Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich begrüße Sie alle herzlich und wünsche uns einen
guten Tag und für die anstehenden Verhandlungen den
bewährt freundlichen Umgang miteinander.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur
Änderung des Deutsche-Welle-Gesetzes.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und
Medien, Staatsministerin Dr. Christina Weiss.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bun-deskabinett hat heute den von mir vorgelegten Entwurfeines Änderungsgesetzes zum Deutsche-Welle-Gesetzbeschlossen. Damit findet ein mehrjähriger Prozess mitteilweise heftigen Diskussionen über die Sinnhaftigkeit,die Ausrichtung und die Chancen des deutschen Aus-landssenders sein Ende, aber auch seine gesetzlicheGrundlage.abgkswdktrduSgbDugsRedetDie Grundzüge der Gesetzesnovelle sind im Bundes-tagsausschuss für Kultur und Medien und im Senderselbst, aber auch in der Fachöffentlichkeit sehr gründlichberaten worden. Sehr schnell war man sich sicher undeinig: Wir wollen, ohne in die Rundfunkfreiheit einzu-greifen, einen unabhängigen und modernen Sender, des-sen eigener Anspruch es sein sollte, ein Bild Deutsch-lands als weltoffene, unverkrampfte europäischeKulturnation und als demokratischer Verfassungsstaat zuzeichnen. Die Deutsche Welle ist eine feste Säule derAußendarstellung Deutschlands, eine Mittlerin zwischenden Kulturen. Das soll auch so bleiben.Lassen Sie mich kurz die Struktur des Geseerläutern. Als eine Seelenachse der Novelle läneu gefasste Generalklausel übersetzen. SiZielvereinbarung gelten, nach der die Deuts
Durch unseren Gesetzentwurf wird die Autonomie desenders gewahrt und gepflegt; aber er wird zu einer pro-rammlichen Selbstverpflichtung gedrängt. Die Aufga-enplanung soll für jeweils vier Jahren skizziert werden.er Intendant wird also gemeinsam mit dem Rundfunk-nd dem Verwaltungsrat gehalten sein, Zielgebiete, Ziel-ruppen, Verbreitungswege und Angebotsformen aufzu-chlüsseln. Damit verbunden ist naturgemäß eine Kalku-extlation der Betriebskosten und der Investitionskosten.Anschließend ist die Aufgabenplanung der DeutschenWelle dem Deutschen Bundestag und der Bundesregie-rung zuzuleiten, damit sie von Legislative und Exekutiveinnerhalb von sechs Wochen beraten werden kann. Inähnlicher Weise ist auch die Öffentlichkeit im In- undAusland aufgefordert, den Vierjahresplan zu kommen-tieren. Nach all diesen Beratungen legt die DeutscheWelle ihre Aufgabenplanung in Form einer Selbstver-pflichtung im Vierjahresplan fest. Am Ende des sogenannten Beteiligungsverfahrens steht der Bundeszu-schuss, dessen Gewährung nach entsprechender Be-schlussfassung des Deutschen Bundestages über dasshaushaltsgesetz erfolgt.ssend lässt sich sagen, dass wir mit die-urf ein Modell etablieren wollen, dastzentwurfssst sich diee darf alsche Wellejährliche BundeZusammenfasem Gesetzentw
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8828 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004
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Staatsministerin Dr. Christina Weissdurchaus als beispielhaft für manche ARD-Anstaltgelten könnte. Die ersten Signale zeigen, dass eshöchste Zeit ist, Mediengesetze moderner und innovati-ver, vor allem aber auch nach unternehmerischenAspekten zu gestalten. Es freut mich, dass es uns gelun-gen ist, der Deutschen Welle Planungs- undFinanzierungssicherheit über vier Jahre zu geben. DerSender kann durch die Entscheidung des Haushaltsge-setzgebers zur mittelfristigen Finanzplanung sicher sein,dass er die erforderlichen Mittel auch bekommt. DerSender darf den Bundeszuschuss, der von Ihnen schonseit 1999 jährlich gewährt wird, zur überjährigen Be-wirtschaftung nutzen.Die Deutsche Welle erhält ein fast maßgeschneider-tes System der Planung und Finanzierung. Sie musssich dafür alle vier Jahre einem Evaluierungsverfahrenunterziehen. Dabei muss der Sender einen Bewertungs-bericht erstellen. Es versteht sich für einen Sender wiedie Deutsche Welle von selbst, dass er darauf angewie-sen ist, mit anderen öffentlich-rechtlichen Anstalten imIn- und Ausland zu kooperieren; diese Art der Kontakt-pflege mündet jetzt in einer Verpflichtung mit Gesetzes-kraft.Die Deutsche Welle ist eine anerkannte internatio-nale Sendeanstalt, die von unserer Tradition und unse-rer Kultur kündet. Dazu gehört an wichtiger Stelle dieVermittlung der deutschen Sprache. Die Deutsche Welleist in vielen Krisenregionen der Welt aber auch eine un-bestechliche, zuverlässige Informationsquelle, ein Bot-schafter der Demokratie. Damit ist sie bestens dafür ge-eignet, den Dialog zwischen den Kulturen und Völkernnicht nur zu beschreiben, sondern auch praktisch zuführen, in Europa und auf allen anderen Kontinenten.Vielen Dank.
Vielen Dank für den Bericht.
Ich habe erste Wortmeldungen vorliegen. Zunächst
erteile ich das Wort dem Kollegen Bernd Neumann.
Frau Staatsministerin, wenn man bedenkt, dass Sie
dieses Reformgesetz für die Deutsche Welle bereits in
Ihrer Regierungserklärung 1998 angekündigt haben,
gehe ich nicht davon aus, dass Sie für den jetzt endlich
vorliegenden Gesetzentwurf Lob von der Opposition er-
warten. Zwei Ihrer Vorgänger haben misslungene Ent-
würfe vorgelegt, über die nicht mehr diskutiert wurde.
Sie haben diesen Gesetzentwurf vor einem Jahr anläss-
lich des Jubiläums der Deutschen Welle angekündigt.
Heute nun liegt er vor. – Dies alles kann man sicherlich
nicht als Meisterleistung bezeichnen.
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Frau Staatsministerin, Sie und Ihre Vorgänger in der
ot-grünen Bundesregierung haben der Deutschen Welle
n den letzten Jahren den Zuschuss um mehr als
0 Millionen DM gekürzt. Wir sind uns sicherlich einig,
ass es wichtig ist, dass mit dem neuen Gesetzentwurf
lanungssicherheit gegeben wird, damit die Deutsche
elle ihre Ausgaben für einen längeren Zeitraum planen
ann als von Jahr zu Jahr.
Herr Kollege, Ihre Frage!
Das war der erste Teil, meine Vorbemerkung. Ich
omme gleich zur Frage. – In Ihrem Referentenentwurf,
er auch veröffentlicht war, hieß es unter § 45:
Der Bund weist den jährlichen Zuschuss zur Selbst-
bewirtschaftung zu.
n der Begründung hieß es:
Mit dieser Regelung wird sichergestellt, dass der
Deutschen Welle der Bundeszuschuss im Rahmen
der Selbstbewirtschaftung durch den Zuschussge-
ber überjährlich zur Verfügung steht. Damit wird
der Deutschen Welle die Möglichkeit eröffnet, den
Zuschuss des Bundes entsprechend der Zweckbe-
stimmung des Haushaltstitels überjährig zu verwen-
den. Dadurch erhält die Deutsche Welle größere
Planungssicherheit.
ie bewerten Sie, dass dieses zu Recht von Ihnen ge-
ollte Verfahren in dem vom Kabinett beschlossenen
ntwurf gestrichen ist?
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Verehrter Herr Neumann, ich möchte Ihre Frage be-ntworten und auf Ihren Kommentar eingehen. Dieetzte Novelle des Deutsche-Welle-Gesetzes stammt ausem Jahr 1997. Es ist der Normalfall, dass man im da-auf folgenden Jahr, vor allem dann, wenn die Regierungechselt, eine weitere Novelle ankündigt. Ich finde, dasser ausgearbeitete Entwurf, den wir jetzt vorliegen ha-en, einen wirklich guten Grundstein für die Zukunft dereutschen Welle legt.Zu Ihrer Frage, die Sie gestellt haben. Es ist nicht Zieles Gesetzes, das vom Kabinett verabschiedet wordenst, in die Haushaltshoheit des Bundestages einzugreifen.ie Begründung des Gesetzes enthält den Hinweis da-auf, dass der Deutsche Bundestag seit 1999 die Mittelur Selbstbewirtschaftung zuweist und dass wir davonusgehen, dass dies auch in Zukunft geschieht. Sie soll-en sich über unseren Respekt vor dem Haushaltsrecht
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004 8829
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Staatsministerin Dr. Christina Weissund der Haushaltshoheit des Bundestages freuen. Esobliegt Ihnen, auch in den kommenden Jahren so zu ver-fahren.
Herr Kollege Koppelin.
– Es gibt zunächst nur eine, ja.
Frau Staatsministerin, Sie haben auf die journalisti-
sche Freiheit hingewiesen; das begrüße ich ausdrücklich.
Aber wird die journalistische Freiheit nicht dadurch ein-
geschränkt, dass die Finanzmittel aus dem Bundeszu-
schuss für die Deutsche Welle knapp bemessen sind?
Dafür ist einer Ihrer Vorgänger, nämlich Herr Naumann,
besonders verantwortlich. Er hat die Mittel erheblich
eingeschränkt, weil er einen Privatkrieg mit der Deut-
schen Welle geführt hat.
Welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit ARD
und ZDF gibt es? Ich finde, das kommt im Gesetz nicht
zum Tragen. Das frage ich vor dem Hintergrund, dass
die Minutenbeiträge, die sich ARD und ZDF von der
Deutschen Welle bezahlen lassen – immerhin werden
ARD und ZDF von den Gebührenzahlern bezahlt –, sehr
hoch sind. Welchen Einfluss haben Sie genommen? Ha-
ben Sie das in das Gesetz einfließen lassen?
Ich komme noch einmal auf die journalistische Frei-
heit zurück. In § 4 wird der Auftrag der Deutschen Welle
beschrieben. Mir persönlich fehlt da der Sport, aber gut.
In der Erläuterung grenzen Sie den Auftrag erheblich ein
und sehen vor, dass nur noch Schiller, Goethe, Herder
und Heine im Ausland verkündet werden sollen. Mir fal-
len aber noch Kant und einige andere ein.
– Zum Beispiel. Das ist einer der Besten. Den Namen
sollte man sich merken. – Meine Frage lautet: Wird da-
durch nicht die journalistische Freiheit begrenzt?
Ich komme kurz auf die Finanzmittel zu sprechen. Ich
bin im Rechnungsprüfungsausschuss der alleinige Be-
richterstatter für die Deutsche Welle. Die Finanzmittel
aus dem Bundeszuschuss, den die Deutsche Welle be-
kommt, sollen in das nächste Jahr übertragen werden;
das haben wir beschlossen. Ich frage mich, warum Sie
das nicht in das Gesetz aufgenommen haben. Es gibt
nämlich eine Auseinandersetzung zwischen denjenigen,
die dafür waren – ich will Ihr Haus loben –, und dem
Bundesfinanzminister, der immer dagegen gewesen ist.
Es müsste im Kabinett doch endgültig entschieden wor-
den sein, dass der Finanzminister nicht mehr dagegen
angehen kann. Haben Sie sich dafür eingesetzt? Ist der
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
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8830 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir haben aber klar gemacht, dass Politik, Kultur, Wirt-
schaft und Wissenschaft vermittelt werden müssen.
Frau Kollegin Griefahn.
Frau Ministerin, ist Ihr Gesetzentwurf, wie er heute
beschlossen worden ist, auch ein Ausdruck dafür, dass
das Parlament und die Öffentlichkeit stärker daran betei-
ligt werden, Anregungen bezüglich der Schwerpunkte zu
geben, die die Deutsche Welle setzen sollte? Ist das also
ein weiterer Schritt hin zu einer transparenten Beteili-
gung, sodass die deutsche Öffentlichkeit stärker mitbe-
stimmen kann, was die Deutsche Welle, die ihre Schwer-
punkte aufgrund der Rundfunkhoheit ja selbst setzen
kann, im Ausland vertritt? Würden Sie dies als neuen
Punkt beziehungsweise als Fortschritt bezeichnen?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Griefahn, das ist ein ganz zentraler Punkt. Die
vierjährige Aufgabenplanung, die in der Öffentlichkeit
und in diesem Gremium diskutiert werden soll, ist näm-
lich genau das Instrument, mithilfe dessen die Ziele und
Aufgaben, wie sie sich die Deutsche Welle vorstellt, in
der Öffentlichkeit diskutiert und damit auch transparent
gemacht werden können.
Hinzu kommt, dass wir neben der vierjährigen Aufga-
benplanung auch das Instrument der Evaluierung im Ge-
setz etablieren werden. Diese Evaluierung wird einen er-
neuten Diskussionsprozess anstoßen. Angepasst an die
jeweilige politische und kulturelle Situation am jeweili-
gen Zielort werden dadurch die aktuellen Maßnahmen
und die Ziele, die zwei, drei oder vier Jahre vorher dis-
kutiert und beschlossen worden sind, flexibilisiert.
Herr Kollege Otto.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie haben in Ihrer Bemerkung darauf hingewiesen,
ie wichtig die Planungssicherheit sei. Insoweit bin ich
it Ihnen völlig einer Meinung. Ich habe aber folgenden
iderspruch festgestellt: In dem neuen § 4 a, Aufgaben-
lanung, ist der Deutschen Welle aufgegeben, ihre Auf-
abenplanung für vier Jahre vorzulegen und jährlich
ortzuschreiben. Es heißt dort: Planungsgrundlage für
ie Deutsche Welle sind die finanziellen Rahmendaten
er Bundesregierung. – In § 4 b, Beteiligungsverfahren,
teht aber in Abs. 4, dass diese finanziellen Rahmen-
aten von der Bundesregierung im laufenden Haushalts-
ahr, also immer nur jährlich, mitgeteilt werden. Ich habe
roße Zweifel, ob auf dieser Grundlage Planungssicher-
eit gegeben ist.
Meine konkreten Fragen sind: Müsste nicht mit einer
ierjährigen Aufgabenplanung auch eine vierjährige
usgabenplanung der Bundesregierung einhergehen, um
lanungssicherheit zu erzielen? Wie soll die Deutsche
elle angesichts der Kürzungen, die die Kollegen
ooke und Neumann angesprochen haben, planen kön-
en, wenn ihr immer nur die laufende Haushaltsplanung
nd keine mittelfristige Ausgabenplanung mitgeteilt
ird?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu Ihrem ersten Teil, Herr Otto: Es ist von unserereite zu keiner Zeit beabsichtigt gewesen, die Rund-unkautonomie der Deutschen Welle zu begrenzen.
Zu Ihrer Frage. Diese Frage wird mir jetzt zum drittenal gestellt und ich kann nur zum dritten Mal erklären:ie Bundesregierung hat auf ihre mittelfristige Finanz-lanung als ein verbindliches Instrument, das ihr zurerfügung steht, verwiesen. Es obliegt Ihnen, das anderenstrument so zu etablieren, dass es Gültigkeit hat. Sieaben die Haushaltshoheit.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004 8831
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Wir sind noch nicht beim Tagesordnungspunkt „Ak-
tuelle Stunde“, sondern bei der Befragung der Bundes-
regierung.
Als Nächster hat Herr von Klaeden das Wort.
Wir sind auch nicht bei der Befragung der Opposi-
tion, auch wenn sich dadurch sicherlich die eine oder an-
dere Erkenntnis gewinnen ließe.
Frau Staatsministerin, in der auswärtigen Kulturpoli-
tik der Bundesregierung müssen insbesondere die Kahl-
schläge bei den Goethe-Instituten mit großer Sorge er-
füllen.
Meine Frage bezieht sich auf die Deutsche Welle als Trä-
ger der auswärtigen Kulturpolitik im Hinblick auf die
deutschen Minderheiten. Halten Sie es nicht für sinnvoll,
die Deutsche Welle zu befähigen, insbesondere ihr
Rundfunk- und Fernsehangebot auch dort auszustrahlen,
wo es deutsche Minderheiten gibt?
Ich will als Beispiel Ungarn nennen. Ich weiß von
einer UKW-Frequenz für einen französischen Rundfunk-
sender, obwohl es in Ungarn nach meiner Kenntnis keine
französische Minderheit gibt. Es gibt aber keine UKW-
Frequenz für die Deutsche Welle. – Dies könnte die Re-
gierung in bilateralen Verhandlungen mit den entspre-
chenden Ländern klären. Meine Frage ist: Sind Sie be-
reit, sich in dieser Richtung zu engagieren?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zum ersten Teil: Frau Kollegin Müller hat vor sehr
kurzer Zeit hier in diesem Hause dargelegt, das es keinen
Kahlschlag geben wird. Ich denke, wir sollten sie ernst
nehmen.
Zum zweiten Teil: Innerhalb der Gremien der Deut-
schen Welle zielt ein Schwerpunkt darauf, die Angebote
der Deutschen Welle gerade in den Ländern Ost- und
Mitteleuropas auszubauen. Das ist eine wichtige inhalt-
liche Begleitung der Arbeit der Deutschen Welle zur
EU-Erweiterung.
Mir liegen noch Wortmeldungen der Kollegen
Neumann, Kubatschka, Koppelin und Otto vor. Wenn
überhaupt noch Zeit für weitere Fragen an die Bundes-
regierung – außerhalb dieses Themas – sein sollte,
möchte ich vorschlagen, dass wir die Frageliste schlie-
ßen. Herr Nooke, bezieht sich Ihre Frage auf diesen Be-
reich?
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Ich muss noch einmal darauf aufmerksam machen,
ass wir jetzt keine Debatte führen, sondern eine Befra-
ung der Bundesregierung durchführen.
– Ihr Wunsch der überjährigen Verfügbarkeit der Mit-
el – ich weiß, dass auch Sie das bedauern müssen –
icht mehr im Gesetz steht.
Meine zusätzliche Frage bezieht sich auf die Unab-
ängigkeit der Deutschen Welle: Halten nicht auch Sie
ls Medienministerin es für richtig, der Forderung der
eutschen Welle, die wir unterstützen, nachzukommen,
onach ebenso wie bei den Landesrundfunkanstalten
nd dem ZDF die Finanzierungshöhe durch eine unab-
ängige Kommission ermittelt und damit den Grundsät-
en des 8. Rundfunkurteils des Bundesverfassungs-
erichts bezüglich der Unabhängigkeit und der
taatsferne auch im Deutsche-Welle-Gesetz Rechnung
etragen wird? Sind nicht auch Sie der Meinung, dass es
ntgegen der Begründung wünschenswert wäre, dies zu
achen, und dennoch das Recht des Parlaments, endgül-
ig zu beschließen, nicht beeinträchtigt ist? Denn auch
ei den sonstigen Rundfunkgebühren entscheiden die
arlamente ungeachtet der KEF-Empfehlungen.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Neumann, für mich ist die Begründung einesesetzes ein ganz wichtiger Bestandteil des Gesetzes.adurch, dass wir in der Begründung des Gesetzes ein-efügt haben, dass wir begrüßen, dass seit 1999 die Mit-el an die Deutsche Welle zur Selbstbewirtschaftungeitergeleitet werden, und das für eine notwendigerundlage halten, geht die klare Aufforderung an Sie,ieses Verfahren fortzusetzen. Die Bundesregierungird durch ihre mittelfristige Finanzplanung eine guteartnerschaft mit der Deutschen Welle eingehen, wennie diese – das ist im Gesetz ebenfalls vorhanden – alsrundlage für die Aufgabenplanung artikuliert.Der Intendant der Deutschen Welle hat gesagt, wenns nicht zu einer sicheren Planungskooperation mit der
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8832 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004
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Staatsministerin Dr. Christina WeissBundesregierung und dem Deutschen Bundestagkomme, dann brauche er ein mit der KEF vergleichbaresInstrument. Sollte aber die Planungssicherheit gewähr-leistet sein, so wie wir es in der Begründung festgehaltenhaben, was Sie im Verfahren bestätigen können, dann– so der Intendant der Deutschen Welle – bedarf es nichteines zusätzlichen Instrumentes.
Herr Kubatschka.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau
Ministerin, mein Finger ist hochgegangen, als Herr von
Klaeden davon gesprochen hat, wir hätten einen Kahl-
schlag bei den Goethe-Instituten. Da ich schon längere
Zeit in diesem Hohen Hause bin, weiß ich, welche Kahl-
schläge wir früher gehabt haben. Man sollte nicht mit
Steinen werfen, wenn man im Glashaus sitzt. Ich denke
nur an die Diskussion über Reykjavik, die ich erlebt
habe.
Der Vorzug des Zwischenrufes des Kollegen Otto be-
steht ausschließlich darin, dass es sich um eine Frage
handelt. Da wir keine Befragung der Fraktionen unter-
einander veranstalten, sondern eine Befragung der Bun-
desregierung, bitte ich alle Beteiligten, sich an die Spiel-
regeln zu halten.
Frau Ministerin, wird durch das Gesetz garantiert,
dass die Deutsche Welle flexibel auf neu auftretende
Krisenherde reagieren kann, wie sie es beispielsweise im
Krisenfall Afghanistan getan hat? Besteht die Möglich-
keit, dass das nach wie vor der Fall ist?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Durch das Gesetz wird beabsichtigt, das klarzustellen.
Die beiden Elemente „vierjährige Aufgabenplanung“
und „Mittel zur Selbstbewirtschaftung“ müssen es auf
der einen Seite ermöglichen, dass die Deutsche Welle für
besondere Aufgaben ansparen kann. Das betrifft zum
Beispiel die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutsch-
land, wo es darum geht, eine besonders intensive Beglei-
tung durch die Deutsche Welle im Ausland zu ermög-
lichen. Auf der anderen Seite kann sie, wenn spezielle
Aufgaben in Krisengebieten auf sie zukommen, im Rah-
men der Vierjahresplanung Mittel umschichten und dort
Schwerpunkte setzen, wo es durch die weltpolitische
Lage angezeigt erscheint.
Herr Koppelin.
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Entschuldigung, da kenne ich mich ein bisschen aus.
s gibt andere, die der Deutschen Welle ihre Beiträge
eitaus günstiger anbieten. Das kann ausgehandelt wer-
en. Das kann sogar in Verträgen vereinbart werden,
ndem beispielsweise in Verträgen mit Künstlern eine
iederholungsausstrahlung bei der Deutschen Welle
usgehandelt wird. Das kann durchaus in die Verträge
it aufgenommen werden. Sie brauchen mich in diesem
usammenhang nicht zu belehren.
Meine Frage ist: Hätte man in diesem Gesetzentwurf
insichtlich der Zusammenarbeit mit ARD und ZDF
icht mehr herausholen können?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Koppelin, der Kooperationsauftrag steht deshalbm Gesetzentwurf, weil wir ihn für sehr wichtig halten.ber wir können nur den Auftrag und den Rahmen for-ulieren. Die Realisierung fällt unter die Autonomie desundfunks. Die Deutsche Welle arbeitet mit ARD undDF zusammen. Sie übernimmt Beiträge, für die aber imormalfall in der Tat sehr hohe Kosten pro Minute an-allen. Das sind die festgelegten Kosten für eine solcheusammenarbeit. Es obliegt nicht allein uns, diese fest-uschreiben; es handelt sich dabei vielmehr um Verhand-ungsergebnisse.Aber wie Sie wissen, haben wir ein Modell ausgear-eitet, das sich noch in der Prüfungs- und Experimen-ierphase befindet, und zwar bei German TV, wo die Zu-ammenarbeit zwischen ARD, ZDF und Deutscherelle völlig anders und sehr viel kostengünstiger gere-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004 8833
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Staatsministerin Dr. Christina Weissgelt ist. Wenn dieses Modell gelingt – inzwischen wirddieses Programm in Nordamerika im Kabelnetz angebo-ten –, können wir es ausweiten und auch weitaus kosten-günstiger realisieren.Wir befinden uns noch in der Phase, in der evaluiertwerden muss. Die Evaluation wird im Herbst dieses Jah-res stattfinden.
Herr Kollege Otto.
Frau Staatsministerin, ich knüpfe an das an, was Sie
eben erläutert haben. Sie haben gesagt: Wir evaluieren
den Erfolg von German TV in Nordamerika und werden
dann über eine Ausweitung entscheiden. Wäre es denn
nach Ihrer Auffassung zulässig und nach den Vorstellun-
gen der Bundesregierung denkbar, dass die Deutsche
Welle ihr eigenes Programm völlig aufgibt und die Aus-
weitung dann so aussieht, dass nur noch German TV,
aber kein eigenes Fernsehprogramm der Deutschen
Welle mehr gesendet wird? Wäre das nach dem Gesetz
zulässig?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist in dem Gesetzentwurf nicht vorgesehen. Es ist
auch in unserem Denken nicht vorgesehen. Aber darüber
zu diskutieren wäre durchaus zulässig. Der Gesetzent-
wurf würde auch den Rahmen bieten, das gemeinsam zu
realisieren – obwohl ich glaube, dass es eine sehr lang-
wierige Debatte zwischen uns wäre –, wenn wir uns alle
einig wären. Es ist aber weder in unserem Denken noch
in unserer Zielsetzung noch im Gesetzentwurf so vorge-
sehen.
Die letzte Frage zu diesem Komplex, Herr Kollege
Nooke.
Ein Teil meiner Frage hat sich schon durch die Aus-
führungen zur Zusammenarbeit zwischen ARD und ZDF
erledigt. Mich interessiert aber noch, inwieweit Sie die
rechtlichen Möglichkeiten ausgelotet haben, die Zusam-
menarbeit der Deutschen Welle mit der ARD – also den
Landesrundfunkanstalten – und dem ZDF zu verstärken
und diese Fragen auch bei anderen Gelegenheiten, bei
der Diskussion über Rundfunkstaatsverträge und den
Verhandlungen der Föderalismuskommission, mög-
lichst im Hinblick darauf zu erörtern, wie die Kosten für
den Gebührenzahler und den Steuerzahler – sie sind
meist identisch – in stärkerem Maße gesenkt werden
können.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Nooke, wir alle gemeinsam können sicher sein,
dass der Intendant der Deutschen Welle alles daransetzt,
die Kooperation mit ARD und ZDF auf einer auch für
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8834 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004 8835
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Jawohl, Herr Grindel. Das ist richtig. – Herr von
laeden, dem Hinweis, den Sie gegeben haben, gehe ich
ern noch einmal nach.
Es ist doch bemerkenswert, dass die größte Begeiste-
ung bei den Stichworten entsteht, die gar nicht Gegen-
tand der Fragen sind.
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Herr Präsident, das ist schön so.
Das versuchen wir jetzt einmal mit der Frage 6 desollegen Eckart von Klaeden:Hat das Bundesministerium des Innern, BMI, die Auffas-sung des Auswärtigen Amts, AA, wonach der so genannteVolmer-Erlass vom AA in eigener Zuständigkeit ohne vorhe-rige Beteiligung des BMI oder der Länder habe herausgege-ben werden können – vergleiche Antwort der Staatsministerinim AA, Kerstin Müller, auf die mündliche Frage 7 des Abge-ordneten Hartmut Koschyk in der Fragestunde am10. März 2004, Plenarprotokoll 15/96, Seite 8565 B –, zumZeitpunkt der Herausgabe des Erlasses geteilt und, wenn nein,was hat das BMI gegenüber diesem Alleingang des AA unter-nommen?
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8836 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004
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Herr Kollege von Klaeden, ich beantworte Ihre Frage
wie folgt:
Für Pass- und Visaangelegenheiten im Ausland sind
die vom Auswärtigen Amt ermächtigten Auslandsvertre-
tungen zuständig. Dazu verweise ich auf den § 63 Abs. 3
unseres Ausländergesetzes. Die Ausgestaltung der Visa-
erteilungspraxis liegt damit in der Zuständigkeit des
Auswärtigen Amts. Ein gesetzliches Erfordernis, das
Bundesministerium des Innern bei Erlassen für die Aus-
landsvertretungen zu beteiligen, besteht nicht. Das Bun-
desministerium des Innern ist in dem Zeitraum vor dem
3. März 2000 nicht beteiligt gewesen.
Nach der Herausgabe des Erlasses an die Auslands-
vertretungen wurde eine Erörterung des Erlasses nachge-
holt und vonseiten des Bundesministeriums des Innern
wurden diesbezüglich kritische Überlegungen einge-
bracht. Das Auswärtige Amt hat in weiteren Gesprächen
den Regelungsbereich des Erlasses erläutert und zugesi-
chert, dass sich auch die zukünftige Visaerteilungspraxis
im Rahmen der Schengen-Regelungen halten werde. In
der Sitzung des Innenausschusses vom 17. Mai 2000
– das habe ich hier schon einmal zitiert – haben beide
Ressorts bekräftigt, dass es zu dem Erlass keinen Dis-
sens gebe.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, welches Ministerium ist denn
nach dem Geschäftsverteilungsplan der Bundesregie-
rung für die Einhaltung der Einreisepraxis nach dem
Schengen-Abkommen zuständig? Müsste nicht im Fall
einer Zuständigkeit des Innenministeriums § 63 Abs. 3
Ausländergesetz entsprechend interpretiert werden?
F
Wie die Zuständigkeiten geregelt sind, ist, glaube ich,
aus meiner Antwort deutlich geworden; da ist auch auf
§ 63 Abs. 5 des Ausländergesetzes Bezug zu nehmen.
Ich gehe davon aus, dass damit Ihre Frage hinsichtlich
der Zuständigkeit eindeutig beantwortet ist.
Das war keine Antwort auf meine Frage.
F
Doch.
Ich würde gerne noch eine Frage stellen.
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Bitte.
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Herr Staatssekretär, das Grundprinzip des Volmer-Er-
asses „Im Zweifel für die Reisefreiheit“ steht ja in einem
klatanten Widerspruch zur Aussage von Bundesinnen-
inister Schily heute Morgen im Frühstücksfernsehen.
r selbst sagte dort, dass für alle sensiblen Bereiche – so
abe ich ihn jedenfalls verstanden – gilt: im Zweifel für
ie Sicherheit unseres Landes. Wären Sie vor dem Hin-
ergrund dieser aktuellen Aussage Ihres Ministers bereit,
arauf hinzuwirken, dass dieser Volmer-Erlass außer
raft gesetzt wird?
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Herr Kollege Binninger, es geht in diesem Verfahrenarum, ob beispielsweise Sachverhalte wie Reiseziel,eisezweck, Rückkehrbereitschaft etc. im Antragsver-ahren geprüft werden. Darauf kommt es an. Dabeileibt es. Deswegen ist, wie ich glaube, das Verfahren,as übrigens so auch mit den Schengen-Mitgliedstaaten
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004 8837
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Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körpervereinbart worden ist, richtig und wird auch den Aspek-ten der Sicherheit gerecht.
Herr Kollege Uhl.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
in dubio pro securitate. Das Auswärtige Amt
tut das Gegenteil: in dubio pro libertate. Dann gab es ei-
nen Briefwechsel, man hat sich getroffen, sich verstän-
digt und wurde sich angeblich einig. Jetzt versetze ich
mich in die Lage des Leiters einer Visa-Außenstelle des
Auswärtigen Amtes. Wie erfährt der Schalterbeamte von
der Einigung bezüglich securitas und libertas in diesem
Zwiegespräch zwischen Innen- und Außenminister? Ent-
scheidend ist ja nicht, was die beiden Herren, wo auch
immer sie sich getroffen haben, bereden, sondern: Wie
erfährt der Sachbearbeiter in einer Außenstelle, der sich
im Minutenrhythmus für oder gegen die Erteilung eines
Visums entscheiden muss, davon, ob in Deutschland
Vorrang für securitas oder libertas gilt?
F
Ich glaube nicht, dass es um die Frage geht, was nun
gilt. Vielmehr hat dieses klärende Gespräch deutlich ge-
macht, dass auch nach diesem Erlass die Schengen-Kri-
terien gelten und in der Praxis weiterhin angewendet
werden müssen. Das war das Ergebnis. Ich denke, das ist
klar und eindeutig.
Herr Kollege Grindel.
Herr Staatssekretär, nun sagen Sie, all das sei mit dem
Schengen-Abkommen in Einklang zu bringen. Gleich-
wohl hat es ja eine Delegation von Vertretern der Schen-
gen-Staaten gegeben, die sich in die in Kiew geübte Pra-
xis Einblick verschafft hat. Können Sie noch einmal
erläutern, ob es daraufhin seitens anderer Länder gegen-
über der Bundesregierung Beanstandungen gegeben hat?
F
Das ist eine Frage von qualitativen und quantitati-
ven Problemen. Es ist richtig, dass es quantitative Pro-
bleme gegeben hat. Danach können Sie aber vielleicht
nachher noch einmal fragen, denn das Bundesinnen-
ministerium ist nicht für die Arbeit der Botschaften und
für die praktische Abwicklung zuständig. Dass das zu
quantitativen Problemen geführt hat, wissen Sie so gut
wie ich. Wichtiger ist die Beantwortung der Frage
– darauf wird ja immer abgehoben, Herr Grindel –, ob
die Schengen-Kriterien durch diesen Erlass aufgehoben
worden seien und er also nicht schengenkonform sei.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Körper, da wir hier ja immer wieder
iese Dauershow um den Volmer-Erlass erleben und uns
ie Zeit für wichtigere Dinge gestohlen wird, möchte ich
ie bitten, uns noch einmal zu erläutern, was Gegenstand
es Volmer-Erlasses ist und dass dieser nicht die Sicher-
eit beeinträchtigt, sondern es bei ihm im Wesentlichen
m humanitäre Dinge ging, beispielsweise die Beglei-
ung eines Sterbenden durch die Ehefrau und Ähnliches,
lso um rein humanitäre Dinge, die mit dem, was hier
nterstellt wird, nichts zu tun haben.
önnten Sie uns vielleicht diese Hintergründe einfach
och einmal erläutern?
F
Es gibt ja ein paar ganz besondere Fälle, die Anlass
egeben haben, noch einmal auf die Berücksichtigung
er genannten Kriterien hinzuweisen. Das ist das eine;
a geht es in der Tat um humanitäre Fragestellungen,
ie Sie es eben beschrieben haben. Es gibt auch ähnlich
elagerte Fälle, die dazu auffordern, im Sinne der Huma-
ität entsprechend vorzugehen.
Herr Kollege Tauss, ich mache noch einmal ganz be-
usst darauf aufmerksam, dass der Erlass diesen Hinter-
rund hatte. Er hatte in keiner Weise die Absicht, Schen-
en-Kriterien auszuhebeln. Deswegen bin ich dankbar
ür die Frage, weil sie mir Anlass gibt, das erneut deut-
ich zu machen, zum dritten Mal in dieser Fragestunde.
arauf lege ich Wert. Vielleicht gelingt es ja durch die-
en erneuten Versuch, zu überzeugen.
Herr Kollege Sehling.
Herr Staatssekretär, warum hat der Bundesinnenmi-ister eigentlich im März 2000, nachdem die Gespräche
Metadaten/Kopzeile:
8838 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004
)
)
Matthias Sehlingmit dem Auswärtigen Amt geführt worden sind, nichtdarauf bestanden, dass die Klausel „in dubio pro liber-tate“ aus dem Volmer-Erlass herausgenommen wird, da-mit die Botschaften weltweit den Erlass nicht entgegendem Wortlaut interpretieren?F
Herr Kollege, wichtig ist, noch einmal festzustellen,
dass wir ein bestimmtes Verfahren haben, um einen sol-
chen Antrag entgegenzunehmen und zu bearbeiten. Das
geschieht nach den so genannten Schengen-Kriterien.
Ich habe hier schon einige Male deutlich gemacht, dass
in diesem Verfahren bestimmte Dinge zu beachten sind
und Verschiedenes zu überprüfen ist. Das war nicht Ge-
genstand des Erlasses. Deswegen hat sich für das eigent-
liche Verfahren vor Ort in diesem Sinne nichts geändert.
Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Clemens Binninger
auf:
Wie ist die Registrierung aller erteilten Schengen-Visa ge-
regelt?
F
Herr Kollege Binninger, die Visastellen in den deut-
schen Auslandsvertretungen führen Jahresstatistiken
über die erteilten und abgelehnten Visa. Dabei wird zwi-
schen Visa für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten
und Visa für einen geplanten längerfristigen Aufenthalt
unterschieden. Wird ein Visum erteilt, wird der Antrag
ein Jahr aufgehoben, im Falle der Ablehnung des Visum-
antrags wird er fünf Jahre aufgehoben.
Zusatzfrage.
Wann liegt diese Statistik vor? Wird sie dem Ministe-
rium übermittelt oder erfolgt das nur auf Anfrage?
Fr
Die Statistiken werden in den Visastellen der deut-
schen Auslandsvertretungen geführt und liegen dort ent-
sprechend vor. Sie dienen der täglichen Praxis.
Zweite Zusatzfrage: Können Sie sagen, ob bei dem
konkreten Fall, über den wir hier sprechen – die erteilten
Visa in Kiew –, Statistiken an Ministerien übersandt
wurden und wann?
F
Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten.
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önnen Sie mir das bestätigen?
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Nein, das kann ich Ihnen nicht bestätigen.
Dann rufe ich nun die Frage 8 des Kollegen Binninger
uf:
Welche Statistiken bezüglich Personen aus der Ukraine,
die in die Bundesrepublik Deutschland einreisen, werden ge-
führt – zum Beispiel Übernachtungen – und wie viele Perso-
nen sind demnach in den Jahren 1998 bis 2003 jeweils einge-
reist?
F
Herr Kollege Binninger, eine Statistik über die An-
ahl der in die Bundesrepublik Deutschland eingereisten
usländer wird nicht geführt. Grundsätzlich besteht
eine ausländerrechtliche Meldepflicht für Reisende, die
ich als Touristen für einen Zeitraum von bis zu drei Mo-
aten im Bundesgebiet oder im übrigen Schengen-Ge-
iet aufhalten. Da geht es wieder um das Schengen-Vi-
um, Kategorie C. Personen, die einen längerfristigen
ufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, zum
eispiel zur Arbeitsaufnahme oder als Studierende, pla-
en, sind gehalten, sich nach der Einreise bei der zustän-
igen Ausländerbehörde des jeweiligen Bundeslandes zu
elden. Eine bundesweite Statistik wird nicht geführt.
Zusatzfrage.
Herr Kollege Tauss, es freut mich zwar, dass Sie solch
in Interesse an meinen Fragen haben. Aber anstatt da-
wischenzurufen, wäre es besser, wenn Sie sich über den
achverhalt informieren würden. Das würde uns allen
elfen.
Her
Haben Sie die Möglichkeit, mithilfe der polizei-ichen Kriminalstatistik besondere Auswertungen über
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004 8839
)
)
Clemens Binningerstrafrechtlich relevantes Verhalten von Personen, diebeispielsweise aus der Ukraine eingereist sind, vorzu-nehmen? Wenn ja: Wie hat sich dieses Verhalten in denletzten Jahren entwickelt?F
Herr Binninger, Sie fragen danach, ob es eine bundes-
weite Statistik gibt. Diese gibt es nicht. Was die Krimi-
nalstatistik betrifft – –
Das ist eine bundesweite Statistik.
Fr
Diese hat aber nichts mit dem Registrieren der von Ih-
nen erwähnten Daten zu tun. Sie fragen, ob ein solches
strafrechtlich relevantes Verhalten in der polizeilichen
Kriminalstatistik gesondert aufgeführt ist. Um diese
Frage beantworten zu können, muss ich erst nach-
schauen.
Wenn es diese Daten gibt, wären Sie dann bereit, sie
mir zur Verfügung zu stellen?
Fr
Herr Kollege Binninger, wenn es die Daten in der
Form, wie Sie sie haben wollen, gibt, dann werden sie
nicht geheim sein. Aber ich vermute, dass es sie so nicht
geben wird. Das werde ich noch klären.
Herr Kollege von Klaeden.
Herr Staatssekretär, das Bundeskriminalamt stellt in
seinem Bericht vom September 2001 fest, dass 35 Pro-
zent aller von Schengen-Staaten ausgestellten Schengen-
Visa von deutschen Auslandsvertretungen ausgestellt
werden und dass von diesen 35 Prozent wiederum
85 Prozent auf die Ukraine entfallen. Das Bundeskrimi-
nalamt stellt weiter fest:
Die deutschen Vertretungen weisen gleichzeitig die
niedrigste Ablehnungsquote auf. Dieser Umstand
ist der Täterseite bekannt.
Ich frage Sie, wie das Bundeskriminalamt zu solchen Er-
kenntnissen kommen kann, wenn die Statistiken, die die-
sen Feststellungen offensichtlich zugrunde liegen müs-
sen, gar nicht existieren.
F
Ich habe nicht gesagt, dass sie nicht existieren. Ich
habe gesagt, dass dieser Bericht des Bundeskriminalam-
tes aus dem Jahr 2001, den Sie zitieren, exakt zu diesen
Erkenntnissen geführt hat. Sie wissen, dass dieser Be-
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Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Ralf Göbel auf:
Hat die Bundesregierung Kenntnis von Maßnahmen der
Justiz oder Gewerbeaufsichtsbehörden gegen Unternehmen
oder Unternehmer der Tourismusbranche in Deutschland we-
gen des Verdachts, bei Schleusungen von Personen aus der
Ukraine in die Schengen-Staaten mitgewirkt zu haben?
F
Herr Kollege Göbel, die Bundesregierung hat Kennt-is von Strafverfahren gegen den im Kölner Schleu-ungsprozess verurteilten Herrn A. B. Sie wissen, umen es sich handelt, nämlich um den Inhaber der Reise-chutz-AG, Herrn H. K. Justizielle bzw. gewerbeauf-ichtsrechtliche Verfahren obliegen den Bundesländern.nfragen hierzu bitte ich gegebenenfalls an die Bundes-änder zu richten.
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8840 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004
)
)
Zuvor kann der Kollege Göbel noch zwei weitere Fra-
gen an Sie richten.
Herr Staatssekretär, ist seitens des Bundesgrenzschut-
zes sichergestellt, dass Verdachtsmomente, die auf
Schleusungen hinweisen, rechtzeitig an die zuständigen
Länderbehörden übermittelt werden, damit diese tätig
werden können, wenn Reiseunternehmen in den Ver-
dacht geraten, Schleusungen durchzuführen?
F
Das Verfahren zeigt, wie eng die Sicherheitsbehörden
zusammengearbeitet haben. Dabei spielt die Frage, wie
es um die Zusammenarbeit zwischen dem BKA einer-
seits und dem Bundesgrenzschutz andererseits bestellt
ist, eine wichtige Rolle. Lieber Kollege Göbel, ich habe
keine Veranlassung, anzunehmen, dass etwas fehlgeleitet
oder falsch behandelt worden ist.
Ich hatte gefragt, ob es rechtliche Regelungen gibt,
die gewährleisten, dass der Informationsaustausch
schnell passiert.
F
Sie wissen, dass es bereits entsprechende Strafverfah-
ren gegeben hat. Die Grundlagen dafür sind vom BKA
und vom Bundesgrenzschutz erarbeitet worden. Ich gehe
daher davon aus, dass die Erarbeitung intensiv, zeitnah
und korrekt erfolgt ist.
Eine Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.
Herr Staatssekretär, ich würde gern auf den soeben er-
wähnten Bericht des BKA zurückkommen. Dort heißt es
zu dem Phänomen massenhafter Einschleusungen:
Das gesamte Phänomen könnte auch als moderne
Form der Sklaverei bezeichnet werden.
Und weiter:
Grundlage der Visaerschleichung sind Einladungen
mit falschen Angaben hinsichtlich des angegebenen
Aufenthaltszwecks, der Anschrift in Deutschland
oder der Aufenthaltsdauer. Die Visaerschleichung
erfolgt organisiert. Einladungen und die weiteren
notwendigen Papiere werden entweder gefälscht
oder von realen Firmen, die sich dadurch Vermö-
gensvorteile schaffen, fingiert. Die Visaerschlei-
chung ist nach polizeilichen Erkenntnissen die
effektivste Voraussetzung für international organi-
sierte Schleusungskriminalität.
So das BKA in seinem Bericht aus dem Jahre 2001.
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ie machten dabei ganz deutlich,
o der Missbrauch stattfand. Wenn Sie berücksichtigen,
as aufgrund dieses Berichts unternommen worden ist,
ann ich Ihre Frage klar mit Ja beantworten.
Ich rufe nun die Frage 10 des Kollegen Stephan
ayer auf:
Wie lässt sich die Aussage des BMI, wonach statistische
Angaben über Visumserschleichungen nicht vorliegen – so
die Antwort des Staatssekretärs im BMI Dr. Göttrik Wewer
vom 27. Februar 2004 auf meine schriftliche Frage 47 auf
Bundestagsdrucksache 15/2635 –, mit der Behauptung des
AA, der so genannte Volmer-Erlass habe nicht zu massenhaf-
ten Einschleusungen von Schwarzarbeitern geführt – so die
Antwort der Staatsministerin im AA, Kerstin Müller, vom
27. Februar 2004 auf die schriftliche Frage 22 der Abgeordne-
ten Kristina Köhler auf Bundestagsdrucksache
15/2635 und Antwort der Staatsministerin im AA, Kerstin
Müller, auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Hans-Peter
Uhl zu der Frage 11 des Abgeordneten Hartmut Koschyk in
der Fragestunde am 3. März 2004, Plenarprotokoll 15/93,
Seite 8297 f. –, vereinbaren?
F
Die Aussage des Bundesministeriums des Innern,ass statistische Angaben speziell zu Visaerschleichun-en nicht zuletzt wegen der bekannten Dunkelfeldpro-lematik in diesem Bereich nicht vorliegen, widersprichticht der Aussage des Auswärtigen Amtes, dass die Un-erstellung, der Runderlass vom 3. März 2000 habe zuassenhaften Einschleusungen von Schwarzarbeiterneführt, zurückzuweisen ist. Ebenso wenig wie es statis-ische Angaben über Visumserschleichungen gibt, exis-iert ein Nachweis über den kausalen Zusammenhangwischen der Einschleusung von Schwarzarbeitern undem Erlass vom 3. März 2000. Ich sage ganz deutlich:in derartiger Zusammenhang wurde lediglich unter-tellt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004 8841
)
)
Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege Mayer.
Herr Staatssekretär, ich glaube, man kann uns in
Deutschland nicht vorwerfen, dass wir einen Mangel an
Statistiken im Meldewesen haben. Wie passt nun Ihre
Antwort auf meine schriftliche Frage vom 27. Februar
– es wurde ausgeführt, dass es keine statistischen Anga-
ben darüber gibt, dass es zu Visumserschleichungen an
der Botschaft in Kiew kam – mit dem Umstand zusam-
men, dass es einen sehr detaillierten Bericht des BKA
vom Mai 2001 gibt, der sehr genaue Zahlenangaben aus-
weist?
F
Herr Kolleg Mayer, Sie wissen, dass nicht leicht he-
rauszufinden war, wo der Missbrauch lag. Herr von
Klaeden hat aus dem BKA-Bericht zitiert. Dabei wurde
deutlich, wo beispielsweise Manipulationen vorgenom-
men wurden. Diese waren Gegenstand der Untersuchun-
gen und des Berichts. Ich mache noch einmal deutlich,
das dieser Themenkomplex aufgenommen wurde. Wir
sind zu klaren Entscheidungen bezüglich dieses Phäno-
mens gekommen. Ich denke ferner, dass ich Ihre Frage
klar und deutlich beantwortet habe.
Ihre zweite Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wie passt Ihre Aussage zu dem
Umstand, dass Sie offenbar keine Aussagen darüber ha-
ben, ob gegen die im Wege der Einreisepraxis in der
Botschaft in Kiew Eingereisten Ermittlungsverfahren
wegen Schwarzarbeit eingeleitet wurden?
F
Ich muss fairerweise zugeben: Ich habe Ihre Frage
nicht verstanden.
Ich kann die Frage gern noch einmal konkretisieren.
Wie passt Ihre vorhin gegebene Antwort mit dem Um-
stand zusammen, dass Sie offensichtlich keine Zahlen
darüber haben, inwiefern und in welcher Anzahl Ermitt-
lungsverfahren gegen Personen eingeleitet wurden, die
im Wege der Einreisepraxis der Botschaft in Kiew nach
Deutschland gekommen sind?
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Nein. Sie zitieren ein Schreiben des Abteilungsleitersr. Kass.
as kenne ich. Der war mit seinem französischen Kolle-en zugange und ist in diesem Zusammenhang auf einestimmtes Phänomen hingewiesen worden. Insofern:ch kenne die Aktenlage mindestens so gut wie Sie.
Ich glaube, es ist etwas ganz Normales, dass jemandiner solchen Sache nachgeht, wenn ihn ein Kollegeiesbezüglich anspricht. Das spricht im Übrigen für die
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8842 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004
)
)
Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf KörperVorgehensweise der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterunseres Hauses und des Bundesgrenzschutzes. Ich bindamit zufrieden.
Herr Kollege Volmer.
Herr Staatssekretär, könnten Sie mir vielleicht dabei
behilflich sein, einen politischen Widerspruch in der Ar-
gumentation der Opposition aufzuklären?
Denn diese behauptet einen Zusammenhang zwischen
dem Erlass des Auswärtigen Amtes vom März 2000 und
der Schleuserkriminalität. Auf der einen Seite sagt sie,
der Erlass habe Tür und Tor geöffnet. Auf der anderen
Seite räumt sie ein – was auch vom Gericht festgestellt
worden ist –, dass es eine hohe kriminelle Energie gebe,
unsere Visastellen zu überwinden.
Nun frage ich Sie: Wenn dieser Erlass wirklich Tür
und Tor geöffnet hat, warum bedurfte es dann einer ho-
hen kriminellen Energie, um nach Deutschland hineinzu-
kommen? Ist die Tatsache, dass eine hohe kriminelle
Energie aufgewendet werden musste, nicht eher ein Be-
weis dafür, dass die Schengen-Mechanismen auch nach
diesem Erlass noch funktionierten?
F
Ganz genau.
Daran, mit welch hoher krimineller Energie dies betrie-
ben worden ist, wird deutlich, mit welch einem schwieri-
gen Phänomen wir zu tun hatten.
Lieber Herr Kollege Volmer, ich versuche deshalb
stets, den Gegenstand des Erlasses, der mit Ihrem Na-
men verbunden ist, deutlich zu machen. Mit ebendieser
hohen kriminellen Energie wurden die Schengen-Krite-
rien unterlaufen, indem beispielsweise Reiseziele ver-
schleiert oder bei Fragen zur Rückkehrbereitschaft fal-
sche Angaben gemacht wurden. Das zeigt, dass ein
solcher Zusammenhang nicht gegeben ist und dass wir
es letztlich mit einem kriminellen Phänomen zu tun ha-
ben, das zu diesen Ergebnissen geführt hat.
Herr Kollege Binninger.
Herr Staatssekretär, wie bewerten Sie den Zusammen-
hang zwischen dem Volmer-Erlass aus dem Jahr 2000,
der die Reisefreiheit im Zweifel höher als die Sicher-
heitsbedürfnisse unseres Landes gewichtet,
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nd der Tatsache, dass der Abgeordnete Volmer vor der
undestagswahl 2002 auf seiner Homepage sinngemäß
rklärt hat, eines seiner Ziele sei die liberale Neuord-
ung der Visaerteilungspraxis?
Fr
Herr Kollege Binninger, Sie müssen mir nachsehen,
ass ich die Inhalte der Homepage von Herrn Volmer
hrlich gesagt weder vor noch nach dem Wahlkampf zur
enntnis genommen habe. Aber jetzt merke ich, dass
as meinerseits ein echter Mangel ist. Ich werde es gern
achholen.
Herr Kollege Grindel.
Herr Staatssekretär, wie Sie auf die Frage des Kolle-
en Uhl gerade mitteilten, kennen Sie die Aktenlage sehr
ut. Insbesondere haben Sie gesagt, Herr Kass sei mit
einem französischen Kollegen „zugange“ gewesen.
önnen Sie mir sagen, was Gegenstand des Treffens von
errn Kass und seinem französischen Kollegen war?
ing es tatsächlich um Beschwerden der französischen
eite? Und als die Beschwerden von französischer Seite
eäußert worden sind, hat dies bei Ihnen zu Konsequen-
en geführt?
Lassen Sie mich auf die häufigen Zwischenrufe – ge-
ade von Ihnen, Herr Weisskirchen – sagen: Wenn ich
as richtig sehe, kämpfen Sie bei jeder Gelegenheit zu
echt gegen den internationalen Menschenhandel, ins-
esondere bezogen auf Prostituierte, die zu übelsten Ver-
rechen gedungen werden. Wenn wir uns dafür einset-
en, dass das in Zukunft aufhört, sollte man dies nicht
ermanent mit spöttischen Bemerkungen kommentieren.
F
Herr Kollege Grindel, aus diesem Schreiben habe ichitiert, weil es Gegenstand der Frage von Herrn
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004 8843
)
)
Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf KörperKollegen Uhl gewesen ist. In diesem Zusammenhangsage ich: Ich weiß, dass Herrn Dr. Kass in diesem Ge-spräch ein paar Fälle vorgetragen worden sind, die erzum Anlass genommen hat, die Vorgänge in Briefformzu gießen und sich damit an seinen Kollegen im Auswär-tigen Amt zu wenden. Das war der Hintergrund. Wie Siesehen, geschah dies in dem Jahr, in welchem wir diesbe-züglich vielfältige Aktivitäten gestartet haben.Deshalb noch einmal: Wir sind uns sicher in dem Zieleinig, dass der Missbrauch unterbunden werden muss.Die sehr sorgfältige Arbeit von BKA und Bundesgrenz-schutz zeigt, dass das Thema aufgenommen und letzt-endlich einem Ergebnis – den Ihnen bekannten Maßnah-men – zugeführt worden ist.
Die Fragen 11 und 12 des Abgeordneten Jochen-
Konrad Fromme wurden zurückgezogen.
Jetzt rufe ich Frage 28 des Kollegen Reinhard Grindel
aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Arbeit auf:
Wie viele Schwarzarbeiter mit ukrainischem Pass wurden
in den Jahren 1998 bis 2003 in der Bundesrepublik Deutsch-
land jeweils aufgegriffen?
Zur Beantwortung erteile ich dem Parlamentarischen
Staatssekretär Ditmar Staffelt das Wort.
D
Bei der statistischen Erfassung illegaler Arbeitnehmer
ohne Arbeitserlaubnis werden keine Daten zur Staats-
angehörigkeit erhoben. Das ist meine Antwort auf
Frage 28. Allerdings – deswegen bin ich etwas durch-
einander – habe ich Ihnen noch die Antwort auf Frage 27
zu geben.
Nur zur Erläuterung, warum die Fragen nicht im Zu-
sammenhang aufgerufen worden sind: Das hängt mit un-
serer Regelung für die Fragestunde zusammen, dass aus
dem gleichen Zusammenhang stammende Fragen aus
anderen Geschäftsbereichen im Kontext aufgerufen, also
gegebenenfalls vorgezogen werden. Die Frage 27 steht
zwar im Sachzusammenhang mit der Frage 28, nicht
aber mit dem vorherigen Komplex.
Aber wenn Sie diese Frage jetzt beantworten wollen,
muss ich sie zuvor aufrufen:
Wie viele Arbeitserlaubnisse für Saisonarbeiter wurden in
den Jahren 1998 bis 2003 jeweils erteilt?
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Im Jahr 1998 wurden 201 866 Arbeitserlaubnisse für
Saisonarbeiter erteilt. 1999 waren es 223 358, im
Jahr 2000 waren es 255 515, im Jahr 2001 277 938, im
Jahr 2002 298 102 und im Jahr 2003 waren es 309 469.
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ch weiß es schlicht und einfach nicht, werde das aber
erne noch einmal ansprechen lassen.
Ich ging davon aus, dass auch das zur Vorbereitungehörte. Schließlich gab es zu dem gesamten Komplexeute ja einen umfänglichen Artikel in der „Berliner Zei-ung“. Ich dachte, die Bundesregierung sei auf darausich ergebende Fragen vorbereitet.Ich wäre dankbar, wenn man mir mitteilen könnte, obiese illegal Beschäftigten auch zu dem Kreis der Per-onen zählen, die aus der Ukraine – über den Weg, denir hier beschrieben haben – zu uns gekommen sind.
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8844 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004
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Wir werden das Mögliche tun.
Das ist sehr freundlich.
Das waren die Zusatzfragen zu den Fragen 27 und 28.
Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Auswär-
tigen Amtes mit den Fragen 95 ff. aus dem vorhin aufge-
rufenen Gesamtkomplex. Zur Beantwortung steht Frau
Staatsministerin Müller zur Verfügung. Ich erteile ihr
das Wort zunächst zur Beantwortung der Frage 95 des
Kollegen Eckart von Klaeden:
Warum ist das AA nicht bereit, mir den so genannten
Volmer-Erlass zur Verfügung zu stellen?
K
Herr von Klaeden, Ihre Frage beantworte ich wie
folgt: Das Auswärtige Amt hat den Erlass vom
3. März 2000 sowohl dem Innenausschuss als auch dem
Auswärtigen Ausschuss zur vertraulichen Unterrichtung
zur Verfügung gestellt. Die Bundesregierung ist gerne
bereit, Ihnen ebenfalls ein Exemplar zur vertraulichen
Unterrichtung zuzusenden.
Zusatzfragen.
Frau Staatsministerin, wir hatten auch über einen
Briefwechsel zwischen dem Innenminister und dem Au-
ßenminister zur Frage des Volmer-Erlasses gesprochen,
den auch der Staatssekretär Körper mehrfach erwähnt
hat, über dessen Existenz Sie in der letzten Fragestunde
nicht hinreichend informiert waren. Mittlerweile hat sich
durch die Beantwortung der Fragen durch Herrn Staats-
sekretär Körper herausgestellt, dass dieser Briefwechsel
existiert. Sind Sie bereit, mir auch diesen Briefwechsel
zur Verfügung zu stellen?
K
Herr Abgeordneter, es handelt sich hierbei um einen
internen Behördenvorgang. Da wir solche grundsätzlich
intern behandeln möchten, geht dies leider nicht. Bei
dem Erlass, den Sie in Ihrer Frage erwähnt haben, haben
wir eine Ausnahme gemacht, weil er im politischen Mit-
telpunkt stand, wollen von unserem Grundsatz ansonsten
aber nicht abweichen.
Darüber hinaus möchte ich zurückweisen, ich hätte
hier bewusst einen entsprechenden Briefwechsel ver-
neint, und deutlich sagen, dass es sich um ein Missver-
ständnis meinerseits gehandelt hat. Ich hatte die Frage
beim Hören so verstanden, dass Sie nach einem förm-
lichen Briefwechsel zwischen Minister Fischer und Mi-
nister Schily gefragt haben. Den hat es so nicht gegeben.
Aber es hat einen Schriftwechsel gegeben, in dessen
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Nun kommt die Zusatzfrage des Kollegen Sehling.
Frau Staatsministerin, trifft es zu, dass der so ge-
annte Volmer-Erlass vom Wortlaut her nach wie vor ge-
en die verbindlichen Vorgaben der gemeinsamen kon-
ularischen Instruktion des Schengen-Rechts verstößt?
K
Nein, das trifft nicht zu. Ich verweise in diesem Zu-
ammenhang auf die umfangreichen Antworten, die ich
n der letzten Fragestunde gegeben habe, und auf die
ragen, die von uns schriftlich beantwortet wurden.
Ich rufe die Frage 96 des Kollegen Matthias Sehling
uf:
Welche Gründe haben im Mai 2001 zur Ausweitung des
Systems geführt, sodass der Reiseschutzpass auch als Ersatz
von Verpflichtungserklärungen nach § 84 Ausländergesetz
gilt, und warum hat die Bundesregierung in der Antwort des
Staatssekretärs im AA Jürgen Chrobog auf meine schriftliche
Frage mit der Arbeitsnummer 2/358 überhaupt nicht sachbe-
zogen geantwortet?
K
Herr Abgeordneter Sehling, ich beantworte Ihre Frage
ie folgt: Die Reiseschutzversicherung mit dem Namen
eiseschutzpass stellte ein Konkurrenzprodukt zum vom
DAC herausgegebenen Carnet de Touriste dar. Das
arnet de Touriste war bereits 1995 von der damaligen
undesregierung unter Innenminister Kanther und Au-
enminister Kinkel eingeführt worden. Nachdem die
undesregierung entschieden hatte, das entsprechende
ngebot des ADAC zu akzeptieren, war kein Grund er-
ichtlich, warum nicht auch vergleichbare Konkurrenz-
rodukte für eine Anerkennung infrage kamen. 2001
urde also nur die seit 1995 bestehende Praxis der Aner-
ennung von Reiseschutzversicherungen weitergeführt.
Im Übrigen hat die Bundesregierung Ihre schriftliche
rage 2/358 ausführlich und sachgerecht beantwortet.
eswegen verweise ich an dieser Stelle nochmals auch
uf diese Antwort.
Zusatzfrage?
Gab es im Mai 2001 einen weiteren Erlass des Aus-ärtigen Amtes mit dem Inhalt, dass die Reiseschutzver-icherung als Finanzierungsinstrument, als Ersatz für die
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004 8845
)
)
Matthias SehlingVerpflichtungserklärungen zusätzlich anerkannt werdensollte, und zwar weltweit?K
Das habe ich schon im Zusammenhang mit Ihrer ers-
ten Frage beantwortet.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Uhl.
Frau Staatsministerin, ist Ihnen der Erlass vom
Mai 2001 bekannt? Wenn ja, sind Sie bereit, mir zuzu-
stimmen, dass es für den Beamten schwierig wird, den
Erlass konform auszulegen? Denn ihm wird ja gesagt:
Du musst in jedem Einzelfall prüfen, ob Reisezweck und
Rückkehrbereitschaft bestehen, darfst aber zur Prüfung
keinerlei Unterlagen – wie zum Beispiel Einladungen
aus Deutschland, Hotelbuchungen aus Deutschland oder
Arbeitgeberbescheinigungen aus Deutschland – anfor-
dern.
Das bedeutet für den Beamten: Prüfe, aber prüfe doch
nicht so genau! – Zweifel reichen nicht aus, damit sie ein
Visum ablehnen können; sie müssen Beweise haben,
dürfen aber keine Unterlagen anfordern. Erklären Sie
mir bitte, wie eine solche Prüfung auszusehen hat!
K
Herr Uhl, diese Frage haben sich 1995 sicher schon
Innenminister Kanther und Außenminister Kinkel ge-
stellt.
Nein, das ist neu.
K
Es handelt sich bei dem Reiseschutzpass um ein Ver-
gleichsprodukt des so genannten Carnet de Touriste, das
heißt um eine pauschale Verpflichtungserklärung, die
den Nachweis der Finanzierbarkeit ersetzt. Das bedeutet
erstens, dass natürlich jeder Einzelfall weiterhin zu prü-
fen ist, und zweitens, dass natürlich auch die übrigen
Voraussetzungen, die für die Erteilung eines Visums er-
forderlich sind, weiterhin zu prüfen sind, also die Rück-
kehrbereitschaft, die Einhaltung des Reisezwecks und
die Rückkehrberechtigung. Wie Sie wissen, wird die Re-
gelanfrage beim AZR und beim SIS zusätzlich durchge-
führt, bevor man mit dieser Ermessensprüfung beginnt.
Wenn dort eine Sperre vermerkt ist, wird mit der Prü-
fung der Voraussetzungen gar nicht erst begonnen. Inso-
fern erfolgt natürlich eine Einzelfallprüfung.
Ich kann nur noch einmal auf meine Antworten in den
letzten Fragestunden verweisen: Bei den Visaerteilungen
stehen wir in einem Spannungsfeld, das auch den Abge-
ordneten Ihrer Fraktion bekannt ist.
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Herr von Klaeden.
Frau Staatsministerin, sind Sie bereit, mir auch die
rlasse und Mitteilungen an die Botschaften zur Verfü-
ung zu stellen, die infolge des Volmer-Erlasses und
ach den Gesprächen oder dem Schriftwechsel – was
uch immer – zwischen dem Innenministerium und dem
uswärtigen Amt an die Entscheider ergangen sind, da-
it die Konsequenzen für diejenigen, die zu entscheiden
atten, für uns nachvollziehbar werden?
K
Herr von Klaeden, leider muss ich auch diese Frage
erneinen, wie ich es schon auf Ihre Frage 95 hin getan
abe.
Im Grundsatz handelt es sich um behördeninterne
orgänge. Es gibt viele Erlasse – auch an verschiedene
inzelne Botschaften – im Hinblick auf die Visaertei-
ung. Die Visapraxis wird ständig fortgeschrieben und
ntsprechend korrigiert. Ich bitte um Verständnis, dass
ir diese behördeninternen Vorgänge auch als solche be-
andelt wissen wollen. Auf Ihre Bitte hin haben wir bei
em von Ihnen erwähnten Erlass eine Ausnahme ge-
acht, weil er im politischen Mittelpunkt steht.
Ich rufe die Frage 97 auf:
Waren die Sachbearbeiter in den deutschen Botschaften
durch den so genannten Volmer-Erlass oder sonstige Maßnah-
men des AA seit 1999 gehalten, durch Beratung der Visuman-
tragsteller auf deren Angaben zur Antragsbegründung einzu-
wirken, und warum wurden in der deutschen Botschaft in
Kiew – laut Betroffenenaussagen – Visumantragsteller mit ei-
nem Reiseschutzpass getrennt und angeblich sogar bevorzugt
vor Antragstellern mit einem Carnet de Touriste behandelt?
K
Herr Abgeordneter Sehling, ich beantworte Ihre Frageie folgt: Der Erlass vom 3. März 2000 führt zu diesemhema unter Ziffer 6 zur Beratung im Visaverfahrenolgendes aus:Mit der Ablehnung eines Visums wehren die Aus-landsvertretungen Versuche der illegalen Zuwande-rung ab. Mit der Visumerteilung fördern sie Reiseund Begegnung in Deutschland. Es gehört deshalbzu den Aufgaben der Auslandsvertretungen, dieAntragsteller über die Voraussetzungen der Visum-
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8846 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004
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Staatsministerin Kerstin Müllererteilung zu beraten und auf sachdienliche Anträgehinzuwirken. Ziel ist es, die Chance einer legalenReisemöglichkeit zu eröffnen.Die an die Antragsteller gestellten Anforderungenzum Nachweis und zur Glaubhaftmachung ihresAntrages müssen transparent und allgemein zu-gänglich sein, zum Beispiel aktualisierte Merk-blätter, Informationen auf der Homepage einerAuslandsvertretung, regelmäßige Gespräche mitPresseorganen.Die Schalterkräfte an den deutschen Auslandsvertre-tungen beraten Antragsteller daher dahin gehend, dasssie auf fehlende Unterlagen hinweisen, ohne die ein Vi-sumantrag unvollständig ist und in der Regel nicht zurBearbeitung angenommen werden kann, zum BeispielUnterlagen und Angaben zur Identifizierung, zur Finan-zierung, zum Reisezweck, zur Verwurzelung im Heimat-land, zur Rückkehrbereitschaft, sprich: zu all den Vor-aussetzungen, die für eine individuelle Prüfung und füreine Visumerteilung notwendig sind.Weisungen zu einer Besserstellung von Antragstellernmit Reiseschutzpässen gegenüber Antragstellern mit ei-nem Carnet de Touriste hat es zu keiner Zeit gegeben.Auch in der Praxis hat es eine solche Privilegierung desReiseschutzpasses gegenüber dem Carnet de Touristemeines Wissens nicht gegeben. Für Antragsteller mitReiseschutzversicherungen – dazu gehörten Reise-schutzpässe ebenso wie das Carnet de Touriste – war inder Botschaft in Kiew ein Extraschalter vorgesehen; dasist richtig. Aber auch diese Personen mussten gemäßgeltender Rechtslage neben der Vorlage einer Reise-schutzversicherung als gesichertem Finanzierungsnach-weis die übrigen Voraussetzungen für die Visumertei-lung erfüllen.
Zusatzfrage.
Frau Staatsministerin, soll ich Ihren Ausführungen
entnehmen – Sie haben die Beratungssituation darge-
stellt –, dass es nach Ihrer Fassung keine Weisung gab,
möglichst vielen Antragstellern die gewünschten Touris-
tenvisa auszustellen?
K
Nein, dahin gehend können Sie meine Antwort nicht
verstehen. Ich bitte Sie, meine Antwort so zu verstehen,
wie ich sie ausgeführt habe.
Eine weitere Zusatzfrage.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
ässt sich darüber hinaus der Schluss ableiten, dass spä-
estens nach dem Volmer-Erlass das von Ihnen vorhin
ehr zutreffend beschriebene Spannungsverhältnis in Ih-
em Hause ganz klar dahin gehend beantwortet wurde,
ass wir mehr Liberalisierung und Freizügigkeit und we-
iger Sicherheit brauchen?
K
Ihre letzte Frage kann ich eindeutig mit Nein beant-orten. Ich möchte Sie korrigieren, dass es aufgrundieses Spannungsverhältnisses erst 1998 Veränderungenegeben hat. Mir ist bekannt, dass es diese Änderungenchon seit 1995 und vermutlich auch vor dieser Zeit ge-eben hat.Ich möchte Ihre Frage generell beantworten und iminblick auf die Details auf die vielen ausführlichenntworten aus den letzten Fragestunden und auf diechriftlichen Antworten verweisen. Man versuchttändig – ob die Vorgängerregierung oder unsere Bun-esregierung –, auf das Spannungsverhältnis angemes-en zu reagieren. Das heißt, einerseits den wirtschaftli-hen Austausch zu fördern und – ich habe das aus einemrief eines Ihrer Kollegen zitiert – dem Ruf Deutsch-ands als ein weltoffenes Land gerecht zu werden. Aufer anderen Seite muss die größtmögliche Sicherheit fürie Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik ge-ährleistet sein. Zu keinem Zeitpunkt gab es einen Vor-ang für die eine oder die andere Überlegung.Zu den Gründen für die Einführung des so genanntenolmer-Erlasses möchte ich auf meine Antworten ver-eisen. Auch zu den Gründen, warum das Carnet de
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004 8847
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Staatsministerin Kerstin MüllerTouriste zum so genannten Reiseschutzverfahren ausge-weitet wurde, möchte ich auf meine entsprechendenAntworten hinweisen, dito für das so genannte Reise-büroverfahren.
Herr Kollege Volmer.
Vielleicht lernen Sie ja noch etwas.
Frau Staatsministerin, können Sie mir zustimmen,
dass unsere Konsulate bzw. Visastellen für viele Rei-
sende der erste Eindruck von der Bundesrepublik
Deutschland sind und dass der erste Eindruck sehr oft
mitentscheidend für das Image eines ganzen Landes ist?
In diesem Sinne sind unsere Visastellen eine Art Visiten-
karte der Bundesrepublik Deutschland. Daher kann es
nicht Aufgabe der Visastellen sein, möglichst abschre-
ckend aufzutreten, sondern es ist wichtig, dass sie mög-
lichst kundenfreundlich sind.
Kundenfreundlichkeit bedeutet, den Leuten zu zei-
gen, wie man Formulare ausfüllt – es geht nicht darum,
zu erklären, was man schreiben muss, um das Visum zu
bekommen –, statt die Leute, wie das die Vorgänger-
regierung gemacht hat, wegzujagen, wenn sie einen
Formfehler gemacht haben.
K
Ich stimme Ihnen insofern zu, dass wir immer bemüht
sind, unsere Botschaften und auch andere Angebote des
Auswärtigen Amtes im Sinne einer Dienstleistung für
die Bürgerinnen und Bürger zu gestalten, sowohl in
Deutschland hinsichtlich Informationen als auch im
Ausland hinsichtlich des ersten Eindrucks von Men-
schen. Wir arbeiten ständig daran, dies zu verbessern. Es
ist im Sinne des ganzen Hauses, Fortschritte zu erzielen
und Missstände zu beseitigen.
Herr Kollege Schröder.
Frau Staatsministerin, Bundesinnenminister Schily
war heute Vormittag im Innenausschuss
und hat berichtet, dass die Gefährdung der Bundesrepu-
blik Deutschland gerade im Zusammenhang mit den
schrecklichen Anschlägen von Madrid größer geworden
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
chnellere Bearbeitungen gerade im Interesse des kultu-ellen und wirtschaftlichen Austauschs einfordern undich bei Ihnen mit der Bitte melden, bei der Erteilungon Visa behilflich zu sein und nicht allzu illiberal zuerfahren? Können Sie bestätigen, dass es solche Anfra-en an Ihr Haus, das BMI oder die Bundesregierung ins-esamt gibt?
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8848 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004
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Ke
Ich kann dies bestätigen. Ich habe Beispiele dafür ge-
nannt, dass wir kontinuierlich von Abgeordneten aller
Fraktionen dieses Hauses Bitten und Anfragen für Visa-
erteilungen bekommen. Ich finde das völlig normal und
völlig berechtigt; das will ich sehr deutlich sagen. Wir
gehen allen Einzelfällen nach und treffen dann im Rah-
men der Abwägung und des Spannungsfeldes, das ich
genannt habe, eine Entscheidung. Manchmal können wir
etwas tun, manchmal steht dem ganz klar die Rechtslage
entgegen. Aber es gibt permanent, auch zum jetzigen
Zeitpunkt, zu dem die Abgeordneten der Opposition ver-
suchen, uns etwas zu unterstellen, Anfragen und Bitten.
Ich habe schon in den letzten Wochen aus entsprechen-
den Briefen zitiert; das spare ich mir heute.
Herr Scheuer.
Frau Staatsministerin, Sie haben vorhin auf Nach-
frage des Kollegen Uhl gesagt, dass die Prüfung der Do-
kumente wie Hotelbuchungen, Einladungen usw. schon
unter der Vorgängerregierung nicht mehr notwendig war.
Nach unseren Informationen war das nicht so, sondern
es ist erst unter Ihrer Regierung neu eingeführt worden,
dass man diese Prüfdokumente nicht mehr braucht. Kön-
nen Sie Ihrerseits die Aussage berichtigen, dass der
Wegfall der Notwendigkeit der Prüfdokumente neu war?
K
Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass eine
Verpflichtungserklärung durch ein entsprechendes Versi-
cherungsprodukt ersetzt werden konnte. Dabei gab es ei-
nen Vorläufer, das so genannte Carnet de Touriste, das
1995 durch die Vorgängerregierung eingeführt und so-
dann mit dem so genannten Reiseschutzpass fortgesetzt
wurde.
Herr Kollege Uhl.
Frau Staatsministerin, Ihr Vorgänger im Amt, Herr
Volmer, hat eine interessante Vision von den deutschen
Visastellen als erste Anlaufstelle für den Ausländer und
als Visitenkarte der Bundesrepublik Deutschland entwi-
ckelt.
Ist Ihnen bekannt, dass uns alle Migrationsforscher un-
gefähr dieselben Zahlen nennen, nämlich dass sich circa
1 Million illegale Migranten in der Ukraine und circa
2 Millionen illegale Migranten aus Asien und aller Her-
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s geht um Migrationsströme von einem Ausmaß, die
lle Völkerwanderungen, die wir in der Schule kennen
elernt haben, weit in den Schatten stellen.
Jetzt kommt die eigentliche Frage an Sie: Wie gehen
ie angesichts dieser Zahlen, dieser Probleme, dieses
assenandrangs an illegalen Schleuseraktivitäten und
es Zustroms von Schwarzarbeitern mit der Vision des
hemaligen Staatsministers im Auswärtigen Amt um,
ass Sie quasi einen roten Teppich ausrollen und eine
ienstleistung erbringen, nämlich massenhaft Visa ertei-
en sollen, damit dieser Strom munter nach Westeuropa
eitersprudelt?
K
Herr Kollege Uhl, ich weiß zwar nicht, was eine De-
atte über Migrationsströme mit dem Erlass vom
. August 2000 zu tun hat, aber die Debatte wird jetzt in-
eressant. Ich kann Ihre Zahlen nicht bestätigen, mir liegt
er neueste Migrationsbericht nicht vor. Aber ich
öchte Ihre Frage mit einer Gegenfrage beantworten:
aben Sie etwas dagegen einzuwenden, dass unsere
otschaften sozusagen das erste Aushängeschild
eutschlands im Ausland sind und dass wir uns darum
emühen, dies tagtäglich zu verbessern? Das kann ich
ir schwer vorstellen.
Ich erteile jetzt dem Kollegen Mayer als Letztem die
elegenheit zu einer Zusatzfrage zu Frage 97, weise
ber noch einmal darauf hin, dass wir uns nicht zum ers-
en Mal mit der zunehmenden Länge von Zusatzfragen
on dem unmittelbaren Gegenstand der Frage entfernen.
s dürfen eigentlich nur solche Zusatzfragen gestellt und
om Präsidenten zugelassen werden, die im unmittelba-
en Zusammenhang mit der gestellten Frage stehen.
Frau Staatsministerin, teilen Sie die Auffassung, dass,enn die deutschen Botschaften als Visitenkarteneutschlands im Ausland anzusehen sind, die Art und
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004 8849
)
)
Stephan Mayer
Weise der Visaerteilung in der deutschen Botschaft inKiew alles andere als ein positives, gutes und wün-schenswertes Licht auf Deutschland und auf die sie tra-gende Bundesregierung geworfen hat?K
Ihre Behauptung kann ich in ihrer Pauschalität nur
klar zurückweisen. Es hat Probleme gegeben – das ist
klar – , weil vor allen Dingen bis zum Jahr 2002 ein gro-
ßer Andrang von Visaantragstellern zu bewältigen war,
der inzwischen wieder rückläufig ist. Wir haben perma-
nent durch Erlasse, ein entsprechendes Terminsystem,
die Aufstockung des Personals im Rahmen der finanziel-
len Möglichkeiten, Schulungen etc. versucht, die Bot-
schaft nach besten Kräften zu unterstützen, damit selbst-
verständlich auch diese Botschaft sozusagen eine gute
Visitenkarte Deutschlands im Ausland darstellen kann.
Ich rufe die Frage 98 des Kollegen Ralf Göbel auf:
Wie viele Visa haben die deutschen Botschaften in Tirana
und Sofia in den Jahren 1998 bis 2003 jeweils erteilt und wel-
cher Art waren diese Visa?
K
Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die deutsche
Botschaft in Tirana erteilte zwischen 1998 und 2003 ins-
gesamt 79 760 Visa. Dabei handelte es sich zu circa
90 Prozent um kurzfristige Schengen-Visa.
Die deutsche Botschaft in Sofia erteilte im gleichen
Zeitraum insgesamt 220 809 Visa. Bis zur Aufhebung
der Visumpflicht für bulgarische Staatsangehörige im
Jahre 2001 handelte es sich dabei zu circa 85 Prozent um
kurzfristige Schengen-Visa und zu circa 15 Prozent um
nationale Visa für einen längerfristigen Aufenthalt. Seit
Aufhebung der Visumpflicht handelt es sich – bei stark
gesunkenen Antragszahlen – zu circa 90 Prozent um na-
tionale Visa und nur noch zu circa 10 Prozent um kurz-
fristige Visa.
Wie ich sehe, möchten Sie, Herr Göbel, keine Zusatz-
frage stellen.
Herr Kollege Binninger, bitte.
Frau Staatsministerin, könnten Sie die Zahl für die
Botschaft in Tirana – rund 79 000 Visa im Zeitraum von
1998 bis 2003 – nach Jahren aufteilen und insbesondere
die Zahlen für die Jahre ab 2000 nennen?
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Soll ich das noch einmal langsam vorlesen?
Ich halte das für verzichtbar, weil das alles im Proto-
oll erscheint.
K
Ich kann die Frage gern auch schriftlich beantworten.
Da Sie dazu ohnehin keine weitere Zusatzfrage stel-
en können, bleibt Ihnen nur der Zugriff auf die Daten im
rotokoll.
Es gibt immer wieder Kollegen, die Fragen gestellt
aben und mit einer Mischung aus Faszination und Ver-
weiflung abwarten müssen, ob noch die Chance be-
teht, dass ihre Frage aufgerufen wird. Das liegt daran,
ass sich aus nachvollziehbaren Gründen Zusatzfragen
u den Antworten ergeben.
Ich rufe nun die Frage 99 des Kollegen Uhl auf:
Muss bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen ein Vi-
sum an Ausländer erteilt werden, bei denen der Verdacht auf
terroristische Tätigkeit besteht, dieser Verdacht jedoch noch
nicht durch Tatsachen belegt werden kann?
K
Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Nein.
ei Verdacht auf terroristische Tätigkeit kann einem
usländer auch bei Erfüllung der übrigen Voraussetzun-
en ein Visum nicht erteilt werden.
Zusatzfrage, Herr Kollege Uhl.
Frau Staatsministerin, ich bin angesichts des Wortlau-es des Gesetzes von Ihrem klaren Nein überrascht. Isthnen bewusst, dass es im Gesetz „Wenn diese Tatsachenicht belegt werden können, muss ein Visum erteilt
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8850 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004
)
)
Dr. Hans-Peter Uhlwerden“ heißt? Ich würde Ihnen raten, noch einmal ei-nen Blick ins Gesetz zu werfen.K
Ich zitiere jetzt aus diesem Gesetz, und zwar aus § 8
Abs. 1 Nr. 5 Ausländergesetz – ich habe diesen Satz so-
zusagen im Wortlaut diverse Stunden lang entwickelt;
dort steht entgegen Ihrer Behauptung – :
… oder wenn Tatsachen
– nicht die Annahme –
belegen, dass er einer Vereinigung angehört, die
den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er
eine derartige Vereinigung unterstützt.
Das heißt – ich beziehe mich auf Ihre Frage – : Ein Vi-
sumantrag wird seit der Einführung des Terrorismusbe-
kämpfungsgesetzes unter anderem dann abgelehnt, wenn
ein Tatbestand nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 Ausländergesetz
vorliegt.
Bei Verdachtsfällen ist das Verfahren wie folgt: Das
Auswärtige Amt hat am 31. Januar 2002 die Vertretun-
gen über die neuen Versagungsgründe nach § 8 Abs. 1
Nr. 5 Ausländergesetz informiert. Diese Versagungs-
gründe ergeben sich übrigens auch aus dem zweiten
Sicherheitspaket – Sie müssten den Wortlaut kennen – ,
das wir hier gemeinsam verabschiedet haben. Die Ver-
tretungen wurden gebeten, auch bei Verdachtsfällen vor
der endgültigen Entscheidung die erhobenen Daten den
Sicherheitsbehörden zu übermitteln. Diese Einzelfälle
werden dann im Rahmen des Ermessens geprüft; etwa-
ige Erkenntnisse werden bei der Entscheidung berück-
sichtigt.
In solchen Fällen greift der Regelversagungsgrund
nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 Ausländergesetz. Danach wird der
Antrag in der Regel abgelehnt, wenn „der Aufenthalt des
Ausländers aus einem sonstigen Grunde Interessen der
Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder gefähr-
det“. Gerade wenn eine Gefährdung nicht ausgeschlos-
sen werden kann, wird das Visum nicht erteilt.
Eine weitere Zusatzfrage.
Frau Staatsministerin, ist Ihnen bekannt, dass die von
Ihnen gerühmte Vorschrift gerade auf ihre Wirksamkeit
hin überprüft wird, weil sie in der Praxis bisher ins Leere
ging?
K
Ich kann Ihre Behauptung, dass die Vorschrift in der
Praxis bisher ins Leere ging, nicht bestätigen. Im Übri-
gen ist noch nicht genug Zeit vergangen, um die Anwen-
dung dieser Vorschrift wirklich evaluieren zu können.
Das möchte ich hier auch sehr deutlich sagen.
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Zu Frage 100 gibt es keine weiteren Zusatzfragen.Ich rufe die Frage 101 des Kollegen Stephan MayerAltötting) auf:Hat das Bundeskanzleramt in die Meinungsverschieden-heiten zwischen dem Bundesministerium des Innern, BMI,und dem AA bezüglich des Inhalts und des Zustandekommensdes so genannten Volmer-Erlasses eingegriffen und, wenn ja,in welcher Weise?
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Ke
Herr Abgeordneter, Ihre Frage beantworte ich wie
folgt: Nein. Im Übrigen haben die Vertreter von BMI
und Auswärtigem Amt in der 35. Sitzung des Innenaus-
schusses am 17. Mai 2000 – Herr Kollege Körper hat Ih-
nen heute diese Frage schon an anderer Stelle
beantwortet – einvernehmlich festgestellt, dass es bezüg-
lich des Erlasses vom 3. März 2000 keinen Dissens gebe
bzw. gibt.
– Genau.
Vielleicht darf ich mir bei meinem Bemühen um Be-
schleunigung der Fragestunde noch den Hinweis erlau-
ben, dass mir die Einleitungsfloskel „Die Frage beant-
worte ich wie folgt“ verzichtbar erscheint. Bei im
Durchschnitt 40 beantworteten Fragen könnten wir
durch entsprechenden Verzicht ein paar Minuten gewin-
nen; denn es werden regelmäßig Fragen wie folgt beant-
wortet, und zwar ohne diese Ankündigung.
K
Ich wollte nur höflich sein, Herr Präsident.
Zusatzfrage, Herr Kollege Mayer.
Aber die Grußformel darf ich noch beibehalten, auch
wenn man ein paar Sekunden einsparen könnte, wenn
man sie wegließe.
Frau Staatsministerin, wann gelangte der erwähnte
Briefwechsel zwischen dem Bundesinnenministerium
und dem Auswärtigen Amt erstmals dem Bundeskanz-
leramt zur Kenntnis?
K
Das weiß ich nicht. Ich weiß gar nicht, ob er dem
Bundeskanzleramt überhaupt zur Kenntnis gelangt ist.
Eine weitere Zusatzfrage? – Nein. Eine weitere Zu-
satzfrage, Herr Kollege von Klaeden.
Frau Staatsministerin, Ihrer Antwort entnehme ich,
dass der Bundesinnenminister im Kabinett nicht die hier
angesprochene Praxis der Visumerteilung kritisiert hat.
Ist das richtig?
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8852 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004
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)
Eckart von KlaedenIch habe gehört, dass der Richter, der das Urteil gespro-chen hat, im Zusammenhang mit dem Auswärtigen Amtgestanden habe, selbst an der Ausbildung der Konsular-beamten beteiligt gewesen sei und dabei im Streit ge-schieden sei. – Staatssekretär Chrobog hat daraufhin er-klärt, er wolle den Vorgang prüfen. In der darauffolgenden Sitzung des Innenausschusses hat Staatssekre-tär Chrobog ausgeführt, er wolle zwar keine Richter-schelte betreiben, sei aber der Ansicht, dass die münd-liche Urteilsbegründung jenseits der Grenze desAkzeptablen liege. Weiter hat er gesagt, der Richter habeim Übrigen seine eigene Vorgeschichte mit dem Aus-wärtigen Amt.Was hat Staatssekretär Chrobog damit gemeint?
K
Ich sagte schon: Ich kommentiere keine Äußerungen.
– Richtig. Ich war aber nicht dabei. Deshalb möchte ich
diese Äußerung nicht kommentieren. Ich möchte sie erst
recht nicht interpretieren. Ihre Frage geht sogar in Rich-
tung einer Interpretation.
– Ich kann hier keine Aussage interpretieren, die ich sel-
ber nicht vernommen habe.
Ich rufe die Frage 103 der Kollegin Kristina Köhler
auf:
Stand U. H. in der Vergangenheit in einer vertraglichen
Beziehung zum AA, die die Erbringung von Dienstleistungen
für das AA zum Gegenstand hatte?
K
Frau Abgeordnete Köhler, ich verweise auf meine
Antwort zur vorherigen Frage. Der Vorsitzende Richter
am Landgericht Köln hat im Rahmen seiner Tätigkeit an
einer Fachhochschule des Landes Nordrhein-Westfalen
auch Vorlesungen vor Anwärterinnen und Anwärtern des
gehobenen auswärtigen Dienstes gehalten. Er stand je-
doch nie in einer vertraglichen Beziehung zum Auswär-
tigen Amt.
Zusatzfrage? – Herr von Klaeden.
Frau Staatsministerin, will die Bundesregierung mit
den von mir zitierten Äußerungen des Staatssekretärs
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nd verweise in der Sache auf die von mir soeben gege-
ene Antwort auf die Frage 103 der Abgeordneten
öhler.
Weitere Zusatzfrage des Kollegen Grindel.
Frau Staatsministerin, hat sich der Richter U. H. um
ine Anstellung beim Auswärtigen Amt bemüht?
K
Das kann ich Ihnen nicht sagen; meines Wissens hat
r sich nicht darum bemüht. Ich verweise insofern auf
eine Antwort, die ich auf die Frage 103 gegeben habe.
as ist erschöpfend das, was ich über den Richter und
ein mögliches Verhältnis zum Auswärtigen Amt weiß.
ehr weiß ich nicht.
Ich rufe die Frage 104 des Kollegen Ulrich Petzold
uf:
Haben Vertreter oder Beamte der Bundesregierung gegen-
über Ausschüssen des Deutschen Bundestages eine Verbin-
dung zwischen den Umständen der Beendigung einer Ver-
tragsbeziehung zwischen dem AA und U. H. und der von
U. H. bei der Urteilsverkündung im so genannten Schleuser-
prozess im Zusammenhang mit der aufgrund des so genannten
Volmer-Erlasses geänderten Visumerteilungspraxis der deut-
schen Auslandsvertretungen geäußerten harschen Kritik an
der Bundesregierung und dem AA im Besonderen hergestellt?
K
Auch hierzu verweise ich auf die Antworten, die ich
oeben auf die Fragen 102 und 103 gegeben habe.
Gibt es Zusatzfragen? – Das ist nicht der Fall.Die Fragen 105 und 106 des Kollegen Thomas Stroblollen schriftlich beantwortet werden.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004 8853
)
)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsIch rufe die Frage 107 des Kollegen Dr. Ole Schröderauf:Wie hat sich die Anzahl der erteilten Visa, unterschiedennach geschäftlichen und Touristenvisa, in der Zeit von 1998bis heute in Saudi-Arabien und in den Vereinigten ArabischenEmiraten entwickelt?K
Die deutschen Auslandsvertretungen in Saudi-Ara-
bien, das heißt Riad und Djidda, erteilten zwischen 1998
und 2003 insgesamt 98 965 Visa. Dabei handelt es sich
zu circa 90 Prozent um kurzfristige Schengen-Visa.
Die deutschen Auslandsvertretungen in den Vereinig-
ten Arabischen Emiraten, das heißt Abu Dhabi und
Dubai, erteilten im gleichen Zeitraum insgesamt
160 151 Visa. Dabei handelte es sich zu circa 98 Prozent
um kurzfristige Schengen-Visa.
Eine weitere Untergliederung in touristische und ge-
schäftliche Visa ist nicht möglich, da dies derselbe
Visumtyp ist. Bei beiden Staaten kann jedoch davon aus-
gegangen werden, dass der Anteil der zu geschäftlichen
Zwecken erteilten Visa überwiegt.
Zusatzfrage, Kollege Schröder.
Frau Staatsministerin, danke für Ihre Antwort. Ich
hatte allerdings nach der Entwicklung der Anzahl der
Visaerteilungen gefragt. Es ist ja gerade das Interessante,
inwieweit sich die Anzahl erhöht hat. Können Sie dazu
etwas sagen?
K
Nein, Sie hatten gefragt:
Wie hat sich die Anzahl der erteilten Visa, unter-
schieden nach geschäftlichen und Touristenvisa, …
entwickelt?
Leider kann ich Ihnen dies nicht beantworten, weil wir
diese beiden Bereiche nicht separat registrieren, sondern
hierfür ein und derselbe Visumtyp ausgestellt wird.
Weitere Frage.
Sind denn 2003 insgesamt mehr Geschäftsvisa im
Vergleich zu 1998 erteilt worden?
Ke
Das kann ich Ihnen leider nicht beantworten. Ich weiß
es nicht.
– Es wird nicht registriert; das sagte ich doch gerade.
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Herr Kollege Schröder!
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Sie haben nach Geschäftsvisa gefragt. Ich sagte Ihnen
a schon einmal, dass wir diese nicht separat erfassen.
ch würde es Ihnen ja wirklich sagen, wenn ich es
üsste.
eschäftlicher und touristischer Reisezweck werden
icht unterschieden. Ich kann Ihnen nur die Entwicklung
er Visa insgesamt nennen. Das kann ich Ihnen gerne
uch noch einmal ausführlich in Schriftform zuschicken.
as ist wirklich kein Problem. Was uns vorliegt, können
ie haben.
Weitere Frage des Kollegen von Klaeden.
Frau Staatsministerin, gibt es eine Zusage der Bun-
esregierung gegenüber diesen Ländern, die Visumpra-
is ihnen gegenüber zu erleichtern?
K
Ist mir nicht bekannt.
Wir kommen zur Frage 108 des Kollegen Ole
chröder:
In welchem Zeitraum wurde das Reisebüroverfahren ohne
persönliche Vorsprache des Ausländers bei der deutschen Bot-
schaft in Moskau angewandt?
K
Das Reisebüroverfahren ist in Kapitel VIII Nr. 5 deremeinsamen Konsularischen Instruktion der Schengen-taaten ausdrücklich vorgesehen und findet nach wie vorerade in großen Flächenstaaten häufig Anwendung.iese Ausnahme dient der Förderung der Reiseindustrieer EU-Mitgliedstaaten, ist also von den Schengen-Part-ern durchaus im wohlverstandenen Eigeninteresse vor-esehen worden.Das Verfahren wurde in Moskau bereits vor Einfüh-ung des Schengen-Visums im Jahr 1995, also unter derorgängerregierung, angewandt und auch danach biseute fortgeführt. Die Erfahrungen sind bislang positiv.berwiegend Geschäftsleute nutzen diese Möglichkeit.
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Staatsministerin Kerstin MüllerAls Voraussetzung gilt grundsätzlich, dass der Ausländerbereits einmal ein Visum erhalten haben muss.
Bitte schön, Herr Schröder, Ihre Zusatzfrage.
Mit wie vielen Reisebüros arbeitet denn die Botschaft
in Moskau zusammen? Welche Erfahrungen gibt es bis-
her? Waren alle Reisebüros zuverlässig?
K
Um wie viele Reisebüros es sich handelt, weiß ich
nicht; das kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich gehe
davon aus, dass die Reisebüros, mit denen fortgesetzt zu-
sammengearbeitet wird, zuverlässig sind. Ich weiß aber
nicht, wie viele Büros das sind und ob bzw. wo es da
Probleme gegeben hat.
Weitere Frage, bitte.
In welcher Art und Weise werden die Reisebüros auf
ihre Zuverlässigkeit überprüft?
K
Das ist eine Frage, die hier schon des Öfteren gestellt
wurde und die auch die Zuständigkeit anderer Ressorts
mit berührt. Insofern verweise ich auf die in den voran-
gegangenen Fragestunden ausführlichst beantworteten
Fragen der Kolleginnen und Kollegen.
Auch in schriftlichen Antworten auf Fragen zu diesem
Thema – es sind über 110; ich erwähnte es schon ein-
mal – finden sich Ausführungen hierzu.
Bitte schön, eine weitere Frage.
Frau Staatsministerin, jetzt bin ich etwas verwirrt.
Welches andere Ressort soll denn die Bonität von Reise-
büros in Moskau untersuchen, wenn nicht das Auswär-
tige Amt?
K
Ich verweise auf die von mir schon gegebenen Ant-
worten in den letzten Fragestunden.
Gibt es weitere Fragen dazu? – Das ist offensichtlich
nicht der Fall. Vielen Dank, Frau Staatsministerin.
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Die Einnahmen aus der Ökosteuer werden zu fast100 Prozent an die Rentenversicherung überwiesen. DieRentenversicherung wird diese Mittel auch in Zukunftbrauchen.
Beim Thema Ökosteuer geht es also nicht nur um denEmissionshandel in den Jahren 2005 und 2006, sondernauch um die Finanzierung der Renten.Weil Sie auf meine Antwort gerade so polemisch rea-giert haben, darf ich Sie darauf aufmerksam machen,dass es die Regierung Kohl war, die in den Jahren 1997und 1998 vor dem Problem stand, dass der Beitragssatzauf über 21 Prozent zu schießen drohte, und die deshalbden Vorschlag machte, die Mehrwertsteuer von 15 auf16 Prozent anzuheben. Das ist im Frühjahr 1998 von derdamaligen CDU/CSU-FDP-Regierung beschlossen wor-den. Seit dieser Zeit wird ein Prozentpunkt des Mehr-wertsteueraufkommens zugunsten der Rentenversiche-rung verwendet.
Eine weitere Frage hat der Kollege Albert Rupprecht.
Die Ablehnung des italienischen Modells haben Sie ja
mit dem europäischen Beihilferecht begründet. Auch im
Schreiben des Finanzministeriums vom 22. Dezember
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Eine weitere Frage des Kollegen Ramsauer.
Herr Staatssekretär, besitzt die Bundesregierung Er-enntnisse darüber, dass politische Funktionsträger derrünen aus dem Grenzland in größerer Zahl ins benach-arte Österreich zum Tanken fahren? – In vielen Fällenoll dies bereits beobachtet worden sein.
er empirische Nachweis – das möchte ich hinzufügen –st nur für grüne politische Funktionsträger zu erbringen;
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Dr. Peter Ramsauerüber sozialdemokratische müsste ich im Wahlkreis erstnoch nachfassen.
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Herr Kollege, der Bundesregierung liegen darüber
keine Erkenntnisse vor.
Im Übrigen steht es jedem Bürger frei, Herr Kollege
Ramsauer, von den Freiheiten Europas Gebrauch zu ma-
chen.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, die
Zeit für die Fragestunde ist abgelaufen. Die noch offe-
nen Fragen werden schriftlich beantwortet. – Vielen
Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zu dem Zusatzpunkt 1:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Unterschiedliche Auffassungen im Bundes-
kabinett zum Emissionshandel und zur Öko-
steuer
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für
den Antragsteller der Kollege Peter Paziorek das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DerStreit in der Bundesregierung zwischen den MinisternClement und Trittin belegt, wie handlungsunfähig undzerstritten diese Bundesregierung in einem zentralen Po-litikbereich geworden ist.
Dies überrascht mich nicht, denn diese Regierung ver-fügt über kein Energiekonzept, mit dem die Fragen be-antwortet werden können, die jetzt zur Entscheidung an-stehen.Mit der Einführung des europäischen Emissionshan-dels auch hier in Deutschland steht eine der wichtigstenumwelt- und wirtschaftspolitischen Entscheidungen indieser Legislaturperiode an. Bereits in der nächsten Wo-che soll der Nationale Allokationsplan – das ist das Re-gelwerk zur Umsetzung des Emissionshandels – an dieEuropäische Kommission gemeldet werden. Aber biszum heutigen Tage hat die Bundesregierung den ver-bindlichen Entwurf zum Nationalen Allokationsplan we-der dem Deutschen Bundestag noch der Öffentlichkeitvorgelegt. Stattdessen wird in den letzten Tagen einMachtkampf zwischen dem Wirtschaftsminister unddem Umweltminister ausgetragen, der für unser Landmehr als peinlich ist.
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abei darf es nicht darum gehen, Wirtschaftspolitik ge-en Umweltpolitik auszuspielen; das wird uns immernterstellt. Vielmehr muss es darum gehen, den richtigeneg zu finden, wie man beide Ziele erreichen kann,ämlich Arbeitsplätze zu schaffen und in der Umweltpo-itik weiterzukommen. Wir müssen heute feststellen:en richtigen Weg haben Sie von der Regierung nichtefunden. Hier haben Sie versagt.
Im „Handelsblatt“ vom 18. März wird die energiepo-itische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Frauustedt, mit der Aussage zitiert: „Wir rutschen jetzt inine Koalitionskrise hinein.“ Nein, Sie befinden sich be-eits mitten in einer Koalitionskrise. Bei Ihnen geht es iniesen Fragen nur noch drunter und drüber.
n der Frage des Emissionshandels rächt sich jetzt, dassas fehlt, was wir, die Opposition, seit langem fordern,ämlich ein langfristiges, in sich geschlossenes energie-olitisches Konzept für unser Land, das Wirtschaftlich-eit und Umweltpolitik berücksichtigt. Zur Ausgestal-ung eines solchen Konzeptes haben Sie leider nicht dieolitische Kraft.Zumindest der Bundeskanzler scheint in dieser Frageangsam zur Vernunft zu kommen. So hat er gestern imDF in der Sendung „Was nun?“ den Zeitplan für dieeldung der Zahlen für den Emissionshandel nachrüssel infrage gestellt. Er sagte, Gründlichkeit und in-altliche Richtigkeit gingen vor Schnelligkeit. Recht hatr. Doch ich muss ganz deutlich sagen: Das fordert dienion in den Beratungen des Ausschusses schon seitochen. Bisher ist das von Rot-Grün und vom Bun-esumweltminister Trittin zurückgewiesen worden. Hof-entlich setzt sich der Bundeskanzler in dieser Frage ein-al durch.
Wenn es also möglich ist, den Zeitplan für einen Ka-inettsbeschluss zu verschieben, also die Zahlen nichtis zum 31. März zu melden, dann muss das für eine um-assende Beratung im Deutschen Bundestag erst rechtöglich sein. Bei dieser wichtigen Entscheidung kannas Parlament doch nicht länger außen vor bleiben. Dieurzatmigkeit und Hektik, die Sie an den Tag legen,ührt zu schlechten Ergebnissen. Das mussten wir beimEHG erleben. Beim TEHG verstärkt sich immer mehrer Eindruck, den wir in den Ausschussberatungenchon vorgebracht haben: dass es verwaltungsrechtlich
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Dr. Peter Paziorekfehlerhaft und verfassungsrechtlich in höchstem Maßebedenklich ist. Auch das, was der inoffizielle Entwurfzum Nationalen Allokationsplan vorsieht, ist verfas-sungsrechtlich höchstwahrscheinlich unzulässig, weilnämlich formale Grundprinzipien der Gleichbehandlungvon Wirtschaftsunternehmen in Deutschland berührtwerden. Wenn Sie wollen, dass diese Fragen mit Ruhebehandelt werden, dann geben Sie dem Deutschen Bun-destag auch die Zeit dazu. Verschieben Sie den Termin-plan, damit wir hier in diesem Hause über diese Fragendiskutieren können.
Wir sind auch der Ansicht, dass es nicht angeht, dassdie Regierungsfraktionen am 30. März, also am nächstenDienstag, in den Fraktionssitzungen den Regierungsent-wurf vorgelegt bekommen, um ihn politisch zu beraten– das ist Presseberichten zu entnehmen –, der Oppo-sition dagegen eine umfassende Beratung im DeutschenBundestag bis zum 31. März verweigert wird. Ihre Vor-gehensweise ist eine Missachtung des deutschen Parla-ments.
Meine Damen und Herren, zum Schluss noch Folgen-des zur Klarstellung: Die Einführung des Emissionshan-dels wird von der Union grundsätzlich positiv bewertet.Es handelt sich dabei um ein Instrument, das den Klima-schutz kosteneffizienter gestalten und eine nachhaltigeEntwicklung fördern kann. Aber mit Ihrem Verhaltenund Ihrer Vorgehensweise, sei es beim TEHG, sei esbeim Nationalen Allokationsplan, haben Sie der gutenIdee des Emissionshandels bisher nur geschadet. Anstattdie positiven Seiten dieses Instruments zu diskutieren,werden die Schlagzeilen inzwischen nur vom rot-grünenDurcheinander bestimmt. Deshalb fordern wir Sie auf:Kehren Sie zu einer vernünftigen parlamentarischen Be-ratung zurück! Das ist im Interesse der WirtschaftDeutschlands und im Interesse des Klimaschutzes.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Ulrich Kelber von der SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Wir im Parlament sollen eigentlich über den bestenWeg zur Lösung von Problemen diskutieren und unsüber neue Ideen und neue Möglichkeiten austauschen.Heute Nachmittag können wir das leider nicht tun, weilCDU und CSU lieber darüber sprechen wollen, dass sichzwei Fachminister der Bundesregierung noch nicht in al-len Details zu einem Gesetzesvorhaben geeinigt haben.Wohlgemerkt: CDU und CSU wollen nicht etwa ihreeigenen Ideen zum Thema Emissionshandel vortragen–usteWsessldJsnTSldcbAgzmetlkjajasdzdzdZCvtEugmeE
ondern haben allen Ernstes eine Aktuelle Stunde bean-ragt, um darüber zu sprechen, dass der Umweltministerin Instrument möglichst umweltfreundlich und derirtschaftsminister ein Instrument möglichst wirt-chaftsfreundlich ausgestalten will.Ich sage Ihnen meine Meinung dazu; denn ich habeine eigene, Herr Paziorek: Es ist richtig, von der deut-chen Wirtschaft die Zusage der freiwilligen Klima-chutzvereinbarung einzufordern, die Job- und Dienst-eistungschancen zu betonen und zu sagen, dass wir nachen ersten Erfahrungen mit dem Emissionshandel in denahren 2006 und 2007 natürlich auch das Zusammen-piel der verschiedenen Instrumente zum Klimaschutzoch einmal überprüfen müssen.„Unterschiedliche Auffassungen“ – so beginnt deritel der von der CDU/CSU beantragten Aktuellentunde. Zu diesen beiden Worten kann einem viel einfal-en, vor allem dann, wenn man an die CDU und die CSUenkt: Zur zukünftigen Ausgestaltung der Krankenversi-herungen existieren unterschiedlichste Auffassungenei Ihnen. Zur Steuerreform gibt es so unterschiedlicheuffassungen, dass Sie sich auf einen Kompromiss eini-en mussten, der am Ende überhaupt keine Unterstüt-ung mehr fand. Beim Arbeitsrecht konnte sich die CSUit dem CDU-Generalsekretär wenigstens einmal fürinen halben Tag einigen. Danach wurden aber die un-erschiedlichen Auffassungen wieder sichtbar. Beim Te-ekommunikationsgesetz ist es sogar schon so weit ge-ommen, dass die Berichterstatterin der CDU/CSUeden Tag unterschiedliche Auffassungen mit sich selbstuszumachen hat; diese sind von der Tageszeit und demeweiligen Gegenüber abhängig. Das alles wären dochuch tolle Themen für eine Aktuelle Stunde über unter-chiedliche Auffassungen.
Ich komme noch einmal zum Emissionshandel – vonem Herr Gerhardt glaubt, viel Ahnung zu haben – undu den unterschiedlichen Auffassungen der CDU under CSU bezüglich des Emissionshandels zurück. Ichiehe also genau diese beiden Themen – Emissionshan-el und unterschiedliche Auffassungen – zusammen.wei Beispiele will ich nennen:Erstes Beispiel. In Westdeutschland laufen CDU- undSU-Abgeordnete zu Unternehmen und Verbänden undersichern, mit CDU und CSU gebe es keine Sonder-öpfe für „early action“ und Kraft-Wärme-Kopplung immissionshandel. Das würde man zusichern. Im Ostennseres Landes gehen Abgeordnete wie der von mir sehreschätzte Kollege Petzold zu den dortigen Unterneh-en und sagen: Sie können sich darauf verlassen, dasss mit CDU und CSU große Töpfe für „early action“ immissionshandel geben wird.
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Ulrich KelberSehr geehrte Damen und Herren von der CDU/CSU,glauben Sie, dass Sie der Öffentlichkeit, den Unterneh-men und mir diese unterschiedlichen Auffassungen er-klären können? Das können Sie mit Ihren weiteren Red-nern in dieser Aktuellen Stunde vielleicht einmal tun.
Zweites Beispiel. Koalition und Regierung verlangenvon der Energiewirtschaft und der Industrie die Einhal-tung der freiwilligen Zusagen, das heißt, bis 2007 weni-ger CO2 auszustoßen. Dabei unterhalten wir uns überwenige Millionen Tonnen. CDU und CSU behauptennun, das sei eine unnötige und unfaire Belastung derdeutschen Wirtschaft. Sie warnen vor angeblichen natio-nalen Alleingängen usw. Ich komme jetzt noch einmalzu den unterschiedlichen Auffassungen zurück. Bis vorkurzem haben Sie nämlich noch ganz andere Dinge er-zählt. Angela Merkel – bekanntermaßen früher Umwelt-ministerin und heute Partei- und Fraktionsvorsitzende –und auch der Kollege Paziorek, der vor mir geredet hat,haben bei zahlreichen Gelegenheiten gefordert, Deutsch-land müsse seinen Ausstoß von CO2 bis 2005 – also biszum nächsten Jahr – um 25 Prozent senken. HerrPaziorek hat das zum letzten Mal im März 2003, also vornoch nicht einmal zwölf Monaten, gefordert; nachzule-sen auf seiner Webseite.Um Klartext zu sprechen: Damit fordern Paziorekund Merkel eine Minderung durch die deutsche Energie-wirtschaft und die deutsche Industrie um 100 MillionenTonnen bis zum nächsten Jahr.
Es geht also nicht um einige wenige Millionen Tonnen,sondern um das Mehrfache von dem, worüber diese Re-gierung spricht. Das ist nicht einmal mehr nur eine un-terschiedliche Auffassung, das ist nichts anderes als Un-ehrlichkeit, mit der Sie hoffen, durch dieses Thema zukommen.
Wer sich das anschaut, bemerkt einen klaren Unter-schied: Diese Koalition kommt zu Lösungen, wenn unsdas vorher intern auch ein paar Nerven und etwas Kraftkostet. Sie haben aber nicht einmal den Mut oder dieEntschlossenheit, Ihre unterschiedlichen Auffassungenzu einem einheitlichen Konzept zusammenzufassen. Esgilt das Prinzip: Sie erzählen jedem, was er gerne hörenwill. Eigene Konzepte: Mangelware.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Birgit Homburger von
der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Nach der Geschäftsordnung des Deutschen BundestagesisIDzvSdDDddrtdhdiiMswDngDVdDVdSwrsfaSWKfFB
Sie sind ein Skandal, weil seit Jahren bekannt ist, dasser Emissionshandel in Europa kommt und wir ineutschland trotzdem kein konsistentes Konzept haben.ie Vorbereitung war schlampig. Deutschland ist aufieses neue Instrument nicht rechtzeitig eingestellt wor-en. Jetzt ist es auch noch zu einem chaotischen Verfah-en gekommen. Das, was diese Regierung mit den Be-roffenen in Deutschland macht, ist inakzeptabel undeswegen ein Skandal.
Das Verfahren ist ein Skandal, weil der Emissions-andel – völlig unnötig – auf eine Zusatzbelastung fürie betroffenen Unternehmen hinausläuft. Die FDP hatmmer wieder darauf hingewiesen: Der Emissionshandelst ein wichtiger Baustein der modernen Klimapolitik.it dem Emissionshandel wird das klimapolitische Zielicher erreicht. Die Emissionen können dort vermiedenerden, wo dies mit den geringsten Kosten möglich ist.azu gehören eine ausreichende Ausstattung der Unter-ehmen mit Zertifikaten und eine Anerkennung der soenannten „early actions“.Noch zwei Dinge sind nötig, meine sehr verehrtenamen und Herren von der Koalition: erstens eine klareerknüpfung des Emissionshandels in Deutschland miten flexiblen Instrumenten des Kioto-Protokolls.
ass Deutschland wie auch andere Länder einen Teil dererpflichtungen im Ausland erbringen kann, senkt aufer einen Seite die Kosten und führt auf der andereneite zu einem erheblich höheren Klimaschutzanteil, denir in Ländern erreichen, in denen wir mit viel niedrige-en Kosten Klimagasemissionen reduzieren können, bei-pielsweise in den Schwellenländern. Diese Verknüp-ung fehlt. Ich kann Sie nur noch einmal dringenduffordern: Stellen Sie diese Verknüpfung her. Nutzenie diese Chance im Sinne des Klimaschutzes und derirtschaft.
Zweitens. Die Ökosteuer und das Kraft-Wärme-opplungsgesetz müssen, wenn der Emissionshandelunktioniert, abgeschafft werden. Das haben wir von derDP Ihnen immer wieder gesagt. Hier geht es nicht, wieundesumweltminister Trittin erklärt, um einen Instru-
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Birgit Homburgermentenmix. Es geht Ihnen um eine Mehrfachbelastung,Herr Trittin.
Wenn Sie nicht nur vom Emissionshandel reden, son-dern an die Funktionsfähigkeit wirklich glauben würden,dann müssten Sie nicht ständig versuchen, mit Netz unddoppeltem Boden zu arbeiten. Geht es nach Trittin, wirdwieder einmal draufgesattelt. Das ist typisch für die Grü-nen: Sie sind blind für die Chancen, die der Emissions-handel bietet, haben aber immer eine Zusatzbelastung imKöcher. Herr Clement hat das begriffen. Deswegen kön-nen wir nur sagen: Herr Clement, willkommen im Klub!Unsere Unterstützung haben Sie.
Ich will sehr deutlich sagen, dass in dieser Angele-genheit auch die Grünen ihr wahres Gesicht zeigen. Esgeht Ihnen überhaupt nicht um die Ökosteuer; das ist inden letzten Tagen in zahlreichen Interviews deutlich ge-worden. Die beiden Herren in der ersten Reihe, HerrLoske und Herr Hermann, haben ebenfalls welche gege-ben. Mehrfach wurde bekräftigt, es gehe hier nicht umdie Ökologie, sondern um ungefähr 18 Milliarden EuroEinnahmen für die Rentenversicherung. Diese unseligeVerknüpfung von Ökosteuer und Lohnzusatzkosten führtin eine Sackgasse. Das haben wir Ihnen immer gesagt.Deutlicher kann man nicht mehr ausdrücken, dass es denGrünen an dieser Stelle nicht um Ökologie, sondernschlicht und ergreifend um viel Geld geht.
Seit Wochen herrscht in der Bundesregierung dasblanke Chaos: Die Staatssekretäre einigen sich. DerWirtschaftsminister lehnt den Kompromiss ab. Die Frak-tionsspitzen beteuern seit Tagen, es gebe keinen Koali-tionskrach. Der grüne Geschäftsführer im DüsseldorferLandtag fordert den Rücktritt von Clement. Alles läuftdurcheinander. Fortschritte in der Sache sind allerdingsFehlanzeige. Gestern Abend kam die Bankrotterklärung.Was anderes ist es denn, wenn der Bundeskanzler öffent-lich überlegt, die Entscheidung über das Herzstück, denNationalen Allokationsplan, über das Datum, das Brüs-sel vorgibt, hinaus zu verschieben? Das ist doch nichtsanderes als eine Kapitulation vor den Auseinanderset-zungen im eigenen Kabinett.
Die Bürgerinnen und Bürger haben sich an die Macht-worte des Bundeskanzlers gewöhnt, wenn das Tohuwa-bohu überhand nahm. Die Autorität reicht jetzt offenbargerade noch für eine Verschiebung. Wem es bisher nichtklar war, der merkt es jetzt: Diese Bundesregierung istam Ende.sdmdadnmiwnhzidWladsdsGAIdDdDw
Das Wort hat jetzt der Bundesminister Jürgen Trittin.Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-chutz und Reaktorsicherheit:Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde,ie Opposition muss sich schon entscheiden, was sieöchte. Möchte sie
er Bundesregierung vorhalten, dass sie, wie übrigensngekündigt, beschlossen hat, in der nächsten Wochearüber zu beschließen, damit Sie endlich beraten kön-en? Wollen Sie uns nun anklagen, dass wir diesen Ter-in eine Woche vorher noch nicht erreicht haben, oderst es, lieber Herr Paziorek, ein Zeichen von Vernunft,enn wir diesen Termin nicht erreichen? Ich weise Sieur in aller Freundschaft, weil ich Sie schätze, daraufin, dass Sie sich überlegen müssen, ob Sie uns der Ver-ögerung anklagen wollen oder ob weitere Verzögerungn Ihren Augen ein Ausdruck von Vernunft ist.
Lassen Sie mich noch auf einen Gedanken eingehen,en die Kollegin Homburger dargelegt hat.
ir haben bei der Überlegung für einen Nationalen Al-okationsplan schlicht und ergreifend das getan, was wirngekündigt haben. Wir legen das zugrunde, was dieeutsche Industrie im Rahmen ihrer Selbstverpflichtungelber getan hat. Wir wollen das umsetzen, was die In-ustrie nicht nur dieser Regierung, sondern dieser Ge-ellschaft, auch Ihnen, versprochen hat. Das ist dierundlage. Es wird kein Gramm draufgepackt.
ber wir sind auch nicht der Auffassung, dass sich diendustrie vollständig vom Klimaschutz verabschiedenarf. Das kann auch nicht sein.
ieses ist der Rahmen, in dem wir entscheiden werden.Nun sagen Sie, es werde noch draufgesattelt, die In-ustrie werde durch die Ökosteuer belastet.
as habe ich eben von Frau Homburger gehört. Schauenir uns doch einmal die Realität an.
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8864 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004
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Bundesminister Jürgen TrittinDie Ökosteuer belastet nach Ihrer Aussage die deutscheWirtschaft. Erst einmal halten wir fest: Die Ökosteuerentlastet die deutsche Wirtschaft,
denn die Ökosteuer führt dazu, dass 18,6 MilliardenEuro aus dem Haushalt von Hans Eichel, die von uns al-len gezahlt werden, für die Entlastung von Löhnen undGehältern und damit auch der Arbeitgeberbeiträge auf-gewendet werden.
Die Ökosteuer entlastet die deutschen Unternehmen um18,6 Milliarden Euro in diesem Jahr.
Nun wird gesagt, auch Unternehmen müssten in be-stimmten Bereichen für den Verbrauch von Rohstoffenbezahlen. Das ist richtig. Wir können uns einmal genauansehen, warum zum Beispiel mein ehemaliger KollegeWerner Müller eine Flasche Rotwein gewonnen hat. Erhat nämlich seinerzeit mit dem Chef der Kölner Ford-werke darum gewettet, ob Ford vor oder nach der Öko-steuer mehr zahlt. Herr Müller hat diese Flasche Rot-wein gewonnen. Warum?
Weil wir nämlich bei der Belastung sehr genau daraufgeachtet haben, dass es nicht zu Verzerrungen kommt.Das führt dazu, dass zusätzlich zu der Entlastung inHöhe von 18,6 Milliarden Euro bei den Lohnnebenkos-ten, der größten Entlastung von Lohnnebenkosten, diewir hinbekommen haben – Gutachter sagen uns, dass wirohne diese Entlastung nicht 250 000 Arbeitsplätze indiesem Lande hätten sichern können –, steuerliche Sub-ventionen in einer Größenordnung von 5,6 MilliardenEuro hinzukommen,
die nicht gezahlt werden müssen.Das ist die Situation, in der Sie darauf herumreiten,dass wir angeblich die Wirtschaft zusätzlich belasten. InWirklichkeit haben wir hinsichtlich der Lohnnebenkos-ten eine gewaltige Entlastung hinbekommen und wir ha-ben sehr genau darauf geachtet, dass es nicht zu Wettbe-werbsverzerrungen kommt. Im Gegenteil: Wir zahlen indiesem Jahr aus Steuermitteln 5,6 Milliarden Euro fürdie Umsetzung der Selbstverpflichtung der deutschenWirtschaft. Was ist daran wirtschaftsfeindlich?
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Wir werden den Nationalen Allokationsplan wie be-chlossen zum 31. März, also am nächsten Mittwochorlegen.Ich will zum Schluss eine allgemeine Bemerkung ma-hen; denn es lohnt sich, gelegentlich darüber nachzu-enken, um was es beim Klimaschutz wirklich geht. Ichordere die Skeptiker, die das Kioto-Protokoll alswangsjacke und Hemmnis für wirtschaftliches Wachs-um ansehen, auf, weiter zu blicken als nur auf kurzfris-ige Berechnungen. Die Europäische Kommission rech-et damit, dass der Emissionshandel die Kosten, dieurch die Reduktion von Klimagasen entstehen, bis010 um 35 Prozent senken wird. Das entspricht,3 Milliarden Euro.Das Kioto-Protokoll, das wir damit umsetzen wer-den, ist kein Rezept für ein wirtschaftliches Desas-ter. Ganz im Gegenteil: Es wird Wohlstand und Ein-sparungen bringen.
iese Sätze stammen nicht von mir. Sie stammen vonlaus Töpfer. Sie sollten sie sich hinter die Ohrenchreiben.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Joachim Pfeiffer
on der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Bei dem Streit der Personen und um Personen ver-iert man manchmal ein bisschen den Überblick undieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Ich möchte gernarauf zurückkommen, worum es im Kern eigentlicheht – Herr Trittin hat es am Schluss seiner Rede ange-
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Dr. Joachim Pfeiffersprochen –, nämlich um den Klimaschutz, die Klimavor-sorge und insbesondere um den anthropogenen, also dendurch Menschen verursachten Beitrag und die Rolle desTreibhausgases CO2.In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nachden Fakten, um deutlich zu machen, wo wir uns welt-weit, in Europa und in Deutschland bewegen. Die CO2-Emissionen belaufen sich weltweit auf eine Größenord-nung von circa 30 Milliarden Tonnen. Innerhalb der EUsind es 4,1 Milliarden Tonnen, in Deutschland 990 Mil-lionen Tonnen. In den USA betragen sie 8 Milliar-den Tonnen, in China 4 Milliarden Tonnen und in Russ-land 2 Milliarden Tonnen.Das Kioto-Protokoll verpflichtet die EU, in dem Zeit-raum von 1990 bis 2012 eine Reduktion um 8 Prozent zuerreichen. Das sind in absoluten Zahlen ausgedrückt350 Millionen Tonnen im Jahr. Das heißt, wir reden ins-gesamt über weniger als 1 Prozent der jährlichen welt-weiten CO2-Emissionen von 30 Milliarden Tonnen. Dasist der Streitwert in Europa und in Deutschland. So vielzum Kioto-Protokoll und seine Auswirkungen aufEuropa.Ich frage Sie in diesem Zusammenhang: Welchenökologischen Effekt hat das? – Leider keinen. Das Kioto-Protokoll hat in dieser Frage eine rein symbolische Wir-kung.
Dies sage nicht ich, sondern Sie, die Vertreter der Bun-desregierung. Man kann das in der vom Bundesministe-rium für Bildung und Forschung im Jahr 2003 heraus-gegebenen Broschüre „Herausforderung Klimawandel“nachlesen. Neben Trittin und Clement gibt es offensicht-lich einen dritten Spieler, der hierzu sagt, es habe über-haupt keine Auswirkungen.Trotzdem ist die Union der Meinung – das ist deutlichgeworden –, dass wir etwas für den Klimaschutz und dieKlimavorsorge tun müssen.
Der Emissionshandel, Herr Hermann, ist im Grundsatzein geeignetes Mittel, um das mit marktkonformen undmarktwirtschaftlichen Instrumenten zu erreichen.
Er muss aber so umgesetzt werden, dass die deutscheWettbewerbsfähigkeit nicht beeinträchtigt wird. Eine fal-sche Umsetzung wäre nämlich nicht nur wirtschafts- undbeschäftigungspolitisch, sondern auch ökologisch kon-traproduktiv; denn die Emissionen, die nicht mehr beiuns aufträten, fielen dann woanders an.
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Für die Bundesregierung hat jetzt der Parlamenta-
ische Staatssekretär Ditmar Staffelt das Wort.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Es wird Sie nicht erstaunen, dass ich als Vertre-er des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeitunächst auf Folgendes hinweise: Wir widmen unsere
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Parl. Staatssekretär Dr. Ditmar StaffeltArbeit in der Hauptsache dem Thema der Wirtschafts-dynamik und der Schaffung und Sicherung von Arbeits-plätzen. Das haben wir auch zu tun.
Deshalb wird es unser Ziel bleiben, in diesem Jahr 1,5 Pro-zent bis 2 Prozent Wirtschaftswachstum zu erreichen.
Wir sind aber der Meinung, dass es neben der Kon-zentration auf die Wirtschaftsdynamik zweifelsohneauch ein Bekenntnis zur Ressourcenschonung und zurSenkung des Energieverbrauchs geben muss. Darübermüssten wir alle uns eigentlich einig sein.
Ich füge hinzu: Es kann keinen Zweifel daran geben– ich bitte Sie, die Diskussion entsprechend zu führen –,dass Deutschland schon in der Vergangenheit stolz da-rauf war, in der Klimapolitik eine Vorreiterrolle einzu-nehmen. Wir diskutieren im Moment über die Frage, obes bei der Vorreiterrolle und beim Alleingang bleibensoll. Es geht auch um die Sorge, die es im Zusammen-hang mit dem Klimaschutz in der Welt gibt.Deutschland trägt 4 Prozent zum weltweiten Ausstoßvon Treibhausgasen bei. Wir haben unser nationales Kli-maziel – Senkung der Treibhausgase um 21 Prozent bis2012 – weitgehend erreicht.
19 Prozent würden wir nach unseren Erkenntnissen auchohne das Instrument des Emissionshandels erreichen,was nicht zuletzt – das möchte ich an dieser Stelle aus-drücklich sagen – ein Ergebnis der umfänglichen Inves-titionspolitik der deutschen Wirtschaft ist. Sie hat dazubeigetragen, dass es heute in Deutschland – verglichenmit vielen anderen Ländern – weit höhere Standardsgibt. Dies sollte man in einer solchen Debatte auch ein-mal anerkennen.
Wir glauben jedoch, dass wegen der tief greifenden Aus-wirkungen des Emissionshandels auch gewisse Siche-rungen erforderlich sind. Dadurch ist das Handeln desBundeswirtschafts- und -arbeitsministeriums bestimmt.Erinnern Sie sich einmal an Ihre Regierungszeit, alses zwischen Koalitionspartnern und Ressorts viele um-fängliche und langwierige Debatten gegeben hat!
Ich versichere Ihnen eines: Wir werden den Terminplaneinhalten. Außerdem diskutiere ich lieber noch eine Wo-che länger und habe ein gutes Ergebnis, als dass ichirgendetwas vorlege, das am Ende keinen Bestand imwirtschaftlichen und ökologischen Leben unseres Lan-des hat.dNFdMsndKsImdiisLw–elsELwmw
Wenn ich von Sicherungen spreche, dann meine ichas Vorhalten einer zusätzlichen CO2-Reserve für deneubau und die Erweiterung von Anlagen sowie für denall eines stärkeren Wirtschaftswachstums,
ie faire Feststellung jener CO2-Emissionen gemäß derinderungsverpflichtung, die aus chemisch-physikali-chen Gründen und aufgrund der Produktionsprozesseicht weiter reduzierbar sind,
ie Kompensation für den Ausstieg aus der CO2-freienernenergie und keine einseitige Bevorzugung des Ga-es gegenüber heimischen Energieträgern.
ch finde, dass zu einer sorgfältigen Auseinandersetzungit diesem Thema auch gehört, dass man sich mit deniesbezüglichen Fragestellungen beschäftigt.
Wir haben natürlich auch die Wettbewerbsvorbehaltem Blick, wenn es um industrielle Arbeitsplätze geht. Esst doch ganz klar, dass deutsche Anlagenbetreiber nichtchlechter gestellt werden dürfen als solche in anderenändern, und zwar nicht nur in Europa, sondern welt-eit.
Es ist immer wieder schön, die Begeisterung hier zurleben.
Die Investitionen in Klimaschutz und modernste An-agen hierzulande müssen auch außerhalb der Europäi-chen Union angerechnet werden.
in wirksamer Klimaschutz erfordert nämlich in ersterinie größere internationale Anstrengungen. Ansonstenerden nationale Fortschritte, so notwendig sie auch im-er sind, zunichte gemacht.
Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich darauf hin-eisen, dass sich das Szenario in anderen Ländern sehr
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Parl. Staatssekretär Dr. Ditmar Staffeltproblematisch darstellt. Der Ausstoß an CO2-Emissio-nen ist beispielsweise in der Volksrepublik China zwi-schen 2001 und 2002 um über 700 Millionen Tonnen aufinsgesamt 4,1 Milliarden Tonnen angestiegen. DieserAnstieg entspricht dem 30fachen dessen, was wir inDeutschland bis 2012 an Emissionsminderung noch zuerbringen haben und erbringen werden.
Mit diesen Größenordnungen müssen wir uns auseinan-der setzen, wenn wir den Standort Deutschland im Wett-bewerb fair aufstellen wollen.
Deshalb sage ich: Wir reden hier nicht nur über Kraft-werke, sondern wir reden auch über Industrie, über Che-mie,
über Stahl und über Baustoffindustrie,
die alle im internationalen Wettbewerb stehen. Insofernhalte ich die Äußerung der Sorge des Wirtschaftsminis-ters und die sorgfältigste Diskussion mit den Kollegenim Bundeskabinett für absolut normal und notwendig.Genau das macht Wolfgang Clement im Moment. Dassdies in den Zeitungen in besonderer Weise aufbereitetwird, ist das eine; dass es eine sachliche Diskussion undAuseinandersetzung mit dem Umweltministerium gibt,ist das andere.
Schließlich möchte ich doch noch ein Wort zu demThema sagen, das hier kürzlich für einigen Aufruhr ge-sorgt hat, nämlich das so genannte Infragestellen derÖkosteuer durch den Wirtschaftsminister. Hierzu sollteklargestellt werden: Wenn wir Erfahrungen mit demEmissionshandel haben – der Emissionshandel ist einemarktwirtschaftliche Herangehensweise an das Thema –,dann – das ist ganz normal; das halte ich für selbstver-ständlich – muss er sich wie alle Kräfte, die auf denMarkt wirken, einer Prüfung unterziehen.
Ich halte das für einen Vorgang, der ganz unspektakulärist, der von den Beteiligten, glaube ich, auch so gesehenwird. Dass daraus etwas anderes gemacht wird, als es ist,ist halt das politische Geschäft, mit dem wir uns ausei-nander setzen müssen.Ich sage noch einmal: Auch das Bundeswirtschafts-ministerium will Umwelt- und Klimaschutz. Die Bun-desregierung will Klimaschutz mit ökonomischer Effizi-enz verbinden. Wir sind auf dem richtigen Weg. Ich binganz sicher: Wir werden in der nächsten Woche ein ent-sprechendes Ergebnis erzielen.FhggbgFSgHrHDdDTKBsdwsasWWdEEs
Das Wort hat jetzt die Kollegin Gudrun Kopp von der
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Herren und Damen! Ichoffe, dass viele Menschen draußen die Debatte verfol-en können; denn die Desorientierung dieser Bundesre-ierung wird selten so deutlich wie bei der heutigen De-atte.
Herr Minister Trittin, als Sie redeten und nachdem Sieeredet haben, kam Applaus auch von der SPD-raktion – bis auf den Kollegen Wend.
ie sind auf Ihren Platz gegangen und haben den Kolle-en Staffelt gefragt: Bist du zufrieden? – Daraufhin haterr Staffelt ehrfurchtsvoll genickt.Herr Staffelt hat für das Bundeswirtschaftsministe-ium dann aber das Gegenteil von dem referiert, waserr Trittin gesagt hat.
a rührte sich bei der SPD kaum eine Hand. Es war nurer Kollege Wend, der Herrn Staffelt folgen konnte.
as zeigt doch sehr deutlich, dass die beiden Ministerrittin und Clement einen Wirtschaftsaufschwung mitlimaschutzelementen nicht hinbekommen. In dieserundesregierung gibt es nur ein Entweder-oder; ein Zu-ammenwirken ist nicht möglich.Herr Trittin, was Sie vorgetragen haben, nämlich dassie Industrie bei der Ökosteuer in großem Maß entlastetorden sei, ist entlarvend. Meine Überzeugung stehtchon lange fest: Das Thema Emissionshandel und vielendere Themen sind bei Ihnen im Ministerium mehr alschlecht aufgehoben.
enn das überhaupt vorankommen soll, gehört das insirtschaftsministerium.Wir reden hier von 660 000 Arbeitsplätzen, die beier energieintensiven Wirtschaft auf der Kippe stehen.s geht um die Frage: Wird Wirtschaftsaufschwung mitmissionshandel überhaupt möglich sein? Die Wirt-chaft braucht Luft bei der Zuteilung von Zertifikaten.
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Gudrun KoppDas Instrument des Emissionshandels ist sinnvoll, wennes entsprechend verknüpft wird, wenn der Wirtschaftdieser Spielraum gegeben wird und wenn es nicht als zu-sätzlicher Knüppel verwendet wird.
Ich sage es noch einmal ganz ausdrücklich: Dass dasErneuerbare-Energien-Gesetz, das Kraft-Wärme-Kopp-lungsgesetz und die Ökosteuer die Strompreise erheblichbelasten, müsste allen im Hause bekannt sein. Sie ver-teuern sie derzeit exakt um 41 Prozent. Das macht einehohe Summe aus.Ich will Ihnen einmal kurz schildern, was in dem sogenannten Möschel-Gutachten zu lesen ist. Es geht da-rum, dass die Bundesregierung die Einspeisung vonStrom aus erneuerbaren Energiequellen bis 2010 auf ei-nen Anteil von 12,5 Prozent verdoppeln will. GemäßHerrn Professor Möschel, der Vorsitzender des Wissen-schaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirt-schaft und Arbeit ist – mit Erlaubnis des Präsidenten zi-tiere ich –,kann dieses Ziel nur erreicht werden, wenn die Ein-speisevergütungen weiter angehoben werden. Ins-gesamt ist bei Festhalten an diesem Ziel für das Jahr2010 mit einer Belastung der Stromwirtschaft inHöhe von fünf Milliarden Euro zu rechnen.Dies bedeute in Deutschlandeine Verteuerung der gesamten Stromerzeugung umfast ein Drittel.Diese weiteren Belastungen, die anstehen, darf mannicht unerwähnt lassen. Sie machen nur dann Sinn, wennes hier einen Abgleich mit dem Instrument Emissions-handel, das zur Reduktion von CO2-Gasen beitragensoll, gibt.
Mit Blick auf die internationale Lage muss man sagen– Herr Staffelt hat das sehr richtig dargestellt –: Wenndie deutsche Industrie zum Beispiel die Kohlekraftwerkein China mit neuesten Technologien entsprechend auf-rüsten dürfte, würde damit eine enorme Reduktion vonCO2-Gasen möglich werden. Das würde zu 30 bis50 Prozent geringeren Kosten möglich sein als entspre-chende Einsparungen über das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Wir als FDP-Bundestagsfraktion fordern Sie auf,zu einem Emissionshandel zurückzukehren, der wirt-schaftsverträglich ist, der all diese Elemente berücksich-tigt und der auf marktwirtschaftlicher Basis und nichtauf der ideologischen Basis, von der Sie derzeit ausge-hen, stattfindet.
Ich bin einmal gespannt, wie der Ministerstreit aus-geht. Nachdem Sie hier heute ganz öffentlich die unter-schiedlichen Positionen der beiden Ministerien darge-stellt haben, kann die Folge nur sein, dass einer derbsCglwdnlFRAdfIPtDvNHÖmsHaMWRbzrWwmnd
nsofern erwarte ich, dass sich Herr Clement in diesemunkt durchsetzt und wir zu Regelungen kommen, dieatsächlich geeignet sind, den Wirtschaftsstandorteutschland zu stärken, statt ihn kaputtzumachen.Vielen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Reinhard Loskeom Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eute stehen ja die unterschiedlichen Positionen zurkosteuer und zum Emissionshandel zur Debatte. Ichöchte zunächst einmal etwas zum Thema Ökosteueragen.Es wurde gerade gesagt – unter anderem von Frauomburger – das Beste sei, man würde die Ökosteuerbschaffen.
an muss sich dies einmal ganz klar vor Augen führen:enn die Ökosteuer abgeschafft würde, würden dieentenversicherungsbeiträge in Deutschland heute nichtei 19,5 Prozentpunkten, sondern bei knapp 21,5 Pro-entpunkten liegen. Das würde faktisch eine Verteue-ung der Rentenversicherung um 10 Prozent bedeuten.er so einen Schmarren vorschlägt, der hat von volks-irtschaftlichen Größen wirklich keine Ahnung. Dasuss man ganz klar sagen.
Das Konzept war ja immer – das wissen Sie ganz ge-au –, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: aufer einen Seite durch den schrittweisen und planvollen
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Dr. Reinhard LoskeAnstieg der Energiepreise Anreize zum sparsamen Um-gang mit Energie zu geben und auf der anderen Seite dieLohnnebenkosten zu senken und damit einen Anreiz zurBeschäftigungsförderung zu geben.
Inwieweit das in Bezug auf die Rentenversicherungsbei-träge geklappt hat, habe ich gerade dargestellt.Nun zur ökologischen Seite. Das Deutsche Institut fürWirtschaftsforschung hat uns mitgeteilt, dass durch dieÖkosteuer bis zum Jahr 2010 jährlich 20 bis25 Millionen Tonnen CO2 vermieden werden. Das ist einsehr relevanter Beitrag zur Erreichung unserer Klima-schutzziele.
Eben wurde schon auf die durchaus belastbaren Zahlenhingewiesen: Von 1990 bis 1999 ist der CO2-Ausstoß imBereich der Privathaushalte und im Bereich des Verkehrskontinuierlich, Jahr für Jahr, gestiegen. Seit 1999, seitwir die Ökosteuer eingeführt haben, gehen die Emissio-nen der Privathaushalte und des Verkehrs zurück, dasheißt, wir haben hier ganz klar eine ökologische Len-kungswirkung. Das sollten Sie bitte zur Kenntnis neh-men, statt dieses Instrument zu denunzieren.
Wir stehen zu diesem Instrument; wir halten es füreine Erfolgsgeschichte. Man muss es evaluieren, das istselbstverständlich. Man muss auch schauen, in welchemVerhältnis die Ökosteuer zu anderen Instrumenten steht.Ebenso muss man prüfen, was man möglicherweisestreichen kann, beispielsweise bei den Subventionenoder bei den Sonderregelungen im Rahmen der Öko-steuer; das ist vollkommen richtig. Insofern ist eine Kon-sistenzprüfung – Uli Kelber hat schon darauf hingewie-sen – nichts Problematisches. Für uns ist die Ökosteuerein zentrales Instrument.Zum Emissionshandel. Der Emissionshandel ist füruns ein wichtiges, positives Instrument, das ökologischeffektiv und ökonomisch effizient ist. Es wird von Um-weltökonomen seit langer Zeit empfohlen. Jetzt kommtes darauf an, dieses Instrument zu nutzen, um die Errei-chung der Kioto-Ziele glaubwürdig und so wirtschafts-verträglich wie eben möglich herbeizuführen.Ein Wort zu dem ganzen Gerede über unsere angebli-che nationale Vorreiterrolle. Dieses Instrument ist docherstmalig auf europäischer Ebene abgestimmt! Deshalbliegt hier keine Wettbewerbsverzerrung vor, sondernquasi eine Harmonisierung innerhalb Europas. Aus die-sem Grunde ist es genau das richtige Instrument.
Zu einigen konkreten Punkten. Für uns ist zentral,dass der Plan bis zum 31. März dieses Jahres in Brüsselgemeldet wird. So richtig die Aussage „Gründlichkeitvor Schnelligkeit“ – auch vom Bundeskanzler und vomWirtschaftsminister getroffen – ist, es ist ganz klar, dassjswidbcmdgmsmbgEnÜss9zWndvBmPdirDlewkßnWgwäiKgaKHs
Über die Übertragungsregelung, die Neueinsteigerre-elung, kann man viel reden. Ich will nur so viel sagen:s müssen Anreize für frühe Modernisierungsinvestitio-en geschaffen werden. Das ist für uns ganz zentral.ber „early action“ ist viel gesagt worden. Selbstver-tändlich wollen wir bestimmte Dinge anerkennen, bei-pielsweise wenn in den neuen Bundesländern in den0er-Jahren früh modernisiert worden ist. Das haben wirugesagt und das machen wir. Aber klar muss auch sein:ir können durch die Ausgabe von Emissionsrechtenichts honorieren, was der Steuerzahler bezahlt hat, son-ern nur das, was durch reale Minderungsinvestitionenon den Unternehmen geleistet worden ist.Zur Kraft-Wärme-Kopplung und zur Prozessenergie.ei der KWK wollen wir den weiteren Ausbau; dasuss sich im Nationalen Aktionsplan spiegeln. Bei derrozessenergie ist der politische Wille der Koalition,ass bis zum Jahr 2007 ein Erfüllungsfaktor 1 gewährtst. Das will ich hier noch einmal ganz klar sagen. Da-auf kann sich das produzierende Gewerbe verlassen.ie flexiblen Instrumente werden wir so bald wie mög-ich – sobald die EU-Verbindungsrichtlinie in Kraft ist –inbeziehen. Über die Einbeziehung von JI und CDMerden unsere Unternehmen davon Gebrauch machenönnen.Abschließend möchte ich folgenden Gedanken äu-ern. Wir sollten wirklich höllisch aufpassen, dass wiricht Denkfiguren aus den 70er-Jahren wiederbeleben:
irtschaft gegen Umwelt, Arbeitsplätze gegen Ökolo-ie. Da waren wir doch alle zusammen schon einmaleiter. Wir wissen doch alle, dass neben Lebensstilver-nderungen der technische Strukturwandel, die Dynamikn Richtung Nachhaltigkeit bei der Erreichung unsererlimaschutzziele der entscheidende Punkt ist. Deswe-en will ich noch einmal, auch im Sinne der Zusammen-rbeit mit der Wirtschaft, dafür plädieren, dass wir dieampfrhetorik, wie wir sie gestern beispielsweise vonerrn Rogowski gehört haben, unterlassen. Wir sind eintarkes, innovatives Land
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Dr. Reinhard Loskeund wir können bei diesen Technologien Vorreiter sein.Die Rahmenbedingungen müssen entsprechend gesetztwerden.Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Franz Obermeier von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ein deut-sches Nachrichtenmagazin hat die Klimaschutzpolitikdes Bundesumweltministers bereits als „Luftkampf“ be-titelt. Daran ist zutreffend, dass der Herr Bundesumwelt-minister wirklich keine Konfrontation auslässt. Ichnenne als Konfliktherde den unseligen und unversöhnli-chen Streit um die Pfandpflicht, eine Schlacht mit denLändern und dem Einzelhandel, und den Verkauf derHanauer Brennelementefabrik. Hier wird das AnsehenDeutschlands fahrlässig beschädigt und das Vertrauen indie Verlässlichkeit der Zusagen des Bundeskanzlers er-schüttert.
Ich nenne ferner das Moratorium hinsichtlich desEndlagerstandorts. Damit droht die Gefahr, dass dieZwischenlager im Jahre 2030 zu Endlagern mutieren.Wegen möglicher terroristischer Angriffe auf Kernkraft-werke gibt es wiederum ein Gezänk mit den Ländern.Wer weiß, welche strittigen Vorgänge es im Bundesum-weltministerium noch gibt. Jetzt hat der ungebrocheneKonfrontationskurs die SPD-Fraktion, also den Koali-tionspartner, und die Kollegen im Kabinett erreicht.Der augenblickliche Streit geht im Kern um dieFrage, ob man nicht auch die Interessen der deutschenWirtschaft und die Wettbewerbsfähigkeit im Blick be-halten muss, ob man nicht also auch an die Arbeitsplätzein Deutschland denken muss.
Ich meine, ja. Da stimme ich dem Bundeswirtschaftsmi-nister einmal ausdrücklich zu. Hier liegt er auf dem rich-tigen Dampfer.
Es ist noch kein parlamentarisches Gesetzgebungs-verfahren eingeleitet worden. Hier wird durch den rot-grünen Alleingang – am Parlament vorbei – tief in dasFleisch der deutschen Wirtschaft geschnitten. Wir warengerade Zeuge der widersprüchlichen Aussagen des Um-weltministers und des Staatssekretärs im Wirtschafts-ministerium. Da kann man eigentlich nur sagen: DieseRegierung weiß wirklich nicht mehr, wo hinten undvorne ist. Trotzdem will sie nächste Woche in Brüsselden Nationalen Allokationsplan vorlegen.t–dSKwnnCvAkWndlTCmtngLgIwghuuSDikrrEÖs
doch, das wollen wir schon –,
ann müssten wir uns doch überlegen, wo wir stehen.ie müssen bedenken, dass die Länder, die bis jetzt dasioto-Protokoll unterzeichnet haben, 30 Prozent dereltweiten Emissionen verursachen. Es ist der rot-grü-en Bundesregierung in den fünf Jahren ihrer Regierungicht gelungen, wichtige Staaten wie USA, Russland,hina und Indien auf die Inhalte des Kioto-Protokolls zuerpflichten.
ber bei uns werden alle Register gezogen. Dabei wirdeine Rücksicht auf die tatsächliche Lage der deutschenirtschaft genommen.Deutschlands Anteil an den weltweiten CO2-Emissio-en liegt bei etwas über 3 Prozent. Der Streit innerhalber Regierung dreht sich im Kern nur um ein paar Mil-ionen Tonnen CO2. Im Zusammenhang mit diesemhema muss man hinzufügen, dass die Volksrepublikhina allein im nächsten Jahr 750 Millionen Tonnenehr CO2 emittieren wird, was ausschließlich wachs-umsbedingt ist. Da stellt sich natürlich die Frage, ob esicht wesentlich klüger wäre, im Wege von Verhandlun-en auf internationaler Ebene Reduktionen in diesenändern zu erreichen, statt unsere Wirtschaft massiv zuefährden.
Da dieses Problem immer bestritten wird, möchte ichhnen ein Beispiel nennen. Ein Zementwerk, das in demillkürlich festgelegten Zeitraum von 2000 bis 2002 we-en der Flaute im Bauwesen weniger Zement verkauftat, dessen Umsatz aber im Jahr 2003 angestiegen istnd das im Jahr 2004 mit einer Steigerung des Umsatzesm mehr als 25 Prozent rechnen kann, fällt bei Ihremystem durch das Raster.
ie betroffenen Unternehmen sind gezwungen, ab 2005hre Produktion zurückzufahren, weil sie keine Möglich-eit haben, innerhalb des Systems, das Rot-Grün einfüh-en will, die Belastungen einigermaßen zu kompensie-en.
Ich möchte Ihnen noch etwas zu der Kombination vonmissionshandel – Nationaler Allokationsplan – undkosteuer sagen. Selbstverständlich hat der Wissen-chaftliche Beirat Recht, wenn er sagt, dass sich die bei-
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Franz Obermeierden Systeme nur schwer miteinander vertragen, außerman riskiert Nachteile für die deutsche Volkswirtschaft.
Ich möchte jetzt auf Ihr Argument, Herr Loske, zurÖkosteuer eingehen. Die Ökosteuer mag sektoral und füreinzelne Betriebe durchaus Vorteile bringen. Für diedeutsche Volkswirtschaft wirkt sie sich unterm Strich aufalle Fälle negativ aus,
weil dadurch in der Vergangenheit massiv Arbeitsplätzevernichtet wurden. Der Verlust an Arbeitsplätzen führtzu Steuermindereinnahmen und zu Mindereinnahmenbei den sozialen Sicherungssystemen. Somit ist derSchaden für die deutsche Volkswirtschaft wesentlichgrößer als der Nutzen.
Herr Kollege Obermeier, kommen Sie bitte zum
Schluss.
Ich bin schon beim letzten Satz. – Wenn wir nicht ge-
gensteuern, wenn wir die Warnungen der Wissenschaft-
ler nicht ernst nehmen, wird das Musterökoland
Deutschland unter rot-grüner Führung gegen die Wand
fahren. Das möchten wir verhindern.
Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Rainer Wend von der SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Ich bin ganz sicher, unser Minister für Wirtschaftund Arbeit, Wolfgang Clement, hat sich über Ihre Unter-stützung, die sich in Ihrem Beifall soeben ausgedrückthat, sehr gefreut.
Er würde sich vermutlich noch mehr freuen, wenn Siediesen Beifall noch ein wenig durchhalten könnten undihn auch noch dann zollen werden, wenn am Ende einAllokationsplan vorgelegt wird, der vom Bundeswirt-schaftsminister maßgeblich mitgestaltet worden ist.
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Lassen Sie mich als Wirtschaftspolitiker zum Themamweltpolitik Ausführungen machen. Wenn die Zahlenichtig sind, werden zurzeit weltweit in etwa 31 Milliar-en Tonnen an CO2, an Kohlendioxid, ausgestoßen. Wel-he Auswirkungen hat das? Werfen wir einen Blick aufas Klima und überlegen wir, wie sich die Klimaverän-erung auf den Golfstrom – das ist ein praktisches Bei-piel; denn er ist bestimmend für das Klima in Europa –uswirkt. Ich glaube, inzwischen muss den Wirtschafts-olitikern klar sein, dass derjenige, der bei dieser Bedro-ung des Klimas glaubt, in der Wirtschafts- und Energie-olitik noch bei den Mustern der 70er-Jahre verharren zuönnen, grundsätzlich irrt und nicht begreift, vor wel-hen Herausforderungen wir in unserem Land heute ste-en.
Ich möchte ein Zweites sagen, was mir als Wirt-chaftspolitiker vielleicht näher liegt: Etwa 40 Prozentller Unternehmen, die vom Emissionshandel in Europaetroffen sind, liegen in Deutschland. Wir sind so etwasie das industrielle Herz Europas. Es geht um dietromkonzerne, die Chemie- und die Stahlindustrie, dielashütten, die Papier verarbeitenden Betriebe und dieementwerke. Dabei geht es nicht darum, diese Unter-ehmen als Selbstzweck zu schützen, sondern darum,ehntausende von Arbeitsplätzen in diesen Betrieben zuewahren. Es geht somit ein Stück weit auch um den In-ustriestandort Deutschland.Ich habe gerade in Bezug auf die Umweltpolitik klaresagt, dass wir nicht bei den Standards der 70er-Jahren der Wirtschafts- und Energiepolitik stehen bleibenönnen. Genauso klar sage ich: Derjenige, der glaubt,ie Umwelt- und Klimaschutzpolitik könne darauf ver-ichten, auf den Industriestandort Deutschland Rück-icht zu nehmen, irrt sich genauso fundamental wie diedeologen auf der anderen Seite. Das ist ein Teil desielkonflikts, der heute in dieser Debatte deutlich wird.Man kann es sich leicht machen wie Sie, meine Damennd Herren von der Union, und sagen: In dieser Bundes-egierung gibt es einen Konflikt zwischen zwei Minis-erien. Wir führen diesen Konflikt vor und zeigen damit,ass es innerhalb der Bundesregierung an Einigkeitehlt. – Das kann man aus taktischen Beweggründen ma-hen. Vielleicht haben Sie damit kurzfristig auch Erfolg.Ich sage Ihnen dazu noch etwas: Wenn ich vorchulklassen über Politik rede, versuche ich jenseitson Inhalten zunehmend eines deutlich zu machen: Esibt fast kein Thema mehr, bei dem irgendeine Seiteundertprozentig Recht oder Unrecht hat. Wir müssenn Auseinandersetzungen versuchen, überwiegend rich-ige Lösungen zu finden. Meine Auffassung ist die: Eine
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Dr. Rainer WendBundesregierung, die um richtige Lösungen streitet undringt, nimmt ihre Verantwortung allemal besser wahrals eine Opposition, die aus taktischen Gründen eineeinseitige Profilierung betreibt
und gar nicht merkt, dass sie die Grundsätze, die diesemKonflikt zugrunde liegen und die entscheidend sind,nicht begriffen hat.
Deswegen sage ich Ihnen zum Schluss eines: An die-ser Frage wie auch an anderen die Wirtschaftspolitik be-treffenden Fragen, mit denen ich mich befasse, wirddeutlich, dass plakative Phrasen, persönliche Anwürfevon Ihrer Seite und am Ende einfältige Politikentwürfefachkundige Kompromisse und Lösungen nach einemproduktiven Streit nicht ersetzen können. Deswegen– glauben Sie es mir – werden wir am Ende den richti-gen Weg beschreiten.
Das Wort hat der Kollege Hans Michelbach von der
CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Präsident! Kolleginnen und Kollegen!Patriotismus kann sich nur auf Leistungsfähigkeit grün-den. Unpatriotisch ist nicht der Unternehmer, der seinenBetrieb wettbewerbsfähig hält. Unpatriotisch ist der-jenige, der der deutschen Wirtschaft aus rein ideolo-gischen Gründen eine immer schlechtere Wettbewerbs-fähigkeit zumutet.
Es gibt keinen Zweifel: Die Leistungsfähigkeit unse-rer Betriebe wird von Rot-Grün systematisch beschwert.Warum sind denn allein im letzten Jahr 400 000 Arbeits-plätze verloren gegangen? Deshalb handeln die patrio-tisch, die gegen mehr Belastung durch Steuern und Ab-gaben in Deutschland eintreten.Jetzt erleben wir hier das Stück „Regierung konfus“.
Ich habe es in diesem Hohen Hause noch nie erlebt,
dass letzten Endes zwei Ministeriumsvertreter einandergegenüberstehen und mehr oder weniger die Koalitions-frage stellen.
Ein größeres Durcheinander als das in dieser Regierunggibt es wirklich nicht.LpdutEswatbuTVwdmsdiHhsEdsrspI1e
er wie Rot-Grün einen Staatsanteil von 50 Prozent ver-ntwortet, wer wie Rot-Grün damit Firmen ins Auslandreibt, der ist wirklich unpatriotisch. Das ist für michlanker Ökosozialismus mit Vernichtung von Wachstumnd Beschäftigung.
Lachen Sie nicht! Herr Trittin, Sie haben heute eineeilung der deutschen Volkswirtschaft vorgenommen.on Ökonomie haben Sie wirklich keine Ahnung. Das,as Sie hier machen, ist Voodoo-Ökonomie. Die Teilunger deutschen Volkswirtschaft, die Sie hier vorgenom-en haben, gibt es nicht. Die Belastung durch die Öko-teuer in Höhe von 54 Milliarden Euro trifft alle:
ie Wirtschaft und die Verbraucher, also alle Menschenn diesem Land.
ier eine Teilung vorzunehmen ist völlig falsch.
Sie haben die Lohnnebenkosten angesprochen. Sieaben sie trotz der Ökosteuer nicht auf 40 Prozent ge-enkt; sie liegen bei 41,9 Prozent. Das ist es, was letztenndes zählt.
Meine Damen und Herren, mit der Quersubventioner Sozialversicherungssysteme durch die Ökosteuerind Sie klar gescheitert. Durch die Überforderung unse-es Wirtschaftsstandortes durch Ökosteuer, Stromein-peisegesetz, Kraft-Wärme-Kopplung und Ihr Dosen-fand werden Hoffnungen und Perspektiven zerstört.
n meinem Wahlkreis beträgt die Arbeitslosenquote1,6 Prozent. Nur die Glasindustrie war im Frankenwaldin starker Arbeitgeber. Die Ökosteuer ist für diesen
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004 8873
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Hans MichelbachSektor eine erhebliche Belastung. Jetzt gefährden Siealso auch noch die Arbeitsplätze in diesem Bereich.Obwohl in den dortigen mittelständischen Glaswer-ken über 30 Millionen Euro in den Umweltschutz inves-tiert wurden und technisch keine Reduzierungen mehrmöglich sind, sollen Betriebe wie Wiegand-Glas, Heinz-Glas und die Tettauer Glaswerke jetzt noch mehr belastetwerden. Die entsprechenden Firmen rechnen pro Kalen-derjahr mit einer Zusatzbelastung in Höhe von bis zu100 000 Euro. Allein diese Belastung ist bereits größerals die im Moment zu erzielende Umsatzrendite. Es kanndoch nicht sein, dass Sie die Unternehmen, die investie-ren, jetzt bestrafen. Dadurch schaffen Sie für unsereWirtschaft keine Grundlage und keine Planungssicher-heit.
Ziel muss es sein, die zusätzlichen Belastungen inAnbetracht des starken Kosten- und Innovationsdrucks,unter dem die Unternehmen durch den harten Wettbe-werb stehen, gering zu halten. Eine zu starke Verknap-pung der Emissionshandelszertifikate schmälert dieWachstumschancen unserer Unternehmen. Es darf inDeutschland keine Wettbewerbsverzerrungen durch ein-zelne Steuer- und Abgabenmaßnahmen mehr geben,weil wir sonst letzten Endes die Zeche zahlen.Herr Trittin, zum Abschluss sage ich Ihnen: Ich weiß,wie wir den CO2-Ausstoß schnell verringern könnten.Bei all der heißen Luft, die von der Bundesregierung inden letzten Jahren produziert wurde, könnte der CO2-Ausstoß um mehr als die erforderliche Menge gesenktwerden, wenn die Bundesregierung ihren Wählerauftragzurückgibt.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Winfried Hermann
vom Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Pa-trioten und Antikommunisten!
Ich war heute wirklich gespannt, was uns die CDU/CSUund die FDP präsentieren. Sie wollten uns vorführen,
dass wir in den Bereichen Klimaschutz, Emissionshan-del und Ökosteuer unterschiedliche Meinungen haben.
DngtkAWdvsCgsDwDivWdudng–TKSSwmgwsb
ber was haben wir gehört?
ir haben Ihren Hardcore-Patriotismus gehört;
enn Ihr Motto lautet: Ich bin ein großer Ökonom – ichertrete die Wirtschaftsinteressen. Als wäre das alleinchon Ökonomie bzw. Wirtschaftspolitik!Von Herrn Pfeiffer haben wir gehört, dass eigentlichhina das größte Problem ist und dass wir alle Anstren-ungen, die wir in diesem Bereich unternehmen, verges-en können und praktisch gar nichts zu tun brauchen.enn solange sich China nicht bewegt, brauchen auchir nicht zu handeln.
ann war da noch die Rede des Kollegen Paziorek, dermmerhin ein Stück weit ökologisch argumentiert hat.Warum sage ich Ihnen das? Ich werfe Ihnen gar nichtor, dass Sie unterschiedliche Positionen haben.
as aber deutlich wird, ist, dass auch Sie als Volksparteiie unterschiedlichen Interessenslagen in der Umwelt-nd der Klimaschutzpolitik repräsentieren und ebensoie bestehenden Widersprüche aufzeigen. Tun Sie alsoicht so scheinheilig, als gebe es sie nur bei uns; denn esibt sie auch bei Ihnen.
Kollege Paziorek, auf der Oppositionsbank ist in derat gut pupsen. Aber aus Ihren Beiträgen ist noch keinonzert geworden.
ie geben ja ganz offen zu, dass Sie in Ihrer Fraktionchwierigkeiten mit ökologischen Positionen haben,eil sich in der CDU/CSU-Fraktion als Leitbild immerehr ökonomische Argumente durchsetzen.Was war denn das, was wir zum Schluss vom Kolle-en Michelbach gehört haben? – Angeblich war alles,as Rot-Grün gemacht hat – übrigens Konzepte und In-trumente, die auch Sie heute gelobt und vertreten ha-en: ökologische Steuerreform und Emissionshandel –,
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Winfried Hermannangesichts der internationalen Konkurrenz nur eine Be-lastung für die Wirtschaft.
– Das sind doch die völlig falschen Fragen!Meine Damen und Herren, das Problem ist doch nichtnur, dass wir zu hohe Kosten in Deutschland haben.
Das Problem ist, dass die deutsche Wirtschaft zwar seitJahren – um nicht zu sagen: seit Jahrzehnten – immerwieder das Jammerlied von den hohen Arbeitskostensingt, im Bereich der Materialeffizienz und der Energie-effizienz aber schläft
und keine innovativen Konzepte hat. Genau so tragenSie – langsam Ihre ganze Fraktion – es langsam unge-brochen vor, nach dem Motto: Ökologie ist eigentlichvon gestern, heute schadet sie der Wirtschaft.
– Doch, wenn man es im Kern nimmt!Es ist doch ein Pseudobekenntnis, zu sagen „Wirsind für den Emissionshandel“, aber dann lauter Argu-mente aufzuführen, um den Emissionshandel infrage zustellen, einerseits nach ökonomischen, marktwirtschaft-lichen Instrumenten zu rufen, andererseits aber alles,was in dem Bereich auf den Tisch kommt, infrage zustellen. Deswegen finde ich Ihre Argumentation ziem-lich scheinheilig. Letztendlich geben Sie den Interessender Ökonomie Vorrang vor denen der Ökologie, ob-wohl Sie zahlreiche anders gelagerte Reden gehaltenhaben. Wenn man auf Ihren Homepages und Websitesherumsurft, findet man – Kollege Kelber hat es gesagt –genügend Beispiele, dass Sie nach außen das Gegenteilbehaupten.Warum ist dieser Weg der falsche? Ich glaube, wirmüssen endlich von diesen falschen, alten Bildern weg-kommen. Wir müssen klarmachen, dass wir für die deut-sche Wirtschaft ein Modernisierungskonzept aufstellen,und zwar ein ökologisches Modernisierungskonzept, da-mit der Verbrauch von Energie und damit die entspre-chenden Kosten sinken. Das schaffen wir nur durchInstrumente wie den Emissionshandel oder die ökologi-sche Steuerreform oder auch durch das Gesetz zur För-derung der erneuerbaren Energien. All diese Maßnah-men haben nur ein einziges Ziel: der deutschenWirtschaft den dringend benötigten Anreiz zu geben, invielen Bereichen ihrer Produktion weniger Material undEnergie zu verbrauchen
und so die Kosten zu senken. Das ist die richtige Strate-gie: Kosten senken durch Energieeffizienz und Mate-rPBMdUdsgDldwKzsdDwhsKBseINsdvmJdKMtPu
Das Wort hat jetzt die Kollegin Petra Pau.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!innen weniger Wochen debattieren wir nun zum drittenal über das Thema Emissionshandel. Noch länger hälter Streit zwischen Wirtschaftsminister Clement undmweltminister Trittin an. Inzwischen droht sogar bei-en ein Machtwort von Kanzler Schröder. – Ich habechon Wetten abgeschlossen, zu wessen Gunsten es aus-ehen wird.
eshalb möchte ich heute daran erinnern, worum esetztlich geht, nämlich um die schlichte Frage, ob wir derrohenden Klimakatastrophe noch entkommen oder obir die Umwelt weiter überbelasten; das ist der Kern derontroverse, alles andere sind Nebenschauplätze.
Nun wissen wir – auch aus anderen Auseinanderset-ungen –, dass Wirtschaftsminister Clement zuweilenehr einseitig handelt. Ich erinnere nur an die Ausbil-ungsplatzabgabe: Er rennt gegen Sie an, wie weilandon Quichotte gegen Windmühlen. Dasselbe erlebenir nun beim Klimaschutz.Wir erleben auch die negativen Seiten des Umwelt-andels: einen Riesenschacher um gewinnträchtige Ver-chmutzungsrechte. Wir erleben auch Neuauflagen imonkurrenzkampf „Ost gegen West“, bei dem die neuenundesländer übrigens zu Recht darauf verweisen, dassie bisher die Hauptleistung im deutschen Klimaschutzrbracht haben.Obendrein reden wir über die Selbstverpflichtung derndustrie, ihren CO2-Ausstoß drastisch zu senken. Dieormalbürgerinnen und -bürger werden über die Öko-teuer und andere Abgaben längst abkassiert, währendie großen, industriellen Abgaserzeuger noch immer pri-ilegiert werden.
Abschließend, liebe Kolleginnen und Kollegen,öchte ich daran erinnern, dass der Bundeskanzler dasahr 2004 zum „Jahr der Innovation“ erklärt hat. Sollteies ernst gemeint sein, dann müsste das auch für denlimaschutz gelten. Der Bundeskanzler müsste seinachtwort darauf ausrichten, dass es zu einer konzer-ierten Aktion zwischen Wirtschaft, Wissenschaft undolitik kommt, um den CO2-Ausstoß drastisch zu senkennd so die drohende Klimakatastrophe tatsächlich zu
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004 8875
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Petra Pauverhindern. Ein solches Machtwort würde uns allen, vorallem aber der Umwelt gut tun.Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Kollege Michael Müller von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! HerrPaziorek, ich habe im Vorfeld dieser Debatte die Proto-kolle unserer Diskussion über Klimaschutz aus demJahr 1990 gelesen. Wenn man die damalige Diskussionmit der aktuellen Diskussion vergleicht, kann man nurerschrocken sein, wie wenig von der damaligen Einig-keit übrig geblieben ist. Das ist wirklich schockierend.Damals hat das Parlament einstimmig beschlossen,den Ausstoß in den alten Bundesländern um 30 Prozentzu senken; in den neuen Bundesländern sollte der Pro-zentsatz sehr viel höher sein. Darüber hinaus sollte– auch das ist einstimmig beschlossen worden – eineRestverschmutzungsabgabe eingeführt werden. Wennman sich heute Ihre Diskussionsbeiträge angehört hat,dann kann man nur sagen: So grandios war die Vergess-lichkeit noch nie!
Herr Paziorek, ich verstehe, dass wir angesichts derschwierigen wirtschaftlichen Bedingungen heute nichtmehr so laut über Prozentsätze von 25 und 30 Prozentsprechen.
– Ich habe sie nicht aufgegeben, und zwar weil eine Re-duktion in dieser Höhe notwendig ist. Ich weiß nur, dasssolche Prozentsätze unter den momentanen wirtschaftli-chen Bedingungen nicht zu realisieren sind. Es ist nichtso einfach, wie Sie sich das machen.Ich will Ihnen die damalige Situation schildern undSie auf die Größenordnung der Aufgabe, vor der wir ste-hen, hinweisen. Wir haben in der Enquete-Kommissionüber ehrgeizige Ziele diskutiert, die in der Bundesrepu-blik und in vergleichbaren Ländern erreicht werden soll-ten. In der Bundesrepublik war es eine Reduktion um30 Prozent, in anderen Industrieländern beispielsweiseum 25 Prozent. Das Ergebnis der damaligen Studie war,dass selbst wenn wir diese Ziele durchsetzen würden,wir bei weitem die Erdatmosphäre nicht stabilisierenkönnten. Dabei ist das das eigentliche Ziel.duSrswWuMdewewufktDddBdasEesis–evgwd
ie skandalisieren jeden Punkt. Wenn Sie glauben, da-aus Vorteile ziehen zu können, täuschen Sie sich. Ange-ichts der Art und Weise, wie dieses Thema diskutiertird, verlieren wir alle.
enn wir nicht ein Mindestmaß an Selbstbewusstseinnd Geschlossenheit bei dieser Herausforderung für dieenschheit zeigen, dann verlieren wir alle. Sie könnenaraus keinen parteipolitischen Vorteil ziehen; das istine Illusion. Die Politik und die Demokratie insgesamtürden sonst verlieren.
Wie sehen heute die Ausgangsbedingungen aus? Zuminen müssen wir das Ziel unter sehr viel schwierigerenirtschaftlichen Bedingungen erreichen. Wir befindenns in einer Situation, in der die Ungleichheit von vielenür kurzfristige Vorteile ausgenutzt wird; das ist gareine Frage.Zum anderen haben sich die wissenschaftlichen Fak-en seit 1990 weiter verdichtet.
er Kenntnisstand ist nicht schlechter geworden, eheras Gegenteil ist der Fall. Es gab beispielsweise folgen-en denkwürdigen Fall: Der Präsident der USA, Herrush, hat gesagt, das, was das IPCC, also das Gremiumer Vereinten Nationen, zum Klima veröffentliche, seilles Quatsch. Er hat die Akademie der Wissenschafteneines Landes beauftragt, das zu prüfen. Sie kam zu demrgebnis, die Einschätzung der Vereinten Nationen seiher konservativ gerechnet, es könne noch sehr vielchlimmer kommen.Vor diesem Hintergrund sollte unsere Kreativität hiern diesem Saal darauf gerichtet sein, wie wir unter denchwierigen wirtschaftlichen Bedingungen – –
Nicht nur in Deutschland. Aber ohne Deutschland wirds nicht gehen. Sie haben nicht begriffen, dass wir in denergangenen Jahren weltweit eine ganz wichtige Rolleespielt haben,
eil wir mehr gemacht haben als andere Länder. Wennas Engagement der Bundesrepublik abbrechen würde,
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8876 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 99. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 24. März 2004
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Michael Müller
wäre die Wirkung fatal. Es wäre viel fataler, als wenndas in anderen Ländern geschehen würde.
Das ist leider so. Es ist deswegen eine sehr interessanteFrage, was wir tun können, damit andere Länder das,was in der Bundesrepublik gemacht wird, nachmachenund sich nicht, wie einige EU-Mitglieder, vor den not-wendigen Aufgaben drücken. Diese Debatte fände ichsehr interessant.
Wie schaffen wir es, dass hierbei alle gleich handeln?Dadurch würde ein Teil der Schwierigkeiten, die dasWirtschaftsministerium hat, beseitigt werden.Eines ist aber klar: Wer die Klimafrage ernst nimmtund gleichzeitig für Innovationen in diesem Bereich ein-tritt, der kommt nicht daran vorbei, dass tief greifendeVeränderungen im Verhältnis von Ressourceneinsatz, In-dustrialisierung und wirtschaftlicher Entwicklung erfor-derlich sein werden. Jeder, der in der Öffentlichkeitetwas anderes behauptet, lügt und macht der Öffentlich-keit etwas vor. Das wollen wir nicht.Deshalb ringen wir lieber um den besten Weg und wirwerden es schaffen. Das ist der Unterschied zwischenuns: Wir ringen, Sie ringen nicht einmal.
Als letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde hat der
Kollege Kurt-Dieter Grill von der CDU/CSU-Fraktion
das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Am Schluss haben wir wieder das erlebt, was wirbei Herrn Müller immer erleben: Er hat uns eine morali-sche Botschaft mit auf den Weg gegeben. Herr Müller, esist im Grunde genommen immer wieder das Gleiche. Siesind in Europa kläglich damit gescheitert, dass sich allean der Politik Deutschlands ausrichten sollen.
– Das haben Sie gerade eben hier vorgetragen. Ich binnoch bei Trost.
Daneben – das erklären Sie in aller Regel; es ist auchnicht neu – beklagen Sie sich darüber, dass die Opposi-tion in Anbetracht eines fundamentalistischen Streites inder Regierung hier über Ihr Konzept redet. Ich glaube,Sie sind der Meinung, dass man einem Hund eine Wursthinlegen kann, er sie nicht essen darf und auch noch frei-willig darauf verzichtet.WmcdPuSswpSmhhageWTkheslWaframD
enn die Opposition im Bundestag einen solch funda-entalen Streit in der Regierung nicht zum Thema ma-hen darf, frage ich Sie: Wann sollten wir das dann tun?
Wir müssen dies schon deswegen tun, weil das, waser Minister hier vorgetragen hat, nämlich dass er denlan diesem Parlament eigentlich vorlegen wollte, vornend hinten nicht stimmt.
ie wollten den Nationalen Allokationsplan nach Brüs-el geben und dann im Parlament beraten,
ohl wissend, dass Einwendungen der Opposition dannraktisch nicht mehr berücksichtigt werden können.
ie sehen an dieser Stelle überhaupt keine Veranlassung,it irgendeinem Konzept zu kommen. Die Oppositionat die Aufgabe, die Regierung zu kritisieren, und Sieaben auch heute genug Anlass für fundamentale Kritikn dem Chaos in der Klimapolitik dieser Regierung ge-eben.
Da Ihnen nichts Besseres einfällt, haben Sie das zuinem geradezu sagenhaften Ringen um den richtigeneg umgedeutet.
atsache ist, dass Sie – verborgen vor der Öffentlich-eit – auch mit der deutschen Wirtschaft irgendwo ver-andelt und bis zuletzt gewartet haben. Sie haben diesesinschneidende Instrument nicht öffentlich beraten undich nicht um ein transparentes Verfahren in diesem Par-ament bemüht. Das ist der Punkt.
enn ich im kelberschen Stil
rgumentieren würde, würde ich sagen: Die Beschimp-ung der Opposition ersetzt nicht das Konzept der Regie-ung.
In dem Sinne will ich Ihnen, Herr Loske, und allennderen, die das vorgetragen haben, zur CO2-Emissions-inderung im Verkehrsbereich sagen: Wenn wir ineutschland die Wachstumsraten hätten, die wir für die
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Kurt-Dieter GrillWirtschaft und die Schaffung von Arbeitsplätzen brau-chen, dann würden wir über ganz andere Zahlen in die-sem Lande reden. Das, was Sie hier als Erfolg vortragen,ist zum Teil der miserablen wirtschaftlichen Entwick-lung dieses Landes geschuldet.
Ich will darauf hinweisen, dass das, was Herr Staffelthier vorgetragen hat – er sprach von der Vorreiterrolle;Sie alle haben das auch mehr oder weniger betont –, garnicht infrage steht.
Es geht doch gar nicht um die Vorreiterrolle. Herr Loskehat gesagt, es gehe um die Harmonisierung in Europa,bisher nur stolze Ziele verkündet haben und diese in einerSituation nicht erreichen, in der es in Deutschland wirk-lich auf Spitz und Knopf um die wirtschaftliche Ent-wicklung, Arbeitsplätze und Umwelt steht.
Herr Trittin hat am Schluss seiner Rede erklärt, dieEU-Kommission habe ausgerechnet, dass es bis 2010eine Kostensenkung um 35 Prozent geben werde. Dazukann ich nur sagen: Der Wettbewerbsrat der EU hat am11. März dieses Jahres für den Gipfel am 25./26. März,also an diesem Wochenende, mit Zustimmung der Bun-desregierung eine Vorlage erarbeitet. Darin heißt es, dasssich der Rat mit den Auswirkungen des Emissionshan-dels auf die Wettbewerbsfähigkeit Europas im globalenKontext beschäftigen solle. Er möge darauf achten, dasssich die Energiepreise nicht wettbewerbsfeindlich entwi-ckeln.und Herr Müller hat von 1990 gesprochen. Wir könntenüber die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im Verhält-nis zu den anderen Ländern Europas – gar nicht im glo-balen Maßstab – ganz anders reden, wenn alle unsereeuropäischen Nachbarn – dabei brauchen wir HerrnBush nicht als Buhmann; Herr Clinton hat in diesemPunkt übrigens nicht anders gehandelt – das, was wir unsals gemeinsames europäisches Ziel vorgenommen ha-ben, eingehalten hätten.
Sie kennen doch die Zahlen genauso gut wie ich. Deswe-gen ist die Harmonisierung an dieser Stelle das letzteMittel, um diejenigen in Europa mit ins Boot zu holen,die bisher nicht gehandelt haben. Aber das, was Sie hiervortragen, führt nicht dazu, dass in Europa auf gleicheWeise umgesetzt wird. Es geht auch nicht um die Frage:Emissionshandel, ja oder nein? Es geht um die Rahmen-bedingungen, die Sie für den Emissionshandel setzen,und um die sekundären Ziele, die Sie verfolgen.Zwei Punkte. Erstens. Wir streiten mit Ihnen darum,dass Sie dieses Parlament bei einem so maßgeblichenGesetz und einem solchen Eingriff in das Eigentum nichtin der Form beteiligen, wie es ihm von Rechts wegen zu-steht. Zweitens. Wir streiten mit Ihnen darum, dass SieGsbKod9
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Donnerstag, den 25. März 2004,
Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.