Bundesregierung immer wieder dazu aufgefordert, endlich auch in Deutschland die Vorausset- zungen dafür zu schaffen. Die FDP war die erste Frak-tion, die dazu konkrete Vorschläge gemacht hat. Ver- nünftig ausgestaltet ist der Emissionshandel gut für die Umwelt und gut für den Wirtschaftsstandort und damit für die Arbeitsplätze in Deutschland. Dass der Deutsche Bundestag heute endlich über den Allokationsplan, also über das Herzstück des Emissions- handels in Deutschland beraten kann, müsste also ei- gentlich ein Tag sein, auf den die deutsche Klimapolitik lange und voller Sehnsucht gewartet hat. Dazu müsste allerdings das Potenzial des Emissionshandels optimal genutzt werden. Oder bescheidener; Es müssten sich zu- mindest einige Hinweise darauf finden, die die Hoffnung begründen, dass das von Rot-Grün jetzt vorgelegte Ge- setzespaket aus Emissionshandelsgesetz und Alloka- tionsplan die mit dem Emissionshandel verbundenen ökologischen und ökonomischen Chancen nutzt, und zwar zum Vorteil Deutschlands. Leider ist das Gegenteil der Fall. Das ist kein Neube- ginn für einen effizienten und zugleich wirksamen Kli- maschutz. Ausgerechnet unter der Ressortverantwortung eines grünen Umweltministers hat die Bundesregierung das wirtschaftliche und ökologische Potenzial des Emis- sionshandels für den Klimaschutz verspielt. Was aus dem leistungsfähigsten Instrument moderner Klimapoli- tik gemacht wurde, ist eine einzige Enttäuschung. An- statt die mit dem Emissionshandel verbundenen Chan- cen zu nutzen, wurde auf der Grundlage unsicherer Daten ein Vertrag zulasten Dritter geschlossen. Unausgesprochen werden die Belastungen wieder einmal an denen hängen bleiben, die sich am wenigsten wehren können, nämlich an den kleinen und mittelstän- dischen Unternehmen. Wer das nicht glauben will, sehe sich die „Windhund-Regel“ beim so genannten Reserve- fonds an. Eine Zuteilung der Emissionsrechte entspre- chend der Reihenfolge der eingegangenen Zuteilungsan- träge wird dazu führen, dass Anlagenbetreiber, die später noch Anträge stellen, keine kostenlosen Rechte mehr er- halten und sie stattdessen teuer am Markt erwerben müs- sen. Großanlagen, die einen längeren Entscheidungsvor- lauf besitzen als kleine, werden also bevorzugt, weil die Investitionsplane beispielsweise für viele Kraftwerksan- lagen längst bekannt sind. Die Investoren werden daher m r K N W f n g a h r w M s g D f z w w z r N g b w s d g P g E d r E W d e E D l s R R s F t K C t l D C (C (D it In-Kraft-Treten des Gesetzes Anträge stellen und ih- en Rechtebedarf vollständig kostenlos decken. Die leinen beißen die Hunde. Ähnlich wird es den privaten Haushalten ergehen. iemand anders als die Steuerzahler, Autofahrer und ohnungsnutzer werden es sein, die schon bald emp- indlich zur Kasse gebeten werden. Das allein wäre noch ichts Neues, daran hat man sich im Lauf der Jahre rot- rüner Regierung fast gewöhnt. Schlimm ist daran, dass uf diese Weise der eigentliche Vorteil des Emissions- andels, nämlich Klimaschutz zu minimalen Kosten er- eichen, ausgehebelt wird. Das ist Herrn Trittin natürlich genauso gleichgültig ie die Doppelbelastungen, die insbesondere für den ittelstand zum Beispiel aus dem KWK-Gesetz und der o genannten Ökosteuer entstehen, weil die Ausnahmere- elungen eben vor allem Großunternehmen begünstigen. eshalb fordert die FDP, diese Instrumente zumindest ür die am Emissionshandel beteiligten Unternehmen ab- uschaffen, sobald der Handel funktioniert. Aber davon ill Rot-Grün nichts wissen, und zwar deshalb nicht, eil es Ihnen beim Emissionshandel gar nicht um effi- iente Klimapolitik geht, sondern um die Ausweitung Ih- er Industrie- und strukturpolitischen Machtposition. icht von ungefähr ist der ganze Emissionshandel so an- elegt, dass auch in die föderale Kompetenzverteilung ei der Zulassung von Industrieanlagen eingegriffen ird. Sie wollen den Emissionshandel – eigentlich ein taatsfernes, dezentrales, eben ein liberales Instrument er Umweltpolitik – zum Instrument grüner Machtver- rößerung umfunktionieren. Das ist eine bürokratische erversion, für die es die Zustimmung der FDP niemals eben wird. Nachdem man jetzt sieht, was Rot-Grün sich unter missionshandel vorstellt, wundert es nicht, weshalb iese Bundesregierung jahrelang so wenig Interesse da- an hatte, Einfluss auf die Spielregeln des europäischen missionshandels zum Vorteil Deutschlands zu nehmen. as Sie wollen, ist etwas ganz anderes als das, wofür er Emissionshandel eigentlich gedacht war. Ihnen geht s auch beim Klimaschutz nicht um Wirksamkeit und ffizienz, sondern um ein weiteres Machtinstrument. ie FDP lehnt Ihren Gesetzentwurf zum Nationalen Al- okationsplan ab. Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur- chutz und Reaktorsicherheit: Es gibt neue Signale aus ussland: Das Kiotoprotokoll ist auf gutem Weg zur atifizierung. Das sollte alle europäischen Staaten zu- ätzlich motivieren, innerhalb der von der EU gesetzten risten den Emissionshandel einzuführen. Das Kiotopro- okoll hat eine absolute Emissionsobergrenze neu in die limapolitik eingeführt. Der Emissionshandel – das ap-and-trade-System – ist die Konsequenz dieser mul- ilateralen Entscheidung. Der Nationale Allokationsplan egt die Grundlage für den Handel. Erstmals gibt es im Klimaschutz Obergrenzen: eutschland darf 2010 nur noch 846 Millionen Tonnen O2 ausstoßen. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. April 2004 9659 (A) ) (B) ) Wir haben bereits einen großen Teil unserer Reduk- tionsverpflichtung erfüllt: 19 von 21 Prozent. Um die 21 Prozent zu erreichen, müssen wir noch 17 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Energiewirtschaft und Industriemüssen davon 10 Millionen Tonnen erbringen. Industrie und Energiewirtschaft müssen und werden weiterhin ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Das stellt der Emissionshandel sicher. Zurzeit emittieren diese beiden Sektoren 505 Millionen Tonnen CO2 jähr-lich – mit leider steigender Tendenz. Im Zeitraum 2005 bis 2007 müssen sie auf 503 Millionen Tonnen reduzie- ren und in der zweiten Handelsperiode von 2008 bis 2012 auf 495 Millionen Tonnen. Der Emissionshandel macht es für Industrie und Energiewirtschaft kostengünstig, ihre Selbstverpflich- tung zum Klimaschutz zu erfüllen. Experten zufolge können die Unternehmen durch den Emissionshandel bis zu 500 Millionen Euro einsparen. Wenn die Wirtschaft ihre freiwillige Selbstverpflich- tung zum Klimaschutz – Minderung der CO2-Emissio-nen um 20 Millionen Tonnen bis 2005 gegenüber 1990 – umsetzt, kann sie in erheblichem Umfang Zertifikate verkaufen. Der Allokationsplan belastet Industrie und Energiewirtschaft keinesfalls über Gebühr. Wir erwarten von der Kommission, dass sie wettbe- werbsverzerrende Überallokationen in EU-Mitgliedstaa- ten nicht toleriert, Deutschland wird seinen Einfluss in Brüssel dafür geltend machen. Ich werde dem Bundestag im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens über die Ver- handlungen in Brüssel berichten. Allerdings hat Deutschlands Stimme in Brüssel nur Gewicht, wenn wir selbst die von Brüssel gesetzten Fristen für die Einfüh- rung des Emissionshandels einhalten. Und das versuchen Opposition und Bundesratsmehr- heit zu hintertreiben. Sie haben nur Obstruktion zu bie- ten. Sie haben versucht, das Treibhausgashandelsgesetz zu verzögern und zu einem bürokratischen Sperrriegel zu machen. Der Bundesrat hat die Chance vergeben, zum Regierungsentwurf des Allokationsplans Stellung zu nehmen. Den Vogel aber schießt Ministerpräsident Teufel ab, der jetzt den Anwalt der kleinen Leute geben will: Der Emissionshandel führe zu einer Kostenexplosion für Pri- vatleute, sagt Herr Teufel, jetzt, nachdem er zusammen mit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion 15 Monate lang als Lautsprecher des BDI fungiert hat. Wo war während dieser 15 Monate Herrn Teufels Sorge um die kleinen Leute? Herr Teufel betreibt Politik nach dem Motto: Was schert mich mein Geschwätz von gestern? Morgen meine ich sowieso das Gegenteil von heute. Die Bundesregierung macht dagegen Nägel mit Köp- fen: Wir führen mit dem Emissionshandel ein neues, zentrales Element des Klimaschutzes ein. Wir sorgen mit der Übertragungsregel für Modernisierung: Wer alte An- lagen durch neue ersetzt, wird belohnt. Er darf vier Jahre lang die Zertifikate der Altanlage behalten. Danach gilt 14 Jahre Erfüllungsfaktor 1. 3 t s E l e D f n h f Z s t s i A s r r t t A f d s w H p d e b z m w m B Q i w b z (C (D Ineffiziente Kraftwerke mit Wirkungsgraden unter 1 Prozent/36 Prozent werden mit zusätzlichen Reduk- ionspflichten – minus 15 Prozent – belegt. Der Emissionshandel sorgt nicht nur für Klimaschutz, ondern er reizt auch Investitionen in eine moderne nergieversorgung an. Der Emissionshandel macht es ohnend, alte Kohlekraftwerke durch neue Anlagen zu rsetzen. Das ist zugleich ein Impuls für die Wirtschaft! ie ökologische Modernisierung schafft Arbeitsplätze. Mit dem Emissionshandel wird, der Grundstein gelegt ür die Fortsetzung .des Klimaschutzes über 2012 hi- aus. 2005, im nächsten Jahr, beginnen bereits die Ver- andlungen zur zweiten Verpflichtungsperiode. Das Kiotosystem der absoluten Obergrenze soll lang- ristig nicht nur für Industriestaaten gelten. Sondern das iel ist, Schwellenländer einzubeziehen. Das zweite Ziel ind ehrgeizigere Reduktionsverpflichtungen für Indus- rieländer. Auch der internationale Flugverkehr muss einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Klimaschutz wird zur globalen Aufgabe. Deutschland st Vorreiter – und profitiert von seiner Vorreiterrolle. ber wir machen keinen Alleingang. Deutschland chlägt vor, seine Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu eduzieren, wenn die EU insgesamt im gleichen Zeit- aum um 30 Prozent reduziert. Damit und mit dem Gesetz zum Emissionshandel un- erstreicht Deutschland seine Vorreiterrolle beim interna- ionalen Klimaschutz. nlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Unterrichtung: Bericht zur Entwicklung von Qualitätsstandards in der privaten Arbeitsvermittlung (Tagesordnungs- punkt 23) Hans-Werner Bertl (SPD): Bürokratieabbau, Viel- alt von Dienstleistungen und Entwicklungsfreiheit für ie Bürgerinnen und Bürger stehen heute im Blickfeld taatlicher Handlungsmonopole. Die Arbeitsvermittlung ar lange Zeit ein geschlossenes System staatlichen andelns. Mit der Entscheidung vom 1. August 1994, rivate Arbeitsvermittlung auf Antrag und mit Erlaubnis er damaligen Bundesanstalt für Arbeit zuzulassen war in damals noch zögerlicher und nicht von allen Seiten egrüßter Beginn, den Arbeitsmarkt für weitere Akteure u öffnen. Die Erlaubnisverpflichtung für private Arbeitsver- ittlung wurde am 23. Mai 2002 aufgehoben. Fortan ar es für jedermann mit der entsprechenden Erlaubnis öglich, privat Arbeit zu vermitteln. Dass der Deutsche undestag in seinem Beschluss vom 15. März 2002 ualitätsstandards und Transparenz auf diesem Sektor m Interesse der Bürgerinnen und Bürger einforderte, ar folgerichtig. Schließlich wird die Dienstleistung Ar- eitsvermittlung nach wie vor aus Beitragsmitteln finan- iert. 9660 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. April 2004 (A) ) (B) ) Auch diejenigen, die als Privatunternehmen tätig sind, haben ein Interesse daran, ihren Kunden fachliche Kompetenz und Qualitätsstandards zu dokumentieren. Dies ist ein Garant für eine vertrauensvolle und erfolgs- orientierte Zusammenarbeit auf beiden Seiten. Es ist zu begrüßen, dass sich die Bundesregierung ge- meinsam mit den Fachverbänden der privaten Arbeits- vermittlung, dem Deutschen Industrie- und Handels- kammertag und der Bundesagentur für Arbeit auf ein Verfahren von qualitativen Mindeststandards verständigt hat. Das Verfahren wurde ohne bürokratischen Zertifi- zierungsaufwand und ohne extreme Kostenbelastung so angelegt, dass sich veränderte Bedingungen in einem fortwährenden Prozess und in der Selbstverpflichtung al- ler Akteure für die Kunden der privaten Arbeitsvermitt- lungen letztendlich als erkennbares und sicheres Quali- tätsmerkmal deuten lässt. Alle Beteiligten sehen die zukünftige Entwicklung der privaten Arbeitsvermittlung positiv. Sie leistet einen Beitrag zur beschleunigten Vermittlung auf dem Arbeits- markt, bietet in ihrer Qualität von Beratung und Profi- ling und in der Zusammenarbeit mit anderen Beratungs- stellen ein komplexes und umfassendes Angebot für Bürgerinnen und Bürger. Aus diesen Gründen bitte ich die Bundesregierung, den begonnenen Weg zur Siche- rung der Qualität in diesem noch relativ neuen und sich zunehmend entwickelnden Bereich unter der jetzt ver- einbarten Verfahrensweise fortzusetzen und dem Parla- ment weiterhin zu berichten. Alexander Dobrindt (CDU/CSU): Festzuhalten ist, dass die private Arbeitsvermittlung nicht die erwartete Wirkung auf die Arbeitslosenstatistik hat, die sich man- che davon versprochen haben. Das Beschäftigungsge- setz mit der Aufhebung des Alleinvermittlungsrechts der Arbeitsämter hatte die Hoffnung geschürt, dass Arbeits- lose mehr Chancen auf Vermittlung in Arbeit bekom- men. Dies hat sich leider nur zu einem geringen Teil so eingestellt; die große Alternative zur Vermittlung über die Bundesagentur für Arbeit ist daraus zumindest bis jetzt nicht geworden. Dennoch war die Deregulierung der privaten Arbeits- vermittlung ein richtiger Schritt, der in seiner Fort- führung bedeutet, dass die Entwicklung des Vermitt- lungsmarktes politisch begleitet werden muss, um Fehlentwicklungen entgegenzusteuern und korrigierend einzugreifen, wenn festzustellen ist, dass der Markt- mechanismus nicht ausreichend funktioniert. Deshalb war es eine berechtigte Forderung an dieses Haus, zu prüfen, inwieweit sich bei der privaten Arbeits- vermittlung Qualitätsstandards etabliert haben bzw. ge- gebenenfalls dafür zu sorgen, dass solche entstehen. Eines darf man bei allen Liberalisierungsgedanken der Arbeitsvermittlung nicht vergessen: Es handelt sich um einen höchst sensiblen Bereich. Dabei meine ich nicht die Vermittlung von jungen, höchst qualifizierten IT-Fachkräften. Aber beim Großteil der Arbeitslosen stellen sich Fragen der zukünftigen Existenz. Und alles w h f i v e ü m d s d d D w S b l p t a l t b n z h f D v M B F s m n s a n d o c F s v f d n m l A i r (C (D as mit der persönlichen Existenz von Menschen zu tun at, muss eine besondere Verantwortlichkeit haben. Dass eine hohe Verantwortlichkeit in jedem Falle mit reiwillig verbindlichen Qualitätsstandards gesichert ist, st zu bezweifeln. Aber es ist ein Richtlinienrahmen und or allem auch ein Bewertungsgerüst, dass überhaupt rst die Möglichkeit schafft, angelegte Maßstäbe zu berprüfen. Deswegen ist die im Dezember letzten Jahres ge- achte Vereinbarung zwischen der Bundesregierung mit en Verbänden der Arbeitsvermittler bezüglich Mindest- tandards zu begrüßen. Notwendig ist es allerdings, dass ie Umsetzung dieser Standards beobachtet wird und ass auf zukünftige Marktveränderungen reagiert wird. iese Verantwortung kommt der Bundesregierung zu, enn sie diese Art der freiwilligen Vereinbarung trifft. chließlich hat diese Bundesregierung die private Ar- eitsvermittlung auch durch das Instrument der Vermitt- ungsgutscheine stärker in die Steuerung von Arbeits- latzbeschaffung einbezogen. Gleichwohl ist dieses Instrument in der Summe be- rachtet nicht richtig erfolgreich. Lediglich 7 Prozent der usgegebenen Vermittlungsgutscheine sind bisher einge- öst worden. Regional betrachtet sind hierbei starke Un- erschiede zu erkennen. In meinen Arbeitsamtsbezirks eträgt die Quote zum Beispiel über 12 Prozent. Den- och liegt man hier wohl weit hinter den Erwartungen urück. Ein Blick in die Mitteilungen des Bundesrechnungs- ofes über die Prüfung des Vermittlungsgutscheinver- ahrens lässt die Sachlage noch kritischer erscheinen. er Bundesrechnungshof stellt fest, dass die Hälfte der ermittelten Arbeitsverhältnisse gerade einmal sechs onate bestanden haben. Was noch bedenklich ist: Laut undesrechnungshof liegen in knapp einem Drittel der älle Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Inan- pruchnahme oder für Mitnahmefälle vor. Das wirft kein wirklich gutes Licht auf dieses Instru- ent. Insgesamt sind bereits im ersten Jahr 12,5 Millio- en Euro für die Herstellung von nicht eingelösten Gut- cheinen und missbräuchlicher Verwendung von der BA ufgewendet worden. Es wäre also dringend geboten, abschließend darüber achzudenken, ob dieses Arbeitsmarktinstrument über en 31. Dezember 2004 hinaus verlängert werden soll der ob andere Instrumente mit diesem Geld erfolgrei- her wären. Eine schnelle Entscheidung wäre auf jeden all wünschenswert, um den privaten Vermittlern ent- prechende Planungssicherheit zu geben. Unserer Einschätzung nach ist dieses Instrument nicht ollkommen unberechtigt. Die Bundesregierung ist ge- ordert, eine echte Kosten-Nutzen-Analyse vorzulegen, ie aussagekräftig ist, verbunden mit Vorschlägen zu ei- er Verbesserung des Qualitätsstandards dieses Instru- ents. Dass beispielsweise die Staffelung der Vermitt- ungsvergütung nach der Länge der Arbeitslosigkeit kein nreiz zu schneller Vermittlung ist, hat sich in der Praxis nzwischen gezeigt. Hier ist eindeutig ein Nachbesse- ungsbedarf gegeben. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. April 2004 9661 (A) ) (B) ) Was ich im Bericht der Bundesregierung ausdrücklich vermisst habe, ist eine Beschreibung der Situation im Aupairbereich. Die Bundesregierung ist mit Drucksache 15/1315 vom ganzen Haus aufgefordert, die auftreten- den Probleme in diesem Bereich seit Aufhebung der Er- laubnispflicht zu beobachten und eine Reihe von Maß- nahmen einzuleiten. Unter anderem wurde die Bundesregierung aufgefordert, ein gemeinsames Güte- siegel für Aupairvermittler zu initiieren und besondere Qualitätsstandards für diesen Vermittlungsbereich zu in- stallieren. Ich fordere die Bundesregierung auf, dies schnellstens nachzuliefern. Marie-Luise Dött (CDU/CSU): In einem Punkt sind wir uns wohl alle einig: Wir wollen Arbeitsplätze in Deutschland schaffen und erhalten! Deshalb müssen wir den Weg für Investitionen und Unternehmensansiedlun- gen frei machen. Den Unternehmen, die Deutschland als Standort für ihre Produktion auswählen, sollen nach Möglichkeit keine Steine in den Weg gelegt werden. Sie sollen vielmehr motiviert werden, diesen Schritt zu ge- hen. Wie wir das schaffen können? Indem wir Wettbe- werbsvorteile nutzen, Standortnachteile möglichst aus- gleichen und Wettbewerbsverzerrungen vorbeugen. Im Falle des Emissionshandels wären dafür zunächst einmal klare Vorgaben aus Europa notwendig gewesen. Für die Umsetzung der EU-Emissionshandelsrichtlinie fehlen diese leider fast vollständig. Die Bundesregierung war in der Pflicht, sich auf europäischer Ebene für prak- tikable Umsetzungsrichtlinien für die EU-Mitgliedstaa- ten einzusetzen. Die Gelegenheit dazu hatten Sie: Zehn Mal hat der EU-Ministerrat für Wettbewerbsfragen zum Thema Emissionshandel getagt. Neun Mal hat der Deut- sche Wirtschaftsminister durch Abwesenheit geglänzt. Damit hat er Deutschland einen wahren Bärendienst er- wiesen. Dadurch, dass verbindliche Standards fehlen, sind wir von einer einheitlichen Umsetzung in den europäischen Mitgliedstaaten weit entfernt: Frankreich entlässt seine chemische Industrie aus dem Regiment des Emissions- handels. Die Niederlande und Österreich statten ihre An- lagen mehr als großzügig aus. In Deutschland dagegen wird verknappt. Die Wettbewerbsverzerrungen, die da- durch im europäischen Markt entstehen, liegen auf der Hand. Die Verlierer in diesem Spiel drohen ein weiteres Mal die Unternehmen zu sein, die sich für den Standort Deutschland entscheiden. Ich frage mich also, warum die Bundesregierung je- den Weitblick hat vermissen lassen und nicht frühzeitig Engagement zeigte. Es mag wohl daran liegen, dass sich das Kabinett selbst nicht einig war. Das Chaos, das Sie uns in der Planungsphase präsen- tiert haben, spottet jeder Beschreibung. Mal ganz abge- sehen davon, dass Sie das Parlament und die Parlamen- tarier fast völlig übergehen, haben Sie auch bei den betroffenen Unternehmen mehr Verwirrung gestiftet als Klarheit geschaffen. w D g s d t E 0 m ( s v i d v e m n z g s p r 2 g g f s d g t N B h g g s s 3 n r l d A a w i r h n v s d t (C (D Mit dem Gesetz über den nationalen Zuteilungsplan ollten Sie die dringend benötigten Antworten liefern. och Ihr Gesetzentwurf führt die Irrungen und Wirrun- en lediglich auf anderer Ebene fort. In dem nach Brüs- el gemeldeten Nationalen Allokationsplan (NAP) und em heute diskutierten Gesetzesentwurf (NAP-Gesetz) auchen völlig widersprüchliche Aussagen auf. Die interessierte Öffentlichkeit fragt sich: Liegt der rfüllungsfaktor nun bei 0,9765 (NAP) oder bei ,9775 (NAP-Gesetz)? Werden frühzeitige Emissions- inderungen ab dem Jahr 1996 (NAP) oder ab 1994 NAP-Gesetz) anerkannt? Wie wollen Sie denn der deut- chen Wirtschaft Planungssicherheit und Bestandsschutz ermitteln, wenn Sie sich innerhalb der Regierung und n den verschiedenen Kabinettsdokumenten ständig wi- ersprechen? Was wir benötigen, sind klare Aussagen und ein in- estitionsfreundliches Klima. Die Gesetzgebung zum uropäischen Emissionshandel darf da keine Ausnahme achen. Die Abschreibung einer Anlage dauert nicht ur ein paar Jahre. Um positive Standortentscheidungen u forcieren, muss die Bundesregierung verlässliche Re- eln gewährleisten. Nicht nur in der Einführungsphase, ondern auch und vor allem für die zweite Handels- eriode und über 2015 hinaus. Eine Vision der Bundes- egierung, in welche Richtung der Emissionshandel nach 012 steuert, ist mir bisher aber nicht bekannt. Auch in anderen Fragen der Umsetzung hätten günsti- ere Entscheidungen für den Standort Deutschland etroffen werden können. Die CDU/CSU-Bundestags- raktion hat in den gesamten Verhandlungen und im ge- amten Gesetzgebungsverfahren zum Emissionshandel arauf gedrungen, neuen Marktteilnehmern einen unein- eschränkten und kostenlosen Zugang zum Handelssys- em zu ermöglichen. Die Bundesregierung hatte noch im ationalen Allokationsplan, den Sie am 31. März nach rüssel gemeldet hat, die gleiche Stoßrichtung. Hier ieß es, „dass für alle zu erwartenden Newcomer-Anla- en eine hinreichende Menge an Emissionsberechtigun- en zur Verfügung stehen wird“. Diese Aussage unter- tütze ich. Im NAP-Gesetz hingegen findet sich nun eine Be- chränkung der Zertifikate für neue Marktteilnehmer auf Millionen Tonnen pro Jahr. Da die Bundesregierung icht offen legt, auf welcher Datenbasis diese Zahl be- uht und welche Berechnungen dieser Zahl zugrunde ge- egt wurden, muss ich davon ausgehen, dass es sich le- iglich um eine mehr oder weniger willkürliche nnahme handelt. Sowohl für die Öffentlichkeit als uch für den Gesetzgeber ist in keiner Weise erkennbar, ie belastbar die Zahl von 3 Millionen Tonnen pro Jahr st und ob die Menge ausreichen wird. Es versteht sich von selbst, dass die beteiligten Inte- essengruppen sich hierzu nicht einlassen, da eine Erhö- ung der Reserve zulasten der Verteilmenge ginge. Nicht ur um die Verquickung der verschiedenen Interessen zu ermeiden, sondern auch aus Gründen des Bestands- chutzes haben wir immer gefordert, die Reserven von er Zuteilungsmenge loszulösen. In der jetzigen Situa- ion besteht die Gefahr, dass die Reserve-Regelung 9662 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. April 2004 (A) ) (B) ) zulasten derer ausgestaltet wurde, die noch keine Lobby haben, weil es sie noch nicht gibt – die neuen Marktteil- nehmer. Wenn sich herausstellt, dass die Reserve zu knapp be- messen wurde, dann gleicht das einem Zulassungsstopp für Neuinvestitionen. Ist die Reserve einmal erschöpft, dann wird es in dieser Handelsperiode keine Anlagen- neuzulassungen mehr geben. Denn welcher Betreiber baut eine Anlage, wenn er noch vor der Inbetriebnahme Geld für Zertifikate ausgeben muss, die seine Mitbewer- ber kostenlos zugeteilt bekommen haben? Damit ist sein Wettbewerbsnachteil doch schon vorprogrammiert. Wer garantiert, dass die Zertifikate zu einem akzeptablen Preis zu erwerben sind, der nicht unverhältnismäßig ist? Und wer garantiert darüber hinaus, dass zu diesem Zeit- punkt überhaupt Zertifikate auf dem Markt vorhanden sind, dass sich also ein Betreiber findet, der bereit ist zu verkaufen? Im NAP-Gesetz finden sich solche Zusagen nicht. Ich möchte hier deshalb ganz stark für eine andere als die im NAP-Gesetz vorgeschlagene Regelung plädieren. Wir brauchen eine Auffanglösung, mit der ausnahmslos alle Neuanlagen kostenlos mit Zertifikaten ausgestattet werden, auch wenn die Reserve bereits erschöpft ist. Stehen Sie nicht weiter auf der Wachstumsbremse, sondern ändern Sie das NAP-Gesetz und sorgen Sie da- für, dass die sich abzeichnende Konjunkturbelebung nicht im Keim wieder erstickt wird! Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Wir haben heute ein kleines Jubiläum. Ziemlich auf den Tag vor genau zehn Jahren brachte die damals unionsgeführte Bundes- regierung nämlich das Beschäftigungsförderungsgesetz durch den Bundestag; erst im zweiten Anlauf zwar, denn zuvor war es dem SPD-dominierten Bundesrat mit den Ministerpräsidenten Lafontaine und Schröder an der Spitze gelungen, jeden noch so kleinen Fortschritt auf diesem Gebiet auszubremsen. Ich rufe das deshalb ins Gedächtnis, erstens weil diese Geschichte die ungewöhnliche Methamorphose der an- geblichen Arbeiternehmerpartei SPD zur Hartz-light- Partei verdeutlicht und zweitens weil in dem damaligen Gesetz der privaten Vermittlung von Arbeitslosen zum Durchbruch verholfen wurde. Das ideologisch geprägte Klassenkampfvokabular aus Ihrer Oppositionszeit nannte das ganze damals „Menschenhandel“, was übrigens im Umkehrschluss ja hieße, dass die BA staatlichen Menschenhandel betreibe. Die damalige Opposition prophezeite, den „Menschen werde das Rückgrat gebrochen“. In einem Ent- schließungsantrag der SPD zu diesem Gesetz hieß es da- mals: „Die Zulassung gewerblicher Arbeitsvermittlung ist arbeitsmarktpolitisch unsinnig.“ Wie gesagt: Das ist erst zehn Jahre her. Von diesem Geist ist in der vorliegenden Drucksache heute nichts mehr zu spüren. Die Koalition klopft sich an die Brust, in der Überzeugung, Neuland betreten zu haben. Wir waren allerdings immer der Meinung, dass Wettbewerb durch Private der BA gut tun würde. Das haben wir bei- s b u I k 1 l s A 3 g d w m g w d m d t f v v s z t r O w i d m r b m N E w v s b d r l s b d w a l n k t z (C (D pielsweise schon sehr früh mit Pilotprojekten zur Ein- eziehung Dritter in die Vermittlung von Arbeitslosen mgesetzt. Die Erfolge dieser Projekte sprechen für sich. n meiner Region, dem Emsland, klappte das vom Land- reis getragene Projekt hervorragend! Der Jahresbericht 999 der ESBA – das war eine kommunale Vermitt- ungsagentur – weist aus: Aus einem Pool von 750 Per- onen wurden 605 Langzeitarbeitslose in den ersten rbeitsmarkt integriert, davon 416 auf Dauer. Über Millionen DM an staatlichen Leistungen konnten ein- espart werden. Das sind Zahlen, von denen die Bun- esagentur nur träumen kann. Dass wir das heute hier debattieren dürfen, verdanken ir der grundsätzlichen Arbeitsweise der Koalition, die al mit Hü und Hott, dann wieder im Schweinsgalopp erade das in irgendwelche Gesetze hineinformuliert, as ihr gerade so einfällt. Ich erinnere nur an den Zeit- ruck vor Weihnachten im vergangenen Jahr. So kann an keine solide Politik machen. Die Aufforderung an ie Regierung, einen Bericht zur Umsetzung von Quali- ätsmaßstäben für die private Vermittlung vorzulegen, indet man bezeichnenderweise in einem Gesetz mit dem ielsagenden Titel „Gesetz zur Vereinfachung der Wahl on Arbeitnehmervertretern in den Aufsichtsrat“ ver- teckt. Es gibt bei Ihnen kein erkennbares langfristiges Kon- ept in der Arbeitsmarktpolitik, sondern nur zentralis- ische Reparaturanleitungen für nicht mehr schönzu- edende Mängel. Neuester Beleg dafür ist das ptionsgesetz, bei dem der Titel ja schon nicht stimmt, eil es gar keine wirkliche Option für die Kommunen st. Das wurde in dieser Woche hier schon ausreichend iskutiert. Die damit einhergehende Belastung der Kom- unen wird zu einer finanzpolitischen Katastrophe füh- en. Der Landkreis Emsland, aus dem ich komme, wird eispielsweise nicht etwa entlastet, sondern zusätzlich it über 17 Millionen Euro im Jahr belastet. In ganz iedersachsen summiert das sich auf 510 Millionen uro. Die pünktliche Auszahlung des Arbeitslosengeldes II ird inzwischen massiv in Frage gestellt, von einer sinn- ollen Betreuung bzw. Vermittlung der Betroffenen wird chon gar nicht mehr geredet. So sieht letztlich Ihre Ar- eitsmarktpolitik für die Kommunen aus! Ich sage Ihnen auch, wie die Kommunen jetzt, nach em Scheitern des so genannten Optionsmodells, reagie- en werden. Die Tendenz geht jetzt zur Variante „Gesetz- iche Mindestleistung“. Der Variante „Arbeitsgemein- chaft“ steht man mehr als skeptisch gegenüber. Man efürchtet, sich dort in den Verträgen nicht wiederzufin- en und lediglich zum Befehlsempfänger degradiert zu erden. Der DIHT-Hauptgeschäftsführer Wansleben spricht us, was die Union zu verhindern suchte: Es ist bedauer- ich, dass sich die Politik nicht auf eine Trägerschaft der euen Leistung hat einigen können, die – und jetzt ommt der entscheidende Passus – aus arbeitsmarktpoli- ischer Sicht am sinnvollsten wäre. Dem ist nichts hinzu- ufügen. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. April 2004 9663 (A) ) (B) ) In der gegenwärtigen Ausgestaltung erweisen sich die Vermittlungsgutscheine als zweifelhaftes Instrument. Sie öffnen dem Missbrauch weite Tore. So wurden Gut- scheine bereits unmittelbar nach der Ausgabe eingelöst. Sie sind nach Ansicht der Arbeitsämter nur für Arbeits- suchende geeignet, die ohnehin mit komplizierten Ab- läufen alleine fertig werden, sich in aller Regel also selbst kümmern. Aus einem AA wurde mir berichtet, dass man dort regelmäßig Scheine abends beim Sauber- machen in den Papierkörben wiederfindet, weil die, die sie nutzen sollen, nichts damit anfangen können. In länd- lich strukturierten Gegenden fehlt für Agenturen der wirtschaftliche Anreiz. Der Aufwand, der für eine schwer vermittelbare Klientel getrieben werden muss, ist oft einfach zu hoch und die Vergütung von maximal 2 500 Euro dafür zu niedrig. Die im Bericht der Bundes- regierung genannten Zahlen zu den eingelösten Vermitt- lungsgutscheinen belegen dies eindrucksvoll. Bei einer Einlösequote von noch nicht einmal 10 Prozent kann man auch unter Berücksichtigung der Einführungsphase noch nicht von einem effizienten und effektiven Instru- ment sprechen. Dies bestätigen auch die Verbände der privaten Ver- mittler. Sie sagen aber mit uns: Der eingeschlagene Weg ist richtig. Kritisiert wird die Befristung. Sie verlangen aus meiner Sicht berechtigterweise einen Abschlag, wenn ein Arbeitsplatz nachgewiesen worden ist, der Klient ihn aber nicht annimmt. Bei der BA gibt es für diesen Fall Sanktionen, die privaten Vermittler müssen dieses Verhaltensrisiko allein tragen. Die Befristung der Geltungsdauer auf drei Monate bringt den Arbeitsagen- turen nur zusätzliche Arbeit. Die Statistik muss auf Per- sonen umgestellt werden, denn nur eine solche Statistik ist aussagekräftig. Die Ausgabe von Vermittlungsgut- scheinen sollte beibehalten werden, denn die bisherigen Erfahrungen reichen für ein endgültiges Urteil noch nicht aus. Sie bleibt allerdings nur ein bescheidenes Seg- ment bei der Vermittlung von Arbeitslosen. Durchgrei- fende Erfolge bei der Senkung der Arbeitslosenzahl sind damit nicht zu erreichen. Das gerade ein paar Tage alte Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsweisen nennt die wesentlichen Ursachen für die hohe Arbeitslosigkeit beim Namen: die zu geringe Wachstumsdynamik, die hohe Regulierungsdichte, Qua- lifikationsmängel beim Arbeitsangebot und zu geringe Lohnspreizung. Auf allen diesen Feldern hat die Bun- desregierung die Zügel schleifen lassen. Die nach unten korrigierten Wachstumszahlen lassen nichts Gutes er- warten. In den letzten Jahren war das jeweils der Beginn einer Abwärtsbewegung. Wenn man die 2004er Sonder- effekte rausrechnet, sind es ja noch nicht einmal 1 Prozent. Die Zahl der Erwerbstätigen wird in diesem Jahr noch einmal um 80 000 zurückgehen. Jedes Zehntel weniger Wachstum bedeutet Zehntausende mehr an Ar- beitslosen, bedeutet Tausende wegfallende Arbeits- plätze. Die bisherigen „Erfolge“ Ihrer halbherzigen Arbeits- marktreformen beschränken sich auf eine etwas effek- tivere Vermittlungstätigkeit und die restriktivere Hand- habung von Sanktionen. Das vergangene Jahr haben Sie sich im Wesentlichen damit beschäftigt, Ihre innerpartei- l z s a d g w c B W t s I M M m Z J s r g g m v m d s m d P u f B L h s B a s D 5 D g s b A C m n l u c (C (D iche Willensbildung zu organisieren. Nach wenigen aghaften Anläufen wird jetzt schon wieder ein Reform- topp in Aussicht gestellt. Die Regierung tummelt sich uf Nebenschauplätzen wie der Ausbildungsabgabe oder er Erbschaftssteuer, um die eigene Klientel zu beruhi- en. Dieses Hin und Her kann sich ein Land, das vorne- eg mitmarschieren möchte, nicht leisten. Wir brauchen keine halbherzigen Reformen, wir brau- hen keine Schauveranstaltungen, wir brauchen keine remsmanöver, sondern wir brauchen eine Politik, die achstumskräfte stärkt! Wenn eine große Berliner Tageszeitung titelt „Insti- ute: Rot-grüne Reformen ohne Wirkung“ (Der Tages- piegel), dann fasst das die Erkenntnis zusammen, dass hre Reformanstrengungen gescheitert sind. Die letzten onatszahlen belegen dies in beängstigender Weise: Im ärz gab es nach alter Zählweise 14 100 Arbeitslose ehr als im Vorjahresmonat. Saisonbereinigt stieg ihre ahl um 44 000. Die Zahl der Erwerbstätigen sank im anuar um weitere 15 000. Damit gab es 134 000 Be- chäftigte weniger als ein Jahr zuvor. Sozialversiche- ungspflichtige Beschäftigte gab es sogar 520 000 weni- er als im Vorjahr. Beim Wachstum kann man mit etwas utem Wille noch von Stagnation reden, bei den Arbeits- arktzahlen geht es eindeutig bergab! Wenn in diesen Monaten viel über die Zumutbarkeit on Arbeit geredet wird, so ist eines klar: Über die Zu- utbarkeit von Arbeit kann man geteilter Meinung sein, ie Arbeit dieser Regierung in der Arbeitsmarkt-, Wirt- chafts- und Finanzpolitik ist allerdings eine einzige Zu- utung. „Für einen wirklichen Aufschwung fehlt nach wie vor as Vertrauen der Bürger in die Zukunft“, konstatiert der räsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- nd Außenhandels Anton Börner, und er ergänzt zutref- end: „Das Vertrauen fehlt deshalb, weil niemand der undesregierung zutraut, dass sie die Zukunft unseres andes zum Besseren gestalten kann.“ Dem ist nichts inzuzufügen! Dirk Niebel (FDP): Die Bilanz der Vermittlungsgut- cheine ist nicht so erfolgreich, wie es die rot-grüne undesregierung bei ihrer Einführung vor zwei Jahren ngekündigt hatte. Mehr als 800 000 Vermittlungsgut- cheine sind bis Ende Februar 2004 ausgegeben worden. eutlich weniger als 10 Prozent, nämlich gerade mal 4 000 Vermittlungsgutscheine sind eingelöst worden. ies führt die Bundesregierung darauf zurück, dass we- en der Befristung auf drei Monate bei länger arbeitslo- en Personen mehrere Vermittlungsgutscheine ausgege- en werden. Zudem bemühen viele Arbeitslose keinen rbeitsvermittler und suchen sich selbst eine Stelle. Der DU-Wirtschaftsexperte Rauen wollte die Selbstver- ittlung sogar mit einer Prämie belohnen. Aber das geht ach meiner Auffassung zu weit. Es ist selbstverständ- ich, dass sich ein Arbeitsloser auch in Eigeninitiative m eine Stelle bemüht. Die Erklärungen der Bundesregierung sind hanebü- hen. Ursprünglich sollten die Vermittlungsgutscheine 9664 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. April 2004 (A) ) (B) ) den Wettbewerb zwischen den privaten und staatlichen Arbeitsvermittlern zum Vorteil der Arbeitsuchenden stärken. Wie so oft bei Rot-Grün, wurden die Vermitt- lungsgutscheine handwerklich schlecht ausgeführt. Die FDP hat immer kritisiert, dass die Honorare weit unter den marktüblichen Prämien der privaten Arbeitsvermitt- ler liegen. Sie berechnen sich nur nach der Dauer der Ar- beitslosigkeit und berücksichtigen weder vermittlungs- hemmende noch vermittlungsbestimmende Merkmale wie Qualifikation, Alter und Gesundheit. Die auf drei Monate begrenzte Gültigkeitsdauer bedeutet zusätzli- chen bürokratischen Aufwand. Deshalb sind sie unat- traktiv und ineffektiv. Es findet kein echter Wettbewerb zwischen privaten und staatlichen Arbeitsvermittlern statt. Die Einlösung der Vermittlungsgutscheine hätte auch bei staatlichen Arbeitsvermittlern erfolgen müssen. Erfolgsprämien für staatliche wie für private Arbeitsvermittler wären eine zusätzliche Motivation gewesen, die Chancen von Ar- beitsuchenden zu verbessern. Auch bei den staatlichen Arbeitsvermittlern hätte ein erfolgsabhängiger Lohnan- teil durch das Gutscheinsystem finanziert werden kön- nen. So hätten Arbeitsuchende echte Wahlmöglichkeiten erhalten. Diese Chance wurde vertan. Das System der Vermittlungsgutscheine war gut gedacht und ist schlecht gemacht worden. Wir sind es von Rot-Grün nicht anders gewöhnt. Darüber hinaus hat es Missbrauchsfälle gegeben. Es gibt schwarze Schafe, die mit krimineller Energie Scheinarbeitsverhältnisse begründen, wobei ein Arbeits- verhältnis nach Auszahlung der Prämie wieder gekün- digt wird, oder Scheinvermittlungen arrangieren, wobei sich Arbeitgeber und Vermittler die Prämie teilen, oder Arbeitgeber betreiben eine eigene Agentur und agieren als Scheinvermittler. Qualitätssicherung ist also notwendig, damit diese Dienstleistung und seriöse Anbieter nicht in Verruf gera- ten. Die Arbeitsvermittlungen setzen sich ihre Qualitäts- standards selbst und bemühen sich, schwarze Schafe auszuschalten. Dieser Selbstregulierungsmechanismus funktioniert erfolgreich; da sollte sich der Staat nicht einmischen. Die rot-grüne Koalition ist mit ihrem Anspruch ge- scheitert und muss nachbessern. Das Instrument der Ver- mittlungsgutscheine soll Ende Dezember auslaufen. Rot- Grün muss die notwendige Nachbesserung sofort ein- leiten. Echten Wettbewerb könnte Rot-Grün schaffen, wenn Arbeitslose mit echter Nachfragemacht ausgestat- tet werden und sie bei drohender Arbeitslosigkeit sofort den privaten oder staatlichen Arbeitsvermittler ihres Ver- trauens aufsuchen dürfen. Die FDP fordert weiterhin die Auflösung der BA, weil sie in ihrer jetzigen Struktur nicht reformierbar ist. Die Arbeitslosen sollen in den Jobcentern der Kommu- nen aus einer Hand betreut werden. Alle notwendigen Vermittlungs-, Qualifizierungs- und Hilfeangebote sol- len dort verfügbar sein. Dazu gehören auch private Ar- beitsvermittler. Die kommunale Arbeitsvermittlung könnte sich bei einer erfolgsabhängigen Finanzierung d f m b A A m G f a n P a l v A d s h S z b d l d i l v u d d B a u l n b d w T m A s D d z a M d (C (D urch die Gutscheineinnahmen wenigstens teilweise re- inanzieren. Rezzo Schlauch (Parl. Staatssekretär beim Bundes- inister für Wirtschaft und Arbeit): Konkurrenz belebt ekanntlich das Geschäft. Je mehr Akteure auf dem rbeitsmarkt tätig sind, desto schneller können auch die usgleichsprozesse ablaufen, desto größer sind die Ver- ittlungschancen der Arbeitsuchenden. Aus diesem rund ist es seit Mitte 2002 für Arbeitslose sehr viel ein- acher, außer den Vermittlungsleistungen des Arbeits- mtes auch private Arbeitsvermittler in Anspruch zu ehmen. Ende März 2002 wurde die bis dahin noch bestehende flicht zur Erlaubnis für die private Arbeitsvermittlung ufgehoben. Private Arbeitsvermittler benötigen seitdem ediglich eine Gewerbeanmeldung, bei der sie ihre Zu- erlässigkeit nachweisen müssen. Sie können auch vom rbeitnehmer im Erfolgsfall eine Vergütung verlangen, eren Höhe jedoch gesetzlich begrenzt ist. Auch wenn wir im internationalen Vergleich auf die- em Gebiet jetzt sogar zu den Staaten mit der weitge- endsten Liberalisierung gehören, wurden ganz bewusst chutzvorschriften aufrechterhalten, die die Rechtsbe- iehungen zwischen Arbeitsuchenden und privaten Ar- eitsvermittlern regeln, so zum Beispiel die Begrenzung es vom Arbeitnehmer zu tragenden Honorars. Ferner haben wir durch die Einführung des Vermitt- ungsgutscheins die Voraussetzungen geschaffen, dass ie arbeitslosen Menschen tatsächlich in der Lage sind, hren selbst ausgesuchten privaten Vermittler zu bezah- en. Mit dem Wegfall der Erlaubnispflicht und der damit erbundenen Deregulierung wurde Bürokratie abgebaut nd der Marktzugang zu einer – jedenfalls aus der Sicht er Arbeitsuchenden neuen – Dienstleistung erleichtert. Jedoch entfiel durch diesen Schritt auch weitgehend ie Kontrolle der privaten Arbeitsvermittlung durch die undesagentur für Arbeit. Die Arbeitsvermittlung ist ber eine sensible Dienstleistung, die einen sorgsamen nd verantwortungsbewussten Umgang mit den persön- ichen Anliegen der Arbeitsuchenden einerseits und de- en der Stellenanbieter andererseits erfordert. Deshalb haben wir mit der Freigabe der privaten Ar- eitsvermittlung die Vorstellung verbunden, dass sich ie Branche Qualitätsstandards gibt, um Missbrauch so eit wie möglich zu verhindern und die notwendige ransparenz über die Arbeit professioneller Arbeitsver- ittler für Arbeitsuchende herzustellen. Die Bundesregierung hat Gespräche mit den privaten rbeitsvermittlern und ihren Verbänden geführt. In die- em Rahmen sind Qualitätsstandards entwickelt worden. ie Bundesregierung hat in dem vorliegenden Bericht iesen Prozess näher erläutert. Da es zunächst keinen einheitlichen Mindeststandard ur Qualität der Dienstleistung Arbeitsvermittlung gab, uf den man hätte zurückgreifen können, waren sich die itwirkenden in dem Bestreben einig, zu Qualitätsstan- ards im Wege der Selbstregulierung zu finden. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. April 2004 9665 (A) ) (B) ) An der Erarbeitung der Qualitätsstandards haben nicht nur die unterzeichnenden Verbände engagiert und aktiv mitgewirkt, sondern auch weitere Arbeitsmarkt- akteure wie zum Beispiel der DIHK. Insoweit können wir hinsichtlich des Erreichten von einem breiten Kon- sens ausgehen. Am 12. Dezember 2003 wurden von 13 Verbänden, die sich an der Entwicklung beteiligt hatten, Qualitäts- standards unterzeichnet. Weitere Interessenten haben in- zwischen ihre Unterzeichnung nachgeholt oder angekün- digt. Zwar haben sich die Verbände gegen die Einführung eines Gütesiegels ausgesprochen. Ausschlaggebend da- für waren vor allem die verhältnismäßig hohen Kosten eines formalisierten Verfahrens und die geringe Flexibi- lität bei der Anpassung an veränderte Gegebenheiten. Stattdessen haben die Teilnehmer der Gesprächsrunden Qualitätsstandards in Form von gemeinsamen Mindest- standards definiert, die von den Verbänden, die sich die- sen Standards durch ihre Unterschrift anschließen, intern durchzusetzen sind. Aus diesem Grund haben die unter- zeichnenden Verbände zugesagt, die Qualitätsstandards zu ihren Verbandsstatuten zu machen und darauf zu ach- ten, dass alle ihre Mitglieder die Standards einhalten. Insbesondere das in den Qualitätsstandards vorgese- hene Beschwerdemanagement richtet sich an die Ver- bandsorganisationen. Sie sollen innerhalb ihrer Struktu- ren ein Verfahren installieren, um die Einhaltung der Mindeststandards zu gewährleisten und gegebenenfalls notwendige Konsequenzen einleiten. Wer als Mitglied eines Verbandes nicht bereit ist, sich an die Qualitätsstandards zu halten, wird von den Ver- bandsorganen abgemahnt und notfalls ausgeschlossen. Wer jedoch im Einklang mit den Qualitätsstandards ar- beitet, kann dies werbewirksam einsetzen und den Ar- beitsuchenden helfen, sich auf diesem neuen Markt zu orientieren. Auf diese Weise können sich diejenigen, die die Standards anwenden, gegenüber solchen Vermittlern am Markt behaupten, denen es nur auf den kurzfristigen finanziellen Erfolg ankommt. Die Standards sehen nämlich vor, dass der private Ar- beitsvermittler dem Kunden eine präzise Beschreibung der zu erbringenden Dienstleistung gibt und damit Miss- verständnisse vermieden werden, die sich im Verlauf der Vertragsabwicklung einstellen könnten. Mit diesen Stan- dards wird aber nicht nur den Kunden die Auswahl eines geeigneten privaten Arbeitsvermittlers erleichtert. Viel- mehr werden den Agenturen für ihre Arbeit auch Hin- weise gegeben, wer für sie als Partner infrage kommt. Wir wollen nicht nur den Wettbewerb zwischen der Bundesagentur für Arbeit und privaten Vermittlern för- dern. Wir wollen auch die Bedingungen für eine ver- stärkte Zusammenarbeit zwischen Bundesagentur für Arbeit und privaten Arbeitsvermittlern verbessern. Wenn die Bundesagentur im Wege der Public Private Partner- ship mit den am Markt auftretenden Arbeitsvermittlern erfolgreich kooperieren soll, muss sie sicher sein, dass ihre Partner vertrauenswürdig sind. d e w d f I S h k F z s V h x s e ä s p n D p s p f d l K a w v d g A 2 s G m – – – – – (C (D Mit der Verabschiedung und Anwendung der Min- eststandards für die Arbeitsvermittlung ist somit ein ntscheidender Schritt zu mehr Transparenz geleistet orden. Hinsichtlich ihrer Anforderungen sind die Stan- ards sogar strenger, als es früher die Voraussetzungen ür die Erlaubnis zur privaten Arbeitsvermittlung waren. nsofern können wir sicher sein, dass wir ein höheres chutzniveau als durch die gesetzlichen Regeln erreicht aben und somit mehr als früher zur Missbrauchsbe- ämpfung tun. Darüber hinaus eröffnen die Qualitätsmaßstäbe in orm von gemeinsamen Mindeststandards die Option, usätzliche Qualitätskriterien aufzunehmen, und können omit auf die besonderen Gegebenheiten des einzelnen ermittlers oder Verbandes zugeschnitten werden. Es andelt sich somit bei den Mindeststandards um ein fle- ibles Instrument zur Qualitätssicherung, das im Gegen- atz zum Verfahren der Vergabe eines Gütesiegels oder iner Zertifizierung eine rasche Anpassung an sich ver- ndernde Rahmenbedingungen zulässt. Diese kann chon deswegen erforderlich sein, weil es sich bei der rivaten Arbeitsvermittlung um einen relativ neuen und och in der Entwicklung befindlichen Markt handelt. er Entwicklungsprozess der Qualitätskriterien für die rivate Arbeitsvermittlung ist somit nicht abgeschlossen, ondern wird mit dem Ziel der Fortentwicklung und An- assung der Mindeststandards an künftige Erfordernisse ortgesetzt. Im Ergebnis wird den Kunden mit den Qualitätsstan- ards eine Orientierung über den von ihnen nicht immer eicht zu überschauenden Markt gegeben. Nur wenn der unde die Wahlfreiheit, die wir ihm gegeben haben, uch aktiv nutzt, haben wir erreicht, was wir erreichen ollten: Menschen, die Arbeit suchen, in freier Selbst- erantwortung entscheiden lassen, welche Wege sie bei en von ihnen geforderten Eigenbemühungen einschla- en. nlage 6 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner 798. Sitzung am 2. April 004 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzu- timmen, einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 rundgesetz nicht zu stellen bzw. einen Einspruch ge- äß Artikel 77 Absatz 3 nicht einzulegen: Gesetz über den Arbeitsmarktzugang im Rahmen der EU-Erweiterung Gesetz über die Errichtung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe … Gesetz zur Änderung des Deutschen Richterge- setzes Gesetz über Begleitregelungen zur Einführung des di- gitalen Kontrollgeräts zur Kontrolle der Lenk- und Ruhezeiten (Kontrollgerätebegleitgesetz – Kontr- GerätBeglG) Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Be- schäftigung schwerbehinderter Menschen 9666 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. April 2004 (A) ) (B) ) – Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangs- recht von Bezugspersonen des Kindes, zur Regis- trierung von Vorsorgeverfügungen und zur Ein- führung von Vordrucken für die Vergütung von Berufsbetreuern – Gesetz zur Umsetzung des Beschlusses (2002/187/ JI) des Rates vom 28. Februar 2002 über die Er- richtung von Eurojust zur Verstärkung der Be- kämpfung der schweren Kriminalität (Eurojust- Gesetz – EJG) Die Fraktion der CDU/CSU hat mit Schreiben vom 1. April 2004 mitgeteilt, das sie den Antrag Steuern: Niedriger – Einfacher – Gerechter auf Druck- sache 15/1231 zurückzieht. Damit ist die darauf bezogene Beschlussempfehlung und der Bericht des Finanzausschusses auf Drucksache 15/1741 hinfällig geworden. Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuss – Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Tech- nikfolgenabschätzung (17. Ausschuss) gemäß § 56 a der Geschäftsordnung Technikfolgenabschätzung hier: Monitoring – „Militärische Nutzung des Welt- raums und Möglichkeiten der Rüstungskontrolle im Weltraum“ – Drucksachen 15/1371 – Ausschuss für Kultur und Medien – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kultur- politik 2001 – Drucksachen 14/9760 – – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kultur- politik 2002 – Drucksachen 15/2258 – Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU- Vorlagen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parlament zur Kenntnis genommen oder von einer Bera- tung abgesehen hat. Auswärtiger Ausschuss Drucksache 15/2447 Nr. 2.2 Drucksache 15/2447 Nr. 2.3 Drucksache 15/2447 Nr. 2.4 Drucksache 15/2447 Nr. 2.6 Drucksache 15/2447 Nr. 2.13 Drucksache 15/2447 Nr. 2.25 Drucksache 15/2519 Nr. 1.1 (C (D Finanzausschuss Drucksache 15/2636 Nr. 2.14 Drucksache 15/2636 Nr. 2.21 Drucksache 15/2636 Nr. 2.32 Drucksache 15/2636 Nr. 2.37 Drucksache 15/2636 Nr. 2.49 Drucksache 15/2636 Nr. 2.51 Drucksache 15/2636 Nr. 2.55 Drucksache 15/2636 Nr. 2.56 Drucksache 15/2711 Nr. 2.1 Drucksache 15/2711 Nr. 2.15 Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Drucksache 15/2636 Nr. 2.8 Drucksache 15/2636 Nr. 2.17 Drucksache 15/2636 Nr. 2.20 Drucksache 15/2636 Nr. 2.22 Drucksache 15/2636 Nr. 2.23 Drucksache 15/2636 Nr. 2.26 Drucksache 15/2636 Nr. 2.27 Drucksache 15/2636 Nr. 2.28 Drucksache 15/2636 Nr. 2.34 Drucksache 15/2636 Nr. 2.35 Drucksache 15/2636 Nr. 2.52 Drucksache 15/2636 Nr. 2.53 Drucksache 15/2636 Nr. 2.54 Drucksache 15/2636 Nr. 2.57 Drucksache 15/2711 Nr. 1.2 Drucksache 15/2711 Nr. 1.3 Drucksache 15/2711 Nr. 1.4 Drucksache 15/2711 Nr. 2.5 Drucksache 15/2711 Nr. 2.6 Drucksache 15/2711 Nr. 2.7 Drucksache 15/2711 Nr. 2.8 Drucksache 15/2711 Nr. 2.11 Drucksache 15/2711 Nr. 2.12 Drucksache 15/2711 Nr. 2.13 Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 15/2636 Nr. 1.3 Drucksache 15/2636 Nr. 2.41 Drucksache 15/2711 Nr. 1.1 Drucksache 15/2711 Nr. 2.2 Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Drucksache 15/2636 Nr. 2.4 Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Drucksache 15/2636 Nr. 2.43 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 15/2447 Nr. 1.4 Drucksache 15/2447 Nr. 2.39 Drucksache 15/2447 Nr. 2.50 Drucksache 15/2519 Nr. 2.3 Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Drucksache 15/2447 Nr. 1.3 Drucksache 15/2447 Nr. 2.16 Drucksache 15/2447 Nr. 2.51 Drucksache 15/2636 Nr. 2.12 Drucksache 15/2636 Nr. 2.19 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 106. Sitzung. Berlin, Freitag, den 30. April 2004 9667 (A) (C) (B) (D) Drucksache 15/2636 Nr. 2.36 Drucksache 15/2711 Nr. 2.3 Drucksache 15/2711 Nr. 2.4 Drucksache 15/2711 Nr. 2.10 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Drucksache 15/1948 Nr. 1.43 Drucksache 15/2373 Nr. 2.35 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Drucksache 15/2373 Nr. 2.3 Drucksache 15/2447 Nr. 1.9 Drucksache 15/2519 Nr. 1.4 Drucksache 15/2519 Nr. 1.7 Drucksache 15/2519 Nr. 1.8 Drucksache 15/2519 Nr. 2.6 Drucksache 15/2636 Nr. 1.1 Drucksache 15/2636 Nr. 1.2 Drucksache 15/2636 Nr. 2.25 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 340, Telefax (02 21) 97 66 344 106. Sitzung Berlin, Freitag, den 30. April 2004 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1510600000

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unter den Gästen

auf der Tribüne haben die Botschafter der neuen Mit-
gliedstaaten der Europäischen Union Platz genom-
men. Exzellenzen, ich begrüße Sie sehr herzlich im Na-
men des gesamten Deutschen Bundestages.


(Anhaltender Beifall)

Morgen, am 1. Mai 2004, werden Estland, Lettland,

Litauen, Malta, Polen, die Slowakei, Slowenien, die
Tschechische Republik, Ungarn und Zypern der Europäi-
schen Union beitreten. Ein wahrhaft historisches Datum:
Mit diesem Tag endet endgültig die schmerzliche Tei-
lung Europas, die uns jahrzehntelang durch die Berliner
Mauer wenige Meter vor dem Reichstagsgebäude vor
Augen geführt wurde. Nach dem Fall des Eisernen Vor-
hanges haben sich die neuen Mitglieder ohne Zögern auf
den Weg zur Europäischen Union gemacht. Für ihre Ent-
schlossenheit und ihre enorme politische, wirtschaftliche
und gesellschaftliche Reformkraft gebührt ihnen unsere
Anerkennung und unser Respekt.


(Beifall im ganzen Hause)


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Redet
Der Deutsche Bundestag hat den Prozess der EU-Er-
weiterung in den letzten Jahren engagiert begleitet und
unterstützt. Dabei war uns immer klar: Es gibt keine
sinnvolle Alternative zur europäischen Wiedervereini-
gung. Wir alle wollen ein friedliches, demokratisches
Europa, in dem wir unserer gewachsenen Verantwortung
nach innen und außen gerecht werden und unsere ge-
meinsamen Interessen erfolgreich vertreten. Die Erwei-
terung der Europäischen Union ist nicht nur die Antwort
auf die europäische Geschichte und die Erfahrung von
Krieg, Zerrissenheit und Leid. Sie ist vor allem ein Zu-
kunftsbündnis für ein Europa des Friedens, der Demo-
kratie, der Stabilität und der gemeinsamen Sicherheit,
ein Europa der individuellen Freiheit und de
Lebenschancen, der lebendigen Traditionen u
chen Kulturerbes, ein Europa, das stark ist in
meinsamen Werten und einig in seiner Vielfal

(C (D ung 30. April 2004 0 Uhr Wünschen wir diesem unserem Europa eine gemeiname, friedliche und erfolgreiche Zukunft! Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 19 a soie 19 c bis 19 e auf: a)


(Beifall im ganzen Hause)


kanzler
Erweiterung der Europäischen Union

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael
Kretschmer, Albert Rupprecht (Weiden), Peter
Hintze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
Die EU-Erweiterung als Chance und Aufgabe
– Drucksache 15/2748 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

ext
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen
Türk, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger,
Dr. Werner Hoyer, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der FDP
Die Chancen der EU-Erweiterung für
Deutschland nutzen
– Drucksache 15/2774 –

ngsvorschlag:
für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)

er Ausschuss
für Wirtschaft und Arbeit
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
r gleichen
nd des rei-
seinen ge-
t.

Überweisu
Ausschuss
Auswärtig
Ausschuss
Ausschuss






(A) )



(B) )


Präsident Wolfgang Thierse

e) Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD

und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Die EU-Erweiterung als Gewinn begreifen –
Sicherheit, Wohlstand und Stabilität in ganz
Europa stärken
– Drucksache 15/2973 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

Zur Regierungserklärung liegt ein Entschließungsan-
trag der Fraktion der FDP vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklä-
rung eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
der Bundeskanzler Gerhard Schröder.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Gerhard Schröder (SPD):
Rede ID: ID1510600100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Herr Präsident, Sie haben zu Recht darauf hin-
gewiesen, dass morgen zehn Staaten der Europäischen
Union beitreten. Um die historische Dimension dieses
Vorgangs wirklich zu begreifen, sollte man sich einmal
vor Augen führen, was noch vor ungefähr 60 Jahren in
Europa stattfand: Mehr als 45 Millionen Menschen in
Europa sind einem Krieg zum Opfer gefallen, der als
Zweiter Weltkrieg in die Geschichte eingegangen ist.
15 Millionen Menschen davon lebten in Mittel-, in Süd-
und in Südosteuropa, mehr als 20 Millionen lebten in der
damaligen Sowjetunion, im heutigen Russland.

Vor diesem Hintergrund muss man wirklich sagen,
dass alle berechtigten Diskussionen über Fragen der
Ökonomie, über Fragen des Steuerrechts, über Fragen
von Dienstleistungsfreiheit und Arbeitnehmerfreizügig-
keit sicher wichtige Debatten sind, aber doch wohl
nichts vor dem Hintergrund dieser historischen Dimen-
sion oder jedenfalls wenig, was die Bedeutung dessen
angeht, was sich morgen – sicherlich als Prozess – voll-
ziehen wird, wenn sich nämlich eine historische Mission
erfüllen wird, eine Mission, die der Traum vieler Gene-
rationen in Europa gewesen ist. Diese Vision wird jetzt
Wirklichkeit; denn Europa überwindet – das ist richtig –
nunmehr endgültig seine schmerzliche Trennung. Wir,
die heute entscheidende Generation von Politikerinnen
und Politikern, haben die einmalige Chance, dieses Eu-
ropa, und zwar das ganze, zu einem Ort dauerhaften

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(C (D riedens und als Folge dessen dauerhaften Wohlergeens seiner Menschen zu machen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Es kann überhaupt nicht fraglich sein, dass in diesem
rozess auch Schwierigkeiten auftreten werden. Übri-
ens sind sie im Prozess des Werdens Europas immer
ufgetreten. Noch einmal: Das ist wenig im Vergleich zu
en unerhörten Chancen. In einem bin ich ganz sicher:
ürden wir diesen Prozess nicht in Gang setzen, versag-

en wir vor den Entscheidungen aus Angst vor den
chwierigkeiten, würden uns unsere Kinder, spätestens
eren Kinder schwere Vorwürfe ob solcher Versäum-
isse machen, und das völlig zu Recht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Schon die Gründungsväter der Europäischen
nion waren fest davon überzeugt, dass dieses Europa
icht am Eisernen Vorhang enden darf. Sie und nach ih-
en alle anderen, denen Europa am Herzen lag, haben
mmer gewünscht, dass unsere Nachbarn im Osten Euro-
as eines Tages dazugehören werden und sollen. Wir
önnen heute mit Stolz sagen: Mit dem morgigen Datum
ird dieses Vermächtnis erfüllt sein.
Vergessen wir dabei eines nicht: Der Westen unseres
ontinents und der Westen unseres eigenen Landes ha-
en nach den Grauen des Zweiten Weltkriegs im Ver-
leich zum Osten des Kontinents das glücklichere, das
nädigere Schicksal gehabt. Unterstützt von Amerika
onnten wir aus dem Versöhnungswillen der europäi-
chen Völker ein neues, ein wirklich friedliches Europa
ufbauen. Den entscheidenden Schritt zur Vereinigung
es gesamten Kontinents haben aber die Menschen in
en Ländern in Mittel- und Osteuropa getan. Wie unsere
andsleute im Osten Deutschlands haben sie in friedli-
hen Revolutionen Unterdrückung abgeschüttelt und
reiheit wirklich selbst gewonnen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Sie haben – ich denke, auch das gilt es gerade jetzt
it großem Respekt zu sagen – für diese Freiheiten
roße Entbehrungen auf sich genommen. Sie haben den
ut zu wirklich einschneidenden Reformen aufge-
racht, um ihr Ziel zu erreichen, das immer auch ein ge-
einsames Ziel gewesen ist: durch ihre Mitgliedschaft
n der Europäischen Union eines Tages Teil eines eini-
en Europas zu werden.
Auch wenn wir immer von der Erweiterung der
nion sprechen: Es ist nicht so, dass sich mit der Erwei-
erung der Union Europa ausgedehnt hat; vielmehr kom-
en Völker und Staaten, die seit langem Teil europäi-
cher Kultur, Teil Europas sind, endlich zurück in die
uropäische Staatengemeinschaft, in die europäische
amilie. Damit ist die Aufnahme der neuen Mitglied-
taaten eine konsequente Fortsetzung der europäischen






(A) )



(B) )


Bundeskanzler Gerhard Schröder

Einigung. Warschau und Prag, Budapest und Riga,
Pressburg und Tallinn, Laibach und Wilna, das sind
Städte, die in den vergangenen Jahrhunderten die Ent-
wicklung der europäischen Kultur und der europäischen
Reformbewegungen ganz maßgeblich mitbestimmt ha-
ben. Malta war und ist eine Verbindung zwischen den
beiden Ufern des Mittelmeers, dem europäischen und
dem nordafrikanisch-arabischen. Zypern liegt im Kreu-
zungspunkt zweier Kulturen, die Europa entscheidend
beeinflusst und geformt haben.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eine Be-
merkung zu Zypern machen, und zwar zur dortigen
Volksabstimmung. Natürlich muss man die Tatsache,
dass die Volksabstimmung im Norden des Landes nicht
erfolgreich war, also gescheitert ist, bedauern, weil da-
mit auch der großartige Plan des VN-Generalsekretärs
gescheitert ist, jedenfalls vorläufig.


(Peter Hintze [CDU/CSU]: Im Süden!)

– Im Süden. Sie haben Recht, Herr Hintze. Damit wir
uns richtig verstehen: Das gilt nicht immer.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir wollen hier keine neue Phase einleiten. So weit soll
es dann doch nicht gehen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sie ist schon eingeleitet!)


Ich bin aber fest davon überzeugt, dass die Einheit
Zyperns nicht nur für die Zyprioten, sondern auch für
Europa und für eine friedliche Entwicklung des Mittel-
meerraums insgesamt – das kann doch gar keine Frage
sein – die bessere Lösung gewesen wäre.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will deshalb die Hoffnung ausdrücken – ich denke,
ich spreche da im Namen des gesamten Hohen Hauses –,
dass die Vereinigungsbemühungen doch noch zum Er-
folg führen. Im Übrigen finde ich es richtig, dass die Eu-
ropäische Union gerade beschlossen hat, die Hilfen für
das Land doch so zur Verfügung zu stellen, wie das ge-
plant gewesen ist – für den Norden des Landes, Herr
Hintze.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Richtig ist auch, dass die bestehende Grenze, die for-
mal eine Außengrenze der Europäischen Union ist,
durchlässig gemacht wird. Wir sind uns da mit unseren
Freunden einig. Ich bin sicher, dass die Kommission
Fortschritte bei der Durchlässigkeit dieser Grenze und
auch beim Handel, der notwendig ist und jetzt eher mög-
lich ist als vorher, erreichen wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Für die Menschen in den alten, aber auch in den
neuen Mitgliedstaaten verbindet sich mit dem Beitritt die
Hoffnung auf ein Leben in Freiheit und Wohlstand, in
Frieden und Sicherheit. Frieden durch Integration, das

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(C (D ehört zum Erfolgsrezept der Europäischen Union. Aber ir müssen erkennen, dass Frieden keineswegs überall n Europa selbstverständlich ist, und zwar auf dem Balan, weswegen es immer noch nötig ist und weiter nötig leiben wird, unser Engagement dort fortzusetzen. Ohne nser Engagement und ohne das unserer Partner werden icherheit und Perspektive für diese Region nicht hertellbar sein. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb bleibt es unsere europäische Aufgabe, den
rieden auf unserem ganzen Kontinent zu sichern und zu
rhalten. Mehr noch: Die große Mehrheit unseres Volkes
ill, dass Europa in internationalen Angelegenheiten
icht weniger, sondern mehr Verantwortung übernimmt.
elbstverständlich gilt das auch für uns. Deshalb tun wir
as auch. Über den Balkan habe ich gesprochen; über
fghanistan wäre in anderen Zusammenhängen zu spre-
hen.
Es ist ja richtig, wenn man einfordert, verehrte Frau
erkel, dass Europa mit einer Stimme spricht. Die Frage

st nur, mit welcher.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Der richtigen!)


Ja natürlich, mit der richtigen. – Dann müssen wir uns
och einem Problem widmen, das in der internationalen
olitik eine große Rolle gespielt hat und immer noch
pielt. Es war natürlich die Frage, ob in der Irakkrise
it der Stimme von Frau Merkel und Herrn Stoiber oder
it der von Herrn Fischer und mir zu sprechen war.


(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: Ach Gott, haben Sie Sorgen!)


ch glaube, meine Damen und Herren, dass die Einsicht
rößer wird, dass die Stimme, die damals gesprochen
at, doch wohl richtiger gelegen hat. Ich freue mich übri-
ens darüber.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ber diese Auseinandersetzung müssen und sollten wir
eute nicht führen.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie können das gerne haben. Ich könnte Ihnen noch ein
aar Zitate vorlesen. Ich habe sie mitgebracht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

enn Sie das unbedingt wollen, können Sie das gerne
aben. Das ist gar keine Frage. Ich bin mir aber sicher,
ass diese Auseinandersetzung in den nächsten Tagen
nd Wochen stattfinden wird. Es gibt mit Blick auf diese
useinandersetzung ja auch schon hochinteressante Bei-
räge aus Ihren Reihen. Um ein Beispiel zu nennen:
enn ich das, was ich von Herrn Gauweiler gelesen
abe, richtig verstanden habe, dann stellt sich die Situa-
on ja langsam für mich so dar, dass ich ihm sagen
uss: Jetzt sei mal etwas sanfter in der Kritik an unseren






(A) )



(B) )


Bundeskanzler Gerhard Schröder

amerikanischen Freunden! – Eine solche Entwicklung
hätte ich nicht für möglich gehalten. Das wollte ich nur
nebenbei bemerken.


(Beifall der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Wir wollten heute nicht darüber reden!)


– Herr Schäuble, ich könnte mich natürlich auch mit den
erstaunlichen Erkenntnissen, die Sie in der letzten Zeit
gewonnen haben, auseinander setzen. Ich sage aber noch
einmal: Das will ich heute nicht tun.


(Lachen bei der CDU/CSU sowie beim Abg. Dr. Guido Westerwelle [FDP])


Es führt ja zu nichts. Erst einmal muss ich ja abwarten,
wo Sie bei Ihrem hochinteressanten Lernprozess landen.
Am Ende Ihres Lernprozesses setzen wir uns dann über
die Frage auseinander, ob er weit genug gegangen ist
oder nicht. So wird, wie ich denke, ein Schuh daraus.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, das neue Europa hat so
viele neue Mitglieder auf einmal aufgenommen wie nie
zuvor. Es ist verständlich, dass damit enorme Chancen,
aber auch Unsicherheiten und Ängste verbunden sind.
Die größten Ängste gegenüber der Erweiterung der
Union löst die Sorge der Menschen um ihre Arbeits-
plätze aus. Gerade bei diesem Thema wird von manchen
in unverantwortlicher und fast schon unanständiger
Weise Panik geschürt, und das gegen alle Fakten. Ich
habe insbesondere an die Verantwortlichen in den Wirt-
schaftsverbänden die Bitte, nicht den Eindruck entstehen
zu lassen, dass man aus politischen Gründen oder in der
Absicht, dass durch entsprechenden Druck bestimmte
Entscheidungen gefällt werden, mit diesen Ängsten un-
besonnen umgeht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Im Gegenteil: Wir müssen gemeinsam deutlich ma-
chen, dass auch und gerade die ökonomischen Chancen
gegenüber den Risiken weit überwiegen. Es gibt zwar
eine internationale Arbeitsteilung, die dazu führen kann,
dass deutsche Unternehmen Arbeitsplätze ins Ausland
verlagern. Das ist okay, wenn es darum geht, sich Märkte
zu sichern. Das Sichern von Märkten führt nämlich im-
mer auch zu positiven Rückwirkungen auf Arbeitsmög-
lichkeiten in Deutschland. Angesichts internationaler Ar-
beitsteilung ist dieser Prozess nicht zu kritisieren.
Tatsache ist aber auch: Die ökonomische Integration der
mittel- und osteuropäischen Staaten ist zu weiten Teilen
längst vollzogen. Dieser Prozess hatte seinen Höhepunkt
Mitte der 90er-Jahre und klingt langsam ab.

Es gibt also keine direkte Beziehung zwischen dem
aktuellen Erweiterungsprozess und den Verlagerungen,
die stattgefunden haben. 95 Prozent des Außenhandels
dieser Volkswirtschaften mit der Europäischen Union
unterliegen bereits heute keinerlei Beschränkungen.
Deswegen sage ich noch einmal: Das Herstellen einer di-
rekten Beziehung zwischen Verlagerungsentscheidungen

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(C (D inerseits und der jetzt erfolgten Neuaufnahme anderereits geht an der Wirklichkeit vorbei. Der Anteil der Euopäischen Union an diesem Außenhandel hat schon etzt einen Stand erreicht, den frühere Beitrittsländer erst ahre später, nachdem sie Mitglied geworden sind, ereicht haben. Noch eines gilt – das muss man insbesondere denen egenüber deutlich machen, deren Ängste wir ja versteen können, wenn Druck auf ihre Arbeitsplätze ausgeübt ird –: Deutschland steht bezüglich des Außenhandels ieser Mitgliedstaaten fast überall an erster Stelle. Daon profitieren wir; das sichert Arbeitsplätze nicht zuetzt bei uns. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb ist es richtig, wenn die Kommission und Ex-
erten darauf hinweisen – Herr Lamy hat das gerade
eute wieder getan –, dass Deutschland das Land ist, das
ahrscheinlich am meisten von der Erweiterung der
nion profitieren wird.
Um noch eine Zahl zu nennen, damit deutlich wird,
orum es geht: Der Export Deutschlands in die neuen
itgliedstaaten ist bereits heute größer als unser Export

n die Vereinigten Staaten von Amerika. Ich erwähne
as, damit auch nach außen klar wird, welche enormen
hancen – bei aller Berechtigung, Belastungen und Risi-
en zu diskutieren – wirtschaftlicher Art – von den poli-
ischen ganz zu schweigen – in diesem Prozess liegen.
Seit 1992 hat sich der Anteil der deutschen Exporte

n die Beitrittsländer beinahe vervierfacht und ich bin
icher, dass das Potenzial längst nicht ausgeschöpft ist.
er Handel mit den neuen Mitgliedstaaten wächst dyna-
ischer als der deutsche Außenhandel insgesamt. Das
eißt – mir ist wichtig, dass das in unserem Volk klar
ird –, die Erweiterung wird uns nicht ärmer, sondern in
er Perspektive reicher machen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Allerdings müssen wir natürlich darauf achten, dass
er Prozess vernünftig verläuft, dass es zum Beispiel
einen einseitigen Steuerwettbewerb zulasten der Netto-
ahler der Europäischen Union gibt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

ir brauchen – ich sage das sehr bewusst und ich freue
ich darüber, dass wir uns, Herr Stoiber, in dieser Frage
anz offenkundig einig sind – bei den direkten Steuern
as Gleiche, was wir bei den indirekten Steuern haben
urchsetzen können.


(Zuruf von der CDU/CSU: Unsinn!)

ie Gleichheit kann nicht umfassend sein. Aber wie
chon bei den indirekten Steuern brauchen wir einen
orridor, in dem sich Wettbewerb entfalten kann, ohne
ass es in dem Ausmaß, wie gelegentlich erfahrbar, zu
teuerdumping kommt. Ich glaube, dass das richtig ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Bundeskanzler Gerhard Schröder

Auch angesichts der Debatten in der Opposition will

ich einen Hinweis geben: 1998 hat der damalige Bundes-
finanzminister Waigel mit seinem französischen Kolle-
gen sehr dafür gefochten, dass nach der Harmonisierung
der indirekten Steuern auch die direkten Steuern in dem
skizzierten Maße harmonisiert werden. Die Unterlagen
darüber gibt es ja noch.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Die Unterlagen haben Sie nie gelesen! Sonst würden Sie nicht so reden!)


Was damals richtig war, ist heute nicht falsch. Deswe-
gen glaube ich, dass wir darum kämpfen müssen, dass
sich die Harmonisierung bei den direkten Steuern
vollziehen kann. Die Erfahrungen im Europäischen Rat
zeigen, dass die Harmonisierung bei den direkten Steu-
ern nicht in erster Linie an den neuen Mitgliedstaaten
scheitert. Wir haben seit Jahrzehnten ein Problem in die-
ser Frage mit Großbritannien. Jeder, der sich mit der Sa-
che beschäftigt, weiß das. Es ist also keineswegs so, dass
diese Harmonisierung erst durch die neu hinzukommen-
den Mitgliedstaaten verhindert würde; das Problem in
dieser Frage existiert aufgrund des Einstimmigkeitsprin-
zips seit langem.

Ich bin trotzdem der Auffassung, dass wir das, was
die EU-Kommission jetzt begonnen hat, nämlich zu-
nächst einmal gemeinsame Bemessungsgrundlagen zu
definieren, fortführen müssen, um zu einer solchen Har-
monisierung zu kommen,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


übrigens auch deshalb, weil es ein Wachstumshemmnis
bedeutet, wenn in einem gemeinsamen Markt 25 ver-
schiedene Steuersysteme existieren. Das beträfe beson-
ders kleine und mittlere Unternehmen, die vielfach gar
nicht die Ressourcen haben, um angemessen auf eine
solche Vielfalt reagieren zu können.

Angesichts des bestehenden Einstimmigkeitsprinzips
ist es gewiss schwierig, das durchzusetzen; aber das
heißt nicht, dass das Projekt unvernünftig wäre. Notfalls
muss in dieser Frage das Instrument der verstärkten Zu-
sammenarbeit genutzt werden, ein Instrument, das den
Mitgliedstaaten dann zur Verfügung steht, wenn Offen-
heit für die, die hinzukommen wollen, gewährleistet
wird.

Um allen Missverständnissen vorzubeugen, sage ich:
Dabei ist klar, dass niemand den neuen Mitgliedstaaten
ernsthaft das Recht absprechen wird, um Auslandsin-
vestitionen zu werben. Das tun auch wir. Aber es ist ge-
nauso vernünftig, zu beachten, dass man sich etwa bei
der Finanzierung von Infrastruktur nicht nur auf die Eu-
ropäische Union verlassen kann, sondern dass ein Eigen-
finanzierungsbeitrag erbracht werden muss und dass die
Erwartungen von Investoren an eine Infrastruktur größer
sind, als das gelegentlich erkennbar wird.

Klar ist auch: Deutschland wird umso mehr von der
Erweiterung profitieren können, je mehr wir uns in
Deutschland auf unsere Stärken besinnen und diese Stär-
ken nutzen. Das heißt: Gerade mit Blick auf das größere

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(C (D uropa müssen und werden wir an unserem Kurs der trukturreformen und der Stärkung von Innovation, Bilung und Forschung festhalten. Auch bezogen auf den rozess der Erweiterung gilt: Gerade jetzt und auch desegen muss der eingeschlagene Reformprozess fortgeetzt werden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die deutsche Wirtschaft – auch das muss man gerade
eute hier sagen – ist auf den internationalen Märkten
onkurrenzfähig wie nie zuvor. Um unsere Standortvor-
eile beneidet uns die ganze Welt: hervorragende Infra-
truktur, hochqualifizierte Arbeitnehmer, ausgezeichnete
ualität der Produkte, Rechtssicherheit und sozialer
rieden. Das sind Pluspunkte innerhalb der größer ge-
ordenen Europäischen Union und weit darüber hinaus.
nsere Wirtschaft – auch das gilt es gerade jetzt ange-
ichts der neu hinzukommenden Mitglieder deutlich zu
achen – gehört zu den produktivsten überhaupt. Diese
roduktivität ist auch die Grundlage für höhere Löhne.
Deshalb gilt: Die Zukunft unseres Landes kann nicht

arin liegen, in eine gnadenlose Konkurrenz um niedrige
öhne und niedrige Steuersätze einzutreten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


enn wir das täten und wenn wir nicht auf die Qualifi-
ierung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und
uf neue Produkte, also auf Investitionen in Forschung
nd Entwicklung, setzen würden, würden wir nicht nur
en Wettbewerb innerhalb Europas verlieren, sondern
uch die Qualitäten, die das europäische Modell des
irtschaftens und der Sozialstaatlichkeit ausmachen,

tark beschädigen. Damit würden wir eine Qualität in
anz Europa verlieren, die uns positiv vom Wirtschaften
nd vom Leben in anderen Regionen der Welt unter-
cheidet.
Wir müssen deswegen unsere Strukturen modernisie-

en. Genau dazu sind wir bereit. Wir haben das mit der
genda 2010 getan. Dass Europa nicht nur ein Ort wird
nd bleibt, von dem ständig Frieden ausgeht, sondern
uch ein Ort wird, an dem die Teilhabe möglichst aller
enschen sowohl an dem, was erwirtschaftet wird, als
uch an Entscheidungen auf diesem Kontinent selbstver-
tändlich ist, müssen wir auch in Zukunft als Richt-
chnur unseres politischen Handelns ansehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will noch einen Satz zu denen sagen, die sich an-
esichts der Arbeitnehmerfreizügigkeit Sorge machen.
ir haben – das war ein Vorschlag von Deutschland und
us Deutschland heraus – dafür gesorgt, dass es volle
reizügigkeit angesichts der Unterschiede bei den So-
ialleistungen, aber auch bei den Löhnen erst 2011 ge-
en wird. Bis dahin sind wir aufgrund der Vereinbarun-
en, die auf unseren Wunsch hin getroffen worden sind,
der Lage, steuernd in den Prozess auf dem Arbeits-
arkt einzugreifen. Wir werden das tun, so weit und so
nge dies notwendig ist.






(A) )



(B) )


Bundeskanzler Gerhard Schröder

Für verschiedene Berufsgruppen wie das Bauhand-

werk oder Speditionsunternehmen haben wir in den Ver-
handlungen besondere Schutzmaßnahmen durchgesetzt.
Wir werden die Entwicklung in dieser Zeit genau be-
obachten und von den Möglichkeiten, die wir erhalten
haben, sorgfältig Gebrauch machen.

Wir werden dabei auch die demographische Entwick-
lung berücksichtigen, die voraussichtlich dazu führt,
dass wir ab 2010 einen erhöhten Bedarf an qualifizierten
Fachkräften haben. Es kann schon in der zweiten Hälfte
dieses Jahrzehnts die Situation eintreten, dass wir Men-
schen, die uns bei der Bewahrung des Wohlstands hel-
fen, bitten müssen, zu uns zu kommen. Auch vor diesem
Hintergrund hoffe ich nun wirklich, dass sich am Wo-
chenende diejenigen einigen, die über ein Zuwande-
rungsrecht verhandeln, das modern ist und das vor allem
die Steuerung von Zuwanderung – wenn nötig auch die
Begrenzung – erlaubt, und nicht die Situation eintritt,
dass wir auf dieses wichtige Instrument verzichten müs-
sen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Eine weitere Sorge, die die Menschen haben, betrifft
die Entwicklung der Kriminalität. Natürlich ist es so,
dass offene Grenzen zu mehr Risiken führen; gar keine
Frage. Natürlich ist es so, dass es in freien Gesellschaf-
ten absolute Sicherheit nicht gibt, weil eine größere Be-
wegungsfreiheit auch von Kriminellen gelegentlich ge-
nutzt wird. Aber zum anderen ist es doch so, dass erst
durch den Beitritt der neuen Mitgliedstaaten die nötige
Kooperation in der Bekämpfung organisierter Kriminali-
tät, die von außerhalb kommt, möglich ist. Wir werden
diese Möglichkeiten nutzen, um zu mehr Sicherheit in
Europa, und zwar in ganz Europa, beizutragen.

Durch die Erweiterung wird der gemeinsame Raum
der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, den wir in
Helsinki vereinbart haben, auf die neuen Mitgliedstaaten
ausgedehnt. Sie haben enorme Verpflichtungen über-
nommen, auf deren Einhaltung die Kommission beste-
hen wird. Erst durch die Erweiterung können die
gemeinsamen Regeln und Institutionen gegen grenz-
überschreitendes Verbrechen, gegen Geldwäsche und
Bandenkriminalität wirklich greifen. Auch hier gilt also
bei allen Problemen, die hinzugekommen sein mögen:
Es liegen Chancen, auch was die Herstellung von Si-
cherheit angeht, in diesem Erweiterungsprozess.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, eine Europäische Union
der 25 Mitgliedstaaten wird die Arbeitsfähigkeit und das
Funktionieren der europäischen Institutionen auf
eine bisher nie da gewesene Belastungsprobe stellen; das
kann gar keine Frage sein. Das war einer der Gründe da-
für, warum wir zusammen mit unseren französischen
Freunden, aber auch mit anderen im Europäischen Rat
immer darauf hingewiesen haben, dass eine Kommission
von 25 Kommissaren nicht das Nonplusultra, was Effi-
zienz angeht, sein wird. Aber wir hatten zur Kenntnis zu
nehmen, dass jedes Land, das Mitglied der Europäischen

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(C (D nion werden wollte und werden wird, in einer etwas eienwilligen Interpretation der Verträge auf die Vertreung durch einen Kommissar in Brüssel bestanden hat. as ist so am Anfang eines Prozesses. Wir hoffen, dass ir mit der Verfassung auch insoweit zu mehr Effizienz ommen werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Aber eines ist auch klar: Wir brauchen die Verfas-
ung. Wir haben, nachdem sich die spanische Position
eändert hat,


(Beifall des Abg. Lothar Mark [SPD])

ie Hoffnung, dass wir es während der irischen Präsi-
entschaft schaffen, diese Verfassung unter Dach und
ach zu bringen. Dabei geht es nicht nur um die Gewich-
ung bei Entscheidungen; aber es geht auch darum. Wir
aben von Anfang an die Position vertreten, dass in Eu-
opa das alte, gute Prinzip gilt, dass jeder Staat, unab-
ängig von seiner Größe, eine Stimme hat, dass aber na-
ürlich genauso gelten muss – Gott sei Dank war das
ach dem Vertrag von Nizza durchsetzbar –, dass die
timmen der Bürgerinnen und Bürger gleiches Gewicht
aben. Das bedeutet natürlich, dass man das Prinzip der
oppelten Mehrheit, wie man es nennt, realisieren muss.
panien ist nach den Gesprächen, die wir hier geführt
aben, inzwischen bereit, sich auf dieses Prinzip einzu-
assen. Ich habe die Hoffnung, dass das auch für Polen
ilt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Aber das ist ja nicht alles, was in der Verfassung steht,
ie wir unbedingt erreichen müssen. Es gibt eine ver-
ünftigere Zuordnung der Entscheidungsinstitutionen in
uropa zueinander. Das Parlament wird also gestärkt.
ie Möglichkeit, den Präsidenten der Kommission
urch das Parlament zu wählen, ist ganz augenscheinlich
ine solche Stärkung. Der Rat wird seine Arbeitsweise
erändern, weil er kontinuierlicher arbeiten kann, wenn
er Ratspräsident für zweieinhalb Jahre gewählt wird.
as Gleiche wird sich – so hoffe ich – in der Kommis-
ion herausbilden. Wir brauchen die Verfassung – das ist
eine Frage –, um das größer gewordene Europa poli-
isch führbar zu halten.
Mindestens so wichtig wie diese eher technischen

inzelheiten ist für mich die Tatsache, dass es mit der
erfassung gelingen wird, Europa eine Grundrechts-
harta zu geben. Das scheint mir der entscheidende
unkt zu sein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


an muss sich einmal vorstellen, was das vor dem Hin-
ergrund der europäischen Geschichte bedeutet. Diese
rundrechtscharta ist – in diesem Zusammenhang muss
n erster Linie an Roman Herzog gedacht werden – gar
icht weit weg von den Prinzipien unserer Verfassung,
ie wir für selbstverständlich halten. Sie definiert für
anz Europa gemeinsame Wertvorstellungen, nach






(A) )



(B) )


Bundeskanzler Gerhard Schröder

denen wir politisch arbeiten. Vor 15 Jahren wäre das als
völlig unmöglich angesehen worden. Auch wenn es
schwierig ist, diesen Prozess erfolgreich zu Ende zu
bringen, lohnt es sich, ihn angefangen zu haben. Es lohnt
auch wegen der Grundrechtscharta, dafür zu kämpfen,
dass die Verfassung während der irischen Präsident-
schaft beschlossen wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Es gibt eine Auseinandersetzung über die Frage des
Verhältnisses zwischen Erweiterung einerseits und Ver-
tiefung andererseits. Gelegentlich wird darin ein Gegen-
satz gesehen. Das halte ich für falsch. Ich glaube, dass
durch die in der europäischen Verfassung vorgesehene
„strukturierte Zusammenarbeit“, also die Möglichkeit,
dass einige Staaten schneller vorangehen als andere, so-
wohl dem Gedanken der Erweiterung als auch dem Ge-
danken der Vertiefung Rechnung getragen worden ist.
Das sind keine Gegensätze. Es macht keinen Sinn, diese
Frage wie einen Gegensatz zu behandeln; es macht aber
genauso wenig Sinn, die strukturierte Zusammenarbeit
zum Programm zu erheben. Man soll das auf der Basis
der Verfassung dort tun, wo es nötig und möglich ist.
Man muss aber immer darauf achten, dass diese ver-
tiefte, strukturierte Zusammenarbeit für alle, die dazu-
stoßen wollen, offen bleibt. Das ist der entscheidende
Punkt, weil der Integrationsprozess sonst für alle nicht
funktionieren kann.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will auf eine weitere Frage eingehen: Ist der Er-
weiterungsprozess, den wir jetzt vollziehen, abgeschlos-
sen? Wie wir wissen, ist er das nicht. Ich will jetzt keine
Diskussion über die Frage eröffnen, ob Beitrittsverhand-
lungen mit der Türkei aufgenommen werden.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Warum nicht?)

– Das können wir bei Gelegenheit gerne machen. Hierzu
gibt es unterschiedliche Meinungen.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Aber die Wähler haben eindeutige Meinungen!)


– Herr Glos, gerade Ihnen möchte ich sagen: Man kann
der Türkei doch nicht 40 Jahre lang versprechen: Wenn
ihr die Kopenhagener Kriterien erfüllt, wenn ihr also
Minderheitenschutz und Religionsfreiheit gewährt,
Rechtsstaatlichkeit sichert und die Unabhängigkeit vom
Militär sicherstellt, dann werden wir Beitrittsverhand-
lungen mit euch aufnehmen. – Das haben wir in den ver-
gangenen 40 Jahren immer wieder gesagt. Nun hat sich
die Türkei auf den Weg begeben. Vielleicht haben einige
gehofft – das kann ja sein –, sie würde es nicht tun. Die
Türkei hat sich aber, auch in der Staatspraxis, auf einen
erfolgreich erscheinenden Weg begeben und nun sagen
Sie aus blankem Populismus: Das geht aber nicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos] – Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Das ist nichts anderes als Populismus. Ich habe Ihnen n der letzten Debatte doch Zitate von Helmut Kohl, der en Türken genau das versprochen hat, vorlesen müssen. (Michael Glos [CDU/CSU]: Dann muss das deutsche Volk darüber abstimmen!)


avon robben Sie nicht mehr nur langsam weg, sondern
ie rennen förmlich davon.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Sie werden bei den Wahlen sehen, wie das deutsche Volk das beurteilt!)


as ist doch nicht richtig.
Ein weiterer Punkt ist in diesem Zusammenhang von
edeutung. Sie können es drehen und wenden, wie Sie
ollen: Für unser Land, für ganz Europa brächte die
ufnahme der Türkei einen enormen Sicherheitszu-
achs, wenn es gelänge, dadurch sicherzustellen, dass es
inen Versöhnungsprozess zwischen einem nicht funda-
entalistischen Islam und den Werten der europäischen
ufklärung gibt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos] – Michael Glos [CDU/ CSU]: Wie denn?)


Wir reden über den Nahen Osten. Wir reden über den
rak. Wir machen uns Sorgen – und das zu Recht –, wie
ir Stabilität in diese Regionen bringen können. Der
rößte Stabilitätszuwachs wäre es, wenn dieser Prozess
n der Türkei gelänge. Er wird nur gelingen, wenn wir
en Mut haben, zu sagen: Jawohl, wir halten unser Wort,
as wir euch 40 Jahre lang gegeben haben. Ich habe
eine Angst vor dieser Auseinandersetzung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich rede jetzt über Erweiterung in Bezug auf andere
uropäische Länder: auf Bulgarien und auf Rumänien.
ies ist gewiss schwierig, aber ihnen ist gesagt worden:
is 2007 kann es klappen. Wir müssen auch insoweit
ort halten. Ich glaube, dass wir es nur dann schaffen,
ass auf dem Balkan Sicherheit von den Menschen dort
elbst gewährleistet wird, wenn wir eine Perspektive
gewiss, eine langfristige – zu Europa bieten. Das be-
eutet, dass die Entscheidung der Kommission, zum
eispiel Kroatien, das mit den Vorbereitungen am wei-
esten ist, Beitrittsverhandlungen in Aussicht zu stellen,
ine richtige Entscheidung war.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ir scheint, dass wir über die Frage der Erweiterung
och zu diskutieren haben werden. Diese Debatte kann
it dem 1. Mai nicht abgeschlossen sein.
Ich möchte eine letzte Bemerkung zu dem machen,
as jedenfalls ich für das größer gewordene Europa, für
ie größer gewordene Europäische Union für ganz und
ar unverzichtbar halte: die Beziehung dieser größer ge-
ordenen Union zu Russland. Nicht nur der Geschichte
egen, über die ich zu reden hatte – aber auch dieser






(A) )



(B) )


Bundeskanzler Gerhard Schröder

Geschichte wegen –, muss Deutschland ein fundamenta-
les Interesse daran haben, dass es zu einer strategischen
Partnerschaft zwischen Russland und der Europäischen
Union kommt. Denn das, was ich als Chance für dauer-
haften Frieden auf diesem Kontinent bezeichnet habe,
werden wir nur realisieren können, wenn wir es schaf-
fen, diese strategische Beziehung zwischen Europa bzw.
der Europäischen Union und Russland hinzubekommen.
Das ist eine der wichtigsten Aufgaben, mit der wir uns in
der nächsten Zeit beschäftigen müssen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das bedeutet natürlich, dass wir insbesondere auf
ökonomischem Gebiet viel, viel enger zusammenarbei-
ten müssen, als wir es in der Vergangenheit getan haben.
Das bedeutet natürlich ebenfalls, dass wir Russlands
Wunsch, WTO-Mitglied zu werden, unterstützen müs-
sen, ohne Russland, das sich immer noch in einem
schwierigen Prozess befindet, zu überfordern. Das be-
deutet natürlich, dass es richtig war – es war nicht zuletzt
eine deutsche Initiative –, dafür zu sorgen, dass Russland
Mitglied der G 8 werden konnte.

Ich glaube, die Dimension, die sich mit der Bezie-
hung zwischen der Europäischen Union und Russland
verbindet, ist weder in der politischen noch in der öko-
nomischen Perspektive hinreichend diskutiert. Wir soll-
ten dies in Zukunft tun und es als einen ganz spezifisch
historischen, aber auch gegenwärtigen Auftrag Deutsch-
lands ansehen, dafür zu sorgen, dass es diese strategische
Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und
Russland auf jeden Fall geben wird. Ich empfinde das als
einen Auftrag, den ich für enorm wichtig halte.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich hoffe, dass deutlich geworden ist, dass sich mit
dem Termin morgen sehr viel mehr politische, ökonomi-
sche, ja auch kulturelle Möglichkeiten als Belastungen
und Schwierigkeiten verbinden. Deswegen habe ich die
Hoffnung – das deutet sich auch in der heutigen Presse-
landschaft an –, dass der Tag morgen wirklich als ein
Tag der Freude begriffen werden kann, auch wenn ich
leider nicht die Freude haben werde, an den üblichen
1.-Mai-Veranstaltungen teilnehmen zu können.


(Heiterkeit)

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1510600200

Ich erteile der Vorsitzenden der Fraktion der CDU/

CSU, Kollegin Angela Merkel, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Angela Merkel (CDU):
Rede ID: ID1510600300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Drei Tage

nach dem Mauerfall am 12. November 1989 fuhr ich als
Physikerin, damals beschäftigt bei der Akademie der

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(C (D issenschaften der DDR, zu einer lange geplanten ienstreise nach Torun in Polen. Meine polnischen Kolegen freuten sich, dass ich kam, waren aber etwas ertaunt, dass ich mich überhaupt von Berlin wegbewegt zw. weggewagt hatte; denn sie sahen Tag und Nacht ern und waren voller Freude über das, was sich in eutschland abgespielt hatte. Dann sagten sie zu mir: un dauert es nicht mehr lange, bis Deutschland wiederereint ist. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich habe sie daals ungläubig angeguckt; denn geistig eingestellt war ch auf diesen Schritt nur drei Tage nach dem Mauerfall och nicht. Warum erzähle ich diese Geschichte? Ich erzähle sie eshalb, weil sie zeigt – es war ja schon nach wenigen onaten Realität, dass Deutschland wiedervereinigt ar –, dass es sich lohnt, an Visionen zu glauben und für isionen zu kämpfen. Denn nur so werden Visionen uch Wirklichkeit, sowohl was die deutsche Einigung als uch was die europäische Einigung betrifft. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Silke Stokar von Neuforn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Morgen, am 1. Mai 2004, wächst die Europäische
nion um zehn neue Mitgliedstaaten. Damit wird eine
eue Seite unseres europäischen Geschichtsbuchs aufge-
lättert. Ich sage Ihnen: Das, was wir morgen erleben
erden, ist nichts anderes als ein zweiter großer Schritt
ur Wiedervereinigung Europas. Das ist keine Erwei-
erung, sondern eine Wiedervereinigung. Deshalb ist der
orgige Tag für mich vor allen Dingen ein Tag der
reude. Diese Wiedervereinigung bedeutet für uns alle
uvörderst eine Bereicherung der Europäischen Union,
ulturell, politisch und ökonomisch.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Dimensionen der Europäischen Union sind atem-
eraubend und faszinierend: 25 Länder, 450 Millionen
enschen, ein Kontinent der Vielfalt, Mobilität in allen
ereichen. Junge Deutsche können in Litauen studieren,
n Frankreich Berufserfahrung sammeln und in Skandi-
avien oder Polen Unternehmen gründen.
Meine Damen und Herren, das ist vor allen Dingen

ine Perspektive für die jungen Menschen, die diese Be-
eicherung der Europäischen Union in ihrem Leben in
ollem Maße werden erleben können. Damit ist dann
uch ein historischer Auftrag erfüllt bzw. fast vollendet:
ass es – wenn man sich die Geschichte anschaut, stellt
an fest, dass das alles andere als selbstverständlich
st – keinen Krieg mehr zwischen den Völkern Europas
eben kann. Wir leben in einer Zone der Gemeinsamkeit
nd der Freiheit, Sicherheit und Stabilität.
Das ist – das dürfen wir niemals vergessen – auch das
ernvermächtnis der Gründungsväter dieser unserer
undesrepublik Deutschland, die damals trotz der Trüm-
er des Krieges in ihrem Rücken die Kraft hatten, sol-
he Visionen zu entwickeln. Das war ja nicht nur die Vi-
ion des Westens, sondern immer auch die Vision derer,
ie in der früheren DDR bzw. im früheren Ostblock ge-
ebt haben. Denken wir an die Ereignisse 1953 in der






(A) )



(B) )


Dr. Angela Merkel

DDR, an den Aufstand in Ungarn 1956, an die Bewe-
gung in der ehemaligen Tschechoslowakischen Republik
1968 und dann an Solidarnosc in Polen 1981.

Meine Damen und Herren, es war immer das Credo,
die Leitlinie von CDU und CSU und der von Konrad
Adenauer bis Helmut Kohl geführten Bundesregierun-
gen, die europäische Einigung als die andere Seite der
deutschen Einigung zu begreifen und die geschichtliche
Vision Realität werden zu lassen. Mit der Einführung
des Euro ist diese Entwicklung aus meiner Sicht unum-
kehrbar geworden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Erweiterung der Europäischen Union ist also für uns
eine Bereicherung und sie bietet Chancen – nicht nur für
die neuen Mitglieder. Wir neigen dazu, zuerst zu beto-
nen, was die neuen Mitglieder gewonnen haben. Wenn
wir aber schon über die Lissabon-Strategie sprechen,
darüber, dass Europa bis 2010 der Kontinent mit dem
größten Wirtschaftswachstum, mit der größten Dynamik
werden soll, dann sollten wir alle begreifen, dass der
Beitritt der neuen Länder ein Schritt dazu ist, das zu er-
reichen, ein Schritt nach vorne. Entsprechend sollten wir
leben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die europäische Wirtschaft hat den Beitritt der zehn
neuen Mitgliedstaaten lange vor dem morgigen Tag als
Chance begriffen. So paradox es vielleicht klingen mag:
Ohne die Investitionen in den neuen Mitgliedstaaten, in
den neuen Märkten wären auch viele Arbeitsplätze bei
uns nicht sicher. Noch mehr Arbeitsplätze wären in ganz
andere Regionen der Welt verlagert worden, ohne dass
es uns möglich gewesen wäre, an bestimmten Produk-
tionsprozessen teilzuhaben. Dafür gibt es viele Bei-
spiele; wir müssen klar machen, dass es diesen Zusam-
menhang gibt.

Aber, meine Damen und Herren, wo Chancen sind,
sind auch Risiken. Es wäre über die Köpfe der Men-
schen in Europa und gerade auch in Deutschland hin-
weggeredet, wenn wir nicht auch über diese Risiken
sprechen würden. Mit der Erweiterung bekommt Europa
23 Prozent mehr Fläche, 20 Prozent mehr Einwohner,
aber nur 5 Prozent mehr Wirtschaftskraft. Mit dieser
Frage müssen wir uns auseinander setzen. Es ist ganz
selbstverständlich und natürlich, dass hiervon in beson-
derer Weise die Grenzregionen betroffen sind, wo die
unterschiedlichen Lebensumstände aufeinander treffen.
Dort müssen Lösungen gefunden werden.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, haben immer
wieder auf diese besonderen Probleme hingewiesen. Wir
haben gesagt: Wir brauchen hier besondere Strukturför-
derung, wir brauchen eine besondere Ausgestaltung des
Beihilferechts und besondere Verkehrsprojekte. Die
Bundesregierung hat an dieser Stelle immer und immer
wieder versagt, weil sie alles ignoriert hat. Das wird bei

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(C (D er Gestaltung der europäischen Einigung ein schwerer allast sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


ie Risiken betreffen nicht nur die Grenzregionen, sie
etreffen natürlich auch Deutschland als Ganzes. Wenn
ir zu Gewinnern und nicht in hohem Maße zu Verlie-
ern der EU-Erweiterung werden wollen, müssen wir
ns den Gesetzmäßigkeiten stellen und müssen uns auf
en neuen Wettbewerb einlassen; wir dürfen das nicht
gnorieren. Herr Bundeskanzler, Sie haben darauf hinge-
iesen, dass dazu erste Schritte getan wurden. Das mag
ein, aber ich sage ganz eindeutig: Diese Schritte werden
icht reichen, damit Deutschland wirklich Gewinner die-
es Prozesses wird. Natürlich brauchen wir weitere An-
trengungen, insbesondere in den Innovationsbereichen.
n den nächsten Wochen werden wir viele Debatten da-
über führen. Ich kann nur sagen: Was Deutschland bis-
er getan hat, um wirklich wieder zum Motor der Inno-
ation, zum Motor der Hochtechnologie zu werden,
eicht bei weitem nicht aus, da müssen wir uns mehr an-
trengen und viele Rahmenbedingungen sehr viel wett-
ewerbsfreundlicher gestalten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich stimme Ihnen vollkommen zu: Ein Wettbewerb
m die billigsten Löhne kann nicht Deutschlands Ziel
ein. Aber einfach zu glauben, es wäre im 21. Jahrhun-
ert – unter den veränderten Bedingungen – noch mög-
ich, die Lohnstruktur und das Tarifrecht in Deutschland
o zu lassen, wie es schon seit 50 Jahren ist, wird uns
iele Arbeitsplätze kosten. Deshalb werden wir immer
nd immer wieder darauf hinwirken, dass Möglichkeiten
eschaffen werden, zu mehr Flexibilität bei den Löhnen
u kommen, um den Menschen in Deutschland Arbeit
nd damit Lohn und Brot zu geben. Das ist unsere Auf-
abe in diesem Parlament.


(Beifall bei der CDU/CSU)

In diesem Zusammenhang ist für uns auch die Frage

ach der Ausgestaltung des Niedriglohnsektors entschei-
end, und zwar nicht, damit den Menschen wenig be-
ahlt werden muss, sondern damit Lohnzuschüsse mög-
ich werden. Es ist deshalb dramatisch, dass wir mit
hnen in dieser Frage zu keiner Einigung kommen.
Wir müssen natürlich nicht nur unser Arbeitsrecht

erändern, sondern müssen auch viele unserer lieb ge-
onnenen bürokratischen Strukturen aufgeben. Zurzeit
ühren wir eine Debatte über den Aufbau Ost. Im Rah-
en dieser Debatte äußern die neuen Länder: Gebt uns
och Freiheiten; gebt uns die Freiheit, Anforderungen
ur nach EU-Standard und nicht nach höheren Standards
mzusetzen. – Wir müssen den neuen Ländern diese
reiheiten geben, wenn der Aufbau Ost nicht so enden
oll, wie von Pessimisten in dieser Diskussion beschrie-
en wird, sondern wenn er den neuen Bundesländern ei-
en wirklichen Fortschritt bringen soll.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)







(A) )



(B) )


Dr. Angela Merkel

Wir wissen, dass wir eine ähnliche Debatte, wie wir

sie heute, 15 Jahre nach der deutschen Einheit, in
Deutschland führen, auch im erweiterten Europa führen
werden. Wir werden uns in zehn Jahren fragen – das pro-
gnostiziere ich –: War es richtig, den neuen Ländern alle
Regelungen der bisherigen Europäischen Union aufzuer-
legen? Mussten sie das alles wirklich schaffen? Wäre es
für uns alle nicht billiger gewesen, wenn wir ihnen etwas
mehr Spielraum zugestanden hätten? Ich sage es Ihnen
schon jetzt: Diesen Schuh werden wir uns anziehen müs-
sen und nicht die neuen Beitrittsländer. Das wird uns al-
les nichts helfen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich sage Ihnen aber auch: Wenn Brüssel nicht zu einer

zentralen Bürokratie werden soll, müssen in dieser Euro-
päischen Union Kompetenzen zum Beispiel in der
Agrarpolitik oder in der regionalen Wirtschaftspolitik
auch wieder nach unten verlagert werden können. Hier
müssen wir offen sein. Es hat überhaupt keinen Zweck,
das zu verkennen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Herr Bundeskanzler, wir können natürlich viel über
die Frage sprechen, was mit dem Steuerrecht in Europa
passieren soll. Zuvor müssen wir aber darüber nachden-
ken – das ist für mich die Lehre aus den Beispielen Est-
land und Slowakei –, was aus dem Steuerrecht in
Deutschland werden soll.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir brauchen in Deutschland ein einfaches Steuerrecht.
Der neue estnische Kommissar hat Recht, wenn er sagt:
In euren Steuersystemen schaffen es die Kreativsten,
dass sie keine Steuern zahlen, weil sie Möglichkeiten ge-
funden haben, das zu umgehen. Wir dagegen versuchen,
mit unserem einfachen Steuerrecht jedes Unternehmen
dazu zu zwingen, Steuern zu zahlen. Und jetzt fangt ihr
an, uns darüber Vorwürfe zu machen. – Ich finde, das ist
nicht redlich.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir müssen uns mit unseren eigenen Schwächen befas-
sen. Diese sind offensichtlich und sind von uns schon oft
angesprochen worden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Niemand will, dass aufgrund von Dumping Arbeits-
plätze in Deutschland verloren gehen, die dann mit einer
Förderung von 40 Prozent in den Beitrittsländern wie-
der aufgebaut werden. Dieses Problem haben wir schon
im Rahmen der deutschen Einheit gemeistert. Entspre-
chende Absprachen muss es deswegen auch jetzt in
Europa geben. Die Bundesregierung wird dafür verant-
wortlich sein, dass so etwas nicht passiert. Ich halte es
aber mit für das Gefährlichste, was wir tun können, den
neuen Ländern jetzt vorzuwerfen, schnell auf die Beine
kommen zu wollen, weil wir sie ansonsten dauerhaft
werden subventionieren müssen. Das wollen wir doch
nicht. Deshalb müssen wir jeden Impuls in den neuen

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(C (D ändern unterstützen, damit sie schnell auf die eigenen eine kommen, und dürfen ihnen keine Knüppel zwichen die Beine werfen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Machen Sie jetzt ein Selbstgespräch oder was machen Sie?)


Es ist richtig: Durch den Beitritt wird in den neuen
ändern zum ersten Mal eine Situation herbeigeführt,
ass die Unternehmen Steuern zahlen müssen. In der
eit, in der sie noch nicht in der Europäischen Union
aren, gab es auch keine entsprechenden Regelungen.
nsofern war der Wettbewerb in dieser Zeit viel schärfer.
s ist richtig, dass Günter Verheugen darauf immer wie-
er hingewiesen hat.
Meine Damen und Herren, es ist gut und richtig, dass

um jetzigen Zeitpunkt auch um einen Verfassungsver-
rag – um eine Form für Europa, die besagt, was dieses
uropa sein möchte – gerungen und gestritten wird. Ich
ordere die Bundesregierung ganz entschieden auf, da-
auf zu achten, dass neben dem noch zu lösenden Pro-
lem der Abstimmungen am Ende der Regierungskonfe-
enz auch noch andere wichtige Dinge besprochen
erden. Herr Bundeskanzler, nehmen Sie das, was der
räsident der Europäischen Zentralbank fordert, ernst:
ie Stabilitätskriterien gehören zur konstitutiven Reali-
ät dieser Europäischen Union und müssen deshalb Ver-
assungsrang bekommen. Wir werden mit all unseren
öglichkeiten darauf drängen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich sage das ganz ausdrücklich: Ich sehe die riesige
hance, dass durch diesen Verfassungsvertrag über den
innenmarkt hinaus deutlich gemacht wird, dass eine
emeinsame Außen- und Sicherheitspolitik für Europa
otwendig und richtig ist. Damit das gelingen kann,
uss Europa in der Lage sein, einen gemeinsamen euro-
äischen Willen zu bilden.


(Zuruf von der SPD: Das ist ja eine Erkenntnis!)


err Bundeskanzler, Sie haben es vorhin so genannt:
uropa soll mit einer Stimme sprechen. – Jawohl, Herr
undeskanzler: Wenn Europa Einfluss ausüben will,
ann führt an einer einheitlichen Stimme kein Weg vor-
ei.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Gernot Erler [SPD]: Es muss auch die richtige Stimme sein!)


Es ist natürlich klar, dass sich jeder wünscht, dass es
ie richtige Stimme ist. Ob wir Einfluss haben werden,
ird sich an der Antwort auf die Frage festmachen las-
en, ob das gelungen ist.
Gehen wir einmal in die Anfänge der Europäischen
nion zurück: Was ist denn die Lehre der 100-jährigen
uropäischen Geschichte? Wann immer die Völker Eu-
opas nicht zusammengefunden haben, waren Kriege
öglich und gab es keinen Frieden. Deshalb ist die
inige europäische Stimme für uns so etwas wie eine






(A) )



(B) )


Dr. Angela Merkel

Lebensversicherung, und zwar nicht nur in Europa, son-
dern auch woanders auf der Welt.


(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Na!)

Herr Bundeskanzler, ich sage es ganz ruhig – heute ist

nämlich wirklich nicht der Tag für laute Töne –: Nach
meiner festen Auffassung ist von deutscher Seite nicht
alles Menschenmögliche versucht worden,


(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Vorsicht: Glatteis!)


um Europa zu einen und damit diesem Kontinent in den
anstehenden Auseinandersetzungen in der Welt Gewicht
zu geben. Um diesen Punkt geht es.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: So kann man nicht zurückrudern!)


Jeder in Brüssel und jeder, der durch Europa fährt, spürt
auch heute noch, welche Risse diese Uneinigkeit hinter-
lassen hat.


(Ute Kumpf ren! – Gert Weisskirchen Herr Köhler?)


Deshalb ist es unsere gemeinsame Aufgabe – wir werden
Sie dabei immer unterstützen –, zu versuchen, die euro-
päischen Kräfte zu einen und diesem Kontinent Gewicht
zu geben.

Die Anforderungen und Notwendigkeiten sind doch
mit Händen zu greifen. Der internationale Terrorismus
ist eine Herausforderung für die westlichen Demokratien
und damit ganz besonders auch für Europa. Diese Kräfte
werden – jedenfalls nach meiner Einschätzung – schwie-
riger zu bekämpfen sein als vieles, womit wir uns im
Kalten Krieg herumschlagen mussten. Warum? Im Kal-
ten Krieg lag ein Stück Berechenbarkeit darin, dass
beide Kontrahenten nicht die Absicht hatten, sich selbst
umzubringen. Jetzt haben wir es mit Gegnern zu tun, die
bereit sind, ihr eigenes Leben zu opfern, um unsere Art
zu leben zu zerstören. Darüber müssen wir uns Gedan-
ken machen und in Europa zu einer einheitlichen Ein-
schätzung kommen. Die Institutionen Europas müssen
eine Antwort darauf finden. Es gibt bereits erste Schritte,
aber längst noch nicht genug Bewegung.

Nur aus diesem Grund führen wir in Deutschland eine
Debatte darüber, was in bestimmten Situationen gesche-
hen soll und warum die innere und die äußere Sicherheit
– Polizei und Bundeswehr – enger zusammenwachsen
müssen. Diese Diskussion muss ohne Scheuklappen und
mit stetigem Blick auf die Bedrohung geführt werden.
Herr Bundeskanzler, wir sind dazu bereit, denn wir müs-
sen den Terroristen dieser Welt zeigen, dass wir willens
sind, unsere Werte zu verteidigen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Natürlich geht es um die Frage: Wie geht es mit Eu-

ropa weiter? Rumänien und Bulgarien werden 2007 zur
Union dazukommen, Kroatien hat einen Antrag gestellt
– ich unterstütze das – und dann müssen wir die Frage
diskutieren: Wie halten wir es mit der Türkei? Es ist

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(C (D ollkommen richtig, dass die Europäische Union 1963 damals war es noch die EWG – der Türkei die Beitrittserspektive eröffnet hat. Wir kennen diese Geschichte, ie hängt auch mit der Christlich Demokratischen Union usammen. Es ist ebenso richtig – ich habe das gegenüber dem ürkischen Ministerpräsidenten gesagt, so wie es jeder ndere tun sollte, der die Türkei besucht –, dass sich die ürkei auf einen spannenden, interessanten und richtien Weg begeben hat, mehr Demokratie im Land einzuühren. (Michael Glos [CDU/CSU]: Im eigenen Interesse!)


s wäre hanebüchen, wenn wir einen Beitrag dazu leis-
en würden, dass dieses Land zurückfällt und nicht wei-
er vorankommt. Das will niemand in diesem Haus.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der SPD: Dann lassen Sie es doch einfach! – Weitere Zurufe von der SPD)


Die Kopenhagener Kriterien – das wissen Sie so gut
ie wir – haben zwei Seiten. Zum einen betreffen sie das
and, das beitreten möchte, soll und will, und zum ande-
en den Zustand der bestehenden Europäischen Union.
s geht um die Integrationsfähigkeit.


(Rainder Steenblock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)


err Bundeskanzler, ich glaube, wer Europa fördern
ill, der darf die Menschen in Europa nicht überfordern.
arüber diskutieren wir.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Diese Debatte geht ohne Schaum vor dem Mund und
ie hat mit blankem Populismus wirklich gar nichts zu
un.


(Lachen bei der SPD)

ürden Sie dem Präsidenten des europäischen Verfas-

ungskonvents, dem ehemaligen französischen Präsiden-
en Giscard d’Estaing, diesen Vorwurf machen? Ich rate
hnen davon dringend ab. Es geht um das Mögliche. Nie-
and wusste 1963, dass der Europäischen Union nun
ehn neue Mitgliedstaaten beitreten werden. Damals war
uropa eine Freihandelszone und kein Binnenmarkt mit
iner Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Die
ntegrationstiefe, die es heute gibt, konnte damals nie-
and voraussehen.


(Günter Gloser [SPD]: 1997, Luxemburg! – Ute Kumpf [SPD]: Sie verrennen sich!)


Die Frage zu stellen, in welcher Art und Weise wir die
esonderen Beziehungen zu unserem Partner Türkei für
ine absehbare Zeit definieren wollen, ist überaus ver-
ntwortbar. Ich habe es satt, der Türkei falsche Verspre-
hungen zu machen, die zum Schluss nicht zu halten
ind. Genau aus diesem Grund bleiben wir bei unserer
osition.






(A) )



(B) )


Dr. Angela Merkel


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Kohl anrufen!)


Wir werden auch in den nächsten Jahren darüber spre-
chen müssen, wie unser Europa aussehen soll. Ich denke
an ein Europa, in dem die soziale Marktwirtschaft, wie
wir sie in Deutschland durch Ludwig Erhard in die Pra-
xis umgesetzt haben und die wir unter den Bedingungen
der Globalisierung weiterentwickeln müssen, ein Modell
für unseren ganzen Kontinent werden kann und – das
sage ich ganz klar – werden muss.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Europa bedeutet auch, dass wir Deutschen bereit sein

müssen, von anderen zu lernen. Schauen wir uns doch
einmal die Arbeitsmarktpolitik der Niederlande an!
Dann könnten wir uns so manche Debatte hier in
Deutschland sparen. Nehmen wir doch einmal zur
Kenntnis, dass in Griechenland und anderen Ländern
länger gearbeitet wird als in Deutschland! Untersuchen
wir doch einmal, warum andere Länder ein stärkeres
Wachstum haben als wir und warum unser Bruttosozial-
produkt im vergangenen Jahr unter dem EU-Durch-
schnitt lag! Wir müssen bereit sein, von finnischer Bil-
dungspolitik, von holländischer Arbeitsmarktpolitik, von
slowakischer Steuerpolitik und anderen Modellen zu ler-
nen. Wenn wir das nicht sind, werden wir in Europa
nicht erfolgreich sein.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich füge hinzu: Wenn wir im Zusammenhang mit dem
Verfassungsvertrag nicht bereit sind, über die Werte-
grundlage unseres Europas ausreichend und umfassend
zu sprechen,


(Anna Lührmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen wir doch!)


dann wird es sehr schwierig werden, klar zu machen,
wovon unsere Werte und unser Handeln auf der Welt ge-
leitet sind.
Deshalb sage ich: Wir werden auch dafür eintreten
– auch wenn ich weiß, dass es schwierig ist –, dass es ei-
nen klaren Gottesbezug, einen Bezug zum christlich-jü-
dischen, aufklärerischen Erbe unseres europäischen
Kontinents gibt.


(Anna Lührmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht drin!)


Denn das ist das, was uns erfolgreich gemacht hat und
was wir auch in die Zukunft überführen müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn wir Europa so sehen – dessen bin ich mir sicher –,


(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Das Abendland!)


dann kommen wir auch über die Alltagsschwierigkeiten
hinweg. Dann kommen wir darüber hinweg, dass sich
Probleme zeigen werden, weil wir Europa als politische
Union begreifen. Wir müssen jeden Tag und gerade im

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(C (D espräch mit dem Bürger deutlich machen, dass sich unere Europäische Union nicht auf Milchkühe und Cheikalienrichtlinie reduziert, sondern eine Union der reiheit und des Wohlstands sein soll. m das zu erhalten, brauchen wir ein Europa, das sich rweitert und dadurch erneuert. Wir brauchen europäiche Gremien, die die Weltlage nicht nur kommentieren, ondern in sie eingreifen und sie gestalten. Wir brauchen ine Europäische Union, die willens ist, der Globalisieung ein menschliches Gesicht zu geben. Wir sollten das ist ganz wichtig für uns Deutsche und für Europa – ntschlossen zu den Gewinnern gehören wollen. Dann aben wir alle Chancen, es zu schaffen. ch bin sicher, gerade das – zu den Gewinnern gehören ollen – können wir von den neuen Ländern in ganz beonderer Weise lernen. In diesem Sinne freue ich mich uf den morgigen Tag. Ich beglückwünsche sie, dass sie ei uns sind, und hoffe auf allerbeste freundschaftliche usammenarbeit. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der FDP)


(Gernot Erler [SPD]: Machen wir!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1510600400

Ich erteile das Wort dem Bundesaußenminister Joseph

ischer.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)



Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1510600500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem
orgigen Tag wird die Teilung Europas endgültig über-
unden. Mit dem morgigen Tag wird sich auch die Lage
eutschlands grundsätzlich verändern. Die Mittellage
nseres Landes wurde allzu oft in der Geschichte als
ürde und Ballast gesehen – und dies mit gutem Grund.
it dem morgigen Tag werden wir in der Mitte einer
rößeren Europäischen Union liegen, werden wir umge-
en sein von Nachbarn, werden wir umgeben sein von
reunden. Das ist eine einmalige Situation, in der sich
nser Land noch nie befunden hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Es war der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl, der
u Recht immer darauf hingewiesen hat, dass die Euro-
äische Union das größte Friedensprojekt in der euro-
äischen Geschichte, ja sogar in der Menschheitsge-
chichte ist. Deswegen hat der Bundeskanzler völlig zu
echt unterstrichen, dass die eigentliche Bedeutung des
orgigen Tages vor allen Dingen in dieser historischen
äsur für unseren Kontinent liegt. Was das heißt, konn-
en wir und müssen wir heute immer noch auf dem Bal-
an realisieren. Die Gefahr des Nationalismus, die Ge-
ahr von Kriegen und ethnischen Säuberungen liegt nicht
inter uns. Nur mit der europäischen Perspektive war es
öglich, sie in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhun-
erts tatsächlich zu überwinden. Mit der Erweiterung der
uropäischen Union ist jetzt ein ganz entscheidender






(A) )



(B) )


Bundesminister Joseph Fischer

Schritt getan. Ein Kapitel wurde abgeschlossen, ein bit-
teres und furchtbares Kapitel in der Geschichte Europas,
und ein neues, ein wesentlich besseres Kapitel wurde er-
öffnet. Deswegen möchte ich mich heute bedanken. An
erster Stelle spreche ich dem Erweiterungskommissar
der Europäischen Union, Günter Verheugen, meinen
Dank aus, der gemeinsam mit allen, die ihm zugearbeitet
haben, großartige Arbeit geleistet hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich möchte aber auch daran erinnern, dass der Prozess
aus Etappen bestanden hat, über die wir uns gestritten
haben. Der Prozess begann 1999 mit der Agenda 2000
in Berlin, mit der die Voraussetzungen geschaffen wur-
den. Das ist uns nicht leicht gefallen und war auch in
diesem Haus heftig umstritten. Aber ohne die damals ge-
fundene Lösung wäre der Beginn der Erweiterungsver-
handlungen so nicht möglich gewesen.

Die nächste Stufe war der Vertrag von Nizza. Wir
wissen noch, wie schwer uns die Unterschrift unter den
Vertrag gefallen ist, weil wir ihn für nicht zureichend ge-
halten haben. Die Alternative wäre aber eine völlige
Blockade der Erweiterungsverhandlungen gewesen.
Deswegen war es notwendig, den Vertrag von Nizza zu
unterschreiben und zu ratifizieren, wie es dieses Haus
getan hat. Er markiert nämlich den Beginn des Verfas-
sungsprozesses. Denn es war seinerzeit klar: Mit Nizza
ist die Erweiterung möglich, aber allein mit diesem Ver-
trag werden wir die erweiterte Union nicht handlungsfä-
hig ausgestalten können.

Die dritte Stufe war der Agrarkompromiss von
Brüssel. Auch dieses Übereinkommen wurde heftig kri-
tisiert, aber ohne diesen Agrarkompromiss hätten wir die
Hürde im Erweiterungsprozess nicht überwunden.

Schließlich die Abschlussverhandlungen in Kopen-
hagen: Auch hierbei waren die Haltung der Bundesre-
gierung und vor allem Ihr Beitrag, Herr Bundeskanzler,
wie auch der finanzielle Beitrag unseres Landes ent-
scheidend, um die Verhandlungen erfolgreich abschlie-
ßen zu können. Deswegen möchte ich in diesem Zusam-
menhang auch ganz besonders Bundeskanzler Schröder
für die Politik danken, die er zu verantworten hat und die
zu dem Beitritt der neuen EU-Mitgliedstaaten am morgi-
gen Tag geführt hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Frau Merkel, Sie haben versucht, in erster Linie eine
innenpolitische Debatte zu führen


(Widerspruch der Abg. Dr. Angela Merkel [CDU/CSU])


– ich will das gerne aufgreifen, aber keine Sorge! –, in
der es im Wesentlichen um die Frage der inneren Erneue-
rung unseres Landes geht. Sie haben über das Steuer-
recht, Verkehrsprojekte und Ähnliches gesprochen. Ich
halte es für einen großen Irrtum, zu glauben, dass wir
uns in der erweiterten Union einen Abwertungswettlauf
im Steuerrecht werden erlauben können, ohne dass da-

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(C (D urch alle verlieren, und zwar an erster Stelle die erweierte Union. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


So richtig es ist, immer wieder über die Modernisie-
ung unseres Steuerrechts zu diskutieren, hätte es die
hrlichkeit doch geboten, Frau Merkel, dass Sie hin-
ichtlich der Position Ihrer eigenen Partei Klarheit schaf-
en. Wir wollten heute keine innenpolitische Debatte
ühren. Ich erinnere daran, dass von Ihrer Seite ein Kon-
ept vorgelegt wurde, das auf einen Bierdeckel passen
ollte. Dieses Konzept wurde aber gleich wieder einkas-
iert. Jetzt verkünden Sie, dass wir uns am slowakischen
teuerrecht orientieren sollten, ohne dabei die Konse-
uenzen zu bedenken.
Nein, Frau Merkel, wenn das die Perspektive ist, die

ie, die Vorsitzende der CDU, von einer erweiterten Eu-
opäischen Union haben, dann wird eine solche Politik
das kann ich Ihnen voraussagen – sehr schnell gegen
ie Wand fahren. Das aber wollen wir nicht. Wir wollen
ine erfolgreiche Erweiterungspolitik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sie haben dann die Verkehrsprojekte „Deutsche Ein-
eit“ angesprochen. Entschuldigung, ich werde nur noch
iesen einen Ausflug in die Innenpolitik machen, aber
as kann ich so nicht stehen lassen.


(Zuruf des Abg. Hartmut Schauerte [CDU/ CSU])


Nicht ich, sondern Ihre Vorsitzende hat die Verkehrs-
rojekte „Deutsche Einheit“ angesprochen. – Wir haben
inen Bundesverkehrswegeplan übernommen, der zu
0 Prozent nicht gegenfinanziert war. Das war die Reali-
ät. Heute ist die Finanzierung der Verkehrsprojekte zu
eiten Teilen gesichert. Daran werden wir auch festhal-
en.
Entscheidend sind aber die gesamteuropäischen
erkehrsprojekte. Hierin liegt die investive Zukunft für
ns alle.


(Laurenz Meyer [Hamm] [CDU/CSU]: Nach Ihrer Rede zu urteilen wird es auf den Straßen zwar lauter, aber nicht besser!)


en ständigen Hinweisen auf bestehende Ängste halte
ch entgegen, dass wir im Zusammenhang mit den ge-
amteuropäischen Verkehrsprojekten die auf dem Euro-
äischen Rat in Lissabon vereinbarten Ziele erreichen,
ie Investitionen erhöhen und gleichzeitig Entwick-
ungs- und Investitionsmöglichkeiten in den neuen Mit-
liedstaaten schaffen werden, die wiederum – das ist
ntscheidend – auch bei uns Arbeitsplätze, Einkommen
nd Gewinne für die Unternehmen und Arbeitnehmerin-
en und Arbeitnehmer sichern werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Für uns ist entscheidend, dass mit der Erweiterung
ine neue, gesamteuropäische Union anstelle der bisherigen,






(A) )



(B) )


Bundesminister Joseph Fischer

aus geographischer Sicht westeuropäischen, Union ent-
steht. Klar ist aber auch – der Bundeskanzler hat dies un-
terstrichen –: Die Union der Fünfundzwanzig braucht
eine Verfassung. Wenn die Verfassung Realität wird,
wird es bereits eine Union der Siebenundzwanzig sein.
Bei so vielen Mitgliedstaaten wird es immer schwieriger,
Kompromisse zu erzielen. Schon in der EU der Fünfzehn
war es schwer genug, die Handlungsfähigkeit zu wahren;
das wird jetzt noch wesentlich schwieriger werden.

Deswegen müssen wir uns darauf konzentrieren, die
Verfassung noch während der irischen Präsidentschaft zu
verabschieden. Das liegt im Interesse sowohl der alten
als auch der neuen Mitgliedstaaten, sowohl der Netto-
zahler als auch der Nettobezieher, sowohl der kleinen als
auch der großen Mitgliedstaaten. Die Union der Fünf-
undzwanzig muss – darauf wird zu Recht immer wieder
hingewiesen – ihre Wettbewerbsfähigkeit sowie gleich-
zeitig ihre politische und insbesondere ihre außenpoliti-
sche Handlungsfähigkeit vergrößern. Das wird nur mit
starken, integrativen Institutionen in Brüssel und mit
selbstbewussten Mitgliedstaaten gelingen. Genau das ist
der Kern einer europäischen Verfassung. Die erweiterte
Union wird nur gelingen, wenn sie von einem erfolgrei-
chen Abschluss des Verfassungsprozesses begleitet wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Natürlich spielen in diesem Zusammenhang die
neuen strategischen Herausforderungen eine ent-
scheidende Rolle für uns. Es ist doch ersichtlich – lassen
wir die Irakpolemik einen Augenblick beiseite –, dass
wir heute in einem völlig anderen weltpolitischen Um-
feld agieren. Es gibt die innere Gefahr des Nationalis-
mus – sie ist keineswegs beendet; ich habe das vorhin
beschrieben – in der Region westlicher Balkan. Die Ent-
wicklung im Kosovo macht klar, dass ohne die NATO
und die Europäische Union sowie ohne eine Integra-
tionsperspektive in Richtung Brüssel die alten Konflikte
sofort wieder aufbrechen würden.

Aber auch direkt um uns herum gibt es Gefahren: die
Bedrohung durch den internationalen Terrorismus.
Selbstverständlich standen die Bundesregierung und die
Koalition beim Kampf gegen den Terrorismus immer
Seite an Seite. Es ist uns zwar oft schwer gefallen. Aber
auch für uns ist immer klar gewesen: Der Kampf gegen
den Terrorismus muss gewonnen werden; denn wir kön-
nen mit Vertretern eines neuen Totalitarismus keine Ver-
handlungen führen. Ich wüsste nicht, worüber man bei-
spielsweise mit Osama Bin Laden verhandeln sollte, mit
jenen, die den Tod lieben, die gewissenlos den Massen-
mord an Hunderten, ja sogar an Tausenden Menschen
planen und meinen, darin könne eine Zukunft liegen. Es
ist völlig klar, dass wir an diesem Punkt unseren Ver-
pflichtungen gerecht werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich konnte mich erst jüngst in Afghanistan davon
überzeugen, welchen Beitrag die Bundeswehr, die zivi-
len Aufbauhelfer und die Diplomaten unseres Landes
– immer zusammen mit anderen Europäern – tatsächlich

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(C (D eisten und was geschehen würde, wenn wir dort abzöen und unseren Beitrag nicht mehr erbrächten. Die Welt chaut mehr und mehr auf das gemeinsame Europa. Auf nternationaler Ebene wird mir immer wieder die Frage estellt, warum Europa nicht dieses oder jenes tue. Die andlungsfähigkeit, die von uns eingefordert wird, müsen wir in der Tat zunehmend entwickeln, gründend auf ine europäische Verfassung. In diesem Zusammenhang st Russland – ich finde das, was der Bundeskanzler dazu esagt hat, sehr richtig und wichtig – eine zentrale, vieleicht sogar die zentrale strategische Aufgabe, die wir zu ösen haben. Ich möchte noch einen anderen Punkt ansprechen, ämlich die Partnerschaftsfähigkeit im transatlantichen Bündnis. Frau Merkel, wir haben Freundschaft mmer so definiert, dass man unter Freunden nicht zu alem Ja und Amen sagt, vor allem dann nicht, wenn man er Meinung ist, dass es in die falsche Richtung geht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


nter Freundschaft verstehe ich, einen Freund, der einen
ehler macht, darauf hinzuweisen, dass er einen Fehler
acht, und ihm in aller Freundschaft zu sagen, welches
ie Konsequenzen sind. Sie haben verkündet, es sei von
entraler Bedeutung, dass Europa mit einer Stimme
preche. Darin stimme ich mit Ihnen überein: Die ge-
einsame europäische Position ist herzustellen. Aber
lle Gemeinsamkeit ist in dem Moment nichts mehr
ert, wenn es die falsche Position ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

ie Antwort auf Ihre These, Einheit sei die Lebensversi-
herung gegen Krieg auf dem europäischen Kontinent,
autet – institutionell gesehen –: Das ist die Europäische
nion. Aber Einheit ist keine Lebensversicherung gegen
rieg, wenn Einheit in einen Krieg mit fatalen Konse-
uenzen führt. Ich hoffe, dass wir auch darüber im Kla-
en sind, verehrte Frau Kollegin Merkel.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Des Weiteren sagen Sie immer: Wir müssen jetzt nach
orne schauen. Dafür bin ich sehr; denn die Konsequen-
en, mit denen wir es jetzt vor allen Dingen im Zusam-
enhang mit dem Irakkrieg und dem Konflikt im Nahen
sten, also in unserer direkten strategischen Nachbar-
chaft, zu tun haben, besorgen uns wirklich sehr. Aber
ie Blickrichtung allein nützt nichts, wenn die Seh-
chwäche nicht korrigiert wird. Auch das muss man hin-
ufügen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Deswegen rate ich dringend dazu, diese Debatte an
er Frage „Worin bestehen die europäischen Interessen
atsächlich?“ zu orientieren. Vor allen Dingen sollten wir
icht nur einen Schritt bedenken, sondern immer auch
ie Folgeschritte. Mir scheint, dass Ihnen das in der Tür-
eifrage völlig unklar ist. Damit Sie mich nicht missver-
tehen: Ich verstehe die innenpolitischen Besorgnisse
nd ich verstehe auch die vorgetragenen Argumente. Ich






(A) )



(B) )


Bundesminister Joseph Fischer

sage nicht: All diese Argumente sind invalide, sie gelten
nicht, das ist Ideologie. Das ist meine Position nicht.

In der Türkeifrage muss man sehr genau abwägen.
Das Argument, man habe 40 Jahre lang Versprechungen
gemacht, ist natürlich sehr gewichtig. Man kann sich
nicht damit herausreden, dass man sagt: Ich habe es satt,
nicht die Wahrheit zu sagen. Man muss die Konsequen-
zen der merkelschen Wahrheit im Zusammenhang mit
der Erweiterung schon einmal untersuchen.

Der Bundeskanzler hat in dieser Debatte den entschei-
denden Punkt genannt: Wenn es richtig ist, dass die
Hauptbedrohung unserer Sicherheit vom islamistischen
Terrorismus ausgeht, der uns in einen Krieg der Religio-
nen und Kulturen führen will – die Union scheint diese
Auffassung zu teilen –, dann ist das zunächst einmal
keine Frage des Militärs, sondern dann geht es darum, ob
wir die Strategie des islamistischen Terrorismus erfolg-
reich durchkreuzen können. Die Frage ist letztendlich, ob
die Grundwerte der europäischen Aufklärung, der euro-
päisch begründeten Moderne mit einem modernen Islam,
mit einer modernen Demokratie, mit einer modernen Zi-
vilgesellschaft und mit einer modernen Volkswirtschaft
verbindbar sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wenn das die entscheidende Frage ist, dann ist die Posi-
tion der Union, die Mitgliedschaft der Türkei abzuleh-
nen, falsch und sie könnte fatale Konsequenzen haben.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das gilt dann auch für Russland!)


– Ich will es Ihnen gleich erklären. Das ist für mich jetzt
kein Anlass zu parteipolitischer Polemik, sondern zu ei-
ner sorgfältigen Argumentation.

Vier Jahrzehnte lang sind ernsthafte Versprechungen
gemacht worden. Das ist der Vorlauf. Bundeskanzler
Kohl hat in einem „FAZ“-Interview vor wenigen Mona-
ten sinngemäß gesagt: Wenn die Türkei die Kopenhage-
ner Kriterien erfüllt, dann kann, ja, dann soll sie Mit-
glied werden. Das ist der entscheidende Punkt.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das kann ich nur unterstreichen. Bundeskanzler a. D.
Helmut Kohl hat die strategische Bedeutung nämlich
sehr klar erkannt. Unser Versprechen bindet uns, Herr
Schauerte. Wenn wir jetzt sagen: „Egal was ihr macht,
ihr dürft nicht beitreten, ihr dürft nur eine privilegierte
Partnerschaft haben“, dann wirkt das aufgrund des Vor-
laufs in der Türkei so, als wenn wir ihr dauerhaft die Tür
vor der Nase zuschlagen, also als ein Nein. Dieses Nein
hat fatale Konsequenzen, wenn meine vorherigen An-
nahmen, die Sie ja teilen, richtig sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich appelliere hier an die Union, diese Debatte auf der
Grundlage der begründbaren Argumente zu führen. Die
Türkei tritt nicht morgen und auch nicht übermorgen bei.

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(C (D as jetzt ansteht, ist der Beginn eines langfristigen Verandlungsund Implementierungsprozesses. Das ist on entscheidender Bedeutung. Ich habe schon jüngst in iner öffentlichen Diskussion gesagt: Die Frage der Euopafähigkeit der Türkei wird nicht in der Westtürkei, icht in Istanbul, nicht in Izmir entschieden, sondern etztendlich in Erzurum und in Diyarbakir. Aber Sie müssen doch sehen, welche großartigen ortschritte in der Türkei gemacht wurden. Dinge sind eschehen, die wir noch vor zwei, drei Jahren für nicht öglich gehalten hätten, bis hin zu der türkischen Halung, was Zypern betrifft, was die Abschaffung der Toesstrafe betrifft, was die inneren Reformen betrifft und as mittlerweile angekündigte Verfassungsänderungen ezogen auf die Abschaffung der Staatssicherheitsgeichte betrifft. Schauen wir uns nur einmal die Haltung in der Zypern rage an! Ich selbst habe noch vor einem halben Jahr inern gesagt: Das schaffen die nicht. Und sie haben es gechafft! Angesichts dessen können wir doch nicht sagen: ie Belohnung ist, dass ihr der Europäischen Union icht beitreten dürft. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


enn wir es doch tun, dann muss das negative Konse-
uenzen haben, die für unsere Sicherheit extrem gefähr-
ich sind.
Die nationale Außenpolitik der Zukunft wird zuneh-
end in die Außenpolitik der Europäischen Union einge-
unden sein. Der Nahe Osten, der Irak, sämtliche Krisen,
ie auf uns zukommen, die strategischen Beziehungen zu
ussland, eine Neudefinition der transatlantischen Be-
iehungen, all das wird zunehmend europäische Politik
erden und das ist gut und das ist richtig so.
Wenn wir mit der Verfassung die Institutionen dafür

ekommen, dann wird diese erweiterte Union nicht nur
m Inneren Frieden, Stabilität, wirtschaftliche Entwick-
ung und Wohlstand für die Menschen bringen, wie das
nser Kontinent noch nie gekannt hat, sondern dann
erden wir unser Schicksal auch in der auswärtigen Po-
itik im 21. Jahrhundert bestimmen können, und zwar
uf der Grundlage europäischer Werte und europäischer
rfahrungen. Die europäische Erfahrung ist nicht die,
ass wir auf der Venus leben, sondern die europäische
rfahrung des 20. Jahrhunderts ist die, dass wir die
berlebenden des Mars sind und daraus die Konsequen-
en gezogen haben. Wir sind wertegebunden und wir
ind zugleich Realisten geworden.
Diese erweiterte Union wird die Zukunft unseres
ontinents im Positiven bestimmen. Das sollten wir den
enschen auch und gerade am heutigen Tag sagen. Aber
ir sollten ihnen auch sagen: Die Anforderungen, die
uf diese erweiterte Union, auf uns alle und damit auch
uf Deutschland als dem größten Mitgliedstaat vor allem
on außen zukommen, werden in der vor uns liegenden
eit zunehmen. Ihnen müssen wir uns gewachsen zei-
en. Wenn wir die Verfassung verabschieden, wenn sich
ieses erweiterte Europa handlungsfähig macht, dann






(A) )



(B) )


Bundesminister Joseph Fischer

wird es eine Erfolgsgeschichte, wie sie die Geschichte
unseres Kontinents noch nie kannte.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1510600600

Ich erteile dem Kollegen Guido Westerwelle, FDP-

Fraktion, das Wort.


Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1510600700

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Das Bemerkenswerte ist nicht das, was uns trennt,
sondern das, was uns alle hier verbindet. Wir stehen vor
einem Tag, den man zu Recht als Tag der Wiederverei-
nigung Europas bezeichnen kann. Hier sitzt eine Gene-
ration von Verantwortungsträgern zusammen, die inner-
halb weniger Jahre erst die Wiedervereinigung
Deutschlands erleben durfte und jetzt die Wiedervereini-
gung Europas erleben darf. Das ist etwas, wofür wir
wirklich dankbar sein sollten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ich sage das deshalb, weil wir nicht vergessen wollen,
dass die Grundlagen für die Wiedervereinigung Europas,
die wir morgen feiern können, nicht erst in den letzten
Jahren entstanden sind. Die Wiedervereinigung Europas,
die wir feiern dürfen, ist die Folge von vielen histori-
schen Entscheidungen, auch von Auseinandersetzungen
in unserer Nachkriegsgeschichte. Deswegen möchte ich
mir als einem der jüngeren Redner hier in diesem Hause
heute erlauben, in Dankbarkeit an all jene zu erinnern
– das halte ich für erforderlich –, die die Weichen dafür
gestellt haben, dass wir morgen die Wiedervereinigung
Europas begehen können, ob sie Konrad Adenauer oder
Helmut Kohl heißen, ob sie Willy Brandt oder Helmut
Schmidt heißen oder – ich darf das wohl hinzufügen –
Hans-Dietrich Genscher, Walter Scheel und Klaus
Kinkel.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


So wie Angela Merkel ganz am Anfang sehr persön-
lich etwas erzählt hat, so will ich persönlich etwas erzäh-
len als jemand, der in den 80er-Jahren angefangen hat,
sich politisch zu engagieren und politisch zu denken.
Damals hatte ich die Ehre, mit Hans-Dietrich Genscher
zusammenzutreffen, der viele Jahre, fast zwei Jahr-
zehnte, Außenminister unserer Republik gewesen ist.
Wenn wir als jüngere Studenten damals hinterfragt ha-
ben, was denn Europa nach der Wiedervereinigung
Deutschlands – an diesem Ziel haben wir immer festge-
halten; das ist wichtig zu erwähnen – bedeuten würde,
hat er uns geantwortet: Die Europäische Union heißt
nicht Westeuropäische Union, sondern sie heißt Europäi-
sche Union.

Das ist nicht irgendeine Petitesse. Das ist in Wahrheit
der Auftrag unserer Generation. So wie diejenigen, die

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(C (D ach dem Zweiten Weltkrieg Verantwortung getragen aben, damals die Aussöhnung mit unseren westlichen achbarn geprägt und vorangebracht haben – unzählige rieffreundschaften und persönliche Bekanntschaften ber die Schulen sind in meiner Generation damals mit leichaltrigen bei unseren westlichen Nachbarn entstanen –, so sollte es jetzt unsere Aufgabe sein, nicht nur ute Beziehungen der Regierungen, der Parlamente und er Politiker nach Osten zu bewirken, sondern auch eine irkliche Freundschaft der Völker zu unseren östlihen Nachbarn zu befördern. Die eigentliche Aufgabe, die wir jetzt haben, lautet, us der europäischen Wiedervereinigung von Staaten nd Staatlichkeit eine Wiedervereinigung der Menschen u machen, die sich beieinander und einander zugehörig ühlen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Man sollte unseren Bürgerinnen und Bürgern ange-
ichts dessen, dass in der Politik so viel gestritten wird,
inmal sagen: Am heutigen Tage sollte zunächst einmal
m Vordergrund stehen – ich übergehe jetzt einmal die
nnenpolitischen Auseinandersetzungen, die diesbezüg-
ich stattgefunden haben –, dass sich der Deutsche Bun-
estag trotz aller Differenzen in manchen Einzelfragen
wischen den Parteien mit riesiger überparteilicher
ehrheit über die grundsätzliche Richtung einig ist, den
uropäischen Integrationsprozess, also die europäische
iedervereinigung, gutzuheißen und weiter zu beför-
ern.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist ganz klar, dass wir darüber hinaus nicht den
lick für das verlieren sollen, was uns trennt. Aber heute
prechen wir uns mit großer Mehrheit und großer Über-
instimmung für diese europäische Wiedervereinigung
us. Wir machen mit und befördern sie. Wir werden in
enigen Wochen und Monaten hier abermals eine Dis-
ussion über einen weiteren Bestandteil der europäi-
chen Integration führen, nämlich über die europäische
erfassung. Die europäische Verfassung soll kommen,
uch wenn jeder von uns unterschiedliche Vorstellungen
arüber hat, wie der Kompromiss aussehen soll. Wir
reie Demokraten beispielsweise sind der Überzeugung,
ass die Europäische Zentralbank zu Recht fordert, die
spekte Währungs- und Wachstumsstabilität in die eu-
opäische Verfassung aufzunehmen. Auch wir wollen,
ass diese Aspekte noch eingearbeitet werden.


(Beifall bei der FDP)

Trotzdem wissen wir, dass man erst dann einen guten
eiteren Schritt hin zur Vollendung der europäischen In-
egration tun kann, wenn es eine europäische Verfassung
ibt. Wenn ich es richtig sehe, wollen ja 90 bis 95 Pro-
ent der Mitglieder dieses Hauses, dass man in der Frage
er europäischen Verfassung vorankommt. Angesichts
essen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir Abge-
rdnete in diesem Hause die europäische Verfassung am
chluss wahrscheinlich mit 90-prozentiger Mehrheit






(A) )



(B) )


Dr. Guido Westerwelle

gutheißen werden, möchte ich aber auch die Frage stel-
len, warum wir es nicht zulassen wollen, dass auch das
Volk über sie abstimmt.


(Beifall bei der FDP)

Trauen wir es uns nicht zu, eine Mehrheit im Volke dazu
zu bewegen, dieser Verfassung zuzustimmen? Wenn
90 Prozent der Mitglieder des Bundestages die europäi-
sche Verfassung wollen, dann sollte aus unserer Sicht in
jedem Fall auch eine Volksabstimmung über die euro-
päische Verfassung stattfinden.


(Brigitte Schulte [Hameln] [SPD]: Ist das wirklich wichtig?)


In allen anderen Parteien, nicht nur in meiner Partei, gibt
es insbesondere als Antwort auf die Initiative von Tony
Blair zahlreiche Stimmen, die die Durchführung eines
Referendums auch in Deutschland befürworten. In vie-
len Wahlkämpfen haben wir so etwas gehört: von den
Grünen, von der SPD und übrigens auch, Herr Kollege
Stoiber, von der CSU im bayerischen Landtagswahl-
kampf. Aus allen Parteien wurde immer wieder die For-
derung nach Durchführung eines Referendums erhoben
und gesagt: Wir wollen, dass das Volk über die europäi-
sche Verfassung entscheidet. Angesichts dessen bin ich
der Überzeugung, dass wir als Parlamentarier in den
nächsten Wochen entsprechende Schritte unternehmen
sollten, damit das Volk entscheiden kann. Wie auch in
anderen europäischen Ländern sollte aus Sicht der
Freien Demokraten es auch in Deutschland möglich
sein, dass das Volk über die europäische Verfassung ab-
stimmt. Wir können das, wir wollen das und wir appel-
lieren an Sie, mit uns gemeinsam die Voraussetzung da-
für hier in diesem Hohen Hause zu schaffen. Den Worten
können wir hier endlich auch Taten folgen lassen.


(Beifall bei der FDP)

Mich beunruhigt eine Debatte, die – das will ich offen

ansprechen – nicht nur von Herrn Bundeskanzler
Schröder oder von führenden Politikern von SPD und
Grünen geführt wird, sondern die über die Parteigrenzen
hinweg auch in den Unionsparteien stattfindet. Der
bayerische Ministerpräsident gibt uns ja heute die Ehre
und wird etwas später in dieser Debatte das Wort ergrei-
fen. Überschriften wie die folgende sind in meinen Au-
gen verantwortlich für die Stimmung gegen unsere ost-
europäischen Nachbarinnen und Nachbarn: „Schröder
und Stoiber prangern Steuerdumping an“. Die politische
Konsequenz soll sein, dass wir in Europa eine Mindest-
steuer einführen. Darüber muss man einmal einen
Augenblick nachdenken. Die europäischen Beitrittslän-
der, die in Gestalt ihrer Exzellenzen auf der Besucher-
tribüne Platz genommen haben, haben genau das getan,
was beispielsweise in jedem Gutachten der Bundesregie-
rung seit vielen Jahren steht: Sie haben ihre Länder wett-
bewerbsfähig gemacht; sie haben ein international und
europäisch wettbewerbsfähiges Steuersystem eingeführt,
um für Investitionen attraktiv zu sein.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sehr richtig!)

Die Antwort der deutschen Politik – leider nicht nur von
Rot-Grün, sondern auch von Teilen der Konservativen –

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(C (D autet: Ihr müsst eure Steuern erhöhen, damit wir Deutche wettbewerbsfähig bleiben. – Die Wettbewerbsähigkeit Deutschlands erreicht man nicht, indem man ndere Länder zu Steuererhöhungen bringt; die Wettbeerbsfähigkeit erreichen wir nur, indem wir bei uns ein ystem niedrigerer Steuern einführen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Vorstellung, Europa müsse quasi am deutschen
teuerrecht genesen, stößt mit Recht nur auf Verbitte-
ung und Hohn in den Ländern, die genau das getan ha-
en, was wir jahrelang von ihnen verlangt haben: Sorgt
afür, dass ihr die Kriterien erfüllt, um wettbewerbsfähig
nd damit beitrittsfähig zu werden; denn nur durch Wett-
ewerbsfähigkeit kann selbsttragendes Wachstum bei
uch entstehen. Jetzt sagen wir denen, die auf der Besu-
hertribüne Platz genommen haben: So ernst haben wir
as nicht gemeint.
Wir müssen in Deutschland unsere eigenen Hausauf-

aben machen. Die Wiedervereinigung Europas bringt
eutschland nicht in Schwierigkeiten, sondern sie offen-
art lediglich strukturelle Schwierigkeiten, in denen
eutschland ohnehin steckt und an deren Beseitigung es
ngesichts der Globalisierung dringend arbeiten muss.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


o empfinden wir als Freie Demokraten die Situation.
Wir haben die Sorge, dass polemische Politik ge-
acht wird. Ich erinnere mich an eine Diskussion vor
enigen Jahren, die durch den Umzug einer sehr be-
annten Showmasterin nach Belgien veranlasst wurde.
skar Lafontaine war damals SPD-Vorsitzender. Seine
evise im damaligen Wahlkampf lautete: Wenn andere
uropäische Länder wie Belgien niedrigere Steuern ha-
en als wir in Deutschland, dann müssen wir nur dafür
orgen, dass dort eine Steuererhöhung stattfindet; dann
st unser Problem gelöst.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, kein Land in

uropa und kein Land irgendwo auf der Welt wird auf
inen eigenen Wettbewerbsvorteil verzichten, damit es
er deutschen Wirtschaft wieder besser geht. Wir werden
nsere eigenen Hausaufgaben machen müssen; darum
ommen wir nicht herum.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Bundeskanzler, Sie haben sich in Ihrer Rede
eim Thema Steuerwettbewerb gar nicht so sehr auf die
steuropäischen Länder eingelassen, sondern insbeson-
ere Großbritannien angeführt und gesagt, Großbritan-
ien sei das eigentliche Problem. Wenn Großbritannien
er Überzeugung ist, ein investitionsfreundliches Steuer-
echt schaffe Arbeitsplätze, dann sollten wir einmal de-
en Wachstumsraten und unsere miteinander verglei-
hen: Das Wachstum in Großbritannien betrug 2002
,7 Prozent und 2003 2 Prozent; im Jahr 2004 liegt es
ei 2,8 Prozent. Deutschland hatte nach Angaben der
uropäischen Kommission ein Wachstum von 0,2 Pro-
ent im Jahr 2002, von 0,0 Prozent im Jahr 2003 und






(A) )



(B) )


Dr. Guido Westerwelle

wird, wenn es gut geht, eines von 1,6 Prozent im laufen-
den Jahr zu verzeichnen haben.

Passend zur Globalisierung, zur europäischen Eini-
gung und zum internationalen Wettbewerb, der sich in
Europa dadurch natürlich verschärfen wird, haben die
Holländer ein wunderbares Sprichwort: Den Wind
kannst du nicht aufhalten, aber du kannst Windmühlen
bauen. – Das ist meiner Einschätzung nach die Heraus-
forderung für die deutsche Politik: dass wir uns selber
wettbewerbsfähig machen.

Zum Schluss: Herr Bundesaußenminister, Sie haben
zu Recht auf die internationale Rolle Deutschlands hin-
gewiesen. Ich glaube, wir wollen alle gemeinsam, dass
Europa mit einer Stimme spricht. Mit welcher Stimme
und welchen Inhalten ist ein Streit, den es in diesem
Hause immer geben wird. Es wäre ja auch völlig unnor-
mal, wenn das nicht so wäre. Sie wissen, dass wir als
freidemokratische Opposition seinerzeit den militäri-
schen Alleingang ohne Mandat der Vereinten Nationen
abgelehnt haben. Deshalb kann ich an dieser Stelle rela-
tiv frei darüber sprechen.

Ich möchte eines noch hinzufügen. Im Koalitionsver-
trag, den Sie 1998 nach dem Regierungswechsel ge-
schlossen haben, war es Ihr europäisches Ziel, dass nicht
einzelne europäische Staaten einen ständigen Sitz im
Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen neu be-
kommen sollten, sondern dass die Europäische Union ei-
nen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat erhält, damit die
europäischen Staaten leichter und schneller mit einer
Stimme sprechen können. Wenn Sie ernsthaft glauben,
dass Europa eine Stimme in der Außen- und Sicherheits-
politik braucht, dann sollten Sie diesen Kurs jetzt nicht
wechseln und nicht dafür werben, dass Deutschland ei-
nen ständigen Sitz bekommt. Ziel Ihrer Politik sollte
vielmehr bleiben, dass die Europäische Union einen
ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat der Vereinten Natio-
nen erhält. Das wäre ein Beitrag zur außenpolitischen
Einigung, die wir alle so nachdrücklich wollen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1510600800

Ich erteile das Wort Kollegin Angelica Schwall-

Düren, SPD-Fraktion.


Dr. Angelica Schwall-Düren (SPD):
Rede ID: ID1510600900

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Ich freue mich.

(Michael Glos [CDU/CSU]: Schön!)


Ich freue mich, dass morgen der Tag gekommen ist, an
dem zusammenwächst, was zusammengehört. Ich freue
mich, dass morgen ein Traum in Erfüllung geht, den ich
seit 1971 mit meinem langjährigen polnischen Freund
Jan Tadeusz träume, nämlich dass wir in einem Europa
ohne Grenzen zusammenleben können. Ich freue mich,
dass seine Kinder und meine Kinder gemeinsam die Zu-
kunft unserer Länder gestalten können.

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(C (D Ich freue mich darauf, dass ich mit meinen neuen unarischen Freunden darüber debattieren kann, wie unser ukünftiges Europa aussehen soll. Ich freue mich darauf, ass morgen das mehrsprachige Bratislava in unserer nion begrüßt werden kann. Ich freue mich, dass moren Estland, Lettland, Litauen, Tschechien, Slowenien, alta und Zypern zur Europäischen Union gehören weren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Nur bei Zypern gibt es mehr als einen Wermutstrop-
en. Wie gerne hätten wir als Land, das selbst Jahrzehnte
eteilt war, beide Teile Zyperns in unserer Union gehabt,
it der Chance, dass die Insel auch innerlich hätte zu-
ammenwachsen können und sich Zypern wie alle ande-
en neuen Mitglieder Jahr für Jahr mehr in die EU inte-
riert hätte! Heute bleibt zunächst nur die Erwartung,
ass sich die UNO und die türkischen und griechischen
yprer ihrer Verantwortung bewusst sind und daran ar-
eiten, eine endgültige Teilung der Insel zu verhindern;
enn die Sorge ist berechtigt, dass die Insel auf längere
eit geteilt bleibt.
Jenseits dieser Sorge bleibt uns die große Freude, dass

nsere neuen Mitgliedstaaten – wie bereits die Altmit-
lieder der Gründungszeit und der verschiedenen Bei-
rittswellen – den Weg in die Union gewählt haben, der
as Europa der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts so
rfolgreich gemacht hat.
Nach den mörderischen, menschenverachtenden Er-

ahrungen der Weltkriege hat dieses Europa – zunächst
estlich des Eisernen Vorhangs – die Wahl getroffen,
as Bündnis, den freiwilligen Zusammenschluss zu su-
hen, um Interessengegensätze, ja auch Hass zu über-
inden und auf friedlichem Weg eine gemeinsame Zu-
unft zu bauen. Noch nie in der Geschichte Europas hat
in so großer Teil so lange Zeit Frieden erleben können.
as ist eine solche Selbstverständlichkeit geworden,
ass sich immer weniger Menschen in unseren Ländern
ieser Errungenschaft bewusst sind,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


bwohl uns die blutigen Konflikte in Ex-Jugoslawien er-
eut mit dem Schrecken von Exklusion, von Vertreibung
nd Krieg konfrontierten.
Die Mitglieder der EU haben aber nicht nur den Frie-

en gewählt. Sie haben es auch zuwege gebracht, durch
berwindung der Einzelinteressen und ihre Bündelung
ine Grundlage für einen nie gekannten Wohlstand zu
chaffen. Darüber hinaus haben sie sich darauf verstän-
igt, für neue Mitgliedstaaten, deren Lebensstandard
och nicht das gleiche Niveau hat, eine solidarische He-
anführungsstrategie zu entwickeln. Mit deren Hilfe war
isher für die jeweils neuen Mitglieder ein erfolgreicher
ufholprozess möglich. Irland ist dafür ein hervorragen-
es Beispiel. Es ist übrigens ein Beispiel auch dafür,
ass niedrige Steuern ein erfolgreiches Mittel für diesen
ufholprozess waren.






(A) )



(B) )


Dr. Angelica Schwall-Düren

Aufgrund der wirtschaftlichen Prosperität ist in allen

Ländern eine Verbesserung der sozialen und ökologi-
schen Sicherheit erreicht worden. Ich glaube, auch das
sollte hier erwähnt werden. In der EU sind wir alle auf
dem Weg zu Bildung für alle und einem Verschwinden
der Altersarmut weitergekommen. Aber auch die ökolo-
gischen Fragen sind angepackt worden.

Diesen Weg mitzugehen haben sich die neuen Mit-
gliedstaaten entschlossen – eine Vorstellung, die im
April vor 15 Jahren noch in das Reich der Fantasie ver-
wiesen worden wäre. Möglich wurde dies, weil der Ei-
serne Vorhang überwunden, die Mauer durchbrochen
wurde, die uns trennte. Das war kein Naturereignis. Dies
konnte nur durch den Mut, den Einsatz und die Kreativi-
tät unserer Nachbarn erreicht werden. Mit der Solidar-
nosc-Bewegung erschütterten unsere polnischen
Freunde zum wiederholten Male in der polnischen Nach-
kriegsgeschichte das starre kommunistische System.
Trotz Kriegsrecht war die Diktatur zum Scheitern verur-
teilt, weil die Helden der Gewerkschaftsbewegung von
einem großen Teil der Bevölkerung unterstützt wurden.
Ungarn, das schon früh Verbindung zum Westen gesucht
hatte, hat dann die Bresche in die Mauern geschlagen,
die uns trennten. Ungarn hat die Grenze geöffnet.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Das ist kein Geschichtsworkshop! Alles bekannt! Reden Sie von der Zukunft!)


Deshalb möchte ich mich dem Dank von Bundesprä-
sident Rau anschließen; denn letztendlich verdanken wir
Deutschen unsere wiedergefundene Einheit auch dem
Mut und Vorbild unserer Nachbarn. Ihnen und dem Frei-
heitswillen der anderen Mittel- und Osteuropäer ist es zu
verdanken, dass Europa wieder zueinander finden kann.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)


Nicht nur, aber auch deswegen kommen die neuen
Mitglieder keinesfalls als Bittsteller in die Union. Sie in
die europäische Familie aufzunehmen war unsere selbst-
verständliche historische Pflicht. Deutschland hat viel
dafür getan, dass dieser Prozess erfolgreich vorange-
bracht wurde. Deswegen möchte ich ganz besonders
Bundeskanzler Schröder und Außenminister Fischer,
aber auch Kommissar Verheugen danken. Sie haben Ent-
scheidendes dafür getan, dass die Beitrittsverhandlungen
erfolgreich abgeschlossen wurden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Mit Respekt und Bewunderung möchte ich anerken-
nen, dass sich unsere Freunde auf dem Weg in die EU
und in die NATO großen Anstrengungen unterzogen ha-
ben. Es war notwendig, den Transformationsprozess zu
beschleunigen. Das bedeutete, die 80 000 Seiten des
Acquis communautaire innerhalb kurzer Zeit umzuset-
zen. Das bedeutete gleichzeitig das Aufgeben alter
Regeln und Sicherheiten. Das bedeutete auch, dass es
Verlierer im Veränderungsprozess gab, die Hoffnung
aufzuschieben, dass sich die Anstrengungen zukünftig

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(C (D uszahlen würden. Auch für all diese Anstrengungen öchte ich den Menschen der morgen zur EU gehörenen Mitgliedstaaten danken. Diese großartige Leistung acht mich sicher, dass wir gemeinsam die Herausforerungen der Zukunft meistern werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Kommunikation der letzten Wochen in Medien-
eröffentlichungen, in Veranstaltungen und in Reden
on Politikern – so auch heute – waren auch durch Be-
ürchtungen charakterisiert, die an die Vergrößerung der
U geknüpft sind. Es gibt in der Tat ernst zu nehmende
orgen und Ängste, die mit der Erweiterung der EU und
em Beitritt der zehn Länder verbunden sind. Ich halte
ar nichts davon, diese Ängste totzuschweigen und die
ealen Herausforderungen zu verneinen. Schon einmal
aben wir in einer anderen historischen Situation, näm-
ich angesichts der deutschen Wiedervereinigung, erlebt,
ass fast ausschließlich über die blühenden Landschaf-
en und zu wenig über die Anstrengungen gesprochen
urde, deren es bedarf, um die Blüte zu erreichen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Andreas Scheuer [CDU/CSU]: So ein Blödsinn!)


adurch wurde es versäumt, eine ausreichende Bereit-
chaft der Bevölkerung, sich gemeinsam für das Zusam-
enwachsen zu engagieren, zu gewinnen.
Es gibt übrigens nicht nur bei uns in Deutschland
ngste hinsichtlich der Wiedervereinigung Europas,
ondern auch in den neuen Mitgliedstaaten. Ich will hier
enigstens einige dieser Sorgen nennen. Bei uns be-
ürchten Arbeitnehmer, dass der Konkurrenzdruck auf
em Arbeitsmarkt zunimmt. Der Herr Bundeskanzler
at hier noch einmal darauf hingewiesen, dass wir Über-
angsfristen vereinbart haben. Ich will aber auch ergän-
en, dass in den neuen Mitgliedstaaten die Arbeitslosen-
uote teilweise sogar niedriger ist als bei uns. Ich denke
abei an Ungarn oder an einzelne Regionen und Städte
n Polen wie Stettin und Posen. Dort gibt es heute sogar
chon „deutsche Gastarbeiter“. In diesem Zusammen-
ang besteht dort auch die Sorge, dass die besten Kräfte,
ie zur Weiterentwicklung im eigenen Land gebraucht
erden, vielleicht auf Dauer in Richtung Westen abwan-
ern könnten.
Wir haben heute schon davon gesprochen, dass Un-

ernehmen im Augenblick die Angst vor dem Verlust
on Arbeitsplätzen schüren. Ja, es ist auch so: Es hat be-
eits viele Investitionen in den mittel- und osteuropäi-
chen Staaten gegeben. Denn natürlich sind das Steuer-
nd Lohnniveau dort niedriger als bei uns. Die Unter-
ehmen aber müssen diese Vorteile gegenüber Infra-
trukturproblemen abwägen, die es dort noch gibt, auch
um Beispiel ein niedrigeres Produktivitätsniveau und
ange Transportwege. Bei sehr lohnintensiver Massen-
roduktion kann sich die Verlagerung lohnen, obwohl in
iesen Fällen die Betriebe zum Teil sogar schon in die
kraine oder nach China weitergezogen sind. Damit ist






(A) )



(B) )


Dr. Angelica Schwall-Düren

klar, dass Wettbewerb nicht über eine Niedrigsteuerkon-
kurrenz bestanden werden kann.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In den meisten Fällen aber erfolgte die Investition, um
den größeren neuen Markt zu erschließen und bedienen
zu können oder um mit kombinierten Produktionsstand-
orten auch heimische Arbeitsplätze zu sichern.

Nach einer aktuellen Studie des DIW ist das Resultat
eines solchen Standortwettbewerbs ein Wohlstandsge-
winn für die neuen und die alten Mitgliedstaaten.


(Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Das erklären Sie einmal den Arbeitnehmern im grenznahen Bereich!)


Der vergrößerte Markt wird seine positiven Wirkungen
aber nur dann entfalten, wenn über den ökonomischen
Aufholprozess die gestiegene Kaufkraft und der notwen-
dige Infrastrukturausbau nachfragewirksam werden.
Diesen Prozess müssen wir selbstverständlich durch För-
derung von Bildung und Forschung in innovativen
Sektoren unterstützen.

Aber auch die Menschen in den neuen Mitgliedstaa-
ten sind Ängsten ausgesetzt. Sie fragen sich zum Bei-
spiel, ob sie dem ungebremsten Wettbewerb standhalten
können. Die Landwirte empfinden es als Nachteil, dass
sie zunächst nur 25 Prozent der Direktzahlungen bekom-
men. Darüber hinaus wird die Befürchtung laut, die
reichen Westeuropäer könnten das Bauernland gewisser-
maßen als friedliche Invasion mithilfe der Euros aufkau-
fen. Um dies auszuschließen, wurden auch hier lange
Übergangsfristen vereinbart, innerhalb deren der Land-
kauf durch Ausländer nicht möglich ist.

Durch die lautstarke Werbung der so genannten Preu-
ßischen Treuhand wird in Polen darüber hinaus die
Angst geschürt, deutsche Vertriebene könnten auf dem
Klageweg ihr ehemaliges Eigentum zurückerstreiten.
Von diesem Vorgehen sollten sich alle demokratischen
Kräfte in diesem Land schnellstens distanzieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Allen Sorgen und Ängsten muss, soweit sie berechtigt
sind, durch adäquates Handeln begegnet werden. Die In-
strumente sind vorhanden oder können entwickelt wer-
den. Wir, die wir politische Verantwortung tragen, soll-
ten aber keinesfalls den Kleinmut schüren, sondern dazu
ermutigen, die Herausforderungen anzunehmen, die wir
in den kommenden Jahren anpacken müssen.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

Zu diesen großen Herausforderungen gehört die Ver-

ständigung über die Frage, in welchem Europa wir leben
wollen. Wie groß soll die Europäische Union werden?
Nicht davon zu trennen ist die Frage nach dem Grad der
politischen Integration, den wir in der EU anstreben
wollen. Ist das Maß an Vergemeinschaftung, das wir
über die hoffentlich bald zu verabschiedende Verfassung
bekommen werden, schon ausreichend?

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(C (D Herr Westerwelle, ich möchte, da wir die Debatte daüber noch führen müssen, an dieser Stelle nur eines agen: Wer sich jahrelang geweigert hat, plebiszitäre lemente wie Volksbegehren und Volksabstimmungen uf der nationalen Ebene zu installieren, (Otto Fricke [FDP]: Sie meinen wohl die CDU!)


er sollte heute hier keine Volksabstimmung über die
omplexe Frage der europäischen Verfassung verlangen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Uns können Sie nicht meinen!)


Die EU muss handlungsfähig und demokratisch trans-
arent sein. Dafür müssen wir arbeiten. Wir müssen uns
en Fragen stellen: Wollen wir wirklich die wirtschaftli-
he Union zu einer politischen Union weiterentwickeln?
ollen wir in der Frage der wirtschaftlichen Herausfor-
erungen nur auf Deregulierung und Liberalisierung set-
en? Ist es uns nicht vielmehr wichtig, das europäische
ozialmodell als positiven Wettbewerbsfaktor zu erhal-
en und weiterzuentwickeln, um somit den neuen He-
ausforderungen gerecht zu werden?
Wie wollen wir unserer globalen Verantwortung für
rieden und Sicherheit gerecht werden? Wie schaffen
ir es, über eine Gemeinsame Außen- und Sicherheits-
olitik unseren Beitrag innerhalb der von Javier Solana
ormulierten europäischen Sicherheitsstrategie zu leis-
n? In der Bedrohungsanalyse sind wir gar nicht weit
on der amerikanischen entfernt, aber wir ziehen andere
onsequenzen. Gegebenenfalls ist militärische Gewalt
nausweichlich, aber vor allem setzen wir auf positive
ntwicklung und zivile Konfliktlösungsstrategien, die
ir gemeinsam weiterführen müssen.


(Beifall bei der SPD)

Es ist klar: Die EU steht nicht nur am Vorabend ihrer

rößten Erweiterung. Die 25 Mitgliedstaaten haben die
roße Aufgabe, das Wohlstandsgefälle zu überwinden,
inen fairen Interessenausgleich zu organisieren und die
ürgerinnen und Bürger an der demokratischen Wei-
erentwicklung der EU zu beteiligen.
Dies wird uns allen Anstrengungen abverlangen, aber
h selbst freue mich auf diese Herausforderungen. Ich
in dankbar, dass ich in dieser spannenden Zeit lebe und
n der Bewältigung der vor uns stehenden Aufgaben teil-
aben kann.
Ich möchte Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen,

nd alle Bürgerinnen und Bürger auffordern und einla-
en, sich an diesem großen Werk zu beteiligen: für eine
ute Zukunft in einem friedlichen Europa.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1510601000

Das Wort hat jetzt der Ministerpräsident des Freistaa-

es Bayern, Dr. Edmund Stoiber.

(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) )



(B) )



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1510601100

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen!

Meine Herren! Ich glaube, die Botschafter der zehn
neuen Mitgliedstaaten – einige sind noch hier – nehmen
eine gute Nachricht aus dieser Debatte mit: Alle betrach-
ten den morgigen Tag als einen historischen Tag für
Europa. Die langjährige Trennung unseres Kontinents
wird endgültig überwunden. In Deutschland freuen wir
uns mit unseren Nachbarn und sagen: Herzlich willkom-
men in unserer gemeinsamen Europäischen Union!

Die europäische Idee ist aus den Römischen Verträ-
gen, die nun bald 50 Jahre zurückliegen, als eine Reak-
tion auf die größte Katastrophe in der Geschichte Euro-
pas entstanden. Die Gründungsväter der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft hatten eine Vision: Konflikte
auf europäischem Boden ein für alle Mal zu verhin-
dern. – Heute sind gerade im Zusammenhang mit dem
morgigen Tag von Ihnen, Herr Bundeskanzler, vom
Herrn Außenminister und von anderen viele Namen ge-
nannt worden. Aber ich glaube, eine Person muss – auch
wenn ich mich in europapolitischen Fragen oft sehr kri-
tisch mit ihr auseinander gesetzt habe – hier noch ge-
nannt werden: der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl.
Er ist einer der Verantwortlichen dafür, dass wir den heu-
tigen Tag so begehen können.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Diese Gründungsidee ist und bleibt auch heute gül-
tig. Nur auf der Grundlage von Frieden und Freiheit
kann wahrer und dauerhafter Wohlstand entstehen.

Mit der Erweiterung entsteht – das ist von allen betont
worden – der größte Binnenmarkt der Welt. Wir liegen
im Zentrum dieses Marktes. Deutschland hat in der Tat
alle Chancen, davon zu profitieren.

Es zeugt von der politischen Reife der deutschen Be-
völkerung, dass nach allen Umfragen eine Mehrheit der
Deutschen die Erweiterung der Europäischen Union be-
grüßt. In zahllosen wirtschaftlichen und sozialen Kon-
takten und Partnerschaften wird dieses Europa intensiv
gelebt.

Aber zugleich macht sich nach denselben Umfragen
eine große Mehrheit der Bürger wegen der Osterweite-
rung auch große Sorgen.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das ist wohl wahr!)


Eine Mehrheit erwartet ökonomische und andere Nach-
teile und hält die Erweiterung für zu schnell durchge-
führt und zu schlecht vorbereitet. Diese Mehrheit macht
sich Sorgen um ihren Arbeitsplatz, sie befürchtet Wohl-
standsverlust und steigende Kriminalität. Diese Sorgen
muss verantwortungsvolle Politik aufnehmen; nicht nur
verbal, indem man sagt, dass man diese Sorgen wahr-
nimmt und kennt, sondern indem man sich mit ihnen
auch konkret auseinander setzt.

Herr Bundeskanzler, es ist keine Panikmache, wenn
man auf diese Sorgen eingeht. Wenn man das als Panik-
mache derjenigen qualifiziert, die sich bei aller Beja-

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(C (D ung der großartigen Erfolge der europäischen Integraion und der europäischen Erweiterung Sorgen machen, ann tut man der europäischen Integration keinen guten ienst; denn damit geht man leichtfertig über diese Soren hinweg. Ich habe es viele Jahre lang erlebt, dass an, wenn man sich kritisch zu einigen Entwicklungsrozessen Europas geäußert hat, von vielen sehr schnell n die Ecke der Europagegner gestellt worden ist, ohne ass sie sich mit den angesprochenen Problemen und der ritik auseinander gesetzt haben. Das muss heute vorbei ein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Herr Bundesaußenminister, deswegen können Sie nie-
andem einen Vorwurf machen, wenn er diese Debatte
uch auf innenpolitische Fragen ausweitet; denn Europa-
olitik ist keine klassische Außenpolitik mehr, sondern
nnenpolitik. Unsere innenpolitischen Bezüge hängen
on den Entscheidungen in Prag, Warschau, Rom und
ondon genauso wie von den Entscheidungen in Berlin
b. Deswegen ist es legitim und richtig, dass wir die
uropäische Erweiterung auch unter innenpolitischen
spekten betrachten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die bestehenden Sorgen haben auch handfeste
ründe: Sie, Herr Bundeskanzler, haben Deutschland
chlecht auf die Osterweiterung vorbereitet:


(Zuruf von der CDU/CSU: Wohl wahr!)

ie Wirtschaft in Deutschland stagniert, die Arbeits-
sigkeit ist viel zu hoch, die meisten öffentlichen
aushalte sind überschuldet. Deutschland lebt heute
on der Substanz. Sie behaupten hier: Die ganze Welt
eneidet uns um unsere Standortvorteile. Wenn das so
äre, hätten wir doch keine Ängste zu beklagen! Die
ngste sind deswegen zu beklagen, weil wir wegen
icht vollzogener Reformen in der Zwischenzeit Stand-
rtnachteile haben; das ist doch unser Problem!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

enn wir heute Spitzenreiter wären, würde uns die inter-
ationale Presse doch nicht als „kranker Mann in
uropa“ bezeichnen! Wenn wir Spitzenreiter wären, wie
ir das in den Siebziger- und Achtzigerjahren gewesen
ind, würden doch keine Ängste – schon gar nicht in
em Maße – bestehen. Wir hatten keine Ängste, als Spa-
ien, Portugal und Griechenland der Europäischen Ge-
einschaft beigetreten sind, und wir waren in der Lage,
ewaltige Ausgleichszahlungen zu leisten. Heute kön-
en wir das in dem Maße nicht mehr bei der Schulden-
st, die alle Teile Deutschlands zu schultern haben.


(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Und da sind Sie nicht dabei? – Weiterer Zuruf von der SPD: Ihr habt einen Beitrag dazu geleistet!)


Die führenden Wirtschaftsinstitute haben erst vor drei
agen die Wachstumsprognosen nach unten korrigiert.
nd Sie erklären vollmundig, Deutschland sei noch nie






(A) )



(B) )


Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber (Bayern)


so wettbewerbsfähig gewesen wie heute! In welcher
Welt leben Sie denn eigentlich, Herr Bundeskanzler?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

In dieser schwierigen Lage wird Deutschland durch

die EU-Osterweiterung zusätzlich einem verschärften
Wettbewerb ausgesetzt. Der Europäischen Union treten
zehn selbstbewusste Staaten bei. Alle diese Länder ha-
ben ein Jahrzehnt lang wirklich tief greifende Reformen
durchlebt. Sie sind technologie- und innovationsfreudig,
sie sind zukunfts- und wettbewerbsorientiert. Die Eliten
dieser Länder haben uns in der Zwischenzeit eingeholt,
zum Teil auch überholt. Auch wir wollen Wettbewerb;
Wettbewerb hat unser Land groß gemacht. Wir müssen
uns auf den Wettbewerb einstellen.

Sie, Herr Bundeskanzler, haben forciert, dass die
neuen Mitgliedstaaten zu einem frühen Zeitpunkt gleich-
zeitig der Europäischen Union beitreten; das war ja 1998
und 1999 noch nicht allgemeiner Konsens. Dazu hätten
Sie im eigenen Land die notwendigen Strukturrefor-
men ganz anders vorbereiten müssen. Die Erweiterung
hätte Sie dazu veranlassen müssen!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Noch immer haben wir ein viel zu kompliziertes

Steuerrecht, das nicht wettbewerbsfähig ist.

(Brigitte Schulte [Hameln] [SPD]: Das hätten Sie ändern können!)

Wir leben in einem immer stärker verschuldeten Staat,
der heute wesentlich mehr Geld für Zinsen ausgibt als
für Forschung und Entwicklung.


(Zuruf von der SPD: Woher kommt das denn, Herr Stoiber?)


Erstarrte Arbeitsmarktregelungen verhindern das Ent-
stehen neuer Arbeitsplätze. Mit der Erweiterung werden
jetzt die Versäumnisse auch Ihrer Politik offen gelegt.
Jetzt zeigt sich: Die Strukturkrise, die unser Land er-
schüttert, ist natürlich auch hausgemacht.

Bei den Beitrittsverhandlungen haben Sie wichtige
deutsche Interessen nicht durchgesetzt:


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Erstens. Sie, Herr Bundeskanzler, haben versäumt, im
Zuge der EU-Osterweiterung Leitplanken für einen fai-
ren Steuerwettbewerb in Europa aufzustellen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es darf nicht sein, dass hohe EU-Subventionen von ein-
zelnen Beitrittsstaaten dafür verwendet werden, ihre
eigenen Steuersätze künstlich niedrig zu halten und so
Unternehmen von uns abzuwerben.


(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Fragen Sie einmal Herrn Waigel!)


Wissen Sie, Sie tun sich leicht: Sie stellen sich hier ein-
fach hin und beklagen – auch in verschiedenen Inter-
views – die Situation. Aber Sie sind der verantwortliche
Bundeskanzler: Sie müssen sie nicht nur beklagen, son-
dern Sie müssen sie ändern. Sie hätten das in die Ver-

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(C (D andlungen einbringen können, aber das hat bei den Verandlungen keine Rolle gespielt. ir wollen einen fairen Steuerwettbewerb. – Ich glaube, ie können heute nicht mehr auf Waigel verweisen. Über ie damalige Situation ist die Zeit hinweggegangen. – ir werden es nicht schaffen, einheitliche Mindest teuersätze in Europa zu erreichen. Es wird uns auch icht gelingen, einen Korridor wie bei der Mehrwertteuer zu errichten. Das werden wir bei den direkten teuern nicht schaffen; das wissen Sie ganz genau. Desegen ist es unredlich, wenn Sie der Bevölkerung sagen, as sei möglich. Das ist nicht möglich. Also müssen wir inen anderen Weg gehen. In den Beitrittsverhandlungen hätten Sie, Herr Bun eskanzler, eine Ergänzung des EU-Verhaltenskodex geen unfairen Steuerwettbewerb durchsetzen können. Ein and, das im Verhältnis zu seiner Wirtschaftskraft auf in Mindestmaß an Steuereinnahmen verzichtet – das ist as Entscheidende –, darf doch keine EU-Höchstfördeung mehr erhalten. Das passt nicht zusammen! err Bundeskanzler, Sie haben hierzu eine falsche Sichteise. Sie wollen Steuermindestsätze. Diese einzuführen st aber nicht möglich. Worin liegt das Problem? Alle Ziel-1-Gebiete können rhebliche Fördermittel erhalten. 50 Prozent der Investiionen werden von der Europäischen Union bezuschusst. er Zuschuss der Europäischen Union für Infrastrukturaßnahmen wie den Bau von Straßen und Brücken eträgt bis zu 80 Prozent. Wer so viel Geld aus der euroäischen Kasse haben möchte, müsste, um es zu bekomen, seiner Bevölkerung auch ein Mindestmaß an Steurn auferlegen. Sonst verstehen die Menschen in nserem Lande nicht, dass sie mit ihren Steuern letztlich teuerdumping finanzieren sollen. Das ist das Problem. (Beifall bei der CDU/CSU – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Unsinn! Die haben ein ganz anderes System! – Weiterer Zuruf von der SPD: Europa als Tante-Emma-Laden!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU)


as wir brauchen, sind niedrige Steuern in Deutschland
nd einen fairen Wettbewerb in Europa. Das sind zwei
eiten einer Medaille.
Hinzu kommt: Durch diese Versäumnisse schädigen

ie vor allem die noch nicht so wettbewerbsfähigen Re-
ionen in den neuen Bundesländern. Hier fällt das Feh-
en der Leitplanken noch stärker ins Gewicht als in Stutt-
art oder München. Wer den Aufbau Ost zur Chefsache
rklärt, hätte sich gerade dabei stärker engagieren müs-
en.
Zweitens. Genauso wenig haben Sie, Herr Bundes-

anzler, ein messbares Engagement für die Grenzregio-
en von Greifswald im Norden bis Passau im Süden ge-
eigt. Auch gegen das extreme Fördergefälle an der
ayerisch-tschechischen Grenze haben Sie entgegen Ih-
en Versprechungen nichts unternommen. Hier gibt es






(A) )



(B) )


Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber (Bayern)


das spezielle Problem, dass ein Ziel-1-Gebiet, also ein
Höchstfördergebiet, an ein Nichtfördergebiet anschließt,
was Verwerfungen von bis zu 50 Prozent bedeutet. Da-
bei lassen Sie uns völlig alleine. Ohne die Unterstützung
der Bundesregierung und der Europäischen Union ist das
auf Dauer nicht zu bewältigen. Sie haben Versprechun-
gen gemacht, die Sie aber nicht eingelöst haben. Das
schafft in diesen Grenzregionen ganz gewaltigen Ver-
druss gegenüber der europäischen Erweiterung, was uns
allen Schwierigkeiten macht.


(Beifall bei der CDU/CSU – Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Wer ist da Ministerpräsident? – Weiterer Zuruf von der SPD: Das ist doch Ihre Aufgabe!)


Drittens. Selbstverständlich liegt es in unserem Inte-
resse, dass die Beitrittsländer das Wirtschafts- und
Wohlstandsgefälle schnell verkleinern können. In einem
vernetzten Binnenmarkt wird es natürlich immer
Arbeitsplatzverlagerungen aus Deutschland und den
anderen alten EU-Staaten in die neuen Mitgliedstaaten
geben. Es ist aber nicht akzeptabel, dass für die bloße
Verlagerung von Arbeitsplätzen EU-Höchstfördersätze
gezahlt werden, die noch dazu im Wesentlichen wie-
derum vom deutschen Steuerzahler aufgebracht werden.

Wir haben im Zuge der deutschen Einheit unsere Er-
fahrungen mit Unternehmen gemacht, die Subventionen
nicht zur Schaffung neuer Arbeitsplätze genutzt haben,
sondern für die es bei der Verlagerung bestehender Ar-
beitsplätze nur um Mitnahmeeffekte ging.


(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Na so was! Eine neue Erkenntnis!)


Es war ein schwieriger Prozess, bis das in Deutschland
zwischen den Ministerpräsidenten und der Bundesregie-
rung geregelt werden konnte. Es hat lange gedauert, bis
wir es abgestellt haben, dass reine Arbeitsplatzverlage-
rungen über ein paar Kilometer hinweg, was dem Ar-
beitsmarkt in Deutschland in keiner Weise einen Mehr-
wert bringt, mit teuren Subventionen bezahlt wurden.

Diese Erfahrungen aus der deutschen Einheit hätten
Sie in die Beitrittsverhandlungen einbringen müssen. Es
bringt Europa nichts, wenn durch einen Subventions-
wettlauf Arbeitsplätze nicht neu geschaffen, sondern nur
innerhalb Europas verschoben werden. Leider ist es
nämlich folgendermaßen: Wenn jemand einen Betrieb
von Cham nach Eger verlegt, dann erhält er aus Brüssel
eine Investitionshilfe in Höhe von 50 Prozent. Das hät-
ten Sie in den Verträgen verhindern müssen. Diese kon-
kreten Dinge bewegen die betroffenen Menschen.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verhindern Sie mal, dass Herr Müller nach Österreich zieht!)


Bei den großen Themen sind wir uns sehr schnell einig.
Die Menschen fühlen sich aber bei den angeblich klei-
nen Themen, die für sie in bestimmten Bereichen von
existenzieller Bedeutung sind, von der Politik verlassen.
Es geht eben nicht, nur die großen Dinge positiv anzu-
sprechen – da sind wir uns schnell einig – und die angeb-
lich kleinen Dinge unter den Tisch zu kehren. Das haben

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(C (D ie meines Erachtens hier getan, indem Sie das nicht mit ufgenommen haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie mal über Herrn Müller!)


Herr Bundeskanzler, Sie begrüßen den Verfassungs-
ertrag vorbehaltlos. Richtig ist natürlich – wir haben
ns darüber intensiv ausgetauscht –, dass die europäi-
che Integration und die Handlungsfähigkeit durch die-
en Verfassungsvertrag gestärkt werden. Es gibt aber
och einige Mängel im Verfassungsvertrag. Sie haben es
ersäumt, elementare deutsche Interessen in den EU-
erfassungsvertrag einzubringen.


(Dr. Angela Merkel [CDU/CSU]: So ist es! – Gernot Erler [SPD]: Was denn noch alles? – Weiterer Zuruf von der SPD: Man kann es fast nicht mehr hören!)


ie haben sich nicht für das Erfordernis der Einstimmig-
eit in der Ausländer- und Asylpolitik der EU einge-
etzt. Dieses Thema ist für Deutschland von höchstem
nteresse. Über unsere Köpfe hinweg darf nicht entschie-
en werden, wer nach Deutschland zuwandern darf und
er nicht.
Herr Bundeskanzler, ich werfe Ihnen vor, dass
eutschland als einziges Land in der Europäischen
nion nur ein Thema, nämlich das der doppelten Mehr-
eit, eingebracht hat. Bei der doppelten Mehrheit haben
ir keine Meinungsverschiedenheiten. In der Sorge,
ass damit das Paket wieder aufgeschnürt werden würde
nd somit der europäische Verfassungsvertrag in Gefahr
eriete, haben Sie keine anderen Themen eingebracht.
ies war falsch. Die meisten anderen Länder haben wei-
ere Fragen in den Diskussionsprozess eingebracht, die
och zur Abstimmung und Entscheidung anstehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das will ich
it Beispielen belegen: Sie haben sich in den letzten
hasen nicht für die Festschreibung der Preisstabilität
nd der Unabhängigkeit der Europäischen Zentral-
ank in der Verfassung eingesetzt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

ir sind natürlich betroffen; denn es war das Verdienst
on Theo Waigel und der Regierung Kohl, dass der Sta-
ilitätspakt die Grundvoraussetzung für die Einführung
es Euro gewesen ist. Wenn man diesen Stabilitätspakt
urch die Nichtaufnahme der Preisstabilität in die Ziele
er europäischen Verfassung nun einer Gefahr aussetzt,
ann können wir hier nicht schweigen. Wir müssen Ih-
en das kritisch entgegenhalten.
Unseres Erachtens hätten Sie sich zumindest auch da-

ür einsetzen müssen, den Gottesbezug, wie er in der
räambel des Grundgesetzes steht, in den europäischen
erfassungsvertrag aufzunehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wir auch getan haben!)







(A) )



(B) )


Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber (Bayern)


Viele der Positionen, die die CDU/CSU als Ergän-

zung zu diesem Vertrag vorgeschlagen hat, entsprechen
wesentlichen britischen Positionen. Ich bin sehr ge-
spannt darauf, wie sich Tony Blair mit diesen Forderun-
gen auseinander setzen wird. Ich kann ihm im gemeinsa-
men Interesse nur viel Glück wünschen. Ich habe heute
schon das Gefühl, dass wir in manchen Fragen von
Wolfgang Schüssel und von Tony Blair besser vertreten
werden als von Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch bei der SPD)


So wie die Wiedervereinigung Deutschland grundle-
gend verändert hat, wird auch die Osterweiterung die
Europäische Union grundlegend verändern. Die Wirt-
schaftskraft der meisten Beitrittsländer beträgt nicht
einmal die Hälfte des EU-Durchschnitts. Die EU wird
viel größer und die Unterschiede zwischen den Mitglied-
staaten nehmen enorm zu. Das stellt uns vor riesige neue
Herausforderungen.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Freude ist Ihnen ins Gesicht geschrieben!)


Europa muss sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren,
sonst überfordert sich die Europäische Union selber und
wird unfinanzierbar.

Herr Bundeskanzler, auch heute sind Sie und vor al-
len Dingen der Bundesaußenminister wieder nachdrück-
lich für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit
der Türkei eingetreten. Ich schätze Ihre Argumente, be-
sonders die, Herr Bundesaußenminister, die Sie hier ein-
gebracht und im Laufe der letzten Jahre immer wieder
vorgetragen haben, nicht gering. Die kann man mit Si-
cherheit nicht einfach abtun. Das tue ich auch nicht.
Aber ich sage Ihnen, dass Europa nach der Osterweite-
rung eine Phase der Konsolidierung benötigt. Die Er-
weiterungsfähigkeit der EU ist mit Abschluss der Ost-
erweiterung – hinzu kommen noch Bulgarien und
Rumänien, vielleicht auch Kroatien – an eine Grenze ge-
langt.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir reden von Verhandlungen, nicht von Beitritt!)


Der EU-Beitritt der Türkei überfordert die Integrations-
fähigkeit Europas.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Europa hat geographische, geschichtliche und kulturelle
Grenzen. Wer diese Grenzen überschreitet, der gefährdet
die politische Union Europas.


(Gernot Erler [SPD]: Das können Sie gar nicht wissen!)


In der auch in Berlin angesehenen „FAZ“ steht im
heutigen Leitartikel zur EU – ich darf daraus einige
Sätze zitieren –:

Der Identitäts- und Finalitätsdebatte darf sie nicht
länger ausweichen, denn aus Größe wird nicht auto-

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(C (D matisch Stärke. ... Wer in dieser Zeit auch noch den Beitritt eines großen nichteuropäischen Landes betreibt, (Michael Glos [CDU/CSU]: So ist es: nicht europäisch!)

das ganz andere Wurzeln hat, riskiert alles; er
macht aus der Möglichkeit des Scheiterns der euro-
päischen Einigung eine Wahrscheinlichkeit.

as ist unsere entscheidende Sorge, Herr Bundeskanzler.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das müssen Sie Herrn Berlusconi sagen!)


Ich sehe das auch im Zusammenhang mit den Kopen-
agener Kriterien nicht so positiv wie Sie. Nicht nur die
irtschaftlichen Fragen sind hier sehr offen. Ich wun-
ere mich, Herr Fischer, dass Sie die offensichtlichen
robleme der Türkei bei der Achtung der Menschen-
echte völlig ausblenden bzw. sie hier überhaupt nicht
nsprechen.


(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ie reden darüber, ein Land in die Europäische Union
ufzunehmen, aus dem 6 000 Asylbewerber kommen,
ie wir zum Teil aufgrund von Gerichtsurteilen nicht ab-
chieben können. Es ist geradezu eine Schizophrenie,
arüber reden zu wollen, dieses Land aufzunehmen,
enn dort noch solche Zustände herrschen. Das verste-
en die Menschen nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU – Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Also doch Populismus!)


Unser Angebot einer privilegierten Partnerschaft
st genau das, was die Türkei braucht. Damit können wir
ie gemeinsamen strategischen Ziele erreichen. Europa
st nicht in erster Linie eine militärische Aktion. Dafür
aben wir andere Instrumente. Wenn Sie diese militäri-
chen und sicherheitspolitischen Fragen in dieser Weise
nsprechen, Herr Bundesaußenminister, vergessen Sie,
ass das die Integrationsfähigkeit Europas völlig über-
ordert. Sie müssen endlich einmal mit der Debatte be-
innen: Wo liegen die Grenzen Europas? Europa kann
icht grenzenlos sein. Wenn Sie nur auf die Kopenhage-
er Kriterien abheben, dann könnten Sie letzten Endes
uch Japan aufnehmen; denn es erfüllt die Kopenhage-
er Kriterien.


(Beifall bei der CDU/CSU – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wird es aber absurd!)


In aller Sachlichkeit: Die Bürger haben die Möglich-
eit, sich hierzu zu äußern. Das werden sie bei der Euro-
awahl am 13. Juni tun. Sie haben Ihre Meinung und wir
aben unsere Meinung. Wir werden unsere Argumente
uf den Tisch legen, damit dann die Menschen ihr Votum
bgeben können.






(A) )



(B) )


Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber (Bayern)



(Beifall bei der CDU/CSU – Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf den Stammtisch!)


Ich halte fest: Wir sind ein erhebliches Stück weiter.
Morgen ist ein großer Tag.


(Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Freude steht Ihnen ins Gesicht geschrieben!)


Aber Ihre Europapolitik ist von großen Versäumnissen
gekennzeichnet. Die deutschen Interessen werden von
Ihnen nicht in dem Maße eingebracht, wie es notwendig
wäre. Das ist bedauerlich. Darauf werden wir immer
wieder hinweisen und den Finger in die Wunde legen.

Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1510601200

Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege

Westerwelle das Wort.


Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1510601300

Frau Präsidentin! Herr Ministerpräsident, es ist auch

aus Sicht der Freien Demokraten vielem zuzustimmen,
was Sie in Ihrer Rede gesagt haben. Zu einem Punkt
möchte ich nachfragen. In Agenturmeldungen werden
Äußerungen des Bundeswirtschaftsministers wiederge-
geben, die denselben Tenor wie das haben, was Sie in Ih-
rer Rede gesagt haben. Ich beziehe mich auf das Ge-
spräch des Bundeswirtschaftsministers, das er mit der
„Financial Times“ geführt hat. Ich habe die Frage, ob
das die neue Stoßrichtung werden soll, die ich jedenfalls
sehr sorgenvoll kommentieren möchte.

Es wird nämlich ein Zusammenhang zwischen den
Steuersätzen der einzelnen Mitgliedstaaten der Europäi-
schen Union und den EU-Fördergeldern hergestellt, die
andere Mitgliedsländer der Europäischen Union bekom-
men. Ich bitte darum, einmal zu Ende zu denken, welche
Konsequenzen sich aus der Herstellung eines solchen
Zusammenhangs ergeben. Logisch folgt, dass diejenigen
Länder, die niedrigere Steuern als die Geberländer in Eu-
ropa haben, ab sofort keine Fördergelder mehr erhalten
könnten.

Ich glaube, dass es nicht der richtige Ansatz ist, Län-
dern, die niedrigere Steuern als Deutschland haben und
in denen deswegen Investitionen getätigt werden, die
EU-Fördergelder zu streichen. Es ist nach wie vor ver-
nünftiger – das war eigentlich auch immer der gemein-
same Weg der Opposition –, dafür zu sorgen, dass wir in
Deutschland ein wettbewerbsfähiges Steuerrecht haben.
Das ist in Wahrheit die Antwort auf den europäischen
Steuerwettbewerb, dem wir uns durch strukturelle Refor-
men im Inneren stellen müssen.


(Beifall bei der FDP)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1510601400

Herr Kollege Westerwelle, Sie hätten mich falsch ver-

standen, wenn Sie mir unterstellen würden, ich würde

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(C (D indeststeuersätze verlangen. Jedes Land hat ein Brutonationaleinkommen. Es müsste aber insgesamt noch arüber gesprochen werden: Wenn in einem Land der urchschnittssteuersatz aller Länder im Verhältnis zum ruttonationaleinkommen deutlich unterschritten wird, ann kann dieses Land nicht verlangen, die volle Fördeung für die Maßnahmen, die von Brüssel gefördert weren können, zu erhalten. Der einzige Weg, dies zu erreihen, führt über das Beihilferecht, über das in Europa brigens mit Mehrheit entschieden werden kann und das icht dem Einstimmigkeitsprinzip unterliegt. Es geht nicht, dass ein Land die Steuern niedrig hält nd sich bewusst armrechnet, gleichzeitig aber Förderelder aus Europa erhält. Das wäre unerträglich. Dem üssen wir einen Riegel vorschieben. Das bedeutet aber icht, dass wir einen Mindeststeuersatz vorgeben. Vielehr muss innerhalb der Europäischen Union ein teuersatz ausgehandelt werden, der in einem angemesenen Verhältnis zum Bruttonationaleinkommen steht. onst könnte beispielsweise ein Land mit einem Steueratz von 5 Prozent, der in keinem Verhältnis zu seinem ruttonationaleinkommen steht, Subventionen in Anpruch nehmen, die wir bezahlen. Das verstehen die eute nicht. Ich möchte nicht, dass die Arbeitsplatzveragerung auf diese Weise von Deutschland bezahlt wird. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Günter Gloser. Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und erren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe geusst, dass ich nach dem Ministerpräsidenten Stoiber prechen werde. Ich habe gedacht, dass sich auch Bayern ber den historischen morgigen Tag freuen könnten, aber s ist fast so gekommen, wie man es befürchtet hat: Herr toiber hat wieder nur Wasser in den Wein gegossen. as ist das Prinzip, das er durchgehalten hat. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1510601500
Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1510601600

Herr Ministerpräsident, ich habe mir gedacht, dass
ie vielleicht doch noch die Kurve kriegen. Sie haben
eute eine Rückschau vorgenommen. Dazu muss ich
ber Folgendes feststellen:
In den letzten Jahren waren aus Ihrem Munde und aus

hrer Regierung immer wieder missverständliche Töne
u hören. Ich erinnere mich noch an den Regierungs-
echsel und an Ihr populistisches Geschrei im Zusam-
enhang mit der Erweiterung. Sie haben Ängste insze-
iert.
Ich bin vollkommen Ihrer Auffassung, dass es die

flicht der Politikerinnen und Politiker ist, die Ängste
nd Sorgen der Bürger aufzugreifen. Aber es ist auch
ie Schuldigkeit von Politikern, keine Ängste zu schü-
en.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Günter Gloser

Ich wollte auf vieles gar nicht eingehen, weil ich nicht

in eine Sonntagsrede verfallen wollte. Aber angesichts
der von Ihnen vorgetragenen Argumente – Sie haben
festgestellt, dass die Bundesregierung Deutschland nicht
gut auf die Erweiterung vorbereitet habe; des Weiteren
haben Sie das Stichwort „hohe Staatsverschuldung“ ge-
nannt – muss ich Sie fragen, Herr Ministerpräsident
Stoiber: Was haben Sie getan,


(Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident [Bayern]: Abgebaut!)


als Ihre Parteifreunde bis 1998 die Regierung gestellt ha-
ben? Wo haben Sie Ihren Einfluss geltend gemacht?


(Dr. Edmund Stoiber, Ministerpräsident [Bayern]: Wir haben die wenigsten Schulden!)


Sie haben nämlich nichts gemacht.

(Beifall bei der SPD)


Ich komme zu einem weiteren Punkt, zur Terminset-
zung. Ich kann mich noch an Debatten aus dem Jahr
1999 erinnern, als bestimmte Kolleginnen und Kollegen
– nicht alle, aber bestimmte – verbreitet haben, die Bun-
desregierung sei nicht für den raschen Beitritt, und zwar
nur deshalb, weil wir kein Beitrittsdatum genannt haben.
Die Koalition hat aber immer wieder erläutert, dass zu-
nächst einmal die Voraussetzungen für den Beitritt ge-
schaffen werden müssten, dass wir die Beitrittsländer
dabei unterstützen wollten und dass wir einen konkreten
Beitrittstermin nennen würden, sobald die Voraussetzun-
gen erfüllt seien.

Es war doch Herr Kohl, der beispielsweise Polen den
Beitritt für das Jahr 2000 zugesagt hatte. Was ist denn
daraus geworden? Letztlich ist daraus das Jahr 2004 ge-
worden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Auch das sollte man an einem solchen Tag ansprechen;
denn ein Ministerpräsident hat die Schuldigkeit, bei der
Wahrheit zu bleiben, statt die Fakten zu verdrehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Im Europaausschuss wurden mehrfach Anhörungen
zu der Frage durchgeführt, wie die Erweiterung der EU
innenpolitisch abgefedert werden kann. In den Anhörun-
gen wurde beispielsweise die Frage der Arbeitnehmer-
freizügigkeit erörtert. Man könnte zwar auch die Mei-
nung vertreten, es seien keine Übergangsfristen
hinsichtlich der Arbeitnehmerfreizügigkeit notwendig,
der Markt werde das regeln; aber der Bundeskanzler hat
sich für die Übergangsfristen eingesetzt und sie mit die-
ser Bundesregierung durchgesetzt.

Ich lebe weder auf der Venus noch auf dem Mars,
sondern auf dieser wunderschönen Erde. Aber Sie ver-
drehen alles. Selbstverständlich haben Herr Fischer und
die Beteiligten


(Joseph Fischer, Bundesminister: Teufel!)

viele der heute angesprochenen Punkte in den Konvent
eingebracht und offensiv versucht, sie durchzusetzen.

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(C (D as ist doch unstrittig. Aber wegen des Machtgefälles wischen CDU und der CSU meinen Sie, auf diesen Beeich anspielen zu müssen. Lassen Sie mich noch etwas zu dem Punkt anspre hen, den der Kollege Westerwelle vorhin thematisiert at. Ich glaube, Sie haben in der europäischen Steuerpoitik eine Wandlung vom Saulus zum Paulus vollzogen. isher haben Sie – wenn ich Sie richtig verstanden abe – die Meinung vertreten, der Regelungswut der rüsseler Bürokraten müsse Einhalt geboten werden, die ationalen Kompetenzen müssten gegen die Fremdbetimmung durch europäische Technokraten verteidigt erden und überall lauere der Zentralismus. Auf einmal aber fordert Stoiber einen riesigen Inte rationssprung, die Steuerharmonisierung und die Einührung der EU-Kompetenz für die direkten Steuern. as ist der Beweggrund des Herrn Stoiber: ein echter rkenntnisgewinn oder Populismus? Ich fürchte, Letztees. Neu ist die Erkenntnis nämlich nicht, dass es in inem integrierten Wirtschaftsraum mit einheitlicher ährung, einer koordinierten Wirtschaftsund Hausaltspolitik sowie mit einer gemeinsamen Wettbewerbsolitik für die direkten Steuern einen Rahmen auf EUbene geben muss. Diese Position vertritt die SPD seit angem. Herr Stoiber hätte diese Erkenntnis schon vor inigen Jahren, etwa im Zuge anderer Erweiterungschritte, gewinnen können. Wir haben mit Blick auf den Verfassungskonvent 002 unsere Forderung erneuert, den Einstieg in eine tärkere Harmonisierung der Steuerpolitik insbesondere urch einen verbindlichen Rahmen für Grundsätze einer ealitätsgerechten Gewinnermittlung, gemeinsamer Beertungsstandards und Mindestsätze bei der Unternehensbesteuerung zu vollziehen. Sie aber haben erst in en vergangenen Tagen einen Vorschlag nach dem andeen produziert. Zuerst sollte es Mindestsätze bei den Einommensteuern geben. Dann haben Sie die EU-Kompeenz für die Einkommensteuer gefordert. Der nächste orschlag sah Mindestsätze bei der Unternehmensbeteuerung vor. Dann haben Sie gefordert und gerade hier iederholt, die Mitgliedstaaten sollten verpflichtet weren, die Mindestfinanzierung staatlicher Aufgaben urch eigene Steuern gemessen als Anteil des Steueraufommens am Bruttonationaleinkommen nicht zu unterchreiten. So etwas schlägt der Vorsitzende und damit er Repräsentant einer Partei vor, (Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Der Sorge um die Ängste der Menschen hat!)


er sich noch im Europawahlprogramm sinngemäß für
in Europa des Wettbewerbs eingesetzt und sozialisti-
che Vorstellungen eines zentralistischen Europas der
evormundung abgelehnt hat. So ist Herr Stoiber. Ich
öchte keinen Ausflug in die Tierwelt machen, wie das
in Vorgänger von Ihnen immer gerne gemacht hat. Aber
an kann es nicht ständig einmal so und einmal so dar-
tellen, und das jedes Mal auf schillernde Weise. Das
eichnet die Union in diesen Tagen aber auch auf ande-
en Politikfeldern aus.






(A) )



(B) )


Günter Gloser


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Sie nehmen die Ängste der betroffenen Menschen nicht ernst! – Gegenruf von der SPD: Quatsch!)


– Kollege Hinsken, wir haben uns in den Grenzregio-
nen umgesehen. Die Zahlen, die Herr Stoiber in diesem
Zusammenhang nennt – meistens ist es ja nur eine –,
stimmen nicht; denn er blendet die Gelder aus, die die
Europäische Union im Rahmen von Interreg sowie im
Zusammenhang mit den Ziel-1- und den Ziel-2-Gebieten
zur Verfügung stellt, wovon auch Bayern profitiert. Das
sollte ebenfalls nicht verschwiegen werden. Ich könnte
noch viel mehr zur Förderung der Grenzregionen sagen,
aber ich habe jetzt keine Zeit mehr.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Die Bundesregierung tut doch gar nichts mehr für die Grenzräume!)


Ich möchte ganz klar sagen: Die bevorstehende Er-
weiterung der Europäischen Union ist eine Antwort der
Politik. Hieran wird deutlich, dass die Politik Antworten
auf Herausforderungen finden kann. Deshalb war und
ist, glaube ich, das große Projekt der Erweiterung bei
Regierung und Opposition – ganz gleich wer diese Rol-
len einnimmt – grundsätzlich unumstritten gewesen.
Viele Regierungen der neuen Mitgliedsländer haben zum
Gelingen beigetragen, genauso wie viele Persönlichkei-
ten. Es hat viele Heldinnen und Helden des Alltags gege-
ben, die diesen Prozess vorangetrieben haben. Ich sage
ganz bewusst: Diese Heldinnen und Helden sind mir lie-
ber als manch einer, der in einer Abendsendung durch
ein Dschungelcamp rutscht. Diejenigen, die den europäi-
schen Prozess vorangetrieben haben, sind Vorbilder.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Da ich nicht mehr ganz so jung wie Herr Westerwelle
bin, habe ich als Kind den Radioberichten lauschen kön-
nen, als hier in Berlin die Mauer gebaut wurde. Ich habe
auch über den Rundfunk von der Niederschlagung des
Prager Frühlings erfahren und die Solidarnosc-Bewe-
gung miterlebt. Ich bekenne mich dazu, dass ich 1969
wegen der Friedens- und Ostpolitik Willy Brandts in die
SPD eingetreten bin, weil ich mich engagieren wollte.
Später haben wir uns eigentlich immer weiter von dem
Ziel, die Spaltung zu überwinden, entfernt. Aber plötz-
lich gab es 1989 dieses Wunder.

Wir sollten das, was morgen und in den nächsten Wo-
chen geschieht, auch im Hinblick auf die Europawahl
am 13. Juni dieses Jahres nicht klein reden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir, die wir einer Generation angehören, die nicht den
Krieg erleben musste, genauso wie viele nach uns Gebo-
rene, sollten für die nun gewonnenen Perspektiven dank-
bar sein. Wir sollten nicht vergessen, wie viele Lebens-
perspektiven früherer Generationen durch Kriege jäh
und für immer zerstört wurden. Ich persönlich bin jeden-
falls den Politikerinnen und Politikern dankbar – ganz

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(C (D leich welcher Partei sie angehörten bzw. angehören –, ie nach 1945 diese Friedenspolitik eingeleitet und bis um heutigen Tage fortgesetzt haben. Lassen Sie mich noch auf einen letzten Aspekt einge en. Außerhalb Europas wird mit großen Augen auf den uropäischen Prozess der friedlichen Entwicklung und es friedlichen Zusammenwachsens geschaut. Es gibt ndere Regionen in der Welt, die einen solchen Prozess icht verwirklichen können, obwohl dort eine einheitlihe Sprache gesprochen wird. Ich denke, das geeinte Euopa hat nun die Chance, für diese Bereiche etwas zu un. Ich schließe mit einem Zitat von Vaclav Havel aus em Jahre 1996. Er hat gesagt: Die einzige sinnvolle Aufgabe für das Europa des nächsten Jahrtausends besteht darin, … seine besten geistigen Traditionen ins Leben zurückzurufen und dadurch auf eine schöpferische Weise eine neue Art des globalen Zusammenlebens mitzugestalten. ch freue mich auf jeden Fall ab 1. Mai mit unseren euen Nachbarn. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1510601700

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Gesine Lötzsch.


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1510601800

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
erren! Sehr geehrte Gäste! Wir als PDS haben uns im-
er für die Erweiterung der Europäischen Union einge-
etzt. Wir waren auch Vorreiter, wenn es um eine faire
ooperation mit den zehn Beitrittsländern ging. Wir hal-
en den Beitritt dieser Länder für einen großen kulturel-
en und auch menschlichen Gewinn.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

ir haben im Europäischen Parlament für den Beitritt
er Länder, die von morgen an Mitglieder der EU sind,
earbeitet. Wir werden unsere Arbeit für diese neuen
itgliedsländer auch nach der Europawahl am 13. Juni
ieses Jahres verstärkt fortsetzen.
Doch es ist nicht zu leugnen, dass viele Menschen in
st und in West die Erweiterung der Europäischen
nion mit sehr gemischten Gefühlen sehen. Viele Bür-
erinnen und Bürger in unserem Land wissen nicht, was
ie erwartet. Viele haben Angst um ihren Arbeitsplatz.
ber das ist nicht nur bei uns so, sondern auch in den
eitrittsländern. Ich war in der vergangenen Woche in
er Tschechischen Republik unterwegs. Auch dort haben
ie Menschen besorgt nach der Zukunft ihres Arbeits-
latzes gefragt. Ich finde, diese Ängste müssen von den
egierungen sehr ernst genommen werden; denn viele
enschen haben das begründete Gefühl, dass die Regie-

ungen kein Konzept haben, wie sie mit der Erweiterung
mgehen wollen.






(A) )



(B) )


Dr. Gesine Lötzsch

Wir, die PDS, haben seit Jahren darauf gedrungen,

dass Europa nicht nur eine Währungs- und Wirtschaftsu-
nion sein darf, sondern auch eine Sozialunion werden
muss.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Die Entwicklung einer Sozialunion hat die Bundesregie-
rung sträflich vernachlässigt. Sie haben vieles dem
Markt überlassen und wundern sich jetzt, dass diese
Marktmechanismen in ihrer ganzen Brutalität greifen.
Jetzt beginnt der Bundeskanzler, sich über niedrige Steu-
ersätze, ruinösen Subventionswettlauf und Dum-
pinglöhne zu wundern. Doch diese Entwicklung war ab-
sehbar und es ist nichts dagegen unternommen worden.
Das ist grob fahrlässig.

Frau Merkel hat in der Debatte heute Morgen gefor-
dert, endlich Niedriglöhne einzuführen. Ich frage mich,
wo Frau Merkel eigentlich lebt. Kennt sie nicht die Zah-
len, die Stundenlöhne im Osten? Dort gibt es längst ei-
nen Niedriglohnsektor. Das wird hier verschwiegen.
Stattdessen redet sie über Niedriglöhne.

Nun ein Wort zu Herrn Stoiber. Ich halte es wirklich
für unverantwortlich, Herr Ministerpräsident Stoiber,
den neuen Mitgliedern vorzuwerfen, dass sie sich ihre
Infrastruktur über die EU finanzieren lassen und dass sie
ihren Eigenbeitrag durch niedrige Steuersätze gering
halten wollen. Der Kollege Westerwelle ist in seiner
Kurzintervention völlig zu Recht darauf eingegangen,
dass es sich hierbei um eine böswillige Irreführung der
Öffentlichkeit handelt; denn die Beitrittsländer müssen
den gleichen Prozentsatz ihrer Wirtschaftsleistung wie
die jetzigen Mitgliedsländer als Beitrag an den EU-
Haushalt abführen. Herr Stoiber, das wissen auch Sie;
und wenn Sie das nicht wissen sollten, lassen Sie es sich
von Ihren Kollegen erklären.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Da hat man Ihnen einen schönen Quatsch aufgeschrieben!)


Auch die Beitrittsländer müssen die Kofinanzierung auf-
bringen, um die EU-Strukturfonds überhaupt in An-
spruch nehmen zu können.

Wir von der PDS begrüßen ausdrücklich den Beitritt
der zehn Länder zur Europäischen Union. Doch uns
macht die schlechte Vorbereitung dieser Beitritte große
Sorgen. Die Bundesregierung darf sich nicht länger auf
den Markt verlassen, sondern muss sich in der Europäi-
schen Union für eine Steuerharmonisierung, für Min-
destlöhne und für Sozialstandards einsetzen. Das kostet
natürlich Geld. Doch Geld ist bekanntlich genug da, nur
schlecht verteilt.

Nach dem Ende des Kalten Krieges sprach man gern
von einer Friedensdividende. Der Kalte Krieg war für
alle Seiten ausgesprochen kostspielig. Der Frieden
kommt uns allen aber billiger. Doch man fragt sich: Wo
ist die Friedensdividende geblieben? Es hat sie gegeben;
doch sie wurde nur für Aktienbesitzer ausgeschüttet.
Siemens ist ein gutes Beispiel. Siemens hat nach dem
Mauerfall in Polen, in Ungarn und in der Tschechischen
Republik massiv investiert. Das hat sich für Siemens ge-
lohnt. Die Kosten für einen deutschen Ingenieur betra-
gen rund 50 Euro pro Stunde, die für einen ungarischen
knapp 8 Euro.

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(C (D Für viele deutsche Unternehmen ist die EU–Erweiteung, die morgen gefeiert werden wird, schon jetzt ein chter Gewinn. Ist es da nicht nur gerecht, wenn sich die ewinner der Erweiterung, die 100 Prozent der Frieensdividende eingestrichen haben, auch an den Kosten er Erweiterung beteiligen? Es muss verhindert werden, dass die Bundesregierung ie Fehler wiederholt, die beim Aufbau Ost gemacht urden. Es darf nicht darum gehen, die Beitrittsländer u gängeln und zu schurigeln. Es muss uns um gemeiname Lösungen für ein Europa gehen, in dem alle Menchen in Würde leben und arbeiten können. Vielen Dank. Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Gert eisskirchen. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! err Ministerpräsident, es tut mir Leid, sagen zu müsen: Sie haben die Chance, die darin steckt, den 1. Mai um Anlass zu nehmen, zu versuchen, dieses Europa neu u denken, in der Tat völlig vertan. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1510601900
Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID1510602000

Es ging Ihnen darum, etwas ganz anderes zu tun. Das
ollten Sie freimütig bekennen; allerdings haben Sie
azu offensichtlich nicht die erforderliche intellektuelle
edlichkeit.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Von wegen, Sie überheblicher Kerl! Sie sind ein überheblicher Kropf! Ätzende Arroganz von Weisskirchen! – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Eine intellektuell hervorragende Rede, der Sie nicht folgen konnten!)


Herr Hinsken, Sie bestätigen das durch Ihren Zwi-
chenruf. – Eigentlich wollten Sie eine nach innen ge-
ichtete polemische Rede halten. Nun gut, es ist Ihre Sa-
he, das in Bierzelten und anderswo zu tun.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Herr Weisskirchen, bei Ihnen gilt wohl: Wer nicht meiner Meinung ist, ist ein blöder Hund!)


er 1. Mai des Jahres 2004, Herr Hinsken, hat eine völ-
ig andere Qualität. Europa bekommt eine Chance, die es
och nie zuvor gehabt hat. Seit es überhaupt europäi-
ches Denken gibt, war Europa – Adam Krzeminski hat
as in den letzten Tagen in mehreren Zeitungsveröffent-
ichungen ganz deutlich beschrieben – immer ein Europa
es Trennens, des Teilens, des Vernichtens und des Ver-
chwindens. Das war das Europa, das wir bis 1945 erlebt
aben. Wir haben es jüngst auch noch in Südosteuropa
rlebt. Das ist ab morgen endgültig vorbei. Das ist am
. Mai 2004 vorbei.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Gert Weisskirchen (Wiesloch)


Das ist ein unglaublicher qualitativer Sprung. Und da
kommen Sie mit irgendwelcher innenpolitischer Pole-
mik daher!


(Beifall bei der SPD)

Das ist völlig unangemessen und passt nicht zur histori-
schen Situation. – Das war das Erste, was ich sagen
wollte.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Das war unter Niveau! Das war nicht mal das Niveau des Kanzlers!)


Das Zweite. Natürlich muss man die Ängste der Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder auch der klei-
nen und mittelständischen Unternehmen, die nicht nur
von uns hier beschrieben worden sind, ernst nehmen;
kein Zweifel. Es ist nicht nur die Absicht, sondern es ist
die Politik der Bundesregierung, alles zu tun, damit diese
Ängste wahrgenommen und aufgenommen, aber eben
nicht geschürt werden, wie der Kollege Gloser völlig zu
Recht gesagt hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das wurde mir bisher nicht vermittelt!)


– Herr Hinsken, es gibt natürlich auch Chancen. Gehen
Sie doch einmal zu Ihren Meisterkollegen anderer Hand-
werksberufe. Gehen Sie doch einmal an den Ostrand von
Bayern.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Da liegt mein Wahlkreis!)


Gehen Sie in Ihren Wahlkreis

(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Kommen Sie mal!)

und schauen Sie, welche Arbeitsteilung über die bisheri-
gen Grenzen hinweg stattfindet, welche Investitionen
von Ost nach West gehen und umgekehrt. Das ist genau
das Europa, das sich abzeichnet. Arbeitsteilung über die
Grenzen hinweg bringt solche ökonomischen Vorteile
auf beiden Seiten, dass Arbeit nachher viel mehr Chan-
cen hat, als das zuvor der Fall war. Das ist eine Perspek-
tive, die es noch nie gegeben hat, jedenfalls seitdem
dieses Europa getrennt war. Die Überwindung der Tren-
nung dieses Kontinents öffnet neue ökonomische Per-
spektiven. Das wird in den nächsten Monaten und Jahren
ganz plastisch die Erfahrung der Menschen sein. Wir alle
gemeinsam werden davon profitieren, dass der 1. Mai
2004 diese große qualitative Veränderung bringt, Herr
Hinsken.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Dann waren Sie wohl schon lange nicht mehr dort!)


Sehen Sie, welche Ängste es momentan im Osten Eu-
ropas gibt. Die erste Angst ist die, dass man auf lange Zeit
eine ökonomische Abhängigkeit erfahren und nicht die
Kraft aufbringen könnte, sich aus der Abhängigkeit des
Westens zu lösen. Das ist eine Angst, die anderswo be-
steht und die zur Kenntnis genommen werden muss. Das

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(C (D weite ist, dass die neuen Mitglieder das Gefühl haben, ie werden auf lange Zeit Mitglieder zweiter Klasse sein nd nicht den politischen Rang haben wie die alten Mitliedsländer der Europäischen Union. Die dritte Angst ist ie, dass die Verteilungsleistungen eingeschränkt weren, und zwar genau in dem Moment, in dem die Neuen itglieder der Europäischen Union werden. Diese drei Ängste stehen anderen drei Ängsten ge enüber, die in der Debatte heute schon beschrieben orden sind: Kosten der Erweiterung, Einschleusung on Immigranten, Absenken der europäischen Sozialtandards. Diese drei gegeneinander gerichteten Ängste on Ost und West haben mit der Realität aber dann ichts mehr zu tun, wenn die Politik vernünftige Ziele etzt sowie politische Schritte und Maßnahmen einleitet, amit die ökonomischen Chancen, die es in diesem Proess der Vereinigung gibt, sehr viel besser genutzt weren. Ich wage die Prognose: Herr Hinsken und alle andeen, die diese kritischen Punkte aus ihrer Sicht zunächst inmal durchaus zu Recht formulieren, Sie werden erleen, dass der Vereinigungsprozess für uns alle einen Geinn bringt, ökonomisch, politisch und nicht zuletzt uch kulturell. Das müssen wir an diesem 1. Mai 2004 uch deutlich sagen, Herr Hinsken, statt kleinkrämerisch uf diese Situation zu reagieren. (Beifall bei der SPD – Ernst Hinsken [CDU/ CSU]: Alles muss man berücksichtigen!)


Ich will ein meiner Meinung nach ernsthaftes Pro-
lem anschneiden: Schauen Sie sich einmal an, was von
ony Blair gestern in der „Süddeutschen Zeitung“ und
as von Jacques Chirac gestern in „Le Monde“ zu lesen
ar. Demzufolge wird es ein Problem geben, mit dem
ir uns noch viel ernsthafter beschäftigen müssen, als
as bislang der Fall war. Wir müssen nämlich versuchen,
en Begriff der Solidarität neu zu definieren. Das wird
ine große und anstrengende Aufgabe sein. Der Sprung
on der polnischen Solidarnosc hin zu einer neuen euro-
äischen Solidarität stellt nämlich einen qualitativen
prung dar.
Dafür wird es nicht nur zwingend erforderlich sein,

ie unterschiedlichen europäischen Sozialmodelle zu re-
ormieren – wir befinden uns da in Deutschland auf ei-
em guten Weg –, sondern es wird dabei auch die Frage
u beantworten sein, welche Mindestbedingungen für
in europäisches Sozialmodell zu definieren sind, das
ich dann am Ende der Debatte auch durchsetzen kann.
er Begriff von Solidarität muss also neu definiert wer-
en. Das ist eine schwierige Aufgabe, die vor uns liegt.
ch kann Ihnen sagen: Die Sozialdemokratie ist nicht nur
ereit, diese Debatte zu führen, sondern sie führt sie
chon. Beim Kongress der SPE ist diese Debatte schon
ngestoßen worden. Damit geben wir die richtige Ant-
ort auf die Herausforderungen, die nun durch den Ver-
inigungsprozess in der neuen und größeren Europäi-
chen Union auf uns zukommen.
Ich bitte deswegen darum – ich bin überzeugt, dass

ns das auch gelingen wird –, die Chancen, die sich aus
iesem qualitativen Sprung der Europäischen Union am
. Mai 2004 ergeben, ernst zu nehmen und zu nutzen
owie den Menschen, die am Ende der 80er-Jahre ihre






(A) )



(B) )


Gert Weisskirchen (Wiesloch)


Freiheit erkämpft haben, die Hand zu reichen. Wenn wir
so Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität gemäß den An-
forderungen der neuen Zeit definieren, können wir am
gemeinsamen Europa weiterbauen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1510602100

Danke schön. Ich schließe damit die Aussprache.
Der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf

Drucksache 15/2990 soll zur federführenden Beratung
an den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäi-
schen Union und zur Mitberatung an den Innenausschuss
überwiesen werden. Die Vorlagen auf den Drucksachen
15/2748, 15/2774 und 15/2973 sollen an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse überwiesen wer-
den, wobei die Vorlage auf Drucksache 15/2973 – Tages-
ordnungspunkt 19 e – an dieselben Ausschüsse wie die
Vorlage auf Drucksache 15/2748 – Tagesordnungs-
punkt 19 c – überwiesen werden soll. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überwei-
sungen so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 20 a und 20 b auf:
a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bun-

desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Anpassung des Baugesetzbuches

(Europarechtsanpassungsgesetz Bau – EAG Bau)

– Drucksache 15/2250 –

(Erste Beratung 86. Sitzung)


– Zweite und dritte Beratung des von den Abge-
ordneten Hans-Michael Goldmann, Daniel
Bahr (Münster), Rainer Brüderle, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion der FDP ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än-
derung des Baugesetzbuchs – § 246 –
– Drucksache 15/360 –

(Erste Beratung 46. Sitzung)


– Zweite und dritte Beratung des von den Abge-
ordneten Christian Freiherr von Stetten, Marita
Sehn, Manfred Grund und weiteren Abgeord-
neten eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes

(Kommunale Rechte bei Windkraftanlagen stärken)

– Drucksache 15/513 –

(Erste Beratung 75. Sitzung)


Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

(14. Ausschuss)

– Drucksache 15/2996 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Wolfgang Spanier
Peter Götz

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(C (D Franziska Eichstädt-Bohlig Joachim Günther b)

richts des Ausschusses für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen (14. Ausschuss) zu dem Antrag
der Abgeordneten Joachim Günther (Plauen),
Eberhard Otto (Godern), Horst Friedrich (Bay-
reuth), weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der FDP
Weitgehende Planungserleichterungen bei An-
passung des Baugesetzbuchs an EU-Richt-
linien
– Drucksachen 15/2346, 15/2996 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Wolfgang Spanier
Peter Götz
Franziska Eichstädt-Bohlig
Joachim Günther (Plauen)


Nach einer interfraktionellen Vereinbarungen ist für
ie Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Wi-
erspruch höre ich nicht. Dann ist so beschlossen.
Die Abgeordnete Petra Pau hat gebeten, ihre Rede zu

rotokoll geben zu dürfen. Sind Sie einverstanden? –
as ist der Fall.1)
Ich eröffne jetzt die Aussprache. Das Wort hat zu-

ächst der Abgeordnete Wolfgang Spanier.


Wolfgang Spanier (SPD):
Rede ID: ID1510602200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Wir haben gerade über die Leitlinien der euro-
äischen Politik gesprochen. Jetzt sprechen wir über
onkrete europäische Politik. Es geht nämlich um die
msetzung der europäischen Plan-UP-Richtlinie und der
ffentlichkeitsbeteiligungsrichtlinie in nationales Recht.
ch will gleich vorausschicken: Für uns ist das keine
flichtübung. Vielmehr wird das in beiden Richtlinien
ertretene Anliegen von uns inhaltlich voll und ganz un-
erstützt. Eine nachhaltige Bauplanung muss mögliche
mweltauswirkungen konsequent berücksichtigen. Des-
alb ist die Einführung einer förmlichen Umweltprü-
ung, wie sie in der europäischen Richtlinie vorgeschla-
en wird, grundsätzlich richtig. Ebenso richtig ist es, die
eteiligung der Öffentlichkeit europaweit vernünftig zu
egeln.
Die Umsetzung, die wir heute beschließen, ist beson-

ers für die 14 000 Kommunen wichtig, die mit dem
aurecht umgehen müssen. Wir haben von vornherein
as Anliegen unterstützt, die Gelegenheit der Umset-
ung der europäischen Richtlinie zu nutzen, um unser
aurecht auf den Prüfstand zu stellen und zu verbessern.
abei haben wir drei Ziele verfolgt:
Erstens sollte mit diesem förmlichen UP-Verfahren

eine neue Planungsschicht eingezogen werden, sondern
s sollte in unsere baurechtlichen Verfahren integriert
erden.

Anlage 3






(A) )



(B) )


Wolfgang Spanier

Zweitens sollte das Baurecht kommunalfreundlich

gestaltet werden. Wichtig war das Planspiel, bei dem die
Kommunen testen konnten, wie sich die von uns geplan-
ten rechtlichen Regelungen möglicherweise auswirken;
denn wir wollen ein praxistaugliches Baurecht schaffen.
Wir wollen die Planungshoheit der Kommunen stärken,
weil man vor Ort am besten weiß, was für die Bürgerin-
nen und Bürger das Richtige ist. Zur Kommunalfreund-
lichkeit gehört auch, dass wir uns konsequent um Ver-
einfachungen bemüht haben.

Das dritte Ziel, das wir mit unserer Baurechtsnovelle
verfolgen, ist, die veränderten Anforderungen an die
Stadtentwicklung im Zusammenhang mit dem Bevölke-
rungsrückgang und den Veränderungen im Altersaufbau
der Bevölkerung im Baurecht zu verankern, um den
Kommunen die Möglichkeit zu eröffnen, hier sinnvoll
zu steuern.

Von Anfang an war Ziel unserer Fraktion auch, eine
gemeinsame Position im Bundestag bzw. zwischen Bun-
desrat und Bundestag zu entwickeln. Dieses Ziel haben
wir in intensiven Beratungen innerhalb unserer Fraktion,
aber auch zwischen den Fraktionen – darüber bin ich
persönlich sehr froh – gemeinsam erreicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich glaube, ich spreche für uns alle – normalerweise
maße ich mir das nicht an, aber in diesem Fall tue ich es
einfach –, wenn ich Sie, Herr Minister, bitte, unseren
Dank an Ihr Haus weiterzuleiten, von dem wir in diesem
sehr umfangreichen und intensiven Diskussionsprozess
wirklich hervorragend beraten und begleitet worden
sind. Ich weiß aus den Beratungen im Ausschuss, dass
die Vertreter der anderen Fraktionen das genau so sehen,
wie ich es gerade dargestellt habe.


(Beifall im ganzen Hause)

Bedanken möchte ich mich auch bei den Bericht-

erstattern: bei meiner Fraktionskollegin Gabriele
Groneberg, bei Frau Eichstädt-Bohlig, bei Herrn Götz
und bei Herrn Günther. Es waren intensive, manchmal
nicht ganz leichte Beratungen und Gespräche. Aber es
kommt auf das Ergebnis an und das ist – das kann man
wohl festhalten – gut.


(Beifall bei der SPD)

Zu diesem guten Ergebnis haben sicherlich auch die

sorgfältige Vorbereitung und Begleitung durch die Ex-
pertenkommission, ein mit den Ländern bereits intensiv
beratener Gesetzentwurf der Bundesregierung, eine aus-
führliche, sehr hilfreiche Stellungnahme des Bundesrates
und das Planspiel, das ich bereits angesprochen habe
und das wir für besonders hilfreich gehalten haben, bei-
getragen. Ich wünschte mir – das will ich an dieser Stelle
noch einmal sagen –, dass wir auch in anderen Berei-
chen, wenn es um die Umsetzung nationalen Rechts in
kommunale Praxis geht, von dem Instrument des Plan-
spiels Gebrauch machten. Ein solches Planspiel kann,
wissenschaftlich begleitet und vernünftig ausgewertet,
eine wirkliche Hilfe sein.

Natürlich hat auch die Sachverständigenanhörung
wichtige Anregungen und Impulse gegeben. Zudem war

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(C (D s wichtig, dass während des ganzen Prozesses, der sich ber nahezu zwei Jahre hingezogen hat, ein enger Konakt zu den Ländern bestand und dass die Kommunen an llen Schritten des Verfahrens beteiligt waren. Selbstvertändlich sind auch die Verbände einbezogen worden. Ich kann – es war ein Paket von immerhin 40 Ände ungen – jetzt nicht auf alle Einzelheiten eingehen. Das äre nicht sinnvoll. Aber lassen Sie mich einige inhaltlihe Schwerpunkte nennen, die für unsere Fraktion wichig sind. Das Thema erneuerbare Energien hat uns intensiv be chäftigt. Nach wie vor sind Windkraftanlagen privileiert. Neu ist – das ist richtig und wichtig –, dass auch iomasseanlagen privilegiert sind. Aber es war uns uch ein wichtiges Anliegen – das sage ich genauso eutlich –, die Steuerungsmöglichkeiten der Kommunen m Planungsrecht, was Windkraftanlagen und was Bioasseanlagen betrifft, zu stärken. (Jörg van Essen [FDP]: Das ist auch dringend notwendig!)


Es war kein Zufall, dass wir über ein wichtiges Instru-
ent, nämlich die Rückstellung von Baugesuchen – es
ann nämlich sein, dass ein Bauvorhaben zu einem be-
timmten Zeitpunkt nicht in die Planungen der Kommu-
en passt –, intensiv beraten haben. Ich glaube, wir
aben hier einen guten Kompromiss gefunden. Entschei-
end ist, dass damit die Planungshoheit der Kommunen
eutlich gestärkt worden ist.
Dass wir die Biomasseanlagen erstmals privilegieren,

st zum einen energiepolitisch und zum anderen im Zu-
ammenhang mit den Auswirkungen des Strukturwan-
els in der Landwirtschaft wichtig.
An dieser Stelle möchte ich einen kurzen Hinweis auf

ie Änderungen in § 35 des Baugesetzbuches geben. Wir
ind mit diesem Thema – ich glaube, da waren wir gut
eraten – sehr vorsichtig umgegangen. Der Schutz des
ußenbereichs ist ein sehr wichtiges Anliegen. Wir ha-
en kleinere, wenn auch nicht unwichtige Änderungen
orgenommen, was die Fristen und was die Klarstellung
insichtlich der Ferienwohnungen betrifft. Wir haben
ier mit relativ kleinen Änderungen doch große positive
uswirkungen für die Landwirtschaft erreicht, die sich
it dem Strukturwandel auseinander setzen muss.
Wir haben gegenüber dem Gesetzentwurf der Bun-

esregierung zwei wichtige Änderungen vorgenommen.
ir haben bei der Überprüfung der Flächennutzungs-
läne die Frist von 15 Jahren beibehalten. Aber wir ha-
en den Kommunen – das war ganz wichtig – eine Über-
angsfrist von zehn Jahren eingeräumt. Das hat für die
otwendige Akzeptanz gesorgt. Das vorgesehene Instru-
ent der Eignungs- und Belastungsflächen ist aus dem
ntwurf herausgenommen worden. Das ist dem einen
der anderen Berichterstatter schwer gefallen. Stattdes-
en haben wir ein sehr taugliches neues Instrument ein-
eführt, nämlich den sachlichen Teilflächennutzungs-
lan. Es ist eine schreckliche Bezeichnung; aber ich
offe, es ist ein geeignetes Instrument für die Kommu-
en.






(A) )



(B) )


Wolfgang Spanier

Wir haben den Stadtumbau und die Maßnahmen zur

„Sozialen Stadt“ neu in das Baurecht verankert. Ich
glaube, das war wichtig. Aber dies war, was die Maß-
nahmen zur „Sozialen Stadt“ betrifft, nicht ganz unkri-
tisch. Ein ganz wichtiger Punkt war das gemeinsame An-
liegen, Vereinfachungen im Baurecht zu prüfen und auch
zu beschließen. Ich nenne die Stichworte Umlegungsver-
fahren, Sanierungsgenehmigung und Grundstücksteilung.
Wir haben eine ganze Reihe von bisherigen Genehmi-
gungs-, Zustimmungs- und Anzeigenerfordernissen der
Kommunen schlicht und einfach gestrichen. Das war ein
ganz wichtiger Punkt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Fazit: Aus unserer Sicht werden die von uns selbst ge-
steckten Ziele mit diesem Gesetz erreicht.

Wie wird es nun weitergehen? Wir werden dieses Ge-
setz trotz aller Komplexität, die in den Einzelheiten
steckt, gemeinsam verabschieden, was in diesen Mona-
ten keine Selbstverständlichkeit ist.


(Jörg van Essen [FDP]: Das haben wir gestern im Strafrecht auch gemacht!)


– Das habe ich mit großem Wohlwollen zur Kenntnis ge-
nommen; ich habe mir Ihre Rede genau angehört.

Da wir den Empfehlungen des Bundesrates weit ent-
gegengekommen sind, hoffe ich, dass ein Vermittlungs-
verfahren überflüssig ist. Denn ein Vermittlungsverfah-
ren in diesem Sachgebiet, das möglicherweise mit
anderen Sachgebieten verknüpft ist, kann nicht hilfreich
sein. Ich könnte mir vorstellen, dass auch der Bundesrat
kein Interesse daran hat, das Gesamtpaket aufzuschnü-
ren. Dann würde es sicherlich schwierig werden.

Ich komme zum Schluss. Ich habe mir das Protokoll
der ersten Lesung angeschaut. Die Rednerinnen und
Redner aller Fraktionen hatten zugesagt, den Gesetzent-
wurf intensiv und sachlich zu beraten und eine Einigung
anzustreben. Es ist nicht selbstverständlich, dass genau
das erreicht wurde. Ich glaube, es ist gut, dass wir das
geschafft haben.

Schönen Dank.

(Beifall im ganzen Hause)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1510602300

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Peter Götz.

Peter Götz (CDU):
Rede ID: ID1510602400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sie sehen, am Freitagmittag steigt die Stimmung in die-
sem Hohen Hause. Wir beraten heute abschließend – das
ist unstrittig – ein wichtiges Gesetz, das in seiner Trag-
weite vor allem für die Städte und Gemeinden, aber auch
für Investoren von ganz großer Bedeutung ist.

CDU und CSU haben von Anfang an signalisiert,
konstruktiv an den Beratungen mitzuwirken. Auch wir
haben von Anfang an kein Interesse daran gehabt, das
Ganze in einem Vermittlungsverfahren landen zu lassen.
Wir haben aber auch von Anfang an deutlich gesagt,

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(C (D ass wir dem Gesetz nur dann zustimmen, wenn Sie unere Vorstellungen und Änderungswünsche aufnehmen nd die aus unserer Sicht notwendigen Korrekturen auch ornehmen. Das haben Sie – ich kann heute sagen: in ielen, manchmal zähen und schwierigen Verhandlungsunden; das räume ich ein – letztlich gemacht. Insofern rägt das Gesetz durch eine Reihe von vereinbarten Änerungen sehr deutlich auch unsere Handschrift. Trotzdem möchte und muss ich einige kritische Anerkungen machen; ich kann dabei nahtlos an die Euroadebatte von heute Vormittag anschließen. Ursache und nlass des Gesetzgebungsverfahrens sind, wie der ollege Spanier schon gesagt hat und wie der Name uroparechtsanpassungsgesetz – dies ist übrigens ein urchtbarer Begriff – zum Ausdruck bringt, europarechtiche Bestimmungen in nationales Recht umzusetzen, onkret: die so genannte Plan-UP, also die Umsetzung er EU-Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirungen bestimmter Pläne und Programme. Das Ganze ist so komplex und kompliziert, dass die egierung eine Expertenkommission einsetzen musste, m die europarechtlichen Ansprüche zu prüfen und letztich zu bewerten. Das Ziel der Union war von Anfang n, diese europarechtlichen Anforderungen im Inteesse der Kommunen bei der Umsetzung auf ein Minium zu begrenzen und so einfach wie möglich zu estalten. Ich denke, dies ist im laufenden Gesetzgeungsverfahren gelungen. ur, durch die Vorgaben aus Brüssel waren unsere Getaltungsspielräume begrenzt. Ich hätte mir gewünscht, ass unsere Bundesregierung vorher im Ministerrat in rüssel, als es um den Erlass dieser europäischen Richtinie ging, den Finger hebt und kritisch hinterfragt, ob iese europäische Richtlinie überhaupt notwendig ist. (Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das sehen wir anders!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir erleben ständig, dass die Europäische Kommis-
ion Kompetenzen an sich zieht. Sie erlässt Richtlinien,
ie die Kommunen betreffen und die wir anschließend in
ationales Recht umsetzen müssen. Nach unserem Euro-
averständnis muss Brüssel nicht in die kleinste Ge-
einde hineinregieren. Unsere Bundesregierung schaut
ntweder handlungsunfähig zu oder – noch schlimmer –
ersucht, Themen vor allem aus dem Umwelt- und Na-
urschutzbereich, die sie in Deutschland nicht durchge-
etzt bekommt, über Brüssel in die Kommission einzu-
peisen. Dies landet dann als EU-Richtlinie wieder auf
nserem Tisch.
Die Konsequenz ist eine weitere Aushöhlung der

ommunalen Selbstverwaltung und eine Eingrenzung
er kommunalen Planungshoheit. Das wollen wir von
DU und CSU nicht. Die Städte und Gemeinden in
eutschland sind sehr wohl in der Lage, in eigener Zu-
tändigkeit im Rahmen ihres verfassungsrechtlich ver-
ürgten Selbstverwaltungrechts über ihre städtebauliche
rneuerung und Entwicklung zu entscheiden. Das gilt
uch für Umweltbelange.






(A) )



(B) )


Peter Götz

Ich sage dies nicht ohne Grund; denn wir haben diese

Woche im Ausschuss erneut eine Vorlage der Europäi-
schen Kommission auf dem Tisch, in der sich Brüssel
mit Fragen der Städtepolitik, der Stadtgestaltung, der
Steuerung von Flächennutzungen und des innerstädti-
schen Verkehrs beschäftigt.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ist gut so!)


Das geht nach unserem Verständnis Brüssel überhaupt
nichts an.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dies widerspricht eindeutig dem Subsidiaritätsprinzip.
Wir fordern die Bundesregierung schon heute auf, dem
frühzeitig entgegenzusteuern.


(Jörg van Essen [FDP]: Sehr richtig!)

Ich rege auch an, dass wir uns mit diesen Fragen nicht

nur im Ausschuss und nicht immer erst am Ende der
Diskussion, sondern frühzeitig gerade hier im Plenum
des Deutschen Bundestags generell auseinander setzen.


(Jörg van Essen [FDP]: Ja!)

Doch zurück zum Baugesetzbuch. Kollege Spanier

hat einige wesentliche Punkte, die das neue Gesetz be-
inhaltet, dargestellt. Ich will sie nicht wiederholen; aber
einige ergänzende Bemerkungen aus unserer Sicht seien
gestattet. Zunächst zum Planspiel: Planspiele im Bau-
und Planungsrecht, an denen unterschiedliche Gemein-
den, Städte und Kreise beteiligt sind, haben eine lange
Tradition. Wir sind dem Ministerium dankbar, dass es
die die Gesetze vorbereitenden Modelle wie die Plan-
spiele früherer Bauminister aus unserer Regierungszeit
übernommen hat. Es hat sich bezahlt gemacht, so vorzu-
gehen. Die Planspielgemeinden, bei denen ich mich an
dieser Stelle auch im Namen meiner Fraktion herzlich
bedanken möchte, haben uns eine hervorragende Ent-
scheidungsgrundlage geliefert. Es wäre nur vorteilhaft
– hierin stimme ich mit dem Kollegen Spanier wie auch
in vielen anderen Punkten überein –, wenn die frühzei-
tige Erprobung der Auswirkungen von Gesetzen auch in
anderen Politikfeldern erfolgen würde.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dazu zähle ich das Steuerrecht genauso wie das Um-
weltrecht, die Sozialgesetzgebung oder auch die aktuell
zu diskutierende Zusammenlegung von Arbeitslosen-
und Sozialhilfe.


(Thomas Dörflinger [CDU/CSU]: Wohl wahr!)


Die rot-grüne Regierung könnte sich und den Menschen
in unserem Land manches Chaos ersparen.


(Thomas Dörflinger [CDU/CSU]: Und uns auch!)


– Und uns auch.

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(C (D Wir haben in der Union das heute zu entscheidende esetz unter zwei wesentlichen Fragestellungen geprüft: rstens. Trägt die Veränderung zur Stärkung der komunalen Planungshoheit und damit zur Verbesserung der ommunalen Selbstverwaltung bei? Zweitens. Wie kann ürokratie beseitigt oder zumindest weiter abgebaut erden? Die meisten Städte und Gemeinden in Deutschland tehen finanziell mit dem Rücken an der Wand. Viele alsche politische Entscheidungen der rot-grünen Bunesregierung der letzten Jahre haben dazu maßgeblich eigetragen; sie hat dies zu verantworten. Kommunale elbstverwaltung findet in vielen Gemeinden schon alein aus finanziellen Gründen so gut wie nicht mehr statt. ie Kommunen wissen nicht mehr, wie sie ihre Hausalte bewältigen sollen. Deshalb dürfen sie nicht noch usätzlich mit weiteren Aufgaben belastet werden. Der bbau von öffentlichen Aufgaben ist das Gebot der tunde. Das gilt auch für dieses Gesetz. Für die Union war und ist es wichtig, dass die Komunen einerseits weitere vernünftige Handlungsspieläume erhalten und andererseits von kostenträchtigen ürokratischen Hemmnissen befreit werden, sodass eine chte Entlastung spürbar wird. Dazu tragen die vielen in en letzten Monaten von der Union gemeinsam mit der DP – ich möchte mich auch bei dem Kollegen Günther afür bedanken – urchgesetzten Änderungen und Korrekturen bei. So bleibt zum Beispiel die Außenbereichsatzung als ichtiges einfaches Planungsinstrument, das vor allen ingen den Gemeinden im ländlichen Raum hilft, erhalen. Zusätzlich ist es uns gelungen durchzusetzen, dass ie Außenbereichsatzung von europarechtlichen Anforerungen verschont wird. Das war gar nicht so einfach. Die im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehene inführung von Vorrang-, Eignungsund Belastungslächen wird gestrichen. Der Wegfall dieses neuen büroratischen Monsters ist investitionsfreundlich und vor llem für die Landwirtschaft und den Gartenbau vorteilaft. Neu im Planungsrecht ist, dass die Gemeinden auf der bene des Flächennutzungsplans – der Kollege Spanier at das auch angesprochen – künftig Anträge auf Bauenehmigungen im Außenbereich zurückstellen könen. Windenergieanlagen waren davon zunächst ausgechlossen. Wir konnten jedoch durchsetzen, dass dies ünftig bei allen privilegierten Vorhaben gilt, also auch ei Anlagen zur Erzeugung von Windenergie, ein politicher Streitpunkt, der bis zur letzten Minute offen war nd am Schluss dankenswerterweise doch einvernehmich geregelt werden konnte. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der SPD)


(Beifall des Abg. Jörg van Essen [FDP])


(Beifall bei der CDU/CSU)


So hat die Gemeinde künftig das Recht, ein Bau-
esuch für ein Jahr zurückzustellen. Hinzu kommt die






(A) )



(B) )


Peter Götz

Bearbeitungszeit für die Baugenehmigung, jedoch be-
grenzt auf sechs Monate. Konkret heißt das: Wenn ein
Investor für eine Windenergieanlage im Außenbereich
eine Baugenehmigung beantragt, haben die Kommunen
künftig bis zu eineinhalb Jahre Zeit, ihre Flächennut-
zungspläne zu prüfen und geeignete Standorte auszuwei-
sen. In Verbindung mit dem neuen Instrument der Teil-
flächennutzungspläne werden die Gemeinden so in die
Lage versetzt, ihre eigenen Planungsvorstellungen er-
heblich besser als heute durchzusetzen. Wir sind dank-
bar, dass wir diese Lösung gefunden haben.

Wichtig für uns ist in diesem Zusammenhang – ich
möchte das nur in Erinnerung bringen – die neu aufge-
nommene Rückbauverpflichtung. So müssen künftig
privilegierte Vorhaben im Außenbereich, also auch
Windenergieanlagen, wieder entfernt werden, wenn sie
– aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr betrie-
ben werden. Die Gemeinden haben das Recht, sich diese
Rückbauverpflichtung zusätzlich durch Bürgschaften si-
chern zu lassen, damit auch bei insolventen Investoren
gewährleistet ist, dass die Landschaft bei aufgegebener
Nutzung in den vorherigen Zustand zurückversetzt wer-
den kann.

Zusammenfassend zu diesem Bereich: Bei Anwen-
dung der neuen kommunalen Steuerungsmöglichkeiten
im Außenbereich können die Gemeinden künftig – sei es
bei der Nutzung der Windenergie oder in anderen Berei-
chen – mehr als bisher gestaltend wirken. Wir haben da-
mit eine wichtige Verbesserung beim Schutz des Außen-
bereichs und der Landschaft erreicht, die Situation für
die Landwirtschaft verbessert und gleichzeitig die kom-
munale Planungshoheit gestärkt.

Um es konkret zum Ausdruck zu bringen: Wir wollen
den Einsatz der erneuerbaren Energien dort verstärken,
wo er Sinn macht. Deshalb begrüßen wir ausdrücklich
die Aufnahme der Privilegierung von Biomasseanla-
gen zur Herstellung und Nutzung von Energie in den
Katalog der künftig im Außenbereich zulässigen Vor-
haben. Wir waren uns auch über die Fraktionsgrenzen
hinweg einig, dass zum Schutz des Außenbereichs die
Privilegierung von Biomasseanlagen begrenzt werden
muss. Wir haben uns auf eine Größenordnung von
0,5 Megawatt installierte elektrische Leistung verstän-
digt. Größere Vorhaben auf diesem Gebiet bedürfen
künftig wie heute schon eines Bebauungsplans oder
eines Vorhaben- und Erschließungsplans.

Durch die vorweggenommene Einschränkung soll
vermieden werden – das war unser Ziel –, dass wir in
einigen Jahren bei der Biomasse eine vergleichbare Dis-
kussion wie heute bei der Windenergie in unserem Land
haben.

Lassen Sie mich zu einem weiteren wichtigen Ziel,
nämlich Bürokratie abzubauen und die öffentliche Ver-
waltung weiter zu entlasten, einige Bemerkungen ma-
chen. In den Verhandlungen wurde erreicht, dass zusätz-
lich zu dem im Gesetz vorgesehenen Abbau von
Genehmigungserfordernissen, die Herr Spanier aufge-
führt hat, auf weitere Genehmigungen verzichtet werden
kann, sei es in Sanierungsgebieten oder bei städtebau-

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(C (D ichen Entwicklungsmaßnahmen, um nur einige zu nenen. Das sind zwar nur kleine, aber dennoch wichtige chritte zur Deregulierung und Entbürokratisierung, die owohl dem bauwilligen Bürger oder Investor entgegenommen als auch die Verwaltung entlasten. Wir konnten ferner durchsetzen, dass künftig – das ist ines meiner Lieblingskinder – die vorgeschriebene Geehmigung von Grundstücksteilungen endlich ersatzlos estrichen wird. Ich habe bei der letzten Novelle des augesetzbuches von 1997 als Berichterstatter der seierzeitigen Regierungsfraktion von CDU und CSU beeits versucht, diese überflüssige Genehmigung, die nur rbeit macht und nichts bringt, ersatzlos zu streichen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Reinhard Weis [Stendal] [SPD]: Kann man nur mit uns machen!)


Langsam. – Das ist damals im Vermittlungsverfahren
n der SPD gescheitert.


(Heiterkeit im ganzen Hause)

eute, sieben Jahre später, kann ich als Oppositionspoli-
iker sagen: wieder ein Stück überflüssige Bürokratie
eniger, und das ohne Vermittlungsverfahren.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg van Essen [FDP]: Bei dieser Bundesregierung selten genug!)


Politik ist das Bohren dicker Bretter. Wenn man lan-
en Atem hat und lang genug bohrt, hat man irgendwann
rfolg.


(Georg Brunnhuber [CDU/CSU]: Und lang genug dabei ist!)


Auch das gehört dazu, Kollege Brunnhuber.
Zum neu aufgenommenen Stadtumbau und zur „So-

ialen Stadt“ möchte ich nur so viel sagen: Wohnungs-
eerstand und Verfall der Innenstädte sprechen eine ei-
ene Sprache. Wir müssen den veränderten
tädtebaulichen Strukturen auch im Baugesetzbuch
echnung tragen. Das ist unstrittig. Nur, die Bestimmun-
en zur „Sozialen Stadt“ und zum Stadtumbau bleiben
yrik, wenn die finanzielle Umsetzung fehlt und die
ommunen nicht mehr in der Lage sind, dieses Pro-
ramm auszuführen. Kommunen, die finanziell am Ende
ind und am Tropf des Regierungspräsidenten hängen,
ützt das beste Programm nichts.
Das Programm „Stadtumbau West“ – das sage ich an

ie Regierungsbank gewandt – sollte dieses Jahr begin-
en. Wenn ich es richtig sehe, erfolgt der Start frühestens
n 2005, abgesehen vielleicht von einigen Wahlkampfbe-
illigungsbescheiden in Nordrhein-Westfalen. Wir kön-
en deshalb nur an Sie appellieren – hier müssen wir an-
etzen –: Beuten Sie die Kommunen nicht weiter aus!
assen Sie den Kommunen ihr Geld, damit sie ihre Auf-
aben wahrnehmen können! Nur starke Städte und Ge-
einden sind in der Lage, ihre Aufgaben ordnungs-
emäß zu erfüllen. Wir brauchen leistungsfähige
ommunen, damit sie das heute zu beschließende Ge-
etz mit Leben erfüllen können.






(A) )



(B) )


Peter Götz

Lassen Sie mich zusammenfassen: Wir haben in vie-

len Verhandlungsrunden einen, wie ich finde, ordentli-
chen Kompromiss erarbeitet, auch wenn das eine oder
andere als Wunschvorstellung noch offen bleibt. Sie,
liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfrak-
tionen, sind in vielen Punkten weit auf unsere Vorstel-
lungen eingegangen. Dessen bin ich mir bewusst. Ich
rege an, dies auch auf anderen Politikfeldern in ähnlicher
Weise zu tun.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Sie würden sich leichter tun und die Gesetze in Deutsch-
land würden bessere. Den Beweis dafür haben wir mit
diesem Gesetzentwurf erbracht.

Ich behaupte, durch die vielen Verhandlungsrunden
ist dieser Gesetzentwurf nicht schlechter, sondern besser
geworden. Dieses Beispiel zeigt, dass es bei gutem Wil-
len in der Politik nach wie vor möglich ist – und auch
möglich sein muss –, fraktionsübergreifend etwas Ver-
nünftiges zustande zu bringen. Ich danke allen, die – je-
der an seinem Platz – zu diesem Ergebnis beigetragen
haben, und empfehle meiner Fraktion guten Gewissens
die Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall im ganzen Hause)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1510602500

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Franziska

Eichstädt-Bohlig.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es ist schon erstaunlich, wie sich die Atmosphäre verän-
dert, wenn ein Gesetzentwurf einmal von allen Fraktio-
nen konstruktiv mitgetragen wird. Ich glaube, es täte un-
serer Politik und uns selbst ganz gut, darauf öfter
hinzuarbeiten.

Als Erstes möchte ich mich an dieser Stelle besonders
beim Kollegen Wolfgang Spanier bedanken, der vom
ersten Tag an sehr intensiv auf diese Gemeinsamkeit hin-
gewirkt hat. Danken möchte ich auch allen anderen, die
daran beteiligt waren, zum Beispiel den Kollegen Götz
und Günther. Vor allem aber danke ich dem Ministe-
rium; denn von dieser Seite wurde sehr engagiert daran
mitgearbeitet, Kompromisse zu finden. Insofern umfasst
der gute Wille nicht nur die parlamentarische Ebene,
sondern auch den Sachverstand, der vom Ministerium
eingebracht wurde, um uns manches Mal dabei zu hel-
fen, in Details einen konkreten Brückenschlag zu finden.
Dafür möchte ich mich bedanken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich sage es ganz deutlich: Jetzt erwarten wir vom
Bundesrat, dass er unsere Bemühungen auch honoriert
und das Paket nicht neu aufschnürt. Ich glaube wirklich,
dass das nicht nötig ist. Wir alle haben uns gegenseitig
geschworen, daran mitzuwirken, dass nicht unnötiger-

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(C (D eise noch einmal über Paragraphen diskutiert wird, für ie wir schon einen Konsens gefunden haben. Als Zweites schließe ich mich dem an, was schon eine Vorredner gesagt haben. Ich glaube, dass das lanspiel sinnvoll gewesen ist. Gerade wenn die Komunen von den Gesetzen, die wir verabschieden, betrofen sind, sollten wir ihnen ein halbes Jahr Zeit geben, dait sie die Wirkungen dieser Gesetze auf der ommunalen Ebene beobachten können. Das führt insesamt zu einem ruhigeren Gesetzgebungsverfahren. Wir Grüne haben mit unseren Vertreterinnen und Ver retern in der Kommission zur Modernisierung der bunesstaatlichen Ordnung verabredet, dass sie dafür weren, dieses Instrument im Regelverfahren stärker zu erücksichtigen. Das ist zwar immer auch eine Zeitfrage wir wissen ja, wie oft Gesetzesvorhaben unter Zeitruck stehen –, aber ich glaube, es wäre gut, dieses Intrument auch weiterhin von allen Seiten zu fördern. Als Drittes will ich sagen: In der Sache haben wir rüne einige Punkte, die uns sehr wichtig sind, durchseten können. Auch dafür sage ich allseits Dank. Zu dieen Punkten gehört erstens die Bodenschutzklausel, die ei der Abwägung einen gewissen Vorrang hat. Sie ist ns insbesondere aus ökologischen Gründen sehr wichig, aber auch weil die Zersiedelung nicht weiter fortchreiten darf; denn in Zeiten des demographischen andels und des Bevölkerungsrückgangs dürfen wir uch aus volkswirtschaftlichen Gründen nicht so viel läche verbrauchen. Das ist uns sehr wichtig. er zweite Punkt ist der allgemeine Klimaschutz, der ritte die Aufnahme der regenerativen Energien in die auleitplanung und die städtebaulichen Verträge. Bei eier Reihe von Punkten ist also das Engagement der Grüen zu erkennen. Ich hoffe, dass dies bei der Durchfühung kommunaler Projekte ganz konkret sichtbar wird. Ich nenne aber ganz offen auch die Punkte, an denen ir Federn lassen mussten; denn auch das sollte man anprechen. Erstens hätten wir gern das Instrumentarium er Vorrang-, Eignungsund Belastungsflächen so eibehalten, wie es im Regierungsentwurf vorgesehen ar. Hier mussten wir klein beigeben. Daraus wird nun er Teilflächennutzungsplan. Aber dies ist ein Beispiel ür den Brückenschlag, von dem ich gesprochen habe; enn mit dem Teilflächennutzungsplan können die Komunen genauso verfahren, wie sie es mit dem anderen nstrumentarium, den Vorrang-, Eignungsund Belasungsflächen, hätten tun können. Sie können in ihrem ußenbereich klar definieren, an welchen Stellen Maßahmen – ob in den Bereichen Wind, Tierhaltung, Bioasse oder auch Unterglasgartenbau – möglich sein solen und an welchen Stellen das nicht der Fall sein soll. ch denke, das ist ein Kompromiss, der zeigt, wie ein olcher Brückenschlag auch ganz praktisch funktionieen kann. Ein anderer Punkt, dem ich ein bisschen nachtrauere, st, dass die Außenbereichssatzung jetzt bleibt, wie sie st; die hätte ich natürlich gerne ein Stück weit moderner nd auch ökologischer gehabt, wie es in unserem Franziska Eichstädt-Bohlig Entwurf vorgesehen war. Natürlich haben wir am allerlängsten um die Zurückstellung von Baugesuchen gestritten, wenn die Kommunen einen Flächennutzungsplan aufstellen. Bekommt die Windenergie da ein Stück weit Privilegierung oder werden lediglich alle Maßnahmen gleichgestellt? Letztlich haben wir da klein beigegeben, auch weil es gerechtfertigt ist, und uns geeinigt. Wir haben die Kommunen gleichzeitig aufgefordert, sehr genau und präzise nachzuweisen, ob und wann Zurückstellungen überhaupt notwendig sind. Auch das ist, denke ich, eine gelungene Mischung von Geben und Nehmen gewesen. Ich muss noch sagen, dass es uns gelungen ist, die Instrumente „Stadtumbau“ und „Soziale Stadt“ einzubeziehen. Die CDU/CSU war dagegen sehr stark daran interessiert, den Paragraphen zu Maßnahmen der „Sozialen Stadt“ herauszunehmen. Ich bin ziemlich sicher: Er ist jetzt drin. Er wird das Satzungsrecht der Kommunen ein Stück weit ausweiten. Die Kommunen werden dieses Mittel in Zukunft mehr gebrauchen. In ein paar Jahren werden Sie zufrieden sein, dass Sie dem hier und heute zugestimmt haben. Ich glaube, das tut uns allen gut. Noch ein Satz zu dem, was die eigentliche Aufgabe und der eigentliche Anlass der Gesetzesnovelle war: die Überlagerung des traditionellen deutschen Planungsrechts mit der EU-Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung. Dies miteinander zu vereinbaren ist in vorbildlicher Weise gelungen: Wir haben ein Stück weit mehr europäisches Recht hereingenommen, aber trotzdem unsere Traditionen bewahrt. Dafür möchte ich auch der Expertenkommission noch einmal danken, die das Ganze vorbereitet hat. Wir haben das Verfahren so systematisiert, dass praktisch alle Pläne auf Umweltverträglichkeit geprüft werden, nach einem einheitlichen Verfahren. Obwohl jetzt alle unter dieses Verfahren fallen, haben die Experten gesagt, dass es Vereinfachungen bringt. Last, not least bin ich gespannt, wie sich die neue Form von Kontrolle durch die Kommunen, das so genannte Monitoring, was wir relativ weich formuliert haben, in der Praxis bewährt. Ich hoffe, dass auch das zu einem guten Instrument wird. Insofern mache ich allen Beteiligten Mut zu dieser Gesetzesnovelle, vor allen Dingen den Kommunen und den beteiligten Verwaltungen, die mit der praktischen Umsetzung zu tun haben. Noch einmal rundum Dank und Mut, auch für weitere Projekte einer fraktionsübergreifenden Kooperation. Herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





(A) )


(B) )



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1510602600

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Joachim Günther.

Joachim Günther (FDP):
Rede ID: ID1510602700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nach langer Zeit, aber dafür gründlich vorbereitet, liegt
heute die Novelle des Baugesetzbuches zur Beschluss-

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(C (D assung vor, die aus meiner Sicht – das möchte ich gleich m Anfang sagen – ein gelungener Kompromiss ist. Naürlich ist nicht alles nur deswegen zustande gekommen, eil die EU-Richtlinie uns gedrängt hat – vielleicht der eitpunkt. Wir wollten das Baugesetzbuch generell verinfachen. Wir wollten das Planungsrecht vereinfachen, m das Bauen in Deutschland, das im Europavergleich ach wie vor am kompliziertesten ist, zumindest schritteise zu erleichtern. Sicher blieben diesbezüglich eine Reihe von Wün chen offen; auch das wurde hier bereits gesagt. Wir als DP hätten uns zum Beispiel gewünscht, eine verkehrsindernde und verträgliche Durchmischung von Wohen, Arbeiten und Freizeit gleich mitzuregeln. Das heißt, n die Baunutzungsverordnung müssen wir noch einmal eran. Kompromisse – das hat mein Kollege Peter Götz be eits gesagt – erfordern Zugeständnisse von allen Seiten. ei dem heute zu beschließenden Gesetzentwurf ist es n vielen Stellen gelungen, Verfahrensund Planungsereichterungen zu schaffen. Um nur einige zu nennen, die ch für außerordentlich vernünftig halte: die Abschafung der Teilungsgenehmigung, die Zusammenführung on Sanierungsund bauaufsichtlicher Genehmigung nd die Abschaffung der Zustimmungserfordernisse urch höhere Verwaltungsbehörden bei der Geltungsauer der Veränderungssperre. Ich möchte es bei diesen eispielen bewenden lassen. Ich möchte nun kurz darstellen, was für uns als FDP ozusagen die Knackpunkte waren – Kollegin Eichstädtohlig hat diese gerade für die Grünen dargestellt –, um iesem Kompromiss zustimmen zu können. Das war um Ersten die Streichung der im Regierungsentwurf nthaltenen Steuerungselemente, die Belastungsund ignungsflächen vorsahen. Ohne diese Streichung wäre s aus unserer Sicht ein Bauverhinderungsrecht geworen. Es hätte insbesondere die Betriebe der Landund orstwirtschaft sowie des Gartenbaus getroffen. Ich bin roh, dass wir nach der Anhörung der Sachverständigen nd nach einem Planspiel die Meinung angenommen haen, die uns die Experten nahe gebracht haben, und dies estrichen haben. Ein weiterer Dissens bestand hinsichtlich § 15 Abs. 4 es Regierungsentwurfs und dessen Streichung. In dieem Paragraphen ging es um Sonderregelungen bei der enehmigung von Anträgen zur Errichtung von Windnergieanlagen. Die Streichung dieser Vorschrift war ür uns nicht deshalb wichtig, um in diesem Punkt einen olitischen Erfolg vorweisen zu können; uns ging es ielmehr darum, die kommunale Planungshoheit entcheidend zu stärken. Wer sich in der letzten Zeit mit Windrädern und deren ittlerweile zum Teil gigantischen Größe beschäftigt at, (Jörg van Essen [FDP]: Es wird immer schlimmer!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP)







(A) )



(B) )


Joachim Günther (Plauen)


der muss sich doch fragen – das sage ich ganz bewusst,
auch wenn wir hier einen Kompromiss geschlossen ha-
ben –, ob eine Windkraftanlage, die mit ihrer Höhe in-
zwischen sogar den Kölner Dom überragt, überhaupt
noch privilegiert werden darf.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörg van Essen [FDP]: Eine Verschandelung der Landschaft!)


Damit ich nicht falsch verstanden werde: Auch die FDP
setzt sich für erneuerbare Energien ein. Das Ganze muss
aber in geordneten Bahnen ablaufen und es darf nicht
nur auf die attraktiven Einnahmequellen abgezielt wer-
den.

Wenn wir es mit dem Schutz des Außenbereichs
ernst nehmen, dann müssen wir es in erster Linie den
Kommunen überlassen, welchem Standort sie für solche
Anlagen zustimmen. Die Kenntnisse der Gegebenheiten
vor Ort sind das Entscheidende. Nun haben die Kommu-
nen die Gelegenheit – das wurde bereits dargelegt –,
Baugesuche bis zu eineinhalb Jahren auszusetzen, wenn
sie einen Flächennutzungsplan aufstellen, ändern oder
ergänzen möchten. Das haben die Kommunen bereits
wohlwollend zur Kenntnis genommen. Hierzu gab es
eine Reihe von positiven Reaktionen genauso wie zu der
Integration der Rückbauverpflichtung in das Gesetz.

Zum Komplex Bauen im Außenbereich gehört auch
die Begrenzung von Biomasseanlagen auf eine instal-
lierte elektrische Leistung von 0,5 Megawatt, die wir er-
reicht haben. Wir haben bei der Privilegierung der Wind-
kraftanlagen schließlich unsere Erfahrungen gesammelt.
Deswegen finde ich die Begrenzung richtig. Wer seine
Anlage größer bauen will, wird daran nicht gehindert,
aber er muss den Gesetzesweg gehen und Anträge stel-
len, so wie es andere auch tun müssen.

Ich habe meine Rede damit begonnen, dass der vorlie-
gende Entwurf ein guter Kompromiss ist. Dabei bleibe
ich auch. Ein Kompromiss hat immer mit Nehmen und
Geben zu tun; das weiß ich. Ich bin natürlich froh über
das, was wir erreicht haben; ich habe einige Punkte ge-
nannt. Ich werde aber daran arbeiten, dass Forderungen,
deren Umsetzung auf der Strecke geblieben ist, in Zu-
kunft aufgegriffen werden. Das Baugesetzbuch ist ein le-
bendiges Gesetz, das immer wieder fortgeschrieben
wird. Deshalb glaube, dass über Lösungen auch bei uns
im Ausschuss verstärkt weiter diskutiert werden sollte.
Es gibt im Baubereich viel zu tun. Wir möchten als einen
wichtigen Punkt zum Beispiel noch erreichen, dass die
Länder mehr Spielraum bei der Gesetzgebung erhalten;
denn sie können besser bestimmen, in welche Richtung
es vor Ort gehen soll.

Zum Schluss möchte ich allen Beteiligten – ich nenne
nur Wolfgang Spanier, Peter Götz und Frau Eichstädt-
Bohlig – für die sachliche und faire Zusammenarbeit
danken. Einen besonderen Dank richte ich an Herrn Pro-
fessor Söfker, der uns mit seinem Team stets gut beraten
hat.

Herzlichen Dank.

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(C (D (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1510602800

Jetzt hat Herr Minister Manfred Stolpe das Wort.
Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Ver-

ehr, Bau- und Wohnungswesen:
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Der Gesetzentwurf, der hier heute vorliegt, ist
in ganz konkreter Schritt hin zu der Verwirklichung
ines großen Ziels, das wir gemeinsam verfolgen. Denn
eregulierung und Bürokratieabbau, Erleichterung wirt-
chaftlichen Handelns und nicht zuletzt Erleichterung
on Investitionen sind der Schlüssel, um einen wirt-
chaftlichen Aufschwung zu erreichen und unser Land
oranzubringen.
In diesem Bereich bestand Handlungsdruck. Zusätz-

icher Druck entstand durch die Notwendigkeit, europäi-
ches Recht in deutsches Recht umzusetzen. Wir müssen
das ist schon erwähnt worden – die europäischen Vor-
aben aus der so genannten Plan-UP-Richtlinie bis zum
0. Juli in deutsches Recht umgesetzt haben. Wie wir er-
eben konnten, beflügelt der doppelte Druck bei den gro-
en Aufgaben der wirtschaftlichen Belebung und der
msetzung des europäischen Rechts. Ich kann Ihnen be-
ichten, dass wir mithilfe des ganzen Hauses ein neues,
ereinfachtes Bau- und Planungsrecht für Deutschland
chaffen können. Dafür bin ich sehr dankbar.
Dieses Gesetz ist für die deutsche Planungspraxis

ehr wichtig. Es ist von einem der Vorredner schon er-
ähnt worden, dass 14 000 Städte und Gemeinden da-
on betroffen sind. Sowohl der Flächennutzungsplan
ls auch der Bebauungsplan fallen in den Anwendungs-
ereich der Richtlinie. Es wäre nicht vertretbar, die Um-
etzung zu verzögern, da das europäische Recht dann
nmittelbar greifen würde.
Ich möchte all denen ganz herzlich danken, die mit ih-

er engagierten und sachkundigen Mitarbeit dazu bei-
etragen haben, dass wir jetzt so weit sind. Ich danke
en Berichterstattern der Fraktionen, Frau Kollegin
ichstädt-Bohlig, Herrn Spanier, Herrn Götz und Herrn
ünther, sowie vielen anderen, insbesondere auch dem
arlamentarischen Staatssekretär Großmann, die sich
tark engagiert haben. Schließlich danke ich auch dem
eam von Professor Söfker für seine Beharrlichkeit und
achkunde.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


ir haben sein Engagement in den letzten Wochen und
onaten bei vielen Gesprächen erleben können und uns
arüber gefreut, dass er nicht aufgeben und so viele wie
öglich dabei haben wollte.
Zu danken ist auch den Sachverständigen, die in der
nhörung des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh-
ungswesen im März sehr wertvolle Hinweise gegeben
aben. Nicht zuletzt ist auch den Städten, Gemeinden






(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. h. c. Manfred Stolpe

und Landkreisen zu danken, die im Planspiel einen sehr
wichtigen Beitrag geleistet haben, sodass die Regelun-
gen des EAG Bau im Hinblick auf ihre Bedeutung für
die Planungspraxis richtig eingeschätzt werden konnten.
Die Städte Bocholt, Bochum, Forst, Freising, Leipzig
und Reutlingen möchte ich ausdrücklich erwähnen.
Nicht zu vergessen sind auch die beiden Landkreise
Cloppenburg und Parchim, die sich hier mit engagiert
haben.

Meine Damen und Herren, viele der Anregungen ha-
ben wir aufgegriffen und umgesetzt. Es handelte sich
also nicht um Veranstaltungen, bei denen man zuhört,
obwohl man bereits weiß, was man will, sodass die Bei-
trage im Grunde genommen nicht beachtet werden. Es
ist erfreulich, dass die Regelungen zu der nach dem EU-
Recht erforderlichen förmlichen Umweltprüfung im
EAG Bau begrüßt worden sind und dass dieses integra-
tive Prinzip von allen mitgetragen wird. Wir haben sämt-
liche gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensvorgaben für
die Umweltprüfung in die bestehenden Regelungen über
die Aufstellung von Bauleitplänen integrieren können.

Die Planungspraxis wird durch diese neuen Regelun-
gen erkennbar erleichtert. Das haben auch die kommu-
nalen Spitzenverbände ausdrücklich begrüßt. Mehr
noch: Nach meiner Auffassung kann die förmliche Um-
weltprüfung zu einem selbstverständlichen Teil der Pla-
nung werden. Das verbessert die Planungsqualität insge-
samt. Die Gemeinden haben bereits nach geltender
Rechtslage bei der Abwägung die Umweltauswirkungen
ihrer Planung zu berücksichtigen. Die Neuregelungen,
zu denen auch eine integrierte Umweltprüfung gehört,
geben hierfür ein systematisches und dem jeweiligen
Einzelfall angepasstes Planungsverfahren vor.

Dieses Konzept wird mit zusätzlichen Regelungen
zur Bestandskraft von Bauleitplänen verbunden. Das
heißt, die Rechts- und Investitionssicherheit wird deut-
lich erhöht. Die neuen Regelungen sind insgesamt zu-
kunftsweisend und verdeutlichen, dass Ökonomie und
Ökologie keine Gegensätze sein müssen, sondern durch-
aus zwei Eckpunkte eines sachgerechten Ausgleichs sein
können.

Die Novellierung des Baugesetzbuchs beinhaltet
nicht nur Fragen des Europarechts. Das Städtebaurecht
soll fortentwickelt und zugleich an die Erfordernisse ei-
nes zeitgemäßen Stadtplanungsrechts angepasst werden.

Ich will einen wichtigen Eckpunkt herausstellen, der
in der Novelle aufgegriffen worden ist: Es geht um die
neuen Regelungen im besonderen Städtebaurecht. Dabei
handelt es sich – das wurde hier schon erwähnt – um Re-
gelungen zum Stadtumbau, mit denen auf die Struktur-
veränderungen in Demographie und Wirtschaft reagiert
wird, und zur „Sozialen Stadt“. Hier werden in den
nächsten Jahren ganz sicher wichtige Aufgaben anste-
hen. Wir haben die gesetzlichen Rahmenbedingungen
dafür geschaffen, dass wir diese sinnvoll bewältigen
können.

Ich finde es besonders begrüßenswert, dass bei den
neuen Regelungen auf gemeinsame Konzeptionen und
auf einen Konsens zwischen den Kommunen und den In-

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(C (D estoren gesetzt wurde. Dies sind die Voraussetzungen afür, dass relativ zügig sinnvolle Entscheidungen geroffen werden können. Wir haben dabei auf bürokratisches Handeln und berregulierungen verzichtet. Vielmehr wollen wir den ommunen einen neuen Weg aufzeigen, der ihnen mehr lexibilität gibt und zugleich die Rechtssicherheit der nvestitionen auch in der schwierigen Lage des Stadtmbaus gewährleisten kann. Ich freue mich, dass dieser nsatz von den kommunalen Spitzenverbänden und der ohnungswirtschaft äußerst positiv aufgenommen woren ist. Ich darf einfügen, dass die guten Erfahrungen beim tadtumbau Ost eingebracht werden konnten und nun anz Deutschland zugute kommen. Es kommt jetzt – das st schon angeklungen – in der Tat darauf an, dass wir für en Stadtumbau West, der damit erleichtert wird, die nöigen Finanzmittel bereitstellen und uns nicht nur auf eiige besondere Anlässe beschränken, wie es hier erähnt worden ist. Ein modernes Planungsrecht schaffen heißt nicht nur, eue Regelungsbereiche zu eröffnen und diese in geltenes Recht einzuarbeiten, sondern auch, das geltende echt auf Vereinfachungen zu durchforsten. Das ist hier eschehen. Wir konnten bei der Art und Weise der Umetzung dieser Richtlinie in erheblichem Maße Büroratie abbauen. Dass wir mit den neuen Regelungen um Stadtumbau und zur „Sozialen Stadt“ neue unbüroratische Wege ebnen konnten, ist ein zusätzlicher Voreil. Ich möchte noch Folgendes hervorheben: Die den rundstücksverkehr belastende Genehmigungspflicht ür Grundstücksteilungen entfällt. Ich begrüße das auerordentlich. Das Bodenordnungsverfahren wird durch inführung eines vereinfachten Umlegungsverfahrens it erheblichem Zeitgewinn erleichtert. Eine Reihe von ehördlichen Zustimmungsund Genehmigungserforernissen wird abgeschafft und damit werden Vorgaben ür die gemeindliche Entscheidung dereguliert. Für Geerbeund Handwerksbetriebe mit Standort im nicht belanten Innenbereich wird eine erleichterte Möglichkeit um Ausbau und zur Erneuerung eingeführt. Schließlich ird auch die Umnutzung von landwirtschaftlichen Geäuden dadurch zusätzlich unterstützt, dass die bisherige tichtagsregelung durch eine dauerhafte Fristenregeung ersetzt wird. Betonen möchte ich außerdem, dass wir für die Vor aben im Außenbereich eine ausgewogene Lösung geunden haben. Die Förderung der Landwirtschaft und er erneuerbaren Energien auf der einen Seite und der chutz des Außenbereiches und die Sicherung einer gerdneten Entwicklung auf der anderen Seite waren hier u einem Ausgleich zu bringen. Das ist in sinnvoller eise gelungen. Wir sind einen guten Schritt vorangeommen: einerseits mit den neuen gesetzlichen Instruenten und andererseits mit den planungsrechtlichen öglichkeiten für die Gemeinden. Ich bin dankbar, dass die heutigen Beratungen und eschlussfassungen auf Formulierungen basieren, die Bundesminister Dr. h. c. Manfred Stolpe im Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungswesen einvernehmlich gefasst worden sind. Das ist ein Prädikat für das Bauund Planungsrecht des Bundes und für die neuen gesetzgeberischen Lösungen. Ich hoffe, dass ein einvernehmlicher Beschluss des Gesetzes in diesem Hohen Hause auch den Bundesrat überzeugen kann, und bitte Sie alle herzlich um Ihre Zustimmung. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)





(A) )


(B) )



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1510602900

Ich schließe diese ungewöhnlich harmonische Aus-

sprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-

desregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Anpas-
sung des Baugesetzbuches an EU-Richtlinien. Die Ab-
geordnete Undine Kurth hat eine Erklärung zur
Abstimmung abgegeben.1)

Der Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswe-
sen empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 15/2996, den Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen
wollen, um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstim-
men? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Der Ge-
setzentwurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig an-
genommen worden.

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Stimmt jemand dagegen? – Gibt es Enthaltungen? – Der
Gesetzentwurf ist damit auch in dritter Lesung einstim-
mig angenommen worden.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 15/2996 empfiehlt der Ausschuss, den von
der Fraktion der FDP eingebrachten Gesetzentwurf zur
Änderung des Baugesetzbuches – § 246 – auf
Drucksache 15/360 für erledigt zu erklären. Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? –
Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist einstim-
mig angenommen worden.

Unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der
Ausschuss, den von den Abgeordneten Christian Freiherr
von Stetten, Marita Sehn, Manfred Grund und weiteren
Abgeordneten eingebrachten Gesetzentwurf zur Ände-
rung des Baugesetzbuchs auf Drucksache 15/513 – er be-
trifft kommunale Rechte bei Windkraftanlagen – eben-
falls für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Gibt es Gegenstimmen? – Ent-
haltungen? – Die Beschlussempfehlung ist einstimmig
angenommen worden.

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m1) Anlage 2

(C (D Der Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungsween empfiehlt unter Nr. 4 seiner Beschlussempfehlung uf Drucksache 15/2996, den Antrag der Fraktion der DP mit dem Titel „Weitgehende Planungserleichterunen bei Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtliien“ für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Bechlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – uch diese Beschlussempfehlung ist einstimmig angeommen worden. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 21 a und 21 b auf: a)



(3. Ausschuss)

Dr. Christian Ruck, Hermann Gröhe, Dr. Ralf
Brauksiepe, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSU
Die Berliner Afghanistankonferenz – eine
neue Chance für mehr Kohärenz und Koordi-
nierung beim Wiederaufbau
– Drucksachen 15/2578, 15/2991 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Johannes Pflug
Bernd Schmidbauer
Dr. Ludger Volmer
Harald Leibrecht

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)

und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Fortsetzung des Engagements der Bundesre-
gierung für den Wiederaufbau- und Stabilisie-
rungsprozess in Afghanistan
– Drucksachen 15/2757, 15/3006 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Gert Weisskirchen (Wiesloch)

Bernd Schmidbauer
Dr. Ludger Volmer
Harald Leibrecht

Nach interfraktioneller Vereinbarung ist für die Aus-
prache eine Stunde vorgesehen. – Widerspruch höre ich
einen. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst

er Herr Außenminister Joschka Fischer.


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1510603000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen

ie mich mit einer kurzen Vorbemerkung beginnen. Be-
ingt durch die Tatsache, dass sich die Debatte über Eu-
opa vorhin aus verständlichen Gründen zeitlich ausge-
ehnt hat, wird es schwierig für mich sein, jetzt die
anze Debatte über hier zu sein, denn ich habe einen eu-
opäischen Gast, den ich schon um die Verschiebung des
ermins bitten musste. Ich hoffe vor allem bei der Oppo-
ition auf Verständnis. Staatsministerin Müller wird
ich hier vertreten.






(A) )



(B) )


Bundesminister Joseph Fischer

In diesem Jahr kommen wir in Afghanistan mit den

hoffentlich stattfindenden Wahlen zum Staatspräsidenten
– es bestehen durchaus auch Möglichkeiten für Wahlen
zum Parlament – zum Abschluss des Petersbergprozes-
ses. Das hat uns dazu gebracht, über einen Anschluss
nachzudenken. Denn der Abschluss jenes Prozesses, den
die Vereinten Nationen unter Lakhdar Brahimi gemein-
sam mit Vertreterinnen und Vertretern afghanischer
Gruppen auf dem Petersberg bei Bonn vor zwei Jahren
in Angriff genommen haben, um einen über 20-jährigen
Krieg und Bürgerkrieg zu beenden, kann unsere An-
strengungen nicht beenden.

Mit dem Petersbergprozess wurden die ersten ent-
scheidenden Schritte getan, um nach dem Sturz der Tali-
ban ein demokratisches und friedliches Afghanistan auf-
zubauen. Deutschland war jetzt mit der Berliner
Konferenz erneut Gastgeber einer wegweisenden inter-
nationalen Konferenz zur Zukunft Afghanistans. Aus
unserer Sicht war die Berliner Konferenz, die den Pe-
tersbergprozess – sprich: die politische Stabilisierung
und den Wiederaufbau – und die Geberkonferenz von
Tokio zusammenführen sollte, ein voller Erfolg. Die
finanziellen Zusagen haben unsere Erwartungen über-
troffen. Von den Afghanen wurden sie als sehr beeindru-
ckend wahrgenommen. Zugleich ist es gelungen, die
Verpflichtung der Staatengemeinschaft zu einer langfris-
tigen Hilfe zum Wiederaufbau und einer langfristigen
Stabilisierung zu erreichen. Deswegen können wir mit
einem gewissen Stolz sagen, dass diese Konferenz ein
Erfolg war.

Gleichzeitig möchte ich mich bei den Berlinerinnen
und Berlinern, bei der Stadt Berlin und bei den Berliner
Behörden bedanken. Wir haben hervorragend mit ihnen
zusammengearbeitet und konnten das in dieser Woche
wieder bei der Antisemitismuskonferenz erleben. Dafür
möchte ich unseren Dank aussprechen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Markus Löning [FDP])


Ich habe seinerzeit an der Afghanistankonferenz auf
dem Petersberg teilgenommen. Dass wir im Zeitplan
bleiben können, dass ein Verfassungsprozess, der sich
an der so genannten Loya Jirga, der Stämmeversamm-
lung, orientiert und der sich auf die Zustimmung der Af-
ghanen gründet, zustande gekommen ist und dass eine
gelungene Verbindung zwischen den vielfältigen Tradi-
tionen in Afghanistan – dazu zählen die Stammestraditi-
onen wie auch der Islam – mit modernen Grundsätzen,
den Menschenrechten und der Achtung der Rolle von
Frauen und Mädchen, hergestellt werden konnte, hätte
ich damals nicht ohne Weiteres für möglich gehalten.
Das alles ist von afghanischer Seite in schwierigen Ver-
handlungen erreicht worden. Dass heute in Kabul ein be-
eindruckender Fortschritt beim Wiederaufbau erkennbar
ist, ist ebenso positiv zu vermerken wie die Sicherheit,
die in weiten Teilen des Landes gewährleistet ist.

Aber es gibt noch viel zu tun. Von einer selbsttragen-
den Stabilität ist Afghanistan noch weit entfernt. Wir
müssen feststellen, dass im Osten und Südosten des Lan-
des die Gefahr durch die Taliban wie auch die Terrorge-

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(C (D ahr nach wie vor sehr groß ist. Wir müssen auch festtellen, dass der Drogenproblematik – Präsident Karzai at auf der Berliner Konferenz darauf hingewiesen – ine größere Aufmerksamkeit zuteil werden muss. Großritannien hat hierbei die Führung übernommen. In diesem Zusammenhang halte ich eine kluge Strate ie für den Aufbau der Polizei für notwendig. Ich öchte in diesem Zusammenhang dem Bundesinnenmiister wie auch den beteiligten Polizeibeamten und Polieibehörden der Länder ausdrücklich meinen Dank für hre Leistungen aussprechen. Was unsere Polizisten dort it relativ geringen Mitteln bewirken, findet große Anrkennung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


s geht um eine kluge Strategie, die dem Erfordernis
echnung trägt, dass mit internationaler Hilfe und Be-
leitung die Polizeiarbeit vorangebracht und die afghani-
che Polizei wirksam ausgebildet werden müssen, damit
ie effektiv und handlungsfähig wird. Notwendig ist
uch die Kooperation der Nachbarländer, vor allem hin-
ichtlich der Handelswege.
Ich konnte mich in Kunduz davon überzeugen, dass

ie Bauern auf Alternativen angewiesen sind. Wenn das
lend der Familie die einzige Alternative zum Schlaf-
ohnanbau darstellt, dann ist völlig klar – die Men-
chen sind keine Heiligen; wir würden genauso
andeln –, dass die Entscheidung zugunsten des Schlaf-
ohnanbaus fällt, zumal dann, wenn der internationale
andel versucht, mit den Bauern ins Geschäft zu kom-
en, und viel Geld im Spiel ist. Das heißt, es wird ent-
cheidend darauf ankommen, die legale Wirtschaft – vor
llem die Landwirtschaft – voranzubringen.
In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen von den

indrücken erzählen, die ich in Kunduz gewonnen habe.
unduz ist in der Tat nicht mit Kabul zu vergleichen. Es
st eine Provinzstadt, die in etwa einer größeren deut-
chen Kreisstadt entspricht. Die Infrastruktur hat extrem
elitten; die Armut ist groß. Aber der Zustand der Land-
irtschaft, der an den Feldern und Herden sichtbar wird,
acht deutlich, dass es sich nicht um eine arme Region
andelt. Auch wenn er nicht mit unserem Niveau ver-
leichbar ist, so ist doch auf den ersten Blick zu erken-
en, dass er Anlass zu Hoffnungen gibt.
Der eingeschlagene Weg muss mit deutscher Auf-

auhilfe fortgesetzt werden. Unsere Soldaten, Diploma-
en, Entwicklungshelfer und Polizisten leisten mit der
usammenarbeit in dem Provincial Reconstruction
eam in Kunduz hervorragende Arbeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Anfangs herrschte im Bündnis durchaus Skepsis, ob
er von der Bundesrepublik Deutschland mit dem Wie-
eraufbauteam verfolgte Ansatz, alles aus einer Hand zu
eisten, die zivile und die militärische Stabilisierungs-
omponente zusammenzuführen, den Wiederaufbau und
ie Sicherheit zusammenzubringen und vor allen Dingen






(A) )



(B) )


Bundesminister Joseph Fischer

die politische Stabilisierung voranzubringen, tatsächlich
von den Teams geleistet werden kann. Aber man kann
feststellen, dass die Arbeit aller Beteiligten in Kunduz
hervorragend ist. Davon konnte ich mich selbst überzeu-
gen.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)


Noch wichtiger ist – das sagten mir afghanische Ge-
sprächspartner; ich hörte das auch in der Hauptstadt –,
dass mit der Anwesenheit des deutschen Wiederaufbau-
teams und der hervorragenden Arbeit aller beteiligten
Ressorts wieder Vertrauen entstanden ist und Investitio-
nen in stärkerem Maße getätigt worden sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dennoch ist es vor Ort gefährlich. Die Minengefahr
ist permanent präsent. Die Terrorgefahr ist alles andere
als zu unterschätzen. Insofern kommt es auf eine enge
und vertrauensvolle Kooperation an.

Wir finden es sehr gut und wichtig, dass die NATO
umfangreiche Aufgaben in Afghanistan übernommen
hat. Aber wir sollten bei allen Diskussionen über das,
was die NATO kann – das sage ich nicht, weil wir eine
innenpolitische Kontroverse haben –, nicht vergessen:
Eine Überforderung der NATO – wenn sie also in eine
Mission hineingezogen wird, die sie nicht leisten kann –
kann zu einer Vertiefung des transatlantischen Risses
führen. Frustrationen auf beiden Seiten des Atlantiks
wären die Konsequenz. Ich denke, die NATO hat jetzt in
Afghanistan eine dort sehr geachtete und geschätzte Sta-
bilisierungsmission übernommen. Das bedeutet zusätzli-
chen Truppenbedarf, der vom Oberkommandierenden
der ISAF auch klar bejaht wird.

In Kabul ist bereits zu spüren – das ist eine positive
Nachricht –, dass der Wahlkampf in allen Köpfen ist und
dass die Positionierung im Hinblick auf die Wahlen eine
zentrale Rolle spielt, und zwar auch im Verhältnis der
Zentralregierung zu den Provinzgouverneuren. All das
ist Teil eines demokratischen Prozesses, wie wir ihn ken-
nen. Auch bei uns sind Wahljahre besondere Jahre; denn
in solchen Jahren geht es um die demokratische Macht-
verteilung. Gleichzeitig wurde aber auch klar, wie wich-
tig es ist, dass die Registrierung und Erfassung der Wäh-
lerinnen und Wähler unter sicheren Bedingungen und in
einigermaßen geordneten Bahnen stattfindet und dass
die Demobilisierung der noch vorhandenen Privatar-
meen der Warlords vorangeht. Genauso wichtig ist aber
auch die Reintegration derjenigen, die bis heute noch be-
waffnet sind und entsprechend bezahlt werden. Wenn die
Reintegration nicht stattfände, würde die Demobilisie-
rung für viele einen Schritt ins materielle Nichts
bedeuten. Für die betroffenen Familien wäre das eine
Tragödie. Für das Funktionieren des Demobilisierungs-
prozesses und der damit einhergehenden Entwaffnung
– das ist Bestandteil des Wahlprozesses – wird die Re-
integration der Demobilisierten von ganz entscheidender
Bedeutung sein.

Das sind die konkreten Aufgaben, vor denen wir ste-
hen. Dabei spielt die Ausdehnung der militärisch-zivi-

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(C (D en Wiederaufbauteams in die Fläche natürlich eine anz entscheidende Rolle. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


ch freue mich, dass zunehmend andere europäische
artner bereit sind, sich hier zu engagieren und mit uns
usammenzuarbeiten.
Dass die NATO diese Aufgabe übernommen hat, ist
das habe ich bereits gesagt – sehr wichtig. Ich finde, es
äuft positiv. In Afghanistan wird die NATO als eine Or-
anisation gesehen, die wesentlich zu Frieden und Stabi-
ität beiträgt. Wenn wir hier die entsprechenden Verstär-
ungen vornehmen, dann wird dieser Prozess, denke ich,
rotz aller Schwierigkeiten erfolgreich fortgesetzt wer-
en können. Die internationale Gemeinschaft hat in
erlin den Rahmen gesetzt. Ich habe damals Präsident
arzai und auch anderen Angehörigen der afghanischen
egierung gesagt: Jetzt kommt es auf die Afghanen an.
ie internationale Gemeinschaft hat sich verpflichtet.
ch denke, das ist ein sehr gutes und wichtiges Signal.
Vergessen wir nicht: Wir sind in Afghanistan, um zu

elfen. Die Bundesrepublik Deutschland hat dort keine
irekten nationalen Interessen zu vertreten. Wir sind dort
m Auftrag der Vereinten Nationen, um gemeinsam mit
nseren internationalen Partnern zu helfen, dass Afgha-
istan nach über 20 Jahren eines furchtbaren Krieges
nd Bürgerkrieges wiederaufgebaut werden kann und
ass es eines Tages als demokratischer Staat auf eigenen
einen stehen kann. Das ist unser Auftrag und das liegt
uch in unserem Interesse. Wäre die internationale Ge-
einschaft nicht in Afghanistan engagiert, dann würden
ir in kürzester Zeit die gleichen Tragödien wieder erle-
en; denn nur die Präsenz der internationalen Gemein-
chaft hat die Perspektive auf eine andere Entwicklung
röffnet.
Lassen Sie mich mit einem Dank an alle enden, die

azu beigetragen haben, dass die Berliner Afghanistan-
onferenz erfolgreich wurde, und vor allen Dingen an
iejenigen, die in unserem Auftrag den gefahrvollen
insatz in Afghanistan leisten. Ich hoffe, dass sie alle ge-
und zurückkehren werden.
Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510603100

Das Wort hat der Kollege Dr. Christian Ruck, CDU/
SU-Fraktion.

Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1510603200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kaum

rgendwo außerhalb Europas hat sich Deutschland nach
em Krieg materiell, politisch, militärisch und auch mit
o viel Risiko engagiert wie im weit entfernten und ver-
eintlich politisch unwichtigen Afghanistan.
Die Union hat diese völlig neuartige Mission trotz
ancher Kritikpunkte mitgetragen, weil sich auch unser






(A) )



(B) )


Dr. Christian Ruck

Land am weltweiten Kampf gegen eine ebenfalls völlig
neuartige Terrorbedrohung ernsthaft beteiligen muss
und weil sie der Überzeugung ist, dass eine so gefährli-
che Tätigkeit unserer Soldaten und unserer Aufbauhelfer
in Afghanistan die Rückendeckung des ganzen Bundes-
tages braucht. Allerdings ist dies kein Blankoscheck von
uns an die Bundesregierung. Wir werden uns mit diesem
Einsatz und mit Teilaspekten dieses Einsatzes weiterhin
kritisch auseinander setzen, so wie wir es in dieser De-
batte tun.

Herr Außenminister, die Berliner Afghanistankonfe-
renz vor einigen Wochen war in der Tat ein Schritt nach
vorn. Die zugesagten 8,2 Milliarden US-Dollar sind, so
sie denn fließen, eine tragfähige Grundlage für den wei-
teren Aufbau des Landes und geben natürlich auch der
Politik in Afghanistan ein positives Signal vor den wich-
tigen Wahlen. Sowohl der Beitrag Deutschlands als auch
der Beitrag Europas sind beachtlich. Noch beachtlicher
ist allerdings der zugesagte Beitrag der Vereinigten Staa-
ten.

Hoffnungsvoll stimmt auch vieles, was in Afghanis-
tan passiert ist: viele kleine und größere Fortschritte vor
Ort. Vor dem Hintergrund der katastrophalen Situation
im September 2001 und der unglaublich schwierigen
Rahmenbedingungen, die damals vorherrschten, ist
wirklich vieles erreicht worden. Daher geht auch von
uns ein herzlicher Dank an die Bundeswehrsoldaten, an
unsere Entwicklungsfachleute und an die vielen Nichtre-
gierungsorganisationen wie die Welthungerhilfe, die da-
für mit verantwortlich sind!


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Herr Außenminister, die rosigen Farben, mit denen
Sie die Lage in Afghanistan schildern – das haben Sie
auch bei Ihrem Besuch in Kabul getan –, erkennen wir
nicht. Die finanzielle Absicherung des Friedensprozes-
ses ist nur eine der schwierigen Herausforderungen, die
zu meistern sind. Die Risiken sind nach wie vor enorm.
Die Zukunft Afghanistans und auch der Erfolg unserer
Mission hängen in Wirklichkeit an einem seidenen Fa-
den.

Besonders besorgniserregend ist immer noch die in-
stabile innere Lage. Nicht nur die Rekrutierungsver-
suche versprengter Taliban, sondern vor allem die Aus-
einandersetzung zwischen regionalen Machthabern und
der Zentralregierung sind ein ernsthaftes Problem, das
bisher niemand in den Griff bekommen hat.

Das Bekenntnis der Berliner Erklärung zu einer ener-
gischen Umsetzung der Demobilisierungs-, Abrüstungs-
und Reintegrationsprogramme kann nicht übertünchen,
dass die Autorität der Zentralregierung bisher nur
stockend im Land ausgedehnt wurde. Die Übergangs-
regierung von Präsident Karzai hat zwar durchgehal-
ten; in vielen Provinzen herrschen aber nach wie vor
lokale Fürsten und Warlords mit ganz eigenen Vorstel-
lungen von Recht, Demokratie und Macht. Einige haben
so blutige Hände, dass ihnen ein ehrlicher Politiker
kaum die Hand schütteln sollte.

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(C (D Es ist nur ein erster und keineswegs großer Schritt, enn einige Provinzen 25 Millionen Dollar an die Zenralregierung überweisen. Das entspricht allenfalls dem nhalt ihrer Portokasse. Solange sich die Warlords mitilfe ihrer Militärmacht um Zentralregierung und Demoratie nicht zu scheren brauchen, ist Afghanistans Transormationsprozess auf Sand gebaut. Deshalb müssen der ufbau einer schlagkräftigen afghanischen Armee bechleunigt und die Demobilisierung endlich in Gang geetzt werden. Wenn man sich anschaut, welche Waffen a abgegeben werden, dann erkennt man: Auch diese emobilisierung ist bis jetzt nur eine Worthülse. In dieem Bereich muss Deutschland der Führungsrolle, die es n Afghanistan übernommen hat, stärker gerecht werden. Das gilt auch für ein weiteres großes Problem – Sie ha en es angesprochen –, nämlich für den Kampf gegen en Drogenanbau. Wir wissen, dass Afghanistan den msatz nach der Rekordernte vom letzten Jahr auch euer steigern wird. Man bedenke all die schrecklichen olgen, zum Beispiel die Drogentoten auch in unserem ande. Die Drogenbekämpfung ist bisher nur wenig erolgreich. Diese Frage richtet sich nicht nur, aber auch an ie federführenden Briten. Es ist völlig unverständlich, arum die Briten erst jetzt mit der afghanischen Regieung eine Drogenbekämpfungsstrategie ausarbeiten. Ein Desaster ist zum Beispiel auch die Politik des elternährungsprogramms. Trotz zweier Rekordern en bei Weizen hält das Welternährungsprogramm an seier Politik fest, massive Nahrungsmittelhilfe mit imporiertem Getreide zu leisten, (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


it der Folge, dass der Getreidepreis für die afghani-
chen Bauern in den Keller geht. Auch das ist etwas, was
ir uns als Führungsnation – so sage ich jetzt einmal –
igentlich nicht gefallen lassen dürften.


(Beifall bei der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Insoweit die Verantwortung nur auf die Briten zu
chieben, das ist meiner Ansicht nach nicht die richtige
olitik. Die Bundesrepublik als Führungsnation in Af-
hanistan muss wirklich energisch auf Fortschritte drän-
en. Wir müssen auch unsere eigenen Expertisen stärker
inbringen, zum Beispiel in der Politik für die ländliche
ntwicklung, zur Substitution des Drogenanbaus und
ur Polizeiausbildung, die natürlich mehr sein muss als
ine Ausbildung zur Verkehrsregelung.
Der Wiederaufbau Afghanistans ist ein Wettlauf mit

er Zeit. Die Menschen müssen spüren, dass sich Demo-
ratie, Rechtsstaat und Achtung der Menschenrechte
ehr auszahlen als die Hinwendung zu brutalen Ideolo-
ien und Banditentum. Man muss sehen, dass da auch
och viel Sand im eigenen Getriebe ist. Die Koordinie-
ung der Unzahl multilateraler, bilateraler und internatio-
aler Geber ist nach wie vor ungenügend. Hierbei spielt
eider auch die Weltbank eine unrühmliche Rolle. Wir
ind der drittgrößte Geber der Weltbank und deswegen
st es natürlich auch unsere Aufgabe, Frau Ministerin
ieczorek-Zeul, dort etwas Ordnung ins Chaos zu brin-
en.






(A) )



(B) )


Dr. Christian Ruck

Auch die Abstimmung der eigenen Akteure ist unbe-

friedigend. Die Unstimmigkeiten zwischen dem Aus-
wärtigen Amt und dem Entwicklungsministerium sind
ebenso offenkundig wie die zwischen dem Entwick-
lungsministerium und dem Verteidigungsministerium.
Was höchste Regierungsvertreter im Entwicklungsaus-
schuss dazu erst vor zwei Wochen in aller Offenheit ge-
sagt haben, Herr Löning, war kurz, knapp, eindeutig und
verletzend.

Nun ist öffentlich geworden, dass sich Deutschland
zusammen mit den Niederlanden an einem zweiten
Team in der Provinz Kunduz beteiligt. Das bedeutet eine
erhebliche Ausweitung des Risikos; denn damit agiert
die Bundeswehr wirklich im Zentrum des afghanischen
Drogenanbaus und ist noch stärker der Gefahr ausge-
setzt, entweder in Auseinandersetzungen zu geraten oder
zum Komplizen der Drogenbarone zu werden.


(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Aber, aber!)


Gerade in diesem Zusammenhang muss die Bundesre-
gierung deutlich machen, wie auch in Bagdashan die
Drogenbekämpfung in Zusammenarbeit mit der afghani-
schen Polizei, den Briten und den Amerikanern aussehen
soll.

Besonders unverständlich in diesem Zusammenhang
ist auch die bisher betriebene Geheimniskrämerei. Wa-
rum muss der Bundestag eine so wichtige Entscheidung
wie die über die Erweiterung in diese Gegend eigentlich
aus der Zeitung erfahren? Ein solches intransparentes
Handeln ist meiner Ansicht nach kontraproduktiv und
schadet dem gesamten Engagement.

Noch etwas ist für den langfristigen Erfolg der inter-
nationalen Politik für Afghanistan wichtig – das betrifft
vor allem Sie, Herr Außenminister –, nämlich die stär-
kere Einbeziehung der Nachbarn des Landes. Auch dies
wurde auf der Berliner Konferenz festgestellt, ist aber
bisher nur ungenügend geschehen. Pakistan zum Bei-
spiel wird zwar politisch wieder einmal hofiert; aber eine
echte Aussicht auf die Lösung der schwierigen Probleme
Pakistans an den Außengrenzen, in der Innenpolitik und
in der Wirtschaftspolitik gibt es nicht,


(Lachen des Bundesministers Joseph Fischer)

und zwar weder durch eine effiziente Hilfe noch durch
ein energisches Drängen auf überfällige Reformen. Das
ist ebenfalls eine Achillesferse, was die weitere Ent-
wicklung Afghanistans angeht.

Überfällig ist auch eine strategische Allianz mit dem
Iran zur Drogenbekämpfung. Dies ist bisher versäumt
worden, obwohl gerade Deutschland in Teheran eine
gute Verhandlungsposition hätte.

Schließlich gilt, Herr Außenminister: Solange die rus-
sischen Truppen, zum Beispiel in Tadschikistan und in
Usbekistan, den Handel mit Drogen aus Afghanistan
munter weiter befördern, haben auch Sie ihre Hausauf-
gaben, zum Beispiel in Moskau, nicht gemacht.


(Zuruf des Bundesministers Jospeh Fischer)



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(C (D Das ist wirklich ein Engpass Ihrer Politik. Sie führt ämlich dazu, dass die Zahl der Drogentoten auch im eienen Land nicht abnimmt. Der Aufbau eines friedlichen und stabilen Afghanis ans lässt sich nicht isoliert von den Problemen des ahen und Mittleren Ostens insgesamt angehen. Hier üssen wir, wie ich glaube, auch bei dem anstehenden -8-Gipfel eine Initiative für einen neuen Brückenchlag gegenüber den islamischen Ländern starten. Herr Kollege, Ihre Redezeit. Wir müssen alles daransetzen, dass unser hoher Ein atz in Afghanistan und der unserer Partner nicht umonst ist und zu einem guten Ende geführt wird. Dazu ordern wir von der Bundesregierung mehr Konsequenz, ehr Kohärenz und mehr internationale Führungsstärke. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510603300
Dr. Christian Ruck (CSU):
Rede ID: ID1510603400


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510603500

Das Wort hat der Kollege Johannes Pflug, SPD-Frak-

ion.


Johannes Pflug (SPD):
Rede ID: ID1510603600

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Nachdem der Kollege Ruck jetzt zum Schluss ja
och noch versucht hat, irgendwelche Missstände zu fin-
en, für die man der Bundesregierung die Verantwortung
nlasten könnte, lassen Sie mich festhalten, dass man,
enn man sich die zwei Anträge und die zwei Entschlie-
ungsanträge, die dieser Debatte zugrunde liegen,
nschaut, sehr schnell zu der Erkenntnis kommt, Herr
ollege Ruck, dass es eigentlich keine großen substan-
iellen Differenzen in der Beurteilung der Afghanistan-
olitik gibt. Sie üben nun an der einen oder anderen
telle Kritik. Es ist ja auch die Aufgabe der Opposition,
ritik zu üben. Nun geht es um die Frage, wie man sie
eurteilt.


(Markus Löning [FDP]: Die ist auch berechtigt!)


Sie sagen, die Kritik sei berechtigt. Vielleicht gebe ich
hnen bezüglich des Informationsflusses Recht. Diesen
unkt hat ja auch der Kollege Ruck schon erwähnt. An
nderer Stelle halte ich sie aber nicht für berechtigt.
Gerade vor dem Hintergrund der Konferenz, die hier

m 31. März und 1. April dieses Jahres stattgefunden
at, ist es schon richtig, zu fragen, ob wir mit den An-
ahmen, Beurteilungen und Forderungen, die in den An-
rägen stehen, richtig gelegen haben oder ob wir sie nach
ieser Konferenz korrigieren müssen.
Herr Kollege Ruck, auch Sie haben in Ihrer Rede fest-

estellt, dass diese Konferenz einen beachtlichen Schritt
n die richtige Richtung dargestellt hat. Ich würde es so
ormulieren: Diese Konferenz – so beurteilen sie ja auch
nternationale Beobachter – ist durchaus ein beachtlicher






(A) )



(B) )


Johannes Pflug

Erfolg gewesen. Ich persönlich hatte Gelegenheit, an ei-
ner dieser so genannten Vorfeldkonferenzen teilzuneh-
men, die von der Friedrich-Ebert-Stiftung und von Swiss
Peace ausgerichtet wurde und an der Akteure der afgha-
nischen Zivilgesellschaft teilgenommen haben. Auf-
grund der dort abgegebenen, doch sehr authentischen
Diskussionsbeiträge und Stellungnahmen dieser Akteure
habe ich einen Einblick in die aktuelle politische Situa-
tion gewonnen. Auch wenn mein Eindruck sicherlich
nicht gerade ungetrübt optimistisch ist, komme ich zu
dem Ergebnis – so habe ich das auch im Ausschuss fest-
gehalten –: Es war nicht falsch und bleibt deshalb rich-
tig, dass sich Deutschland an ISAF mit zurzeit fast
2 000 Mann beteiligt. Damit sind wir vor Kanada mit
rund 1 750 Mann der größte Truppensteller.

Bei Besuchen in afghanischen Nachbarstaaten und in
Gesprächen mit Vertretern dieser Staaten, auch hier in
Berlin, habe ich immer wieder gehört, dass es zur deut-
schen Beteiligung und zum Engagement der internatio-
nalen Staatengemeinschaft in Afghanistan eigentlich
überhaupt keine Alternative gibt. Alle haben uns gesagt:
Ihr müsst dort bleiben; es wäre fatal, wenn ihr an einen
Rückzug denken oder euch tatsächlich zurückziehen
würdet. Darüber hinaus konnte ich mich bei einem Kurz-
besuch in Afghanistan im letzten Jahr vom guten Ruf der
deutschen Truppen und der deutschen Aufbauhelfer vor
Ort überzeugen. Deshalb ist es richtig, dass die zentrale
Botschaft der Berliner Konferenz lautet: Der weitere
Aufbau Afghanistans bleibt auch nach dem Ende des im
Dezember 2001 auf dem Petersberg definierten Prozes-
ses eine gemeinsame Aufgabe von internationaler Ge-
meinschaft und Afghanistan unter dem Dach der Verein-
ten Nationen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es wurden ja verschiedene Papiere für diese Konfe-
renz erarbeitet. Der von der afghanischen Regierung in
diesem Rahmen aufgestellte Arbeitsplan zeigt, wie sich
Afghanistan in den nächsten zwei Jahren entwickeln
soll. Dies ist auch Gegenstand des Abschlusskommuni-
qués, der so genannten Berlin Declaration.

Lassen Sie mich an dieser Stelle, Herr Kollege Ruck,
auch etwas zum Thema Bekämpfung des Drogen-
anbaus und des Drogenhandels in Afghanistan sowie
natürlich auch zum Transfer von Drogen aus Afgha-
nistan sagen. Der so genannte Annex 3 zur Berlin Decla-
ration ist ein Abkommen zwischen Afghanistan und sei-
nen Nachbarn zur Bekämpfung des Drogenhandels, das
Afghanistan nach Jahren der Isolation allmählich wieder
eine lebendige regionale Zusammenarbeit mit seinen
Nachbarstaaten ermöglichen soll.

Aber wir sollten uns keine Illusionen machen und
keine unmöglichen Forderungen stellen. Afghanistan ex-
portiert heute wieder jährlich mehr als 3 600 Tonnen
Rohopium; manche Schätzungen gehen sogar davon
aus, dass es möglicherweise bis zu 5 000 Tonnen sind.
Wer weiß, dass ein afghanischer Bauer, der mit alternati-
ver landwirtschaftlicher Nutzung das Niveau seiner noch
immer kümmerlichen Einkünfte aus dem Mohnanbau er-
reichen wollte, mindestens die zehnfache Anbaufläche

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(C (D enötigen würde und natürlich auch entsprechend beareiten müsste, dem muss klar sein, dass die Bekämpfung es Drogenanbaus ein sehr mühseliges Geschäft sein ird, ganz abgesehen von der dauerhaften Nötigung und ewaltanwendung durch Drogenbosse gegenüber solhen Landwirten, die tatsächlich aussteigen wollen. ber das gilt ja nicht nur für Afghanistan, sondern auch ür Kolumbien und andere Länder. Trotzdem käme nieand auf die Idee, die Bundesregierung oder Minister ischer für die Situation in Kolumbien verantwortlich zu achen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben nicht den geringsten Zweifel, dass Präsi-
ent Karzai den Drogenanbau und den Drogenhandel
atsächlich bekämpfen will. Aber wir wissen natürlich
uch, dass er – da gebe ich Ihnen Recht, Herr Kollege
uck – sehr mächtige Gegner in den Provinzen bis hi-
ein in seine eigene Regierung hat. Diese Erkenntnis
onnte ich durch meine Teilnahme an der NGO-Konfe-
enz in Berlin persönlich gewinnen.
Weitere wichtige Erkenntnisse konnte ich auf besag-

er Konferenz zum Thema Wahlen und Entwaffnung der
ilizen und Warlord-Truppen gewinnen. Bereits im Vor-

eld der Berlin-Konferenz hatte sich Afghanistan auf ei-
en Wahltermin im September 2004 festgelegt, und zwar
ür die Wahlen sowohl des Präsidenten als auch des Un-
erhauses. Das Oberhaus soll bekanntlich im nächsten
ahr gewählt werden. Voraussetzung für die Durchfüh-
ung möglichst ungestörter Wahlen war eine Entschei-
ung des afghanischen Kabinetts für Grundzüge eines
rogramms zur Entwaffnung der Milizen. Im Gegen-
ug konnte die Finanzierung der Wahlen weitgehend
ichergestellt werden. Dazu leistet Deutschland mit
,6 Millionen Dollar von insgesamt 67,9 Millionen Dol-
ar einen beachtlichen Beitrag.
Es ist allerdings wichtig – das haben alle Konferenz-

eilnehmer gesagt –, dass vorher die Entwaffnung der
ilizen stattfindet, weil die Menschen natürlich Angst
aben, genötigt oder in eine bestimmte Richtung beein-
lusst zu werden. Das Problem ist, dass zu dem Zeit-
unkt, zu dem wir darüber gesprochen haben, gerade
inmal knapp 1,8 Millionen Wähler registriert waren,
avon knapp 30 Prozent Frauen; einige sagten, es seien
ogar nur 20 Prozent. Die afghanische Regierung hat
erkündet, dass sie bis Mai eine Registrierung von
Millionen Wählern erreichen wolle. Dabei ist natürlich
ringend erforderlich, dass der Anteil der Frauen maß-
eblich gesteigert wird. Wir hoffen sehr, dass das durch
en intensiven Einsatz von internationalen Wahlhelfern
nd die Einrichtung von rund 3 200 Wahlbüros möglich
ein wird.
In der Konferenz erfuhren Enduring Freedom und

SAF eine durchgängige Würdigung. Durch die Teil-
ahme der NATO-Geberstaaten wurde die heraus-
agende Rolle der NATO deutlich, die sich in der Berlin-
rklärung zudem zur Einrichtung fünf zusätzlicher so
enannter Provinzwiederaufbauteams bis Sommer die-
es Jahres verpflichtet hat. Die zentrale Aufgabe wird
ie Umsetzung des PRT-Konzeptes im Rahmen des






(A) )



(B) )


Johannes Pflug

ISAF-Mandates sein, um mehr Stabilität und Sicherheit
in den Provinzen zu schaffen. Dies gilt insbesondere für
die Stabilisierung der paschtunischen Gebiete in der af-
ghanisch-pakistanischen Grenzregion.

Dass die Sicherheitslage nach wie vor problematisch
ist, zeigen die aktuellen Ereignisse im Land nach der
Berlin-Konferenz. Ich will nur zwei nennen: Am
21. April wurde in Spin Boldak, einer Grenzstadt zu Pa-
kistan, ein Anschlag auf den Gouverneur der Südprovinz
Kandahar verübt. Afghanischen Angaben zufolge ent-
ging Präsident Karzai am 25. April in Kandahar Stadt ei-
nem Anschlag.

In der Berlin-Erklärung wurde die Zusage erneuert,
bei der Durchführung der Wahlen im September zu hel-
fen. Die militärischen Anstrengungen müssen durch den
Aufbau zivilgesellschaftlicher Strukturen in Afghanistan
ergänzt werden. Bei dem koordinierten Wahlbeobach-
tungsprozess sollte Deutschland im Konzert der Euro-
päischen Union und der Vereinten Nationen eine enga-
gierte Rolle übernehmen.

Zum Schluss bleiben noch die Geberzusagen zu er-
wähnen. Die internationale Gebergemeinde hat auf der
Konferenz Zusagen für Afghanistan von insgesamt
8,2 Milliarden US-Dollar für die nächsten drei Jahre,
also von 2004 bis 2006, gemacht, davon allein 4,4 Mil-
liarden Dollar für das eben begonnene afghanische
Haushaltsjahr. Auch wenn die afghanische Regierung
damit vielleicht nicht ganz zufrieden war, glaube ich,
dass eine beachtliche Summe zustande gekommen ist.
Das sollte man durchaus würdigen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Auch der deutsche Anteil mit 320 Millionen Dollar bis
2006, also jährlich rund 80 Millionen Dollar, ist beacht-
lich.

Das von der afghanischen Regierung aufgelegte In-
vestitionsprogramm, für das für einen Zeitraum von
sieben Jahren ein Bedarf an ausländischer Hilfe in Höhe
von 28 Milliarden Dollar errechnet wurde, ist damit nach
unserer Meinung für das laufende afghanische Haus-
haltsjahr bereits komplett finanziert.

Sämtliche finanziellen Anstrengungen werden lang-
fristig natürlich nur dann erfolgreich sein, wenn es ge-
lingt, ein funktionierendes demokratisches Staatswesen
in Afghanistan aufzubauen. Dazu gehört der Aufbau
einer afghanischen Polizei – an dem sind wir maßgeblich
beteiligt –, die einem funktionierenden Rechtssystem zu-
sätzlich Geltung verschafft. Nur dann werden die Men-
schen ihre verfassungsmäßigen Rechte in Anspruch neh-
men können.

Lassen Sie mich zum Schluss hervorheben, dass sich
Deutschland an internationalen Einsätzen nur dann be-
teiligt, wenn sie eine klare völkerrechtliche Grundlage
haben. Dies war im Irak nicht der Fall. Deshalb haben
wir uns dort nicht beteiligt. Das war richtig und darauf
sind wir stolz. In Afghanistan haben wir eine klare völ-
kerrechtliche Situation. Deshalb werden wir uns auf der
Grundlage ständigen Überprüfens der Fortschritte des

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(C (D taatsaufbaus und der Demokratisierung Afghanistans ort auch weiterhin engagieren. Schönen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510603700

Das Wort hat der Kollege Markus Löning, FDP-Frak-

ion.


Markus Löning (FDP):
Rede ID: ID1510603800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir
üssen leider feststellen: Afghanistan wird uns in die-
em Haus zweifelsohne noch eine ganze Reihe von Jah-
en beschäftigen. Es ist bei weitem nicht so, dass die Er-
artungen, die teilweise am Anfang mit Euphorie
eäußert wurden, schon Realität geworden sind.
Die Bundesregierung lässt sich für die Ergebnisse der
erliner Afghanistankonferenz feiern. Ich will die finan-
iellen Beiträge, die international eingeworben worden
ind, zwar nicht kleinreden. Aber man muss eines ganz
lar sagen: Ein echtes Aufbruchsignal für Afghanistan,
as man sich erhofft hat, hat es leider nicht gegeben.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Christian Ruck [CDU/CSU])


Herr Karzai macht international eine sehr gute Figur.
ch bin davon überzeugt, dass er das, was er sagt, ernst-
aft meint. Aber wir müssen eben auch zur Kenntnis
ehmen, dass Herr Karzai noch weit davon entfernt ist,
ontrolle über Afghanistan auszuüben. Die Lage in
fghanistan ist – wie es in der Bundeswehr so schön
eißt – mehr oder weniger ruhig, meistens weniger ru-
ig. Vor allem aber ist die Lage nicht stabil. Die Macht
er Zentralregierung reicht kaum über die Stadtgrenzen
on Kabul hinaus.
Die Warlords sind nach wie vor in ihren Gebieten tä-

ig. Vor allem an der Grenze zu Pakistan, also im Süd-
sten des Landes, sind die Taliban weiter aktiv. Dort gibt
s lebendige al-Qaida-Strukturen. Es ist also bei weitem
och nicht so, dass man sagen könnte: Die Situation in
fghanistan ist befriedet.
Die Wirtschaft in Afghanistan, die für einen fried-

ichen Neuanfang natürlich essenziell ist und die dafür
orgen könnte, dass die Leute wieder ein eigenes Ein-
ommen haben, besteht zurzeit – das wurde bereits an-
esprochen – im Wesentlichen aus Drogengeschäften.
ie Einnahmen aus diesen Drogengeschäften sind die
ichtigste Machtbasis der Warlords.
Der Herr Außenminister hat hier gesagt, dass da, wo

ie Deutschen tätig sind, Investitionen getätigt würden.
n Bezug auf Hermes-Bürgschaften wird das ganz an-
ers gesehen. Es wird ganz klar gesagt: Für Afghanistan
ird es keine entsprechenden Bürgschaften geben; denn
as ist mit das gefährlichste und instabilste Land, das es
berhaupt gibt.
Die Wahlen im September sind verlegt worden. Wir

aben schon über die Zweifel gehört, ob es auch nur






(A) )



(B) )


Markus Löning

annähernd gelingen wird, die Wähler zu registrieren.
Selbst wenn es gelingen würde, die Wähler zu registrie-
ren und die Wahlen durchzuführen, stellt sich die Frage,
ob die Ergebnisse der Wahlen in den Provinzen von den
Warlords und den Gouverneuren überhaupt anerkannt
würden. Das ist eine ganz entscheidende Frage, wenn
wir hier einen Fortschritt erzielen wollen.

Insgesamt ist dies ein wesentlich finstereres Bild als
das, das der Herr Außenminister zu vermitteln versucht
hat. Es ist sein Recht und vermutlich auch seine Pflicht,
das Ganze in rosigen Farben darzustellen. Ich glaube, es
ist für uns als Opposition eine wichtige Aufgabe, die
Realität in dieses Haus zu bringen und darauf hinzuwei-
sen, dass die Lage bei weitem nicht so schön ist, wie er
sie zu verkaufen versuchte.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben von Anfang an bezweifelt, ob das Konzept
der Stabilitätsinseln, das die Bundesregierung in Kun-
duz mit den PRTs eingeführt hat, funktioniert. Wir haben
als einzige Fraktion in diesem Haus den Kunduz-Man-
datsantrag abgelehnt, nicht deshalb, weil wir der Mei-
nung sind, dass wir Afghanistan nicht stabilisieren soll-
ten, sondern deshalb, weil wir der Meinung sind, dass es
so nicht klappen kann. Es reicht nicht, ein kleines Team
nach Kunduz zu schicken. Wir können Afghanistan nicht
stabilisieren, wenn wir nicht den Rückhalt unserer euro-
päischen Partner haben.


(Beifall bei der FDP)

Dieses Konzept wird nicht funktionieren, solange unsere
europäischen Partner nicht wirklich dahinter stehen und
sich aktiv an der Umsetzung beteiligen. Ich vermisse,
dass der Bundesaußenminister einmal klar sagt, was er
im Allgemeinen Rat getan hat, um die anderen Europäer
von seiner Position zu überzeugen.


(Beifall bei der FDP)

Wir haben auch die Sorge, dass unsere Soldaten in

Kunduz auf eine Mission Impossible geschickt werden.
Zum einen wollen wir natürlich Drogenanbau und Dro-
genhandel bekämpfen; zum anderen ist unsere Truppe
aber nicht dazu in der Lage. Sie würde ihre eigene Si-
cherheit im höchsten Maße gefährden, wenn sie anfan-
gen würde, in den Kampf gegen die Drogen einzugrei-
fen.

Ich muss ehrlich sagen: Ich halte manche Forderung
aus der Bundesregierung, die da lautet, dass wir aktiver
werden müssen, für höchst problematisch. Es ist außer-
ordentlich wichtig, den Drogenanbau zu bekämpfen.
Aber wir müssen sehen, ob wir in der Lage sind, unsere
Truppen auch dann zu schützen, wenn sie aktiv in diesen
Kampf eingreifen würden oder wenn dieser Kampf um
unsere Truppen herum stattfinden würde.

Deswegen bin ich sehr skeptisch, was das geplante,
neue PRT angeht, das Herr Struck angekündigt und der
Bundeskanzler mit den Niederländern vereinbart hat,
wobei Teile der Bundesregierung – wohl auch der Au-

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(C (D enminister – und auch die Niederländer dies erst aus er Zeitung erfahren haben. Herr Fischer war ja in Kabul nd hat gesagt: Keine neuen Truppen! Er war noch nicht inmal aus Kabul zurückgekehrt, da sagte der Kanzler chon: Es gibt neue Truppen. – Da scheint die Abstimung nicht zu funktionieren. (Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt doch nicht! Es gibt keine neuen Truppen! Nur im Rahmen dessen, was wir beschlossen haben!)


Richtig. Aber die Zahl der Soldaten soll aufgestockt
erden, Herr Nachtwei. Selbstverständlich sind das neue
ruppen.


(Beifall bei der FDP – Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Grenze 450! Das wissen Sie doch! Sie können doch lesen!)


err Fischer hat gesagt, es gebe keine neuen Truppen.
Ich glaube, dass das weitere PRT in Faizabad keine

ute Idee ist. Ich denke, wir sollten mit unseren europäi-
chen Partnern und Nachbarn reden, wo ein Einsatz Sinn
acht. In dieser Gegend, einer reinen Opiumgegend,
acht ein Einsatz keinen Sinn. Es ist sehr viel wichtiger,
ndere Gegenden zu stabilisieren. Da können wir zusam-
en mit unseren Nachbarn sehr viel mehr erreichen.


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche meinen Sie denn? Machen Sie Vorschläge!)


Im Süden zum Beispiel könnten wir weit mehr errei-
hen.


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Im Süden? In Kandahar? Da kann man gut kämpfen!)


Lassen Sie mich zum Schluss Folgendes ausführen:
err Nachtwei, es scheint mir, dass die Bundesregierung
er Diskussion im Bundestag offensichtlich ausweichen
ill.


(Beifall bei der FDP – Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Ja, so ist es !)


arum sucht sie sich denn wieder die Region aus, die
on unserem Mandat bereits abgedeckt ist? Die Truppe
ollte dahin gehen, wo es sinnvoll ist. Die Bundesregie-
ung sollte sich dieser Diskussion in diesem Hause stel-
en und dann werden wir weitersehen.
Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie einmal die ISAF-Kommandeure, fragen Sie die Amerikaner, welche Regionen sinnvoll sind!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510603900

Das Wort hat die Bundesministerin Heidemarie
ieczorek-Zeul.






(A) )



(B) )


Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für

wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte zu Beginn meiner Rede unseren Freund, den
afghanischen Wiederaufbauminister, Herrn Farhang,
der auf der Ehrentribüne Platz genommen hat, sehr herz-
lich bei uns begrüßen.


(Beifall)

Er hat lange in unserem Land gelebt und ist somit ein en-
ges Bindeglied zwischen unseren Völkern. Wir wün-
schen ihm und seiner Regierung sowie den Menschen in
Afghanistan den Erfolg, den sie so dringlich benötigen.


(Beifall)

Wir reden über die Folgen der Afghanistankonferenz

und die Entwicklung in Afghanistan in den nächsten
Wochen und Monaten.

Ich möchte darauf hinweisen, dass es im Umfeld der
Konferenz auch um viele andere Facetten ging. So haben
wir zum Beispiel die Zusammenarbeit mit der Zivilge-
sellschaft und mit Vertretern der Wirtschaft auf einer In-
vestorenkonferenz wirtschaftliche Investitionen in Af-
ghanistan diskutiert. Auch gab es die politische Runde
der Afghanistankonferenz. Im Anschluss daran fand vor
wenigen Tagen in Kabul – der Kollege Pflug hat das an-
gesprochen – das so genannte Development Forum statt,
auf dem alle afghanischen Ministerien – Herr Farhang
weiß, wovon die Rede ist – die Programme vorgestellt
haben, mit denen sie die Berlin-Beschlüsse umsetzen
wollen. Das finde ich wegweisend, denn die Schritte in
dem Arbeitsplan, die auch die Eigenständigkeit der af-
ghanischen Seite deutlich machen, beziehen sich auf die
Punkte, die wir hier gemeinsam diskutiert haben: die
freien Wahlen unter der neuen Verfassung.

Ich halte die vorliegende Verfassung für einen großar-
tigen Erfolg und auch, dass aufgrund des Engagements
der afghanischen Frauen die Frauenrechte in ihr veran-
kert worden sind. Das ist außerordentlich wichtig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Verschiebung des Termins für die Wahlen war
auch deshalb richtig, weil zuvor die Registrierung der
Wählerinnen und Wähler erfolgen muss. Das aber dauert
seine Zeit. Ich habe mit Herrn Farhang und auch mit Fi-
nanzminister Ghani über diese Fragen gesprochen. Der-
zeit begeben sich Mitarbeiter in alle Regionen Afghanis-
tans, auch in ländliche Regionen, um die Registrierung
vorzunehmen. Natürlich ist die Registrierung von
Frauen besonders wichtig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Darüber hinaus geht es um die Zusage der Organisa-
tionsfreiheit, der Redefreiheit, der Pressefreiheit und der
Gleichberechtigung von Frauen. Ich appelliere dringend
an die afghanische Regierung, bei dem in den nächsten
Tagen zu verabschiedenden Wahlgesetz sicherzustellen,
dass die geplante Repräsentation von Frauen im künfti-

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(C (D en Parlament verwirklicht wird. Es ist extrem wichtig, elches Wahlgesetz zugrunde gelegt wird. In Berlin und auch im Rahmen der Aktionspro ramme ist eine unabhängige Überprüfung der Menchenrechtssituation zugesagt worden. Hinzu kommen ie Demobilisierung und Wiedereingliederung der beaffneten Kräfte in die Gesellschaft. Das hört sich einach an. Aber wer auf der Afghanistankonferenz war, eiß – ich nenne insbesondere die verantwortlichen Geerländer wie zum Beispiel Japan –, welche praktischen robleme dabei auftreten und welche Versöhnungsund ermittlungsprozesse erforderlich sind. Außerdem geht es um den Aufbau einer effektiven Zi ilverwaltung und eines zukunftsweisenden Steuerund inanzsystems. An der Stelle möchte ich ein ausdrücklihes Dankeschön an Finanzminister Ghani richten, der it großem Engagement dafür sorgt, dass ein transpaentes System aufgebaut wird, das die Korruption deutich eindämmt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


udem geht es um den Aufbau einer sozialen Marktwirt-
chaft und um die Förderung des privaten Wirtschafts-
ektors.
Afghanistan war in den letzten Jahren weltweit für die
eisten der Inbegriff von Unterdrückung, Fremdherr-
chaft und Repression. Afghanistan soll in Zukunft – ich
laube, das ist unser aller Wunsch – für Versöhnung,
elbstverantwortung, Menschenrechte, Sicherheit und
reiheit stehen. Darum geht es auch bei unseren Beiträ-
en zum Wiederaufbau.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es sind zuvor in der Debatte schon Zahlen genannt
orden. Ich will ausdrücklich sagen: Die Bundesregie-
ung hat bei der Konferenz ein Zeichen für unser anhal-
ndes Engagement gesetzt. Unser Ministerium wird in
en Jahren 2005 bis 2008 für den Wiederaufbau rund
20 Millionen Euro bereitstellen. Das macht unser nach-
altiges und dauerhaftes Engagement deutlich.
Ich möchte noch einmal unsere Schwerpunkte nen-

en: Es geht darum, im Vorfeld der geplanten Wahlen
ie Entwaffnung der Milizen sicherzustellen. Marodie-
enden Banden darf es nicht gelingen, ein Klima der Re-
ression und der Unsicherheit zu verbreiten. Deshalb ist
ie Entwaffnung so wichtig.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ch bin aber überzeugt: Afghanistan wird Wahlen abhal-
en und sich nicht von Wahlen abhalten lassen. Eine le-
endige Demokratie braucht Wahlgesetze, die unter-
chiedliche Parteien zulassen.
Demokratie in Afghanistan – ich habe es schon ge-

agt – heißt nicht zuletzt auch, immer wieder gegen die
iskriminierung von Frauen anzugehen. Wir dürfen es
icht zulassen, dass immer noch etwa 90 Prozent der
rauen Analphabetinnen sind, jährlich 16 000 werdende






(A) )



(B) )


Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul

Mütter bei der Geburt sterben und vor allem die Frauen
in vielen Regionen von wichtigen Entscheidungen aus-
geschlossen werden. Deshalb unterstützen wir alle in der
afghanischen Regierung und zumal die engagierten
Frauen, die dazu beitragen, dieser Situation ein Ende zu
bereiten und eine gute Entwicklung für die Frauen einzu-
leiten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der Drogenanbau ist in der Diskussion immer wie-
der angeführt worden. Ich denke, man sollte auf das
Wort Aga Khans – seine Stiftung ist eine hoch angese-
hene islamische Entwicklungsinstitution – hören, der an
der Konferenz teilgenommen hat. Er hat uns alle er-
mahnt, dass der Kampf gegen die Drogen eine langfris-
tige und nachhaltige Aufgabe ist. Notwendig ist aus
unserer Sicht die Kombination verschiedener Vorge-
hensweisen. Wirtschaftliche Investitionen bilden ein
Bollwerk gegen die Abhängigkeit von Drogenhandel
und Drogenanbau. Es müssen also Einkommensalterna-
tiven geboten werden. Darüber hinaus müssen Institutio-
nen wie Grenzpolizei und Polizei ihren Beitrag leisten,
Zur Bekämpfung des Drogenanbaus kann auch die Zer-
störung von Mohnfeldern gehören.

Ich will dazu aber noch weitere Ausführungen ma-
chen.

Erstens. Das Entwicklungsministerium und die Bun-
desregierung sind stark in der Frage von Einkommensal-
ternativen engagiert. Wir finanzieren und unterstützen
die AISA, eine Investitionsagentur, die für afghanische,
aber auch ausländische Investoren eine Anlaufstelle in
Afghanistan darstellt. Es ist wichtig, dass es eine und
nicht viele verschiedene gibt. Wir bieten den Menschen
darüber hinaus wirtschaftliche Alternativen. Das tun wir,
indem wir den ländlichen Raum entwickeln helfen.

Zweitens – das ist bereits mehrfach erwähnt wor-
den –: Die afghanische Polizei muss weiter für den
Kampf gegen den illegalen Drogenhandel ausgebildet
werden.

Drittens – auch das muss man zur Kenntnis neh-
men –: Es gibt die Vereinbarung von Berlin, in der Af-
ghanistan und seine Nachbarstaaten beschlossen haben,
den grenzüberschreitenden Drogenhandel und die Dro-
genprobleme gemeinschaftlich anzupacken. Ich denke,
das sind wichtige Schritte in die richtige Richtung.

Es ist aber auch notwendig – damit hat die afghani-
sche Regierung begonnen –, dass das Programm zur Zer-
störung von Mohnfeldern auch verwirklicht wird. Ich
sage dazu ausdrücklich: Das ist die ureigenste Aufgabe
der afghanischen Streitkräfte und Sicherheitskräfte. Die
ISAF darf in keiner Weise daran beteiligt sein. Sonst ent-
stünde bei den Betroffenen leicht der Eindruck des ag-
gressiven Vorgehens von Fremden. Die ISAF-Streit-
kräfte sind aber in Afghanistan, um ein Klima von
Sicherheit und Vertrauen für die Bevölkerung zu garan-
tieren. Deshalb ist es so wichtig, dass hier eine ganz
klare Trennlinie eingehalten wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


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(C (D ch möchte noch ein Wort zu Kunduz sagen. Ich werde n der nächsten Woche mit Kolleginnen und Kollegen us dem Deutschen Bundestag dort sein. Wir verfolgen ort einen ganz neuen und wichtigen Ansatz, um den uns ndere beneiden. Er besagt Folgendes: Die ISAF-Soldaen schaffen ein Klima der Sicherheit; gleichzeitig wird ie Polizei ausgebildet und die lokalen Institutionen und inrichtungen werden ausgebaut. Ich werde, wenn ich in Kunduz bin, eine Schule wie er eröffnen, an der 800 Schülerinnen und Schüler leren können. Das gibt den Menschen in dieser Region anz praktisch eine Perspektive. Ich will deutlich machen: Unser Konzept ist ein ande es als das der Amerikaner. In unserem Konzept ist keine nterordnung der zivilen Entwicklungshelfer unter das ilitär vorgesehen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ielmehr gibt es drei Säulen: die militärische, die außen-
olitische bzw. politische und die Entwicklungs- und
iederaufbausäule. In diesem regionalen Wiederaufbau-

eam herrscht bei der Erfüllung der aufeinander abzu-
timmenden Aufgaben keine Unterordnung, sondern
leichberechtigung.
Zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen,

chließe ich an das an, was vor mir schon der Kollege
flug angesprochen hat. Oft hört man in dieser Diskus-
ion die Aussage, dass die Situation in Afghanistan der
ituation im Irak ähnlich sei. Diese Aussage ist aber
bsolut falsch; deshalb spreche ich sie an. Dass es in
fghanistan, verglichen mit der dortigen Ausgangssitua-
ion, relativ gut vorangeht, hängt mit zweierlei zusam-
en: Erstens. In Afghanistan gibt es nicht, wie im Irak,
ine Okkupation. Unter der Schirmherrschaft der UN
ing und geht man in Afghanistan den Weg von Koope-
ation und Partnerschaft. An dieser Stelle danke ich aus-
rücklich Lakhdar Brahimi für das, was er dort geleistet
at.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zweitens. In Afghanistan gibt es eine Eigenverant-
ortung der Regierung und der vielen engagierten Men-
chen, eine Eigenverantwortung, die dem Irak bisher
orenthalten wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen – das sage ich von

ier aus auch an Amin Fahang –: Nutzen wir alle ge-
einsam die Chance, Afghanistan zu einem Beispiel da-
ür zu machen, dass es nicht zu einer Globalisierung von
error und Krieg, sondern von Partnerschaft und Men-
chenrechten kommt. Ich danke allen, die sich in diesem
inne engagieren: den Soldaten, den Wiederaufbau- und
ntwicklungshelfern und den Nichtregierungsorganisa-
onen, die diese partnerschaftliche Aufgabe vor Ort
ahrnehmen.
Danke sehr.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)







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Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510604000

Nächster Redner ist der Kollege Bernd Schmidbauer,

CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Bernd Schmidbauer (CDU):
Rede ID: ID1510604100

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Es ist schon mühselig, an einem Freitagnachmit-
tag zu versuchen, die Differenzen zwischen den Koali-
tionsfraktionen und den Oppositionsfraktionen heraus-
zuarbeiten. Wenn ich mich an unsere Debatte im
Auswärtigen Ausschuss erinnere, dessen Beschlussemp-
fehlung hier zur Diskussion steht, dann stelle ich fest,
dass wir, was die Vorgehensweise bei unserem Engage-
ment betrifft, weitgehend Einigkeit erzielt haben. Es gab
mehr Gemeinsamkeiten als Differenzen. Trotzdem gibt
es einige Differenzen, allerdings quer durch alle Fraktio-
nen. Das wird zum Beispiel deutlich, wenn wir über den
Vergleich zwischen Afghanistan und dem Irak reden,
den die Frau Ministerin gerade angestellt hat.

Ich glaube, dass diese kurze Debatte auch die Chance
zu einer nüchternen Bilanz bietet. Folgende Fragen sind
unter anderem zu beantworten: Wohin steuert Afghanis-
tan? Welche Chancen und Risiken bestehen? Aber auch
bei dieser nüchternen Bilanz dürfen wir nicht vergessen,
dass in diesem Land täglich Menschen sterben. Ohne die
engagierten Einsätze der Amerikaner, wenn es also nicht
notwendigerweise auch die robuste Seite gäbe – hier sei
nur Enduring Freedom genannt –, bestünde nicht die
Chance einer friedlichen Entwicklung, denn in manchen
Teilen des Landes finden Kämpfe statt. Dort kommt es
zu einer Reorganisation der Taliban. Auch bestimmte al-
Qaida-Stränge funktionieren noch. Dort finden schwie-
rigste Auseinandersetzungen statt.

Das will ich auch denjenigen sagen, denen bei der
Auswahl der Gebiete für die PRTs ein ganzes Land zur
Verfügung steht und die meinen, es gebe im Süden und
Südosten des Landes eine wohlfeile Möglichkeit, mit
dieser Strategie Wiederaufbau zu betreiben. Bei der der-
zeitigen Situation halte ich das für unmöglich. Ich will
auch sagen, dass ich die Schwierigkeiten einer Auswei-
tung über Kunduz hinaus – eine Region, die wir ken-
nen – sehe: Wir müssen davon ausgehen, dass wir in
größere Schwierigkeiten kommen.

Ich glaube, dass diese dritte Afghanistankonferenz
insgesamt – beim Anlegen einer normalen Messlatte –
ein Erfolg war, mit Sicherheit ein Erfolg für dieses Land,
weil einige Antworten gegeben wurden und eine Zwi-
schenbilanz der Petersberger Beschlüsse gezogen wurde.
Das halte ich für sehr wichtig. Herr Pflug hat die zentrale
Botschaft aus dem Bericht der Bundesregierung zitiert,
dass die internationale Staatengemeinschaft weiter da-
beibleibt, den Aufbau Afghanistans unter dem Dach
der UN voranzutreiben. Die zentrale Botschaft ist, dass
wir uns hier nicht zurückziehen, dass unser Engagement
kein ständiges Überlegen und Springen ist. Auf dieser
Konferenz ist durch Deutschland, durch sein Handeln
Sicherheit vermittelt worden. Wir wollen, dass die
Vision des künftigen Afghanistan eine Chance hat, reali-
siert zu werden.

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


atürlich kommt es auch auf die Beiträge der Regierung
arzai an und darauf, dass der Arbeitsplan in der nächs-
en Zeit abgeklärt wird.
Für wesentlich halte ich das Abkommen auch im Hin-

lick auf die Bekämpfung des Drogenhandels. Man
ollte nicht unterschätzen, dass dieser Pufferstaat damit
n die internationale Gemeinschaft zurückgeführt wird,
ie bereit ist, Verantwortung zu übernehmen, und Afgha-
istan in diesem Bereich nicht allein lässt. Hier wird sehr
iel über die Drogenproblematik geredet. Wichtig ist,
ass die Anlieger mitmachen, dass die Drogenroute ge-
einsam bekämpft wird. Dies geht natürlich – ich sage
as hier provozierend, auch im Hinblick auf die Gäste,
ie anwesend sind – bis in das Kabinett: Dort gibt es
orruption und wir müssen diese durchaus beim Namen
ennen, um sie abzustellen. Was hat es für einen Sinn,
enn wir darum herumreden?
Bei der Bekämpfung des Drogenproblems dürfen wir

icht nur die erste Ebene sehen, die Agrarwirtschaft. Das
ären nur wohlfeil, wenn nicht auch die zweite, dritte,
ierte Ebene der Wertschöpfung in Betracht gezogen
ürde. Wie auch immer Sie das sehen – das ist jedenfalls
ie Notwendigkeit.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


All das hat der Stärkung der Zentralregierung gedient;
benso der Wahltermin. Dazu gehört ferner, dass Ent-
cheidungen zur Entwaffnung der Milizen erfolgen. Es
enügt nicht, dass wir Soldaten und Polizisten ausbilden;
ichtig ist vielmehr auch, dass die Milizen in drei Pha-
en umgegliedert und abgerüstet werden.
Bei der Finanzierung, den 8,2 Milliarden US-Dollar,

timme ich Ihnen zu: Ich will das sehen. Es gibt ja Län-
er, die jährlich bestimmte Summen bezahlen. Wenn
an dann nachfragt: „Wo ist das Fresh Money?“, hört
an immer: Das ist auf der letzten Konferenz schon ge-
lossen. Wenn das Geld wirklich käme, wenn wir die
umme einklagen könnten – das würden wir sicher
un –, dann wären 8,2 Milliarden US-Dollar als Unter-
tützung ein wesentlicher Fortschritt. Wir brauchen das.
Wie ich sagte, ist die Sicherheitslage nicht so, wie es

argestellt wird: Sie ist instabil, sie ist unruhig. Ich
laube, dass das Sicherheitsproblem auf dieser Konfe-
enz starke Aufmerksamkeit erhalten hat. Dass die
ATO dabei jetzt die herausragende Rolle spielt, ist ein
ichtiger Schritt.
Auch ich will mich dem Dank für unsere Soldaten an-

chließen, die eine gute Arbeit leisten. Für die Mission
nduring Freedom gilt dasselbe. Es gilt nicht nur für die
oldaten, sondern auch für die zivilen Mitarbeiter, die
nnerhalb eines klaren Mandats ihre Arbeit leisten, zum
eispiel in Kunduz. Der Bundeskanzler meinte vor ei-
em Jahr, die Situation dieser PRTs sei noch etwas un-
eif. Man hatte kein Rezept in der Schublade. Die Ame-
ikaner waren unter ganz anderen Umständen in diesen






(A) )



(B) )


Bernd Schmidbauer

PRTs. Was da aufgebaut werden musste, waren robuste
Dinge: Da ging es um die Durchsetzung des Gewaltmo-
nopols der Zentralregierung. Heute geht es um etwas an-
deres. Umso mehr müssen wir sehen, dass dies so bleibt
und dass wir, wie die Konferenz es wollte, auf 20 PRTs
aufstocken.

Entscheidend ist, dass wir die Kooperation mit ande-
ren Ländern einfordern. Einer der Kollegen hat es heute
bereits gesagt. Die Kanadier, ein Land, das ebenso Sol-
daten stellt, sind nicht weit weg von uns. Aber dann ist
ein starkes Abfallen festzustellen. Dann wird von be-
stimmten Zahlen von Mitgliedern verschiedener Länder
gesprochen und davon, dass auch die Niederländer da
seien. Das, was vor der Debatte über die Erweiterung des
Mandats im Oktober gesagt wurde, wollen wir einfor-
dern. Wir wollen sehen, was davon übrig geblieben ist,
die Anforderungen hinsichtlich Kunduz auf viele Schul-
tern zu verlagern. Es geht dabei – auch das will ich sa-
gen, weil vorhin ein Zwischenruf zur Stadt Kunduz
kam – um 3,2 Millionen Menschen auf der riesengroßen
Fläche von 85 000 Quadratkilometern. Die Ausweitung
des Gebiets geht also nicht mit der Ausweitung der Zahl
der Soldaten einher. Wir müssen genau bleiben: Es han-
delt sich um das Mandat mit 450 Soldaten, die dazu ver-
wendet werden, auch die Außenstellen von Kunduz zu
betreuen.

Die andere Frage wird lauten: Können wir in Ba-
dakhshan oder anderswo etwas Neues aufziehen? Ich
habe im Ausschuss und bei der Konferenz verfolgen
können, dass Karzai seinen Beitrag immer dann mit dem
größten Engagement vorgetragen hat, wenn es um Dro-
genbekämpfung ging. Eine seiner zentralen Botschaften
war: Lasst mich dabei nicht allein; denn ich weiß, dass
dies ein Riesenproblem ist. – Das sind die Sorgen, die
wir haben. Es kann alles kaputtgemacht werden, wenn
wir nicht den richtigen Ansatz finden, hier zu helfen und
das Problem gemeinsam zu bekämpfen.

Dazu gehört eine bessere Koordination. Auch beim
zivilen Bereich der PRTs mangelt es an Koordination;
das will ich hier anmerken. Ich habe ein Diagramm, das
die mangelnde Koordination im militärischen Bereich
veranschaulicht. Aber im zivilen Bereich ist das viel
schlimmer. Dazu gehört auch, dass man das Problem des
Kampfs gegen die Drogen nicht dadurch umgehen kann,
dass man sagt: Das ist die Aufgabe von Großbritannien.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510604200

Herr Kollege Schmidbauer, sehen Sie bitte auf die

Uhr.


Bernd Schmidbauer (CDU):
Rede ID: ID1510604300

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Wir

müssen bei der Kooperation ernst machen. Es sollen in
Kabul Folgekonferenzen stattfinden, die sich mit dem
Kampf gegen die Drogen beschäftigen. Ich empfehle ein
vielschichtiges Maßnahmenpaket. Schließlich wissen
wir, dass 70 Prozent des weltweit verkauften Opiums
aus diesen Regionen kommen. Es ist einer der wichtigs-
ten Punkte, mit denen wir Afghanistan helfen können,
wenn wir diese Bekämpfung ein Stück weit mittragen.

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(C (D Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510604400

Das Wort hat die Kollegin Petra Pau.

Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1510604500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ch weiß nicht, wie oft wir hier schon über den Bundes-
ehreinsatz in Afghanistan diskutiert haben. Das gute
utzend dürfte längst voll sein. Als Vertreterin der PDS
m Bundestag sollte ich aber besser sagen: das schlechte
utzend.
Weil die Zeit so schnelllebig ist, möchte ich uns ein

itat in Erinnerung rufen. Es stand im „Kölner Stadt-An-
eiger“ und stammt von Verteidigungsminister Struck.
r sagte vor zwei Jahren:

2004 werden wir die Bundeswehr ganz aus Afgha-
nistan zurückziehen.

as war immerhin eine Aussicht. Inzwischen höre ich
on zehn und mehr Jahren, die der Bundeswehr in Af-
hanistan blühen oder andersherum. Sie ahnen es schon:
ie PDS hat das bisher immer abgelehnt und wird das
uch weiterhin tun.
Da manche vergesslich sind – allen voran offensicht-

ich der Bundesaußenminister, wie er heute in seiner
ede gezeigt hat –, möchte ich daran erinnern, was der
usgangspunkt für den Bundeswehreinsatz war. Aus-
angspunkt waren die Terroranschläge vom 11. Septem-
er und die Absicht der USA, Bin Laden zu ergreifen.
ie Bundesrepublik schloss sich dem an, in „bedin-
ungsloser Solidarität“, wie damals noch der offizielle
prachgebrauch war – bei der SPD, bei den Grünen, wie
uch bei den Unionsparteien. Heute tat der Bundesau-
enminister so, als wäre die Bundeswehr zu einer Blau-
elmmission der UNO zur Beendigung eines Bürger-
rieges nach Afghanistan geschickt worden. Das war
eine Begründung für ihre Tätigkeit in diesem Land.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Die PDS hat von Anfang an gewarnt: Der Kampf ge-
en den Terrorismus lässt sich gewinnen, ein Krieg ge-
en den Terrorismus nicht. Inzwischen haben wir Kriege
Plural! – und kein Sieg ist in Sicht, nirgendwo und für
iemanden, auch in Afghanistan nicht. Das sind Ihre ei-
enen Einschätzungen, die Sie aber erst äußern, sobald
ie nicht vor der Kamera stehen. Trotzdem halten Sie
eiterhin am Wahnwitz des Verteidigungsministers fest,
ass die Bundesrepublik am Hindukusch verteidigt wird.
Auch dieses Mal möchte ich Ihnen einen weiteren
iderspruch nicht ersparen. Die Bundesministerin hat ja
erade darüber gesprochen, was notwendig ist, um einen
tabilen, langfristigen und vor allen Dingen eigenständi-
en Wiederaufbau in Afghanistan zu sichern. Nach An-
aben der Weltbank würde es 27,5 Milliarden Dollar
osten, Afghanistan wirtschaftlich und sozial wieder auf






(A) )



(B) )


Petra Pau

eigene Füße zu stellen. Das ist ein großer Batzen Geld.
Gemessen am Irakkrieg und an weiteren Rüstungspro-
jekten weltweit ist das aber eigentlich ein Klacks.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Vor kurzem hat hier in Berlin die Afghanistankonfe-
renz getagt, die 8,2 Milliarden Dollar in Aussicht stellte.
Das ist weit weniger als berechnet und unbedingt not-
wendig. Das ist aber auch erheblich weniger, als die Mi-
litäreinsätze in Afghanistan schon jetzt gekostet haben.
Deshalb kann ich hier nur wiederholen: Weder das Ziel
noch die Mittel sind vernünftig. Allein diese Zahlen
spiegeln ein eklatantes Missverhältnis wider.

Sie haben heute wieder versucht, Ihre Afghanistan-
strategie schönzureden. Das versuchen Sie leider auch in
den beiden Anträgen, die heute zur Abstimmung stehen.
Deshalb muss die PDS im Bundestag heute Nein sagen.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510604600

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege

Dr. Karl Lamers, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Karl A. Lamers (CDU):
Rede ID: ID1510604700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Afgha-

nistan muss die Chance erhalten, sich in Richtung De-
mokratie und Rechtsstaatlichkeit zu entwickeln. Der
Wiederaufbau dieses geschundenen Landes liegt in un-
serem gemeinsamen Interesse; denn geordnete Struktu-
ren und Stabilität in Afghanistan bedeuten zugleich auch
mehr Sicherheit für uns. Die Weltgemeinschaft hat auf
der Berliner Geberkonferenz deutlich gemacht, dass sie
sich ihrer Verantwortung bewusst ist.

Der Prozess des Wiederaufbaus in Afghanistan ist
ein durchaus bemerkenswertes Modell der Kooperation
und der Hilfe zur Stabilisierung. Aber: Tun wir genug
und das Richtige? „Afghanistan-Konferenz – Im Schat-
ten des Schlafmohns“ – so titelte jüngst „Spiegel on-
line“. Genau das ist das zentrale Problem: Unter den Bli-
cken unserer Soldaten wächst zurzeit die größte
Opiumernte aller Zeiten nahezu ungehindert heran. Ich
meine, wir dürfen es nicht hinnehmen, dass Drogen-
anbau und Drogenhandel in Afghanistan zurzeit prak-
tisch möglich sind, ohne das Risiko eingehen zu müssen,
bestraft zu werden, und ohne einen Anreiz zu haben, et-
was anderes auf den Feldern anzubauen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist die eine Seite.

Auf der anderen Seite sehe ich natürlich durchaus
auch Erfolge: die militärische Stabilisierung des Landes,
den Wiederaufbau des politischen Systems, die Rück-
kehr zu rechtsstaatlichen Normen und eine Verfassung,
durch die ein neuer Rahmen gesetzt wird, der dem Volk
eine echte Zukunftsperspektive eröffnet. Die Vereinten
Nationen unterstützen den vielschichtigen Prozess des

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(C (D iederaufbaus Afghanistans in verdienstvoller Weise. ie NATO führt den ISAF-Einsatz auf der Grundlage er UN-Sicherheitsresolutionen durch. 2 000 deutsche oldaten leisten hier einen wichtigen Beitrag. Die Frage autet nicht, ob es richtig ist, dort zu sein. Natürlich müsen wir dort sein und uns einbringen. Es geht vielmehr arum, Defizite abzubauen, Widersprüche aufzulösen nd zu einer besseren Koordinierung der Einzelmaßnahen zu kommen. Es ist richtig, dass die Bundeswehr ein Provincial econstruction Team nach Kunduz im Norden Afghaistans entsandt hat. Zurzeit wird darüber nachgedacht, usammen mit den Niederländern in Faizabad ein zweies PRT einzusetzen. Bevor wir das tun, sollten wir uns och einige Fragen beantworten. Herr Minister Struck at kürzlich erklärt, dass ausgerechnet die Provinz Baakhshan ein Zentrum für den Anbau von Mohn ist, aus em der Rohstoff für Heroin gewonnen wird. Fakt ist: nsere Soldaten versehen ihren Dienst in unmittelbarer achbarschaft zu den Mohnfeldern, aus denen dann rieige Mengen von Drogen entstehen. Dagegen tun dürfen ie allerdings nichts. Mir macht schon Sorge, dass deutsche Soldaten über inen längeren Zeitraum in einen Einsatz geschickt weren, in dessen Verlauf sie mit verbrecherischen Handungen wie Drogenanbau und Drogenhandel konfroniert werden, die im eigenen Land strafbar sind, dort aber infach geduldet oder übersehen werden sollen. Als Vorsitzender des Unterausschusses Weiterenticklung der Inneren Führung bin ich zusammen mit en Mitgliedern dieses Unterausschusses ständig mit der rage konfrontiert, ob der konkrete Einsatz, in den wir nsere Soldaten schicken, tatsächlich als sinnvoll empunden wird. Ist er das wirklich, wenn man, wie der inister sagt, entdeckte Anbauflächen zwar melden ann, aber selber nicht einschreiten darf? Ich habe schon eine Zweifel, ob das für den einzelnen Soldaten nachollziehbar ist. Minister Struck erklärte, es sei ein langer ampf, der gegen den Drogenanbau geführt werden üsse. Das ist sicher wahr. Aber wo sind die ganz konreten Schritte? Wo sind unsere gemeinsamen Ideen? o ist das Konzept, damit unsere Soldaten der Bundesehr nicht in eine solch unsägliche Situation geraten? Herr Löning hat es angesprochen: Manche glauben, ie Bundeswehr könne aus Auseinandersetzungen mit en Warlords und den Drogenhändlern herausgehalten erden. Aber ist es nicht ein bisschen blauäugig – so rage ich Sie –, zu erwarten, dass die Herren Drogenändler zwischen dem Melden und dem Abfackeln eies Drogenfeldes feinsinnig unterscheiden? Mein Einruck ist: Die Weltgemeinschaft hat bisher noch kein chlüssiges Konzept gefunden, wie sie das Drogenanauund -handelsproblem auf Dauer lösen könnte. (Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Schlag mal was vor!)


as muss geklärt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Vorschlag!)







(A) )



(B) )


Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg)


Sie sehen: Wir müssen Afghanistan helfen, aber rich-

tig. Unsere Soldaten sollen die zivilen Helfer schützen.
Ich frage Sie, Frau Ministerin: Steht denn schon fest, wer
als ziviler Helfer nach Faizabad geht? Man hört, dass die
Zusammenarbeit bisher nicht immer ganz zufriedenstel-
lend war. Waren das nur Anfangsschwierigkeiten oder
gibt es weiterhin Probleme zwischen zivilen Helfern und
Militär?

Auch einen weiteren Punkt müssen wir bedenken. Die
Lage in Afghanistan ist anerkanntermaßen nicht ruhig
und nicht stabil. Unsere Soldaten sind in diesem Teil der
Welt einer existenziellen Gefährdung ausgesetzt. Was
ist, wenn etwas in Kabul, Kunduz oder Faizabad pas-
siert? Ich kenne die Absprache mit den Amerikanern.
Aber eines muss doch klar sein: Wer immer mehr Solda-
ten an immer mehr Orten einsetzt, sollte zuvor alle
Sicherheitsprobleme im Griff haben. Haben wir das?
Ich denke da an das Hubschrauberproblem, ich nenne
das Stichwort Evakuierungskapazität unter feindlichen
Bedingungen.

In Afghanistan wurden in den letzten Jahren mit-
hilfe der Weltgemeinschaft gute Fortschritte erzielt.
Aber viel muss auf dem Weg zum Ziel eines friedlich,
politisch, sozial und wirtschaftlich funktionierenden
Staates noch getan werden. Die Bundesregierung trägt
die Verantwortung für den deutschen Hilfsanteil und ist
auch sonst gefragt, wenn es um Konzepte und Strate-
gien geht. Gemeinsam einen Schritt in die richtige
Richtung zu tun, das ist unser Angebot an Regierung
und Koalition. Mit unserem Antrag beabsichtigen wir
keine Schuldzuweisung, sondern wir wollen zur Pro-
blemlösung beitragen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510604800

Herr Kollege, auch Ihre Redezeit ist überschritten.


Dr. Karl A. Lamers (CDU):
Rede ID: ID1510604900

Jawohl. – Wir wollen, dass die großen Bemühungen

der Weltgemeinschaft in Bezug auf die hoffentlich gute
Zukunft Afghanistans zum Erfolg führen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510605000

Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Auswär-

tigen Ausschusses auf Drucksache 15/2991 zu dem
Antrag der Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel „Die
Berliner Afghanistankonferenz – eine neue Chance für
mehr Kohärenz und Koordinierung beim Wiederauf-
bau“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Druck-
sache 15/2578 abzulehnen. Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? –
Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koa-
lition gegen die Stimmen der CDU/CSU bei Enthaltung
der FDP angenommen.

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(C (D Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses uf Drucksache 15/3006 zu dem Antrag der Fraktionen er SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Tiel „Fortsetzung des Engagements der Bundesregierung ür den Wiederaufbauund Stabilisierungsprozess in Afhanistan“: Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf rucksache 15/2757 anzunehmen. Wer stimmt für diese eschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – ie Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koaition gegen die Stimmen der CDU/CSU, der FDP und er beiden PDS-Abgeordneten angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 22 auf: Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Nationalen Zuteilungsplan für Treibhausgas-Emissionsberechtigungen in der Zuteilungsperiode 2005 bis 2007 – Drucksache 15/2966 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Verkehr, Bauund Wohnungswesen Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Die Kollegen Wolfgang Grotthaus, Dr. Ernst Ulrich on Weizsäcker, Brigitte Homburger, Ulrich Petzold, eorg Girisch und der Bundesminister Jürgen Trittin haen ihre Reden zu Protokoll gegeben.1)

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
urfs auf Drucksache 15/2966 an die in der Tagesord-
ung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es
azu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.
ann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 23 auf:

Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung
Bericht zur Entwicklung von Qualitätsstan-
dards in der privaten Arbeitsvermittlung
– Drucksache 15/2521 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Tourismus

Die Kollegen Hans-Werner Bertl, Alexander
obrindt, Dr. Hermann Kues, Dirk Niebel, Rezzo
chlauch und Marie-Luise Dött haben ihre Reden zu
rotokoll gegeben.2)
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 15/2521 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.

Anlage 4
Anlage 5






(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner

Ich rufe den Zusatzpunkt 6 auf:

Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der FDP
Haltung der Bundesregierung zur allgemeinen
Wehrpflicht und zu Plänen für ein soziales
Pflichtjahr

Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat die Kollegin Helga Daub, FDP-Frak-

tion.

Helga Daub (FDP):
Rede ID: ID1510605100

Frau Präsidentin! Verehrte Kollegen und Kollegin-

nen! Mit dem Urteil des Kölner Verwaltungsgerichts
vom Mittwoch letzter Woche wurde eine Entscheidung
gefällt, die dieses Haus bis zum heutigen Tage vor sich
herschiebt. Dass von Wehrgerechtigkeit nicht mehr ge-
sprochen werden kann, ist keine neue Erkenntnis, auch
nicht in diesem Haus. Mit dem Kölner Urteil wurde dies
lediglich juristisch untermauert. Ein weiteres krampfhaf-
tes Festhalten an der Wehrpflicht ist vor diesem Hinter-
grund untragbar.


(Beifall bei der FDP)

Bereits in wenigen Stunden werden mit dem Beitritt

von acht ehemaligen Ostblockländern die letzten Nach-
wirkungen des Kalten Krieges überwunden sein.
Deutschland hat seine historische Mittellage in Europa
wiedererhalten, nicht nur in der EU, sondern auch in der
NATO. Originäre Landesverteidigung ist nicht mehr der
zentrale Auftrag der Bundeswehr. Sie geht vielmehr in
der Bündnisverteidigung auf. Mit diesen veränderten si-
cherheitspolitischen Rahmenbedingungen und dem Be-
darf an einer personell gestrafften, aber hoch speziali-
sierten mobilen Einsatzarmee ist die Wehrpflicht nicht
mehr zu rechtfertigen.


(Beifall bei der FDP)

Und doch ist diese Regierung nicht bereit, sich den Tat-
sachen zu stellen. Die Argumente, mit denen noch im-
mer für die Wehrpflicht geworben wird, sind haltlos. Die
Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee und die Bundes-
wehr bleibt eine Parlamentsarmee. Wenn die Befürch-
tung geäußert wird, sie könne sich zu einem Staat im
Staate entwickeln, so ist auch das unhaltbar und allen-
falls eine Beleidigung für die 50-jährige demokratische
Tradition unserer Bundeswehr und ihrer Führung.

Unverantwortlich ist es, die Bundeswehr mit ihrer
derzeitigen Struktur mit immer komplexeren und um-
fangreicheren Einsätzen zu konfrontieren,


(Ina Lenke [FDP]: Richtig! Genauso ist es!)

ohne dabei den nötigen Bedarf an Material und Ausbil-
dung zu gewährleisten.


(Beifall bei der FDP)

Solange wir an einer Wehrpflichtarmee festhalten, die
wertvolle Kräfte bindet, wird sich daran nichts signifi-
kant ändern. Rund 20 000 Zeit- und Berufssoldaten sind
heute in die Ausbildung von Wehrpflichtigen eingebun-

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(C (D en, die nur wenige Monate in der Truppe Dienst leisten nd nicht zu Einsätzen herangezogen werden können. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die vom ollegen Robbe vorgestellte Verkürzung der Wehrflicht auf sechs bis sieben Monate zu sprechen komen. Ich schätze den Kollegen und seinen Sachverstand war sehr, frage mich aber, ob das wirklich sein Ernst ist. elchen Sinn macht es, junge Männer zu einem Pflichtienst heranzuziehen, der in der vorgesehenen Kürze die undeswehr stärker belastet als unterstützt? Mir ist zwar klar, was er damit beabsichtigt – es geht hm um eine größere Wehrgerechtigkeit –, was er aber amit erreicht, ist eine zusätzliche Belastung der Buneswehr und die weitere personelle Bindung von Ausbilungskräften. Von daher kann ich keine qualitative Veresserung erkennen. Ich halte das Vorhaben für lickschusterei. Werte Kollegen und Kolleginnen, wir als Parlament ragen Verantwortung für die Bundeswehr und unsere oldaten. ir wurden gewählt, um tragfähige Entscheidungen zu reffen. Dazu gehören durchaus auch Entscheidungen, ie schwer fallen. Es geht aber nicht an, dass wir, die geählten Vertreter des Volkes, derart wichtige Entscheiungen – das gilt im Übrigen auch für andere Bereiche – mmer nur den Gerichten überlassen. Wir müssen haneln; alles andere wäre ein Armutszeugnis für die parlaentarische Demokratie. Lassen Sie mich an dieser Stelle meiner Vermutung usdruck geben, dass viele von Wehrpflicht sprechen, ber Zivildienst meinen. Das vom Bundesinnenminister eforderte soziale Pflichtjahr unterstützt meine Vermuung. (Ina Lenke [FDP]: Eine solche Forderung ist Schwindel!)


(Ina Lenke [FDP]: Richtig!)


(Beifall bei der FDP)


(Ina Lenke [FDP]: Und für die Jugendlichen!)


arauf wird meine Kollegin Ina Lenke später noch ein-
ehen. Ich will nur noch eines anmerken. Der Zivildienst
st Ersatzdienst. Der Ersatzdienst hat aber in der Debatte
m die Wehrpflicht nichts verloren. Er folgt immer noch
er Wehrpflicht und nicht umgekehrt. Was für eine arm-
elige Gesellschaft wären wir, gelänge es uns nicht, so-
iales Engagement ohne Zwang zu organisieren!


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


In der vorigen und in dieser Legislaturperiode haben
ir Verteidigungsminister erlebt, deren Planungen im-
er wieder von der Realität eingeholt wurden. Die Re-
ierung sollte die Fakten endlich zur Kenntnis nehmen;
nderenfalls werden die Gerichte entscheiden.


(Ina Lenke [FDP]: Die Regierung ist im Urlaub!)







(A) )



(B) )


Helga Daub


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1510605200

Holen Sie sich das Gesetz des Handelns zurück! Viel-
leicht können Sie das dem Herrn Minister ausrichten,
Herr Staatssekretär.


(Ina Lenke [FDP]: Er hätte bei diesem wichtigen Thema auch hier sein können!)


Danke.

(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510605300

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär

Hans Georg Wagner.

H
Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1510605400


Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestat-
ten Sie mir, dass ich mich in meinen Ausführungen auf
die allgemeine Wehrpflicht beschränke – auch wenn ich
natürlich auf das eingehen werde, was Sie, Frau Daub,
gesagt haben.

Die Frage der Wehrform lässt sich nicht auf einzelne
Aspekte wie die Professionalität der Streitkräfte oder die
gesellschaftliche Integration reduzieren. Erst die Summe
aller Teilaspekte kann eine Antwort darauf geben, wel-
che Wehrform für Deutschland die bessere ist. Dabei ist
ausschlaggebend, was unter dem Summenstrich steht.
Das ist nicht allein die Auffassung des Bundesministe-
riums der Verteidigung, sondern entspricht auch der
höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt festge-
stellt, dass die Wahl der Wehrform eine grundlegende
staatspolitische Entscheidung ist, die auf wesentliche
Bestandteile des staatlichen und gesellschaftlichen Le-
bens einwirkt und bei der der Gesetzgeber neben vertei-
digungspolitischen Gesichtspunkten auch allgemeinpoli-
tische, wirtschafts- und gesellschaftspolitische Gründe
von sehr unterschiedlichem Gewicht zu bewerten und
gegeneinander abzuwägen hat.


(Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Ausnahmsweise stimme ich der Bundesregierung ausdrücklich zu!)


– Dass mir der Kollege Schmidt ausdrücklich zustimmt,
beruhigt mich zumindest teilweise.


(Helga Daub [FDP]: In dieser Frage ausnahmsweise!)


– Ja, in dieser Frage. Warum nicht auch in anderen?
Erlauben Sie mir, kurz auf einige wesentliche Teil-

aspekte einzugehen. Erstens. Eine Freiwilligenarmee
hätte bei gleichbleibendem Plafond deutliche Umfangs-
reduzierungen zur Folge. Damit wäre die Erfüllung un-
serer internationalen Verpflichtungen – zumindest im
derzeitigen Umfang – infrage gestellt. Wer das will, soll
das sagen. Ohne zusätzliche Haushaltsmittel würde es
nämlich sogar schwer fallen, den derzeit vorgesehenen
Umfang von 195 000 Berufs- und Zeitsoldaten zu errei-
chen. Das wäre ein fatales außenpolitisches Signal.

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(C (D Wenn die Bundeswehr im Wettbewerb auf dem Areitsmarkt auf die Anwerbung von Experten angewiesen ein soll – der Infanterist der Zukunft ist praktisch ein xperte für viele Bereiche –, dann müssen Sie auch eräutern, wie das finanziert werden soll. Wollen Sie gegen ie Strukturen von Daimler-Chrysler und Siemens – um ur zwei Beispiele zu nennen – anrennen? Wie wollen ie das mit dem Geld machen, das der Bundestag bisher m Einzelplan 14 zur Verfügung gestellt hat? Es muss lso auch die Frage beantwortet werden, wie eine Freiilligenarmee die Experten, die sie für ihre Einsatzfäigkeit braucht, für die Erfüllung der Aufgaben bezahlen oll, die vom Bundestag entsprechend mandatiert woren sind. Zweitens. Durch den Wegfall der Wehrpflicht geriete er Bestand einer ausreichenden Personalreserve in Geahr. Ihre Sicherstellung bedürfte vor allem für den kurzristigen Bedarf, also dort, wo es um den Schutz eutschlands und seiner Bürgerinnen und Bürger vor erroristischer und asymmetrischer Bedrohung sowie um ilfeleistungen bei Naturkatastrophen und schweren nglücksfällen geht, zusätzlicher Anstrengungen und uch finanzieller Anreize. Das hat – möglicherweise – ine fatale innenpolitische Wirkung. Drittens. Die mögliche Entfremdung zwischen einer reiwilligenarmee und dem Rest der Gesellschaft – Sie aben das bereits angesprochen, Frau Daub – ist eine eale Gefahr. Eine Gefahr sehe ich auch in umgekehrter ichtung. Ich habe den Eindruck, dass sich die Bundesehr zwar sehr zur Gesellschaft bekennt, dass die Geellschaft aber mittlerweile die Bundeswehr für ein ienstleistungsunternehmen hält, deren Einheiten man n die Welt schicken kann, um dafür zu sorgen, dass es er Gesellschaft besser geht. Die Integration, die 0 Jahre versucht worden ist und die funktioniert hat, ürde dadurch verloren gehen. Wer das will, soll das saen. Aber Sie behaupten, der Wegfall der Wehrpflicht erde keine Auswirkungen haben. Das Gegenteil ist der all. Es muss nämlich befürchtet werden, dass das Inteesse der Gesellschaft an den Streitkräften dann geringer st. Sie haben Recht: Die Bundeswehr ist und bleibt eine arlamentsarmee. Das will auch kein Mensch ändern. isher hat niemand die Forderung erhoben, den Begriff Parlamentsarmee“ abzuschaffen. Aber ohne Wehrflicht würde der Faktor Sicherheit nicht mehr als eine ngelegenheit aller, sondern nur noch als Aufgabe unsees Dienstleistungsunternehmens Bundeswehr angeseen. Die Einbindung unserer Streitkräfte in die Gesellchaft wäre dann nur noch eingeschränkt gegeben. Das st nicht zu akzeptieren. Viertens. Die Wehrpflicht ist eine Säule der derzeiti en Strukturreform der Bundeswehr. Sie ist für die unktionsfähigkeit der Streitkräfte in der angestrebten orm unverzichtbar. Wehrpflichtige sind als Grundwehrienstleistende und freiwillig zusätzlichen Wehrdienst eistende Bestandteil der Streitkräfte. Sie leisten Dienst m Inland – das wissen Sie – und decken ein vielfältiges ufgabenspektrum ab, das auf breiten schulischen und eruflichen Qualifikationen aufbaut. Sie tragen damit Parl. Staatssekretär Hans Georg Wagner wesentlich zur Einsatzfähigkeit der Bundeswehr bei. Die freiwillig zusätzlichen Wehrdienst Leistenden leisten auch im Ausland Hervorragendes. Sie stellen knapp 20 Prozent des Personals in den Einsätzen und tragen entscheidend zum hohen internationalen Ansehen der deutschen Soldaten bei. Fünftens. Ohne die allgemeine Wehrpflicht gibt es nur die Wahl zwischen zwei grundsätzlichen Optionen: entweder eine deutliche Erhöhung des Verteidigungshaushaltes oder eine weitere drastische Reduzierung des Gesamtumfangs der Bundeswehr. Eine Erhöhung des Plafonds bedeutet dabei Investitionen in Milliardenhöhe. Wenn Sie das wollen, müssen Sie das sagen. Und wenn Sie das sagen, müssen Sie auch erklären, wie Sie das finanzieren wollen. Wollen Sie mehr Schulden machen? Wollen Sie die Sozialleistungen weiter kürzen? (Ina Lenke [FDP]: Wir haben doch ein Finanzierungskonzept!)





(A) )


(B) )


– Das können Sie ja machen. Sie werden das bestimmt
Subventionsabbau nennen. Aber das, was Sie hier vorha-
ben, ist nichts anderes als Subventionierung. Deshalb
sage ich: Wer die Wehrpflicht abschaffen will, muss
auch die Finanzierungsfrage beantworten. Davor kann
man sich nicht drücken.

Wenn man alle Teilaspekte dieser Frage emotionslos
und pragmatisch betrachtet, dann kommt man unter dem
Summenstrich zu dem Ergebnis, das keinen Zweifel
mehr lässt: Die Bundeswehr braucht die Wehrpflichtigen
und insbesondere diejenigen, die am besten geeignet
sind. Die dafür notwendigen Kriterien werden deshalb
auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Das ist unser
Ansinnen und der Erreichung dieses Ziel gilt unsere Ar-
beit, die wir zu leisten haben. Ich bin sehr froh darüber,
dass in der Öffentlichkeit entsprechende Diskussionen
stattfinden. Irgendwann im Laufe dieser Legislatur-
periode werden die Überlegungen, die Rot-Grün in der
Frage anstellt, wie es denn mit der Wehrpflicht in der
nächsten Legislaturperiode weitergehen soll, zu einem
Ergebnis führen. Ihre Vorschläge sind, wie gesagt, finan-
ziell nicht unterlegt und für mich in höchstem Maße un-
glaubwürdig; denn Sie tun so, als ob mit der Erfüllung
Ihrer plakativen Forderung nach Abschaffung der Wehr-
pflicht


(Helga Daub [FDP]: Aussetzen!)

alles erledigt wäre.

Herr Nolting, fraglich sind auch die Besetzung der
freiwilligen Feuerwehren, des Technischen Hilfswerkes
und des Roten Kreuzes. Bis jetzt sind sie verpflichtet, all
diejenigen aufzunehmen, die nicht zur Bundeswehr wol-
len. Das gilt auch für andere Dienste. Auf den Zivil-
dienst will ich in diesem Zusammenhang nicht eingehen.
Die Auswirkungen dessen, was Sie fordern – Sie müssen
sie sehen –, wirken in die Gemeinde hinein. Erklären Sie
dem Bürgermeister und dem Gemeinderat Ihrer Ge-
meinde einmal, warum die freiwillige Feuerwehr keine
Leute mehr hat, die über die Bundeswehr zu ihr gekom-
men sind!

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(C (D (Helga Daub [FDP]: Es sind kaum noch Wehrdienstleistende bei der Feuerwehr und beim Technischen Hilfswerk!)


Alle diese Dinge sind ungeklärt. Sie machen es sich
u leicht, wenn Sie im 50. Jahr des Bestehens der Bun-
eswehr der Meinung sind, man solle die Wehrpflicht
bschaffen. Sie hat sich bewährt. Die Bundeswehr ist ein
ntegraler Bestandteil unserer Gesellschaft und das muss
ie auch bleiben. Das garantiert nur die Wehrpflicht.
Schönen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510605500

Das Wort hat der Kollege Christian Schmidt, CDU/
SU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1510605600

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-

egen! Die Bundesregierung hat eine sehr interessante
nd bemerkenswerte Positionierung vorgenommen. Kol-
e
Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1510605700
Nicht nur derjenige, der die Wehrpflicht ab-
chaffen will, sondern auch derjenige, der die
ehrpflicht erhalten will, muss für die Finanzierung sor-
en.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn wir hier nicht diese Sorgen hätten, die durch die

etzige Situation des Bundeshaushaltes entstanden sind,
ann würden wir über dieses Thema möglicherweise so
icht reden. Es hat in den letzten Jahren offensichtlich
nspirationen gegeben. Ich verweise auf den außeror-
entlich geschätzten Kollegen Nolting.


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Das hätte ich gern schriftlich!)


it ihm bin ich in vielen Punkten immer gern einig. Er
nd auch die FDP haben sich noch im Jahr 2000 für die
eibehaltung der Wehrpflicht ausgesprochen.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Das ist Jahre her, Herr Kollege! – Ina Lenke [FDP]: Wie gut, dass wir nachdenken und neu entscheiden können!)


nsofern kann diese Frage doch nicht so grundlegend
ein.
Das soll uns helfen, wenn wir darüber nachdenken, ob
ir „ad radices gehen“ und diese Angelegenheit wie eine
undamentale Frage behandeln oder ob wir nur das tun,
as man alle Jahre tun muss, nämlich neu begründen,
ie sich Wehrpflicht legitimieren kann. Sie ist nach un-
erer Meinung eine auch heute noch durchaus legitimier-
are, wenn auch neu zu legitimierende Wehrform, näm-
ich insofern, als es eben Aufgaben der Verteidigung
ibt, die den Soldaten zugewiesen sind, welche noch
eute die Wehrpflicht nach Art. 12 a unseres Grund-
esetzes erfordern.






(A) )



(B) )


Christian Schmidt (Fürth)


Die Wehrpflicht geht übrigens sehr viel weiter als der

reine Dienst mit der Waffe. Es gibt in den Katastrophen-
schutzorganisationen – darauf wurde bereits hingewie-
sen – eine ganze Reihe von Verpflichteten, auf die sie
weitest gehend angewiesen sind. Es gibt auch eine ganze
Reihe von Verhaltensweisen, die, was die Dienstleistung
betrifft, fast eine soziale Struktur darstellen.

Ich will allerdings klar hinzufügen: Diejenigen, die
im sozialen Pflichtjahr einen rettenden Anker sehen
– dazu gehören sogar der Verfassungsminister Otto
Schily und, für mich überraschenderweise, die Bundes-
justizministerin, die in Ihrem Hause genügend Sach-
kenntnis haben könnte, sowie der eine oder andere in
verschiedenen Parteien –, sollten sich vorher mit der
Frage auseinander setzen, wie dieses Vorhaben mit dem
internationalen Recht vereinbar ist und ob es bei uns ge-
sellschaftlich akzeptiert wird.


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie Recht!)


Wir reden jetzt über die Wehrpflicht. Wenn wir das
tun, dann müssen wir auch über die Begründung der
Form für den Inhalt des zu leistenden Dienstes sprechen.
Ich behaupte: Eine gewisse Ausdehnung – man schaue
nach in Art. 12 a Grundgesetz – ist durchaus möglich.


(Ina Lenke [FDP]: Wohin denn?)

Ich glaube, wir haben noch nicht alles ausgelotet, was
möglich ist. Aber das kann nach meiner Überzeugung
nicht zu einem sozialen Pflichtjahr führen.

Wir müssen uns in der Begründung der Wehrpflicht
im Hinblick auf die Notwendigkeit der Verteidigung
auch mit der Beantwortung asymmetrischer Fragen be-
schäftigen. Wir müssen klarstellen, dass sich eine Bun-
deswehr, die nur im Ausland Dienst tut, schwerer tun
wird, die Wehrpflicht zu legitimieren. Wir müssen aber
auch mit der Idee aufräumen, eine professionellere Ar-
mee ohne Wehrpflicht sei besser.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich empfehle all denen, die das meinen, und all denen,
die noch dazu meinen, das wäre billiger, die Erfahrungs-
werte unserer NATO-Partnerstaaten, die die Wehrpflicht
abgeschafft haben, zu studieren, nicht nur zu der not-
wendigen Attraktivitätssteigerung – es wurde schon da-
rauf hingewiesen: Das kostet etwas; man ist dann im
freien Wettbewerb –, sondern auch zu der Frage der In-
telligenz. Dass eine professionelle Armee klüger, besser
und intelligenter wäre, habe ich bisher nirgendwo fest-
stellen können. Die Bundeswehr, so wie sie bisher ist, ist
eine außerordentlich intelligente Armee. Was von den
Wehrpflichtigen von außen an Input hineinkommt, tut
der Bundeswehr durchaus gut. Wir sollten und dürfen
nicht vergessen, dass nahezu die Hälfte derer, die als
Wehrpflichtige anfangen, als Soldaten auf Zeit oder Be-
rufssoldaten enden, und das ist wirklich gut so.


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie enden doch nicht!)


Es bleibt das Gerechtigkeitsproblem. Natürlich muss
klar sein, dass nicht eine Auswahlwehrpflicht, sondern

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(C (D ine bindende Wehrpflicht für alle praktiziert wird, dass ie Zahl derer, die zur Verfügung stehen, nicht künstlich leingerechnet wird, dass dann eben Verwendungsmögichkeiten gefunden werden müssen. Da gibt es Grenzereiche und Schnittmengen. Das ist nicht mehr ohne eiteres zu schaffen. Darüber muss man dann reden. Man kann die Wehrpflicht nicht nur deswegen beibe alten, um die Bundeswehr in ihrem Umfang zu erhalen. Genauso wenig kann man die Wehrpflicht abschafen, nur um einen geringeren Umfang der Bundeswehr u erreichen. Allein die Aufgabe bestimmt das, was wir on unseren jungen Männern als Staatsbürger verlangen ürfen. Diese Aufgabe ist, glaube ich, wichtig genug. erade nach dem 11. September 2001 und nach dem 1. März dieses Jahres hat sich gezeigt, dass wir auch erlangen können, dass jemand den Dienst an der Geellschaft und der Gemeinschaft im Sinne der Erhöhung er Sicherheit leistet. (Beifall bei der CDU/CSU – Ina Lenke [FDP]: Also Terrorabwehr mit Wehrpflichtigen!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510605800

Das Wort hat der Kollege Winfried Nachtwei, Bünd-

is 90/Die Grünen.

(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Jetzt kriegen wir einen Eiertanz! – Weitere Zurufe von der FDP: Butter bei die Fische! – Hic Rhodus, hic salta!)



Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1510605900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ie Debatte um die Zukunft der Wehrpflicht bricht im-
er wieder auf, geradezu in regelmäßigen Abständen,
etzt erneut nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts
öln, dessen Tenor wir voll zustimmen. Bei dieser De-
atte um die Wehrpflicht ist zweierlei klarzustellen:
Erstens. Die Frage der Wehrpflicht ist sehr bedeut-

am, aber sie ist eine abgeleitete Frage, nämlich abgelei-
et aus den Aufgaben und den Anforderungen an die
treitkräfte überhaupt. Das gerät in der Öffentlichkeit
anchmal durcheinander. Man hat zum Teil den Ein-
ruck, als sei das zentrale Thema der Bundeswehrreform
ie Wehrpflicht. Das ist es nicht. Die Wehrpflicht ist ein
ichtiges Thema, aber erst in zweiter Linie.
Zweitens. Die Wehrpflichtfrage ist völlig ungeeignet,

m einen Spalt in die Koalitionsfraktionen zu treiben.

(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)


ir haben dazu bekanntermaßen unterschiedliche Auf-
assungen. Das geht zum Teil auch quer durch die Frak-
ionen. Wir haben selbst ein Verfahren dafür vereinbart.
as halten wir durch. In diesem Rahmen führen wir die
achliche Diskussion und den Klärungsprozess durch.
o machen wir das nach unserem eigenen Zeitplan, den
ir für notwendig halten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)







(A) )



(B) )


Winfried Nachtwei

Um dieses Verfahren zu wahren, gehe ich auch nicht

direkt auf Ihre Argumente ein, Kollege Wagner. Das
könnte als Streit in der Koalition missverstanden wer-
den.


(Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Das hätten wir uns nie vorgestellt!)


Wir wollen einen Klärungsprozess.
Sehen wir uns die faktische Entwicklung der Wehr-

pflicht an, kommen wir nicht umhin, festzustellen: Es
gibt schon seit einigen Jahren einen stillen Ausstieg aus
der Wehrpflicht; denn es wurde richtigerweise von der
traditionellen Landesverteidigung als strukturbestim-
mender Aufgabe der Bundeswehr Abschied genommen.
Damit entfiel die zentrale traditionelle Legitimation für
die Wehrpflicht. Auch der neuere Begriff einer erweiter-
ten Verteidigung kann diese Legitimationslücke, glaube
ich, nicht schließen.

Die Zahl der Einberufungen zum Wehrdienst geht im-
mer mehr herunter, allein im letzten Jahr, im Jahr 2003,
um 25 Prozent. Für die Zukunft sind noch erhebliche
weitere Reduzierungen geplant. Man kommt nicht um-
hin, die heute real bestehende Wehrpflicht als Restwehr-
pflicht zu bezeichnen.

Verständlicherweise gibt es einige Rettungsbemühun-
gen für die Wehrpflicht. Sie scheint gerade hohen Offi-
zieren emotional regelrecht ans Herz gewachsen zu sein.
Von daher sind diese Rettungsbemühungen wie zum
Beispiel der Vorschlag, Grundwehrdienstleistende auf
freiwilliger Grundlage bei Auslandseinsätzen oder im
Landesinneren zum Schutz gegen Terrorismus einzuset-
zen, verständlich.


(Helga Daub [FDP]: Unverantwortlich!)

Beides, so meinen wir, ist nicht zu verantworten. Wäh-
rend einer Dienstzeit von neun Monaten können Wehr-
dienstleistende nicht ausreichend dafür ausgebildet und
dann noch sinnvoll verwendet werden.

Nehmen wir den Vorschlag einer weiteren Verkür-
zung des Wehrdienstes: Es würden damit vielleicht kurz-
fristig die Gerechtigkeitsdefizite etwas reduziert oder
ausgeglichen werden, für die Bundeswehr käme dabei
aber nur mehr Ausbildungslast und kein Verwendungs-
nutzen heraus.


(Helga Daub [FDP]: Genau!)

Obendrein – auch das sollte man bedenken – bedeutete
ein sechsmonatiger Wehrdienst den Todesstoß für den
Zivildienst. In einem so kurzen Zeitraum sind Zivil-
dienstleistende nicht mehr sinnvoll einzusetzen.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Warum haben Sie vorhin nicht geklatscht, als die Kollegin das gesagt hat?)


Wir müssen nüchtern darüber diskutieren und dabei
abklären, durch welche Wehrform die Hauptanforderun-
gen am besten erfüllt werden können, wie hoch der Per-
sonalbedarf ist und wie quantitativ ausreichender und
qualitativ guter Nachwuchs für die Zeit- oder Berufssol-
daten gewonnen werden kann. Wir müssen erreichen,

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(C (D ass die verfassungsrechtlichen Anforderungen des geingstmöglichen Grundrechtseingriffs und einer gleichäßigen Belastung durch die Wehrpflicht eingelöst weren. Es darf nicht so weitergehen, dass man sich immer ehr davon entfernt. Schließlich muss man sehen, wie nter den Bedingungen, die die Einsätze der Bundesehr auferlegen, die Einbindung in die Gesellschaft verünftig weiter aufrechterhalten werden kann. Das hängt anz entscheidend von einer Weiterentwicklung der ineren Führung ab und ist immer weniger eine Frage der ehrpflicht. Unserer Auffassung nach spielt die Wehrpflicht bei er Erfüllung all dieser Anforderungen, über die wir uns inig sind – es ist ja wichtig, bei dieser Diskussion festustellen, wo wir uns einig sind –, eine immer geringere olle. Auf jeden Fall ist die Wehrpflicht nicht mehr ganz nd gar unverzichtbar. Da jetzt die Tage der Wehrpflicht ichtbar gezählt sind, kommt es unserer Auffassung nach anz entscheidend darauf an, endlich auch viel offener arüber zu sprechen, wie der Umstieg auf eine vollstänige Freiwilligenarmee verantwortlich gestaltet werden ann. Das Parlament insgesamt hat schon reichlich Erahrung mit verschleppten Reformen gesammelt. Herr Kollege! Ich komme zum Schluss. – Wir sollten es in diesem ereich nicht auch so weit kommen lassen. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Helga Daub [FDP]: Sehen Sie, an der Stelle klatschen Sie!)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510606000
Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1510606100


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510606200

Das Wort hat die Kollegin Ina Lenke, FDP-Fraktion.

Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1510606300

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
erren! Erst einmal will ich hier feststellen: Die FDP ist
ie einzige Fraktion im Deutschen Bundestag, die sich
lar und deutlich für die Aussetzung der Wehrpflicht
usgesprochen hat.


(Beifall bei der FDP)

ie Grünen, Herr Nachtwei, reden landauf und landab
avon, dass man die Wehrpflicht abschaffen müsse. Ich
abe aber von Ihnen heute keine klare Aussage dazu ge-
ört, ob Sie die Wehrpflicht beibehalten wollen oder ob
ie sie aussetzen wollen. Um eine Antwort hierzu haben
ie sich herumgemogelt.


(Beifall bei der FDP – Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir machen hier keine Bekenntnisdebatte!)


Das hat mit Bekenntnis nichts zu tun. – Wir haben Mo-
elle und Konzeptionen entwickelt, wie die Bundeswehr
u einer Berufsarmee umgebaut werden kann. Darüber
rauchen Sie gar nicht mehr nachdenken. Das haben wir






(A) )



(B) )


Ina Lenke

alles schon in petto. Sie können im Mai darüber abstim-
men.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Mein Gott! – Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Während der Koalitionszeit entdeckt! Merken Sie das?)


– Herr Nachtwei, hören Sie mir doch bitte einmal zu!
Seit Jahren sagen wir, es besteht Wehrungerechtig-

keit. Jetzt haben Sie die ersten entsprechenden Gerichts-
urteile. In Köln können Jugendliche nicht mehr gegen
ihren Willen gezogen werden. Das Verwaltungsgericht
hat gesagt, dass, weil eine Wehrungerechtigkeit besteht,
die Wehrpflicht nicht mehr gilt.

Die Einberufungspraxis bei Wehr- und Zivildienst ist
verfassungswidrig. Seit Jahren hören wir von Rot-Grün
das Versprechen, die Wehrpflicht zu überprüfen, sie viel-
leicht – wie Sie heute gesagt haben, Herr Nachtwei –
auszusetzen. Ebenso schlagen Sie vor, Wehr- und Zivil-
dienst bezüglich der Dauer gleichzustellen, also statt
zehn Monaten Zivildienst neun Monate ebenso wie beim
Wehrdienst. Aber im Bundestag ist bis heute nichts pas-
siert.

Nun fordern zwei sehr wichtige Kabinettsmitglieder,
nämlich die Justizministerin und der Innenminister – ich
finde, beide sind sehr wichtig –, die Einführung eines
allgemeinen Zwangsdienstes für alle jungen Frauen und
Männer.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Unglaublich!)

Das ist ein Stück aus dem Tollhaus.


(Beifall bei der FDP)

Es ist billigster Wählerfang bei der älteren Generation,
die sich durch die Tätigkeit von Zivildienstleistenden ein
Stück mehr Lebensqualität im Alter erhoffen. Sie erwar-
ten von uns Alternativen, die wir auch schon vorgelegt
haben.

Meine Damen und Herren, Bundesinnenminister
Schily fordert in einem Interview mit der „Süddeutschen
Zeitung“ die Einführung des allgemeinen Zwangsdiens-
tes für junge Männer und Frauen. Zusätzlich fordert er
eine Verlängerung der Dienstzeit auf zwölf Monate, und
zwar mit der Begründung – die ich als Laie und Bürgerin
überhaupt nicht verstehen kann –, das solle das Abwehr-
bewusstsein der deutschen Bevölkerung bezüglich des
internationalen Terrorismus stärken.


(Helga Daub [FDP]: Das ist erklärungsbedürftig!)


Das haben Sie mir bis heute nicht erklären können. Ich
finde diese Begründung schier unglaublich.

Sollen jetzt Wege gefunden werden, die von Deutsch-
land verabschiedeten internationalen Vereinbarungen zu
umgehen? Einige Beispiele: Wir haben die Menschen-
rechtserklärung der Vereinten Nationen, das Überein-
kommen über Zwangs- und Pflichtarbeit von 1961, das
Übereinkommen über die Abschaffung der Zwangsar-
beit und die Konvention zum Schutz der Menschen-
rechte und Grundfreiheiten des Europarates von 1950

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(C (D nterschrieben. Was noch viel schlimmer ist: Die beiden undesminister stören sich nicht an den bestehenden bwehrrechten im Grundgesetz, zum Beispiel in rt. 12, der die Freiheit vom Arbeitszwang garantiert. eine Damen und Herren, vor allem von der linken eite: Weltweit existiert nur in einem Land ein derartiger wangsdienst, und zwar in der Diktatur Union Myanmar, lso in Birma. Neben dieser bedenklichen Rechtsauffassung der inister gäbe es natürlich auch – das wissen Sie, Herr achtwei – Durchführungsprobleme. Bei einer durchchnittlichen Jahrgangsstärke von 800 000 jungen Menchen ist bei einem Zwangsdienst für junge Frauen nd Männer mit einer jährlichen Einberufung von irca 700 000 Menschen zu rechnen. Die Folgen: 00 000 Menschen, die einen Pflichtdienst absolvieren, ehlen auf dem Arbeitsmarkt. Bei den Sozialversicheungsbeiträgen hätten wir Einbrüche. Das Berufseinrittsalter würde sich erhöhen und der Studienabschluss ich weiter verzögern. In Deutschland gibt es schon jetzt ie längsten Ausbildungszeiten. Mit dem sozialen flichtjahr würden Sie erst recht alles kaputtmachen. ußerdem würde das Steueraufkommen sinken und die usgaben des Bundes würden steigen; denn dieses flichtjahr würde zwischen 7 und 11 Milliarden Euro osten, die in diesem desolaten Haushalt garantiert nicht orhanden sind. Meine Damen und Herren, ganz besonders liebe Kol eginnen und Kollegen von der SPD und den Grünen, ie wissen, dass ich immer heftig streite, aber auf einer ehr sachlichen Grundlage. Diese Zahlen – das müssen ie zugeben – sprechen eine deutliche Sprache. Ein wangsdienst ist volkswirtschaftlich verheerend, teuer ür den Staat und mit sehr großen Nachteilen für unsere ugendlichen verbunden. (Anton Schaaf [SPD]: Sie tun gerade so, als gebe es eine Gesetzesvorlage!)


Wir Liberalen lehnen ein allgemeines Pflichtjahr für
unge Frauen und Männer ab. Wir fordern die Ausset-
ung der Wehrpflicht und das ist richtig.


(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510606400

Das Wort hat der Kollege Hans-Peter Bartels, SPD-

raktion.


Dr. Hans-Peter Bartels (SPD):
Rede ID: ID1510606500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ie FDP erfreut uns ja, zumindest seit ihrer Wende, in
chöner Regelmäßigkeit mit Anträgen zu diesem immer-
rünen Thema. Es gab drei Anträge in der
4. Wahlperiode und schon zwei – wir zählen diesen ein-
al mit – in dieser Wahlperiode. Machen Sie ruhig so
eiter; wir diskutieren das gerne, wenn auch nicht so
erne als letzten Punkt der Tagesordnung.


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Dafür können Sie uns doch nicht verantwortlich machen!)







(A) )



(B) )


Dr. Hans-Peter Bartels

Egal ob es dafür einen konkreten Anlass gibt: Ich weiß
nicht, was Sie mit diesen Anträgen gewinnen. Wir kön-
nen am Ende einmal zusammenzählen, wer die meisten
Anträge gestellt hat. Wahrscheinlich gewinnen Sie gegen
die Grünen.

Die Diskussion um die Wehrpflicht gibt es in allen
Parteien. In der SPD gibt es eine breite und öffentlich
geführte Diskussion darüber, ob die Wehrpflicht die zeit-
gemäße Wehrform ist. Ich persönlich bin der Meinung,
dass sie es ist. Diese Diskussion gibt es – in einem gerin-
geren Umfang – auch in der Union. Ich habe zur Kennt-
nis genommen, dass sich einzelne Abgeordnete kontra
Wehrpflicht äußern, also für die Aussetzung der Wehr-
pflicht sind. Diese Diskussion muss es in Volksparteien
geben. Ob es in den beiden kleineren Fraktionen Kolle-
gen gibt, die für die Pro-Position streiten, weiß ich nicht.
Ich kann mir aber vorstellen, dass dem so ist.


(Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Nach meiner Kenntnis: ja!)


Vielleicht wird diese Position im Moment nicht so laut
geäußert.

Wir haben uns in der SPD auf ein Verfahren festge-
legt, mit dem wir zu einer gemeinsamen Position kom-
men wollen. Unsere heutige Position ist, dass die Vertei-
digungspolitischen Richtlinien der Koalition von uns
mitgetragen werden. Nach diesen Richtlinien ist die
Wehrpflicht nach wie vor die Wehrform, die wir für die
vorgesehene Reform der Bundeswehr brauchen. Aber
man kann über andere Positionen diskutieren. Wir wol-
len im November dieses Jahres eine Parteikonferenz ver-
anstalten. Wir werden dann ein Jahr später auf einem
Parteitag den Beschluss fassen, ob wir bei der Wehr-
pflicht, entweder in der bisherigen oder in einer modifi-
zierten Form, bleiben oder ob wir eine Aussetzung der
Wehrpflicht befürworten. Daraus würden sich Folgerun-
gen für die Bundeswehr ergeben, die in der Koalition zu
diskutieren sein werden.

Der Koalitionsvertrag besagt, dass die Wehrpflicht als
Wehrform bis zum Ende dieser Wahlperiode überprüft
werden soll. Diese Prüfung ist ergebnisoffen. Ich selbst
kann keine Prognose abgeben, wie die Prüfung ausgeht.


(Ina Lenke [FDP]: Rechtzeitig vor den Bundestagswahlen werden Sie das machen, damit Sie die Stimmen der jungen Wähler kriegen! Stimmenfängerei ist das und nichts anderes!)


– Dieses Thema wird Gegenstand der Bundestagswahl
sein. Es ist gut, dass die Bevölkerung am Ende darüber
abstimmen kann. Wir sind mit einer klaren Position in
die letzte Wahl gegangen.


(Ina Lenke [FDP]: Sie wollen Stimmen fangen und deshalb machen Sie es kurz vor der Wahl!)


– Ich weiß nicht, welche Stimmen Sie fangen wollen.
Die Bundeswehr befindet sich im Wandel und auch

die Wehrform befindet sich im Wandel. Die Wehrpflicht
passt sich an. Zu meiner Zeit dauerte der Wehrdienst
15 Monate. Davor waren es 18 Monate. Inzwischen lie-
gen wir bei neun Monaten. Die Dauer des Wehrdienstes

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(C (D st also variabel und abhängig von den Jahrgangsstärken nd davon, wie sich der Personalbedarf einer kleiner erdenden Bundeswehr entwickelt. Das ist keine neue ituation. Mit der Situation, dass die Dauer der Wehrflicht immer an den gegenwärtigen Bedarf angepasst erden muss, haben wir zu tun, seitdem es die Bundesehr gibt. Ich möchte etwas zu den Zahlen sagen, mit denen ge egentlich operiert wird. Man kann nicht von Restwehrflicht sprechen, (Günther Friedrich Nolting [FDP]: Das sagt aber der Koalitionspartner!)


enn 120 000 junge Männer im Jahr 2003 – das ist eine
ahl aus dem Verteidigungsministerium – auf der
rundlage der Wehrpflicht neu zur Bundeswehr kom-
en,


(Ina Lenke [FDP]: Nur jeder Zweite!)

ntweder als W-9er, freiwillig länger Dienender oder als
eitsoldat. Auch der Zeitsoldat unterliegt der Wehr-
flicht und leistet zunächst einmal seinen Wehrdienst ab.
iese Zahl sollten wir alle im Hinterkopf behalten.
iese Rotation ist wichtig, da sie eine Anbindung an die
esellschaft bedeutet, die wir wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ina Lenke [FDP]: Von 400 000!)


Es ist bezüglich dieser Zahl 400 000 schon gesagt wor-
en, welche Dienste noch geleistet werden. Ich nenne
eispielsweise Zivildienst, Ersatzdienst, Dienst im Kata-
trophenschutz bis hin zum Entwicklungsdienst. Der
eit überwiegende Teil der etwa 430 000 jungen Män-
er eines Jahrgangs leistet tatsächlich einen Dienst.


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Das sieht das Kölner Gericht aber anders!)


Das Koblenzer Gericht sieht es wiederum anders. Es
andelt sich um Entscheidungen einzelner Gerichte. Das
ag bis zur letzten Instanz durchgeklagt werden.
Es sind im Wesentlichen die Mannschaftsdienstgrade,

ie aufgrund der Wehrpflicht rekrutiert werden. Rekru-
ieren Sie einmal Mannschaftsdienstgrade für eine Be-
ufsarmee!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

achen Sie sich einmal klar, was das kosten und was
as qualitativ gesehen für die Bundeswehr bedeuten
ürde. Ich bin in diesem Punkt durchaus skeptisch.


(Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)


Mir ist es recht, wenn immer weitere Fundamental-
lternativen in die Diskussion gebracht werden: Ab-
chaffung der Wehrpflicht, Aussetzung der Wehrpflicht,
uswahlwehrpflicht, Verkleinerung der Bundeswehr,
ergrößerung der Bundeswehr. Es gibt einen bunten
trauß von Möglichkeiten, die neben dem, was es mo-
entan gibt und was sich bewährt hat, ins Gespräch ge-
racht werden. Ich wäre gar nicht überrascht, wenn am
nde einer solchen Diskussion steht, dass sich der






(A) )



(B) )


Dr. Hans-Peter Bartels

Mittelweg zwischen den extremen Positionen durchge-
setzt hat. Auch das soziale Pflichtjahr ist eine so funda-
mental neue Position, dass am Ende sehr wahrscheinlich
ein Mittelweg eingeschlagen wird.

Wenn wir in der SPD, in der Koalition und in der Be-
völkerung über die Zukunft der Wehrpflicht diskutieren,
dann – das will ich als letzten Satz sagen – sollte uns be-
wusst sein, dass es hier nicht in erster Linie um die mehr
oder weniger kostbare Freizeit für 18-jährige Männer
geht,


(Ina Lenke [FDP]: Um Gerechtigkeit geht es!)

sondern um die sehr grundsätzliche Frage, ob das Militär
– zumal in Deutschland – eine Veranstaltung der ganzen
Gesellschaft oder eine lästig gewordene Dienstleistung
sein soll, die man genauso gut outsourcen könnte. Ich
will das nicht.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510606600

Das Wort hat die Kollegin Ursula Lietz, CDU/CSU-

Fraktion.


Ursula Lietz (CDU):
Rede ID: ID1510606700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Seit der Aufstellung der Bundeswehr im Jahre
1955 haben wir eine Wehrpflichtarmee. Wir haben die
Wehrpflicht aus guten Gründen nach den Erfahrungen
aus dem sogenannten Dritten Reich eingeführt. Genera-
tionen von jungen Männern sind seitdem als Bürger in
Uniform in unserer Armee und sind mit dafür verant-
wortlich, dass sich diese demokratische Armee – übri-
gens zum ersten Mal in Deutschland – sehr gut in eine
freiheitlich-demokratische Gesellschaft integriert hat.

Die Bundeswehr hat ein großes Reservoir an Wehr-
pflichtigen, aus denen wir gute und qualifizierte Nach-
wuchskräfte gewinnen. Dass das gut ist, sehen wir daran,
dass unsere Soldaten, die handwerkliche Fähigkeiten aus
zivilen Berufen mitbringen, beim Wiederaufbau in Af-
ghanistan sowie im Kosovo und überall dort, wo sie ein-
gesetzt werden, gute Arbeit leisten und deswegen Bot-
schafter Deutschlands in anderen Ländern sind.

Die Briten werben mittlerweile in Kneipen. In einigen
Berufsarmeen sind Vorstrafen erlaubt. In Spanien hat
man die Anforderungen nach der Umstellung auf eine
Berufsarmee drastisch herunterschrauben müssen, übri-
gens auch in den Vereinigten Staaten.

Nach der Wiedervereinigung und nach dem
11. September 2001 brauchen wir – das ist uns allen
klar – eine neue Armee. Wir brauchen andere Fähigkei-
ten: Mobilität, Flexibilität, hohe technische Fähigkeiten
und Intelligenz. Ich bestreite ganz entschieden, dass wir
uns deswegen von der Wehrpflicht abwenden müssen.
Ich halte es sogar für gut, dass wir uns ihr erneut zuwen-
den.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D ie CDU/CSU-Fraktion hat ein Konzept zum Heimatchutz vorgelegt, das wir nicht erfinden mussten. Wir ussten nur in andere Länder schauen, in denen das beeits umgesetzt wird. Der Verteidigungsminister, Herr Parlamentarischer taatssekretär, sagt zwar, dass er an der Wehrpflicht festalten will; aber er tut nichts, um das umzusetzen. ie Einberufungspraxis ist lasch und die Wehrgerechtigeit dann verfehlt, wenn Sie im verteidigungspolitischen rogramm nur noch 30 000 Wehrpflichtige vorsehen. as kann so nicht funktionieren. Das führt dann dazu, ass man sich damit möglicherweise vor Gerichten ausinander setzen muss. Die Wehrpflicht wird dann quasi uf dem Rechtswege abgeschafft. Das kann nicht in unerem Sinne sein. Wenn der Verteidigungsminister zu seinem Programm tünde – ich habe das gestern schon in einem anderen usammenhang gesagt –, dann würde er für die Wehrflicht kämpfen und sich der Diskussion stellen und icht warten, bis die Wehrpflicht abgeschafft ist. Das indet leider nicht statt. Hier ist schon genug zum sozialen Pflichtjahr anstelle es Zivildienstes gesagt worden. Wir lehnen das soziale flichtjahr ab, eil noch heute – das ist bekannt – junge Frauen und unge Männer sehr unterschiedliche Lebensbiografien aben. Denn auch noch heute sind es die Frauen, die weiger Berufsjahre haben, weil sie das Familienleben estalten und weil sie, wenn die Kinder groß sind, die ltern pflegen, die anderenfalls möglicherweise in ein ltersheim müssten, wenn sie nicht mehr allein zu ause leben könnten. Ein Kollege aus der französischen Nationalversamm ung hat auf meine Frage, wie die Umstellung zur Beufsarmee vonstatten gehe, gesagt, er müsse zugeben, ass man zurzeit den Kontakt zwischen Armee und Naion verloren habe. Das sagt ein Franzose. (Helga Daub [FDP]: Die Franzosen sind sehr impulsiv!)


(Andreas Scheuer [CDU/CSU]: So ist es!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP)


(Beifall bei der FDP)


as ist ein Satz – das muss ich Ihnen sagen –, der mich
ehr nachdenklich gemacht hat. Ich gebe Ihnen auch
ieder, was mir ein ehemaliger amerikanischer Kollege
us dem Kongress gesagt hat, der damals für die Freiwil-
igenarmee gestimmt hat. Er hat mir gesagt, er würde das
icht wieder tun, und zwar aus einem ganz bestimmten
runde: Er habe festgestellt, dass man sehr viel vorsich-
iger mit der Entscheidung, ob man Soldaten in eine
useinandersetzung schikken solle, umgehe, wenn man
ie eigenen Söhne schicke.


(Ina Lenke [FDP]: Aber es bleiben doch die eigenen Söhne!)







(A) )



(B) )


Ursula Lietz

Hingegen sage man bei einer Berufsarmee sehr viel eher:
Die wissen doch, worauf sie sich da eingelassen haben.

Das ist der Grund dafür, warum ich mir Gedanken
darüber mache, wie wir die Wehrpflicht erhalten und
besser ausbauen können. Wir haben dazu ein Konzept
geliefert. Ich bin überzeugt, auch Sie werden eines Tages
Gefallen an diesem Konzept finden und uns dann zu-
stimmen.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510606800

Nächste Rednerin ist die Kollegin Jutta Dümpe-

Krüger, Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zwei
Punkte vorab in Richtung FDP: Wer meint, bei der Dis-
kussion über die Wehrpflicht nicht auch den Zivildienst
und die freiwilligen Dienste mitnehmen zu müssen, der
macht einen Fehler. Das ist das Erste.

Das Zweite: Frau Lenke, es ist wahr, dass in allen
Fraktionen außer in meiner öffentlich überlegt worden
ist, ob man einen solchen Zwangsdienst überhaupt
schaffen kann. Ich habe nachgelesen, dass zum Beispiel
Ihr Herr Brüderle hier gesagt hat, man könnte überlegen,
ob man nicht Sozialhilfeempfänger einspannt, damit
diese der Gesellschaft eine Gegenleistung erbringen.


(Ina Lenke [FDP]: Das ist ganz etwas anderes, das wissen Sie doch! Der Vergleich hinkt!)


Auch aus der CDU hat man ähnliche Stimmen gehört. Es
bringt uns aber überhaupt nicht nach vorn, wenn wir uns
gegenseitig in die Pfanne hauen. Ich finde aber, es ist
wichtig, darüber zu diskutieren, warum wir kein soziales
Pflichtjahr wollen. Diesen Punkt möchte ich hier noch
einmal ansprechen.

Ein soziales Pflichtjahr würde einen unnötigen und
tiefen staatlichen Eingriff in die Rechte von Menschen
und ihre persönliche Lebensplanung bedeuten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP – Ina Lenke [FDP]: Endlich! – Günther Friedrich Nolting [FDP]: Sagen Sie das Herrn Schily, der kommt aus Ihrer Partei!)


Es ist gesetzwidrig und unbezahlbar sowie eine Sack-
gasse, die Freiwilligkeit und bürgerschaftliches Engage-
ment im Keim erstickt. Wer meint, nach dem Ende der
Wehrpflicht – wenn es denn kommt und wann es dann
kommt; es kommt aber ganz sicher –


(Ina Lenke [FDP]: Schon vor 2006! Rechtzeitig zur Bundestagswahl!)


und dem damit verbundenen Auslaufen des Zivildienstes
als Ersatzdienst einen neuen Zwangsdienst einführen zu
müssen, der muss sich mit vielfältigen Problemen aus-

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(C (D inander setzen, zum Beispiel dem, dass unser Grundgeetz aus gutem Grund ein soziales Pflichtjahr verbietet. Ich glaube, das ist auch richtig so, denn ein Staat, der einen Bürgern zwangsweise vorschreiben wollte, was ie für ein Jahr oder einen anderen begrenzten Zeitraum u tun oder zu lassen haben, müsste dafür schon sehr ute Gründe haben. Aber selbst dann, wenn sich eine weidrittelmehrheit für eine solche Grundgesetzändeung finden würde, wäre die Einführung eines solchen wangsdienstes nicht möglich, da bei uns in Deutschand – das ist vorhin schon einmal angesprochen woren – Menschenrechtskonventionen ebenso wie nationaes Recht gelten. Hintergrund der gesamten Debatte um die Abschaf ung der Wehrpflicht, um das Auslaufen des Zivildienses und auch um das soziale Pflichtjahr ist die Sorge, wer ie Arbeit der Zivildienstleistenden übernimmt, wenn es en Ersatzdienst für die Wehrpflicht nicht mehr gibt. Ich ersönlich finde es sehr erstaunlich, dass wir nicht als rstes auf die Idee kommen, aus der Not eine Tugend zu achen und zu sagen: Gerade in den Bereichen, in deen Zivildienstleistende heute arbeiten, können wir neue rbeitsplätze schaffen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der FDP)


ir können Ideen für neue, einfachere Jobs für junge
nd auch für ältere Menschen entwickeln, die wir damit
us der Arbeitslosigkeit holen können.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


inige Verbände gehen schon mit sehr gutem Beispiel
oran und entwickeln neue Berufsbilder. Die Kommis-
ion, die Renate Schmidt, unsere Familienministerin,
inberufen hat, hat hier viele positive Impulse gesetzt
nd alle am Umbau Beteiligten mit ins Boot geholt, da-
it wirklich innovativ gestaltet werden kann.
Stattdessen führen wir wiederholt eine Debatte über

ie teure Sackgasse Zwangsdienste. Es gibt dazu eine
erechnung der Zentralstelle KDV, also der Zentralstelle
ür Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus
ewissensgründen. Danach müssten jährlich ungefähr
00 000 junge Erwachsene ein soziales Pflichtjahr leis-
en, wenn es denn möglich wäre. Das würde circa
,5 Milliarden Euro pro Jahr kosten. Andere Berechnun-
en gehen sogar von 10 Milliarden Euro aus.


(Ina Lenke [FDP]: Habe ich doch gesagt!)

pätestens an diesem Punkt muss man all diejenigen, die
as befürworten, fragen: Wer soll das wie finanzieren?


(Beifall des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Darüber hinaus gäbe es weitere Probleme: Staatlicher
wang zieht immer auch staatliche Kontrolle nach sich.
s müssten Instanzen geschaffen werden, die dafür sor-
en, dass sich niemand drückt. Es müsste ein Sanktio-
ensystem und im Umkehrschluss natürlich auch staatli-
he Fürsorge geben.






(A) )



(B) )


Jutta Dümpe-Krüger

Sanktionen dürften keine Geldstrafen sein, weil wir

nicht wollen, dass sich jemand freikaufen kann. Es
bliebe nur der Freiheitsentzug. Aber das können wir al-
les nicht wollen.

Ich bin darüber erstaunt, dass diejenigen, die Zwangs-
dienste junger Menschen wollen, häufig die gleichen
sind, die fordern, junge Menschen sollten schneller, klü-
ger und flexibler sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Ihnen Zwangsdienste aufzudrücken ist überhaupt nicht
nötig, weil es ein riesiges Engagement von jungen Men-
schen für die Freiwilligendienste gibt. Die Nachfrage ist
zwei- bis dreimal so hoch wie das Angebot.

Abschließend bleibt festzuhalten: Zwangsdienste sind
verfassungswidrig und gesellschaftspolitisch der falsche
Weg, weil sie freiwilliges Engagement im Keim ersti-
cken. Darüber hinaus sind sie unbezahlbar. Unser ge-
meinsames Ziel sollte der Dreiklang sein: Freiwilligen-
dienste ausbauen, neue sozialversicherungspflichtige
Arbeitsplätze schaffen und bürgerschaftliches Engage-
ment stärken.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510606900

Nächster Redner ist der Kollege Willi Zylajew, CDU/

CSU-Fraktion.

Willi Zylajew (CDU):
Rede ID: ID1510607000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Das soziale Pflichtjahr wird sehr oft als eine großartige
Chance für unsere Gesellschaft dargestellt. Es wird um-
fänglich angepriesen. Die Vorteile für soziale Einrich-
tungen und Dienste, Vereine, Verbände und Organisatio-
nen werden derzeit mit ministerieller Unterstützung breit
beleuchtet. Es werden die Möglichkeiten für junge Men-
schen aufgezeigt. Sie sollen die Chance erhalten, einen
Dienst an der Gemeinschaft zu leisten. Sie sollen ein Be-
rufsfindungsjahr durchleben und erleben dürfen. Es wird
vorgeschlagen, dass wir ein bundeseinheitliches zusätzli-
ches Schuljahr praktisch mit dem sozialen Pflichtjahr er-
ledigen könnten. Das mag sicherlich in dem einen oder
anderen Bundesland als hilfreich angesehen werden; ich
denke aber, die 800 000 angepriesenen Arbeitskräfte pro
Jahr – diese Zahl haben der Innenminister und die Justiz-
ministerin in den Raum gestellt – werden in einen Hohl-
raum gestellt. Es wird nichts kommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ina Lenke [FDP]: Unglaublich!)


Ich bin der Auffassung, dass wir von all dem, was an-
gepriesen wird, bei einer Aussetzung oder sogar Ab-
schaffung der Wehrpflicht am Ende nichts erleben wer-
den. Die Abschaffung oder Aussetzung der Wehrpflicht
– Herr Kollege Schmidt hat dies deutlich gemacht –
brächte eine Reihe von Problemen mit sich und schüfe

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(C (D ine Situation, die in viele Bereiche unserer Gesellschaft eutlich einschneiden würde. Mit dem Ende der Wehrpflicht, Herr Nachtwei, über ie aus Ihrer Sicht in der Koalition nicht gestritten wird, ären Auswirkungen auf weite Bereiche unserer miliärischen, aber auch zivilen Verteidigung verbunden. Sie treiten darüber ja durchaus. Herr Bartels hat sehr fair ufgezeigt, wie die Diskussion und die Beratung in der PD verlaufen wird; wir werden sie mit Spannung beleiten müssen. Ich denke, die Wehrpflicht hat sich in der Vergangen eit bewährt und bewährt sich noch immer. Der Wehrienst und der Wehrersatzdienst, also der Zivildienst – es ibt da Dienstleistende bei Feuerwehren, Wohlfahrtsveränden und Sanitätsund Hilfsorganisationen –, gehören u den tragenden Säulen unserer Gesellschaft. Ich bin icht der Auffassung, dass wir dieses erprobte System urch die Aussetzung der Wehrpflicht in Gefahr bringen ollten. Die Wehrpflicht ist erprobt und akzeptiert, sie hat in er Gesellschaft eine breite Anerkennung gefunden und indet sie noch. Sicherlich müssen noch ein paar Nachesserungen vorgenommen werden; das ist unstreitig. as Thema Wehrgerechtigkeit müssen wir behandeln, nd zwar sowohl bezüglich des Zivilals auch bezüglich es Wehrersatzdienstes. Die CDU/CSU-Fraktion hat azu Vorschläge entwickelt und diese Vorschläge nun um wiederholten Male zur Diskussion vorgelegt. Die ntwort von Ihrer Seite ist immer die gleiche: Sie wolen letztendlich unter dem Druck der Grünen weg von er Wehrpflicht. Wir meinen, dass wir damit einen Schaden anrichten ürden, der weit über die friedenspolitische Bedeutung iner Wehrpflichtarmee hinausgeht und der in diesem and zu Lasten und Veränderungen führt, deren Wirkunen wir noch nicht übersehen können. Daher begrüßen ir in dieser Diskussion alle Vorschläge, die nach vorne rientiert sind. Aber die Position, die von Zypries und chily eingenommen wird, (Ina Lenke [FDP]: Furchtbar! Wir sind hier ja nicht im Tollhaus, dass jeder sagen kann, was er will!)


st schlichtweg unverantwortlich.
Danke sehr.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Ina Lenke [FDP])


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510607100

Das Wort hat die Kollegin Ursula Mogg, SPD-Frak-

ion.

Ursula Mogg (SPD):
Rede ID: ID1510607200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
ach dem Ende des Kalten Krieges hat sich die Bundes-
epublik Deutschland während der 90er-Jahre des ver-
angenen Jahrhunderts, wie man ja jetzt sagen muss,
ühsam und zum Teil quälend an die neue sicherheits-
olitische Wirklichkeit herangetastet. Das Ergebnis ist






(A) )



(B) )


Ursula Mogg

bekannt. Der alte Anspruch und die neue Wirklichkeit
waren in Einklang zu bringen. Ich behaupte, dass wir
diese Herausforderung fürs Erste bestanden haben. Auf
dem Balkan hat die Bundesrepublik den Prototyp ihrer
neuen Außen- und Sicherheitspolitik entwickelt und ihn
in Afghanistan fortentwickelt. Unsere Gesellschaft hat,
was nicht selbstverständlich war, anerkannt, dass der
Einsatz militärischer Mittel ein kleiner, aber wichtiger
Baustein im Kampf in einer unsicheren Welt ist.

Die Bundeswehr hat ihre ersten Einsätze jenseits der
Landesgrenzen mit einer Wehrpflichtarmee bestanden.
Dabei hat sie sich im internationalen Rahmen einen her-
vorragenden Ruf und ein gutes Ansehen bei den Men-
schen, für deren Sicherheit sie Verantwortung trägt, er-
worben. Nicht ohne Grund haben unsere Soldaten auch
zu Hause eine gute Reputation, wie eine Untersuchung
des Sozialwissenschaftlichen Institutes der Bundeswehr
gerade in diesen Tagen gezeigt hat: Bei zwei von drei
Befragten überwiegen die positiven Eindrücke. Zur
Wehrpflicht äußert sich jeder zehnte befragte Bundes-
bürger sehr positiv, jeder dritte eher positiv und nur we-
nige, 8 Prozent, äußern sich negativ.

Überdurchschnittlich positiv, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der FDP, wird die Wehrpflicht im Übrigen
von den Anhängern Ihrer Partei bewertet.


(Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Das ist ja interessant! – Günther Friedrich Nolting [FDP]: Haben Sie die Umfrage in Auftrag gegeben?)


– Nein, ich beziehe mich auf die Untersuchung des So-
zialwissenschaftlichen Institutes der Bundeswehr.


(Ina Lenke [FDP]: Wenn da nicht böse Absicht dahinter steckt!)


Dabei, Frau Kollegin, sind im Zeitverlauf zwischen 1996
und 2003 nur geringfügige Schwankungen zu erkennen.


(Ina Lenke [FDP]: Fragen Sie doch mal die Wehrdienstleistenden! Die langweilen sich!)


Deshalb haben wir in der Debatte über die Zukunft der
Wehrform jeden, wirklich jeden Grund, im Interesse ei-
nes weiteren Konsenses ebenso bedacht und sorgfältig
vorzugehen, wie wir das in den letzten eineinhalb Jahr-
zehnten in der Sicherheitspolitik insgesamt getan haben.

Ein Blick auf einige Punkte, die hier zum Teil auch
schon angesprochen wurden, belegt dies. Die Gegner der
Wehrpflicht


(Ina Lenke [FDP]: Auch die FDP?)

betonen das Argument, die neue sicherheitspolitische
Welt brauche eine Profiarmee.


(Ina Lenke [FDP]:Ja!)

– Frau Kollegin Lenke, das ist ganz sicher richtig, be-
deutet im Umkehrschluss aber nicht, dass eine Wehr-
pflichtarmee unprofessionell arbeitet.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D anz im Gegenteil, die gegenwärtige Mischung aus freiilligen und wehrpflichtigen Soldaten hat den Realitätsest bereits bestanden. Deutsche Soldaten haben im Einatz bewiesen, dass sie jede Kompetenz haben, die man hnen abfordert. (Günther Friedrich Nolting [FDP]: Sie finden doch keine Grundwehrdienstleistenden, die bei Auslandseinsätzen mitmachen!)


Herr Kollege Nolting, zu Beginn dieser Woche hatte
ch das Vergnügen, an der Bundeswehruni in Hamburg
it jungen Soldaten über das Pro und Contra der Wehr-
flicht zu diskutieren.


(Ina Lenke [FDP]: Fragen Sie doch mal die Wehrpflichtigen!)


ie jungen Männer haben dort vorgetragen, dass sie auf
en Übungen und bei den Einsätzen die Erfahrung ge-
acht haben, dass sie gegenüber ihren Partnern aus den
nderen Ländern wirklich „eine Schnitte machen“, wie
in junger Soldat mir gegenüber formulierte.


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Alles Freiwillige, die da tätig sind! – Ina Lenke [FDP]: Kein Zwang!)


ieses Argument gilt im Übrigen auch für die Wehr-
flichtigen, die an diesen Übungen teilnehmen.


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Wie Sie wissen, alles Freiwillige!)


Es gehört zu unserer Verantwortung als Abgeordnete,
m Interesse der Sicherheit unseres Landes einen Blick
uf die Möglichkeiten der Rekrutierung zu werfen;


(Ina Lenke [FDP]: Die kennen wir!)

ie Kollegin Lietz hat das ja auch schon sehr dezidiert
etan. Die sicherheitspolitische Welt des 21. Jahrhun-
erts verlangt hoch motiviertes, qualifiziertes und gut
usgebildetes Personal. Wir brauchen die Besten und die
lügsten.


(Ina Lenke [FDP]: Wie viel Prozent Abiturienten melden sich denn?)


it dem gegenwärtigen System der Wehrpflichtarmee
rreichen wir nach wie vor die Breite der Gesellschaft.


(Ina Lenke [FDP]: Nein, das tun wir nicht!)

Doch, das tun wir!


(Zuruf von der SPD: 120 000!)

Der Anteil derjenigen, die sich aus dem Grundwehr-

ienst heraus als Zeitsoldaten verpflichten, ist groß. Wir
issen aus den Erfahrungen derjenigen unserer Partner,
ie die Wehrpflicht abgeschafft haben, dass die Rekru-
ierung ein großes Problem darstellt, wenn die Streit-
räfte nur ein Arbeitgeber unter vielen sind. Dieses Pro-
lem wird sich aus meiner Sicht vor dem Hintergrund
es demographischen Wandels noch verstärken. Außer-
em ist die Feststellung, eine Freiwilligenarmee wäre
reiswerter, eine oft verbreitete Mär; der Herr Staatsse-
retär hat dies dankenswerterweise ganz deutlich unter-
trichen.






(A) )



(B)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510607300

Liebe Kollegin, Ihre Redezeit ist überschritten.


Ursula Mogg (SPD):
Rede ID: ID1510607400

Ich komme zum Schluss. – Der Staat hat gegenüber

seinen Bürgern die Aufgabe der Risikovorsorge, der Si-
cherheitsvorsorge. Wir sollten alle Argumente offen und
fair miteinander austauschen. Dann – das ist meine feste
Überzeugung – werden wir zu dem Ergebnis kommen,
dass die Wehrpflichtarmee eine angemessene Antwort
auf die Herausforderungen der Zukunft ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Günther Friedrich Nolting [FDP]: Warten wir einmal den Parteitag der SPD ab! – Gegenruf von der SPD: Machen wir!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510607500

Das Wort hat die Kollegin Petra Pau.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1510607600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die FDP und die PDS lehnen die Wehrpflicht ab. Ich
gebe zu, unter meinen Stichworten stand bis zur Rede
des Kollegen Nachtwei auch noch: die Grünen.


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat denn meine Rede daran geändert?)


Die PDS lehnt die Wehrpflicht nicht erst seit dem Urteil
des Verwaltungsgerichtes Köln ab, sondern ist grund-
sätzlich gegen die Wehrpflicht, übrigens auch als Lehre
aus einer gewissen Vergangenheit; dazu komme ich
gleich noch. Die SPD tut sich mit dem Urteil schwer, ich
könnte es auch andersherum sagen: Sie nehmen es auf
die leichte Schulter und hoffen nun auf „bessere Richter-
sprüche“. Die CDU/CSU ficht ohnehin für die Wehr-
pflicht; das ist nicht neu, es macht die Wehrpflicht aller-
dings nicht besser.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Ihre Gegnerschaft macht sie aber auch nicht schlechter!)


Die PDS ist der Meinung: Die Wehrpflicht ist ein Re-
likt aus dem vorigen Jahrhundert.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos] – Zuruf von der CDU/CSU: Wenn schon, dann aus dem vorvorigen!)


Wir lehnen sie aus drei Gründen ab: Es gibt hierzulande
zwar eine Wehrpflicht, aber keine Wehrgerechtigkeit.
Die FDP hat gesagt: Die Einberufungspraxis ist eine
Lotterie. Das stimmt – mit einem Unterschied: Lotto
kann man spielen, man kann es auch sein lassen. Die
Wehrlotterie ist hingegen kein wahlfreies Glücksspiel,
sondern eine Pflichtveranstaltung.

Der zweite Grund für unsere Ablehnung: Die Wehr-
pflicht ist nicht nur eine Pflichtveranstaltung, sie ist ein
Zwangsdienst. Die PDS lehnt Zwangsdienste jeder Art

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(C (D b, also auch die so genannten Wehrersatzdienste, egal nter welchem Namen sie verordnet werden. Der dritte Grund: Die Wehrpflicht ist nicht irgendein wangsdienst, sie ist ein Zwang zum Kriegsdienst, alleal angesichts der herrschenden Militärdoktrin, die eltweite Einsätze inzwischen als Normalfall vorchreibt; (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


ir haben unter dem vorigen Tagesordnungspunkt ge-
ade darüber debattiert.
Die Wehrpflicht ist also überholt, sie ist ungerecht

nd sie ist obendrein friedensgefährdend;

(Zurufe von der SPD: Oh!)


uch deshalb sagen wir Nein.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte das

hema „Wehrpflicht“ nun allerdings noch etwas auswei-
en. Ich teile nämlich die Auffassung:

Wer soziale Hilfe in Anspruch nimmt, darf nicht
diskriminiert werden.

igentlich müsste ich jetzt Beifall aus den Reihen der
PD-Fraktion hören, denn dieser Satz stammt aus Ihrem
och gültigen Grundsatzprogramm. Ihre Politik anno
004 sieht allerdings ganz anders aus: Wer soziale Hilfe
raucht, wird von Ihnen in Arbeit gezwungen, egal zu
elchen Bedingungen und zu welchem Preis. Das ist das
erzstück Ihrer so genannten Arbeitsmarktreformen.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Während die einen also gegen Zwangsdienste beim
ilitär kämpfen, führen andere Zwangsdienste auf dem
rbeitsmarkt ein. An dieser Stelle schließt sich leider die
bergroße Koalition von Grünen bis zur CSU. Nach Ih-
er Argumentation gegen Zwangsdienste, Frau Dümpe-
rüger, die bemerkenswert war, hätten Sie große Teile
er Hartz-Pakete eigentlich ablehnen müssen, damit sol-
he Zwangsdienste am Arbeitsmarkt nicht eingeführt
erden.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


ie PDS will beides nicht: Sie will keinen Zwang zum
rieg und keinen Zwang zur Fron.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510607700

Nächster Redner ist der Kollege Klaas Hübner, SPD-

raktion.


Klaas Hübner (SPD):
Rede ID: ID1510607800

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
erren! Im Rahmen dieser Debatte müssen wir darüber
)






(A) )



(B) )


Klaas Hübner

sprechen, und zwar unaufgeregt, welche Wehrform die
bessere für unser Land und für unsere Streitkräfte ist.
Dazu muss man zuerst betrachten, welche Wehrform die
Streitkräfte momentan haben und wie sie sich bisher dar-
gestellt hat.


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Wir müssen erst einmal fragen, wie der Auftrag lautet!)


Meines Erachtens hat sich die Wehrpflicht bisher ein-
deutig bewährt, und zwar sowohl gesellschaftspolitisch
als auch sicherheitspolitisch. Das Leitbild des Staatsbür-
gers in Uniform hat zu einer hohen gesellschaftlichen
Akzeptanz unserer Bundeswehr geführt. Die Wehrpflicht
bindet die Bürger in die Landesverteidigung ein und för-
dert die Identifikation sowohl mit dem Staat als auch mit
seinen Streitkräften. Die Integration der Bundeswehr in
die Gesellschaft – damit haben wir bürgernahe Streit-
kräfte – ist zu einem Qualitätsmerkmal geworden, das
als ein herausragender gesellschaftspolitischer Erfolg für
unser Land angesehen werden kann.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ina Lenke [FDP]: Und das nur, weil wir die Wehrpflicht haben?)


Mit der Wehrpflicht werden dadurch, dass auf Rekru-
ten aus allen Bevölkerungskreisen zurückgegriffen wird,
weitgehend sozial repräsentative und aufgeschlossene
Streitkräfte sichergestellt. Durch die Wehrpflicht wird
das Spektrum der gesamten Gesellschaft widergespie-
gelt. Das halte ich für sehr wichtig, zumal dadurch das
Leistungs- und Bildungspotenzial der Bevölkerung für
die Streitkräfte umfassender genutzt werden kann. Ge-
rade dieses gesamtgesellschaftliche Bildungs- und Leis-
tungspotenzial hat zu der herausragenden Qualität der
Bundeswehr insbesondere auch bei den neuen und wich-
tigen friedenserhaltenden Einsätzen geführt.

Gehen Sie einmal in das Gefechtsübungszentrum in
der Letzlinger Heide und sprechen dort mit den Ausbil-
dern, die die Soldaten auf die Auslandseinsätze vorberei-
ten.


(Zuruf des Abg. Günther Friedrich Nolting [FDP])


– Auf diesen Punkt komme ich noch zu sprechen, Herr
Nolting. – Sie werden feststellen, dass der Umgang mit
Wehrpflichtigen im Inland, die gerade keine Profis sind,
dazu führt, dass die Truppenführer und Untertruppenfüh-
rer, die ins Ausland gehen, bestimmte zivile Fähigkeiten
besitzen und einen anderen Umgang mit der Bevölke-
rung haben. Nicht umsonst zählt die Bundeswehr überall
dort, wo sie im Ausland eingesetzt wird, in der Regel mit
zu den beliebtesten ausländischen Streitkräften. Ein
Grund liegt auch darin, dass sich unsere Soldaten immer
wieder mit Wehrpflichtigen auseinander setzen müssen.
Das halte ich für eine positive Fähigkeit, die auch wei-
terhin zwingend vermittelt werden muss.

Wer sich also von der Wehrpflicht verabschieden will,
der muss wissen, dass die Bundeswehr einen neuen Cha-
rakter bekommt.

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(C (D (Ina Lenke [FDP]: Aber doch keine menschenverachtenden Streitkräfte! Das stimmt doch nicht!)


as ist dann nicht mehr die Bundeswehr, die wir jetzt
aben. Meines Erachtens sollten wir uns das sehr genau
berlegen.


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Wie sprechen Sie eigentlich über die Zeitund Berufssoldaten?)


Ich rede positiv über sie. Das bringt mich übrigens zu
inem wichtigen Punkt: Wissen Sie, woher die Zeit- und
erufssoldaten rekrutiert werden? 25 Prozent des Offi-
iersnachwuchses werden aus dem Bereich der Wehr-
flichtigen rekrutiert. 45 Prozent der Wehrpflichtigen
erpflichten sich während ihres Wehrdienstes als Zeit-
oldaten. Mehr als neun Millionen deutscher Männer ha-
en seit Bestehen der Bundeswehr den Grundwehrdienst
eleistet und damit zu einer engen Verbundenheit zwi-
chen Bundeswehr und Bevölkerung beigetragen. Sie
aben mitgewirkt, Akzeptanz und Vertrauen für die Auf-
aben der Sicherheitspolitik und der Bundeswehr in der
esellschaft zu erhalten.
Zum finanziellen Aspekt – Staatssekretär Wagner hat

as angesprochen –: Wenn Sie die Wehrpflicht abschaf-
en


(Ina Lenke [FDP]: Aussetzen!)

von mir aus auch aussetzen – und die Wehrpflichtigen
urch Zeitsoldaten ersetzen, dann wird das zu einer mil-
iardenschweren Mehrbelastung des Einzelplans 14 füh-
en. Angesichts der finanzpolitischen Lage ist es unlau-
er, zu sagen, der Etat müsse erhöht werden. Sagen Sie
itte, woher das Geld kommen soll. Wenn das nicht geht
und das kann es nicht –, dann lautet die Konsequenz,
ass dieses Geld dort fehlen wird, wo wir es dringend
rauchen. Aufgrund der neuen Aufgaben, die wir der
undeswehr zugewiesen haben, brauchen wir es näm-
ich für ihre materielle Aus- und Umrüstung. Deshalb ist
as Argument, das Sie hier einführen, sehr unlauter. Ins-
esondere in Bezug auf ihre neuen Aufgaben wäre das
irklich ein Nachteil für die Bundeswehr.
An der Wehrpflicht lässt sich auch festmachen, in
elchem Verhältnis wir den Staat und die Bürger in un-
erem Lande sehen. Ich glaube, wir alle müssen uns die
rage stellen, ob wir die Bundeswehr weiterhin als einen
ntegrativen Bestandteil unserer Gesellschaft sehen wol-
en oder ob wir mit dieser Diskussion dem Vorschub
eisten wollen, dass Sicherheit eine Ressource wird, die
uch outgesourced werden kann. Ich denke, das kann
icht in unserem Sinne sein.


(Ina Lenke [FDP]: Als wenn all diejenigen, die in einer Berufsarmee wären, Monster wären! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Frau Lenke, der Umgang mit Andersdenkenden ist Ihnen fremd!)


Frau Kollegin, weil sie so ist, wie sie ist, genießt die
undeswehr ein sehr hohes Ansehen in unserem Land.
ie Zeit- und Berufssoldaten und auch die Wehrpflichti-
en haben herausragende Leistungen erbracht. Ich






(A) )



(B) )


Klaas Hübner

denke, man kann gar nicht oft genug sagen, dass unseren
Soldatinnen und Soldaten dafür zu danken ist.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510607900

Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Herrmann,

CDU/CSU-Fraktion.


Jürgen Herrmann (CDU):
Rede ID: ID1510608000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskus-
sion um die Wehrpflicht ist sicherlich so alt wie das
Wehrpflichtgesetz selbst. Seit der Einführung des Wehr-
pflichtgesetzes im Jahre 1956 hat man sich immer wie-
der mit der Wehrpflicht beschäftigt. Ich glaube, das ist
auch richtig und gut so; denn die heutige Form der
Wehrpflicht hat es 1956 noch nicht gegeben. Ich denke,
ihre Weiterentwicklung ist Teil eines gesellschaftlichen
Prozesses. Dieser Prozess ist nicht nur für die Gesell-
schaft wichtig, sondern auch für die Bundeswehr.

Das Konzept der inneren Führung und die Wehr-
pflicht haben die Bundeswehr geprägt. Sie ist gesell-
schaftlich absolut integriert. Ihr Demokratieverständnis
ist so ausgeprägt, wie es bisher bei noch keiner Armee in
unserer Gesellschaft der Fall war. Ihre Leistungsfähig-
keit ist uneingeschränkt. Ich glaube, das können wir
unseren Soldatinnen und Soldaten – egal ob sie Wehr-
pflichtige oder Berufs- bzw. Zeitsoldaten sind – eindeu-
tig attestieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Daraus resultierend hat sich der so genannte Bürger in

Uniform entwickelt. Frau Mogg, Sie haben den Bürger
in Uniform ja bereits angesprochen. Ich glaube, er ver-
bindet die Bundeswehr mit der Gesellschaft. Das ist ein
sehr wichtiger Aspekt. Ich glaube, man kann ihn nicht
hoch genug hervorheben.


(Klaas Hübner [SPD]: Sehr richtig!)

Dr. Bartels – er ist leider nicht mehr anwesend – hat

vorhin gesagt, er hätte sich diese Diskussion über die
Wehrpflicht zu einem anderen Zeitpunkt gewünscht. Das
hätte ich mir auch. Die Diskussion über die Wehrpflicht
gehört sicherlich nicht an das Ende einer parlamentari-
schen Woche.


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Das liegt an der SPD-Fraktion!)


Deswegen sage ich ganz klar: Die Fraktionen von CDU/
CSU und FDP haben gefordert, diese Aktuelle Stunde
auf einen anderen Zeitpunkt vorzuverlegen und sie nicht
am Ende einer Sitzungswoche durchzuführen. Das wäre
der Bedeutung dieses Themas angemessen gewesen.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie rügen das Präsidium! Das ist aber wüst!)


– Na ja, ich denke, Sie haben einen entscheidenden Ein-
fluss darauf genommen.

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(C (D (Dr. Uwe Küster [SPD]: Nein, es gibt eindeutige Regeln!)


ir hätten uns die unsägliche Debatte am gestrigen Tage
rsparen und dieses Thema lieber dort behandeln sollen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Uwe Küster [SPD]: Das Lesen der Geschäftsordnung des Bundestages wäre besser als die Sprüche, die Sie hier machen! Sie wissen, dass es so vereinbart wurde! – Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Ihr von der SPD könnt nur überflüssige Aktuelle Stunden produzieren! Das ist euer Problem!)


Wir können vielleicht alle zusammen singen, es kann
ber nur einer reden. Von daher würde ich Sie bitten, mir
inmal zuzuhören.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Wenn wir singen, dann wird der Saal leer!)


Es gibt viele Gründe für, aber auch gegen die Wehr-
flicht. Ich glaube, die Ausgangslage ist eindeutig defi-
iert. Gemäß Art. 12 a des Grundgesetzes soll insbeson-
ere die Landesverteidigung durch die Wehrpflicht
ichergestellt werden. Es ist gar keine Frage: Die Lan-
esverteidigung ist im Laufe der Jahre neu definiert wor-
en. Das Bundesverfassungsgericht sieht auch Aus-
andseinsätze zur Landesverteidigung als Grundlage für
ie Wehrpflicht an. Die asymmetrische Bedrohung und
nternationale Verpflichtungen tragen dazu bei, dass die
ehrpflicht gerechtfertigt ist.
In der Diskussion ist mir folgender Punkt etwas zu

urz gekommen: Wir dürfen die Wehrpflicht nicht ver-
achlässigen. Sie darf aus der Liste der Methoden, mit
enen die alte Landesverteidigung – so, wie sie gedacht
st – sichergestellt werden soll, also nicht herausgestri-
hen werden. Ich glaube, das würde dem Ganzen nicht
erecht.
Die Rechtmäßigkeit der Wehrpflicht ist unbestritten;

as hat Herr Wagner eben auch gesagt. Es gibt ein Urteil
es Verfassungsgerichts vom 20. Februar letzten Jahres,
n dem ganz klar steht, dass die Wehrpflicht rechtmäßig
st. Sie ist aber nicht nur unter verfassungsrechtlichen
rundsätzen zu werten, sondern auch unter der – ich zi-
iere – „politischen Klugheit und ökonomischen Zweck-
äßigkeit“.
Der eigentliche Auftrag der Wehrpflicht ist es nicht
darüber haben wir eben diskutiert –, die anderen
ienste in unserem Staat aufrechtzuerhalten. Aber sie re-
ultieren daraus. Ohne die zusätzlichen Dienste, bei de-
en sich junge Männer freiwillig verpflichten,


(Ina Lenke [FDP]: Zwangsdienst!)

äre unsere Gesellschaft wesentlich ärmer. Bei Polizei,
GS, THW, Katastrophenschutz und Feuerwehr leisten
iele junge Menschen einen wichtigen und guten Beitrag
ür die Gesellschaft. Es ist richtig, dass die jungen Män-
er diesen Dienst leisten.
Ein weiteres Thema ist die Nachwuchsgewinnung.

0 Prozent der Berufs- und Zeitsoldaten verpflichten
ich aufgrund ihrer Tätigkeit als Wehrpflichtige. Dies






(A) )



(B) )


Jürgen Herrmann

tun sie – das muss man beachten – meist erst nach dem
sechsten oder siebten Monat. Zu dem Zeitpunkt haben
sie sich gefunden und entschieden, Berufs- oder Zeitsol-
dat zu werden. Diese wichtige Aussage höre ich in Ge-
sprächen mit Kommandoführern immer wieder.

Über die Probleme in anderen Ländern ist ebenfalls
schon berichtet worden. Denken Sie an die belgische Ar-
mee. Nachdem man die Wehrpflicht abgeschafft hat, ist
sie vollkommen überaltert. Ähnliches wird uns auch be-
vorstehen. Dem kann man sicherlich nicht so ohne wei-
teres entgehen. Die Bereitschaft, zur Armee zu gehen,
wird immer geringer werden. Ein anderes Problem hat
Spanien. Dort sinkt das Niveau, weil die jetzt eingestell-
ten Soldaten teilweise einen IQ von 85 besitzen. Das ist
Sonderschulniveau. Ich glaube nicht, dass dies zur Pro-
fessionalisierung beiträgt. Im Übrigen überlegen die
USA zurzeit, ob sie die Wehrpflicht, die sie kurzfristig
ausgesetzt haben, wieder einführen.

Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit möchte ich zum
Abschluss nur sagen, dass die Wehrpflicht für die Bun-
deswehr in der Vergangenheit und der Gegenwart von
besonderer Bedeutung war und ist. Das Bundesverfas-
sungsgericht misst ihr einen hohen staatspolitischen
Rang zu. Wir sind gut beraten, die Wehrpflicht beizube-
halten. Ich sage ganz deutlich: Wer sie aussetzen will,
wird sie abschaffen. Meine Damen und Herren von der
SPD, ich schätze es sehr, dass Sie sich für die Wehr-
pflicht einsetzen. Aber tragen Sie auch dazu bei, dass es
nicht bei leeren Worthülsen bleibt. Entwickeln Sie mit
den Wehrpflichtigen feste Planungen, sodass wir auch in
Zukunft auf die Wehrpflicht vertrauen können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510608100

Nächster Redner ist der Kollege Anton Schaaf, SPD-

Fraktion.

(Ina Lenke [FDP]: Jetzt möchte ich Ihre Meinung hören!)


Anton Schaaf (SPD):
Rede ID: ID1510608200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Lenke, selbstverständlich werde ich Ihnen gerne
meine Meinung sagen, wenn Sie mich ausreden lassen;
denn Sie rufen immer so viel dazwischen, dass das
schwierig wird. Tatsächlich hatte der eine oder andere
Redner echte Probleme.


(Ina Lenke [FDP]: Ich sage jetzt gar nichts mehr und höre zu!)


Die Debatte über die Zukunft der Wehrpflicht ist für
mich eine berechtigte Diskussion, die jetzt stattzufinden
hat. Wir brauchen einen vernünftigen Zeithorizont und
eine vernünftige Fragestellung, wie wir mit der Wehr-
pflicht zukünftig umgehen. Ich finde diese Frage nicht,
wie der eine oder andere es hier dargestellt hat, unbe-
rechtigt, sondern durchaus berechtigt. Wie sieht es mit
der Wehrgerechtigkeit und der Einberufungsgerechtig-
keit aus? Wie steht es mit den veränderten Anforderun-
gen an die Armee? Darauf müssen wir Antworten fin-
den.

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(C (D Wir sollten aber die Diskussion ergebnisoffen führen. ir sollten uns nicht, wie Sie von der FDP das tun, von ornherein festlegen. Sie haben ein Konzept für eine Beufsarmee und wollen das umsetzen. Es geht aber nicht ur darum, wie das organisiert werden kann. Es geht icht nur um finanzielle Fragen, sondern damit gehen uch gesellschaftspolitische Fragen einher. Wir brauchen nnerhalb dieser Gesellschaft eine breite Diskussion, um eränderungen an einem solch zentralen Thema im Konens herbeiführen zu können. Sie haben der Koalition einen Streit in dieser Sache orgeworfen. Dazu kann ich nur sagen: Uns war im Rahen der Koalitionsvereinbarungen von vornherein klar, ass es hier einen Dissens gibt, den es aufzulösen gilt. abei haben wir miteinander eine Zeitschiene vereinart. Wenn ich allerdings sehe, welche Unterschiede es n dieser Frage zwischen der CDU/CSU und der FDP ibt, (Günther Friedrich Nolting [FDP]: Wir haben doch keine Koalition!)


ann befürchte ich, dass Sie sich niemals zu einer Koali-
ion zusammenfinden könnten. Spätestens bei dieser
rage würde eine mögliche Koalition scheitern. Das ist
ür mich ganz klar.
Die Überlegung, die Wehrpflicht dadurch zu manifes-

ieren, dass auf der Grundlage der terroristischen Bedro-
ung der Tätigkeitsbereich der Bundeswehr auf Aufga-
en im Innern ausgedehnt wird, zum Beispiel bei der
bjektbewachung, halte ich für gewagt. Mit einer Aus-
eitung der Aufgaben kann doch nicht die Wehrpflicht
erettet werden. Ich denke, darüber muss man sehr ernst-
aft nachdenken. Wir haben die Fragen gestellt. Die
PD-Fraktion hat sich für die Beantwortung dieser Fra-
en einen ganz klaren Zeitrahmen gesetzt. Wir werden
ie Diskussion intern fortführen. Wir werden im Novem-
er nächsten Jahres auf einem Parteitag die Frage aus-
ührlich diskutieren und darüber beschließen. Daher gibt
s aus meiner Sicht Planungssicherheit.
Sie, Frau Lenke, erheben den Vorwurf, wir wollten

as Thema in den Wahlkampf ziehen.

(Ina Lenke [FDP]: Natürlich!)


ine solch zentrale Frage darf durchaus auch im Wahl-
ampf diskutiert werden. Da darf man sich positionieren
nd den Menschen in diesem Lande sagen, wie man sich
ie Zukunft der Wehrpflicht vorstellt.
Lassen Sie mich noch einige Ausführungen zur For-

erung nach einem sozialen Pflichtjahr machen. Frau
enke, Ihr Beitrag ließ vermuten, die Koalition hätte
ine Grundgesetzänderung vorgelegt. Dem ist mitnich-
n so.


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!)


s gibt einzelne Personen, die sich dazu geäußert haben.

(Ina Lenke [FDP]: Der Innenminister und die Justizministerin!)







(A) )



(B) )


Anton Schaaf

Wenn mich jemand fragen würde, Frau Lenke, so wie
die Justizministerin gefragt worden ist, ob es rechtlich
möglich sei, ein soziales Pflichtjahr einzuführen, dann
würde ich antworten, dass das bei einer Grundgesetz-
änderung möglich sei. Damit habe ich aber nicht gesagt,
ob ich das soziale Pflichtjahr will, ob ich es für richtig
oder für falsch halte. Ich halte die Diskussion über ein
soziales Pflichtjahr ohne jeden Zweifel für falsch.

Ich verweise an dieser Stelle auf die Ergebnisse der
Impulse-Kommission, die das Familienministerium ein-
gesetzt hat. In dieser Kommission waren alle großen
Wohlfahrtsverbände, die A- und B-Länder und die Frak-
tionen durch die parlamentarische Begleitgruppe vertre-
ten. Das Ergebnis der Kommission war eindeutig: keine
Pflichtdienste. Übrigens habe ich zur Kenntnis genom-
men, dass die geschätzte Frau Kollegin Maria Eichhorn
heute in einer Presseerklärung mitgeteilt hat, die CDU
sehe dies auch so. Andererseits suchte sie wieder einmal
den politischen Streit und versuchte, das Ganze klein-
kariert auseinander zu dividieren, indem sie gesagt hat,
dass die Forderung von fünf Leuten von der SPD, aber
nur von zwei Leuten von der CDU/CSU erhoben worden
sei. Das ist kleinlich. Man sollte sich stattdessen inhalt-
lich vernünftig positionieren.


(Andreas Scheuer [CDU/CSU]: Oh, Herr Kollege!)


Die Frage, ob es ein soziales Pflichtjahr geben soll, ist
keine Frage, die die SPD-Bundestagsfraktion oder die
Koalition aufgeworfen hat. Diese Frage wurde vielmehr
von Einzelpersonen aufgegriffen. Jeder hat das Recht,
seine persönliche Meinung zu einer solchen Frage zu sa-
gen; das ist unbestritten. Es gibt keine Initiative unserer-
seits, in diese Richtung vorzugehen.

Ich komme auf die Ergebnisse der Impulse-Kommis-
sion zurück, da sie deutlich Alternativen und Möglich-
keiten aufzeigt, die man unter Umständen nutzen kann,
falls der Zivildienst einmal wegfallen sollte. Ich hätte
gerne, dass wir über die Wehrpflicht ergebnisoffen dis-
kutieren und fragen, welche möglichen und sinnvollen
Alternativen es gibt. Für die Ergebnisse der Impulse-
Kommission muss man sehr dankbar sein, auch dafür,
dass die Ministerin diese Kommission initiiert und orga-
nisiert hat. Denn mit den Ergebnissen werden wir in Zu-
kunft gemeinsam arbeiten.

Es gibt übrigens Parallelstrukturen. Die Frage der Zu-
kunft der Wehrpflicht kann unterschiedlich beantwortet
werden. Ebenso können unterschiedliche Antworten auf
die Frage der sozialen Absicherung der alternativen
Dienste gegeben werden. So seriös, wie die Impulse-
Kommission die Fragen beantwortet hat, werden wir uns
mit der Frage der Zukunft der Wehrpflicht beschäftigen.
Sie werden zu gegebener Zeit von der SPD-Bundestags-
fraktion auf diese Frage geeignete und richtungswei-
sende Antworten erhalten. Wir werden die Menschen in
diesem Lande auf diesem Weg mitnehmen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


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(C (D Letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde ist der Kol ege Andreas Scheuer, CDU/CSU-Fraktion. Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle en! 1998, beim Regierungsantritt von Rot-Grün, konnte an erahnen, dass die Wehrpflicht unter dieser Regieung wohl keine gute Zukunft haben wird. Ich halte es ür wichtig, zu unterstreichen, dass der Zivildienst mit er Wehrpflicht zusammenhängt. Die Parlamentarische taatssekretärin aus dem Familienministerium war bei ieser Debatte zeitweise anwesend. Jetzt ist sie ins Wohenende gegangen. (Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie ist zur Familie!)

Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510608300
Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1510608400

as Familienministerium ist für den Zivildienst zustän-
ig. Deshalb wäre es gut, wenn dieses Ministerium auf
er Regierungsbank vertreten wäre.
In den letzten Jahren wurde mit Salamitaktik ver-

ucht, sowohl die Wehrpflicht im Verteidigungsbereich
u schwächen als auch den Zivildienst durch Hemmnisse
ei Zuteilungen von Geld auszuhöhlen.


(Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Das ist wohl wahr! – Ina Lenke [FDP]: Richtig!)


etzt verschärft sich die öffentliche Debatte über dieses
hema. Die Debatte ist begrüßenswert, nicht aber die
rt, wie sie geführt wird. Wir haben zwei Minister – al-
erdings gesellen sich zurzeit noch zwei weitere Minister
it den nicht unbedeutenden Ressorts Justiz und Inneres
inzu –, die widersprüchlich vorgehen, wie wir es bei
ot-Grün auch aus anderen Zusammenhängen kennen.
ie Familienministerin, die aktiv die Abschaffung der
ehrpflicht betreibt, versucht, den Verteidigungs-
inister durch den in ihrem Zuständigkeitsbereich lie-
enden Zivildienst gleichsam durch die Hintertür vom
urs des Beibehalts der Wehrpflicht abzubringen. Das
st Fakt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

ch wünsche Verteidigungsminister Struck Stehvermö-
en bei der Wehrpflicht und hoffe, dass es nicht zu Um-
allern oder Unfällen kommt. Wir warten ab, wie sich
er Verteidigungsminister dazu äußern wird.


(Ina Lenke [FDP]: Er ist doch mit seinem Konzept schon umgefallen!)


Hinzu kommt, dass den Grünen offenbar wieder ein-
al eine Beruhigungspille verpasst werden muss,


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche denn? – Dr. Uwe Küster [SPD]: Gibt es eine Zwangsmedikation? Herztropfen für alle?)


m einen in anderen Fragen gefügigen Koalitionspartner
u erhalten. Das ist die derzeitige Lage.
Wie wichtig die Verzahnung einer Bundeswehr mit
ehrpflichtigen aus der Mitte der Gesellschaft ist – das
urde in dieser Debatte bereits angesprochen –, ergeben






(A) (C)



(B) )


Andreas Scheuer
viele Gespräche zu diesem Thema. Militärexperten bei-
spielsweise stellen fest, dass die Bundeswehr bei Aus-
landseinsätzen – zum Beispiel in Afghanistan – deshalb
so hoch geschätzt ist, weil unsere Soldaten, die sich län-
ger verpflichten, ursprünglich aus der Wehrpflicht kom-
men, gesellschaftlich vernetzt sind und damit eine große
Kommunikationskompetenz im Umgang mit der Bevöl-

mit einer Berufsarmee einen Staat im Staate bekommen
würden.


(Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch! Das haben wir auch in Oppositionszeiten nicht getan! Wir kennen doch die Sorgen besser als Sie! Sie haben doch nicht gedient! – Gegenruf des Abg. Christian kerung in diesen Ländern haben. Wenn die Bundesregie rung schon nicht die modernste Ausstattung für unsere Soldaten bereitstellt, dann haben die Soldaten wenigstens im psychologisch-kommunikativen Bereich eine Kompetenz, die weltweit zum Tragen kommt. Was das Thema Zivildienst angeht, ist festzuhalten, dass die Träger und Wohlfahrtsverbände in hohem Maße die wichtigen ehrenamtlich Tätigen aus dem Zivildienst rekrutieren. Die schönen Sonntagsreden zum Ehrenamt nutzen dabei wenig, meine Damen und Herren von Rot-Grün. Sie müssen sich mit den Verbänden unterhalten, und zwar nicht nur in den Kommissionen, sondern auch vor Ort. Dort herrscht nämlich blanke Angst um die Strukturen vor Ort. Uns von der Union ist klar: Die Bundesregierung will diese Strukturen, die sich im Ehrenamt bewährt haben, zerstören. Auch an die Adresse der Wohlfahrtsverbände sei gesagt: Wenn man jetzt nach der Devise vorgeht „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“, dann sollte man bedenken, dass sich der Finanzminister schon darauf freut, beim Wegfall des Zivildienstes die 885 Millionen Euro seinem Haushalt einzuverleiben. Nur Träumer können davon ausgehen, dass das Geld in gleicher Höhe für den Aufbau der Freiwilligendienste in den Haushalt eingestellt wird. (Beifall des Abg. Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU] sowie bei der FDP)


Ich sage Ihnen noch etwas voraus: Spätestens 2006
wird es in Deutschland wieder eine Regierung unter
Unionsführung geben.


(Jutta Dümpe-Krüger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind aber auch Träume, Herr Scheuer!)


Wir werden mit unserem Koalitionspartner über dieses
Thema reden.


(Anton Schaaf [SPD]: Die Koalitionsbildung wird an der Wehrpflicht scheitern!)


Wenn Sie wirklich die Wehrpflicht abschaffen und den
Weg zu einer Berufsarmee bereiten, dann werden Sie
– das sei vor allem an die Adresse der Grünen gerich-
tet –, wenn wir die Regierung stellen, wieder alte Feind-
bilder heraufziehen lassen und davor warnen, dass wir

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(D Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Doch! Er war bei der Marine!)


Es ist gut, dass es eine offene Debatte über das soziale
flichtjahr gibt. Vertreter der großen Parteien äußern
ich sowohl für als auch gegen ein Pflichtjahr. Ich
öchte dabei zu bedenken geben: Bei all den Diskussio-
en müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass gerade
ie jungen Menschen zur Mitverantwortung in unserer
esellschaft animiert werden sollten. Das muss der
leinste gemeinsame Nenner sein. Ein Engagement für
taat und Gesellschaft ist der zentrale Punkt, um Struk-
uren in unserem Land zu erhalten und zu fördern.
Das heißt aber auch, dass die Wehrpflicht und der Zi-

ildienst so attraktiv gestaltet werden müssen, dass die
ungen Menschen in unserem Land daraus etwas Positi-
es für ihre Lebensgestaltung mitnehmen und das auch
eim Dienst direkt spüren. Es ist auch eine Imagefrage,
ie die Bundeswehr und der Zivildienst ausgestaltet
erden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün,
ringen Sie also eine klare Linie in Ihren Laden. Wir
erfolgen bereits eine klare Linie. Eines kann die Regie-
ung phänomenal, nämlich eine große Verunsicherung
ei den Menschen in den verschiedensten Politikberei-
hen herbeiführen. Eines dieser vielen Verunsicherungs-
otenziale haben wir in dieser Aktuellen Stunde debat-
iert.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit und ein

chönes Wochenende.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1510608500

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Damit sind wir am

chluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-

estags auf Mittwoch, den 5. Mai 2004, 13 Uhr, ein.
Ich wünsche den Kolleginnen und Kollegen, den Mit-

rbeiterinnen und Mitarbeitern und unseren Gästen auf
er Tribüne ein schönes Wochenende.
Die Sitzung ist geschlossen.