Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! DieSitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, entsetzt und fas-sungslos haben wir gestern die Nachrichten vernommen,dass in Madrid eine ganze Serie von Bombenanschlä-gen auf Vorortzüge und Bahnhöfe immer mehr Men-schen – Männer, Frauen und auch Kinder – verletzte undin den Tod riss. Noch lassen sich über die Mörder, diediese Anschläge planten und verübten, nur Vermutun-gen anstellen und noch immer herrscht keine endgültigeKlarheit über die Zahl der Opfer. Es sind bisher fast200 Tote und etwa eineinhalbtausend Verletzte – einefurchtbare Tragödie. Allen, allen gilt unser Mitgefühlund unser Beileid.Das müssen wir begreifen: Zum ersten Mal trifft eineterroristische Attacke dieses Ausmaßes ein Land der Eu-ropäischen Union. Der Terrorismus rückt näher; denndiese wahnsinnigen Anschläge sollten unmittelbar dasAlltagsleben der Menschen einer der großen HauptstädteEuropas treffen. Diese Anschläge und ihre Urheber zie-len auf das ganze spanische Volk und damit auf uns allesugIRedetin Europa. Das sollte und das muss uns einigen in Ab-scheu und Abwehr gegenüber dem Terrorismus. Wir ste-hen an der Seite des spanischen Volkes und des spani-schen Parlaments.Jetzt geht es darum, die europäische, die menschlicheZivilisation gegen terroristische Mörder zu verteidigen,die – mit welchem Ziel und mit welcher Begründungauch immer – nicht davor zurückschrecken, den Alltagin ein Schlachtfeld zu verwandeln. Der Deutsche Bun-destag und die Bürgerinnen und Bürger ganz Deutsch-lands empfinden für die Hinterbliebenen der Opfer tiefesMitgefühl. Unsere Gedanken sind bei denen, die mit ih-ren schweren Verletzungen in den Krankenhäusern be-handelt werden.Exzellenz, Herr Botschafter Rodriguez-Smöchte Sie von dieser Stelle aus bitten, für
gierung eingebrachten Entwurfs eines Telekom-munikationsgesetzes
– Drucksachen 15/2316, 15/2345 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für Wirtschaft und Arbeit
– Drucksachen 15/2674, 15/2679 –Berichterstattung:Abgeordnete Hubertus HeilDr. Martina KrogmannMichaele HustedtRainer Funkeb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-extrichts des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit
zu dem Antrag der Abgeordneten
Dr. Martina Krogmann, Dagmar Wöhrl, Karl-Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und derFraktion der CDU/CSUMehr Wettbewerb, Wachstum und Innova-tion in der Telekommunikation schaffen– Drucksachen 15/2329, 15/2674, 15/2679 –Berichterstattung:Abgeordnete Hubertus HeilDr. Martina KrogmannMichaele Hustedtunkeei Änderungsanträge und ein Entschlie-r Fraktion der FDP vor.piteri, ich die Men-Rainer FEs liegen zwßungsantrag de
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Präsident Wolfgang ThierseNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinenWiderspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Parlamen-tarischen Staatssekretär Ditmar Staffelt das Wort.D
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Mit der heute anstehenden Verabschiedung desTelekommunikationsgesetzes findet ein Vorhaben seinenvorläufigen Abschluss, das für den WirtschaftsstandortDeutschland von überragender Bedeutung ist.
Mit dem Telekommunikationsgesetz wird ein in weitenTeilen neuer Ordnungsrahmen für die Telekommunikati-onsbranche vorgelegt. Die Spanne der Regelungen reichtvon der Preis- und Wettbewerbsregulierung über Fragender Sicherung der Grundversorgung mit Telekommuni-kationsdienstleistungen, des Verbraucher- und Daten-schutzes, Fragen der Nummern- und Frequenzverwal-tung bis hin zur Telekommunikationsüberwachung.Die Bedeutung der Telekommunikationsbranchelässt sich zum einen sicher am Gesamtumsatz und an denBeschäftigungszahlen ablesen. Im Jahre 2003 erzieltendie Netzbetreiber und TK-Diensteanbieter einen Umsatzvon deutlich mehr als 60 Milliarden Euro. Mehr als220 000 Menschen waren in diesem Markt beschäftigt.Viel wichtiger als diese Zahlen ist aber die Bedeutungdieser Branche für die gesamtwirtschaftliche Entwick-lung in Deutschland. Die Telekommunikation ist we-sentlicher Bestandteil der Infrastruktur unseres Landesund hat deshalb Ausstrahlung auf alle Wirtschaftsberei-che.Vor diesem Hintergrund ist es unser Ziel, dass diedeutsche Telekommunikationsbranche leistungsstarkbleibt und ihre hohe Innovationskraft weiter ausbaut.
Wir wollen, dass Deutschland im weltweiten Wettbe-werb besteht und einer der führenden Telekommunikati-onsstandorte weltweit ist; darauf zielt unsere Telekom-munikationspolitik. Dieses Ziel lässt sich am besten imWettbewerb erreichen, der wiederum gewisse staatlicheEingriffe in Form einer sektorspezifischen Regulierungbenötigt.Wir haben in den letzten Jahren mit einer wettbewerbs-orientierten Telekommunikationspolitik im Interesse derWirtschaft und insbesondere der Verbraucher außeror-dentlich viel erreicht. Die massiven Preissenkungen imBereich der Festnetztelefonie haben in den letzten Jahrendie Kommunikationskosten von Unternehmen deutlichgesenkt und den privaten Haushalten Einsparungen inMilliardenhöhe gebracht. Als Folge der Wettbewerbsin-tensivierung in der Telekommunikation ist die Internet-nutzung geradezu explodiert: Heute nutzen rund60 Prozent der Erwachsenen in unserem Lande das In-tlälguoPsdzbdTGpwnEhmstgiV9dndgkwzdtWtglgtMgsßCwad
ir haben nicht nur die Richtlinienvorgaben in vernünf-iger Weise umgesetzt, sondern auch sehr genau daraufeachtet, dass den tatsächlichen Wettbewerbsentwick-ungen wie auch dem konkreten Regulierungsbedarf an-emessen Rechnung getragen wird. Ich denke, dass diesrotz Kritik an einzelnen Punkten von den allermeistenarktbeteiligten und auch in weiten Teilen der Politik soesehen wird.Auch wenn jetzt noch ein paar Punkte umstritten sind,ollten wir die erzielten Übereinstimmungen nicht au-er Acht lassen. Wir haben uns den Antrag der CDU/SU-Fraktion sehr genau angeschaut und festgestellt,ie viele Übereinstimmungen es in der Zwischenzeituch mit Blick auf Ihre Fraktion gegeben hat. So sind inem TKG-Entwurf die Forderungen nach einer entschie-
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)Parl. Staatssekretär Dr. Ditmar Staffeltdenen Ex-ante-Regulierung von Vorleistungen, einerchancengleichen Behandlung von Infrastruktur- undDienstewettbewerb im Festnetz und im Mobilfunk, ei-nem Konsistenzgebot für die Entgeltregulierung, einereffektiven Sanktionsmöglichkeit bei missbräuchlichemVerhalten und einer Vermeidung von Überregulierungim Mobilfunk und auf neuen Märkten enthalten.Hier wurden meines Erachtens bereits mit dem Regie-rungsentwurf vom 15. Oktober 2003 ganz wesentlicheÜbereinstimmungen hergestellt; andere Punkte wurdenim Anschluss an die Bundesratsstellungnahme klarer ge-fasst. So wird die Frage, welche Bereiche der sektorspe-zifischen Regulierung unterliegen und welche dem all-gemeinen Wettbewerbsrecht, nun ausschließlich anhandder in der EU-Kommissionsempfehlung enthaltenen Kri-terien geprüft.Der umstrittene Begriff des funktionsfähigen Wettbe-werbs wird im Telekommunikationsgesetz nicht mehrverwendet. Durch die Neufassung der §§ 18 bis 20 – hiergeht es um die Vorleistungsregulierung – wird deutlicherals bisher herausgestellt, dass die Regulierungsbehördeeinen großen Ermessensspielraum hinsichtlich der Regu-lierungsintensität hat. Die Inkassovorschrift wurde inden letzten Tagen aufgrund eines Kompromisses derMarktparteien neu gefasst. Aufgenommen wurde die sogenannte Gleichzeitigkeitsregel, die sicherstellt, dassdas marktmächtige Unternehmen Wettbewerbern we-sentliche Vorleistungen rechtzeitig zur Verfügung stellt,spätestens mit Einführung eigener Endkundenprodukte.Klargestellt wurde weiter, dass das Initiativrecht für kon-krete Entgeltanträge im Fall der Auferlegung von Tarif-systemen durch die Regulierungsbehörde weiterhin beimregulierten Unternehmen verbleibt.Sicher, es gibt einige nicht berücksichtigte Vor-schläge, zum Beispiel bezüglich der Antragsrechte, derMehrerlösabschöpfung und der Gerichtszuständigkeiten.Gleichwohl glaube ich, dass wir uns am Ende unsererDiskussionen außerordentlich nahe gekommen sind. Ichwünsche mir sehr, dass die Opposition den entscheiden-den Schritt macht und einem in sich guten Gesetz ihreZustimmung nicht verwehrt.
Sie sollten diese Entscheidung treffen. Ich denke, siewürde dem Wirtschaftsstandort Deutschland und der ge-samten außerordentlich zukunftsorientierten Branche– das habe ich vorhin geschildert – mehr als helfen. Ichbitte Sie, dies noch einmal sehr intensiv zu reflektieren.Schönen Dank.
Ich erteile Kollegin Martina Krogmann, CDU/CSU-
Fraktion, das Wort.
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azu kann ich nur sagen: Diese Mittelmäßigkeit ist nichtnser Anspruch.
ir wollen ein gutes Gesetz, von dem ein klares Signalür Wettbewerb ausgeht.
as schaffen Sie mit diesem Gesetz ausdrücklich nicht.eshalb können wir ihm nicht zustimmen.
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für Wettbe-erb sind klare Regeln. Auf diese klaren Regeln in ei-em neuen Telekommunikationsgesetz warten die Un-ernehmen jetzt seit einem Jahr. Ein Jahr lang haben Sieur diskutiert und dabei sogar die Frist der EU verstrei-hen lassen. Wenn Ihnen die Branche wirklich so wich-ig wäre, wie Sie das gerade behauptet haben, dann hät-en Sie schnell Rechtssicherheit schaffen müssen.
tattdessen haben Sie in der Branche, in der zehn Mo-ate wie zehn Jahre wirken, kostbare Zeit einfach ver-eudet.
In der vergangenen Woche ist bei Ihnen dann finaleektik ausgebrochen.
n den letzten fünf Tagen erschienen drei Synopsen miteweils 150 Seiten, wobei eine Änderung die nächsteagte. Herausgekommen ist ein unausgegorenes Gesetz,urch das der Wettbewerb behindert wird. Deshalb leh-en wir dieses Gesetz ab.
ir wollen ein Gesetz, das Monopole knackt, Wettbe-erb stärkt und Regulierung so schnell wie möglichberflüssig macht.
Die Telekommunikationsbranche ist von zentraler Be-eutung für unsere gesamte Volkswirtschaft. Sie istachstumsmotor und Treiber für Innovationen.
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Dr. Martina Krogmann350 000 Menschen arbeiten in diesem Sektor. Er er-streckt sich vom Bereich Festnetz über die Bereiche Mo-bilfunk, Multimedia und Internet bis hin zum kleinstenSoftwareunternehmen, das Klingeltöne für Ihre Handysentwickelt. Das TKG betrifft sie alle.Im vergangenen Jahr sind allein im engeren Bereichder Telekommunikation 64 Milliarden Euro umgesetztworden. Jetzt stehen weitere Investitionen in Milliar-denhöhe an. Denken wir an den Breitbandbereich oderan neue Mobilfunksysteme. Deshalb brauchen wir ge-rade in der jetzigen wirtschaftlichen Situation ein Tele-kommunikationsgesetz, von dem ein klares Signal fürWettbewerb, Investitionen und Innovationen ausgeht.
Dabei müssen wir zwei Märkte im Blick haben, dendeutschen Markt und den internationalen Markt.
Ziel auf dem deutschen Markt ist es, so schnell wie mög-lich den Übergang vom ehemaligen Monopol zum nach-haltigen Wettbewerb zu schaffen.
Wettbewerb nützt allen, nicht als Selbstzweck oder alsZiel an sich, sondern als das beste Instrument in unserersozialen Marktwirtschaft, um Dynamik zu erzeugen, In-novationen zu fördern und vor allem für den Verbraucherdie besten Produkte zu den günstigsten Preisen herzu-stellen.
Der andere Markt, den wir betrachten müssen, ist derinternationale, der globale Markt. Nur ein deutschesUnternehmen ist ein Globalplayer, die Telekom. Natür-lich dürfen wir diesem Unternehmen nicht durch natio-nale Gesetze Fesseln anlegen, die andere Unternehmenauf den Weltmärkten nicht haben. Wir müssen unseremGlobalplayer im internationalen Wettbewerb faire Chan-cen erschließen.
Für ein gutes Telekommunikationsgesetz müssen wirstets beide Märkte im Blick haben. Wir wollen starkeUnternehmen, die investieren und Arbeitsplätze schaf-fen. Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung kön-nen wir diese Ziele nicht erreichen. Der Gesetzentwurfist unausgegoren und behindert Wettbewerb.
Ich will unsere Hauptkritikpunkte nennen. Als Erstesmöchte ich den mangelnden Rechtsschutz für kleinereund neue Unternehmen anführen. Kleine Unternehmenmüssen die Chance erhalten, sich gegen Wettbewerbs-verzerrungen und unfaire Praktiken wehren zu können.DbzddDWmDwweWAEEdsvADsHAihIAkGdtMP
eshalb müssen wir ihnen so etwas wie ein Klagerechtei der Regulierungsbehörde geben, um Verfahren ein-uleiten. Die Bundesregierung will, dass die Einleitungieser Wettbewerbskontrolle ausschließlich im Beliebenes Regulierers steht.
as ist aus unserer Sicht ein falscher und gefährlichereg.
Stellen Sie sich vor, Sie haben ein kleines Unterneh-en und bemerken, dass ein Marktbeherrscher mitumpingpreisen auf den Markt drängt. Laut Gesetzent-urf müssen Sie dies hinnehmen und warten, ob undann die Regulierungsbehörde dies prüft und eventuellinschreitet.
ir fordern zur Stärkung des Wettbewerbs zwingendntragsrechte für Unternehmen bei Marktmissbrauch.s kann doch nicht sein, dass Unternehmen dem purenrmessen der Regulierungsbehörde auf Gedeih und Ver-erb ausgeliefert sind und sogar tatenlos zusehen müs-en, wenn ihr eigenes Unternehmen wettbewerbswidrigom Markt gefegt wird.
Eigentlich sollte man meinen, die Gewährung vonntragsrechten sei eine Selbstverständlichkeit.
as war es auch, bis der Gesetzentwurf das Bundeswirt-chaftsministerium verließ und unserem Finanzminister,errn Eichel, in die Hände fiel. Er hat kurzerhand dientragsrechte herausgestrichen, die von Herrn Clementm Gesetzentwurf richtigerweise ausdrücklich vorgese-en waren.
ch finde es tragisch, dass der Finanzminister als größterktionär der Telekom die Grundrichtung unserer Tele-ommunikationspolitik bestimmt.
ute Wirtschaftspolitik hat sich an den Erfordernissenes Marktes zu orientieren, nicht an den Begehrlichkei-en unseres Finanzministers.
Wir fordern effektive Sanktionsmöglichkeiten beiissbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Für diereise, die wir für Telekommunikationsdienstleistungen
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Dr. Martina Krogmannzahlen, also für das Telefonieren und das Surfen im In-ternet, soll die Vorabregulierung weitestgehend entfal-len. Wir unterstützen das. Regulierung muss da, wo esmöglich ist, wegfallen. Wir wollen keine Überregulie-rung. Damit aber der Wettbewerb gestärkt wird, brau-chen wir scharfe Sanktionsmechanismen. Ein marktbe-herrschendes Unternehmen darf erst gar nicht auf dieIdee kommen, einen Mitbewerber vom Markt zu drän-gen. Das heißt, wer seine Marktmacht missbraucht, darfdafür finanziell nicht auch noch belohnt werden.Die Sanktionsmechanismen, die die Bundesregierungvorsieht, sind unzureichend. Sie laden marktbeherr-schende Unternehmen geradezu ein, sich missbräuchlichzu verhalten. Wir fordern, dass alle missbräuchlich er-wirtschafteten Erlöse zwingend und rückwirkend abge-schöpft werden. Außerdem müssen die Bußgelder sohoch angesetzt werden, dass sie tatsächlich abschre-ckend wirken. Wir wollen Marktmissbrauch von vorn-herein unterbunden wissen.
Wir brauchen eine faire Balance zwischen Infra-struktur und Dienstewettbewerb. Der Gesetzgeberdarf sich nicht zum Richter über bestimmte Geschäfts-modelle machen. Das entscheidet allein der Markt. Klarist: Infrastrukturinvestitionen sind die Voraussetzung fürWettbewerb und technologische Innovation. Dort, wo In-frastrukturinvestitionen volkswirtschaftlich keinen Sinnmachen, also in der Fläche, müssen die Voraussetzungenfür Dienstewettbewerb geschaffen werden.Auch nach sechs Jahren Liberalisierung hält die Tele-kom immer noch 95 Prozent aller Anschlüsse. Wettbe-werb findet hier praktisch nicht statt. Das ist nicht dieSchuld der Telekom, sondern das ist unser Versäumnis.Wir haben es als Gesetzgeber in der Hand, die Weiter-vermietung der bestehenden Anschlüsse gesetzlich zuregeln und so auch bei den Anschlüssen Wettbewerb zuermöglichen. Das Instrument dafür heißt Resale.
Resale ist die Möglichkeit, Anschlüsse der Telekom zueinem von der Regulierungsbehörde festgelegten Preiszu mieten und an eigene Kunden zusammen mit anderenDienstleistungen weiterzuverkaufen. Das ist also einganz normaler wirtschaftlicher Vorgang. Entscheidendist natürlich der Preis.
Der Preis muss so festgesetzt sein, dass Anreize für In-vestitionen in Infrastruktur erhalten bleiben.
Wenn das sichergestellt ist, haben wir Wettbewerb aufallen Wertschöpfungsstufen, sowohl im Infrastrukturbe-reich als auch im Dienstebereich.
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ie kennen das: Sie sind im Baumarkt und brauchen ei-entlich nur eine einzige Schraube, müssen aber gleichas ganze Sortiment kaufen. Da wird das Schräubchenanchmal ganz schön teuer.
ie Bundesregierung aber will so ein Sortiment. Sieill, dass Unternehmen, die nur den Anschluss kaufenollen, zwangsweise etwas dazukaufen müssen, was sieicht wollen, weil sie es schon haben. Da kann ich nuragen: Mit einer solchen Wettbewerbsphilosophie wer-en wir nie weiterkommen. Wir brauchen aber endlichettbewerb auch bei den Anschlüssen.
Einige Verbesserungen gibt es in Ihrem Gesetzent-urf.
uf Druck der Union und der EU-Kommission habenie einige Begrifflichkeiten und Definitionen, die ganzffensichtlich gegen EU-Recht verstoßen haben, korri-iert. Wir freuen uns, dass Sie unsere Forderung aufge-ommen haben, „weiche“ Instrumente, die gerade füren Mobilfunk wichtig sind, explizit im Gesetz zu ver-nkern. Ich habe jetzt nur Zweifel, ob wirklich bereitslle „weichen“ Instrumente – ich denke an das Ver-leichsmarktprinzip – explizit im Gesetz enthalten sind.ies ist von zentraler Bedeutung für den Mobilfunk.Beim Mobilfunk sollten Sie besonders sorgfältig sein;enn hier haben Sie, wie ich finde, einiges gutzumachen.chließlich war es Herr Eichel, der in Deutschland eineersteigerung der UMTS-Lizenzen provoziert hat,
nd zwar mit den weltweit höchsten Gebühren von ins-esamt 51 Milliarden Euro.
nzwischen wissen alle, dass diese Art der Versteigerungin Riesenfehler war.
ie Mobilfunkunternehmen werden von der horrendenchuldenlast fast erdrückt. Das müsste Ihnen von der
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Dr. Martina KrogmannSPD auch mit begrenztem ökonomischen Sachverstanddeutlich werden.
Ein Unternehmen hat die Lizenz bereits zurückgegeben.Ein zweites steht praktisch vor dem Aus.
Der Aufbau der Netze für die so genannte dritte Genera-tion des mobilen Internet gerät ins Stocken. Auch in die-sem Zukunftsbereich drohen wir in Deutschland im in-ternationalen Vergleich wieder einmal zurückzufallen.Deshalb müssen wir im Telekommunikationsgesetz jetztdafür sorgen, dass der Mobilfunk nicht in das gleichestarre Korsett gezwungen wird wie das Festnetz.
Der Mobilfunk braucht Flexibilität und keine Überregu-lierung.Der nächste Punkt betrifft das Regulierungsverfah-ren. Die EU-Richtlinien sehen einen großen Ermessens-spielraum für die Regulierungsbehörde beim Einsatz ih-rer Instrumente vor. Das ist gut so. Der Regulierer kannflexibler reagieren und er ist näher am Markt als der Ge-setzgeber.Ein großer Ermessensspielraum muss zwingend einegrößere politische Unabhängigkeit des Regulierers nachsich ziehen. Sonst haben die Unternehmen kein Ver-trauen in die Entscheidungen der Behörde. Ohne Ver-trauen werden sie aber nicht investieren.
Dieses Vertrauen wird allerdings massiv untergraben,wenn der Bundeswirtschaftsminister das Recht hat, poli-tische Einzelweisungen zu erteilen. Wir wollen die poli-tische Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde undtransparente Verfahren. Einzelweisungen des Bundes-wirtschaftsministers lehnen wir entschieden ab.
Der letzte Hauptkritikpunkt betrifft den Rechtsweg.Wir meinen, dass die gerichtlichen Entscheidungen dortgetroffen werden sollen, wo seit jeher wettbewerbsrecht-liche Streitigkeiten ausgetragen werden: bei den Kartell-gerichten. Die Bundesregierung will aber ein auf zweiInstanzen verkürztes Verwaltungsgerichtsverfahren. Dasist ein problematischer Sonderrechtsweg für die Regulie-rung. Er ist zudem völlig unnötig.
Der kurze Kartellrechtsweg von den Oberlandesgerich-ten direkt zum Bundesgerichtshof ist etabliert und be-währt. Die Bundesregierung trägt durch die Einführungeines Sonderverwaltungsrechtswegs für die TK-Regulie-rung
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Beim TKG stehen wir am Scheideweg: Wollen wireniger oder mehr Wettbewerb, weniger oder mehr In-ovationen, weniger oder mehr Arbeitsplätze?
ir sind für mehr Wettbewerb, mehr Innovationen, mehrrbeitsplätze. Das alles schafft der Gesetzentwurf nicht.eshalb lehnen wir ihn ab.
Das Wort hat nun die Kollegin Michaele Hustedt,
ündnis 90/Die Grünen.
Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!eine beiden Vorredner haben es bereits festgestelltdarin sind wir uns einig –: Diese Branche ist ein Motorür die gesamte Volkswirtschaft. Ihre Weiterentwicklungst die Voraussetzung dafür, dass die Verbraucher, aberor allen Dingen auch die Industrie in der globalisierteneltwirtschaft miteinander kommunizieren können. Soie die Dampfmaschine die Initialzündung für die In-ustrialisierung bedeutete, so ist die Telekommunikationie Technologie, die mit der Globalisierung einhergeht.Deswegen ist festzuhalten – das sollte auch deutlichemacht werden, weil in Deutschland sehr viel gejam-ert wird –, dass die Überführung des Exmonopolmark-es in einen Wettbewerbsmarkt bisher recht gut gelungenst.
Es sind Arbeitsplätze und Innovationen geschaffenorden. Sie hat zu sinkenden Verbraucherpreisen ge-ührt und die Einführung neuer Technologien bei denürgern mit sich gebracht. Das ist – das möchte ich inller Deutlichkeit festhalten – eine Erfolgsgeschichte.
Diese Erfolgsgeschichte wollen wir mit dem Gesetz-ntwurf zur Telekommunikationsregulierung fortsetzen.afür müssen wir das Gesetz an die veränderten Rah-
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Michaele Hustedtmenbedingungen anpassen. Regulierung ist für uns einInstrument; sie ist kein Ziel. Unser Ziel ist, dass hoch-wertige Dienstleistungen und Produkte effizient bereit-gestellt werden. Deswegen muss die Regulierung regel-mäßig darauf überprüft werden, ob sie noch notwendigist, und gegebenenfalls zurückgefahren werden. Das ma-chen wir mit der TKG-Novelle. Wir führen die Regulie-rung dort zurück, wo inzwischen Gott sei Dank ein funk-tionierender Wettbewerb herrscht. Damit verliert dieRegulierung gleichzeitig an Starrheit. Wir führen mehrFlexibilisierung in der Regulierung ein. Das bedeutetauch mehr Gestaltungsfreiräume für die Behörde.
Ich halte das für einen absolut richtigen Weg. DerKerngedanke ist in dem Gesetzentwurf verankert.Für uns Grüne waren dabei drei Gesichtspunkte vonzentraler Bedeutung: erstens die Weiterentwicklung desWettbewerbs, zweitens der Datenschutz und drittens derVerbraucherschutz. Unter Berücksichtigung dieser dreiGesichtspunkte haben wir den vorliegenden Gesetz-entwurf erarbeitet. Wenn wir demnächst über das Ener-giewirtschaftsgesetz beraten und den Tätigkeitsbereichder Regulierungsbehörde ausweiten, sollten wir meinerMeinung nach den Namen „Regulierungsbehörde“ in„Wettbewerbsbehörde“ ändern; denn unser Ziel ist nichtRegulierung – diese wollen wir weitestgehend zurück-fahren –, sondern Wettbewerb. Das sollte sich auch imNamen widerspiegeln.
– Im Gesetz natürlich auch. – Ich weiß, dies bedeutet,dass sich die Betroffenen umgewöhnen müssen. Aberich glaube, die Beratungen über das Energiewirtschafts-gesetz sind ein guter Zeitpunkt für diese Namensände-rung.
Wir verbessern den Wettbewerb deutlich, weil esgleichzeitig – das haben wir durchgesetzt – eine Bereit-stellung der Vorleistung geben muss.
Das bedeutet, dass das Entstehen neuer Monopole aufden Endkundenmärkten verhindert wird, wenn neue Pro-dukte eingeführt werden. Das ist eine deutliche Verbes-serung in Richtung mehr Wettbewerb. Ich finde übri-gens, Frau Krogmann, dass die Beschleunigung desRechtsverfahrens ein substanzieller, positiver Beitragzur Weiterentwicklung des Wettbewerbs ist.
Denn lange Rechtswege bedeuten, dass der Kläger langewarten muss, bis er Recht bekommt, dass dann die Be-troffenen unter Umständen nicht mehr am Markt sindund dass sich Investitionen nicht mehr lohnen.
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Sie, die Sie jetzt geklatscht haben, sollten bedenken,ass nicht alle Ihre Kolleginnen und Kollegen Ihre Auf-assung teilen. Herr Singhammer hat zum Beispiel nichteklatscht. Das zeigt, dass Ihre Fraktion auch in dieserrage gespalten ist. Ich werde haargenau verfolgen, obie diesen Punkt im Bundesrat, in dem Sie die Mehrheitaben, durchsetzen werden. Meine Prophezeiung ist,ass Sie es nicht schaffen werden. Das dürfte dann dereleg dafür sein, dass Frau Krogmann hier die Backenhne Unterstützung ihrer eigenen Fraktion aufgeblasenat.
Zum Datenschutz: Dieser ist für uns von zentraleredeutung. Beim Datenschutz muss man zwischen demchutz der Bürger sowie Sicherheits- und Wirtschafts-teressen abwägen. Hier war der Regierungsentwurfeutlich über das Ziel hinausgeschossen. Wir, die Frak-on des Bündnisses 90/Die Grünen, sind der Meinung,ass es in diesem Bereich keine Verschärfung gebenollte, und haben deshalb einiges zurückgenommen. Ent-cheidend ist, dass wir einen Paradigmenwechsel wol-n. Wir wollen, dass sich derjenige, der zum Beispielas Abfragen oder die Speicherung von Daten beauf-agt, an der Finanzierung beteiligt. Das ist das entschei-ende Instrument, um die Hemmungslosigkeit der In-enminister ein bisschen zu bremsen.
ir werden dafür eine entsprechende Verordnung erlas-en.Liebe Opposition, wir sind uns einig, dass das, wasir im Hinblick auf den Datenschutz vorgesehen haben,eine unzumutbare Belastung für die Wirtschaftsunter-ehmen bedeutet. Sie haben ja behauptet, dabei gehe esm Hunderte von Millionen. Ich fordere Sie auf: Setzenie das auch bei Ihren Innenministern durch und sorgenie im Vermittlungsverfahren dafür, dass dieser Punkticht aus dem Gesetzentwurf gestrichen wird.
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Michaele HustedtDa wir dem Frieden nicht trauen, haben wir einigeUnterpunkte deutlich entschärft. Wir haben das Fernmel-degeheimnis auf PIN, PUK und Passwort ausgeweitet.Wir haben des Weiteren auf eine Identifikationspflichtbei Prepaid verzichtet sowie Hotels und Krankenhäuservon der Verpflichtung entbunden, Vorrichtungen zur Da-tenüberwachung vorzuhalten. Das wäre in der Tat unzu-mutbar gewesen.
Das betrifft auch die Entschärfung der Jokerabfrage.Wenn Sie im Vermittlungsverfahren diese Punkte ausdem Gesetzentwurf herausstreichen, dann werden Sie zuverantworten haben, dass unzumutbare Belastungen aufdie Bürger zukommen.Letzter Punkt: Verbraucherschutz. Das ist für unsein zentrales Thema. Wir haben auch in diesem Bereicheiniges durchgesetzt: Es gibt weiterhin eine Rechnung;der Schutz vor Missbrauch bei Mehrwertdiensten wirddeutlich verbessert – es gibt einen Schutz für Kinder, fürJugendliche, aber auch für Erwachsene –; wir haben einePreisansagepflicht bei allen Mehrwertdienstleistungenund die Verbandsklage durchgesetzt. Zeitnah wird eineKundenschutzverordnung mit diesen Punkten erarbeitet,der auch der Bundestag zustimmen muss; wir sind daranbeteiligt.Ganz besonders wichtig sind mir die Belange der Ge-hörlosen. In anderen Ländern ist es selbstverständlich,dass auch die Gehörlosen am Sprachtelefondienst teilha-ben können. Diese Selbstverständlichkeit wollen wirauch in Deutschland erreichen. Wir müssen auch an dieMenschen denken, die eben nicht jederzeit alles können:Wenn ein Gehörloser beim Arzt einen Termin vereinba-ren will, dann kann er das nicht per SMS oder per Inter-net machen.Wir haben dieses Problem jetzt durch einen Kompro-miss mit der Telekom gelöst: Es findet über circa fünfJahre eine Pilotphase statt, in der den Gehörlosen dieseTechnologie – die Dolmetscherdienste – bereitgestelltwird, und zwar unentgeltlich. Wir haben hier Gott seiDank einen parteiübergreifenden, gemeinsamen Antraggestellt, in dem wir Folgendes deutlich machen: Wir ge-hen davon aus, dass dieses Angebot nach Ablauf derfünf Jahre weitergeführt und dass dann die Verpflichtungin geltendes Recht überführt wird. Ich finde das gut. Ichmeine, wir sollten fest versprechen, dass das unumkehr-bar ist: Gehörlose müssen ab sofort auch in Deutschlandan diesen Diensten teilhaben können.Ich danke Ihnen.
Ich erteile dem Kollegen Rainer Funke, FDP-Frak-
tion, das Wort.
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Ich bin fest davon überzeugt: Hätte es, wie es eigent-ich auch verabredet war, anständige parlamentarischeeratungen gegeben – wir wollten in den Berichterstat-ergesprächen die einzelnen Themen sauber abarbei-en –, hätten wir noch viele Schwächen des Gesetzes ge-einsam ausräumen können. Der gemeinsame Ent-chließungsantrag – Frau Kollegin Hustedt hat das ebenrwähnt – und die gemeinsam getragenen Verbesserun-en bei der zeitgleichen Bereitstellung von Vorleistun-en zeigen, dass das mit den handelnden Personen funk-ioniert hätte.Während die Regierung fast ein Jahr für die internebstimmung benötigt hat und sich der Bundesrat dannehrere Monate Zeit für eine Stellungnahme erbetenat, wollen die Regierungsfraktionen die verplemperteeit im Parlament anscheinend im Schweinsgalopp wie-er aufholen. Das Ergebnis ist eine unbefriedigendeKG-Novelle.
ie FDP wird dem Gesetz deshalb nicht zustimmen.Lassen Sie mich vier wesentliche Gründe für unsereblehnende Haltung anführen:Erstens. Wir lehnen das Einzelweisungsrecht, das dieundesregierung in das Gesetz geschrieben hat, strikt ab.s stellt einen Bruch mit allen wettbewerbsrechtlichenraditionen der Nachkriegsgeschichte dar.
elchen Sinn hat ein solches Recht für das Ministerium,enn es nicht darum geht, dass der Bund aufgrund sei-er fiskalischen Interessen Einfluss auf die Entscheidun-en der Regulierungsbehörde nehmen will?
it dieser Einflussnahme auf eine Wettbewerbsbehördeird der wettbewerbsfeindlichen Haltung dieser Regie-ung die Krone aufgesetzt. Die Bundesrepublik ist jaoch mit 43 Prozent an der Deutschen Telekom AG, alson einem Globalplayer, beteiligt.Zweitens. Wir lehnen das von den Regierungsfraktio-en offenkundig mit der Deutschen Telekom ausgehan-elte gebündelte Resale ab. Damit wird die Quasimono-olstellung des ehemaligen Staatsunternehmens imnschlussbereich zementiert. Mit einer solchen Rege-)
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. März 2004 8771
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Rainer Funkelung, die ja auch europarechtlich auf tönernen Füßensteht und hinter die Spruchpraxis der Regulierungsbe-hörde zurückfällt, ersetzen Sie von den Koalitionsfrakti-onen Wettbewerbspolitik durch Industriepolitik,
und zwar durch Industriepolitik der schlimmen Art, wiewir sie noch in den 70er-Jahren erlebt haben. Das lassenwir Ihnen nicht durchgehen. Sachlich notwendig ist eineklare Vorgabe für entbündeltes, nicht konditioniertes Re-sale, verbunden mit einer konsistenten Entgeltregulie-rung.Drittens. Wir können dieser Regierung keine europa-rechtswidrigen Regelungen durchgehen lassen. So hatder Parlamentarische Staatssekretär Staffelt noch amletzten Mittwoch im Wirtschaftsausschuss bestätigt, dasses zum Beispiel bei den §§ 9, 10, 19 und 28 augen-scheinlich unterschiedliche Rechtsauffassungen zwi-schen der Bundesregierung und der Europäischen Kom-mission gibt.
Wenn die EU-Kommission der Meinung sei, so hat erdann ausgeführt, die Umsetzung dieser Sachverhalte seinicht richtlinienkonform, dann solle sie eben klagen. Da-mit wird aber weitere Verunsicherung in die Branche hi-neingetragen, was dann wiederum zu Investitionszurück-haltung führen kann. Das ist rechtlich heikel undökonomisch verantwortungslos. Das machen wenigstenswir nicht mit. Wenn es Zweifel an der Europatauglichkeitgibt, dann – das müssen wir uns vor Augen führen – istes am einfachsten, die Richtlinie eins zu eins umzuset-zen. Das haben Sie nicht getan.Vierter Punkt. Wir sind klar und entschieden für eineVerlagerung des Rechtsweges von den Verwaltungsge-richten zu den Kartellgerichten.
Nur damit setzen wir konsequent die Zielvorgabe um, dieTelekommunikationsbranche vom wettbewerblichen Aus-nahmebereich ins allgemeine Wettbewerbsrecht zu über-führen. Ein Rechtswegewechsel strafft das Verfahren,ohne den Rechtsschutz einzuschränken, und ist zudem derpassgenauere Weg, um die Regulierungsbehörde bei derSchaffung und Bewahrung von Wettbewerb auch recht-lich zu begleiten.
Über diesen Punkt waren eigentlich alle Fraktionen einerMeinung. Die Koalitionsfraktionen sind dann umgefal-len und haben den alten, nicht ganz richtigen Weg überdie Verwaltungsgerichte eingeschlagen.
Ich halte das nach wie vor für falsch. Außerdem habenSie noch eine Rechtswegverkürzung eingeführt. Das istin einem Rechtsstaat, erst recht, wenn es um hohe Milli-owwdnuAA–FnRvadnAtvKHü–skmRcg–
Ich glaube Ihnen sogar, dass Sie das nicht wissen.
Ich erteile das Wort Kollegen Hubertus Heil, SPD-
raktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-en und Kollegen! Bevor ich zu den Inhalten meinerede komme, habe ich als Berichterstatter Folgendesorzutragen. Das Ausschusssekretariat des Wirtschafts-usschusses bittet um Berichtigung folgender Passage iner Beschlussempfehlung, die bei der Übermittlungicht richtig wiedergegeben wurde: Im Entwurf des § 29bs. 4 Nr. 3 TKG-Entwurf ist das zweite Wort „langfris-igen“ vor dem Wort „Erfordernisse“ zu streichen. Derollständige Text von § 29 Abs. 4 Nr. 3 hat nach derorrektur folgenden Wortlaut:3. die Erfordernisse hinsichtlich der Rendite für daseingesetzte Eigenkapital, wobei auch die leistungs-spezifischen Risiken des eingesetzten Eigenkapitalsgewürdigt werden können, underzlichen Dank, Herr Präsident; wenn ich Ihnen dasberreichen darf.
Das ist ein übliches Verfahren, Herr Kollege. Sie habenich mit Ihrer Berichterstatterkollegin unterhalten. Esann passieren, dass das Ausschusssekretariat Fehleracht; Menschen machen Fehler. Es ist kein Fehler deregierung oder unserer Fraktion. Ich bitte um ein biss-hen mehr Respekt vor den Mitarbeitern des Bundesta-es.
Ach, Herr Hintze, Sie sind ja für Qualität berüchtigt.
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8772 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. März 2004
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Hubertus Heil– Okay, vielleicht auf irgendeiner Insel in der Nordsee,wie Sie einmal gesagt haben, wenn ich das richtig in Er-innerung habe, Herr Hintze.Wir sprechen heute über die Telekommunikations-branche. Die Telekommunikationsbranche ist eine derwichtigsten Branchen in Deutschland. Sie ist nicht nureine Branche, in der in den letzten Jahren eine unheimli-che Dynamik in Gang gekommen ist, sondern sie istauch so etwas wie eine Schlüsselindustrie für unsere ge-samte Volkswirtschaft. Es gibt bereits heute mehr Be-schäftigte in diesem Bereich als in der Automobilindus-trie. Deshalb möchte ich unterstreichen, was die Kolle-gin Hustedt, übrigens übereinstimmend mit allen Fach-politikern und der Branche insgesamt, festgestellt hat:Der Liberalisierungsprozess an sich ist ein großer Erfolgfür Deutschland, den wir gemeinsam zu verbuchen ha-ben. Wir haben in diesem Bereich einen dynamischen,wachstumsorientierten Markt. Wir müssen jetzt sehen,dass wir die nächste Stufe dieser Entwicklung angehen.Deshalb ist es notwendig, dass wir nicht nur EU-Richtlinien umsetzen – das tun wir –, sondern dass wiruns auch darüber verständigen, hier aufgrund unserer Er-fahrung im Regulierungsbereich für mehr Dynamik zusorgen.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hatuns einen Entwurf vorgelegt, der eine gute Grundlagefür die Beratung in diesem Parlament gebildet hat. Dasses ein Jahr gebraucht hat, um ihn zu erstellen, liegt nichtan der Ressortabstimmung, sondern daran, dass es einenintensiven, sehr guten und vertrauensvollen Prozess mitder gesamten Wirtschaft gab, mit Verbraucherverbänden,der Telekom, dem VATM, mit allen möglichen Unter-nehmen, die im Markt sind. Es ist kein ideologischesThema, wie Sie uns das weis, schwarz oder gelb zu ma-chen versuchen, sondern ein Fachthema, das im Detailsehr schwierig ist. Deshalb war das Verfahren richtigund vernünftig. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mit-arbeitern des Bundeswirtschaftsministeriums dafür, dasssie uns für den Prozess eine wirklich gute Beratungs-grundlage geliefert haben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Regie-rungsfraktionen der SPD und des Bündnisses 90/DieGrünen haben gleichwohl eine Reihe von Änderungenvorgesehen. Wir gehen in vielen Bereichen – das ist aus-geführt worden – auf Änderungswünsche des Bundesra-tes ein, ebenso auf Änderungswünsche der Opposition,wo wir sie sachlich geboten und begründet sehen.Ich möchte Ihnen die Maßstäbe nennen, nach denenwir die Änderungen am Gesetzentwurf vorgenommenhaben. Wir haben zuallererst gefragt: Ist das, was im Ge-setz steht, sinnvoll, und zwar für die Telekommunika-tion, aber auch für die gesamte Volkswirtschaft? Derzweite Maßstab war: Was ist ordnungspolitisch geboten,um in Deutschland mehr Wettbewerb zu ermöglichen?DEmvWTKwpDdwRdgDWdeufeHnsbtGw–vswsbvKc
ichtig ist, dass wir kein Durchwinkverein sind, sonderner Deutsche Bundestag, der nach Ausschussanhörun-en seine Konsequenzen zu ziehen und manchmal auchinge zu verändern hat.
er so etwas zu diskreditieren versucht, der diskreditierten gesamten Parlamentarismus. Das sollten Sie sichinmal hinter die Ohren schreiben.
Wir haben, im Gegensatz zu dem, was die Oppositionns zu unterstellen versucht, ein sehr wettbewerbs-reundliches Gesetz gemacht. Wir haben dem Reguliererin ganz scharfes Schwert für mehr Wettbewerb in dieand gegeben, nämlich die gleichzeitige Bereitstellungach § 37 TKG. Es geht darum, dass marktbeherr-chende Unternehmen, die Produkte für Endkunden an-ieten, zeitgleich Wettbewerbern wesentliche Vorleis-ungen zur Verfügung stellen müssen, damit diese eigeneeschäftsmodelle entwickeln können. Das unterstützenir gemeinsam. Ich bitte, das einmal anzuerkennen.
Sie haben das getan, Herr Funke. Aber Ihre Kollegenon der anderen Feldpostnummer sagen, dass es in die-em Bereich keine Veränderungen gegeben habe. Ichiederhole: Das ist ein Punkt, der der Telekom nichtchmeckt, der aber für den Wettbewerb notwendig ist. Erelegt, dass wir ein Gesetz im Interesse des Wettbewerbsorgelegt haben.
Kollege Heil, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollege Krings?
Gerne. – Herr Krings, was gibt es Neues aus Mön-hengladbach?
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. März 2004 8773
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Mönchengladbach ist eine wunderschöne Stadt. Aber
darum geht es heute nicht; darüber können wir später
ausführlich reden.
Herr Kollege Heil, Sie haben gerade das Gesetzge-
bungsverfahren ausführlich gelobt und herausgestellt,
wie offen der Bundestag an diese Thematik herangegan-
gen ist. Sind Sie der Auffassung, dass die Beratungszeit
– im Januar gab es die erste Lesung und jetzt, Anfang
März, die zweite und dritte Lesung – ausreichend war?
Sind Sie der Auffassung – die Regierungsfraktionen ha-
ben uns erst Freitagnacht ihre Änderungsanträge über-
mittelt –, dass die Beratung eines derart komplexen und
umfassenden Gesetzes in dieser Art und Weise ein ver-
nünftiges parlamentarisches Verfahren war? Sind Sie
ferner der Auffassung, dass damit ein geordnetes, ver-
nünftiges, offenes und zielführendes parlamentarisches
Verfahren gewährleistet ist?
Zumindest wir haben die Zeit genutzt, intensiv zu be-raten. Wir haben eine fünfstündige Anhörung miteinan-der gehabt.
Unsere Fraktion hat eine mehrtägige Klausurtagungdurchgeführt. Wir haben uns mit unserem Koalitions-partner abgestimmt. Im Gegensatz zu Gesetzgebungs-verfahren aus Ihrer Regierungszeit haben wir Ihnenrechtzeitig, nämlich bereits am vergangenen Donnerstagund Freitag, unsere Änderungen übermittelt.
Sie hatten über eine Woche Zeit, sich damit zu beschäfti-gen. Um es einmal deutlich zu sagen: Die CDU/CSU hates nicht geschafft, auch nur einen konkreten Änderungs-antrag im Wirtschaftsausschuss einzubringen.
Sie verfassen nur allgemein gehaltene Entschließun-gen; das weiß die Branche. Sie sind nicht einmal in derLage, auch nur einen Änderungsantrag zu stellen. Sie be-haupten, das Gesetz sei schlecht und die Bundesregie-rung habe nicht genug daran gearbeitet. Obwohl Sie Ju-risten in Ihren Reihen haben – auch Sie sind Jurist –,schaffen Sie es nicht, Änderungsanträge zu formulieren,die Sie im Wirtschaftsausschuss einbringen können. Dasist schon ein erstaunlicher Vorgang.
Herr Krings, versuchen Sie nicht, davon abzulenken,dass Sie sich in der Sache nicht einig sind, indem Sie aufVerfahrensfragen hinweisen. Ich werde beim Thema Re-sale noch darauf zurückkommen.Frau Kollegin Krogmann spricht hier davon, dass un-sere Regelung zum Resale ganz schlecht sei.WwthAvgbWgKdmsSwcitzcDtvbIgEdCtio–wslsdzgnsrb
enn man aber mit anderen Teilen der Union, beispiels-eise mit der Bayerischen Staatsregierung, und mit Un-ernehmen, die in diesem Bereich tätig sind, redet, dannört man die Auffassung, dass es sich um einen fairenusgleich handelt.Herr Kollege Krings, hätten Sie ein bisschen intensi-er gearbeitet! Wir haben Ihnen angeboten, zu jeder Ta-es- und Nachtzeit Sitzungen abzuhalten. Teilweise ha-en wir sie miteinander durchgeführt. Sie müssen deniderspruch auflösen, dass Ihnen einerseits die Sitzun-en nicht ausreichen und dass wir andererseits schnelllarheit schaffen sollen. Wir haben dafür gesorgt, dassie Behandlung dieses Gesetzes nicht erst nach der Som-erpause erfolgt, sondern dass wir miteinander in die-em Verfahren zügig vorankommen.
Beim Resale handelt es sich um die entscheidendetellschraube, mit der man Infrastruktur- und Dienste-ettbewerb austarieren kann. Wir wollen und wir brau-hen beides in Deutschland. Wir brauchen Investitionenm erheblichen Umfang in die Infrastruktur in den nächs-en Jahren und Jahrzehnten. Wir brauchen aber gleich-eitig einen Dienstewettbewerb, weil für den Verbrau-her – egal ob Wirtschaft oder Privatkunden – dieienste von entscheidender Bedeutung für die Akzep-anz solcher Produkte sind.Sie wissen, dass wir in diesem Bereich Änderungenorgesehen haben. Wir werden darüber zu sprechen ha-en, wenn es zu einem Vermittlungsverfahren kommt.ch bin sehr gespannt, wie sich die CDU- und CSU-re-ierten Bundesländer zu diesem Punkt verhalten werden.s geht nicht nur um die Interessen von Telekom, son-ern auch um die Interessen von City-Carriern wie Netologne, EWE TEL und von vielen anderen kleinen Un-ernehmen, die Sie, Frau Kollegin Krogmann – Sie hörenm Moment nicht zu –,
ffensichtlich in diesem Punkt nicht im Blick haben.Es gibt ein anderes Thema, bei dem wir Erfolg hatten darauf sind wir sehr stolz – und das lange umstrittenar. Wir haben der Telekom und den Mitbewerbern hin-ichtlich des Billings und Inkassos, also der Rechnungs-egung und des Mahnungswesens, gesagt: Setzt euch zu-ammen und verhandelt; wir werden dann versuchen,as, worauf ihr euch geeinigt habt, gesetzgeberisch ab-ubilden. Dieser Kompromiss ist gelungen. Es ist für dieesamte Branche und für die gesamte Wirtschaft, alsoicht nur für Mehrwertdienste, ein Segen, dass wir die-en Prozess angeschoben und moderiert haben.Ich bitte die Opposition, wenigstens dies zu honorie-en. Es waren nicht Sie, sondern wir, die das gemacht ha-en. Wir bilden das im Gesetz ab.
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Hubertus HeilWir sagen: Wenn sich die Branche vertraglich verstän-digt, kann und wird von der Regulierung durch das TKGin diesem Bereich abgesehen; natürlich aber nicht vonder Regulierung durch das GWB.Frau Kollegin Hustedt hat zum Bereich Sicherheitund Datenschutz Stellung genommen. Auch ich möchtedas tun. Es geht darum, verschiedene Ansprüche auszu-tarieren. Dabei gibt es nicht nur Schwarz oder Weiß. Na-türlich geht es uns, den Wirtschaftspolitikern, nicht da-rum, neue, unverhältnismäßige Belastungen für dieWirtschaft zu produzieren. Aber auch die Interessen derSicherheitsbehörden sind legitim. Angesichts aktuellerEntwicklungen kann man nur unterstreichen, dass Si-cherheitsbehörden die Möglichkeiten haben müssen, imRahmen rechtsstaatlicher Verfahren an Informationen zukommen, um organisiertes Verbrechen oder Terrorismusbekämpfen zu können. Es geht aber auch darum, dasswir den Belangen des Datenschutzes und der Bürger-rechte in Deutschland Rechnung tragen.
Dies erwähne ich im Zusammenhang mit einem aktuel-len Urteil des Bundesverfassungsgerichts.Wir haben uns diesen Komplex Stück für Stück undgründlich vorgenommen. Während Sie noch herumge-jammert haben, haben wir uns das Gesetz vorgenommenund jeden Punkt auf Verhältnismäßigkeit abgeklopft.Herausgekommen ist ein Gesetz, das sich, wie ich finde,sehen lassen kann. Es ist in diesem Punkt nicht nur or-dentlich, sondern sehr gut gelungen. Wir haben eineKostenbeteiligung von Sicherheitsbehörden an Überwa-chungsmaßnahmen vorgesehen, um die Verhältnismä-ßigkeit zu wahren. Ich bitte, das als einen wirklichen Er-folg zu betrachten.
Ich bin genauso gespannt wie die Grünen, ob dieCDU es schafft, das ihren Länderinnenministern klar zumachen. Im Gespräch mit unseren Innenpolitikern habenwir das klar machen können. Wir haben über die ver-schiedenen Interessen intensiv diskutiert. Die Frage ist,ob die CDU/CSU in diesem Bereich eine Arbeitsteilungvorsieht, nach der die Wirtschaftspolitiker immer nachder Entlastung der Wirtschaft und die Sicherheitspoliti-ker nach immer schärferen und die Wirtschaft belasten-den Maßnahmen rufen. Wir jedenfalls werden das nichtzulassen.
Zum Thema Gehörlose möchte ich Folgendes sagen:Wir haben auch in diesem Zusammenhang einen Prozessmoderiert, und zwar zwischen dem Gehörlosenverbandund der Deutschen Telekom. Das Ergebnis ist ein Mo-dellprojekt. Übrigens haben wir, Bündnis 90/Die Grünenund die SPD, diese Gespräche geführt und vorange-bracht. Ich habe jetzt mitbekommen – das finde ich gut –,dass die Opposition unseren Entschließungsantrag unter-stützt. Die Opposition hat aber nicht mitgewirkt, als esdrgdpdagsrsdBßWwznlgi–dwdswsDdEdrVWrse
enn sich Unternehmen an die Regulierungsbehördeenden, wenn der Regulierungsbehörde ein Sachverhaltur Kenntnis gebracht wird, ist die Regulierungsbehördeach Recht und Gesetz verpflichtet zu handeln.Mit dem Aufblasen des Themas der Antragsrechteenken Sie davon ab, dass wir im materiellen Bereich einutes Gesetz gemacht haben, und davon, dass Sie sichnnerhalb Ihrer Fraktion an ein paar Punkten nicht grünbesser gesagt: schwarz – waren und sich nicht verstän-igen konnten. Das betrifft auch die Frage des Rechts-eges. Herr Kollege Krings, Sie haben sich sehr intensivamit beschäftigt und wissen, es gibt für beides gute undchlechte Argumente. Wir haben sie sehr intensiv abge-ogen und sind zu der Meinung gekommen, dass wir eso belassen sollten. Sie wissen, dass die Unternehmen ineutschland sehr unterschiedliche Stellungnahmen zuiesem Bereich abgeben.
s gibt keinen einheitlichen Ruf aus der Branche nachem Kartellrechtsweg. Es bleibt dabei: Die Regulie-ungsbehörde ist eine staatliche Behörde. Deshalb ist dererwaltungsgerichtsweg rechtssystematisch der richtigeeg.
Kollege Heil, Sie müssen zum Schluss kommen.
Ja, gerne. Gleich.
Ich will Ihnen das gerne bei einem Glas Wasser erklä-
en, wenn wir etwas mehr Zeit haben.
Nicht jetzt.
In diesem Zusammenhang nur so viel: Wir verab-chieden heute ein gutes Gesetz. Der Bundesrat könnteigentlich sofort zustimmen, wenn es ihm nicht um poli-
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Hubertus Heiltischen Showkampf ginge. So sehen wir uns wahrschein-lich im Vermittlungsausschuss wieder. Sei’s drum. Ichbin fest davon überzeugt, dass wir trotzdem ein gutesGesetz durchbringen werden. Die Unterschiede sindnicht so riesig, wie Sie meinen.
Kollege Heil, Sie können die Unterschiede jetzt nicht
mehr darlegen.
Herzlichen Dank.
Zu einer Kurzintervention erteile ich der Kollegin
Martina Krogmann das Wort.
Herr Kollege Heil, ich hatte schon immer die Vermu-
tung, dass Sie die Komplexität des Gesetzentwurfs nicht
richtig durchdrungen haben.
Seit heute habe ich die Gewissheit. Sie haben wahrheits-
widrig behauptet, ich hätte mich gegen Resale ausge-
sprochen. Das Gegenteil ist der Fall.
Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass Resale für uns
ein zentrales Instrument ist, um Wettbewerb herzustel-
len. Wir lehnen Ihren Gesetzentwurf auch deshalb ab,
weil dieses Instrument unzureichend umgesetzt wird und
damit kein fairer Ausgleich zwischen Infrastruktur- und
Dienstewettbewerb hergestellt wird.
Herr Kollege Heil, bitte eine kurze Antwort.
Vielen Dank, Herr Präsident, für Ihre Geduld. Ich ent-
schuldige mich für das Überziehen meiner Redezeit.
Frau Kollegin Krogmann, ich habe nicht gesagt, dass
Sie gegen Resale sind.
Ich habe gesagt, dass Sie gegen unsere Formulierungen
an diesem Punkt sind.
Sie haben gerade anderen Berichterstatterkollegen
Sachverstand abgesprochen. Das macht kein Bericht-
erstatter, sei es der Kollege Funke oder die Kollegin
Hustedt, und auch ich habe das nicht einmal bei Ihnen
gemacht, Frau Kollegin.
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Das Wort hat nun der Kollege Johannes Singhammer
on der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Wir verfolgen zwei Ziele. Erstens. Wir wollen, dasseutschland im Bereich der Telekommunikations- under Informationstechnologie endlich wieder Spitze wird.
Zweitens wollen wir, dass der Gesetzentwurf, überen wir heute beraten, wie ein kraftvolles Schwungradür die Wirtschaft – wir brauchen den Aufschwung drin-end – und nicht wie ein Bremsklotz wirkt.
Es ist richtig und heute schon erwähnt worden, dassieser Branche eine Schlüsselfunktion zukommt. Dermsatz der Telekommunikationsbranche beträgt34 Milliarden Euro pro Jahr. Ein Vergleich: Die deut-che Automobilbranche setzt im Inland 80 Milliardenuro um. Herr Staatssekretär Staffelt, auch Sie haben aufiese Schlüsselfunktion hingewiesen, und deshalb ver-tehe ich nicht, dass der Wirtschaftsminister bei der Be-atung dieses außerordentlich wichtigen Gesetzentwurfseute nicht selbst anwesend ist.
chließlich hat der Minister gestern Wirtschaft in deranz ursprünglichen Form am Nockherberg begutachtenönnen.
Wir wollen mit dem Telekommunikationsgesetz neueukunftssichere Arbeitsplätze schaffen und eine Ba-ance herstellen zwischen Sicherheit und langfristigerentabilität von Investitionen einerseits und Offenheit
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Johannes Singhammerfür technologische Entwicklungen andererseits, die indieser schnell wachsenden und sich verändernden Bran-che vom Gesetzgeber vielfach langfristig nicht über-blickt werden können.Eines ist bei diesen Beratungen traurig: Sie habensich zunächst viel zu viel Zeit gelassen und das Gesetzdadurch über ein Jahr verzögert. Sie haben Ihre Bera-tungsfrist voll in Anspruch genommen, um dann die Op-position innerhalb kurzer Zeit mit einer Vielzahl von An-trägen zu überfallen.
Ich sage hier ganz klar: Auch wir haben ein Interesse da-ran, dass dieses Gesetz bald und zügig verabschiedetwird. Deshalb war durchaus die Chance vorhanden, zueiner gemeinsamen Lösung zu kommen.
Unter dem Beratungsdruck, den Sie erzeugt haben, ist esaber unmöglich, diesen schwierigen Sachverhalten zeit-lich und inhaltlich gerecht zu werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Ge-setz ist nicht der Ort für große ideologische Graben-kämpfe.
Es geht darum, pragmatische Lösungen zu entwickeln.Wir werden im Vermittlungsausschuss eine konstruktiveRolle einnehmen.
– Ich hoffe, dass das alle so tun, auch von Ihrer Seite.Wir glauben, dass in diesem Projekt enorme Chancenstecken. Der Bundesverband Informationswirtschaft, Te-lekommunikation und neue Medien erwartet, dass in die-sem Jahr 70 Prozent der Branchenmitglieder zusätzlicheInvestitionen und Wachstumschancen verwirklichen.
– Wenn Sie nicht dran wären, dann wäre die Zahl ver-mutlich noch viel höher.
Insbesondere auf dem Mobilfunkmarkt herrscht eineAufbruchstimmung, die nicht durch ein Gesetz, das nichtdie notwendigen Voraussetzungen bietet, enttäuscht wer-den sollte.Wir sehen auf der anderen Seite mit großer Besorgnis– das ist natürlich Ihr Werk –, dass in den vergangenenJahren gerade in dieser Wachstumsbranche ein Absa-cken der Arbeitsplatzzahlen von 820 000 Beschäftigtenim Jahr 2000 auf nunmehr 750 000 Beschäftigte zu ver-zdwsdwzuSsdw2ZsVerCJanvnWnerzdbdrekwWeaugshnskis
Im Einzelnen: Wir wollen keine Überregulierung aufem Mobilfunkmarkt,
o ein guter Wettbewerb möglich ist. Es geht um0 Milliarden Euro. Im Klartext: Wir wollen, dass imuge der Entgeltregulierung nach § 28 Abs. 1 des Ge-etzentwurfs jeweils nur ein Kriterium und nicht eineielzahl von Kriterien erfüllt werden muss. Wir erachtens nicht für nötig, hier eine Überregulierung einzufüh-en.Wir wollen im Festnetz, dass das Breitband seinehancen nutzen kann. Wir sehen mit Besorgnis, dass imahr 2002 erst 4,8 Millionen – das sind nur 83 Anschlüsseuf 1 000 Haushalte – der schnellen DSL-Breitbandinter-etanschlüsse – das ist die Luxusklasse des Anschlusses –erwirklicht waren. Wir wollen, dass Deutschland von ei-em Mittelplatz wieder auf einen Spitzenplatz kommt.ir wollen deshalb, dass alle Schranken im Telekommu-ikationsgesetz, die das verhindern, verschwinden.Wir begrüßen, dass es in den vergangenen Wochen ininer Reihe von Streitpunkten – Rechnungsstellung, Ab-echnung und Rechnungseinzug – zu einer Einigungwischen den Wettbewerbern, insbesondere zwischener Deutschen Telekom AG und anderen Wettbewer-ern, gekommen ist.Wir wollen – das sage ich auch in meiner Funktion alserzeitiger Vorsitzender des Beirates bei der Regulie-ungsbehörde für Telekommunikation und Post –, dassine starke, unabhängige Regulierungsbehörde für Tele-ommunikation und Post in diesem Gesetz festgelegtird.
ir wollen gerade die Präsidentenkammer, die künftigine entscheidende Funktion haben wird, möglichst un-bhängig gestalten. Wir wollen Kollegialentscheidungennd keine Einzelentscheidungen. Wir wollen, dass Re-ulierungsverfügungen in Anbetracht ihrer großen wirt-chaftlichen Relevanz und zur Sicherstellung der Ein-eitlichkeit der getroffenen Maßnahmen immer von dereu zu schaffenden Präsidentenkammer gemeinsam be-chlossen werden. Wir wollen, dass der Beirat eine stär-ere Position der politischen Kontrolle erhält. Der Beiratt das Bindeglied zu den gesetzgebenden Körperschaf-
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Johannes Singhammerten Bund und Länder. Das muss durch eine Benehmens-regelung für alle Beschlüsse der Präsidentenkammerzum Ausdruck kommen.
– Ich habe es doch klar ausgeführt.In Bezug auf die innere Sicherheit haben wir sehrexakt abzuwägen und eine Balance zwischen den Erfor-dernissen der Sicherheit und überbordenden wirtschaftli-chen Belastungen zu finden. Ich denke, dass wir da zueiner guten Lösung kommen werden.Der Bereich der im Fachchinesisch als Prepaid be-zeichneten, vorab bezahlten Benutzertelefonkarten fürHandys, die eine Identifizierung außerordentlich er-schweren, ist dabei besonders wichtig. Wenn wir uns dieersten Minuten dieser Sitzung des Deutschen Bundesta-ges in Erinnerung rufen, als wir der Opfer eines grauen-vollen Anschlags gedachten, dann müssen wir einfachsehen: Es gibt auch Schwachstellen, bei denen wir sehrgenau hinsehen müssen, damit sich dort keine Möglich-keiten für Kriminelle bieten, weit außerhalb jeglicherKontrolle tätig zu werden.
Lassen Sie mich abschließend noch zu dem ganz zen-tralen Thema Wiederverkauf, dem so genannten Resale,Stellung nehmen.
– Reden Sie doch nicht ständig dazwischen; lassen Siedie Menschen einmal ausreden!Ich stecke die Positionen ab, um die es uns geht. Wirwollen weder einen gebündelten, zeitlich unbegrenztenWiederverkauf noch einen getrennten Wiederverkaufvon Anschluss oder Verbindungsleistung ohne jede Bin-dung an Bedingungen.
– Das sage ich für die Opposition, für die CDU/CSU. –Das sind die von uns abgesteckten Positionen. In derenRahmen sind wir bereit, mit Ihnen gemeinsam eine Lö-sung zu finden. Das ist ein Angebot; Sie können es an-nehmen. Ich rate Ihnen auch, dies zu tun, denn es istauch im Interesse des Standorts Deutschland, hier zu ei-ner gemeinsamen Lösung zu kommen.
– Das ist kein Unterschied, sondern das ist die genaueDarstellung unserer Position.
Wir begrüßen auch – das sage ich zum Schluss mitversöhnlichem Ton –, dass es bei den Gehörlosen gelun-gen ist, eine gemeinsame Lösung zu erreichen.
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Ich gehe davon aus, dass die verbraucherpolitischeprecherin der CDU, Frau Heinen, diese Debatte amernsehen verfolgt. Ich will nicht kritisieren, dass sieicht anwesend ist. Aber das zeigt, welchen Stellenwerter Verbraucherschutz bei Ihnen hat.Die Liberalisierung, die auf diesem Markt in den letz-en Jahren stattgefunden hat, hat auch ihre Schattensei-en. Wo ein freier Markt herrscht, führt dies, gerade beiechnischen Neuerungen, auch zu Missbrauch. Telefoni-che Mehrwertdienste und Internetangebote werden zumeil genutzt, um in besonders dreister Weise an das Gelder Kunden zu kommen. Mit dem vorliegenden Gesetz-ntwurf wird der Weg hin zu einem verbesserten Ver-raucherschutz, den wir im letzten Jahr beschritten ha-en, konsequent weiter beschritten.
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Manfred Helmut ZöllmerIch will das an sechs Punkten deutlich machen. Ers-tens. Die Befugnisse der Regulierungsbehörde werdenin Form einer Generalklausel auf alle Rufnummern ausge-dehnt. Dies erlaubt bei veränderten Missbrauchstatbestän-den ein zeitnahes und flexibles Handeln der Regulierungs-behörde. Das Ausweichen auf andere Nummerngassenwird damit wirksam verhindert.Zweitens. Details werden wir in einer noch zu erlas-senden Nummerierungsverordnung und in der Telekom-munikations-Kundenschutzverordnung regeln. Dieswird mit Zustimmung von Bundesrat und Bundestag ge-schehen.Drittens. Die Regulierungsbehörde kann nicht nur ge-gen die missbräuchliche Nutzung aller Rufnummern ein-schreiten, sondern auch gegen Missbrauch durch Dialervorgehen.Viertens. Der Mehrerlösabschöpfungsanspruch fin-det sich in § 41 des Gesetzes wieder. Mögliche Gewinnebei Verstößen gegen Verfügungen der Regulierungsbe-hörde können abgeschöpft werden. Der Anspruch istklar gefasst und wird nicht mehr durch unbestimmteRechtsbegriffe relativiert. Er ist damit ein wirksamesSanktions- und Präventionsinstrument.Fünftens. Das Verbandsklagerecht der Verbraucher-schutzverbände auf Unterlassung nach dem geltendenUnterlassungsklagengesetz ist in den Gesetzentwurf auf-genommen worden.Sechstens. In den Fragen der Fakturierung und desInkassos hat es eine sehr gute Vereinbarung zwischenden beteiligten Unternehmen gegeben. Dies dient derRechtssicherheit, entspricht den Wünschen der Verbrau-cherinnen und Verbraucher und sichert so den Verbrau-cherschutz.
Der vor uns liegende Gesetzentwurf stärkt den Wett-bewerb auf dem Telekommunikationsmarkt. Er beinhal-tet ein schlüssiges Regulierungskonzept, stellt damit dieWeichen für Investitionen und Innovationen in diesemSchlüsselbereich unserer Volkswirtschaft und stärkt denVerbraucherschutz. Dieser Gesetzentwurf verträgt keinepolitische Blockade. Das würde den Unternehmen scha-den, die Schaffung weiterer Arbeitsplätze verhindernund den Verbraucherinnen und Verbrauchern schaden.Meine Damen und Herren, setzen wir gemeinsam aufdas Potenzial dieser Wachstumsbranche in Deutschlandmit einem hervorragendem Verbraucherschutz!Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-desregierung eingebrachten Entwurf eines Telekommu-nikationsgesetzes, Drucksachen 15/2316 und 15/2345.DBcsta1ÄBC1ÄBEdgzGSdussinnFfginCDssDBdsAtWsscshS1)
Tagesordnungspunkt 17 b. Abstimmung über die Be-chlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft undrbeit auf Drucksache 15/2674 zu dem Antrag der Frak-ion der CDU/CSU mit dem Titel „Mehr Wettbewerb,achstum und Innovation in der Telekommunikationchaffen“. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe ceiner Beschlussempfehlung, den Antrag auf Drucksa-he 15/2329 abzulehnen. Wer stimmt für diese Be-chlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-ält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit dentimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegenAnlage 2
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. März 2004 8779
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Präsident Wolfgang Thiersedie Stimmen der CDU/CSU bei Enthaltung der FDP an-genommen.Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 16 a und16 b sowie die Zusatzpunkte 6 und 7 auf:16 a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-gierungBericht der Bundesregierung zur auswärtigenKulturpolitik 2001– Drucksache 14/9760 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Kultur und Medien
Auswärtiger AusschussSportausschussAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für Tourismusb) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-gierungBericht der Bundesregierung zur auswärtigenKulturpolitik 2002– Drucksache 15/2258 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Kultur und Medien
Auswärtiger AusschussSportausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für TourismusAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten MonikaGriefahn, Eckhardt Barthel , SiegmundEhrmann, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion der SPD sowie der Abgeordneten Dr. AntjeVollmer, Claudia Roth , Ursula Sowa,weiterer Abgeordneter und der Fraktion desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENAuswärtige Kulturpolitik stärken– Drucksache 15/2659 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Kultur und Medien
Auswärtiger AusschussAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungHaushaltsausschussZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten GünterNooke, Dr. Friedbert Pflüger, Bernd Neumann
, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSUAuswärtige Kultur- und Bildungspolitik stärken– Drucksache 15/2647 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Kultur und Medien
Auswärtiger AusschussAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAWGLBtFKdgetislLuzWmBKvaHuKSnKzlBdmwimMt
achen wir den hervorragenden Ruf der Mittler der aus-ärtigen Kultur- und Bildungspolitik in der Welt kaputt – Grunde für Peanuts.Der Außenminister hat im Ausschuss für Kultur undedien in der vergangenen Woche in geradezu tränen-reibender Weise erklärt
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Günter Nooke– hören Sie doch einfach einmal zu –, es würden weitereEinschnitte auf die auswärtige Kultur- und Bildungspoli-tik zukommen. Er sagte wörtlich: Nicht nur ins Fleisch,nein, diesmal „ins Mark“. Er sagte außerdem, dass er lei-der auch nichts dagegen tun könne. Der Außenministerist Vizekanzler und wohl immer noch eine ernst zu neh-mende Stimme des grünen Koalitionspartners. Wer,wenn nicht er, kann Prioritäten setzen?
Es besteht der Verdacht – hier spreche ich nicht nurim Namen meiner Fraktion –: Dem Außenminister istdie auswärtige Kultur- und Bildungspolitik – freundlichgesagt – nicht einen Pfifferling wert.
Um diesen Verdacht zu entkräften, wäre es besser gewe-sen, er hätte heute zu guter Debattenzeit selber das Wortergriffen. Herr Außenminister, es ist ja nicht nur die Op-position im Deutschen Bundestag, die Ihnen das sagt, le-sen Sie die Zeitungen und vor allem: Lassen Sie Ihre ei-genen Leute nicht im Stich; denen liegt wirklich etwasan diesem Thema.Über das, was die deutsche auswärtige Kultur- undBildungspolitik jeden Tag auf der ganzen Welt leistet– im Kleinen wie auch langfristig –, brauche ich hier kei-nen Vortrag zu halten. Auf ihre Unverzichtbarkeit istnicht nur in den vergangenen Tagen hingewiesen wor-den. Hier besteht, wie ich eingangs sagte, Konsens.Wir haben unserem Antrag die Ziele und Leistungender auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik voran-gestellt. Es geht um Interesse an Deutschland und umdeutsche Interessen. Es tut uns allen gut, wenn wir guteBeziehungen zu unseren Partnern in der Welt haben.Was über Jahrhunderte gewachsen ist, darf nicht ausDesinteresse oder durch unüberlegte Pauschalkürzungen– die gibt es übrigens auch bei Koch/Steinbrück – geop-fert werden.
Wir brauchen auch gute Beziehungen zu denen, die viel-leicht noch nicht so gute Partner sind, aber ein besonde-res Interesse an Deutschland haben und diese Beziehun-gen ausbauen wollen.Es geht bei der auswärtigen Kultur- und Bildungspoli-tik um Deutschland, um Kultur aus Deutschland, aber inbesonderem Maße auch um deutsche Kultur und umDeutschland als Kulturnation in all ihrer Vielfalt. Es gehtum Informationen aus Deutschland, aber auch um Infor-mationen in deutscher Sprache. Das Interesse an derdeutschen Sprache im Ausland ist oft größer als hierzu-lande. Deutsch hat in vielen Ländern große Chancen alszweite Fremdsprache; deutsche Dichter und Philosophenim Original zu lesen ist für viele noch ein großer Anreiz.Es geht bei der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitikum – ich nenne einen weiteren Punkt – die DarstellungDeutschlands in der Welt als ein weltoffenes Land. AbereswuMwwAsttdfRgddatnTWds0jSn–DgüdsAbstwsnZmng
ir brauchen mehr Realismus und Pragmatismus, derem Auftrag der Mittler auswärtiger Kulturpolitik ent-pricht. Auf der dünnen Basis der genannten,22 Prozent ist langfristiges Planen kaum möglich. Pro-ekte, die mit Sondermitteln realisiert werden, wie dietabstelle „Dialog mit der islamischen Welt“ könnenicht langfristig angelegt werden.
Nein, das wurde nicht gesagt; die Mittel sind ja weg. –och alle Erfahrung in der auswärtigen Kulturpolitik hatelehrt, dass nur in der Kontinuität der Erfolg liegt, dassber lange Zeiträume hinweg Vertrauen aufgebaut wer-en muss und dass sich die Verlässlichkeit einer Partner-chaft erst nach vielen Jahren beweist.
uswärtige Kultur- und Bildungsarbeit braucht geradeeim interkulturellen Dialog Beharrlichkeit. Sie ist keinechnelle Eingreiftruppe. Aus dem anfänglichen Schei-ern eines begonnenen Dialogs darf nicht mit betriebs-irtschaftlicher Logik der Abbruch der Beziehungen ge-chlussfolgert werden.Die Anerkennung und der Ruf der Mittlerorganisatio-en sind hierzulande, wo die Einrichtungen häufiger imusammenhang mit Haushaltskürzungen als im Zusam-enhang mit ihren Projekten genannt werden, nicht an-ähernd mit dem Ruf zu vergleichen, den sie im Auslandenießen. Dieser Ruf im Ausland wird in einem Maße
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Günter Nookegefährdet, wie wir uns das in Deutschland oft gar nichtvorstellen können.Als Beispiel nenne ich die Alexander-von-Hum-boldt-Stiftung, die sich mit dem weltweiten Austauschvon Wissenschaftlern beschäftigt. Es mag sein, dassmanchem eine solche Einrichtung etwas zu gediegen er-scheint. Wir brauchen in Deutschland aber nicht überEliten und Exzellenz zu reden, wenn wir im Rahmen derauswärtigen Kultur- und Bildungspolitik nicht sicher-stellen, dass ein internationaler, hochkarätiger Austauschvon Wissenschaftlern erfolgt.
Das wird gerne unterschätzt. Der Wissenschaftlertrans-fer auf höchstem Niveau ist von zentraler Bedeutung.Wenn Deutschland mit seinen Spitzenwissenschaftlernim Ausland nicht präsent ist, dann ist Deutschland auchnicht attraktiv für Spitzenwissenschaftler aus der Welt.Gleiches gilt übrigens auch für den Nachwuchs – fürStudenten und angehende Wissenschaftler – und fürKünstler.Ich habe den Namen Alexander von Humboldt aberauch noch aus einem anderen Grund genannt. Mitgliederdes Kulturausschusses konnten vor kurzem während ei-ner Mexikoreise die außerordentliche WertschätzungAlexander von Humboldts erleben. Die Mexikaner ver-ehren diesen Deutschen, der Mexiko 1803 mit einer For-schungsexpedition besuchte, präkolumbianische Kultu-ren erkundete und den Menschen dabei auf gleicherAugenhöhe begegnete, fast als Nationalheiligen. Wennman in Mexiko hört, die Alexander-von-Humboldt-Stif-tung werde kaputtgekürzt, dann denkt dort niemand nuran den Austausch von Wissenschaftlern, sondern vielemeinen dann, in Deutschland herrsche Kulturbarbarei.
Deutsche auswärtige Kultur- und Bildungspolitik hatnoch – nicht nur in Mexiko – einen guten Ruf. Deutsch-land bekommt aber immer stärkere Konkurrenz. InDeutschland wird das weniger bemerkt als vor Ort.Großbritannien und Frankreich segeln zum Beispiel mitenormem staatlichen Rückwind neben uns. Deutschlandhat dagegen permanent staatlichen Gegenwind. Das istabsurd.
Um im Bild zu bleiben, wirft jetzt auch noch der stell-vertretende Steuermann den Anker.Ich will das Bild nicht überstrapazieren, aber dochnoch etwas aus dieser Woche berichten. Die Mitgliederder Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ wa-ren am Montag Nachmittag beim Käpt’n im SchlossBellevue. Ich glaube, ich petze jetzt nicht und teile nichtzu viel mit: Bundespräsident Rau hat bezüglich der Rolleder auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik eine ganzandere Auffassung als Fischer. Er misst ihr eine sehrhohe Priorität zu.BsDAdsrISDtrwzvbUAkwnvlerhLTasKsMdnBAdktrwKef–a
ch will gar nicht erzählen, was Sie in Ihrem Antrag zumchulfonds schreiben, weil er nichts damit zu tun hat.ie Auslandsschulen werden nämlich anders finanziert.Mir geht es darum: Bildungspolitik ist in Ihrem An-ag schon im Titel weggekürzt worden. Wer kürzt, mussissen, was und wohin er will. Wir sehen keinerlei Kon-ept der Bundesregierung zu diesem Thema. Auch dieorliegenden Berichte aus den Jahren 2001 und 2002 ge-en darüber keine Auskunft. Aus diesem Grund hat dienionsfraktion die heutige Debatte verlangt und ihrenntrag vorgelegt. Der Katalog unserer Forderungenann nachgelesen werden. Er zeigt, dass wir mit der aus-ärtigen Kultur- und Bildungspolitik im besten Sinneoch viel vorhaben.Der Koalition ist zu diesem Thema leider nicht sehriel – vor allem kein einziger konkreter Rat – eingefal-n. „Neue Chancen ergreifen“, „neue Wege der Koope-ation“, „neue Schwerpunkte“ – das alles klingt unge-euer neu. Ich vermute aber, dass den Mittlern beimesen ihres ziellosen und offenkundig völlig hilflosenextes das kalte Grauen überkommt. Ich fürchte, dass sielle Hoffnung fahren lassen werden, wenn sie lesen müs-en, dass künftig „die Haushaltsmittel für die auswärtigeultur- und Bildungspolitik nachhaltig zu gestalten“ein werden. Für die unfreiwillige Komik werden dieittler kein Gespür mehr haben, eher für die offenkun-ige Hilflosigkeit der Formulierung. Haushaltsmittelachhaltig gestalten heißt doch nichts anderes, als ohnelick auf die Aufgaben der Mittler den Etat zu senken.
m nachhaltigsten sind übrigens Nullansätze; denniese kann man bei Haushaltsberatungen nicht weiterürzen.Das ist das Gegenteil von dem, was im Titel Ihres An-ags versprochen wird, aber um die Stärkung der aus-ärtigen Kultur- und Bildungspolitik soll es bei deroalition offensichtlich gar nicht gehen. Ich zitiere nochinmal aus Ihrem Antrag. Dort heißt es unfreiwillig of-en:AKP schon bei der Sprache wird gekürzt; gemeint ist dieuswärtige Kulturpolitik –ist nicht nur komplementäres oder gar verzichtbaresBeiwerk …
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Günter NookeDie Betonung liegt auf dem „nur“.All das erinnert mich an Karl Valentin. Wie wäre esmit einem anderen Antragstitel: „Mögen hätt’ ich schonwollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut.“?
Ich lade Sie ein, auf der Basis unseres Antrages im Aus-schuss unser im Grunde gemeinsames Wollen zur wirkli-chen Stärkung der auswärtigen Kultur- und Bildungs-politik im Auswärtigen Amt und in der Welt zumAusdruck zu bringen.
Ich kann Ihnen nur zurufen: Wollen Sie nicht nur, son-dern trauen Sie sich auch einmal.Danke schön.
Ich erteile das Wort Kollegin Monika Griefahn, SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Besonderswillkommen heiße ich die ausländischen Gäste aus Peru.Auch sie nehmen sehr aktiv an der auswärtigen Kultur-politik teil.Herr Nooke, wenn Sie davon sprechen, dass derCDU/CSU die auswärtige Kulturpolitik so wichtig ist,dann verstehe ich nicht, warum bis 1998 44 Goethe-Institute geschlossen werden mussten, darunter so wich-tige wie in Hyderabad und Lahore, die wir heute müh-sam wieder einrichten müssen, damit der Dialog in die-sen Ländern tatsächlich stattfindet. Da stimmt dochetwas nicht.
– Das ist das Problem.Angesichts der 23 Nobelpreisträger der Humboldt-Stiftung ist für alle klar, dass dies zu dem Bereich Inno-vation gehört. Wie man weiß, wird Innovation von die-ser Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen ge-fördert und umgesetzt.
Sie haben den Titel unseres Antrags kritisiert. Siewissen, dass es in der Regel in den Ländern Kultusmi-nisterien gibt, die für Bildung zuständig sind. Deswegenumfasst die Kulturpolitik bei uns alles, was Kultur undBildung betrifft. Wir haben nicht den Anspruch gehabt,heute auch noch den gesamten Etat von Frau Bulmahnund andere Bereiche mitzubehandeln, sondern wir wol-len heute über die auswärtige Kultur- und Bildungspoli-tik sprechen.cSibsLDldtTKmlrBSminnEDgFFNFdzßGuwuiszassemsdaruauM
Wie Gunter Mulack feststellte, müssen wir noch starkmsteuern, wenn wir insbesondere die Jugend in denlamischen Ländern erreichen wollen. 50 bis 70 Pro-ent der Bevölkerung sind unter 30 Jahre. Italien hatber genauso viele Goethe-Anlaufstellen wie der ge-amte arabische Raum. Deshalb müssen wir Goethe-In-titute verlagern und gleichzeitig neue Wege stärkerrschließen. Ich denke an Anlaufpunkte, Lesesäle, Infor-ationszentren, Goethe-Zentren, aber auch an gemein-ame Sportaktivitäten. Mannschaftssport als Lernen fürie Demokratie, auch das ist sicherlich ein Weg, geraden junge Leute heranzukommen. Das ist eine neue He-angehensweise.Jetzt kommen wir zum Hauptproblem, das wir vorns hertragen: das liebe Geld. Wir alle müssen sparen,ber wir haben Prioritäten gesetzt: Zukunftsinvestitionennd Bildung wollen wir nicht vernachlässigen und dieittel dafür nicht kürzen.
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Monika GriefahnDas ist unser Ziel. Wenn uns aber das Geld fehlt, dannmüssen wir intelligenter mit dem wenigen Geld umge-hen. Wenn es richtig ist, dass wir Bildung als Investitionbetrachten – die Hauptmittel in der auswärtigen Kultur-politik sind auch Bildungsmittel; betrachten Sie die117 Auslandsschulen, die 126 Goethe-Institute weltweitund die 30,5 Millionen Euro für den Studentenaus-tausch –, dann ist es auch richtig, zwei Schritte zu ma-chen. Erstens. Wenn es Einsparungen, die wir alle tragenmüssen, geben muss, dann müssen diese aus dem Ge-samthaushalt erwirtschaftet werden, nicht aus demHaushalt für die auswärtige Kulturpolitik. Da sind wiruns einig.
Zweitens. Wenn wir innovative Wege gehen wollen,dann müssen wir die Budgetierung, auch mit Decke-lung, in den Institutionen der auswärtigen Kulturpolitikeinführen und die Mittel aus den Einsparungen, diedurch die Budgetierung erfolgen können, den Mittlernfür die Programmarbeit zur Verfügung stellen. Das istein entscheidender Punkt.
Ein Beispiel: Es kann doch nichts dagegen sprechen,dass ein Mittler mit den erwirtschafteten Budgetierungs-renditen ein preiswerteres Haus mietet und die einge-sparten Gelder in Programme steckt. Das sind die zu-kunftsweisenden Perspektiven. Darin sind wir uns einig.Wir müssen das nur umsetzen.In den Kommunen und Ländern geht das auch. Wenneine Schule ein Energieeinsparungsprogramm be-schließt, neue Fenster einbaut und die Schüler lehrt, wieman richtig lüftet, dann ist es Usus, dass die eingespartenMittel zur Hälfte dem Investor, der diese Investitionenabschreibt, und zur anderen Hälfte der Schule für Pro-grammarbeit überlassen werden. Das streben wir bei denInstitutionen auch an.Wenn man die Mittel für die Budgetierung deckelt,dann spricht in meinen Augen nicht viel dagegen, dasauch auf Bundesebene so zu machen. Dann sind dieLeute vor Ort motiviert einzusparen. Dann fallen auchdie jährliche Hatz aufgrund der Kameralistik und dasNovemberfieber weg. Davon haben alle etwas und wirsparen zusätzlich Geld. Das ist das Entscheidende.Die Kultur- und Bildungspolitik ist ein zentraler Be-standteil der allgemeinen Außenpolitik und mehr alsnur die dritte Säule. Ihre Aufgaben werden noch zuneh-men. Sie werden angesichts vielfältiger Konflikte auchwichtiger. Wir können das in Afghanistan beobachten.Der Aufbau bzw. der Erhalt von kultureller Infrastrukturwird trotz der täglichen Existenzprobleme, die die Men-schen haben, begeistert aufgenommen. Die Wiedereröff-nung des Goethe-Instituts in Kabul im letzten Septem-ber, die immense Nachfrage nach Deutschkursen unddas Lechzen nach Kultur sprechen Bände. Das dientauch unserer Zukunft, denn wer, wenn nicht die jungenLeute, sind die Träger von Sympathie und diejenigen,dmnurds–AsgIArdttTwdmNuSsaaatwimhLsssetiuimmmetem
Sie helfen mit, habe ich gesagt.An diesen Beispielen sieht man deutlich, dass dieusgaben für Kultur beileibe keine Subventionen sind,ondern eindeutig Investitionen in unsere Zukunft. Ichlaube, dass wir die Mittlerorganisationen wie Goethe-nstitut, DAAD, Institut für Auslandsbeziehungen undlexander-von-Humboldt-Stiftung, aber auch alle ande-en, nicht einfach als Zuwendungsempfänger betrachtenürfen, nur weil sie als eingetragene Vereine oder Stif-ungen fungieren. Sie sind vielmehr – wie die Botschaf-en – wie eine nachgeordnete Behörde zu betrachten, dieeil des Ministeriums ist. Von diesem Ansatz müssenir ausgehen. Aber wir haben uns bewusst entschieden,ass sie sozusagen autonom handeln dürfen. Insofernüssen sie anders organisiert werden.Sie haben die Auslandsschulen angesprochen, Herrooke, die uns selbstverständlich wichtig sind. Sie sindns zudem wichtig, weil sie Kindern, die sonst keinechulbildung bekommen könnten, ermöglichen, in deut-chen Schulen unterrichtet zu werden und mit Menschenus anderen Ländern in Kontakt zu kommen. In Süd-frika zum Beispiel besuchen südafrikanische Kinderus den Problembereichen deutsche Schulen und erhal-en dadurch bessere Bildungsmöglichkeiten.Insofern vernachlässigen wir die Schulen mitnichten;ir betrachten sie vielmehr als Begegnungsstätten. Dasst ein entscheidender Punkt.
Wir haben jetzt weitere Kooperationen vorgenom-en. Auch das ist eine neue Methode. Goethe-Instituteaben vor Ort gemeinsam mit anderen europäischenändern – mit Frankreich, Spanien und England – Lese-äle eröffnet. Mit der Robert-Bosch-Stiftung werden die-es Jahr unter anderem in Rumänien weitere zehn deut-che Kulturzentren eröffnet. In Kooperation wird mehrrreicht als im Alleingang.Des Weiteren werden ehemalige Institute in Koopera-on mit Städten oder Universitäten in Goethe-Zentrenmgewandelt. Das ist für Europa besonders wichtig, weilmer wieder über Schließungen diskutiert wird. Wirüssen aber keine Einrichtungen schließen, sondern wirüssen die Entwicklung in Europa betrachten. Wir sindin vereintes Europa, in dem wir auch gemeinsam arbei-n müssen. Die eigentliche Arbeit der Goethe-Instituteuss in anderen Ländern, beispielsweise in arabischen
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Monika GriefahnLändern oder in Südamerika, durchgeführt werden. VorOrt in Europa sind andere Kooperationen zu gestalten,die auch entsprechend kostengünstiger sind. Das ist klar,weil es ein anderes System ist.
Dass wir den Vorschlägen im Koch/Steinbrück-Papier zur auswärtigen Kulturpolitik nicht folgen wol-len, ist klar.
Denn das würde neben der Schließung von acht biszehn Goethe-Instituten und der Streichung von rund1 000 ausländischen Promotionsstipendien vom DAADbedeuten, dass bei der Alexander-von-Humboldt-Stif-tung 300 ausländische Spitzenwissenschaftler wegfallen.Diese Zahlen gelten pro Jahr! Dass wir das nicht wollen,ist klar. Ich denke, wir arbeiten gemeinsam daran, dassdas nicht passiert.
Wir wollen auch nicht die Programmarbeit in Latein-amerika oder in Afrika – auch dieser Kontinent wirdleicht vergessen – zur Disposition stellen. Deswegen,denke ich, müssen wir nach Wegen suchen. Ich habe dieWege aufgezeigt. Wir werden sehen, wie wichtig dieKulturarbeit noch wird.Es wird immer wieder gefragt, wie man zum Beispielmit radikalisierten Islamisten Dialoge führen soll.Zwar gibt es radikalisierte Menschen, mit denen keineDialoge möglich sind, aber es gibt auch eine großeMenge von Neugierigen, die aber eine gewisse Skepsisaufweisen und mit denen die Dialoge zu führen undKontakte möglich sind. Diese Menschen müssen wir er-reichen.
Wir sehen doch im Iran, in Indien, Indonesien und in an-deren islamischen Ländern, dass es ein Bedürfnis nachentsprechenden Kontakten gibt. Man kann doch nicht al-les auf die kleine Schar von radikalisierten Islamisten re-duzieren, sondern es gibt eine große Menge von Men-schen, die an Deutschland und an Europa ein großesInteresse haben, auch als Gegenpol oder Ergänzung zuden Vereinigten Staaten. Darin liegt unsere Chance. Dasist der aktive Beitrag zur Friedenssicherung, den ich fürsehr wichtig halte und von dem ich meine, dass wir da-mit sehr viel erreichen können.
Ich glaube, unsere Hauptaufgabe wird sein, gemein-sam die Anstrengung zu unternehmen, die Budgetierungeinzuführen, um einen flexibleren Umgang mit den vor-handenen Mitteln zu ermöglichen. Ich denke, dass wir inunserem Ausschuss und in diesem Hohen Hause eine ge-meinsame Position zur auswärtigen Kulturpolitik vertre-tFtMSBVtecdwhGiest2wAguDdlhIsdpdmdhrA
Ich erteile dem Kollegen Werner Hoyer, FDP-Frak-
ion, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eine Damen Staatsministerinnen, ich freue mich sehr,ie hier zu sehen, aber ich fände es noch besser, wenn derundesaußenminister heute anwesend wäre und seineorstellungen von der Bedeutung der auswärtigen Kul-urpolitik zum Besten geben würde. Die beiden Gäste, dier heute Morgen in dieser Stunde empfängt, hätten mit Si-herheit so viel Respekt vor dem Parlament, dass sie ihmie Teilnahme an dieser Sitzung ermöglicht hätten.
Es ist für die auswärtige Kulturpolitik nie leicht ge-esen, Mittel zu beschaffen, Geld locker zu machen. Esat auch immer wieder Rückschläge gegeben. Aber imroßen und Ganzen ist es nach hartem Kampf eigentlichmmer wieder gelungen, der auswärtigen Kulturpolitikinen angemessenen Platz im Bundeshaushalt zu ver-chaffen. So schwankte der Anteil der auswärtigen Kul-urpolitik in der ersten Hälfte der 90er-Jahre stets um,6 Promille des Gesamtetats. Dieses Niveau zu haltenar keine Selbstverständlichkeit, sondern Kampf.
ber seit 1999 geht es bergab. Der Anteil der auswärti-en Kulturpolitik am Gesamtetat liegt seither deutlichnter 0,25 Prozent.
er Anteil der auswärtigen Kulturpolitik am Gesamtetates Auswärtigen Amtes ist von einst 33 Prozent auf mitt-erweile 25 Prozent gesunken.Beim Schließen von Instituten gab es sehr schmerz-afte Entscheidungen, aber auch Fehlentscheidungen.ch denke an Reykjavik. Sie selber haben vorhin Bei-piele genannt – Sie haben Italien angesprochen –, anenen deutlich geworden ist, warum man in bestimmtenolitischen Situationen umschichten muss.Übrigens sollten wir auf der Mitgliederversammlunges Goethe-Instituts am kommenden Montag noch ein-al darüber reden, ob es tatsächlich richtig ist, zu sagen,ass wir keine deutsche auswärtige Kulturpolitik inner-alb der Europäischen Union mehr brauchen, da Eu-opa gänzlich vereint ist. Ich halte das für einen falschennsatz.
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Dr. Werner HoyerDer Bundesaußenminister hat deutlich gemacht, dassder Kahlschlag in den nächsten Jahren noch verschärftwerden müsse. Christof Siemes hat vorgestern in der„Zeit“ zu Recht beklagt:Die auswärtige Kulturpolitik wird endgültig zu-grunde gespart.Dieser Kahlschlag hat einen Namen: Joschka Fischer.
Dem Bundesaußenminister kommt zwar der Spruch vonder auswärtigen Kulturpolitik als der dritten Säule derauswärtigen Politik leicht über die Lippen. Aber erkämpft nicht für ihre materielle Ausstattung. Er kämpfthier nicht für sein Haus.
Wie ist es sonst zu erklären, dass schon bei den Verhand-lungen im Vermittlungsausschuss über die Koch/Steinbrück-Liste zum Subventionsabbau klar war, dasseinige Ressorts, die durchaus auch auf dem Gebiet derauswärtigen Kulturpolitik tätig sind, wie zum Beispieldas Bundeskanzleramt und das BMZ, ungeschoren da-vonkommen, die Zuwendungsempfänger im Geschäfts-bereich des Auswärtigen Amtes aber voll betroffen sind,und zwar auch dann, wenn sie systematisch überhauptnicht in die Liste der Subventionsempfänger hineinpas-sen.Es ist schon absurd, dass Auslandsmedienarbeit,wenn sie bei der Kulturstaatsministerin oder im BMZressortiert, von den Kürzungen ausgenommen wird,wenn sie aber beim Goethe-Institut zu Buche schlägt,voll von der Kürzungskeule erfasst wird. Dabei war HerrFischer in seiner Eigenschaft als heimlicher Bundesvor-sitzender der Grünen doch in den entscheidendenBesprechungen der Parteivorsitzenden im Rahmen desVermittlungsverfahrens persönlich beteiligt. Er hätteaufgrund guter Beratung seines Hauses wohl einigenUnsinn verhindern können. Er hat darauf verzichtet undübernimmt deshalb die Hauptverantwortung für eine au-ßenpolitisch, kulturpolitisch und bildungspolitisch un-verantwortliche Weichenstellung. Zu Recht schreibt der„Tagesspiegel“ gestern:Es ist … die alleinige Verantwortung des Außen-ministers, wenn er in seinem Haushalt die Kulturüberproportional zur Kasse bittet.
Es herrschte bis vor kurzem Konsens darüber, dass eszweckmäßig ist, den Spagat zwischen Staatsnähe undPolitikferne der Kulturmittler dadurch zu erleichtern,dass man diesen Bereich originärer staatlicher Tätigkeitauslagert, rechtlich verselbstständigt und damit ein ho-hes Maß an Eigenverantwortlichkeit und Unabhängig-keit schafft, aber natürlich ohne den Staat aus seiner Ver-pflichtung zu entlassen. Umgekehrt ist es daher durchausnachvollziehbar, dass die Mittlerorganisationen derauswärtigen Kulturpolitik solidarisch ihren Beitrag zurHaushaltssanierung leisten müssen. Sie tun dies auch.Dementsprechend sind diese Organisationen auch vonden allgemein verordneten Stellenkürzungen betroffen.SfsdgIwwnwdmndStRPslrzAsFletiKetetenerlzaevAshbdalhS
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Das ist vor allem auf unseren sicherheitspolitischenAnsatz – auch er ist inzwischen parteiübergreifend Kon-sens – zurückzuführen. Dieser Ansatz geht weit über mi-litärisches Engagement hinaus: Es geht um politische,ökonomische, gesellschaftliche und auch kulturelle Be-dingungen und Entwicklungen, um dem komplexen undmultidimensionalen Charakter von Krisen und Konflik-ten Rechnung zu tragen. Dabei spielt gerade der Kultur-dialog eine bedeutende Rolle. Ich möchte in diesem Zu-sammenhang drei Beispiele nennen:Erstens. Den Kampf gegen den internationalenTerrorismus werden wir nicht gewinnen, wenn wir ihnnicht auch als kulturelle Herausforderung begreifen.Deshalb ist es für unsere Außenpolitik von zentraler Be-deutung, dass wir mit der islamischen Welt den Dialogüber kulturelle Modernisierung suchen,
etwa um – Herr Nooke, darum geht es – jungen Men-schen in den islamischen Ländern eine Perspektive, zumBeispiel was Bildungschancen angeht, zu geben und umein Abdriften in den Extremismus zu vermeiden.Zweitens. Auch in der Prävention und Bewältigungvon Krisen hat die auswärtige Kultur- und Bildungspo-litik als Teil der Außenpolitik große Bedeutung gewon-nen. Ob auf dem Balkan oder in Afghanistan: Was dasAuswärtige Amt und die Mittlerorganisationen dort leis-ten, ist ein unverzichtbarer Beitrag zur Stabilisierung desFriedens. So haben wir zum Beispiel in Afghanistan– das war ein wichtiger Beitrag, mit dem wir dort voran-gegangen sind – ein Goethe-Institut wieder eröffnet.Drittens. Vergessen wir auch nicht: Wir erleben dieaußenpolitische Bedeutung des Kulturdialogs seit Jahr-zehnten in Europa; schließlich ist die Erfolgsgeschichteder europäischen Integration nicht zuletzt ein Ergebnisdes intensiven Austauschs im Bereich Kultur und Bil-dung.Herr Nooke, ich will Ihre Behauptung, es gebe keinenBereich, den wir so vernachlässigt hätten, hier ganz klarzurückweisen. Das Gegenteil ist der Fall. Diese Behaup-tung ist geradezu abwegig.wükrdsHndKgStsDIInnnHnDdFimhnDadsgds
Wir leben aber nun einmal – das ist Ihnen möglicher-eise entgangen, obwohl ich mir das nach den Debattenber Maastricht gar nicht vorstellen kann – in Zeitennapper Kassen. Ich sage hier sehr deutlich: Die Solida-ität gebietet, dass sich das Auswärtige Amt und auchie Kulturmittler an Einsparungen beteiligen.Etwas anderes sage ich hier auch ganz deutlich – dacheint ja zumindest bei den Kulturpolitikern im Hohenause Einigkeit zu bestehen –: Wir können es nicht hin-ehmen, wenn in den Koch/Steinbrück-Vorschlägenavon gesprochen wird, Ausgaben für die auswärtigeultur- und Bildungspolitik seien Subventionen, die ab-ebaut werden müssen. Dazu kann ich nur sagen: Dieserubventionsbegriff ist absurd. Das hat der Außenminis-er auch an jeder Stelle von Anfang an sehr deutlich ge-agt.
er Kulturaustausch – Herr Kollege Hoyer, ich stimmehnen zu – ist keine Subvention, sondern eine wichtigenvestition in die Zukunft. Es bringt uns überhaupticht weiter, wenn solche Dinge als Subvention bezeich-et werden.
An etwas anderes möchte ich Sie jetzt aber auch erin-ern, meine Damen und Herren von der Opposition:err Ministerpräsident Koch ist meines Wissens nochicht Mitglied der Grünen geworden.
ie Koch/Steinbrück-Vorschläge wurden aber auch vonen Bundesländern, in denen Sie regieren und auch dieDP mitregiert,
Vermittlungsausschuss beschlossen. Tun Sie dochier nicht so, als trage dafür nur die Koalition oder garur der Außenminister die Verantwortung.
as ist nun wirklich völliger Blödsinn. Sie alle tragenufgrund der Beschlüsse des Vermittlungsausschussesafür auch selbst Verantwortung.
Außerdem möchte ich Sie auch noch einmal an Ihreteuerpolitischen Vorschläge erinnern, nicht nur an dieerade von der CDU beschlossenen, sondern erst recht anie von der FDP. Wenn diese steuerpolitischen Vor-chläge realisiert würden, dann würden staatliche Leis-
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Staatsministerin Kerstin Müllertungen doch erst recht gekürzt. Dann würde wahrschein-lich gar nichts mehr für die auswärtige Kulturpolitikübrig bleiben.
Ich finde es heuchlerisch, wenn man das in dieser De-batte nicht erwähnt. Deshalb können Sie sich das Gejam-mere auch wirklich sparen.
Jedenfalls hat sich Minister Fischer persönlich in derBundesregierung durch intensive Gespräche dafür einge-setzt, dass es keine weiteren Kürzungen in der auswärti-gen Kulturpolitik mehr gibt.
Ich kann Ihnen heute die erfreuliche Mitteilung machen,dass ich optimistisch bin, dass es uns gelingen wird, dieauswärtige Kultur- und Bildungspolitik weitgehend vonden Koch/Steinbrück-Kürzungen auszunehmen.
Auch im Haushaltsauschuss wurde gestern von den Ko-alitionsfraktionen ausdrücklich erklärt, dass Einsparun-gen in der auswärtigen Kulturpolitik vermieden werdensollen. Das, meine Damen und Herren, ist, wie ichglaube, eine gute Nachricht für die deutsche Außenpoli-tik.
Nun möchte ich noch etwas Versöhnliches sagen:Dass wir uns in diesem Hohen Hause in der Frage derWichtigkeit der auswärtigen Kulturpolitik einig sind,sieht man daran, dass unsere Auffassungen bezüglichder Inhalte und Ziele der auswärtigen Kulturpolitik nahbeieinander liegen. Die heutige Debatte hat ja gezeigt,dass wir uns fraktionsübergreifend im Grundsatz überdie große Bedeutung des Kulturaustausches als eineszentralen Feldes der deutschen Außen- und Sicherheits-politik einig sind. Deshalb hoffe ich auch in Zukunft aufIhre Unterstützung, wenn es darum geht, gemeinsam– das liegt in unserem Interesse und entspricht der Inten-tion des Ministers – die auswärtige Kultur- und Bil-dungspolitik zu stärken.Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Klaus Rose,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich be-ginne, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit einer persön-lichen Vorbemerkung: Von 1983 bis 1994 war ich Haus-huKgtmSgbdFJArhKDlDgZhvnmmsswsAmutiPgtwMiKesgWh„KniWK
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Sie können sich vorstellen, welche Freude in vielen Or-ten der Welt gegenüber Deutschland aufkommt. Man er-lebt, wie sich die Kinder dort bemühen. Aber man hörtdauernd, wie schwierig es geworden ist. Sie haben stolzKabul erwähnt. Ich war bereits 1986 in Kabul amGoethe-Institut. Dass wir jetzt wieder dorthin können,haben wir unter anderem der NATO und der Bundes-wehr zu verdanken. Was 1986 in Ihren Kreisen über dieNATO und die Bundeswehr geredet wurde, will ichheute gar nicht erwähnen.
Aber dass Sie sich hier hinstellen, meine Damen undHerren von der Regierungskoalition, und verkünden,dass endlich wieder etwas geschehen sei, ist schon einbisschen seltsam.Ich möchte auch die verdienstvollen Mittlerorgani-sationen wie den Deutschen Akademischen Austausch-dienst, die Alexander-von-Humboldt-Stiftung, die Deut-sssadblulmdKbddmSgeiwtHpdshrmnwwRas
Ich möchte zum Abschluss sagen: Wir sollten ge-
einsam um die beste Lösung ringen. Wir werden Sie
atürlich auch weiterhin kontrollieren und aktiv werden,
enn Sie nur reden und nicht handeln.
Lieber Kollege Rose, ich weise Sie darauf hin – dasird Sie vielleicht trösten –, dass zwar die eingestellteedezeit eine andere als die von den Geschäftsführernngemeldete war, dass aber die vom Präsidenten zuge-tandene Redezeit etwas mehr als die vorgesehene war.
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Vizepräsident Dr. Norbert Lammert
Nun erteile ich dem Kollegen Lothar Mark das Wortfür die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieheutige Debatte zur auswärtigen Kulturpolitik fällt ineine Zeit, in der zu Recht mehrfach darauf hingewiesenwurde, dass das Koch/Steinbrück-Papier auf die aus-wärtige Kulturpolitik genauso wenig angewandt werdendürfe wie auf die Binnenkultur.
Investitionen in die Kultur – auch das haben wirmehrfach gehört – sind keine Subventionen. Sie sindrentierliche Investitionen in die Zukunft, die dazu beitra-gen, das Bild Deutschlands als einer Kultur- und Bil-dungsnation in der Welt zu verbreiten und zu festigen.Letztendlich sind sie aber auch wirtschaftsfördernd.Die heute hier vorliegenden Anträge, die sich für eineStärkung der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitikaussprechen, sind zunächst einmal zu begrüßen; denn siebestätigen die Bedeutung, die das Parlament der Kulturbeimisst.Als Außenpolitiker und Berichterstatter der SPD-Fraktion für den Haushalt des Auswärtigen Amtes habeich natürlich zwei Seelen in meiner Brust. In den Haus-haltsdebatten im Jahr 2003 hatte ich mich angesichts derstarken Kürzungen, denen sich auch das AuswärtigeAmt unterwerfen musste, dafür ausgesprochen, aufgrundder wachsenden Anforderungen an die deutsche Politikin der Welt dieses Amt von weiteren gravierenden Kür-zungen auszunehmen. Dieser Appell galt insbesonderebezüglich der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik,der gerade im Bereich Krisenprävention, Konfliktbewäl-tigung und Stärkung der Zivilgesellschaft, aber auch beider Stärkung des europäischen Integrationsprozesses be-sondere Verantwortung zukommt.
Angesichts der schwierigen Haushaltslage sehe ichmich als Haushälter aber auch vor Sachzwänge gestellt,die Parlament und Bundesregierung zum Sparen zwin-gen. Immer stärkeren Anforderungen an die deutscheAußenpolitik steht ein immer knapperes Staatsbudgetgegenüber. Hier sind seit Übernahme der Regierungsver-antwortung im Jahr 1998 kluges Handeln und Abwägenerforderlich. Ich begrüße deshalb auch, dass im Haus-haltsausschuss kürzlich Einigkeit wenigstens darüber er-zielt werden konnte, dass das Auswärtige Amt durchUmschichtungen im eigenen Einzelplan selbst entschei-den kann, wie die Koch/Steinbrück-Millionen erwirt-schaftet werden sollen. Ich schließe mich aber ausdrück-lich dem Wunsch des Bundesaußenministers an, dassdiese Mittel im Haushaltsvollzug zu erbringen sind,wsndfNndsBzlAgPwsdhdHksgDkhöEstwmzdjiJswmbsDss
ur, man muss, um dies letztendlich beurteilen zu kön-en, wissen, wie hoch die geforderten Beträge sein wer-en.In beiden Anträgen wird zu Recht darauf hingewie-en, dass die Ausgaben für die auswärtige Kultur- undildungspolitik in den letzten zehn Jahren kontinuierlichurückgegangen sind und nun bei 558 Millionen Euroiegen, was circa 26 Prozent des Gesamthaushaltes desuswärtigen Amts entspricht.Aufgrund der in dem Antrag der CDU/CSU-Fraktioneäußerten Behauptung, kein Bereich der auswärtigenolitik sei in den vergangenen Jahren so vernachlässigtorden wie die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik,ehe ich mich gezwungen, auf einige Erfolge im Bereicher AKBP hinzuweisen. Auch weise ich dezidiert daraufin,
ass sich einige der in Ihrem Antrag genannten Zahlen,err Nooke, nicht nachvollziehen lassen. Im letzten Jahronnten die Mittel für Stipendien- und Wissen-chaftsprogramme mit 132 Millionen Euro im Ver-leich zu 1993 einen nominalen Zuwachs verzeichnen.er Prozess der Schließungen von Goethe-Institutenonnte gestoppt werden; darauf hat Monika Griefahningewiesen. In Kabul wurde eine neue Zweigstelle er-ffnet. In Schanghai, Teheran und Algier werden weitereröffnungen folgen, sobald die politischen und techni-chen Umstände dies gestatten.Mit dem Ziel der Stärkung des europäischen Integra-ionsprozesses in den Erweiterungsstaaten der EUurden im Haushalt 2004 Gelder bereitgestellt, um ge-einsam mit der Bosch-Stiftung neue Kulturzentren auf-ubauen.Vor dem Hintergrund der internationalen Bedrohungurch Terror hat das Auswärtige Amt 2002 und 2003eweils circa 5 Millionen Euro in den europäisch-slamischen Kulturdialog investiert. Davon werden imahr 2004 fast 1 Million Euro allein in die kulturelle Zu-ammenarbeit mit dem Irak investiert.Auf die Situation in Afghanistan ist mehrfach hinge-iesen worden; ich muss dies nicht wiederholen.Die Deutsche Welle wurde im letzten Jahr zusätzlichit 1,2 Millionen Euro gefördert, um die Programmar-eit in Afghanistan zu verstetigen. Auch in diesem Jahrind erneut 600 000 Euro zusätzlich bewilligt worden.ies sind Investitionen in den Aufbau der Zivilgesell-chaft, die zugleich der Vermittlung unserer demokrati-chen Werte in einer Krisenregion dienen.
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8790 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. März 2004
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Lothar MarkMeine Damen und Herren, ich kündige hier aber gegen-über der Deutschen Welle an, dass ich vehement gegendie Einstellung des Spanischprogramms protestierenwerde,
weil ich denke, dass dies kontraproduktiv im Hinblickauf die Politik ist, die wir ansonsten vertreten.Beim Auslandsschulwesen konnten 2004 Kürzungenverhindert werden. Ich glaube, dass dies angesichts desallgemeinen Kürzungstrends, der stattfand, bereits einErfolg war. Bei aller berechtigten Kritik, dass hier weitmehr Finanzmittel erforderlich seien, haben die Spar-zwänge der letzten Jahre doch auch dazu geführt, auch inder auswärtigen Kulturpolitik Innovationen und neuesDenken zu befördern. Ich verweise auf die vor zwei Jah-ren begonnene Reforminitiative des Auswärtigen Amts,die auf mehr Effizienz, mehr Eigenverantwortung, fle-xiblere Strukturen und modernes Personalmanagementausgerichtet ist. Die Mittlerorganisationen der auswärti-gen Kultur- und Bildungspolitik haben bewiesen, dasssie Kosten senken, Stellen einsparen und Ressourcen zu-gunsten neuer Aufgaben und Initiativen verlagern kön-nen. Ich halte es deshalb für falsch, dass eine solcheStrategie, die vielerorts eine hohe Effizienzrendite er-bringt, nicht belohnt werden soll.
An dieser Stelle wiederhole ich mein seit langem ver-tretenes Credo für eine volle Budgetierung zunächst derHaushalte der einzelnen Kulturmittler, die im AuslandAufgaben des AA übernehmen.
Meines Erachtens sollte in einem nächsten Schritt, dergut vorbereitet werden muss, das gesamte AuswärtigeAmt budgetiert werden,
wobei weitere Ministerien folgen sollten. Die Budgetie-rung wird zu mehr Flexibilität, zur Hebung der Eigenini-tiative und Eigenverantwortung sowie zu weiterer Effi-zienzsteigerung beitragen.
Meine Kollegin Monika Griefahn ist bereits auf dasThema Budgetierung eingegangen. Das jetzt geplantePilotprojekt des Goethe-Instituts in Italien ist ein wichti-ger, wenn auch nach meiner Auffassung zu kleinerSchritt in die richtige Richtung.
Die erwirtschaftete Effizienzrendite sollte zur Moti-vationssteigerung deshalb zumindest teilweise – ichmeine aber: überwiegend – den Mittlern der auswärtigenKulturpolitik belassen werden.DhmtDvmRuglzgA0iFdiedgdnzdBpgMHssnAeKd
Tatsächlich verringerte sich der Anteil des auswärti-en Kultur- und Bildungshaushalts an den gesamtenusgaben des Bundes von 0,26 Prozent auf circa,22 Prozent im Jahr 2004. Eine neuerliche Anhebungst aber das Ziel und deswegen sind die Haushalts- undinanzreform und viele andere Dinge in der Diskussion.Bezüglich der angeblichen Halbierung der Mittel fürie Sprachförderung, von der in Ihrem Antrag die Redest, möchte ich darauf hinweisen, dass es sich dabei umin von 1993 bis 1995 befristetes Sonderprogramm han-elte. Es wurde von vornherein festgelegt, dieses Pro-ramm wieder aufzugeben. Wie Sie darauf kommen,ass die Mittel für die Programmarbeit von 118 Millio-en Euro im Jahr 1993 auf nun 51 Millionen Euro redu-iert wurden, erschließt sich mir ebenfalls nicht.
Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.
Um versöhnlich zu schließen, lassen Sie mich sagen,
ass die Forderung des CDU/CSU-Antrags nach einer
ündelung der Haushaltstitel zur auswärtigen Kultur-
olitik in einem Ressort gerade auch vor dem Hinter-
rund des Gesagten auf meine volle Sympathie stößt.
eine Vorstellungen dazu habe ich in meiner Rede zum
aushalt vom November 2003 dargelegt. Dieses Thema
ollten wir bei den vor uns liegenden Berichterstatterge-
prächen gemeinsam aufgreifen.
Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund mei-
er Ausführungen bitte ich Sie um die Zustimmung zum
ntrag der Regierungskoalition.
Vielen Dank.
Wenn im Übrigen die Haushälter bei den anstehendeninschlägigen Beratungen mit den Zuwachsraten für dieulturpolitik ähnlich großzügig verfahren wie der Präsi-ent bei der Zuweisung der Redezeiten, wäre ein beacht-
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Vizepräsident Dr. Norbert Lammertlicher Teil der Probleme gelöst, die von allen Rednernbeklagt werden.
Nun hat die Kollegin Gesine Lötzsch das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Sehr geehrte Gäste, ich bin Abgeordnete der PDS.
Bundesminister Struck hat gestern die Bundeswehr
als die größte Friedensbewegung im Land bezeichnet.
Darüber gab es schon einige Verwunderung. Ich habe in
der Debatte um die Bundeswehrreform einen Vorschlag
zur Finanzierung der auswärtigen Kultur- und Bildungs-
politik gemacht: Herr Struck gibt aus seinem 24 Milliar-
den Euro umfassenden Haushalt 115 Millionen Euro ab,
um die Schließung von Goethe-Instituten im Ausland zu
verhindern.
Der bayerische Staatsminister Thomas Goppel will
bei den Ausgaben für die Kultur im Inland kürzen, um
die Kultur im Ausland zu finanzieren. Das finde ich
nicht sinnvoll. Ich halte es auch für wenig überzeugend,
wenn der Außenminister die Kürzungen bei den Goethe-
Instituten, den Promotionsstipendien und den ausländi-
schen Spitzenwissenschaftlerinnen und Spitzenwissen-
schaftlern mit den Schwächen des Föderalismus begrün-
det.
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf
Zimmermann, sagte völlig zu Recht:
Der deutsche Föderalismus mag für viele Unwäg-
barkeiten in der Kulturpolitik verantwortlich sein,
an der Haushaltspolitik des Auswärtigen Amtes
trägt er nun wirklich nicht die Schuld.
Die von Bundesminister Fischer geplanten Kürzungen
gefährden bis zu 20 Goethe-Institute, 1 000 Promotions-
stipendien sowie die Förderung von 300 ausländischen
Spitzenwissenschaftlern.
– Ich komme darauf gleich zu sprechen.
Bei meiner gestrigen Kritik an den Kürzungen gab es
den Zwischenruf eines grünen Kollegen: Koch und
Steinbrück sind nicht die Bundesregierung. Augen-
scheinlich kennen auch die Mitglieder des Haushaltsaus-
schusses nicht das Schreiben – vielleicht haben sie es
auch vergessen – des Staatssekretärs aus dem Finanzmi-
nisterium, Herrn Diller, in dem er uns klipp und klar,
schwarz auf weiß mitteilt, dass es eine Protokollerklä-
rung der Bundesregierung gibt, in der sie sich verpflich-
tet, die Koch/Steinbrück-Initiative zum Subventions-
abbau auch in diesem Bereich umzusetzen. So steht es
darin. Wenn Sie das korrigieren wollen, wünsche ich Ih-
nen dabei viel Erfolg.
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Ich erteile der Kollegin Vera Lengsfeld, CDU/CSU-
raktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-en! Ein großzügig bemessener Etat für die auswärtigeulturpolitik hat in den vergangenen Jahrzehnten maß-eblich dazu beigetragen, das reichlich ramponierte An-ehen Deutschlands als Industrie- und Kulturnation iner Welt wiederherzustellen. Trotz dieser unbestreit-aren Bedeutung und des Erfolges der auswärtigen Kul-urpolitik für den Standort Deutschland ist, Frau Staats-inisterin Müller, tatsächlich kein Bereich deruswärtigen Politik in den vergangenen Jahren so ver-achlässigt worden wie gerade die auswärtige Kultur-nd Bildungspolitik.Ich finde es bezeichnend, dass unser Außenministeron nationaler Kultur- und Bildungspolitik als der drit-en Säule der auswärtigen Politik nicht viel hält. Wieönnte er sonst solch drastische Kürzungen im Etat zu-assen?
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Vera LengsfeldSie haben hier mit bewegten Worten die Haushalts-notlage für die Kürzungen verantwortlich gemacht.Schauen Sie sich aber den Haushalt Ihres Hauses und dievon Ihnen zu verantwortenden Kürzungen einmal genauan. Dann werden Sie feststellen, dass unter Ihrer Verant-wortung der Anteil der auswärtigen Kulturpolitik amGesamtetat des Auswärtigen Amtes von 33 Prozent auf25 Prozent gesunken ist.
Dafür sind Sie, der Außenminister und Ihr Haus verant-wortlich, niemand sonst.
Jetzt kündigt der Außenminister weitere Sparmaßnah-men in seinem Kulturetat an, obwohl das Engagementdes Bundes für die auswärtige Kultur- und Bildungspoli-tik bereits heute unter den Stand der alten Bundesrepu-blik vor der Wiedervereinigung gefallen ist. Das istwirklich ein Armutszeugnis.Im Übrigen muss ich auch feststellen, dass es sichwährend der Zeit der Regierung Kohl der Außenministersowieso, aber auch der Bundeskanzler niemals nehmenließen, bei den Debatten über auswärtige Kulturpolitikanwesend zu sein.
Das zeigt, welche Prioritäten die Regierung Kohl gesetzthat. Wir sehen jetzt an den gähnend leeren Plätzen aufder Regierungsbank, welche Prioritäten diese Regierungsetzt.
Damit korrespondiert, dass der Anteil der Mittel für dieauswärtige Kulturpolitik am Gesamtetat mit derzeit0,22 Prozent einen bisher nie dagewesenen Tiefstand er-reicht.Eine Folge der kontinuierlichen Kürzungen ist, dasssich zum Beispiel die Mittel für die Sprachförderunghalbiert haben. Eine weitere Folge ist, dass die Mittel fürdie allgemeine Programmarbeit, die das Bild prägen soll,das von der Kultur Deutschlands im Ausland besteht,von 118 Millionen Euro auf 51 Millionen Euro redu-ziert worden sind. Betroffen von den Sparplänen sindneben dem Goethe-Institut auch der Deutsche Akademi-sche Austauschdienst und die Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Davon war schon die Rede. Aber ich denke,man kann nicht oft und nicht nachdrücklich genug dar-auf hinweisen, noch dazu in Anbetracht der Aussicht,dass diese Etats bis 2007 um ein weiteres Drittel gekürztwerden sollen und es zu den Aufgaben des DeutschenAkademischen Austauschdienstes gehört, viel verspre-chende Studenten und Wissenschaftler im Ausland zufördern und mehr ausländische Studenten und auchLehrkräfte für die hiesigen Universitäten zu interessierenund sie nach Deutschland zu holen.Mit dem derzeitigen Gerede vom BildungsstandortDeutschland oder dem erklärten Willen zur Eliteförde-rruBgphPIKKdAncaPdbedrLAEddsgGhwau
Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin
ntje Vollmer, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Amnde der Debatte sage ich zunächst: Ich bin heilfroh umen Zeitpunkt dieser Debatte. Ich bin auch heilfroh umen Alarm in allen Stellungnahmen – da spielt jedereine Rolle – und um den öffentlichen Druck, den es ge-eben hat; denn es war wirklich Gefahr im Verzuge.
Ich will aber nicht verkennen, dass am Anfang dieserefahr ein wirklich unglaublicher Skandal steht; einigeaben schon darauf hingewiesen. Wie jemals die aus-ärtige Kulturpolitik oder überhaupt die Kulturpolitikls Subventionstatbestand in die Vorschläge von Kochnd Steinbrück kommen konnte, das lässt einen wirklich
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Dr. Antje Vollmerzweifeln, mit wie wenig kulturellem Verständnis man indiesem Land Ministerpräsident werden kann.
Das ist ja nun schön aufgeteilt: zwischen Herrn Kochvon der CDU und Herrn Steinbrück von der SPD.
Im Protokoll wird festgehalten, wo gerade geklatscht
worden ist, damit es hier keinen Zweifel gibt.
Das zeigt aber nicht nur, dass die beiden Ministerprä-sidenten und alle, die ihrem Papier später zugestimmthaben, wenig kulturelles Verständnis haben, sondernauch, dass sie sehr wenig Verständnis dafür haben, inwelchem Land sie leben und welche Rolle die deutscheKulturpolitik bzw. Kulturlandschaft in der Welt spielt.Man kann sich ja an vielen Punkten fragen, ob wirfrühere Spitzenstellungen noch innehaben. In der Wis-senschaft haben wir keine Spitzenstellung mehr, die wirnoch am Anfang des Jahrhunderts hatten. Bei den Uni-versitäten haben wir keine Spitzenstellung mehr. Auchin der Wirtschaft, der Automobil- und der Schwerindus-trie hatten wir Spitzenstellungen. Ebenso hatten wir – je-denfalls im Eindruck der Welt – Spitzenstellungen, wasdie Disziplin unserer Beamten und die Pünktlichkeit derDeutschen Bundesbahn angeht.Vieles davon wird heute infrage gestellt. Aber unbe-stritten in der ganzen Welt gilt: Egal was man sucht – obes um Musik- oder Theaterveranstaltungen, die Opern-landschaft, das Konzertpublikum, Freundeskreise vonKulturinstitutionen oder Ähnliches geht –, man findet esin Deutschland. All das ist bei uns einzigartig in derWelt.
Wegen dieses Rufes unserer Kulturlandschaft kom-men vermehrt Menschen nach Deutschland. Sie kom-men zu uns, um sich ausbilden zu lassen; denn nir-gendwo sonst gibt es solche Ensembles, in denen mandas ganze kulturelle Spektrum – von der Klassik bis zurAvantgarde – lernen kann. Aber sie kommen auch, weilsie dahinter ein anderes Modell von Deutschland sehen.Das bietet uns die unglaubliche Chance, zwischen denunterschiedlichen Charakteren westlich geprägter De-mokratien differenzieren zu können.gkmn–ntnlednuAMdumHfmWuwwdudabAubtdsAzzLGtiBnd
uch das muss ein Inhalt sein. Dafür müssen wir denenschen Möglichkeiten geben.
Übrigens kommen sie auch wegen eines Rufes zu uns,en wir alle nicht geschaffen haben, sondern der vonnseren Vorfahren kommt: weil sie in Deutschland im-er noch das Land von Goethe und Alexander vonumboldt sehen. Diese Einschätzung ist weltweit unge-ähr zur Hälfte auf beide Personen verteilt.Alexander von Humboldt gilt als eine vollkommenoderne Persönlichkeit, als wissenschaftsorientiert, alseltbürger, als jemand, der multilateral denken konntend der – ob er nun in Lateinamerika oder in Sibirienar – niemandem das Gefühl gegeben hat, in einem Ent-icklungsland zu sein, das sich erst noch auf die Höhees Weltbewusstseins erheben muss. Er reiste mit einernglaublichen Neugier. Genau das ist die Haltung, dieie Menschen bei uns suchen. Genau das können wiruch vertreten. Ich frage mich sowieso, warum wir nichtegreifen, dass Bach und Beethoven, Goethe undlexander von Humboldt – auch für unsere Wirtschafts-nd Außenpolitik – das größte Kapital sind, das wir ha-en.
Eine kleine Ergänzung in Bezug auf die Neustruk-urierung der auswärtigen Kulturpolitik. Wir sind jaazu übergegangen, nicht nur die großen und manchmalchwerfälligen Goethe-Institute in das Zentrum derußenpolitik zu stellen, sondern gerade auch die Länderu berücksichtigen, die traditionell eine sehr enge Be-iehung zu Deutschland haben. Das sind oft kleinereänder wie Vietnam, Laos, Nepal, Kambodscha unduatemala. In diesen Ländern besteht eine alte, tradi-onsreiche Liebe zu Deutschland, die mit den genanntenildern von Goethe, Humboldt, Mercedes und den Grü-en verbunden ist.
Es ist klar: Es gibt auch einen weltweiten Kampf umie Eliten der Welt. Natürlich kämpfen auch die USA
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Dr. Antje Vollmer– berechtigt und mit ihrer fundierten Spitzenstellung –um sie. Gerade in kleineren Ländern gibt es aber ein un-glaubliches Potenzial an Freundschaft und Interesse so-wie den Wunsch nach dauerhafter Zukunftsverbindungmit unserem Land. Wenn wir darauf nicht antwortenkönnten, würden wir sehr kurzsichtig denken.Noch ein Letztes zum Thema Subvention: Wenn derSubventionsbegriff von Koch/Steinbrück ernst genom-men wird, dann ist auch Sozialhilfe eine Subvention,dann ist auch Kindergeld eine Subvention. Das heißt,dann ist der Kern von Politik – wenn sie überhaupt nurGeld in die Hand nimmt – immer verbunden mit Sub-ventionen, die zu kürzen sind. Das wäre ein Offenba-rungseid für die Politik, weil man dann nämlich garnichts mehr gestalten könnte. Das ist eine intellektuelleDämmerung; da ist nicht die Eule der Minerva am Flie-gen, sondern da sind alle Katzen grau.
Ich schließe die Aussprache.
Ich erlaube mir den ganz unparteiischen Hinweis,
dass dann, wenn im Deutschen Bundestag im Ganzen
die heute von allen Fraktionen vorgetragenen Auffassun-
gen über den Stellenwert der Kultur im Allgemeinen und
der auswärtigen Kulturpolitik im Besonderen so geteilt
werden, niemand dieses Haus daran hindern kann, auch
in Zeiten knapper Haushaltsmittel die Prioritäten so zu
setzen, wie das heute Morgen vorgetragen wurde.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den
Drucksachen 15/2258, 15/2659 und 15/2647 sowie der
Vorlage aus der 14. Wahlperiode auf Drucksache 14/9760
an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vor-
geschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:
– Zweite und dritte Beratung des von den Fraktio-
nen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes über den Handel mit Berechtigungen zur
– Drucksache 15/2328 –
– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
über den Handel mit Berechtigungen zur Emis-
– Drucksache 15/2540 –
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as die CDU/CSU macht, ist absolut beschämend undin weiterer Beitrag zum Ansehensverlust des deutschenarlaments.Im Fachausschuss verweigert sich die CDU/CSU dernhaltlichen Beratung. Dort wird die Beratung durchine Vielzahl – zum Teil wissentlich unsinniger – Ge-chäftsordnungsanträge verzögert. Im Plenum werdennkollegial zustande gekommene und unbegründete Ge-chäftsordnungsanträge gestellt. Ich sage Ihnen: Ichätte glatt den Glauben an das deutsche Parlament verlo-en, wenn nicht – das ist sehr schön – einige Kollegener CDU/CSU zu mir gekommen wären und gesagt hät-en, auch sie finden das Verhalten Ihrer Fraktionsspitzeeinlich.
Es geht heute um eine ganz andere Frage. Beimreibhausgas-Emissionshandelsgesetz werden die Me-hoden geregelt, nach denen Unternehmen die Berechti-ung zur Emission von Treibhausgasen erhalten. Dieberwachung, Abrechnung und die Handelsmethodenür Emissionsberechtigungen werden im Treibhausgas-missionshandelsgesetz geklärt. Dafür hatte die Bundes-egierung einen unbürokratischen und kostengünsti-en Vorschlag gemacht. Übrigens liegt dieser Vorschlagereits heute in abgeänderter Form – dazu komme ichleich – auf dem Tisch, obwohl die dazugehörige Richt-inie erst seit wenigen Wochen in Kraft ist. Für die Leis-ung, das so schnell umzusetzen, möchte ich mich beien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der beiden
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Ulrich Kelberschwerpunktmäßig beteiligten Ministerien bedanken,natürlich auch bei denen aus den anderen Ministerien.
Das ursprünglich von der Bundesregierung vorge-schlagene Konzept für das Treibhausgas-Emissionshan-delsgesetz war in allen Punkten überzeugend. Es setzteauf eine kleine Anzahl zusätzlicher Mitarbeiter, die dieVergabe und Abrechnung der Emissionsberechtigungenkontrollieren sollten. Die Kontrolle der Anlagen sollte ineinem Zug mit ohnehin stattfindenden Anlagenüberprü-fungen durch die Bundesländer erfolgen.Unbürokratisch und kostengünstig war dieser Vor-schlag. Experten nannten ihn vorbildlich. Auch die Un-ternehmen, also die, die über Gebühren dafür zahlenmüssen, was an Handelsmöglichkeiten, Kontrollmög-lichkeiten und Personal vorgesehen ist, waren mit dieserVersion eines Treibhausgas-Emissionshandelsgesetzeseinverstanden. Dieser Vorschlag stand völlig außerhalbdes parteipolitischen Streits. 15 von 16 Landesumwelt-ministern haben diesem Konzept ihre Zustimmung gege-ben, weil sie es für unbürokratisch und kostengünstighielten.
Alle CDU-regierten Bundesländer haben diesem Kon-zept zugestimmt. Diese Zustimmung ist übrigens in denProtokollen der Umweltministerkonferenz zu lesen.Leugnen ist also zwecklos.Was ist eigentlich zwischen der damaligen Zustim-mung zum Konzept und dem Affentheater der letztenTage passiert? Warum schreibt der umweltpolitischeSprecher von CDU/CSU, der Kollege Paziorek – sonstein sehr umgänglicher Mensch –, auf einmal Pressemit-teilungen voller Unwahrheiten und Verfälschungen? DieAntwort ist so einfach wie deprimierend: Die Zustim-mung in einer Fachfrage durch die Fachminister passtnicht in das parteipolitische Konzept der CDU/CSU-Spitze.
Selbst bei einem Thema wie dem Treibhausgas-Emissi-onshandelsgesetz, bei dem es um Klimaschutz, Produkti-onsbedingungen und um die Kosteneffizienz für unsereUnternehmen geht, wird von der CDU/CSU eine Verwir-rungs- und Verunsicherungsstrategie einer fachlich gutenLösung vorgezogen. Das bleibt beschämend.CDU/CSU behaupten, SPD und Grüne hätten den Ge-setzentwurf kurz vor Schluss noch einmal grundsätzlichverändert. Die Zahl der neu zu schaffenden Stellenwerde steigen, in Zukunft seien zwei Kontrollen pro An-lage notwendig und auch die Gebühren für die Unterneh-men würden steigen. So lautet der Vorwurf an die Koali-tion. Dieser Vorwurf, dass dort etwas geändert wird,stimmt. Ja, wir mussten kurzfristig etwas ändern. Wirmussten an einem unbürokratischen und kostengünsti-gen Verfahren Änderungen vornehmen.wBdendDrnlsFgznkvwtfdmadVdmf1tPdtulkneanhUsKnE
Kurz vor Abschluss der Beratungen haben die CDU-egierten Länder die Zustimmung ihrer eigenen Fachmi-ister zurückgezogen, ohne dafür einen einzigen fach-ich belastbaren Punkt zu nennen. Erst kurz vor Ab-chluss der Beratungen wurde diese Zustimmung derachminister zurückgezogen und ein Modell vorgeschla-en, das in der Kürze der Zeit überhaupt nicht mehr um-usetzen wäre. Denn der Emissionshandel wird begin-en müssen. Die Zuteilung wird stattfinden müssen. Wirönnen nicht wieder von vorne anfangen, wenn manorher signalisiert hat, dass wir ein gemeinsames Modellollen.
Das heißt, Sie zwingen die Koalition, das kostengüns-igste und das unbürokratischste Verfahren nicht einzu-ühren, sondern ein – natürlich immer noch im Rahmener Möglichkeiten – so gutes Verfahren wie möglich mitöglichst wenig Stellen und möglichst wenig Kosten,ber in einem reinen Bundesvollzug durchzuführen. Füriese kurzfristigen Veränderungen tragen alleine Sie dieerantwortung. Von daher kann ich dieses Gejammere,ass Sie erst kurz vor Schluss Änderungsanträge bekom-en haben, nicht akzeptieren. Das muss ich Ihnen ein-ach sagen: Wer einen dazu zwingt, der muss auch nach9 Uhr bei der Arbeit bleiben und über Änderungsan-räge nachdenken. Ich habe kein Verständnis für Ihrerobleme.
Ich habe als Berichterstatter der SPD-Fraktion füriesen Bereich begonnen, Wirtschaftsverbände und Un-ernehmen darüber zu informieren, welche finanziellennd organisatorischen Belastungen durch diese parteipo-itisch motivierten Spielchen von CDU/CSU auf sie zu-ommen werden. Sie können mir glauben, diese Unter-ehmen und Verbände sind sehr interessiert daran, zurfahren, wer ihnen diese zusätzlichen Lasten ohne Notuferlegt hat. Die CDU/CSU wird in den nächsten Tagenoch einiges von diesen Unternehmen und Verbänden zuören bekommen. Denn in Zukunft werden sich diesenternehmen für Emissionen doppelt kontrollieren las-en müssen. Die Verantwortlichen dafür sitzen imonrad-Adenauer-Haus. In Zukunft werden diese Unter-ehmen höhere Gebühren als ursprünglich geplant fürmissionszertifikate zahlen müssen.
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8796 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. März 2004
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Ulrich KelberDie Verantwortlichen dafür heißen Angela Merkel,Friedrich Merz und Peter Paziorek.Wir werden nicht nur den Unternehmen, sondernauch der Bevölkerung deutlich machen: Emissionshan-del ist ein sinnvolles Instrument für den Klimaschutz.Ohne die parteipolitischen Spielchen der CDU/CSUhätte er noch unbürokratischer und kosteneffizienter alsmit der heute zu verabschiedenden Lösung eingeführtwerden können. Diese Chance haben Sie im Bundesratverspielt. Leider hat Ihre Bundestagsfraktion einfachmitgezogen, anstatt dem Bundesrat auch einmal eindeutliches Nein zu sagen. Schade, dass Sie nicht in derLage waren, auch einmal über den eigenen parteitakti-schen Schatten zu springen. Sie haben eine Chance ver-tan.
Das Wort hat die Kollegin Marie-Luise Dött, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Treib-
hausgas-Emissionshandelsgesetz hat in den letzten Ta-
gen einschneidende Änderungen erfahren.
Praktisch über Nacht wurden der geplante administrative
Aufbau völlig neu gestrickt und eine Bundeszuständig-
keit eingeführt.
An Ihrer mangelnden Wertschätzung gegenüber dem
Parlament haben Sie auch dieses Mal keine Zweifel ge-
lassen, Herr Trittin. Es ist nicht nur unprofessionell, son-
dern auch respektlos, so weit reichende Änderungsan-
träge erst um 19 Uhr abends vor der abschließenden
Beratung an das Parlament zu überstellen.
Ihre Entscheidung, die 34. Bundes-Immissionsschutz-
verordnung in das TEHG zu integrieren, kann ich indes
auch nicht nachvollziehen, Herr Trittin. Haben Sie die
Folgen, die Ihre Beschlüsse haben, bedacht?
Wissen Sie, was diese Entscheidung letztes Endes be-
deutet? Sie bedeutet: Erstens. Sie haben die Bundesrats-
beteiligung ausgehebelt. Das mag für Sie erfreulich sein.
Ob Ihnen dieser Schachzug aber wirklich etwas nützt,
steht noch gar nicht fest. Zweitens. Sie schaffen Büro-
kratie und schädigen damit den Standort Deutschland.
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enn Sie die Vollzugszuständigkeit jetzt aber einer Bun-
esbehörde wie dem Umweltbundesamt zuweisen, dann
ird den Landesbehörden eine originäre Zuständigkeit
ntzogen.
in Gesetz, durch das die Zuständigkeit der Länder
eschnitten wird, ist aber selbst zustimmungsbedürftig.
o steht es im Grundgesetz. Auch wenn Sie die 34. Bun-
es-Immissionsschutzverordnung in ein Bundesgesetz
ufnehmen, befreit das nicht von der Zustimmungsbe-
ürftigkeit.
Obwohl der Nutzen Ihrer Überlegungen sehr zweifel-
aft ist, muten Sie dem Land einen weiteren Anwuchs
on Bürokratie und Kosten zu.
en unter dem Gesichtspunkt des Bürokratieabbaus oh-
ehin schon problematischen Emissionshandel blähen
ie durch die ausschließliche Vollzugszuständigkeit des
undes weiter auf. Neben den zahlreichen bestehenden
enehmigungen müssen die Unternehmen jetzt noch
ine weitere beantragen und dafür ein aufwendiges Ge-
ehmigungsverfahren durchlaufen. Sogar Anlagen, die
chon seit Jahren genehmigt und in Betrieb sind, brau-
hen jetzt eine neue, zusätzliche Genehmigung.
Wie schwerwiegend diese Entscheidung tatsächlich
st, zeigt die Tatsache, dass die deutschen Wirtschafts-
erbände sofort reagiert haben. Sie haben sich schriftlich
n die Fraktionsvorsitzenden gewandt und um die Ein-
ührung eines akzeptablen und optimierten Verwaltungs-
ystems gebeten. Mit Ihren Änderungen bewirken Sie
as Gegenteil. Anstatt das Emissionshandelssystem
öglichst schlank auszugestalten und bestehende Behör-
enstrukturen weitestgehend zu nutzen, bauen Sie neue
trukturen auf.
Frau Kollegin Dött, gestatten Sie eine Zwischenfrage
es Kollegen Kelber?
Ja, klar.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Wir sind der gleicheneinung, dass die ursprüngliche Version besser war.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. März 2004 8797
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Ulrich KelberKönnen Sie meine Ausführungen von vorhin bestäti-gen, dass die Umweltministerkonferenz – also die Bun-desländer – der vom Bundesminister vorgeschlagenenVersion erst zugestimmt und dann ihre Zustimmung vorkurzem wieder zurückgezogen hat?
Tatsache ist, Herr Kelber, dass die Umweltministeriender Länder dem Prinzip des Emissionshandels im TEHGund der damit verbundenen Abwicklung auf Länder-ebene zugestimmt haben. Um dieses Prinzip aber auszu-gestalten, musste die 34. Verordnung zum Bundes-Im-missionsschutzgesetz, BImSchV, eingeführt und aufBundesebene beraten werden. Die dazugehörige Aus-stattung der entsprechenden Behörden hat auch etwasmit Geld zu tun. Darüber wurde weiter beraten. Man sahsich in der kurzen Zeit auch aufgrund des finanziellenUmfanges, nicht in der Lage, zu einem Abschluss zukommen. Daraufhin ist die Beratung vertagt worden.Diese Vertagung hat dann das Bundesministeriumzum Anlass genommen, um quasi über Nacht einen Vor-schlag aus der Schublade – ich habe darauf schon in mei-ner letzten Rede hingewiesen – herauszuholen und vor-zulegen. So etwas können wir nicht gutheißen; denn dieUmweltprüfung gehört in die Länder und nicht auf Bun-desebene. In den Ländern existieren bereits Strukturen,die man weiter ausschöpfen könnte. Deswegen, HerrKelber, finden wir die Art und Weise, wie hier vorgegan-gen wurde, nicht richtig. Auch die Tatsache der Ansied-lung auf Bundesebene finden wir zu bürokratisch, weildadurch neue Strukturen geschaffen werden, und zuteuer; darauf gehe ich gleich noch einmal ein.
– Reicht Ihnen das? Gut.
Dass die Wirtschaftsverbände die Situation genausoeinstufen, wie ich es gerade erklärt habe, zeigt derenschnelle Reaktion und die Bitte um Einführung eines ak-zeptablen und optimierten Verwaltungssystems. DieseStrukturen, die jetzt aufgebaut werden, bewirken genaudas Gegenteil. Es ist keine schlanke Ausgestaltung, wenneine weitere Behörde geschaffen werden muss. Die Ver-fahren hätten bei den Landesimmissionsschutzbehördengebündelt und der administrative und finanzielle Auf-wand hätte minimiert werden können. Stattdessen wer-den jetzt neue zusätzliche Kosten beim Umweltbundes-amt und damit beim Bund entstehen.Die zentrale Vollzugszuständigkeit ist umständlichund eine gesamte neue Genehmigungsbehörde muss ge-schaffen werden. Dazu kommt die Überwachung undKontrolle. Rund 2 300 Anlagen, verteilt über die ganzeBundesrepublik, sind zu betreuen: in einigen Regionenmehr, in anderen weniger. Das bedeutet auch, dass Kon-trollen vor Ort durchgeführt werden müssen. Wie dieseffizient und unbürokratisch durch eine zentrale Behördegeschehen soll, ist mir nicht ersichtlich. Das mag zwarbei Ihnen so sein, Herr Kelber, aber bei mir nicht. Es be-darf daher zusätzlichen Personals. Die 39 Stellen, vondlgmABznrsnDIldVliwePAEbdrawtsgmanwRaBhAsde–sGV
Mit zusätzlichen Kosten und zusätzlicher Bürokratiechaffen Sie nicht die Voraussetzungen, die ein Land be-ötigt, um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu sein.as Märchen, Herr Trittin, vom marktwirtschaftlichennstrument lassen sich die Anlagenbetreiber in Deutsch-and auch nicht mehr erzählen; Sie haben es gestern aufem Energieforum erlebt. Die Nachteile der rot-grünenersion vom Emissionshandel sind viel zu offensicht-ich. Die Begriffe, auf die es beim TEHG ankommt, sindn Ihrer Version eben nicht Marktwirtschaft und Handel,ie Sie es uns immer wieder weismachen wollen. Dientscheidenden Worte sind bei Ihnen doch Zuteilung,lan und Cap.Mit dem TEHG, aber vor allem mit dem Nationalenllokationsplan planen Sie weit reichende dirigistischeingriffe, die ein ordnungspolitisches Instrumentariumei weitem übertreffen. Die deutsche Industrie und dieeutsche Wirtschaft werden diese Eingriffe bitter zu spü-en bekommen. Die Effekte auf den Arbeitsmarkt unduf die Arbeitslosenzahlen, die jeden Monat gemeldeterden, sollten Sie nicht unterschätzen.Das Szenario sieht so aus: Die produzierende Indus-rie, die dem Emissionshandel direkt unterliegt, wird zu-ätzliche Kosten entweder über die Produktpreise weiter-eben oder die Produktion verlagern oder zurückfahrenüssen. Die Verdrängung der Produktion bedeutetuch die Verdrängung von Arbeitsplätzen. Doch damiticht genug. Es folgt noch ein ganzer Rattenschwanzeiterer Betroffenheiten. Wenn sich ein Produkt oder einohstoff verteuert, hat das auch negative Auswirkungenuf die weiterverarbeitenden Anwender. Auch dieseranchen werden mit den steigenden Preisen zu kämpfenaben.
uch diese Branchen werden dann personelle odertandortmäßige Konsequenzen ziehen.All die angeführten Faktoren waren bei der Entschei-ung über den Bundesvollzug zu bedenken und gegen-inander abzuwägen.
Das können Sie so schnell? Aha. – Auf der einen Seiteteht die missliebige Beteiligung des Bundesrates an deresetzgebung, wobei der Nutzen bzw. das Ziel, dieseserfassungsorgan auszuschalten, äußerst zweifelhaft ist.
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Marie-Luise DöttAuf der anderen Seite stehen hohe Kosten und die Wett-bewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutsch-land. Also: Auf der einen Seite steht der Wunsch nacheinem reibungslosen Gesetzgebungsverfahren, auf deranderen Seite stehen Zukunft und Arbeitsplätze.Die Bundesregierung ist zu dem Schluss gekommen,dass es wichtiger ist, ein unbequemes Rädchen im föde-ralen Getriebe auszuschalten, als an die Zukunft unseresLandes zu denken.
Ich erteile dem Kollegen Dr. Reinhard Loske, Bünd-nis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Esist doch traurig, mit anzusehen, was aus einer Partei ge-worden ist, die 1990 beschlossen hat, den CO2-Ausstoßbis 2005 um 25 Prozent zu senken,
die einmal einen Umweltminister namens Klaus Töpferhatte und die einmal eine Umweltministerin hatte, derenNamen mir im Moment entfallen ist, die sich 1997 inKioto für das In-Kraft-Treten des Kioto-Protokolls ein-gesetzt hat. Diese Partei verfährt heute in Sachen Um-weltpolitik nur noch nach der Strategie: verhindern, ver-zögern, verschleppen. Das ist wirklich beschämend.
Sie können Klimapolitik nicht nach dem Motto betrei-ben: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!Das geht nicht. Ich glaube langsam, dass das Zitat zu-trifft: Sie schlagen den Emissionshandel, aber Sie mei-nen in Wahrheit den Klimaschutz insgesamt. Das mussman in der Deutlichkeit sagen.
Ganz generell zu unseren Grundsatzpositionen in Sa-chen Emissionshandel: Wir haben es heute mit einer De-batte zu tun, in der es um ein Mittel geht, nicht um einZiel. Wir reden also über eine Ziel-Mittel-Relation. Dasist ein sehr wichtiges Mittel, dessen Anwendung uns Ex-pertinnen und Experten seit Jahren empfehlen und dasdarin besteht, dass der Staat die Ziele festlegt und dieAkteure, also vor allem die Unternehmen, mehr Freiheitbei der Zielerreichung bekommen. Insofern haben wir eshier mit einem Instrument zu tun, das nicht nur seit lan-gem gepredigt wird, sondern offenkundig auch eineMenge Vorzüge hat.Die Anforderung, die wir an den Emissionshandelstellen, ist: Wir wollen ein Instrument, mit dem wir Kli-maschutzziele sicher erreichen, das Anreize für früheModernisierungsinvestitionen schafft, das einfach hand-habbar, transparent und vor allen Dingen nicht miss-bIsrwwdgtmddbditgsmPpnridWnRPidjEßDSdLwfsrnnetdhKnsU
Ein weiterer Punkt, den wir im Gesetzentwurf klar-estellt haben, ist die Einbeziehung der so genannten In-trumente Joint Implementation und Clean Develop-ent Mechanism. Bei diesem Mechanismus geht es imrinzip darum, dass ein Teil der eingegangenen Ver-flichtungen zum Klimaschutz auch außerhalb der eige-en Landesgrenzen, beispielsweise durch Modernisie-ungsinvestitionen in Kraftwerke oder neue Technologienn Mittel- und Osteuropa oder auch in Entwicklungslän-ern, erfüllt werden kann.Wir erwarten, dass die Europäische Union in wenigenochen dazu abschließend eine Richtlinie – eine so ge-annte Verbindungsrichtlinie – vorlegt. Sobald dieseichtlinie vorliegt, wollen wir sie unter Beteiligung desarlaments miteinbeziehen, damit unsere Unternehmenn Deutschland diese Instrumente nutzen können. Auchas ist eine wichtige Präzisierung im Gesetz, die wiretzt vorgenommen haben.Zum Gesetzentwurf selber: Er ist ein erster Schritt zurinführung des Emissionshandels und stellt gewisserma-en die Rechtsgrundlage für den Emissionshandel dar.as Gesetz regelt Fragen der Zuteilung, des Handels, deranktionen und der institutionellen Zuständigkeiten. Zuer hier schon heiß diskutierten Frage des Bundes- oderandesvollzugs ist von Ulrich Kelber bereits das Not-endige gesagt worden.Die ganzen Spielchen im Bundesrat haben dazu ge-ührt, dass wir jetzt vollständig auf Bundesvollzug um-tellen. Die Verantwortung dafür liegt – das wurde be-eits ausgeführt – bei der Union. Allerdings will ich dasicht ganz so dramatisch darstellen wie meine Vorred-er. Ich glaube, es gibt durchaus auch gute Gründe fürinen reinen Bundesvollzug, zum Beispiel, dass die Zu-eilung und die Sanktionierung einheitlich erfolgen. Da-urch werden Wettbewerbsverzerrung und die Entste-ung von Schnittstellen verhindert. Dadurch wirdlarheit gewährleistet. Außerdem werden die alten ord-ungsrechtlichen Strukturen praktisch komplett verlas-en. Auch scheint sich der zusätzliche Mittelbedarf beimBA in Grenzen zu halten.
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Dr. Reinhard LoskeInsofern ist der Gesetzentwurf, der heute verabschie-det werden soll und dem wir zustimmen werden, in derTat nicht unser Vorschlag gewesen. Aber wir können da-mit leben. Wenn dieses Thema später in einem unechtenVermittlungsverfahren oder wo auch immer wieder auf-gerufen wird und wir zur alten Regelung zurückkehren,so werden wir dem nicht entgegenstehen. Das heißt, IhreObstruktionsstrategie wird sich sicherlich nicht auszah-len.Interessant ist auch, dass die Industrie zunächst zweioder drei Wochen stillgehalten hat. Jetzt erhalten wirBriefe, in denen die vorgesehenen Regelungen abgelehntwerden. Wir werden sicherlich eine sachgerechte Lö-sung finden.Erlauben Sie mir in der verbleibenden Redezeit nocheinige Anmerkungen zu dem aktuellen Konflikt. Für unsgeht es bei dem nächsten Schritt, den wir mit dem Natio-nalen Allokationsplan gehen müssen, vor allen Dingendarum, das Instrument so auszugestalten, dass es zurSchaffung von Investitions- und Modernisierungsanrei-zen geeignet ist. Es soll kein Instrument zur Strukturkon-servierung werden. Das wäre völlig falsch. Aber das be-fürchten wir aufgrund der Vorschläge der Union.
Für uns ist es völlig klar, dass durch eine vernünftigeÜbertragungsregelung Anreize für frühe Modernisie-rungsinvestitionen geschaffen werden. Über die genaueAusgestaltung wird zurzeit noch geredet. Aber über dieSchaffung von frühen Investitionsanreizen besteht Klar-heit.Bei reinen Neuanlagen – damit ist nicht der Ersatzvon alten Anlagen durch neue gemeint – sind anspruchs-volle technische Standards notwendig. Es wäre in der Tatein schlechter Beitrag zum Innovationsjahr 2004, wennneuen Investoren am Hightechstandort Deutschlandkeine klaren Standards vorgegeben würden. Das wäreein Rückfall gegenüber dem Status quo, den wir nichtwollen.
Alles in allem schaffen die Modelle, die im Zusam-menhang mit dem Nationalen Allokationsplan zurzeit inder Diskussion sind, durchaus Investitionsanreize. Sie si-gnalisieren Offenheit für neue Marktteilnehmer und zei-gen, dass für moderne Technologien im Bereich derKohle noch ein gewisser Spielraum besteht. Das istkeine Frage.Lassen Sie mich abschließend noch kurz auf dieGrundausstattung zu sprechen kommen. Wir haben im-mer wieder darauf hingewiesen, dass unsere Politik aufdem fußt, was wir mit der Industrie verabredet haben.Wir verlangen von ihr nicht mehr als das, was sie zuge-sagt hat. Das heißt für uns: Für die erste Etappe von2005 bis 2007 brauchen wir ein Ziel, das klar unter500 Millionen Tonnen CO2 liegt. Denn Zwischenzielemüssen immer auf dem richtigen Weg liegen. Für dasZieljahr 2012 ist, wie zugesagt, eine Reduktion um45 Millionen Tonnen gegenüber 1998 notwendig. WirasifIgdGevzFbdrsKvakEhmanrgdMbsjesedukbp
Die Sondertöpfe für die Kraft-Wärme-Kopplung undür den Bereich der so genannten early actions, also dernvestitionen, die vor 1998 in den neuen Bundesländernetätigt worden sind, sind wichtig und von zentraler Be-eutung – das wurde noch nicht angesprochen –, um dasanze zu einem glaubhaften System zu machen. Denrsten Schritt tun wir heute mit der Verabschiedung desorliegenden Gesetzentwurfs. Darüber bin ich froh. Derweite wird in Kürze folgen.Danke schön.
Das Wort hat nun die Kollegin Birgit Homburger,
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wireraten heute erneut über das Treibhausgas-Emissionshan-elsgesetz. Ich möchte gleich am Anfang klarstellen, wo-um es dabei geht. Es geht um die Realisierung des Klima-chutzes und insbesondere darum, dass eine nachhaltigelimaschutzpolitik verlangt, pro eingesetzten Euro soiele Treibhausgase wie möglich zu vermeiden. Andersusgedrückt: Es geht darum, Treibhausgasemissionen soostengünstig wie möglich zu verringern. Dafür ist dermissionshandel das Instrument der Wahl. Deswegenat die FDP bereits seit den 80er-Jahren dieses Instru-ent gefordert und seine Einführung forciert, und zwaruch auf internationaler Ebene. Ich bin froh, dass wirun dabei sind, dieses effiziente Instrument zu realisie-en. Deswegen werden wir heute nicht gegen den vorlie-enden Gesetzentwurf stimmen. Ich werde später nochetaillierter darauf eingehen.
Das Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz ist einantelgesetz, das lediglich die formalen Regelungenetreffend die Abwicklung des Handels enthält. Das Ge-etz ist also so allgemein gehalten, dass damit praktischede konkrete Ausgestaltung des Emissionshandels ver-inbar ist. Gerne hätten wir dem Gesetzentwurf zuge-timmt. Wir haben eine Reihe von Änderungsanträgeningebracht, die uns wichtig waren. Diese sind aber – lei-er – allesamt abgelehnt worden. Deswegen werden wirns heute der Stimme enthalten. Es kommt jetzt auf dieonkrete Ausgestaltung des Emissionshandels an. Darü-er werden wir im Rahmen des Nationalen Allokations-lans noch diskutieren müssen.
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Birgit HomburgerDas Beratungsverfahren ist eine Zumutung. Dasliegt nicht nur daran, dass das Ganze schlecht vorbereitetwar, weil der Umweltminister über Jahre hinweg amEmissionshandel desinteressiert war und ihn nicht wirk-lich wollte. Nun splitten Sie den Vorgang auch noch inmehrere Gesetze auf. Das ist im Sinne der Übersichtlich-keit nicht zu akzeptieren. Wir hätten gerne eine gemein-same Behandlung der Grundregeln, also des TEHG unddes Nationalen Allokationsplans gehabt. Aber das habenSie verhindert.
Trotz aller Probleme, die es gegeben haben mag, ist esunglaublich, dass noch in der vorangegangenen Nachtumfassende Änderungsanträge vorgelegt worden sind.So etwas kann durchaus einmal passieren. Das wäre hin-nehmbar. Aber das Problem besteht darin, dass zwi-schenzeitlich in jedem Gesetzgebungsverfahren Chaosherrscht.
Bei der Beantwortung der Frage, ob die Länder oderder Bund für die Umsetzung zuständig sein sollen, müs-sen zwar im Detail viele Abwägungen vorgenommenwerden. Aber eines sage ich Ihnen sehr deutlich: Es gibtnicht nur Schwarz und Weiß. Es ist nicht so gewesen, wiees hier dargestellt worden ist: auf der einen Seite die Bun-desländer und auf der anderen Seite der Bundesvollzug.Man hätte eine andere Lösung wählen können. Wir woll-ten – wir haben einen entsprechenden Änderungsantrageingebracht – von vornherein eine Börsenlösung und dasGanze von Privaten abwickeln lassen. Das wäre unbüro-kratischer und auf jeden Fall besser gewesen, als wenndas Umweltbundesamt dafür zuständig ist.
Aber das haben Sie abgelehnt, liebe Kolleginnen undKollegen von Rot-Grün. Das finde ich bemerkenswert,zumal das wieder nach dem Motto ging: Entwederstimmt der Bundesrat dem zu, was die Bundesregierungmit der 34. BImSchV vorgelegt hat, oder wir ziehen dasGanze auf Bundesebene durch. Herr Trittin hat – wie sooft – die beleidigte Leberwurst gespielt. Ich bin wirklichder Meinung: Die Zeiten für ein solches Verhalten soll-ten bei einem ausgewachsenen Minister längst vorbeisein.
Herr Kelber, ich möchte auf das eingehen, was Siezum Thema Bundesvollzug gesagt haben. Sie sagten, Siehätten den Unternehmen und Verbänden mittlerweilemitgeteilt, dass massive zusätzliche Belastungen auf siezukommen. Ich muss Sie deshalb schon fragen, ob unsder Staatssekretär im Ausschuss womöglich falsch infor-miert hat. Er hat nämlich das glatte Gegenteil von dembehauptet, was Sie uns hier heute Morgen erzählt haben.Er hat nämlich gesagt, es werde eine „schlanke“ Umset-zung mit maximal 39 Stellen geben. Dies ist mithin we-niger als das, was die Länder nach Aussage ihrer Vertre-ter eigentlich gebraucht hätten. Das bringt mich zu demErgebnis, dass an dieser Stelle offensichtlich etwas nichtstimmt und unsere Befürchtungen, dass es womöglichdhSgdeMRguGwssmEHmdWdpWdKnddSSgmsUbHeg–wTA
Ich möchte viel lieber darüber reden, was mit demEHG und dem Emissionshandel auf uns zukommt.uch in dieser Debatte ist nämlich spürbar, dass offen-
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Rolf Hempelmannbar versucht wird, bei der Industrie, bei der Energiewirt-schaft und möglicherweise auch bei den VerbrauchernAngst vor diesem Instrument zu schüren. Dabei liegendie Fakten auf dem Tisch – es ist klar –: Deutschlandmuss sich vor diesem Instrument wahrlich nicht fürch-ten. Interessanterweise – das wurde gerade schon postu-liert – wurde dieses Instrument schon früher von denengefordert, die sich heute in der Opposition befinden.Wir müssen bis 2012 eine Reduktion der CO2-Emis-sionen um 21 Prozent erreichen. Wir haben die Emissio-nen bis heute um circa 19 Prozent reduziert. Ich denke,die übrigen zwei Prozentpunkte sollten wir uns schonzutrauen, insbesondere angesichts der von allen Fraktio-nen immer wieder beschworenen und beschriebenentechnologischen Leistungsfähigkeit unseres Landes.
Ich möchte nur ein Beispiel nennen: Vor zwei Jahren istein Braunkohlekraftwerk nach neuestem Stand der Technik– BoA-1 – gebaut worden. Diese BoA hat einen Wirkungs-grad von 43 Prozent. Die Braunkohlekraftwerke inDeutschland haben im Schnitt einen Wirkungsgrad, deretwa bei 33 bis 34 Prozent liegt. Der Löwenanteil derAnlagen hat einen Wirkungsgrad unterhalb von 32 Pro-zent. Allein eine solche Anlage ersetzt mehrere kleineAnlagen und sorgt dafür, dass die Wirkungsgrade, relativgesehen, um 30 Prozent gesteigert werden. Das heißt, esgibt eine Minderung der CO2-Emissionen in Höhe von30 Prozent. Wenn man sich überlegt, was passierenwürde, wenn wir diesen Kurs im Braunkohlekraftwerks-park weiter verfolgen und auch bei anderen Brennstoffenähnlich verfahren, dann bekommt man eine Vorstellungdavon, welches Potenzial an Emissionsminderung alleindie Energiewirtschaft bietet. Ähnliches gilt für Teile derIndustrie. Deswegen: Bange machen gilt nicht. Wir wer-den das 21-Prozent-Ziel mit Sicherheit erreichen, undzwar ohne Strukturbrüche, aber mithilfe eines vernünftigorganisierten Strukturwandels.
Dieses Instrument wird in der Tat zum bisher kosten-günstigsten CO2-Minderungsinstrument werden. DiesesInstrument wird, weil wir es mit Augenmaß angehenwerden, den Industrie- und Energiestandort Deutschlandnicht etwa schwächen oder gefährden, sondern ihn viel-mehr stärken.
Es wird dafür sorgen, dass Investitionen und Innovationenbei uns im Lande stattfinden, natürlich in der ganzenWertschöpfungskette Energie, aber insbesondere imKraftwerkspark. Es wird auch dafür sorgen, dass in derIndustrie Erneuerungspotenziale ausgeschöpft werden.Es wird sozusagen eine sanfte Beschleunigung der Mo-dernisierung unseres Landes begünstigen. Das müssenwir sozusagen wollen. Ich glaube, dass das auch allenFraktionen klar ist. Insofern ist es komplett deplaziert, inBezug auf dieses Instrument Ängste zu schüren.ZdctdhdwndaaDvHwdddVeuDdCfnurwSmikeiMBlmssasdb
Meine Damen und Herren, mir erscheint es in diesemusammenhang wichtig, dass wir nicht nur über die In-ustrie und die Energiewirtschaft reden. Natürlich brau-hen wir auch CO2-Minderungserfolge in anderen Sek-oren, wie zum Beispiel im Verkehrsbereich und beien privaten Haushalten. Es wurden in der Vergangen-eit ja durchaus schon politische Instrumente entwickelt,ie allesamt mithelfen sollen, dass auch hier das Be-usstsein entsteht, dass eine Verringerung der Emissio-en nötig ist.Der Emissionshandel bietet – jedenfalls wenn wiriese Sektoren nicht aus dem Auge verlieren, sondernuch für sie Zielvorgaben machen – die Chance, dassuch in diesen Bereichen mehr als bisher passiert.
eshalb gibt es im TEHG den Hinweis darauf, dass auchon den beiden genannten Sektoren Verkehr und privateaushalte angemessene Beiträge zur CO2-Minderung er-artet werden. Wir werden das im NAPG noch einmaleutlich konkretisieren.Mehrfach ist Europa in dieser Debatte erwähnt wor-en. Wir haben ja in den vergangenen Jahren immer wie-er beobachtet, dass wir bei einzelnen Instrumenten dieorreiterrolle übernommen haben, sei es beim EEG, seis bei der Ökosteuer. Wir haben bedauert, dass manchens dabei nur sehr langsam oder gar nicht gefolgt sind.as Instrument des Emissionshandels wird zeitlich iner gesamten EU eingeführt. Es bietet die hervorragendehance, von Anfang an eine Harmonisierung herbeizu-ühren, und bietet damit letztlich die Möglichkeit, in denächsten Jahren auch bei anderen Instrumenten die vonns schon lange gewollte und angestrebte Harmonisie-ung ein Stück voranzutreiben. Das wäre sowohl um-eltpolitisch als auch wirtschaftspolitisch in unsereminne, weil wir in diesem Zusammenhang natürlich im-er auch die Kostenfaktoren für die deutsche Wirtschaftm Auge behalten müssen. Beim Emissionshandel be-ommen wir also das, was wir bei anderen Instrumenteningefordert haben.Dazu gehört natürlich auch, dass die Bundesregierungn Brüssel darauf dringt, dass die Umsetzung in anderenitgliedstaaten parallel erfolgt. Die ersten Signale ausrüssel sind ermutigend, denn Schluren und Schlunzenässt man dort nicht zu. Das ist deutlich geworden. Soanches Mitgliedsland, das meinte, einmal ein weniganfter beginnen zu können, hat den ersten blauen Briefchon bekommen. Das ist also eine Riesenchance, auchuf europäischer Ebene in umwelt- und energiepoliti-chen Fragen vernünftig voranzukommen.
Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsi-ent, ehe ich meine Redezertifikate vollständig aufge-raucht habe
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Rolf Hempelmannund ehe sozusagen die Zertifikatehandelsstelle eingreift– –
Ich mache darauf aufmerksam, dass ich einen Handel
mit diesen Zertifikaten hier nicht zulassen könnte.
Ich habe das vorausgesehen. – Deswegen bedanke ich
mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der
Kollege Ulrich Petzold, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Liebe Kollegen! Damit hier nicht irgendwelcheMärchen stehen bleiben, lieber Herr Hempelmann, lieberHerr Kelber: Dass Hamburg und Berlin sich in der Frageder BImSch-Verordnung der Stimme enthalten haben,das mag vielleicht noch angehen. Aber ich weise daraufhin, dass auch Rheinland-Pfalz der Vertagung der34. BImSch-Verordnung zugestimmt hat.
Das ist ja wohl kein CDU-Land. Deswegen möchte ichgegen dieses Märchen in aller Gelassenheit Einsprucherheben.Außerdem, Herr Hempelmann, müssen Sie bitte be-denken: Wenn ein modernes Kraftwerk mit einem Wir-kungsgrad von 43 oder 46 Prozent in der Reservevorhal-tung für die Einspeisung der Windkraft gefahren wird,wer kommt dann, bitte schön, für die CO2-Emissionenauf? Das müsste einmal geklärt werden.Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat,wie von ihr selbst zugegeben, ein Problem bei der Ver-mittlung ihrer Politik. Wenn man sich die komplizierteMaterie des Emissionshandelsgesetzes ansieht, dannwird man sehr schnell verstehen, dass es hier ganz starkauf eine allgemein verständliche Vermittlung ankommt.In diesem Zusammenhang fand ich einen Vergleich desSachverständigen Dr. Rothermel in der Anhörung zumTEHG am 9. Februar außerordentlich gut und bildhaft.Er verglich die Einführung des Emissionshandels mitdem Versprechen eines Fünfgängemenüs. Mit demEmissionshandelsgesetz zeigt die Bundesregierung demstaunenden Publikum eine gedeckte Tafel und verlangtvon uns als Parlamentariern, dass wir das von ihr ge-kochte Fünfgängemenü in seiner Güte beurteilen und esmöglichst als sehr gut befinden. Nun wissen Sie alle,dass wir noch nicht einmal die Speisekarte kennen. Diezahlreichen Verordnungsermächtigungen und die Tatsa-cuhQnWdGKbuTgssfSdlhznvVSdwßwsegrbnbrn–Pdn–gGzul1
ährend das TEHG Stein- und Braunkohle aus ökologi-chen Gründen besonders belasten will. Beim Erdgas ists genau umgekehrt. Auf Erdgas, das zur Stromerzeu-ung verwendet wird, wird die Ökosteuer erhoben, wäh-end es nach dem TEHG das Maß aller Dinge ist. Fisch-esteck und Suppenteller passen nicht zusammen.Die Kellner stehen schon hinter den Gästen, um ih-en, noch bevor sie richtig zu essen begonnen haben,eim ersten Gang die Nahrung, nämlich die Emissions-echte, zu entreißen. Anders kann man es nicht bezeich-en, wenn bereits in der ersten Zuteilungsperiodewohlgemerkt: Es handelt sich um eine Übergangs- undrobephase, die uns von der EU zugestanden wird –eutliche Kürzungen bei den Emissionsrechten vorge-ommen werden.
Auch Sie haben über den Nationalen Allokationsplanesprochen.Denken Sie bitte auch an die Gäste! Da gibt es einigeäste, die ihre Zeche schon längst bezahlt haben. Dazuählen die Unternehmen in den neuen Bundesländernnd die Stahlindustrie in Nordrhein-Westfalen, meineieben Freunde. Die Industrie in Sachsen-Anhalt hat seit990 ihre CO2-Emissionen um 56 Prozent gemindert,
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Ulrich Petzoldwährend die Emissionsminderung über das gesamteBundesgebiet gerade einmal 19 Prozent betrug. Nichtnur ich habe den Eindruck, dass einige Gäste noch nichtszur Begleichung der Gesamtrechnung beigetragen ha-ben.Das Schlimme dabei ist, dass der Koch Trittin jetztalle gleichmäßig zur Kasse bitten will. Diejenigen, dieschon einmal bezahlt haben, sollen jetzt das Gleiche be-zahlen wie diejenigen, deren CO2-Einsparkonto nochvoll ist. Doch Ungleiche gleich zu behandeln wider-spricht unserer Verfassung. Die Regierung sollte sichnicht wundern, wenn die auf diese Weise schlecht behan-delten Bundesländer vor das Bundesverfassungsgerichtziehen.Denjenigen, die scheinheilig die Frage stellen: „Sol-len wir bei anderen das kürzen, was wir den neuen Bun-desländern an Aufbaureserve zubilligen?“, gebe ich kurzund knapp die Antwort: Ja; denn das verlangt die inner-staatliche Solidarität.
Angesichts der Tatsache, dass man eine CO2-Reserve fürden Ausstieg aus der Kernenergie aufbauen kann, frageich: Wie viel größer müsste die Reserve sein, die man fürden Wiederaufbau der neuen Bundesländer einrichtet?Immerhin hat die Schaffung gleicher LebensverhältnisseVerfassungsrang.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, gestatten Siemir, dass ich Ihnen ein letztes Bild präsentiere. Wir ha-ben einen Blick auf die gedeckte Tafel, die Kellner, denKoch und die Gäste geworfen.
Haben Sie nicht die Sorge, dass eine ganze Reihe vonGästen aus der Industrie jetzt aufstehen, gehen und sichein anderes Lokal als die „Bundesrepublik Deutschland“suchen könnten, in dem sie willkommener sind und indem sie satte CO2-Emissionsrechte genießen können? –Wir haben diese Sorge.Danke schön.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über die von den Frak-tionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen so-wie von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzent-würfe über den Handel mit Berechtigungen zur Emissionvon Treibhausgasen auf den Drucksachen 15/2328 und15/2540. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz undReaktorsicherheit empfiehlt in seiner Beschlussempfeh-lwzsedsauGlhdCaddGHSkAggK1)
– Drucksache 15/2538 –
a) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-schusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswe-sen
– Drucksache 15/2675 –Berichterstattung:Abgeordneter Horst Friedrich
– Drucksache 15/2680 –Berichterstattung:Abgeordnete Bartholomäus KalbGunter WeißgerberFranziska Eichstädt-BohligDr. Günter RexrodtNach einer interfraktionellen Vereinbarung war fürie Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Die wer-en wir nicht benötigen, weil die Kollegen Ernst Kranz,eorg Brunnhuber, Albert Schmidt undorst Friedrich sowie die Parlamentarischetaatssekretärin Angelika Mertens ihre Reden zu Proto-oll gegeben haben.1)Das spart Zeit, erspart uns aber nicht die notwendigenbstimmungen über den von der Bundesregierung ein-ebrachten Entwurf eines Gesetzes über Begleitregelun-en zur Einführung des digitalen Kontrollgeräts zurontrolle der Lenk- und Ruhezeiten auf der DrucksacheAnlage 1
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8804 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. März 2004
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Vizepräsident Dr. Norbert Lammert15/2538. Der Ausschuss für Verkehr, Bau- und Woh-nungswesen empfiehlt unter Ziffer I seiner Beschluss-empfehlung auf Drucksache 15/2675, den Gesetzent-wurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bittediejenigen, die dem Gesetzentwurf in dieser Fassung zu-stimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegenstim-men? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zwei-ter Beratung einstimmig angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetz zustimmen wollen, sich zu erheben. – Stimmtjemand dagegen? – Oder enthält sich jemand derStimme? – Ich vermute einmal, dass niemand absichtlichsteht, sondern eher zufällig, und dass damit der Gesetz-entwurf einstimmig angenommen ist.Unter Ziffer II seiner Beschlussempfehlung empfiehltder Ausschuss, eine Entschließung anzunehmen. Werstimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenpro-be! – Enthaltungen? – Auch diese Beschlussempfehlungist einstimmig angenommen.Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 20:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Jürgen Hedrich, Dr. Friedbert Pflüger, HermannGröhe, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder CDU/CSUDemokratie und Rechtsstaatlichkeit in Vene-zuela unterstützen – Freiheit der Medien undwirtschaftliche Prosperität wiederherstellen– Drucksachen 15/2389, 15/2671 –Berichterstattung:Abgeorndete Lothar MarkKlaus-Jürgen HedrichDr. Ludger VolmerHarald LeibrechtDazu ist interfraktionell eine halbe Stunde vorgese-hen. – Dazu höre ich keinen Widerspruch.Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort, weiler sowieso schon hier steht, dem Kollegen Hans-JürgenHedrich für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir beschäftigen uns erneut sachgerecht, wie
ich glaube, mit dem Thema Venezuela; denn die Lage in
diesem Land spitzt sich von Tag zu Tag zu. Dieses Land
ist auf dem Weg in einen autoritären Unrechtsstaat. Die
„Washington Post“ beschrieb dies vor einigen Tagen als
„coup by technicality“. Übersetzt hieße das: ein Staats-
streich durch bürokratisch-administrative Mittel.
Dies ist nicht neu in der Geschichte der Menschheit.
Es ist typisch für Situationen während des schleichenden
Überganges von der Demokratie zur Diktatur. Man sagt,
Chávez sei demokratisch gewählt. Das war auch Hitler.
Die Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass die
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Da die Bundesregierung auch das letzte Mal nicht da
ar, wundert es einen nicht, wenn sie auch heute nicht
a ist.
as macht deutlich, welche Bedeutung die Bundesregie-
ung der Frage von Freiheit und Unfreiheit zumisst.
Herr Kollege Hedrich, diese Schlussfolgerung geht
ielleicht ein bisschen zu weit,
uch wenn das Monieren der Nichtanwesenheit der Bun-
esregierung sicher in Ordnung ist.
Herr Präsident, ich nehme Ihren Hinweis zur Kennt-is. Ich habe mir natürlich meine eigenen Gedankenazu gemacht.Ich habe gesagt, Chávez wolle einen demokratischenechsel verhindern. Es gibt einen Unterschied zwischener Tatsache, demokratisch gewählt zu sein, und demo-ratischem Verhalten. Staatspräsident Chávez hat demtaatspräsidenten von Simbabwe, Herrn Mugabe, vorurzem eine Kopie des Schwertes von Bolivar mit deminweis überreicht, er zeichne damit einen Freiheits-ämpfer aus. Dies ist ein Regime, das gebrochene Kin-er zu Foltermaschinen ausbildet. – Das zu Chávez undugabe.Inzwischen haben sich Hunderte von Intellektuellennd Künstlern in einem Appell an die internationale Öf-entlichkeit gewandt, übrigens Künstler, die tendenziellem linken Spektrum des Landes angehören. Vor kur-em hat der Botschafter von Venezuela bei den Vereintenationen, Dr. Milos Alcalay, seinen Posten mit der Er-lärung niedergelegt, er könne den Weg weg von der De-okratie nicht mehr international verantworten. Ichönnte Ihnen noch mehr Beispiele nennen.Ich habe heute eine persönliche Bitte an den Kollegenothar Mark. Er hat bei der ersten Lesung in seiner zurotokoll gegebenen Rede ausgeführt, er billige nicht dierbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung in Venezuela, weilie sich in die inneren Angelegenheiten einmische.
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Klaus-Jürgen HedrichDie Zeiten, in denen man sich zurücklehnen konnte undsich nicht dafür interessieren musste, was in einem ande-ren Land passiert, sind lange vorbei. Auch Venezuela hatdie Wiener Menschenrechtsdeklaration der VereintenNationen 1994 unterzeichnet. Danach gibt es das klassi-sche Prinzip der Nichteinmischung nicht mehr; das weißnatürlich auch der Kollege Mark.Herr Kollege Mark, ich möchte Sie trotzdem bitten,die Formulierung, dass sich die Konrad-Adenauer-Stif-tung einseitig einmische, zurückzunehmen. Ich darf Siein diesem Zusammenhang darauf verweisen, dass sichdie sozialdemokratischen Parteien in Venezuela – alsoIhre Partner in der Sozialistischen Internationale –, ADund MAS, in aller Schärfe – übrigens schärfer als dieCDU/CSU im Bundestag – gegen Chávez geäußert ha-ben. Ich darf Sie, Herr Mark, weiter darauf aufmerksammachen, dass es eine eindeutige Erklärung der Sozialisti-schen Internationale gegen das Chávez-Regime gibt. Dieschärfste Kritik an der aktuellen Politik des Chávez-Re-gimes ist in einer Erklärung der spanischen Sozialisten,PSOE, formuliert. – Wir haben heute Morgen unsere An-teilnahme angemessen zum Ausdruck gebracht, dassSpanien von einem Terroranschlag im wahrsten Sinnedes Wortes getroffen wurde.Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf verwei-sen, dass sich Chávez strikt weigert, die FARC, die aufder Terrorliste der Vereinten Nationen steht, als Terroror-ganisation zu bezeichnen. Das heißt, er schützt Terroris-ten und duldet sie sogar auf seinem eigenen Territorium.Vor diesem Hintergrund müssen wir für die DemokratenPartei ergreifen.Ich bin dankbar, dass sich der Menschenrechtsaus-schuss dieser Frage eingehend angenommen und an dasdeutsche Parlament einstimmig appelliert hat, unserenachhaltige Solidarität mit den Abgeordneten der Oppo-sitionsparteien im Parlament von Venezuela auszudrü-cken. Dazu sollten wir, auch wenn wir möglicherweiseüber unseren Antrag unterschiedlich abstimmen, in derLage sein.
Zur Opposition gehören alle: Konservative, Christdemo-kraten, Parteien der bürgerlichen Mitte, Sozialdemokra-ten und Sozialisten. Sie alle haben in einer Erklärung andie internationale Öffentlichkeit, die Ihnen vorliegt, dar-gelegt, dass Chávez die Möglichkeiten des Parlamentsausschalten und die Rechte der Parlamentarier beschnei-den will. Unser Anstand gebietet uns, unsere Solidaritätmit den Parlamentariern der Opposition in Venezuelazum Ausdruck zu bringen.
Ich möchte mit einer eher pathetischen Bemerkungschließen. Wenn der Vorwurf erhoben wird, ich sei zueinseitig,
dann bekenne ich mich dazu: Ich bin immer auf der Seiteder Demokratie und der Freiheit.tSdmsdslsauSeLeprsddhPhVzmPAtdbg3gÜbumWuWsg
Ich begrüße ausdrücklich die beabsichtigte Formulie-ung einer interfraktionellen Resolution durch den Aus-chuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, dieer Kollege Hedrich eben bereits angesprochen hat, iner auf die Situation der Parlamentarier in Venezuelaingewiesen werden soll. Nicht erst durch die Pläne vonräsident Chávez, das Erfordernis der Zweidrittelmehr-eit für grundlegende Gesetze abzuschaffen, sind in derergangenheit die Rechte der Parlamentarier in Vene-uela verletzt worden. Ich erinnere in diesem Zusam-enhang auch an die verfassungswidrige Auflösung desarlaments durch den Interimspräsidenten Carmona impril 2002.
Die Situation hat sich nach der Bekanntgabe des Ur-eils des Nationalen Wahlrats zugespitzt. Dem Begehrener Opposition nach einem Referendum über den Ver-leib von Präsident Chávez im Amt wurde nicht stattge-eben. Die Begründung lautete: Von den abgegebenen,4 Millionen Unterschriften seien nur 1,8 Millionenültig. An etwa 876 000 Unterschriften seien bei derberprüfung Zweifel aufgekommen. Im Wesentlicheneziehen sich diese auf die Tatsache, dass Unterschriftnd Fingerabdruck zwar vom Unterzeichnenden stam-en, der Name und die Ausweisnummer aber von einemahlhelfer eingetragen wurden. Es handelt sich dabeim eine erst nach der Unterschriftensammlung vomahlrat beschlossene Regelung. Diese Unterschriftenind nunmehr unter Beobachtung gestellt. Um das vor-egebene Quorum von 2,4 Millionen Unterschriften zu
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Lothar Markerreichen, müssten nun rund 600 000 Unterschriftenüberprüft bzw. erneut geleistet werden.Derzeit finden Gespräche zwischen der Oppositionund dem Nationalen Wahlrat über die Ausgestaltungdes Überprüfungsverfahrens statt. Die Opposition willverhindern, dass die Beweislast umgekehrt wird und dieBürger nochmals unterschreiben müssen. Des Weiterenist sie mit der Verkürzung der vorgesehenen Frist für einsolches Bestätigungsverfahren von fünf auf nunmehrzwei Tage nicht einverstanden.Die deutsche Botschaft in Caracas bestätigte gesternauf Anfrage, dass für heute ein Treffen der CoordinadoraDemocrática mit den Vertretern des Nationalen Wahlra-tes anberaumt sei, in dessen Verlauf es zu einer Einigungbezüglich des Überprüfungsverfahrens kommen könnte.– Hoffen wir es. – Die Coordinadora habe die Einladungzu Gesprächen bisher abgelehnt, denn bis heute habeman die Datenbasis, also die Unterschriftenlisten, abge-glichen. Parallel betreibe die Coordinadora die gerichtli-che Überprüfung der Wahlratsentscheidung.Sollte es zu einer Einigung kommen, wird die Über-prüfung aller Voraussicht nach an zwei Tagen EndeMärz stattfinden. Sofern das erforderliche Quorum zu-stande kommt, wäre damit ein Referendum im Mai oderJuni möglich.Es wird allerdings zunehmend sichtbar, dass Präsi-dent Chávez zum Zweck des Machterhalts bereit ist, alleRegister, die eine verfassungsgemäße Deckung oderauch nur eine Halbdeckung haben, zu ziehen, um ein Re-ferendum abzuschmettern.In den vergangenen Tagen ist es unter dem Eindruckdes Wahlratsurteils zu Massendemonstrationen – circa500 000 Menschen – gegen die Regierung und zu Sym-pathiebekundungen für Chávez gekommen. Dabei hat esmehrere Todesopfer und Verletzte gegeben. Regierungund Opposition weisen sich hierfür gegenseitig dieSchuld zu. Tatsache ist, dass die Todesopfer überwie-gend der Opposition zuzuordnen sind. Namhafte Men-schenrechtsorganisationen wie Human Rights Watchoder Amnesty International haben sich besorgt über dieMenschenrechtslage geäußert. Auch wir bedauern dieseEntwicklung zutiefst.Es mehren sich außerdem Besorgnis erregende Hin-weise darauf, dass die Regierung versucht, Mitarbeiterdes öffentlichen Dienstes, die am Referendum teilge-nommen haben, unter Druck zu setzen. Ihnen soll dieKündigung drohen, wenn sie ihre Unterschrift nicht wi-derrufen. Zwar wird dies aller Voraussicht nach für dasGesamtergebnis nicht ausschlaggebend sein, dennochmuss dieses Vorgehen der Regierung in aller Schärfe kri-tisiert werden.
Das Carter-Center und die OAS bestätigten in einerPressemeldung vom 2. März den weitgehend sauberenAblauf der Unterschriftensammlung und konstatiertendiplomatisch „Diskrepanzen“ mit dem Wahlrat in BezugaswGLdKdss5adEmakdztEtkddnRbislwsVdDdkzesntRs
r findet daher auch weiterhin nicht unsere Zustim-ung. Die Gründe dafür liegen auf der Hand und habenuch durch die aktuellen Entwicklungen nicht an Gültig-eit verloren:Der Antrag ist hinsichtlich der Situationsanalyse un-ifferenziert und unglücklich in seiner Schwerpunktset-ung auf die Medienfreiheit und die wirtschaftliche Si-uation in Venezuela. So wird zum Beispiel dieinflussnahme der privaten Medien als politische Ak-eure überhaupt nicht berücksichtigt. Auch die Auswir-ungen des wochenlangen nationalen Ausstandes aufie Wirtschaft, insbesondere die Erdölwirtschaft, wer-en nicht aufgezeigt.Seine einseitige Parteinahme für die Opposition isticht hilfreich. Der Antrag trägt nicht der Tatsacheechnung, dass die Opposition auch als Teil des Pro-lems und nicht nur als Teil der Lösung zu sehen ist.
So zeugen zum Beispiel der versuchte Staatsstreichm April 2002 oder die Ausrufung des nationalen Aus-tands im Dezember 2002 nicht von verantwortungsvol-em Handeln einer demokratisch gesinnten Opposition,ie im Antrag angenommen. Es ist nämlich eben nichto, dass auf der einen Seite die hehren Demokraten underteidiger der Freiheit stehen und auf der anderen Seiteie Kräfte, die das Land in die Diktatur führen.
Es werden keine Perspektiven aufgezeigt, wie eineialoglösung seitens des Deutschen Bundestages geför-ert werden könnte. Im Gegenteil: Durch die oben ge-ennzeichnete Analyse wird die Polarisierung der vene-olanischen Gesellschaft zumindest nicht gemindert undine dauerhafte demokratische Konsensfindung zwi-chen den Lagern nicht begünstigt.Auch wenn man nach den Ereignissen der vergange-en Tage gegenüber der Regierung Chávez äußerst kri-isch und skeptisch eingestellt sein muss, macht dies dieolle der Opposition nicht besser. Es kann doch nichtein, dass jegliche differenzierte Betrachtung und kriti-
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Lothar Marksche Auseinandersetzung mit der venezolanischen Op-position als Verteidigung der Regierung gewertet wird.Damit befänden wir uns in der gleichen Sackgasse, indie das Land seit Jahren steuert und die Ursache dafürist, dass alle vorhandene Energie verpufft: einerseits inden Bemühungen der Opposition, die Regierung zu de-stabilisieren, andererseits in den Bemühungen der Re-gierung, sich an der Macht zu halten und die Oppositionverfahrenstechnisch zu schwächen.Wir beobachten in der aktuellen Situation, dass dieOppositionsbewegung weiterhin nur eine Anti-Chávez-Bewegung ist, ohne dass bis heute alternative Konzepteder Politikgestaltung erkennbar wären.
Ich rufe daher eindringlich dazu auf, die Verantwortungbeider Seiten für die desolate Lage Venezuelas zu sehenund zu benennen, auch wenn sie vielleicht als graduellunterschiedlich beurteilt werden kann.Meine Damen und Herren, die internationale Ge-meinschaft muss in dieser Situation sehr wachsam sein.Wie im Übrigen von beiden Lagern gewünscht, sollte dieinternationale Kontrolle des Überprüfungsverfahrensund im Weiteren gegebenenfalls eines Referendums ver-stärkt werden. Nur so kann in der venezolanischen Be-völkerung wieder Vertrauen in diesen Abstimmungspro-zess und in die Institutionen aufgebaut werden.
Dies ist meines Erachtens in der derzeitigen verfahrenenLage die einzige Möglichkeit, um den Druck aus demKessel zu nehmen.Hier brauchen wir also keine Schwarz-Weiß-Anträge,die Gräben vertiefen, anstatt Brücken zu bauen. Aus die-sem Grund werden wir Ihren Antrag, wenn mehr von un-seren Leuten anwesend sein werden, mit den Stimmender Koalitionsfraktionen ablehnen.
Herr Kollege, denken Sie bitte an die Zeit.
Ich kann das auch als Intervention machen; denn ich
wurde ja aufgefordert, zu diesem Thema zu sprechen.
Ich wollte Sie ja nur an Ihre Redezeit erinnern.
Gut, ich bin auch sofort fertig.
Herr Kollege Hedrich bat mich, eine Formulierung
aus meiner Rede vom 12. Februar dieses Jahres – ob die
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Das Wort hat nun der Kollege Markus Löning, FDP-
raktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herrark, als Vorbemerkung möchte ich darauf eingehen,as Sie zu der Frage gesagt haben, ob die Opposition inenezuela demokratisch oder nicht demokratisch ist. Ichlaube, diese Frage ist nicht der entscheidende Punkt.
s geht nicht darum, ob die Opposition demokratisch istder nicht. Es wird ja gar nicht abgestritten, dass nichtlles so ist, wie wir es uns wünschen. Die Frage ist: Wirdtztendlich auf demokratischem Wege ein Volksbegeh-en durchgeführt oder nicht? Darum geht es.
iese Frage müssen wir in den Vordergrund stellen. Ichlaube, hier sind wir uns weitgehend einig.
Ich finde es nicht in Ordnung, dass Sie versuchen, unsu unterstellen, wir würden eine Opposition schönreden,ie gar nicht demokratisch ist.
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Markus LöningDie FDP wird den Antrag der CDU/CSU unterstützen,weil wir der Meinung sind, es ist wichtig, von hier ausdas Signal zu geben, dass wir die Situation in Venezuelaim Blick haben.
Ich habe selten so viele Rückmeldungen bekommenwie auf meine Rede, die ich in der Debatte vor einigerZeit hier gehalten habe. Genau das zeigt mir, wie wichtiges ist, dass wir uns mit der Situation in Venezuela aus-einander setzen.
Vor zwei Tagen haben wir diese Debatte im Ausschussgeführt. Dort wurde von Ihrer Seite argumentiert, dassdie Behandlung dieses Themas gar nicht nötig sei unddass man nur Appelle aussprechen könne, durch die manaber nichts bewegen könne. – Alles Unfug! Natürlichwird diese Diskussion wahrgenommen. Wo sind wirdenn hier?
– Es tut mir Leid, aber was ist denn das für eine Aussageüber den Deutschen Bundestag? Ich fand es unerträglich,dass so etwas über einen Antrag zu einem sehr ernstenThema, mit dem wir uns hier auseinander setzen, gesagtwird.
Meine Damen und Herren, es geht um die Menschenin Venezuela. Ich verstehe auch nicht, warum Sie, wennKollege Hedrich von Demokratie und Freiheit spricht,etwas höhnisch grinsen; denn um diese Themen geht esin Venezuela. Das ist auch der Grund, aus dem wir FreieDemokraten diesen Antrag
– auch wenn er vielleicht an der einen oder anderenStelle besser formuliert und etwas aktueller sein könnte– unterstützen.
Es ist wichtig, von hier das Signal an die Menschen aus-zusenden, dass wir die Situation in Venezuela beobach-ten. Auch ist es sehr wichtig, Herrn Chávez das Signalzu geben, dass wir das Land nicht ignorieren und dasswir ihm das, was er dort tut, nicht durchgehen lassen.
Herr Mark, das, was Sie zum Thema der internationa-len Kontrolle gesagt haben, unterstütze ich. Ich glaube,wir sollten noch viel stärker darauf drängen, dass diesersehr gute Weg beschritten wird. Wenn in diesem BereichnDbbdSGgsknurbddSSDaHAterlSDAitmdwVszdhfFliVgvAd
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-en! Über das, was Sie, Herr Kollege Löning, zuletzt ge-agt haben, können wir uns durchaus verständigen. Wirönnen uns ja überlegen – auch im Ausschuss –, ob wiricht einen gemeinsamen Antrag einbringen, in dem wirns für ein demokratisch zustande gekommenes Refe-endum einsetzen. Dabei sollten wir allerdings die Pro-leme berücksichtigen, die hier in dieser Debatte schonargestellt worden sind.Ich bin vor einem Monat, als hier die erste Lesungieses Antrags stattgefunden hat, von einigen in deminne missverstanden worden, dass ich mich auf dieeite von Präsident Chávez hätte schlagen wollen. –em ist nicht so. Das Handeln, vor allen Dingen aberuch die Worte dieses Präsidenten sind in vielfacherinsicht zu kritisieren. Ich stimme mit Ihnen überein:llen Versuchen, demokratische Rechte von Parlamen-ariern zu beschneiden oder einzuschränken, müssen wirntgegentreten. In einer Demokratie dürfen Parlamenta-iern nicht die Rechte beschnitten werden.Genauso wenig dürfen in einer Demokratie die Mög-ichkeiten von Demonstrationen des Volkes auf dertraße – ein wichtiges Willensbildungselement in eineremokratie – eingeschränkt werden. Wenn es gar zuuseinandersetzungen mit Toten und Verletzten kommt,st das nicht erträglich. Dann müssen unabhängige Un-ersuchungen darüber stattfinden, wie es dazu gekom-en ist. Der Einsatz von Sicherheitskräften, insbeson-ere des Militärs, muss kontrolliert werden. Das fordernir nicht nur in Europa, sondern auch von Ländern wieenezuela; in diesem Punkt sind wir uns völlig einig.Wir sind uns ebenfalls einig darin, dass die wirt-chaftliche Lage und die Lage der Demokratie in Vene-uela äußerst schlecht ist. Wir unterstützen vieles vonem, was dieser Präsident vor seiner Wahl angekündigtat: die Bekämpfung der Armut, vor allem die Bekämp-ung der Korruption. Das war ja eine seiner zentralenorderungen, mit der er Erfolg gehabt hat. Offensicht-ich war dieser Kampf nach allem, was vorher passiertst, notwendig. Wir müssen aber feststellen, dass dieseersprechungen in der Praxis dieser Regierung nicht ein-ehalten worden sind. Die Erfolge, die man dem Volkersprochen hat, sind nicht eingetreten. Die Wertung derrbeit dieser Regierung müssen wir dabei letztlich alleinem venezuelanischen Volk überlassen. Die müssen sa-
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Hans-Christian Ströbelegen: Das hast du versprochen – was hast du eingehalten?Was ist die Alternative dazu? – Das muss in einemWahlprozess zur Diskussion und zur Abstimmung ge-stellt werden.Hinsichtlich des Referendums haben Sie mich vollauf Ihrer Seite; das habe ich Ihnen im Ausschuss schongesagt. Man kann nicht die Absetzung des Präsidentenals Möglichkeit in die Verfassung schreiben, wie es HerrChávez getan hat, dann aber, wenn ein Referendum miteiner solchen Zielsetzung angestrebt wird, schon vonvornherein, bevor man überhaupt die Unterschriften-zettel kontrolliert hat, von Wahlbetrug sprechen. Das istvöllig daneben und kann nicht unsere Billigung finden.Dieses Vorgehen begründet den Verdacht, dass bei derPrüfung dieser Unterschriften erhebliche Kritik ange-bracht ist und wir dreimal hingucken müssen.Auf der anderen Seite müssen wir aber auch feststel-len, dass von den über 3 Millionen Unterschriften ganzoffensichtlich eine ganze Reihe zweifelhaft sind. Wennich das richtig weiß, hat selbst die Opposition nicht beizehn oder 200 oder 2 000, sondern bei immerhin200 000 dieser Unterschriftenzettel davon gesprochen,dass sie nicht richtig zustande gekommen sind und zu-rückgezogen werden müssen. Wenn der Oberste Wahlratdann erklärt, noch sehr viel mehr Unterschriftenzettelmüssten überprüft werden, sollten wir das aufgreifenund dürfen nicht von vornherein sagen: Dieser Wahlratmacht nur das, was Präsident Chávez sagt. Das heißt, wirmüssen fordern, dass eine objektive, eine rechtsstaat-liche Überprüfung der Voraussetzungen für das Referen-dum erfolgt. Wenn es in Venezuela nicht möglich ist,sich auf eine allseits akzeptierte Überprüfung zu einigen,weil die Fronten zu verhärtet sind, müssen wir – dasfinde ich richtig, das sollten wir auch von hier aus for-dern – eine internationale Überprüfung in die Wege lei-ten. Das wird wahrscheinlich nicht von Deutschland auspassieren können, aber es wird von den Nachbarstaatenaus durchaus möglich sein.Wir müssen vorher beide Seiten – die Opposition unddie Regierung – auffordern, ein solches Ergebnis anzu-erkennen. Dann wird entweder ein Referendum durch-geführt oder nicht, falls die Anzahl der gültigen Unter-schriften nicht ausreicht. Nach einem Referendummüssten Neuwahlen stattfinden.Lassen Sie mich abschließend einen Satz wiederho-len: Ihr Antrag ist deshalb nicht zustimmungsfähig, weiler den Eindruck erweckt, als ob nur die Opposition andie Regierung gebracht werden müsste, um in Venezuelaökonomisch vernünftige und demokratische Verhältnisseherzustellen. Dem ist absolut nicht so.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Weisskirchen?
Ja.
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Es geht hier eindeutig um die Sache. Herr Kollege
tröbele, vorhin hat der Redner der CDU/CSU-Bundes-
agsfraktion, Kollege Hedrich, behauptet, dass FARC in
enezuela eine Chance habe oder sich gar bewegen
önne. Ich weiß nicht, ob er dafür Beweise hat.
ber vielleicht können Sie in irgendeiner Weise eine
ntwort auf das geben, was er letztlich als Vorwurf for-
uliert hat.
Herr Kollege, diese Frage ist völlig berechtigt. Ich
abe bereits im Ausschuss zu dieser Frage Stellung ge-
ommen. Ich will auch hier dazu Stellung nehmen. Wir,
ch selber, die Koalition und auch die Bundesregierung,
aben immer wieder vor einer Entwicklung in Kolum-
ien gewarnt, die dazu führt, dass unter anderem FARC-
ebellen, aber auch andere militärische Kräfte, die in
olumbien unter Druck geraten, in die Nachbarstaaten
usweichen. Das gilt sowohl für Ecuador als auch für
rasilien sowie für Venezuela als Nachbarstaaten.
Unter anderem lehnen wir den Plan Colombia für Ko-
umbien ab, weil wir sagen: Das führt dazu, dass der
rieg, der in Kolumbien stattfindet, jetzt auch in Vene-
uela oder Ecuador geführt werden soll. Das heißt, die
ehauptung von Ihnen, Herr Chávez stecke mit der Gue-
illa aus Kolumbien unter einer Decke, ist eine unbewie-
ene Unterstellung. Das muss man ganz konkret feststel-
en.
Lassen Sie mich meinen anderen Satz noch zu Ende
ringen.
Aber natürlich!
Die Redezeit ist jetzt doch abgelaufen.
Ich komme zu dem Satz, mit dem ich aufgehört habe.ch sage Ihnen: Eine Opposition, die 40 Jahre lang
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Hans-Christian StröbeleGelegenheit hatte, in Venezuela eine demokratische undökonomisch vernünftige Politik zu machen, die an derKorruption gescheitert ist – deshalb wurde dieser Präsi-dent gewählt –, die vor zwei Jahren –
Herr Kollege!
– einen Putsch durchgeführt hat und als erste Maß-
nahme das Parlament aufgelöst hat, hat sich selber dis-
kreditiert und ist auch keine Alternative für Venezuela.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Peter Weiß. Sie
haben gesehen, es sind extra viele Kollegen in den Ple-
narsaal gekommen, um Ihnen zum Geburtstag zu gratu-
lieren. Das tun wir hiermit.
Vielen Dank, verehrte Kolleginnen und Kollegen!
– Der Kollege Weisskirchen ruft mir zu: Sei versöhnlich!Doch ich verstehe die Argumentationsweise der Kolle-gen Mark und Ströbele nicht. Man muss sich bei einerRede im Parlament fragen: Wem soll das nutzen, was ichhier sage?
Das Argument, auf die Mängel der früheren Regierun-gen und politischen Parteien hinzuweisen, ist berechtigt.Aber das ist ja auch die typische Methode, mit der Chávezargumentiert und seine antidemokratische Politik durch-setzt.
So, wie Sie das jetzt praktisch vorgetragen haben, ist dasnur Wasser auf die Mühlen von Chávez. Man muss sichimmer fragen: Wem nutzt es?
Das Gleiche gilt – ich denke an die zur Mehrheitsbe-schaffung notwendige Frage des Kollegen Weisskirchenan den Kollegen Ströbele – für die Tätigkeit der kolum-bianischen Guerilla. Kürzlich war Staatspräsident Uribeaus Kolumbien hier. Die Bundesregierung – auch Vertre-ter der SPD-Fraktion – hatte Gelegenheit, ausführlich mitihm zu sprechen.UkENTLnvGIccEbsDckUmwduuhtAhgsgdndwwwÄwbn
ribe erklärt klar und deutlich: Bei der Terrorismusbe-ämpfung an den kolumbianischen Grenzen bestehtinvernehmen und Gemeinsamkeit mit sämtlichenachbarstaaten, die von der politischen Farbe her zumeil sehr unterschiedlich regiert werden. Das einzigeand, mit dem das nicht funktioniert, ist Venezuela.Deswegen ist es offenkundig, dass Chávez es hin-immt und duldet – wenn nicht sogar fördert –, dass dasenezulanische Staatsgebiet von der kolumbianischenuerilla als Rückzugsgebiet genutzt wird.
ch habe in Caracas mit Vertretern dreier unterschiedli-her Menschenrechtsorganisationen Venezuelas gespro-hen. Alle drei haben mir bestätigt, dass sie vor Ort klarerkenntnisse darüber gewonnen haben, dass die kolum-ianische Guerilla auf venezolanischem Staatsgebiet freichaltet und waltet.
ieser Punkt muss offensiv, klar und deutlich angespro-hen werden. Dafür gibt es keine Entschuldigung.
Venezuela befindet sich in diesen Tagen in einer sehrritischen Situation; denn es ist offenkundig, dass dienterschriften für das Abberufungsreferendum nur aufassiven politischen Druck von Chávez nicht anerkannturden. Das Abstimmungsergebnis im Wahlrat betrugrei zu zwei. Die unabhängigen Beobachter der OASnd des Carter-Zentrums kritisieren dieses Ergebnis klarnd eindeutig. Ein Präsident, der von Anfang an und biseute nur erklärt, dieses Referendum sei ein Megabe-rug, macht deutlich: Er ist gar nicht an einem fairenuszählverfahren interessiert. Für ihn stand von vorn-erein fest, dass ein Referendum für ihn und seine Re-ierung nicht infrage kommt, obwohl es in der Verfas-ung vorgesehen ist. Das ist der von Anfang an klareäußerte antidemokratische Wille des Herrn Chávez,en es eindeutig zu verurteilen und zu kritisieren gilt.
Wenn man fragt, auf was dieser Präsident eigentlichoch reagiert, bekommt man immer die Antwort: Wenn,ann nur auf Druck von außen. Deswegen glaube ich: Soeit Venezuela auch von uns weg ist, wir Deutschen undir Europäer würden einen großen Fehler begehen,enn wir jetzt nicht mit einer klaren und eindeutigenußerung den notwendigen politischen Druck aufbauenürden, der Chávez vielleicht doch noch zum Einlenkenringt und der die Voraussetzung dafür ist, dass es in Ve-ezuela wieder zu einer vernünftigen politischen und
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. März 2004 8811
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Peter Weiß
wirtschaftlichen Entwicklung kommen kann; darum gehtes.
Deswegen kann ich es nicht verstehen, dass mit Argu-menten, die zum Teil an den Haaren herbeigezogen sind,versucht wird, den Antrag der CDU/CSU heute hier imBundestag abzulehnen.
– Herr Ströbele, wenn er schlecht wäre, dann hätte ich esja verstanden, wenn die Koalitionsfraktionen Ände-rungsanträge in die Ausschussberatungen eingebrachtoder heute einen eigenen Antrag vorgelegt hätten. Dashaben Sie aber nicht getan. Das Europäische Parlamentwar gestern mit den Stimmen der Christdemokraten undder Sozialdemokraten in der Lage, gemeinsam eine klareEntscheidung zu treffen und ein klares Signal an Vene-zuela zu senden. Dass der Deutsche Bundestag ange-sichts der Verweigerung von Rot-Grün heute offensicht-lich nicht in der Lage dazu ist, gibt einem in der Tat zudenken. Das halte ich für eine Niederlage und nicht füreinen Sieg der Demokratie.
Ich stelle einmal die Frage: Cui bono? Wem nütztdenn das, was sich hier abspielt?
Ich nehme den Kolleginnen und Kollegen der Sozialde-mokraten und der Grünen gerne ab, dass auch sie, wiewir, die Entwicklung in Venezuela mit großer Sorge beo-bachten.
Das heutige Abstimmungsergebnis wird aber nurChávez und seinen Anhängern nutzen. Sie werden IhreReden – ich gebe gerne zu: von Ihrer Seite aus ist diesnicht gewollt – als Unterstützung für ihre Position wer-ten. Von daher bitte ich Sie noch einmal herzlich, sich zuüberlegen, ob wir heute das richtige oder das falsche Si-gnal nach Venezuela senden.
Wir haben es als deutsche Parlamentarier und Europäerin der Hand, ob wir unseren Parlamentskolleginnen und-kollegen in Venezuela die notwendige Unterstützunggeben und eine Lanze für Demokratie und Freiheit bre-chen.
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Ich schließe damit die Aussprache.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Auswärti-
en Ausschusses auf Drucksache 15/2671. Der Ausschuss
mpfiehlt die Ablehnung des Antrags der Fraktion der
DU/CSU auf Drucksache 15/2389 mit dem Titel: „De-
okratie und Rechtsstaatlichkeit in Venezuela unterstüt-
en – Freiheit der Medien und wirtschaftliche Prosperität
iederherstellen“. Wer stimmt für diese Beschlussemp-
ehlung des Ausschusses? – Gegenstimmen? – Enthaltun-
en? –
ie Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD
nd Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von
DU/CSU und FDP angenommen worden.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 a auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst
Friedrich , Joachim Günther (Plauen),
Eberhard Otto , weiterer Abgeordneter
und der Fraktion der FDP
Investitionen in Verkehrsinfrastruktur sicher-
stellen
– Drucksache 15/2423 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
DP fünf Minuten erhalten soll. – Ich höre keinen Wi-
erspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst
er Abgeordnete Horst Friedrich.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!s ist einigermaßen schwierig, sich von der großen Politiknd den Menschenrechten in Venezuela abzuwenden und ei-em für uns in Deutschland sicherlich mindestens genausorängenden Problem zuzuwenden, nämlich der Sicherstel-ng der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur. Dieses
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Horst Friedrich
brennende Thema ist in unserem Antrag vom Januar do-kumentiert worden. Dabei agieren die Bundesregierungund die sie tragenden Fraktionen offensichtlich nach wievor nach den Prinzipien Hoffnung und Glauben. Damitkann man aber weder Verkehrswege bauen noch Arbeits-plätze erhalten noch neue schaffen.Wie anders ist denn zu verstehen, dass der für diesenBereich zuständige Minister, Manfred Stolpe, auf Nach-fragen erklärt: Ich bin mir mit dem Bundeskanzler unddem Finanzminister einig, dass Investitionen stattfindenmüssen. – Dieser Aussage kann man zwar uneinge-schränkt zustimmen.
Aber was heißt das für seinen Etat? Die Ausgangssitua-tion war folgende: Der Minister hat in völliger Nichtbe-achtung der Beschlüsse des Vermittlungsausschusses zurMaut – diese hat die FDP Gott sei Dank nicht mitgetra-gen, weil wir schon damals weitere Ärgernisse vorherge-sehen und befürchtet haben –,
Einnahmen von 2,1 Milliarden Euro aus der Maut in sei-nen Haushalt für das Jahr 2004 eingestellt. Gleichzeitigaber hat er den Haushaltsansatz um 2,2 Milliarden Euroreduziert, um die Entsperrung der Milliarde gegenüberdem Haushaltsausschuss zu begründen und eine angebli-che seriöse Gegenfinanzierung nachzuweisen: Manstelle einfach eine gute Milliarde Euro aus Einnahmenaus dem laufenden Schiedsgerichtsverfahren mit demKonsortium Toll Collect ein. Kein Mensch kann zumheutigen Zeitpunkt sagen, ob die Bundesregierung über-haupt Geld bekommt, wann es fließt – das kann schließ-lich noch ein paar Jahre dauern – oder wie diese 1 Mil-liarde Euro seriös in den Haushalt eingestellt werdensoll. Das ist die eine Maßnahme, die zur Sicherung der2 Milliarden Euro erfolgte.Interessant ist aber auch eine weitere Maßnahme. Da-für darf die Bahn herhalten, die sich anschickt, an dieBörse zu gehen. Ihr wird folgender Deal aufs Auge ge-drückt: Die Bahn muss sich am Kapitalmarkt 1 MilliardeEuro besorgen, mit der Darlehen vorfristig getilgt wer-den, die ihr aber bisher zinslos zur Verfügung gestelltworden sind. Durch diese Vorfristigkeit der Tilgung be-kommt diese 1 Milliarde Euro auf einmal das Volumenvon 2 Milliarden Euro. Aber das Geschäft bleibt ausmeiner Sicht noch immer anrüchig; denn hier geht es umdie Seriosität von Haushaltszahlen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, aufdieser Basis versuchen Sie, einen Haushalt zu einem Zeit-punkt aufzustellen, zu dem wir einen neuen Verkehrswe-geplan beraten, die EU-Osterweiterung auf uns zukommtund die von Ihnen selbst vorgelegten Straßenbauberichtedokumentieren, in welchem Zustand die Verkehrsinfra-struktur in Deutschland ist. 30 Prozent aller technischenBauwerke wie Brücken und Tunnel sind – wenn über-haupt – nur noch eingeschränkt nutzbar. Mindestens wei-tere 20 Prozent sind gerade noch akzeptabel. Aber derRkBkDSfdheHwdoüasddrFdwVMkaKdtlwmHodhÜr
Sie versuchen das zwar. Aber die Grundlage dafür,ass wir Ihnen das glauben können, haben Sie mit dem,as Sie bisher vorgelegt haben, nicht geschaffen.Ganz besonders toll ist, dass der Herr Minister dieerkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft, die dieaut einnehmen sollte und die von Ihnen bewusst nichtreditfähig gemacht worden ist,
ufgefordert hat, sie solle mal eben 1 Milliarde Euroredit aufnehmen. Auf die gesetzliche Ermächtigungafür, dass er das auch darf, warten wir noch. Der An-rag, den wir Ihnen heute vorlegen, dokumentiert das al-es. Deswegen wäre es schön, wenn Sie ihm zustimmenürden. Das müssen Sie tun, wenn Sie sich als Parla-entarier noch ernst nehmen wollen.Danke sehr.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Uwe Beckmeyer.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Lieber Horst Friedrich, man fragt sich nicht nur,b der Antrag alt war, sondern auch, ob Ihre Rede ausem Januar stammt. Denn das, was Sie hier vorgetragenaben, ist inzwischen überholt.
berholt ist der aufgrund der fehlenden Mehrheit zu-ückgezogene Antrag zur Einsetzung eines Untersu-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 98. Sitzung. Berlin, Freitag, den 12. März 2004 8813
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Uwe Beckmeyerchungsausschusses, wobei Sie, wie ich der „Welt“ vonheute entnehmen konnte, darauf spekulieren, ihn in14 Tagen erneut einzubringen. Glauben Sie denn, dassSie in 14 Tagen eine Mehrheit haben?
Genauso verhält es sich mit Ihrem Antrag zu Investitio-nen in die Verkehrsinfrastruktur, den Sie hier im Bundes-tag diskutieren wollen.
Wichtig ist doch, dass die Verkehrsinfrastruktur im Jahre2004 finanziert werden kann. Am besten ist es, wenn wirdafür Geld haben und nicht auf irgendwelche anderenTitel zurückgreifen müssen.
Das ist durch den Haushaltsausschuss sichergestellt, dereinstimmig, auch mit den Stimmen der FDP, die Aufhe-bung der Sperre beschlossen hat.
Das führt dazu, dass es wieder eine ordentliche Ver-kehrsinfrastrukturfinanzierung für das Jahr 2004 imHaushalt des Verkehrsministeriums gibt.Was bedeutet nun der Finanzierungsvorschlag des Fi-nanzministers in Bezug auf die 1 Milliarde von der DBAG, den Sie als kritikwürdig bezeichnet haben? Das istzum Vorteil der Deutschen Bahn AG, weil zinslose Dar-lehen des Bundes sofort fällig werden und damit Schul-den der DB AG in Höhe von 2 Milliarden Euro zurück-gezahlt werden. In diesem Fall ist das auch zum Vorteilder Bundesrepublik Deutschland. Beide haben etwas da-von. Das ist eine klassische Win-Win-Situation.
Wir diskutieren einen Antrag, der vom 28. Januar die-ses Jahres stammt. Es ist ein Problem, wenn man An-träge zu Zwischenstadien stellt und glaubt, politisch auf-hucken zu müssen und damit die Lösung zu haben.
Inzwischen ist die Zeit über Ihren Antrag hinweggegan-gen. Es gibt eine völlig neue Situation. Diese Situationist eindeutig geklärt, wie ich eben schon beschriebenhabe.
Ich will etwas zu den einzelnen Punkten sagen. Ihre For-derung nach Sicherstellung der Investitionsmittel ist, wieSie ebenso wie ich wissen, längst von der Realität über-holt.Die jüngst mit dem Betreiberkonsortium getroffeneVereinbarung besagt, dass der Auftragnehmer für alleNettomautausfälle des Bundes haften wird.
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Ich komme zum Schluss. Der Ausbau der Bundes-fernstraßen, Bundeswasserstraßen und des Schienennet-zes ist zweifelsohne eine entscheidende Voraussetzungfür eine positive Entwicklung der Wirtschaft. Durch diegenannten Entscheidungen – an denen auch Sie imHaushaltsausschuss beteiligt waren – haben wir trotzschwieriger Rahmenbedingungen die notwendigen In-vestitionen auf einem verantwortbaren Niveau gesichert.Dies ist ein Erfolg der Bundesregierung, des Ressortsund der die Bundesregierung tragenden Fraktionen. Die-ser Erfolg ist gut für unser Land.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Renate Blank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! HerrKollege Beckmeyer, es tut mir Leid, das sagen zu müs-sen, aber entweder Sie träumen oder Sie glauben anMärchen.
Herr Staatssekretär Diller, überzeugen Sie doch die SPDvon dem, was im Haushaltsausschuss beschlossenwurde! Von 2,1 Milliarden Euro veranschlagten Maut-einnahmen wurde nämlich 1 Milliarde Euro gesperrt, diezwar inzwischen wieder entsperrt wurde, aber die Mittelfehlen trotzdem.Das ist für die deutsche Verkehrsinfrastruktur eineechte Katastrophe,
und zwar erstens deshalb, weil bis Ende 2004 rund2,8 Milliarden Euro fehlen werden. Das sind 60 000 Ar-beitsplätze in der Baubranche. Das Anti-Stau-Programmaus dem Jahr 2000, das im Hinblick auf die LKW-Mautkonzipiert wurde, ist doch Makulatur. Das Gleiche kannman bald auch vom Bundesverkehrswegeplan behaup-ten.Zweitens. Ortsumgehungen, die ja Menschenschutzund Umweltschutz bedeuten, und der wichtige AusbauhnzandrEdnglkwd„bfDlhWnvsNuDdHftmlwtwgstsafb
ie rot-grüne Bundesregierung hat im Jahr 2002 aus ideo-ogischen Gründen diese Strecke auf Eis gelegt. Dannat der Bundeskanzler angekündigt – er hat so versucht,ählerstimmen in den neuen Bundesländern zu gewin-en –, dass diese Stecke gebaut wird. Schließlich wurdeonseiten der Deutschen Bahn AG mitgeteilt, dass die-es wichtige Verkehrsprojekt der transeuropäischenetze mangels Geld nicht mehr weitergebaut wird, wasmgehend vom Verkehrsministerium dementiert wurde.ie Grünen wollen das Projekt sogar qualifiziert been-en. Ich frage mich angesichts dessen, wer Herr imause ist. Eigentlich müsste Minister Stolpe seinen Platzür Herrn Mehdorn räumen.
Noch einige Anmerkungen zur Verkehrsinfrastruk-urfinanzierungsgesellschaft, die keine Kredite aufneh-en darf: Es rächt sich nun, dass diese Gesellschaft – sa-opp formuliert – nur ein Inkassobüro ist und keineeiteren Aufgaben hat. Man hat also nur eine Organisa-ionspriviatisierung und keine Aufgabenprivatisierung,ie von der Pällmann-Kommission vorgeschlagen, vor-enommen. Die Verwaltungsausgaben für diese Gesell-chaft stehen zwar im Haushalt. Es gibt jedoch nichts zuun. Es werden derzeit Däumchen gedreht.
Wir brauchen eine Weiterentwicklung der privatwirt-chaftlichen Finanzierungs- und Beteiligungsmodelle,ber mit Beteiligung des Parlaments; denn wohin esührt, wenn das Parlament nicht beteiligt ist, sehen wirei der LKW-Maut.
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Renate BlankDie künftigen LKW-Maut-Mittel – sofern sie dennüberhaupt fließen – sollten, wie der Kollege HorstFriedrich schon ausgeführt hat, zusätzlich zu den bishe-rigen Haushaltsmitteln zur Verfügung gestellt werden.Ich wundere mich allerdings, warum die Länder hiernicht aufheulen; denn sie sind betroffen. Aber wahr-scheinlich schreien sie deshalb noch nicht, weil über-haupt noch keine Mittel zur Verfügung stehen.Auch das Anti-Stau-Programm aus dem Jahr 2000sollte – so die Intention der Bundesregierung – dringenderforderliche Zusatzmittel zur Verfügung stellen; denndie Vertreter der Bundesländer hatten schon im Jahr1997 darauf hingewiesen, dass ihnen 4 Milliarden DM,also rund 2 Milliarden Euro pro Jahr fehlen. Diese Aus-sage wurde auf einer Sondersitzung der Landesverkehrs-minister am 25. Februar 2004 bestätigt; denn der einstim-mige Beschluss fordert vom Bund, sein Investitionsniveaubei den Fernstraßen auf mindestens 5,8 Milliarden Europro Jahr zu steigern, damit Stau auf deutschen Straßenverhindert werden kann. Laut Aussage der Bundesregie-rung betragen die Staukosten 100 Milliarden Euro proJahr.Die von Minister Stolpe vorgestellte Lösung betref-fend die Verkehrsinfrastrukturfinanzierung ist aber keinseriöses Konzept. Die Erwartung, nach dem Schiedsver-fahren 1,5 Milliarden Euro zu erhalten, gleicht doch ei-nem ungedeckten Scheck. Bei diesem miserablen Vertragsind doch die Aussichten wenig erfolgversprechend – vonder Dauer gar nicht zu reden. Es steht noch nicht fest, obdie Mittel überhaupt und wann sie fließen. Man kann so-gar davon ausgehen, dass dieses Schiedsverfahren min-destens ein bis zwei Jahre dauern wird.Die vorfristige Tilgung zinsloser Darlehen seitens derDB AG – auch hierbei geht es um einen Betrag von über1 Milliarde Euro – stellt eine Anleihe auf die Zukunftdar; denn für künftige Haushalte sind die Tilgungsratenbereits eingeplant und fallen damit in den Folgejahrenaus.Ich möchte ein Wort zu der im Raum stehenden Ein-richtung eines Untersuchungsausschusses sagen.
Aber achten Sie bitte auf die Zeit!
Zurzeit liegen wichtige Fakten auf dem Tisch. Es ist
bekannt, dass es sich um einen für die Bundesregierung
sehr schlechten Vertrag zulasten der Bürgerinnen und
Bürger handelt. Hinzu kommt ein miserables Control-
ling durch die Bundesregierung. Minister Stolpe sollte
sich aber nicht sicher fühlen; denn es könnte eine Situa-
tion entstehen, die einen Untersuchungsausschuss erfor-
derlich macht, zum Beispiel wenn weitere schwerwie-
gende Ungereimtheiten erkennbar werden oder die
Bundesregierung eine lückenlose Aufklärung verwei-
gert. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!
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Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Dieser Tagesordnungspunkt – er beschäftigtns an einem Freitagnachmittag, wo viele schon im Wo-henende sind – ist offenbar so interessant, dass er sogarie Bürgermeister des Landkreises Neu-Ulm nach Berlineführt hat.
as zeigt uns, dass die Frage: „Wie geht es mit den Ver-ehrsinvestitionen weiter?“, alle, also die Vertreter derundespolitik bis hin zu denen der Kommunalpolitik,mtreibt. Dass wir es mit einem Megaproblem zu tun ha-en, lässt sich überhaupt nicht wegdiskutieren. Wenn ininem Haushaltsjahr 2,1 Milliarden Euro an Nettoein-ahmen ausfielen, ohne dass das Probleme nach sichöge, dann wäre das ein Wunder Gottes. Nach Adamiese muss das ein gigantisches Problem sein. Diesesroblem ist im Grunde nicht lösbar; aber es ist be-errschbar.
u diesem einvernehmlichen Ergebnis sind in den letz-en Tagen und Wochen der Bundesfinanzminister, derundesverkehrsminister und das Parlament gekommen.Lieber Kollege Friedrich, das Ziel, die Investitionenn die Verkehrsinfrastruktur sicherzustellen, teile ich vollnd ganz. Ich glaube, niemand in diesem Hause hat et-as gegen dieses Ziel. Nur: Für diejenigen, die in deregierungsverantwortung sind, reicht es natürlich nicht,inen Antrag mit einer sicherlich lobenswerten Intentionu stellen; vielmehr muss man der Aufforderung tatsäch-ich nachkommen.
Die Wählerinnen und Wähler haben anders entschie-en, Herr Kollege. Wir können jetzt nicht einfach tau-chen. Das ist so.
Ich bin ganz froh, dass es mittlerweile gelungen ist,afür zu sorgen, dass die gesperrten Haushaltsmittel – esandelt sich um Mittel in der Höhe der Hälfte der Netto-innahmen durch die Maut – für dieses Jahr freigegebenerden.
as ist nicht nur für die Bauwirtschaft, sondern auchür die Verkehrspolitiker ein wichtiges Signal. Das be-eutet nämlich: Mit Planungen kann sofort begonnenerden, bei der DB vorhandene Vergabestopps könnenufgehoben werden – teilweise ist es schon geschehen –nd eine weitere Verzögerungsstrategie seitens großer
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Albert Schmidt
Auftraggeber wie der DB AG hat keine sachliche Grund-lage mehr.
Meines Erachtens ist die Verteilung der Finanzlast,die durch diese Finanzlücke entstanden ist, im Rahmendes Möglichen erfolgt und eigentlich ganz ansehnlich.Wie schon angesprochen wurde, erwartet man vom Kon-sortium als dem eigentlichen Verursacher der Ausfällesehr wohl Schadenersatzzahlungen und Vertragsstra-fenzahlungen in erheblicher Höhe.
Unter Verkehrspolitikern sollte in dieser Angelegenheitan und für sich kein Grund zur Kritik bestehen. Vielmehrsollte es völlig normal sein, dass wir unsere Forderungenzunächst an diejenigen richten, die uns den Schlamasseleingebrockt haben.
Was wäre denn die Alternative? Wenn wir im Um-kehrschluss gesagt hätten: „Herr Eichel, stellen Sie unseinen Scheck in Milliardenhöhe aus, damit die Industriekeine Probleme bekommt“, dann hätten wir damit signa-lisiert: Wir glauben gar nicht an unsere Schadenersatzan-sprüche und wir wollen sie gar nicht ernsthaft einfor-dern. Das wäre genau der falsche Weg gewesen.
Frau Kollegin Blank, wenn behauptet wird – daraufwurde schon hingewiesen –, dass die Verflüssigung derSchadenersatzansprüche in der erforderlichen Höhe na-türlich nicht innerhalb von wenigen Monaten zu erwar-ten ist, weil ein Schiedsgerichtsverfahren einige Zeitdauert – wir alle wissen nicht genau, wie lange –, dannstimme ich sofort zu. Es ist auch klar, dass wir alle nichtgenau wissen, wie lange es dauert. Es kann also sehrwohl die Situation entstehen, dass wir die Einnahmen,die wir von dieser Seite einfordern und mit gutem Grunderwarten, zwischenfinanzieren müssen. Um diese Tatsa-che rede ich nicht herum. Aber von vornherein zu sagen,dass man das gar nicht für möglich hält, wäre ein völligfalsches Signal. Es könnte zur Finanzierung dieses An-teils also allenfalls eine Zwischenfinanzierung nötigwerden.Der zweite Teil ist ja nun durch die Vereinbarungmit der Deutschen Bahn AG gesichert. Man kann jetztkritisieren – das kann ich durchaus nachvollziehen –,dass die Deutsche Bahn AG in einem Akt des politischenJudo die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen hat undeine Regelung vorgeschlagen und wohl auch gewährtbekommen hat, die im Grunde genommen dem Unter-nehmen nicht schadet, sondern unterm Strich sogarnützt. Das kann man kritisieren. Aber unter den gegebe-nen Umständen halte ich das von beiden Seiten für cle-ver und unheimlich kreativ.
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ch kann nichts erkennen, was daran falsch oder schlechtäre. Ich finde, wir sollten uns als Verkehrspolitiker ge-einsam darüber freuen, dass diese Möglichkeit wahr-enommen wurde.Lassen Sie mich abschließend sagen, da meine Rede-eit schon fast abgelaufen ist: Wir sollten an dieser Stelleicht polarisieren,
ondern zusammenhalten. Wir stehen gemeinsam vorer Aufgabe, das Geld zu sichern. Ich sage eines ganzlar – das habe ich hier schon einmal gesagt –: Wir ha-en jetzt für den Haushalt 2004 die Auswirkungen dererhandlungsergebnisse des Vermittlungsausschusses,oweit es in unserer Macht stand, minimiert und gerechterteilt; wir konnten sie nicht vollständig abwenden. Ichin aber strikt dagegen, dass wir das, was im Dezember003 beschlossen wurde, einfach widerstandslos in derorgesehenen Höhe für die Jahre 2005, 2006 und wo-öglich noch folgende durchexekutieren. Das halte ichuch aus verfassungsrechtlichen Gründen für problema-isch. Von daher müsste es unser gemeinsames Anliegenein, alles zu tun, damit die Kürzungen, die in den Ein-elplänen erbracht werden sollen, meinetwegen auch iminzelplan 12, Verkehr, nicht vollständig und vor alleningen nicht bei den Investitionen im Verkehrsetaturchschlagen.
as hielte ich für verkehrspolitisch falsch und für kon-unkturpolitisch kontraproduktiv. Lassen Sie uns in die-em Punkt am selben Strang ziehen und auch mit unse-en Ministerpräsidenten reden, die uns den Quatschingebrockt haben. Das waren sowohl Herr Koch alsuch Herr Steinbrück, aber eben nicht nur Herrteinbrück. Die Opposition kann sich an dieser Stelleicht wegducken. Sie steht in dieser Frage genauso iner Verantwortung wie die Koalition.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Lena Strothmann.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir allein diesem Hohen Haus haben ein gemeinsames Ziel,nämlich Arbeitsplätze zu sichern. Das heißt, zu verhin-dern, dass immer mehr Menschen in Arbeitslosigkeit ab-driften. Auch in einer Debatte über Investionen in Ver-kehrsinfrastruktur in Deutschland muss das betontwerden. Das ist ein Aspekt, der immer wieder vergessenwird. Arbeitsplätze entstehen eben nicht durch ABM-Maßnahmen, nicht durch Subventionen und schon garnicht aufgrund von Sparmaßnahmen. Arbeitsplätze indiesem Land entstehen durch Wirtschaftswachstum,und das in Deutschland erst bei einem Wachstum von2 Prozent. Von diesem Ziel sind der deutsche Mittelstandund das deutsche Handwerk aber weit entfernt.
Große deutsche Unternehmen schaffen derzeit eherArbeitsplätze im Ausland. Viele deutsche Produkteentstehen mittlerweile im Ausland, weil sich das positivauf deren Unternehmensbilanzen auswirkt, aber leidernegativ auf den deutschen Arbeitsmarkt. Derzeit gibt eslaut „Spiegel“ 2,6 Millionen Arbeitsplätze deutscher Fir-men im Ausland. Umso mehr muss die öffentliche Handein verlässlicher Investor und Auftraggeber für unsereUnternehmen bleiben. Immerhin erhielten beispiels-weise Handwerksunternehmen früher bis zu 15 Prozentihrer Aufträge von der öffentlichen Hand. Diese Zahlgeht aufgrund der katastrophalen Finanznot mittlerweilegegen null. Allein 70 000 Arbeitsplätze in der Baubran-che sind durch fehlende Maut-Einnahmen gefährdet.Nun soll die Deutsche Bahn durch eine vorgezogene Til-gung von Krediten die Lücke im Verkehrshaushalt stop-fen
und die Arbeitsplätze im Straßenbau sichern.Damit das klar ist: Wir begrüßen, dass die Haushalts-sperre in Höhe von circa 1 Milliarde Euro aufgehobenwurde.
Das macht den Weg frei für gestoppte Verkehrsinvesti-tionen vor allen Dingen in Straße und Schiene.
Aber es darf nicht darüber hinweggetäuscht werden,dass diese Mittel ursprünglich aus Mauteinnahmen kom-men sollten, die nach wie vor fehlen.
Ob sie überhaupt in dieser Höhe kommen, ist aus heuti-ger Sicht völlig offen.
Eine Verkehrspolitik mit falschen Prioritäten gefähr-det nicht nur Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft. Auch indcpwmkÖnSVkzsInSwAsscnnsGgdwDAKsoleMawB
ffentliche Aufträge und Investitionen sind natürlichicht nur zur Schaffung von Arbeitsplätzen gedacht. Dertaat erhält im Gegenzug eine langfristig ausgerichteteerkehrsinfrastruktur auf der Habenseite.Nachhaltige Investitionspolitik heißt für mich, einelare Finanzierungslinie zu halten und nicht mit der Axtu kürzen. Zur Erinnerung: Gesamtinvestitionen in Was-erstraßen: minus 44,2 Prozent;
nvestitionen in Schiene: minus 26,3 Prozent; Investitio-en in Fernstraßenbau: minus 15,9 Prozent.
ie sparen bewusst an der falschen Stelle. Das ist so, alsenn ein Handwerksmeister, der aufgrund mangelnderufträge sparen müsste, zunächst seinen Telefonan-chluss kündigen würde.
Besonders das Verhältnis zwischen enormen Kon-umausgaben und geringen Investitionen ist erschre-kend. Das gilt für den kompletten Bundeshaushalt ge-auso wie für den Verkehrshaushalt.Gestrichene Investitionsmittel sollen durch Mautein-ahmen teilweise ersetzt werden. Die Mauteinnahmenollten die Investitionen aber eigentlich ergänzen. Dieelder waren als zusätzliche Mittel für den Straßenbaueplant – eine Vereinbarung zwischen Bund und Län-ern, die Sie gebrochen haben.
Die Toll-Collect-Verhandlungen der letzten Monatearen nicht durchschaubar und wenig zielorientiert.
ie Bürger zeigen kein Verständnis mehr dafür und dasusland lacht über uns.
eine Rede ist mehr von den 6,5 Milliarden Euro Ge-amtschaden, die am 16. Februar von Minister Stolpeffiziell genannt wurden. Für den zukünftigen eventuel-n Ausfall ab 2005 gibt es auch keine volle Haftung.it aller Selbstverständlichkeit aber wird die Einigunguf die Hälfte als Erfolg gefeiert. Frau Mertens, wannird eigentlich das als Vertrag unterzeichnet, was derundeskanzler mit Toll Collect ausgehandelt hat, damit
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Magdalene Strothmannwir für unsere Investitionen endlich Rechtssicherheit ha-ben?
Nebenbei gesagt: Die Informationspolitik Ihres Hausesin Bezug auf die Mitglieder des Verkehrsausschusseswar mehr als dürftig.
Denn sehr bald schon kommt ein neues Problem aufuns zu. Wenn ab 2005 die neue EU-Wegekosten-Richtli-nie gilt,
dürfen nur noch diejenigen Maßnahmen berücksichtigtwerden, die neu gebaut bzw. maximal 15 Jahre alt sind.Die Berechnungsgrundlage ändert sich im kommendenlich, dass es diesen Anforderungen nicht gewachsen ist.Nun ist auch klar, warum in Anbetracht unserer Huckel-pisten alle Automobilhersteller auf Geländewagen set-zen.
Viele unserer Hauptrouten sind vollkommen veraltet,weil sie zu lange nicht ausgebaut wurden.Der Individualverkehr nimmt weiter zu, da die Mobi-lität der Menschen steigt. Selbst von Auszubildenden er-wartet man heute, dass sie größere Strecken zurückle-gen. Mobilität und Erreichbarkeit sind ein wichtigerStandortfaktor für unsere Betriebe und für die Mitarbei-ter vor Ort. Deshalb brauchen wir mehr Investitionen.Sonst bewegt sich in Deutschland bald gar nichts mehr.Danke schön.
Jahr also gravierend. Nur 25 Prozent des heutigen Auto-bahnnetzes wurden innerhalb der letzten 15 Jahre ge-baut. Das heißt, enorme Verluste kommen auf unserenHaushalt zu.Meine Damen und Herren, wir brauchen Investitionenin unsere Verkehrswege. Handlungsauftrag sollte sein,schon heute auf das zukünftige Verkehrsaufkommen zureagieren. Das wird meines Erachtens auch beim neuenBundesverkehrswegeplan überhaupt nicht berücksich-tigt. Es fehlt an Mut, in die Zukunft zu schauen, und anIdeen, die Probleme zu lösen.Die EU-Osterweiterung startet am 1. Mai 2004.Konkret heißt das für uns zunächst einmal: Der Transit-verkehr wird rapide zunehmen, ausländische LKWs fah-ren kostenlos auf unseren Autobahnen und tanken auchnoch vor den Grenzen, weil der Sprit dort billiger ist,
und Deutschland guckt wieder einmal in die Röhre. Aus-maß und Zustand unseres Straßennetzes machen deut-HFlDfvsd(D
Frau Kollegin, ich gratuliere Ihnen im Namen des
auses zu Ihrer ersten Rede in diesem Parlament.
ür Sie war es die erste Rede und für uns war es die
etzte Rede in der heutigen Debatte.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
rucksache 15/2423 an die in der Tagesordnung aufge-
ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
erstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
o beschlossen.
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf Mittwoch, den 24. März 2004, 13 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.