Gesamtes Protokol
Grüß Gott, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-
zung ist eröffnet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur Re-
form des Sanktionenrechts.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin der Justiz, Brigitte Zypries.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren Abgeordnete! Das Bundeskabinett hat heute ei-
nem von mir vorgelegten Gesetzentwurf zur Reform des
Sanktionenrechts zugestimmt. Unser Ziel ist es, die
Sanktionen, die in Deutschland verhängt werden kön-
nen, zu erweitern. Das Sanktionensystem, das im Mo-
ment Geld- und Freiheitsstrafen als Hauptstrafen vor-
sieht, gibt den Gerichten unserer Ansicht nach zu wenig
Spielraum, um im Bereich kleiner und mittlerer Krimi-
nalität auch anders auf Straftäter einwirken zu können.
Wir wollen diese Möglichkeiten verbessern. Unser Ziel
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ist es, die Vollstreckung von kurzen Freiheitsstrafen und
von Ersatzfreiheitsstrafen soweit wie möglich zu vermei-
den. Unerwünschte Nebenwirkungen von Freiheitsstra-
fen, insbesondere der Verlust des Arbeitsplatzes, sollen so
verhindert werden. Wir wollen die knappen Kapazitäten
des Strafvollzuges – Sie alle wissen, dass all unsere Haft-
anstalten überbelegt sind – im Hinblick auf den Schutz der
Gemeinschaft den Fällen schwerer und schwerster Krimi-
nalität vorbehalten. Darüber hinaus werden wir auch noch
einige Elemente zum Opferschutz einführen.
Was haben wir nun vorgelegt? Das strafrechtliche
Sanktionensystem wird in folgenden Punkten flexibili-
siert: Zum einen wollen wir vermeiden, dass Menschen,
die zu einer Geldstrafe verurteilt wurden,
nicht bezahlen können, für kurze Zeit ins
müssen. Stattdessen sollen sie gemeinnütz
leisten. Zum anderen soll es bei Ersttätern, d
)
)
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Länder wollen diese Regelung nicht, weil sie sie
icht für richtig halten. Sie sagen vielmehr, dass sie das
elber machen und selber entscheiden wollen. Manche
änder aber wollen sich bei der Bereitstellung von ge-
einnütziger Arbeit auf kommunaler Ebene momentan
eider nicht engagieren. Wir hoffen, dass wir hier im
ahmen dieser für gut erkannten Sanktion einen gewis-
en wohltuenden Zwang ausüben können.
Zweiter Punkt.
Diese Einschränkung ist nicht in der Schärfe zu se-
en, wie Sie es gerade vorgetragen haben; denn Sie wis-
en, dass es hier ein gestuftes Verfahren gibt, innerhalb
essen entschieden wird, wann Freiheitsstrafen verhängt
erden müssen.
Dieser Gesetzestext entspricht dem des § 55 a unseres
etzigen Gesetzentwurfs. Wir sagen, dass das Gericht
em Verurteilten gestatten kann, die Vollstreckung einer
reiheitsstrafe unter sechs Monaten durch gemeinnüt-
ige Arbeit abzuwenden. Wir sagen auch, unter welchen
oraussetzungen das möglich ist. Dem Verurteilten soll
as nämlich nur dann gestattet werden, wenn er erstmals
u einer Freiheitsstrafe verurteilt wird, deren Vollstre-
kung nicht zur Bewährung ausgesetzt wird, oder wenn
ie Vollstreckung einer Freiheitsstrafe die Wiedergutma-
hung des durch die Straftat verursachten Schadens
urch den Verurteilten erheblich gefährden würde. Dabei
ann dem Verurteilten die Pflicht zum Nachweis der
iedergutmachung auferlegt werden. Die Gestattung
uss aber unterbleiben, wenn die Erbringung der Ar-
eitsleistung unter Berücksichtigung ihres Umfangs so-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003 7069
)
)
Bundesministerin Brigitte Zypries
wie der Leistungsfähigkeit und -bereitschaft des Verur-
teilten nicht zu erwarten ist.
Das heißt, es bleibt dabei: Das erkennende Gericht muss
jeweils unter Würdigung der Persönlichkeit der Täterin
oder des Täters beurteilen, ob sich die gemeinnützige
Arbeit, deren Vorteile ich eben geschildert habe, positiv
auf den Verurteilten auswirken kann.
Es stellt sich ja auch die Frage, um welche Delikte es
geht. Man wird das sicherlich nicht über einen Kamm
scheren können. Im letzten Jahr gab es beispielsweise
144 Fälle, in denen die Bestraften wegen Beleidigung zu
einer Freiheitsstrafe von knapp sechs Monaten ohne Be-
währung verurteilt worden sind. Man muss sich fragen,
ob es in diesen Fällen eine vernünftige Maßnahme sein
könnte, jemanden zu gemeinnütziger Arbeit zu ver-
pflichten, anstatt ihn ins Gefängnis zu stecken.
Die nächste Frage kommt von Herrn Kollegen
Stünker.
Frau Ministerin, schönen Dank, dass Sie dem Kolle-
gen Röttgen die Vorschrift gerade noch einmal erläutert
haben.
Herr Kollege Röttgen hat seine Frage vorhin ja recht
moderat gestellt. Mir liegt eine Pressemitteilung des
Kollegen Röttgen vor, die im Vorgriff auf den heutigen
Tage erstellt wurde. Darin steht:
Inhalt dieses Gesetzentwurfes ist eine Verharmlo-
sung und Aufweichung staatlicher Sanktionierung
kriminellen Verhaltens.
Er schließt mit:
Diese Politik der Verharmlosung und Aufweichung
staatlicher Sanktionierung kriminellen Verhaltens
beschädigt den Rechtsstaat.
Ich frage Sie, ob in Ihrem Hause, in der Verfassungs-
abteilung der Bundesregierung, verfassungsrechtliche
Zweifel an dem Entwurf, den die Bundesregierung be-
schlossen hat, erörtert worden sind und, wenn ja, zu wel-
chem Ergebnis Sie gekommen sind; denn der Kollege
Röttgen impliziert mit seiner Frage ja die Verfassungs-
widrigkeit.
– Ja, so kann man es etwas moderater sagen. Sie haben
es aber so, wie ich es vorgelesen habe, zu Papier ge-
bracht.
Zweite Frage. Ich habe die Justizministerkonferenz
von Anfang November dieses Jahres, in der man sich zu
diesem Themenbereich geäußert hat, sehr aufmerksam
verfolgt.
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Ja, teilweise ablehnend. – Ich frage Sie: Welche rechts-
atsächlichen Erfahrungen sind mit dem Prinzip
Schwitzen statt Sitzen“ in den zurückliegenden Jahren
n den Bundesländern schon gemacht worden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, selbstverständlich war die Verfas-
ungsabteilung des Hauses an der Erstellung des Gesetz-
ntwurfs beteiligt; das ist die Regel.
ie es nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung
blich ist, war nicht nur die Verfassungsabteilung, son-
ern waren auch andere Ressorts beteiligt. Auch von
em anderen Verfassungsressort gab es in verfassungs-
echtlicher Hinsicht hierzu keine Einwände. Ich gehe
lso davon aus, dass Herrn Röttgens Einwand nicht ver-
assungsrechtlich, sondern eher rechtspolitisch gemeint
ar.
Rechtspolitisch kann man hier unterschiedlicher Auf-
assung sein. Die Worte, die Sie gewählt haben, finde ich
in bisschen harsch, abgesehen davon, dass ich sie teil-
eise nicht ganz verstanden habe. Das mag aber mein
roblem sein.
)
)
Die nächste Frage hat der Kollege Kauder.
Frau Justizministerin, „Schwitzen statt Sitzen“ hört
sich vordergründig gut an. Mir ist nur ein staatlicher
Strafanspruch bekannt. Mit „Schwitzen“ nehmen Sie ge-
meinnützige Vereine für staatliche Aufgaben in An-
spruch. Es ist Ihnen sicherlich bekannt – ich möchte Sie
bitten, das zu erläutern –, dass wir schon heute Probleme
haben, Straftäter, die schwitzen statt sitzen, bei gemein-
nützigen Institutionen unterzubringen.
Sind wir uns darüber einig, dass diese gemeinnützige
Arbeit Kosten verursacht, für deren Begleichung die
Vereine kein Geld haben? Ist daran gedacht, die gemein-
nützigen Institutionen, die Straftäter aufnehmen und sie
schwitzen lassen, dafür angemessen zu vergüten? Das ist
die erste Frage.
Zweite Frage.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003 7071
)
)
Bundesministerin Brigitte Zypries
– Das vermag ich jetzt nicht zu sagen. Ich war noch nicht
in dieser Situation.
Wenn Richterinnen und Richter meinen, dass sie ei-
nen Protokollführer brauchen, dann können sie ihn nut-
zen. Wenn sie in solchen Prozessen meinen, dass sie
mehr Hilfe brauchen, um sich zu erinnern, was über die
Vermögensverhältnisse des Angeklagten gesagt wurde,
dann können sie das tun. Ich glaube aber schon, dass
Richterinnen und Richter in der Lage sind, bei in der Re-
gel relativ überschaubaren Vermögensverhältnissen der
Angeklagten eine Entscheidung zu treffen. Wenn ich es
richtig im Kopf habe, dann liegen 80 Prozent der Tages-
sätze bei 25 Euro. Das heißt, wir haben sehr überschau-
bare Vermögensverhältnisse der Angeklagten. Es sollte
also möglich sein, über solche Sachen gleich zu ent-
scheiden.
Erlauben Sie eine Zusatzfrage?
Wenn Ihre Kollegen nichts dagegen haben. Es haben
sich weitere Kollegen gemeldet, Herr Kollege Kauder.
Es käme jetzt der Kollege Dr. Götzer dran.
Bitte schön, Herr Kollege Kauder.
Frau Ministerin, ist Ihnen bekannt, dass Strafrichter
die wirtschaftlichen Verhältnisse derzeit nicht im stren-
gen Beweis klären, sondern sich schlicht und ergreifend
nach einer Plausibilitätsprüfung darauf verlassen, was
der Angeklagte zu seinen Einkommensverhältnissen
sagt? Das heißt also, eine Plausibilitätsprüfung könnte
dazu führen, dass einem Straftäter zu Unrecht eine Ra-
tenzahlung bewilligt wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es wäre schlecht, wenn ihm das zu Unrecht bewilligt
würde. Ich gehe aber davon aus, dass das jetzige Verfah-
ren völlig ausreichend ist.
Die nächste Frage hat der Kollege Dr. Götzer.
Frau Ministerin, Ihnen ist ja bekannt, dass der Vorsit-
zende Richter Breidling vom OLG Düsseldorf im Vor-
wort zum Urteil im Prozess gegen ein Mitglied der terro-
ristisch-islamistischen Gruppe al-Tawhid eindringlich
die Wiedereinführung der Kronzeugenregelung gefor-
dert hat, die von den Koalitionsparteien in der vergange-
nen Legislaturperiode gegen unseren erbitterten Wider-
stand abgeschafft worden ist.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
eswegen ist die Frage, wie eine solche Regelung abzu-
assen ist, außerordentlich schwierig zu beantworten.
icht zuletzt deshalb wird seit langer Zeit beraten, wie
ine solche Regelung sinnvoll gestaltet werden kann.
Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Gehb.
Frau Ministerin, bei allem Verständnis für Ihre Beto-
ung des Resozialisierungsgedankens und auch des Tä-
er-Opfer-Ausgleichs: Habe ich Sie eben richtig verstan-
en, dass sich jemand durch Zahlung von
öglicherweise zivilrechtlich ohnehin geschuldetem
chadensersatz quasi von der Geldstrafe freikaufen
ann? Wenn das so ist, können Sie mir dann erklären,
7072 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003
)
)
Dr. Jürgen Gehb
welche kriminalpolitische Bedeutung die Strafe über-
haupt hat?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich will mich gerne bemühen, die
Fragen zu beantworten. Das von Ihnen geschilderte Vor-
gehen entspricht dem geltendem Recht. Danach steht die
Verurteilung zu einer Geldstrafe unter dem Vorbehalt,
dass sich der Verurteilte straffrei verhält oder andere
Auflagen erfüllt. Unser Vorschlag sieht das ebenfalls
vor. Darüber hinaus sieht er aber als eine der künftig im-
mer zu prüfenden Auflagen auch vor, dass die Opfer vor-
dringlich befriedet werden. Insofern entspricht diese Re-
gelung im Ergebnis dem geltenden Recht. Wir stellen
damit lediglich sicher, dass die Opfer tatsächlich zu ih-
rem Recht kommen.
Wenn das die Erklärung ist, dann habe ich sie gut ver-
standen
und möchte gleich eine andere Frage anknüpfen: Was
werden der normale Parksünder und derjenige, der nur
eine Ordnungswidrigkeit begeht, sagen, wenn sie Geld-
bußen zahlen müssen, während Täter, die Straftaten mitt-
lerer Kriminalität begehen, im Endergebnis trotz einer
höheren kriminellen Energie in Zukunft den Gerichtssaal
ohne jede Strafe verlassen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist nicht der Fall. Ein Straftäter kann schließlich
nicht den Gerichtssaal ohne jede Strafe verlassen.
– Könnten Sie mir sagen, auf welche Norm Sie abzielen,
Herr Abgeordneter?
Das ist zum Beispiel der Fall, wenn statt einer Geld-
strafe eine Haftstrafe verhängt wird, die nicht angetreten
wird. Wenn der Täter dann „schwitzen statt sitzen“ soll,
aber keine entsprechenden Plätze zum Schwitzen vor-
handen sind, dann bleibt er im Endergebnis völlig sank-
tionslos.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein. Wenn es keine Plätze zum Schwitzen gibt, wie
Sie sich auszudrücken pflegen, dann geht er ins Gefäng-
nis. So sieht es das Gesetz vor.
Der nächste Fragesteller ist der Kollege Strässer.
Ich danke Ihnen erst einmal für Ihre sehr differen-
zierte Stellungnahme, soweit dies im Rahmen einer Be-
fragung zum Thema Kronzeugenregelung möglich ist.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
ie beurteilen Sie das? Bei dieser Frage handelt es sich
m einen rechtsstaatlichen Kompromiss; es ist keine ein-
ache Frage. Es handelt sich auch um nichts, wozu man
agt: Hurra, das ist etwas. Ich wiederhole: Es ist ein
wirklich schwer zu findender – Kompromiss. Aber
an muss eine Lösung finden.
Meine Frage betrifft die Willensbildung der Bundes-
egierung – Sie haben das BMI eben als „befreundetes
aus“ bezeichnet –: Teilen Sie meine Einschätzung,
ass diese Prüfung im BMI schon abgeschlossen ist?
onst wäre es komisch, dass der Chef einer dem Bundes-
nnenministerium nachgeordneten Behörde diese Prü-
ung schon beendet hat. Wann können wir mit dem Ab-
chluss Ihrer Prüfung rechnen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist nicht immer so ganz einfach.
ch kenne den Chef des Bundeskriminalamtes aus mei-
er vorherigen Tätigkeit.
aher weiß ich, dass sich der Chef des Bundeskriminal-
mtes eine Meinung manchmal schneller als die Bundes-
egierung bildet, vielleicht auch, weil er nicht so viele
nteressen wie die Bundesregierung zu berücksichtigen
at. Wenn man hier, in diesem Hohen Hause, sitzt – das
st immer wieder ein Problem; das kennen Sie ja –, dann
arf man eben nicht Partikularinteressen vertreten, son-
ern man muss versuchen, das Gesamtwohl zu betrach-
en.
Der Chef des Bundeskriminalamtes denkt kriminalis-
isch. Er fragt sich: Wie erreiche ich das am schnellsten,
as ich erreichen möchte?
Das ist keine Kritik. So vorzugehen, das ist seine Auf-
abe. Er muss sein Amt vertreten. Es ist sein Job, dafür
7074 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003
)
)
Bundesministerin Brigitte Zypries
zu sorgen, dass seine Ermittlungsmethoden möglichst
umfassend sind. Wie wir wissen, kümmern sich diejeni-
gen, die Kriminalistik betreiben und entsprechende Auf-
gaben haben, darum, wie sie ihre Interessen am besten
verfolgen können.
Der Präsident des Bundeskriminalamts hat eine Mei-
nung geäußert. Inwieweit das Innenministerium diese
Meinungsäußerung teilt, vermag ich nicht zu beurteilen.
Es ist Sache des Innenministeriums, mit seinen nachge-
ordneten Behörden umzugehen.
– Ja, wir unterhalten uns auch darüber.
(Heiterkeit im ganzen Hause – Dr. Uwe Küster
[SPD]: So kann man es auch machen, Herr
Röttgen!)
Herr Röttgen, Sie können sich sicher sein, dass wir
die vielfältigen Probleme, die Sie eingangs angespro-
chen haben, schon öfter behandelt haben.
– Nein, das weiß Gott nicht. Ich behandele sie mit ihm in
dieser Funktion erst seit gut einem Jahr.
Vielen Dank, Frau Ministerin, für die Beantwortung
der Fragen.
– Diesen Bereich rufe ich jetzt gleich auf.
– Die Zeit für diesen Themenbereich ist abgelaufen,
Herr Kollege Röttgen.
Ich wiederhole: Frau Ministerin, vielen Dank für die
Beantwortung der Fragen.
Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Ka-
binettssitzung? – Das ist nicht der Fall.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, die Frage der Vorlage eines Un-
ersuchungshaftvollzugsgesetzes stellt sich, glaube ich,
nabhängig von diesem konkreten Problem.
enn uns die Petition zur Berücksichtigung überwiesen
ird, werden wir gern prüfen, wie wir damit verfahren,
nd werden insbesondere mit den Ländern darüber re-
en, wie damit zu verfahren ist. Sie wissen ja, dass der
aftvollzug Landessache ist
nd dass die Kosten, die damit verbunden sind, nicht un-
rheblich sind.
Vielen Dank. – Ich beende die Befragung der Bundes-
egierung.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksache 15/2140 –
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des
undesministeriums für Bildung und Forschung. Zur
eantwortung der Frage steht der Parlamentarische
taatssekretär, Herr Christoph Matschie, bereit.
Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Dr. Hans
eorg Faust auf:
Wie viele Vorhaben genießen seitens des Bundesministeri-
ums für Bildung und Forschung, BMBF, oder eines von ihm
beauftragten Dritten im Zusammenhang mit Förderungsan-
trägen neben dem in der Antwort des Parlamentarischen
Staatssekretärs bei der Bundesministerin für Bildung und For-
schung, Christoph Matschie, vom 6. November 2003 auf meine
schriftliche Frage 64 auf Bundestagsdrucksache 15/2022 ge-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003 7075
)
)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner
nannten Projekt ebenso eine „Priorität“ bei der Zuweisung
von Fördermitteln und in welcher Höhe werden durch diese
„Prioritätszuweisungen“ Haushaltsmittel des BMBF gebun-
den?
C
Herr Kollege Faust, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Beim Raumfahrtmanagement des DLR sind im
Auftrag des BMBF im letzten Jahr rund 210 Vorhaben
mit der Bitte um Prüfung auf Fördermöglichkeiten bear-
beitet worden. Davon sind circa 130 Vorhaben mit einer
Fördersumme von rund 105 Millionen Euro als grund-
sätzlich förderungswürdig bewertet worden. In Anbe-
tracht der begrenzten Fördermittel wurden davon rund
100 Vorhaben mit einem Volumen von 23 Millionen
Euro in 2004 und 55 Millionen Euro in 2005 als prioritär
eingestuft. Damit sind alle Mittel des Nationalen Welt-
raumprogramms ausgeschöpft. Für einen kurzfristigen
Förderbeginn sind 25 Vorhaben mit einem Gesamtvolu-
men von 13 Millionen Euro vorgesehen.
Ihre erste Zusatzfrage, bitte.
Ich stelle folgende Nachfrage: Aufgrund welcher Vor-
gaben oder Kriterien erhalten Förderungsanträge durch
das Ministerium oder durch einen beauftragten Dritten
eine Priorität und durch wen sind solche Vorgaben oder
Kriterien zur Zuweisung einer Priorität erstellt worden?
C
Für die Prioritätensetzung wird einerseits natürlich
die wissenschaftliche Exzellenz des Vorhabens geprüft
und andererseits erfolgt eine Fokussierung auf Nutzen
und Bedarf. Es kommt hinzu: Bei gleicher Qualität wer-
den vordringlich die Vorhaben auf aussichtsreichen Ge-
bieten in die Förderung kommen, für die mit relativ ge-
ringen Bundesmitteln beträchtliche Mittel von Dritten
mobilisiert werden können.
Ihre zweite Zusatzfrage.
Meine zweite Zusatzfrage: Wann wurden die Vorga-
ben zur Prioritätenzuweisung, die Sie gerade genannt ha-
ben, veröffentlicht, sodass alle sie zur Kenntnis nehmen
konnten?
C
Den genauen Zeitpunkt kann ich Ihnen jetzt aus dem
Kopf nicht sagen. Aber jedem, der Förderanträge stellt,
wird im Rahmen der Bearbeitung dieser Anträge deut-
lich gemacht, nach welchen Kriterien über die Anträge
entschieden wird.
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werden schriftlich beantwortet.
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Inwieweit hat die Bundesregierung im Jahr 2000 ihre Kri-
terien verändert, nach denen die Mittel zur HIV-/Aidsbekämp-
fung errechnet werden, und ist dadurch der Etat zur HIV-/
Aidsbekämpfung nominell gestiegen?
Dr
Dies ist nicht der Fall. Die Kriterien wurden nicht ver-
ändert.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Ist es richtig, Frau Staatssekretärin, dass die Mittel für
die HIV-/Aidsbekämpfung im Jahr 2000 für die Rah-
menplanung fast dreimal so hoch waren wie im Jahr
1999, und wie erklären Sie dies, wenn nicht mit konkre-
ten Änderungen bei Projekten oder Haushaltsansätzen?
Dr
Frau Abgeordnete Mayer, als wir 1998 die Regierung
übernommen haben, hatte die Vorgängerregierung, wenn
ich mich recht erinnere, einen Ansatz von 30 Millionen
DM für die Aidsbekämpfung. Wir setzen mittlerweile im
Durchschnitt 300 Millionen Euro pro Jahr dafür ein.
Diese Erhöhung haben wir deshalb vorgenommen, weil
die Herausforderungen zur Bekämpfung von Aids unge-
heuer hoch sind. Das sind sie übrigens nicht erst seit
1998. Ich bin froh darüber, dass die jetzige Bundesregie-
rung die Mittel für die Aidsbekämpfung massiv erhöht
hat.
Hinzu kommt, dass wir in der Entwicklungskoopera-
tion ganz massiv in den Basisgesundheitsdienst inves-
tiert haben. Um zum Beispiel die Übertragung von Aids
auf ungeborene Kinder oder während der Geburt auf das
Neugeborene zu verhindern, können wir nicht einfach
Medikamente verteilen. Wir brauchen erst einmal Basis-
gesundheitseinrichtungen, damit sich Frauen überhaupt
auf Aids untersuchen lassen können und in diesem Zu-
sammenhang professionell betreut werden können.
Nun können Sie sagen, Basisgesundheitsdienste brau-
che man sowieso, das habe mit Aidsbekämpfung unmit-
telbar nichts zu tun. Dem würde ich nicht zustimmen.
Denn es gibt Programme, bei denen wir explizit Basisge-
sundheitseinrichtungen gefordert haben, um eine medi-
kamentöse Versorgung der schwangeren aidsinfizierten
Frauen gewährleisten zu können.
Selbstverständlich ist es für unsere Fachleute, die die
Anteile der Mittel für die HIV-/Aidsbekämpfung qualifi-
ziert schätzen, nicht immer einfach. Aber ich vertraue
den Expertinnen und Experten. Ich denke, dass der je-
weilige Ansatz in den Haushaltsplänen korrekt ist.
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Herr Minister, Sie müssen die Frage beantworten. Bitte
schalten Sie Ihr Mikrofon an!
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Gestatten Sie mir, dass ich die Frage – nicht wissend um
den bisherigen Antwortstand – nochmals vollständig be-
antworte: Das EU-Waffenembargo beruht auf einem Be-
schluss des Europäischen Rates vom 26. Juni 1989.
EU-Ratsbeschlüsse können nur im Konsens aufgehoben
werden. Das Waffenembargo wurde von der EU vor
14 Jahren als Reaktion auf das Massaker auf dem Platz
des Himmlischen Friedens in Peking verhängt.
Wenn die Frage einer Aufhebung im EU-Kreis ge-
prüft wird, wäre dabei vor allem die gegenwärtige Men-
schenrechtslage in China zu berücksichtigen. Dabei wird
die von China mehrfach zugesagte Ratifizierung des
VN-Paktes über politische und bürgerliche Rechte, von
China 1998 gezeichnet, ein wichtiges Element darstel-
len. Die Bundesregierung setzt sich seit langem für eine
Verbesserung der Menschenrechtssituation in China ein
und wird sich auch weiterhin aktiv hierum bemühen.
Ein anderes Element ist die Bereitschaft Chinas – das
ist sehr aktuell – zu einer friedlichen Streitbeilegung mit
Taiwan.
Die Anwendung der restriktiven Rüstungsexportpoli-
tik der Bundesregierung bleibt von der Diskussion über
eine mögliche Aufhebung des EU-Waffenembargos un-
berührt.
Herr Kollege Koppelin, Sie haben das Wort zu einer
Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Minister, ich gehe davon aus, dass der Abgeord-
nete Joseph Fischer mit dieser Antwort nicht einverstan-
den wäre. Daher stelle ich folgende Zusatzfrage: Hat der
Bundeskanzler seine Aussagen zum Rüstungsexport, die
er bei seiner Reise in China in diesem Monat gemacht
hat, mit Ihnen und mit dem Auswärtigen Amt abge-
stimmt oder sind Sie davon genauso überrascht worden
wie wir?
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Da der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik be-
timmt und seine Aussagen zum Rüstungsexport auch
ntsprechende Resonanz in den Medien gefunden haben,
rage ich nach – das steht schon in meiner Frage; inso-
ern ist sie nicht beantwortet worden –: Welche Initiati-
en wird die Bundesrepublik Deutschland ergreifen,
achdem der Bundeskanzler diese Aussagen gemacht
at, und müssen wir damit rechnen, dass der Bundes-
anzler wie in China persönlich die Initiative ergreift,
hne das mit Ihnen abzustimmen, nach dem Motto „Ei-
er ist Koch und einer ist Kellner“?
Auf den polemischen Teil Ihrer Frage will ich gar
icht eingehen. Das würde mich zwar jucken, aber ich
erkneife es mir.
Ich verkneife es mir.
Zur Sache. Dass Ihre Frage nicht beantwortet wurde,
uss ich zurückweisen. Sie wurde sehr detailliert beant-
ortet. Jede denkbare Initiative wird im Rahmen der Eu-
opäischen Union stattfinden. Einerseits hat sich in
hina Erhebliches verändert. Auf der anderen Seite gibt
s nach wie vor gravierende Besorgnisse, was die Men-
chenrechtslage anbetrifft. Selbstverständlich ist auch
ie friedliche Streitbeilegung mit Taiwan zu nennen. Die
undesregierung, nicht nur diese Bundesregierung, son-
ern auch die Vorgängerbundesregierung, hat die Ein-
hina-Politik verfolgt, aber immer auf der klaren Grund-
age der friedlichen Streitbeilegung, das heißt, dass es
ort zu keiner Gewaltandrohung und zu keiner Gewalt-
skalation kommt. Das sind im Rahmen der Europäi-
chen Union gravierende Positionen.
Die Bundesregierung hat ihre Position zwischen den
essorts abgestimmt. Das ist das übliche Verfahren, das
ich seit der Zeit, zu der Sie in der Regierung waren,
icht geändert hat. Ich habe es gerade dargestellt. Damit
eantwortet sich Ihre Frage – abgesehen vom polemi-
chen Teil – in der Sache.
Das Wort zu einer Zusatzfrage hat der Kollege
olmer.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003 7085
)
)
Herr Außenminister, stimmen Sie mir in der Einschät-
zung zu, erstens dass Sie gern dem Deutschen Bundestag
antworten,
zweitens dass die Staatsministerin Teil der Bundesregie-
rung ist, die für die Bundesregierung genauso hätte ant-
worten können, drittens dass sie die Frage genauso be-
antwortet hätte wie Sie und viertens dass Sie durch das
Zitierungsbegehren der FDP-Fraktion aus einem wichti-
gen Termin mit dem russischen Außenminister gerissen
worden sind?
Herr Kollege Volmer,
ich stimme Ihnen in allen Punkten zu. Wir haben lange
genug mitbekommen, was Oppositionsarbeit heißt und
wer hier Experte ist. – Das mit dem „Hände an die Ho-
sennaht“ möchte ich nicht vertiefen, Kollege
Westerwelle. Das war nicht Gegenstand der Frage. Das
ist nur eine Anmerkung.
Was war tatsächlich? – Die Pressekonferenz mit dem
Kollegen Iwanow war gerade zu Ende, als das Zitations-
begehren kam. Aber das Problem ist:
Der Kollege Kukan aus der Slowakei wartet jetzt seit ge-
raumer Zeit auf mich.
Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege
Westerwelle.
Da Sie, Herr Außenminister, uns noch einmal darüber
aufgeklärt haben, wie das Waffenembargo zustande ge-
kommen ist und dass es eine konsensuale Entscheidung
der Europäischen Union gewesen ist, schließt sich die
Frage an: Hat der Bundeskanzler, bevor er seine Äuße-
rungen zum Waffenembargo in China gemacht hat,
Rücksprache oder Kontakt zu anderen europäischen Re-
gierungen aufgenommen?
Der Bundeskanzler spricht ständig mit seinen Kolle-
gen, teilweise in meiner Anwesenheit, teilweise ohne
meine Anwesenheit.
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Kollege Westerwelle, das war jetzt eine Zusatzfrage.
st die erlaubt?
Nein. Mir liegen noch so viele Wortmeldungen vor,
err Kollege Westerwelle.
Ich erteile jetzt dem Kollegen Schäuble das Wort.
Herr Minister, hat der Bundeskanzler mit Ihnen vor
er Chinareise über diese Frage gesprochen?
Wir sprechen über alle Fragen. Auf der Grundlage
essen, was ich Ihnen gerade vorgetragen habe, ist das
ie Position der Bundesregierung.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Weisskirchen.
Herr Außenminister, könnte man sich rein theoretisch
inmal den Gedanken vorlegen und überlegen
wunderbar, Herr Kollege Westerwelle –, ob nicht ir-
endwann die Zeit kommen könnte,
achdem die Ereignisse auf dem Tiananmen-Platz, die
er Ausgangspunkt für das Rüstungsembargo waren,
inige Zeit zurückliegen und sich die Volksrepublik
hina immer weiter entwickelt und modernisiert, sich
iese Frage neu zu stellen?
7086 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003
)
)
Ich würde in diesem Punkt sogar noch etwas weiter
nach vorne orientiert formulieren: Das kann auf der
Grundlage der Punkte, die, wie die Bundesregierung ge-
rade klargestellt hat, für uns bedeutsam sind, nämlich die
Frage der positiven Fortentwicklung der Menschen-
rechte und darüber hinaus die Ratifizierung der beiden
Pakte, durchaus der Fall sein. Das spielt ja bei jedem Be-
such und bei Treffen im Rahmen der Menschenrechts-
kommission in Genf eine große Rolle; auch bei meinen
Gesprächen im letzten Sommer mit Menschenrechts-
kommissar de Mello, der auf tragische Art und Weise im
Irak ermordet wurde, und mit Mary Robinson hat das
eine Rolle gespielt, und zwar nicht nur, weil sich, wenn
diese beiden Pakte ratifiziert und ihre Inhalte umgesetzt
werden, die internationale Gemeinschaft und die ent-
sprechenden Institutionen der VN, hier vor allen Dingen
der Menschenrechtskommissar, darauf berufen können,
sondern auch deswegen, weil das für die Entwicklung
der inneren Demokratie von Bedeutung ist. Selbstver-
ständlich kann dieses Instrument, wenn es von der EU,
auch bezogen auf die friedliche Beilegung des Streites
mit Taiwan, entsprechend angewandt wird, eine positive
Entwicklung auslösen. Ich will das nicht abstreiten. Wir
müssen das aber auf der Grundlage, wie es die Bundes-
regierung hier heute zum wiederholten Male dargestellt
hat, sehen. Das heißt, die Bindung an diese beiden
Punkte ist von großer Bedeutung.
Außerdem muss man, wie ich denke, in der Tat be-
rücksichtigen, dass das China von 1989 nicht das China
von heute ist. Auf der Tagesordnung stehen dennoch
nach wie vor – bei jedem Gespräch spielt das eine
Rolle – die Tibetfrage, also die Fragen von Autonomie
und religiöser Freiheit bei gleichzeitig strikter Ableh-
nung jeglicher Abtrennungsüberlegungen, und die Fra-
gen allgemeiner Menschenrechte wie Demonstrations-
und Meinungsfreiheit. Der Bundeskanzler hat diesbe-
züglich in Kanton eine hervorragende Rede gehalten,
in der er insbesondere auf den freien Zugang zum Inter-
net ohne Kontrolle eingegangen ist; ich darf auch an die
Rede des Bundespräsidenten in Nanking erinnern. All
diese Punkte erwähne ich. Wenn eine ehemalige Rechts-
staatspartei wie die FDP darüber nur noch den Kopf
schüttelt,
so muss ich ihr entgegenhalten: Genau um diese Punkte
wird es bei der diesbezüglichen Diskussion innerhalb der
Europäischen Union gehen.
Aus aktuellem Anlass wiederhole ich aber noch ein-
mal: Auch die friedliche Beilegung des Streits mit Tai-
wan ist für uns ein wichtiger Punkt.
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Die nächste Frage stellt die Kollegin Gisela Piltz.
Herr Bundesaußenminister, teilen Sie die Auffassung
es Bundeskanzlers, die er bezüglich des Rüstungs-
xportes nach China geäußert hat?
Welcher Rüstungsexport? Sie meinen seine Auffas-
ung zur Aufhebung des Embargos und nicht zum Rüs-
ungsexport.
Das ist ja dann die Folge, oder? Ich dachte, Sie wür-
en die Frage schon richtig verstehen.
Ich habe die Haltung der Bundesregierung gerade
argestellt. Das ist auch die Haltung des Bundeskanzlers
nd des Bundesaußenministers. Sonst würde ich ja mei-
em Auftrag gegenüber dem Parlament nicht gerecht
erden. Die Antworten sind abgestimmt; nehmen Sie sie
o, wie sie gegeben wurden.
Die nächste Frage hat der Kollege Ruprecht Polenz.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003 7087
)
)
Herr Außenminister, drei Tage vor der Chinareise des
Bundeskanzlers hat ein Treffen der EU-Außenminister
stattgefunden. Da Sie gesagt haben, dass Sie mit dem
Bundeskanzler über alles sprechen, möchte ich Sie fra-
gen, ob Sie Ihre EU-Kollegen über den Vorstoß des Bun-
deskanzlers hinsichtlich des Waffenembargos informiert
haben und, wenn nicht, warum Sie die Bundesregierung
wiederum dem Vorwurf aussetzen, solche Dinge allen-
falls telefonisch mit Frankreich abzustimmen.
Ich kann für mich definitiv ausschließen, dass ich da-
rüber gesprochen habe. Allerdings kann ich Ihnen nicht
sagen, ob das eine der Sitzungen des Allgemeinen Rates
war, an denen ich nicht teilgenommen habe. Insofern
muss ich diesen Vorbehalt machen. Ich kann nicht aus
dem Kopf rekonstruieren, ob ich bei dieser Sitzung zu-
gegen war. Ich kann allerdings definitiv ausschließen,
dass ich, wenn ich zugegen war, darüber gesprochen
habe.
Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Andreas
Schockenhoff.
Herr Minister, teilen Sie die Auffassung der Spreche-
rin von Amnesty International, die, wie heute in der
„Süddeutschen Zeitung“ zu lesen ist, im Zusammenhang
mit der Aufhebung des Waffenembargos gegen China
gesagt hat, die Menschenrechtspolitik der Bundesregie-
rung sei an einem Tiefpunkt angelangt? Falls Sie diese
Auffassung nicht teilen sollten: Können Sie sich vorstel-
len, wie die Sprecherin von Amnesty International über-
haupt zu einer solchen Auffassung kommt?
Ich schätze die Arbeit von Amnesty International
sehr. Das Auswärtige Amt arbeitet auf das Engste mit
dieser Organisation zusammen. Sie leistet eine extrem
verdienstvolle Arbeit. Kolleginnen und Kollegen aus al-
len Fraktionen beteiligen sich an Aktionen dieser Orga-
nisation. In diesem speziellen Fall aber teile ich die Auf-
fassung der Sprecherin von Amnesty International
definitiv nicht.
Die nächste Frage hat der Kollege Karl-Theodor
Freiherr von und zu Guttenberg.
Herr Bundesaußenminister, können Sie mir vor dem
intergrund der hier geschilderten Haltung der Bundes-
egierung bezüglich der Aufhebung des Waffenembar-
os sagen, wie diese mit den am Freitag zu entscheiden-
en Strategien der EU bezüglich Abrüstung und
ichtproliferation in Einklang zu bringen ist?
Das kann ich Ihnen sehr wohl erläutern, allerdings un-
er dem Vorbehalt, dass dieses wirklich vorzügliche Do-
ument angenommen wird. Gerade die Bundesregierung
at nicht unwesentlich an dieser Initiative mitgearbeitet.
ier geht es um einen erweiterten Sicherheitsbegriff. Ich
itte Sie, zu begreifen, dass dies angesichts der Rich-
ung, in die große Länder, wichtige Länder – etwa die
olksrepublik China – gehen, wegen der teilweise
chwierigen bilateralen Kooperation einer differenzier-
en Antwort bedarf. In dem entsprechenden Dokument,
as verabschiedet werden soll und, wie ich hoffe, auch
erabschiedet wird – Deutschland hat hart daran gearbei-
et –, muss im Sinne des erweiterten Sicherheitsbegriffes
ine differenzierte Betrachtung der Gesamtentwicklung
rfolgen. Dazu gehört insbesondere die Situation der
enschenrechte. In dem spezifischen Fall des Verhält-
isses zwischen der Volksrepublik China und Taiwan
Sie wissen um die Komplexität dieses Verhältnisses –
aben wir in allen Gesprächen immer wieder den Ver-
icht auf gewaltsame Lösungen betont, betonen ihn auch
etzt und werden ihn, solange die Notwendigkeit besteht,
eiterhin betonen. Insofern sehe ich hier überhaupt kei-
en Widerspruch, Herr von Guttenberg.
Die nächste Frage hat die Kollegin Birgit Homburger.
Herr Bundesaußenminister, ich würde gerne von Ih-
en wissen, ob Sie nach der Rückkehr des Kanzlers mit
hm über seine Aussagen zum Thema Waffenembargo
egenüber China gesprochen haben und, falls ja, was der
nhalt dieses Gesprächs war.
Den Inhalt dieses Gesprächs finden Sie hier in den
it der Bundesregierung abgestimmten Antworten des
undesaußenministers wieder.
Wir kommen zur Frage 19 des Kollegen Karl-
heodor Freiherr von und zu Guttenberg:
Besteht ein Konsens zwischen der Bundesregierung und
ihren EU-Partnern über eine mögliche Aufhebung des EU-
Waffenembargos gegenüber der Volksrepublik China?
7088 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003
)
)
Herr Kollege von und zu Guttenberg, gestatten Sie
mir, dass ich etwas kürzer aushole. Ich greife auch schon
vorweg; die Frage geht eigentlich thematisch exakt in
dieselbe Richtung wie andere Fragen zuvor und ist – aus
meiner Sicht – zu weiten Teilen schon beantwortet.
Es ist zwar richtig, dass mehrere EU-Partner sowie
Vertreter der EU-Kommission zu erkennen gegeben ha-
ben, dass sie über die Frage der Aufhebung des EU-Waf-
fenembargos gegenüber der VR China nachdenken. Al-
lerdings besteht hierzu im EU-Kreis kein Konsens. Das
EU-Waffenembargo beruht, wie vorhin schon mehrfach
erwähnt, auf einem Beschluss des Europäischen Rates
vom 26. Juni 1989. EU-Ratsbeschlüsse können nur im
Konsens aufgehoben werden, das heißt in Einstimmig-
keit. Ich wiederhole hier auch: Selbst wenn dieser Be-
schluss aufgehoben würde, bliebe die Anwendung der
restriktiven Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung
hiervon unberührt.
Zusatzfrage, Herr Kollege Guttenberg.
Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg
:
Herr Minister, ich möchte an das anknüpfen, was Herr
Kollege Westerwelle vorhin in Bezug auf die Konsens-
bildung gesagt hat. Mit welchen EU-Mitgliedstaaten ne-
ben Frankreich, das ja in diesem Zusammenhang zitiert
wurde, und mit welchen EU-Institutionen hat die Bun-
desregierung – nicht nur der Bundeskanzler – wann über
eine mögliche Aufhebung des Waffenembargos gegenü-
ber China gesprochen?
Es liegt aus unserer Sicht noch keine operative Initia-
tive vor. Das war in der Kürze der Zeit aus unserer Sicht
auch nicht möglich. Wie Sie aufgrund der Ereignisse der
vergangenen Tage unschwer erkennen konnten, hatten
wir jede Menge zu tun, vor allen Dingen auch im inter-
nationalen Rahmen. Insofern liegt die Antwort auf die
Frage nach der operativen Umsetzung in der Zukunft;
ich kann Ihnen diese Antwort noch nicht geben.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg
:
Nachdem ich unschwer erkennen konnte, dass Sie in
den vergangenen Tagen insbesondere mit dieser Frage-
stellung zu tun hatten, stellt sich für mich die Anschluss-
frage, wie ebendiese operativen Initiativen gestaltet sein
sollen. Das ist genau die Frage, die Herr Kollege
Koppelin vorhin schon gestellt hat; ich stelle sie erneut:
Wie kann die operative Initiative als solche gestaltet sein
und wie wollen Sie den Konsens herstellen?
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s waren in erster Linie andere Fragen, mit denen wir zu
un hatten – ich füge hier ganz offen hinzu: leider. Es
ing um sehr viele internationale und auch nationale Fra-
en, die jetzt zur Entscheidung anstehen. Gerade in die-
er Woche fand eine Vielzahl von multilateralen Konfe-
enzen statt; ich habe innerhalb einer Woche an
nsgesamt vier unterschiedlichen multilateralen Konfe-
enzen teilgenommen. Gleichzeitig gibt es eine Vielzahl
nternationaler Krisen. Sie werden also verstehen, dass
ir uns nicht hauptsächlich mit dieser Frage beschäftigt
aben.
Ich für meinen Teil kann hier nur sagen: Das bleibt
en Beratungen in der Bundesregierung vorbehalten. Ich
age hier nicht zu spekulieren und werde hier keine An-
ündigungspolitik betreiben.
Eine weitere Frage hat die Kollegin Sibylle Pfeiffer.
Herr Bundesaußenminister, ich bin noch nicht ganz
ufrieden mit Ihrer Beantwortung dieser Frage, deshalb
raue ich mich, nachzufragen.
ch traue mich deshalb, nachzufragen, weil mir nicht
anz klar ist, warum ausgerechnet eine Bundesregierung
nter Rot-Grün, die für Abrüstung und Rüstungskon-
rolle steht, in der Lage sein soll, die Argumente und die
trategischen Zielrichtungen zu finden, die nötig sind,
m einige Länder in der EU davon zu überzeugen – ich
eiß definitiv, dass sich einige Länder schwer davon
berzeugen lassen –, dass das Waffenembargo aufgeho-
en werden sollte.
Ich finde es sehr gut, dass Sie nochmals darauf hinge-
iesen haben, dass wir für Abrüstung und Rüstungskon-
rolle stehen. Das wollen wir auch in Zukunft so handha-
en.
Ich könnte jetzt viele praktische Beispiele in Bezug
uf die Vorgängerregierung anführen, auch wenn ich
eiß, wie schwierig es manchmal ist, solche Entschei-
ungen zu treffen. Aber ich möchte nicht in die Vergan-
enheit blicken, sondern konkret auf Ihre Frage Bezug
ehmen.
Ich habe unsere Haltung bereits klar gemacht, möchte
ies aber wiederholen; insofern ist Ihnen für Ihr Nach-
ragen zu danken. Es wird die Frage gestellt, warum ge-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003 7089
)
)
Bundesminister Joseph Fischer
genüber China ein Waffenembargo besteht und nicht ge-
genüber anderen Ländern, in denen zum Beispiel die
Menschenrechtssituation gravierender ist oder andere
Zusammenhänge eine Rolle spielen. Dafür gibt es histo-
rische Gründe. Die Perspektive einer Aufhebung ist von
der Bundesregierung bewusst, wie in meinen Antworten
dargestellt, an Fortschritte im Menschenrechtsbereich
gebunden. Ich möchte die beiden entsprechenden Pakte
nicht wiederholen. Ich könnte Ihnen die einzelnen Ge-
sichtspunkte, die für uns eine Rolle spielen – bis hin zur
Lage der Christen in China und zur friedlichen Beile-
gung des Streites mit Taiwan –, noch einmal aufzählen.
Welche Rolle das spielt, sehen wir gerade anlässlich
des Besuches der Vereinigten Staaten durch den chinesi-
schen Premierminister, der sich gestern mit Präsident
Bush getroffen hat. Ich kann Ihnen nur sagen: An diesem
Punkt ist unsere Position unverändert. Meine Antwort
hat klar gemacht, dass sie unverändert ist.
Die nächste Frage hat der Kollege Wolfgang
Schäuble.
Herr Bundesminister, nachdem Sie gesagt haben, dass
es in der EU keinen Konsens über die Aufhebung des
Waffenembargos gibt, möchte ich Sie fragen, ob es den
Vorstellungen der Bundesregierung über eine gemein-
same Außenpolitik der EU entspricht, dass der Bundes-
kanzler in China eine einseitige Festlegung macht, ohne
dass es zuvor einen Konsens der EU in dieser Frage ge-
geben hat.
Kollege Schäuble, die gemeinsame Außenpolitik der
EU sieht nicht so aus, dass es in jeder einzelnen Frage,
vor allem im bilateralen Verhältnis, einen gemeinsamen
Standpunkt gibt. Das war zu Ihrer Zeit nicht so und das
ist zu unserer Zeit nicht so. Es ist völlig klar: Hier han-
delt es sich um einen Beschluss, den die EU – sollte es
dazu kommen – zu treffen hat. Wir haben unsere Posi-
tion zweifelsfrei klar gemacht; wir führen bilaterale Ge-
spräche.
Ich habe heute mit dem Kollegen Iwanow –
– auch der Bundeskanzler hat mit China kein EU-Mit-
gliedsland besucht – eine umfangreiche Agenda multila-
teraler und bilateraler Fragen erörtert. Ich sage Ihnen
ganz offen: Ich vertrete dabei nicht immer den abge-
stimmten Standpunkt der Europäischen Union, sondern
erlaube mir dann und wann, darüber hinauszugehen,
wissend darum, dass ich für eine Initiative erst einmal
eine Mehrheit brauche. Wenn Sie die Frage, ob Sie in
eine bestimmte Richtung initiativ werden oder nicht, an
einer neuen Konsensbildung festmachen, wird die ge-
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Insofern verstehe ich Ihre Kritik überhaupt nicht. Es
st keineswegs so, dass damit die Beschlussfassung der
uropäischen Union im Konsens überflüssig gemacht
ird.
Nein.
Die nächste Frage hat der Kollege Dr. Guido
esterwelle.
Herr Minister, Tatsache ist ja, dass es schon eine ab-
estimmte Haltung der Europäischen Union gibt. Sie ha-
en vorhin in einer Antwort gesagt, Sie hätten noch
eine Zeit gehabt, um zur Aufhebung des Waffenembar-
os „operative Initiativen zu ergreifen“. Meine Frage
autet: Werden Sie operative Initiativen ergreifen, sobald
ie, Herr Minister, Zeit haben?
Herr Kollege Westerwelle, ich kann Ihnen nur sagen,
as ich schon vorhin festgestellt habe: Dies bleibt den
eratungen in der Bundesregierung vorbehalten. Mehr
ann ich dazu nicht sagen. Ansonsten würde ich dem
arlament gegenüber etwas präjudizieren, wobei ich mir,
enn es dann anders käme, gut vorstellen kann, wie
ich der Abgeordnete Westerwelle dann zitieren würde.
Die nächste Frage hat der Kollege Dr. Andreas
chockenhoff.
Herr Minister, Sie haben hier ausgeführt, gemeinsame
ußenpolitik der Europäischen Union heiße nicht, in je-
er Einzelfrage eine abgestimmte Position zu haben.
Im bilateralen Gespräch.
Sie haben uns auch vorgetragen, dass unter Ihrer Vor-
ängerregierung im Jahr 1989 ein sehr restriktiver Be-
chluss zum Waffenexport gegenüber China zustande
ekommen ist. Ich frage Sie: Sind Sie der Meinung, dass
iesem Beschluss des EU-Rates eine Abstimmung vo-
ausgegangen ist, und halten Sie diesen Beschluss des
U-Rates nach wie vor auch für die Nachfolgebundesre-
ierung für verbindlich, solange sie sich nicht für eine
ufhebung des Beschlusses eingesetzt hat?
7090 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003
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)
Wir halten uns an alle Beschlüsse, die in der Europäi-
schen Union Gültigkeit haben. Insofern ist das meines
Erachtens überhaupt keine Frage, es liegen keinerlei sol-
cher Lieferungen vor.
Selbstverständlich gibt es vor jedem Beschluss in der
Europäischen Union Beratungen, ansonsten könnte ein
solcher Beschluss gar nicht gefasst werden. Wir werden
jetzt, vorausgesetzt, die Prognose trifft ein – ich ver-
mute, sie trifft ein –, eine gemeinsame Strategie verab-
schieden. Das hat natürlich eine Vielzahl von Gesprä-
chen vorab notwendig gemacht. Wenn diese Strategie
verabschiedet ist, wird sie die verbindliche Grundlage
sein. Sie gilt für entsprechende Exportregelungen, für
Exportverbote, Embargos, sie gilt so lange, bis etwas an-
deres beschlossen wird.
Eine Frage im bilateralen Verhältnis zu ventilieren, in
welche Richtung es gehen könnte, zu den Bedingungen,
die ich gerade genannt habe, ist kein Widerspruch zu ei-
ner gemeinsam abgestimmten europäischen Außenpoli-
tik. Ich bitte Sie!
Eine weitere Frage hat der Kollege Christoph
Bergner.
Herr Bundesaußenminister, Sie haben in all Ihren
Ausführungen großen Wert darauf gelegt, dass konzer-
tierte Meinungsbildungen einzelne Vorstöße und singu-
läre Meinungsäußerungen nicht ausschließen. Vor die-
sem Hintergrund möchte ich Sie jenseits aller
Abstimmungsprozesse im Kabinett und in der EU fra-
gen, ob Sie persönlich die Zeit für reif halten, das EU-
Waffenembargo gegenüber China aufzuheben.
Ich persönlich teile den Standpunkt, den die Bundes-
regierung dem Parlament vorgetragen hat.
Entschuldigen Sie, Herr Präsident, wenn ich noch etwas
hinzufüge. Sie würden mich doch zu Recht der real exis-
tierenden Schizophrenie zeihen, wenn ich persönlich an-
derer Meinung wäre.
Die nächste Frage hat der Kollege Ruprecht Polenz.
Herr Außenminister, der Bundeskanzler hat sich ein-
deutig festgelegt, dass er sich für die Aufhebung des EU-
Waffenembargos einsetzen will. Das macht im Grunde
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Ich muss in aller Entschiedenheit die Unterstellung
urückweisen, dass es irgendwelche von Ihnen insinu-
erte Verabredungen gegeben hat oder so etwas im Raum
teht. Das muss ich wirklich mit aller Entschiedenheit
urückweisen.
Die nächste Frage hat der Kollege Friedbert Pflüger.
Herr Bundesminister, als vormaligen Grünen wollte
ch Sie fragen,
b Sie sich, wenn Sie anstelle des Bundeskanzlers ge-
eist wären, genauso eingelassen hätten wie der Herr
undeskanzler?
Herr Kollege Pflüger, ich will gern auf Ihre Frage, die
rage eines zukünftigen Schwarzen, antworten. Ich kann
ur sagen: Fragen im Konjunktiv sind nicht zu beant-
orten. Wenn die Bundesregierung reist, dann vertritt
ie ihren Standpunkt. Diesen habe ich Ihnen gerade dar-
estellt und den vertrete ich aus voller Überzeugung, wie
ie merken.
Das gilt für den Bundeskanzler ganz genauso. Das ist
ie abgestimmte Position der Bundesregierung. Da kön-
en Sie so lange fragen, wie Sie wollen.
Das hat mit Realsatire überhaupt nichts zu tun. Das
inzig Satirische – Kollege Westerwelle, lassen Sie mich
iese Antwort geben – ist Folgendes: Der entscheidende
achverhalt ist hier im Grunde genommen schon vor
anger Zeit von der Bundesregierung klargestellt wor-
en. Aufgrund der Veränderungen muss man sich die
rage stellen, ob es ein Instrument gibt, das an entspre-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003 7091
)
)
Bundesminister Joseph Fischer
chende Verbesserungen gebunden wird, und zwar nicht
nur an irgendwelche Zusagen, sondern an reale Verbes-
serungen im Hinblick auf die Menschenrechtssituation,
auf die friedliche Beilegung des Streits im Verhältnis zu
Taiwan und die allgemeine Entwicklung in der Volksre-
publik China. Die Frage ist, ob es nicht sinnvoll ist, da-
rüber nachzudenken.
Diese Sache ist seit langem klar. Insofern gebe ich of-
fen zu: Die Fragen, die Sie jetzt stellen, sind teilweise
nur noch im Stile einer Gebetsmühle zu beantworten, in-
dem man diesen Sachverhalt immer wieder wiederholt
oder
indem man auf den ironischen Sachverhalt weiterer Zu-
satzfragen mit entsprechender Ironie eingeht. Das ist die
Lage; dafür machen Sie bitte nicht mich verantwortlich.
Die nächste Frage hat der Kollege Erich Fritz.
Herr Bundesminister, da Sie uns gerade vorgetragen
haben, dass Sie mit Ihrem russischen Amtskollegen
Iwanow gesprochen haben,
fragen ich Sie: Haben Sie ihm erklärt, warum die Bun-
desregierung überlegt, die MOX-Anlage nach China zu
verkaufen, dies aber nach Russland nicht möglich war,
obwohl dort die Überführung von waffenfähigem Pluto-
nium in den zivilen Brennstoffkreislauf möglich gewe-
sen wäre?
Ich möchte Ihr Gedächtnis etwas auffrischen. Erstens.
Dieses Thema hat bei den Gesprächen mit meinem Kol-
legen Iwanow keine Rolle gespielt.
Zweitens. Die Voranfrage der Firma Siemens war da-
mals – ich glaube, es war im September 2000, zumindest
was mein Haus betrifft – nach den Prüfungen, die ich ge-
mäß § 7 des Außenwirtschaftsgesetzes vorzunehmen
hatte, positiv beschieden worden. Das scheinen Sie ver-
gessen zu haben.
Dass das Geschäft nicht zustande gekommen ist oder
dass letztendlich kein Ausfuhrantrag gestellt worden ist,
der zu bescheiden gewesen wäre, lag ausschließlich an
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Eine weitere Frage hat der Kollege Hartwig Fischer.
Herr Bundesminister, haben Sie vor dem Hintergrund
er Entwicklungen in der EU in den vergangenen Mona-
en – ich nenne hier nur den Stabilitätspakt und die Frage
es Embargos – nicht den Eindruck, dass andere euro-
äische Staaten der Meinung sein müssten, dass
eutschland hier einen Sonderweg gehen will?
Nein, diesen Eindruck habe ich überhaupt nicht. Un-
er niederländischer Nachbar hat bezüglich des Stabili-
äts- und Wachstumspakts scharfe Kritik geübt und
urde hier im Hause gerade von Ihnen im Rahmen der
ebatte über den Stabilitätspakt inniglich zitiert. Nach
em jüngsten Bericht der Kommission entwickeln sich
ie Niederländer hinsichtlich ihres Defizits in Richtung
,25 Prozent.
Er steht zum Vertrag, Herr Westerwelle. Wir stehen
uch zum Vertrag. Ich sage Ihnen: Die Aufwüchse er-
olgten von Jahr zu Jahr in 1-Prozent-Schritten.
Das heißt im Klartext – ich danke Ihnen für die
rage –: Die Bundesregierung hält am Stabilitätspakt
est. Sie können sich ruhig an den Kopf greifen: Wenn
s kein Vorziehen der Steuerreform gäbe, würden wir
ie 3-Prozent-Grenze schaffen. Wir halten dieses Vor-
iehen angesichts des Anschubeffektes – ein Einmalef-
ekt mit einer kurzfristigen Verschuldung und bzw. oder
iner Erhöhung der Veräußerungserlöse – jetzt zu Be-
inn eines konjunkturellen Aufschwungs aber für ex-
rem wichtig.
Ich höre, auch der bayerische Ministerpräsident ge-
ört mittlerweile zu den Überzeugten. Ich nehme an, die
arteivorsitzende Merkel wird sich diesen Überzeugun-
en – dem Weihnachtsstern von Bethlehem Richtung
ermittlungsausschuss folgend – ebenfalls anschließen,
odass Herr Koch am Ende zurückbleibt. Aber der Stabi-
itätspakt – das kann ich Ihnen versichern – gilt auch in
en kommenden Jahren, selbst bei den Anstrengungen,
ie wir im gerade beginnenden Aufschwung unterneh-
en müssen.
Das wird sich auch auf andere auswirken. Frankreich
nternimmt gleichfalls große Anstrengungen, das ange-
trebte Ziel zu erreichen. Auch die Niederlande werden
ieses tun. Insofern kann ich Ihnen nur sagen: Ich teile
hre Auffassung überhaupt nicht.
7092 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003
)
)
Bundesminister Joseph Fischer
Eine weitere Frage hat der Kollege Jürgen Koppelin.
– Dies ist eine interessante Fragestunde.
Wir alle sollten ein Interesse daran haben, interessante
Fragestunden abzuwickeln.
Herr Bundesminister, haben Sie eine Erklärung dafür,
dass die Äußerungen des Bundeskanzlers in China in
den Koalitionsfraktionen so viel Unruhe geschaffen ha-
ben, dass sich Koalitionsabgeordnete auch öffentlich ge-
äußert und ihre Empörung zum Ausdruck gebracht ha-
ben, wenn diese Äußerungen des Bundeskanzlers nach
Ihrer Darstellung doch völlig harmlos sind und nur die
Politik der rot-grünen Koalition wiedergeben? Muss ich
dem entnehmen, dass diese Aufregung der Koali-
tionsabgeordneten völlig unnötig gewesen ist?
Als Vertreter der Bundesregierung würde ich es nie
wagen, die Aufregung von unabhängigen und frei ge-
wählten Abgeordneten – weder von solchen der Opposi-
tion noch von solchen der Koalition – zu qualifizieren.
Aber ich möchte Ihnen Folgendes sagen: Es wird immer
wieder Themen geben, über die wir – mal mehr, mal we-
niger – diskutieren müssen. Ich denke, dass wir heute
klar gemacht haben, worum es uns geht.
– Bei Ihnen ist das natürlich nicht angekommen. Ich
könnte wirklich
den Stein der Weisen gefunden haben und Sie würden
sagen, es sei nur Dreck. Das ist nun einmal die Aufgabe
der Opposition.
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Aber nur, Herr Westerwelle, wenn ich Sie mitnehme.
ie würden dann unter Wasser gehen.
Herr Bundesminister, haben Sie die Frage beantwor-
et?
Ja.
Gut.
Frau Kollegin Pfeiffer, ich muss Ihnen sagen, dass Sie
ereits eine Frage gestellt haben. Es steht Ihnen nicht zu,
ine zweite Frage zu stellen.
Damit sind wir am Ende der Befragung zu diesem
unkt. Herr Bundesminister, ich bedanke mich für Ihre
ereitschaft, die Fragen zu beantworten.
Die Fragen 20 und 21 werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
inisteriums des Inneren. Zur Beantwortung steht der
arlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur
erfügung.
Ich rufe die Frage 22 der Kollegin Petra Pau auf:
Welche Anstrengungen hat die Bundesregierung bisher
unternommen – wie vom Bundesminister des Auswärtigen,
Joseph Fischer, vorgeschlagen; vergleiche „Berliner Zeitung“
vom 27. Oktober 2003 –, die Altersversorgung von Staatsse-
kretären und Ministern des Bundes zu überprüfen, und zu
welchen Erkenntnissen und Ergebnissen ist die Bundesregie-
rung bei diesen Prüfungen gekommen?
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Herr Präsident, ich beantworte die Frage wie folgt:
ie Übertragung der Änderungen in der gesetzlichen
entenversicherung auf die Versorgung der Beamtinnen
nd Beamten, Richterinnen und Richter und Soldatinnen
nd Soldaten des Bundes wirkt unmittelbar auch auf den
n der Frage angesprochenen Personenkreis. Darüber hi-
aus werden weitere Änderungen im Bereich der Versor-
ung der Mitglieder der Bundesregierung und der Parla-
entarischen Staatssekretärinnen und Parlamentarischen
taatssekretäre des Bundes geprüft.
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Pau, bitte schön.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003 7093
)
)
Herr Staatssekretär, können Sie uns etwas über den
Stand der Prüfungen und Vorarbeiten und vielleicht auch
über die Zeitplanung bezüglich der Umsetzung in Ge-
setze sagen? Immerhin hat es die Bundesregierung und
die Mehrheit in diesem Parlament geschafft, die Bezüge
der Rentnerinnen und Rentner in historisch kurzer Zeit
zu kürzen. Also müssten wir doch auch jetzt Tempo vor-
legen, wenn es darum geht, unsere eigenen Bezüge zu
kürzen.
F
Frau Kollegin, ich möchte Sie an die letzte Besol-
dungsanpassung im öffentlichen Dienst erinnern. Die
Ministerinnen und Minister sowie die Staatssekretärin-
nen und Staatssekretäre haben an der Besoldungsanpas-
sung nicht teilgenommen. Ich erlaube mir, das in Erinne-
rung zu rufen, um Ihnen einmal deutlich zu machen, wie
der Beitrag aussieht. Im Übrigen bleibe ich bei der Aus-
sage, dass sich die Frage der Versorgung in der Prüfung
befindet.
Eine weitere Zusatzfrage, bitte, Frau Pau.
Mir ist sehr wohl bekannt, dass die Anpassung der
Ministergehälter entsprechend dem öffentlichen Dienst
nicht bzw. in abgeschwächter Form stattgefunden hat.
Der Bundesaußenminister hat sich aber in der zitierten
und nachgefragten Äußerung ganz deutlich auf die Al-
tersbezüge und Pensionen bezogen. Daher frage ich Sie
noch einmal: Welche Vorstellung hat die Bundesregie-
rung, wie dieser Bereich in Zukunft konkret geregelt
werden soll?
F
Sie wissen, dass beispielsweise in den Bereichen der
Sonderzuwendungen und des Urlaubsgeldes auf Bundes-
ebene für das Jahr 2004 folgende klare Entscheidungen
zur Versorgung getroffen worden sind. Dies zeigt, dass
auch in den Bereich der Versorgung der von Ihnen ange-
sprochenen Personengruppe tief eingegriffen wird.
Die Fragen 23 und 26 aus diesem Geschäftsbereich
werden schriftlich beantwortet.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Die Fragen 27 bis 33 aus dem Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit werden
schriftlich beantwortet.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft. Zur Beantwortung steht der Parlamenta-
rische Staatssekretär Matthias Berninger zur Verfügung.
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Herr Staatssekretär, teilt die Bundesregierung die Ein-
chätzung der Fraktion der Grünen zur Kritik der Inter-
ationalen Gesellschaft für Nutztierhaltung an der von
er FDP immer wieder zitierten Studie der Tierärztlichen
ochschule Hannover, weil diese Studie keine wissen-
chaftliche Grundlage für die Wiedereinführung der Kä-
ighaltung in Form so genannter ausgestalteter Käfige
ietet?
7096 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003
)
)
Mat
Herr Abgeordneter, das ist zweifellos richtig. Bundes-
ministerin Künast hat für die Bundesregierung in ihrer
Rede vor dem Bundesrat bereits auf die Mängel dieser so
genannten Studie hingewiesen. Unter anderem geht es
um die Frage, wie die Daten erhoben worden sind. Auch
die Datengrundlage für die Studie ist in Zweifel zu zie-
hen. Es werden zum Teil Rückschlüsse auf Betriebsgrö-
ßen und -formen gezogen, die gar nicht Gegenstand der
Untersuchung waren. Ich würde sagen: Das Ergebnis ei-
ner solchen Studie dürfte unter dem Gesichtspunkt der
Wissenschaftlichkeit nicht einmal Grundlage einer Di-
plomarbeit sein.
Eine weitere Frage der Kollegin Angelika
Brunkhorst.
Herr Staatssekretär Berninger, wären Sie so freund-
lich, uns die von Ihnen erwähnten Studien, die so auf-
schlussreich sein sollen, zur Verfügung zu stellen?
Ma
Das kann ich sehr gerne tun. Allerdings kann ich sie
Ihnen nicht einzeln vorlesen.
Wir können sie Ihnen gerne zukommen lassen.
Wir kommen jetzt zur Frage 37 der Kollegin
Dr. Christel Happach-Kasan:
Wie bewertet die Bundesregierung die These, dass mit der
Boden- und Freilandhaltung häufig höhere Mortalitätsraten
von bis zu 20 Prozent, ein erhöhter Medikamenteneinsatz und
verstärktes Schnabelkürzen bei Legehennen verbunden sind?
Ma
Frau Happach-Kasan, die Tierverlustraten weisen in
allen Haltungssystemen einschließlich des herkömmli-
chen Käfigs erhebliche Varianzen auf. Bisher liegen
keine wissenschaftlichen Untersuchungen vor, die Ihre
These stützen, dass die Mortalitätsraten bei der Boden-
haltung zwingend 20 Prozent über denen der Käfighal-
tung liegen. Diese Zahl ist unter anderem auf Basis einer
Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover in die
Debatte gebracht worden, deren wissenschaftliche
Grundlage von einer ganzen Reihe von Experten inzwi-
schen in Zweifel gezogen wird.
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)
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe es so verstanden, dass Sie zwei Fragen ge-
tellt haben. Sie können aber nur zwei Fragen stellen.
Frau Happach-Kasan, bitte.
7098 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003
)
)
Herr Staatssekretär, können Sie uns sagen, wie hoch
der Anteil der Eier ist, die über die Ladentheke verkauft
werden?
Ma
Die Zahl der Eier, die direkt über die Ladentheke ver-
kauft werden, ist gering. Ich habe die genauen Zahlen
nicht im Kopf, Frau Abgeordnete Happach-Kasan. Die
meisten Eier werden zu anderen Lebensmitteln weiter-
verarbeitet. Insofern ist es ein besonderes Anliegen der
Bundesregierung, auch in diesem Bereich für Transpa-
renz zu sorgen.
Ich freue mich, dass es eine Reihe von namhaften
Herstellern – zum Teil sehr namhafte Hersteller, darunter
auch Fastfood-Ketten – gibt, die bereit sind, tierschutz-
gerecht und verantwortungsvoll einzukaufen und ihre
Einkaufspolitik dahin gehend zu ändern, dass sie auf
Freilandeier setzen.
Ich freue mich insbesondere auch darüber, dass große
Supermarktketten die Entscheidung getroffen haben, nur
noch Freilandeier als Eier zu listen. Ich würde es begrü-
ßen, wenn in Konsequenz daraus diese Entscheidung
auch auf weiterverarbeitete Produkte ausgedehnt würde.
Eine weitere Frage der Kollegin Gudrun Kopp.
Herr Staatssekretär, ich kann mich erinnern, dass die
Kosten für die Werbekampagne der Bundesregierung zur
Einführung des Biosiegels 7,5 Millionen Euro betragen
haben. Insbesondere vor dem Hintergrund der äußerst
angespannten Verschuldungssituation frage ich Sie: Pla-
nen Sie jetzt eine weitere Informationskampagne dessel-
ben Umfangs?
Ma
Frau Abgeordnete, ich bin bereits in meiner Antwort
auf die Fragen von Frau Sehn auf den aktuellen Ent-
scheidungsstatus hinsichtlich der Ausgestaltung der
Kampagne innerhalb unseres Hauses eingegangen und
bitte Sie daher um Verständnis, dass ich Ihnen keine an-
dere Antwort geben kann als der Kollegin Sehn.
Wir kommen zur Frage 39 der Kollegin Sehn:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, wie sie unter
anderem von Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus,
Mecklenburg-Vorpommern, vertreten wird, wonach der An-
trag von Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen im
Bundesrat einen Ausstieg aus der Käfigbatteriehaltung sogar
vor Ende 2006 möglich gemacht hätte – vergleiche „Agra-
Europe“ 48/03 vom 1. Dezember 2003 –, wenn die Verord-
nung unverzüglich erlassen würde?
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Nein, alle Käfige. Das ist der Beschluss des Bundesra-
es und das ist der Grund, warum Ministerin Künast das
blehnt. Ich denke, dass das hinreichend deutlich gewor-
en ist und dass dies auch aus dem Bundesratsbeschluss
lar hervorgeht. Früher war mit dem 1. Januar 2007 ein
nddatum vorgesehen. Jetzt lässt sich in diesem Be-
chluss kein Enddatum mehr finden.
Das heißt, statt ein Ende mit Schrecken zu bereiten,
lanen einige Bundesländer, den Schrecken ohne Ende
oder zumindest möglichst lange – fortzusetzen.
Ich gebe jetzt der Kollegin Christel Happach-Kasan
as Wort zur letzten Frage. Bitte, fassen Sie sich kurz!
ie Zeit ist eigentlich abgelaufen.
Herr Staatssekretär, ist mein Eindruck richtig, dass es
hnen im Wesentlichen darum geht, die Nutzung ausge-
talteter Käfige, in denen es den Hühnern möglich ist,
ich einmal auf eine Stange zu setzen, zu scharren und
it den Flügeln zu schlagen – Sie haben uns all das be-
chrieben –, zu verhindern?
Ma
Frau Abgeordnete Happach-Kasan, wenn Sie die Ant-
orten, die ich für die Bundesregierung gegeben habe,
ufmerksam verfolgt hätten, dann hätten Sie festgestellt,
ass das ausdrücklich nicht die Intention der Politik der
undesregierung ist.
Es ist die Intention der Politik der Bundesregierung
wir hatten dafür eine Mehrheit im Bundesrat –, die al-
en Käfige, in denen in Deutschland Millionen Tiere
7100 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003
)
)
Parl. Staatssekretär Matthias Berninger
gequält werden, so schnell wie möglich vom Markt zu
nehmen. Wir werden am Datum 1. Januar 2007 festhal-
ten. Die Botschaft, die von dieser Fragestunde an die Kä-
fighalter ausgeht, muss lauten: Rechtssicherheit besteht
insofern, als die alten Käfige nicht länger als bis zum
1. Januar 2007 betrieben werden dürfen. Das ist im
Sinne der Tiere auch gut so.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär.
Die Zeit für die Fragestunde ist abgelaufen. Die nicht
mehr aufgerufenen Fragen werden schriftlich beantwor-
tet.
Ich beende damit die Fragestunde.
Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der FDP
Haltung der Bundesregierung zu einem ge-
planten Verkauf der Hanauer Plutoniuman-
lage an die Volksrepublik China
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der
Kollege Dr. Wolfgang Gerhardt von der FDP-Fraktion
das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ha-
nauer Anlage, über die eine Diskussion entbrannt ist,
gibt es seit dem 24. Januar 1989: das Brennelemente-
werk von Siemens. Mit einem hohen Fertigungsdurch-
satz war Siemens damals ein weltweit führender Herstel-
ler von Brennelementen.
Es handelte sich um Hochtechnologie am Standort
Hanau, die die friedliche Nutzung der Kernenergie si-
cherer als jede andere Anlage in irgendeinem anderen
Land der Welt gemacht hat.
Diese Anlage war leistungsfähig. Sie hätte im Übrigen
dazu dienen können, weltweit waffenfähiges Plutonium
zu entsorgen, um es der friedlichen Nutzung zuzuführen.
Deswegen ist die oberflächliche Debatte über eine „Plu-
toniumanlage“ falsch und irreführend.
Aufgrund eines „ausstiegsorientierten Vollzugs“ des
Atomgesetzes durch den damaligen hessischen Umwelt-
minister Fischer versprach die Anlage für Siemens keine
Wirtschaftlichkeit mehr; Siemens fühlte sich über alle
Maßen von Auflagen, die gesetzlich nicht erforderlich
waren, kujoniert. Diese Technologie wurde auf Kosten
von Arbeitsplätzen aus Deutschland vertrieben.
Siemens hat danach die gleiche Technologie in Bel-
gien, in Frankreich und in Großbritannien – das sind
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ie friedliche Nutzung der Kernenergie durch China ist
ichtig.
Das in den rot-grünen Reihen umstrittene Atomge-
chäft ist nach Angaben von Bundeskanzler Schröder
man muss sich doch noch darauf verlassen können,
ass ein Bundeskanzler in Interviews sagt, wie die Lage
st –
beschlossene Sache“. Der Bundeskanzler hat erklärt: Es
st beschlossene Sache. Der Siemens-Konzern habe ei-
en Rechtsanspruch auf die Genehmigung zum Verkauf
er Hanauer Plutoniumanlage, da es nicht zur militäri-
chen Nutzung komme, sagt der Bundeskanzler am
onntag. Auch nach seiner Aussprache mit Außenminis-
er Fischer gibt es – so verlautet aus der Koalition am
onntag/Montag – keine Anzeichen für einen Export-
topp. SPD-Fraktionschef Franz Müntefering hat in sei-
er ganz ruhigen Art gesagt, er sehe überhaupt kein Pro-
lem in der Koalition.
ach dem Gespräch Schröder/Fischer verlautet, das
hema sei jetzt erledigt; das Atomgeschäft sei bereits
or Schröders Chinareise mit den Spitzen von Auswärti-
em Amt, Wirtschaftsministerium und Umweltministe-
ium abgestimmt worden. Das steht in einer dpa-Mel-
ung.
Damit sich die Grünen nicht in gewundene Antworten
lüchten können, zitiere ich den Bundeskanzler aus der
DF-Sendung „Berlin direkt“: „Man weiß in der Regie-
ung seit längerem, dass wir diesen Rechtsanspruch er-
üllen müssen.“ Nach seiner Bewertung gebe es hier
keine politische Entscheidungsmöglichkeit“. Zum Mit-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003 7101
)
)
Dr. Wolfgang Gerhardt
schreiben darf ich das wiederholen, vor allem für die
Grünen:
Man weiß in der Regierung seit längerem, dass wir die-
sen Rechtsanspruch erfüllen müssen. – Diese Feststel-
lung erschien nach den Erklärungen des Bundesaußen-
ministers zum Waffenexport eigentlich ja auch logisch.
Die Bundesregierung nimmt stabilere Verhältnisse in
China, eine stärkere Geltung der Menschenrechte und
anscheinend auch von rechtsstaatlichen Verfahren an, als
es die Bundestagsfraktion der FDP heute tut. Sie ist be-
reit, Waffenexporte nach China wieder zuzulassen,
nimmt eine wesentlich bessere Menschenrechtslage an
und hat höheres Zutrauen zur Volksrepublik China. Mir
muss jemand die Schizophrenie erklären, die darin be-
steht, dass dieselbe Bundesregierung, die sich heute für
Waffenexporte ausspricht, im gleichen Atemzug Sie-
mens daran hindern will, eine Anlage zu verkaufen, die
ausdrücklich der friedlichen Nutzung der Kernenergie
dienen soll.
Das ist ein Sachverhalt, der nicht erklärbar ist.
Wir sagen in aller Ruhe, aber auch in aller Klarheit:
Wir sind nun sehr gespannt auf viele gewundene Ant-
worten. Um die Beantwortung einer Frage werden Sie
nicht herumkommen: Wer wusste zu welchem Zeitpunkt
was? Wer hat welche Absprachen mit dem Bundeskanz-
ler getroffen dahin gehend, dass, wenn Siemens beab-
sichtigt, die Anlage nach China zu verkaufen, denn keine
rechtlichen Bedenken entgegengesetzt werden können?
Hat der Außenminister oder hat der Umweltminister
dem Verkauf der Anlage und, wenn ja, zu welchem Zeit-
punkt mit Beteiligung des jeweiligen Ressorts zuge-
stimmt? Das muss die Bundesregierung erklären!
Gespannt bin ich auch darauf, wie sich die grüne
Fraktion dazu äußert, damit wir auf einer Grundlage dis-
kutieren, die nicht streitig ist.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die Bundesregierung hat jetzt der Parlamentari-
sche Staatssekretär Ditmar Staffelt das Wort.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Ich möchte keine Vergangenheitsbewältigung
betreiben.
Ich möchte mit meinem Beitrag versuchen, das Thema
auf den eigentlichen sachlichen Kern zurückzuführen.
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nd dass unsere Beamten darauf verpflichtet sind – das
st, meine ich, gut so –, diese Prüfung nach Recht und
esetz
nd nicht nach anderen Kriterien vorzunehmen.
Hier gelten ohne jede Frage das Außenwirtschaftsge-
etz und auch die einschlägigen EU-Verordnungen. Die
nlage ist insofern genehmigungspflichtig. Das heißt,
ie kann nur mit Zustimmung der Bundesregierung aus-
eführt werden. Ob dies möglich ist, richtet sich nach
en eben genannten Kriterien. Hiernach kann eine Aus-
uhr letztlich nur untersagt werden, wenn außen- und
icherheitspolitische Bedenken bestehen oder die Bun-
esregierung internationale Verpflichtungen verletzen
ürde.
Die Firma Siemens hat bereits im Februar des Jahres
003 eine Voranfrage gestellt. Solche Voranfragen sind
bsolut üblich und normal, weil nur ein positiver Be-
cheid am Ende für solche Unternehmen zu vertraglich
erpflichtenden Konsequenzen führen kann. Würde also
ine solche Voranfrage negativ beschieden werden,
ürde sich die Firma Siemens auf ein solches Geschäft
icht einlassen.
Das oft zu hörende Argument, der Export vertrage
ich nicht mit der Ausstiegspolitik der Bundesregierung,
st verständlich, aber im Zusammenhang mit dieser Prü-
ung aus unserer Sicht nicht relevant. Die Anlage ist für
ivile Zwecke konstruiert. Die hier hergestellten Brenn-
lemente sind für Leichtwasserreaktoren bestimmt und
ienen der Energieerzeugung.
iese Technologie wird in einer Reihe von Ländern
Sie haben es eben angesprochen – eingesetzt, so zum
eispiel in Frankreich, Japan und den Vereinigten Staa-
en. Ich möchte betonen, dass mit dieser Anlage kein
lutonium erzeugt werden kann, wie es verschiedentlich
ehauptet wurde. Es muss vielmehr Plutonium einge-
etzt werden, damit überhaupt Brennelemente hergestellt
erden können.
Ich füge noch eines hinzu: Genau auf dieser Grund-
age hat es schon einmal einen positiven Bescheid auf
ine solche Voranfrage gegeben; im Zusammenhang mit
7102 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003
)
)
Parl. Staatssekretär Dr. Ditmar Staffelt
einem Abrüstungsprojekt in Russland sollten nämlich
34 Tonnen waffenfähiges Plutonium über diese Anlage
sozusagen unschädlich gemacht werden.
Verschiedentlich wurde ferner geäußert, dass mit die-
ser Anlage auch Brennelemente für den so genannten
schnellen Brüter hergestellt werden könnten und diese
dann zur Gewinnung von waffentauglichem Plutonium
genutzt werden könnten. Auch diese Behauptung trifft
so nicht zu. Die Anlage kann in ihrer jetzigen Form diese
Art von Brennelementen nicht produzieren, sie müsste
vielmehr für einen solchen Einsatz in größerem Umfang
umgerüstet werden. Letztlich ist festzustellen, dass die
Technologie des schnellen Brüters außer in Russland
noch nicht ausgereift ist. Sie wird bislang nirgendwo zur
Stromproduktion eingesetzt; das auch noch einmal zur
Klarstellung der Fakten.
Auch der Atomwaffensperrvertrag oder auch das nu-
kleare Exportkontrollregime stehen der Ausfuhr der An-
lage nach China nicht entgegen.
Gemäß dem Vertrag ist lediglich die Verbreitung von
Nuklearmaterial für militärische Zwecke verboten. Dies
ist hier nicht der Fall. Den Ausbau der zivilen Kernener-
gie will der Vertrag jedoch nicht verhindern. Die Bun-
desregierung wird in jedem Fall eine auch nur mittelbare
militärische Verwendung dieser Anlage ausschließen.
Wir werden China auf eine ausschließlich zivile Nut-
zung dieser Anlage verpflichten, was von der Internatio-
nalen Atomenergieorganisation kontrolliert werden soll.
Ich will an dieser Stelle noch einmal ganz ausdrück-
lich sagen, damit es gar keinen Zweifel gibt: Die aus-
schließlich zivile Nutzung war natürlich von Anfang an
auch Gegenstand der rechtlichen Prüfung, gehörte sozu-
sagen zum Prüfungsvorgang selbst und ist keinesfalls in
irgendeiner Form davon zu trennen.
– An dieser Prüfung sind üblicherweise das BAFA, das
Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit und das
Auswärtige Amt beteiligt, darüber hinaus beratend häu-
fig auch andere, aber, soweit ich es weiß, hauptsächlich
die hier genannten.
Ich will noch einmal sagen: Wir befinden uns in der
Schlussphase der Prüfung. Bisher hat die Firma Siemens
keine Zusage, dass in der Sache positiv entschieden
wird. Sehr wohl aber – das wiederhole ich hier – wird es
in allernächster Zeit nach Klärung der hier noch einmal
aufgeworfenen Fragen mit der Volksrepublik China eine
solche Entscheidung geben.
Vielen Dank.
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ie Grünen haben im Bereich Kernenergie wenigstens
ie ganze Zeit vorgespiegelt, dass es bei ihnen um
rundüberzeugungen gehe.
ieser Vorgang steht leider in einer ganzen Reihe von
orgängen. Der letzte war die Abschaltung des Kern-
raftwerks Stade. Aus diesem Anlass hat Herr Trittin Fe-
en gefeiert, Ausstiegsanzeigen geschaltet und viel Geld
usgegeben, aber der Bevölkerung und seinen eigenen
ählern verschwiegen, dass für das Abschalten des
ernkraftwerkes Stade ausschließlich wirtschaftliche
ründe ausschlaggebend waren.
ie Anzeige, die in diesem Zusammenhang geschaltet
urde – „Deutschland steigt um auf erneuerbare Ener-
ien“ –, ist eine glatte Lüge gegenüber der Bevölkerung;
enn aus rein wirtschaftlichen Gründen wird die Leistung,
ie durch das Abschalten des Kernkraftwerkes Stade weg-
ällt, auf ein anderes, wirtschaftlicheres Kernkraftwerk
bertragen. Darüber wird die Bevölkerung getäuscht. Es
ird so getan, als wenn man irgendetwas erreicht hätte.
Ich weiß, warum die Energieversorgungsunternehmen
ns angegriffen haben, als wir den Konsens über den
usstieg aus der Kernenergie kritisch überdenken woll-
en: Die Energieversorgungsunternehmen haben durch
iese Abmachung längere Laufzeiten für ihre Kernkraft-
erke zugebilligt bekommen, als sie es vorher je ge-
acht hatten. Insofern sind sie mit den getroffenen Ab-
achungen glücklich. Aus diesem Grunde wollten sie
erhindern, dass wir uns dieses Themas noch einmal an-
ehmen.
Nun schließt sich der Vorgang um die Brennelemente-
abrik Hanau an. Dort ist eine Technologie installiert, die
n Deutschland abgelehnt wird, weil sie so gefährlich ist.
iese Technologie soll nun nach China exportiert wer-
en. Eben ist schon gesagt worden, dass dieser Vorgang
chon seit Anfang dieses Jahres läuft. Er ist seit Anfang
es Jahres von den zuständigen Ministerien bearbeitet
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003 7103
)
)
Laurenz Meyer
worden. Dabei hat man die Öffentlichkeit – bei den Grü-
nen insbesondere die eigene Partei – sorgfältig im Un-
klaren über das gelassen, was da vorgeht.
Das Auswärtige Amt hat bereits im Oktober seine Zu-
stimmung zur Ausfuhr der Anlage signalisiert. Schon im
Oktober hat auch das Umweltministerium seine Stel-
lungnahme abgegeben. Was die Grünen sich hier in Sa-
chen Atompolitik leisten, ist an Scheinheiligkeit und
Doppelmoral wirklich nicht mehr zu überbieten.
Ich will diesen Wandel in der Position der Grünen mit
zwei Zitaten deutlich machen. 1987 scheiterte in Hessen
die Landesregierung. Herr Fischer wurde aus der Regie-
rung entlassen. Zum Bruch der Koalition hat er damals
gesagt:
Damit ist für uns als Grüne der Punkt erreicht, wo
es ans Eingemachte, an die Grundlagen unserer ei-
genen politischen Identität geht, nämlich die Identi-
tät der Grünen als Antiatompartei.
Das ist lange her.
Über den Besuch von Herrn Schröder in China ist na-
türlich nichts Negatives gesagt worden. Dass passt ins
Bild! Herr Fischer hätte sich daran erinnern sollen, was
er hier noch am 27. Juni 1996 unter dem Beifall von
Bündnis 90/Die Grünen gesagt hat:
Wir werden eine friedliche Entwicklung Chinas
nicht bekommen, wenn wir vor allen Dingen auf
das Geschäft setzen. ... Deswegen müssen wir mit
den Chinesen unnachgiebig über Menschenrechte,
über tibetische Kultur und über den Schutz von
Minderheiten in China sprechen.
Wenn das Aufträge kostet, dann kostet es eben Auf-
träge.
Das hat Joschka Fischer gesagt und von den Grünen gab
es Beifall.
Was Sie jetzt machen, hat mit Moral nicht mehr das
Geringste zu tun. Es ist nur noch ein Täuschen und Tar-
nen gegenüber der Bevölkerung und gegenüber Ihrem
eigenen Parteitag. Sie machen ein großes Brimborium.
Gestern Abend konnte man im ZDF sehen, wie sich Ihre
Parteivorsitzende bei der Frage, wie lange sie von die-
sem Vorgang schon wisse, gewunden hat. Nachdem die
Frage vier-, fünfmal gestellt worden war, hat sie schließ-
lich darum gebeten, dass die Kamera abgestellt wird,
weil sie darauf keine Antwort geben wollte.
Herr Nachtwei war gestern Abend wenigstens noch so
fair und hat gesagt, über die Tatsache, dass es einen sol-
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as ist doch der Punkt. Der Höhepunkt war jetzt – Sie
üssen sich wirklich fragen, ob Sie sich dafür nicht
chämen sollten –, dass Sie tatsächlich sagten, die Ame-
ikaner müssten gefragt werden, ob sie dabei nicht Scha-
en nehmen würden.
rittin und Fischer wissen seit Monaten davon, halten
ber ihre eigene Partei im Dunkeln und haben Angst vor
em Parteitag, weil dort – anders als in der Bundestags-
raktion – vielleicht noch einige sitzen, die Grundwerte
irklich ernst nehmen. Das, was Sie jetzt hier machen,
st scheinheilig. Das ist gespielte Empörung. Ihre Glaub-
ürdigkeit in dieser Frage ist gleich null. Das zeigt sich
n allen Punkten, über die wir hier reden. Ich sage Ihnen:
err Trittin und Herr Fischer würden eher selbst in Ha-
au beim Einpacken der Brennelementefabrik helfen
nd sie in China wieder aufbauen helfen, als dass sie ihre
ienstwagen abgeben würden. Das ist die Situation, in
er die Grünen jetzt sind.
Herr Kollege Meyer, kommen Sie bitte zum Schluss.
Wenn Sie keine Grundüberzeugungen, keine Grund-
erte mehr haben, dann tun Sie wenigstens nicht vor der
ffentlichkeit so
nd machen Sie nie wieder das Stichwort „Glaubwürdig-
eit gegenüber Dritten“ für die grüne Partei geltend.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Reinhard Loske
on Bündnis 90/Die Grünen.
7104 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003
)
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Rede des Kollegen Meyer hat gerade wirklich klar ge-
macht, wie schlimm es wäre, wenn dieses Land von der
CDU regiert würde.
Das ist wirklich sehr deutlich geworden.
Insofern ist es wirklich interessant zu sehen, wie Sie sich
Sorgen um unsere Glaubwürdigkeit machen.
Die CDU als Atompartei hat in dieser Angelegenheit
wirklich nichts beizusteuern.
Ich komme zum Thema. Die Grünen halten die Nut-
zung der Atomenergie für einen Irrweg, für eine techno-
logiepolitische Sackgasse.
Aufgrund ihres Risikoprofils – Stichworte sind hier: Un-
fallgefahren, Missbrauchsgefahren, Proliferationsrisi-
ken, Jahrtausende strahlender Müll, ungeklärte Endlage-
rung – muss diese Energieform als nicht zukunftsfähig
bezeichnet werden. Sie ist vor allen Dingen hochgefähr-
lich. Deshalb wollen wir den schnellen Ausstieg.
Aus gutem Grund ist die gesellschaftliche Akzeptanz
der Atomenergie niedrig. Das ist der tiefere Grund, die
tiefere Ursache dafür, warum in fast allen demokrati-
schen Staaten seit Jahren keine neuen AKWs mehr ge-
baut und auch keine neuen mehr geordert werden.
Es gibt schon seit Jahren eine fundamentale Akzeptanz-
krise der Atomkraft. Diese fundamentale Akzeptanz-
krise ist – das wissen Sie genau – ganz und gar berech-
tigt.
Auch was die Wirtschaftlichkeit der Atomkraft be-
trifft, macht sich mittlerweile kaum noch jemand Illusio-
nen. Sobald man sie vom Subventionstropf nimmt und
ihr die realen Folgekosten anlastet, ist ihre Wettbewerbs-
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Ich komme dazu.
All das sind die Gründe dafür, warum wir uns natio-
al wie international dafür einsetzen, aus der Atomener-
ie auszusteigen und in die erneuerbaren Energien sowie
n die moderne Effizienztechnik einzusteigen.
as ist einer der Hauptunterschiede zwischen Rot-Grün
nd Schwarz-Gelb und einer der Hauptgründe dafür,
ass wir 2002 die Wahl gewonnen haben und Sie die
ahl verloren haben; denn Sie hatten zu diesen Themen
ichts zu sagen.
as kann man ganz deutlich festhalten. Die Menschen
ollen eben Zukunftstechnologien und keine Dinosau-
iertechnologien.
Wenn ich Sie hier höre, Herr Meyer, oder wenn ich
öre, was Frau Merkel auf dem Parteitag gesagt hat,
ann muss ich feststellen: Ihre ökologische Ignoranz ist
irklich bodenlos. Sie hier anhören zu müssen, was
laubwürdigkeit betrifft, ist absoluter Wahnsinn; das
uss ich hier einmal sagen.
Wir müssen uns seit einigen Tagen mit zwei heiklen
tomgeschäften der Firma Siemens beschäftigen. Es
eht einmal um den geplanten Export der Anlage in Ha-
au und zum Zweiten um die Lieferung von Komponen-
en für ein AKW in Finnland.
evor ich zu den einzelnen Projekten Bewertungen
bgebe, möchte ich eine generelle Vorbemerkung ma-
hen: Wir müssen klar sagen, dass sich Nuklearrisiken
nd -unfallfolgen nicht an Grenzen halten. Die Irische
ee ist durch einen Vorfall in Sellafield kontaminiert
orden.
eite Teile Europas sind durch die Katastrophe in
schernobyl verstrahlt worden. Die Tatsache, dass Nord-
orea heute Atomkraftwerke betreibt und mit seinen Es-
apaden die regionale Stabilität gefährdet, hat auch et-
as mit der Nuklearpolitik Chinas zu tun.
Ich fasse zusammen: Wir haben es bei diesem Thema
it einer internationalen Frage zu tun. Deshalb ist es
ichtig, auf Kohärenz, auf die Stimmigkeit von Innen-
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003 7105
)
)
Dr. Reinhard Loske
und Außenpolitik, zu achten. Der Ausstieg aus der
Atomenergie und die Neuausrichtung der Außenwirt-
schaftsförderung gehören für uns zusammen; sie sind
zwei Seiten einer Medaille.
Jetzt zu den beiden Projekten. Ich glaube, man kann
schon sagen: Es gibt einen fundamentalen Unterschied.
Im Falle Finnlands wäre es um die aktive Unterstützung
von Atomtechnologie gegangen. Im Falle der Anlage in
Hanau geht es um die rechtliche Prüfung einer privat-
wirtschaftlichen Transaktion.
– Ich weiß gar nicht, warum Sie sich amüsieren. –
Politisch lehnen wir beide Geschäfte ab.
Es ist bekannt, dass wir es begrüßt hätten, wenn man den
Hanau-Deal im Vorfeld abgeräumt hätte.
Nun zu Finnland. Seit gestern hat die Firma Siemens
den Antrag auf Erteilung einer Bürgschaft zurückgezo-
gen. Es ist gut, dass sie dies getan hat; denn die Hermes-
richtlinien der Bundesregierung besagen ganz klar, dass
Atomgeschäfte nicht unterstützt werden können. Das ist
eine gute Entscheidung gewesen, die wir durch öffent-
lichen Druck und durch eine klare Positionierung beein-
flusst haben.
– Hören Sie einfach zu, anstatt hier so herumzuschna-
beln!
Zum Thema Hanau. In der Anlage selbst kann kein
Plutonium und kein waffenfähiges Material produziert
werden. Allerdings könnte – das ist zu klären – durch
den Einstieg in die Brütertechnologie auf Umwegen, die
ich jetzt im Detail nicht beschreiben will, kernwaffen-
fähiges Material erzeugt werden. Das muss ganz klar
verhindert werden.
Dafür gibt es mehrere gesetzliche Ansatzpunkte. Das
Erste ist § 7 des Außenwirtschaftsgesetzes, das Zweite
ist der Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaf-
fen und das Dritte ist die Dual-use-Richtlinie der Euro-
päischen Union.
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iese Dinge müssen jetzt geprüft werden.
aran wird sich das Auswärtige Amt selbstverständlich
eteiligen. Das Umweltministerium hat seine Stellung-
ahme abgegeben und gesagt: Atomrechtlich ist da
ichts zu machen, weil es sich nicht um eine Atoman-
age handelt. Allerdings sehen wir die Gefahr des militä-
ischen Missbrauchs und haben ganz klar darauf hinge-
iesen.
Wir sind der Meinung, dass dieses Geschäft nicht zu-
timmungsfähig ist. Wenn es doch zu einer positiven Be-
cheidung kommen sollte, so müssen klare Kautelen
zw. Randbedingungen eingezogen werden, Stichwort:
afeguards.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Wir sind der
einung, dass die Atomtechnologie eine Ausstiegstech-
ologie ist. Deswegen setzen wir uns für eine Export-
ffensive zur Förderung erneuerbarer Energien ein. Wir
rleben im Moment im Vermittlungsausschuss – das
asst zu Ihrer Verlogenheit –, dass die CDU/CSU bean-
ragt, diese Exportoffensive zu kürzen. – So weit zu Ihrer
laubwürdigkeit!
Das Wort hat jetzt der Kollege Rainer Brüderle von
er FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier gibt
s wirklich eine Fülle von Merkwürdigkeiten. Wolfgang
erhardt hat es bereits zitiert. Der Bundeskanzler hat am
. Dezember dieses Jahres wörtlich im ZDF in der Sen-
ung „Berlin direkt“ gesagt:
In der anderen Sache weiß man in der Regierung
seit längerem, dass wir diesen Rechtsanspruch er-
füllen müssen.
eute hat Herr Staffelt dem Wirtschaftsausschuss er-
lärt, die Rechtsprüfung sei noch nicht abgeschlossen.
iner von beiden sagt die Unwahrheit; es kann nicht bei-
es gleichzeitig stimmen.
Ich zitiere:
Selbst der härteste und pragmatischste Realpolitiker
wird einen Weg in die Plutoniumwirtschaft und de-
ren Legalisierung nicht mitgehen.
as sagte Joseph Fischer, kurz bevor er von Herrn Börner
urückgetreten wurde. Ebendieser Joseph Fischer geht
en Weg in die Plutoniumwirtschaft und deren Lega-
isierung ohne Murren mit. Die charakterlose Politik der
7106 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003
)
)
Rainer Brüderle
Grünen hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Fischer hat
noch im Wahlkampf 1998 getönt – ich zitiere –: In Ha-
nau habe ich die Plutoniumfabrik rechtlich und politisch
in drei Jahren stillgelegt. – Er hat die Brennelementefa-
brik rechtlich kaputtgemacht und die Zerstörung von
mehr als 2 000 Arbeitsplätzen politisch als Erfolg gefei-
ert.
Heute sind Fischer und Trittin die gefallenen Umwelt-
engel der deutschen Politik. Monatelang haben sich
Fischer und Trittin hinter einer chinesischen Mauer des
Schweigens verschanzt. Sie haben alles frühzeitig ge-
wusst. Nur, öffentlich gesagt haben sie nichts.
Darin, Herr Kuhn, liegt die Krux, die fragwürdige,
schändliche Moral. Sie haben versucht, den Eindruck zu
erwecken, als hätten Sie die Moral der deutschen Politik
gepachtet. Ihre Partei bzw. Herr Fischer haben damals
gesagt, die Anlage in Hanau sei nicht verantwortbar.
Aber Chinesen sind anscheinend Menschen zweiter
Klasse. Dort ist sie verantwortbar. Was ist das für eine
doppelte Moral?
Entweder haben Sie in Hessen gelogen oder Sie lügen
heute bei den Chinesen. Es ist eine unglaubliche Frag-
würdigkeit und Scheinheiligkeit, die Sie in die Politik hi-
neingebracht haben.
Nebenbei räumt der Bundeskanzler das Waffen-
embargo vorübergehend ab. Die Grünen ducken sich.
Schröder hat wieder einmal deutlich gemacht, dass sie
nichts zu sagen haben. Es gibt billige Ablenkungs-
manöver. Frau Höhn spricht sogar von den Sicherheits-
interessen der USA. Das ist unglaublich, der Gipfel der
Scheinheiligkeit. „Innen Ausstieg, außen Einstieg? Die
Glaubwürdigkeit der grünen Regierungspartei schmilzt
dahin“, so Herr Prantl, ein großer Fan von Grün-Rot, in
der „Süddeutschen Zeitung“. In Ihrer Hauspostille, der
„taz“, wird zutreffend festgestellt: „Fischer entsorgt Ha-
nau und sein Gewissen.“ Der Kanzler sagt Ja, die Grü-
nen sagen Amen.
Das Versteckspiel von Herrn Fischer ist nicht neu, so
war es auch bei der Bewilligung einer Hermesbürgschaft
für ein chinesisches Atomkraftwerk. Angeblich ist dies
an ihm im Auswärtigen Amt vorbeigelaufen. Auch bei
der einen oder anderen Sitzung des Bundessicherheits-
rates ist er offensichtlich nur körperlich anwesend. Da-
hinter steckt ein perfider Karrieretrick. Herr Fischer
weiß, dass er in Europa wegen der atomfeindlichen Hal-
tung nichts werden kann; denn England und Frankreich
denken nicht daran, die zivile Nutzung – auch nicht die
militärische – der Atomkraft aufzugeben.
Der Bundeskanzler hat das inzwischen offenbar er-
kannt. Er schickte seinen Lieblingsgewerkschaftler
Schmoldt vor, der im Sommer laut über einen Wieder-
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er Transrapid läuft in China und nicht hier. Die MOX-
abrik wird nicht in Hanau aufgebaut, sondern in China.
enauso ist es bei der Kernfusion
nd der Gentechnologie. Sie treten bei der Hochtechno-
ogie auf die Bremse. So können wir keine Arbeitsplätze
n Deutschland erhalten oder schaffen. Wahrscheinlich
ird Siemens demnächst die Firmenzentrale von Mün-
hen nach Schanghai verlegen, da die Firma nur in
hina die Chance sieht, ihre Hochtechnologieprojekte
mzusetzen. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. So kann
an Zukunft nicht gewinnen.
Scheinheilig versuchen Sie, die Stimmen der besorg-
en Menschen einzufangen. In der Praxis aber machen
ie das Gegenteil. Das ist Missbrauch von Glaubwürdig-
eit, Moral und Anständigkeit. Dass sich heute viele von
er Politik abwenden, hat viel mit Ihrem Vorgehen zu
un.
Herr Loske, jeder hat Ihnen doch angemerkt, mit wel-
her Verlegenheit Sie hier standen und nur aus Kadaver-
ehorsam die Politik von Fischer vertreten haben, weil
r Angst vor dem Verlust des Dienstwagens hat. Sie wer-
en noch persönlich die Hanau-Fabrik in China auf-
auen, damit Sie an der Regierung bleiben. Das ist Ihre
cheinheilige Haltung, mit der Sie die politische Glaub-
ürdigkeit in Deutschland unterminieren.
Das Ganze machen Sie ausgerechnet am Tag der
enschenrechte. Sie sollten sich schämen; denn das,
as Sie machen, ist ein Anschlag auf die Glaubwürdig-
eit der deutschen Politik.
Das Wort hat jetzt der Kollege Hans-Ulrich Klose von
er SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
en! Zu dem kommunikativen Drumherum will ich mich
icht äußern. Es war nicht durchweg erfreulich und ent-
prechend heftig ist die Kritik. Ich habe den Eindruck
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003 7107
)
)
Hans-Ulrich Klose
gewonnen, es macht auch Spaß. Die Kritik kommt, wie
wir wissen, von der jeweils anderen Seite.
Das, was wir heute erleben, hat eine gewisse Tradi-
tion. Auch die Vorgänger von Bundeskanzler Schröder,
Helmut Schmidt und Helmut Kohl, haben sich intensiv
um China gekümmert. Ich erinnere mich gut daran – teil-
weise habe ich es miterlebt –, dass sie, wenn sie aus
China in die deutsche Heimat zurückkehrten, mit hefti-
ger Kritik konfrontiert wurden. Das kann auch gar nicht
anders sein, weil man, wenn man zu einem Land wie
China gute kooperative Beziehungen pflegt, zwangsläu-
fig immer im Spannungsfeld zwischen Interesse und
Moral operiert.
Aus außenpolitischer Sicht muss man leidenschafts-
los feststellen können: Es entspricht nicht nur dem Inte-
resse der deutschen Wirtschaft, sondern es entspricht
auch dem Interesse Deutschlands, zu einem Land wie
China gute wirtschaftliche und politische Beziehungen
zu pflegen.
China ist ein sich schnell entwickelnder großer Markt
und zunehmend mehr ein politischer Faktor. Für den
Kanzler, der immer häufiger von den Vorzügen einer
multipolaren Weltordnung redet, macht es natürlich
Sinn, gute politische Beziehungen zu dieser aufsteigen-
den Macht zu unterhalten.
Natürlich wird immer sofort die Frage gestellt: Wie
steht es mit den Menschenrechten? Dazu sage ich Ihnen
erstens: Ich teile die Meinung derer, die sagen, enge
wirtschaftliche und politische Beziehungen zu einem
Land wie China trügen dazu bei, dass durch Einordnung
in internationale Regelungswerke auch die Verrecht-
lichung der chinesischen Politik fortschreite.
Das scheint mir das eigentliche Anliegen in einem Land
zu sein, das rechtsstaatliche Traditionen nicht kennt.
Zweitens. Nach allem, was ich weiß, ist der Rechts-
staatsdialog keine Alibiveranstaltung, sondern hat er-
staunlich gute Erfolge aufzuweisen. Auch das Thema
Menschenrechte ist dort immer behandelt worden. Dass
aber nach diesem Besuch ausdrücklich vereinbart wor-
den ist, ein Kapitel Menschenrechte hinzuzufügen, ist
für jeden, der die chinesische Mentalität kennt, ein über-
raschender Erfolgspunkt. Ich finde, das muss man er-
wähnen.
Zu den Punkten, die hier heftig diskutiert werden: Mir
ist auch nach Recherchen nicht völlig klar, was zum
Thema Waffenembargo wirklich erklärt worden ist. Ich
sage aus meiner Sicht dazu Folgendes: Selbst wenn
– was ich nicht glaube – das europäische Waffen-
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enn man so will, ist es eine virtuelle Diskussion.
ir können im Übrigen auch keine Waffen nach Taiwan
xportieren, weil es sich um ein Spannungsgebiet han-
elt. Aber ich lege Wert darauf, hier zu sagen: Wir soll-
en unsere chinesischen Partner in Mainland China stän-
ig darauf aufmerksam machen, dass wir von ihnen in
erfolgung der Ein-China-Politik ein friedliches Streben
ach Wiedervereinigung erwarten und nichts von dem
tändig hochgehaltenen militärischen Knüppel halten.
Erwähnen möchte ich, dass Taiwan immerhin eine
unktionierende Demokratie ist, in der Menschenrechte
espektiert werden.
Zur Hanauer Plutoniumfabrik: Es stimmt, dass es sich
ierbei in starkem Maße um eine Rechtsfrage handelt,
ber um eine Rechtsfrage von – das muss man hinzufü-
en – hoher politischer Bedeutung.
us außenpolitischer Sicht sage ich: Es muss vermieden
erden, dass draußen ein falsches Signal ankommt. Es
ibt heute weltweit eine Tendenz zur zivilen und leider
uch militärischen Renuklearisierung. Deshalb ist es un-
edingt erforderlich, dann, wenn ein solcher Export zu-
tande kommen sollte, handfeste und nachprüfbare Auf-
agen zu vereinbaren, dass eine militärische Nutzung
icht stattfindet.
as muss klar sein.
Meine letzte Bemerkung: Ich habe auch die Bemer-
ung einer Landesministerin aus Nordrhein-Westfalen
ehört, dass vor einer Entscheidung bezüglich der
7108 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003
)
)
Hans-Ulrich Klose
Hanauer Plutoniumfabrik die Vereinigten Staaten von
Amerika und die NATO gefragt werden müssten. Ich
stehe wahrscheinlich nicht im Verdacht, besonders anti-
amerikanisch zu denken und zu handeln, aber das
scheint mir ein bisschen zu viel an Amerikafreundlich-
keit zu sein.
Wenn wir in Zukunft Geschäfte mit anderen Ländern nur
noch abschließen, wenn wir vorher die Vereinigten Staa-
ten von Amerika gefragt haben, ob sie einverstanden
sind,
geraten wir – wenn ich das hamburgisch zurückhaltend
ausdrücken darf – auf ein Abseitsgleis. Ich könnte dazu
beim besten Willen nicht raten.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Peter Ramsauer von der
CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kol-
lege Klose, es war heute wieder außerordentlich wohltu-
end, Ihnen zuzuhören. Respekt vor diesem Beitrag. Es
hat mir auch selten so viel Spaß gemacht, Ihnen, lieber
Kollege Staffelt, zuzuhören. Vor dem Hintergrund der
Beiträge von Herrn Klose und Herrn Staffelt denke ich
mir nach all dem, was in den letzten Tagen von den Grü-
nen zu diesem Streitgegenstand verlautbart worden ist:
Die beiden können doch nicht in einer Koalition mit den
Grünen sitzen.
Aber, Herr Kollege Staffelt, Sie brauchen sich – ich
habe Ihnen genau zugesehen – weniger an die künftigen
Regierungsfraktionen zu wenden. Sie hätten sich mit Ih-
rem Beitrag mehr an Ihren grünen Koalitionspartner
wenden sollen; denn bis jetzt habe ich zwischen dem,
was die Oppositionsredner und was Kollege Klose und
Sie zur Sache gesagt haben, keine fundamentalen Ge-
gensätze feststellen können.
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nd dass die Grünen deshalb nach wie vor unreif sind, an
er Regierung dieses Landes beteiligt zu sein.
Meine Damen und Herren, ich frage mich auch Fol-
endes: Was für ein Licht wirft die politische Haltung
er Grünen auf das, was wir selbst von unserer deut-
chen Hochtechnologie, ihrer Einsatzfähigkeit in
eutschland und ihrer Export- und Durchsetzungsfähig-
eit auf internationalen Märkten halten? Was sollen die
enschen darüber denken, wie leichtfertig hier mit deut-
chen Arbeitsplätzen umgegangen wird? Warum soll die
echnologie, die in Deutschland des Teufels sein soll,
n China einsatzfähig sein? Und umgekehrt: Warum soll
as, was in der Volksrepublik China einsatzfähig ist,
icht auch in unserem Lande einsatzfähig sein?
er heutige Außenminister hat 1992 erklärt, dass von
er Hanauer Anlage eine – ich zitiere – „erhebliche Ge-
ährdung Dritter und der Allgemeinheit“ ausginge. Ich
rage mich: Hat sich diese Einschätzung etwa geändert?
ilt für das China von heute nicht das Gleiche, was An-
ang der 90er-Jahre für Deutschland galt?
Eine weitere interessante Frage lautet: Was für ein
icht wirft das darauf, wie wir mit einem weltpolitisch
nd strategisch wichtigen Partner, nämlich der Volksre-
ublik China, umgehen? Wieso – das frage ich mich vor
iesem Hintergrund – dieser überzogene Misstrauens-
orschuss? Hat es die Volksrepublik China als eines un-
erer wichtigen Partnerländer nicht wenigstens verdient
ich möchte gar nicht von einem überzogenen Vertrau-
nsvorschuss sprechen –, mit Maßstäben gemessen zu
erden, die diesem Land entsprechen und ebenbürtig
ind? Wir sollten den Chinesen eigentlich einen verant-
ortungsvollen Umgang mit dieser Technologie zu-
rauen.
Ich möchte noch einen Punkt unterstreichen, der be-
eits angeklungen ist: Wir tun so, als hätte dieses Land
einschließlich des erheblichen Energieverbrauchs und
erzeugungswachstums, das dort zu erwarten ist – nicht
ine riesige Entwicklung vor sich. Wenn wir von Joint
mplementation sprechen und es mit Klimaschutzzielen
rnst meinen, kann es uns nicht egal sein, wie die enorm
achsende Volkswirtschaft der Volksrepublik China
ünftig ihre Energieversorgung sichert.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003 7109
)
)
Dr. Peter Ramsauer
Wir wollen nicht unbedingt, dass das mit der Verstro-
mung von Braun- oder Steinkohle vonstatten geht. Viele
regen sich auf, wenn große Wasserkraftwerke entwickelt
werden. Wir können aber nicht zu allem Nein sagen.
Deswegen muss es uns im Sinne von Kioto und unserer
Klimaschutzziele nur recht sein, wenn in verantwor-
tungsvoller Weise die Grundlage für eine CO2-freieStromerzeugung gelegt wird.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es gäbe
noch vieles, was mir einen Schrecken einjagt, zu sagen,
zum Beispiel wie rot-grüner Fundamentalismus auch
Kapital in unserer deutschen Wirtschaft vernichtet. Sie-
mens hat diese Anlage für 700 Millionen Euro gebaut.
Jetzt wird sie zu einem Wert – man müsste fast sagen:
Schrottwert – von 50 Millionen Euro verscherbelt. Hier
werden 650 Millionen Euro abgeschrieben. Das ent-
spricht Steuerausfällen in Höhe von 300 bis 350 Millio-
nen Euro.
Eigentlich müsste das den Bundesfinanzminister grau-
sen.
Es ist nachvollziehbar, dass die Wirtschaft verzwei-
felt. Es hat mich nicht gewundert, dass das Unternehmen
Siemens gestern erklärt hat, es stelle für das Geschäft
mit Finnland nun doch keinen Antrag auf eine Hermes-
bürgschaft. Was bedeutet das denn? Das bedeutet, dass
Siemens sich davor hütet, auf die Zuverlässigkeit dieser
verlotterten Regierung zu setzen. Lieber hilft sich das
Unternehmen selbst, verzichtet auf die Hilfe dieser Re-
gierung und macht alleine das Geschäft mit Finnland, ei-
nem Land, von dem es weiß, dass es ein zuverlässiger
Partner ist und das Geld auch bekommt.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Ludger Volmer,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Liefe-
rung der Hanauer Atomfabrik verstößt gegen die Philo-
sophie des Atomausstiegs und gegen die Philosophie des
Atomsperrvertrages. Das ist der Grund dafür, dass dieser
Export nicht die politische Zustimmung der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen bekommen kann.
Allerdings bedarf es für den Export nicht einer politi-
schen Entscheidung – das ist uns bewusst –; es gibt viel-
mehr ein privatwirtschaftliches Verfahren. Die deutsche
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ir sind der Meinung, dass die Menschenrechte in
hina trotz des wirklich effektiven Rechtsstaatsdialogs
och nicht in dem Maße gewahrt werden, dass man voll-
tändig Entwarnung geben könnte.
Herr Gerhardt, Sie haben für die FDP-Fraktion den
ntrag eingebracht, dass das EU-Waffenembargo nicht
ufgehoben werden soll.
Richtig, sagen Sie. – Wenn Sie sich näher mit dem EU-
affenembargo beschäftigen, stoßen Sie auf den EU-
xportkodex. In Anhang 1 des EU-Exportkodexes ist
nter den so genannten Dual-Use-Gütern die Hanauer
abrik explizit aufgeführt.
as heißt, dass Sie, wenn Sie gegen die Aufhebung des
affenembargos sind, implizit auch gegen den Export
er Hanauer Fabrik sind.
as wäre konsequent. Sie können aber nicht fordern,
ass der Export stattfinden kann, und gleichzeitig, dass
as Waffenembargo bestehen bleibt. Die Politik der FDP
n dieser Frage ist nicht Fisch und nicht Fleisch. Studie-
en Sie erst einmal die Rechtslage, bevor Sie sich solche
olitischen Urteile zutrauen!
Selbst wenn das EU-Embargo aufgehoben werden
ollte, gelten noch immer die Bestimmungen des Atom-
perrvertrages. Es ist im Rahmen des Entscheidungspro-
esses über den Export zu prüfen, ob einige dieser Be-
timmungen einschlägig sind, und zwar in dem Sinne,
ass die Vorgabe des Außenwirtschaftsgesetzes, dass das
riedliche Zusammenleben der Völker nicht verletzt
ird, dadurch nicht berührt ist.
ber auch bei dieser Frage gibt es einige berechtigte
weifel. Zumindest fragen wir Grünen, ob mit dem Ex-
ort nicht bestimmte Risiken eingegangen werden. Wir
erlangen, dass diese Risiken geprüft werden.
7110 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003
)
)
Dr. Ludger Volmer
Ich komme auf ein Risiko zu sprechen. Kollege Loske
hat gerade zu Recht darauf hingewiesen, dass die Ha-
nauer Fabrik für sich genommen mit Blick auf eine
Atomwaffenproduktion nicht gefährlich ist. Aber zusam-
men mit dem schnellen Brüter, der in China in nicht
allzu ferner Zeit in die Testphase gehen wird, könnte sie
potenziell zu einer Gefährdung werden.
Ich spreche von potenziellen Gefährdungen und un-
terstelle China unter der jetzigen Führung keine böse
Absicht. Aber wenn wir über Sicherheitspolitik reden,
insbesondere über Atomstrategien, dann geht es nicht
um den subjektiven Willen, sondern um objektiv vorhan-
dene Kapazitäten geht; das weiß jeder Sicherheitspoliti-
ker.
Wir befürchten, dass objektiv gesehen Kapazitäten ge-
schaffen werden könnten. Das wird im Ausland mögli-
cherweise so perzipiert. Es stellt sich also die Frage, wie
das im Ausland wahrgenommen wird.
Sie wissen, dass auch Fehlperzeptionen Realität werden
können.
Schauen Sie sich die Situation von vor drei Jahren an,
als wir über die Lage in Taiwan diskutierten und besorgt
darüber waren, dass es wegen der Taiwanfrage zu einer
Verstimmung zwischen den USA und China kommen
könnte. Wir alle haben damals gehofft, dass dieser Kon-
flikt nicht eskaliert und dass die chinesische militärische
Drohung gegenüber Taiwan nicht zu einer großen trans-
pazifischen Verstimmung führt, wie es sie in den 70er-
und 80er-Jahren im transatlantischen Verhältnis gab. Wir
alle haben inständig gehofft, dass die Verstimmung,
sollte es doch zu ihr kommen, nicht atomar aufgeladen
wird.
Vor dem Hintergrund dieser Befürchtungen bitte ich
Sie: Prüfen Sie einmal die Frage, was es bedeutet, wenn
die objektiven Kapazitäten in China für die Erweiterung
eines militärischen Nuklearprogramms geschaffen wer-
den könnten! Das ist nämlich unsere Befürchtung. Diese
Befürchtung kann man auch in einer anderen Richtung
haben. Wir wissen: China steht mit seinen Atomwaffen
in einem Dreiecksverhältnis zu Indien und Pakistan.
Der gesamte Raum lädt sich atomar auf.
Wie wird Indien reagieren, wenn China größere Kapazi-
täten hat? Wie wird Pakistan dann auf Indien reagieren?
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err Brüderle, diese sicherheitspolitischen Überlegun-
en können Sie mit Ihrem Geschäftssinn nicht einfach
btun.
Ich sage gar nicht dogmatisch, dass wir mit unseren
efürchtungen Recht haben. Wir fordern von der Bun-
esregierung ein, dass sie diese Punkte in ihrem Prü-
ungsverfahren sehr genau prüft. Falls sie nicht triftig
ind, dann steht dem Export nicht viel im Wege.
s kann aber durchaus sein, dass es anknüpfend an diese
efürchtungen notwendig sein muss, ein Safeguard-Re-
ime zu errichten, das über das hinausgeht, was China
on der Internationalen Atomenergiebehörde im Mo-
ent abverlangt wird. Das wäre schon ein gewisser Er-
olg. Aus vielen Gründen, die hier dargestellt worden
ind, wäre es aber die bessere Lösung, diese Anlagen
berhaupt nicht zu produzieren.
m allerbesten wäre es, Siemens zöge den Antrag zu-
ück.
Danke.
Das Wort hat der Kollege Dr. Klaus Lippold von der
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was wir hier
n den letzten Tagen und auch heute erlebt haben, ist der
ipfel an Verlogenheit und Doppelmoral.
Vor Jahren haben die Grünen beim gleichen Thema
och mit dem Bruch der Koalition gedroht. Jetzt sagen
ie ganz entschieden und wild entschlossen: Wir prüfen.
as bedeutet das denn? Herr Volmer sagt, die Fraktion
ei dagegen. Herr Volmer, was sagt das denn?
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003 7111
)
)
Dr. Klaus W. Lippold
Sie werfen einen Spruch in den Raum und hinterher wer-
den Sie alle bis auf vielleicht zwei Ausnahmen von Ihren
Plätzen aus zustimmen. Der Rest dieser grünen Fraktion
wird die verlogene Richtung weitergehen, indem er sagt,
dass er dagegen ist, gleichzeitig aber dafür stimmt. Ich
sage es hier sehr deutlich: Ihr Außenminister ist der Gip-
fel dessen, was man an Verlogenheit und Unmoral ken-
nen kann.
In Hessen hat Herr Fischer die Anlage kaputtbehin-
dert bis zum Gehtnichtmehr.
Er hat so lange von den Gefährdungen gesprochen, bis
die Menschen Angst hatten, ihre Kinder schickten und
sagten: Diese Anlage ist, wie Herr Fischer gesagt hat,
nicht verantwortbar. Von dieser Angstmache hört man
heute kein Wort mehr.
Jetzt steht er mit gerunzelter Stirn tief verinnerlicht da
und sagt, dass dies ein Vorgang ist, der ihm bitter ernst
sei. Ich sage Ihnen ganz offen: Er lügt! Er lügt, weil es
ihm nicht Ernst damit ist. Er gehört zu denen, die mit
kalter technologischer Akribie mit dem Kanzler genau
dieses besprochen haben.
Schauen Sie sich seine Reaktion in der „Bild“-Zeitung
an! Er hat ja nicht gesagt, dass dies nicht geschehen soll,
sondern er hat sich darüber beschwert, dass das so früh-
zeitig an die Öffentlichkeit gekommen ist.
Da ich Sie gerade betrachte, sage ich Ihnen ganz of-
fen: Sie sind ein müder und trauriger Haufen.
– Das ging an die Grünen. – Sie lassen sich ganz einfach
gefallen, dass der Parteitag vorbeigeht, ohne dass Sie in-
formiert werden. Warum? – Weil Ihr Außenminister, der
keine Moral hat,
auf dem Parteitag der Grünen wegen dieser Frage beim
letzten Mal verprügelt worden ist und dann Kotau ma-
chen musste. Diesmal wollte er sich nicht wieder vor Ih-
nen verbeugen, sondern er wollte es perfekt machen, be-
vor es bekannt wird. Deshalb hat er Krach mit Schröder
gehabt.
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Aber sicher stimmt das. Dieses Verhalten werden wir
hnen in dieser Form nicht durchgehen lassen.
Der Bundeskanzler weist darauf hin – es sind ja nicht
ur die Grünen –, er könne schließlich nur nach Recht
nd Gesetz handeln. – Das wäre schön. Was hat denn
ieser Bundeskanzler seinerseits in Niedersachsen ge-
acht? Sie können es in der „FAZ“ nachlesen. Er hat ge-
en Recht und Gesetz verstoßen und verstoßen lassen,
m die Kernenergie und die Entsorgung zu behindern. Er
st damals mit der niedersächsischen Landesregierung
echtskräftig zu Schadenersatzleistungen verurteilt wor-
en. Der Mann, der in Niedersachsen permanent gegen
eltendes Recht verstoßen hat und verstoßen ließ, er-
lärt: Ich muss nach Recht und Gesetz handeln. – Das ist
icht nur falsch, sondern verlogen. Er wollte diesen
eal. Er wurde zu nichts gezwungen; um das ganz deut-
ich zu sagen.
Kollege Müller wird anschließend die Arie von der
inosauriertechnologie anstimmen, die wir in Deutsch-
and nicht brauchen. Er wird aber Gründe dafür finden,
ass sie in China weiterentwickelt werden kann.
ie wissen genauso gut wie ich, dass die Chinesen 50 bis
00 Kernkraftwerke planen. Dazu reichen Sie die Hand.
ier aber tun Sie das genaue Gegenteil.
er so verlogen argumentiert, darf sich nicht wundern,
ass wir das aufdecken und nicht mittragen.
Das Wort hat der Kollege Rolf Hempelmann von der
PD-Fraktion.
7112 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003
)
)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Die Stichwörter dieser Debatte, von der
Opposition ins Feld geführt, waren: Moral, Doppelmo-
ral, Verlogenheit, Scheinheiligkeit. Herr Brüderle, Herr
Meyer und Herr Lippold, man hat den Eindruck, hier re-
den nicht Politiker, sondern die Wächter der Moral die-
ser Nation. Wenn ich daran denke, wie lange Sie selber
im Glashaus gesessen haben, kann ich Ihren Mut nur be-
wundern. In jedem Fall ist auch das eine Form von
Transparenz. Ihre Vorgehensweise jedenfalls ist absolut
durchsichtig.
Worum geht es in Wirklichkeit? Es geht um die auch
in den Regierungsfraktionen selbstverständlich ernsthaft
diskutierte Frage der Kompatibilität von Innen- und Au-
ßenpolitik, von dem, was wir im eigenen Lande tun, und
dem, was wir außenpolitisch und außenwirtschaftspoli-
tisch machen. Eine solche Debatte zu führen ist absolut
in Ordnung und geradezu die Pflicht von Parlamentari-
ern.
Wir steigen in unserem Lande aus der Kernenergie
aus. Wir tun das aus gutem Grund. Dabei geht es um Si-
cherheit. Dieses Thema wird in unserer Bevölkerung
diskutiert und es wird – das wissen Sie – auch in unseren
Fraktionen diskutiert.
Deswegen stoßen unsere Vorstellungen auf große Ak-
zeptanz. Im Übrigen ist es nicht so, dass die Deutschen
mit diesem Ausstieg völlig alleine sind. Sie wissen, dass
in neun von 15 EU-Mitgliedstaaten eine ähnliche Politik
des Ausstiegs aus der Kernenergie betrieben wird. Es
gibt natürlich auch Länder, die bei der Kernenergie blei-
ben oder neu in die Kernenergie einsteigen.
Wir sind wegen der Risiken ausgestiegen. Heißt das,
dass damit eine Außenpolitik bzw. eine Außenwirt-
schaftspolitik inkompatibel ist, durch die beispielsweise
der Export einer MOX-Brennelementefabrik ermöglicht
wird? – Meiner Meinung nach heißt es das nicht. Zwar
ist unsere Technologie nach unserer Auffassung mit Ri-
siken behaftet. Sie ist unsicher. Aber wir wissen, dass es
leider im Ausland Kraftwerke und Brennelementefabri-
ken gibt, die noch wesentlich unsicherer als unsere sind.
Insofern ist es mindestens eine Prüfung wert, ob diese
Anlage aus Hanau gegebenenfalls nach China exportiert
werden kann.
– Kurt-Dieter Grill, du kannst nachher noch reden. Du
hast ganze fünf Minuten. Darin kann man eine Menge
unterbringen.
Die Prüfungen finden zurzeit statt. Wir jedenfalls
warten diese in aller Geduld ab. Ich sage ganz offen als
Wirtschaftspolitiker, als Außenwirtschaftspolitiker und
als Energiepolitiker: Ich würde mich freuen, wenn die
Prüfung letztlich zu dem Ergebnis führen könnte, dass
dieser Export unter ganz bestimmten Auflagen und Be-
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Das Wort hat der Kollege Ruprecht Polenz von der
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist
icht nur die Nuklearpolitik der rot-grünen Bundesregie-
ung beim Chinabesuch des Bundeskanzlers unter die
äder gekommen. Ich verstehe den Ärger vor allen Din-
en der Grünen über ihr Führungspersonal, das nicht ge-
uckst und, um im Bild zu bleiben, auch nicht gemoxt
at.
s ist noch ein zweites Herzensanliegen der rot-grünen
oalition beim Chinabesuch des Kanzlers gleich mit
ber Bord geworfen worden. Sie haben sich im
ahre 2000 mit den neuen Rüstungsexportgrundsätzen
ehr stolz uns gegenüber präsentiert und gesagt: Keine
üstungsexporte in Länder, die in schwerwiegender
orm die Menschenrechte verletzen, keine Rüstungsex-
orte in Krisengebiete. – Sie wollten alles viel restrikti-
er handhaben als die Vorgängerregierung.
Jetzt verspricht Bundeskanzler Schröder dem chinesi-
chen Staatspräsidenten, dass er sich dafür einsetzen
ill, dass das Waffenembargo der Europäischen Union
egen China aufgehoben wird. Nun haben Sie vorhin in
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003 7113
)
)
Ruprecht Polenz
der Fragestunde und in einigen Beiträgen alles versucht,
um klarzumachen, dass das Waffenembargo mit unseren
Rüstungsexportrichtlinien nichts zu tun habe und unsere
Politik davon völlig unberührt bleibe. Wer soll das glau-
ben, meine Kolleginnen und Kollegen von der Regie-
rungskoalition? Was macht es für einen Sinn, sich für die
Aufhebung des Waffenembargos einzusetzen, wenn man
selber keine Geschäfte vorhat? Der Außenminister hat
vorhin auf meine entsprechende Frage, wie ich fand,
sehr ausweichend geantwortet.
Als ob wir ein Interesse daran hätten, dass China wei-
ter aufrüstet! China wird nicht bedroht. China hat mit
circa 2,5 Millionen Soldaten die größte Armee der Welt.
Dazu kommen 1,1 Millionen bewaffnete Volkspolizis-
ten. Der Verteidigungsetat Chinas steigt jährlich um
mehr als 17 Prozent.
Im Jahresabrüstungsbericht 2002 – die Bundesregie-
rung hätte wenigstens ihren eigenen Bericht lesen kön-
nen – heißt es:
Die schon heute weit fortgeschrittenen Entwick-
lungsprogramme zur Verbesserung der verfügbaren
Nuklearwaffen und ihrer Trägermittel werden wei-
ter fortgesetzt … Biologische und chemische Waf-
fen gehören ebenfalls zum chinesischen Inventar.
Auf der anderen Seite ist China der größte Empfänger
deutscher Entwicklungshilfe. Seit 1985 sind Finanzie-
rungszusagen mit einem Volumen von 2,15 Milliarden
Euro erfolgt. In diesem Jahr werden 80 Millionen Euro
für die finanzielle Zusammenarbeit und 20 Millionen
Euro für die technische Zusammenarbeit gewährt.
Ich frage Sie: Haben wir ein Interesse daran, dass
China statt in seine Entwicklung – wir fördern mit unse-
rer Hilfe in diesem Bereich sinnvolle Projekte – in seine
Rüstung investiert? Wenn das nicht der Fall ist, frage ich
Sie, warum die Forderung nach einer Aufhebung des
Waffenembargos erhoben wird.
Was hat sich eigentlich seit der Verhängung des EU-Em-
bargos im Hinblick auf die Menschenrechtslage geän-
dert?
Amnesty International stellt in seinem Jahresbericht
2003 fest:
Es waren erneut schwere Menschenrechtsverletzun-
gen zu verzeichnen. In gewissen Bereichen ver-
schlechterte sich die Menschenrechtslage im Ver-
gleich zu den Vorjahren. Nach wie vor wurden
Zehntausende Personen willkürlich festgenommen
oder inhaftiert, weil sie in friedlicher Weise ihre
Rechte auf freie Meinungsäußerung, Religions-
oder Vereinigungsfreiheit wahrgenommen hatten.
Auf der Homepage des Auswärtigen Amtes heißt es
in einer etwas geglätteten Fassung, die Menschenrechts-
lage in China bleibe weiterhin ein „Reibungsfaktor“ in
den bilateralen Beziehungen.
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Was den zweiten Grundsatz angeht, keine Rüstungs-
xporte in Krisen- oder Spannungsgebiete durchzufüh-
en, hat der Kollege Volmer vorhin zu Recht darauf hin-
ewiesen, dass es in Asien – ich nenne als Beispiele
ndien, Japan, China und Indonesien – sehr viele histo-
isch begründete Spannungen wie auch aktuelle Streitig-
eiten um den Verlauf von Grenzen gibt. Es gibt ferner
treitigkeiten um Inseln im Chinesischen Meer. Dabei
eht es auch um Öl. Diese Rivalitäten haben zu einem
eftigen Wettrüsten in der Region geführt.
Der Kollege Volmer hätte diese Fakten seiner Regie-
ung vortragen sollen. Es ist durchaus richtig, dass es in
ieser Region Tendenzen zur Nuklearisierung gibt. Es
ibt vor allen Dingen keine wirksamen Rüstungskon-
rollregime.
Ich nenne ferner den Fall Taiwan. Der Bundeskanzler
st deutlich über das Festhalten an der Ein-China-Politik
inausgegangen. Er hat die Teilung Deutschlands in ei-
en argumentativen Zusammenhang mit der Teilung
hinas gestellt. Die Deutschen wüssten, hat er festge-
tellt, was die Teilung eines Landes bedeutet und er ver-
tehe die chinesischen Gefühle gegen Taiwan. Damit hat
r sich den Standpunkt Pekings zu Eigen gemacht, Tai-
an sei der eigentliche Verursacher der Krise.
Dabei ist Taiwan – der Kollege Klose hat darauf hin-
ewiesen – eine Demokratie und wir können uns eine
in-China-Politik bzw. die Vereinigung Chinas mit Tai-
an nur auf friedliche Weise vorstellen.
ie massive chinesische Aufrüstung in der Taiwan di-
ekt gegenüberliegenden Provinz passt nicht dazu.
Eine Vereinigung mit Taiwan kommt doch nur dann
nfrage, wenn sich China zu einem Rechtsstaat und zu
iner Demokratie entwickelt.
n dieser Stelle schließt sich der Kreis; denn nur in dem
all wird Taiwan die Vereinigung freiwillig vollziehen.
Es gibt in dieser Frage keinen Gegensatz zwischen
oral und Interesse. Ich halte diese Gegenüberstellung
ür falsch. Denn langfristig wird China nur dann ein be-
echenbarer Partner sein – übrigens auch für Wirt-
chaftskontakte –, wenn es sich zu einem Rechtsstaat
nd zu einer Demokratie entwickelt.
Lassen Sie mich mit einem Zitat des früheren Frak-
ionsvorsitzenden der Grünen schließen, das auf die
eise des Bundeskanzlers passt:
Sie müssen sich vorwerfen lassen, dass die Bundes-
regierung beim Besuch des Bundeskanzlers in
China im Umgang mit der chinesischen Führung
7114 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003
)
)
Ruprecht Polenz
den Eindruck erweckt hat, dass sie zwar an den
Prinzipien der Menschenrechte festhält, dass sie
diese aber im Zusammenhang mit der Geschäftsent-
wicklung zwischen der Bundesrepublik Deutsch-
land und China weit in den Hintergrund rückt.
So weit Fischers Feststellung damals. Er hätte damit
auch den jetzigen Bundeskanzler meinen können.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
gen, dass die CDU/CSU gegen den Export ist?
Diese Rede hat die Bedenken der Grünen ge-
stärkt! Das ist eine Begründungsrede für die
anderen Schluss gegeben, dann hätten wir klat-
schen können!)
Das Wort hat jetzt der Kollege Christian Müller von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zum Thema Moral hat der Kollege Hempelmann schon
alles Nötige angemerkt. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Aber Herr Ramsauer meinte, einige Kollegen dafür lo-
ben zu müssen, wie sachlich sie diese Diskussion gestal-
teten. Möglicherweise geschah dies nur, um einen Kon-
trast zu schaffen; denn das, was dann folgte, war ja das
genaue Gegenteil von Sachlichkeit. Ich weiß nicht, ob
Sie das so deutlich herausstellen wollten, wie Sie das
dann getan haben.
Es ist billige Polemik, wenn hier laufend von „verlotter-
ter Regierung“ und „Verlogenheit“ geredet wird.
– Ihr Kollege Lippold war so frei.
Herr Kollege Brüderle und Herr Kollege Gerhardt, Ih-
nen möchte ich mich ebenfalls zuwenden. Ich glaube,
dass im Zusammenhang mit der Hanauer Anlage auch
ein klein wenig Legendenbildung betrieben wird. Man
kann ja in diesen Tagen einiges über die damaligen Er-
eignisse nachlesen. Auf die Rolle von Herrn Fischer
wurde bereits hingewiesen. Das ist eine geschichtliche
Tatsache. Aber letztendlich verzögerte sich der Bau der
Hanauer Anlage durch sein Verhalten nur. Schließlich
erhielt die Anlage durch Minister Weimar eine Betriebs-
genehmigung. Wer hat von dieser Betriebsgenehmigung
eigentlich Gebrauch gemacht? Die Industrie bzw. – bes-
ser gesagt – die Energiewirtschaft hatte sich bereits in
den 80er-Jahren von der Vision einer fortgeschrittenen
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr
olenz, ich fand es über weite Strecken durchaus ange-
essen, wie Sie sich mit dem Thema beschäftigt haben.
ch sage das nicht, weil ich als Oberlehrer auftreten will,
ondern weil ich bei dieser Debatte folgendes Grundpro-
lem erkenne: Wir setzen uns im Plenum des Deutschen
undestages mit ernsthaften Problemen zunehmend
icht mehr ernsthaft auseinander.
Wir leben in einer Welt von großen Interessengegen-
ätzen, Widersprüchen und Spannungen. Wir werden ei-
er immer mehr zusammenwachsenden Welt nicht damit
erecht, dass wir Schablonen verwenden und immer nur
en Teufel oder Beelzebub ausmachen. Mit dieser Art
er Diskussion leisten wir nicht die notwendigen Diffe-
enzierungen und Bewertungen. Das ist das eigentliche
roblem. Dahinter steckt letztlich auch eine Form von
olitikunfähigkeit, die ich alarmierend finde.
Was sind die Schablonen, mit denen gearbeitet wird?
ie eine Schablone ist: Wenn man zu einer technologi-
chen Entwicklung begründet Nein sagt, dann ist man
in Arbeitsplatzvernichter. Man redet nicht über die
ründe. Die andere Schablone ist: Wenn man – wie
ier – nach Gesetz und Recht verfährt, dann handelt man
oppelbödig.
Es tut mir Leid: Das alles passt nicht zusammen. Ich
inde, wir müssen uns mit dem Problem auseinander set-
en. Wir haben in der Bundesrepublik seit Anfang der
0er-Jahre eine sehr intensive Debatte über die Atom-
nergie geführt – durch sie sind viele von uns, ich auch,
eprägt –, an deren Ende wir gesagt haben: Wir halten
iese Technologie für falsch. – Dass damit noch nicht
ie ganze Welt Nein zu dieser Technologie sagt, ist ein
atbestand. Damit müssen wir umgehen, aus meiner
icht in der Weise, dass wir auf der einen Seite unsere
edenken aufrechterhalten, dass wir auf der anderen
eite eingehende Anfragen nach Recht und Gesetz beur-
eilen. Dass wir auch die Spielräume ausnutzen, die es
abei gibt, halte ich für berechtigt. Vor allem aber müs-
en wir durch unser Beispiel zeigen, dass manche Wege
alsch sind. Damit hat das rot-grüne Projekt, wenn ich es
o sagen darf, in der Bundesrepublik mit der Energiepo-
itik begonnen.
Wir wollen eine andere Energiepolitik, nicht nur aus
ationalen Gründen; das wäre zu kurz gesprungen. An-
ererseits wollen wir nicht nach dem Motto verfahren:
7116 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003
)
)
Michael Müller
Am deutschen Wesen soll die Welt genesen. – Aber wir
wollen zeigen, dass es anders geht. Das finde ich richtig
und sehr wichtig. Das ist ein Teil der Auseinanderset-
zung, die wir seit Jahren führen.
Der Kollege Klose hat völlig Recht damit, dass im
Augenblick vor allem über Osteuropa und über Fernost
versucht wird, das Thema Atomenergie wieder mehr
hoffähig zu machen, militärisch wie zivil. Das ist eine
alarmierende Entwicklung. Ich will nur ein Beispiel nen-
nen, ohne dass ich damit den Chinesen etwas unterstelle:
In China liegt die Zuständigkeit für die Nutzung der mi-
litärischen und der zivilen Nutzung der Atomkraft bei ei-
nem einzigen Amt. Das ist – es tut mir Leid, das so sa-
gen zu müssen – schon eine bedenkliche Entwicklung.
Die Grenze zwischen militärischer und ziviler Nutzung
ist in China – wie übrigens in vielen Ländern – nicht
klar.
Wer das völlig unkritisch sieht, dem sage ich – es tut mir
Leid –: So blauäugig kann man nicht sein.
– Ich meine diejenigen, die das unkritisch sehen. Wenn
Sie sich angesprochen fühlen, finde ich das interessant.
– Wir haben doch eine intensive Diskussion über die Al-
ternativen geführt. Anscheinend haben Sie das immer
noch nicht mitbekommen. Angesichts der großen ener-
giepolitischen Herausforderungen in der Welt – als
Stichwörter nenne ich: Endlichkeit, Abhängigkeit von
Ressourcen, Unterversorgung mit Energie in den Ent-
wicklungsländern, ökologische Problematik, möglicher
militärischer Missbrauch bzw. mögliche Unfälle – ist
nach aller Logik, vom Club of Rome bis zu wem auch
immer doch nur eine einzige Philosophie wirklich rich-
tig, nämlich die, auf mehr Effizienz und auf Solarener-
gienutzung zu setzen. Insofern muss man sich die Frage
stellen, welche energiepolitischen bzw. technologiepoli-
tischen Voraussetzungen dafür notwendig sind. Das ist
doch unsere internationale Argumentation. Wir sagen
eindeutig, dass man das mit der Atomkraft nicht schafft.
Sie können anderer Meinung sein, aber Sie müssen das
dann auch belegen und dürfen nicht so tun, als ob wir
hier mit dümmlichen Argumenten operieren.
Wir haben schon einen sehr ernsthaften Grund für unsere
Haltung.
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Ein anderes Beispiel. Natürlich ist die Wirksamkeit
on Steuerstäben bei MOX-Brennelementen verändert.
amit sind technologische Probleme verbunden.
Natürlich kann man auch den Plutoniumgehalt in den
ellets verändern, zwischen 5 und 7 Prozent. Dann kön-
en sie auch anders genutzt werden.
an kann doch nicht so tun, als ob dies nicht objektive
robleme wären, mit denen man sich nicht auseinander
u setzen hätte.
Deshalb finde ich richtig, was wir machen, nämlich
afeguards einzusetzen, verbindliche Verträge zu schlie-
en und Bedingungen zu formulieren, etwa des Inhalts,
ass es von China aus keinen Tourismus mit Atombrenn-
täben geben darf.
as sind richtige Auflagen. Diese müssten eigentlich
on uns gemeinsam unterstützt werden. Stattdessen wer-
en hier kleinkarierte parteipolitische Auseinanderset-
ungen geführt.
afür ist dieses Thema viel zu ernst.
Ich sage zum Abschluss: Die Art und Weise, in der
ie hier argumentieren, zeigt nur, dass Sie nicht fähig
ind, sich mit solch ernsten Problemen auseinander zu
etzen.
Das Wort hat jetzt der Kollege Kurt-Dieter Grill von
er CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol-
ege Müller, es ist eigentlich so, wie es immer ist: Sie
ntscheiden, wer hier ernsthafte Beiträge bringt.
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003 7117
)
)
Kurt-Dieter Grill
Sie entscheiden, wer den Ansprüchen von Ethik und
Moral gerecht wird. Sie entscheiden, welche Lösung an-
gesichts der globalen Verantwortung für Energiepolitik
die einzig richtige ist. Ich sage Ihnen: Wenn Sie Ihren
Maßstab anlegen, dann hat der Bundeskanzler in Peking,
nicht einmal in Berlin, bei einem brisanten innenpoliti-
schen Thema die Latte der Moral so hoch gelegt, dass
Fischer und Trittin gemeinsam Huckepack darunter
durchkommen. So sieht die Situation aus.
Wir reden in Wahrheit nicht über einzelne technologi-
sche Fragen, sondern wir reden über den Widerspruch
zwischen Ihrer innenpolitischen Moralattitüde bezüglich
des Ausstiegs aus der Kernenergie und der Tatsache,
dass Sie eine zentrale Technologie, die in Deutschland
entwickelt worden ist, unter all den Randbedingungen,
die die Kollegen Klose und Polenz hier genannt haben,
nach China exportieren wollen. Darüber reden wir; die-
sen Widerspruch können Sie im Grunde genommen
nicht auflösen.
Herr Staffelt hat ja in bewunderwerter Offenheit da-
rauf hingewiesen, dass das Thema seit Februar virulent
ist. Trotzdem – wir leben schließlich in einer Demokra-
tie – ist dieses Thema von dieser Bundesregierung dem
Parlament gegenüber bis Dezember 2003 verschwiegen
worden
und dann zu allem Überfluss in Peking öffentlich ge-
macht worden.
Ich finde es ja in Ordnung, wenn man fordert, dass
wir aus dem Schablonendenken herauskommen müssen.
Ich frage mich dann aber nur, warum ausgerechnet ein
Mitglied Ihrer Fraktion, nämlich Herr Erler, sich hier
hinstellt und uns nach der Rede von Herrn Lippold als
Büttel der Atomindustrie bezeichnet. Meine Damen und
Herren, nicht die CDU/CSU und auch nicht die FDP ha-
ben in Peking verkündet: Basta, es wird exportiert. Das
war Ihr Bundeskanzler und niemand anders. Angesichts
dessen frage ich Sie nun aber: Wer ist der Büttel, wenn
es denn überhaupt einen gibt?
Angesichts dessen, dass Sie jetzt hier im Nachgang
die Plutoniumfrage wieder hervorkramen, rate ich Ihnen,
den Bericht der Bundesregierung von heute Morgen an
den Wirtschaftsausschuss zu lesen. Lesen Sie ihn ein-
mal, Herr Müller, ehe Sie so über Plutonium reden, wie
Sie es getan haben. Da steht: Die Anlage ist in ihrer der-
zeitigen Konfiguration technisch nicht für die Herstel-
lung von Brennelementen für schnelle Brutreaktoren
ausgelegt.
Mit der Anlage kann kein Plutonium erzeugt, sondern le-
diglich vorhandenes Plutonium verarbeitet werden.
Ihr scheinheiliger Versuch, hier eine sachliche De-
batte zu führen, indem Sie davon reden, dass Sie sich
große Sorgen um die Einhaltung von Vorschriften und
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st in Wahrheit nichts anderes als Ihre alte Methode,
motionen wie Angst und Schrecken bezüglich des Ein-
atzes von Kernenergie heraufzubeschwören,
m die Menschen in die Angstecke zu treiben, ohne ih-
en jedoch eine Lösung anzubieten.
Doch, gerade Sie, Herr Loske, haben doch behauptet,
ass Kernenergie in einer Demokratie nicht mehr durch-
etzbar sei. Was für eine Staatsform hat denn Finnland?
n Frankreich wird in diesem bzw. im nächsten Jahr über
en Bau des EPR entschieden. Auch Frankreich ist nach
einen Informationen eine Demokratie.
Doch, Sie haben sich zu dem Thema ausgelassen.
Ich will hier noch einmal ganz deutlich sagen: Die
rage, ob Safeguards der IAEO eingesetzt und andere
inge, die aus unserer Sicht wichtig sind, eingehalten
erden, hat doch hoffentlich Ihr Außenminister geprüft,
evor er seine Zusage gegeben hat.
der sind Sie sich nach dem, was Sie hier vorgetragen
aben, nicht sicher, dass Herr Fischer das ernsthaft ge-
rüft hat? Das kann doch nun wirklich nicht sein.
Auch wenn Herr Staffelt meinte, wir sollten nicht
ber die Vergangenheit diskutieren, kann ich ihnen doch
in Letztes nicht ersparen: Wenn Sie wirklich an der Ver-
ichtung von Plutonium, das für Waffen genutzt, weiter-
enutzt und wiederverwendet werden kann, interessiert
ewesen wären, dann hätten Sie als grüne Politiker im
ahre 2000 den Export dieser Anlage nach Russland
icht verhindern dürfen, sondern sie den Russen geben
üssen, damit das Plutonium aus vernichteten Waffen
ür friedliche Zwecke hätte genutzt werden können.
uch jetzt geben Sie ja Gelder für die Verschrottung von
tom-U-Booten. Damals haben Sie mit den gleichen Ar-
umenten wie heute den Export dieser Anlage verhin-
ert.
eswegen besteht nicht nur zwischen Ihrer Innen- und
ußenpolitik ein Widerspruch, sondern Sie haben zu ei-
em Zeitpunkt, als Sie dazu hätten beitragen können,
7118 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Dezember 2003
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Kurt-Dieter Grill
dass Plutonium für immer und ewig vernichtet wird,
schlicht und einfach versagt.
Ich sage ausdrücklich, Herr Kollege Klose: Ich bin
mit Ihnen einer Meinung, dass China ein wichtiger Part-
ner ist – darüber brauchen wir sicherlich nicht zu strei-
ten –, genauso wie Amerika immer ein wichtiger Partner
bleiben wird. Der Kollege Polenz hat, wenn ich mich
nicht irre, aus einer Rede von Joschka Fischer zu einer
Chinareise von Helmut Kohl zitiert. Ich möchte Ihnen
mit Blick auf Ihre Beiträge hier, in denen es unter ande-
rem hieß, die Opposition habe Blasen geschlagen, gerne
die Rede von Herrn Fischer zur Chinareise von Helmut
Kohl im Jahre 1995 zur Lektüre empfehlen. Aufgrund
des Umzuges unseres Wissenschaftlichen Dienstes bin
ich an die Rede nicht mehr herangekommen; sonst hätte
ich Ihnen gerne ein paar Passagen daraus vorgelesen.
Herr Volmer, Sie haben gesagt: Machen Sie sich nicht
unsere Sorgen. Ich sage Ihnen, warum ich besonders er-
bost bin über die Art und Weise, wie Sie in dieser Frage
vorgehen: Sie haben, insbesondere bei mir zu Hause,
keine Gelegenheit ausgelassen, die Risiken und Gefah-
ren der Kernenergie als unermesslich hoch zu beschrei-
ben. Ich empfinde es als niederträchtig, dass die rot-
grüne Bundesregierung bei diesem Export lediglich mit
der Rechtslage argumentiert und so tut, als sei der Atom-
export aufgrund der Rechtslage nicht zu verhindern.
Dies ist schlicht und einfach eine Verkürzung der Sach-
verhalte, dessen, was Herr Schröder in China gewollt hat
und was er zugesagt hat.
Herr Kollege Grill, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ihr zentraler Widerspruch an dieser Stelle: Sie predi-
gen Wind und exportieren Atom.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, 11. Dezember 2003,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.