Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! DieSitzung ist eröffnet.Der Kollege Werner Lensing feierte am 30. Oktoberseinen 65. Geburtstag. Im Namen des Hauses gratuliereich ihm nachträglich sehr herzlich und wünsche alles Gute.
Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundeneTagesordnung um die in einer Zusatzpunktliste aufge-führten Punkte zu erweitern:ZP 1 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachtenEntwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Bundes-verfassungsgerichtsgesetzes– Drucksache 15/1848 –Überweisungsvorschlag:RechtsausschussZP 2 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der SPD unddes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENNotwendigkeit der steuerlichen Entlastung für Familien, Ar-beitnehmer und Unternehmen bereits zum 1. Januar 2004 zurFlankierung des sich abzeichnenden WirtschaftsaufschwungsZP 3 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSUzu den Antworten der Bundesregierung auf die Fragen 14und 15 auf Drucksache 15/1857
ZP 4 Zweite und dritte Beratung des von den AbgeordnetenDr. Heinrich L. Kolb, Dirk Niebel, Daniel Bahr ,Redetweiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrach-ten Entwurfs eines Gesetzes zur Beendigung der Frühver-rentung– Drucksache 15/1810 –
a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses fürWirtschaft und Arbeit
– Drucksache 15/1885 –Berichterstattung:Abgeordneter Wolfgang Grotthausb) Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der Geschäftsordnung– Drucksache 15/1927 –Berichterstattung:Abgeordnete Volker KröningHans-Joachim FuchtelAnja HajdukDr. Günter Rexrodt
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tionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs einesZweiten Gesetzes zur Änderung des Sechs-ten Buches Sozialgesetzbuch und andererGesetze– Drucksache 15/1830 –
– Zweite und dritte Beratung des von den Frak-tionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs einesDritten Gesetzes zur Änderung des Sechs-ten Buches Sozialgesetzbuch und andererGesetze– Drucksache 15/1831 –
aa) Beschlussempfehlung und Bericht desAusschusses für Gesundheit und SozialeSicherung
– Drucksache 15/1893 –Berichterstattung:Abgeordnete Erika Lotz
– Drucksache 15/1900 –Berichterstattung:Abgeordnete Dr. Michael LutherOtto FrickeWaltraud LehnAnja Hajdukb) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Gesundheit und So-ziale Sicherung zu dem Antragder Abgeordneten Andreas Storm, AnnetteZGsldhFdraBdÖsZbRd
ses für Wirtschaft und Arbeit
– Drucksache 15/1885 –Berichterstattung:Abgeordneter Wolfgang Grotthausb) Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der Geschäftsordnung– Drucksache 15/1927 –Berichterstattung:Abgeordnete Volker KröningHans-Joachim FuchtelAnja HajdukDr. Günter RexrodtÜber die Entwürfe eines Zweiten und eines Drittenesetzes zur Änderung des Sechsten Buches Sozialge-etzbuch und anderer Gesetze werden wir später nament-ich abstimmen.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürie Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ichöre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegenranz Müntefering, SPD-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Miter Verabschiedung der Gesetzentwürfe zur Alterssiche-ung im Jahre 2004 wird die erste Phase der Agenda 2010bgeschlossen. Wir haben seit dem 14. März, als derundeskanzler hier die Agenda 2010 vorgestellt hat, iner Koalition, in unseren Parteien und in der politischenffentlichkeit in Deutschland eine ungewöhnlich inten-ive Diskussion über die Situation im Lande und über dieukunftsfähigkeit des Landes überhaupt geführt.Wir haben eine Reihe von Reformen auf den Weg ge-racht: das Gesetz zur Reform des Arbeitsmarktes, dieeform der Handwerksordnung, die Modernisierunger Bundesanstalt für Arbeit, die Zusammenlegung von
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Franz MünteferingArbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, die Gesundheitsre-form – sie ist schon beschlossen –, die Gemeindefinanz-reform, zwei Gesetze zur Alterssicherung im Jahr 2004– wir behandeln sie heute in zweiter und dritter Lesung –,den Subventionsabbau und das Vorziehen der Steuer-reform von 2005 auf 2004.Unsere Koalition hat in einer anstrengenden Zeit mitheftigen Debatten und Demonstrationen in diesem Land,mit denen wir uns auseinander zu setzen haben, das ge-leistet, was wir versprochen haben: Wir haben uns Ge-danken gemacht und Gesetze auf den Weg gebracht, dieden Sozialstaat in Deutschland in seiner Substanz dauer-haft sichern und Wohlstand in unserem Land heute, mor-gen und übermorgen ermöglichen. Das sind die Zieledieser großen Anstrengungen.
Als der Bundeskanzler am 14. März die Agenda 2010vorgestellt hat, fragte die Opposition: Was mag denndaraus werden? Wir sind sehr konkret geworden. Kon-kreter als mit Gesetzen kann man nicht vorgehen. DieGesetze liegen dem Bundesrat nun vor. Heute werdenauch die Gesetze zur Alterssicherung dem Bundesrat zu-geleitet; einiges davon wird später in den Vermittlungs-ausschuss gehen.Die Frage ist: Was hat die Opposition in der Zeit seitdem 14. März gemacht? Sie hat sich von Anfang an anden Diskussionen beteiligt, aber sie hat es verpasst, da-bei konkret zu werden. In Sachen Gesundheitsreformhaben wir es geschafft, zusammenzuarbeiten. Es werdenviele Dinge zu dem entsprechenden Gesetz, auch drau-ßen, gesagt. Ich bleibe dabei: Es war vernünftig, dass wirim Deutschen Bundestag dafür gesorgt haben, dass die-ses Gesetz zur Gesundheitsreform beschlossen wird.Die weiter gehende Frage an Sie, Frau Merkel, und andie Opposition überhaupt lautet: Was ist Ihre Position zuden anderen Reformvorhaben, die ich hier eben nocheinmal erwähnt habe? Was für eine Debatte haben Sie inder Zeit seit dem 14. März eigentlich geführt? Weshalbsind Sie bis zum heutigen Tag nicht in der Lage, zu sa-gen: Jawohl, das Vorziehen der Steuerreform ist sinnvollfür dieses Land und wir, die Opposition, unterstützen es?
Wieso muss eigentlich dieses Land darauf warten, bisSie sich in den nächsten Wochen in der eigenen Fraktion,vielleicht sogar noch mit der FDP, darüber einig sind, obSie jetzt wirklich wollen oder vielleicht doch nicht sosehr wollen, also sich für Ja oder Nein entscheiden. DassSie wollen, belegen eine ganze Reihe von Zitaten: „Wirsagen genau wie andere auch Ja zu einem Vorziehen derSteuerreform“ – Angela Merkel am 16. Juli. „Wir haltendas Vorziehen der Steuerreform für eine gute Möglich-keit, Impulse für die Wirtschaft zu setzen“ – EdmundStoiber am 24. August. „Es wäre falsch, jetzt der Regie-rung in den Arm zu fallen“ – wiederum Edmund Stoiber.
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enn es in Deutschland nicht vorangeht, geht das aufhr Konto. Das muss heute hier auch noch einmal in allereutlichkeit unterstrichen werden.
eine dringende Bitte an Sie, Frau Merkel, lautet: Sor-en Sie dafür, dass in den nächsten Tagen geklärt wird,as Sie wirklich wollen.Wir alle haben heute Morgen wieder hören können,rgendwann um Weihnachten bzw. Ende des Jahres falleie Entscheidung.
Das hat ganz eng damit zu tun, Herr Kauder. – Wennie wollen, dass es in diesem Lande vorangeht, wenn Sieollen, dass die Menschen Vertrauen in unsere Alterssi-herungssysteme und in die Zukunft unseres Landes ha-en, dann müssen Sie
it uns dafür sorgen, dass dem aufkommenden Wachs-um – entsprechende Botschaften erreichen uns ja – Im-ulse verliehen werden. Wir müssen hier für den not-endigen Rückenwind sorgen. Deshalb richte ich nochinmal meine dringende Bitte an Sie, sowohl bei der Ge-eindefinanzreform als auch beim Vorziehen der Steu-rreform zu zeigen, dass Sie handlungsfähig sind. Sieind es bisher nicht. Sie haben die Wochen und die Mo-ate seit dem 14. März verschlafen und vertan. Sie alspposition sind nicht handlungsfähig gewesen.
Dass Sie sich über sich selbst freuen, ist ja ganz inrdnung. Nur, die Opposition trägt über den Bundesratitverantwortung für das, was in diesem Lande passiert,nd dafür, ob wir die Dinge voranbringen können, Jader Nein.
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Franz MünteferingIch sage Ihnen noch einmal: Wir stehen heute vordem Abschluss der ersten Phase der Gesetzgebung zurAgenda 2010. Wir als Koalition haben alles, was ganzkonkret erforderlich ist, auf den Weg gebracht. Sie habenbisher keine Antworten gegeben. Sie sind nun an derReihe. Jeder Tag, der vorübergeht, ohne dass etwas ge-schieht, geht zu Ihren Lasten.
Heute steht speziell das Thema Alterssicherung aufder Tagesordnung. Wir werden zu den beiden Gesetzen,um die es hier geht, und die Auswirkungen, die sie imnächsten Jahr haben werden, hier noch einiges im Ein-zelnen ausführen. Ich will trotzdem dazu eine Vorbemer-kung machen, weil ich glaube, dass wir alle in diesemLand bezüglich der demographischen EntwicklungTatsachen zur Kenntnis nehmen sollten, die selten be-nannt werden.Wir behandeln in diesem Land das Thema demogra-phische Entwicklung ganz überwiegend so, als ob es da-bei um irgendeine Krankheit ginge. Die Veränderungenbei der demographischen Entwicklung aber, also die Tat-sache, dass die Menschen länger leben, und zwar über-wiegend in Gesundheit, sind Zeichen eines großen Fort-schritts in diesem Land. Deshalb sollten wir, wenn wirüber diese Fragen sprechen, nicht so tun, als ob die Tat-sache, dass wir sehr viel länger leben und Rente bekom-men, die Gesellschaft beschwere und uns Sorgen berei-ten und Angst machen müsse.
Ich glaube, dass diese Entwicklung, die mit Wohl-stand, Hygiene und unseren medizinischen Einrichtun-gen und Angeboten zusammenhängt, ein großer Segenist. Das sollte in unserer Politik auch zum Ausdruck ge-bracht werden. Die Menschen müssen sich, was die Zu-kunftsfähigkeit dieses Landes angeht, keine Sorgen ma-chen.Das Vorgehen einiger, die in den Menschen Ängsteund Sorgen bezüglich der Zukunftsfähigkeit dieses Lan-des wecken, grenzt manchmal an Unverantwortlichkeit.Ich bin sicher, dass, wenn wir die Gesetze so oder soähnlich, wie wir sie auf den Tisch gelegt haben, be-schließen, Deutschland auch weiterhin ein hohes Wohl-standsniveau haben wird und dass auch die älterenMenschen in Wohlstand leben werden. Wenn wir da-rüber hinaus dafür sorgen, dass Wachstum und neue Im-pulse kommen, können und dürfen wir und die kommen-den Generationen davon ausgehen, dass unser Land wiejetzt auch in Zukunft ein Wohlstandsland bleiben wird.Dass wir heute fünf, sechs oder sieben Jahre längerRente beziehen als unsere Vätergeneration und dass wir– man muss sagen: leider – sehr viel früher aus dem Be-rufsleben ausscheiden, als das bei den Generationen da-vor der Fall gewesen ist, muss zu Konsequenzen führen.Über einen Teil dieser Konsequenzen für das Jahr 2004sprechen wir heute. Wir haben diese in unseren beidenGesetzen berücksichtigt, die wir heute in zweiter unddritter Lesung beraten.sIigüvWamkshd–nwtJgitigsfMsüke
ir müssen mit Anstrengungen auf nationaler, aber auchuf internationaler Ebene das Wachstum verbessern undit der wirtschaftlichen Entwicklung vorankommen. Soönnen wir dafür sorgen, dass die sozialen Sicherungs-ysteme neue und zusätzliche Stabilität gewinnen.Noch einmal: Es kommt darauf an, dass wir jetzt eineandlungsfähige Opposition in Deutschland haben, dieie Entscheidungen nicht verschleppt.
Es muss trotzdem gesagt werden. Sie werden es in denächsten Tagen und Wochen noch öfter hören; denn wirerden es jeden Tag wiederholen.
Wir haben seit dem 14. März all das, was konkret ge-an werden musste, getan. Die Gesetze sind beschlossen.etzt ist es an der Opposition, Frau Merkel, dafür zu sor-en, dass wir schnell zu Entscheidungen kommen, damitn Deutschland wieder Zuversicht in Bezug auf Wachs-um und Wohlstandsmehrung einkehrt. Sie stehen dabein der Mitverantwortung.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kolle-
in Angela Merkel, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Fraktionsvorsitzender Müntefering, man musschon ziemlich tief in der Patsche sitzen, um den Blickür die Realität in dieser Weise zu verlieren.
Erstens. Sie führen in der Rente zum wiederholtenale eine Notoperation durch. Angesichts der Ein-chnitte, die Sie heute machen, wissen die Menschenberhaupt nicht mehr, was sie morgen erwartet. Sie len-en vom Thema ab und beschimpfen unsinnigerweiseine Opposition,
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Dr. Angela Merkeldie Sie im Bundesrat brauchen, damit wir in Deutsch-land vernünftige Regelungen bekommen.Sie aber versuchen, vom Thema Rente abzulenken,weil Sie wissen, dass Millionen Rentner von dieser Bun-desregierung enttäuscht sind; denn sie haben nicht er-wartet, dass sie Nullrunde auf Nullrunde hinnehmenmüssen. Sie, Herr Müntefering, haben es nach fünf Jah-ren nicht geschafft, ein langfristig angelegtes und tragfä-higes Rentenkonzept vorzulegen.
Zweitens. Herr Müntefering, Sie sagen, Sie hätten al-les vorgelegt, was wir in Deutschland brauchten. Dakann man nur lachen. Ich bitte Sie eindringlich, sich klarzu machen: Wenn Sie die jetzt anstehenden Verhandlun-gen im Vermittlungsausschuss in der Art und Weise füh-ren wollen, wie Sie es im Augenblick versuchen – Siewollen unsere weiter gehenden Vorschläge in Bezug aufden ersten Arbeitsmarkt nicht in die Diskussion aufneh-men; ich nenne zum Beispiel betriebliche Bündnisse fürArbeit –, dann können Sie nicht erwarten, dass dies zueinem konstruktiven Verhandlungsklima führt.
Wir brauchen ein Klima, das von Gegenseitigkeit ge-prägt ist. Gegenseitigkeit, Herr Müntefering, beruht da-rauf – so haben Sie es beim Gesundheitskompromiss ge-macht –, dass Sie bereit sind, auch für uns wichtigeThemen, die Ihnen nicht passen, auf die Tagesordnung zusetzen, und dass Sie uns ein Mitspracherecht einräumen.Bei der kleinen Handwerksnovelle weigern Sie sich seitvielen Wochen, einen vernünftigen Vorschlag von unsaufzunehmen und eine Verbindung zur großen Hand-werksnovelle herzustellen. Das ist kein Zeichen vonKooperationsbereitschaft und schon gar kein Zeichendafür, dass Sie vernünftig mit uns handeln wollen. DiesesVerhalten werden wir weiter anprangern. Sie dürfen sichalso nicht wundern, wenn das Klima vergiftet ist.
Drittens. Eine Koalition, die sich so oft der Nachhal-tigkeit und dem Wohl zukünftiger Generationen ver-schrieben hat, müsste doch wenigstens einen Ansatz vonSchamgefühl zeigen angesichts der Tatsache, dass trotzder mehr als verdoppelten Neuverschuldung – inzwi-schen hat sie eine Höhe von 44 Milliarden Euro er-reicht – die vorgezogene Steuerreform zu 90 Prozent aufPump finanziert werden soll. Wie wollen Sie das vor un-seren Kindern und den Enkeln verantworten? Ich kanndas so nicht verantworten. Deshalb werden wir einemVorziehen der Steuerreform auf Pump auf gar keinenFall zustimmen. Das werden die Menschen in Deutsch-land auch verstehen.Das heißt nicht, dass wir uns nicht konstruktiv an denVerhandlungen beteiligen würden. Aber Ihr Nachhaltig-keitsanspruch passt mit neuen Schulden von über50 Milliarden Euro mit Sicherheit nicht zusammen. Daswissen Sie und das werden wir Ihnen immer wieder sagen.Herzlichen Dank.
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enkung der Lohnnebenkosten, Impulse für die Wirt-chaft, Ökosteuer, die dabei eine wichtige Rolle gespieltat, gegen die Sie aber gekämpft haben – haben Sie daslles vergessen?
ir haben die Rentenversicherungsbeiträge in den ver-angenen Jahren systematisch gesenkt und entschieden,ass sie – zum Zweck der Senkung der Lohnnebenkos-en in diesem Lande – auch im nächsten Jahr nicht an-teigen.Alle, die so sprechen wie Sie, Frau Merkel, müssenuch eine Alternative aufzeigen, was man angesichts deraushaltslage 2004 tun könnte: Entweder müssen dieentenversicherungsbeiträge angehoben werden – iniesem Fall müssten die Arbeitnehmer und die Arbeitge-er bezahlen, denn die Lohnnebenkosten würden stei-en – oder Sie müssen zusätzliche Schulden machen.Man kann den Rentnerinnen und Rentnern aber auchlipp und klar sagen: Wir können in diesem Lande nuras ausgeben, was wir gemeinsam erwirtschaften. Dasst eine ehrliche Sprache. Sie ist nicht immer leicht zuermitteln – dessen sind wir uns bewusst –, sie ist aberhrlicher als das, was Sie machen:
ie versuchen, den Eindruck zu erwecken, es gäbe einendere Lösung, und lehnen alles ab. Auch Sie wollen na-ürlich nicht, dass die Rentenversicherungsbeiträge stei-en oder dass zusätzliche Schulden gemacht werden.benso wollen Sie nicht, dass die Renten gekürzt wer-en. Dies zu erklären und auf einen vernünftigen Nenneru bringen wird Ihnen nicht gelingen. Das wird die heu-ige Debatte zeigen.Zum Zweiten, zum Vorziehen der Steuerreform,rau Merkel: Wir sind uns alle einig, dass das Wachs-um, das, auch in Bezug auf das nächste Jahr, zu geringst, zusätzliche Impulse braucht. Das kann durch eineeutliche Stärkung der Investitionskraft der Städte undemeinden geschehen, wie wir sie mit unserer Gemein-efinanzreform beabsichtigen. Impulse können auch ge-eben werden, wenn zusätzlich 23 Milliarden Euro in
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Franz Münteferingdie Taschen der Privaten sowie der kleinen und mittlerenUnternehmen fließen. Die kleinen und mittleren Unter-nehmen – die Personengesellschaften, die Einkommen-steuer zahlen – werden von dem Vorziehen der Steuerre-form mit 7 bis 8 Milliarden Euro profitieren. Wenn auchSie das für richtig halten, warum sagen Sie dann nichtklipp und klar heute hier oder in einem Spitzengespräch,das angeboten worden ist, Sie seien bereit mitzumachen?Das wäre für das Land und die Wirtschaft eine wichtigeBotschaft.
Wenn auch Sie das im Prinzip wollen – Sie haben jaheute sowohl dafür als auch dagegen gesprochen –, danngeben Sie das zu Protokoll, damit die ganze Republik eserfährt und alle, die Unternehmen und die Privaten, sichauf die Situation im nächsten Jahr einstellen können.Das wird in den Wochen bis zum Jahresende noch sehrwichtig sein. Wenn Sie jetzt nicht zustimmen, werdenwir sechs bis acht Wochen verlieren, bevor wir Ende desJahres möglicherweise doch einen gemeinsamen Wegfinden.Also noch einmal meine dringliche Bitte an Sie in derOpposition, sich zu bewegen und dafür zu sorgen, dassdie, die noch gegen den Strich zu bürsten versuchen, ein-geholt werden. Nehmen Sie das Kommando in dieHand! Sie haben ja die Chance, das Kommando zu über-nehmen. Sie haben schließlich sechs Mitglieder IhrerFraktion im Vermittlungsausschuss und brauchen nichtauf Ihre Ministerpräsidenten zu hören. Sie können dasaus eigener Kraft aus Ihrer Fraktion heraus machen. Ver-suchen Sie es einmal!
Ich erteile das Wort Kollegen Horst Seehofer, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Müntefering, das war gerade ein sehr er-bärmlicher und durchsichtiger Versuch, von den eigentli-chen Schwierigkeiten Ihrer Politik abzulenken.
Denn das, was Sie seit fünf Jahren in der Rentenpolitik,um die es heute geht, abliefern, ist doch ein endlosesTrauerspiel.
Wir sprechen heute über eine Notoperation und zumersten Mal in der Geschichte der BundesrepublikDeutschland über reale Rentenkürzungen. Exakt voreinem Jahr haben wir hier über Beitragserhöhungen inder Rentenversicherung, über den Griff in die Rentenre-serve und über die Erhöhung der Beitragsbemessungs-grenze debattiert. Wir haben Ihnen schon damals gesagt,dzgvDtaugzghZEdgidArIwrsslnfdznbuihvergSdwretid
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Horst SeehoferMeine Damen und Herren, ich möchte an einigenPunkten darstellen, was jetzt notwendig wäre, um ausdieser ständigen Flickschusterei herauszukommen.Der erste Punkt: Wir sind seit Jahren nur damit be-schäftigt, die Fehler, die Sie von Jahr zu Jahr in der Ren-tenpolitik begangen haben, zu korrigieren. Ich prophe-zeie Ihnen: Im November nächsten Jahres werden wirwieder über ein Rentenloch, über das des Jahres 2005,sprechen. Die Rentenversicherungsträger habenRecht: Wenn Sie Ihre Politik nicht fundamental ändern,wird die derzeitige Entwicklung zwei, drei Jahre so wei-tergehen. Das verunsichert die Leute.Deshalb fordere ich an erster Stelle: Sagen Sie derBevölkerung endlich die Wahrheit! Frau Ministerin, ichfordere Sie auf: Stoppen Sie die Renteninformationender Rentenversicherungsträger, die den Menschen einvöllig falsches Bild davon geben, wie die Renten in derZukunft aussehen!
Sie beschließen hier Nullrunden, die aber in WahrheitRentenkürzungen sind.
Gleichzeitig erlauben Sie, dass die Rentenversicherungs-träger die Menschen darüber informieren, dass ihreRente im Jahre 2020 oder 2030 auf eine Höhe ansteigenwird, die man nur als Fantasie oder Illusion bezeichnenkann. Wie wollen Sie die Menschen in Deutschland zumehr Vorsorge bewegen, wenn Sie ihnen gleichzeitig dieAuskunft geben: Alles ist nicht so schlimm, es wirdkeine Senkung des Rentenniveaus geben?Das Erste und Wichtigste ist daher, dass diese Regie-rung zu Wahrheit und Klarheit in der Rentenpolitik zu-rückkehrt und dass den Menschen reiner Wein einge-schenkt wird.
Das Zweite ist: Kein Mensch weiß mehr, wo ihm inder Rentenpolitik der Kopf steht. Es herrscht totale Ver-unsicherung. Heute verabschieden Sie zwei Gesetze undkündigen gleichzeitig die Rentenbesteuerung, die Or-ganisationsreform der Rentenversicherung und mittel-und langfristige Maßnahmen an. Trotzdem müssen Sieim nächsten Jahr wieder Notoperationen vornehmen.
Und da wundern Sie sich, dass die Menschen nicht mehrdurchblicken?Legen Sie endlich – wir fordern das seit Jahren – eineganzheitliche Rentenreform vor, die die aktuellen, aberauch die langfristigen Probleme löst, damit die Men-schen wissen, wohin die Reise geht! Die Menschen sindzur Erneuerung und auch zu Opfern bereit. Aber wennsie jedes Jahr von Ihnen erneut überfallen werden undwenn ihnen jedes Jahr neues Geld aus der Tasche gezo-gen wird, obwohl Sie das Gegenteil versprechen, danndürfen Sie sich nicht wundern, wenn Ihnen kein MenschmkshEbpWMemddamgGawIdsbEmwEnDzDetsmAtpdntRwzw
Wir haben Mitte der 90er-Jahre einen Vorschlag ge-acht – Herr Müntefering, Sie haben nach Alternativenefragt – und ihn gegen Ihren erbitterten Widerstand insesetz geschrieben. Wir hätten heute zwar nicht alle,ber viele Probleme der Rentenversicherung gelöst,enn Sie damals nicht wider besseres Wissen, nur umhres parteipolitischen Vorteils willen und zum Schadenes Landes den Demographiefaktor bekämpft und abge-chafft hätten.
Frau Ministerin, der erste Grundsatz muss sein undleiben, dass die Rentenanpassungen der allgemeineninkommensentwicklung folgen. Der zweite Grundsatzuss angesichts der veränderten demographischen Ent-icklung sein, dass die Lasten dieser demographischenntwicklung auch von der älteren Bevölkerung undicht nur von der jungen Generation getragen werden.as ist der Effekt des demographischen Faktors.Sie haben darauf hingewiesen, dass die Rentenlauf-eit früher etwa zehn Jahre betrug. Jetzt beträgt sie imurchschnitt 16 Jahre; das sind 60 Prozent mehr. Das istine gewaltige Wertsteigerung in der gesetzlichen Ren-enversicherung. Ich glaube, wir müssen den Menschenagen: Wenn sich die Rentenlaufzeiten verlängern, dannüssen wir das, was sich die Menschen in ihrem aktivenrbeitsleben erarbeitet haben, auf eine längere Zeit ver-eilen. Das hat zur Folge, dass die jährlichen Rentenan-assungen etwas schmaler ausfallen,
ass es aber nicht zu Rentenkürzungen, wie Sie sie vor-ehmen, kommt. Hätten Sie den demographischen Fak-or nicht abgeschafft, hätte es in den letzten Jahren eineentenanpassung gegeben, die etwas flacher ausgefallenäre; aber Sie hätten die Notoperation der Rentenkür-ung jetzt und in den nächsten Jahren vermieden. Dasäre der Erfolg gewesen.
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Horst Seehofer
Wir brauchen so schnell wie möglich, am bestenheute, eine Rentenformel, die wieder Vertrauen und ver-lässliche Grundlagen für die jährlichen Rentenanpassun-gen schafft und die die Lasten der längeren Lebenser-wartung und der veränderten Demographie gerecht aufJung und Alt verteilt. Das war auch der Inhalt des Demo-graphiefaktors.Ein zweiter Punkt: Wir müssen dafür sorgen, dass dieLebensarbeitszeit nicht über das 65. Lebensjahr hinausverlängert wird. Den Sinn dessen können Sie der Bevöl-kerung angesichts der jetzigen Situation, dass die Men-schen, die über 50 Jahre alt sind und entlassen werden,kaum Wiederbeschäftigungschancen haben, schlecht er-klären.
Jetzt ist es angezeigt, die Beschäftigungschancen fürdie älteren Arbeitnehmer über 50 zu verbessern. Hierkönnten Sie einiges mehr tun. Es gab im Bundeskanzler-amt über viele Monate zahlreiche Gespräche über Bünd-nisse für Arbeit. Hier hätten Sie mit den Gewerkschaftenund Arbeitgebern darüber reden können, das tatsächlicheRenteneintrittsalter allmählich wieder an das gesetzlicheRenteneintrittsalter heranzuführen.
Der dritte Punkt betrifft die Stärkung der Beitragsbe-zogenheit der Rente. Wir kämpfen seit Jahren für dieThese, dass jemand, der lange berufstätig gewesen istund Beiträge gezahlt hat, anders behandelt werden muss
als die Menschen mit kürzeren Beitragszeiten. Deshalbbleiben wir bei unserer Forderung, die Bedeutung der Bei-tragszeit zu stärken. Wer 45 Jahre lang Beiträge in die ge-setzliche Rentenversicherung gezahlt hat, der sollte ohneAbschläge in Rente gehen können. Wir müssen mehr nachder Beitragszeit als nach dem Lebensalter gehen.
– Damit die Frauen nicht benachteiligt sind, müssen beider Berechnung der Beitragszeit auch Zeiten der Erzie-hung von Kindern hinreichend berücksichtigt werden.
Man kann darüber reden, wie man beitragsfreie Zei-ten und Ausbildungszeiten behandelt. Man muss aberder Öffentlichkeit sagen,
dass die Anrechnung beitragsfreier Zeiten nicht durchdie Beitragszahler, sondern durch den Bundeszuschussüber Steuermittel von der gesamten Gesellschaft finan-ziert wird.
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Wenn Sie dem Gedanken näher treten, eine Änderungei der Anrechnung der Ausbildungszeiten vorzuneh-en, rate ich Ihnen dringend, bisher geschaffene Ver-rauenstatbestände nicht außer Acht zu lassen. Die Strei-hung der Anrechnung von drei Ausbildungsjahrenedeutet einen erheblichen Eingriff in die Lebenspla-ung der Menschen.
ie Menschen, die heute bereits älter sind, können sichuf eine solche Veränderung nicht mehr einstellen. Wennrei Ausbildungsjahre nicht mehr angerechnet werden,edeutet das rund 5 Prozent weniger Rente. Deshalbüssen solche Veränderungen so langfristig angelegterden, dass diejenigen, die davon betroffen sind, diehance haben, sich durch eigene Vorsorge einen Aus-leich für diesen staatlichen Eingriff zu verschaffen. Dasst ganz wichtig.
Frau Schmidt, ich appelliere an Sie, diesen Punkt be-onders mit Blick auf den Vertrauensschutz noch einmalu überdenken. Man kann daran denken, dies in 20 oder0 Jahren zu verändern und das heute den Menschen zuagen, damit sie eine Chance haben, sich darauf einzu-tellen. Sie können aber nicht überfallartig sagen: Dienrechnung der Ausbildungszeiten wird in den nächstenier Jahren so verändert, dass die Anrechnung ab demahre 2009 nicht mehr gilt. Darauf können sich die Men-chen nicht mehr entsprechend einstellen.Der vierte Punkt: Ich halte es für ganz wichtig, dassir mit dem Grundsatz Ernst machen, der nächsten Ge-eration keine höheren Beitragslasten zuzumuten als dereutigen Generation.
ir können doch nicht heute darüber debattieren, dassie Rentenversicherungsbeiträge auf keinen Fall über0 Prozent steigen dürfen, aber mit einer Selbstverständ-ichkeit annehmen, dass die nächste Generation in 10der 20 Jahren Beitragssätze von 22 oder 23 Prozent tra-en muss.Ich halte das auch aus einem weiteren Grund für un-eheuer wichtig: Je höher die Beiträge für die gesetzli-hen Sozialversicherungssysteme sind, desto geringerird für weite Kreise der Bevölkerung die Möglichkeit,rivate oder betriebliche Vorsorge zu treffen.
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Horst SeehoferWenn die Beiträge auf 22, 23 oder 24 Prozent steigen,können wir doch von einem Durchschnittsverdiener oderjemandem mit einem unterdurchschnittlichen Verdienstoder einer Familie nicht ernsthaft erwarten, dass sie dannnoch in der Lage sind, zusätzlich 4 Prozent ihres verfüg-baren Einkommens für den Aufbau einer Privatrenteaufzubringen.Deshalb gilt: Wer es mit dem Aufbau einer privatenVorsorge wirklich ernst meint, muss dafür sorgen, dassdie gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge in Schachund Proportionen bleiben und dass mit dem GrundsatzErnst gemacht wird,
der nächsten Generation keine höheren Sozialversiche-rungsbeiträge zuzumuten als der jetzigen. Das ist auchfür die Förderung der privaten Vorsorge ganz wichtig.
Lassen Sie mich nun den aus meiner Sicht wichtigs-ten Punkt ansprechen, wie man die Ursachen bekämpfenkann.
Wir müssen den Menschen klipp und klar sagen – dashaben wir bereits vor dem Bundestagswahlkampf 1998getan –:
Die gesetzliche Rente wird ihre Funktion, nämlich denLebensstandard zu sichern – diese Funktion hat sie in derVergangenheit erfüllt und erfüllt sie auch heute gegen-über den jetzigen Rentnern, was nicht infrage gestelltwerden kann, weil diese sich darauf eingestellt haben –,in der Zukunft nicht mehr erfüllen, und zwar nicht des-halb, weil die Politik etwas wegnehmen will, sondernaufgrund der veränderten Demographie.
In einem Punkt, Herr Müntefering, gebe ich IhnenRecht: Wir haben in Deutschland mit Blick auf die De-mographie nicht das Problem, dass es zu viele alte Men-schen gibt, sondern dass es zu wenig junge Menschengibt. Wir sollten aufhören, etwas anderes zu behaupten.
Vor zwei Jahren waren weniger als 10 Prozent der Ren-tenzugänge kinderlos,
in 20 bis 25 Jahren werden es bereits 35 Prozent sein.Das ist die Entwicklung, die wir in Deutschland seit Jah-ren feststellen müssen. Die Schuld dafür ordne ich nie-mandem zu.–sAtBudmeZhsRkKscbhzsSFwBnzecDdKaWssMe
Auch deshalb haben wir in den 80er-Jahren zum Bei-piel die Kindererziehungszeiten eingeführt.Es gibt nur zwei Möglichkeiten, um für eine stabilelterssicherung zu sorgen: zum einen durch die Investi-ion in Humankapital – die Kinder von heute sind dieeitragszahler von morgen –
nd zum anderen durch die Investition in Realkapital;enn nur indem man heute spart und vorsorgt, bekommtan in der Zukunft ergänzend zur gesetzlichen Renteine Alterssicherung.
u einer modernen Sozialpolitik und Absicherung ge-ört nicht, dass der Staat vorschreibt, wie sich die Men-chen zu verhalten haben. Der Staat hat vielmehr dieahmenbedingungen so zu setzen, dass beides in der Zu-unft verstärkt gemacht wird.Die erste Säule, die notwendig ist, damit aus derombination von gesetzlicher Rente und privater Vor-orge wieder der Lebensstandard der Menschen gesi-hert werden kann, ist die private Vorsorge. Diese ha-en Sie im Grundsatz ausgestaltet. Das haben Sieandwerklich aber so miserabel gemacht, dass Ihr Kon-ept nach zwei Jahren gescheitert ist. Die private Vor-orge muss dringend reformiert werden.
ie muss vereinfacht und entbürokratisiert werden, dieörderung muss gerechter gestaltet werden.Ich komme nun auf die zweite Säule zu sprechen, dieir genauso energisch angehen müssen. Hierzu hat dasundesverfassungsgericht gesagt, die Renten würdenicht allein durch die Sozialversicherungsbeiträge be-ahlt, sondern die Menschen in Deutschland, die Kinderrziehen, leisteten einen konstitutiven Beitrag zur Si-herheit der Renten in der Zukunft.
eshalb ist jede Rentenreform, die auf der einen Seiteie private Vorsorge und auf der anderen Seite dieindererziehung unzureichend berücksichtigt, nichtsnderes als eine Konkursverschleppung.
ir lösen nicht die Probleme, wenn wir nicht an die Ur-achen herangehen.Es trägt wesentlich zum Ausbau der privaten Vor-orge bei – wir müssen uns alle anstrengen, um neueaßnahmen vorzuschlagen –, wenn wir die Kinder-rziehung stärker unterstützen. Es soll sich in unserer
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6136 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003
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Horst SeehoferGesellschaft jeder entscheiden, wie er mag, aber es kannin der Rentenversicherung nicht so bleiben, dass die Fa-milien mit Kindern die Zeche der privaten Entscheidun-gen zu zahlen haben.
Wir überlegen, wie man die Familien in der aktivenFamilienphase beim Beitrag zur Rentenversicherung be-rücksichtigen kann. Wir denken an einen Kinderbonus.Wir müssen beim Abschlag bei einem vorzeitigen Ren-teneintritt zwischen Kinderlosen und Personen, die Kin-der haben, unterscheiden. Wir müssen überlegen, wieman die Rentenhöhe, sei es über Kindererziehungszeitenoder andere Instrumente, so gestalten kann, dass diejeni-gen, die Kinder haben, eine höhere Rente bekommen alsdiejenigen, die keine Kinder haben. Wenn ich dieseMaßnahmen als Gesamtkonzept zusammennehme, dannmuss ich feststellen, dass man so weg von der Willkürkommt und eine saubere, klare Rentenformel bekommt.Wir sagen Ja zur Wahrheit und kommen weg von derFlickschusterei. Wir kommen zu stärkerer Beitragsbezo-genheit, gerade durch langjährige Beitragszahlungenund Kindererziehung. Wir müssen das tatsächliche Ren-teneintrittsalter durch aktive politische Maßnahmen andas gesetzliche Eintrittsalter heranführen und in diesemJahrzehnt eine große Offensive für eine von derMenschheit verstandene private Vorsorge starten. Diesescheiterte bisher nämlich, weil sie so bürokratisch undkompliziert ist, dass sie niemand mehr versteht. Dane-ben müssen die Zeiten der Kindererziehung als Bei-träge zur Rentensicherheit in der Zukunft berücksich-tigt werden.Ich möchte den Menschen sagen: Wenn die Politikhier die richtigen Weichen stellt – nicht irgendwann,sondern zeitnah –, dann haben wir die große Chance,dass die Rentenversicherung aus der tiefsten Krise in ih-rer Geschichte herausgeführt wird. Ich glaube, es ist un-ser Auftrag, die Menschen nicht durch eine ständig fal-sche Politik zu verunsichern und sie in einemLebensabschnitt, in dem sie bezogen auf die Alterssiche-rung ein Recht darauf haben, ein sorgenfreies Leben zuführen, nicht mit Sorgen und Ängsten zu belasten. Ichmöchte den Menschen auch sagen: Wenn die richtigenpolitischen Entscheidungen getroffen werden – dazu ha-ben wir unsere Gesamtgedanken vorgetragen –, dann ha-ben wir die riesige Chance, dass wir diese Rentenversi-cherung aus dem Tal herausführen und wieder an diegroße Tradition der deutschen Rentenversicherung an-knüpfen, die ihre Aufgaben in der Vergangenheit segens-reich erfüllt hat. Ihre wichtigste Aufgabe ist es, denMenschen, die ein ganzes Leben lang geschuftet undKinder großgezogen haben, im Alter wieder ein sicheresund sorgenfreies Leben zu gewährleisten.
Ich erteile Kollegin Krista Sager, Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen, das Wort.
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ir sagen den Rentnerinnen und Rentnern aber auchanz klar: Seid bitte bereit, einen Beitrag dazu zu leisten,ass die jungen Menschen, eure Enkel, im nächsten Jahrine Chance auf Arbeit und Ausbildung erhalten. Das isticht nur für die jungen Leute, sondern auch für dieentnerinnen und Rentner und die Entwicklung unsererozialen Sicherungssysteme gut.
In allen Gesprächen, die ich in letzter Zeit geführtabe, habe ich gemerkt, dass die Menschen realisieren,ass wir vor großen neuen Herausforderungen stehennd nicht einfach den Kopf in den Sand stecken können.nsbesondere, wenn ich mit internationalen Gästen, be-onders mit unseren europäischen Nachbarn spreche,erke ich, dass sie nicht nur mit großem Respekt, son-ern auch mit großer Hoffnung auf uns schauen, weil sieu Recht die Erwartung haben, dass Deutschland, wenns die Kraft hat, das Notwendige zu tun, auch die Kraftat, wieder die Zugmaschine für die europäische Ent-icklung zu sein.
as brauchen auch die anderen europäischen Länder undnsere europäischen Nachbarn.
Wie ist denn die derzeitige Situation? Zurzeit zeigenie Indikatoren für die wirtschaftliche Entwicklung
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Krista Sagereindeutig wieder nach oben. Zum ersten Mal seit 1992liegen wir im Export wieder vorne, noch vor den USA.Wir sehen, dass die Auftragszahlen bei den Unterneh-men steigen. Alle Umfragen zum Geschäftsklimaindexzeigen: Es gibt wieder Hoffnung auf eine bessere wirt-schaftliche Entwicklung.Aber was ist denn das Entscheidende für die Men-schen in diesem Land? Entscheidend ist doch, ob aus ei-ner besseren wirtschaftlichen Entwicklung auch ein Ef-fekt auf dem Arbeitsmarkt entsteht, ob mehr Menschenwieder in Arbeit kommen und ob die Arbeitsplätze si-cher bleiben.
Wie war es denn bisher? Bisher brauchten wir inDeutschland zwei Prozent Wachstum, um einen Effektauf dem Arbeitsmarkt zu erzielen. Jetzt bescheinigen unsdie Wirtschaftsinstitute, dass durch die Arbeitsmarktre-formen, die wir bereits gemacht haben, die Schwelle, abder Wachstum auch zu Beschäftigung führt, auf1,8 Prozent gesunken ist. Wenn wir den Beitragssatz inder Rentenversicherung bei 19,5 Prozent stabil halten,wenn wir die letzte Stufe der Steuerreform vorziehenund dafür sorgen, dass die Kommunen wieder Geld indie Hand bekommen,
dann haben wir bei einem Wachstum von 1,7 bis1,75 Prozent im nächsten Jahr tatsächlich die Chance aufeine bessere Situation am Arbeitsmarkt. Meine Damenund Herren von der Opposition, es ist ganz zentral auchIhre Verantwortung, ob diese Chance genutzt wird oderob wir nur eine wirtschaftliche Verbesserung ohne Aus-wirkung auf den Arbeitsmarkt haben werden. Wir brau-chen diesen Effekt und wir müssen diese Chance nutzen.Etwas anderes können wir uns im Interesse der Men-schen in diesem Land nicht leisten.
Herr Seehofer, jetzt ganz konkret zur Rente. Wir ha-ben uns entschieden, den Beitragssatz im nächsten Jahrbei 19,5 Prozent zu halten. Dazu müssen alle einen Bei-trag leisten: Die Beitragszahler, die Steuerzahler, ja,auch die Rentnerinnen und Rentner werden an dem Pa-ket beteiligt; das wissen wir. Aber welche Prioritätenent-scheidung haben Sie denn getroffen?
Sie tun so, als hätten Sie nichts damit zu tun. Jetzt wie-derhole ich einmal etwas, was Sie nicht gerne hören, wasaber leider die Wahrheit ist: Mit Ihrem demographi-schen Faktor wären wir heute bei einem Rentenbei-tragssatz von über 21 Prozent. Das ist die Wahrheit, dieSie nicht wahrhaben wollen.SVsdhbsKsmRdndnsMDSFrwSEdNvwD
ie haben nämlich alle Maßnahmen, die Rot-Grün in derergangenheit getroffen hat, um das Rentensystem zutabilisieren, um den Beitragssatz herunterzuholen voner hohen Stufe, auf die Sie ihn überhaupt erst gebrachtaben, abgelehnt. Deswegen wären wir mit Ihrer Politikei viel schlechteren Beitragssätzen als heute.
Sie haben die Ökosteuer abgelehnt. Mit der Öko-teuer ist es uns aber gerade möglich gewesen, bei denindererziehungszeiten etwas für die Frauen zu tun, waseit langem nötig gewesen wäre. Es gibt heute eine ange-essene Berücksichtigung der Erziehungszeiten bei derente und das hat Rot-Grün gemacht und nicht Sie.
Herr Seehofer, jetzt noch ein Beitrag zur Wahrheit iniesem Lande. Wie stellt sich denn das Problem deriedrigen Renten für Frauen dar? Das Problem istoch, dass über Jahrzehnte eine Politik verfolgt wurde,ach der eine Frau nur dann eine gute Rente hat, wennie einen reichen Mann oder einen gut verdienendenann heiratet.
as ist doch Ihre Politik gewesen.
ie haben doch die Ideologie aufrechterhalten, dassrauen nicht das Recht haben sollen, Familie und Be-ufstätigkeit in Einklang zu bringen. Auch das werdenir ändern, weil wir etwas für die Kinderbetreuung tun.
ie haben diese Diskussion in Ihren eigenen Reihen imrnst doch gar nicht auf sich genommen. So sieht esoch aus.
ein, Sie ducken sich wirklich weg vor den Aufgaben,or denen wir real stehen, auch vor der Entscheidung, obir 19,5 Prozent halten wollen oder nicht.
Sie ducken sich auch vor einer anderen Wahrheit weg.ie Wahrheit ist, dass wir längst ein Konzept für die
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Krista Sagernachhaltige Stabilisierung des gesamten Rentensystemsfür viele Jahre vorgelegt haben.
Die Vorschläge der Rürup-Kommission, die wir umset-zen, lagen viel früher als die Vorschläge Ihrer Herzog-Kommission auf dem Tisch.
Wenn Sie vor Jahren ein Konzept für die Nachhaltigkeitim Bereich der Rente gehabt haben,
dann frage ich mich, warum Sie die Herzog-Kommis-sion überhaupt eingesetzt haben. Die Vorschläge dieserKommission lagen nach denen der Rürup-Kommissionvor.Herr Seehofer, ich komme zu einer anderen bitterenWahrheit. Sie haben behauptet, Rot-Grün würde vonSchwierigkeiten ablenken.
Ich sage Ihnen: Rot-Grün stellt sich den Schwierigkei-ten, die wir in diesem Lande haben. Wir beschließendiese Reformen nicht nur, damit die Menschen im nächs-ten Jahr eine Chance haben, einen Ausbildungs- oderArbeitsplatz zu bekommen. Wir machen gerade die lang-fristigen Reformen noch aus einem anderen Grund:
Wir wollen, dass das Soziale an der Marktwirtschaft fürdie jungen und die alten Menschen in diesem Land überviele Jahre wieder berechenbar wird.
Wir wollen das solidarische, umlagefinanzierte Systemerhalten.Sie, Herr Seehofer, haben ganz andere Schwierigkei-ten: Die Truppen in Ihrer eigenen Fraktion, die das So-ziale an der sozialen Marktwirtschaft verteidigen wol-len, werden immer weniger. Sie werden doch hier als dassozialpolitische Auslaufmodell der CDU/CSU nachvorne geschickt, während in Wirklichkeit ganz andereModelle angedacht werden.
Wir sind durchaus zuversichtlich,
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as Armutsrisiko bei Familien mit Kindern ist heuterößer als bei den Rentnerinnen und Rentnern. Das istin Grund, warum die Alten die Jungen unterstützenönnen. Das ist aber auch der Grund, warum wir dazuuffordern, die Jungen auch dann zu unterstützen, wenns darum geht, die durch die notwendigen Maßnahmenntstehenden Lasten gerecht zu verteilen. Diesen Appellöchten wir an die Menschen richten.
Frau Merkel, jetzt ein Wort zu Ihnen.
ch kann gut verstehen, dass Sie als Fraktionsvorsitzendem Deutschen Bundestag lieber den Kopf in den Sandtecken, wenn es darum geht, den Beitragssatz im nächs-en Jahr bei 19,5 Prozent stabil zu halten, indem denentnerinnen und Rentnern ein Teil der Lasten aufge-ürdet wird.
ie Rolle als Opposition verführt leicht dazu. Aber dort,o Sie die Mehrheit haben, dort, wo Sie inzwischen einert Nebenregierung darstellen – über den Föderalismusaben wir bereits diskutiert –, nämlich im Bundesrat,ind Sie in der Tat gefordert.
ie müssen wirklich Farbe bekennen, ob Sie bereit sind,ie wirtschaftlichen Impulse zu unterstützen, und zwarei der Gemeindefinanzreform, beim Vorziehen der letz-en Stufe der Steuerreform und auch bei den notwendi-en Strukturreformen, um die Lohnnebenkosten stabilu halten.Ich erwarte von Ihnen, dass Sie etwas mehr Führungs-tärke zeigen. Sie sind schließlich nicht nur Fraktions-orsitzende, sondern auch Parteivorsitzende. Es wäreeit, dass Sie ein deutliches Signal setzen, wohin dieeise gehen soll. Verschleppen – das sagen alle Exper-en – können wir uns in diesem Land am allerwenigsteneisten. Dafür würden Sie letztendlich die Verantwortungragen.
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Ich erteile das Wort Kollegen Heinrich Kolb, FDP-
Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichmöchte zunächst etwas zu diesem untauglichen Versucheines Ablenkungsmanövers sagen, den Herr Münteferingheute Morgen hier unternommen hat.
Herr Müntefering, das können Sie doch nicht ernsthaftso gemeint haben. Sie stellen sich hin und melden selbst-zufrieden den Vollzug der Agenda 2010, eine Stunde be-vor in Nürnberg die neuen Arbeitslosenzahlen bekanntgegeben werden und wir erfahren werden, dass die Ar-beitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr um 220 000 ge-stiegen ist. Das sind 220 000 Menschen, 220 000 Einzel-schicksale. Da kann man doch nicht selbstzufrieden andieses Pult treten.
Sie, Herr Müntefering, hätten sich hier hinstellen und sa-gen müssen: Wir haben es versucht, aber es reicht nicht;wir müssen uns mehr anstrengen, bei den Steuern, insbe-sondere auch bei den Reformen am Arbeitsmarkt. Daswäre der Situation angemessen gewesen, aber nicht das,was Sie hier geboten haben.
Nein, Herr Müntefering, in diesem Lande gibt es 19Millionen Rentner. Die wollen wissen, wie es um die Si-cherheit ihrer Altersvorsorge bestellt ist. Man kann esdrehen und wenden, wie man will: Für uns, für die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag, steht fest, dass mitdem, was Sie heute hier beschließen wollen, nämlich mitdem zweiten und dritten Vorschaltgesetz zur Rentenver-sicherung, alle gängigen Stellschrauben des Rentensys-tems bis zum Anschlag gedreht sind: Die Schwankungs-reserve kann nicht mehr weiter gesenkt werden, dieBeitragsbemessungsgrenze ist ausgereizt, mit der Null-runde der Rentenanpassung und mit der Erhöhung desPflegeversicherungsbeitrags der Rentner bewegen Siesich schon an der Grenze der Verfassungsmäßigkeit, wasIhnen auch der Präsident des Bundesverfassungsgerichtsins Stammbuch geschrieben hat.Beitragserhöhungen schließen Sie wie auch wir zuRecht aus; denn eines ist klar: Sie würden zusätzlich Be-schäftigung kosten und die Wachstumskräfte schwächen.
Wenn wir uns die Beratungen der letzten beiden Wo-chen ansehen, Frau Schaich-Walch, dann stellen wir fest,dass Sie es rein rechnerisch auf dem Papier geschafft ha-ben, den Ausgleich der vom Schätzerkreis identifiziertenLücke von etwa 8 Milliarden Euro bei den Rentenfinan-zen zu leisten. Aber Sie fahren wie in den Vorjahren vol-les Risiko, mit null Spielraum für alternative – sprich:möglicherweise schlechtere – Wirtschaftsszenarien. SiesjvkktusDriKBhdDhGdD–WtmlswRavvnzSVHsmbuLRa
enn auch bei günstigem Verlauf – das hat die Anhö-ung im Ausschuss doch gezeigt – wird die Rentenkassem Jahr 2004 ihre Zahlungen nicht mehr aus eigenerraft, sondern nur noch mit einer Liquiditätshilfe desundes in Höhe von bis zu 3 Milliarden Euro aufrechter-alten können und damit erstmalig in ihrer Geschichteirekt am Tropf des Bundesfinanzministers hängen.
adurch entsteht ein riesiger Vertrauensschaden und denaben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-rün, alleine zu verantworten.
Die Probleme der Rentenfinanzen werden aber durchie Liquiditätshilfe, die den Charakter eines zinslosenarlehens hat, nicht auf Dauer gelöst. Im Gegenteilauch das hat die Anhörung sehr deutlich gezeigt –:eil die Liquiditätshilfe spätestens 2005 von der Ren-enversicherung an den Bund zurückgeführt werdenuss, verschärft sich die Situation im Folgejahr zusätz-ich. Für mich steht heute schon fest, dass der Beitrags-atz im Jahr 2005 auf mindestens 19,7 Prozent ansteigenird. Das ist die Wahrheit über die Entwicklung in derentenversicherung.Über diese Risiken und die weitere Entwicklung offenufzuklären, den Beschäftigten und den Rentnern dieolle Wahrheit über die Herausforderungen zu sagen,or denen die Rentenversicherung aktuell und in denächsten Jahren und Jahrzehnten steht, die Menschenur Eigenvorsorge aufzufordern, das gehört aus unserericht zwingend zu einer Rentenpolitik, die verlorenesertrauen zurückgewinnen will. Das sagen wir Ihnen,err Müntefering und Frau Sager, nicht erst seit heute,ondern das hat die FDP im Deutschen Bundestag seitindestens zehn Jahren immer wieder gesagt.
Sie aber – das werfen wir Ihnen vor – spielen die Pro-leme herunter
nd erwecken vorsätzlich oder fahrlässig, Frau Kolleginotz, den Eindruck – er ist falsch –, Sie hätten bei derente alles im Griff. Das erinnert mich in fataler Weisen die Musikkapelle auf der „Titanic“, die auch noch
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Dr. Heinrich L. Kolbweiter gespielt hat, als das Schiff längst den Eisberg ge-rammt hatte und zu sinken begann.Weil Sie zur ganzen Wahrheit nicht bereit sind, son-dern immer erst dann scheibchenweise das Unbestreit-bare einräumen, wenn Leugnen nichts mehr nützt, undweil Sie nicht ernsthaft bereit sind, Alternativen in Er-wägung zu ziehen, können Sie von uns keine Zustim-mung für Ihr Last-Minute-Rettungspaket bekommen,auch wenn wir heute einer Einzelmaßnahme, nämlichder Verschiebung der Rentenauszahlung an Neurentnerauf das Monatsende, zustimmen wollen.Damit keine Zweifel offen bleiben, will ich eines fest-stellen: Es ist unverantwortlich, dass Sie – anders als vonuns vorgeschlagen – angesichts der derzeitigen Situationder Rentenkasse die Praxis der Frühverrentung, dieletztlich eine Subvention weniger zulasten aller Bei-tragszahler ist, uneingeschränkt fortführen wollen.
Die Anhörung hat gezeigt, dass mit einem sofortigenStopp der Frühverrentung die Liquidität der Rentenver-sicherung schon kurzfristig deutlich verbessert werdenkönnte.Abgesehen von den finanziellen Auswirkungen kön-nen wir uns das Abschieben in den vorzeitigen Ruhe-stand auch moralisch nicht länger leisten. Denn es ist einArmutszeugnis für unser Land, dass ältere Arbeitnehme-rinnen und Arbeitnehmer – insbesondere dann, wenn sieihren Arbeitsplatz verloren haben – keine Chancen aufdem Arbeitsmarkt mehr haben.
Sie betreiben eine Vogel-Strauß-Politik. Das Schlimmeist, dass die Menschen das zu spüren bekommen werden.Die Rentner werden – das ist bereits absehbar – bis 2007mit weiteren Nullrunden rechnen müssen. Den Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmern drohen, wie gesagt, be-reits ab 2005 steigende Beitragssätze.Auch wenn es gelingen sollte, den konjunkturellenPlattfuß des Fahrzeugs Rente notdürftig zu flicken,bleibt die dringend notwendige Instandsetzung des Ge-triebes auf der Agenda. Die Strukturreform, zu der Siedie ersten Eckpunkte vorgestellt haben, steht nach wievor aus.Lassen Sie mich eines in aller Ruhe, aber sehr deut-lich sagen, Frau Ministerin Schmidt: Bei dieser Struktur-reform kann es nicht darum gehen, erneut einen Gesetz-entwurf im Rekordtempo durch den DeutschenBundestag zu jagen. Vielmehr hat Sorgfalt eindeutigVorrang vor Geschwindigkeit. Denn einen erneutenFehlschlag wie bei der als Jahrhundertwerk gefeiertenRiester-Rentenreform, die keine zwei Jahre Bestandhatte, kann sich die gesetzliche Rentenversicherung,kann sich die Regierung wie auch die Politik insgesamt– das gilt für Sie wie auch für uns – nicht mehr leisten.Notwendig ist eine wirklich nachhaltige Reform. Einesolche Reform setzt aber voraus, dass man sich über dieZusammenhänge klar wird. Dazu haben Sie, Frau Minis-terin, gestern im Ausschuss erstmals eine Aussage ge-mpfwFOBFrrnbPht5eiugwfAtzssVnidwgAISnRtb
at kein Recht, über die Erhöhung des gesetzlichen Ren-eneintrittsalters nachzudenken.Zunächst einmal müssen denjenigen, die heute als0- bis 60-Jährige einen Arbeitsplatz suchen, Chancenröffnet werden. Dass das keine angenehme Aufgabe ist,st deutlich erkennbar. Denn dafür müssen gesetzlichend auch tarifliche Rahmenbedingungen verändert undut gemeinte Schutzvorschriften neu justiert werden,eil sie letztlich dazu beitragen, dass sich die Chancenür Ältere auf Neueinstellung und Reintegration in denrbeitsmarkt verschlechtern.Alles in allem sind wir zur Mitarbeit an einer struk-urellen Reform der Rente bereit. Wir sind auch dannur Mitarbeit bereit, wenn es um wenig populäre Ein-chnitte geht. Wir zeigen heute zumindest in einer Ab-timmung, dass wir diese Bereitschaft haben.Letztlich geht es aber darum, verloren gegangenesertrauen zurückzugewinnen, indem verlässliche Prog-osen gestellt werden, die sich tatsächlich erfüllen, undndem im Voraus auf Risiken hingewiesen wird, damitie Menschen erkennen, wie breit das Spektrum der Ent-icklungsmöglichkeiten ist. Das haben Sie, liebe Kolle-innen und Kollegen von Rot-Grün, bisher nicht getan.ber für einen Neubeginn ist es nie zu spät. Wir helfenhnen gerne dabei.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile das Wort Kollegin Helga Kühn-Mengel,
PD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-en und Kollegen! Kollege Seehofer hat in der Tat keineizwort ausgelassen. Er hat alle Zielgruppen populis-isch bedient. Aber eine Antwort ist er schuldig geblie-en.
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Was plant denn die Opposition im Hinblick auf die Er-werbstätigen? Wollen Sie den Beitragssatz nun erhöhen?Welches Signal wollen Sie der Wirtschaft geben? Ichhabe dazu nichts gehört. Sie schulden uns auch ein Ein-geständnis Ihrer verfehlten Politik. Wie war denn IhreFamilienpolitik?
Wie war Ihre Arbeitnehmerpolitik? Die Frühverrentunghat doch in Ihrer 16-jährigen Regierungszeit ein solchesAusmaß angenommen, dass der Arbeitsmarkt erodierte.
Sie haben es außerdem nicht geschafft, die Erwerbstäti-genquote der Frauen anzuheben. Diese Quote ist im Ver-gleich zum europäischen Durchschnitt nach wie vor vielzu niedrig. Die beste Alterssicherung für Frauen ist,wenn sie genauso wie die Männer Familie und Berufverbinden können.
Sie haben hier des Weiteren ein gigantisches Ablen-kungsmanöver durchgeführt. Ich möchte nur Folgendesdeutlich machen: Am Ende Ihrer Regierungszeit lag derBeitragssatz in der Rentenversicherung bei 20,3 Pro-zent. Das stimmt, auch wenn Sie das nicht hören wollen.Erst wir haben ihn zurückgefahren,
mit den Einnahmen aus der Ökosteuer – das ist völligrichtig –, die Sie nicht gewollt haben. Ohne die Einnah-men aus der Ökosteuer läge der Beitragssatz heute bei21,5 statt bei 19,5 Prozent und 2005 bei 22,3 Prozent.Auch das ist wahr. Wir haben das System stabilisiert. Siehätten das Ganze in 16 Jahren längst regeln können.
Es ist auch richtig, dass zwischen 1992 und 1998 dieRentenanhebung achtmal unter der Inflationsrate lag, da-von zweimal knapp darunter. So golden und rosig warenIhre Zeiten für die Rentnerinnen und Rentner also auchnicht.
Sie verunsichern und reden ein System herunter, daserhaltenswert ist und das wir auch erhalten wollen. DasVolumen des Transfers von West nach Ost beträgt20 Milliarden Euro. So schlecht, so wenig leistungsfähigkann das System also nicht sein. Auch das bedarf einmalder Erwähnung.
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Den Vorwurf von Herrn Dr. Kolb möchte ich aufgrei-en. Herr Kolb, Gesetze können nicht wirken, wenn sieoch nicht verabschiedet sind. Helfen Sie uns doch da-ei.
ehmen Sie doch Einfluss auf die Ihnen nahe stehendenruppen in den Unternehmen. Kämpfen Sie doch dafür,ass Arbeitnehmer im besten Mannes- und Frauenaltericht in die Frühverrentung geschickt werden! Auch hierarte ich auf Ihren Beitrag.
Mit dem Zweiten und Dritten Gesetz zur Änderunges SGB VI, deren zweite und dritte Lesung heute an-teht, sorgen wir dafür, dass die Wirtschaft einen wich-igen Impuls erhält und dass die sich abzeichnendeonjunkturelle Erholung nicht durch steigende Lohn-ebenkosten bedroht wird. Wir wissen genau: Ohneeues Wachstum und ohne wieder steigende Beschäfti-ung sind die Finanzierungsgrundlagen der sozialen Si-herungssysteme gefährdet. Wir werden diese Gesetzeeute verabschieden, um deutlich zu machen: Wir stabi-isieren. Gleichzeitig sagen wir damit der Wirtschaft:ir wollen die Lohnnebenkosten nicht erhöhen.Dieses Maßnahmenpaket, dieser Mix – das ist uns be-usst – fordert Opfer von allen. Das ist teilweise unpo-ulär. Es ist viel leichter, solche diffusen Reden zu hal-en, wie die Opposition das tut, ohne sich festzulegen.ines aber haben uns bei der Anhörung alle Sachverstän-igen – von der Bundesvereinigung der Deutschen Ar-eitgeberverbände bis hin zu den Gewerkschaften – ein-ellig bestätigt: Es gibt keine Alternativen zu diesemaßnahmenpaket,
eil die Zahl der Stellschrauben im Bereich der Renten-ersicherung außerordentlich beschränkt ist. – Deswe-en hat es uns nicht überrascht, dass die Opposition bisum heutigen Tag nicht einmal versucht hat, Alternati-en aufzuzeigen.Auch was die mittel- und langfristige Finanzierunger Rentenversicherung angeht, schulden Sie uns
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Helga Kühn-MengelAntworten. Die von der Herzog-Kommission vorge-schlagene Reform oder, wie man eigentlich sagenmüsste, die von ihr vorgeschlagenen Reformfragmentewürden die Menschen in die Altersarmut treiben. Be-rechnungen zeigen ganz deutlich, dass das Bruttorenten-niveau auf 37,5 Prozent fallen würde.Zusammengefasst: Solidarität zwischen Arbeitneh-mern und Arbeitnehmerinnen sowie Rentnern und Rent-nerinnen prägt unsere Reformgesetze. Weil es nur we-nige finanzielle Stellschrauben gibt, stehen auch nurbeschränkt Alternativen zur Verfügung. Wir haben unsfür Beitragssatzstabilität entschieden, damit Konjunk-tur, Beschäftigung und Ausbildung eine wirklicheChance bekommen. Wer die Verantwortung nicht scheut,der begleitet uns auf diesem Weg. Ich bin auf Ihr Ab-stimmungsverhalten hier und im Bundesrat gespannt.Ich danke Ihnen.
Ich erteile der Kollegin Hildegard Müller, CDU/CSU-
Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Regie-rung, das Lesen können wir Ihnen nicht auch noch ab-nehmen. Sie kritisieren die ganze Zeit, dass wir keineVorschläge haben. Dabei werden Sie die Vorschläge, diewir auf den Tisch gelegt haben, heute ablehnen. Dascheint mir etwas nicht konsistent zu sein.
Man bereitet sich auf Reden im Deutschen Bundestagimmer gut vor. Bei der Vorbereitung ist mir etwas in dieHände gefallen. Nach der letzten Rentenreform, die Siedurchgeführt haben, haben Sie gesagt: Auf die gesetzli-che Rentenversicherung ist Verlass für Jahrzehnte. – An-gesichts dessen frage ich mich natürlich schon, was wirheute machen.
Die Koalition steht vor einem großen Scherbenhaufenihrer Rentenpolitik. Dafür müssen Sie, meine Damenund Herren, schon selbst die Verantwortung überneh-men.
Das Desaster halten nicht nur wir Ihnen vor; auch dieBevölkerung spricht davon. Die Schlagzeilen der Presselauten: „Nichts ist sicher“; „Hilflose Ministerin“; Rente„nach Kassenlage“. Das sind die Überschriften, die dieTagespresse bestimmen; es ist nicht das, was Sie heutean Wunschdenken verkündet haben.In der Anhörung zu den vorliegenden Gesetzentwür-fen haben alle Seiten nur von Notoperationen gespro-cmfldHdsrblbdmbDzDfghncSlnssdderEtshSdaz
Ich bin nun fast genau ein Jahr lang Mitglied diesesauses. Es scheint mir heute genauso zu sein wie nacher Bundestagswahl: Trotz aller Versprechungen ändertich nichts am Chaos. Eine Notoperation nach der ande-en, egal an welchem Sozialversicherungsbereich wir ar-eiten!Gut, der Herr Bundeskanzler hat an dieser Stelle mitt-erweile wenigstens zugegeben, dass Sie sich geirrt ha-en. Ich erinnere aber noch einmal an die Rede des Bun-eskanzlers 2002 auf einer Konferenz des DGB in Dort-und, in der er meinen Kollegen Horst Seehofereschimpft hat – Zitat –:Jetzt hat Seehofer die Wiedereinführung des demo-graphischen Faktors angekündigt. Das war vor vierJahren unanständig und das ist heute genauso unan-ständig.as ist das, was Sie den Menschen in diesem Land er-ählt haben.
An der Konzeptionslosigkeit hat sich nichts geändert.ie einzige Konstante ist das Dahinwursteln. Dabei grei-en Sie auf ein altes Rezept zurück, das schon im vergan-enen Jahr und im Jahr davor für diese Notoperation her-alten musste. Sie reduzieren die Schwankungsreserve,ein, Sie schaffen sie sogar faktisch ab und damit brau-hen Sie alle liquiden Mittel auf. Das ist eine einmaligeonderaktion. Ich weiß auch nicht, wie Sie sich vorstel-en, die Schwankungsreserve wieder aufstocken zu kön-en.Einmalig dürfte sein, wie Sie das Vertrauen der Men-chen in die Liquidität der Rentenversicherung be-chädigen. Die Experten haben darauf hingewiesen, dassie Rentenversicherer beim jetzt drohenden Einspringener Bundesgarantie diesen Kredit des Bundes innerhalbines Jahres zurückzahlen müssen. Ich frage die Bundes-egierung: Wovon sollen sie das denn zurückzahlen?twa von den mageren Früchtchen eines vage zu erwar-enden zarten Konjunkturpflänzchens, das Sie heraufbe-chwören, meine Damen und Herren? Das wird nicht ge-en.
In der Zwischenzeit verscherbeln Sie das Tafelsilber.ie verkaufen den Wohnungs- und Immobilienbestander GAGFAH. Grundsätzlich ist dies nicht falsch,
ber jeder potenzielle Käufer weiß angesichts des finan-iellen Drucks, unter dem wir jetzt stehen, die Lage aus-
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Hildegard Müllerzunutzen und den Preis zu drücken. Wir werden für dieWohnungen weniger erzielen, als sie wirklich wert sind.Auch das haben Sie zu verantworten.
Kollegin Müller, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Dreßen?
Gern, Herr Dreßen.
Kollegin Müller, ist Ihnen bekannt, dass Norbert
Blüm 1996 mit dem § 293 im SGB VI genau dies vorge-
schrieben hat, nämlich dass Grundstückseigentum zu
verkaufen ist – er fügte hinzu, dass dies natürlich unter
wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu erfolgen habe –,
und wir also nur das vollziehen, was im Gesetz steht?
Ich verstehe Ihre Intention nicht, wenn Sie das verur-
teilen, was Sie selber beschlossen haben. Wenn Sie
schon kritisieren, dann sollten Sie Ihren eigenen Be-
schluss von 1996 kritisieren.
Herr Kollege Dreßen, das scheint Ihr Problem zu sein:Sie können nicht dauerhaft zuhören. Ich habe gesagt,grundsätzlich ist es nicht falsch, die Wohnungen zu ver-kaufen.
Ich habe kritisiert, unter welchem Zeitdruck Sie diesenVerkauf nun abwickeln. Jeder Käufer weiß, was dasheißt.
Wenn Sie die Schwankungsreserve, wie mir HerrStaatssekretär Thönnes schrieb – wenn er da wäre,könnte er es auch hören –, grundsätzlich
– Entschuldigung, Herr Thönnes – für notwendig halten,warum schreiben Sie dann nicht in den Gesetzentwurfhinein, dass Sie diese Reserve in Höhe von 1,5 statt von0,7 Monatsausgaben festlegen? Schreiben Sie hinein,dass Sie die Schwankungsreserve aufstocken wollen!Damit verpflichteten Sie sich wenigstens, das anzustre-ben, was Sie auch heute wieder dem Bürger zu verkün-den versuchen.Fakt ist: Ihnen fehlt wirklich die mittel- und langfris-tige Perspektive. Das, was Sie nach Ihrer Rentenklausurvorgeschlagen haben, scheint auch völlig unabgestimmtzu sein. Kritik daran ist auch in Ihren eigenen Reihenmehrfach zu hören. Frau Kollegin Sager und HerrMüntefering, ich habe mir Ihre Ausführungen eineSzzvTdvihsWZvvrtidgedmnSlegslibinZuwRa–jeLbdShÜFzDf
Man darf also gespannt sein, was Sie diesbezüglichorschlagen werden. Ich habe gestern bei der Anhörungm Ausschuss mit der Ministerin nicht den Eindruck ge-abt, dass das, was Sie hierzu vorschlagen, wirklichchon rund ist. Ich nehme nur das Beispiel der seit zweiochen heiß diskutierten Ausbildungszeiten. In diesemusammenhang hat Frau Ministerin Schmidt am Freitagor zwei Wochen meinem Kollegen Storm noch die Pri-ilegierung von Akademikern vorgeworfen und ihn dereinen Klientelpolitik für Hochschulabsolventen bezich-gt. – Jetzt nicken Sie schon wieder.Diese Regierung scheint aber vergessen zu haben,ass zur schulischen Ausbildung auch die Fachschulenehören. Davon ist in diesem Rentenreformentwurfxplizit die Rede. Wenn wir über Fachschulen sprechen,ann sprechen wir über Erzieherinnen, Masseure, Bade-eister, Ergotherapeuten und andere Heilberufe, ebenicht über den privilegierten Akademiker. Oder wollenie der Erzieherin in diesem Land etwas anderes erzäh-n?
Die Bundesanstalt für Arbeit verschickt in diesen Ta-en mit Datum vom 21. Oktober eine Informationsbro-chüre über rentenwirksame Ausbildungssuche. Jugend-che erhalten erste Bescheinigungen. Wer in dieser Zeiteispielsweise weiterhin die Schulbank gedrückt hat und einer vorbereitenden Maßnahme war, bekommt dieseeit der Ausbildungssuche angerechnet. Meine Damennd Herren, Sie müssen sich schon entscheiden. Was Sieollen, haben Sie gestern im Ausschuss angedeutet. Imeferentenentwurf findet es sich nicht wieder. Ich hoffelso, dass dies noch geändert wird.
Wir reden über das Gesetz, Herr Schmidt; ich tue dasdenfalls im Gegensatz zu Ihren Rednern.
assen Sie mich an dieser Stelle noch beim Thema blei-en. Die Kürzung der Anrechenbarkeit von Ausbil-ungszeiten wird ausdrücklich die Frauen treffen. Frauager, angesichts dessen ist es schon schamlos, wenn Sieier von einer Besserstellung für Frauen sprechen. Imbrigen hat die Regierung Kohl die Besserstellung fürrauen eingeführt, nicht Sie. Das bitte ich noch einmalur Kenntnis zu nehmen.
ass es der Regierung trotz aller Vorschläge an lang-ristigen Perspektiven fehlt, zeigt sich daran, wie viele
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Hildegard MüllerVerschiebebahnhöfe geschaffen werden. Die notwendigeReform der Pflegeversicherung wird schwierig – dashaben auch Vertreter aus Ihren Reihen zugegeben –, daSie dafür sorgen, dass die Rentnerinnen und Rentner denvollen Beitrag zur Pflegeversicherung zahlen müssen.Damit verbauen Sie sich die Möglichkeit, die Pflegever-sicherung zu reformieren. Also ist auch das, was Sie dortmachen, falsch.Ich halte fest: Es fehlt der Bundesregierung und derKoalition weiter an einem roten Faden, der sich durchihre Politik zieht; die einzige Konstante sind das Chaosund die Verunsicherung. Sie haben das Vertrauen in dieRente bei Jung und Alt nachhaltig zerstört. Sie schröpfendie Alten und bieten den Jungen keine Perspektive. Vielesind überzeugt, dass mit ihnen bei der Alterssicherungein böses Spiel getrieben wird. Das Vertrauen in die Pro-gnosen und in die Verlautbarungen der Regierung und derRentenversicherungsträger geht mittlerweile gegen null.Ich möchte einmal eine Anregung geben, wie man dieGlaubwürdigkeit vielleicht wieder herstellen kann.Wieso sollte es nicht möglich sein, zweimal pro Jahr– ähnlich wie beim Frühjahrs- und Herbstgutachten derWirtschaftsforschungsinstitute – ein Gutachten zurLage der Sozialversicherung vorzustellen? Ich denke,das würde die Glaubwürdigkeit wieder erhöhen, daswürde Druck auf die politisch Handelnden ausüben unddas würde den Bürgern Klarheit über die Finanzen ver-schaffen.Über das komplette Jahr hinweg haben wir von derUnion Klarheit über die Rentenfinanzen gefordert; deshalbist das, was Sie heute im Bundestag veranstaltet haben,wirklich absurd. Man sieht es an unserem Entschließungs-antrag. Wir haben der Bundesregierung zahlreiche schrift-liche und mündliche Fragen gestellt; wir wurden immerwieder vertröstet, weil die Lage angeblich viel besser alsvon uns dargestellt ist. Man hat uns sogar beschimpft, dasswir die Rentner in diesem Land verunsichern.Heute stehen wir vor dem Ende der Schwankungsre-serve und damit vor einer Rente auf Pump. Machen Siesich nichts vor! Die Fortsetzungstragödie der Irrungenund Wirrungen über die Einschnitte bei der Rente zeigt,dass Rot-Grün nur zwei Jahre nach der Verabschiedungder so genannten Riester-Jahrhundertreform – ich erin-nere an das, was ich gerade vorgelesen habe; Sie habenbehauptet, die Rente sei für Jahrzehnte sicher – trotz al-ler gut gemeinten Kommissionsvorschläge – von ihnenliegt hier nichts zur Abstimmung vor – wieder vor einerNotoperation steht und kein langfristiges Konzept hat.Das erforderliche Vertrauen der Menschen in das Sys-tem der gesetzlichen Rentenversicherung ist durch Ihrewiederholte Flickschusterei endgültig verspielt. Es ist imInteresse aller Generationen, einen neuen Anfang zu ma-chen. Haben Sie den Mut, langfristige Maßnahmen zuergreifen, und speisen Sie die Bürgerinnen und Bürgernicht dauerhaft mit solchen Kleinigkeiten ab, wie Sie esheute tun.Herzlichen Dank.
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Im kommenden Jahr wird dies anders aussehen: Aufer Grundlage unserer heutigen Entscheidung wird es imächsten Jahr zu einem Minus kommen. Bei den Rentne-innen und Rentnern müssen wir dafür um Verständnisitten. Die Alternative zu dieser Entscheidung wäre ge-esen, die Beiträge auf 20,3 Prozent zu erhöhen. Überiese Möglichkeiten haben wir auch in unseren Reihenange debattiert. Letztendlich haben sich diejenigenurchgesetzt, die mit Recht darauf hingewiesen haben,ass die Arbeitnehmer schon in den letzten Jahren erheb-iche Einschnitte zu tragen hatten. Man denke nur an dieielen Firmen, die Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie
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Peter Dreßenübertarifliche Zulagen reduziert bzw. ganz abgeschaffthaben. Wir mussten also bei der Frage der gerechtenLastenverteilung abwägen. Natürlich wissen auch wir,dass die Rentnerinnen und Rentner durch das Gesund-heitsmodernisierungsgesetz zusätzlich belastet werden.Aber das trifft eben auch alle Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer.Nun, Herr Seehofer, noch ein Wort zu dem, was Sievorhin gesagt haben. Der Demographiefaktor vonBlüm hätte ja zur Folge gehabt, dass die Renten niedri-ger geworden wären.
Sie haben sich ja selber nicht getraut, den Faktor in sei-ner vollen Wirkung anzuwenden, sondern haben nur denhalben Faktor wirken lassen, denn sonst wären die Ren-ten ja wirklich auf Sozialhilfeniveau abgesunken. DerUnterschied zu Walter Riesters Reform liegt darin, dasswir, nachdem wir gesehen haben, dass wir wahrschein-lich die Renten auf dem bisherigen Niveau nicht haltenkönnen, zusätzlich die privat finanzierte kapitalgedeckteAltersvorsorge eingeführt haben, damit Arbeitnehmerweiterhin dieses Niveau erreichen können. Dass Sie undandere das verteufelt haben, die heute am liebsten dieKritik, die sie damals geäußert haben, wieder zurückneh-men würden, ist eine andere Sache. Immerhin – das darfich einmal erwähnen – bekommt ein Arbeitnehmerhaus-halt mit 30 000 Euro, früher also 60 000 DM, Einkom-men und zwei Kindern über 50 Prozent staatliche Zu-schüsse zu dieser privaten Versicherung im Zuge derRiester-Reform.
– Herr Kolb, 4 Millionen sind schon dabei. Wir wissen,dass 58 Prozent in den alten Ländern durch betrieblicheAltersvorsorge noch eine zusätzliche Versicherung ha-ben. Man sollte wirklich einmal aufpassen, was man davon sich gibt.
Erst verteufelt man es und dann fragt man, warum esnicht akzeptiert wird.
Herr Seehofer, mich hat weiterhin gestört, dass Siedavon gesprochen haben, dass jemand, der 45 Versiche-rungsjahre aufweist, ohne Abschlag in Rente gehensollte. Sie wissen es besser; wenn andere das sagen wür-den, könnte es sein, dass sie es nicht wissen. Aber Siewissen doch, dass wir das noch oben und unten durchge-rechnet haben. Als Alternative, um das zu erreichen,wäre doch nur übrig geblieben, entweder die Renten um10 Prozent abzusenken oder den Beitragssatz um 3 Pro-zentpunkte anzuheben. Sie wissen doch, dass in dennächsten Jahren noch viele mit 59 Jahren diese Voraus-setzung von 45 Versicherungsjahren erfüllt haben wer-den. Auch ich gehöre ja zu der Generation, die mit 13,5Jahren ihre Lehre begonnen hat. Das war damals üblich.DnuJsbAdsSudnRcWsgineBlddRbhv
Ferner haben wir eine Schieflage repariert, die Sie seitahren weiter verstärkt haben, indem Sie der Rentenver-icherung immer neue Zusatzleistungen aufgebürdet ha-en. Damit haben Sie in die Taschen der Rentner undrbeitnehmer gegriffen. Mit der Ökosteuer haben wirafür gesorgt, dass in Zukunft alle Fremdleistungen tat-ächlich durch Steuern finanziert werden. Das solltenie auch einmal anerkennen.
Gebot der Stunde ist es nun aber nicht, über Fehlernd Versäumnisse zu sprechen. Wir wollen die Notwen-igkeit der Mehrbelastung den Rentnerinnen und Rent-ern verständlich machen. Ihre Vorgehensweise, dieentnerinnen und Rentner in diesem Land zu verunsi-hern, halte ich für schäbig und verantwortungslos.
ir werden alles tun – das sage ich den jungen Men-chen –, dass es auch im Jahre 2040 Alterseinkommenibt, mit denen man gut leben kann.Die Renten sind bei der rot-grünen Bundesregierung guten Händen.
Ich erteile das Wort Kollegin Gesine Lötzsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr ge-hrte Gäste! Ich bin Abgeordnete der PDS.
Mehr als 100 000 Menschen sind am 1. November inerlin auf die Straße gegangen. Sie haben gegen die Po-itik der Bundesregierung protestiert. Sie haben gegenie Arbeitsmarktpolitik, gegen die Rentenpolitik, gegenie Gesundheitspolitik und gegen die Steuerpolitik vonot-Grün protestiert. Man kann gar nicht alle Politikge-iete aufzählen, gegen die am vergangenen Sonnabendier demonstriert wurde. Das würde mein Zeitbudgeton fünf Minuten übersteigen. Meine Damen und)
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Dr. Gesine LötzschHerren von Rot-Grün, vielleicht können Sie mir ein Poli-tikfeld nennen, wo Sie eine positive Resonanz aus derBevölkerung erfahren. Ich kenne keines.Die Politiker der Regierung, aber auch der konservati-ven Opposition betreiben mit der Rente ein böses Spiel.Sie hetzen die Generationen gegeneinander auf, schürenNeid und Missgunst. Sie erklären, dass es den Rentnerin-nen und Rentnern zu gut geht. Aber in der Bundesrepu-blik leben circa 2,5 Millionen Frauen mit einer Rentevon unter 300 Euro pro Monat. Ich finde, das ist einSkandal für unser Land.
Den Durchschnittsrentner gibt es nur in der Statistik.Im wahren Leben treffen Sie ihn nicht. Ich sprach kürz-lich in einem Seniorenheim in Mecklenburg mit demVorsitzenden des Heimbeirates, einem blinden Mannhoch in den Siebzigern. Er sagte mir: Ich habe 48 Jahregearbeitet und werde demnächst meinen Heimplatz nichtmehr allein bezahlen können. Soll ich jetzt, nach48 Arbeitsjahren, zum Sozialamt gehen und dort betteln,um ein Hemd oder um einen Wintermantel?Sie bringen nicht nur die Generationen gegeneinanderauf, Sie schüren auch den Konflikt zwischen Ost undWest. Wenn über Ostrenten geredet wird, wird ver-schwiegen, dass es hier nur um die gesetzliche Rentegeht. Es wird nicht erwähnt, dass die meisten Ostdeut-schen keine Betriebsrente bekommen. Die Reichsbahnerzum Beispiel müssen auch 13 Jahre nach der staatlichenVereinigung immer noch um ihre Betriebsrenten kämp-fen.In Ostdeutschland wird fast jede dritte neue Rentewegen Arbeitslosigkeit gezahlt – also vorzeitig. Dieseneuen Rentner erhalten bis zu 18 Prozent weniger Rente.Die neuen Renten der Jahre 2000 und 2001 liegen durchdiese Abschläge bereits spürbar unter denen aus derMitte der 90er-Jahre. Die eigentlichen Probleme kom-men also noch auf uns zu.Wenn Sie von Generationengerechtigkeit reden, dannverschweigen Sie, dass jede Rentensenkung heute auchdie Renten von morgen, also die Renten der zukünftigenRentnerinnen und Rentner senkt. Wenn Sie über Genera-tionengerechtigkeit reden, aber den Studierenden dieAnrechnungszeiten für die Rente streichen, dann führenSie Ihre eigenen Argumente selbst ad absurdum.Wir als PDS wollen eine Rente von allen für alle. Wirwollen, dass alle Einkommensarten zur Rente beitragen.Wir wollen, dass alle Erwerbstätigen – also auch Be-amte, Freiberufler und Selbstständige – in die gesetz-liche Rentenversicherung einzahlen und dass darüberhinaus Einkünfte aus Mieten und Zinsen für die Ren-tenversicherung herangezogen werden. Wir von der PDSwerden gegen die Rentenkürzung stimmen; das wird Sienicht überraschen.Sie von Rot-Grün sollten die Zeichen der Zeit erken-nen, die am 1. November von über 100 000 Menschenin Berlin bei ihren Protesten gesetzt wurden. Sie wer-dWds2DRGSgßUntFuA–aLTdtAhDbLtmkeds1s
nd Noten verteilt. Das kennen wir mittlerweile. Aberlternativen, Frau Müller? – Null.
Mit Ihrem Antrag
den habe ich gelesen – wollen Sie die Bundesregierunguffordern,… umgehend Auskunft über die kurz-, mittel- undlangfristige Entwicklung der Rentenfinanzen … zugeben und... noch in diesem Jahr ein Konzept vor-zulegen …iebe Frau Müller, das machen wir.
Sie beklagen unsere Maßnahmen. Auf der heutigenagesordnung steht die Beratung von zwei Gesetzen, dieazu beitragen sollen, dass der Rentenversicherungsbei-rag bei 19,5 Prozent stabil bleibt. Wir sorgen dafür, dassrbeitnehmer und Unternehmer im nächsten Jahr keinenöheren Beitrag zur Rentenversicherung zahlen müssen.afür haben wir uns entschieden; denn Menschen in Ar-eit zu bringen hat für uns absoluten Vorrang. Steigendeohnnebenkosten – dazu zählen die Beiträge zur Ren-enversicherung – sind nun einmal für viele Unterneh-en ein Einstellungshindernis. Deshalb, Herr Seehofer,önnte die CDU/CSU doch ruhig zustimmen. Vielleichtrinnern sich manche Rentner und Rentnerinnen nocharan, dass der Beitrag zur Rentenversicherung zwi-chen 1957 und 1967 bei 14 Prozent lag und bis 19808 Prozent nicht überstieg. Deshalb werden sie auch ver-tehen, dass der Beitrag jetzt nicht steigen darf, weil die
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Erika LotzSicherung und die Schaffung von Arbeitsplätzen Vor-rang haben muss. Darum muss der Beitragssatz bei19,5 Prozent bleiben. Die Rentenanpassung zum Juli2004 setzen wir dazu aus.Wir entlasten die Rentenversicherung auch vom Pfle-geversicherungsbeitrag der Rentner. Diese müssen denBeitrag zukünftig alleine tragen, damit die Lohnneben-kosten nicht steigen. Nur so entstehen mehr Arbeits-plätze; das liegt im Interesse von uns allen.Die Anhörung zu den Gesetzen in der letzten Wochehat gezeigt, dass auch die Experten – aus den Gewerk-schaften ebenso wie aus der Wirtschaft – keine Alterna-tive zu unseren Vorschlägen sehen. Die Verschiebungder Rentenauszahlung für Neurentner auf das Mo-natsende – die einzige Maßnahme, über die der Bundes-rat mitentscheidet – hat die Bundesvereinigung der Ar-beitgeberverbände als „sachgerechte, sozialpolitischvertretbare und die Betroffenen nicht überforderndeMaßnahme“ bezeichnet. Auch da könnte die CDU/CSUdoch ruhig zustimmen.Auf Gegenvorschläge von Ihnen warte ich bis heutevergebens. Immer wieder nur zu sagen, wir hätten dendemographischen Faktor nicht abschaffen dürfen, hilftnicht weiter. Zudem hätte dies alleine die Probleme nichtgelöst. Wir haben die Anpassungsformel 2001 geändert– verschweigen Sie das doch nicht – und dadurch denAnstieg der Renten gedämpft. Ihr demographischer Fak-tor hätte die Situation bei den Beiträgen bloß um0,1 Prozentpunkte verbessert. Wäre es nach den PlänenIhres Rentenreformgesetzes 1999 gegangen, hätten dieBeiträge höher gelegen und wir hätten ein Problem mehrzu lösen gehabt. Die Diskussionen, die Sie, meine Da-men und Herren von der CDU/CSU, öffentlich führen,bewirken nur eines: Sie verunsichern die Rentnerinnenund Rentner ebenso wie die Beitragszahler.Es ist auch wenig hilfreich, die Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer dazu aufzufordern, sich ihr Weih-nachtsgeld erst im Januar auszahlen zu lassen, wie dasdie Verbraucherschutzexpertin der CDU/CSU, FrauHeinen, getan hat. Wer wie sie lange die Abteilung Sozi-alpolitik in der CDU-Bundesgeschäftsstelle geleitet hat,müsste doch wissen, dass sich dies bei den Einnahmender Rentenversicherung bemerkbar macht. Außerdem istes doch besser, wenn den Arbeitnehmerinnen und Ar-beitnehmern die Kaufkraft noch in diesem Jahr zufließt.
Anschließend schreiben Sie dann wieder einen Antrag,mit dem Sie die Bundesregierung auffordern, Klarheitüber die Rentenfinanzierung zu schaffen. Das ist dochnicht solide. Es ist ein unfaires Verhalten und schadet dergesetzlichen Rentenversicherung. Ich frage mich natür-lich, ob wir Ihrer Aufforderung entnehmen können, dasses im Bundesrat doch zu einer Einigung über das Vorzie-hen der Steuerreform kommen wird. Das wäre immerhineine positive Aussage.
Wir leiten jetzt kurzfristige Reformmaßnahmen ein.Ich kann die Union nur noch einmal dazu auffordern,hdtdDisddrgshddwBFtavsgVrREbddndDv0DgEegF
Ich erteile das Wort Kollegen Jens Spahn, CDU/CSU-
raktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am meis-en stört mich – auch aus Sicht der jüngeren Generation –n dieser Debatte, dass Sie durch Ihre Maßnahmen, dieon Willkür, Unstetigkeit und Verschleierung geprägtind, die Bereitschaft der Menschen zu wirklich grundle-enden und tief greifenden Reformen und damit auch dasertrauen der Menschen in unser Rentensystem zerstö-en.
Ich will das näher ausführen. Stichwort: Willkür. Dieentenanpassung wird einfach einmal eben ausgesetzt.s wird der volle Beitrag zur Pflegeversicherung erho-en. Das könnte man zwar systematisch begründen; aberie Diskussion, die Sie geführt haben – das gilt auch fürie Krankenversicherungsbeiträge –, zeigt, dass Sie dasicht aus systematischen Überlegungen tun, sonderneswegen, um am Ende Geld in die Kasse zu pumpen.ie Schwankungsreserve, also die Rücklage der Renten-ersicherung, wird einmal mehr gesenkt: erst von 0,8 auf,5 und jetzt auf 0,2 Monatsausgaben.Damit bin ich beim nächsten Stichwort: Unstetigkeit.ie Schwankungsreserve wird zwar jetzt einmal mehresenkt. Aber durch die Gänge schwirren schon erstentwürfe, wonach sie wieder auf 1,5 Monatsausgabenrhöht werden soll. Gleichzeitig wollen die Grünen sieanz auflösen. Was denn nun? Sie sollten sich in dieserrage endlich einmal entscheiden.
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Jens SpahnVor wenigen Wochen haben Sie im Haushaltsbegleit-gesetz die Kürzung des Rentenzuschusses um 2 Milliar-den Euro beschlossen. Nun machen Sie diese Kürzungwieder rückgängig. Eine kürzere Halbwertszeit hatte, soglaube ich, ein hier beschlossenes Gesetz noch nie ge-habt. Es ist noch nicht einmal richtig in Kraft getreten,da nehmen Sie es schon wieder zurück. Das macht dochdie Unstetigkeit und Beliebigkeit Ihrer Politik in dieserFrage deutlich.Zum demographischen Faktor – die Kollegin hat esgerade angesprochen –, 1998 von Ihnen noch als unan-ständig verdammt, sagt der Kanzler nun: Die Zurück-nahme war ein Fehler. So ehrenhaft es ist, Mut einkehrenzu lassen und endlich einmal einen Fehler zu gestehen:Dieser „Das war ein Fehler“-Fehler hat uns fünf Jahregekostet. Die Menschen in diesem Land haben dadurchviel Geld und viel Vertrauen verloren!
Stichwort: Verschleierung. Wer die Menschen, FrauMinisterin, über die Wirkung der demographischen Ent-wicklung auf die Rentenhöhe im Unklaren lässt, darfsich am Ende nicht wundern, dass die Bereitschaft, pri-vat und betrieblich vorzusorgen, derart unausgeprägt ist,wie es im Moment der Fall ist. Vor der Wahl war alles inButter, obwohl wir Ihnen gesagt haben, dass Erhöhun-gen drohen. Nach der Wahl musste eiligst ein Beitrags-satzsicherungsgesetz beschlossen werden.Wir sagen Ihnen seit Anfang des Jahres, dass weitereMaßnahmen notwendig sind, um Rentenbeitragserhö-hungen zu vermeiden. Bis jetzt gab es nur Beschwichti-gungen. Nun führen Sie wieder kurzfristige Hilfs-maßnahmen durch, ohne ein grundlegendes Konzept zuhaben.Es geht weiter: In den nächsten Jahren drohen auf-grund der wirtschaftlichen und demographischen Ent-wicklung und weiterer von Ihnen geplanter Maßnahmenwahrscheinlich – das ist eine Sache der Mathematik –mehrere Nullrunden. Wir wie auch die Rentenversiche-rungsträger weisen ehrlich darauf hin, damit sich dieMenschen darauf einstellen können. Die Frau Ministerinaber zieht durch das Land und bezichtet jeden, der dieWahrheit sagt, er betreibe Verunsicherung der Men-schen. Die Menschen verunsichert in Wahrheit Ihre Ver-schleierungs- und Salamitaktik.
Hören Sie mit dieser endlosen Verschleierung der Faktenauf und sagen Sie den Menschen endlich die Wahrheitüber die Situation der gesetzlichen Rentenversicherung!Willkür, Unstetigkeit und Verschleierung – das sindkeine guten Voraussetzungen, um die Menschen bei demmitzunehmen, was eigentlich zu tun wäre, nämlichgrundlegende Reformen: zum Beispiel die Einführungeines wirklichen demographischen Faktors, der die Ren-tenhöhe mit der Lebenserwartung und dem Verhältniszwischen Rentenbeziehern und Erwerbstätigen ver-knüpft, damit in Zukunft keine Generation Beiträge leis-tsdAERafMldpSdgsngstgtEddgedMMldtSi
Das Wichtigste ist die Stärkung der betrieblichen undrivaten Vorsorge. Es bleibt dabei: Das Wichtigste, wasie, Frau Ministerin, zur Stärkung beitragen können, ist,en Menschen endlich ehrlich zu sagen, wie es um dieesetzliche Rente bestellt ist, damit sie tatsächlich zu-ätzlich privat vorsorgen.Fazit: Ich bin sicher, Frau Sager, dass die Rentnerin-en und Rentner, dass die Menschen in diesem Land zurundlegenden Veränderungen und Reformen bereitind. Sie sind aber nicht bereit, eine Politik der kurzfris-igen Maßnahmen mitzumachen. Sie werden grundle-ende Reformen und damit verbundene Einschnitte mit-ragen, wenn sie wissen, dass diese ihren Kindern undnkeln zugute kommen – nicht aber, wenn sie sehen,ass wieder irgendwelche plötzlich auftretenden Löcheramit gestopft werden sollen.
Wenn Sie nun abseits ehrenhafter Absichtserklärun-en – mehr ist das, was bisher vorliegt, nicht; es gibt nurinen Rentenentwurf,
er durch die Gegend schwirrt, und einige Aussagen derinisterin – den Mut zur Wahrheit und zur Klarheit denenschen gegenüber im Sinne langfristiger und grund-egender Reformen nicht aus sich selbst heraus haben,ann tun Sie es zumindest für meine, die junge Genera-ion.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Franz Thönnes,
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dasst das typische Bild:
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Franz ThönnesHerr Spahn erklärt den Beschluss des CDU-Bundesvor-stands, nach dem die Menschen in Zukunft bis zum67. Lebensjahr arbeiten sollen, während Herr Seehofersagt, das alles sei gar nicht notwendig. Diese Fraktion istsich nicht einig und bietet damit kein geschlossenesKonzept zu einer dringend notwendigen Rentenreforman.
So findet man auch keine Antworten auf die Zu-kunftsfragen. Notwendig ist eine Politik, welche dieSchritte geht, die wir in den letzten sechs Monaten ge-macht haben. Wir wollen auf den Wachstumspfad zu-rück und Arbeitsplätze schaffen. Die Aussichten dafürhaben sich erheblich gebessert.
Deswegen kann das Motto heute nur lauten: Lohn-nebenkosten stabilisieren und senken,
damit alle Chancen für den konjunkturellen Aufschwungund für mehr Beschäftigung genutzt werden können.
Die Chancen haben sich verbessert. Das DIW, dasDeutsche Institut für Wirtschaftsforschung, sagt – soschreiben es die Zeitungen heute –, die deutsche Wirt-schaft hat die Rezession überwunden.
Im dritten Quartal gibt es ein Plus von 0,1 Prozent, imvierten Quartal rechnen die Forscher mit plus 0,25 Pro-zent.
Diese Daten bestätigen die Erholungssignale, die vonden Frühindikatoren ausgehen, die der Ifo-Geschäfts-klima-Index seit Monaten ausweist. Die Deutsche Bankgeht sogar von 0,3 Prozent aus.
Das heißt, wir können – wie das DIW sagt – mit steigen-der Produktion im nächsten Jahr rechnen. Dieser Trenddarf nicht gestört oder zerstört werden; er muss genutztwerden.
Sie haben hier auch die Bundesvereinigung der Ar-beitgeberverbände nicht auf Ihrer Seite. Auf die Frage,ob es Alternativen zu den jetzigen Entscheidungen gebe,sagte Herr Gunkel von der BDA bei der letzten Anhö-rung, es sei unter Beschäftigungsgesichtspunkten sicher-lich kontraproduktiv, nun die Arbeitskosten zu belasten.Auch mit der Absenkung der Schwankungsreserve istmvtemis1dRh2d2zsAdAhmdtrnRrnliJrd3läläiwhuuas4sBsBA
In den fünf Jahren, in denen diese Koalition regiert,st es uns gelungen, das Rentenniveau zumindest zuahren. Viermal erfolgte eine Rentenanpassung ober-alb der Inflationsrate; so viel zur Verlässlichkeit
nd zur Teilhabe an der Entwicklung der Einkommennd zu dem Vorwurf, den Leuten werde ständig das Geldus der Tasche gezogen werden. Das ist bei Ihnen ge-chehen.
Nun zu dem Vorschlag von Herrn Seehofer, auf5 Beitragsjahre abzustellen, um hier etwas Klarheit zuchaffen. Dazu will ich festhalten: Zunächst gab es deneschluss des CDU-Bundesvorstandes, die Menschenollen bis 67 Jahre arbeiten. Dann soll die Rente auf eineasisrente reduziert werden, auf die ein 15-prozentigerufschlag kommt – was nichts anderes wäre, als eine
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Franz ThönnesGrundsicherung einzuführen. Und nun stellen Sie sichhierhin und wollen das Rentenniveau an 45 Versiche-rungsjahren festmachen. Warum sagen Sie den Men-schen nicht, was das kostet? Wenn die Menschen mit 60in Rente gehen, verursacht das zusätzliche Kosten inHöhe von 10 Milliarden Euro.
Sie sagen, Sie wollen die Kindererziehungszeitenstärker anrechnen, Sie wollen sie verdoppeln. Das verur-sacht weitere Kosten in Höhe von 10 Milliarden Euro.Außerdem wollen Sie einen Beitragssatz, der bei 20 Pro-zent liegt. Wissen Sie, was das bedeutet? Das bedeutetEinschnitte in die Leistungen um weitere 20 MilliardenEuro.
Das ist nichts anderes als der Versuch, Ihre konfuse Ren-tenpolitik auch nach dem Regierungswechsel fortzuset-zen. Das ist kein Konzept, sondern das ist schlichtwegkonfus.
Wenn der Anteil der älteren Menschen in unserer Ge-sellschaft zunimmt und die Menschen gleichzeitig imDurchschnitt immer älter werden, dazu die Erschwernishoher Arbeitslosigkeit und geringerer Beitragseinnah-men kommt, ist völlig klar, dass das die Gesellschaft et-was kostet. Man muss den Menschen sagen, dass es da-rum geht, eine vernünftige Balance zwischen denBeitragszahlern, den Rentnerinnen und Rentnern undden Steuerzahlern zu wahren. Deswegen hat diese Re-gierung die Möglichkeiten der kapitalgedeckten Al-tersvorsorge geschaffen, die wir mit 10 Milliarden Eurofördern. So können sich die Menschen eine ergänzendeAltersvorsorge aufbauen, damit sie im Alter ein ange-messenes Auskommen haben.
An dieser Stelle sage ich: Wir können darüber reden,wie wir den Zugang erleichtern, aber hören Sie endlichauf, das alles schlechtzureden. So bekommen Sie jeden-falls keinen Zugang der Menschen zu dieser privaten Al-tersvorsorge.
Weil Sie, Herr Kolb, zuweilen etwas zum ThemaFrühverrentung dazwischenbrüllen, will ich zumSchluss sagen:
Diese Regierung wird mit dem Gesetz zur Sicherung dernachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichenRentenversicherung, dem so genannten Nachhaltigkeits-gesetz, die Altersgrenze für die Frühverrentung von 60auf 63 Jahre heraufsetzen. Das bedeutet Kalkulierbarkeitfür diejenigen, die aus der Altersteilzeit oder der Ar-beitslosigkeit kommen und dies in Anspruch nehmen.Jeder kann sich darauf einstellen. Es erfolgt keine Voll-bremsung, die die Menschen, die entsprechende VerträgeuvGW1ASzApwsWKrbishadBhgSstBbiFedrGsdmA
Kollege Thönnes, kommen Sie bitte zum Ende!
Sie von der Opposition haben keine Antworten. Sie
ätten sagen müssen, ob Sie die Steuern erhöhen wollen,
lso einen höheren Staatszuschuss in Kauf nehmen, ob
ie Leistungen eingeschränkt werden sollen oder ob die
eiträge heraufgesetzt werden sollen. Die Opposition
at keine Alternative zu den Gesetzen, die hier vorlie-
en.
Diese Gesetze werden mit dazu beitragen, dass die
olidarität zwischen den Generationen das zentrale kon-
titutive Element in unserem Rentenversicherungssys-
em bleibt. Auch in Zukunft müssen die Beiträge der
eitragszahlerinnen und Beitragszahler bezahlbar blei-
en und die Rentnerinnen und Rentner wissen, dass sie
m Alter ein gutes Auskommen haben werden.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den von denraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grüneningebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Än-erung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und ande-er Gesetze, Drucksache 15/1830. Der Ausschuss füresundheit und Soziale Sicherung empfiehlt unter Nr. 1einer Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/1893,en Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzuneh-en. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in derusschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
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Präsident Wolfgang Thiersechen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Ge-setzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stim-men von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen dieStimmen der anderen Abgeordneten des Hauses ange-nommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Die Fraktionen der SPD unddes Bündnisses 90/Die Grünen verlangen namentlicheAbstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen undSchriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen.– Sind alle Plätze besetzt? – Das ist der Fall. Dann er-öffne ich die Abstimmung.Ich frage: Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, dasseine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Ich hoffe,jetzt haben alle Abgeordneten ihre Stimme abgegeben. –Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführe-rinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-nen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen späterbekannt gegeben.1)Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir die Ab-stimmungen fortsetzen, möchte ich einen lieben Gast be-grüßen. Auf der Tribüne hat soeben der Parlamentspräsi-dent Dr. Zaoralek aus der Tschechischen Republik mitseiner Delegation Platz genommen. Wir begrüßen Siealle sehr herzlich.
Liebe tschechische Kolleginnen und Kollegen, geradeheute debattieren wir über verschiedene Fragen der Re-gierungskonferenz und der zukünftigen europäischenVerfassung. Dazu wünschen wir Ihnen jetzt einen auf-schlussreichen, wenn auch kurzen Eindruck unserer par-lamentarischen Arbeit. Für Ihren Aufenthalt heute hierin unserem Hause und für Ihr weiteres parlamentarischesWirken begleiten Sie unsere besten Wünsche.
Wir setzen jetzt die Abstimmungen fort.Abstimmung über den von den Fraktionen der SPDund des Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Ent-wurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des SechstenBuches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze, Drucksa-che 15/1831. Der Ausschuss für Gesundheit und SozialeSicherung empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlussemp-fehlung auf Drucksache 15/1893, den Gesetzentwurf inder Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen,die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustim-men wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dage-gen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit inzweiter Beratung mit den Stimmen von SPD,Bündnis90/Die Grünen und FDP gegen die Stimmen vonCDU/CSU angenommen.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Die Fraktionen der SPD unddes Bündnisses 90/Die Grünen verlangen eine nament-liche Abstimmung. – Die Schriftführerinnen und Schrift-führer haben die vorgesehenen Plätze eingenommen. Icheröffne die Abstimmung.SdbAwumDmhraFRwsDBmmSwrfazdztgDt–H1) Ergebnis Seite 6152 D 2)
Ich möchte jetzt gern die Abstimmungen fortsetzennd bitte Sie der Übersichtlichkeit wegen, Platz zu neh-en. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer etwas ganzringendes zu besprechen hat, tue das bitte draußen, da-it ich hier eine Übersicht über die Stimmenverhältnisseabe.Ich fahre jetzt in den Abstimmungen fort.Der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Siche-ung empfiehlt unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlunguf Drucksache 15/1893 die Ablehnung des Antrags derraktion der CDU/CSU mit dem Titel „Klarheit überentenfinanzen und Alterssicherung schaffen – Not-endige Reformmaßnahmen nicht auf die lange Bankchieben“. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag aufrucksache 15/1014 abzulehnen. Wer stimmt für dieseeschlussempfehlung des Ausschusses? Gegenstim-en? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung istit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen dietimmen der Opposition angenommen worden.Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzent-urf der Fraktion der FDP zur Beendigung der Frühver-entung. Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit emp-iehlt auf Drucksache 15/1885, den Gesetzentwurfbzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurfustimmen wollen, um das Handzeichen. Wer stimmtagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist inweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfrak-ionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition ab-elehnt worden.
amit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die wei-ere Beratung.
Ich kann Sie wegen des Lärmpegels nicht verstehen,err Ramsauer.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 g auf:a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-neten Ernst Burgbacher, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Daniel Bahr , wei-teren Abgeordneten und der Fraktion der FDPErgebnis Seite 6160 C
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Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmereingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än-derung des Grundgesetzes zur Ein-führung eines Volksentscheids über eine euro-päische Verfassung– Drucksache 15/1112 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-schusses
– Drucksache 15/1897 –Berichterstattung:Abgeordnete Hermann BachmaierDr. Norbert RöttgenJerzy MontagRainer Funkeb) Beratung des Antrags der Abgeordneten PeterHintze, Michael Stübgen, Peter Altmaier, weite-rer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSUFür eine zügige Regierungskonferenz über dieEU-Verfassung– Drucksache 15/1694 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Auswärtiger AusschussInnenausschussRechtsausschussFinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitVerteidigungsausschussAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungHaushaltsausschussc) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. PeterGauweiler, Klaus Hofbauer, Dr. Gerd Müller,weiterer Abgeordneter und der Fraktion derCDU/CSUGottesbezug im Europäischen Verfassungsver-trag– Drucksache 15/1695 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Auswärtiger AusschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Kultur und Mediend) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Werner Hoyer, Rainer Brüderle, Daniel Bahr
, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der FDPDaseinsvorsorge nicht gegen Wettbewerb aus-spielen– Drucksache 15/1712 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitInnenausschussRechtsausschussAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
e) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Werner Hoyer, Rainer Brüderle, SabineddWmvEESmsEm
und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENDie Errungenschaften des Konvents sichern –das Europäische Verfassungsprojekt erfolg-reich vollenden– Drucksache 15/1878 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Uniong) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für die Angelegenheitender Europäischen Union
– zu dem Entschließungsantrag der Fraktionender SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-NENzu der Abgabe einer Erklärung durch dieBundesregierung zu den Ergebnissen desEuropäischen Rates in Thessaloniki am 20./21. Juni 2003– zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Hintze,Michael Stübgen, Peter Altmaier, weiterer Ab-geordneter und der Fraktion der CDU/CSUZum Stand der Beratungen des EU-Verfas-sungs-Vertrages– Drucksachen 15/1212, 15/1207, 15/1898 –Berichterstattung:Abgeordnete Michael Roth
Peter AltmaierAnna LührmannSabine Leutheusser-SchnarrenbergerNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürie Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen, wobeiie FDP zwölf Minuten erhalten soll. – Ich höre keineniderspruch. Dann ist so beschlossen.Bevor ich den ersten Redner aufrufe, bitte ich umehr Ruhe.
Bevor wir in die Debatte eintreten, möchte ich dason den Schriftführerinnen und Schriftführern ermitteltergebnis der namentlichen Abstimmung über denntwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung desechsten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetzeitteilen. Abgegebene Stimmen 586. Mit Ja haben ge-timmt 302, mit Nein haben gestimmt 284. Es gab keinenthaltungen. Der Gesetzentwurf ist damit angenom-en.
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Vizepräsidentin Dr. Antje VollmerEndgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 586;davonja: 302nein: 284JaSPDDr. Lale AkgünGerd AndresIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHermann BachmaierErnst Bahr
Doris BarnettDr. Hans-Peter BartelsEckhardt Barthel
Klaus Barthel
Sören BartolSabine BätzingUwe BeckmeyerKlaus Uwe BenneterDr. Axel BergUte BergHans-Werner BertlPetra BierwirthRudolf BindigLothar Binding
Kurt BodewigGerd Friedrich BollmannKlaus BrandnerWilli BraseBernhard Brinkmann
Hans-Günter BruckmannEdelgard BulmahnMarco BülowUlla BurchardtDr. Michael BürschHans Martin BuryHans Büttner
Marion Caspers-MerkDr. Peter DanckertDr. Herta Däubler-GmelinKarl DillerPeter DreßenDetlef DzembritzkiSebastian EdathySiegmund EhrmannHans EichelMarga ElserGernot ErlerPetra ErnstbergerKarin Evers-MeyerAnnette FaßeElke FernerGabriele FograscherRainer FornahlGabriele FrechenDagmar FreitagLilo Friedrich
Iris GleickeGünter GloserUwe GöllnerRenate GradistanacADMKGAWKHBKAMANHRRDGPMGSGJWFEKCLBRJKJUDUHKHADWFKRAENVADHEHUDCCCWDngelika Graf
ieter Grasedieckonika Griefahnerstin Grieseabriele Gronebergchim Großmannolfgang Grotthausarl-Hermann Haack
ans-Joachim Hackerettina Hagedornlaus Hagemannlfred Hartenbachichael Hartmann
nke Hartnagelina Hauerubertus Heileinhold Hemkerolf Hempelmannr. Barbara Hendricksustav Herzogetra Heßonika Heubaumabriele Hiller-Ohmtephan Hilsbergerd Höferelena Hoffmann
alter Hoffmann
rank Hofmann
ike Hovermannlaas Hübnerhristel Hummeothar Ibrüggerrunhilde Irberenate Jägerann-Peter Janssenlaus-Werner Jonasohannes Kahrslrich Kasparickr. h.c. Susanne Kastnerlrich Kelberans-Peter Kemperlaus Kirschnerans-Ulrich Klosestrid Klugr. Heinz Köhler
alter Kolbowritz Rudolf Körperarin Kortmannolf Kramernette Krammernst Kranzicolette Kresslolker Kröningngelika Krüger-Leißnerr. Hans-Ulrich Krügerorst Kubatschkarnst Küchlerelga Kühn-Mengelte Kumpfr. Uwe Küsterhristine Lambrechthristian Lange
hristine Lehderaltraud Lehnr. Elke LeonhardEGGEDDTLCCHMPUAUMCGFDVDDHHJJDFDKGDCWRRDKMGOMTAAGRBDSHHUSDWHCWOKFWckhart Leweringötz-Peter Lohmannabriele Lösekrug-Möllerrika Lotzr. Christine Lucygairk Manzewskiobias Marholdothar Markaren Markshristoph Matschieilde Mattheisarkus Meckeletra-Evelyne Merkellrike Mertenngelika Mertensrsula Moggichael Müller
hristian Müller
esine Multhauptranz Münteferingr. Rolf Mützenicholker Neumann
ietmar Nietanr. Erika Oberolger Orteleinz Paulaohannes Pflugoachim Poßr. Wilhelm Priesmeierlorian Pronoldr. Sascha Raabearin Rehbock-Zureicherold Reichenbachr. Carola Reimannhristel Riemann-Hanewinckelalter Riestereinhold Robbeené Röspelr. Ernst Dieter Rossmannarin Roth
ichael Roth
erhard Rübenkönigrtwin Rundearlene Rupprecht
homas Sauernton Schaafxel Schäfer
udrun Schaich-Walchudolf Scharpingernd Scheelenr. Hermann Scheeriegfried Schefflerorst Schildorst Schmidbauer
lla Schmidt
ilvia Schmidt
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ilhelm Schmidt
einz Schmitt
arsten Schneideralter Schölerlaf Scholzarsten Schönfeldritz Schösserilfried SchreckOGGBRSDDREDDWDJDLRCRDJJJDWFHRSJUDHHARPGMGDJDLInDAJHDBEBDVWHUMD
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6154 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003
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r. Maria Flachsbarthlaus-Peter Flosbacherbert Frankenhauserr. Hans-Peter Friedrich
rich G. Fritzochen-Konrad Frommer. Michael Fuchsans-Joachim Fuchtelr. Peter Gauweilerr. Jürgen Gehborbert Geisoland Gewaltberhard Giengereorg Girischichael Glosalf Göbelr. Reinhard Göhneranja GönnerJPDURHMMMKOHGKHUUMJBEPRKMJHSDDBSIBSVGEJKMNHTMGGDDWDDHBKVWPUWEDPDosef Göppeleter Götzr. Wolfgang Götzerte Granoldeinhard Grindelermann Gröheichael Grosse-Brömerarkus Grübelanfred Grundarl-Theodor Freiherr vonund zu Guttenberglav Guttingolger-Heinrich Haibacherda Hasselfeldtlaus-Jürgen Hedrichelmut Heiderichrsula Heinenda Carmen Freia Hellerichael Hennrichürgen Herrmannernd Heynemannrnst Hinskeneter Hintzeobert Hochbaumlaus Hofbauerartin Hohmannoachim Hörsterubert Hüppeusanne Jaffker. Peter Jahrr. Egon Jüttnerartholomäus Kalbteffen Kampeterrmgard Karwatzkiernhard Kaster
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anfred Kolbeorbert Königshofenartmut Koschykhomas Kossendeyichael Kretschmerünther Krichbaumünter Kringsr. Martina Krogmannr. Hermann Kueserner Kuhn
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duard Lintnerr. Klaus W. Lippold
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von uns zu Recht als er-hode nachträglich relati-e vor allem, dass der Ver-Entwurf des Konvents sondern verschlimmbes-neten der FDP)ass sich am Ende diejeni-nicht sehen wollen, dassloser union“, der immergdhmkwlsdkPDEzhzetrennt aufgeführt werden. Diesen beiden Büchern deutlicalte ich den Verfassungsteileiner anderen die einzelnen PIch als Liberaler hätte mir eenntnis zu Freiheit, Wettbeünscht. Ich hätte mir die insung für Subsidiarität und Vtringenter vorstellen können, oass hier sehr viel erreicht worlarere Prioritätensetzung für dreisniveaustabilität gewünschank dazu wohl ein Erfolg erziIch hätte mir darüber hinauropäischen Zentralbank nugeschrieben wird, sondern siält, die ihr im Vertrag von Mugewiesen ist,
Es ist noch längst nicht klar, wie die noch existierenden die einzelnen Politikbereiche außerhalb der VerfassungWilhelm Josef SebastianHorst SeehoferKurt SegnerMatthias SehlingMarion SeibHeinz SeiffertBernd SiebertThomas SilberhornJohannes SinghammerJens SpahnErika SteinbachChristian von StettenGero StorjohannAndreas StormMax StraubingerMatthäus StreblThomas Strobl
Lena StrothmannMichael StübgenAntje TillmannEdeltraut TöpferDr. Hans-Peter UhlArnold VaatzVolkmar Uwe VogelAndrea Astrid VoßhoffGerhard WächterMarko WanderwitzPeter Weiß
Gerald Weiß
Ingo WellenreutherAnnette Widmann-MauzKlaus-Peter WillschWilly Wimmer
Matthias WissmannWerner WittlichDagmar WöhrlElke WülfingWolfgang ZeitlmannWolfgang ZöllerWilli ZylajewFDPDaniel Bahr
Rainer BrüderleAngelika BrunkhorstErnst BurgbacherHelga DaubJUOHRDJDDCKUBDMDJSHIS
Das Ergebnis der anderen namentlichen Abstimmungteile ich Ihnen mit, sobald es vorliegt.In der Debatte erteile ich jetzt dem AbgeordnetenDr. Werner Hoyer das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!In nur fünf Wochen sollen und wollen die Staats- undRegierungschefs der Europäischen Union den Verfas-sungsvertragsentwurf unter Dach und Fach bringen.Gegenwärtig befindet man sich in einer Art Hängepartie.edsddgePeKk
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6156 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003
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Es geht um die Versuchung, den Stabilitäts- undWachstumspakt durch den Verfassungsvertrag auf kal-tem Wege möglichst lautlos zu Grabe zu tragen.
Das ist Verrat am Euro. Das ist Verrat am Vertrauen derMenschen in den Euro.
Das ist ein Vertrauensbruch gegenüber den Partnern, de-nen Deutsche bis vor kurzem noch meinten Vorträgeüber finanzpolitische Solidität halten zu müssen.
Zurück zu den Änderungswünschen. Ich sehe auchdie Änderungswünsche anderer Länder. Die Debatte inFrankreich ist spannend. Wenn man sich vorstellt, dassin der Partei von François Mitterrand gegenwärtig eineDebatte darüber stattfindet, ob dieser Vertrag nicht zuwettbewerbsorientiert und zu neoliberal ist, wie es dortheißt, dann fragt man sich, ob die Schöpfer dieses Kon-ventsentwurfs insgesamt nicht doch eine gute Balancegefunden haben.Deshalb warne auch ich davor, das Paket aufzuschnü-ren. Dabei kann unter Umständen etwas sehr Schlechtesherauskommen. Aber ich frage mich, ob sich die Bun-desregierung nicht schon längst darauf eingerichtet hat,dass sie aufschnüren muss, und ich befürchte, dass dasdann geschieht, ohne dass ein einziges wichtiges natio-nales Anliegen Deutschlands noch einmal auf den Tischder Verhandlungsrunde gebracht worden ist.
Ich sehe eine Fülle von Konzessionen, die schon jetzt inder Pipeline sind, beispielsweise dass es am Ende 31Kommissare und nicht 15 sein werden. Ich sehe mehrAbgeordnete Spaniens und Portugals im EuropäischenParlament als im Konventsentwurf vorgesehen und da-mit eine Verschärfung des Problems der ungleichge-wichtigen Verteilung der Parlamentsmandate.udhddsAfbDVedtheldVwsddgM„lfdErMavehWnnnbMüütD
Wir Freien Demokraten wollen Ihnen vorschlagen,as Volk in die Lage zu versetzen, dem Verfassungsver-rag ausdrücklich zuzustimmen. Wir wollen deshalbeute auf Initiative unseres Freundes Ernst Burgbacherinen Grundgesetzänderungsantrag, mit dem die Mög-ichkeit des Referendums eröffnet wird, einbringen undarüber abstimmen lassen. Wir sind keineswegs fürolksentscheide über alle möglichen Quisquilien. Aberenn es um eine so wesentliche, weitgehende Weichen-tellung für die Zukunft eines Volkes geht, dann mussas Volk die Möglichkeit haben, Ja oder Nein zu sagen.
Die Kollegin Lührmann hat am 8. Mai ein flammen-es Plädoyer für den Volksentscheid über die Verfassungehalten. Ich gratuliere dazu. Ich bedanke mich bei
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich sage schon lange, dass die Einführung des Euro dieetzte EU-Entscheidung dieser Tragweite ohne Volksbe-ragung gewesen sein muss.“ Ich könnte noch viele an-ere zitieren, zum Beispiel Herrn Singhammer oderlmar Brok. Vor allen Dingen möchte ich mich bei unse-em Bundestagsvertreter im Konvent, Professor Jürgeneyer, bedanken, der im März gemeinsam mit Kollegenus fast allen Ländern den Antrag einbrachte, der Kon-ent solle allen Mitgliedstaaten verbindliche Referendenmpfehlen und da, wo es die nationale Verfassung nichtergibt, zumindest Volksbefragungen empfehlen.
ir von der FDP stehen mit unserer Forderung also kei-eswegs alleine. Ich bin nur gespannt, wie die selbster-annten Mitglieder der Speerspitze direkter Demokratieachher abstimmen werden.
Referenden bergen Risiken; das wissen wir alle. Sieergen vor allen Dingen das Risiko, dass über allesögliche diskutiert wird, über die Abtreibung in Irland,ber den Gottesbezug in der Verfassung Polens oderber eine Regierung in Deutschland, die abgewirtschaf-et hat, nur nicht darüber, worum es eigentlich geht.iese Gefahr besteht. Aber man kann das, Herr Minister,
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Dr. Werner Hoyerauch umkehren. Man kann nämlich sagen, dass ein Refe-rendum uns endlich als Politiker in die Pflicht nimmt,und zwar alle, für diese europäische Verfassung einzu-stehen und in unseren Wahlkreisen dafür zu kämpfen.
Bei der Debatte über den Euro gab es doch eineschmerzliche Erfahrung. Viele, die mit ihrer Abstim-mung im Parlament große Verantwortung für Deutsch-land und Europa übernehmen, bleiben während der öf-fentlichen Debatte über Europa lieber mit angelegtenLöffeln in der Ackerfurche liegen und überlassen dasEuropageschäft den Spezialisten. Ist das nicht ein peinli-ches Zeichen vorauseilender Resignation, wenn wir hierim Deutschen Bundestag wahrscheinlich mit einer über-großen Mehrheit, fast einstimmig, dem Verfassungsver-trag zustimmen werden,
uns aber nicht zutrauen, die Mehrheit der Bürgerinnenund Bürger davon zu überzeugen?
Wir Freien Demokraten wollen als überzeugte Euro-päerinnen und Europäer mit jahrzehntelanger Traditionliberaler Europapolitik den Bürgern die Möglichkeit ge-ben, Ja zu sagen. Wir wollen ihnen auch die Empfehlunggeben, zu diesem Vertragsentwurf Ja zu sagen, wenn inRom auf den letzten Metern etwas wirklich Vertretbaresherauskommt. Geben Sie, meine Damen und Herren,den Bürgerinnen und Bürgern diese Chance! Es geht umeine der wichtigsten Weichenstellungen in der Ge-schichte unseres Landes.Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Michael Roth.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Europa lässt sich ohne Verfassung nicht in eine gute Zu-kunft führen. Wir brauchen eine Verfassung, die Europaauf einem starken Fundament von Werten und Grund-überzeugungen wachsen lässt, die eine tragfähige Brü-cke zwischen Bürgerinnen und Bürgern einerseits undden politischen Institutionen andererseits bildet und diedeutlich macht, wer in Europa für was zuständig ist. Wirbrauchen eine Verfassung, die Europa in einer globali-sierten Welt handlungsfähiger macht und die vor allemdemokratische und transparente Entscheidungsprozessegarantiert.
Deshalb ist die heutige Debatte im Deutschen Bundestagso wichtig. Mehr Demokratie, Handlungsfähigkeit undTtessAnbcrhdüirzLtIwngkrddvme–MdndssDdf
m Gegenteil: Eine große Anzahl von Mitgliedstaatenill die Uhr noch einmal zurückdrehen. Sie scheinenichts aus dem weitgehenden Scheitern vergangener Re-ierungskonferenzen gelernt zu haben. Der Verfassungs-onvent war doch kein generöses Geschenk der Regie-ungen an die Parlamente. Vielmehr haben wir unsieses Stückchen Demokratie erstreiten müssen.Ich setze nur begrenzt Vertrauen in ein Verfahren, dasie europäische Verfassung wieder allein in die Händeon Regierungen und Diplomaten legt und sie den Parla-enten weitgehend und der Öffentlichkeit vollständigntzieht.
Zur Bundesregierung komme ich noch, lieber Kollegeüller. Sie hat sich bislang glücklicherweise ganz an-ers und sehr vorbildlich verhalten. Das wissen Sie ge-auso gut wie ich.
Die Chancen des Bundestages, direkten Einfluss aufie Verhandlungen der Regierungskonferenz zu nehmen,ind mehr als begrenzt. Insofern müssen wir den Men-chen reinen Wein einschenken.
as liegt leider in der Natur der Sache. Daher kann ichie Äußerungen von Mitgliedern des Bundesver-assungsgerichts nicht nachvollziehen, die in der
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6158 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003
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Michael Roth
Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, als sei jetzt dasParlament gefordert, sich einzubringen. So sehr ich mirim Bundestag europapolitische Debatten vor vollemHause wünsche, so verfehlt wäre doch die Annahme, wirsäßen mit am Verhandlungstisch der europäischenStaats- und Regierungschefs.Die historische Bedeutung des Konvents liegt dochgerade in der Mitwirkung und Mitentscheidung der Par-lamente. Mehr Demokratie wurde im verfassunggeben-den Prozess Europas noch nie gewagt. Der Bundestaghat keinen Grund, sich zu beschweren. Wir haben unsereRechte im Rahmen unserer Möglichkeiten genutzt. Al-lein die Koalitionsfraktionen brachten zwei Anträge ein,die eine Richtschnur für unsere Delegierten im Konventwaren.Die derzeitigen Debatten in der Regierungskonferenzgeben Anlass zu großer Sorge. Ich stimme darin aus-drücklich mit dem Kollegen Hoyer überein. Einige Re-gierungen tun so, als hätten sie mit dem Verfassungsent-wurf nichts zu tun, so als hätten sie nicht amVerhandlungstisch gesessen.
Ist der Entwurf etwa vom Himmel gefallen?Die Bundesregierung – jetzt komme ich zu demPunkt, den Sie sich sehnlichst gewünscht haben, HerrKollege Müller –
hat sich von Anfang an hinter den Konventsentwurf ge-stellt.
Sie will das Kompromisspaket nicht noch einmal auf-schnüren. Sie ist – damit zitiere ich eine Äußerung vonStaatssekretär Scharioth in der gestrigen Sitzung des Eu-ropaausschusses – der Gralshüter dieses Verfassungsent-wurfs. Für diesen mutigen Einsatz danken wir dem Bun-deskanzler und auch dem Außenminister.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es besteht aber auchAnlass zur Kritik. Wir sollten in diesem Zusammenhangeine deutlichere Sprache sprechen als bislang. Vor allemdie mittelosteuropäischen Länder haben mit dem Wegin die EU einen langen und steinigen Weg zurückgelegt.Ihnen wurde und wird eine Menge abverlangt. Bei allemRespekt für ihre schwierige Lage bin ich mehr als ent-täuscht über manche Blockade. Wie man beispielsweisedie komplizierte und wenig demokratische Stimmenge-wichtung im Rat, auf die man sich in Nizza mehrschlecht als recht verständigen konnte, zu einer Frageder nationalen Ehre, sogar zu einer Frage über Lebenund Tod aufbauschen kann, ist mir mehr als schleierhaft.So kommen wir in Europa nicht voran!aBjeddkasDpdchdb–uteaawmbdDniscinimteßsüRdambk
Dass in einer Regierungskonferenz verhandelt unduch gestritten werden muss, steht auch für die SPD-undestagsfraktion völlig außer Zweifel. Wir markierendoch klare rote Linien, die nicht überschritten werdenürfen. Wir sind nicht bereit, jeden Rückschritt und je-en Formelkompromiss zu akzeptieren. Für uns gibt esein Zurück hinter die Errungenschaften des Konventes.Die EU ist nicht nur eine Union der Staaten, sondernuch eine Union der Bürgerinnen und Bürger. Das mussich in den Entscheidungsprozessen widerspiegeln.
aher ist für uns eine Abkehr von dem Prinzip der dop-elten Mehrheit im Rat inakzeptabel.Die EU braucht auch ein starkes Parlament als Partnerer nationalen Parlamente. Daher ist für uns eine Schwä-hung des Europäischen Parlaments in allen Haus-altsangelegenheiten, wie dies zum Teil Stimmen ausem Ecofin-Rat irrigerweise fordern, völlig inakzepta-el.
Der deutsche Außenminister hat klar Stellung bezogennd darauf hingewiesen, dass er diese Auffassung nichtile. Hier vertraue ich unserem Finanzminister genauso.Guten Gewissens können wir nur dann Kompetenzenn die EU abtreten, wenn die Aufgaben, die uns bislangls Bundestag zukommen, vom Europäischen Parlamentahrgenommen werden können. Die EU braucht auchehr Transparenz. Daher müssen die Räte öffentlicheraten und entscheiden. Das ist ein Stück Demokratie,as man der europäischen Ebene nicht nehmen darf.eswegen halten wir auch an unserer Forderung nach ei-em Legislativrat fest, der sich irgendwann einmal – dast ein Traum – zu einer Staatenkammer weiterentwi-keln könnte.
Die EU braucht mehr Handlungsfähigkeit, vor allem der Außen- und Sicherheitspolitik. Darüber haben wir Bundestag häufig genug gestritten und waren meis-ns einer Meinung. Das Amt eines europäischen Au-enministers darf daher nicht noch einmal infrage ge-tellt werden. Wir müssen endlich die Blockadenberwinden und in möglichst vielen Politikfeldern imat mit Mehrheit und nicht länger einstimmig entschei-en. Wer jetzt die Axt an zukunftsweisende Fortschrittensetzt, auf die sich der Konvent verständigt hat, mussit unserem Widerspruch und Widerstand rechnen.
Nun streiten wir auch in der heutigen Bundestagsde-atte darüber, wie wir uns gegenüber der Regierungs-onferenz politisch positionieren sollten und was wir der
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Regierung mit auf den Weg geben sollten. Selbstver-ständlich finden wir als Sozialdemokraten nicht alle un-sere Forderungen im Konventsentwurf wieder. Wir hät-ten uns in einigen Bereichen klarere Regelungen undgrößere Fortschritte gewünscht. Aber es wäre gefährlich,wenn auch wir nun als „Gralshüter“ mit einem langenWunschzettel die Regierungskonferenz traktierten. DieVersuchung – ich kann das gut verstehen, Herr KollegeMüller – mag groß sein, in der Regierungskonferenz dasdurchzusetzen, was sich im Konvent nicht erreichen ließ.Aber glaubt denn wirklich jemand, dass sich das Kon-ventsergebnis durch eine Regierungskonferenz nachhal-tig verbessern ließe? – Mitnichten! Leider unterliegtauch die Union diesem Irrglauben.
Die CDU hat sich von der CSU aufs Glatteis führen las-sen und sich den Schneid abkaufen lassen. Der bayeri-sche Ministerpräsident geht im Bundesrat sogar so weit,dass er sich über die bekannte Liste der Union hinausweitere Forderungen vorbehält. Das ist unverantwort-lich.
Wie wollen wir denn andere Mitgliedstaaten daranhindern, Errungenschaften im institutionellen Bereichanzutasten, wenn wir selbst den gefundenen Kompro-miss fortwährend infrage stellen? Die Regierungskonfe-renz sollte sich auf Präzisierungen und einige wenigeÄnderungen beschränken, die aber an der Substanz desKonventsentwurfs nichts ändern. So stünde beispiels-weise aus unserer Sicht und auch aus der Sicht desStaatssekretärs des Auswärtigen Amtes – darüber habenwir schon auf der gestrigen Sitzung des Europaausschus-ses gesprochen – eine klareren Hinweis auf den Schutznationaler Minderheiten, so wie dies die Ungarn fordern,nichts im Wege.Ebenso halte ich eine Debatte über den Gottesbezugfür mehr als legitim. Aber, meine Damen und Herrenvon der Union, über so etwas kann und darf man dochnicht entlang von Fraktionslinien diskutieren. Es gibtauch in meiner Fraktion nicht wenige, die eine Bezug-nahme auf Gott für hilfreich und unterstützungswürdighalten. Ich persönlich setze mich sehr für eine entspre-chende Formulierung ein.
Den Gläubigen, egal wo sie sitzen, bei der Union, beider SPD, bei der FDP oder auch bei den Grünen, tut essicherlich gut, zu wissen, dass wir auch in Europas Ver-fassung Begrenzungen unseres Handelns und das Einge-bunden-Sein in unseren Glauben finden können.
– Sie hätten dem Kanzler einmal zuhören sollen. DerKanzler hatte nämlich einen sehr guten Vorschlag unter-breitet.E–üsSsFbekaEgwGampdhsaSfMhodFhsa
r hat gesagt, er könne damit leben.
Schaum vor dem Mund bringt uns in dieser Frageberhaupt nicht weiter. Wir sollten mit dieser Frage sehrensibel umgehen.
ie wissen doch genauso gut wie ich, dass es in Europatreng laizistisch organisierte oder verfasste Staaten gibt.ür die wäre eine Bezugnahme auf Gott zumindest pro-lematisch. Auch diesen Staaten müssen wir Respektntgegenbringen. Da hilft doch gar nichts.
Ich bin vor allem deshalb für den Gottesbezug, weil ereine Glaubensgemeinschaft ausschließt. Er dürfte alsouch für Atheisten, für Agnostiker tolerabel sein.
Ein ausdrücklicher Hinweis allein auf das christlicherbe jedoch ist für mich inakzeptabel. Die herausra-ende Bedeutung des Christentums für Identität, Ent-icklung, historische Höhen und Tiefen von Europaseschichte steht völlig außer Zweifel. Aber waren dasntike Rom und Griechenland nicht ebenso wirkungs-ächtig für Rechts- und Staatsordnung, Philosophie undolitische Ideengeschichte? Dürfen wir die Bedeutunges europäischen Judentums ignorieren oder den Jahr-underte währenden Einfluss des Islam auf Naturwis-enschaften, Kunst und Architektur, übrigens nicht nuruf der Iberischen Halbinsel?
ind nicht auch das wesentliche Quellen der Inspirationür und in Europa?
Die FDP und manche Vertreter von Wissenschaft undedien, die vom neoliberalen Zeitgeist umweht sind,aben ihren Frieden mit der sozialen Dimension Europasffensichtlich noch nicht geschlossen. Diese Auseinan-ersetzung, liebe Kolleginnen und Kollegen von derDP, sind wir gern bereit zu führen. Freier Markt undemmungsloser Wettbewerb sind mit unserem europäi-chen Gesellschaftsmodell unvereinbar.
Europa definiert sich über soziale Grundrechte fürlle Bürgerinnen und Bürger. Europa lebt von Solidarität
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6160 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003
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Michael Roth
biszitärer Elemente also überhaupt nicht überzeugt wer- nes Dritten Gesetzes zur Änderung des Sechsten BuchesSozialgesetzbuch und anderer Gesetze. Abgegebene
bsEndgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 584;davonja: 343nein: 241JaSPDDr. Lale AkgünGerd AndresIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHermann BachmaierErnst Bahr
Doris BarnettDr. Hans-Peter BartelsEckhardt Barthel
Klaus Barthel
Sören BartolSabine BätzingUwe BeckmeyerKlaus Uwe BenneterDr. Axel BergUte BergHans-Werner BertlPetra BierwirthRudolf BindigLothar Binding
Kurt BodewigGerd Friedrich BollmannKlaus BrandnerWilli BraseBernhard Brinkmann
Hans-Günter BruckmannEdelgard BulmahnMarco BülowUlla BurchardtDr. Michael BürschHans Martin BuryHans Büttner
Marion Caspers-MerkDr. Peter DanckertDr. Herta Däubler-GmelinKarl DillerPeter DreßenDetlef DzembritzkiSebastian EdathySiegmund EhrmannHans EichelMarga ElserGernot ErlerPetra ErnstbergerKarin Evers-MeyerAnnette FaßeEGRGDLIGURADMKGAWKHBKAMANHR
dum über die europäischel Schäfer wird sich nach-rn. Sie stehen mit dieser offen – nicht allein. Esen, die das aus vielerleiIch erinnere nur an den Parlaments, Pat Cox,r hat in der vergangenen eindringlich vor den Ge-rnt.tmaier [CDU/CSU])1998 für die Verankerungin unserem Grundgesetz.n des BÜNDNIS-RÜNEN)ichen Notwendigkeit ple-BDsssazmdarinfVaSlislang sind wir am Widerstanie Frage eines Referendumsung muss in ein GesamtkonzeZum Schluss: Liebe Kollegteht viel auf dem Spiel. Beiung geht es nicht nur um Instuch wenn wir Europapolitikeu viel darüber reden. Es gehtent. Es geht um unser Selbsas die Globalisierung nur demktiv zu gestalten vermag. Vonen die Beratungen des Konvehn leider bei der Regierungskoicht zu spät. Auch wir als Deuordert. Lassen Sie uns heuteerfassungsentwurf des Konveller Unterstützung mehr als veVielen Dank.
Vollmer:n Schriftführerinnen undnis der zweiten nament-ie betraf den Entwurf ei-
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Vizepräsidentin Dr. Antje VollmerFritz Rudolf KörperKarin KortmannRolf KramerAnette KrammeErnst KranzNicolette KresslVolker KröningAngelika Krüger-LeißnerHorst KubatschkaErnst KüchlerHelga Kühn-MengelUte KumpfDr. Uwe KüsterChristine LambrechtChristian Lange
Christine LehderWaltraud LehnDr. Elke LeonhardEckhart LeweringGötz-Peter LohmannGabriele Lösekrug-MöllerErika LotzDr. Christine LucygaDirk ManzewskiTobias MarholdLothar MarkCaren MarksChristoph MatschieHilde MattheisMarkus MeckelPetra-Evelyne MerkelUlrike MertenAngelika MertensUrsula MoggMichael Müller
Christian Müller
Gesine MulthauptFranz MünteferingDr. Rolf MützenichVolker Neumann
Dietmar NietanDr. Erika OberHolger OrtelHeinz PaulaJohannes PflugJoachim PoßDr. Wilhelm PriesmeierFlorian PronoldDr. Sascha RaabeKarin Rehbock-ZureichGerold ReichenbachDr. Carola ReimannChristel Riemann-HanewinckelWalter RiesterReinhold RobbeRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannKarin Roth
Michael Roth
Gerhard RübenkönigOrtwin RundeMarlene Rupprecht
Thomas SauerAnton SchaafAxel Schäfer
Gudrun Schaich-WalchRBDSHHUSDWHCWOKFWOGGBRSDDREDDWDJDLRCRDJJJDWFHRSJUDHHARPGMGDJDLInudolf Scharpingernd Scheelenr. Hermann Scheeriegfried Schefflerorst Schildorst Schmidbauer
lla Schmidt
ilvia Schmidt
agmar Schmidt
ilhelm Schmidt
einz Schmitt
arsten Schneideralter Schölerlaf Scholzarsten Schönfeldritz Schösserilfried Schreckttmar Schreinererhard Schröderisela Schröterrigitte Schulte
einhard Schultz
wen Schulz
r. Angelica Schwall-Dürenr. Martin Schwanholzolf Schwanitzrika Simmr. Sigrid Skarpelis-Sperkr. Cornelie Sonntag-Wolgastolfgang Spanierr. Margrit Spielmannörg-Otto Spillerr. Ditmar Staffeltudwig Stieglerolf Stöckelhristoph Strässerita Streb-Hesser. Peter Struckoachim Stünkerörg Taussella Teuchnerr. Gerald Thalheimolfgang Thierseranz Thönnesans-Jürgen Uhlüdiger Veitimone Violkaörg Vogelsängerte Vogt
r. Marlies Volkmerans Georg Wagneredi Wegenerndreas Weigeleinhard Weis
etra Weisunter Weißgerberatthias Weisheitert Weisskirchen
r. Ernst Ulrich vonWeizsäckerochen Weltr. Rainer Wendydia Westrichge Wettig-DanielmeierDAJHDBEBDVWHUMDBGKMVCBMGAEDJFDHJKAWAPUTMFRUMDAJKWCFSCKCIAWPURSHJMHr. Margrit Wetzelndrea Wickleinürgen Wieczorek
eidemarie Wieczorek-Zeulr. Dieter Wiefelspützrigitte Wimmer
ngelbert Wistubaarbara Wittigr. Wolfgang Wodargerena Wohllebenaltraud Wolff
eidi Wrightta Zapfanfred Helmut Zöllmerr. Christoph ZöpelÜNDNIS 90/DIERÜNENerstin Andreaearieluise Beck
olker Beck
ornelia Behmirgitt Benderatthias Berningerrietje Bettinlexander Bondekin Deligözr. Thea Dückertutta Dümpe-Krügerranziska Eichstädt-Bohligr. Uschi Eidans-Josef Felloseph Fischer
atrin Göring-Eckardtnja Hajdukinfried Hermannntje Hermenaueter Hettlichlrike Höfkenhilo Hoppeichaele Hustedtritz Kuhnenate Künastndine Kurth
arkus Kurthr. Reinhard Loskenna Lührmannerzy Montagerstin Müller
infried Nachtweihrista Nickelsriedrich Ostendorffimone Probstlaudia Roth
rista Sagerhristine Scheelrmingard Schewe-Gerigklbert Schmidt
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6162 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003
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Dr. Maria FlachsbarthKlaus-Peter FlosbachHerbert FrankenhauserDr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. FritzJochen-Konrad FrommeDr. Michael FuchsHans-Joachim FuchtelDr. Peter GauweilerDr. Jürgen GehbNorbert GeisRoland GewaltEberhard GiengerGeorg GirischMichael GlosURHMMMKOHGKHUUMJBEPRKMJHSDDBSIrBSVEJJKMNHTMGGDDWDDHBKVte Granoldeinhard Grindelermann Gröheichael Grosse-Brömerarkus Grübelanfred Grundarl-Theodor Freiherr vonund zu Guttenberglav Guttingolger-Heinrich Haibacherda Hasselfeldtlaus-Jürgen Hedrichelmut Heiderichrsula Heinenda Carmen Freia Hellerichael Hennrichürgen Herrmannernd Heynemannrnst Hinskeneter Hintzeobert Hochbaumlaus Hofbauerartin Hohmannoachim Hörsterubert Hüppeusanne Jaffker. Peter Jahrr. Egon Jüttnerartholomäus Kalbteffen Kampetermgard Karwatzkiernhard Kaster
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denn sie hat immer nach Plebisziten geschrien. MeinKollege Vorredner hat in einem Punkt Recht: In dieserFrage gibt es in diesem Haus eine einzige Fraktion, diekristallklar die Leitprinzipien der repräsentativenDemokratie vertritt, die uns in Deutschland und EuropaStabilität gebracht haben, und das sind wir, liebe Kolle-ginnen und Kollegen.
– Verehrter Kollege Westerwelle, ich spreche für CDUund CSU.
Ich halte es für einen fatalen Fehler, das Grundgesetzzu ändern. Der Kollege Hoyer hat uns in der intellektuel-len Redlichkeit, die wir von ihm kennen, dafür auch dienotwendigen Belege geliefert.Eine Volksabstimmung über Europa wäre nichts an-deres als eine Bühne für Sektierer und Randalierer,
auf der alle Kräfte, die eine europäische Verfassungdurchbringen müssen,
sich mit antieuropäischen Ressentiments herumschlagenmüssten.
– Das nehmen wir entgegen, Herr Westerwelle.
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as läuft im Moment nach dem Motto: Die anderenringen die Verschlechterungen ein und die deutscheundesregierung weigert sich, als richtig erkannte Ver-esserungen vorzuschlagen.
iese Arbeitsteilung halte ich für unglücklich.Beim Start der Regierungskonferenz – das betrifft denesamten Deutschen Bundestag – wurde direkt in derrsten Sitzung ein Kernelement der europäischen Verfas-ung eliminiert, nämlich der Legislativrat, der eindeutigehr Transparenz und mehr Demokratie in die europäi-chen Entscheidungsprozesse gebracht hätte. Ich weiß,er Bundesaußenminister hat mannhaft dagegen gefoch-en, aber mir kommt es auf Folgendes an: Es geht nichtn, dass die anderen Salamischeibe für Salamischeibelemente aus der Verfassung herausnehmen, währendir, da wir uns dem Entwurf verpflichtet fühlen, aus un-erer Sicht keine Verbesserungen an anderer Stelle vor-chlagen,
ie man, wenn man so etwas schon hinnimmt, vielleichtuch als Gegenstück hineinbringen könnte. Ich erwartelso von unserer Bundesregierung, dass sie ihre hierbeierfolgte Strategie ändert.
Als Nächstes droht eine Beschränkung des Haus-altsrechts des Europäischen Parlaments.
iebe Kolleginnen und Kollegen, das Haushaltsrecht istas Kernrecht des Parlaments. Jedenfalls für unsereraktion sage ich hier: Die Kollegen im Europäischenarlament haben unsere Solidarität und die Regierungs-onferenz hat mit unserem Widerstand zu rechnen, wennuch diese Rechte des Parlaments im Verfassungsent-urf zerstört werden.
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Peter HintzeGanz entscheidend wird sein, die Regelung der dop-pelten Mehrheit im Konventsentwurf zu verteidigen;Mehrheit der Staaten plus Mehrheit der Bürger, das istdemokratisch. Ich halte es für gefährlich, die Diskussionsämtlicher wichtiger Themen auf die letzte Nacht – sohat uns jedenfalls die Regierung unterrichtet – zu ver-schieben. Kollege Hoyer, der in der Bundesregierunglange Verantwortung getragen hat, hat warnend auf dieKonsequenzen hingewiesen:Erstens. Die Parlamente werden im Vorfeld dieserEntscheidungen ausgeschaltet, weil keiner ihrer Vertre-ter in der letzten Nacht dabei ist.Zweitens. Es droht die Wiederholung von Nizza, woin der Erschöpfung der Schlussrunde nach langem Feil-schen schlechte und zum Teil ungerechte Ergebnisse er-zielt wurden.
Wir verlangen, dass die Kernfragen im Rahmen derRegierungskonferenz so behandelt werden, dass wir, dasParlament, diesen Prozess kritisch begleiten können.Herr Bundesaußenminister, ich habe eine Bitte: Sieund der Herr Bundeskanzler sollten sich bei den Ver-handlungen und Beratungen – in Ihrem Interesse – im-mer vor Augen führen, dass Sie für die Ratifizierung dereuropäischen Verfassung im Bundestag eine Zweidrit-telmehrheit, also auch die Stimmen von CDU und CSU,brauchen. Mit anderen Worten: Ohne unsere Stimmensind Sie mit diesem Projekt am Ende; in anderen Fragensind Sie es sowieso. Ich halte es deswegen für – vorsich-tig gesagt – töricht, dass die Regierung die Forderungen,die die große Mehrheit der Opposition hier stellt, einfachmit einer gewissen Nichtachtung straft. Ich erinnere andie Vorschläge, die in unserem Antrag aufgeführt sind,Stichworte „Daseinsvorsorge“, „Grundwerteveranke-rung in der Präambel“, „Bezug auf das christliche ErbeEuropas“ und „Verantwortung des Menschen vor Gott“.
Wir werden im Bundestag darüber sprechen müssen,wie wir als nationales Parlament die europäische Ge-setzgebung in Zukunft begleiten können. Dazu müssenwir uns etwas einfallen lassen: Wir werden uns Art. 23des Grundgesetzes vornehmen müssen, wir müssen un-sere Beteiligungsrechte ergänzen – sie sind unzurei-chend beschrieben – und wir müssen, Frau Präsidentin,darüber nachdenken, wie wir die europäischen Gesetz-gebungsprojekte in jeder Sitzungswoche des DeutschenBundestages behandeln und begleiten können. Nur wenndas geschieht, ist eine sinnvolle Kontrolle der Politik aufder europäischen Ebene durch den Deutschen Bundestagmöglich.
Der gestern veröffentlichte Fortschrittsbericht derEU-Kommission über die Beitrittskandidaten zeigt uns,dass hier noch eine Menge Probleme zu schultern sind.Interessant ist auch das, was die Kommission über denBeitrittskandidaten Türkei sagt. Wir nehmen mit Sorgezur Kenntnis, dass die Kommission die Feststellung vie-ler Menschenrechtsorganisationen bestätigt, wonach dieVPweliDbzPmrzsSszwjwgTsrSswroguaü–acEhickfsKDsd
Hier ist dazu aufgefordert worden, die Bevölkerungu fragen. Wir müssen auch uns fragen, ob die Europäi-che Union nach dieser großen Erweiterung um zehntaaten und damit um 75 Millionen Menschen ange-ichts unseres heutigen Erkenntnisstands ein Hineinstür-en in die nächste bzw. übernächste Erweiterung verant-orten kann. Jeder, der in einem Wahlkreis arbeitet,eder, der in der Kommunalpolitik Verantwortung trägt,eiß, dass wir in Deutschland zurzeit zunehmende Inte-rationsprobleme haben, gerade im Hinblick auf eineneil unserer türkischen Mitbürger.
Wir wissen, dass die Europäische Union mit einemolchen Beitritt – vorsichtig formuliert – sehr stark he-ausgefordert würde. Deswegen ist nach dem heutigentand der politischen Erkenntnis klar, dass die Europäi-che Union eine solche Erweiterung nicht verkraftenürde. Wir halten daher das Vorgehen der Bundesregie-ung in Helsinki für falsch, der Türkei den Status einesffiziellen Kandidaten zu verleihen, ohne die Grundfra-en nach den Grenzen Europas, nach dem Ziel Europasnd nach der Handlungs- und Funktionsfähigkeit eineruf 450 Millionen Bürger erweiterten Gemeinschaftberhaupt zu prüfen.
Ich will dem Kollegen Gloser auf seinen Zwischenrufntworten. Er hat gefragt, was 1997 war. Verantwortli-he Politik ist, dass jeder zu jedem Zeitpunkt prüft, obntscheidungen oder Vorüberlegungen auch nach demeutigen Kenntnisstand immer noch richtig sind. Wennh beschlossen habe, vom Dreimeterbrett zu springen,ann ich doch nicht sagen, wenn ich oben angekommeneststelle, dass kein Wasser drin ist, dass ich trotzdempringe, weil ich es einfach beschlossen habe, lieberollege Gloser.Ich komme zum Schluss.
as Jahr 2004 wird als ein europäisches Jahr in die Ge-chichte eingehen: Verfassung, Erweiterung und, nach-em es ja schon seit einem Vierteljahrhundert Direkt-
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Peter Hintzewahlen zum Europäischen Parlament gibt, Direktwahlvon nunmehr 450 Millionen Bürger in 25 Staaten. Wirsind uns der historischen Herausforderung bewusst undwerden als Deutscher Bundestag unseren Beitrag dazuleisten.Herzlichen Dank.
Zu einer Kurzintervention erhält der Herr Kollege
Westerwelle das Wort.
Frau Präsidentin! Herr Kollege Hintze, Sie haben am
Anfang Ihrer Rede zu dem Antrag der Freien Demokra-
ten gesagt, wenn man ihm zustimmte, würde eine Bühne
für Sektierer und Randalierer geschaffen. Ich bin jetzt
voller Sorge, denn einer muss ja den bayerischen Minis-
terpräsidenten verteidigen. Der hat nämlich gesagt
– wörtliches Zitat –: Ich bin dafür, unser Grundgesetz so
zu ändern, dass man über die europäische Verfassung per
Referendum abstimmen kann. – Genau das beantragt
heute die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag.
Einen weiteren Sektierer und Randalierer möchte ich
hier noch benennen, das ist der Herr Kollege Glos.
– Ich habe das nicht gesagt. – Der Sektierer und Randa-
lierer Glos sagt also, eine europaweite Volksabstimmung
über die Zukunft des Projekts Europa könne in der Tat
das europäische Bewusstsein stärken und zur erforderli-
chen Klarheit über den weiteren Weg des Projekts Eu-
ropa über die künftigen Außengrenzen der EU beitragen.
Wir können jetzt übrigens eine Reihe von weiteren
Sektierern und Randalierern aus den Reihen der geschätz-
ten Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU hier zitie-
ren. Herr Singhammer, ein weiterer Sektierer und Randa-
lierer, sagt: Ich kann mir nicht vorstellen, dass
beispielsweise über eine europäische Verfassung in
Frankreich, Dänemark oder anderen europäischen Nach-
barstaaten mit Volksentscheid abgestimmt wird und in
Deutschland diese Möglichkeiten ausgeschlossen bleiben.
Das kann man noch weiter fortführen: Noch im Som-
mer dieses Jahres, Herr Kollege Hintze, plädierte
Edmund Stoiber als Wahlkämpfer in einem langen und
bemerkenswerten Interview in der „Welt“ vom 9. Juli zu
Recht für ein Plebiszit über die europäische Verfassung.
Ich glaube, es täte uns allen gut, meine sehr geehrten Da-
men und Herren, wenn das, was der CSU-Vorsitzende
und bayerische Ministerpräsident im Sommer dieses
Jahres gesagt hat, nämlich dass das Volk über die Verfas-
sung entscheiden soll, auch noch nach den bayerischen
Landtagswahlen beachtet würde.
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enn Sie mir heute zusagen, in allen zentralen politi-
chen Fragen immer der Linie von Herrn Stoiber und
errn Glos zu folgen, wäre ich bereit, Ihre Einwendun-
en noch einmal stärker zu bedenken.
Das Wort hat jetzt der Herr Bundesminister Joschka
ischer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassenie mich nur einen Satz zum Thema Volksabstimmungagen. Dieses Thema nehme ich sehr ernst. Ich will esir deshalb nicht so einfach machen, zu sagen, dass dashema von der FDP während ihrer 29-jährigen Regie-ungsbeteiligung niedriger gehängt wurde als heute.Wir haben folgendes große Problem: Wenn ernsthaftber Europa abgestimmt werden soll, dann müsste dientscheidungsalternative auch auf Europa zugespitztein. Das heißt: Solange die Alternative nicht lautet „Jaum europäischen Fortschritt oder Verlassen der Unionnd damit ein grundsätzliches Nein zum europäischenrojekt“, werden Sie aus der populistischen Falle undamit aus einer Beschädigung des europäischen Projek-es nur sehr schwer herauskommen.
Bei dieser Alternative „Ja zur Verfassung oder Aus-ritt aus der Union“ würden wir einen ganz anderenahlkampf im Rahmen eines solchen Referendums füh-en und ganz andere Mehrheiten bekommen.
ch würde das sehr unterstützen. Aber wir sollten die Er-ahrungen, die die Iren mit zwei Referenden gemacht ha-en – Ihr liberaler Parteifreund, der von uns allen sehreschätzte Präsident des Europäischen Parlaments Cox,at sie uns mitgeteilt –, ernst nehmen.Wenn man eine ernsthafte Debatte über Europa will,ann muss man diese Zuspitzung zur Diskussionsgrund-age machen. Mit dieser Zuspitzung bekommen Sie einechte Mobilisierung und damit eine repräsentative Ent-cheidung der Bürgerinnen und Bürger über die Zukunfturopas. Solange das nicht der Fall ist, bekommen Sie
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Bundesminister Joseph FischerZufallsmehrheiten mit all den Fährnissen, die damit zu-sammenhängen.
Ich weiß nicht, ob das gewollt ist. Ich möchte der De-batte nicht vorgreifen. Aber man sollte diesen Punkt be-denken.Wir dürfen nicht vergessen, dass es zwei wesentlicheGründe für die jetzige Regierungskonferenz über dieeuropäische Verfassung gibt. Der erste Grund ist einhistorischer. Es begann 1989 mit dem Fall der Mauer,dem Abbau von Stacheldraht, dem Untergang des War-schauer Paktes und dem Verschwinden der Sowjetunion.Es geht schlicht und einfach darum, dass dieses Europaals ganzes Europa zusammenfindet.Der 1. Mai des kommenden Jahres wird ein histori-sches Datum sein. Dann steht nämlich die Erweiterungder Europäischen Union um zehn neue Mitgliedstaatenan. Die meisten von ihnen lagen ehemals hinter dem Ei-sernen Vorhang, hinter Mauer und Stacheldraht. DiesesEreignis halte ich für überaus wichtig. Dieses Datumverdient wahrhaftig die Bezeichnung „historisch“.Die Union aus 25 Mitgliedstaaten wird komplizierterund es werden große Anstrengungen hinsichtlich der Re-form der Institutionen und Verfahrensweisen erforder-lich sein. Wir versuchen, dass diese Union aus 25 Mit-gliedstaaten nicht zu einer Union mit eingeschränkterHandlungsfähigkeit, sondern zu einem starken europäi-schen Akteur wird. Wir brauchen dafür die notwendigeSensibilität, aber auch die Reform der Institutionen undder Verfahrensweisen.Der zweite Grund für die jetzt anstehende Regie-rungskonferenz ist, dass Nizza genau dieses nicht geleis-tet hat. Ich komme nun auf Ihre Bemerkung zu sprechen,Kollege Hintze, das Problem der letzten Nacht. Das ist inNizza nicht der entscheidende Punkt gewesen. Man hätteauch lange vorher diskutieren können. Das große Pro-blem war, dass gegen den Widerstand eines wichtigenMitgliedstaates der Europäischen Union die doppelteMehrheit nicht hinzubekommen war.Ich unterschreibe das, was Sie hinsichtlich der Bedeu-tung der doppelten Mehrheit sagen. Ich appellierenochmals an alle, zu begreifen, dass die Union in ihremdoppelten Charakter, nämlich Staatenunion und Bürger-union, sich in dem Prinzip der doppelten Mehrheit wi-derspiegelt. Man kann darüber diskutieren, ob eineMehrheit von 50 Prozent der Staaten plus einem ausrei-chend ist. Ich halte diese Grenze für richtig; daran gibt esauch keine Kritik. Man kann auch darüber diskutieren,ob eine Mehrheit von 60 Prozent der Bevölkerung aus-reichend ist. Das sind meines Erachtens Diskussionen,die man sehr pragmatisch führen kann.Ich unterstreiche nochmals: Festhalten am Prinzipvon Nizza bedeutet erstens Festhalten an Intransparenz.Selbst eine Habilitation auf dem Gebiet des Völkerrechtsund drei Aufbaulehrgänge in Europarecht reichen nichtaus, die Mehrheitsregel von Nizza so zu kommunizieren,dass die Menschen sie verstehen.MerkkictdGKsMdzrdDhzddUbtDdPddscwsbgvkmsigpumVdsav
ehrheitsregeln müssen aber verstanden werden. Das istin wesentlicher Punkt in der Demokratie; das ist die Vo-aussetzung für Transparenz.Zweitens. In der Entscheidung von Nizza ist ein sehromplexer Faktor hinsichtlich der Mehrheit der Bevöl-erung enthalten.Es liegt demgegenüber ein Konventsentwurf vor, dench unter allen Gesichtspunkten für fair und ausbalan-iert halte. Ich sage das nicht als deutscher Außenminis-er, sondern als überzeugter Europäer: Das Prinzip deroppelten Mehrheit ist kein Vorteil für die Großen, imegenteil. Dass jeder Staat eine Stimme hat, hat zuronsequenz, dass in einer Union aus 19 kleineren undechs großen Mitgliedstaaten die kleinen Länder dieehrheit haben. Wenn bei der doppelten Mehrheit auchie Größe der Bevölkerung mitgewichtet wird, führt dasu einer Stärkung der Staaten mit einer großen Bevölke-ung. Daran erkennt man auch das integrative Elementer doppelten Mehrheit.
as ist für mich sehr wichtig, auch in Bezug auf die Ko-ärenz. Der Hauptwiderspruch im Konvent besteht nichtwischen den alten und den neuen Mitgliedstaaten, son-ern er besteht zwischen den Interessen der großen under kleinen Staaten. Das ist übrigens nicht nur in unserernion der Fall, sondern das war bereits 200 Jahre früherei der Ausarbeitung der amerikanischen Verfassung so.Zu den anderen Punkten in aller Kürze. Zum Legisla-ivrat: Ich übermittle Ihnen lediglich als Bote, dass nureutschland, ein wenig unterstützt von Portugal, sichafür ausgesprochen hat. Vertreter des Europäischenarlaments waren im Raum und machten nicht den Ein-ruck, als laute die Parole: Legislativrat oder Tod – umas etwas zugespitzt zu sagen. Das ist die Lage. Die Prä-identschaft wird in den kommenden Tagen oder Wo-hen entsprechend der Fortschritte der Diskussion eineneiteren Vorschlag machen. Wie die Umsetzung aus-ieht, werden wir sehen. Es gilt der Grundsatz: Nichts isteschlossen, bevor nicht alles beschlossen ist. Das ist einuter europäischer Verhandlungsgrundsatz.Beim Thema Gottesbezug verstehe ich die Kontro-ersen überhaupt nicht. Sowohl ich als auch der Bundes-anzler haben nach Gesprächen mit denjenigen, dieeinten, sich für eine weiter gehende Formulierung ein-etzen zu müssen, alles Mögliche versucht. Wir habenmmer gesagt, dass wir mit der Formulierung im Grund-esetz hervorragend leben können; sie ist Verfassungs-raxis für die unterschiedlichsten Orientierungen beins. Wir müssen aber akzeptieren, dass es Staaten selbstit einer starken christlichen Tradition gibt, in derenerfassungen die Trennung von Staat und Religion an-ers festgeschrieben ist als bei uns. Solche Unterschiedeind Bestandteil der europäischen Realität. Ich sehe daber keinen Dissens in der Substanz. Wir werden allesersuchen, um eine Einigung herbeizuführen. Im ur-
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Bundesminister Joseph Fischersprünglichen Konzept standen die griechisch-römischeTradition und der Humanismus und die Aufklärung. Da-zwischen klaffte eine große Lücke. Sie ist inzwischengeschlossen worden. Es war sehr mühselig, das zu errei-chen. Und selbst jetzt gibt es noch Widerstand gegen diegewählte Formulierung.Ich will dem Parlament und der Öffentlichkeit nurdeutlich machen, vor welchen Problemen wir stehen.Am Ende müssen wir einen Konsens erzielen. Der Bun-deskanzler weist völlig zu Recht immer darauf hin – dasist keine Drohung, sondern zeigt, wessen es bedarf –,dass sich am Ende alle einigen müssen und das Vertrags-werk ratifiziert werden muss. Diese beiden Hürden müs-sen genommen werden. Das ist die Voraussetzung fürdie Verfassung.Es ist im Übrigen ja nicht so, dass die Bundesregie-rung alleine darauf hinwirken würde. Wir arbeiten aufsEngste und ganz hervorragend – das wissen Sie; KollegeTeufel war ja dabei – mit den Ländervertretern zusam-men. Dabei finden die Positionen, die die von Ihrer Par-tei geführten Länder einbringen, Berücksichtigung.Auch bei der Daseinsvorsorge bemühen wir uns um dieentsprechende Klarstellung, damit bestehende Sorgen,vor allen Dingen der Bundesländer, ausgeräumt werden.Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass ein sehrwichtiger Partner von uns das anders sieht – gar nichteinmal in der Substanz. Seine Sorge ist, dass, wenn nichtalles genau festgehalten wird, etwas eintritt, was auchwir nicht wollen. Das ist das Problem. Aber Ihre Partei-vorsitzende hat Ihnen in diesem Zusammenhang jaschon eigene Erfahrungen übermittelt. Ich nehme an,auch in einem Gespräch jenseits des Rheins haben Sieselbst und andere Mitglieder des Ausschusses sich einenentsprechenden Eindruck verschaffen können.Die entscheidenden Punkte sind die Stärkung desEuropäischen Parlaments, die Schaffung des Amts ei-nes europäischen Außenministers, die Neudefinitionder qualifizierten Mehrheit – für uns ein zentralerPunkt – und eine bessere Subsidiaritätskontrolle.Natürlich wird es noch Anpassungen und einen Fein-schliff geben müssen. Ich halte aber nichts davon, dasPaket jetzt wieder aufzuschnüren. Die wesentlichenPunkte, die für Sie wichtig sind, sind ja enthalten. Ichdenke, alles neu zu verhandeln würde sich als Rohrkre-pierer erweisen. Ich glaube auch nicht, dass wir auf derRegierungskonferenz eine bessere Verfassung erreichenkönnten.
Bei den Themen Einwanderung und Asyl hat dieseBundesregierung, wie ich meine, vor allen Dingen wasden Arbeitsmarkt betrifft, mehr erreicht, als wir gedachthaben. Wir haben hier die notwendige Flexibilität eben-falls erreicht.Alles in allem finde ich: Das ist ein gewaltiger Schrittnach vorne. Der Konvent ist wirklich zu loben. Es ist ge-lungen, nicht wie in Nizza einen Minimalkonsens, son-dern zu 28 ein Ergebnis zu erreichen, von dem ich per-sJBsüawfbqdihwvNgbtebgDkeLUnbeuf1sVUrgeglsEbF
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Sabine
eutheusser-Schnarrenberger.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ns ist es wirklich sehr ernst mit unserem Vorschlag, ei-en Volksentscheid über die europäische Verfassung her-eizuführen. Wir wollen uns damit einer offenen undhrlichen Debatte stellen mit dem Ziel, die Bürgerinnennd Bürger von dem Mehrwert einer europäischen Ver-assung für sie persönlich zu überzeugen.
Wir befinden uns in guter Gesellschaft. Denn schon984 hat der italienische Europaabgeordnete Spinelli ineinem vom Europäischen Parlament verabschiedetenerfassungsentwurf zur Gründung der Europäischennion die Zustimmung der Bevölkerung in einem Refe-endum zur Bedingung für die Annahme der Verfassungemacht. Unser Vorschlag ist also kein Gedanke, derrstmals – vielleicht aus taktischen Überlegungen – vor-ebracht wird. Nein, dies ist ein wirklich demokratiepo-itisches Anliegen. Es hat uns als diejenigen, die immerehr vorsichtig und sehr differenziert mit plebiszitärenlementen in unserer Verfassung umgehen, dazu ge-racht, einen Volksentscheid über diese grundlegenderage einzufordern.
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Sabine Leutheusser-SchnarrenbergerWir sind in guter Gesellschaft, wenn ich mir die Hal-tung überzeugter Europäer anschaue. Cohn-Bendit hatklar gefordert, gleichzeitig in allen europäischen Mit-gliedstaaten ein Referendum über die europäische Ver-fassung durchzuführen – und dies nicht verbunden mitder Alternative, ob man aus der Europäischen Unionausscheiden wolle, also ohne zu selektieren. Auch ersagt: Wenn wir angesichts dieses Qualitätssprungs dieBürgerinnen und Bürger nicht von dem überzeugen, wasjetzt auf sie zukommt, was sie von Europa erwarten kön-nen und wie man mit diesem Europa leben kann, dannwerden wir sie auch für die Wertegemeinschaft Europanicht begeistern können.Darum geht es uns. Wir wollen doch nicht – das wür-den wir nicht unterstützen – Populisten Vorschub leisten.Wir wollen vielmehr, dass möglichst viele gemeinsamfür Europa werben. Heute bestünde die Chance, Sonn-tagsreden aus den vergangenen Wochen und Monatenüberzeugende, glaubwürdige Taten folgen zu lassen.
Ich bedauere – ich hoffe, wir haben hier bald vollereRänge –, dass das heute leider nicht der Fall sein wird.Das gilt gerade auch für diejenigen in der SPD und unterden Grünen, die immer überzeugtere Vorkämpfer fürplebiszitäre Elemente waren als manch andere in diesemHaus.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Winkler?
Gern.
Bitte.
Frau Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger, Sie ha-
ben uns gerade angesprochen. Sind Sie bereit anzuerken-
nen, dass die FDP in der letzten Wahlperiode, wenn es
um Volksentscheide ging, keine geschlossene Auffas-
sung hatte? Im Gegenteil, viele Abgeordnete Ihrer Frak-
tion – Sie nicht – haben den Gesetzentwurf der Bundes-
regierung abgelehnt. Damit haben Sie nicht dazu
beigetragen, dass die direkte Demokratie, der Sie jetzt
das Wort reden, vorangebracht wurde.
Sind Sie weiterhin bereit, mir darin zuzustimmen,
dass der Sinn einer Volksabstimmung darin besteht, dass
das Volk selbst entscheiden kann, worüber es abstimmen
will, und nicht von Ihnen mütterlich vorgelegt bekom-
men will, über was es befinden und an welchen Ent-
scheidungen es direkt beteiligt werden soll?
Zunächst einmal ist es Voraussetzung für eine Volks-abstimmung, dass etwas vorgelegt wird, worüber abge-stimmt werden soll. Anders geht es nicht.MdsWftraiuwsDcwsnbbrBfgssdhgikPwwAnnelwmrddaEdMhwad
an kann auch Alternativen vorlegen, aber hierbei han-elt es sich um ein klassisches Element eines Volksent-cheids.Ich habe klar gesagt, dass wir angesichts unsererertschätzung der repräsentativen Demokratie sehr dif-erenziert und zurückhaltend mit plebiszitären Elemen-en umgegangen sind. Als es um die generelle Einfüh-ung ging, hatten wir zwar eine einstimmige Haltung,ber auch ein unterschiedliches Meinungsbild zur Volks-nitiative. Das ehrt uns und zeichnet die ehrliche Debattend das Ringen um die Antwort auf die Frage aus, obir inhaltlich unbegrenzt Volksentscheide und Volksab-timmungen in unser Grundgesetz aufnehmen wollen.eshalb muss man auch die richtigen Gelegenheiten su-hen und nutzen, um schrittweise für dieses Element zuerben. Wir tun das jetzt mit unserem vorgelegten Ge-etzentwurf.
Auch wenn die Abstimmung heute wider Erwartenicht die Zweidrittelmehrheit für unseren Gesetzentwurfringen sollte, werden wir nicht aufhören, dafür zu wer-en. Vielleicht werden – so verstehe ich manche Äuße-ungen – Anfang nächsten Jahres, wenn der Entwurf eineschluss wird, die Verfassung von der Regierungskon-erenz beschlossen worden ist, mit einem Mal viele sa-en, jetzt trauen wir uns doch, jetzt wollen wir uns die-em Vorhaben anschließen. Dann werden wir die Erstenein, die mit Sicherheit damit argumentieren. Wir wollenazu beitragen – dem dient auch die engagierte Debatteeute –, dass es dieses Mehr an Demokratie in Europaibt.Wir sind in Sorge – diese Sorge teilen wir mit vielenn diesem Haus – über die Anzeichen in der Regierungs-onferenz, die darauf hindeuten, dass das Europäischearlament nicht so stark sein soll, wie es in diesem Ent-urf vorgesehen ist; es sollen eher Abstriche gemachterden. Die Debatte über den Legislativrat gibt ebensonlass zur Besorgnis. Die Finanzminister diskutierenach dem Motto: Europäische Parlamentarier könnenicht mit Geld umgehen, deswegen muss ihnen das Letzt-ntscheidungsrecht genommen werden.Wir wollen keine Abstriche von dem, was für die Par-amentarierinnen und Parlamentarier in Europa erreichtorden ist – es war Gott sei Dank mehr als in Nizza –,achen. Dafür kann man gut werben, und zwar erstecht mit einem Volksentscheid. Ich gehe davon aus,ass diese Essentials gerade auch von den Vertretern dereutschen Regierung in der Regierungskonferenz nichtngetastet werden und letztendlich mit Sicherheit einntwurf beschlossen wird – dafür plädieren wir –, deras Parlament stärkt, der nicht renationalisiert und deninisterrat mit den nationalen Egoismen, die dort vor-errschen, nicht noch weiter stärkt, der aber dazu führenird, das Vertrauen in die stabile Währung zu festigen.Deshalb, Herr Minister, ist es ganz einfach – wennuch nur technisch –, in den nächsten Sitzungen endlichas Protokoll zum Stabilitätspakt an den Verfassungsent-
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Sabine Leutheusser-Schnarrenbergerwurf anzuhängen, damit nicht das Misstrauen weiterwächst, man wolle auf kaltem Wege den Stabilitätspaktentsorgen; denn das wäre ein falsches Zeichen für Eu-ropa.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt Herr Staatsminister Hans Martin
Bury.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Europa steht vor zwei zentralen Herausforde-rungen: Wir müssen vor dem Hintergrund der größtenErweiterung in der Geschichte der Europäischen Unioneinen politischen Aufbruch schaffen, der die Handlungs-fähigkeit der EU stärkt und die Akzeptanz der europäi-schen Institutionen bei den Bürgerinnen und Bürger ver-bessert. Wir müssen die ökonomische Stagnation inEuropa überwinden.Wir stehen unmittelbar vor der WiedervereinigungEuropas. Um nicht weniger geht es mit dem Beitritt dermittel- und osteuropäischen Staaten zum 1. Mai desnächsten Jahres. Es wäre schön, wenn dieses historischeMoment in dieser Debatte mitunter etwas spürbarerwürde. Ich sage das auch mit Blick auf die Delegationdes tschechischen Parlaments, die uns diese Woche be-sucht.Die mittel- und osteuropäischen Staaten bringen ihreganz eigenen Erfahrungen in das erweiterte Europa ein,auch die Erfahrung, nationale Souveränität erst vor we-nigen Jahren wiedererlangt zu haben. Das bedeutet, dasssich viele von ihnen schwerer damit tun, Souveränitätauf die europäische Ebene zu übertragen. Wir müssendeutlich machen – auch aus unserer Erfahrung heraus –,dass das Poolen von Souveränität, dass das Bündeln na-tionaler Souveränitäten ein Mehr an politischen Gestal-tungsmöglichkeiten bedeutet und nicht ein Weniger.Die EU der 25 mit 450 Millionen Einwohnern, die einViertel des Bruttosozialprodukts weltweit erwirtschaf-ten, kann ein Global Player sein. Wir kommen gar nichtumhin, unsere gewachsene Verantwortung wahrzuneh-men. Wir können dabei, auf ein sich bildendes europäi-sches Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger über allenationale Grenzen hinweg aufbauen. Voraussetzung da-für, dass wir diese stärkere Rolle mit Erfolg wahrneh-men, ist aber, dass wir jetzt die überfälligen institutionel-len Reformen schaffen,
dass mit der Erweiterung der EU die Vertiefung, weitereIntegrationsfortschritte vonstatten gehen; sonst liefe dieEU Gefahr, nicht viel mehr als ein erweiterter Binnen-markt zu sein.Dieses Europa, diese Europäische Union ist aber vielmehr als ein Markt: eine Gemeinschaft gemeinsamerZiele und Werte. Die Verfassung gibt uns die Möglich-kdtidBubemACeddgFnbdWrvsddtdbMrlnNranKdgisumpÜgt
Die Summe von nationalen Interessen, die Summeon Partikularinteressen ergibt noch kein Gemein-chaftsinteresse. Es zeigt sich im Verlauf der Beratungener Regierungskonferenz, wie richtig und wichtig es ist,as Paket zusammenzuhalten, an dem Prinzip festzuhal-en, dass derjenige, der den Kompromiss infrage stellt,ie Verantwortung dafür trägt, einen neuen Konsens her-eizuführen. Wir müssen der Gefahr begegnen, dieichael Roth beschrieben hat: dass Regierungskonfe-enzen, wie wir es in der Vergangenheit schmerzhaft er-ebt haben, in ihren Verhandlungsprozessen am Endeicht viel mehr erzielen als den kleinsten gemeinsamenenner. Das wäre zu wenig angesichts der Herausforde-ungen, vor denen wir stehen, und das wäre weit wenigerls der gute Kompromiss, den der Konvent erzielt hat.
Nun versucht sich die FDP mit der Forderung nach ei-em Referendum in dieser Debatte zu profilieren. Liebeolleginnen und Kollegen, Sozialdemokraten wissen iniesen Tagen, dass es mitunter schwer ist, die notwendi-en Entscheidungen zu treffen. Aber noch schwierigerst es – das sehen wir an der FDP –, wenn man nichts zuagen hat
nd dann auf die Idee kommt, das Volk zu fragen.Ich habe nichts dagegen, über Elemente direkter De-okratie zu diskutieren. Wir haben im Entwurf der euro-äischen Verfassung, den der Konvent vorgelegt hat, imbrigen nicht zuletzt dank des Engagements des Kolle-en Jürgen Meyer ein solches Element der Volksinitia-ive verankert.
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Staatsminister Hans Martin Bury
SPD und Grüne haben in diesem Haus mehrfach Initiati-ven ergriffen, um Elemente direkter Demokratie auch inder deutschen Verfassung zu verankern.
Das ist aber an der fehlenden Zweidrittelmehrheit ge-scheitert, die uns die rechte Seite dieses Hauses verwei-gert hat.Wer jetzt speziell bei der Einführung einer europäi-schen Verfassung ein Referendum fordert, der hat entwe-der wenig hehre Absichten – das möchte ich Ihnen aus-drücklich nicht unterstellen – oder der verkennt, welcheWirkungen das auf die anderen europäischen Staatenund damit auf die Verhandlungen in der Regierungskon-ferenz hätte. Wenn wir heute diese Entscheidung treffenwürden, würde das nationale und Partikularinteressenstärken, die Spielräume unserer Partner in der Regie-rungskonferenz enger machen und nicht dazu beitragen,ein gutes europäisches Ergebnis zu erzielen.Pat Cox, der Präsident des Europäischen Parlaments,der in dieser Woche den Bundestag besucht hat, hatdeutlich gemacht, dass die nächsten Wahlen zum Euro-päischen Parlament die ersten wirklichen europäischenWahlen sein könnten. Lassen Sie uns deshalb daran ar-beiten, die europäische Verfassung rechtzeitig vor diesenWahlen fertig zu stellen und den Bürgerinnen und Bür-gern vorzulegen! Lassen Sie uns mit europapolitischenInhalten Wahlkampf machen, anstatt mit dem Guidomo-bil durchs Land zu fahren!
– Herr Westerwelle, dass Sie nicht gerne daran erinnertwerden wollen, kann ich verstehen. – Ich würde michdarauf freuen, wenn wir im Europawahlkampf argumen-tative Auseinandersetzungen miteinander führen könn-ten.Ein weiterer Aspekt betrifft den dringend notwendi-gen ökonomischen Aufbruch. Deutschland als die größteVolkswirtschaft in der Europäischen Union trägt dabeieine besondere Verantwortung. 1 Prozent mehr Wirt-schaftswachstum in Deutschland bedeutet angesichtsder engen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen0,3 und 1,8 Prozent mehr Wachstum in den andereneuropäischen Mitgliedstaaten. Wir brauchen deshalb ei-nen Dreiklang von strukturellen Reformen auf dem Ar-beitsmarkt und in den sozialen Sicherungssystemen, wiewir sie mit der Agenda 2010 auf den Weg gebracht ha-ben. Wir müssen die Konsolidierung der öffentlichenHaushalte mittelfristig fortsetzen. Dabei gilt es aller-dings, den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu beachten.
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Wir brauchen darüber hinaus eine europäischeachstumsinitiative, für die wir gemeinsam mit unserenranzösischen Freunden Vorschläge gemacht haben.iese zielen darauf ab, insbesondere in die Bereiche Bil-ung sowie Forschung und Entwicklung, also in Köpfend Können zu investieren und weniger in Beton undoden, um die strukturellen Voraussetzungen dafür zuchaffen, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit Europaserbessert, die Wachstumskräfte gestärkt werden undehr Beschäftigung in Europa entsteht.Lassen Sie uns, meine sehr geehrten Damen und Her-en, liebe Kolleginnen und Kollegen, gemeinsam daranrbeiten! Lassen Sie uns unsere europäische Verantwor-ng wahrnehmen! Lassen Sie uns für ein starkeseutschland in einem einigen Europa aber auch die not-endigen Entscheidungen auf nationaler Ebene treffennd durchsetzen!Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Norbert Röttgen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Ich möchte zu der Frage sprechen – das ist eineerfassungsfrage –, ob wir das Grundgesetz ändern undie Möglichkeit, Volksentscheide durchzuführen, in dasrundgesetz aufnehmen sollen. Diese Frage ist keineinzelfrage, sondern eine Grundsatzfrage.Aus diesem Grund kann man Ihre Position nicht auf-echterhalten. Sie sagen, im Allgemeinen seien Sie nichtür Volksentscheide bzw. Sie hätten zumindest keine ge-chlossene Position in dieser Frage, aber an dieser Stelleeliebe es der Politik, großzügig zu sein, und Sie wolltenie Bevölkerung fragen. So kann man es nicht machen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003 6171
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Dr. Norbert RöttgenMan befürwortet Volksabstimmungen doch nicht, umden Instrumentenkasten der Parteien um ein weiteresElement zu bereichern. Das sind doch Instrumente inden Händen der Bürger und nicht in denen der Parteien.
– Ich freue mich über Ihre Zustimmung. Daraus folgtaber auch ein Widerspruch aufseiten der Koalition.Erstens. Anders, als es der Bundesaußenminister ebengesagt hat, können die Parteien nicht sagen, dass ihnendie Frage, die gestellt wird, zu dumm ist. Die Autonomieder Fragestellung wird dann bei den Bürgern liegen.Auch das ist eine Folge, wenn das Instrument in denHänden der Bürger liegt.Zweitens. So wenig man im Allgemeinen dagegenund in einem Einzelfall dafür sein kann, ist es intellektu-ell und politisch doch redlich, zu sagen, dass man zwarim Allgemeinen dafür ist, es einem aber an einer bestim-men Stelle nicht passt.
Herr Kollege Hintze hat völlig Recht: Die einzige inder Sache konsequente, weil von Parteitaktik freie Posi-tion in dieser Frage hat die CDU/CSU-Fraktion.
– Genauso ist es. – Ich bedauere daher Ihre Position.Ich gebe Herrn Bundesaußenminister Fischer Recht,der sagt, dass es sich um eine sehr ernste Debatte handelt.Es geht nämlich um unsere Demokratie und um die Frage– über diese wird möglicherweise gerne gestritten –, wasdie bessere Demokratie ist. Die parteitaktische Motiva-tion sowohl an dieser als auch an anderer Stelle belastetdie Debatte über diese Fragen.
– Ja, das ist wirklich keine parteitaktische Position; dennpopulär ist die andere Position. Unsere Position ist ver-antwortlich. Wir vertreten sie unter Inkaufnahme partei-politischer Nachteile. Das ist die Position der CDU/CSU.
Ich bedauere darum ausdrücklich, gegenüber der FDPfeststellen zu müssen, dass der „Spiegel“ Recht hat. Erschreibt in dieser Woche, der FDP und ihrem Vorsitzen-den Westerwelle gehe es darum, sich populär zu machen.Nach meiner Einschätzung kann man es auch anders for-mulieren: Die FDP will in Wahrheit gar keine Volksab-stimmung, sondern ein Wahlkampfthema. Meine Wert-schätzung für viele Kolleginnen und Kollegen IhrerFraktion ist groß. Sie wären jedoch geradezu erschro-cken, wenn Ihr Gesetzentwurf eine Mehrheit in diesemBundestag finden würde; denn Sie wollen im Ergebnisgar keine Zustimmung, Sie wollen, dass die anderen da-gPaaGdspswsmbwsvpwnkbmFtV–KfMf–VLBdnEhVgdFHe
Ich möchte zur Grundsatzfrage kommen und an Sieppellieren und zumindest für Ihre Einsicht werben: Wirlle – als Parteien und als Parlament – werden am Endeewinner sein, wenn wir über die Grundsatzfrage, wasie bessere Demokratie ist – die parlamentarisch-reprä-entative oder die parlamentarisch-repräsentative mitlebiszitären Elementen –, vernünftig debattieren undie schließlich, egal wie, beantworten. Dagegen werdenir alle Verlierer sein, wenn wir selbst über die Grund-atzfragen der Demokratie und unserer Verfassung im-er mit parteitaktischer Motivation debattieren.Was ist also unsere Position bei der Frage, was dieessere Demokratie ist? Ich sage in jeder Debatte undiederhole es gerne, dass es Richard von Weizsäcker miteiner Bewertung auf den Punkt gebracht hat: „Die Be-ölkerung ist zu groß und die Probleme sind zu kom-lex.“ Das ist in einem Satz zusammengefasst die Be-ertung, dass die plebiszitäre Demokratie nicht nuricht realistisch, sondern auch nicht die bessere Demo-ratie ist. Die parlamentarische Demokratie ist dieessere und überlegenere Form der Demokratie. Dafüröchte ich drei Argumente vortragen.Erstens. Die plebiszitäre Demokratie reduziert dieragestellung und die Politik auf eine Ja-Nein-Alterna-ive. Das parlamentarische Verfahren ist ein lernendeserfahren. Wir führen mehrere Lesungen durch.
Ich gebe zu, dass die Lernbereitschaft der jetzigenoalition nicht sehr ausgeprägt ist. –
Sie müssen einräumen, dass das Gesetzgebungsver-ahren diesen institutionellen Vorteil hat. Sie hätten mehröglichkeiten, zu lernen; ich gebe es gerne zu. Danebenühren wir Sachverständigenanhörungen durch.
Zum Verfahren gehört auch, zuhören zu können. – Daserfahren ist auf Rationalität angelegt. Wir sind in derage, zu korrigieren. Die wenigsten Gesetze kommen imundestag am Ende so heraus, wie sie eingebracht wor-en sind. Das parlamentarische Verfahren ist also ein ler-endes Verfahren.Pat Cox, der schon viel zitierte liberale Präsident desuropäischen Parlaments, war in allen Fraktionen undat seine Ablehnung eines Volksentscheids nicht mit dererfassungstheorie, sondern mit seinen Erfahrungen be-ründet. Er hat gesagt, die Erfahrung zeigt, dass es beiiesen Abstimmungen um alles geht, nur nicht um dierage, die gestellt worden ist. Darauf hat der Kollegeintze ebenfalls hingewiesen. Es würde über die aktu-lle Verdrussstimmung im Land gegen diese Regierung
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Dr. Norbert Röttgendebattiert werden, es würde die Politikverdrossenheitzum Ausdruck kommen. Das können auch Sie nicht wol-len. Ich stelle wirklich die Frage: Was sagt Hans-Dietrich Genscher dazu, dass Sie die Europapolitik, dieeuropäische Verfassung, die europäische Integration zurGeisel parteipolitischer Überlegungen machen?
Denn die Suppe von schlechter Regierungspolitik könnteAuswirkungen auf die europäische Integration haben.Das wollen wir nicht, weil wir für Europa sind.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Hoyer?
Sehr gerne.
Die Zwischenfrage kann ich natürlich auch gleich mit
der Antwort verbinden.
Ich würde das bevorzugen.
Hans-Dietrich Genscher würde es niemals zulassen,
diesen Vorwurf der parteipolitischen Instrumentalisie-
rung unkommentiert zu lassen, weil er ihn für abwegig
halten würde und weil er sehr genau zu differenzieren
weiß zwischen einer Legitimation durch das Volk für die
konstitutionelle Grundlegung all dessen, was wir an-
schließend in der repräsentativen Demokratie in Parla-
menten entscheiden, und einer Vorstellung, nach der wir
alles und jedes nach dem Belieben der Parteien, wie Sie
gesagt haben, dem Volksentscheid unterwerfen.
Gemeldet habe ich mich aber wegen des Bezuges auf
Pat Cox. Er hat seine Erfahrungen in der Tat sehr wort-
reich dargestellt. Aber ist Ihnen möglicherweise auch
aufgefallen, dass Herr Cox gesagt hat: Das erste Refe-
rendum in Irland ist in 42 von 44 Counties schief gegan-
gen, weil die politische Klasse es für selbstverständlich
gehalten hat, dass das Volk wieder einmal Ja sagt! Als
man dann die Quittung für diese Untätigkeit bekommen
und sich beim zweiten Mal richtig reingehängt hat – wie
wir das auch endlich tun müssten –, ist eine klare Mehr-
heit auch für die Verfassung zustande gekommen, wie-
derum in 42 von 44 Counties.
Ich hoffe, dass Pat Cox auch in Ihrer Fraktion über
das Plakat berichtet hat, das er gesehen und als Beispiel
dafür verwendet hat, wie Stimmung gemacht worden ist
zu einem ganz anderen, in der Bevölkerung virulenten,
heiß diskutierten Thema, das aber überhaupt nichts mit
der Abstimmung über Europa zu tun hatte, sondern gera-
dezu ein erschütterndes Beispiel für die Erfahrung war,
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Außerdem bedeutet plebiszitäre Demokratie im
Grunde Minderheitendemokratie. Es ist ein Quorum
von 25 Prozent vorgesehen. Bei der Bundestagswahl
kann sich das Parlament auf eine Legitimation von
80 Prozent stützen.
Ein Plebiszit ist der typische Fall einer Minderheitenbe-
teiligung. Diese haben Sie sogar rechtlich durch ein
Quorum von nur 25 Prozent aufgegriffen. Das ist eine
geringere Form von Legitimation, als wir sie in der
Breite der parlamentarischen Legitimation bei den Bun-
destagswahlen von 80 Prozent haben.
Mein Schlusssatz – damit bin ich am Ende meiner
Rede – ist: Wir als CDU/CSU stehen zur parlamentari-
schen Demokratie als der bewährten und überlegenen
Form der Demokratie. Unsere Bitte an alle anderen
Fraktionen ist, dieses Thema in Zukunft seriös und sach-
lich zu debattieren und es nicht parteipolitisch zu instru-
mentalisieren. Damit täten wir uns allen einen großen
Gefallen.
Herzlichen Dank.
– Das sage ich auch Herrn Stoiber.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete RainderSteenblock.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich bin dem Kollegen Dr. Röttgen sehr dankbar dafür,dass er hier eine sehr klare Analyse des Problems der di-rekten Demokratie vorgenommen hat, der ich in weitenTeilen zustimme. Wir ziehen daraus jedoch völlig unter-schiedliche Konsequenzen; denn ich komme zu völliganderen Ergebnissen.Ein Ergebnis steht aber schon heute fest: Der Antrag,den die FDP vorgelegt hat, hat nichts mit dem BemühenuzesDgDhlblfsgmdsäWaMgawdzmtntdwnfDkwFPmd
Einen solchen Umgang werden wir nicht mitmachen.as Thema direkte Demokratie ist für uns viel zu ernst-aft, als dass wir es in dieser Debatte von Ihnen zerredenassen würden. Zwischen dem Kollegen Hintze und miresteht ein großer Dissens. Er hat sich zum Teil darüberustig gemacht, dass mit direkter Demokratie eine Platt-orm für Sektierer und Randalierer geschaffen wird. Wero mit den Rechten der Menschen in diesem Lande um-eht, die wir in unseren Sonntagsreden so häufig alsündige Bürger darstellen,
er sollte darauf vertrauen, dass die Bürger in der Lageind, sich zu solchen Sachverhalten in Abstimmungen zuußern. Das verstehen wir unter direkter Demokratie.Auch wir wollen den Menschen dieses Recht geben.
ir wollen die repräsentative Demokratie dadurch nichtblösen, aber wir wollen diese Instrumente der direktenitwirkung von Menschen in diesem Land stärken. Ichlaube, dass wir der Demokratie und der Akzeptanzuch dieses Parlamentes einen großen Gefallen tun,enn wir den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landesahin gehend vertrauen, dass sie rationalen Argumentenugänglich sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, manuss sich einmal den politischen und strategischen Hin-ergrund ansehen, vor dem diese Europadebatte von Ih-en geführt wird. In der „Frankfurter Allgemeinen Sonn-agszeitung“ vom 19. Oktober stand – ich zitiere –, dassie FDP gegen den vorliegenden EU-Verfassungsent-urf mobilisieren werde, weil er wirtschafts- und fi-anzpolitisch zu weit von den Maastricht-Kriterien ent-ernt sei.
iese Aussage ist nicht nur in der Sache falsch. Ver-nüpft mit einer anderen Aussage aus diesem Artikelird manches deutlich. Weiterhin heißt es hier, dass dieDP mit dem Thema Korruptionsvorwürfe gegen EU-olitiker in den Wahlkampf ziehen wolle. Ich frageich, welcher Geist bzw. welcher Ungeist eigentlich inie Köpfe der Liberalen eingezogen ist.
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Herr Kollege Steenblock, gestatten Sie eine Zwi-
schenfrage des Kollegen Westerwelle?
Ja.
Herr Kollege, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu neh-
men, dass das Zitat, das Sie vorgelesen haben, falsch ist
und dass dies nicht die Haltung der Freien Demokraten
als Partei oder Fraktion ist? Vielmehr ist unsere Haltung
so, wie sie der Kollege Hoyer und Frau Kollegin
Schnarrenberger hier wiedergegeben haben.
Lieber Kollege Westerwelle, wenn Sie das hier so
darstellen, nehme ich das als die Position Ihrer Fraktion
mit freudiger Erregung zur Kenntnis.
– Lieber Kollege Westerwelle, in freudige Erregung dür-
fen Sie mich gerne versetzen.
Was in dieser Zeitung dargestellt wurde, war nicht die
Meinung der Fraktion, sondern die Meinung der FDP.
Wenn Sie das heute korrigieren, dann werden wir diesen
Prozess weiterhin sehr genau beobachten. Denn wir ha-
ben bei vielen liberalen Parteien in Europa diesen Trend
zum Rechtspopulismus gesehen. Wir kennen das aus ei-
ner Reihe von Wahlkämpfen. Sie haben ja einen nicht
besonders inhaltlichen und erfolgreichen hinter sich.
Wenn wir die FDP aus ihrer innenpolitischen Bedeu-
tungslosigkeit auf dem Weg zum Rechtspopulismus erle-
ben, dann werden wir massiv dagegenhalten. Das wer-
den wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
All das, was wir heute gehört haben, zeugt davon, dass
Sie eine populistische Auseinandersetzung anstreben
und keine in der Sache.
Auch Herr Kollege Röttgen hat von der Gefahr des Po-
pulismus gesprochen.
Ich würde gerne noch einmal zur europäischen Ver-
fassung zurückkommen. Lieber Kollege Hintze, Sie wis-
sen genauso gut wie ich, dass wir in einem sehr verant-
wortungsvollen Prozess sind, um die Mehrheit in Europa
für einen Verfassungsentwurf zusammenzubekommen,
der sich am Konvent orientiert. Sie wissen sehr genau,
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ie sagen, Sie wollen das nicht, aber Sie werden errei-
hen, dass wir eine Regierungskonferenz in der Qualität
erjenigen von Nizza haben. Darauf werden wir uns
icht einlassen. Wir werden die Detaildebatten nicht füh-
en, und zwar mit dem Argument, dass wir uns das Kon-
entsergebnis, das Ergebnis, das Parlamentarier aus ganz
uropa in ihrer Verantwortung erzielt haben und für das
ir kämpfen, nicht zerreden lassen. Verantwortung über-
ehmen heißt an dieser Stelle, den Laden zusammenzu-
alten. Dazu wünsche ich mir Ihre Unterstützung und
icht Querschüsse aus Ihren Reihen, um dieses Projekt,
as so wichtig für unsere Zukunft ist, nicht zu gefährden.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Gunther
richbaum.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnennd Kollegen! Lieber Herr Steenblock, wenn es heuteoch eines Beweises bedurft hätte, wie widersprüchlichiese grüne Partei in sich ist, dann musste man nur Ihrenusführungen zuhören.
Lassen Sie mich aber ein anderes Thema aufgreifen.enn man die Ausführungen der Minister Fischer undury heute Morgen hörte, dann könnte man der Mei-ung sein, dass alles in bester Ordnung ist. Doch dasrasse Gegenteil ist der Fall. Insbesondere was die Ein-altung und die Pflege des Stabilitätspaktes angeht,ietet die Bundesregierung ein Bild, das verheerend ist.
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Gunther KrichbaumVorgestern tagten die EU-Finanzminister und berietenüber den Vorschlag der Kommission, gegen Frankreichwegen des hohen Haushaltsdefizites entsprechendeMaßnahmen einzuleiten. Nach dem Regelwerk des Sta-bilitätspakts wäre dies unumgänglich.Der eigentliche Testfall für den Stabilitätspakt wurdeaber für Finanzminister Eichel zum Sündenfall. Stattsich wenigstens vornehm zurückzuhalten, übernahm erdie Anführerschaft, stellte die Prinzipien des Stabilitäts-paktes infrage und setzte alles daran, ein Einschreitengegen Frankreich zu verhindern. Ich hätte mir ge-wünscht, dass mit demselben Einsatz für die Veranke-rung des Gottesbezugs in der Verfassung und die Beibe-haltung des Legislativrates gekämpft worden wäre. Abernichts von alldem ist erfolgt; im Gegenteil.
Minister Eichel übersieht, dass dieses Gebaren leichtdurchschaubar ist. Am Beispiel Frankreichs soll ein Prä-zedenzfall geschaffen werden, auf den sich die Bundes-regierung nachher berufen kann,
wenn sie selbst Gegenstand des Verfahrens wird.Die Bundesregierung wird zum dritten Mal in Folgeden Stabilitätspakt brechen. Nach einer Neuverschul-dung von 4,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die-sem Jahr werden es nächstes Jahr 3,9 Prozent und damitabermals deutlich mehr als die gerade noch erlaubten3 Prozent sein.
Dass es mit der Glaubwürdigkeit unseres Finanz-ministers hierzulande nicht mehr weit her ist, ist daseine. Das andere aber ist, dass dieser Finanzministerauch international die Glaubwürdigkeit Deutschlandsmassiv beschädigt.
Hinsichtlich der Bevölkerungszahlen kleinere Staatenwie Österreich, die Niederlande oder Finnland stehenDeutschland nur noch kopfschüttelnd gegenüber.Bei all dem Gezerre unseres Finanzministers scheintdieser den tieferen Sinn des Stabilitätspaktes aus denAugen verloren zu haben. Das gilt offenbar auch für denBundeskanzler, wenn er ohne Unterlass betont, dass essich um einen Stabilitäts- und Wachstumspakt handle.Verehrter Herr Bury, wie ich aus Ihren Ausführungenfolgern durfte,
gehen Sie dem gleichermaßen auf den Leim.
Ich kann dazu nur sagen: Eben! Die anderen LänderEuropas haben nämlich ihren Haushalt im Griff. Sie sor-gen dadurch für Stabilität und Wachstum. Damit ist ebennicht Stabilität oder Wachstum gemeint.d4Blib1BdDwbkTsSgdpsddntudtiSdtadzufhd–EWgdIS
Heute werden die neuen Arbeitsmarktzahlen präsen-ert: von einer Trendwende keine Spur.
orgen Sie endlich für eine konsequente Deregulierunges Arbeitsmarktes! Deutschland benötigt einen europa-uglichen Kündigungsschutz. So sind beispielsweiseie Abfindungszahlungen in unserem Land völlig über-ogen.
Verabschieden Sie sich von den Flächentarifverträgennd ermöglichen Sie betriebliche Bündnisse! Sorgen Sieür ein einfaches und transparentes Steuersystem! Wiraben unlängst Vorschläge dazu vorgelegt. Befreien Sieen Mittelstand von unsinnigen bürokratischen Lasten!
Mir ist klar, dass Sie diese Themen nicht schätzen. –rst dann werden wir in Deutschland wieder jeneachstumsraten von 2,5 Prozent, 3 Prozent und mehrenerieren, die notwendig sind, um positive Impulse füren Arbeitsmarkt zu schaffen.
n diesem Augenblick wird die Stabilität im Rahmen destabilitäts- und Wachstumspaktes gewährleistet sein.
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6176 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003
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Gunther KrichbaumDas, was Sie hier heute vollführen, wird eines Tagesals Bumerang zurückkommen und wir werden am Endeeinen hohen Preis zu zahlen haben, nämlich den derGlaubwürdigkeit und der Stabilität unserer Währung. Eswird kein Halten mehr geben, wenn in Zukunft auch an-dere Länder gegen die Maastricht-Kriterien verstoßen.Es wird dann nichts mehr geben, was wir diesen Ländernentgegensetzen können. Halten Sie endlich die Ver-pflichtungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes ein!Nur dann kann der Euro auf Dauer stabil bleiben.Schließlich haben wir nur diese Währung. Das Vertrauender Bürger in ihre Währung ist ohnehin das Kostbarste,was es hier zu verspielen gibt.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Petra Pau.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Der EU-Konvent hat eine Verfassung entworfen. Damitwird Neuland beschritten. Die PDS im Bundestag warund ist grundsätzlich dafür. Immerhin geht es um das Zu-sammenleben von Millionen Menschen in über25 Staaten im 21. Jahrhundert. Dafür ist der vorliegendeEntwurf eine gute Grundlage, allerdings aus unsererSicht keine ausreichende. In manchen Teilen ist er wider-sprüchlich, in anderen sogar widersinnig bis gefährlich.Ich beginne mit der ersten guten Nachricht. DieUnion wird insgesamt demokratischer. Die Gewaltentei-lung kommt voran. Das EU-Parlament erhält mehrRechte. Bürgerbegehren sollen eingeführt werden. Dafürhat sich die PDS auch im Europaparlament immer enga-giert und das wird auch so bleiben.
Damit bin ich schon beim ersten Widerspruch. Mankann nicht eine Demokratisierung der EU feiern undzugleich daheim mehr Demokratie verweigern. Die PDSfordert seit langem eine Volksabstimmung über diekünftige EU-Verfassung. Doch hier im Bundestag gibt eseine merkwürdige Koalition dagegen: der Bundeskanz-ler, der Bundesaußenminister, wie wir heute vernehmendurften, und die CDU/CSU. Alle anderen – SPD, Grüne,FDP, PDS und der Präsident des Bundestages, HerrThierse, wie wir am vergangenen Wochenende wiederlesen durften – stehen aber im Wort. Deshalb wiederholeich: Die Volksabstimmung über die EU-Verfassung istein akuter Anlass, aber auch eine Nagelprobe für diedeutsche Demokratie.
Nun zur zweiten guten Botschaft: Die Union soll sozia-ler werden. Das ist Teil I des Verfassungsentwurfs zuentnehmen. Dort finden sich Wörter wie „soziale Markt-wirtschaft“ und Ziele wie „Vollbeschäftigung“. Nun abergnsRsPGnRlwldbdaf–VAvtegtuiulSDVPvDadDm
Umstritten ist, ob die EU-Verfassung einen Bezug aufott haben soll oder nicht. Ich sage für mich: natürlichicht! Mit der vorliegenden Grundrechte-Charta wird dieeligionsfreiheit durch die Europäische Union gewähr-eistet. Dabei sollte es bleiben.Nun komme ich zu den wirklich üblen Teilen im Ent-urf der EU-Verfassung, jedenfalls so wie er bisher vor-iegt. Demnach sollen die EU-Staaten verpflichtet wer-en, ihre militärische Stärke auszubauen, und sie sollenereit sein, weltweit Kriege zu führen. Damit würde sichie EU an die fatale US-Strategie anhängen, anstatt sichls Friedensunion zu emanzipieren. Das ist ein Kardinal-ehler.
Wo das steht? Schauen Sie sich nur die gemeinsameerpflichtung zur Erhöhung der Rüstungsausgaben an!uch darüber können wir debattieren. Wir sind selbst-erständlich dagegen, die Europäische Union so zu mili-arisieren.
Zur militanten Außenpolitik gesellt sich dann nochine restriktive EU-Innenpolitik mit ebenso fragwürdi-en Mitteln. Bürgerrechte werden abgebaut und humani-äre Normen unterlaufen. Geheimdienste feiern Urständnd Menschen in Not werden ausgegrenzt. Bezeichnendst, dass die Bundesrepublik hier Vorreiter ist, wenn esm die viel zitierte Festung Europa geht. Die miserab-en Innenarchitekten der Union tragen Namen wiechily, Beckstein und Berlusconi.
as ist dann, finde ich, eine unheilige Allianz.
Zusammengefasst: Die PDS will, dass sich die EU-erfassung ganz klar zu einer sozialen EU bekennt. DieDS will, dass die EU-Verfassung eine Friedensunionorschreibt.
ie PDS will, dass sich die EU-Verfassung einer Volks-bstimmung stellt. Das sind drei simple Forderungen,ie draußen, im wahren Leben, mehrheitsfähig sind.iese Forderungen, finde ich, sollten auch im Bundestagehrheitsfähig sein.Danke schön.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003 6177
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Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Georg Nüßlein.
Die Füße tragbarer Leitern ruhen auf einem standsi-cheren, festen, ausreichend bemessenen und unbe-weglichen Untergrund, sodass die Leitersprossen inhorizontaler Position verbleiben. Leitern müssen sobenutzt werden, dass die Arbeitnehmer jederzeit si-cher stehen und sich sicher festhalten können.Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Das ist nicht etwa ein Auszug ausder Bedienungsanleitung für eine Leiter, wie sie ein be-sonders eifriger Jurist verfasst haben könnte; das ist Teildes Entwurfs für eine Richtlinie zur zweiten Änderungder Richtlinie 89/655/EWG über Mindestvorschriftenfür Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzungvon Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit.Das ist so kürzlich im „Spiegel“ abgedruckt worden.Schon der Titel dieser EU-Richtlinie übertrifft das, wasunsere Regierung sonst an höchst kreativen Gesetzesti-teln vorlegt. Das ist eine besondere Leistung.„Die in Brüssel“ ist zum Synonym für Bürokratieund Regelungswut geworden. Wer für die EuropäischeUnion und ihre Akzeptanz etwas tun möchte, sollte ge-nau daran etwas ändern.Nun könnte man auch über Umfang und Sprache desvom Konvent vorgelegten Entwurfs des Verfassungsver-trags reden. Ich will uns das ersparen. Es wäre, so meineich, auch unangemessen; denn als Parlamentarier tun wirgut daran, uns für das Konventsverfahren einzusetzenund uns nicht einer Exekutivdiktatur zu unterwerfen.Dauerhaft akzeptiert und getragen werden Union undVerfassungsvertrag nur, wenn der Subsidiaritätsgedankenicht nur verankert, sondern auch umgesetzt wird. DenZweck einer Leiter, den Krümmungsgrad einer Gurkeoder – das Beispiel ist noch berühmter – die Größe einesTraktorsitzes müssen nicht einmal die Nationalstaaten,geschweige denn Europa regeln.
Der Konventsentwurf sieht deshalb ein Klagerechtder nationalen Parlamente bei Verstößen gegen denSubsidiaritätsgrundsatz vor. Das ist, so meine ich, aus-drücklich zu begrüßen. Dieser Grundsatz macht umsomehr Sinn, je mehr Kompetenzen bei den Nationalstaa-ten bleiben. Darum sind wir von der CDU/CSU gegeneine Kompetenz der EU in Fragen der Daseinsvorsorge,
gegen eine Koordinierungskompetenz in der Wirt-schafts-, Sozial- und Energiepolitik, für eine Beschrän-kung der Binnenmarktklausel auf ihren Kern und fürgrößere Spielräume der Mitgliedstaaten in der Struktur-politik; die werden wir insbesondere im Hinblick auf dieOsterweiterung dringend brauchen.
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ch nehme nicht an, dass die FDP künftig alle Prinzipienufsammelt, die die Grünen fallen lassen; sonst hätte sieeine Zeit, mit der CDU/CSU die Regierungsgeschäfteu übernehmen.
Meine Damen und Herren, die Väter des Grundgeset-es haben mit ihrer Entscheidung für die parlamenta-isch-repräsentative Demokratie die Konsequenzenus dem Scheitern der Weimarer Republik gezogen. Dasat sich bewährt. Bewährtes aber soll man nicht aufge-en, auch nicht im so genannten Sonderfall. Einen sol-hen kann ich an dieser Stelle aber auch gar nicht sehen,s sei denn, Sie gingen davon aus, dass mit dem europäi-chen Verfassungsvertrag die Staatlichkeit der Bundesre-ublik Deutschland zugunsten der Europäischen Unionufgehoben werde. Das kann und darf nicht unser Zielein. Bleiben wir also bei dem „Europa der Vaterländer“,ie es Charles de Gaulle bezeichnet hat, und messen wirem Verfassungsvertrag bitte nicht eine Bedeutung bei,ie er nicht hat.Nun könnte ich alles aufzählen, was in Normalfällenegen einen Volksentscheid spricht: die Manipulier-arkeit – Bundesminister Fischer hat bereits eine Frage-tellung vorgeschlagen, von der ich meine, dass mit ihrrogrammiert wäre, wie die Entscheidung ausginge –,eringe Stimmbeteiligung, Abhängigkeit von Stimmun-en und all das, was wir heute schon gehört haben.Aber mindestens die Hälfte aller Gesetze, die wir ver-bschieden, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, be-uhen auf bindenden Vorgaben aus Brüssel. Die Regie-ungsfraktionen haben zudem ihre Sacharbeit aufommissionen verlagert, getreu dem Motto: „Wenn duicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis.“
ngesichts dessen sollten wir nicht auch noch die Ent-cheidungskompetenz zurück an die Bürger delegierennd uns ins Plebiszit flüchten. Wir müssen entscheiden;ir müssen unsere Verantwortung wahrnehmen.
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Dr. Georg Nüßlein
Für die Christsozialen ist dies gerade eine Verantwor-tung vor Gott. Deshalb treten wir für die „invocatiodei“ in der Präambel des Verfassungsvertrages ein.
Bundeskanzler Schröder verkündet dazu:An Deutschland würde die Hereinnahme eines ex-pliziten Gottesbezuges nicht scheitern.Allein diese Formulierung unseres „Kanzlers der Belie-bigkeit“ halte ich schon für eine Provokation,
in etwa nach dem Motto: kein Problem, mir egal. Identi-tätsstiftend für die Wertegemeinschaft Europa war undbleibt demgegenüber das christlich-jüdische Erbe. Diejetzige Formulierung in der Präambel ist unkonkret, un-korrekt und unehrlich. Vor allem das Christentummacht die Identität Europas aus. Das ist ein Grund, wa-rum ich gegen die Vollmitgliedschaft der Türkei bin; las-sen Sie mich das als ceterum censeo abschließend anfü-gen.Vielen herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Axel Schäfer, SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wir führen heute eine Debatte über die europäische Ver-fassung, über die Ergebnisse des Konvents und über dasmögliche Referendum. Leider benutzen die meistenRedner der Opposition sie nur für innenpolitische Er-satzgefechte.
Für mich stellt sich die Frage, was sie substanziell zumThema Europa beizutragen haben.
Ich will direkt auf den Kollegen Nüßlein eingehen; esist ja ganz einfach. Warum machen wir eine europäischeRichtlinie zum Thema Leitern? Dies geschieht aus Grün-den des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, weil es inder EU in jedem Jahr 8 000 Unfälle gibt und weil unsauch viele Berufsgenossenschaften in unserem Land da-rauf aufmerksam gemacht haben.
Warum machen wir das auch in Bezug auf die Traktor-sitze? – Genau, weil es in Ihrem Bereich viele Problemedamit gegeben hat. Das sind die vor Ort real bestehendenPAPckeFulmCdtIBhDCterszdldmüEskdeldEaVgnZdeF
Ich komme nun auf das Thema Gottesbezug zu spre-hen. Bundeskanzler Gerhard Schröder hat in der Dis-ussion im Europaausschuss sehr deutlich gemacht, wier als niedersächsischer Ministerpräsident mit dieserrage im Rahmen der Verfassungsdebatte erfolgreichmgegangen ist. Dazu nehmen Sie aber leider nicht Stel-ung. Sie wollen eben immer nur das bestätigt bekom-en, was Ihren Klischees entspricht.Um in dieser Debatte glaubwürdig zu sein, müsstenDU und CSU zum Thema Konvent sagen: Wir lobenie Regierung ausdrücklich für das, was sie europapoli-isch vorangebracht hat.
nsbesondere müssten CDU und CSU loben, dass dieundesregierung dafür eintritt, das im Konvent ausge-andelte Kompromisspaket nicht mehr aufzuschnüren.afür treten nicht nur die Bundesregierung, sondernhristdemokraten – darunter deutsche – und Konserva-ive in der Fraktion der EVP im Europäischen Parlamentin; sie unterstützen die Position der rot-grünen Bundes-egierung ausdrücklich. Wir sind dankbar, dass der Prä-ident des Europäischen Parlaments – Pat Cox ist hieritiert worden – Gerhard Schröder, Joschka Fischer,iese Regierung und den gesamten Bundestag ausdrück-ich darin unterstützt hat, dafür zu kämpfen, den Entwurfes Konvents zum Ergebnis der Regierungskonferenz zuachen. Ich wiederhole: Pat Cox hat dies unterstützt.
Da dieses Thema so spannend ist, sollten wir auchber Referenden reden. Es gibt zwei Möglichkeiten:ntweder führen wir eine nationale oder eine europäi-che Diskussion. Ich möchte zunächst auf die Möglich-eit einer nationalen Diskussion eingehen. Ich nehmeas Eintreten der Kolleginnen und Kollegen der FDP fürine stärkere Bürgerbeteiligung ernst; auch ich persön-ich bin sehr dafür.Es stellt sich allerdings die Frage, ob wir Europaurch ein solches Vorgehen nicht ein Stück weit zumxperimentierfeld für eine Politik machen, die wir unsuf allein Deutschland bezogen – Plebiszite sieht unsereerfassung in solchen Fragen nicht vor – bisher nicht zu-etraut haben. Ich bin entschieden der Meinung, dass dasicht angeht.
unächst müssen nämlich all diejenigen in Deutschland,ie seriös, engagiert und leidenschaftlich für Plebisziteintreten, eine entsprechende Kultur entwickeln. Dieraktionen des Bündnisses 90/Die Grünen und der SPD
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Axel Schäfer
haben in der letzten Legislaturperiode eine Vorlage ein-gebracht, die genau darauf abzielte. Sie sind herzlicheingeladen, unsere Ansätze in dieser Legislaturperiodeaufzunehmen und weiterzuentwickeln, damit wir zu ei-nem gemeinsamen Ergebnis kommen.
Zur FDP-Position möchte ich Folgendes sagen: Wirwollen keine sich selbst einholende Einzelfallermächti-gung durch eine Änderung von Art. 23 des Grundgeset-zes. Vor allen Dingen wollen wir kein Quorum von25 Prozent; denn eine Verfassung muss von der Mehr-heit – das Mehrheitsprinzip ist eine der Stärken desGrundgesetzes – getragen werden; deshalb können wirkeinen Verfassungsentwurf unterstützen, der auf Min-derheiten abzielt.
An dieser Stelle möchte ich als Sozialdemokrat undals europäischer Föderalist ganz bewusst sagen – leiderhatte sich dazu bisher niemand geäußert –: Wenn wir esmit einer europäischen Verfassung ernst meinen, dannmüssen wir für ein europäisches Referendum überdiese Verfassung – ich denke dabei an eine Abstim-mung am selben Tag in allen 25 Mitgliedstaaten – eintre-ten. Das Ergebnis sollte eine Mehrheit der Mitgliedstaa-ten und eine Mehrheit der Bevölkerung sein. Das wäreaus meiner Sicht die einzige Legitimation einer europäi-schen Verfassung, weil sie sowohl die doppelte Mehrheitgewährleistete als auch all denjenigen, die Europa blo-ckieren wollen, keine Chance gäbe.
Auch dazu sage ich: Lasst uns ehrlich darüber reden,ob wir willens und in der Lage sind, diesen Weg zu ge-hen! Wenn wir diesen Weg gehen, dann ändern wir dieQualität der Europäischen Union: Aus einem Staatenver-bund wird ein Bundesstaat. Wir würden an dieser Stelledann sagen: Jawohl, wir geben einen Teil der nationalenKompetenzen in grundlegenden Fragen tatsächlich end-gültig an die europäische Ebene ab, ohne dass wir dieChance haben, sie zurückzuholen. Ich persönlich bindafür, dass wir diesen Mut in Zukunft aufbringen sollten.Ich bitte aber auch um ehrliche Antworten, was dieKolleginnen und Kollegen von der FDP wie von denUnionsparteien dazu meinen.
Ein Letztes: Die Einführung von Plebisziten ist eineFrage des Engagements der Bürgerinnen und Bürger. Esist gut, dass es in unserem Land viele Aktionen wie zumBeispiel „Mehr Demokratie“ gibt, wo jetzt entspre-chende Diskussionen geführt werden. Wenn wir dieseDiskussionen wollen, dann müssen wir gleichzeitig wol-len, dass wir, von kontroversen Standpunkten ausge-hend, zum Schluss in diesem Parlament zu einem Kon-sens kommen. Die Debatte darüber im Rechtsausschusshat einiges Ermutigende gebracht. Deshalb werden wirSozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die FragevgzHudbGzdmWzpidWinsVsG–GRdVcGgbHLfsFGs
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Klaus
ofbauer, CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnennd Kollegen! Vor wenigen Wochen hat sich unser Bun-eskanzler – der Herr Außenminister hat es heute ja auchestätigt – bezüglich der Frage einer Verankerung desottesbezugs in der geplanten EU-Verfassung offen ge-eigt. Für uns ist damit die klare Aufforderung verbun-en: Der Herr Bundeskanzler soll sich nicht nur allge-ein dazu bekennen, sondern er soll in den kommendenochen seinen klaren und uneingeschränkten Einsatzeigen, damit es gelingt, dieses wichtige Ziel in die euro-äische Verfassung aufzunehmen.
Die Verabschiedung einer gemeinsamen Verfassungst für Europa von historischer Bedeutung. Hiermit wer-en die Weichen für die nächsten Jahrzehnte gestellt.ir alle – ich glaube, darüber besteht Übereinstimmungn diesem Hohen Hause – verstehen unter Europa nichtur einen geographischen Begriff, sondern auch eine be-ondere Wertegemeinschaft. Robert Schuman, einer deräter des europäischen Einigungsvertrages nach demchrecklichen Zweiten Weltkrieg, drückte es so aus, dassrenzen keine Trennungslinien sein dürfen, sondernich zitiere ihn –:zu Berührungslinien werden müssen, damit der ma-terielle und kulturelle Austausch zustande kommtund sich verstärkt.emeinsam mit Konrad Adenauer und de Gasperi suchteobert Schuman in den 50er-Jahren nach einem Europaer Vaterländer. Diese drei bedeutenden Europäer hattenisionen und waren überzeugt davon, dass nur die imhristlichen Glauben und im christlichen Menschen- undesellschaftsverständnis verankerten Werte ein tragfähi-es Fundament für das Zusammenleben der Menschenilden können.
Aus diesem Grund, meine sehr geehrten Damen underren, haben sich auch die Präsidenten der deutschenänderparlamente wie auch die Ministerpräsidenten da-ür ausgesprochen, dass die künftige europäische Verfas-ung einen ausdrücklichen Gottesbezug enthält. Dieormulierung „Im Bewusstsein der Verantwortung vorott“ ist auch für eine moderne Verfassung für das ent-tehende größere Europa der richtige Weg.
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Klaus HofbauerDer Außenminister hat heute davon gesprochen, dasseinige Länder in Europa dagegen sind. Er hat aber nichtgesagt, welche Länder in Europa sich unterdessen ein-deutig für den Gottesbezug ausgesprochen haben. Essind dies unter anderem Italien, Spanien, Österreich,Tschechien, Polen, Irland, Malta, Litauen und Portugal.Deswegen fordern wir vom Kanzler und vom Vizekanz-ler: Stellen Sie sich an die Spitze dieser Bewegung, da-mit dieses zentrale Ziel in der Präambel unserer europäi-schen Verfassung verankert wird.
Selbst die Kernbegriffe der französischen Revolution– Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – sind letztlichnichts anderes als säkularisierte christliche Grundtugen-den, inspiriert von der Rationalität der Aufklärung. DieBasis der wichtigsten europäischen Werte liegt also imChristentum.In der Diskussion wird der Gottesbezug immer wie-der infrage gestellt. Es wird argumentiert, dass man eineVerantwortung vor Gott nicht einklagen kann. Das istauch nicht der Zweck eines Gottesbezuges in der Präam-bel. Die Verantwortung vor Gott soll die Vorläufigkeit,Fehlbarkeit und Unvollkommenheit allen menschlichenHandelns zum Ausdruck bringen. Einer größeren Ver-antwortung können wir uns nicht stellen. Die Verantwor-tung vor Gott beschränkt einen absoluten Gewissheitsan-spruch der Politik. Sie macht den Entscheidungsträgernjederzeit bewusst, dass sie nicht nur sich selbst Rechen-schaft schuldig sind.Wir machen uns manchmal Sorgen, dass dieser wich-tige Einigungsprozess in Europa an den Menschen vor-beigeht. Wir stellen auch heute im Rahmen unserer De-batte fest, dass die Diskussion um den Konvent an denMenschen vorbeigeht. Ich glaube, dass die Diskussionum einen Gottesbezug viele Menschen für Europa ge-winnen würde.
Europa besteht nicht nur aus Rechtsverordnungen undBürokratie. Europa ist wesentlich mehr. Deshalb bitteich Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren: Stim-men Sie unserem Antrag zu!Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzent-wurf der Fraktion der FDP zur Änderung des Grundge-setzes zur Einführung eines Volksentscheidsüber eine europäische Verfassung, Drucksache 15/1112.Es liegen dazu drei persönliche Erklärungen zur Abstim-mung vor: zum Ersten vom Abgeordneten Steenblockund 21 weiteren Abgeordneten, zum Zweiten vom Ab-geordneten Winkler und zum Dritten vom AbgeordnetenHüppe.1)ewmvsmSSeSsnDklwsdgnfAsAUdbedNsFzrTBgdEdBsl1) Anlagen 3 bis 5 2)
ind jetzt auch alle Mitglieder des Haushaltsausschussesingetroffen? –
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seinetimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ichchließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerin-en und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.as Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später be-annt gegeben.2)Wir setzen die Abstimmungen fort. Ich bitte die Kol-eginnen und Kollegen, dazu die Plätze einzunehmen.Tagesordnungspunkte 4 b bis 4 f. Interfraktionellird Überweisung der Vorlagen auf den Druck-achen 15/1694, 15/1695, 15/1712 und 15/1801 an die iner Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-en. Die Vorlage auf Drucksache 15/1712, Tagesord-ungspunkt 4 d, soll abweichend von der Tagesordnungederführend an den Ausschuss für Wirtschaft undrbeit überwiesen werden. Die Vorlage auf Druck-ache 15/1878, Tagesordnungspunkt 4 f, soll an denusschuss für die Angelegenheiten der Europäischennion überwiesen werden. Sind Sie damit einverstan-en? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen soeschlossen.Tagesordnungspunkt 4 g. Wir kommen zur Beschluss-mpfehlung des Ausschusses für die Angelegenheitener Europäischen Union auf Drucksache 15/1898. Unterr. 1 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Aus-chuss die Annahme des Entschließungsantrages derraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünenu der Abgabe einer Erklärung durch die Bundesregie-ung zu den Ergebnissen des Europäischen Rates inhessaloniki, Drucksache 15/1212. Wer stimmt für dieseeschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltun-en? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmener Koalition bei Gegenstimmen der CDU/CSU undnthaltung der FDP angenommen.Unter Nr. 2 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnunges Antrages der Fraktion der CDU/CSU zum Stand dereratungen des EU-Verfassungsvertrages, Druck-ache 15/1207. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-ung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschluss-Seite 6185
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastnerempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition und derFDP gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 22 a bis 22 c sowieZusatzpunkt 5 auf:22 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-rung des Ersten Gesetzes zur Änderung desBundesgrenzschutzgesetzes– Drucksache 15/1861 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss
Auswärtiger AusschussAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Unionb) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umset-zung der Richtlinie 2002/47/EG vom 6. Juni2002 über Finanzsicherheiten und zur Ände-rung des Hypothekenbankgesetzes und ande-rer Gesetze– Drucksache 15/1853 –Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss
FinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und Arbeitc) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes zur Grunderwerbsteu-erbefreiung bei Fusionen von Wohnungsunter-nehmen und Wohnungsgenossenschaften inden neuen Ländern– Drucksache 15/1407 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenZP 5 Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes zur Änderung desSechsten Buches Sozialgesetzbuch– Drucksache 15/1672 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
RechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendEs handelt sich um Überweisungen im vereinfach-ten Verfahren ohne Debatte.Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen andie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zuüberweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist derFall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 23 a bis 23 n sowieZusatzpunkt 6 auf. Es handelt sich um die Beschlussfas-sung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgese-hen ist.Tagesordnungspunkt 23 a:Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-regierung eingebrachten Entwurfs eines GesetzessssGlehBmuG–enswesis
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r. Maria Flachsbarthlaus-Peter Flosbachr. Hans-Peter Friedrich
rich G. Fritzochen-Konrad Frommer. Michael Fuchsans-Joachim Fuchtelr. Jürgen Gehborbert Geisoland Gewaltberhard Giengereorg Girischalf Göbelr. Reinhard Göhneranja Gönnereter GötzDURMMMKOHGKHUSUMJBEPRMJHSPBSIrBSVGEJJKMNHTMGGDDWDDHBKVWPUWEDPDES
olker Kaudererlinde Kaupackart von Klaedenürgen Klimkeulia Klöcknerristina Köhler
anfred Kolbeorbert Königshofenartmut Koschykhomas Kossendeyichael Kretschmerünther Krichbaumünter Kringsr. Martina Krogmannr. Hermann Kueserner Kuhn
r. Karl A. Lamers
r. Norbert Lammertelmut Lamparbara Lanzingerarl-Josef Laumannera Lengsfelderner Lensingeter Letzgusrsula Lietzalter Link
duard Lintnerr. Klaus W. Lippold
atricia Lipsr. Michael Lutherrwin Marschewski
tephan Mayer
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerConny Mayer
Dr. Martin Mayer
Franz ObermeierEduard OswaldMelanie OßwaldHannelore RoedelFranz-Xaver RomerDr. Klaus RoseKurt SegnerMatthias SehlingMarion SeibMarko WanderwitzPeter Weiß
Gerald Weiß
Birgitt BenderMatthias BerningerMarkus KurthDr. Reinhard LoskeAnna LührmannJürgen TrittinMarianne TritzDr. Peter PaziorekUlrich PetzoldDr. Joachim PfeifferSibylle PfeifferDr. Friedbert PflügerBeatrix PhilippRonald PofallaRuprecht PolenzDaniela RaabThomas RachelHans RaidelDr. Peter RamsauerHelmut RauberPeter RauenChrista Reichard
Katherina ReicheHans-Peter RepnikKlaus RiegertProf. Dr. Heinz RiesenhuberBTJJEGAMMTLMAEDAVAGNach unserer Geschäftsordweitere Beratung.Wir kommen zu den Tages5 d. Eine Aussprache ist nichtSie sind damit einverstanden. DTagesordnungspunkt 5 a:Beratung des Antrags deBestimmung des Verfnung der Stellenanteilegemeinsamen KommisBundesrat zur Moderstaatlichen Ordnung– Drucksache 15/1692 –ernd Sieberthomas Silberhornohannes Singhammerens Spahnrika Steinbachero Storjohannndreas Stormax Straubingeratthäus Streblhomas Strobl
ena Strothmannichael Stübgenntje Tillmanndeltraut Töpferr. Hans-Peter Uhlrnold Vaatzolkmar Uwe Vogelndrea Astrid Voßhofferhard WächterAEDJFDHJKAWAPUTMFRUnung entfällt damit eineordnungspunkten 5 a bis vorgesehen. – Ich sehe,ann verfahren wir so.r Fraktion der CDU/CSUahrens für die Berech- der Fraktionen in dersion von Bundestag undnisierung der bundes-gdFMdCet1)lexander Bondekin Deligözr. Thea Dückertutta Dümpe-Krügerranziska Eichstädt-Bohligr. Uschi Eidans-Josef Felloseph Fischer
atrin Göring-Eckardtnja Hajdukinfried Hermannntje Hermenaueter Hettlichlrike Höfkenhilo Hoppeichaele Hustedtritz Kuhnenate Künastndine Kurth
DDDJMESBCHDHHAWer stimmt für diesen Antren? – Enthaltungen? – Der Aner Koalition gegen die StimmeDP abgelehnt.Wir wählen nun die vom Buitglieder. Dazu liegen Wahlver SPD und des Bündnisses 9SU sowie der FDP vor.Der Abgeordnete Volker Kauine Erklärung nach § 31 der Gokoll gegeben.1)Anlage 6
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Hierzu ist anzumerken, dass ebenso wie bei Gericht auchdie Auslegung des Wahlrechts Sache des Wahlprüfungs-ausschusses ist. Sind Sachverhalte entscheidend, in dieder Einspruchsführer selbst involviert ist, erhält er ohne-hin Gelegenheit, sich zu den Stellungnahmen der befrag-ten Behörden zu äußern.Natürlich gibt es bei diesen Vorprüfungen auch kom-plexe Fragen zu klären und zu entscheiden. Dies zeigtschon der Umfang mancher Entscheidungen. Das wer-den Sie feststellen, wenn Sie in unsere Drucksacheschauen.uwstzwmfdhmgwmOCZawWsduDngdAblDsWzosDtegDf
Was nun die Überhangmandate angeht – das ist derweite Streitpunkt –, so habe ich keine Zweifel an derffensichtlichen Unbegründetheit diesbezüglicher Ein-prüche. Ich spreche insoweit auch als Berichterstatterin.ie Überhangmandate sind eine Konsequenz der korrek-n Anwendung des Bundeswahlgesetzes in der derzeiteltenden Fassung.
essen Verfassungsmäßigkeit ziehen wir, der Wahlprü-ungsausschuss, grundsätzlich nicht in Zweifel.
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Erika SimmZur Wahlprüfung gehört es nicht, eine Regelung als ver-fassungswidrig zu kassieren. Das kann nur das Bundes-verfassungsgericht. Diese Aufgabenverteilung entsprichtder ständigen Praxis des Ausschusses seit der erstenWahlperiode. Im Hinblick auf Art. 41 des Grundgeset-zes, in dem die Wahlprüfung geregelt ist, wurde betont,dass der Bundestag die Einhaltung der geltenden Wahl-rechtsvorschriften zu kontrollieren hat. Würde er da-rüber hinaus selbst eine Norm für verfassungswidrig er-klären, geriete er in einen Widerspruch zu sich selbst, dadiese Bestimmungen ja ohnehin von ihm als Gesetzge-ber stammen.Auch die Befugnis der Gerichte, bei einem für verfas-sungswidrig gehaltenen Gesetz das Bundesverfassungs-gericht im Wege der Vorlage anzurufen, ist dem Bundes-tag verwehrt. Nur der Einspruchsführer selbst kann dasBundesverfassungsgericht anrufen, wenn er mit unsererEntscheidung nicht einverstanden ist.Diese Auffassung ist immer beibehalten worden. Inte-ressanterweise wurde sie 1995 gerade angesichts vonÜberhangmandaten bekräftigt. Bei der Wahl 1994 hattenämlich die CDU zwölf Überhangmandate errungen,
die SPD vier. In der damaligen Beschlussempfehlungdes gesamten Ausschusses wird betont, der Wahlprü-fungsausschuss habe sich nie verleiten lassen, eine Ver-fassungswidrigkeit festzustellen oder Kritik dieser Artöffentlich zu bestätigen.
Weiter heißt es in der Beschlussempfehlung:Andernfalls würden diejenigen Wähler ungerecht-fertigt und unverhältnismäßig benachteiligt, die aufdie Gültigkeit der Regelungen vertraut und ihreWahlentscheidung danach ausgerichtet haben.
Das Bundesverfassungsgericht kennt diese Praxis undhat sie nie beanstandet.Ich darf abschließend eine Bemerkung zum Zeitbedarfdes Ausschusses machen. Ich höre immer wieder denVorwurf, wir würden Dinge zögerlich behandeln.
Die umfangreiche Drucksache zeigt: Wir machen unsdie Arbeit nicht einfach. Das ist wichtig und richtig so.
Allen oft spezifischen und detaillierten Einwendungenwird nachgegangen. Das kostet Zeit, zumal die Mitglie-der des Ausschusses im Bundestag und in den Fraktio-nen noch andere Aufgaben zu erledigen haben.
Für jedes unserer Mitglieder ist dies ein zusätzlicherAusschuss.Ich möchte daran erinnern, dass wir bereits im Junieine erste Drucksache zu immerhin 444 Einsprüchen, diewFbdKbDmrgbCgdFcJbmbsdpBdsbKtbgFsnpvEfwpwMcZ
Bei dieser Gelegenheit möchte ich es als Vorsitzendees Wahlprüfungsausschusses nicht versäumen, denollegen im Ausschuss für die kollegiale Zusammenar-eit und die mitunter sehr spannenden und interessanteniskussionen, die wir führen, herzlich zu danken. Ichöchte mich vor allem bei den Mitarbeitern des Sekreta-iats bedanken, die in der Vorbereitung der Entscheidun-en diese große Menge an Einsprüchen abgearbeitet ha-en.Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Thomas Strobl,
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-en! 520 Einsprüche hat es gegen das Ergebnis der Bun-estagswahl vom 22. September 2002 gegeben. Wierau Simm gerade erläutert hat, sind 444 dieser Einsprü-he in der ersten Beschlussempfehlung, die bereits imuni im Deutschen Bundestag diskutiert wurde, abgear-eitet. Wir befassen uns nun in einer zweiten Trancheit weiteren 57 Einsprüchen.Ich finde es gut, dass wir heute eine öffentliche De-atte zu diesem Thema führen, und möchte einleitendagen, dass es der Verfassungsgesetzgeber gewesen ist,er in Art. 41 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes die Über-rüfung von Wahlrechtseinsprüchen dem Deutschenundestag zugewiesen hat, der aufgrund der vorliegen-en Beschlussempfehlungen des Wahlprüfungsaus-chusses des Deutschen Bundestages entscheidet. Denk-ar wären auch andere Konstruktionen gewesen. Dieseonstruktion aber verpflichtet den Deutschen Bundes-ag, namentlich den Wahlprüfungsausschuss, zu eineresonders sorgfältigen Prüfung und Beratung aller ein-egangenen Wahlrechtseinsprüche. Darin sind wir mitrau Simm sicherlich einig.Hinzu kommt, dass die Entscheidungen des Deut-chen Bundestages durch ein anderes Verfassungsorgan,ämlich das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, über-rüft werden können. Mit dem heutigen Tag, dem 6. No-ember 2003, beginnt die Zweimonatsfrist, innerhalb derinsprechende eine Überprüfung durch das Bundesver-assungsgericht beantragen können. Recht schnell – dasage ich zu prognostizieren – wird in Karlsruhe Bürger-ost von denjenigen eingehen, die in Berlin abgewiesenurden. Ich bin ganz sicher: So einfach, wie es sich dieehrheit im Wahlprüfungsausschuss mit den Einsprü-hen gemacht hat, die die konkrete Materie der Berlinerweitstimmen und der Überhangmandate betreffen, in-
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Thomas Strobl
dem sie diese als offensichtlich unbegründet abgewiesenhat, wird man es sich in Karlsruhe nicht machen.
Worum geht es in der Sache? Die Bürger, die Ein-spruch eingelegt haben, wenden sich mit juristisch be-achtlichen Argumenten gegen diejenigen Zweitstimmen,die in den beiden Berliner PDS-Wahkreisen zugunstender SPD abgegeben worden sind. Nach juristisch nach-vollziehbarer Begründung der einspruchführenden Bür-gerinnen und Bürger verstößt die Anerkennung dieserZweitstimmen zugunsten der SPD gegen den Grundsatzder Wahlrechtsgleichheit, weil der Erfolgswert bei derZählung der Zweitstimmen höher sei.Ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Grund-satz der Wahlrechtsgleichheit ist sicherlich ein elementa-rer Verstoß gegen demokratische Wahlrechtsprinzipien.Dass hier ein solcher Verstoß vorliegt, behaupten übri-gens nicht nur die einsprechenden Bürger; auch dieMehrheit der Wahlrechtsexperten sieht aufgrund derwissenschaftlichen Veröffentlichungen zu diesemThema den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Wahl-rechtsgleichheit verletzt. Gerade in der jüngeren verfas-sungsrechtlichen Literatur, die sich vor dem Hintergrunddes vorliegenden Falls mit dieser Rechtsmaterie beschäf-tigt, vertritt die ganz überwiegende Mehrheit der Wis-senschaftler exakt die Position der einsprechenden Bür-ger.
Die Wissenschaft stützt also die Einsprüche der Bürge-rinnen und Bürger. Insofern, verehrte Frau KolleginSimm, möchte ich zumindest Zweifel anmelden, ob manvor diesem Hintergrund, so wie Sie es eben getan haben,von rechtlich einwandfrei geklärten Fällen sprechendarf. Ich denke, jedenfalls für diese Fälle geht das nichtin Ordnung.Diese Einsprüche der Bürger als offensichtlich unbe-gründet abzuweisen, so wie es die Mehrheit im Wahlprü-fungsausschuss gemacht hat, ist, finde ich, ein starkesStück und in der Sache nicht nachvollziehbar.
Ich habe daher Verständnis dafür, wenn sich die Bürge-rinnen und Bürger, die sorgfältig begründete Einsprücheeingelegt haben, diese Entscheidung des Wahlprüfungs-ausschusses nicht erklären können.
Wie kann man sagen, die Einsprüche der Bürgerinnenund Bürger seien deshalb offensichtlich unbegründet,weil denknotwendig gar keine andere Entscheidung er-gehen könne, wenn die große Mehrheit der Experten inwissenschaftlichen Publikationen zu dieser Frage exaktdie Position der Einsprechenden vertritt? Ich finde, die-ses kann man nicht verantworten.
lBBtsstlU1ghnfru§cmdtdssOghdRÖladrhb6iFVmdIB
6 Abs. 1 des Wahlprüfungsgesetzes sieht eine öffentli-he mündliche Verhandlung zwingend vor. Wovor hattean eigentlich Angst? Vor den Einsprechenden, dieann ihre Argumente dem Wahlprüfungsausschuss hät-en vortragen können und nicht zuletzt vielleicht mitem Gefühl nach Hause gegangen wären, dass der Deut-che Bundestag ihre seriös begründeten Einsprüche aucheriös behandelt und sie seriös und sorgfältig anhört?der hatte man vor den Wissenschaftlern und deren Ar-umenten Angst, die man als Sachverständige durchausätte anhören können,
ie allerdings überwiegend den einsprechenden Bürgernecht gegeben hätten? Oder hatte man gar Angst vor derffentlichkeit, weshalb man lieber im stillen Kämmer-ein die Entscheidung getroffen hat? Oder gab es einennderen Grund, etwa den, dass nach den Feststellungenes Bundeswahlleiters etwa 16 000 Wähler der PDS-Di-ektkandidatinnen ihre Zweitstimme der SPD gegebenaben,
ei der Bundestagswahl jedoch die SPD nur mit000 Stimmen Vorsprung die stärkste Partei gewordenst? Hätten die einsprechenden Bürger Recht, verehrterau Kollegin Simm, dann hätte nicht die SPD einenorsprung von 6 000 Stimmen, sondern die Union lägeit einem Vorsprung von ungefähr 10 000 Stimmen vorer SPD.
Ist das etwa der Grund, warum man so verfahren ist?ch hoffe insbesondere im Interesse der einsprechendenürger, dass dies nicht der Fall gewesen ist.
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Thomas Strobl
Hinzu kommt, dass beide Sachverhalte zusammenge-nommen – die Berliner Zweitstimmen und die Über-hangmandate – eine andere Mandatsverteilung imDeutschen Bundestag ergeben hätten.Wir denken, dass das Absehen von einer mündlichenVerhandlung ein klarer Formfehler gewesen ist. Diemündliche Verhandlung ist die Regel. Demgegenüber istdas Absehen von einer mündlichen Verhandlung dieAusnahme.
Es ist vielleicht gerade noch vertretbar, dass die Aus-nahme inzwischen zur Regel geworden ist. Dass Sie dieRegel aber auch nicht mehr als Ausnahme zulassen wol-len, ist für uns nicht akzeptabel.Ich möchte zum Schluss noch zwei Punkte anspre-chen. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 1988dem Bundesgesetzgeber aufgegeben, eine Lücke imWahlrecht zu schließen.
Wir sollten uns zumindest im Innenausschuss des Deut-schen Bundestages einmal mit diesem Thema beschäfti-gen. Denn der Auftrag, sich mit diesem Thema zu be-schäftigen, ist uns eindeutig erteilt worden, Herr Kollegevan Essen.
Ich kann bisher nicht erkennen, dass der Bundestag – mitwelcher Entscheidung auch immer – diesem Auftrag inden zuständigen Gremien nachgekommen ist. Das soll-ten wir aber tun.
Als zweiten Punkt möchte ich abschließend die520 Einsprüche erwähnen, die wir zum größten Teil ab-gearbeitet haben. Dabei haben wir nur in wenigen Punk-ten unterschiedliche Auffassungen vertreten. Es sind nurnoch 19 Fälle offen. Wir waren nicht in allen Punkten ei-ner Meinung. Ich möchte mich aber ausdrücklich demDank der Frau Vorsitzenden Simm für die sachlichenBeratungen mit den Kolleginnen und Kollegen, insbe-sondere aber auch dem Dank an die Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter des Sekretariats des Wahlprüfungsaus-schusses für ihre sehr engagierte und sachkundige Vorar-beit und Begleitung unserer Beratungen anschließen.
Besten Dank.
n–KMuntWiAktuAacuKsltmKbdfggmvNsrahwwsgDr
eine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnennd Kollegen! Die Korrektheit und Rechtmäßigkeit ei-er demokratischen Wahl sind die Hauptgründe ihrer In-egrität und sind daher für die Akzeptanz demokratischerahlen von ausschlaggebender Bedeutung. Deswegenst die Arbeit des Wahlprüfungsausschusses, die inrt. 41 des Grundgesetzes festgeschrieben ist, ein kon-reter und wichtiger Beitrag zur Integrität und Akzep-anz der demokratischen Wahlen in unserem Land.Wir haben uns mit allen Einsprüchen der Bürgerinnennd Bürger ausführlich und intensiv beschäftigt. Mitusnahme weniger Fälle, die Herr Kollege Strobl schonngesprochen hat, haben wir uns auch zu einer einheitli-hen Meinung durchringen können.Ich will meiner Rede den Dank an die Kolleginnennd Kollegen – insbesondere an die Vorsitzende, Frauollegin Erika Simm – und an das Sekretariat des Aus-chusses, das für uns alle unentbehrliche Vorarbeiten ge-eistet hat, voranstellen.
Ich will – das steht im Mittelpunkt des politischen In-eresses – zu den Berliner Zweitstimmen Stellung neh-en. In der Sache – das wurde am Ende der Rede desollegen Strobl auch deutlich – geht es der Oppositionei der Behandlung dieses Themas um den Sachverhalt,ass die Wählerinnen und Wähler, die in Berlin mit Er-olg die Kolleginnen der PDS als Direktkandidatinnenewählt haben, mit ihren Zweitstimmen in der überwie-enden Mehrheit die SPD,
it einigem Gewicht das Bündnis 90/Die Grünen undereinzelt die CDU/CSU und die FDP gewählt haben.
un möchten die Einspruchstellerinnen und Einspruch-teller, dass diese Zweitstimmen nachträglich nicht be-ücksichtigt werden. Dies könnte man von den ehren-mtlichen Helferinnen und Helfern, die ausgezähltaben, sowie in letzter Konsequenz auch vom Bundes-ahlleiter verlangen, wenn dies gesetzlich geregeltäre. Nach der Verfassung und den entsprechenden Ge-etzen sind aber die Stimmen, die ordnungsgemäß abge-eben sind, auch zu berücksichtigen, also zu zählen.ies ist die Regel. Die Ausnahme ist, dass sie nicht be-ücksichtigt werden.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003 6193
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Jerzy MontagHerr Kollege Strobl, der Gesetzgeber hat die aus-nahmsweise Nichtberücksichtigung korrekt abgege-bener Stimmen in § 6 Abs. 1 Satz 2 Bundeswahlgesetzfür folgende zwei Fälle geregelt: Die Zweitstimmen, diefür einen Direktkandidaten abgegeben werden, der inseinem Wahlkreis erfolgreich ist und der nach § 20Abs. 3 Bundeswahlgesetz entweder von 200 Bürgerin-nen und Bürgern oder von einer Partei nominiert wurde,die auf der entsprechenden Landesliste nicht vorkommt,sind nicht zu zählen. Die beiden Kolleginnen der PDSsind aber Mitglieder einer Partei, die auf der BerlinerLandesliste nicht gestrichen war. Man konnte die PDSalso wählen. Die Kolleginnen sind auch nicht durch dieUnterschriften von 200 Wählerinnen und Wählern ausihrem Wahlkreis nominiert worden. Mit anderen Worten:Es gibt überhaupt keine gesetzliche Norm, die es zwin-gend erforderlich machte, dass die ehrenamtlichen Hel-ferinnen und Helfer oder der Bundeswahlleiter dieZweitstimmen, die für diese Kolleginnen abgegebenwurden, für nicht berücksichtigungsfähig erklären. Des-wegen ist es absolut klar, dass der Einspruch, diese Stim-men hätte man nicht zählen dürfen, in unserem Wahlprü-fungsverfahren keinen Erfolg haben kann. DieserEinspruch ist offensichtlich unbegründet, weil es keineentsprechende gesetzliche Regelung gibt.
– Herr Kollege Friedrich, die analoge Anwendung einerVorschrift auf Fälle, die nicht geregelt sind, ist aus zweiGründen nicht möglich, und zwar ersten aus dem Grundder Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit.
Wenn ein Bürger einem Direktkandidaten seine Zweit-stimme gibt, der nicht von einer Partei vorgeschlagen ist,die auf der Landesebene zugelassen ist, dann weiß er,dass seine Zweitstimme nicht zählen wird.Zweitens. Der Vorschlag der analogen Anwendungwürde dazu führen, dass die Zweitstimmen der Wähler,die die Damen der PDS gewählt haben, zählen würden,wenn die PDS die Fünfprozenthürde überschritten hätte,bzw. dass sie nicht zählen würden, wenn diese Hürdenicht gemeistert worden wäre. Damit hätte man keineRechtssicherheit und keine Rechtsklarheit gewonnen.Die betreffenden Wähler wüssten bei der Stimmabgabenicht, was mit ihren Zweitstimmen geschehen wird.Diese Argumentation verbietet also eine analoge An-wendung.Vielen Dank.
Herr Kollege, gestatten Sie am Schluss Ihrer Redezeit
noch eine Zwischenfrage des Kollegen Strobl?
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Er kann sich ja bessern.
Herr Kollege Montag, das, was Sie juristisch vertre-
en, halte ich jedenfalls für vertretbar und für nicht of-
ensichtlich unbegründet.
Danke.
Hier unterscheiden wir uns eben.
Ich möchte Sie aber fragen: Sind Sie mit mir einer
einung, dass das Bundesverfassungsgericht im Jahr
988 ausdrücklich eine Lücke im Bundeswahlgesetz
estgestellt hat, die den jetzt eingetretenen Fall betrifft?
enn es eine Gesetzeslücke gibt, dann ist es zumindest
ertretbar, an eine Analogie zu denken. Sie lehnen die
nalogie ab. Die Mehrheit der Wissenschaftler, insbe-
ondere die Mehrheit derjenigen, die sich in der jüngeren
issenschaftlichen Literatur mit diesem Fall beschäftigt
aben, ist anderer Auffassung als Sie.
Bei allem Respekt vor Ihrer Auffassung: Wir kritisie-
en vor allem, dass Sie sagen: Die Einsprüche sind of-
ensichtlich unbegründet, weil man unter juristischen
esichtspunkten überhaupt nicht zu einem anderen Er-
ebnis kommen kann, mit der Folge, dass mündliche
erhandlung, Sachverständigenanhörung usw. abgelehnt
erden.
Wie wollen Sie vor dem Hintergrund der wissen-
chaftlichen Literatur erklären, dass Ihre juristische Auf-
assung die einzig richtige ist, dass nicht auch eine an-
ere richtige Auffassung denkbar ist, die möglicherweise
etztlich sogar vom Bundesverfassungsgericht geteilt
ird?
Herr Kollege Strobl, ich danke Ihnen für diese Frage.ie haben zwar kein neues Argument gebracht, aber dierage bietet mir die Möglichkeit, mich über meine ei-entliche Redezeit hinaus zu diesem Problem noch zuußern.Herr Kollege Strobl, in der Literatur werden auf derrundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichtsivergierende Angebote dazu gemacht, wie die Lücke,ie das Bundesverfassungsgericht beschrieben hat, zuchließen ist. Nach unserer Auffassung ist sie auf jedenall nicht dadurch zu schließen, dass den ehrenamtlichenahlhelfern oder dem Bundeswahlleiter aufgegebenird, in analoger Anwendung
im Nachhinein – Stimmen, die zulässigerweise abge-eben worden sind, nicht zu berücksichtigen.
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6194 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003
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Jerzy Montag
Eine solche Analogie ist gerade im Wahlrecht, in demder Grundsatz gilt, dass jeder, der eine gültige Stimmeabgibt, ein Recht darauf hat, dass sie gezählt wird, abso-lut unzulässig.Es mag ja sein – ich glaube es nicht –, dass das Bun-desverfassungsgericht diesen Punkt bei einer Prüfung,wenn sich diejenigen, die Einspruch erhoben haben,nämlich dahin wenden, als verfassungswidrig ansieht.Wenn es so entscheidet, dann werden wir aufgefordertsein, das Gesetz zu ändern. Wir sind es bisher nicht. DasBundesverfassungsgericht hat hier etwas zu erwägen ge-geben. Der Bundestag hat in jahrelanger Praxis gezeigt,dass er keinen Änderungsbedarf sieht.Das Rechtsproblem ist also nicht offensichtlich in un-sinniger Weise diskutiert worden. Die Einsprüche, dieim vorliegenden Verfahren der Wahlprüfung erhobenworden sind, sind offensichtlich unbegründet.
Wir sind uns darüber nicht einig. Das müssen wir aushal-ten. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Mehrheitim Wahlprüfungsausschuss in der Sache Recht gehabthat.Ich danke Ihnen.
Nächster Redner ist der Kollege Jörg van Essen, SPD-
Fraktion. – Entschuldigung; FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich lege schon großen Wert darauf, dass ich Mitglied derFDP-Fraktion bin.
Wir behandeln ein Thema, das für die Zuhörer auf derTribüne sicherlich besonders schwer zu verstehen ist.Wir steigen richtig tief in die Juristerei ein. Deswegenwill ich mit etwas beginnen, was auch andere schon ge-tan haben, nämlich der Vorsitzenden, aber auch den Mit-arbeitern und den Kollegen im Wahlprüfungsausschussganz herzlich für die Zusammenarbeit danken.
Ich widerspreche dem Kollegen Strobl, der hier denEindruck erweckt hat, dass wir leichtsinnig, ohne wirk-lich ernsthafte Überlegungen Entscheidungen getroffenhaben. Das ist nicht der Fall gewesen. Sie haben für dieCDU/CSU als einer der Oppositionsfraktionen gespro-chen. Die FDP als zweite Oppositionsfraktion wird – Siewerden es erleben – der Meinung der Koalitionsfraktio-nen zustimmen, und zwar, wie ich finde, aus nachvoll-ziehbaren Gründen.dDÜrhe–BWnpZWbzwduPtsSScdItBtZ–wdIgg–rmbWbW
Erstens. Sie wenden sich gegen die Überhangman-ate und die Regelung, die wir dazu getroffen haben.ie Überhangmandate sind etwas Unerfreuliches. Dieberhangmandate haben das Bundesverfassungsgerichtegelmäßig beschäftigt. Das Bundesverfassungsgerichtat deutlich gemacht, dass die Überhangmandate, so un-rfreulich sie sind, zulässig sind.
Ob es knappe Entscheidungen waren, ist wurscht. Dasundesverfassungsgericht hat rechtskräftig entschieden.Es hat uns zur Auflage gemacht, den Zuschnitt derahlkreise so vorzunehmen, dass Überhangmandateach Möglichkeit nicht entstehen. Genau dieser Ver-flichtung sind wir nachgekommen. Wir haben an denahlen sehen können, dass das Ganze erfolgreich war.ährend es vorher 16 Überhangmandate gab, hatten wirei der letzten Wahl fünf; das ist eine erhebliche Redu-ierung. Weil die FDP am wenigsten davon profitiert,äre es mir lieber, wenn sie noch stärker reduziert wer-en könnten. Trotzdem: Wir sind eine Rechtsstaatsparteind erkennen deshalb diese Möglichkeit an. Das istunkt eins.Punkt zwei: Berliner Zweitstimmen. Ihr Redebei-rag hat deutlich gemacht, warum Sie daran so interes-iert sind. Sie gehen davon aus, dass dann bestimmtetimmen für die SPD nicht gezählt worden wären undie als CDU die stärkste Fraktion gestellt hätten, mögli-herweise mit Auswirkungen bis hin zur Wahl des Bun-estagspräsidenten. Von daher haben Sie ein legitimesnteresse daran.Wir als Bundestag insgesamt haben eine ebenso legi-ime Verpflichtung, das Wahlrecht strikt anzuwenden.
Sie haben immer wieder auf eine Entscheidung desundesverfassungsgerichts hingewiesen; es hat sichatsächlich mit der Frage befasst: Wie steht es um dieählbarkeit von Zweitstimmen, wenn die Kandidatenwie hier die Kandidatinnen der PDS – erfolgreich ge-ählt worden sind, mit der Zweitstimme aber eine an-ere Partei gewählt worden ist, beispielsweise die SPD?n diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungs-ericht uns nicht aufgegeben, sondern uns zu erwägenegeben, diese Frage zu klären.
Wir haben es nicht getan. Deswegen habe ich bei Ih-em Redebeitrag als Zwischenruf gesagt, wir sollten unsit dieser Frage befassen. Das ist richtig. Aber wir ha-en ein Ermessen, ob wir uns damit befassen oder nicht.ir haben es bisher nicht getan, wir haben diese Frageisher nicht geregelt. Das bedeutet, dass wir das geltendeahlrecht anwenden müssen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003 6195
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Jörg van EssenIch denke, wir sind hier in einer ähnlichen Verpflich-tung wie im Strafrecht. Analogie kann es meiner Mei-nung nach im Wahlrecht nicht geben.
Gerade das Wahlrecht lebt davon, dass es strikt ange-wandt wird; nur dann ist es neutral. Analogie ist immerzugunsten oder zulasten von irgendjemandem. Geradedeshalb bin ich für Klarheit und Wahrheit des Wahl-rechts. Ich schließe nicht aus, dass das Bundesverfas-sungsgericht, weil es dies schon einmal zu erwägen ge-geben hat, in diese Richtung denken wird; aber daswissen wir nicht. Wir dürfen auch nicht spekulieren undnicht vor allem deshalb zu einer Analogie kommen, weiles bestimmte Stimmen in der Literatur gibt. Das hatmich sehr gewundert. Ich komme aus der Justiz. Da gibtes etliche Fälle, in Bezug auf die es in der Literatur eineherrschende Meinung gibt, in denen wir in der Justizaber aus guten Gründen anders entscheiden.
Deshalb kann es, wenn wir im Wahlprüfungsausschussdes Bundestages zu entscheiden haben, nicht anderssein. Wir haben diese Stimmen natürlich ernst zu neh-men, wir haben uns aber auch an die Grundregeln zu hal-ten. Zu ihnen gehört: Analogie findet nicht statt.Da das für mich so klar ist, bedurfte es auch keiner öf-fentlichen Verhandlung. Sie hätte diese Klarheit nurzusätzlich bestärkt. Deshalb stimmen wir als FDP-Bun-destagsfraktion den Beschlussvorschlägen des Wahlprü-fungsausschusses zu.Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Hans-Joachim
Hacker, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Montaghat hier heute ein überzeugendes juristisches Seminarabgehalten.
Herr Strobl, zu Ihren Vorwürfen, wir würden im Wahl-prüfungsausschuss ernsthafte Wahleinsprüche im stillenKämmerlein behandeln und hätten den Auftrag des Bun-desverfassungsgerichts, das Bundeswahlgesetz zu ergän-zen, nicht beachtet: Beides ist falsch. Ich will mich in bei-den Punkten gegen diese Darstellung verwahren.Wir haben nicht nur im Fall der Berliner Zweitstim-men, sondern in allen Fällen Wahleinsprüche ernsthaftund gründlich beraten, zunächst in der Hauptverantwor-tung der Berichterstatter, aber dann auch ausführlich imAusschuss. Das waren keine Veranstaltungen im stillenKZSsbgshsedtngOgWfdsepWmsgDfswsfgdPvdgslzsFdVWinsasdnkdm
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6196 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003
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Herr Strobl, auch hierbei waren Ihre Argumente nichtüberzeugend; wir haben uns damit intensiv auseinandergesetzt. Diese Wahleinsprüche waren ebenfalls offen-sichtlich unbegründet; denn das Bundesverfassungsge-richt hat – das gilt auch für diesen Fall – im Jahr 2001klargestellt, dass staatliche Wahlbeeinflussung nur dannvorliegt, wenn staatliche Stellen im Vorfeld einer Wahlin mehr als nur unerheblichem Maße parteiübergreifendauf die Bildung des Wählerwillens einwirken.
Dies war im konkreten Fall dieser Zeitungsbeilagenicht so. Es war Ihr freies Recht, sich im Wahlkampf mitdieser Thematik auseinander zu setzen. Sie haben diesesThema im Übrigen in bekannter Weise problematisiert.Ich will unterstreichen: Die Entscheidung, die wir zudiesem Wahleinspruch getroffen haben, ist richtig undrechtlich zu vertreten.
Herr Kollege Hacker, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen von Klaeden?
Ja, bitte.
Herr Kollege Hacker, ich hätte diesen Vorgang nicht
angesprochen, wenn Sie ihn nicht verursacht hätten. Hal-
ten Sie es für politisch richtig, dass die Bundesregierung
so kurz vor der Bundestagswahl für ein Gesetz geworben
hat, das offensichtlich unter Bruch der Verfassung zu-
stande gekommen ist und deswegen auch vom Bundes-
verfassungsgericht für nichtig erklärt worden ist?
Herr Kollege von Klaeden, Sie stellen den Sachver-
halt nicht richtig dar.
Mit dem Gesetz selbst hat der Verfassungsbruch nichts
zu tun.
Es ging darum, wie das Gesetz im Bundesrat behandelt
worden ist.
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ch finde es richtig, dass die Bundesregierung, und zwar
icht zum ersten Mal im August 2002, sondern bereits
Frühjahr 2002, die deutsche Öffentlichkeit über den
nhalt dieses Gesetzes und über die mit diesem Gesetz
erbundenen Chancen insbesondere für die Integration
usländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger informiert
at. Das war, wie ich denke, eine wichtige Information.
Sie hatten alle Gelegenheit, sich im Wahlkampf mit
iesem Thema auseinander zu setzen. Ich gehe davon
us, Sie haben diese Chance auch genutzt und dieses
hema und ähnliche Themen auf Wahlveranstaltungen
n bekannter Weise problematisiert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, meine Re-
ezeit ist, wie ich gerade sehe, fast zu Ende. Trotz all der
pannungen, die sich an dem Thema der Berliner Zweit-
timmen entzündet haben, möchte ich nicht vergessen,
ass den Mitgliedern des Ausschusses Dank gebührt. Ich
edanke mich bei der Vorsitzenden für die Führung der
eratungen und beim Ausschusssekretariat. Wir haben
ine Vielzahl von Wahleinsprüchen behandelt, wobei wir
einer sehr qualifizierten Weise durch die Mitarbeiter
nterstützt wurden. Dafür meinen herzlichen Dank.
Ich wünsche mir, dass die Arbeit im Wahlprüfungs-
usschuss hinsichtlich der noch offenen Wahleinsprüche
einer guten kameradschaftlichen Art und Weise wei-
rgeführt wird und sie nicht von Polemik dominiert
ird, Herr Strobl.
Vielen Dank.
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
r. Hans-Peter Friedrich, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Ich denke, die letzten Redebeiträge haben einisschen das verschüttet, was für uns von der CDU/SU-Fraktion in diesem Verfahren die Beschwer dar-tellt. Es geht uns nicht darum, im Ausschuss oder hierehement und einseitig für irgendeine rechtliche Beur-eilung zu plädieren. Wir haben vielmehr darauf hinge-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003 6197
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Dr. Hans-Peter Friedrich
wiesen, dass es nicht sein kann, dass in einer außeror-dentlich komplizierten, schwierigen und umstrittenenRechtsmaterie dem Prinzip des Wahlprüfungsgesetzes,das besagt, dass bei jedem Einspruch eine mündlicheVerhandlung einzuberufen ist, keine Gültigkeit mehreingeräumt wird. Es ist doch klar, dass angesichts einersolch umstrittenen Situation der Einspruch nicht als „of-fensichtlich unbegründet“ qualifiziert werden kann.
Wir haben noch ein Weiteres gemacht, was nicht gutist: Indem der Wahlprüfungsausschuss den Einspruchs-führern bescheidet, dass ihr Einspruch offensichtlich un-begründet ist, zwingen wir sie, da sie wissen, dass derSachverhalt in der Literatur und in der Rechtssprechungumstritten ist, dazu, zum Bundesverfassungsgericht zugehen.
Für mich ist die entscheidende Frage: Ist es richtig, dasswir als Bundestag eine Aufgabe, die wir zugewiesen be-kommen haben, nicht nachkommen, sondern sie so be-handeln, dass auf Anruf der Einspruchsführer das Bun-desverfassungsgericht dazu gezwungen ist, die Arbeit zuerledigen, die wir eigentlich erledigen müssten?
Wir haben hierbei, liebe Frau Vorsitzende, auch dieChance verpasst, eine Gesetzesinitiative, die das Bundes-verfassungsgericht zwar nicht angemahnt – so weit willich nicht gehen –, aber angeregt hat, vom Wahlprüfungs-ausschuss aus auf den Weg zu bringen. Das Besondere ander damaligen Entscheidung des Bundesverfassungsge-richtes ist ja, dass es hypothetisch einen Fall problemati-siert hat, der jetzt genau eingetreten ist. Insofern wäre esan der Zeit und im Grunde auch richtig gewesen, durcheine Anhörung im Wahlprüfungsausschuss – wir woll-ten nicht mehr als eine mündliche Verhandlung – klärenzu lassen,
wie die rechtlichen Positionen gegeneinander abzuwä-gen sind. Das zu tun hätte auch einem Wahlprüfungsaus-schuss in dieser Frage gut angestanden.
Ich will die Zeitungsbeilage, die einen Monat vor derBundestagswahl erschienen ist, ansprechen. Auch HerrHacker hat dieses ja hier schon vorgetragen.
Ich möchte den Sachverhalt für diejenigen, die dasGeschehen nicht näher verfolgt haben, schildern. Am21. und 22. August, also genau einen Monat vor derBundestagswahl 2002, wurde in allen großen deutschenTageszeitungen eine Beilage verteilt, deren Kosten ausHaushaltsmitteln beglichen wurden und sich auf2,85 Millionen Euro beliefen. Auftraggeber war dasPEbgtaccDtdEJsvskbPtdssWG2dfllbplllsd–f
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6198 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003
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In der heißen Phase des Landtagswahlkampfes in Bayernwurden im Rahmen der Kampagne „Deutschland be-wegt sich – Agenda 2010“, deren Kosten sich auf2,4 Millionen Euro beliefen und die aus Haushaltsmit-teln des Bundes finanziert wurden, 18 000 Großplakategeklebt.
Diese Kampagne begann also genau in der heißen Phasedes Wahlkampfs. Welch ein Zufall! Die Tatsache, dassdie Plakate der Bundesregierung inzwischen mehr scha-den als nützen, hat mit der Rechtsfrage, um die es hiergeht, glaube ich, nichts zu tun.
Ich möchte insgesamt feststellen: Wir haben dieChance verpasst, anhand dieser Frage unsere Arbeits-weise als Wahlprüfungsausschuss der Öffentlichkeit ineinem umfangreichen Verfahren darzustellen. Ich denke,es ist nach unserer Sicht der Dinge verständlich, dass wirdem Beschlussvorschlag des Wahlprüfungsausschusses– so Leid uns das tut – nicht folgen können.Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur zweiten Beschlussempfehlung des
Wahlprüfungsausschusses zu 57 gegen die Gültigkeit der
Wahl zum 15. Deutschen Bundestag eingegangenen
Wahleinsprüchen, Drucksache 15/1850. Der Wahlprü-
fungsausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschluss-
empfehlung, die aus den Anlagen 1 bis 57 ersichtlichen
einzelnen Beschlussempfehlungen zu Wahleinsprüchen
anzunehmen. Es wird getrennte Abstimmung verlangt.
Wer stimmt für die aus den Anlagen 1 bis 11 ersichtli-
chen Beschlussempfehlungen zu Wahleinsprüchen? –
Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfeh-
lungen zu den Wahleinsprüchen Anlagen 1 bis 11 sind
mit den Stimmen der Koalition und der FDP gegen die
Stimmen der CDU/CSU angenommen.
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Ich möchte die Begründung, warum es notwen-ig ist, die dritte Stufe der Steuerreform vorzuziehen, zu-rst und im Wesentlichen aus meiner Sicht als Finanzmi-ister geben.Die Konsolidierungspolitik, die zweifelsfrei zwin-end erforderlich ist, war erfolgreich in Zeiten desachstums: Im Jahre 1999 und im Jahr 2000 hatten wirie niedrigste Staatsverschuldung seit der Wiederverei-igung. Im Bundeshaushalt war sie auch noch im Jahre001 erfolgreich, während zu dieser Zeit die Defizite inen Länderhaushalten bereits explodierten. Die letztenrei Jahre Stagnation haben uns aber gezeigt, dass eseine nachhaltige Konsolidierung der öffentlichen Fi-anzen ohne nachhaltiges Wachstum gibt. Umgekehrtilt es auch: Es gibt kein nachhaltiges Wachstum ohneachhaltig solide öffentliche Finanzen.Deswegen müssen wir eine Politik betreiben, dieachhaltiges Wachstum und Beschäftigung in Deutsch-and besser möglich macht als in der Vergangenheit.azu hat Ihnen die Bundesregierung einen Dreiklangorgeschlagen, bestehend aus Strukturreformen, Haus-altskonsolidierung und dem Vorziehen der dritten Stufeer Steuerreform.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003 6199
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Bundesminister Hans EichelKonsolidierung heißt in der Tat – darum soll mannicht herumreden –, die sozialen Sicherungssysteme ins-besondere vor dem Hintergrund der Herausforderungender deutschen Einheit und vor dem Hintergrund der de-mographischen Entwicklung unseres Landes nachhaltigtragfähig zu machen. Nachhaltig tragfähig heißt auch– auch darum sollte man nicht herumreden –, dass neujustiert werden muss zwischen dem, was die sozialen Si-cherungssysteme für alle leisten können, und dem, wasjeder Einzelne selber an Vorsorge leisten muss. Das ge-schieht bei der Gesundheits- und auch bei der Rentenre-form. Diese Belastungen müssen wir den Menschen indiesem Lande im Interesse einer langfristigen Tragfähig-keit der Sozialsysteme leider zumuten.Es geht um die Konsolidierung des Bundeshaushaltes.Denn wer, so wie wir das tun, vorschlägt, die Steuerre-form 2005 auf 2004 vorzuziehen, der muss zunächst imHaushalt dafür die Voraussetzungen schaffen.
Das heißt, vor dem Hintergrund der außerordentlichschwierigen Lage der öffentlichen Finanzen nachhaltigeKonsolidierungsschritte über das hinaus zu machen,
was wir im Jahre 1999 mit dem Konzept 2000 eingeleitethaben.
Denn wenn wir das, was Ihre Unterstützung, lieber HerrKoppelin, nicht gefunden hat, nicht eingeleitet hätten,hätten wir dieses Jahr neue Schulden von etwa20 Milliarden Euro mehr.
Die Konsolidierungspolitik war erfolgreich. Aber in Zei-ten der Stagnation geschieht zweierlei: Erstens brechendie Steuereinnahmen weg und zweitens müssen die Aus-gaben für den Arbeitsmarkt wesentlich höher sein alskalkuliert.Es genügt – Sie sollten nicht immer nur dazwischen-rufen –, sich einmal in Europa umzusehen. Dann könnenSie feststellen, dass eine ganze Reihe von Ländern indieser Phase von ihren Haushaltsansätzen wesentlichstärker abweichen als wir. Ich empfehle meinem nieder-ländischen Kollegen Gerrit Zalm, bei seiner Kritik anDeutschland ein bisschen leiser zu sein.
Da die Abweichung im niederländischen Staatshaushaltvom Jahr 2000 bis jetzt nicht wie bei uns 3 Prozent, son-dern mehr als 4 Prozent beträgt,
muss man festhalten: Die Finanzdisziplin ist dort nichtso gut wie in Deutschland.zvvwswbvbbdHtnpZDrbrmdmgPddmkolgfvaDcrV
Konsolidierung des Haushaltes heißt: Vor dem Vor-iehen der Steuerreform muss die für den Haushalt 2004eranschlagte Neuverschuldung in jedem Falle unter deneranschlagten Investitionen liegen. Deswegen müssenir insbesondere beim Abbau von Finanzhilfen – dortind wir hervorragend vorangekommen; allerdings sindir hier auch nicht auf den Bundesrat angewiesen – undeim Abbau der Steuersubventionen in großen Schrittenorankommen.Ich begrüße es, dass dieses Thema inzwischen entta-uisiert ist. Hätten Sie das ein Jahr vorher fertig ge-racht, dann hätten wir schon dieses Jahr weniger Schul-en.
ierzu hat die Bundesregierung einiges präsentiert: Ers-ens. Die Eigenheimzulage muss weg. Das ist eine unsin-ige Subvention, die durch ein vernünftiges Investitions-rogramm ersetzt werden sollte.
weitens. Die Pendlerpauschale muss reduziert werden.rittens. Die Halbjahres-AfA muss weg; zumindest da-über besteht inzwischen offensichtlich Konsens.All das, was die Ministerpräsidenten Koch und Stein-rück – ich sage: dankenswerterweise – zur Enttabuisie-ung dieses Themas aufgelistet haben – und noch mehr –,uss umgesetzt werden, damit wir die für das Vorziehener Steuerreform notwendigen Voraussetzungen bekom-en.
Das bedeutet – das ist die volkswirtschaftliche Be-ründung –, dass wir dem Wirtschaftskreislauf in einerhase der Stagnation mit rigiden Strukturreformen inen sozialen Sicherungssystemen und im Haushalt min-estens 23 Milliarden Euro entziehen. Die Frage ist, oban dem Kreislauf in einer Phase der Stagnation Kauf-raft in einem solchen Maße ersatzlos entziehen darfder ob man so nicht die Phase der Stagnation noch ver-ängert. Das ist der Grund dafür, warum die Bundesre-ierung sagt: Wir müssen die nächste Stufe der Steuerre-orm, die ohnehin für 2005 geplant ist, auf 2004orziehen. In einer Phase der Stagnation ist es nicht ver-ntwortbar, eine kontraktive Finanzpolitik zu betreiben.
enn diese verlängert die Stagnation. Das heißt, wir ma-hen eine nachhaltige Wachstumspolitik durch Struktur-eformen und sorgen kurzfristig dafür, dass es zu keinererlängerung der Stagnation durch eine kontraktive
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6200 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003
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Bundesminister Hans EichelFinanzpolitik kommt. Wir setzen also in der Finanzpoli-tik einen Wachstumsimpuls mit einer Maßnahme, dieohnehin im Rahmen der Strukturreformen geplant ist.Dies ist übrigens eine Politik, von der der Internatio-nale Währungsfonds sagt, dass sie richtig und mutig istund dass sie genau dort ansetzt, wo in dieser Phase an-gesetzt werden muss. Denn Europa braucht Wachstum– vor allem in der größten Volkswirtschaft der Union: inDeutschland.Unser Konzept liegt nun klar auf dem Tisch. Das An-gebot lautet: Wir sind in Sachen Subventionsabbau zujedem Gang bereit, den Sie mitgehen – so viel Sie wol-len!
Aber es liegt auch an Ihnen; denn in diesem Bereich gehtnichts ohne den Bundesrat.Was sind Ihre Antworten? Es gibt einige, die gernemittun möchten, zum Beispiel Herr Althaus, Herr Teufelund der eine oder andere mehr. Was hören wir aber anBedingungen? Sie sagen – da wird es heuchlerisch unddas kann so nicht bleiben –, wir dürften dafür keineSchulden machen. Die Wahrheit ist aber: Wenn wir so-wohl den Haushalt konsolidieren als auch die Steuerre-form vorziehen und das Vorziehen komplett steuerlichgegenfinanzieren, betreiben wir eine massiv kontraktiveFinanzpolitik.Noch komischer wird es, wenn Sie sich der Haus-haltskonsolidierung verweigern: Was passiert denn dannmit Ihren Positionen? Sie sagen, Sie wollen die Eigen-heimzulage behalten, sie aber nicht durch Schuldenfinanzieren. Was ist Ihre Position bei der Pendlerpau-schale?
Was ist mit den Vorschlägen, die im Grundsatzkonzeptvon Herrn Merz vorkommen, wonach man die Subven-tionen in der Tat abschaffen könne? Sie können nicht aufder einen Seite sagen, Sie wollten das gegenfinanzieren,und auf der anderen Seite jede Gegenfinanzierung ableh-nen. So funktioniert das nicht.
Auch das, was Herr Stoiber macht, kann nicht gehen.Er macht Vorschläge, von denen er weiß, dass sie nichteinmal in der CDU eine Mehrheit finden. Die ostdeut-schen Ministerpräsidenten zum Beispiel akzeptieren garnicht, was er vorgeschlagen hat. Das „Handelsblatt“spricht von einer Verzögerungstaktik. Er ist sozusagender lächelnde Blockierer. Das hat das Land nicht ver-dient.
Wir müssen aus der Stagnation herauskommen undwir haben die Chance dazu. Alle Vorschläge der Regie-rung liegen auf dem Tisch.DdBCHw–H–lindW–HDSMeozBsHrhpem
as Vorziehen der Steuerreform muss unter diesen Be-ingungen stattfinden. Sie tragen mit Ihrer Mehrheit imundesrat dieselbe Verantwortung wie wir.
Nächster Redner ist der Kollege Friedrich Merz,
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Es fehlen einem fast die Worte,
enn man einem solchen Beitrag hier zuhört.
Dieser Jargon fällt auf Sie selbst zurück, sehr geehrtererr Kollege.
Schauen Sie sich demnächst einmal Ihren Bundeskanz-er an, wenn er hier spricht. Der nämlich hat beide Händen der Hosentasche. Das habe ich mir an dieser Stelleoch nicht erlaubt, lieber Herr Kollege.
Es fehlen einem wirklich die Worte, wenn der Bun-esfinanzminister von dieser Stelle aus kein einzigesort zu der Steuerschätzung von heute sagt.
Gut, dann werden wir uns das auch anhören. Liebererr Eichel, Sie können doch nicht so tun, als ob dieseebatte völlig losgelöst wäre von der nächsten und beideachverhalte nichts miteinander zu tun hätten.
it Verlaub, Sie können nicht in einer Diskussion, in ders um Steuersenkungen für das nächste Jahr geht, völlighne Berücksichtigung lassen, dass uns die Steuerschät-er heute gesagt haben, im nächsten Jahr werde derund – über das hinaus, was ohnehin schon an Ausfällentattfinden wird – eine erhebliche Mindereinnahme imaushalt hinnehmen müssen. Das hat doch einen inne-en Zusammenhang. Wenn Sie in diesem Zusammen-ang immer noch von Konsolidierung und Finanzdiszi-lin sprechen, dann kann man sich des Eindrucks nichtrwehren, Sie hätten eine Rede aus dem vorletzten Jahritgebracht. Das ist doch fernab der Wirklichkeit.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003 6201
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Friedrich MerzEs gibt einen zweiten Sachverhalt, auf den ich hin-weisen will, nämlich den Arbeitsmarkt. Ich möchte anre-gen, dass vielleicht Ihr Kabinettskollege Herr Clementvon dieser Stelle aus etwas dazu sagt.
Wir haben heute nicht nur die Steuerschätzungen vorge-legt bekommen, sondern auch die Arbeitsmarktdaten fürden Oktober 2003. Ich möchte Sie bitten, nicht nur etwaszur Arbeitslosigkeit zu sagen, sondern auch zur Beschäf-tigungssituation.
Das hat wirklich etwas miteinander zu tun.Es gab im Oktober dieses Jahres etwas mehr als600 000 Beschäftigte weniger in Deutschland als im Okto-ber des letzten Jahres. Unser Volk von 82 Millionen Ein-wohnern verfügt gegenwärtig noch über etwa 26 Millionensozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse.Lieber Herr Eichel, Sie können das drehen und wenden,wie Sie wollen: Das, was Sie zum 1. Januar 2004 vor-schlagen – darüber wird heute Abend bei Ihnen wie beiuns intern beraten –, wird keinen Beitrag zur Lösung derProbleme auf dem Arbeitsmarkt leisten.
Wenn es überhaupt noch einen Sinn hat, dass die Aus-schüsse des Deutschen Bundestages beraten und Fach-leute einladen, um sich Rat geben zu lassen, dann solltenSie das zugrunde legen, was im Haushaltsausschuss desBundestages von allen Fachleuten übereinstimmend zudiesem Sachverhalt gesagt worden ist.Selbst diejenigen, die noch weitgehend der Meinungsind, man könne Wirtschaftsaufschwung durch Stärkungder Nachfrage auslösen – es gibt ja immer noch den ei-nen oder anderen, der das glaubt –, sagen, dass die vonIhnen zum 1. Januar 2004 zusätzlich geplanten Steuer-entlastungen praktisch keine Wirkung haben werden.Man redet über eine Steigerung des Wirtschaftswachs-tums um 0,1 bis 0,2 Prozent. Jeder hier im Hause weiß,dass dieses Wachstum bei weitem nicht ausreicht, umauch nur einen Hauch von weiterer Beschäftigung aufdem Arbeitsmarkt auszulösen. Worüber reden Sie hiereigentlich, wenn Sie eine Aktuelle Stunde zum Thema„Entlastung für Familien, Arbeitnehmer und Unterneh-men“ beantragen?
Ich will durchaus anerkennen und bedanke mich da-für, dass Sie einige zustimmende Worte zu den von mirin dieser Woche vorgeschlagenen Leitlinien für eine Mo-dernisierung unseres Einkommensteuerrechts gefundenhaben. Leider hat es aus Ihren Reihen auch gleich wiederreflexartige Kritik gegeben,
die Vorschläge seien sozial unausgewogen. In dieser Ak-tuellen Stunde geht es auch um das Thema der Entlas-twgvtndudhmnsFwrurhgedSkhKiWLdaagBMIwehe
ch frage mich aber, für wen Sie gesprochen haben, dennir warten schon darauf, dass die Opposition endlich mitiner Stimme spricht. Was Sie hier gerade vorgetragenaben – das hat die letzte Woche gezeigt –, führt in Ihrenigenen Reihen zu erheblichen Widersprüchen
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Dr. Thea Dückertund ist erheblich umstritten. Ich will Beispiele nennen:Ihr Konzept der Abkehr vom linear-progressiven Tarifwird – ich finde, zu Recht – als unsozial bezeichnet, sozum Beispiel von Herrn Müller oder auch von HerrnStoiber. Ihr Konzept hatte eine Halbwertszeit von einemTag, Herr Merz. Sie mussten nachbessern, weil es eineerhebliche soziale Schlagseite hat.
Damit aber nicht genug: Ihre Fraktionsvorsitzende,Frau Merkel, setzt sich für die Herzog-Vorschläge ein.Sie wissen sehr genau, dass Ihr Konzept mit diesen Vor-schlägen nicht kompatibel ist. Beide Vorschläge zusam-mengenommen bedeuten eine Finanzierungslücke vonmindestens 34 Milliarden Euro. Sie sagen nichts dazu,wie Sie diese Lücke decken wollen. Sie machen dieRechnung ohne den Wirt.Es geht in der Tat darum, die Konjunktur im nächstenJahr in Schwung zu bringen. Wir brauchen einen Anreizfür die Konjunktur. Ihre Argumentation aber, die Sie hierabliefern, richtet sich sowohl gegen das Vorziehen derSteuerreform als auch gegen den Subventionsabbau.Denn Letzteren stellen Sie, Herr Merz, in Ihrem Konzeptwieder zur Disposition; ich nenne als Beispiele die Ei-genheimzulage oder die Pendlerpauschale. Ich mussmich also fragen, welches Ziel Sie verfolgen und fürwen Sie sprechen.
– Eben, wir brauchen den Aufschwung, einen Anschubfür die Konjunktur im nächsten Jahr. Deshalb ist ein Vor-ziehen der Steuerreform erforderlich. Nur dann werdendie Bürgerinnen und Bürger, die Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer und die Unternehmen mehr Geld zur Ver-fügung haben, um zu konsumieren und zu investieren.
Jeder, der wie Herr Wulff oder Herr Koch diesen Kursblockiert und damit kaputt macht, trägt dazu bei, derkonjunkturellen Belebung die Chancen zu nehmen. Voninternationaler Seite haben wir ins Stammbuch geschrie-ben bekommen, dass Strukturreformen in Deutschlandüberfällig sind; das wissen Sie ganz genau. Und warum?
– Sie brauchen gar nicht so zu tun, als hätten Sie nichtsdamit zu tun. Das ist typisch. Sie wissen ganz genau,dass Sie sehr viel dazu beigetragen haben. Ich nenne alsBeispiele nur die falsch finanzierte deutsche Einheit
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Stoiber natürlich auch. – Herr Müller zum Beispielill, dass man sich auf einem Gipfel nicht über das Vor-iehen der Steuerreform, sondern über das Konzept vonerrn Merz unterhält. Dieser aber lehnt – man höre undtaune – den Stufentarif ab. Ich weiß also nicht, worüberr überhaupt reden will. Herr Stoiber wiederum willeinen Gipfel, aber will, wie er sagt, die Steuerreformorziehen. Wie will er sie finanzieren? – Das ist ganzinfach, nämlich – unionsgerecht – auf Kosten derrbeitslosen. In einer Situation höchster Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern haben wir eine Arbeitslosigkeiton bis zu 20 Prozent – will er ABM-Mittel, Qualifizie-ungs- und Weiterbildungsangebote streichen.
nd was will Frau Merkel? Das frage ich mich auch.eute Morgen zum Beispiel hat sie gesagt, sie wolle dieteuerreform nicht vorziehen, zumindest nicht auf dieseeise.Ich fordere Sie daher auf: Lassen Sie uns doch darü-er reden, wie man die Steuerreform vorziehen kann!
assen Sie uns über eine ordentliche Finanzierung redennd hören Sie auf, im Bundesrat den Subventionsabbauu blockieren, der für ein Vorziehen nötig ist!
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.Das Chaos bei der Union, das ich eben angesprochenabe, hat System. Alle Ihre Vorschläge, die Vorschlägeon Stoiber zur Finanzierung, die Vorschläge von Merzur Steuerreform, die Vorschläge von Herzog zur Pau-chale in der Gesundheitsversorgung und die Vorschlägeon Koch zur Senkung der Sozialhilfe, haben einenemeinsamen Kern: Die beabsichtigten Änderungen ge-en zulasten der kleinen Einkommen, zulasten derommunen und zulasten der Arbeitslosen. Wir wollen
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Dr. Thea Dückertder Belebung der Konjunktur eine Chance geben, abernicht der sozialen Ausgrenzung.
Nächster Redner ist der Kollege Carl-Ludwig Thiele,
FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Eichel, Ihre Redehat mich schon erstaunt. Ich glaube, an dieser Stellewäre etwas mehr Bescheidenheit erforderlich gewesen.
Frau Dückert, da ich in einem Punkt mit Ihnen über-einstimme, möchte ich diesen hier auch betonen: Wirbrauchen mehr Wachstum und Beschäftigung in unse-rem Lande.
Dafür brauchen wir allerdings weniger Rot-Grün. Das istder Punkt, um den es geht.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, esist grotesk: Heute, an dem Tag, an dem wir die von SPDund Bündnis 90/Die Grünen beantragte Aktuelle Stundemit dem Thema „Für die Notwendigkeit der steuerlichenEntlastung für Arbeitnehmer, Familien und Unterneh-men bereits zum 1. Januar 2004 ...“ durchführen, findenfast zeitgleich drei Ereignisse statt, nämlich erstens dieSteuerschätzung, zweitens die erste Beratung des Nach-tragshaushalts und drittens die Ankündigung einer Aus-bildungsplatzabgabe von Rot-Grün.
Zum ersten Punkt. Die Steuerschätzer haben heute er-klärt, dass für dieses und das nächste Jahr mit zusätz-lichen Steuerausfällen von 19,1 Milliarden Euro gerech-net werden muss. In diesem Jahr werden es8,2 Milliarden Euro und im nächsten Jahr werden es10,9 Milliarden Euro sein. Dazu kann man nur feststel-len: Das ist die Folge einer planlosen und chaotischenSteuerpolitik von Rot-Grün.
In der eichelschen Steuerpolitik gibt es nur eine einzigeKonstante: Nichts Genaues weiß man nicht.
Allein die Diskussion über das zum Glück geschei-terte Steuervergünstigungsabbaugesetz hat zu Beginndieses Jahres und nachwirkend zu einer absoluten Verun-sicherung in der Bevölkerung geführt. Ich möchte andieser Stelle daran erinnern, dass damals, vor der Som-merpause, die Sachverständigen erklärt haben, dass al-lzMd1EDbdmBebStsnsnhgWkkIWspddTsfwVDEwaldsd
arum tun Sie aber das Gegenteil von dem, was Sie ver-prochen haben? Sie sind in der Bevölkerung zunächstositiv bewertet worden, weil man den Eindruck hatte,ass Sie sparen. Inzwischen erkennt man aber, dass Sieen Bürgern auf unterschiedliche Art und Weise in dieasche greifen und die Staatsquote hochhalten und dasso die Beschäftigung sinkt. Das ist die Folge einer ver-ehlten und konzeptionslosen rot-grünen Politik.
Dritter Punkt. Heute betreibt die Bundesregierungieder ihren Lieblingssport, nämlich die allgemeineerunsicherung.
eshalb sollen am Wochenende die Eckpunkte für dieinführung einer Ausbildungsplatzabgabe beschlossenerden. Wer glaubt, dass durch eine Ausbildungsplatz-bgabe neue Arbeitsplätze entstehen, der hat sich gründ-ich getäuscht. Meine Befürchtung ist eher, dass Ausbil-ungsplätze abgebaut werden, weil viele Unternehmenagen können, dass sie ihrer sozialen Verpflichtung da-urch nachkommen, dass sie eine Abgabe zahlen. Das
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Carl-Ludwig ThieleGegenteil von dem, was Sie sich wünschen, wird durchdiese falsche Politik geschehen: Es werden kein Ausbil-dungsplätze geschaffen, sondern sie werden abgebaut.Deshalb kritisieren wir das.
– Der DGB ist in diesem Punkt einer der schlechtestenArbeitgeber. Wer Moral gegenüber Dritten verkündet,der sollte zumindest im eigenen Haus so tätig werden,wie es erforderlich ist. Ich bedanke mich für das Stich-wort; es ist leider absolut zutreffend.
Wer glaubt, dass eine gute Zukunft für unser Land da-durch erreicht wird, dass wir die Bürger und die Wirt-schaft planmäßig weiter belasten, der irrt und der ver-spielt die Zukunft unseres Landes.Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, wiralle sind aufgefordert, die Weichen für eine gute Zukunftunseres Landes zu stellen. Die Diskussion wird konkreterst jetzt beginnen, nachdem Rot-Grün im Bundestag je-den Änderungsantrag abgelehnt und sich überhaupt nichtmit der Frage beschäftigt hat, wie wir im Vermittlungs-ausschuss mit den Themen umgehen. Wir haben einen20-prozentigen Subventionsabbau gefordert. Dazu ste-hen wir als FDP und im Vermittlungsausschuss wird esdazu die Nagelprobe geben. Ich bedauere nur, dass derFinanzminister und die rot-grüne Mehrheit überhauptnicht in der Lage waren, sich mit den Vorschlägen vonKoch und Steinbrück in einer Art auseinander zu setzen,die dazu geführt hätte, dass wir dieses Thema hier imDeutschen Bundestag, wo es hingehört, tatsächlich sohätten behandeln können, wie es das verdient hätte. Wirals FDP werden im anstehenden Vermittlungsausschuss-verfahren konstruktiv mitarbeiten, denn wir sind derAuffassung: Trotz Rot-Grün, trotz Finanzminister Eichelund trotz Bundeskanzler Gerhard Schröder müssen wireinen Aufschwung in unserem Land bekommen und dieWeichen für eine gute Zukunft stellen. Wir als FDP wer-den dort unsere Verantwortung wahrnehmen.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Christel Humme von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen!Familienförderung ist das Herzstück unserer Politik.60 Milliarden Euro geben wir trotz Haushaltskonsolidie-rung Jahr für Jahr für Familien aus. Ich sage Ihnen, HerrThiele: Die Familien setzen auf uns, auf Rot-Grün. Daskann ich Ihnen garantieren.
Das wird durch Ihr Schreien auch nicht anders. – Seit998 haben wir die finanzielle Situation von Familienontinuierlich verbessert. Das haben wir mit niedrigerenteuersätzen, mit deutlichen Kindergelderhöhungen undit neuen Freibeträgen geschafft.Mit dem Vorziehen der Steuerreform runden wir un-ere Politik für Familien ab. Wir stärken die Familienoch mehr. Eine vierköpfige Arbeitnehmerfamilie mitinem Durchschnittseinkommen wird dann 2 400 Euroeniger Steuern zahlen als noch 1998. Ich denke, das istozial gerechte Familienpolitik.
as hilft außerdem der Konjunktur. Denn wenn dieenschen mehr Geld im Portemonnaie haben, steigt dieaufkraft. Dann können neue Arbeitsplätze entstehen.
uch das ist im Interesse von Familien.Dafür brauchen wir das Vorziehen der Steuerreform.afür brauchen wir die Hartz-Reformen, die den Ar-eitsmarkt und die Arbeitsvermittlung modernisieren.afür brauchen wir ferner Rahmenbedingungen, die esüttern und Vätern erlauben, Familie und Beruf mitei-ander zu vereinbaren.
nser Konzept, liebe Kollegen und Kolleginnen, ist rundnd es ist jetzt im Vermittlungsausschuss entscheidungs-eif.Liebe Kollegen und Kolleginnen, wenn wir uns dasteuerkonzept von Herrn Merz ansehen,
rscheint das vielleicht erst einmal verlockend. Mehrransparenz im Steuersystem – wer möchte das nicht?ber aus der Sicht der Familien muss man bei dem, wasie dort vorschlagen, schon zweimal hinschauen.
ffen gesagt: Wir wissen alle, dass die Lebenswirklich-eit von Familien viel komplexer ist, als Sie es in Ihremonzept berücksichtigen. Sie geben auf viele Frageneine Antwort. Darum müssen wir als Familienpolitikernd Familienpolitikerinnen genau aufpassen, inwieweitopulistische Vereinfachungen des Steuersystems den
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Christel HummeFamilien tatsächlich nützen oder ob sie sich in Wahrheitals ungerecht entpuppen.Erstes Beispiel: Alleinerziehende. Wir wissen alleganz genau: Alleinerziehende haben eine besondere Be-lastung. Dieser besonderen Belastung wollen wir ab dem1. Januar 2004 Rechnung tragen, indem wir ihnen einenzusätzlichen Freibetrag in Höhe von 1 300 Euro garan-tieren. Das ist eine wichtige Maßnahme, die wir mit un-serer Steuerreform ab 1. Januar durchsetzen wollen. Wieberücksichtigen Sie Alleinerziehende?Herr Merz, welche Familienformen kennen Sie über-haupt? Gestern in der Sendung „Gabi Bauer“ wurdedeutlich, dass Sie sich an einem ganz bestimmten Fami-lienbild orientieren. Ihr Konzept orientiert sich aus-schließlich an dem völlig überholten Familienbild, dassder Vater arbeitet und die Mutter sich um die Kinderkümmert.
Andere Familienformen berücksichtigen Sie nicht. Ichwill Ihnen das gerne aufzeigen. Wie anders ist es zu er-klären – Sie müssen schon zuhören –, dass Sie für jedeseinzelne Familienmitglied einen deutlich höheren Frei-betrag einfordern, aber das Familiensplitting gleichzeitigmit einem Ehegattensplitting kombinieren? Sie begünsti-gen damit eindeutig ausschließlich die gut verdienendeEinverdienerfamilie. Dieses Familienbild ist aber schonlange überholt.
Mit der von Ihnen vorgeschlagenen Steuerreform er-höhen Sie – ich bin nicht nur familienpolitische, sondernauch frauenpolitische Sprecherin –
für Frauen den Anreiz, nach der Geburt eines Kindesdauerhaft aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Dabeisollten gerade Sie wissen, dass unsere Wirtschaft gutausgebildete Frauen dringend braucht. Unsere Renten-kassen profitieren davon, wenn wir mehr Frauen ins Er-werbsleben integrieren.Ihr Konzept bietet Familien keine besonderen Hilfen.Eine Gegenfinanzierung kann ich in keiner Weise erken-nen.
Das heißt, Sie belasten mit Ihrem Konzept zusätzlich zu-künftige Generationen, also die Kinder.
Mit Steuern steuern – das kann man sehr wohl. MitSteuern steuern – das ist das Ziel unserer Steuerreform.Wir haben auf eine Steuerpolitik für Familien umgesteu-esuepIVvHKsJSrtDSFRhEdaewrkheg
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Michael Meister
on der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Zunächst einmal, Frau Kollegin Humme, dieseoalition hat die Alleinerziehenden nach dem Verfas-ungsgerichtsurteil ohne jeglichen Grund abgestraft.
etzt beschließen Sie eine Reparaturmaßnahme, mit derie die Bestrafung der Alleinerziehenden teilweise zu-ücknehmen. Das verkünden Sie als große familienpoli-ische Leistung.
as sind ein bisschen Ideologie und ein paar populäreprüche, aber wenig Inhalt. Damit werden Sie bei denamilien nicht punkten.
In dieser Debatte ist positiv, dass sich alle bisherigenedner zu einer wachstumsorientierten Politik bekanntaben.
s ist wichtig, dass wir uns darin einig sind. Streit gibt esarüber, wie wir dieses Wachstum erzielen.Erstens. Ich möchte daran erinnern, dass zumindestuf der Regierungsbank in den letzten zwölf Monateniniges dazugelernt wurde. Vor zwölf Monaten habenir hier darüber debattiert, die zweite Stufe der Steuer-eform nach hinten zu verschieben. Diese Regierungs-oalition hat das damals mit denselben Argumenten wieeute vorgeschlagen. Ich bin dankbar, dass die Koalitiontwas dazugelernt hat. Sie will nun keine Politik mehregen, sondern eine Politik für Wachstum machen.
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Dr. Michael MeisterZweitens. Ich erinnere an das Steuervergünstigungs-abbaugesetz. Herr Bundesfinanzminister Eichel, Sie hat-ten über 40 Steuererhöhungen vorgelegt, obwohl alleSachverständigen und Fachleute im Land erklärt haben:Dies erschlägt die Konjunktur. Dies schädigt und verrin-gert das Wachstum. Was haben Sie gemacht? Sie habendiese Debatte ein halbes Jahr lang geführt und dasWachstum mit Ihrer Politik zerstört. Für die Stagnation,die wir heute haben, sind Sie als Folge dieser Politik ver-antwortlich.
Herr Eichel, Sie leben seit drei Jahren in einer irrealenWelt. Sie sind nicht in der Realität angekommen. 2002haben Sie bei den Themen Gesundheitswesen, Renteund Bundeshaushalt verkündet, die Welt sei in Ordnung.Am Jahresende haben Sie feststellen müssen, dass nichtsin Ordnung ist, ein Maastricht-Kriterium und die Verfas-sung verletzt wurden und sich riesige Haushaltslöcherauftun.In diesem Jahr haben Sie dieselbe Situation. Wir ha-ben im März und April gesagt, dass Sie ein Haushaltssi-cherungsgesetz und einen Nachtragshaushalt brauchen.Sie haben sich dem verweigert, indem Sie gesagt haben,die Welt sei in Ordnung. Jetzt kommen Sie plötzlich mitder höchsten Verschuldung aller Zeiten in Deutschland.In diesem Jahr werden von Ihnen allein auf BundesebeneSchulden in Höhe von 1 000 DM pro Kopf gemacht. Fürdas nächste Jahr planen Sie wieder dasselbe. Das ist einAnschlag auf die junge und die kommende Generation.Da ist nichts von Nachhaltigkeit und Konsolidierung zuspüren. Was Sie betreiben, ist verantwortungslos.
Meine Bitte ist: Kommen Sie endlich in der Realitätan. Nehmen Sie die Zahlen und Fakten wahr und bauenSie auf diesem Fundament eine ordentliche, systemati-sche und berechenbare Politik auf. Dann wären wir ei-nen Schritt weiter in Richtung Wachstumspolitik.Zum Dritten möchte ich etwas zu Ihren Kürzungsvor-schlägen sagen. Sie waren willkürlich: im Steuerver-günstigungsabbaugesetz und jetzt im Haushaltsbegleit-gesetz. Es fehlt jede Methode, es fehlt jedes System, esfehlt jeder geordnete Ansatz. Das ist der Unterschiedzwischen Koch/Steinbrück und Ihnen. Sie führen reinwillkürliche Maßnahmen ohne jegliches System durch.
Ich glaube, wir müssen dazu kommen, dass wir systema-tisch, mit einer sauberen Definition und mit methodischklarem Handwerkszeug an den Abbau der Staatsausga-ben herangehen. Daran haben Sie sich bisher noch nichtgetraut.Wir haben beantragt, dass dies in einem geordnetenVerfahren erfolgen soll. Wir haben gesagt, dass wir imDeutschen Bundestag eine Debatte darüber führen wol-len. Die Koalition hat das gestern im Finanzausschussabgelehnt. Sie wollen hier über das Konzept überhauptnicht reden. Sie verweigern sich einer geordneten De-batte über dieses Konzept. Dies halten wir Ihnen vor.WdsUwgEwnIDzgzwgSaKMdFmzdgsssmmrIrgdpwmuRSmmsmiü
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Lassen Sie mich abschließend noch eines anmerken:Die Menschen wissen seit der Bundestagswahl 2002sehr wohl, dass Ihre Ankündigungen und Versprechun-gen ein sehr kurzes Verfallsdatum haben. Das gilt leiderauch jetzt. Deshalb wäre es gut, wenn das vielen Men-schen für künftige Wahlen im Gedächtnis bliebe, FrauHumme, damit sie Ihre Politik tatsächlich „würdigen“.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Fritz Kuhn vom Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wenn man das Herbstgutachten der deutschen Wirt-schaftsforschungsinstitute gründlich liest, dann ergibtsich ein einfacher Befund: Es wird im nächsten Jahr auf-wärts gehen. Wie stark dieser Aufschwung ausfallenwird, hängt ausschließlich von den politischen Entschei-dungen ab, die jetzt getroffen werden.Wenn man die Aufgeregtheiten, die eine solche De-batte durchaus prägen sollen
– Herr Kollege, Sie haben eben bereits geredet –, einmalweglässt, dann kommt es aus unserer Sicht in erster Li-nie auf drei Punkte an.Erstens senken wir durch die Hartz-Reformen die Be-schäftigungsschwelle unseres Arbeitsmarkts, die gegen-wärtig zu hoch ist. Dafür stehen Sie ebenso wie wir imVermittlungsausschuss in der Verantwortung. Es musseine Verbesserung der Arbeitsmarktsituation zustandekommen.lvEmgmrorlddWmSwszeunEngdAtlsoüwdLm
Zweitens müssen die Gemeinden in Deutschland ent-astet werden. Deswegen müssen Sie die Umsetzung derorgesehenen Gewerbesteuerreform ermöglichen.
s geht um 5 Milliarden Euro für die Gemeinden, dieitentscheiden, ob in Deutschland Arbeitslosigkeit ab-ebaut werden kann oder nicht.
Weil Sie so schreien, empfehle ich Ihnen, sich im Ge-einderat einer durchschnittlichen deutschen Stadt da-über zu informieren, wie die Kollegen von der CDUder der CSU über dieses Thema denken, wenn sie hö-en, dass wir jetzt die Senkung der Gewerbesteuerum-age, die Sie lange gefordert haben, vornehmen wollen,ass Sie aber im Bundesrat auf die Bremse treten undieses Vorhaben ablehnen.
er etwas für Investitionen und die Konjunktur tun will,uss diesen Punkt berücksichtigen.Drittens müssen Sie dem Vorziehen der nächstentufe der Steuerreform zustimmen. Im Herbstgutachtenird dieser Schritt übrigens unterstellt. Das heißt, werich dem verweigert, trägt dazu bei, dass das prognosti-ierte Wachstum von 1,7 Prozent im nächsten Jahr nichtrzielt werden kann.Ich habe eine Frage an die finanzpolitischen Heldennd Heldinnen der Union. Wenn Sie das Vorziehen derächsten Stufe der Steuerreform auf einer abstraktenbene begrüßen, aber unter der Bedingung, dass diesicht auf Pump geschieht, dann müssen Sie mit dieserlorreichen Aussage der Öffentlichkeit endlich einmalarlegen, wie Sie die Steuerreform finanzieren wollen.llmählich wird es unredlich, wenn Sie Vorschläge un-erbreiten, ohne zu erläutern, wie Sie sie umsetzen wol-en. Sie legen eigentlich nur dar, was Sie nicht wollen.
Ich sage Ihnen offen, dass meine beiden Söhne eineolche Phase, in der sie Experten im Neinsagen waren,hne zu erklären, was sie stattdessen wollen, endlichberwunden haben. Eine solche Phase in der Erziehungird Trotzphase genannt. Ich habe manchmal den Ein-ruck, dass Sie sich mit Ihren Vorschlägen auf diesemevel befinden und noch nicht darüber hinaus gekom-en sind.
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Fritz KuhnLassen Sie uns einmal einen Blick darauf werfen, wasdie Union alles aufbietet. Herr Merz vertritt fröhlich sei-nen Vorschlag zur Einkommensteuerreform in der Öf-fentlichkeit, obwohl sich massive Lücken in der Finan-zierung auftun. Sie haben über 30 Milliarden Euro nichtdargestellt, weil Sie es nicht für notwendig gehalten ha-ben, Ihr Konzept konsistent im Verhältnis zu den Vor-schlägen der Herzog-Kommission zu entwickeln. Demguten Eichel werfen Sie aber vor, er mache keine konsis-tente Finanzpolitik.
In Ihrem eigenen Vorschlag fehlen 30 Milliarden Euro.Zwei Tage, nachdem Sie mit Ihrem Vorschlag an die Öf-fentlichkeit gegangen sind, mussten Sie in entscheidendenPunkten – nämlich bei der Abschaffung der Gewerbe-steuer und beim Arbeitnehmerpauschbetrag – einlenken,weil Ihre Partei selber gemerkt hat, wie unsozial Ihr Vor-schlag im Kern gewesen ist.
– Warum haben Sie denn sonst den Vorschlag geändert?Dann erklären Sie doch einmal, wie man monatelang einEi ausbrüten kann, um schließlich das, was dabei heraus-kommt, infrage zu stellen und zu korrigieren. Das ist diemerzsche Steuerreformpolitik, die eine kurze Halbwerts-zeit hat.
Oder Stoiber: Erst wird lange angekündigt, dassStoiber Deckungsvorschläge machen werde. Wir warenganz entzückt, dass endlich etwas kommen sollte. Aberdas, was vorgelegt worden ist, bedeutet eine Politik zu-lasten der Gemeinden und der Beschäftigten in Ost-deutschland, die man mühsam in AB-Maßnahmen unter-gebracht hat; denn die entsprechenden Mittel solleneinfach gestrichen werden. Weil es in Bayern nur 3 000solcher Maßnahmen gibt, glaubt man, elegant auf denOsten verweisen zu können. Auch die Mittel der Bun-desanstalt für Arbeit für die Weiterbildung sollen ge-kürzt werden. Das ist eine unsoziale und auch keine kon-sistente Politik. Unter dem Strich ist Kollege Stoiberübrigens nicht auf die Summe gekommen, die manbraucht, um das Vorziehen der letzten Stufe der Steuerre-form insgesamt zu finanzieren. Seine Vorschläge reichennur zur Finanzierung eines ganz kleinen Bereichs aus.
Ich möchte an diesem Beispiel nur deutlich machen,dass Sie es sich zu einfach machen. Die Zeit, zu der Siekonkret sagen müssen, was Sie eigentlich wollen, istjetzt reif. Wir werden dafür sorgen, dass die Bevölke-rung merkt, dass Sie sich monatelang mit Neinsagen be-gnügt haben und nichts Konstruktives beigetragen ha-ben.Wir sind überzeugt, dass wir eine konsequente Fi-nanzpolitik brauchen, die antizyklisch konsolidiert. Zumjetzigen Zeitpunkt kommt es entscheidend darauf an,dhDVdjaAmgUmSKFSsdrMkDEspzeihjwlEwSrtaRsdmwK
eswegen formuliere ich es ganz einfach: Wenn Sie dasorziehen der letzten Stufe der Steuerreform blockieren,ann machen Sie deutlich, dass Sie nicht an einen Kon-unkturaufschwung glauben und dass Sie letzten Endesus politischem Kalkül heraus – hören Sie gut zu – dierbeitslosen in Geiselhaft für eine Unionsstrategie neh-en, die nicht mehr dem Land, sondern nur noch, solauben Sie jedenfalls, der Stärkung der Position dernion dient. Das werden wir nicht mitmachen.Jetzt müssen alle zugunsten der Arbeitslosen zusam-enstehen. Wer dem Vorziehen der letzten Stufe derteuerreform nicht zustimmt, der versündigt sich an deronjunktur. Ich kann die Spielchen der Union in dieserrage nicht mehr nachvollziehen. Bedenken Sie: Auchie haben Verantwortung für Deutschland! Nehmen Sieie wahr, und zwar möglichst schnell!
Das Wort hat jetzt der Kollege Hartmut Schauerte von
er CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Herr Eichel und Frau Humme summen die gleicheelodie. Herr Eichel behauptet: Wir haben den Haushaltonsolidiert und Schuldenabbau ist unser edelstes Ziel.ie Wirklichkeit ist aber das exakte Gegenteil. Herrichel, im 13. Jahr der Wiedervereinigung ist das ge-amtstaatliche Defizit doppelt so hoch – ich betone: dop-elt so hoch – wie das negativste gesamtstaatliche Defi-it zur Zeit von Theo Waigel. Frau Humme, Sie habenine Wirklichkeit der Familien beschrieben, die draußenm Land niemand kennt. Sie haben sogar behauptet, Sieätten eine Politik für Familien betrieben, die die Kon-unktur belebt habe. Was daraus geworden ist, könnenir an den jetzt vorliegenden konjunkturellen Daten ab-esen. Sie leben in einer irrealen Welt.
ine Debatte wie die heutige kann aber nicht gelingen,enn wir von Anfang an nicht wenigstens ehrlich sind.ie reden alles schön und erwarten von uns, dass wir Ih-en Winkelzügen so schnell wie möglich folgen. Sie soll-en lieber innehalten und darüber nachdenken, worauf esnkommt.Herr Kuhn, Sie haben gesagt, wir sollten den Hartz-eformen I, II und III zustimmen. Aber wie haben Sieie verwässert! Diese Reformen werden uns nicht helfen,as zu erreichen, was wir brauchen. Was ist mit der Ge-eindesteuerreform? Wer hat denn die Senkung der Ge-erbesteuerumlage gefordert? Wir lehnen den Teil Ihresonzeptes ab, der zu zusätzlichen Steuererhöhungen
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Hartmut Schauerteführen wird. Das werden wir mit Ihnen im Vermittlungs-ausschuss noch klären müssen.
Herr Eichel und Herr Clement, natürlich ist die mo-mentane Situation dramatisch. Es gibt Instrumente, dierichtig sind, aber zur rechten Zeit. Man muss auch ernst-haft prüfen, ob die bestehenden Instrumente jetzt nochhelfen oder ob sie verändert werden müssen. Wir von derUnion haben immer gesagt, dass niedrige Steuersätzegut und wichtig sind, weil sie der Volkswirtschaft helfen.Es ist besser, wenn das Geld bei den Menschen und nichtbeim Staat ist, der damit nicht umgehen kann, wie wirdas bei Ihnen beispielhaft erkennen können.Die Grunddaten, vor denen das stattzufinden hat, ha-ben Sie mittlerweile so katastrophal gemacht, dass beidiesen Haushaltsdaten die Operation, über Steuersen-kungen zu agieren, so schwierig, so gefährlich und soriskant ist wie noch nie zuvor. Da sind wir in einem ech-ten Dilemma. Bei relativ einfachen Verhältnissen kannman das machen und hat man die Hoffnung, dass etwasdaraus wird. In dieser Situation aber ist das – ich sage esnoch einmal – schwieriger als jemals zuvor. Wenn dannnoch Vertrauen nicht hergestellt ist, das Vertrauen daraufnämlich, aus der Steuersenkung bestimmte Erträge fürsich herauszuholen, dann ist die Gefahr, dass der Scha-den größer als der Nutzen ist, verdammt groß.Wir, die Union, tun uns in dieser Frage schwer, weilwir nicht erkennen, dass Sie wirklich bereit sind, alles zutun, damit diese letzte Operation, die wir angesichts derhohen Verschuldung machen können, nicht durch andereOperationen so gefährdet wird, dass wir das, was wir da-für ausgeben, vergeblich ausgeben. In diesem Fall hättenwir Chancen verspielt, die wir unter soliden Verhältnis-sen sonst hätten nutzen können. Das ist das eigentlicheProblem, das wir miteinander haben.Ich kann Sie einfach nur auffordern: Hören Sie damitauf, nur über die Verschuldung zu gehen! Herr Finanz-minister, obwohl Sie Zustimmung im Bundesrat brau-chen, haben Sie bis heute nichts anderes getan, als zu sa-gen: Wir finanzieren das über Verschuldung. – Siekommen mir vor wie jemand, der hofft, dass es nichtpassiert. Sie hintertreiben den Kompromiss, weil Siesich an keiner Stelle bewegen.
Wie eine Monstranz tragen Sie das Reizwort „Wir finan-zieren das über Verschuldung“ vor sich her und wundernsich, dass die Opposition mit verdammt guten Gründensagt: Dann mit uns nicht.Bewegen Sie sich im Vermittlungsausschuss! Kom-men Sie mit einem Konzept!
Sie stehen im Verdacht, die Steuersenkung hintertreibenzu wollen, weil Sie sich an keiner Stelle beweglich zei-gnbVbUREdleCunlesmzDldWlsDdSndDd–F
Es ist eine verdammt schwierige Situation. Das Hausrennt und wir wissen darum. Wir werden uns in dieerhandlungen im Vermittlungsausschuss intensiv ein-ringen. Ich sage Ihnen: Mit Ihrem Hochmut, mit Ihrerneinsichtigkeit, mit Ihrem Festhalten an dem falschenezept der Verschuldung kommen wir nicht zu einemrgebnis. Gehen Sie in sich! Ändern Sie sich! Wir wer-en unsere Kooperationsbereitschaft unter Beweis stel-n.
Das Wort hat jetzt der Bundesminister Wolfganglement.Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaftnd Arbeit:Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die „Fi-ancial Times Deutschland“ hat heute eine auch journa-istisch ganz feine Schlagzeile. Sie lautet: „Deutschlandntkommt Rezession“. Die Unterzeile lautet: „Wirtschaftetzt zur Erholung an – Einkaufsmanager und Invest-entbanker optimistisch“. Ich brauche das nicht weiteru belegen. Sie alle kennen die Daten, die es dazu gibt.as ist die Situation, in der wir uns bewegen. Sie ist völ-ig anders als die, die Sie geschildert haben. Sie habenie Situation in Deutschland auf eine zum Teil absurdeeise dargestellt.
Wir sind in einer Phase, in der die Zeichen auf Erho-ung stehen und in der wir alles tun müssen, um die wirt-chaftliche Erholung zu verstärken.
as ist allen vor Augen. Das ist auch oft genug geschil-ert worden. Schauen Sie sich nur das Gutachten derachverständigen an! Die Sachverständigen erwarten imächsten Jahr ein Wachstum von 1,7 Prozent. Sie stützeniese Erwartung hauptsächlich auf drei Faktoren.
er erste Faktor ist die andere Feiertagsregelung, die unser Kalender im nächsten Jahr beschert.
Das führt zu 0,6 Prozent Wachstum. – Der zweiteaktor ist die Steuerreform, Herr Kollege Merz. Die
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Bundesminister Wolfgang ClementSachverständigen setzen da ein Wachstum von bis zu0,4 Prozent an.
Der dritte Faktor ist der Export.Woran es in Deutschland fehlt, ist die Binnenkon-junktur.
– Genau, das Vertrauen der Menschen fehlt. Weil wir dieMenschen darin bestärken müssen, dass es aufwärtsgeht, ist ein Verzicht auf die Steuerreform zum jetzigenZeitpunkt unverantwortbar.
Ich hoffe, dass auch Sie das wissen, dass das wirklichklar ist.Das mangelnde Verbrauchervertrauen, die Unsicher-heit, die große Kaufzurückhaltung haben natürlich damitzu tun, dass die Menschen nicht wissen, was geschieht.Zu nennen sind der lange Schatten des Zauderns und Zö-gerns, die endlosen, sich geradezu im Kreise drehendenDebatten, die schon unsereiner kaum noch ertragenkann, ganz zu schweigen von den Menschen, die inso-fern keine professionelle Abstumpfung haben, sonderndie damit tagtäglich umgehen müssen. Das ist das Pro-blem.
Zweitens. Sie haben nach der Arbeitsmarktlage ge-fragt. Herr Kollege Merz, im Oktober waren in Deutsch-land 55 000 Menschen weniger arbeitslos als im Vormo-nat.
Saisonbereinigt gibt es 12 000 Arbeitslose weniger. Sai-sonbereinigt hat sich die Zahl der Arbeitslosen um insge-samt 60 000 verringert; die Arbeitsmarktlage ist also inden letzten Monaten insgesamt besser geworden. Sie istnatürlich immer noch bei weitem zu schlecht, allerdingsinzwischen schon besser, als eine Fortschreibung derbisherigen Wachstumserwartungen nahe gelegt hätte.Nach unseren Erwartungen und nach den Schätzun-gen der Fachleute wird es in diesem Jahr durchschnitt-lich 4,39 Millionen Arbeitslose geben. Im nächsten Jahrwird die Arbeitslosigkeit jahresdurchschnittlich weiterheruntergehen, zunächst ganz leicht in der ersten Jahres-hälfte und dann wird sich dies um so stärker fortsetzen.All diese Prozesse müssen wir natürlich unterstützen.Um die Konjunkturlage zu stimulieren und um damitauf längere Sicht, bis weit ins nächste Jahr hinein eineWirkung auf den Arbeitsmarkt ausüben zu können, brau-chen wir eine Stimulierung durch die Steuerreform. Des-halb ist meine dringende Bitte, dass Sie diese Diskussi-onapkdewdrtbeDbkmfidnVKSwWuMd–dvehnwMzGzHs
ußer dass Sie gelegentlich ein Bild von der Bundesre-ublik malen, bei dem man nur noch den Kopf schüttelnann.Einen weiteren Punkt spreche ich sehr deutlich an, umen Sie nicht herumkommen werden. Sie haben es mitiner Bundesregierung zu tun – Sie können sie zwaregbeten wollen, aber auch das wird nicht gelingen –,ie jetzt zehn Reformgesetze auf dem Tisch hat, die jetztealisiert werden müssen; dies bestätigt übrigens der In-ernationale Währungsfonds. Der Währungsfonds sagteispielsweise: Die volle Umsetzung der Reformen istntscheidend für den Erfolg und für den Beitrag, deneutschland zum globalen Wachstum leisten kann. Dasezieht sich ausdrücklich auch auf die Steuerreform. Ichann Ihnen nur empfehlen, dies wirklich ernst zu neh-en. Es ist unser Anliegen, es Ihnen heute vor Augen zuühren.
Sie fragen immer wieder nach der Finanzierung. Siest Ihnen von Herrn Kollegen Eichel dargestellt worden,ie Vorschläge liegen auf dem Tisch. Sie mögen mit ih-en nicht übereinstimmen, aber dann werden Sie eigeneorschläge machen müssen.
In diesem Zusammenhang ist richtig, was der Herrollege Kuhn vorhin zu den Vorschlägen von Herrntoiber gesagt hat, wonach die AB-Maßnahmen nocheiter zurückgeführt werden sollten, als wir dies tun.ir haben sie in diesem Jahr bereits um 56 000 reduziertnd sind jetzt noch bei 140 000. Die noch laufenden AB-aßnahmen werden nahezu ausschließlich in Ost-eutschland durchgeführt.
Hören Sie doch einfach einmal zu!Kein einziger ostdeutscher Ministerpräsident kanniese Vorschläge von Herrn Stoiber unterstützen; keineron ihnen wird sie unterstützen.Im Hinblick auf die Reformvorhaben müssen wir inine sehr konkrete Phase kommen. Der Bundeskanzlerat angeboten, dies zu tun. Ich kann, ehrlich gesagt,icht verstehen, dass Sie glauben, diese Vorhaben soegreden zu können – ich vermute, dass dies auch vieleenschen nicht verstehen –; vielmehr wird die Umset-ung der Reformvorhaben stattfinden müssen.Ich sage es Ihnen noch einmal: Die Steuerreform, dieemeindefinanzreform, die Reform der Systeme der so-ialen Sicherung, die Reform des Arbeitsmarktes, dieandwerksordnung und anderes, insgesamt zehn Ge-etze, liegen auf dem Tisch. Wir können auf keines die-
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Bundesminister Wolfgang Clementser Gesetze verzichten. Weil ich auch dann, wenn Sienicht so reden wie heute, genauer hinhöre, weiß ich, dassSie auf diesen Feldern ebenfalls entsprechenden Re-formbedarf sehen. Also werden wir diese Schritte tunmüssen.
– Herr Kollege Schauerte, es sei Ihnen noch einmal ge-sagt: Sie müssen sich wirklich endgültig an den Gedan-ken gewöhnen, dass es eine Bundesregierung und eineregierende Koalition gibt, die die Mehrheit haben, wiemehrfach gesagt wurde. Sie werden sie auch mit noch solauten Tönen nicht wegblasen können. Ebenso solltenSie nicht glauben, im Vermittlungsverfahren gäbe es ei-nen unendlichen Spielraum; auch darüber sollten wir unseinmal klar werden.Um es in allem Ernst zu sagen: Wir sind in der Lage,eine ganze Menge durchzusetzen. Zum Schluss stehenSie nur noch vor drei Fragen: Was sagen Sie zu einerSteuersenkung in Deutschland, die eine Familienkompo-nente hat, wonach 37 000 Euro für eine Familie mit zweiKindern steuerfrei sind? Wir haben eine Steuerreformvorgeschlagen, über die Sie mit zu befinden haben undfür die Sie dann auch Verantwortung haben.Die beiden anderen Fragen beziehen sich auf die Ge-meindefinanzreform, die dann auf dem Tisch liegenwird, und auf die von uns darüber hinaus vorgeseheneEntlastung der Kommunen im Bereich der Sozialhilfe,die wir ihnen abnehmen möchten. Wenn Sie nicht Achtgeben und weiter so debattieren wie jetzt, dann werdenSie zum Schluss ganz allein vor diesen drei Fragen ste-hen; man kann alle seine Rollen auch überziehen. Alleanderen Fragen werden wir mit den bestehenden Mehr-heiten beantworten.Ich bitte Sie in vollem Ernst und in aller Eindringlich-keit: Wir erwarten, in ganz Deutschland erwartet die Öf-fentlichkeit, erwarten die Bürgerinnen und Bürger wiedie Unternehmen, dass jetzt die fälligen Schritte getanwerden.
Herr Kollege Merz – es wird Ihnen nicht anders alsmir ergehen –, ich habe noch kein Gespräch mit einemWirtschaftsverband oder mit einem Unternehmen ge-führt, in dem ich nicht gefragt worden bin: Kommt dieSteuerreform denn nun endlich? Vorhin haben Sie dasGanze so läppisch beiseite getan. Ehrlich gesagt, dasreicht nicht.Selbstverständlich bin ich sehr dafür, einen Wettbe-werb um den besten Entwurf für ein wirklich vereinfach-tes Steuerrecht auszutragen. Wie alle anderen hier halteich das jetzige Steuerrecht in Deutschland für nichtideal; ein Steuerrecht, das ein Normalbürger nicht mehrverstehen und nicht mehr nachvollziehen kann, ist nichtgut. Diesen Zustand müssen wir überwinden.
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s wäre wirklich besser, wenn wir uns auf das konzen-ierten, was die Menschen in Deutschland von uns in An-etracht der Wirtschaftslage erwarten. Herr Schauerte,achen Sie sich nichts vor! Warten wir einmal ab, zuessen Gunsten sich die Reformen parteipolitisch aus-irken! Aber darüber nachzudenken ist jetzt nicht un-ere Aufgabe.Wir alle hier haben wirklich eine patriotische Verant-ortung wahrzunehmen. Ich möchte uns gerne darin be-tärken, das zu tun. Ich werde mich daran beteiligen.
Sie müssen wissen, dass eine Regierung und eine Re-ierungskoalition Verantwortung tragen und daher han-eln werden. Die entsprechenden Angebote sind ge-acht worden. Aber auch Sie tragen Verantwortung.assen Sie uns diese gemeinsam wahrnehmen, und zwaruf den Feldern, die jetzt in Rede stehen.Ich danke Ihnen sehr.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Hannelore Roedel voner CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolle-ginnen und Kollegen! Die Stimmung und die Lage inDeutschland sind verheerend: Die Zahl der Arbeitslosenist beängstigend hoch und die Lohnnebenkosten sind aufRekordniveau. Nach Umfragen fürchtet jeder zweiteBürger um seinen Arbeitsplatz; 48 Prozent der Bevölke-rung sehen unsere Sozialsysteme vor dem Zusammen-bruch. Das Kabinett hat soeben die höchste Neuver-schuldung in der Geschichte dieses Landes beschlossen.Da die Bürger wissen, dass die Staatsschulden von heutemit den Steuern von morgen bezahlt werden müssen,fehlt ihnen das Vertrauen in die Zukunft.Viel zu lange ist mit Notoperationen an unserem Steu-ersystem herumgedoktert worden. Auch das Vorziehender dritten Stufe der Steuerreform wird an dem katastro-phalen Zustand unseres Landes nichts ändern.
Eine Finanzpolitik auf Zuruf, wie Kanzler Schröder undHerr Eichel sie fordern, können wir nicht unterstützen.Natürlich begrüßen auch wir von der Union steuerlicheEntlastungen. Auch wir wollen, dass Familien, Arbeitneh-mer und Unternehmen möglichst rasch, aber eben auch ef-fektiv entlastet werden. Das ist bei dem Vorziehen derSteuerreform durch Rot-Grün genau nicht der Fall; dennFinanzminister Eichel plant, die Finanzierungslücke voneinem Jahr mit der dauerhaften Streichung von Steuerver-günstigungen – etwa die Abschaffung der Eigenheimzu-lage, die Kürzung der Pendlerpauschale und des Erzie-hungsgeldes – zu schließen.Es ist doch unbestritten – darüber sind wir uns einig –,dass die Familie das Kernelement in unserer Gesell-schaft ist. Angesichts der demographischen Entwicklungin Deutschland ist ihre Bedeutung heute so groß wie niezuvor. Umso unverständlicher ist es, dass die Regierungnun gerade bei den Familien die Entlastung durch einenniedrigeren Steuertarif durch die anderen Maßnahmenzunichte macht. Der Staat nimmt den Bürgern das, waser ihnen vorher durch Steuersenkung gegeben hat.Die familienfeindlichste Maßnahme ist die Kürzungder Entfernungspauschale.
Ein Arbeitnehmer, der täglich 50 Kilometer zur Arbeitfährt, verliert nach Ihren Vorschlägen 2 660 Euro anWerbungskosten. Durch diese Maßnahme wird nicht nurdie beschäftigungsfördernde Mobilität eingeschränkt, eswerden nach meiner Prognose die Steuerabzüge für dop-pelte Haushaltsführung steigen und Familien werdenauseinander gerissen, weil auswärts beschäftigte Ehegat-ten aus finanziellen Gründen nicht mehr täglich nachHause fahren können und deshalb eine Wohnung am Ar-beitsort einrichten werden. Wünschen Sie sich die Wo-chenendehe aus steuerlichen Gründen?wvlzDughciGoFoWFDssfdeismhiWthsmkmdwdzclwSgBduglHd
ie völlige Streichung der Eigenheimzulage ist deshalbowohl aus familienpolitischer, als auch aus ökonomi-cher Sicht falsch; gar nicht zu reden von dem, was dasür die spätere Altersversorgung bedeutet.Lassen Sie uns doch Klartext reden: Das Vorziehener dritten Steuersenkungsrunde führt zu keiner Netto-ntlastung des Steuerbürgers. Im Gegenteil, es werdennsbesondere Arbeitnehmer und ihre Familien mit zu-ätzlichen Belastungen konfrontiert. Darüber hinaus,eine Damen und Herren, ist dieser Gesetzentwurf – wiraben das heute gehört – sowohl in finanzieller als auchn konjunktureller Hinsicht der falsche Ansatz. Warum?eil Finanzminister Eichel diese Steuerentlastung größ-enteils auf Pump finanzieren will und damit eine nochöhere Überschreitung der EU-Stabilitätskriterien vor-ätzlich in Kauf nimmt. Weil auch die Länder und Kom-unen von Steuerausfällen betroffen sind und es ihneneiner zumuten will, noch weitere Schulden aufzuneh-en oder noch weitere Leistungen streichen zu müssen,ie den Bürgern in den Städten zugute kommen. Undeil es ein Irrglaube ist, meine Damen und Herren vonen Regierungsfraktionen, anzunehmen, dass vom Vor-iehen der dritten Stufe der Steuerreform ein wesentli-her Impuls für das Wirtschaftswachstum in Deutsch-and ausgehe und der marode Arbeitsmarkt belebterde.Deshalb komme ich zu dem Fazit: Das bestehendeteuerrecht ist ungerecht – wir sind uns darin einig. Esibt 100 Steuergesetze, 500 ergänzende Schreiben desMF und knapp 100 000 Verwaltungsvorschriften. Iniesem Steuerdschungel, durchzogen von Ausnahmennd Sonderbestimmungen, sind die Bürger verloren. So-ar die Leiter von Finanzämtern haben dies der Öffent-ichkeit gegenüber bekannt. Heute, meine Damen underren, ist der clevere und teuer Beratene im Vorteil under ehrliche Steuerzahler ist der Dumme. Deswegen
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Hannelore Roedelbrauchen wir eine tief greifende Steuerwende, die fürklare, einfache und gerechte Steuerregeln sorgt und diesoziale Balance wahrt.Zwei Aspekte müssen für uns dabei im Vordergrundstehen: zum einen die Entlastung von Familien mit Kin-dern
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.
– ich komme zum Schluss, Herr Präsident –, zum an-
deren, dass sich Leistung in Zukunft wieder lohnt. Las-
sen Sie uns daran arbeiten. Wir erwarten Ihre Konzepte
dazu.
Das Wort hat der Kollege Ludwig Stiegler von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es istschon ein seltsames Gefühl, hier die Vertreterin einerPartei das Hohelied der Familie singen zu hören, derenVorsitzender einst Theo Waigel war, dessen familien-feindliche Politik zweimal vom Bundesverfassungsge-richt verurteilt worden ist.
Wir haben doch repariert, was Sie verbockt haben. Sieaber kommen hierher und singen das Hohelied der Fami-lie. Aber das sind wir ja von Ihnen gewohnt. In Schein-heiligkeit werden Sie von niemandem übertroffen. Indiesem Punkt ist Ihnen die Heiligsprechung sicher.
Meine Damen und Herren, was ich heute hier von derUnion gehört habe, erinnert mich an die berühmte Sont-hofener Rede von Franz Josef Strauß
in den schwierigen 70er-Jahren, in der er damals seinenjungen Leuten gesagt hat: Jetzt bloß keine Rezepte brin-gen, nur Anklagen; es muss alles noch tiefer sinken, da-mit wir mit unseren Vorstellungen durchkommen.Ich sage Ihnen: So wie die Alten sungen, so zwit-schern auch die Jungen. Ich habe das Gefühl, dass Sie imGrunde genommen nur Ängste schüren wollen. Sie rei-ten auf einer Negativwelle und zeigen überhaupt keinenkonstruktiven Ansatz. Manchmal habe ich den Eindruck,Sie fürchten sich vor dem Aufschwung, weil Sie unsdann nicht mehr anklagen können. So ist Ihre mentaleVerfassung.
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hre Anklagen, die jeder Grundlage entbehren, sind fehlm Platze. Sie sollten sich an der Erarbeitung von Lö-ungsmöglichkeiten und nicht an falschen Anschuldi-ungen beteiligen.
Wir Sozialdemokraten treten für die Senkung des Spit-ensteuersatzes ein. Das ist uns nicht leichtgefallen; dennamit sind, obwohl es auch für die Arbeitnehmer eine er-ebliche Senkung der Steuerlast gibt, durchaus vertei-ngspolitische Probleme verbunden. Wir haben uns mitlick auf Handwerk, Mittelstand, Personengesellschaftennd Einzelunternehmer bewusst für die Senkung dieses soenannten Investitionssteuersatzes entschieden. Sie habenoch häufig gesagt, der Spitzensteuersatz sei der Investi-ionssteuersatz. Also muss die vorgezogene Steuerre-orm jetzt kommen, damit die Investitionen in Gangommen.Der private Verbrauch ist das eine und die Investitio-en, die für Wachstum notwendig sind, sind das andere.enn Sie beim Vorziehen der Steuerreform nicht mitma-hen, dann versündigen Sie sich daran, dass der Investi-ionsmotor nicht in Gang kommt. Sie sollten mit uns da-ür kämpfen, dass sich Handwerk, Mittelstand undinzelunternehmer wieder etwas trauen, weil sie durchiedrigere Steuern und damit durch höhere Erträge nachteuern für ihre Investitionen belohnt werden.
as ist der eigentliche Auftrag.
Gerade Sie sollten aufhören, Hans Eichel für die Ver-chuldung anzuklagen. Wer wie Sie 1 500 Milliarden DMchulden hinterlassen hat, für die 80 Milliarden DM Zin-en zu zahlen sind, wer also im Glashaus sitzt, der sollteit Gummibällchen, aber nicht mit Steinen schmeißen.uch das muss man Ihnen immer wieder sagen.
Der einzige Finanzminister der Nachkriegsge-chichte, der Schulden getilgt hat, war Hans Eichel.
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Ludwig Stiegler
– Naturalmente. – Sie wollten das Geld damals verpras-sen und verbraten. Als es im Wahljahr darum ging, dieHochwasserhilfe zu finanzieren, wollten Sie Schuldenmachen. Hans Eichel hat die Finanzierung über Einnah-men organisiert. In der Krise prozyklisch zu sparenkönnte Ihnen so passen. Sie wollen sich am Abschwungweiden. Sie wollen als Untergangspropheten im Trübenfischen. Das ist Ihre Mentalität. Das ist aber im Interesseunseres Landes nicht verantwortbar. Das werden wirauch nicht zulassen.
Wir haben optimale Rahmenbedingungen: niedrigeZinsen, Bilanzbereinigung bei Banken, Versicherungenund Unternehmen, niedrige Lohnstückkosten. Wir sindExportweltmeister und der Ifo-Index zeigt nach oben.Justieren Sie Ihre Mundwinkel neu und schauen Sie opti-mistisch in die Zukunft, anstatt immer nur im Trüben zufischen und den Untergang zu predigen!
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch,
fraktionslos.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr ge-ehrte Gäste! Ich bin Abgeordnete der PDS.Das Verfallsdatum der von BundesfinanzministerEichel vorgelegten Zahlen kann nicht mehr in Monatenangegeben werden, sondern nur noch in Wochen und Ta-gen.
– „Stunden“ war die Ergänzung von der FDP; wahr-scheinlich haben Sie Recht.Die Nettokreditaufnahme soll mehr als verdoppelt wer-den: Sie steigt von 18,9 Milliarden Euro auf fast 44 Mil-liarden Euro. Erster Grund dafür: Die Steuereinnahmenfallen um 12,5 Milliarden Euro geringer aus als geplant.Der zweite schwerwiegende Grund: Die Kosten für dieArbeitslosigkeit steigen um 12 Milliarden Euro.In Anbetracht dieser Zahlen, in Anbetracht dieserVerschuldung fragt sich doch jeder vernünftige Mensch,warum Sie, Herr Eichel, die Steuerreform um ein Jahrvorziehen und damit auf 22 Milliarden Euro Steuerein-nahmen verzichten wollen.tdzshssdeBDpSp–ddtEwslmF–Kdgmss
as er gestern der „Berliner Zeitung“ gab, zitieren. Ichitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:Es sind vor allem die Spitzenverdiener, die entlastetwerden, und damit diejenigen, bei denen die Kon-sumbereitschaft deutlich geringer ist als bei den Be-ziehern kleiner Einkommen.Ich interpretiere: nicht nur die Konsumbereitschaft,ondern auch der Zwang zum Konsum, denn die Bezie-er kleiner Einkommen kommen nicht umhin, ihr ge-amtes Einkommen dafür zu verbrauchen, wie Sie wis-en.Herr Müller hat Recht: Die Steuerreform wird nichtie Konjunktur ankurbeln, sie wird nur zu höheren Steu-rausfällen und höheren Defiziten in den Kassen desundes und der Länder führen.
eshalb ist diese so genannte Steuerreform konjunktur-olitisch unsinnig. Sie führt aber auch zu einer sozialenchieflage. Dazu darf ich noch einmal Herrn Minister-räsidenten Müller zitieren:Man kann nicht auf der einen Seite der Rentnerin mit900 Euro die Rente kürzen und auf der anderen Seiteden Porsche fahrenden Single mit 100 000 Euro Jah-reseinkommen um 3 000 Euro entlasten.
Wenn Sie dazwischenrufen, Herr Eichel, dass die PDSie CDU zitiere, kann ich Ihnen nur sagen: Wir entschei-en immer streng nach der Sache.
Herr Müller macht einem mit diesem Interview rich-ig Mut. Offensichtlich ist Herr Merz mit seinem Ziel derntsozialdemokratisierung der CDU doch noch nicht soeit gekommen, wie man befürchten musste. Aber an-cheinend gibt es einen Entsozialdemokratisierungswett-auf der Parteien, bei dem nicht nur Herr Merz ganz vornitläuft, sondern auch eine der beiden Vorsitzenden derraktion der Grünen, Frau Katrin Göring-Eckardt
ich zitiere gleich; hören Sie doch erst einmal zu, Herruhn –,
ie die Demonstranten gegen Sozialkahlschlag am ver-angenen Sonnabend als „Besitzstandswahrer“ diffa-ierte.Das Vorziehen der Steuerreform ist falsch, weil dieoziale Schieflage in diesem Land dadurch weiter ver-tärkt wird. Sie geben zwar vor, den Beziehern kleiner
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Dr. Gesine Lötzschund mittlerer Einkommen den einen oder anderen Euromehr in die Tasche stecken zu wollen,
aber mit Ihren anderen Reformen, zum Beispiel der Ge-sundheitsreform, nehmen Sie aus den Taschen mindes-tens zehnmal so viel wieder heraus.
Ich denke, das ist unredlich. Darum ist diese Entschei-dung falsch.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Joachim Poß von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In 56 Ta-gen könnten die deutschen Steuerzahler – Millionen vonFamilien, Arbeitnehmern und Unternehmen – um insge-samt knapp 23 Milliarden Euro steuerlich entlastet sein:
23 Milliarden Euro mehr für Konsum und Investitionensowie zur Stabilisierung des sich abzeichnenden wirt-schaftlichen Aufschwungs.
Herr Minister Clement hat vorhin auf den Ifo-Geschäfts-klimaindex hingewiesen. Alles spricht für Aufschwung.Die Einzigen, die – offenbar aus rein parteitaktischenGründen – etwas anderes behaupten und damit demLand objektiv schaden, sind Sie von der Opposition.
Das ist verantwortungslos.In diesem Zusammenhang muss man einmal auf dashinweisen, was wir in den vergangenen fünf Jahren derVerantwortung von Rot-Grün geleistet haben. 1998, inIhrer Regierungszeit betrug das steuerliche Existenzmi-nimum 6 322 Euro.Wenn wir die Steuerreformstufe 2005 auf 2004 vor-ziehen, beträgt das steuerliche Existenzminimum7 664 Euro. Es kommt also zu einer erheblichen Steige-rung pro Steuerbürger. Bei Verheirateten ist es das Dop-pelte.WDBltSmvimDZhdzmDsgdDFadgdmwdrlHbS
ir werden dann folgenden Eingangssteuersatz haben:er erste verdiente Euro wird mit 15 Prozent besteuert.ei Ihnen wurde er mit 25,9 Prozent besteuert; das wareistungsfeindlich. Bei uns lohnt es sich wieder zu arbei-en. Das unterscheidet uns von Ihnen.
chließlich soll der Spitzensteuersatz – das ist für dieittelständische Wirtschaft durchaus von Bedeutung –on 53 auf 42 Prozent gesenkt werden. Damit liegen wirn Europa ganz unten.
Wir haben eine volkswirtschaftliche Steuerquote, dieit unter 21 Prozent beunruhigend niedrig ist.
enn wir müssen in der Tat überlegen, wie wir unsereukunftsaufgaben finanzieren. 7,9 Millionen Bürger, daseißt 27 Prozent aller Steuerbürger, werden, wenn wirie Steuerreformstufe vorziehen, keine Steuern mehrahlen müssen. Die haben mit dem Finanzamt nichtsehr zu tun.
as sind insbesondere Geringverdiener und Durch-chnittsverdiener; entsprechende Zahlen wurden schonenannt. Wir haben in den letzten fünf Jahren eine ein-rucksvolle Bilanz hinlegen können.
aran gibt es überhaupt nichts zu mäkeln.Sie sind sich bis jetzt nicht einig geworden, wie Ihrinanzierungskonzept zum Vorziehen der Steuerreformussehen soll. Also hat Frau Merkel die Ministerpräsi-enten dazu vergattert, die Vorlage der Regierung mor-en im Bundesrat abzulehnen. Sie weiß sehr wohl, dassas am Ende des Vermittlungsverfahrens nicht mehröglich sein wird. Weil das jeder weiß und jeder Tageitere Unsicherheit und weitere wirtschaftliche Schä-en nach sich zieht, ist dieses Verhalten angesichts unse-er wirtschaftlichen Situation politisch verantwortungs-os.
err Clement hat es gesagt: Es ist mit Blick auf die Ar-eitslosen verantwortungslos. Ihnen ist das konkretechicksal der Menschen wohl gänzlich egal.
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Joachim Poß
Für Sie steht nur die Parteitaktik im Vordergrund.Keiner im Land nimmt Frau Merkel mehr ihre Leiervon der angeblich unseriösen Finanzierung ab. Ihr Argu-mentationsmuster ist nämlich ein Widerspruch in sich.
Sie sagt, durch das Vorziehen der Steuerreform muss beiden Bürgern etwas übrig bleiben. Sie sagt aber auch, dieFinanzierung darf nicht auf Pump erfolgen. Wenn sie ge-fragt wird, welche Vorschläge sie denn selber mache,sagt sie, sie müsse keine Alternativen aufzeigen, weil siekeine Regierungsverantwortung habe.
Das ist ein Politikverständnis, das dem deutschen Parla-mentarismus nicht entspricht.
Frau Merkel meldet sich als Vorsitzende der größten Op-positionsfraktion ab. Sie verzichtet darauf, den BürgernAlternativen zur Regierungspolitik vorzulegen.Herr Stoiber hat jetzt die Sprachlosigkeit beendet.Seine Vorschläge wurden schon – auch aus den eigenenReihen – gewürdigt; darauf brauche ich nicht mehr ein-zugehen. Er hat wohl die Notwendigkeit gesehen, dasSchweigen zu beenden, auch wenn seine Vorschlägegänzlich untauglich sind.Der Regierungsvorschlag liegt auf dem Tisch. Das,was Herr Eichel vorgeschlagen hat, entlastet die Länderim nächsten Jahr um 5,3 Milliarden Euro, ansteigend auf7,3 Milliarden Euro in 2007. Bei den Kommunen beträgtdie Entlastung 1,6 Milliarden bzw. 2,1 Milliarden Euro.All das liegt auf dem Tisch.
Es fehlt nur an einem: Es fehlt an Ihrem Willen, im Inte-resse des Landes an der politischen Gestaltung mitzuwir-ken.
Deswegen auch von meiner Seite die dringende Bitte:Stimmen Sie dem Vorziehen der Steuerreform zu! Siewissen, das ist ab 2005 finanziert und in allen Haushalts-plänen vorgesehen. Verlassen Sie Ihre verantwortungs-lose Position! Ich weiß, wie die Umfragen derzeit fürmeine Partei und für Ihre Partei aussehen. Auf Dauergeht das aber nicht gut.
Sie betreiben eine systematische Volksverdummung.
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ie Steuerschätzer haben gerade offen gelegt: Zum drit-en Mal hintereinander büßen die Kommunen mehr alsund und Länder ein.Sie haben hier von zehn Gesetzen gesprochen. Dasind zehn Baustellen ohne Richtfest; daraus werden nieäuser. Wenn die Kommunen einen Strich unter dieechnung ziehen, dann werden sie 2,2 Milliarden Euroinbüßen und nicht entlastet. Das ist das Problem.Wer wäre nicht für Steuersenkungen? Wir alle wollenteuersenkungen. Denn die würden uns allen gut tun. Ichage Ihnen eines: Wir hätten sie haben können, wenn Sie insbesondere Minister Eichel und Bundeskanzlerchröder damals als Ministerpräsidenten – die Umset-ung der Petersberger Beschlüsse nicht verhindertätten, die uns schon vor langem in den Stand versetztätten, den Sie jetzt erreichen möchten. Das ist doch dasroblem.
Sie reden hier von einem Aufschwung. Das Einzige,o sich etwas tut, sind die Minijobs. Ich erinnere daran,ass Sie sie abgeschafft haben und wir sie wieder einge-ührt haben; denn Sie brauchten unsere Zustimmung beiartz I. Das ist also nicht Ihr Werk, mit dem Sie sichetzt schmücken.Für den Aufschwung kommt es auf etwas ganz ande-es an. Es kommt auf die Summe der geleisteten Arbeits-tunden an. Die Zahl der Stunden war bis 1999 anstei-end – der Aufschwung fing seinerzeit an – und seitdemst sie absteigend. Denn Sie haben den Aufschwung da-als mit Ihrer Politik abgewürgt. Das ist das Problem.
Wenn hier immer davon gesprochen wird, die ganzemwelt sei so böse, dann verstehe ich eines nicht: Alleänder – zum Beispiel die Italiener und die Franzosen –atten die gleichen Probleme. Ich zitiere aus Ihrem Fi-anzbericht vom Oktober: „Seit 1988 wuchs das franzö-ische Bruttoinlandsprodukt … deutlich stärker als daseutsche.“
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Jochen-Konrad Fromme
Wenn das unter gleichen Rahmenbedingungen so ist,dann muss es doch daran liegen, dass wir etwas anders– sprich: falsch – gemacht und die Franzosen etwas bes-ser gemacht haben.Eine Steuerreform kann wirken – das wissen wir seitStoltenberg –, aber nur vor dem richtigen Hintergrundund im richtigen Rahmen. Wir liefern Ihnen die Alterna-tiven, die Sie immer einfordern. Wir haben zum Beispieleinen Antrag hinsichtlich des Arbeitsmarktes einge-bracht. Wir haben für die Sozialreformen das Herzog-Konzept vorgelegt. Wir haben für die Steuerreformendas Merz-Papier vorgelegt. Die Sachverständigen habenIhnen bescheinigt, dass all das, was Sie in den erstenfünf Jahren gemacht haben, falsch war und dass diesekonjunkturelle Lage deshalb ein Produkt Ihrer Politik ist.
Das Ergebnis der Anhörung zur Frage der vorgezoge-nen Steuerreform hat eines deutlich gemacht – in dieserHinsicht gab es Übereinstimmung bei allen Sachverstän-digen –: Es gibt zwei Voraussetzungen unter denen eineSteuerreform Arbeitsplätze schaffen und einen Konjunk-turaufschwung bringen kann. Die erste Voraussetzungsind Stetigkeit und Verlässlichkeit. Sie haben mit Ihrem„Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“ und mitIhrem „linke Tasche, rechte Tasche“ jeder Kalkulations-grundlage den Boden entzogen. Jetzt dürfen Sie sichnicht wundern, wenn kein Aufschwung kommt.
Sie haben gesagt: Steuerreform. Dann kam die Flutund Sie haben gesagt: keine Steuerreform. Jetzt sagenSie wieder: Steuerreform vorziehen. Sie wollen für dieeinmalige Entlastung dauerhaft die Abgaben erhöhen.Damit ist die zweite Voraussetzung nicht erfüllt, nämlicheine Nettoentlastung, die am Ende stehen muss. Wennich mir das Produkt Ihrer Politik anschaue und wie Siemit den Menschen umgegangen sind – sämtliche Kon-sumsteuern, zum Beispiel die Ökosteuer, denen dieMenschen nicht ausweichen können, haben Sie erhöht –,dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn die Kon-sumkraft fehlt und der Aufschwung nicht kommt.
Aber dann fehlt natürlich auch das Vertrauen in diekünftige Entwicklung. Angesichts dessen, was Sie jetztmithilfe von Steuersenkungen machen wollen, frage ichmich: Wo bleibt die Gruppe der Arbeitslosen, wo bleibtdie Gruppe der Rentner, wo bleibt die Gruppe der So-zialhilfeempfänger? Die zahlen doch dafür die Zeche.Sie kürzen die Renten, Sie rasieren die Rentner, damitSie möglicherweise an der einen oder anderen Stelle et-was erreichen.Sie brüsten sich – das ist ein Kennzeichen für Ihre so-ziale Gerechtigkeit – mit einer sinkenden Steuerquote.Warum ist denn die Steuerquote gesunken? Weil dieKzePNKazlnDseaehnnnAWiHnwsddkk
Jetzt will ich Ihnen einmal sagen, wer wen entlastet.ach Ihrem Konzept wird ein Arbeitnehmer mit zweiindern zwar um 1 000 Euro entlastet, muss inzwischenber einen um 320 Euro höheren Krankenkassenbeitragahlen. Bei Herrn Merz wird er um 4 780 Euro mehr ent-astet und steht wesentlich besser da.Glauben Sie doch nicht, dass die Menschen Ihnenoch auf den Leim gehen. Ihnen vertraut niemand mehr.as ist doch die ganze Krux. Konjunktureller Auf-chwung basiert auf objektiven Fakten und auf einemntsprechenden Klima. Weil diese Regierung nicht nurlle Erwartungen enttäuscht hat, sondern auch ständigtwas versprochen, aber das Gegenteil dessen gemachtat, wird ihr niemand vertrauen. Deswegen kann ich Ih-en nur eines sagen: Die beste Steuerreform wird nichtsützen, solange dieses Kabinett bleibt. Vertrauen kannur wieder durch eine andere Regierung wachsen.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaus-
– Drucksache 15/1925 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
iderspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erstem Redner gebe
ch dem Bundesminister Hans Eichel das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Es reizt mich wirklich, Herr Fromme, noch ei-en kurzen Nachklapp zu machen. Es ist wirklich toll,as Sie fertig bringen. Sie sagen: Lasst doch die Steuer-enkung sein; die Sozialhilfeempfänger haben nichtsavon und die Arbeitslosengeldempfänger haben nichtsavon. Demgegenüber schlägt Herr Stoiber vor – dasommt alles aus Ihrer Partei –: Die Sozialhilfe muss ge-ürzt
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Bundesminister Hans Eichelund die Arbeitslosenhilfe muss auf Sozialhilfeniveau ge-senkt werden, damit die Steuerreform finanziert werdenkann. Herr Fromme, es ist schlicht unerträglich, welcheWidersprüche Sie von diesem Pult aus und auch IhrePartei bieten.
Sie bringen es in einer einzigen Rede fertig, erst daseine und dann das genaue Gegenteil dessen zu behaup-ten.
Auf der einen Seite sagen Sie, die Steuerreform müssekomplett gegenfinanziert werden. Auf der anderen Seitesagen Sie, wir wollen aber nicht das Prinzip linke Ta-sche, rechte Tasche. Das ist der komplette Widerspruchin einer einzigen Rede, manchmal auch in zwei Sätzennacheinander. Das ist Ihr ganzer Beitrag zu dieser De-batte heute Nachmittag. Es ist schlicht nicht zum Anhö-ren. Da hat der Kollege Clement Recht.
– Ja, es ist wirklich peinlich, was Sie hier bieten.
Nachtragshaushalt 2003: Hätten Sie mit der Konsoli-dierung doch früher angefangen! Wir haben in 1999 da-mit angefangen und waren in 1999 und auch in 2000 da-mit erfolgreich. Wir hatten im Jahre 2000 die niedrigsteVerschuldung des Gesamtstaates in einem Jahr seit derWiedervereinigung.
Wir waren als Bund im Jahre 2001 erfolgreich. Wir hat-ten im Jahre 2001 die niedrigste Neuverschuldung desBundes seit der Wiedervereinigung.
Das war mein drittes Jahr als Bundesfinanzminister.Danach – das wollen wir uns mit aller Klarheit nocheinmal ansehen – ging es mit der Wirtschaft steil ab-wärts. Herr Fuchtel, in den USA ist das Wirtschafts-wachstum von 2000 auf 2001 von 3,9 auf 0,3 Prozentabgestürzt.
Wenn Sie sich einmal – darüber haben wir geradewieder im Ecofin-Rat diskutiert – die Zahlen aller euro-päischen Länder ansehen, werden Sie feststellen, dassalle europäischen Länder beim Wirtschaftswachstumvon 2000 auf 2001 mehr oder weniger stark abgestürztsHwIn2MwgdNHnNIgcdGnIdtrsgbelicasddEa0mvHdE
ch will das festhalten, weil das in künftigen Debattenoch eine ganz interessante Rolle spielen wird.Von der niedrigsten Staatsverschuldung im Jahre000 in Höhe von 1,2 Prozent – gemessen an denaastricht-Kriterien – sind wir jetzt bei über 4 Prozent,obei eine Reihe anderer Länder – ich wiederhole das –anz andere Pendelausschläge haben und jetzt auch anie Dreiprozentgrenze kommen, so zum Beispiel dieiederlande.
Ich komme nun auf den Nachtragshaushalt zumaushalt 2003 zu sprechen. Ursprünglich hatten wir ei-en Haushalt vorgelegt, in dem 18,9 Milliarden Euro aneuverschuldung vorgesehen waren.
m März habe ich in der dritten Lesung klar darauf hin-ewiesen, welche Risiken der Haushalt enthält und wel-he Bedingungen erfüllt sein müssen.Die Bundesanstalt für Arbeit hatte ankündigt, iniesem Jahr keinen Zuschuss zu benötigen. Das war einerundlage für den Haushalt. Dieses Versprechen isticht eingelöst worden.
ch sage mit allem Freimut: Wenn die Bundesanstalt iner Zukunft so etwas nochmals erklären sollte, stelle ichotzdem keinen Haushalt mehr auf, in dem nicht ein Zu-chuss für sie enthalten ist. Das habe ich im März übri-ens ganz deutlich gesagt. Die Ausgaben für den Ar-eitsmarkt einschließlich des Zuschusses machen deninen Teil der zusätzlichen Neuverschuldung aus, näm-ch rund 12 Milliarden Euro.Wofür brauchen wir die restlichen Mittel der zusätzli-hen Neuverschuldung? Basis für den Haushalt, den wirufgestellt haben, war die Annahme von 1 Prozent Wirt-chaftswachstum in diesem Jahr. Diese Annahmeeckte sich übrigens mit der Annahme des Sachverstän-igenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichenntwicklung. Der Sachverständigenrat hat sich, so wielle anderen auch, geirrt. Das Wachstum liegt beiProzent. Deswegen müssen wir Steuermindereinnah-en in der Größenordnung von rund 12 Milliarden Euroerkraften, was zum Zeitpunkt der Aufstellung desaushaltes noch nicht absehbar war. Aus diesen Grün-en beträgt die Neuverschuldung statt 18,9 Milliardenuro 43,4 Milliarden Euro.
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Bundesminister Hans EichelDie Steuerschätzung kommt zu einem in geringemMaße anderen Ergebnis – es ist etwas günstiger – alsdem, das wir dem Nachtragshaushalt zugrunde gelegthaben. Ich sage aber ausdrücklich: Bei den Ungewiss-heiten, die in diesem Zusammenhang bestehen, rate ichdem Bundestag, jetzt nicht noch Änderungen am Nach-tragshaushalt für die nächsten zwei Monate vorzuneh-men.
Ich rate, ihn so zu lassen, wie ich ihn eingebracht habe.Sie werden am Ende des Jahres wahrscheinlich um einesIhrer Vergnügen gebracht werden. Aber das ist Ihr Pro-blem und nicht meines.Wer sich die Steuerschätzung ansieht, kommt zu demErgebnis – anders als Sie, Herr Fromme, gesagt haben –,dass der Bund und die Länder getroffen worden sind, dieKommunen dagegen nicht.
Ursache dafür ist, dass die Einnahmen aus der Gewerbe-steuer wieder zunehmen. Das haben wir zwei Umstän-den zu verdanken: Zum einen gab es eine Restrukturie-rung im Unternehmenssektor, die nun weitgehendabgeschlossen ist. Der größte Teil der Unternehmen, dergrößte Teil der Versicherungen sowie die Banken sindmittlerweile wieder in der Gewinnzone. Zum anderenbeginnt die Wirtschaft wieder anzuziehen.Herr Fromme, Sie haben wieder einen Hinweis aufdie Körperschaftsteuer gegeben. Ich weiß nicht, ob Ih-nen bewusst ist, dass 85 Prozent der Unternehmen, dieKörperschaften sind, mittelständische Unternehmensind.
Sie können nicht so tun, als seien das nur ein paar großeUnternehmen. Hier besteht aber ein ganz anderes Pro-blem. Herr Fromme, es ist schon ein starkes Stück, wasSie hier bieten. Wir haben Sie mit Mühe und Not im Ver-mittlungsverfahren im April dahin bekommen, bei dengroßen Unternehmen die Möglichkeit der Gewinnver-schiebung ins Ausland über die Verrechnungspreise zubegrenzen.
Als es darum ging, auf dieser Basis eine Verordnung mitZustimmung des Bundesrats zu verabschieden, kamenvon Ihnen wieder jede Menge Widerstände.
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edes Mal, wenn wir Gestaltungsmöglichkeiten eingren-en wollen, sind Sie – natürlich hinter verschlossenenüren – der Sachwalter der Unternehmen. Das Steuerge-aren und die Gesetzgebung, die wir zu verantwortenaben, prangern Sie dagegen als unsozial an. So schein-eilig ist manchmal Ihre Politik.
Warum legen wir jetzt einen Nachtragshaushalt vor?ie Antwort ist einfach zu geben. Ich habe sie Ihnenber schon vor der Sommerpause gegeben. Angesichtses Wachstums von 0 Prozent wäre es nicht verantwort-ich, bei wegbrechender Konjunktur und wegbrechendenteuereinnahmen mit großen Eingriffen hinterherzuspa-en. Dies ginge nur bei Investitionen und in den Pro-rammhaushalten. Wir müssen aber die automatischentabilisatoren wirken lassen – auch im Rahmen des eu-opäischen Stabilitäts- und Wachstumspakets.
s würde die wirtschaftlichen Verhältnisse weiter ver-chlechtern. Genau das kann niemand wollen; denn da-urch würde die Rückkehr zum Wachstum weiter verzö-ert werden. Deswegen müssen die automatischentabilisatoren wirken und die Defizite in dieser Phaseingenommen werden.
n den 90er-Jahren haben Sie das übrigens auch getan.
rinnern Sie sich an die einjährige Rezession, in dericht wir, sondern Sie sich befanden, und daran, wie Sieich damals verhalten haben?Damit wir den Eintritt in den Aufschwung, für den esute Aussichten gibt, nicht weiter verzögern, wäre esalsch, einer abschwingenden Konjunktur hinterherspa-en zu wollen. Diese Verantwortung haben wir. Das heißtber, dass man bei wieder anziehender Konjunktur umsoärter konsolidieren muss, wie wir das 1999 und 2000uch getan haben. Hätten Sie das in den 90er-Jahren ge-an, hätten Sie uns nicht so viele Schulden hinterlassen.
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Bundesminister Hans EichelEs ist richtig, so zu verfahren, wie wir es hier angelegthaben. Ich hätte auch gerne ganz andere Zahlen verkün-det. In dieser konjunkturellen Situation war es aber rich-tig, die automatischen Stabilisatoren wirken zu lassen.Es ist auch richtig, mit dem Dreiklang aus Strukturrefor-men, nachhaltiger Haushaltskonsolidierung und demVorziehen der Steuerreform aus diesem Tal herauskom-men zu wollen; denn dadurch wird es zu einem Wachs-tumsimpuls und nicht zu einer kontraktiven Wirkungkommen. Dafür gibt es eine Chance.Die weichen und inzwischen auch die harten Datenzeigen – darüber besteht Einigkeit –, dass der Wende-punkt erreicht ist. Vielleicht befinden wir uns schon ineinem leichten Aufschwung. Wir werden in ein paar Ta-gen etwas genauer wissen, wie es im dritten Quartal aus-sah, und am Ende des Jahres werden wir wissen, wie esim vierten Quartal verlaufen ist.
Es hängt jetzt von uns allen und den Entscheidungen,die wir in diesen Wochen treffen, ab, ob wir die Chancenutzen, einen neuen, nachhaltigen Aufschwung zu be-kommen. Sie alle sind dazu aufgefordert. Unsere Kon-zepte liegen auf dem Tisch.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dietrich Austermann
von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kol-
lege Eichel, ich finde es einigermaßen empörend, dass
alle Zahlen, die Sie in den letzten Monaten genannt ha-
ben, mit der Realität nichts zu tun hatten.
Ich kann das ganz konkret anhand eines Beispiels be-
legen. Es geht um das, was Sie zum Kollegen Fromme
gesagt haben, nämlich um die Mindereinnahmen bei der
Gewerbesteuer. Nach der Tabelle, die Ihr Haus heute
verteilt hat, opfern die Gemeinden 1 Milliarde Euro. Sie
haben vorher gesagt, die Gemeinden würden von dem
Zusammenbruch der Steuereinnahmen ausgeschlossen.
Das war die Unwahrheit.
Sie können jede Zahl nehmen, die Sie wollen. Sie
stimmt nicht. Ich finde das empörend.
Der Finanzminister der größten Industrienation in Eu-
ropa trägt ständig dazu bei, die Menschen durch falsche
Zahlen zu täuschen und in die Irre zu führen, die Daten
zu verschleiern und damit den Boden für eine negative
Wirtschaftsentwicklung in unserem Land zu bereiten.
Ich muss das so deutlich sagen. Es ist wirklich empö-
rend, was sich hier tut, weil es dazu beiträgt, dass sich
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Ich sehe, dass Sie ein zweites Mal etwas sagen möch-
en. Reicht es Ihnen noch nicht? Ich finde, aufgrund des-
en, was Sie gesagt haben, war das erste Mal schon zu
iel. Wenn der Präsident einverstanden ist, habe ich aber
berhaupt kein Problem damit, dass Sie Ihre Zahlen kor-
igieren können.
Herr Kollege Austermann, erlauben Sie eine Zwi-
chenfrage des Kollegen Eichel?
Ja.
Bitte schön.
Herr Abgeordneter Austermann, die Steuerschätzung
m Mai hat ergeben, dass die Gemeinden in diesem Jahr
1,5 Milliarden Euro einnehmen werden. Die Steuer-
chätzung im November hat für die Gemeinden ebenfalls
innahmen von 51,5 Milliarden Euro ergeben. Mit ande-
en Worten: Im Vergleich mit der Mai-Steuerschätzung
rgibt sich im Unterschied zu dem, was für die Länder
estgestellt wurde, keine Verschlechterung.
Ich möchte hier nur feststellen, dass Ihre Aussage, die
ahlen seien falsch gewesen, falsch ist. Die Steuerschät-
ungen im Mai und November für die Kommunen sind
xakt gleich.
Herr Kollege Eichel, Sie haben sich in die für Sie sel-ene Rolle eines Abgeordneten begeben. Ich darf Sie bit-en, dem Parlament gegenüber die entsprechende Ach-ung zu zeigen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003 6221
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Dietrich AustermannLassen Sie mich aus einer Tabelle vorlesen, die Sie heuteverteilt haben. Der Anlage 1 zur Pressemitteilung 132/03 istzu entnehmen: Gemeinden, Veränderung gegenüber demVorjahr – 51,5 Milliarden Euro, – minus 1 Milliarde. Dasheißt doch, dass uns die Frage beschäftigt: Entwickelnsich die Zahlen für die Gemeinden, für die Länder undfür den Bund positiv, nach oben oder gehen sie weiternach unten?
Alle Gemeinden zusammen haben in diesem Jahr einDefizit von 10 Milliarden Euro. Ich sehe, Sie nicken; Siesind offensichtlich der gleichen Auffassung. Und dannwollen Sie uns erzählen, das sei eine positive Entwick-lung, und bestätigen das hier noch mit der eigenen Erklä-rung.
Herr Kollege Austermann, erlauben Sie eine weitere
Zwischenfrage des Kollegen Eichel?
Gern.
Bitte schön, Herr Eichel.
Herr Kollege Austermann, stimmen Sie mir zu, dass
es nach der November-Steuerschätzung im Vergleich zur
Mai-Steuerschätzung – anders als bei Bund und Län-
dern, bei denen es weitere Einnahmeausfälle gibt – bei
den Gemeinden keine weiteren Einnahmeausfälle gibt?
Herr Kollege Eichel, sind Sie bereit zur Kenntnis zunehmen, dass die Gemeinden in diesem Jahr feststellenmussten, dass ihre Einnahmen weggebrochen sind unddass durch die Schätzergebnisse des Arbeitskreises Steu-erschätzung vom 4. bis 6. November ein weiteres Minusvon 1 Milliarde Euro bestätigt wird? Man kann doch dieeigenen Zahlen, die man verteilt hat, nicht ignorieren!Denen kann man doch nicht widersprechen!
Dass Ihre Zahlen nicht stimmen, kennen wir schon. Aberdass Sie noch nicht einmal Ihre eigenen Zahlen bestäti-gen können, ist, finde ich, in der Tat ein dicker Hammer.
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bwohl im gültigen Haushalt für dieses Jahr nur 18,9 Milli-rden Euro enthalten sind.Nun frage ich – ich frage das auch die Zuschauer,uch wenn sie nicht antworten können –: Stellen Sie sichor, Sie wären in einer ähnlichen Situation. Sie macheninen Plan für Ihr Jahr, Sie kalkulieren Urlaub und vielendere Dinge ein, Sie wissen, was etwa an Gehalt rein-ommt für die Familie, Sie kennen also das gemein-chaftliche Einkommen, und dann stellen Sie auf einmalest, dass Sie nicht nur den Dispo überschritten haben,ondern sich auch heimlich bei allen möglichen Freun-en Geld gepumpt und vielleicht auch noch Wechselusgestellt haben. So ungefähr ist die Situation, die wireute vorfinden.Für 54 Milliarden Euro haben Sie bereits Kredite auf-enommen, obwohl es dafür keine rechtliche Grundlageab. Und jetzt kommen Sie her und wollen dafür eineachträgliche Bestätigung durch das Parlament. Sieissbrauchen das Parlament praktisch als Buchhalter,m nachträglich das abzusegnen, was Sie gemacht ha-en. Ich finde, das ist eine Zumutung für jeden im Parla-ent. Das allein ist für uns ein Grund zu sagen: Wir wer-en den Nachtragshaushalt ablehnen. Veräppeln lassenir uns von Ihnen nicht.
Ich will noch etwas sagen zu den Daten, die Sie fürie Vergangenheit vorgetragen haben. Es mutet ja etwaserkwürdig an, dass man auf der einen Seite beklagt, dieituation in Amerika habe sich verschlechtert, sichleichzeitig aber darüber freut, dass wir Exportweltmeis-er gewesen sind, zumindest im Monat August. Alsoann es nicht sein, dass äußere Umstände verantwortlichind, sondern es müssen innerdeutsche Probleme für dieerzeitige Situation verantwortlich sein. Und dafür tra-en Sie in erheblichem Maße die Verantwortung.Wenn man das in der ganzen Dimension einmal zu-ammenfasst, dann stellen wir fest, was auch die Debat-en der letzten Tage gezeigt haben: Sie haben es in denetzten fünf Jahren geschafft, die Rente durcheinanderu bringen.
Es kann heute niemand sagen, wann in absehbarer Zeitei den Renten wieder ein Zuwachs zu erwarten ist. Drü-ken Sie sich nicht um die Wahrheit herum! Genauso istas.
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Dietrich AustermannSie haben – das wissen wir aus den letzten Wochen –auch bei der Lebensversicherung, wo Vertrauenskapitalder Menschen investiert worden ist, durch Ihre ver-korkste Steuerreform des Jahres 2000 eine Basis wegge-brochen. Die Alterssicherung, also Rente auf der einenSeite und Lebensversicherung auf der anderen Seite,kann nur durch eine abrupte Änderung des Gesetzesüberhaupt wieder in Ordnung gebracht werden.Sie haben den Arbeitsmarkt durcheinander gebracht.Heute haben viele Menschen weniger Arbeit als zu derZeit, als Sie die Regierung angetreten haben.600 000 weniger in diesem Jahr! Diese Entwicklungsetzt sich fort: Immer weniger Menschen haben Arbeit.Wenn die Steuern im nächsten Jahr tatsächlich steigenwerden, dann heißt das, dass diejenigen, die noch Arbeithaben, immer mehr zahlen.Sie haben die Staatsfinanzen durcheinander gebracht.Wenn man das gesamtstaatliche Defizit des Jahres 1998mit dem dieses Jahres vergleicht, ist es in der Tat er-schreckend, wie sich die Situation entwickelt hat.
Wir reden heute über einen verfassungswidrigenNachtragshaushalt. Nun kann man zwar sagen, dassdies alles belanglos ist. Ich stelle mir aber vor, wie sichMenschen fühlen, die nur eine Ordnungswidrigkeit be-gangen haben. Hier jedoch bricht eine ganze Bundesre-gierung die Verfassung. Das tut sie dadurch, dass siemehr Schulden macht, als rechtlich erlaubt ist.
Rechtlich erlaubt sind Schulden bis zur Höhe der Inves-titionen. Wenn man Investitionen tätigt, schafftman einen Wert für die Zukunft. Insoweit darf manhöchstens bis zu dieser Summe Schulden machen.Der Bundesfinanzminister überschreitet die Grenzeder Verfassung um 16,7 Milliarden Euro. Er rechtfertigtdies – das hat er mehrfach gemacht – damit, dass er dieDinge schleifen lasse, damit das gesamte wirtschaftlicheGleichgewicht nach Art. 115 des Grundgesetzes wiederhergestellt wird. Wenn man die Dinge ein ganzes Jahrhat schleifen lassen, wie kann man dann sagen: Das, wasich jetzt tue, ist dazu angetan, die Situation zu verbes-sern? Es bleibt dabei: Sie verletzen die Verfassung inbrutaler Weise.
Sie verletzen nicht nur die Verfassung, sondern Siezerstören auch die Vertrauensbasis für unsere Partner aufeuropäischer Ebene dadurch, dass Sie die Kriterien desMaastricht-Vertrages verletzen. Sie brechen diesenVertrag! Die Zahlen zeigen: Die Länder tragen zu diesenSchulden ihren Anteil bei. Man muss allerdings sehen,dass ein wesentlicher Teil der Rahmenbedingungen– das sehen Sie an den Gesetzen – für den Arbeitsmarktund die wirtschaftliche Entwicklung vom Bund geschaf-fen werden. Insofern trägt der Bund – übrigens auch wasdie Summe der Schulden betrifft – den größten Teil derVdlbMaVDSNmfrEtDnSNü1trcadsdssadlsh2SfspgWmgbs
as hat es bisher noch nicht gegeben. Das haben uns dieachverständigen gesagt. Das ist eine andere Qualität.achträglich festzustellen, dass man sich geirrt hat, wirdan mit Dummheit noch entschuldigen können. Aberür dieses und das kommende Jahr vorsätzlich zu erklä-en, dass es nicht interessiert, was auf internationalerbene verabredet wurde, ist eine neue Qualität des Ver-rauens- und des Rechtsbruches auf europäischer Ebene.afür tragen Sie die Verantwortung.
Der Kollege Diller hat die Zahlen für dieses und dasächste Jahr bestritten. Sie können doch addieren! Wennie das tun, dann kommen Sie bei der gesamtstaatlicheneuverschuldung in diesem Jahr auf eine Summe vonber 90 Milliarden Euro, im nächsten Jahr von etwa00 Milliarden Euro. Das sind knapp 5 Prozent des Brut-oinlandsproduktes. Eine schlimmere Zahl in diesem Be-eich hat es bisher noch nicht gegeben.Das Dramatische ist: Es gibt überhaupt kein Anzei-hen dafür, dass das, was Sie bisher an Maßnahmen ver-nlasst haben, Ihre so genannten Reformen, geeignet ist,ie Situation zu verbessern. Nicht einmal die Sachver-tändigen haben Ihnen bestätigen können: Wenn maniese Reformen durchführt, wird es einen kräftigen Auf-chwung geben. – Es gibt allenfalls einen Miniauf-chwung ohne neue Jobs. Ohne neue Jobs wird aberuch in Zukunft Geld bei der Krankenkasse, der Rente,en Steuereinnahmen und auch bei den Gemeinden feh-en. Deswegen sagen wir: Wenn man schon einen Auf-chwung plant, dann muss man das richtig machen.
Herr Eichel, ich kann Ihnen die Bilanz nicht vorent-alten. 1998 betrug das wirtschaftliche Wachstum,7 Prozent. Das haben Sie statistisch heruntergerechnet.ie hatten Glück: Das Wachstum hat 1999 und 2000ortgewirkt. Dann aber ging es bergab. Jetzt haben wireit drei Jahren Stagnation. Eine so lange Stagnations-hase hatten wir noch nicht gehabt.Herr Eichel, Sie haben das Thema Steuerreform an-esprochen. Am besten ist, ich halte Ihnen Ihre eigenenorte vor. Da jeder gerne richtig zitiert werden will,öchte ich Ihnen vorlesen, was Sie zu diesem Themaesagt haben. Ich habe im Jahr 2001 gefordert – Sie ha-en dieses Datum für den Beginn der schlechten wirt-chaftlichen Entwicklung genannt, die angeblich vom
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Dietrich AustermannAusland über uns gekommen ist –: Die Steuern müssenstärker und schneller gesenkt werden. Sie haben erklärt:Wer Steuern senken will …, darf das nur dann tun,wenn er seine Ausgaben im Griff hat. Steuersen-kungen mit Ausweichen in höhere Staatsschuldensind Betrug an den Bürgerinnen und Bürgern.
Wenn ich Ihnen das direkt vorhielte, würde ich um einenOrdnungsruf nicht herumkommen. Daher stelle ich dieFrage: Wer ist hier eigentlich der Betrüger? Ich frage: Isteigentlich das, was Sie bisher gemacht haben, geeignetgewesen, die Ausgaben in den Griff zu bekommen?Nein, das ist es nicht, denn die Ausgaben steigen in die-sem Jahr um viereinhalb Prozent, allein aufgrund der fal-schen Zahlen beim Arbeitsmarkt und der zusätzlichenAusgaben im Sozialbereich. Die sind gewissermaßeneine Art Heftpflaster für die Wunden, die Sie unseremWachstum und dem Staatskörper zugefügt haben. Werdie Ausgaben nicht in den Griff bekommen hat, der sollsich auch künftig Empfehlungen über das, was weiter inDeutschland richtig gemacht werden soll, enthalten.
Dieser Nachtragshaushalt ist nicht zustimmungsfähig.Wir lassen uns von Ihnen nicht veräppeln. Kommen Sieendlich zur Wahrheit und zu den richtigen Zahlen zu-rück.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Antje Hermenau vom
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt,Herr Kollege Austermann, Momente, da würde es michinteressieren, welche Wortpirouetten Sie drehen müss-ten, wenn Sie hier stünden, nicht die Haushälter der Ko-alition, und wenn Sie regieren würden.
– Pöbeln Sie nicht so herum, Herr Fuchtel. – Ich kenneSie schon lange, Herr Austermann. Ich erinnere mich da-ran, wie Sie damals sogar versucht haben, sich gegen dieeine oder andere Entscheidung der damaligen Bundesre-gierung unter Kanzler Kohl zu stellen, weil Sie sie fürganz schlecht für die langfristige Ausgabenstruktur desBundes gehalten haben. Das war auch ganz richtig, Siehaben sich nur nicht durchsetzen können. Es ist leicht,befreit von der Last des Regierens, sich hierher zu stel-len und zu sagen, dass man alles ganz anders machenmüsste. Sie selbst hatten die Kraft damals nicht.
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Schauen wir uns die Steuereinnahmen an. Als derntwurf eingebracht worden ist, haben wir geglaubt,ass wir reichlich 12 Milliarden Euro weniger Steuerein-ahmen haben werden. Das erklärt die zweite Hälfte derirca 24,5 Milliarden Euro, die mit dem Nachtragshaus-alt neu aufzunehmen sind. Die heutige Steuerschätzungat gezeigt, dass es vielleicht 1 Milliarde weniger seinird, also nur 11 statt 12 Milliarden Euro. Aber im Gro-en und Ganzen hat der Entwurf gestimmt.Jetzt reden wir einmal über die Steuern. Es gab vorhinchon einmal eine Debatte über Steuern. Herr Merz – ichrinnere mich wohl – hat im Frühjahr im Fernsehen lautetönt, dass der Abbau von Steuervergünstigungen undubventionen eine Steuererhöhung wäre, die man brand-arken müsse; das ginge auf gar keinen Fall.Nun hat er selbst, wie ich finde, in den letzten zweiochen ein durchaus interessantes Konzept zur Spracheebracht.
uf der Basis dieses Konzeptes müsste man eigentlichlle Steuervergünstigungen streichen. Das haben wir vorinem halben Jahr vorgeschlagen. Sie haben darauf em-ört reagiert.
Über Tarifsenkungen reden wir gleich. – Das ist allesewesen. Wir haben ein halbes Jahr verschenkt, weil Sieich erst einmal inhaltlich sortieren mussten, um das ein-al klar auf den Punkt zu bringen.
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6224 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003
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Antje Hermenau
Es geht darum, in den nächsten Tagen Entscheidungenzum Vorziehen der letzten Steuerreformstufe zu treffen.Die würde eine Senkung der Steuertarife bedeuten. Siehaben das in der Hand. Sie können beides, was HerrMerz vorschlägt, sofort mit den Vorschlägen umsetzen,die wir bereits an den Bundesrat überwiesen haben.
Dann ist ganz klar, was Sie machen müssen: Steuerver-günstigungen und Subventionen müssen abgebaut wer-den. Dann ist auch die weitere Finanzierung des Vorzie-hens der nächsten Stufe der Steuerreform möglich, ohnesich dabei ausschließlich auf Neuverschuldung zu stüt-zen. Das haben Sie selbst immer wieder als Anliegenvorgetragen.
Wer – wie es Herr Merz in seinem Konzept, das sichgar nicht so sehr von unserer Politik unterscheidet, ver-folgt – die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage – dasheißt das Schließen aller Schlupflöcher, um es auf Neu-deutsch zu formulieren – und die Senkung der Steuer-sätze für notwendig hält, kann es sich leicht machen undin den nächsten Wochen einen ersten Schritt realisieren.Wir sind gespannt, wie die Gespräche verlaufen. Siehaben noch ein paar Wochen Zeit, um ein bisschen Ord-nung in Ihren Steuerkladderadatsch zu bringen. Wenndas gelingt, dann hoffen wir auf gute Verhandlungen imVermittlungsausschuss. Das läge allemal im Interesseder Bürger.
Lassen Sie uns die Initiativen betrachten, die wir nochvorhaben. Wir wollen zum Beispiel eine stabilere Steu-ereinnahmebasis erreichen. Wir haben Vorschläge zueinem energischeren Vorgehen im Zusammenhang mitdem Problem des Umsatzsteuerbetrugs vorgelegt, wo-durch wir auch Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuererwarten. Wir haben auch vor, das Fluchtkapital wiederzur Heimkehr zu bewegen
und die Steuerhinterziehung zu unterbinden oder zumin-dest einzudämmen. Davon erwarten wir den Rückflussvon Milliardenbeträgen. Wir haben uns sehr bemüht,Vorschläge zur Bekämpfung der Schwarzarbeit zu erar-beiten.Herr Austermann gefiel sich in der kurzen Bemer-kung, die innerdeutschen Probleme hätten dazu geführt,dass man die Verschuldung nicht mehr in den Griff be-komme. Zu den innerdeutschen Problemen gehört aberaLvvsJwKnzvZdWsdgmmnkgmfmianMnsmddWmGlEhengsdLtaJM
ir stellen uns aber diesem Wettbewerb nicht.Ich habe mich des Öfteren gefragt, welchen Sinn esachen kann, dass die CDU/CSU versucht, mit allerewalt wieder an die Macht zu kommen, um dann viel-eicht ein Land zu übernehmen, in dem die Autos vonseln gezogen werden müssen, weil kein Geld mehr vor-anden und die Wirtschaft ruiniert ist. Wie können Sie esigentlich zulassen, dass wir Monate und Jahre verlieren,achdem endlich – das ist Ihnen auch klar – das rot-rüne und Mitte-Links-Milieu in diesem Land dazu be-timmt ist, den Wertewandel voranzutreiben? Denn es isturchaus mit beteiligt gewesen ist, als es darum ging, dieohnnebenkosten nach oben zu treiben und die Gerech-igkeitsdebatte der 70er- und 80er-Jahre und vielleichtuch die Debatte zwischen Ost und West in den 90er-ahren zu führen.Wenn diese Einsicht vorhanden ist und Sie nur ausachtstreben das, was Sie selber in der Politik mit dis-
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Antje Hermenaukutiert haben, verderben, dann sind Sie meiner Meinungnach nur an der Macht interessiert, aber nicht am Wohldes Volkes oder der Nation, wie Sie es ständig im Mundeführen.
Das Wort hat jetzt der Kollege Jürgen Koppelin von
der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Esist ein trauriger und dunkler Tag für unser Land. DerSchuldenmacher Hans Eichel muss heute den Bankrotterklären.
Wie sehr Sie sich in der Koalition für diesen Finanz-minister schämen, wird daraus deutlich, dass fast die ge-samte Fraktion und auch das Kabinett inzwischen ge-flüchtet sind
und dass Sie nur taktieren, indem Sie kurzfristig fürheute eine Aktuelle Stunde beantragt haben, in derEichel noch einmal ein Märchenbuch aufschlagenkonnte, während diese Debatte wahrscheinlich nach Re-daktionsschluss stattfindet.
Diese Entscheidung haben Sie nämlich getroffen, weilSie sich für diesen Finanzminister so schämen. Das istdie Wahrheit. Sie können ruhig zugeben, dass auch Ih-nen das, was er hier vorgetragen hat, sehr peinlich ist.Die Oppositionsfraktionen haben den Finanzministerin diesem Jahr bereits mehrfach aufgefordert, einenNachtragshaushalt vorzulegen. Jetzt liegt er endlich aufdem Tisch. Wie kurzatmig die Politik von Rot-Grün ist,sieht man daran, dass die rot-grüne Koalition im Haus-haltsausschuss noch am 23. Oktober dieses Jahres, alsoerst vor wenigen Tagen, die Forderung der Oppositions-fraktionen nach Vorlage eines Nachtragshaushaltes ab-gelehnt hat. Eine Woche später beschließt das Kabinetteinen Nachtragshaushalt. Auch das gehört zur Wahrheitdazu.Wenn Sie, Herr Bundesfinanzminister, darauf hinwei-sen, dass Sie schon vor über drei Monaten gesagt hätten,es müsse einen Nachtragshaushalt geben, dann frage ichmich, warum Sie damals völlig andere Reden gehaltenhaben und so getan haben, als ob wir im Geld schwim-men würden. Ihre Reden waren eine einzige Katastropheund gingen an der Wirklichkeit völlig vorbei. Es ist pein-lich, dass Sie zur Ehrlichkeit nicht bereit sind.
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Damals hat sich die Arroganz der Macht durchge-etzt. Der jetzige Nachtragshaushalt ist ein Dokumenter Arroganz der Macht. Rechthaberisch haben Sie sichber alle Bedenken hinweggesetzt. Wir müssen nun erle-en, dass Hans Eichel zum größten Schuldenmacher al-er Bundesfinanzminister unserer Nation geworden ist.iemals in der Geschichte der Bundesrepublik mussteno viele Schulden aufgenommen werden wie unter Hansichel. Der Bundesfinanzminister selbst hat erklärt, dass
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Jürgen Koppelinein Abweichen vom Konsolidierungskurs in der Haus-haltspolitik der falsche Weg sei. Sehr wahr! Aber warumhaben Sie sich nicht daran gehalten, Herr Minister? Rea-lität ist – das schlägt sich im jetzigen Nachtragshaushaltnieder –, dass es versäumt wurde, wichtige Reformendurchzuführen, und dass bestehende Mängel noch ver-schärft wurden. Der vorliegende Nachtragshaushalt istein Dokument einer seit über drei Jahren verfehlten Ar-beitsmarktpolitik. Mit über 43,4 Milliarden Euro Neu-verschuldung ist Hans Eichel der größte Schuldenma-cher der Nachkriegszeit.
Die Schadensbilanz von Hans Eichel ist verheerend:Bruch der Verfassung, Bruch der europäischen Verträge,eine Rekordverschuldung und marode Staatsfinanzen.Zum zweiten Mal in Folge wird Deutschland im Jahr2003 sowohl gegen die Verfassung als auch gegen deneuropäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt verstoßen.Das Überschreiten der Maastrichter Defizitgrenze ist dervorsätzliche Bruch eines völkerrechtlichen Vertrages.Nie haben die Haushaltspläne von Hans Eichel in denletzten Jahren gestimmt. Sie konnten auch nicht stim-men, weil er niemals von soliden Grunddaten ausgegan-gen ist. Schon das ist eine Fahrlässigkeit.Die FDP hat bereits vor Monaten die Vorlage einesHaushaltssicherungsgesetzes mit Ausgabenkürzungenund Leistungseinschnitten in einer Größenordnung von20 Milliarden Euro angemahnt. Die Höhe der zusätzli-chen Neuverschuldung von 24,5 Milliarden Euro zeigt,dass wir mit unserer Risikoannahme absolut richtig gele-gen haben.Jeder, der bei haushaltspolitischem Verstand ist, mussdiesen Nachtragshaushalt ablehnen;
denn die Rekordkreditaufnahme, Herr Bundesfinanz-minister, dient nicht der Abwendung der Störung des ge-samtwirtschaftlichen Gleichgewichts, wie vom Bundes-verfassungsgericht gefordert. Dieser Nachtragshaushaltbelebt weder die Konjunktur noch trägt er zur Senkungder Arbeitslosigkeit bei. Er trägt allein dazu bei, dass dierot-grüne Koalition zukünftig Steuererhöhungen vorbe-reiten muss.Herr Bundesfinanzminister, Sie machen 43 Milliar-den Euro neue Schulden, sagen aber niemandem, werdiese Schulden eines Tages bezahlen soll. Deswegenwerden wir diesem Nachtragshaushalt nicht zustimmen.Herr Bundesfinanzminister, Sie sagen immer, IhreHaushaltspläne seien auf Kante genäht. Das stimmtnicht. Sie sind alle auf Sand gebaut.
Die FDP-Fraktion wird dem Nachtragshaushalt nichtzustimmen; denn die Schulden, die die rot-grüne Koali-tion und Hans Eichel machen wollen, müssen von kom-menden Generationen mit höheren Steuern bezahlt wer-dPSwasWh–WSadhzhnlwsldwrdDds„segW
Das Wort hat jetzt der Kollege Walter Schöler von der
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Soie das schon über viele Jahre war, basieren Haushalteuf Schätzungen und auf Annahmen
owie auf Ergebnissen der Konjunkturschätzungen derirtschaftsforschungsinstitute. Das galt für den Haus-alt 2003 wie auch für die Haushalte 1995 und 1996ich gehe noch einmal in die Vergangenheit –, als Theoaigel der größte Schuldenmacher aller Nationen war.
ie haben vergessen, dass er das zu einem Zeitpunkt war,ls das Wachstum noch 1,6 Prozent betrug und es nichtrei Jahre hintereinander ein Nullwachstum gegebenatte. Wenn Sie das einmal in Relation zueinander set-en, dann erkennen Sie, was Sie an Schulden gemachtaben. Das sind nämlich die Schulden, die uns heuteoch die Probleme machen, die den Haushalt 2003 be-asten und auch noch die kommenden Haushalte belastenerden. Sie sollten mit Ihren Behauptungen sehr vor-ichtig sein.
Der Nachtragshaushalt 2003 wurde erst jetzt vorge-egt, weil wir auf der sicheren Seite sein wollten. Mitem Herbstgutachten der Wirtschaftsforschungsinstitute,enige Tage alt, mit den Eckwerten der Bundesregie-ung zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und miter heutigen Steuerschätzung haben wir nun eine sichereatenbasis.Sie haben uns vorgeworfen, wir hätten die Vorlagees Nachtrags verschleppt, um die wahre Lage zu ver-chleiern. Das ist der blanke Unsinn. Ich will nicht sagenlächerlich“; denn das, was Sie erzählen, ist wirklichchon blanker Unsinn. Es wurde nichts verschleppt unds wurde überhaupt nichts verschleiert.Als im Sommer die Schätzungen der Sachverständi-en eine weitere Wende nahmen, zum dritten Mal eineende nahmen – ich würde mich als Sachverständiger
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Walter Schölerlangsam ein bisschen schämen, wenn ich mir dreimalhintereinander so etwas erlaubt hätte –,
haben wir sofort erklärt, dass ein Nachtrag notwendigsein wird und dass wir eine weit höhere Verschuldungeingehen müssen, als wir sie für den Haushalt 2003 ur-sprünglich veranschlagt haben.
Seitdem hat sich – wir alle bedauern das, Sie mit Si-cherheit genauso wie wir – eine weitere Verschlechte-rung der Entwicklung gegenüber den Annahmen vomFrühjahr ergeben. Im Nachtragsentwurf müssen wir des-halb die Neuverschuldung auf 43,4 Milliarden Euro an-heben. Glauben Sie nicht, dass uns das leicht fällt. Esgibt dazu aber keine Alternative. Auch Sie haben heutekeine ernsthafte Alternative genannt.
Gerade der jetzt festzustellende Aufwuchs gegenüberder Einschätzung vom August zeigt, dass es richtig war,die sichere Datenbasis, die wir jetzt im November haben,abzuwarten. Hätten wir schon im Sommer aufgrund derdamaligen Erkenntnisse einen Nachtrag präsentiert, hät-ten wir vermutlich heute mit einem zweiten Nachtrageine Korrektur vornehmen müssen. Das haben wir unsso erspart.
Eine solche Korrektur hätte auch nur zu einer weite-ren Verunsicherung beigetragen. Sie betreiben hier Ver-unsicherung. Wir wollen das nicht. Wir wollen uns sol-che kontraproduktiven Leistungen, wie wir sie vonIhnen hier inzwischen gewohnt sind, nicht erlauben.Im Jahr 2003 ist die Stagnation noch nicht überwun-den. Sie trifft den Bundeshaushalt – anders als die Län-derhaushalte – sowohl auf der Einnahmen- als auch aufder Ausgabenseite mit sehr großer Wucht. Die Steuerein-nahmen – das beklagen wir – bleiben um 12,5 Milliar-den Euro hinter der Veranschlagung zurück. Der Arbeits-markt erfordert Mehrausgaben von 12 Milliarden Euro.Alle anderen, nicht unmittelbar auf der schwachen Kon-junktur beruhenden Mehrausgaben – Sie sprechen ja vomSparen – werden durch Minderausgaben an andererStelle aufgefangen. Insoweit ist unser Haushaltsvollzugsehr solide.
Ich halte fest, dass Kollege Austermann eben ganz be-wusst für die Verschuldung einen Betrag von 54 Milliar-dkWwqwÖndwUldwWkgntwrtdldifdwhbndfat2Bf
er hier wieder wie Sie trickst, Kollege Austermann,er den üblichen Staatsverschuldungen auch noch Li-uiditätsmittel hinzurechnet, die dann am Jahresschlussieder ausgeglichen sind, wer also auf diese Weise dieffentlichkeit täuscht, kann überhaupt nicht in Anspruchehmen, von Verantwortung zu reden,
enn Sie wollen nichts anderes, als mit Ihren Aussageneiter zu verwirren.
ns wird der Jahresabschluss in wenigen Wochen vor-iegen; ich werde Sie dann an der Zahl von 54 Milliar-en Euro messen.Zur Ausweitung der Neuverschuldung, auch wennir sie beklagen, gibt es leider keine echte Alternative.ir wollten und durften die konjunkturelle Entwicklungeinesfalls durch etwaige drastische Ausgabenkürzun-en, die Sie fordern, zu denen Sie aber im Übrigen kei-en konkreten Vorschlag gemacht haben, weiter belas-en. Wir haben deshalb die automatischen Stabilisatorenie schon im Vorjahr wirksam werden lassen. Unter Be-ücksichtigung der konjunkturbedingten Haushaltsbelas-ungen von Ländern und Gemeinden ist es uns gelungen,urch diese automatischen Stabilisatoren die wirtschaft-iche Entwicklung in diesem Jahr mit über 30 Milliar-en Euro zu stützen. Das ist eine gewaltige Summe. Siest größer als das Volumen der anstehenden Steuerre-ormstufen II und III. Man stelle sich vor, wir hätteniese 30 Milliarden Euro aus dem Kreislauf genommen,ie Sie es eben hier vorgeschlagen haben. Die Spiraleätte sich weiter nach unten gedreht; die Zahl der Ar-eitslosen wäre noch weiter gewachsen. Das wollten wiricht. Deshalb müssen wir jetzt zwangsläufig diese Aus-ehnung des Staatsdefizits für 2003 in Kauf nehmen.Im Übrigen verhandeln wir gerade über den Haushaltür das Jahr 2004; Sie haben es angesprochen. Es wärellerdings gut, Sie beteiligten sich nicht nur an den Bera-ungen, sondern auch an Entscheidungen in Bezug auf004.
isher haben Sie dazu überhaupt nichts beigetragen.
Herr Kollege Schöler, erlauben Sie eine Zwischen-rage des Kollegen Koppelin?
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Ja, von Herrn Koppelin immer.
Bitte schön, Herr Koppelin.
Kollege Schöler, das, was Sie eben gesagt haben, ist
für mich ein guter Anlass, folgende Zwischenfrage zu
stellen: Können Sie bestätigen, dass die FDP-Fraktion
bei den jetzigen Beratungen über den Haushalt 2004 be-
reits Kürzungsvorschläge im Umfang von über 2 Milli-
arden Euro gemacht hat, über die man sich sicherlich un-
terhalten kann? Wie kommt es, dass Sie alles, selbst
kleinste Sparmaßnahmen beim Haushalt 2004 – das sind
unsere Anträge – ablehnen?
Wir sind bereit, sogar noch weitere Sparmaßnahmen
vorzuschlagen; es ist auch gegenüber den eigenen Politi-
kern nicht einfach, solche Sparvorschläge zu machen.
Können Sie bestätigen, dass die FDP-Fraktion sich in-
tensivst an den Beratungen über Sparvorschläge betei-
ligt, die Koalition bisher aber alle diese Vorschläge ab-
gelehnt hat?
Ja, ich kann bestätigen, dass Sie eine Reihe von Ein-sparvorschlägen gemacht haben. Ich kann allerdingsnicht bestätigen, dass die Koalition sie alle abgelehnthätte. Ich kann bestätigen, dass wir im Gegensatz zurUnion, die sich an Entscheidungen nicht beteiligt, sogargemeinsam entscheiden. Ich kann allerdings auch bestä-tigen, dass Sie im Vorjahr für den Haushalt 2003 An-träge gestellt haben, die das Haushaltsvolumen um über3 Milliarden Euro ausgedehnt hätten. Auch das müssenSie dann zur Kenntnis nehmen.
Aber vielleicht haben Sie bezüglich Ihrer Anträge einbisschen gelernt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Neuverschul-dung liegt deutlich über dem Investitionsvolumen von26,7 Milliarden Euro.
Das ist jedoch kein Verfassungsbruch, wie KollegeAustermann gerade behauptet hat.
In diesem Zusammenhang erinnere ich Sie an die Zeiten,als Ihr Finanzminister Waigel Haushalte zu verantwortenhatte. Das, was wir machen, ist gemäß der Ausnahmere-gelung des Art. 115 Grundgesetz verfassungsgerecht,dtgsVnswpurwmkglsdzdebsddddlIuSAdEswBfwtpshwIi
Auch das Staatsdefizit steigt infolge der Konjunktur-chwäche an. Nach Berechnungen des Herbstgutachtensird es in diesem Jahr rund 4 Prozent des Bruttoinlands-roduktes erreichen. Das ist uns viel zu hoch; es ist abernvermeidbar, wenn man die automatischen Stabilisato-en wirken lässt. Ich habe Ihnen eben dargestellt, mitelch gutem Erfolg dies geschehen ist.Das Herbstgutachten enthält den Vorwurf, es sei nichtöglich, die Ziele Haushaltskonsolidierung, Steuersen-ung und Konjunkturbelebung gleichzeitig zu verfol-en.Das mag sich aus Sicht der reinen Wissenschaft viel-eicht so darstellen. Ich sage Ihnen aber: In dieserchwierigen Haushalts- und Konjunkturlage bleibt unsoch überhaupt nichts anderes übrig, als diesen Spagatu wagen. Wir befinden uns in einem Spannungsfeld,as durch einen langfristigen Abbau der Defizite undine konjunkturgerechte Politik gekennzeichnet ist. Da-ei haben wir durchaus Erfolge vorzuweisen. Das wis-en Sie auch.
Das Herbstgutachten bescheinigt uns eine Rückführunges strukturellen Defizits in 2003 um immerhin 1 Prozentes Bruttoinlandsprodukts, das heißt um gut 20 Milliar-en Euro. Ohne diesen Kraftakt vor allem im Bereicher sozialen Sicherungssysteme läge unser Defizit näm-ich bei 5 Prozent des Bruttoinlandprodukts.
n 2004 wird das strukturelle Defizit weiter – mindestensm einen halben Prozentpunkt – abgesenkt. Das sindtrukturbereinigungen, die aber erst bei dem erwartetenufschwung voll zum Tragen kommen werden.Es gibt durchaus auch handfeste Belege dafür, dassie Hoffnung auf eine Aufhellung der wirtschaftlichenntwicklung berechtigt ist. Eine Erholung hat begonnen,ie wird sich im nächsten Jahr verstärken, die Wirtschaftird sich stabilisieren. Das Herbstgutachten erkennt eineelebung der Weltwirtschaft, die sich im nächsten Jahrortsetzen wird, wobei insbesondere die USA und Japanirtschaftlich deutlich wachsen werden. Dieses Gutach-en sagt auch für Deutschland eine Besserung voraus. Esrognostiziert eine Wachstumsrate von 1,7 Prozent, dieowohl von der Inlandsnachfrage als auch vom anzie-enden Außenhandel getragen wird.Auch die Entwicklung an der Börse lässt Positives er-arten. Kollege Kampeter ist Spezialist für Börsen. Derfo-Geschäftsklima-Index macht ebenfalls Mut; denn erst mittlerweile zum sechsten Mal in Folge gestiegen.
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Walter SchölerDabei ist insbesondere wichtig, dass jetzt nicht nur derTeilindex der Erwartungen, sondern erstmals auch derTeilindex der Lagebeurteilung angestiegen ist.
Wir wollen uns nichts vormachen: Die konjunkturelleErholung ist noch ein zartes Pflänzchen, das wir sorg-sam hegen und pflegen sollten, und wir dürfen nicht inder Art, wie Sie hier in die Haushaltsdebatte eingreifen,alles niedermachen, zerstören und austrocknen lassen.Ein ganz wichtiges Element dabei ist, dass das Reform-paket der Bundesregierung umgesetzt wird.Das Herbstgutachten hat die Umsetzung bereits inseine Projektion der wirtschaftlichen Entwicklung einge-baut. Das heißt: Ohne diese Umsetzung gibt es auch keinWachstum von 1,7 Prozent. Das gilt ganz besonders fürdas Vorziehen der Steuerreformstufe von 2005 auf 2004,die hier eben noch einmal debattiert wurde. Alle For-schungsinstitute befürworten das Vorziehen dieser Steu-erreformstufe und sehen darin einen Wachstumsimpuls.Die Signale können doch überhaupt nicht klarer sein.Was aber machen Sie von der Union? Wir sind aufIhre Mitwirkung im Bundesrat angewiesen. Es kommtim Vermittlungsausschuss auf Sie an. Sie tragen dabeieine ganz erhebliche Verantwortung, die Sie in dieserStunde offensichtlich noch nicht wahrnehmen wollen.
Ich bin sicher, dass Sie in vier Wochen etwas anderes sa-gen werden. Ich hoffe, Sie wissen bis dahin, was Siewollen. Ich hoffe auf die Spitzen der Union, die ihreStellung bisher für einfache Machtspiele missbrauchen.Unterschwellig steht bei jedem Reformpaket und jedemVorschlag, der bei Ihnen diskutiert wird, die Frage an,wer in Ihrer Partei die Macht erhält. Das kann nicht dieFrage sein. Die Frage ist: Wie bringen wir gemeinsamDeutschland voran? Diese Frage sollten Sie sich heutestellen.
Herr Fromme, Ihre ureigene Klientel, die Unternehmer,muss Sie von der Union schon jetzt vor einer Blockadewarnen. Arbeitgeberpräsident Hundt sagte in der „Süd-deutschen Zeitung“:Wenn die Steuerreform und die Sozialreformen um-gesetzt werden, besteht die Chance, dass die deut-sche Wirtschaft im nächsten Jahr wächst. … EineSteuersenkung kommt genau zum richtigen Zeit-punkt, um die positiven weltwirtschaftlichen Ten-denzen zu verstärken.Der Porsche-Chef Wiedeking erwartet laut „SZ“ einenspürbaren Impuls für die Konjunktur durch die vorgezo-gene Steuerreform. Laut Infineon-Chef Schumacherkönne dieser Schritt die psychologische Basis für einenAufschwung schaffen. Von dieser psychologischen BasishmbaAttMdrdIvzgzeWzwkSMwWhSReEdSgWalHdHh
Jetzt hat die CSU ja angekündigt, am 8. Dezember ein ei-enes Konzept als Alternative zu dem von Herrn Merz vor-ulegen. Wir werden sehen, dass danach das Merz-Konzeptrledigt ist.
ir wollen eine Steuerreform, die nichts mit dem Kon-ept von Merz oder irgendeinem anderen, das irgend-ann für die Zukunft geplant ist, zu tun hat. Wir wollenonkrete Auswirkungen schon im Januar 2004. Gebenie deshalb Ihre Blockadehaltung auf. Beenden Sie dieiesmacherei, die von Ihnen heute fortgesetzt betriebenurde, und folgen Sie den dringenden Ratschlägen derirtschaftsexperten. Sagen Sie der Bevölkerung bessereute als morgen und nicht erst am 19. Dezember, dassie bereit sind, das Vorziehen der Steuerreform und dieeformgesetze mitzutragen. Dann wissen die Bürgerndlich, woran sie sind, und können vielleicht in froherrwartung auf Weihnachten zu marschierenWir haben unsere Arbeit geleistet. Spätestens seitem 17. Oktober wissen die Bürger, dass es massiveteuerentlastungen in Höhe von 22,6 Milliarden Euroibt. Ein Teil dieses Entlastungsvolumens könnte in daseihnachtsgeschäft fließen und die Konsumnachfragenkurbeln. Dadurch wäre es für alle Bürger in Deutsch-and ein schönes Weihnachtsfest. Sie haben es in derand.
Das Wort hat nun der Kollege Steffen Kampeter für
ie CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Der Kollege Schöler hat gerade gesagt, es gingeier nicht um die Macht, sondern um Deutschland. Wenn
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Steffen KampeterSie das ernst gemeint haben, Herr Kollege Schöler, dannschmeißen Sie den Eichel bitte aus seinem Posten he-raus. Das wäre das Beste, was Sie für Deutschland tunkönnen.
Herr Kollege Schöler, Sie haben weiterhin den Ein-druck erweckt, als sei das Handeln der Bundesregierungverfassungsgemäß
und die exorbitant hohe Neuverschuldung, die imNachtragshaushalt vorgesehen ist, mit dem Grundgesetzvereinbar. Es gibt ein aktuelles Urteil im Zusammenhangmit der Berliner Haushaltssituation, in dem sich dazuklare Worte finden.
Das Urteil besagt, dass man, wenn man über die verfas-sungsrechtlich vorgeschriebene Grenze hinaus Schuldenaufnimmt, auch sagen muss, wofür. Wenn man aber erstzum Ende des Jahres Schulden aufnimmt und wie einNotar die Entwicklung nachvollzieht, die man im Laufedes Jahres verpasst hat, dann kann das nicht der Behe-bung oder Verhinderung einer Störung des gesamtwirt-schaftlichen Gleichgewichtes dienen.
Bei dem, was Hans Eichel hier betreibt, handelt es sichlediglich um ein Nachvollziehen, um das notarielle Be-schreiben einer gescheiterten Politik.
Das ist eigentlich der zentrale Grund, warum man diesenNachtragshaushalt ablehnen muss.Herr Eichel hat uns heute eine neue ökonomischeTheorie vorgestellt: die Pendeltheorie.
Herr Bundesminister, Sie haben gesagt, das Pendelschlage immer in die eine oder in die andere Richtungaus, zurzeit in anderen Ländern weniger stark als inDeutschland. Vor einigen Wochen konnten wir lesen,dass gemäß Angaben des Internationalen Währungs-fonds Deutschland das einzige Land ist, wo sich dasPendel überhaupt nicht bewegt. Wir sind nämlich daseinzige Land, das laut IWF im Jahre 2003 kein Wirt-schaftswachstum erzielt.
Oder anders ausgedrückt: Alle Industrieländer dieserWelt, jedes Schwellen- und auch jedes Entwicklungslandhaben eine stärkere wirtschaftliche Dynamik als dasLand, dem Sie als Bundesfinanzminister vorstehen.
Diese Form von pendelorientierter Politik, meine sehrverehrten Damen und Herren, können wir uns als Deut-svfttlhShsgDsDinGzwdsWWJsgfhh1aedDtäh4USin6a
eswegen kann die Rede nicht Mitgliedern des Deut-chen Bundestages zur Verfügung gestellt werden.
as zeigt ja, wie Ihre argumentative Überzeugungskraft Ihrem eigenen Ministerium gesehen wird. Mangelndelaubwürdigkeit nenne ich das.Wenn man Preisstabilität und solide öffentliche Finan-en will, dann muss man dafür mehr tun, als zum gegen-ärtigen Zeitpunkt getan wird. Aus dem Geist heraus,ass Defizite und Inflation schlecht für die Volkswirt-chaft sind, wurde der europäische Stabilitäts- undachstumspakt geschlossen. Haushaltsdisziplin fürirtschaftswachstum: Das war die Ansage in den 90er-ahren.Ob dieser Nachtragshaushalt zu einer Rekordver-chuldung führt, müssen wir einmal abwarten. Ihre An-aben aus der vergangenen Woche, was die Steueraus-älle betrifft, und die Daten der Steuerschätzung voneute unterscheiden sich um 1,7 Milliarden Euro. Inner-alb von einer Woche gab es also eine Verschiebung um,7 Milliarden Euro. Trotz allem bleibt die Nettokredit-ufnahme hoch. Sie ist der größte Anschlag auf denuropäischen Stabilitätspakt, den wir in der Geschichteer Bundesrepublik Deutschland bisher erleben mussten.ieser Angriff muss abgewiesen werden.
Sie greifen die Fundamente des europäischen Stabili-ts- und Wachstumspaktes regelrecht mit dem Pressluft-ammer an:
,2 Prozent Defizit im Jahre 2003. Die Europäischenion hat Ihnen ins Stammbuch geschrieben, dass derchuldenstand, der bei maximal 60 Prozent des Brutto-landsproduktes liegen darf, in den nächsten Jahren auf5 Prozent steigen wird.Es ist also keine Besserung in Sicht; es geht weiterbwärts. Wer den Stabilitätspakt bricht – dieser Bundes-
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Steffen Kampeterfinanzminister bricht ihn vorsätzlich, doppelt und dauer-haft –, der begeht Verrat am Erbe der Deutschen Mark.Das muss auch in dieser Deutlichkeit gesagt werden.
Der Übergang von der D-Mark zum Euro – das sageich den Menschen im Saal und den Fernsehzuschauern –wurde mit dem Versprechen dauerhaft stabiler Haushalteverbunden. Dieses Versprechen wird jetzt von der Bun-desregierung vorsätzlich, wiederholt und dauerhaft ge-brochen. Der Angriff auf das Erbe der Deutschen Markist eines der übelsten Kennzeichen dieses Nachtrags-haushalts.
Viele kleine Volkswirtschaften in Europa haben sichdiesem Stabilitätspakt verpflichtet gefühlt; sie haben ihreHaushalte in Ordnung gebracht. Aber die beiden größtenVolkswirtschaften in Europa, nämlich Frankreich undDeutschland, haben das Ziel ausgeglichener Haushalte– ursprünglich für 2006 geplant – völlig aus den Augenverloren, was im Fall von Deutschland durch den Nach-tragshaushalt deutlich wird. Nach der Steuerschätzunggibt es Steuerausfälle in Höhe von fast 20 MilliardenEuro. Herr Eichel, angesichts der Tatsache, dass keineBesserung in Sicht ist, ist man sich auf nationaler undauch auf internationaler Ebene im Klaren darüber, dassdie Situation nicht besser wird.Wir müssen die Glaubwürdigkeit des europäischenStabilitätspakts endlich wieder herstellen. Wenn Sie indieser Situation behaupten, man könne in der Rezessionnicht sparen, dann ist das falsch. Während der Haus-haltskonsolidierung in den 90er-Jahren waren dieWachstumsraten höher als in den 70er- und 80er-Jahren,als diese Defizite aufgebaut worden sind. Konsolidie-rung ist zu jedem Zeitpunkt das richtige wirtschaftspoli-tische Konzept. Der Nachtragshaushalt 2003 mit seinemSuperdefizit ist eine Wachstumsbremse für Deutschland.Ihr Gerede über die automatischen Stabilisatoren istwirtschaftspolitischer Blödsinn und führt in den Staats-bankrott.
Wir werden diese laxe Haushaltspolitik bitter be-reuen. Die Zinswende auf den Märkten, von der wir indiesen Tagen lesen können, ist die Antwort der Märkteauf die verfehlte Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bun-desregierung. Wir können rasch in eine Situation gera-ten, in der Geldpolitik und Finanzpolitik gegeneinanderarbeiten. Inflation und Geldwertdestabilisierung des Eu-ros wird das Ergebnis dieser Politik sein.Sie machen diese Politik nicht alleine; ich habe vorhinschon von Frankreich gesprochen. Wir Deutsche wäreneigentlich aufgerufen, den europäischen Stabilitätspakt zustärken, anstatt ihn zu schwächen. Das läge in unseremnationalen Interesse. Im Augenblick erinnert das Verhal-ten Deutschlands und Frankreichs im Ministerrat – das ha-ben Sie zu verantworten, Herr Bundesminister – eher aneine Sündergemeinschaft als an eine Stabilitätsgemein-schaft.mtdShnwtfvrtLcDDgzDlSewgZaeipSshJV
ie erste ganz wichtige Politikänderung, die Deutsch-and braucht, zielt auf Verlässlichkeit der Politik imteuerrecht und in anderen Bereichen, und zwar durchin klares ordnungspolitisches Gesamtkonzept, daseit über den engeren Bereich der Finanzpolitik hinaus-eht. Anders als Sie mit Ihrem Hü und Hott, Zick undack, Morgen und Übermorgen muss sich das Konzeptn der sozialen Marktwirtschaft von Ludwig Erhard ori-ntieren. Es muss dieses ordnungspolitische Leitsystemn den Vordergrund stellen.Zweitens. Wir brauchen eine symmetrische Finanz-olitik, eine Finanzpolitik, die nicht immer bloß aufteuererhöhungen zum Ausgleich von Defiziten setzt,
ondern endlich auch auf der Ausgabenseite ansetzt.
Herr Eichel, Sie wollen doch nicht allen Ernstes be-aupten, Sie hätten irgendwo bei den Ausgaben gespart.
edes Jahr gibt dieser Staat, geben Sie mehr aus als imorjahr. Wer mehr ausgibt, der spart doch nicht.
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Steffen KampeterWir müssen aber endlich mit dem Sparen anfangen.2000 und 2001 hätten Sie konsolidieren können. Sie ha-ben versagt. Jetzt ist es schwierig, aber wir müssen drin-gend auf der Ausgabenseite etwas machen. Denn um dasJahr 2010 oder 2015 trifft der demographische Schocknicht nur unsere Sozialsysteme. Denken Sie auch an dieBundesschuld: Immer weniger Menschen werden das zubezahlen haben, was Sie vergeigt haben.
Umsteuern tut Not. Deswegen sind drittens umfas-sende Reformen auf der Angebotsseite, vor allem aufdem Arbeitsmarkt nötig, aber auch bei den Sozialversi-cherungssystemen. Vor allen Dingen können wir keineverkorkste vorgezogene Steuerreform brauchen. Wir be-nötigen stattdessen eine umfassende, grundlegende Sa-nierung des Steuersystems, wie sie Friedrich Merz vor-geschlagen hat. Das brauchen wir in Deutschland, damites aufwärts geht, aber nicht die verfehlte Finanzpolitik,für die Hans Eichel steht.
Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist
die Kollegin Ilse Aigner, CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-nen und Kollegen! Sehr geehrter Herr FinanzministerEichel, es war Ihnen ja sichtlich peinlich, auf der Presse-konferenz Ihren Nachtragshaushalt vorzustellen. Der„Spiegel“ zitiert Sie wie folgt:Wir rechnen damit und begeben uns damit an denunteren Rand oder die, wenn Sie so wollen, nega-tivste Variante, soweit wir das in unserer Vorschausehen können, dass das für den Bundeshaushalt be-deutet, dass wir bei der Steuereinnahmenseite einenzusätzlichen Ausfall …usw. usf.
Genauso chaotisch wie dieses Zitat ist die Finanz- undHaushaltspolitik dieser Bundesregierung, genauso kon-fus und chaotisch.
Das eigentlich Schlimme und Unerträgliche ist aber,dass Sie schon zum Zeitpunkt der Verabschiedung desBundeshaushaltes 2003 wussten, dass die wesentlichenParameter nicht eingehalten werden können.
BWgSHdkgSvg1eTSekwdsdaHrG–Mdg2Wds1hsdm
ie haben es ganz genau gewusst. Sie haben auch imaushaltsausschuss eingeräumt und das heute erneuert,ass die Annahme, dass die Bundesanstalt für Arbeiteinen Zuschuss brauchen würde, eine falsche Annahmeewesen sei.
ie haben es auch damals schon gewusst. Sie sind alsoon einer vollkommen falschen Voraussetzung ausge-angen. Der Zuschuss beträgt heute nicht null, sondern2 Milliarden Euro.
In jeder Kommunalverwaltung gilt, dass die Risikeninkalkuliert werden sollen, wenn nicht sogar müssen.ritt der schlimmste Fall dann nicht ein, hat man denpielraum, die Zuführung zum Vermögenshaushalt nochtwas zu erhöhen und damit die Spielräume für die Zu-unft zu erweitern. Bei Ihrer Form der Haushaltsführungären Sie als Kämmerer sofort gefeuert worden.
Jetzt kommen wir zur Größenordnung. 43,4 Milliar-en Euro hört sich vielleicht nicht so groß an – das ent-pricht immerhin 84,88 Milliarden DM, für diejenigen,ie vielleicht noch mit DM-Beträgen rechnen –, das sindber 43 400 mal 1 Million Euro. Stellen Sie sich vor,err Minister Eichel, das Christkind hätte Ihnen zu Ih-em Geburtstag am Weihnachtstag des Jahres 1941 eineschenk in Höhe dieser 43,4 Milliarden Euro gemacht.
Ja, er hört schon zu.Jetzt stellen Sie sich vor, dass Sie und Ihre Familie dieöglichkeit gehabt hätten, jeden Tag 1 Million Euro aufen Kopf zu hauen. Dann hätten Sie, wenn Sie 1941 an-efangen hätten, zum heutigen Datum ungefähr noch0,7 Milliarden Euro übrig.
enn Sie bzw. Ihre Nachkommen so weitermachen wür-en, hätten Sie noch bis 2060 Zeit. Dann hätten sie die-es Vermögen endlich aufgebraucht. Im Klartext:19 Jahre lang jeden Tag 1 Million Euro Schulden.Noch eine andere Größenordnung, die mit dem Haus-alt zu tun hat: Wenn wir die Einzeletats des Bundesprä-identen, des Deutschen Bundestages, des Bundesrates,es Bundeskanzlers, des Auswärtigen Amtes, des Innen-inisteriums, des Finanzministeriums selbst, des Minis-
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Ilse Aignerteriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Land-wirtschaft, des Ministeriums für Familien, Senioren,Frauen und Jugend, des Bundesverfassungsgerichtes,des Bundesrechnungshofes, des Ministeriums für wirt-schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie desMinisteriums für Bildung und Forschung und die Versor-gungsbezüge aller Beamten zusammenrechnen, dann er-gibt sich eine Summe von 43,35 Milliarden Euro.
Das ist immer noch weniger bzw. annähernd die Summeder Neuverschuldung, die wir in diesem Jahr haben.
Das heißt im Klartext: Alle Etats dieser Verfassungs-organe und der Ministerien sowie die Versorgung derPensionäre werden in diesem Jahr zu 100 Prozent mitKrediten bzw. über Schulden finanziert.
Das ist eine Bankrotterklärung für den Finanzministerund diese Bundesregierung, denn mit diesem Nachtrags-haushalt amtlich bestätigt wird, dass sie versagt haben.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-
wurfes auf Drucksache 15/1925 an den Haushaltsaus-
schuss vorgeschlagen.
– Darf ich den Zwischenruf des Obmanns einer der gro-
ßen Fraktionen im Haushaltsausschuss als Zögerlichkeit
bei diesem Überweisungsvorschlag interpretieren?
Ich stelle allgemeines Einvernehmen fest. Dann ist das
so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 a bis 8 c auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur
Änderung des Bundesschienenwegeausbau-
gesetzes
– Drucksachen 15/1656, 15/1804 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Tourismus
A
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B
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D
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b
g
B
gebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur
Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes
– Drucksachen 15/1657, 15/1803 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Tourismus
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen zu dem Antrag
der Abgeordneten Klaus Hofbauer, Dirk Fischer
, Eduard Oswald, weiterer Abgeordne-
ter und der Fraktion der CDU/CSU
Verkehrsinfrastruktur auf EU-Osterweite-
rung vorbereiten
– Drucksachen 15/467, 15/1195 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Rainer Fornahl
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
ussprache eine Stunde vorgesehen. – Auch dazu höre
ch keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Bevor ich die Aussprache eröffne, bitte ich, den obli-
atorischen Schichtwechsel möglichst zügig und ge-
äuschlos vorzunehmen, damit wir uns auch bei neuer
esetzung untereinander verständigen können.
Ich erteile dem Parlamentarischen Staatssekretär
chim Großmann das Wort.
A
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-en und Kollegen! Der neue Bundesverkehrswegeplan003 ist die Grundlage für die zukünftigen Investitionenn die Straßen, in die Schienen und in die Wasserstraßennseres Landes. Er ist damit auch die Grundlage für dieeiden Ausbaugesetze, die wir heute in erster Lesung be-aten.Bis 2015 wollen wir 150 Milliarden Euro in eine zu-unftsfähige, vernetzte, ökologisch vertretbare und da-it nachhaltige Verkehrsinfrastruktur investieren.inzu kommen die Regionalisierungsmittel und Anteileus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz.Wir haben die wesentlichen Eckpunkte neu gesetzt.ieser Plan ist zukunftsfähig, weil die Herausforderun-en der EU-Osterweiterung, die Entwicklung zu einerienstleistungs- und Informationsgesellschaft und dieunehmende Mobilität aufgegriffen werden und eingear-eitet worden sind. Er ist zukunftsfähig, weil seine Pro-nosen stimmiger sind als die Prognosen des vorherigenundesverkehrswegeplanes von 1992.
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6234 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003
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Parl. Staatssekretär Achim Großmann– Weil ich wusste, dass Kollege Friedrich die Zunahmeim Güterschienenverkehr ansprechen wird,
habe ich mir natürlich, Herr Friedrich, die Zahlen ausdem Bundesverkehrswegeplan 1992 herausgesucht.
Darin steht im Hinblick auf die Eisenbahn, dass die alteBundesregierung für das Jahr 2010 194 Milliarden Ton-nenkilometer im Güterverkehr geschätzt hat. UnsereSchätzung beträgt 148 Milliarden Tonnenkilometer für2015. Sie müssen zugeben: Wenn wir mutig waren, dannsind Sie mit Ihrer Schätzung jenseits von Gut und Bösegewesen.
Der Plan vernetzt die Verkehre besser als der altePlan. Das ist erforderlich, weil die prognostizierte Zu-nahme des Güterverkehrs von 64 Prozent und die pro-gnostizierte Zunahme des Personennahverkehrs von25 Prozent es unabdingbar machen, dass wir die Ver-kehre miteinander verzahnen, dass wir die Attraktivitäteinzelner Verkehrsträger verbessern und das Wechselnvon einem zum anderen schneller und einfacher ermögli-chen.Dazu ist es notwendig, dass wir die Investitionen fürdie Schiene und für die Straße anpassen. Es ist interes-sant, zu hören, dass wir von vielen Ländern aufgefordertworden sind, bei den Schieneninvestitionen ein wenigkürzer zu treten, und dass uns vorgeworfen worden ist,wir würden zu wenig für die Straße machen. Dann hätteman doch damit rechnen müssen, dass im Bundesrateinige Länder, die so denken, Anträge stellen würden,bei der Schiene etwas zu streichen. Das Gegenteil warder Fall.
Auch bei der Schiene haben die Bundesländer weitereProjekte gefordert, sodass man diesen Vorwurf nichternst nehmen kann.
Erstmals prognostizieren wir durch die Verzahnungslö-sung, die wir in den Plan eingearbeitet haben, das Absin-ken des modalen Anteils des Güterstraßenverkehrs.Auch das ist eine mutige Annahme, die es jetzt zu erfül-len gilt. Neue Raumordnungskriterien geben struktur-schwächeren Räumen neue Entwicklungschancen. Auchdas ist ein Vorteil für die Verzahnung und Vernetzungvon Verkehrsinfrastruktur insgesamt.Der Plan ist ökologisch besser verankert und nachhal-tiger, und zwar durch die bessere Vernetzung, aber auchdurch eine tiefergehende und vor allen Dingen frühereökologische Prüfung mit einem Hinweis auf besonderenaturschutzfachliche Planungsbedarfe.WspuIsghesgkwckPBbeuwimdrb1wrkVtedVb
aren 1992 noch 130 Projekte in einer Umweltrisikoein-chätzung, so haben wir für den Bundesverkehrswege-lan 2003 800 Projekte einer Umweltrisikoeinschätzungnterzogen.
ch glaube, das zeigt, wie gründlich wir vorgegangenind.
Die Voraussetzungen werden auch dadurch nachhalti-er, weil wir stärker in den Bestand und in die Instand-altung investieren. Wir müssen aufhören, so zu tun, alsrschöpfe sich Verkehrspolitik nur im Neubau. Wir müs-en die Straßen und Schienen, die vorhanden sind, pfle-en, warten, auf Vordermann bringen und für die Zu-unft fit machen.
Das sind, wenn Sie so wollen, schon genug Gründe,arum wir einen neuen Bundesverkehrswegeplan ma-hen müssen. Trotzdem will ich dem alten Bundesver-ehrswegeplan noch ein paar Sätze widmen. Der 92erlan hat einen Vorlauf und ein Ergebnis. Es wurde einundesverkehrswegeplan vorgelegt. Dann gab es dieeiden Ausbaugesetze – und siehe da, am Ende standine Summe von 538,8 Milliarden DM. Wenn man dasmrechnet, sind dies jährlich 12,5 Milliarden Euro. Alsir 1998 die Regierung übernommen haben, haben wir Etat eine Summe von 9,6 Milliarden Euro vorgefun-en. Darin waren noch die Gemeindeverkehrsfinanzie-ungsmittel von 1,6 Milliarden Euro enthalten. Also ha-en wir im Grunde 8 Milliarden Euro vorgefunden.
2,5 Milliarden Euro waren geplant, vorgefunden habenir 8 Milliarden Euro.
Selbst wenn Sie in den Jahren davor und in den Jah-en danach besser gewesen wären, wird damit für jedenlar: Das war ein Plan, der keine finanzielle Basis hatte.on daher war es dringend notwendig, hier nachzuarbei-n.
Jetzt will ich Ihnen einmal die Pressemitteilung ausem Bundesverkehrsministerium vorlesen, die nach dererabschiedung der beiden Ausbaugesetze herausgege-en wurde – jetzt wird es noch spannender –:
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Parl. Staatssekretär Achim GroßmannAls wesentlichste Änderung gegenüber der Regie-rungsvorlage des Bundesverkehrswegeplanes 1992wurde eine Erweiterung des Planungsvolumens desBundesverkehrswegeplanes für Neubau- und Aus-baumaßnahmen des vordringlichen Bedarfs um20 Milliarden DM bei gleichzeitiger Verlängerungdes Gültigkeitszeitraumes des vordringlichen Be-darfs bis zum Jahre 2012 beschlossen.Sie haben lustig draufgesattelt und den Bundesver-kehrswegeplan einfach um zwei Jahre verlängert, umnur ja keine Prioritäten zu setzen und jedem Konflikt ausdem Weg zu gehen. So kann man aber keine verlässlicheVerkehrspolitik in Deutschland betreiben.
Es gab schon im Vorlauf dieser Debatte Presseverlaut-barungen; das ist so üblich. Frau Blank und Herr Fischerschreiben: „Mit der Ausrichtung an einen zu engenFinanzplan versucht die rot-grüne Bundesregierung, dieZukunftsbedarfe zu verdrängen.“
Die finanzielle Seriosität unseres Bundesverkehrswe-geplanes ist nicht sein Manko, sondern seine Stärke.
Wir setzen 150 Milliarden Euro ein. Das sind etwa10 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist das, was machbarerscheint. Die Planungsreserve ist ausdrücklich erwähnt.Wir haben im Plan nicht gepfuscht, sondern ausdrück-lich auf eine Planungsreserve hingewiesen. Wir habenauch noch ein bisschen Luft, was auch nötig ist, weilman nie genau weiß, was noch kommt.Wir haben bei fast allen A-Modellen mit einer 100-pro-zentigen Finanzierung gerechnet,
obwohl die Finanzierung der A-Modelle bis zum Jahre2015 noch gar nicht abgeschlossen sein wird. Wir sindbei der Maut – ich weiß, es ist ein unsägliches Thema –trotz zu erwartender Verkehrssteigerungen – es sollen65 Prozent mehr Güter transportiert werden und ein gro-ßer Teil davon sicher auf der Straße – von Einnahmenausgegangen, die von der Höhe her denen des Erstjahresentsprechen. Wir haben keine durch die verkehrliche Zu-nahme bedingten Steigerungsraten eingerechnet. Auchdas spricht für die Seriosität der finanziellen Unterle-gung dieses Bundesverkehrswegeplans.
Die Vorbereitung dieser Gesetzgebung war sotransparent, offen und kommunikativ wie noch nie zu-vor. Bereits die Zusammenstellung der Länderanmel-dungen wurde dem Fachausschuss zur Verfügung ge-sgamiAbslrGwwmfEmMiledfBvsnWhssgvggkaddvgbMTp
In der Zwischenzeit, von Januar bis Juni, haben wirehrere Hundert Stunden kommuniziert, Gespräche ge-ührt.
s gab Gespräche des Ministers und der Staatssekretäreit Bürgermeistern, Oberbürgermeistern, Landräten,dLs, MdBs, mit Vertretern von Verbänden und Bürger-nitiativen. Ich glaube, wir haben eine Kommunikations-eistung hinter uns, die sehr ungewöhnlich war und dies in diesem Umfang bis jetzt noch nicht gegeben hat.
Bei der parlamentarischen Beratung wollen wir aufiesem guten Wege weitermachen. Wir haben Ihnen um-angreiche Informationen zukommen lassen, so zumeispiel zusätzliche Karten in Bezug auf die Schienenin-estitionen. Wir haben nach Autobahn- und Bundes-traßennummern systematisierte Listen erstellt, die Ih-en bei dem Auffinden von Projekten helfen werden.ir haben für die Internetverfügbarkeit gesorgt und wiraben im Ausschusssekretariat 60 Ordner mit allen Dos-iers in schriftlicher Form. Weiterhin haben wir im Aus-chuss rechnergestützte Präsentationsmöglichkeiten. Ichlaube, wir sind auf einem guten Weg, diesen Bundes-erkehrswegeplan und die damit verbundenen Ausbau-esetze wirklich intensiv beraten zu können.Es bleibt mir, all denen zu danken, die bis zum jetzi-en Zeitpunkt geholfen haben, dies alles vorlegen zuönnen. Dazu zählen natürlich die Länder, die Verbände,ber auch viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Bun-estag. Es ist auch die gute Zusammenarbeit mit den an-eren Ressorts zu erwähnen. Wir haben mit dem BMUorher korrespondiert und nicht erst nachher. Sicherlichehören auch die externen Gutachter dazu. Mein ganzesonderer Dank gilt aber den Mitarbeiterinnern unditarbeitern meines eigenen Ministeriums, die teilweiseag und Nacht an diesem Plan gearbeitet haben, umünktlich fertig zu werden.
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Ich freue mich auf die Zusammenarbeit bei der Bera-tung dieses großen Werkes und hoffe, dass wir gründ-lich, aber auch zügig beraten; denn noch liegen wir imZeitplan und es wäre schön, wenn diejenigen, die daraufwarten, mit konkreten Zahlen, Daten und Fakten arbei-ten zu können, in den Genuss einer möglichst schnellenVerabschiedung dieser Ausbaugesetze kommen würden.Vielen Dank.
Ich erteile der Kollegin Renate Blank, CDU/CSU-
Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! DemDank an Ihre Mitarbeiter schließen wir uns gern an, abersonst keinen Ausführungen Ihrer Rede. All das, was ichhier mitbringe, nämlich das Fernstraßenausbaugesetzmit Anlage und der Bundesverkehrswegeplan, ist dasPapier nicht wert, auf dem es gedruckt ist,
und zwar aus folgendem Grund: Was zu Beginn dieserWoche zu hören war, ist Wirklichkeit geworden. Sie ha-ben einen Baustopp verhängt. Davon sind Straßenbau-projekte betroffen, die notwendig sind. Der Verkehrs-minister kann uns im Ausschuss noch so viel erzählen,dass wir uns auf gutem Wege befinden würden, denn dieStraßenbauprojekte würden weitergeführt. Er hat denAusschuss in allem getäuscht.Realität ist: Durch die Affäre um die Maut steht Geld,das für den dringend notwendigen Neubau, Ausbau undUnterhalt der Straßen gebraucht wird, nicht zur Verfü-gung. Das Problem, dass es beim Straßenbau nicht wei-tergeht und dass Bauprojekte gestoppt werden, habenSie zu verantworten. Durch den Ausfall der Maut – wirhaben gehört, dass die LKW-Maut erst am 1. Septemberstarten soll – entgehen uns weit über 2 Milliarden Eurofür die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland. Das habenSie zu verantworten.
Ich wusste nicht, dass Sie, meine Damen und Herrenvon Rot-Grün, so fußballfeindlich sind. Eine Straßenan-bindung an die Stadien für die Weltmeisterschaft 2006ist dringend erforderlich. Deren Bau wird unter Zeit-druck geraten.
– Kollege Hermann, es besteht Zeitdruck. Schließlichwollen Sie bei der WM 2006 dabei sein – dann aller-dings als Politiker der Opposition.dgtnseteWstrpLiJftJHwliztDkßk–icgwFdzsgsdbszliggemzK
Das haben Sie noch nicht gemerkt? Schade! Dann sageh Ihnen das jetzt. – Auch der PKW-Verkehr wird Stei-erungen zu verzeichnen haben; denn unsere Arbeits-elt wird flexibler werden, ob wir wollen oder nicht.lexible Arbeitszeiten rund um die Uhr können nicht mitem ÖPNV bewältigt werden; nehmen Sie das einmalur Kenntnis. Durch veränderten Freizeitverkehr mit ge-tiegenem Mobilitätsbedürfnis der Bürgerinnen und Bür-er und veränderte Arbeitszeiten wird es andere Dimen-ionen geben. Mit der Schiene oder dem ÖPNV könnenie Anforderungen an den Verkehr, die sich daraus erge-en, schon aus Kostengründen nicht bewältigt werden.Durch Baumaßnahmen werden Arbeitsplätze ge-chaffen. Denken Sie bitte an die Bauwirtschaft, die zur-eit darnieder liegt! Investitionen in Höhe von 1 Mil-arde Euro sichern 20 000 bis 25 000 Arbeitsplätze.Nun einige Anmerkungen zum Bundesverkehrswe-eplan. Sie haben das politische Verfahren zum BVWPeändert. Sie haben die Öffentlichkeit informiert undine öffentliche Diskussion herbeigeführt. Das Parla-ent dagegen, das schließlich über die Ausbaugesetzeu entscheiden hat, konnte sich erst nach Vorliegen desabinettsbeschlusses mit dem BVWP befassen.
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Renate BlankDie Irritationen, die durch diese Vorgehensweise ent-standen sind, lasse ich an dieser Stelle beiseite.Neben der Änderung des politischen Verfahrenswurde ein weit schwerer wiegender Wechsel vorge-nommen – jetzt wird es wichtig –, nämlich ein konzep-tioneller Wechsel von der Nutzen-Kosten-Analyse zurNutzwertanalyse. Die Nutzen-Kosten-Untersuchungwar und ist ein international anerkanntes Verfahren, mitdem weltweit die volkswirtschaftliche Rentabilität vonInfrastrukturentscheidungen nachgewiesen wird und dasnachprüfbare Wirkungen aufzeigt. Die Transformationder Nutzen-Kosten-Analyse zur Nutzwertanalyse ist des-halb methodisch ein Rückschritt. Diese enthält subjek-tive Einstufungen und Gewichtungen, also ob etwas gutoder schlecht ist, je nachdem, ob es Rot oder Grün passt,und verzichtet auf objektive Wirkungen, die am Marktüberprüfbar sind. Dieser konzeptionelle Wechsel zu ei-nem offenen Katalog von Wirkungen öffnet der Belie-bigkeit Tür und Tor. Das trifft auch für die neu geschaf-fene Einstufung „neue Vorhaben mit besonderemnaturschutzfachlichen Planungsauftrag für den Vordring-lichen Bedarf“ zu. Bei diesen Einstufungen werdenRaumwirksamkeits- und Umweltkriterien teilweise dop-pelt erfasst.Zudem erschwert diese neu geschaffene Kategorie dieGenehmigungsverfahren durch die notwendig werdendeindividuelle Begründung der Planrechtfertigung undderen Anfechtbarkeit. Wenn Sie schon neue Kriterieneinführen mussten, dann hätte ich mir Kriterien wie So-zialverträglichkeit, Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaftoder Strukturwandel vorstellen können. Dies wären ob-jektive Kriterien gewesen.Bei der dritten Beliebigkeit geht es um die Zusagendes Bundeskanzlers bzw. seiner Minister.
Ohne Rücksicht auf das Nutzen-Kosten-Verhältnis wur-den vor Ort politische Zusagen in Höhe von immerhinrund 3 Milliarden Euro gemacht.
Teilweise sind Projekte dabei, die den sonst vorgegebe-nen Faktor von 5,2 bei weitem nicht erreichen. HerrStaatssekretär, der Bundesverkehrswegeplan 2003 ist– im Gegensatz zum BVWP 1992 – von einem sachge-rechten Bedarfsplan zu einem Beliebigkeitsplan verkom-men.
Das kommt halt davon, wenn man statt verkehrspoliti-schen Sachverstand nur treue Genossen in das Ministe-rium einziehen lässt, um sie zu belohnen.
Der Sachverstand und die Sachkenntnis bleiben auf derStrecke. Das ist beim BVWP und bei der LKW-Mautganz deutlich zu erkennen.fBnwfbdlm„kMArlnbmDVnldsdm–gzsmatb
nsonsten besteht die Gefahr, dass solche Projekte nichtechtzeitig umgesetzt werden können.
Da die Planungskosten derartiger Projekte vorab zu-asten der jeweiligen Länder gehen, ist den Ländernicht zuzumuten, Planungen auf ihre Kosten zu betrei-en, ohne die Gewissheit zu haben, dass diese Maßnah-en auch tatsächlich verwirklicht werden.
as sollten Sie bitte ernst nehmen; denn das wäre eineerschwendung von Steuergeldern. Diese Sorge schei-en die Bundesregierung und Rot-Grün allerdings wirk-ich nicht zu haben.
Im BVWP fehlt auch der Transrapid, obwohl die EUie Transrapid-Planungen in München mit einem Zu-chuss unterstützt. Ich kann mir natürlich vorstellen,ass man den grünen Koalitionspartner nicht verprellenöchte.
Lieber Kollege Schmidt, Sie waren ja schon immer ge-en den Transrapid und sind es nach wie vor.Lassen Sie mich noch einige Worte zur Privatfinan-ierung von Projekten sagen. Die privaten Konzes-ionsmodelle unterliegen der ausdrücklichen Zustim-ung und Kontrolle des Parlaments. Das Parlament hatber keine Möglichkeit der Einflussnahme auf die Ver-räge im Zusammenhang mit den nach dem Fernstraßen-auprivatfinanzierungsgesetz vorgesehenen Vorhaben.
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)
)Renate BlankSchade, dass Rot-Grün meinem damaligen Hinweisbeim Hearing nicht gefolgt ist; denn wie wichtig dieKontrolle durch das Parlament ist, erleben wir derzeitbeim Vertrag bezüglich der LKW-Maut.Meine Damen und Herren, das Fernstraßenausbauge-setz, das die Projektliste beinhaltet, hat große Mängelund findet in dieser Form nicht unsere Zustimmung. Wirhoffen, dass im Zuge der Beratungen die Vernunft beiRot-Grün einkehren wird, damit wir am Schluss ein Ge-setz zum Ausbau der Fernstraßen vorliegen haben, dasden Namen auch verdient
und das nicht als Verhinderungsgesetz von Rot-Grünverabschiedet wird.
Ich erteile dem Kollegen Albert Schmidt, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.Albert Schmidt (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN):Geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol-legen! Der neue Entwurf des Bundesverkehrswegeplans,der im formellen Sinne erst mit der heutigen ersten Le-sung in die parlamentarischen Beratungen eingebrachtwird, ist sicherlich kein Evangelium. Er ist auch nichtder Wunschkatalog, den sich die Grünen immer vorge-stellt haben. Er lässt für viele auf allen Seiten des Hau-ses, auch bei uns, noch Wünsche offen; das ist gar keineFrage. Aber ich glaube, dieser neue Bundesverkehrswe-geplan, den wir jetzt im Parlament zu beraten, zu verän-dern und zu diskutieren haben werden, enthält in wesent-lichen Punkten ganz zentrale Fortschritte.Es ist meines Erachtens der erste Bundesverkehrswe-geplan, der das Kriterium der Haushaltsehrlichkeit undder Bezahlbarkeit überhaupt ernst nimmt.
Hier wird zum ersten Mal nicht einfach alles aufge-schrieben, was man aus guten oder schlechten Gründenwünschen könnte, sondern es wird, auch unter Inkauf-nahme von Konflikten, darauf hingewiesen: Nicht alles,was für den einen oder anderen wünschenswert ist, istauch bezahlbar.Meines Erachtens ist auch mit der Planungsreserveein realistischer Rahmen eingehalten worden; denn manmuss davon ausgehen, dass im Schnitt jedes vierte Pro-jekt durch Planungsschwierigkeiten Verzögerungen er-fährt oder sogar ganz auf der Strecke bleibt, sodass einReserveprojekt nachrückt, das dann auch geplant seinmuss.
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it diesem Bundesverkehrswegeplan ist zum ersten Malin nachvollziehbares Verfahren zur besseren Umwelt-erträglichkeit eingehalten worden. Das ist absolut in-ovativ; das wurde von Herrn Staatssekretär Großmannereits angesprochen.
underte von ökologisch problematischen Einzelprojek-en wurden im Vorscreening untersucht und detailliertachuntersucht. Eine ganze Reihe von Alternativplanun-en wurde auf diese Weise auf den Weg gebracht und beiielen dieser Projekte gibt es noch den ökologischen Pla-ungsvorbehalt, der im Klartext bedeutet: So nicht, esei denn, der ökologische Vorbehalt lässt sich im weite-en Planungsverlauf abarbeiten. Auch das ist ein Fort-chritt in puncto Umweltverträglichkeit, der unsererraktion ganz besonders wichtig ist.Das ist in einer Transparenz geschehen, die einmaligst, und diese Transparenz – das will ich hier einmal sa-en – hat einen Namen. Jeder von uns, die wir hier sit-en, und jeder aus einer Landesregierung, ob schwarzder rot oder grün, konnte dort hingehen, konnte anru-en, konnte schreiben und fand ein offenes Ohr, wenn esein musste, bei Tag und bei Nacht. Dieser Name lautetchim Großmann. Ich fände es fair, Kollegen, wenniese Leistung auch wirklich gewürdigt würde.
Ebenfalls neu an dem uns jetzt vorliegenden Plan istie Ausgewogenheit in der Mittelverwendung. Zumrsten Mal wird der Anspruch ernst genommen, dass dieerkehrsträger, wenn wir sie denn gleichermaßen brau-hen und gleichermaßen entwickeln wollen, auch auf dervestiven Seite gleichermaßen ausgestattet werdenüssen. Dabei geht es mir nicht um eine rechnerische,fennigfuchserische Gleichstellung. Zum ersten Malber gibt es in der Gesamtschau der Investitionen desundes über die einzelnen Verkehrsträger eine Ausge-ogenheit der Mittel und wir als Fraktion werden auf dieinhaltung dessen auch im Vollzug der Haushaltspläneür die kommenden Jahre achten.Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, dereines Erachtens in diesem Plan völlig neu ist, nämlichie Gewichtung zwischen Bestand, Bestandserneuerungnd Bestandserhaltung, und zwar bei Straße wie beichiene, auf der einen Seite und Neubau und Ausbau aufer anderen Seite. Mit diesem Plan werden zum erstenal klare Prioritäten für Bestandserneuerung und Be-tandserhalt gesetzt. Nach dem Grundsatz „Sanierungor Ausbau und Neubau“ gehen 56 Prozent der investi-en Mittel in den Bestand und nur 44 Prozent in Ausbaund Neubau. Bei der Schiene ist das Verhältnis übrigensoch krasser, nämlich zwei Drittel zu einem Drittel, beier Straße ist es etwa fifty-fifty. Das heißt, es wird aner-annt, dass wir eines der dichtesten Verkehrsnetze in
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Albert Schmidt
Europa, wenn nicht auf der Welt haben und dass dieseszu erhalten und fortzuentwickeln eine Menge Anstren-gungen verlangt und selbstverständlich eine natürlicheBremse gegenüber neuen Zubau- und Ausbauwünschendarstellt, die dann eben im buchstäblichen Sinne auf derStrecke bleiben müssen.
Ich möchte, verehrte Damen und Herren, darum bit-ten, dass wir uns bei den anstehenden Beratungen dieEinzelprojekte dennoch sehr genau anschauen.
Der ganze Plan ist ja, wie gesagt, kein Evangelium. Si-cherlich gibt es Änderungswünsche und Änderungsbe-darf. Es gibt auch Ungereimtheiten. Ich will ein Beispielnennen. Wenn die A 4, die Rothaargebirgsautobahn, inNordrhein-Westfalen gar nicht vorhanden ist, aber inRheinland-Pfalz plötzlich fortgeführt werden soll, dannist das natürlich eine Ungereimtheit, die wir beseitigenmüssen.
– Das ist richtig. Ich habe mich versprochen. Ich be-trachte die Rothaargebirgsautobahn auf dieser Seite derLandesgrenze eher als eine Anekdote, die wir aber nichtaußer Acht lassen dürfen.Ich bin der Meinung, dass wir an einigen Stellen Klar-heit schaffen müssen, zum Beispiel bei der Einbindungder Stadt Mannheim in das Hochgeschwindigkeitsnetzder Bahn. Wir sind uns sicherlich alle einig, dass dieEinbindung natürlich über den Hauptbahnhof Mannheimerfolgen muss, nicht irgendwo über die grüne Wieseoder über eine Bypasslösung, die keiner im Hause will.
Ich könnte diese Beispiele fortsetzen. Ich persönlichbin sehr froh, dass hinsichtlich der Donau eine Klarstel-lung erfolgt; dies möchte ich aus gegebenem Anlass sa-gen. Wenn der Freistaat Bayern auf eigene Kosten meh-rere Raumordnungsverfahren eröffnen will, um dieStaustufenvarianten zu prüfen, obwohl er gar nicht Maß-nahmenträger bzw. Baulastträger dieses Konzeptes ist,dann möchte ich den Landesrechnungshof in Bayern da-rum bitten, diese Maßnahmen zu überprüfen. WelchenSinn macht es, wenn der Bundestag letztes Jahr einestaustufenfreie Lösung beschlossen hat, wenn im Bun-desverkehrswegeplan eine staustufenfreie Lösung fest-geschrieben ist – nur dafür gibt es Geld –, wenn dies inden Beratungen noch einmal bekräftigt wird, aber HerrStoiber und Herr Wiesheu meinen, sie könnten zusätz-lich Geld aus der Landeskasse für sinnlose Untersuchun-gn–rlTFvNgIkEjeszBnkvFHdtdisaDd
Dieser Witz kostet auch noch Geld. Das ist das Trau-ige daran.Ich will ein anderes Projekt ansprechen, das die Kol-egin Renate Blank bereits erwähnt hat, nämlich denransrapid.
rau Kollegin Blank, dieses Projekt ist nicht im Bundes-erkehrswegeplan enthalten. Warum?
ein, überschätzen Sie nicht die grüne Fraktion oderrüne Personen.
ch kann Ihnen genau sagen, warum es im Bundesver-ehrswegeplan nicht enthalten ist, Frau Kollegin Blank:s ist kein Bundesverkehrsweg, sondern ein Landespro-kt, für das der Bund nur Zuschussgeber ist.
In einer Zeit, in der wir darum kämpfen müssen, un-ere eigenen Projekte für Straße und Schiene überhauptu finanzieren, sollten wir dem Drängen nach erhöhtenundeszuschüssen für ein reines Landesprojekt nichtachgeben. Deshalb werden wir an dieser Stelle sehrlar und sehr entschieden bei dem bleiben, was bishererabredet war.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat nun der Kollege Horst Friedrich für die
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Staatssekretär, ich darf mich dem Dank an Sie undie Mitarbeiter Ihres Hauses im Namen der FDP-Frak-ion anschließen. Es war eine Fleißarbeit. Ich füge aller-ings hinzu: Auch der Bundesverkehrswegeplan 1992st nicht von den Heinzelmännchen gemacht worden,ondern vom Ministerium, von Parlamentariern und ver-ntwortlich handelnden Politikern.
ies war ein etwas größeres Werk, weil wir kurz zuvorie deutsche Einheit vollzogen haben. Das war
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Horst Friedrich
sicherlich eine genauso große Aufgabe wie die EU-Ost-erweiterung, die Sie hätten bewältigen sollen, aber leidernicht bewältigt haben.
Wir haben heute von dem Herrn Staatssekretär großeWorte zur Vergleichbarkeit der Planung und der Finan-zierbarkeit gehört. Tatsache ist, dass zum jetzigen Zeit-punkt ein Ausbau von Bundesautobahnen im Wesentli-chen nur noch dann stattfindet, wenn die entsprechendenBundesländer im so genannten Swing-Finanzierungsver-fahren ihre Mittel im Vorgriff ausgeben, in der Hoff-nung, dass ihnen der Bund diese im nächsten Jahr zu-rückerstattet. Das gilt im Übrigen auch für dieVerkehrsprojekte „Deutsche Einheit“. So viel zur Finan-zierungssicherheit.Vor dem Hintergrund der Situation mit der Maut, dendafür eingefrorenen Finanzmitteln für dieses Jahr inHöhe von 1 Milliarde Euro und den wahrscheinlichenAusfällen von rund 2 Milliarden Euro eingeplanterMauteinnahmen, wird das ganze System vermutlichnoch weniger finanzierungssicher sein. Es ist bezeich-nend, Herr Staatssekretär, dass Sie in Ihrer Investitions-quote bereits die Regionalisierungsmittel und die Mittelaus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz einpla-nen. Ehrlicherweise sollten Sie aber diesen Zahlenver-gleich ebenso für unsere Zeit machen. Auch damals gabes Regionalisierungsmittel, das Gemeindeverkehrsfinan-zierungsgesetz und Investitionen.
– Soweit ich weiß, ist 1996 immer noch vor 1998 unddas Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz gibt es auchschon länger. Wenn man vergleicht, dann sollte manauch fair vergleichen, um sich nicht zumindest der ein-seitigen Betrachtung zeihen zu lassen.Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet von Ihnen derVergleich kommt, um künstlich nachzurechnen, dass derVerkehrsträger Schiene dem Verkehrsträger Straßegleichgestellt worden ist. Wenn man es auf die Verkehrs-leistungen umrechnet, Herr Kollege, dann bekommt dieStraße analog zu den Verkehrsleistungen 10 Prozent des-sen, was die Schiene bekommt.
Herr Kollege Großmann, ich bin im Gegensatz zu Ih-nen offensichtlich lernfähiger. Sicherlich war unsere An-nahme im Jahr 1992 im Hinblick auf die Bahnreformund die Entwicklung, die dann eintrat, deutlich zu opti-mistisch. Sie prognostizieren bis 2015 eine Zunahme desGüterverkehrs auf der Schiene um 100 Prozent. Das tunSie in Anbetracht der letzten drei Jahre und des Kon-zepts Mora C.
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or diesem Hintergrund darauf zu setzen, dass die Pro-leme des Bundesverkehrswegeplanes bis 2015 im We-entlichen dadurch zu lösen sind, dass der Güterverkehruf der Schiene um 100 Prozent zunimmt, zeigt eigent-ch, auf welch schwachen Füßen Ihre Planungen stehen.Nun zum Kollegen Schmidt, der als großes Themangeführt hat, man habe besondere Umweltverträglich-eitsprüfungen eingeführt.
enn ich das Planungsrecht in Deutschland richtigenne, dann ist jeder Baumaßnahme eine Umweltver-äglichkeitsprüfung vorgeschaltet. Es folgen ein Raum-rdnungsverfahren und ein Planfeststellungsverfahren.n diesen Verfahren, die immer noch vorgeschriebenind, ist genau diese Abwägung vorzunehmen. Kein ein-iger Verkehrsweg in Deutschland wird ohne diese Ab-ägung gebaut.
as Sie hier beschreiben, ist ohnehin schon geltendesesetz. Trotzdem führen Sie dies als große Neuerung an.
Es wird nicht dadurch besser, dass man laut dazwi-chenruft.
or allen Dingen wird es nicht besser, wenn man so tut,ls habe man eine Geldvermehrungsmaschine erfunden.Am Jahresende laufen die Sondermittel aus der Ver-abe der UMTS-Lizenzen aus.
iese Mittel haben Gott sei Dank dazu geführt, dass Ihreaushaltsansätze für die Verkehrsinfrastruktur ineutschland in den vergangenen Jahren wenigstens iner Höhe geblieben sind, die wir schon hatten.
llerdings, Herr Kollege Schmidt – weil Sie so schön la-hen –, haben Sie in der Zwischenzeit fünfmal die Öko-teuer erhöht. Auch die Maut ist in diesem Zusammen-ang zu erwähnen. Der Anteil, den Sie für dieerkehrsinfrastruktur ausgeben, ist im Verhältnis gese-en deutlich gesunken. Das ist die Realität. Das heißt,
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Horst Friedrich
Sie belasten den Autoverkehr und die Autofahrer ex-trem, Sie geben ihnen weniger.
Sie bauen Ihren neuen Verkehrswegeplan auf einemWunschbild auf und haben der staunenden Öffentlichkeitvorgegaukelt, dass durch die Einführung der Maut mehrGeld für die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung stehenwürde, egal für welchen Verkehrsträger. Keines dieserZiele haben Sie bisher nachgewiesenermaßen erreicht.Vor diesem Hintergrund kann man nur sagen: Ihr Ziel,einen Verkehrswegeplan aufzustellen, der seriös finan-ziert ist, haben Sie bereits bei Vorlage des Verkehrswe-geplanes verfehlt. Deswegen werden Sie grandios schei-tern. Ich bin gespannt auf die Einzelberatung. Aber beider Finanzierung werden Sie unsere Zustimmung sicher-lich nicht bekommen.Danke sehr.
Ich erteile dem Kollegen Heinz Paula für die SPD-
Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! UnserLand steht zweifelsohne vor großen verkehrspolitischenHerausforderungen. Und was vernehmen wir in dieserZeit vonseiten der Opposition? – Wie immer Gejammer,Genörgel, haltlose Vorhaltungen. Kolleginnen und Kol-legen, so kommen wir doch nicht weiter.
Ich würde Ihnen dringend empfehlen: Hängen Sie dasSchild „LKW-Maut“ einfach ein bisschen tiefer! Dasklärt den Blick. Sie wollen die Tatsache nicht zur Kennt-nis nehmen, dass wir nicht im typischen OppositionsstilPolitik von heute auf morgen betreiben wollen. Es gehtvielmehr darum, bis zum Jahr 2015 die entsprechendenWeichenstellungen vorzunehmen.
Was mich allerdings wirklich empört hat, waren dieVorhaltungen gegenüber dem Mann, der uns in dem ge-samten Prozess zur Seite stand, der immer ein offenesOhr für uns hatte und der mit allen Ländern – auch mitBayern, Frau Blank – regelmäßige Kontakte unterhaltenhat, um die Entwicklung voranzutreiben.
Dass Herrn Staatssekretär Großmann unter diesen Um-ständen Vorhaltungen gemacht werden, ist – mit Ver-laub – völlig daneben.
SakpSeGV–1FknggeWgnoWvthrükgeSaewSDdaiSf
Das ist realistisch. Im Gegensatz zu dem Entwurf von992, den Sie vorhin so heftig gelobt haben, Kollegeriedrich,
önnen wir zu unserer Planung feststellen, dass die An-ahmen realistisch sind. Die Vorwürfe und Vorhaltun-en, das seien Wunschbilder, richten Sie am besten ge-en Ihren damaligen Plan.
Das Gegenteil ist richtig: Wir ermöglichen es, einentsprechende Mobilität in unserem Land zu schaffen.ir sorgen dafür, dass die notwendige Infrastruktur imrößer werdenden Europa durch eine überregionale Ver-etzung gewährleistet wird. Ob im Norden, im Ostender im Süden – zum Beispiel mit dem NEAT-Zulauf –:ir sorgen dafür, dass wichtige Schienenprojekteorangetrieben werden.
Wir werden ferner die Verkehrsnachfrage in die rich-ige Bahn lenken, Frau Blank. Bis 2015 – das wurde vor-in erwähnt – wird beim Personenverkehr eine Steige-ung von 20 Prozent und beim Güterverkehr eine vonber 65 Prozent prognostiziert. Auch das werden Sieaum bestreiten können, meine Kolleginnen und Kolle-en von der Opposition; es sei denn, Sie wollen im Dau-rstau stehen. Ein Großteil des Verkehrs muss auf diechiene verlagert werden. Insofern sind die Prognosenbsolut realistisch.
Wir schaffen die Voraussetzungen dafür. Auch wenns vonseiten der Opposition immer wieder angezweifeltird, ist es trotzdem richtig, dass erstmals die Mittel fürchiene und Straße einander angeglichen worden sind.as ist zweifelsohne unter Einbeziehung der Mittel nachem GVFG und dem Regionalisierungsgesetz erfolgt,ber – Herr Schmidt hat vorhin darauf hingewiesen –nsgesamt stehen bis 2015 77,5 Milliarden Euro für dietraße und 77,9 Milliarden Euro für die Schiene zur Ver-ügung.
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Heinz PaulaEs steht nach wie vor unwiderruflich fest: Wir stärkennachhaltig die Schiene auch und gerade im Bereich desErhalts. Weil meine Kollegin aus Bayern vorhin so deut-lich darauf hingewiesen hat, wie wichtig der Erhalt ist,empfehle ich Ihnen dringend, Kollegin: Halten Sie dieseRede im Bayerischen Landtag!
Sie werden feststellen, dass kaum ein anderes Bundes-land die Mittel für den Staatsstraßenbau derartig herun-tergefahren hat wie die bayerische Landesregierung.
Wenn Sie Ihre Sorgen und Anliegen loswerden wollen,dann tun Sie das bitte an der richtigen Stelle!Darüber hinaus wird kräftig in den Neu- und Ausbauder Schienenwege investiert. 27 laufende und fest dispo-nierte und 28 neue Vorhaben im Bereich Schiene sind alsvordringlicher Bedarf eingestuft. Dazu gehören Schie-nenverbindungen wie Karlsruhe–Stuttgart–Nürn-berg–Leipzig/Dresden und Berlin–Frankfurt/Oder, umnur einige zu nennen.
Sie werden mit einem realistischen Finanzrahmen undeiner konstanten Fortschreibung des Mittelansatzes be-gonnen bzw. zügig realisiert.An dieser Stelle dürfen wir den MinisterpräsidentenKoch und Steinbrück eine klare Absage erteilen, FrauBlank, und für beide eines deutlich festhalten: Investitio-nen in die Verkehrsinfrastruktur der Schiene sind keineSubventionen, sondern Maßnahmen zur Stärkung desWirtschaftsstandortes Deutschland.
Die Opposition hat wahrlich keinen Grund, sich überdie Schieneninvestitionen des Bundes zu beklagen;
es sei denn, sie versucht, mit aller Gewalt das berühmteHaar in der Suppe zu finden.Es sei wiederholt, Frau Kollegin: Wir hätten gernenoch einige neue Maßnahmen in den Bundesverkehrs-wegeplan aufgenommen, wenn wir nicht leider un-sägliche Projekte aus Ihrer Regierungszeit wie die ICE-Strecke München–Ingolstadt–Nürnberg zu finanzierenhätten. Ich habe es bereits angesprochen: 3,5 MilliardenDM waren eingeplant; mittlerweile belaufen sich dieKosten auf 3,5 Milliarden Euro. Herr Kollege Friedrich,was hätten wir mit diesem Geld nicht alles zusätzlich inunseren Bundesverkehrswegeplan aufnehmen können!
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Ich erwarte und hoffe, dass wir in den anschließendeneratungen zu sachlichen und vernünftigen Kooperatio-en kommen werden.
it dem Blockieren haben Sie ja Ihre Erfahrungen, liebeolleginnen und Kollegen von der Opposition. Bewei-en Sie jetzt, dass Sie auch zu einer sachlichen Koopera-on fähig sind, um die Dinge im Interesse unseres Lan-es voranzutreiben.
Das Wort hat nun der Kollege Enak Ferlemann, CDU/
SU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Wir behandeln heute in erster Lesung endlichas Fernstraßenausbaugesetz und das Bundesschienen-
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Enak Ferlemannwegeausbaugesetz mit den entsprechenden Bedarfsplä-nen auf der Grundlage des Bundesverkehrswegeplans2001 bis 2015. Schon die sehr verspätete Einbringung istein Synonym für das gesamte Handeln der Bundesregie-rung. Ein Blick auf die Wirtschafts- und die Infrastruk-turpolitik verdeutlicht dies. Es gibt mehrere Möglichkei-ten, Wirtschaftspolitik zu betreiben: Es gibt eineangebotsorientierte Wirtschaftspolitik; Sie könnten aberauch eine nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik odereine Politik machen, die eine Kombination aus Ange-bots- und Nachfrageorientierung darstellt, den so ge-nannten Policy Mix.Was macht die Bundesregierung? – Nichts von alle-dem!
Sie macht etwas ganz anderes. Nun fragt sich jeder, was?Diese Frage kann man ganz einfach beantworten: Siemacht alles falsch, und das zugleich. Es handelt sich umeinen völlig neuen Policy Mix, nur falsch herum. DieBundesregierung verbessert nicht das Angebot desStandortes und verringert auch noch die Nachfrage. Dasist eine ganz wesentliche Ursache, warum wir inDeutschland in einer so schweren Wirtschaftskrise ste-cken. Das kann man an den heute zu beratenden Punktenbesonders deutlich machen.Der vorliegende Bundesverkehrswegeplan, der alsBedarfsplan in den Ausbaugesetzen konkretisiert ist, istein einziges Märchenbuch. Die Märchenerzähler sindunser Bundesverkehrsminister und seine Staatssekretäre.Es ist schön, viele bunte Pläne vorzulegen und zu veröf-fentlichen, welche Verkehrsinfrastruktur wo entstehensoll. Die Gretchenfrage ist nur, wann das geschehen soll.Der versprochene Finanzrahmen ist nun definitiv nichtmehr zu halten, vor allem bedingt durch das unseligeMautchaos. Aufgrund der fehlenden Mauteinnahmen– darüber ist in den letzten Tagen schon im Haushalts-ausschuss diskutiert worden – ist eine Haushaltssperrefür das Jahr 2004 verhängt worden. Davon sind 530 Mil-lionen Euro für die Straße, 390 Millionen Euro für dieSchiene und 125 Millionen Euro für die Wasserstraßenbetroffen. Das sind insgesamt mehr als 1 Milliarde Euro,die schon jetzt fehlen, die aber in Ihren Planungen einge-rechnet sind. Auch hierüber sind uns viele Märchen er-zählt worden und es werden noch weitere erzählt. Wannfunktioniert das Mautsystem denn nun endlich? – Ichhoffe, möglichst bald; denn jeder Monat der Verzöge-rung kostet den Verkehrshaushalt bares Geld. Je wenigerGeld, desto weniger Straßen- und Schienenprojekte! Derfinanzielle Schaden wird noch durch den psychologi-schen Schaden ergänzt.Daher sind all die Pläne und Gesetze, die hier vorge-legt worden sind, ein einziges Märchen, was die Reali-sierung angeht – und das bei dem Teil des Bundeshaus-halts, der den höchsten Anteil an Investitionen aufweist.Was Sie zur Verkehrsinfrastrukturfinanzierung vorgelegthaben, ist kein gutes Angebot an den Standort Deutsch-land. Es ist ein substanzieller Fehler der Politik der Bun-desregierung.
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ir werden nicht ein Straßenprojekt realisieren können,n dem dieses schöne Sternchen steht – es sind Stern-hen am Himmel, die sich wahrscheinlich nie realisierenassen werden –; solange Herr Trittin nicht Ja gesagt hat,ird sich da gar nichts abspielen. Man stellt verwundertest, dass man in den Plänen für den Straßenbau dieseternchen findet, aber beim Schienenbau nicht. Gehenenn die Schienenstrecken nicht durch ökologisch sen-ible Gebiete? Gibt es da keine FFH-Problematik? Gibts da keine naturschutzrechtlichen Probleme? Laut Ihrerlanung anscheinend nicht. Das gilt eben nur für dietraßen. Daran ist die Ideologie leicht zu erkennen.Im Gegenzug haben Ihnen die Grünen bei der Auftei-ung von 50 Prozent für die Straße und 50 Prozent für diechiene ein kleines Bonbon zugestanden. Sie haben denchienenpersonennahverkehr einfach in die Investitio-en für die Schiene eingerechnet. So kommen Sie aufin Verhältnis von 50 zu 50. Damit können die Grünenraußen sagen: In die Schienenstrecken wird genausoiel investiert wie in die Straßen. – So stimmt es natür-ich nicht.Wir als CDU/CSU-Fraktion stellen fest, dass derundesverkehrswegeplan dem eigentlichen Ausbaube-arf in keiner Weise gerecht wird.
er Bundesverkehrswegeplan hat einen viel zu engeninanzrahmen. Seine Verkehrsprognosen sind infrage zutellen und zum Teil schon völlig veraltet. Die Bewer-ungsverfahren, die Sie so gelobt haben, sind sehr frag-ürdig. Zum naturschutzfachlichen Planungsauftragabe ich schon einiges ausgeführt. Der Bundesverkehrs-egeplan mit seinen eingeschränkten Möglichkeitenchafft nicht den Wachstums- und Beschäftigungsim-uls, den Deutschland braucht. Der Bundesverkehrswe-eplan wird auch der Herausforderung der EU-Osterwei-erung nicht gerecht. Manchmal hat man bei den
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Enak FerlemannDiskussionen den Eindruck, dass das erst in zehn Jahrenansteht. Im nächsten Juni schon werden wir die Erweite-rung haben.
Viele Einzelprojekte sind äußerst fragwürdig. DasNutzen-Kosten-Verhältnis, das eigentlich für Verkehrs-politiker eine besonders wichtige Größe ist, wird oftnicht richtig angewandt. Manchmal spielt es gar keineRolle. Projekte mit einem Nutzen-Kosten-Verhältnis vongrößer zehn befinden sich nicht im vordringlichen Be-darf, wohl aber solche mit einem Nutzen-Kosten-Ver-hältnis von knapp über eins. Ein Schelm, der sich etwasdabei denkt!Bei den anstehenden umfangreichen Beratungen ha-ben wir also viel zu tun. Wir brauchen mehr Mittel fürdie Infrastruktur. Wir brauchen mehr Anteile für denStraßenbau, vor allem aus der Erhebung der LKW-Maut,wenn sie denn kommt. Wir müssen mit der ökologischenDiskriminierung bestimmter Projekte aufhören. Wirbrauchen eine deutlich bessere Einstufung vieler Maß-nahmen, vor allem die Aufnahme in den vordringlichenBedarf.In diesem Sinne habe ich die Bitte, dass Sie auf dieAnregungen und Vorschläge der Unionsfraktion einge-hen.
Gehen Sie mit der Kritik, die wir äußern, sachorientiertum und lehnen Sie nicht einfach alles ab, nur weil es vonder Opposition kommt! So könnte, wenn es denn ge-länge, am Ende der Beratungen aus dem Märchenbuch,das Sie vorgelegt haben, vielleicht doch noch ein Best-seller werden. Trotz dieser Bundesregierung sollte manden Glauben daran nicht verlieren.Danke schön.
Herr Kollege Ferlemann, das war Ihre erste Rede im
Deutschen Bundestag. Dazu gratuliere ich Ihnen auch im
Namen aller Kolleginnen und Kollegen herzlich und ver-
binde damit alle guten Wünsche für die weitere parla-
mentarische Arbeit.
Nun erteile ich dem Kollegen Peter Danckert für die
SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohles einige hier bereits getan haben, möchte auch ich demKollegen Staatssekretär Achim Großmann sehr herzlichfür die Arbeit danken, die er im letzten Jahr geleistet hat.
Er hat damit eine kolossale Aufgabe übernommen.–bgacusIKes–lknbbEdksuzdeawzedP–pc
Wenn man gelobt wird, ist man natürlich immer einisschen verlegen, aber er hat dieses Lob verdient.Folgendes muss ich an dieser Stelle ganz deutlich sa-en: Diejenigen, die hier kritisiert und ihn in den Dankn die Mitarbeiter nicht einbezogen haben, sind die glei-hen Kollegen, die jede freie Minute von ihm genutztnd mit ihren konkreten Fragen bei ihm vor der Tür ge-tanden haben.
n Anwesenheit von Außenstehenden erscheint mir dieseritik ziemlich heuchlerisch; das sieht ja so aus, als hätter sich dieser Aufgabe entzogen. Er hat sich jedem ge-tellt, auch jedem von Ihnen.
Herr Oswald, das muss man hier um der Wahrheit wil-en ganz klar sagen.
Außerdem ist hier die mangelnde Transparenz be-lagt worden. Das halte ich ebenfalls für einen überhaupticht gerechtfertigten Vorwurf. Folgendes Verfahren ha-en alle miterlebt, die in der letzten Legislaturperiode da-ei waren:
s gab in einem ersten Schritt Anmeldungen vonseitener Länder. Alle Bundesländer wurden gefragt undonnten ihre Projekte im Ministerium anmelden. An-chließend sind diese angemeldeten Projekte in einermfassenden Untersuchung bewertet worden; das ist einiemlich einmaliger Vorgang. – Frau Blank, wenn Sieavon keinen Gebrauch gemacht haben, dann sollten Sies hier auch nicht ansprechen.Danach sind uns Abgeordneten auf einer CD-ROMlle Projekte, die in die Betrachtung einbezogen wordenaren,
ur Verfügung gestellt worden. Im nächsten Schritt gabs dazu eine Anhörung der Verbände; dann sind die Län-er noch einmal befragt worden und erst danach sind dierojekte in den Kabinettsentwurf eingeflossen.
Mit einem Wort, Frau Blank: Transparenter, als es hierraktiziert worden ist, kann man das überhaupt nicht ma-hen.
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Dr. Peter DanckertSie beanstanden darüber hinaus, dass dieses oder je-nes Projekt nicht aufgenommen worden sei. Ich habeauch den Kollegen, der eben hier seine Jungfernrede ge-halten hat, gehört. Er kam gleich wieder mit den übli-chen Wünschen, ein paar weitere Straßenprojekte in denvordringlichen Bedarf einzuordnen. Ja, das können Siehaben; dann müssen Sie uns aber auch sagen, was imRahmen Ihrer Länderquote entfallen soll.Wir haben hier ganz klare Verabredungen getroffen.Jedes Bundesland hat seine Quote – die Bayerns ist grö-ßer als die Brandenburgs – und wir können die vorge-gebene Quote nicht überschreiten. Im Rahmen der Be-ratungen des Ausschusses können wir uns darüberunterhalten, welche Wünsche Sie haben und wo SiePrioritäten sehen. Dann werden wir das fair und sachlichmiteinander besprechen und feststellen, wie Ihre Argu-mente zu gewichten sind. Wenn es zwingende sachlicheGründe dafür gibt, dann sind meine Kollegen und ich be-reit, über jedes einzelne Projekt zu reden.
Aber ich bin ganz sicher – das will ich an dieser Stelleauch sagen –, dass die Vorarbeiten so belastbar sind,Herr Oswald, dass wir nur ganz wenige Änderungen beider Länderquote möglich machen können.
Denn daran müssen wir uns messen lassen. Wir könnennicht in unseren Wahlkreisen oder in der Öffentlichkeitsagen, wir wollten dies und jenes noch in den vordringli-chen Bedarf aufnehmen, da wir doch alle wissen müss-ten, dass aus finanziellen Gründen, aufgrund der selbstvorgegebenen Länderquote, gar nicht mehr möglich ist.
Wir haben hier eben keine wolkige Wunschliste, sondernganz klare Vorgaben.Nun zum Thema Finanzierung, das durchaus eineRolle spielt. Wir haben 150 Milliarden Euro vorgesehen;das ist im letzten Jahr die Richtschnur gewesen, aufgrundderer wir auch unter Berücksichtigung der Länderquotendie Projekte ausgewählt haben, etwa zur Hälfte Straßen-und zur Hälfte Schienenbauprojekte. Wir werden ge-meinsam sehen, wie sich die Schwierigkeiten bei derMaut, die ja auch uns unangenehm berühren – das be-zweifelt doch hier gar keiner –, auswirken werden. Aller-dings weise ich den Vorwurf energisch zurück, dieseBundesregierung oder diese Regierungskoalition hättenirgendetwas dazu beigetragen, dass die Mauteinnahmenin diesem Jahr und möglicherweise Anfang des nächstenJahres nicht kommen. Das ist wirklich ein Ammenmär-chen.Frau Blank, sosehr ich Sie sonst auch schätze: Das zueiner Mautaffäre dieser Bundesregierung zu erklären istwirklich ganz töricht. Das wissen auch Sie.hkmMdszen–ddnfrkgbvtndgLlFeRwlws3dnntKs
Es mag sein, dass es im Vertrag hier und da Unklar-eiten gab und dass man ihn besser hätte aushandelnönnen. Das lasse ich einmal außen vor; das ist im Mo-ent nicht das Thema. Das Thema ist vielmehr, dass dieaut nicht vertragsgemäß eingeführt werden konnte undass wir aus heutiger Sicht nicht wissen, wann das ge-chieht. Das ist der Punkt, bei dem wir gemeinsam anset-en müssen. Ich habe manchmal den Eindruck, dass Siein Interesse daran haben, dass die Maut noch langeicht kommt.
„Im Gegenteil!“ Dann lade ich Sie dazu ein, mit uns aniesem Thema zu arbeiten. Wir Parlamentarier müssenabei helfen, dieses technische Problem, das den Ein-ahmeausfall verursacht, zu lösen. So viel zu dieser Af-äre.
Dass beim neuen Bundesverkehrswegeplan auchaumordnerische Gesichtspunkte zur Anwendung ge-ommen sind, Herr Staatssekretär Großmann, finde icheradezu fabelhaft. Einige Regionen in unserer Repu-lik, nicht nur im Osten, hätten bei dem neuen Bundes-erkehrswegeplan überhaupt keine Chance, berücksich-igt zu werden, wenn es das Raumordnungskriteriumicht gäbe. Das verschafft überhaupt erst den Spielraumafür, in den neuen Ländern neue Projekte zu realisieren.
Von den 740 Ortsumgehungen – auch das ist eineanz beachtliche Zahl – werden etwa 300 in den neuenändern gebaut. Das führt zu einer höheren Lebensqua-ität und dazu, dass Wirtschaftswachstum – auch in derläche – entstehen kann. Große Autobahnen sind dasine; aber wir brauchen auch bessere Straßennetze in denegionen.Unabhängig von der Frage der Finanzierung – darauferden wir alle größten Wert legen – ist hier ein verläss-iches Projekt entwickelt worden. Die Menschen vor Ortissen, was bis zum Jahre 2015 kommen wird. Sie müs-en nicht das Gefühl haben, dass ihnen in 20 oder in0 Jahren irgendetwas blüht. Auch die Investoren – ichenke, das ist ein ganz wichtiger Gesichtspunkt – kön-en sich auf diesen Zeitpunkt einrichten; sie haben Pla-ungssicherheit. Dann haben wir gemeinsam etwas Gu-es vollbracht und dann wird es wirklich, wie derollege gesagt hat, ein Bestseller. Ich bin sicher, dass eso kommen wird.Vielen Dank.
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Das Wort hat die Kollegin Veronika Bellmann, CDU/
CSU-Fraktion.
Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Eine gut ausgebaute Infrastruktur
der Verkehrswege ist für die internationale Wettbewerbs-
fähigkeit unserer Unternehmen auf den Märkten so wert-
voll wie nie zuvor. Diese Infrastruktur – man spricht
nicht umsonst von Verkehrsadern – ist für die Wirtschaft
so wichtig wie die Adern des Blutkreislaufs für das
Funktionieren des menschlichen Organismus. Insofern
kann man bezogen auf die Lage an den Grenzen zu Po-
len und Tschechien in Bayern, Sachsen und Brandenburg
von einer Infarktgefahr reden. Warum? Weil die EU-
Osterweiterung ihre Schatten vorauswirft. Sie wird ein
Anwachsen der Verkehrsströme an den Grenzen zu Po-
len und Tschechien um 300 Prozent mit sich bringen.
In den Grenzgebieten zu den EU-Beitrittskandidaten
und besonders in den neuen Bundesländern gibt es rie-
sige Defizite in der Verkehrsinfrastruktur. Wir haben
noch viel aufzuholen; 300 Ortsumgehungen reichen da
nicht aus. Deshalb haben wir den Antrag gestellt, kon-
krete Bedarfsplanungen für alle Verkehrsträger vorzu-
nehmen, die Investitionen in den grenznahen und grenz-
überschreitenden Verkehr zu erhöhen, die Abstimmung
mit den Beitrittsländern zu verbessern und die in Ihrem
Straßenbaubericht enthaltene Forderung umzusetzen,
den Schwerpunkt EU-Osterweiterung als Gewichtungs-
faktor in die Projektbewertung des Bundesverkehrswe-
geplanes aufzunehmen.
Momentan tragen wir zwar die Risiken der EU-Oster-
weiterung in den grenznahen Regionen; aber wir laufen
Gefahr, die Chancen dieser Erweiterung zu verpassen.
Was tut Rot-Grün? Sie behaupten, alle diese Forderun-
gen seien bereits Bestandteil des Bundesverkehrswege-
plans. Leider muss ich sagen, auch wenn Herr Minister
Stolpe heute nicht anwesend ist, dass die Anzahl der
Verkehrsprojekte mit Erweiterungsbezug völlig unzurei-
chend in diesem Plan ist. Es verstärkt sich auch der Ein-
druck, dass Herr Stolpe – so empfinde ich das zumindest
und mit mir viele andere Kollegen auch – das gesamte
Ressort mit wenig Herzblut und Engagement führt.
Vom Aufbau Ost und von der Maut bis hin zur EU-Ost-
erweiterung herrscht gähnende Langeweile auf der Re-
gierungsbank.
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An der Stelle zitiere ich Ihnen gerne Heine, der gesagt
at: Ein Kluger weiß alles, aber ein Dummer hat auf al-
es eine dumme Bemerkung.
Ich komme zurück auf die Prognose von 214 Fahr-
eugen in 2015. Schauen Sie sich demgegenüber die
rognosen für die grenznahen Knotenpunkte in Bayern,
m Dreiländereck in Sachsen oder im Erzgebirge an.
ort geht man von 25 000 plus x Fahrzeugen aus. Neh-
en Sie also das Geld und stecken Sie es in die Grenz-
andförderung! Ich unterstelle Ihnen so viel Kenntnis,
ass Sie mittlerweile wissen, was Sie falsch machen.
oethe hätte dazu gesagt:
Es ist nicht genug zu wissen – man muss es auch
anwenden; es ist nicht genug zu wollen – man muss
es auch tun.
Korrigieren Sie also Ihre Fehlleistung, solange Sie
och an der Regierung sind, und stimmen Sie unserem
ntrag zu.
Zum Schluss dieses Tagesordnungspunktes spricht
er Kollege Werner Kuhn, CDU/CSU-Fraktion.
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol-egen! Wir haben heute ja schon etliche heroische Redenon der Regierungsbank gehört, die so besetzt ist, wieuch der Verkehrshaushalt ausgestattet ist.
a müssen wir viele Fehlstellen beklagen. Wir hören Sieier von Haushaltsehrlichkeit, Wahrheit und Klarheitprechen. Sie haben aber im Haushaltsausschuss 1 Mil-iarde für Investitionen im Verkehrshaushalt gestrichen,
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Werner Kuhn
da Einnahmen aus der Vignette in Höhe von 1 Milliardeausfallen und auch die erwarteten Einnahmen aus derMaut dem Investitionshaushalt nicht mehr zufließen. Sieaber reden davon, dass Sie einen klaren, ehrlichen und re-alen Bundesverkehrswegeplan für die nächsten 15 Jahreaufgestellt haben. Es kann doch nicht sein, dass wir heut-zutage die Verkehrsinfrastruktur solchen Fehlleistungenunterordnen müssen.
Sie rühmen sich der Verkehrsprojekte „Deutsche Ein-heit“. Unter der Führung der Bundesregierung vonHelmut Kohl
und in den Koalitionsvereinbarungen zwischen CDU/CSU und FDP sind noch wirkliche Verkehrsadern ent-worfen worden. Sie aber haben die Linie verlassen undnicht so weitergebaut, wie wir angefangen haben. Den-ken Sie nur an das Verkehrsprojekt 8.1 bzw. 8.2. Mansieht eindeutig, dass zwischen Erfurt und Nürnberg eineriesige Lücke klafft und dass zwischen Erfurt und Leip-zig von 1999 bis 2002 aufgrund des Baustopps über-haupt nichts investiert wurde. Hier haben Sie Projektemit einem Investitionsvolumen von insgesamt 5 Milliar-den Euro ruhen lassen.
Sie haben es nicht fertig gebracht, die Bundeshaupt-stadt an die beiden großen Ballungsgebiete Hamburgund München mit einer Städteschnellverbindung anzu-binden. 1999 haben Sie den Transrapid aus ideologi-schen Gründen ins Aus geführt. Zwischen Berlin undMünchen fährt man immer noch fast acht Stunden lang.Sie haben sich auf die Fahne geschrieben, Investitionenin die Schiene fördern zu wollen. Was ist passiert? Wirdümpeln nach wie vor vor uns hin. Mit solchen Planun-gen können wir uns überhaupt nicht einverstanden erklä-ren.
Im Bundesverkehrswegeplan sind insgesamt 150 Mil-liarden Euro bis 2015 vorgesehen. Davon entfallen – dasist hoch interessant – 82,7 Milliarden Euro auf Erhal-tungsinvestitionen. Auf den Aus- und Neubau entfallen66,2 Milliarden Euro. Davon sind aber schon 51 Milliar-den Euro verplant. Bis 2015 stehen also für Investitionenin neue Verkehrsprojekte nur noch Mittel in Höhe von15 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist einfach zuwenig.Angesichts der Tatsache, dass es erhebliche Ausfällebei der Finanzierung gibt – dies müssen Sie einfach zurKenntnis nehmen –, werden wir in den nächsten Jahrenüberhaupt kein neues Projekt mehr beginnen können.
– Das ist keine maßlose Übertreibung.–wkgeldwdehtezSbwpSSCnrlesgddZwhbgwdnMdaginOlevvk
Sie müssen einfach einsehen, dass es nicht ausreicht,enn in den neuen Bundesländern im Rahmen der Ver-ehrsprojekte „Deutsche Einheit“ nur Ortsumgehungenebaut werden. Die Menschen dort müssen schließlichnorm lange Wege zu den Verdichtungsräumen zurück-egen. Die gute Erreichbarkeit der Arbeitsplätze under Wirtschaftszentren ist für die wirtschaftliche Ent-icklung ein entscheidender Faktor.Zum Teil hängt das ostdeutsche Produktivitätsdefizitamit zusammen, dass Sie dort im investiven Bereichine Wachstumsbremse eingebaut haben. In Ihre Haus-alte wurden zwar viele Mittel eingestellt – damit woll-n Sie die Verfassungsmäßigkeit Ihrer Haushalte in Be-ug auf die Höhe der Investitionen sicherstellen –, aberie sind sozusagen immer nur mit angezogener Hand-remse gefahren.Zum Schluss sei mir noch eine Bemerkung zur Be-erbung von Leipzig als Austragungsort für die Olym-ischen Spiele 2012 erlaubt. Wir haben von Ministertolpe große Versprechungen gehört. Er hat gesagt, dassie diese Bewerbung unterstützen werden. Wir von derDU/CSU-Fraktion tun dies ebenfalls. Wir tun das abericht blauäugig, indem wir sagen, es müssen Mittel be-eitgestellt werden, noch bevor die Entscheidung gefal-n ist. Ich erwarte, dass Sie die notwendigen Prioritätenetzen. Wenn die Entscheidung zugunsten von Leipzigefallen ist, dann müssen in diesem Großraum allerdingsie entsprechenden Verkehrsprojekte durchgeführt wer-en.
Sie versehen viele Projekte mit einem Sternchen alseichen dafür, dass diese Projekte eine besondere Um-eltrelevanz haben. Der Kollege Friedrich hat das vor-in ausgeführt: Die Gesetzgebung ist, was die Umweltetrifft, hinreichend sensibel. Solche Sternchen verzö-ern nur. Das gilt auch für jene, die an Projekten haften,elche auf den Kanzlerreisen durch die alten und durchie neuen Bundesländer entstanden sind. Überall – Mi-ister Stolpe hat es genauso gemacht – wurden Mittel inillionenhöhe zugesagt. Ich bitte Sie daher: Setzen Sieie richtigen Prioritäten, besonders mit Blick auf Leipzigls Austragungsort der Olympischen Spiele!Konzeptionell und auch personell ist diese Bundesre-ierung, was den Aufbau Ost und die dortige Verkehrs-frastruktur betrifft – das sage ich als Politiker aus demsten –, insgesamt gescheitert. Wir haben dort in dentzten Jahren überhaupt kein Wirtschaftswachstum zuerzeichnen. Wirtschaftswachstum ist auch eine Frageon öffentlichen Investitionen. Hier muss es ein Umden-en in den nächsten Jahren geben.
Ich schließe die Aussprache.
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Vizepräsident Dr. Norbert LammertInterfraktionell wird Überweisung der Vorlagen aufden Drucksachen 15/1656 15/1804, 15/1657 und 15/1803an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüssevorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das istder Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Zum Tagesordnungspunkt 8 c liegt eine Beschluss-empfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau- undWohnungswesen auf Drucksache 15/1195 zu dem An-trag der Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel „Ver-kehrsinfrastruktur auf EU-Osterweiterung vorbereiten“vor. Der Ausschuss empfiehlt, diesen Antrag auf Druck-sache 15/467 abzulehnen. Wer stimmt für diese Be-schlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-tungen? – Die Beschlussempfehlung ist damitangenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. PeterPaziorek, Kristina Köhler ,Dr. Christian Ruck, weiterer Abgeordneter undder Fraktion der CDU/CSUMehr Kosteneffizienz im Klimaschutz durchverstärkte Nutzung der projektbezogenenKioto-Mechanismen– Drucksache 15/1690 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Dazu höreich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile dem KollegenDr. Peter Paziorek für die CDU/CSU das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit ihremRegierungsantritt unternimmt diese rot-grüne Bundesre-gierung den Versuch, sich im nationalen und internatio-nalen Klimaschutz als treibende Kraft darzustellen.
Zu diesem Zweck hat sie für viel Geld Broschüren ge-druckt und eine intensive Öffentlichkeitsarbeit betrieben.Aber mit Öffentlichkeitsarbeit alleine kann Politik nichtgestaltet werden.
Wir können sagen: Eine stimmige Klimaschutzpolitik istbei dieser rot-grünen Bundesregierung nicht festzustel-len.
In der heutigen Ausgabe des „Tagesspiegel“ kritisiertder stellvertretende Fraktionsvorsitzende der GrünenHerr Loske – passend zum heutigen Tagesordnungs-paSrkdgddhEMazmdKkFuNDltkngrna
o sagt er sogar, es gebe Entscheidungen dieser Bundes-egierung, „die dieser Klimapolitik entgegenlaufen“.Herr Loske, mit Ihrer Einschätzung, dass es keineonsistente Klimaschutzpolitik dieser rot-grünen Bun-esregierung gebe, haben Sie den Nagel auf den Kopfetroffen. Sie haben Recht und deswegen haben Sie füriese Aussage sogar die Unterstützung der Opposition iniesem Haus.
Was Sie in der Klimaschutzpolitik bisher vorzuweisenaben, ist letztlich nichts anderes als das Einfahren einerrnte, die durch viele Maßnahmen unter Töpfer underkel ermöglicht wurde. Gleichzeitig versuchen Sieber klammheimlich, von den nationalen Klimaschutz-ielen Abstand zu nehmen, und hoffen, dass das nie-and merkt.In der Antwort der Bundesregierung vom 24. Oktoberieses Jahres – also erst wenige Tage alt – auf unsereleine Anfrage „Klimaschutz und CO2-Vermeidungs-osten“ wird dies ganz deutlich. So heißt es auf dierage, ob Deutschland das Ziel einer Reduktion von CO2m 25 Prozent bis 2005 verfehlen werde:Das für Deutschland international maßgebliche Kli-maschutzziel besteht darin, die Treibhausgasemis-sionen im Zeitraum 2008 bis 2012 um 21 Prozentgegenüber 1990 zu reduzieren.un der entscheidende Satz:Das von dem damaligen Bundeskanzler HelmutKohl formulierte CO2-Minderungsziel stimmt we-der vom Zeitrahmen noch vom Treibhausgasbezugmit der internationalen und europäischen Klima-schutzpolitik überein.as ist Ihre Aussage.In der Koalitionsvereinbarung von 1998 hieß es noch:Für den Schutz des Klimas wird die neue Bundesre-gierung in allen Bereichen die Anstrengungen ver-stärken. Sie bekräftigt das Ziel, insbesondere dieCO2-Emissionen bis zum Jahr 2005 gegenüber1990 um 25 % zu reduzieren.Wir fragen Sie: Wann werden Sie sich klammheim-ich von weiteren Vorstellungen in der Klimaschutzpoli-ik distanzieren? Rot-Grün muss sich vorwerfen lassen,limapolitisch nicht mehr vertrauenswürdig zu sein.
Wir leugnen nicht, dass es schwierig ist, ehrgeizigeationale Ziele zu erreichen, wenn andere Staaten ver-leichbare Ziele ablehnen. Aber da wird es bei Ihnen erstecht widersprüchlich: Sie reden einerseits von einerationalen Vorreiterrolle, haben sich klammheimlichber davon verabschiedet, und lassen andererseits jeden
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Dr. Peter PaziorekEhrgeiz vermissen, mit projektbezogenen internationa-len Klimaschutzmechanismen – CDM und JI zum Bei-spiel – Klimaschutzziele im internationalen Maßstab
– ja, das tut Ihnen sehr weh, Herr Kollege Kelber, dasweiß ich; deshalb haben Sie auch versucht, sich klamm-heimlich von Ihren Zielen zu verabschieden – kosten-günstig für Länder wie Deutschland zu erreichen.Wir müssen Ihnen vorwerfen: Ihr Einsatz für die ver-stärkte Nutzung der projektbezogenen Kioto-Mechanis-men ist eindeutig zu gering. Wenn Sie von nationalenZielen Abstand nehmen, dann müssten Sie sich internati-onal erst recht verstärkt dafür einsetzen, dass diese Me-chanismen genutzt werden, damit wir über den internati-onalen Weg ein gutes Umweltschutzziel erreichen. Sietun das nicht, weil Sie mit diesem Ziel noch immer aufKriegsfuß stehen.
– Wenn Sie von dem ablenken wollen, was Sie be-schwert, rufen Sie: Sagen Sie einmal, was die Unionwill! Wir haben ein klares Klimaschutzziel vorgelegt.Wir setzen uns – um es klar und deutlich zu sagen – füreine Verbesserung der Wirkungsgrade bei den Kraftwer-ken sowie für Sparmechanismen und eine größere Ener-gieeffizienz, auch im Verkehrsbereich, ein. Auch wir be-kennen uns ganz deutlich zu den erneuerbaren Energien.Wir halten nichts von Ihrer verkehrten Atomausstiegs-politik. Das sind die vier Eckpunkte unserer Klima-schutzpolitik, die konsistent ist. Darauf haben wir unsimmer – das muss ich klar und deutlich sagen – eingelas-sen.
Ein weiteres wichtiges Argument müssen wir uns vorAugen halten: Wir haben jetzt im Bereich des Emissi-onshandels die Möglichkeit, in Europa dafür zu kämp-fen, dass internationale Verzahnungsmechanismen auchim Bereich der Entwicklungspolitik zugunsten einerdeutschen nationalen Klimaschutzpolitik ermöglichtwerden. Die Europäische Kommission sagt jetzt, dassmit dem Emissionshandel CO2-Reduktionen im Rah-men von maximal 6 bis 8 Prozent möglich sind. Wir sindabsolut nicht dagegen, dass der Schwerpunkt der Klima-schutzpolitik im eigenen Land realisiert wird. Aber wa-rum wird nur eine solch geringe Menge von 6 bis8 Prozent zugelassen? Wir sind der Ansicht, dass es ge-rade durch einen verstärkten Einsatz der internationalenKlimaschutzmechanismen gute Möglichkeiten gibt, Kli-maschutzpolitik kostengünstig und dennoch zielorien-tiert in sinnvoller Weise zu gestalten. Wir vermissen denEinsatz der rot-grünen Bundesregierung und des Bun-desumweltministers Trittin, um diesen Anteil zu erhö-hen.Deshalb fordern wir Sie im vorliegenden Antrag auf,an dieser ganz konkreten Stelle mit dafür zu sorgen, dassiAEKsmsmnasvFuldAmFPSwb8cdudmsTdngBdmlBnnm
nd damit ungefähr um ein Drittel der Minderungen überiesen Weg. Das ist ein wichtiger Unterschied.Wir haben in diesem Parlament schon sehr oft die Ge-einsamkeiten der Parteien in der Frage des Klima-chutzes betont. Das war auch bei einem solch wichtigenhema gut.Etwas weniger wurden bisher von der Öffentlichkeitie Unterschiede im Bereich des Klimaschutzes wahrge-ommen. Es ist aber bei einem wichtigen Thema immerut, zu wissen, wer für was steht. Deswegen ist es mir zueginn meiner Rede wichtig, dies konkret darzustellen.Die FDP-Fraktion hat seit 1998 im Deutschen Bun-estag alle – ich wiederhole: alle – konkreten Maßnah-en zum Klimaschutz abgelehnt. Die heute antragstel-ende Fraktion, die CDU/CSU, war nur wenig besser.ei noch nicht einmal einem Drittel der konkreten Maß-ahmen konnten sich die feindlichen Schwestern zu ei-er Zustimmung durchringen.Die FDP-Fraktion hat immer wieder deutlich ge-acht, dass ihr die reine Lehre wichtiger ist als der
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Ulrich KelberKlimaschutz. Zum Beispiel beim Emissionshandel kannman den Eindruck gewinnen: Das Handeln mit Emis-sionsrechten – und nicht die Emissionsminderung –scheint das Wichtige zu sein. Bei der Förderung der er-neuerbaren Energien soll auf ein Ausschreibungsmo-dell umgestiegen werden, das in unseren Nachbarlän-dern bewiesenermaßen weniger Effizienz zu höherenPreisen bedeutet hat. Das ist Ideologie statt Klimaschutz.Einen solchen Unsinn werden wir nicht mitmachen.
Die CDU/CSU-Fraktion erklärt sich mit den Klima-schutzzielen 2005 und 2010 verbal immer noch einver-standen. Für die Zeit danach wird aber schon offen ge-sagt: Da muss man erst einmal abwarten, was dieanderen tun. Der Dramatik der Klimaveränderung ist einsolches Verhalten natürlich überhaupt nicht gerecht.Man kann nicht immer auf die Langsamsten, auf die Un-verständigsten warten. Man muss auch einmal vorange-hen und sich ambitionierte Ziele stecken.Der heute vorliegende Antrag – Herr Paziorek, andem haben Sie elegant vorbeigeredet – ist noch verhee-render als die Weigerung, über Klimaschutzziele nach2010 zu sprechen, und ist noch unverzeihlicher als dasmangelnde Engagement für konkrete Klimaschutzmaß-nahmen. Wenn Ihr Antrag Beschluss im Bundestag undin der Europäischen Union würde – eine völlige Frei-gabe bei den Klimaschutzmaßnahmen im Ausland,statt die Hausaufgaben zu Hause zu machen –,
wäre das das Ende vom Klimaschutz bis 2012. Ichkönnte es Ihnen aus Ihrem eigenen Antrag zitieren. Ichhabe ihn bewusst mit zum Rednerpult genommen, weilich weiß: Wenn man etwas Unangenehmes anspricht, be-haupten Sie, es stehe nicht in Ihrem Antrag.
– Gar kein Problem.
– Wenn er mir eine Frage stellt, dann mache ich das.Zum Teil liefe das, was Sie wollen, im Ausland aufeinen Pseudoklimaschutz hinaus. Denn in Europa wür-den dann nur noch die Modernisierungen durchgeführt,die auch ohne Emissionshandel angestanden hätten. Daswird die SPD nicht akzeptieren. Wir wollen keine natio-nalen Alleingänge beim Klimaschutz, aber wir wolleneine Vorreiterrolle mit engagierten und ambitioniertenZielen.Zwei Kernpunkte sind dem vorliegenden CDU/CSU-Antrag deutlich zu entnehmen:Erstens. Die Anrechenbarkeit von projektbezogenenklimapolitischen Maßnahmen im Ausland auf die Kli-maschutzziele der EU-Staaten soll unbeschränkt mög-lich sein.ZBslmdDIDdwDeGGffseBrR–uWadmkI
weitens. Die höchst umstrittenen Senken, also zumeispiel Waldschutz im Ausland, sollen ebenfalls unbe-chränkt anrechenbar sein – kein Wort über den oft zeit-ich beschränkten Charakter solcher Maßnahmen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU,it diesem Antrag stellen Sie sich übrigens auch gegenen Konsens aller relevanten Gruppen im Klimaschutz.as fängt mit dem Konsens der EU-Mitgliedstaaten an.ch zitiere aus der EU-Richtlinie:Für die EU ist es wichtig, auch weiterhin im Kampfgegen die Klimaveränderungen eine führende Rollezu übernehmen, nicht zuletzt durch die Anwendungdes Grundsatzes, dass die Mechanismen ergänzen-den Charakter haben.ie projektbezogenen Maßnahmen sollen also ergänzen-en Charakter haben, deswegen – im Gegensatz zu dem,as Sie wollen – die Beschränkung auf höchstens einrittel der Emissionsminderungen.Mit dem Vorschlag stellen Sie sich aber auch gegenin weites gesellschaftliches Bündnis aus Eine-Welt-ruppen, aus Umweltgruppen und aus christlichenruppen. Die Wissenschaft hält diesen Vorschlag füralsch. Große Teile der Wirtschaft halten ihn ebenfallsür falsch und nicht zuletzt – das ist ein Zeichen, dass Sieich mit diesem Antrag besonders verrannt haben – Ihreigenen Parteifreunde lehnen dieses Vorgehen ab. Derundesrat hat sich mit seiner Mehrheit aus CDU/CSU-egierten Ländern am 26. September 2003 zu dieser EU-ichtlinie geäußert:Andererseits besteht das Risiko, dass der Zuflussvon zertifizierten Emissionsminderungen gemeint sind diese projektbezogenen Maßnahmen –die angestrebte Begrenzung der Treibhausgasemis-sionen in den Mitgliedstaaten aushöhlt. ... Der Bun-desrat hält vor diesem Hintergrund die Formulie-rung quantitativer Anforderungen für sinnvoll.Wenn die CDU/CSU schon nicht auf die Koalitionnd Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaft undirtschaft hört, warum ignorieren Sie an dieser Stelleuch noch Ihre eigenen Parteifreunde,
ie Ihnen gesagt haben, wie man es eigentlich machenuss? Ihr Antrag ist falsch. Er ist moralisch, strategisch,limapolitisch und wirtschaftspolitisch falsch.
ch möchte das an ein paar Punkten deutlich machen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003 6251
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Ulrich KelberAls Erstes möchte ich den Nachweis erbringen, dasser vom moralischen Anspruch her falsch ist. Die Indus-triestaaten verbrauchen mit noch nicht einmal 20 Prozentder Bevölkerung über 80 Prozent der weltweiten Res-sourcen. Das ist im Klimaschutz nicht viel anders.Deutschland wird zwischen 1990 und 2010 seine Treib-hausgasemissionen zwar um voraussichtlich 21 Prozentsenken und dann etwas unter 10 Tonnen pro Einwohnerliegen, aber auch dann werden wir das Klima in einemMaße belasten, dass ein solches Niveau nicht für alleMenschen auf der Welt möglich wäre, soll der Klima-wandel nicht mit unvorstellbarer Brutalität zuschlagen.Aber mit welchem Recht sagen wir anderen Ländern:Ihr dürft pro Kopf nicht die gleiche Klimabelastung ha-ben wie wir? Wie können wir uns das Recht herausneh-men, etwa einem Entwicklungsland zu sagen: Eure ge-ringen Emissionen von Treibhausgasen wollen wir jetztbillig reduzieren, bei uns zu Hause aber setzen wir auf„Weiter so!“? Um nichts anderes geht es an dieser Stelle.Eine solche Politik ist aus meiner Sicht moralisch nichtin Ordnung.Ihr Antrag ist – zweitens – auch strategisch falsch.Wir kommen im Klimaschutz nur dann weiter, wenn wirinternational die Koalition der klimaschutzbereiten Staa-ten erweitern. Wir brauchen insbesondere die USA, aberauch die Bevölkerungsgiganten Indien und China. Esgibt zwei Gruppen von Staaten: Die einen – das sind vorallem die Schwellen- und die Entwicklungsländer – wol-len Klimaschutz und möchten gerne sehen, dass wir esbei uns zu Hause ernst meinen mit der Umstellung vonWirtschafts- und Lebensformen und dass wir zu Hausezum Klimaschutz bereit sind. Denen, die skeptisch sind,müssen wir zeigen, dass Klimaschutz im eigenen Landohne wirtschaftliche Einbußen möglich ist und dass Kli-maschutz im Gegenteil sogar ein Innovationsmotor ist.Deswegen wäre ein völliger Ersatz von Klimaschutz imeigenen Land durch Projekte im Ausland auch strate-gisch falsch.
Ihr Antrag ist – drittens – auch klimapolitisch falsch.Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Frau Köhler, Sie habenja eben dazwischengerufen: Dem Klimaschutz ist esdoch egal, wo die Emissionen eingespart werden.
Diese Sichtweise ist kurzfristig eindeutig richtig. Auflange und auf mittlere Sicht ist sie es aber nicht, und dasaus einem ganz einfach Grund: Um den Klimawandel ei-nigermaßen in den Griff zu bekommen und ihn abzumil-dern, brauchen wir über viele Jahre und Jahrzehnte ste-tige Fortschritte. Auch hier ist es hilfreich, in die EU-Richtlinie, auf die sich Ihr Antrag bezieht, zu schauen.Ich darf noch ein letztes Mal zitieren:Der Preisdruck– gemeint ist: wenn die projektbezogenen Maßnahmenin höherem Umfang möglich werden –IslilEtwUWrTauDIMZnmKvnTsdsgsehmsPemF
Der letzte Punkt betrifft die Frage: Ist es wirtschaft-ich richtig, diese Maßnahmen verstärkt zu nutzen, oderst es wirtschaftlich falsch? Auch da ist das Ergebnis re-ativ einfach – neben dem, was ich gerade schon aus derU-Richtlinie zitiert habe –: Wir sind die Spitzenanbie-er von Technologien zur Emissionsreduzierung. Wennir uns den eigenen Markt innerhalb der Europäischennion kaputt machen, dann schaden wir doch unsererirtschaft an dieser Stelle.Wir haben unser Klimaschutzziel 2010 schon fast er-eicht. Wir werden Verkäufer von emissionssenkenderechnologie sein. Wir haben dafür übrigens viel Geldusgegeben, bei der Modernisierung von Kraftwerkennd auch bei der Förderung der erneuerbaren Energien.er jetzt vorgeschlagene EU-Rahmen gibt der deutschenndustrie die Chance, so viele dieser projektbezogenenaßnahmen durchzuführen, wie sie zur Erreichung desiels noch durchführen will. Dieser EU-Rahmen istämlich weiter als das, was uns zur Erreichung des Kli-aschutzziels noch fehlt. Aber warum sollen denn dielimasünder in Europa – wie Spanien – jetzt billig da-onkommen? Warum sollen sie nicht zu Hause miteuen Technologien arbeiten müssen, und zwar mitechnologien, die sie auch in Deutschland kaufen müs-en? Das müssen Sie einmal erklären. Sie machen anieser Stelle einen wirtschaftspolitisch falschen Vor-chlag.
Das Fazit ist: Wenn man erkennt, dass man strate-isch, ökologisch, moralisch und ökonomisch etwas Fal-ches gemacht hat, dann ist die politische Entscheidunginfach. Es wäre mutig, einfach einmal zu sagen: Wiraben uns in eine Richtung verrannt, die nicht einmalehr unsere eigenen Parteifreunde im Bundesrat unter-tützt haben; wir ziehen einen solchen Antrag auch imlenum des Bundestages zurück. – Mit uns ist jedenfallsine solche Rolle rückwärts im Klimaschutz nicht zuachen.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Birgit Homburger, FDP-raktion.
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6252 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
möchte einmal mit dem anfangen, was ich für ziemlich
zentral halte. Wenn wir hier heute noch einmal die Gele-
genheit haben, über die Nutzung der flexiblen Instru-
mente des Kioto-Protokolls zu debattieren, dann wird
damit natürlich deutlich, wie dringend die weiteren An-
strengungen sind, die wir alle miteinander unternehmen
müssen, damit das Kioto-Protokoll von allen – auch von
Russland – ratifiziert wird und in Kraft treten kann. Ich
kann nur an alle hier in diesem Hause appellieren, dass
wir gemeinsam die Anstrengungen, die wir begonnen
haben – es gibt ja in Gesprächen gemeinsame Anstren-
gungen des Umweltausschusses des Deutschen Bundes-
tages und auch der Bundesregierung –, weiterführen, da-
mit es wirklich dazu kommt, dass das Kioto-Protokoll in
Kraft treten kann.
Herr Kelber, ich möchte für die FDP-Bundestagsfrak-
tion feststellen – das habe ich hier schon mehrfach ge-
sagt –, dass wir, was die Reduktionsziele angeht, mit Ih-
nen übereinstimmen. Wir teilen ausdrücklich das
nationale Ziel und halten – im Gegensatz zu Ihnen – da-
ran fest.
Darüber hinaus akzeptieren wir nach wie vor das Bur-
den-Sharing innerhalb der Europäischen Union und wol-
len, dass diese Ziele erreicht werden.
Unsere Position unterscheidet sich von Ihrer nur da-
rin, dass wir diese Ziele effizient erreichen wollen.
Deswegen ist der Einsatz der flexiblen Instrumente
des Kioto-Protokolls so unglaublich wichtig. Wir sind
davon überzeugt, dass deren Einsatz die Erreichung der
Ziele bei gleichzeitiger Minimierung der Kosten – das ist
das Entscheidende – am ehesten garantiert. Wir von der
FDP-Bundestagsfraktion haben dazu in der letzten wie
auch in dieser Legislaturperiode mehrere Anträge einge-
bracht. Sie haben allesamt abgelehnt. Hätten wir jetzt
nicht den Richtlinienvorschlag zum europäischen Emis-
sionshandel vorliegen, würde sich Rot-Grün noch immer
im klimapolitischen Dornröschenschlaf befinden.
Die polemischen Äußerungen, die Sie hier gemacht
haben, werden nicht richtiger, indem Sie diese ständig
wiederholen. Wir haben diverse Maßnahmen wie zum
Beispiel die Ökosteuer, die Sie vorgeschlagen haben, ab-
gelehnt. Wir sehen es nämlich nicht ein, dazu beizutra-
gen, dass hier ineffiziente Instrumente beschlossen wer-
den, die zu nichts anderem gut sind als zum Abkassieren
der Bürgerinnen und Bürger. Wir wollen effiziente Kli-
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Sowohl Sie als auch die EU-Kommission machen da-
egen einen Rückschritt und bleiben hinter dem zurück,
as international vereinbart worden ist. Wir sind nicht
ereit, das zu akzeptieren.
ir erwarten von der Bundesregierung, dass wenigstens
as, was nötig ist, eingeführt wird. Eine Technologieof-
ensive für regenerative Energietechnik von deutschen
nternehmen wäre viel wirkungsvoller –
Frau Kollegin!
– mein letzter Satz, Herr Präsident –, wenn Sie Ihre
emühungen stärker mit den internationalen Mechanis-
en des Kioto-Protokolls verknüpfen würden, anstatt
as nur über das EEG zu machen.
Vielen Dank.
An dieser Stelle sei mir der Hinweis gestattet, dass dieroßzügigkeit des Präsidiums die Gemeinheit der Frak-ionen bei der Bemessung der Redezeit bei weitem inen Schatten stellt. Das wird bei der Liveübertragunger Auftritte nicht immer deutlich.Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Reinhardoske, Bündnis 90/Die Grünen.
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Danke, Herr Präsident. Ich werde mich bemühen, dieRedezeit nicht zu überschreiten.Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weil mir das sehrwichtig ist, möchte ich einige Worte zu dem Ziel sagen.Im Juni 1990 und dann im November 1990 hat der Deut-sche Bundestag einstimmig beschlossen, die CO2-Emis-sionen bis 2005 gegenüber 1987 um 25 Prozent zu sen-ken. Das war das Ziel. Das ist von Kohl bei der BerlinerKlimakonferenz 1995 unter der Hand in 25 Prozent bis2005 gegenüber 1990 umgeändert worden. Man muss essogar noch weiter präzisieren: In den alten Bundeslän-dern sollten 25 Prozent erreicht werden, in den neuenBundesländern sogar noch mehr. Das war das Ziel.Was ist real passiert? Zwischen 1990 und 1995 gab esdurch die deutsche Einheit einen Effekt der Niveauver-schiebung, weil viele Industrieunternehmen kollabiertsind und es teilweise zu Modernisierungsinvestitionenkam. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hatgerade noch einmal ganz klar beschrieben, dass das überden Daumen gepeilt minus 13 bis minus 14 Prozent aus-gemacht hat. Dann war klimapolitisch jahrelang Hängenim Schacht, es ist nämlich nichts passiert. Das muss manganz klar sehen.
– Doch, das stimmt.Seit 1998, als diese Regierung ihr Amt angetreten hat,sind viele Dinge auf die Schiene gesetzt worden. Diemeisten Stichworte sind schon gefallen: Ökosteuer,EEG, Altbausanierung, KWK-Gesetz, Energiesparver-ordnung und anderes. Bezogen auf alle Kioto-Gase sindwir jetzt bei 19 bis 19,5 Prozent angelangt. Bezogen aufCO2 sind wir bei 16 bis 17 Prozent angelangt. Es ist of-fenbar schwerer, als wir alle gedacht haben.
Ich glaube aber, dass es keinen Sinn macht, das Ziel von25 Prozent einfach unter den Tisch fallen zu lassen. Wirmüssen erklären, warum es schwierig ist, und wir müs-sen das als Ansporn nehmen, um der Erreichung diesesZiels so nah wie eben möglich zu kommen. Das ist un-sere Aufgabe. Dafür habe ich in dem Gespräch mit dem„Tagesspiegel“, das ansonsten etwas verkürzt wiederge-geben wurde, plädiert. Ich denke, dass das nachvollzieh-bar ist.
Jetzt habe ich zwei Minuten verbraucht, um dem Kol-legen Paziorek zu erwidern, und es bleiben mir nur nochdrei Minuten, Herr Präsident, um auf das Thema desheutigen Tages zu sprechen zu kommen. Ich werde michbemühen, die drei Punkte in drei Minuten abzuarbeiten.
Erster Punkt. Ich glaube, es ist ganz wichtig, zu er-ennen, dass in dem Richtlinienentwurf der EU eineotschaft enthalten ist – das hat der Kollege Uli Kelberereits wunderbar beschrieben –: Die Hausaufgabenüssen zuerst gemacht werden – Homework first.
ir müssen zu Hause Klimapolitik betreiben; denn dasst für die Glaubwürdigkeit auf dem internationalen Par-ett und auch technologiepolitisch wichtig.
Die ganzen flexiblen Instrumente, zum Beispiel JInd CDM, sind gut und wichtig, um unsere Standard-echnologie auf den Rest der Welt übertragen zu können.ie sind jedoch nicht gut für einen wirklichen Technolo-iepush. Diesen brauchen wir aber. Das ist der entschei-ende Punkt. In der Bewertung dieser Instrumente unter-cheiden wir uns fundamental.
Ich komme zum zweiten Thema, das ich ansprechenöchte. JI und CDM sind sehr gute Instrumente; ichabe mich selbst immer dafür eingesetzt. Der Unter-chied zwischen Ihnen und uns liegt darin, dass wir ers-ens ganz ausdrücklich keine Atomkraft einbeziehenollen – das haben wir auch international durchge-etzt –, zweitens keine fragwürdigen Senkenprojekteinbeziehen wollen und drittens Qualitätsstandards ha-en wollen. Wir wollen beispielsweise, dass sich dierojekte der großen Wasserkraft an den Standards orien-ieren, die die World Commission on Dams festgelegtat. Das heißt, wir sind für Projekte in den Entwick-ungsländern und in Mittel- und Osteuropa. Sie müssenber ganz klaren Qualitätskriterien genügen. Über dieseualitätskriterien verlieren Sie in Ihrem Antrag keinort. Er ist technologiepolitisch irreführend und Sie ge-en damit in die falsche Richtung. Auch bezüglich derualitätsstandards ist Ihr Antrag weit unterhalb dessen,as notwendig wäre. Allein aus diesem Grund müsstean den Antrag ablehnen.Ich komme zum letzten Punkt, den ich noch anspre-hen möchte; er ist wirklich sehr wichtig. Ich habe heuteachmittag ein Gespräch mit einer Kollegin aus Indieneführt. Ich sagte, ich müsse heute Abend über CDMprechen und fragte sie, was aus ihrer Sicht das Wich-igste sei. Sie sagte, das Wichtigste für sie sei, dass derlean Development Mechanism nicht zu einem Compli-ate Development Mechanism wird. Das heißt, wir müs-en sehr darauf achten, dass der Standard einfach ist;as ist sehr wichtig.
Im Moment erleben wir nämlich Folgendes: Deranze Kioto-Prozess konkurriert mit einer Strategie derereinigten Staaten, die ausschließlich auf Freiwilligkeit
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6254 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003
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Dr. Reinhard Loskeund bilaterale Abkommen setzt. Sie werden versuchen,diese Strategie demnächst auf den internationalen Kon-ferenzen anzupreisen. Im Moment unterstützen sie ein-zelne Projekte sehr stark. Sie werden beispielsweise zurnächsten Vertragsstaatenkonferenz nach Mailand kom-men und sagen: Seht her, unser Weg ist viel erfolgver-sprechender als eurer. Ich glaube, wenn wir nicht wollen,dass die Glaubwürdigkeit des Kioto-Prozesses insgesamtunterhöhlt wird, dann müssen wir dafür sorgen, dassdiese Mechanismen klar und einfach sind und dass sievon den Entwicklungsländern auch angenommen wer-den können. Daran sollten wir arbeiten. Auch darauf ge-ben Sie mit Ihrem Antrag keine Antwort.Ich fasse zusammen: Sie weisen mit Ihrem Antragklima- und technologiepolitisch in die falsche Richtung.Deshalb ist er nicht unterstützenswert. Es ist eine Punkt-landung: Sie landen genau bei 0,00. – Frau Präsidentin,ich hoffe, Sie sind mit mir zufrieden.Danke schön.
Das bin ich auf jeden Fall wegen der präzisen Einhal-
tung der Redezeit.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ralf Brauksiepe.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Effizienz bedeutet bekanntermaßen die Vermeidung von
Ressourcenverschwendung. Ressourcenverschwendung
zu vermeiden ist um so wichtiger, je knapper in einem
Land die vorhandenen Ressourcen sind. Deshalb kann
sich Verschwendung niemand weniger leisten als die ar-
men Entwicklungsländer dieser Welt.
Deshalb verfolgt der Antrag der CDU/CSU-Fraktion,
mehr Kosteneffizienz im Klimaschutz durch die ver-
stärkte Nutzung der projektbezogenen Kioto-Mechanis-
men zu erreichen, ein in hohem Maße entwicklungspoli-
tisches Anliegen.
Die Bedeutung des Kioto-Protokolls mit CDM und JI
kann in diesem Zusammenhang gar nicht hoch genug
eingeschätzt werden. Ihre konsequente Nutzung – darauf
hat der Kollege Paziorek völlig zu Recht hingewiesen –
liegt gerade auch im deutschen Interesse. Denn nach al-
lem, was wir nach fünf Jahren rot-grüner Klimapolitik
wissen, ist vor dem Hintergrund des geplanten Atomaus-
stiegs die Erreichung unserer eigenen Reduktionsziele
ohne konsequenten Rückgriff auf die Kioto-Mechanis-
men erst recht in jedem Fall völlig illusorisch.
Da wir in Deutschland drei Viertel der gesamten EU-
Reduktionslast tragen wollen, ist auch der Zusammen-
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen?
Aber sicher.
Herr Kollege, können Sie mir bestätigen, dass in Ih-em Antrag Punkt II Ihres Forderungskataloges, nichter Beschreibung, wie folgt lautet:Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregie-rung deshalb auf,…2. sich bei den Beratungen auf europäischer Ebenegegen die Einführung einer Obergrenze für die In-anspruchnahme der projektbezogenen Mechanis-men im Emissionshandel auszusprechen. Die amEmissionshandel beteiligten Unternehmen müssendie Möglichkeit haben, sich Emissionsreduktionenim Ausland ohne Begrenzung gutschreiben zu las-sen …
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003 6255
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Ulrich Kelber
Herr Kollege, das ändert nichts an dem, was ich hier
vorgetragen habe,
was unsere Analyse und was unsere Forderung ist, dass
weder am deutschen noch am europäischen Wesen die
Welt genesen soll,
sondern dass wir eingebunden sind in internationale Ver-
abredungen und Abmachungen, zu denen wir uns in die-
sem Zusammenhang ausdrücklich bekennen.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, gerade CDM liefert eine hervorragende Mög-
lichkeit der Kooperation zwischen Industrie- und Ent-
wicklungsländern im Bereich des Klimaschutzes. Ich
will deutlich sagen: Unsere Erwartung ist, dass die vor-
handenen Effizienzsteigerungspotenziale auch eine
ganz wesentliche Rolle bei der Bonner Konferenz über
erneuerbare Energien im kommenden Jahr spielen wer-
den. Auch bei dieser Konferenz darf es gerade im Inte-
resse der Entwicklungsländer nicht darum gehen, nur
einseitig einzelne Energieträger zu protegieren, sondern
es müssen auch Effizienzüberlegungen in den Mittel-
punkt gestellt werden.
Lassen Sie mich aus entwicklungspolitischer Sicht
noch ein paar besonders relevante Anliegen in diesem
Zusammenhang ansprechen. Uns als CDU/CSU-Bun-
destagsfraktion ist in der Tat wichtig, dass die Bundesre-
gierung sich bei Verhandlungen auf europäischer Ebene
auch für den Schutz der Naturwälder, insbesondere der
Tropenwälder, als CO2-Senken einsetzt und darauf hin-wirkt, dass Gutschriften aus CDM- und JI-Projekten im
Forstsektor entsprechend anerkannt werden.
Wir wissen doch heute alle, dass die Zerstörung der
Tropenwälder mit ihrer großen Biomasse schwere nega-
tive Folgen nicht nur für den Wasserhaushalt und die
Biodiversität, sondern auch für die Freisetzung von CO2hat. Das ist keine ideologische Frage, sondern es geht
um die Frage, ob wir das zur Kenntnis nehmen, was kon-
kret passiert, dass nämlich der Schutz von Senken auch
Schutz vor weiterer Klimazerstörung bedeutet. Deswe-
gen ist es eine faule Ausrede, zu sagen, es sei zu kompli-
ziert, dies bei CDM zu berücksichtigen. Amerikanische
Firmen zum Beispiel unterstützen heute die boliviani-
sche Regierung und Nichtregierungsorganisationen kon-
kret beim Schutz von Naturflächen mit natürlichen Nut-
zungsformen. Das zeigt, dass es geht, wenn man es
politisch will. Die zögerliche Haltung der Bundesregie-
rung ist deshalb politisch verantwortungslos.
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Es geht uns insgesamt darum, gerade CDM stärker in
ie Entwicklungshilfeaktivitäten der Bundesregierung
inzubinden. Dazu müssen bestehende Rechtsunsicher-
eiten ausgeräumt sowie fehlende Kapazitäten und Insti-
utionen in potenziellen Partnerländern in Kooperation
it diesen Staaten zügig ausgebaut werden.
Wir alle kennen die Rekordhaushaltslöcher in
eutschland. Herr Kollege Kelber, ein Grund, der uns
avon überzeugt, dass unsere Position richtig ist, ist der,
ass Sie sie für wirtschaftspolitisch falsch halten. Was
ie für wirtschaftspolitisch richtig halten, erleben wir in
iesem Land jeden Tag. Das wollen wir nicht.
Wir wissen aber auch, dass sich diese katastrophale
aushaltspolitik in desaströser Weise auf den Entwick-
ungshilfeetat auswirkt. Wenn die Regierung schon we-
iger Geld für Entwicklungshilfe ausgibt, hat sie hier zu-
indest die Chance, eine vernünftige entwicklungs- und
limapolitische Konzeption für die globale Politik auf-
ustellen. Dazu fordern wir Sie auf.
Vielen Dank.
Ich schließe damit die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufrucksache 15/1690 an die in der Tagesordnung aufge-ührten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damitinverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überwei-ung so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Ausschusses für Bildung, Forschungund Technikfolgenabschätzung
zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ernst DieterRossmann, Jörg Tauss, Ulla Burchardt, weitererAbgeordneter und der Fraktion der SPD, der Ab-geordneten Grietje Bettin, Hans-Josef Fell,Volker Beck , weiterer Abgeordneter undder Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-NEN sowie der Abgeordneten Ulrike Flach,
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6256 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003
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Vizepräsidentin Dr. Antje VollmerChristoph Hartmann , Cornelia Pieper,Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDPFür eine erfolgreiche Fortsetzung der ge-meinsamen Bildungsplanung von Bund undLändern im Rahmen der Bund-Länder-Kom-mission für Bildungsplanung und Forschungs-förderung
– Drucksachen 15/935, 15/1305 –Berichterstattung:Abgeordnete Ulrike FlachDr. Ernst Dieter RossmannKatherina ReicheGrietje BettinNach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Wider-spruch gibt es nicht. Dann ist das so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst demParlamentarischen Staatssekretär Christoph Matschiedas Wort.C
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnenund Kollegen! Wir debattieren heute einen Antrag aufFortsetzung der gemeinsamen Bildungsplanung vonBund und Ländern. Mit Ausnahme der Kolleginnen undKollegen von der CDU/CSU sind wir uns hier im Hausein dieser Frage einig.Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen vonder Union, lassen Sie mich mit zwei Zitaten aus den letz-ten Wochen beginnen. Das erste Zitat lautet:
Die Unterschiede bei der ökonomischen Kraft „rei-cher“ und „armer“ Länder verstärken auch im Bil-dungsbereich Tendenzen der Auseinanderentwick-lung der Regionen. Die Wahrung gleichwertigerLebensverhältnisse überall in Deutschland wirdschwieriger. In der Vielfalt schulstruktureller Aus-prägungen in den deutschen Ländern noch ein deut-sches Schulsystem zu erkennen fällt schwer.Das zweite Zitat:Eine Abschaffung der Bund-Länder-Kommissionfür Bildungsplanung und Forschungsförderungscheint vor dem Hintergrund der jetzt anstehendenHerausforderungen im deutschen Bildungswesenunangebracht. Bildung muss als nationale Gemein-schaftsaufgabe verstanden werden, eine Koordinie-rung zwischen Bund und Ländern ist deshalb sinn-voll.
Ich habe nicht Vorlagen aus meinem Ministerium zi-tiert. Das erste Zitat stammt aus dem Bildungsbericht derKultusministerkonferenz, das zweite Zitat aus demStatement der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeit-geberverbände in der öffentlichen Anhörung des Bun-dnz„wgdUzDWdsEtijggtwVBwnBSsdedsIwrmAumndnivdFhg
Ein erfolgreiches Bildungswesen ist kein Selbst-weck. Gerade die OECD hat in ihrem jüngsten BerichtBildung auf einen Blick“ noch einmal darauf hinge-iesen: Bildung hat nicht nur eine Bedeutung für dieesamtgesellschaftliche Entwicklung, sondern auch fürie wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit. Internationalentersuchungen haben uns mit aller Deutlichkeit Defi-ite im deutschen Bildungssystem vor Augen geführt.eshalb erlaube ich mir die vorsichtig formulierte Frage:ie viel Unterschiedlichkeit im Bildungssystem verträgtiese Republik, wenn wir diese Aufgaben angehen müs-en?
ines ist mit Sicherheit klar: Dieses Bildungssystem ver-rägt es nicht, dass sozusagen im Kompetenzstreit undm Parteienstreit die Bildungschancen von Kindern undungen Menschen zerrieben werden.Sie wissen alle, dass die traditionellen Grenzziehun-en zwischen den Bildungsbereichen heute nicht mehrelten. Wir können es uns nicht leisten, das Bildungssys-em in Einzelbestandteile zu zerlegen und auf die not-endige Koordinierung zwischen den verschiedenenerantwortungsträgern zu verzichten. Wir müssen dasildungswesen auch im Hinblick auf die Schnittstelleneiterentwickeln. Denn jeder Einzelne erlebt Bildungicht als unterschiedliche Bausteine, sondern als seinenildungsweg, der sich vom Kindergarten über diechule bis in die Ausbildung oder die Universität er-treckt. Weil das so ist, sollte das für uns ein Anlass sein,as Denken in Zuständigkeitsschablonen in dieser Frageinzustellen und die Zusammenarbeit zu suchen, dieazu beiträgt, diese einzelnen Bestandteile des Bildungs-ystems besser aufeinander abzustimmen.
Ich glaube auch, dass man deutlich sagen muss: Alsnstrument der gemeinsamen Bildungsplanung brauchenir die Bund-Länder-Kommission, denn die BLK istessortübergreifend strukturiert. Dort sitzt die Bildungs-inisterin zum Beispiel mit der Finanzministerin, derrbeitsministerin oder der Familienministerin am Tischnd in der BLK kommen Entscheidungen grundsätzlichit den Stimmen der Mehrheit zustande. Es bedarf alsoicht unbedingt des Einstimmigkeitsprinzips, das wir iner KMK haben. Wenn ich das sage, dann meine ichicht, dass wir in der BLK alles so lassen müssen, wie esm Moment ist. Der Bund ist für Vorschläge zur Reformon Verfahren und Organisation offen. Und nicht nuras: Wir werden, eng angelehnt an die Ergebnisse deröderalismuskommission, die wir eingesetzt haben,ierzu Vorstellungen entwickeln.Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung. In der Bolo-na-Erklärung vom 19. Juni 1999 und in den Nachfol-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 72. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 6. November 2003 6257
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Parl. Staatssekretär Christoph Matschiegekonferenzen haben die für das Hochschulwesen zu-ständigen Minister von inzwischen 40 europäischenStaaten beschlossen, bis zum Jahre 2010 einen einheitli-chen europäischen Hochschulraum zu verwirklichen. Ichfrage Sie: Können wir uns vor dem Hintergrund dieserEntwicklung wirklich erlauben, den Hochschulbereichin Deutschland vollständig in einzelne landesrechtlicheRegelungen zerfallen zu lassen, oder müssen wir nichtauch in dieser Frage darauf achten, dass wir eine gleich-gerichtete Entwicklung im europäischen Hochschulraumhaben, der Ausbildungs- und Beschäftigungschancen füralle Studierenden in Deutschland und Europa gleicher-maßen sichert?
Ich glaube, eine Aufgabe der Gesetzgebungskompetenzdes Bundes im Hochschulbereich kann nicht die auf dieZukunft ausgerichtete Antwort auf diese Frage sein.
Es wird die Aufgabe der Föderalismuskommission,die wir am 16. Oktober eingesetzt haben, sein, Lösungenfür die anstehenden Fragen zu finden. Ich erwarte, dassdie Chancen einer Modernisierung der bundesstaatlichenOrdnung genutzt werden, um die Bund-Länder-Zusam-menarbeit in Bildung und Forschung so weiterzuentwi-ckeln, dass wir am Ende bessere Bildungschancen füralle ermöglichen und nicht Wege verstellen.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Thomas Rachel.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die bisherige gemeinsame Bildungsplanung zwi-schen Bund und Ländern, die vor allem abge-stimmte Modellprojekte beinhaltet, kann entfallen.Schon heute spielt sie nur eine untergeordneteRolle.Diese Aussage stammt übrigens nicht von der CDU/CSU. Sie stammt vielmehr vom SPD-Wissenschafts-minister des Landes Rheinland-Pfalz, ProfessorDr. Jürgen Zöllner.
In der Anhörung des Ausschusses für Bildung, For-schung und Technikfolgenabschätzung zur Neuordnungder bildungs- und forschungspolitischen Zuständigkeitenhat Minister Zöllner weiter ausgeführt:SkBdnGtdtLgeofnprpsaDwfedbuddAgtr
Zunächst einmal stelle ich fest, dass es eine Verpflich-ung zur Bildungsplanung gar nicht gibt, geschweigeenn, dass das Grundgesetz nahe legt, dass ein verpflich-ender Auftrag erforderlich wäre. Grundlage der Bund-änder-Kommission ist nämlich der 1969 in das Grund-esetz eingeführte Art. 91 b. Dabei handelt es sich umine Kannbestimmung. Bund und Länder sind zur Ko-peration aufgrund gemeinsamer Vereinbarungen be-ugt, aber nicht verpflichtet.Art. 91 stellt klar, dass eine gemeinsame Bildungspla-ung mit der bundesstaatlichen Kompetenzordnungrinzipiell vereinbar ist. Mehr geht allerdings nicht da-aus hervor. Eine Verfassungsgarantie für die Bildungs-lanung besteht schon gar nicht.Die heutige Debatte zur Bildungsplanung ist im Zu-ammenhang mit der Föderalismusreform zu sehen,uf die der Kollege Bergner gleich noch eingehen wird.abei geht es um Kompetenzabgrenzung, mehr Wettbe-erb und die Freisetzung schöpferischer Energien. Inso-ern ist die Aufregung von Rot-Grün interessant, die derinstimmige Beschluss aller 16 Ministerpräsidenten iniesem Jahr ausgelöst hat. Die Ministerpräsidenten ha-en Folgendes beschlossen:Die Gemeinschaftsaufgabe Bildungsplanung sollabgeschafft werden, wobei eine Koordinierung un-ter den Ländern sicherzustellen ist. … Die For-schungsförderung ist auch in Zukunft als Misch-finanzierung fortzuführen.Ja, Herr Kollege Tauss, das ist kein Alleingang dernionsregierten Länder. Der Beschluss ist vielmehr unterer Beteiligung aller SPD-geführten Länder gefasst wor-en.
uch die FDP in den Ländern hat diesem Beschluss zu-estimmt.
In Baden-Württemberg hat Herr Döring, der stellver-retende FDP-Vorsitzende, in der Koalitionsvereinba-ung den Verzicht der Bund-Länder-Kommission für den
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Thomas RachelBereich Bildungsplanung unterschrieben. Warum? Dasist ganz einfach: Weil es die Länder leid sind, dass Bun-desbildungsministerin Bulmahn mithilfe des Gedankensder gemeinsamen Bildungsplanung immer wieder ver-sucht, sich in die Kulturhoheit der Länder einzumischen.
Dabei vernachlässigt die Bildungsministerin das Kern-geschäft ihres Zuständigkeitsbereichs, die Forschungs-politik.
Sie flüchtet sich verstärkt in die Schulpolitik, in der sienach der Verfassung keine Kompetenzen besitzt.Die Bildungsplanung ist nicht notwendig, um bei-spielsweise gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaf-fen. Das zeigt sich schon beim Thema Bildungsstan-dards.
Es waren doch gerade die Unionsländer, die in der Kul-tusministerkonferenz die Einführung nationaler Bil-dungsstandards erreicht haben. Die KMK ist viel weiterals die Bundesregierung in Berlin.
Bereits im Dezember werden in der KMK die Stan-dards für den Schulabschluss in Deutsch, Mathematikund der ersten Fremdsprache verabschiedet. Zur Über-prüfung dieser Bildungsstandards wird die KMK eineunabhängige wissenschaftliche Einrichtung aufbauen.Das ist ein gutes Beispiel für bundesweit wirkende Inno-vationen bei gleichzeitigem Erhalt der Länderhoheit.Auch der von Ihnen berufene Sachverständige Profes-sor Dr. Ingo Richter hat in der Anhörung festgestellt:Die BLK hat in der Bildungsplanung ihre zentraleAufgabe nicht erfüllen können. … Abschaffung derBLK ja, KMK nein.Es gibt glücklicherweise vernünftige Gremien der Ab-stimmung. Die Kultusministerkonferenz ist dafür geeig-net. Absprachen können durch Staatsverträge verbind-lich geregelt werden.Ich will aber auch erwähnen, dass wir im Gegensatzzu dieser Bundesregierung das Festhalten der Länder ander gemeinsamen Forschungsförderung zwischenBund und Ländern begrüßen. Denn das verbundene Sys-tem der „checks and balances“, das wir zurzeit anwen-den, garantiert die Wissenschaftsfreiheit am besten. DieAlleinzuständigkeit des Bundes ist wissenschaftspoli-tisch verfehlt. Dass die Bundesregierung hier aussteigenwill, dass sie alle Kompetenzen in der Forschungsförde-rung zum Beispiel für die Max-Planck-Gesellschaft, dieHelmholtz-Gemeinschaft, die Fraunhofer-Gesellschaftund die DFG auf den Bund konzentrieren will, sprichtBände. Wir brauchen vielmehr eine gemeinsame For-schungsförderung von Bund und Ländern; denn sie ver-hindert bei wissenschaftlichen Aufgaben von überregio-naler Bedeutung eine Zersplitterung der Ressourcen.SdlksgBfvbtftPdDdFadlsHnizbddDbddsg1)
Wir Christdemokraten halten deshalb eine Zerschla-ung in der gemeinsamen Forschungsförderung vonund und Ländern wissenschaftspolitisch für verfehlt,inanziell für die Forschungsorganisation gefährlich undon der Sache her für kurzsichtig. Bildungsplanungraucht Ideen und diese brauchen Wettbewerb. Ich zi-iere nochmals Minister Zöllner: „Nichts ist lähmenderür Kreativität als der Versuch einer Vereinheitlichung.“Recht hat Herr Zöllner. Deshalb lehnen wir den An-rag von SPD, Grünen und FDP ab.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Die Kollegin Grietje Bettin hat gebeten, ihre Rede zu
rotokoll geben zu dürfen.1) Sind Sie damit einverstan-
en? – Dann verfahren wir so.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Cornelia Pieper.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ie aktuelle Föderalismusdebatte wirft natürlich auchie Frage nach der zukünftigen Bildungsplanung und derorschungsförderung in Deutschland wieder auf. Es istuch richtig, Herr Rachel, dass die Ministerpräsidentener Länder am 27. März 2003 Leitlinien für die Verhand-ungen mit dem Bund vereinbart haben und damals be-chlossen haben, die Kofinanzierung des Bundes beimochschulbau nach Art. 91 a und die Bildungsplanungach Art. 91 b des Grundgesetzes abzuschaffen. Aberch persönlich und auch meine Fraktion sind davon über-eugt, dass sich die Ministerpräsidenten der Länder nichtewusst gewesen sind, was sie damit im Hinblick aufas Qualitätsniveau des deutschen Bildungssystems unden Hochschulbau anrichten werden.
ie Anhörung im zuständigen Ausschuss hat auch erge-en – das war die Meinung der großen Mehrheit –, dassie gemeinsame Bildungsplanung von Bund und Län-ern fortgesetzt werden muss und dass auch der Hoch-chulbau in gemeinsamer Verantwortung bleiben muss,enauso wie die Forschungsförderung.
Anlage 7
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Cornelia PieperHerr Tauss, Sie erlauben sicherlich, dass ich HerrnProfessor Winnacker zitiere, der in der Anhörung sagte,Mischfinanzierung in der Forschung und im Hoch-schulbau sei die einzig bekannte Möglichkeit, Forschungund Hochschule nicht zum politischen Spielball der je-weiligen Finanzminister zu machen und darüber hinausdie relative Politikunabhängigkeit der Forschung zu er-möglichen. Hans-Olaf Henkel, der Präsident der Leib-niz-Gemeinschaft, hat darauf hingewiesen, dass die Stär-kung der Durchsetzungskraft der BLK durch Reformenbesser sei als deren Abschaffung und dass eine Alleinzu-ständigkeit der Länder für die Finanzierung der Instituteder Leibniz-Gemeinschaft bedeuten werde, dass diesenicht mehr finanzierbar seien.
Das würde dem Forschungsstandort Deutschland undinsbesondere den strukturschwachen Regionen in denneuen Bundesländern zum Nachteil gereichen. Deswe-gen lehnen wir, die FDP-Fraktion, die Abschaffung einergemeinsamen Bildungsplanung und Forschungsförde-rung ab.Wir alle sind uns doch nach den Ergebnissen der in-ternationalen Studien, ob nun PISA-, TIMSS- oderOECD-Studie, bewusst, dass wir großen Herausforde-rungen gegenüberstehen und dass wir mehr auf dieEigenverantwortung der Schulen und der Hochschulenmit eigenen Globalhaushalten und eigener Personalauto-nomie setzen müssen. Dadurch und nicht durch mehrKultusbürokratie können wir Wettbewerb initiieren undfür mehr Qualität sorgen.
Was hat die Kultusministerkonferenz, so wie sie jetztexistiert, mit ihrem Einstimmigkeitsprinzip geschafft?Welche großartige Bildungsreform der letzten Jahre undJahrzehnte ist Ihnen in Erinnerung geblieben? Keine,außer der Rechtschreibreform! Uns allen ist bewusst,dass wir mit dem Prinzip der Einstimmigkeit in derKultusministerkonferenz nicht weiterkommen, wenn esum eine wirkliche Bildungsreform in Deutschland undum mehr Qualität in den Schulen geht.Zuletzt darf ich noch Folgendes erwähnen: Die Mobi-lität von Familien mit schulpflichtigen Kindern ist ein-geschränkt. Wir wollen in diesem Land die Mobilitätvon jungen Menschen fördern. Es gibt 16 Bundesländermit 16 unterschiedlichen Schulsystemen und nicht ver-gleichbaren Schulabschlüssen. Das ist Behinderung vonMobilität.
Wenn eine Familie mit Kindern in ein anderes Bundes-land umzieht, ist das für sie eine Katastrophe. Zum Teilmüssen die Kinder in der Schule eine Klasse zurückge-stuft werden.Deswegen kann in der Föderalismusdebatte das Er-gebnis dieser Anhörung nur heißen: Wir brauchen ein ef-fizienteres Gremium für die Koordinierung der Bil-dungsplanung von Bund und Ländern und natürlich aucheL–unRNtugsFwePlVsghvSdwmw
Herr Tauss möchte noch eine Frage stellen.
Die Redezeit ist aber schon abgelaufen.
Herr Tauss, ich hätte Ihnen gern den Gefallen getan
nd Ihre Frage noch beantwortet.
Solche Charmanterien können Sie, denke ich, nachher
och austauschen.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ernst Dieter
ossmann.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!achdem wir den zwischen drei Fraktionen abgestimm-en Antrag zur gemeinsamen Bildungsplanung von Bundnd Ländern vom 7. Mai dieses Jahres im Parlament ein-ebracht hatten, gab es in den Kommentaren die Fest-tellung, das sei ein bemerkenswerter Vorgang.
Es war erstens deshalb bemerkenswert, weil es dreiraktionen aus zwei verschiedenen politischen Lagernaren. Das spricht schon einmal dafür, dass man sich zuinem bestimmten Problem nicht starr, sondern frei eineosition erarbeitet hat.Es war zweitens bemerkenswert, weil – das hat Kol-ege Rachel schon angesprochen – es ein geschlossenesotum der Ministerpräsidenten und – wir wollen ehrlichein – eine andere Auffassung der Bundesregierung dazuegeben hat. Wenn sich dann dazu aus dem Parlamenteraus eine eigene Position herausbildet, dann ist dason der Sache her gut.
onst hat man das Gefühl, dass nach politischen Farbeniskutiert wird statt danach, was man politisch erreichenill.
Drittens war es bemerkenswert, dass sich ein Parla-ent positioniert, was eigentlich auch zwingend not-endig ist. Wir haben uns offensiv eingebracht, wo es
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Dr. Ernst Dieter Rossmanndarum geht, die bundesstaatliche Ordnung jetzt neu zufassen.Wir wollen den Antrag heute zusammen verabschie-den, nachdem wir uns durch die Anhörung bestätigt füh-len, wenn auch sicherlich mit unterschiedlichen Nuan-cen.Als die Diskussion hier begann, habe ich mich gefragt,was eigentlich die Menschen wahrnehmen, die hier imPlenum oder auch am Bildschirm unsere Chiffren wieBLK und KMK und die verschiedenen Verhältnisse hö-ren. Deshalb noch einmal ganz einfach angesetzt: Bei derBund-Länder-Kommission für Bildungsplanung han-delt es sich um eine Institution, in der Vertreter der Bun-desregierung mit Vertretern von 16 Landesregierungendarüber beraten, wie man Bildung in Deutschland koor-dinieren, verbessern und auf die Zukunft hin ausrichtenkann.Wenn dies so einfach ist, dann kann man genauso ein-fach fragen, wie es die Bevölkerung tun würde, wie esaber auch die Experten aus den verschiedensten Berei-chen – Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Hoch-schulrektorenkonferenz und Wissenschaftler – bei derAnhörung getan haben. Sie haben gesagt: Wir wissen,dass in Deutschland sowohl der Bund wie auch die Län-der Verantwortung für gute berufliche Bildung haben.Habt ihr einen Kreis, in dem ihr darüber gemeinsamsprecht, oder schafft ihr den Kreis, in dem ihr aus Ver-pflichtung gemeinsam darüber sprecht, wie man berufli-che Bildung gut nach vorn bringen kann, ab? – Jeder miteinem einigermaßen gesunden Menschenverstand würdesagen: Wenn Bund und Länder eine eigene und eine ge-meinsame Verantwortung haben, aber auf den Kreis ver-zichten, in dem sie das gemeinsam besprechen und ent-wickeln können, dann passt das nicht zusammen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Tauss? Da ist wohl noch ein Bedarf geblieben.
Da er meinen geistigen Höhenflug nur unterbrechen
kann, darf er gern eine Frage stellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Lieber Kollege Rossmann, es ist keineswegs beab-
sichtigt, Ihren geistigen Höhenflug – was Sie gesagt ha-
ben, teile ich übrigens vollständig – zu unterbrechen.
Das war doch Selbstironie.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich stelle Ihnen jetzt gern die Frage, die ich auch der
Kollegin Pieper gestellt hätte. Wie der Antrag zeigt, sind
wir uns in der Beurteilung der BLK einig. Können Sie
sich erinnern, Kollege Rossmann – ich frage das auch
die Kolleginnen und Kollegen, die an den Ausschusssit-
zungen teilnehmen –, dass bei den Gesprächen mit der
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st diese Kritik dadurch nicht etwas unglaubwürdig?
Kollege Tauss, meine Wahrnehmung ist – ich sageas auch für die anderen Kollegen –, dass wir im Aus-chuss an dieser Stelle tatsächlich nicht so sehr nach Par-eifarbe, sondern in der Sache positiv gewürdigt haben,as sich in der Arbeit aufgebaut hat und was wir für dieukunft erwarten. Deshalb ist es gut, dass wir im Aus-chuss bestimmte Punkte viel klarsichtiger festhalten, alss der Fall ist, wenn sie wie jetzt in eine parteipolitischezw. machtpolitische Mühle geraten. Wir werben dafür,as Sachliche gemeinsam festzuhalten.Ich komme auf die berufliche Bildung zurück; wirönnen es auch auf die Hochschulbildung oder auf Fra-en beziehen, die sich mit Weiterbildung und schulischerildung befassen. Kollegin Pieper hat schon gesagt: Esst doch Kleinstaaterei, wenn wir in Deutschland, dasich in ein Europa integriert, jetzt wieder damit beginnen,as Bund und Länder Verbindende abzulösen, was zurolge hätte, dass es dann in Bezug auf die Mobilität undei der gemeinsamen Qualitätsentwicklung schwierigerird; auch könnten wir die Nahtstellen von schulischeru beruflicher und von beruflicher zu hochschulischerildung oder zur Weiterbildung, die wir in Deutschlandringend verbessern müssen, nicht gemeinsam entwi-keln. Deshalb sollte für uns das, was uns sowohl vomrbeitgebervertreter als auch vom Gewerkschaftsvertre-er und dem Vertreter der Hochschulrektorenkonferenzahe gebracht worden ist, den zentralen Punkt bilden. Eseht um strategische Planung, die auch die Bund-Län-er-Kommission stärker zu ihrer Aufgabe machen muss.
ur so lässt sich das Gute, das jetzt schon vorhanden ist,eibehalten: innovative Projekte zu entwickeln, gemein-ame Formen, die auch gemeinsam finanziert werden,nhaltlich gut auszugestalten und die dritte Dimension,ie am Anfang der gemeinsamen Bund-Länder-Planungtand, auch wirklich auszufüllen, nämlich einen Blick inie Zukunft zu tun.Ich wende mich wieder dem zu, was normale Men-chen uns vielleicht bei dem Streit um Institutionen fra-en: Wo habt ihr denn in Deutschland eine gemeinsameildungsinstitution, die sich mit Globalisierung und In-ernationalität beschäftigt? Was heißt das für die ver-chiedensten Handlungsbereiche in Deutschland? Wasaben wir davon zu halten, dass ihr in einer sachlichentunde lobt, was in Sachen Hochschulmarketing unternderem von der Bund-Länder-Kommission konstruktivwischen Bund und Ländern vorbereitet, entwickelt, ver-reten, finanziert und ausgearbeitet worden ist, es dannber vergesst, wenn ihr euch im Streit um Institutionenefindet? An anderer Stelle – wir werden demnächst De-
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Dr. Ernst Dieter Rossmannbatten zur beruflichen Bildung haben – wollen wir dieseigentlich genauso ausarbeiten. Wir wollen nicht nurHochschulmarketing; wir werden in der Perspektiveauch die berufliche Bildung in der ganzen Welt vertre-ten wissen wollen.Oder sie werden uns fragen: Wenn ihr über Renteoder über Pflege sprecht, dann redet ihr immer davon,dass unsere Gesellschaft älter wird und dass daraus län-gere Lebensarbeitszeiten erwachsen. Aber das sind danndort auch längere Lernzeiten. Wo wird gemeinsam be-sprochen, wie man von Bund und Ländern längere ge-meinsame Lernzeiten qualitativ organisiert, auch institu-tionell wie in der Abstimmung der verschiedenenbeteiligten Bildungsbereiche? Ist nicht die Konsequenzdaraus, dass wir genau deshalb eine koordinierende In-stitution brauchen?Wir reden von Globalisierung immer auch unter demVorzeichen von Europa. Heißt das nicht, dass in EuropaBund wie Länder zusammen an einem europäischenTisch sitzen müssen, weil wir in Deutschland ebenkooperativ, föderativ verfasst sind?Ich wollte nicht nur für die SPD-Fraktion zum Aus-druck bringen – ich glaube, ich kann das auch für dieGrünen und für die FDP sagen –, dass wir jetzt nicht ne-gativ vorführen sollten, was in der Verfassungskommis-sion oder in der Kommission Bundesstaatliche Ordnungsicherlich im Detail beredet werden wird. Als Bildungs-politiker tun wir gut daran, die Diskussion so anschau-lich zu machen, dass Menschen sagen: Das Gute wollenwir erhalten; macht es noch besser, aber zerschlagt nichteine Nahtstelle, eine koordinierende Institution, die wirfür die Zukunft noch dringlich brauchen. Damit diesauch für die Kommission Bundesstaatliche Ordnungdeutlich wird, ist es gut, wenn wir heute einen klarenParlamentsbeschluss dazu fassen.Wir bedanken uns noch einmal dafür, dass dies ohneScheuklappen von der FDP über die Grünen bis zur SPDmöglich geworden ist; die CDU ist uns bei diesem Pro-jekt auch noch in Zukunft herzlich willkommen.Danke.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Christoph
Bergner.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Um die Diskussion ein bisschen zu versachlichen,möchte ich zusammenfassen, worin wir uns einig sind.
Das will ich jetzt gar nicht als Vorwurf gegen HerrnRossmann gewertet sehen. Wir sind uns einig, dass wireinen von Bund und Ländern finanzierten Hochschul-bau wollen. Wir sind uns einig, dass wir eine von Bundund Ländern finanzierte Forschungsförderung wollen.WihmdsVmcbsMLpmtdns–DudgebvBcmddgfaLsmGFnudTe
Herr Tauss, das ist zumindest in dieser Frage nicht so.
eshalb sollten wir uns schon überlegen, inwieweit wirns hier in dieser Parlamentsdebatte Gefechte liefern,ie eigentlich innerhalb der jeweiligen Partei ausgetra-en werden müssen.Ich will zum Ausgangspunkt zurückkehren. Wie kams dazu, dass die Länder die Entscheidung getroffen ha-en – sie erschien auch mir abrupt; sie ist aber rechtlichöllig in Ordnung –, das Verwaltungsabkommen zurund-Länder-Kommission für Bildungsplanung entspre-hend Art. 12 aufzukündigen?Egal wie gut die Argumente sind: Im Grunde genom-en hat, seit die Kommission existiert, noch keine Bil-ungsplanung stattgefunden. Die Konsequenz, mit derie Kündigung erfolgte, lässt sich eigentlich nur vor fol-endem Hintergrund erklären: Die Länder haben – of-ensichtlich parteiübergreifend – die schleichende Amts-nmaßung der Bundesbildungsministerin in Hinblick aufänderkompetenzen satt gehabt. Dies kann ich gut ver-tehen.
Ich nenne zwei Beispiele dafür, wo diese Amtsan-aßung stattgefunden hat: bei der Konzipierung desanztagsschulprogramms – man hat über abstruseinanzierungswege versucht, in Länder- und Kommu-alkompetenzen einzugreifen –
nd bei der Hochschulrahmengesetzgebung. Ich nenneas Stichwort „Verbot von Studiengebühren“. Herrauss, wenn ich es richtig gehört habe, steht jetzt nichtinmal mehr die SPD-Fraktion hinter diesem Verbot.
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Dr. Christoph BergnerAlle Versuche, in Kompetenzen der Länder zentral ein-zugreifen, erzeugen natürlich eine Abwehrreaktion. Ichdenke, dass auch die Aufkündigung der gemeinsamenKommission für Bildungsplanung Folge dieser Amtsan-maßung von Frau Ministerin Bulmahn war.
Ich kann deshalb nur empfehlen, dass wir die Positio-nen und die Entscheidungen der Länder zunächst einmalernst nehmen und in der Föderalismuskommission einesachbezogene Diskussion führen.
Richtig ist: Wir brauchen eine bundesweite Vergleich-barkeit der Abschlüsse sowie Qualitätssicherung.
Herr Rossmann, was hat denn die BLK dazu bisherbeigetragen? Wenn Sie die Unterschiede, die PISA-E of-fen gelegt hat, jetzt beklagen und glauben, sie durch dieBetonung eines Instruments, das es schon die ganze Zeitgegeben hat,
zu verringern, dann habe ich natürlich meine Zweifel.Sie ziehen zur Bestärkung dieser Position auch nochHerrn Reiche, also den Kultusminister eines besonderserfolglosen Bundeslandes – das zeigt der PISA-E-Ver-gleich –, heran. Man leistet sich in Brandenburg nochdas 13. Schuljahr. Auch das ist nicht besonders überzeu-gend.Nein, ich bin der Meinung, wir sollten alle Argu-mente ernst nehmen, da sie gut und überzeugend sind.Ich bin außerdem der Meinung, dass die Kriterien, umdie es uns geht, nämlich Qualitätssicherung und bundes-weite Vergleichbarkeit, besser im kooperativen Verfah-ren der Kultusministerkonferenz erfüllt werden alsdurch zentralistische Vorgaben. Von diesem Grundsatzkönnen wir, wie ich glaube, ausgehen.
Im Zusammenhang mit all den Zentralisierungsargu-menten, die Sie immer wieder gebrauchen,
will ich Sie in der Kürze der Zeit wenigstens auf zweiWidersprüche aufmerksam machen:Widerspruch eins: Zentralisierung wird in den Län-dern an ihre Grenzen stoßen, in denen wir aufgrund vie-ler Schulen in freier Trägerschaft ein hohes Maß anVielfalt haben.Widerspruch zwei: Es ist aus meiner Sicht nicht lo-gisch, die Zuständigkeit für den Hochschulbau – dasbetrifft nun nicht Ihren Antrag, aber das Positionspapierder Bundesregierung – allein den Ländern zuzuweisen,oü–ztiwAnnFhkZssFdzLBsalsnC
die Ministerpräsidenten sind da anderer Meinung –,ugleich aber bezüglich des Schulbaus eine andere Posi-on zu vertreten.Auch wenn Ihr Antrag eine Mehrheit finden wird,ird sich nichts bewegen, weil die Länder mit solchenrgumenten, wie sie in Ihrem Antrag geäußert werden,icht zu überzeugen sind. Sie überzeugen auch michicht; das will ich offen sagen. Ich hoffe, dass wir in deröderalismuskommission bessere Wege finden –
Nein, Herr Kollege, jetzt nicht noch ein Argument,
öchstens noch einen Satz, um Ihre Rede zu beenden.
– ich führe den Satz zu Ende –, um die Vergleichbar-
eit der Bildungsabschlüsse unter Bewahrung föderaler
uständigkeiten zu gewährleisten.
Ich bedanke mich.
Ich schließe damit die Aussprache.Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Aus-chusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-chätzung auf Drucksache 15/1305 zu dem Antrag derraktionen der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen under FDP mit dem Titel „Für eine erfolgreiche Fortset-ung der gemeinsamen Bildungsplanung von Bund undändern im Rahmen der Bund-Länder-Kommission fürildungsplanung und Forschungsförderung“. Der Aus-chuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/935nzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-ung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Be-chlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD, Bünd-is 90/Die Grünen und FDP gegen die Stimmen derDU/CSU angenommen worden.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Innenausschusses zudem Antrag der Abgeordneten WolfgangBosbach, Dr. Wolfgang Schäuble, HartmutKoschyk, weiterer Abgeordneter und der Frak-tion der CDU/CSUWirksamen Zivil- und Katastrophenschutzschaffen– Drucksachen 15/1097, 15/1852 –Berichterstattung:Abgeordnete Gerold ReichenbachBeatrix PhilippSilke Stokar von NeufornGisela Piltz
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Vizepräsidentin Dr. Antje VollmerAlle vorgesehenen Redner haben gebeten, ihre Redenzu Protokoll geben zu dürfen. Sind Sie damit einverstan-den? – Das ist der Fall.
Es handelt sich um die Reden der AbgeordnetenReichenbach, Philipp, Stokar von Neuforn, Piltz und derParlamentarischen Staatssekretärin Vogt.1)Damit kommen wir jetzt gleich zur Beschlussempfeh-lung des Innenausschusses auf Drucksache 15/1852 zudem Antrag der Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel„Wirksamen Zivil- und Katastrophenschutz schaffen“.Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache15/1097 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluss-empfehlung des Ausschusses? – Gegenstimmen? – Ent-haltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim-men von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegendie Stimmen der CDU/CSU angenommen worden.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrateingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Än-derung des Straßenverkehrsgesetzes– Drucksache 15/1496 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
– Drucksache 15/1802 –Berichterstattung:Abgeordnete Heidi WrightHier haben die Abgeordneten Wright, Storjohann,Hettlich, Otto und die Parlamentarische StaatssekretärinGleicke gebeten, die Reden zu Protokoll geben zu dür-fen.2) Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall.Dann können wir auch hier zur Abstimmung über denvom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Gesetzeszur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes kommen.Der Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesenempfiehlt auf Drucksache 15/1802, den Gesetzentwurfanzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzent-wurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gibt esGegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurfist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommenworden.Dritte Beratungund Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben.– Stimmt jemand dagegen? – Das ist nicht der Fall. DerGesetzentwurf ist damit in dritter Lesung mit den Stim-men der Fraktionen des ganzen Hauses angenommenworden.hsoIlobf–a–1ümsdcskdvsehvWSp–1) Anlage 82) Anlage 9
– Drucksache 15/1493 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendFür die Aussprache ist eine halbe Stunde vorgese-en. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist es so be-chlossen.Ich eröffne die Aussprache. Zunächst hat die Abge-rdnete Hilde Mattheis das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ch hoffe, dass uns nachher der Freistaat Bayern sehrben wird, weil wir nämlich schon das umgesetzt ha-en, was in dem Gesetzentwurf des Bundesrates einge-ordert wird.
Der Bundesgesetzgeber war wieder einmal schnellerls der Freistaat Bayern.
Doch! Was der Freistaat Bayern einfordert, wird ab. Januar 2004 gelten.Vor wenigen Wochen haben wir mit breiter Mehrheit,ber alle Parteigrenzen hinweg, also auch mit den Stim-en der CDU/CSU und der Länder, das Gesundheits-ystemmodernisierungsgesetz verabschiedet und damitem heute vorgebrachten Anliegen in einem wesentli-hen Punkt entsprochen. Ich nutze daher die erste Le-ung über den Gesetzentwurf des Bundesrates für eineurze Rückschau, um deutlich zu machen, wie wichtigieser erste Lösungsschritt war, den wir durch das GMGollzogen haben.Worum geht es also? In dem eingebrachten Ge-etzentwurf des Bundesrates wird beklagt, dass es zurheblichen Verschiebungen der Kosten für einzelne be-andlungspflegerische Maßnahmen von der Kranken-ersicherung in die Pflegeversicherung gekommen ist.elche Kostenverschiebungen sind gemeint? ImGB V heißt es in § 37 Abs. 3 – „Häusliche Kranken-flege“ –Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege bestehtnur, es wird also nur dann bezahlt –
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Hilde Mattheissoweit eine im Haushalt lebende Person den Kran-ken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegenund versorgen kann.Hilfeleistungen pflegender Angehöriger wurden alsonicht von der Krankenversicherung erstattet. Ich gebrau-che bereits die Vergangenheitsform; denn ab 1. Januar2004 greift das Gesetz.Das Bundessozialgericht wollte nach den ersten Er-fahrungen mit der 1995 eingeführten PflegeversicherungHilfeleistungen pflegender Angehöriger berücksichti-gen. Es entschied daher 1998: BehandlungspflegerischeHilfeleistungen von pflegenden Angehörigen sind beider Einstufung der Pflegeeinsätze zu berücksichtigen.– Dieses Urteil war gerechtfertigt und nachvollziehbar;denn neben der Grundpflege und der hauswirtschaftli-chen Versorgung konnten pflegende Angehörige nunzum Beispiel das tägliche An- und Ausziehen von Kom-pressionsstrümpfen geltend machen.Was aber 1998 ausschließlich für pflegende Angehö-rige gedacht war, wurde 2001 vom Bundessozialgerichtauf professionelle Pflegekräfte ausgeweitet. Dadurchwurden Pflegebedürftige, die für bestimmte behand-lungspflegerische Hilfeleistungen ambulante Dienste inAnspruch nehmen mussten, finanziell zusätzlich belas-tet.Da im SGB XI alle Leistungen bei häuslicher Pflegeje Pflegestufe gedeckelt sind, müssen die behandlungs-pflegerischen Maßnahmen aus dem jeweiligen Budgetbezahlt werden. Für Pflegebedürftige reduzierte sich dieMöglichkeit, Leistungen einzukaufen, bzw. sie musstenerhebliche Zuzahlungen leisten.Aus dem ursprünglich gerechten Ansatz war eineKostenverschiebung zulasten der Pflegeversicherung ge-worden. So konnte es zum Beispiel geschehen, dass beieinem Leistungsvolumen der Pflegeversicherung von384 Euro allein über 300 Euro für das tägliche An- undAusziehen der Kompressionsstrümpfe gebraucht wur-den. Das sind bereits fast 80 Prozent der Mittel. Nichtnur die betroffenen Menschen, auch die Pflegedienstebeschwerten sich in der Vergangenheit immer wiederüber diese Schieflage.Wie sieht jetzt die Lösung aus, die der Freistaat Bay-ern vorschlägt? Die krankheitsspezifischen Pflegemaß-nahmen sollen bei der Feststellung der Pflegebedürftig-keit berücksichtigt werden, wenn eine häuslichePflegeperson nachgewiesen wird; das heißt, dann wäredie Pflegeversicherung für die Finanzierung zuständig.Wird dies nicht nachgewiesen, besteht ein Anspruch andie Krankenversicherung.Damit wären wir formal wieder bei dem, was 1998durch das Bundessozialgericht entschieden wurde. In derPraxis bestünde – wieder – das Problem, dass die häus-liche Situation, die sich ja jederzeit ändern kann, dieGrundlage für eine Begutachtung ist, wodurch ein unge-heurer Verwaltungsaufwand entstehen würde.Was wird durch unsere Gesetzesmaßnahme ab dem1. Januar 2004 konkret gelten? SPD, Bündnis 90/DieGrünen, die CDU/CSU und die Länder waren sich einig–wnhaeKtdkaBn–SlWsSFsFgMbuMF
Außerdem verursacht die klare Festlegung im GMGeinen zusätzlichen bürokratischen Aufwand. Ich darf esn dieser Stelle nochmals betonen: Dem Anliegen vonayern wurde bei den Kompromissverhandlungen Rech-ung getragen.
Ja, das glaube ich auch. – Bundesministerin Ullachmidt und Herr Seehofer – Letzterer kommt bekannt-ich aus Bayern – haben dies gemeinsam geregelt.
enn es weitergehende Bestrebungen gegeben habenollte, wurden diese offensichtlich nicht von bayrischereite eingebracht.Das Ergebnis der Verhandlungen wurde von denachverbänden, dem Bundesverband privater Anbieterozialer Dienste, der Bundesarbeitsgemeinschaft derreien Wohlfahrtsverbände und anderen Verbänden be-rüßt.
it der anstehenden Reform der Pflege ist das Ziel ver-unden, weitere Leistungsverschiebungen zu korrigierennd es nicht allein bei der behandlungspflegerischenaßnahme der Kompressionsstrümpfe zu belassen.
Es bleibt für mich nur noch eine letzte spannenderage: Warum wird dieses Thema heute hier von der
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Hilde Mattheisbayerischen Staatsministerin mit Sicherheit vehementvertreten werden? Ich bin gespannt.
Im Vorfeld kann ich nur spekulieren: Kann es sein, dassdie Einigung im GMG den Freistaat überrascht hat unddie Staatsregierung für eine eventuelle Anweisung an dieKrankenkassen, alle Leistungen der medizinischen Be-handlungspflege zu übernehmen, zum jetzigen Zeitpunktkeine gesetzliche Grundlage hat?
Könnte mit diesem Gesetzentwurf vielleicht auch ver-sucht werden, das, was das Bundessozialgericht durchseine Rechtsprechung eingeleitet hat, nämlich die GKVzulasten der Pflegeversicherung zu entlasten, umzukeh-ren und eine Kostenverschiebung in die andere Richtungzu unternehmen?Uns wird in den nächsten Wochen die Reform derPflegeversicherung in hohem Maße beschäftigen.
Wenn wir die Grundsätze „ambulant vor stationär“ so-wie „Prävention und Rehabilitation vor Pflege“ nochstärker einfordern – diese Grundsätze sind bei uns allenunumstritten –, brauchen wir einerseits klarere Abgren-zungen zwischen Leistungen der Kranken- und der Pfle-geversicherung, andererseits aber auch eine Verbesse-rung der Übergänge, um die Pflegebedürftigen optimalzu versorgen und ungerechte Lasten zu vermeiden.Ich möchte alle an dieser Stelle herzlich einladen,konstruktiv an der Weiterentwicklung der Pflegeversi-cherung mitzuwirken. Auch die Länder sind hier in derVerantwortung. Denn es heißt in § 9 des Pflege-Versi-cherungsgesetzes:Die Länder sind verantwortlich für die Vorhaltungeiner leistungsfähigen, zahlenmäßig ausreichendenund wirtschaftlichen pflegerischen Versorgungs-struktur.Vielen Dank.
Für den Bundesrat erhält jetzt die Staatsministerin für
Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen des Frei-
staates Bayern, Frau Christa Stewens, das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Frau Kollegin Mattheis, ich habe Ihnen sehr genau zuge-hört.
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ie haben sich auf das GMG bezogen. Darin wurde le-iglich das An- und Ausziehen von Kompressions-trümpfen übernommen.
Deswegen ist es so wichtig, dass unsere Bundesrats-nitiative Zustimmung findet. Denn Sie wissen ganz ge-au, dass die medizinische Behandlungspflege nichtur aus dem An- und Ausziehen von Kompressions-trümpfen besteht – natürlich beinhaltet sie auch das; dast gar keine Frage –,
ondern beispielsweise auch den Bereich der Schmerz-edikation, die Sekretabsaugung und das Anlegen einesinmalkatheters morgens und abends umfasst.
uch das ist medizinische Behandlungspflege und keinerundpflege.
eswegen, liebe Frau Kollegin, ist das in diesem Zusam-enhang bestehende Problem mit dem GMG keines-egs beseitigt. Sie sollten sich ein Stück weit intensiverit den Problemen der Pflege in Deutschland befassennd dann darüber reden.
Sie haben ausgeführt, dass Sie sich mit der Reformer Pflegeversicherung beschäftigen werden. Dazu kannh Ihnen sagen: Wir werden schon in Kürze eine Re-orm der Pflegeversicherung auf den Tisch legen. Auchier werden wir weiter, schneller und auch besser – dast gar keine Frage – als die rot-grüne Bundesregierungein.
Frau Kollegin Mattheis, Sie selber haben auf das Ur-il des Bundessozialgerichtes vom 30. Oktober 2001ingewiesen. Sie haben dargelegt – in der Beurteilunger Lage sind wir uns durchaus einig –, dass die Leistun-en der Pflegeversicherung im Bereich der ambulantenflege – ich meine die Pflegestufe I und II – ein Stückeit – ich sage das ganz offen – geplündert werden. Das
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Staatsministerin Christa Stewens
Anlegen eines Einmalkatheters für eine Darm- oder Bla-senentleerung in Verbindung mit der morgendlichenPflege – und nicht das An- oder Ausziehen eines Kom-pressionsstrumpfes – kostet 5,62 Euro. Wenn Sie das proMonat rechnen, belaufen sich die Kosten auch nach demIn-Kraft-Treten des GMG, also nach dem 1. Januar 2004,auf 800 Euro. Das sind in etwa 55 Prozent der Leistun-gen in der Pflegestufe III. Das ist die tägliche Realität inder ambulanten Pflege. Das sollten Sie sich vor Augenführen.
Dann sollten Sie auch ein Stück weit exakter arbeiten.Es ist zwar gut, dass mit der Klarstellung im GMG ab1. Januar 2004 das Aus- und Anziehen von Kompressi-onsstrümpfen – Kompressionsklasse 2 – in den Leis-tungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen fällt. Aberdamit ist es bei weitem nicht getan. Auch die anderenkrankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen müssen dort-hin zurück, wo sie schon immer waren und wo sie sach-lich hingehören,
nämlich in den Leistungskatalog der gesetzlichen Kran-kenversicherung.Die jetzige Regelung belastet die Pflegebedürftigen– nicht die gesetzliche Krankenversicherung – auf einenicht vertretbare Art und Weise. Bitte sorgen Sie dafür,dass der Wille des Gesetzgebers wieder zur Geltungkommt und dass die Leistungen der Pflegeversicherungbei häuslicher Pflege ausschließlich für die Grundpflegeverwendet werden können. Genau dafür ist die Pflege-versicherung gedacht gewesen.In ihrer Stellungnahme zu dem vom Bundesrat be-schlossenen Entwurf des Pflege-Korrekturgesetzes stelltdie Bundesregierung fest – Sie haben es heute eigentlichwiederholt –, dass die gegenwärtige Praxis der sozialpo-litischen Zielsetzung, nämlich der Stärkung der häusli-chen Pflege, zuwiderläuft und aus diesem Grunde einegesetzgeberische Lösung im Interesse der Pflegebedürf-tigen geboten ist. Die Pflegebedürftigen sind die Ärms-ten in dieser Gesellschaft, die sich oft überhaupt nichtmehr selbst helfen können. Deswegen bedürfen sie unse-rer Hilfe und einer exakten gesetzlichen Klarstellung.
Dennoch plädiert die Bundesregierung für die Ableh-nung des Gesetzentwurfes. Wenn Ihnen die Klarstellungso sehr am Herzen liegt, dann kümmern Sie sich bittegleich darum. Sie argumentieren, dass es notwendig sei,auch andere Möglichkeiten gesetzgeberischer Regelun-gen zu prüfen. Das haben wir alle schon einmal gehört.Es wird ununterbrochen geprüft. Man will noch zielge-nauer den Interessen der Pflegebedürftigen Rechnungtragen. Aber ich sage Ihnen klipp und klar: Für diese Artder Argumentation habe ich überhaupt kein Verständnis.Das sind wieder nur taktische Spielchen, die hier ge-macht werden und die letztendlich dazu dienen sollen,den vorliegenden Gesetzentwurf auf die lange Bank zustcahBwwdsgmomTsnZWtTusdPIztbTKlzSLs
eschlüsse zur Umsetzung der diskutierten Maßnahmenerden jedoch nur sehr selten gefasst.Die Pflegeverbände waren natürlich bei mir, weil sieissen, dass sie in Bayern eine Sozialministerin haben,ie sich ganz intensiv mit der Situation der Pflege be-chäftigt. Ich habe ihnen gesagt, sie sollten zum Bundehen und dort ihre Interessen vorbringen. Das ist zu-indest bei den Kompressionsstrümpfen ab Kompressi-nsklasse 2 wirkungsvoll gewesen. Aber Sie müssenehr machen.Die Bundesfamilienministerin setzt jetzt einen rundenisch ein. Dort diskutiert man darüber, was geschehenoll. Ich kann Ihnen sagen, was geschehen muss: Jetzt isticht mehr die Zeit zum Diskutieren, sondern es ist dieeit zum Handeln. Taten sind gefragt und nicht nurorte.Danke schön.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Petra Selg.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu spä-er Stunde – lange sitze ich hier – hätte ich zu diesemhema beinahe selber Kompressionstrümpfe gebraucht.
Seit Einführung der Pflegeversicherung beschäftigtns die Schnittstelle zwischen Kranken- und Pflegever-icherung. Immer wieder klagen verschiedene Seiten,ass die Krankenkassen versuchen, Kosten zulasten derflegeversicherung zu verschieben. Das ist nichts Neues.mmer wieder mussten sich in der Vergangenheit die So-ialgerichte mit der Frage beschäftigen, welcher Kosten-räger unter welchen Bedingungen für die Finanzierungestimmter Leistungen zuständig ist.Das Urteil des Bundesozialgerichts zu diesemhema, das – auch heute immer wieder – so genannteompressionsstrümpfeurteil, ist die Grundlage der vor-iegenden bayerischen Gesetzesinitiative, die jetzt auchu einem Gesetzentwurf des Bundesrates geführt hat.eit diesem Urteil des Bundessozialgerichts fällt dieeistung des An- und Ausziehens von Kompressions-trümpfen im ambulanten Bereich unter bestimmten Vo-
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Petra Selgraussetzungen in den Leistungsbereich der Pflegeversi-cherung, obwohl sie eindeutig der Krankenversicherungzugeordnet sein sollte. Die Folge ist, dass die Kranken-kassen die Übernahme der Kosten für diese Leistung ab-lehnen. Letztendlich landen die Kosten meistens bei denPflegeversicherten, die sie aus eigener Tasche bezahlenmüssen.Die Sachleistungen aus den jeweiligen Pflegestufendecken heute meist nur einen Teil der Gesamtpflegekos-ten ab. Gleichzeitig ist das An- und Ausziehen vonKompressionstrümpfen vergleichsweise teuer. In derFolge werden die Pflegebedürftigen in der ambulantenPflege relativ stark belastet. Es sei hier noch einmal klargesagt: Diese von der Rechtsprechung angestoßene Ent-wicklung war vom Gesetzgeber nie gewollt. Die Leis-tungen der Pflegeversicherung sind der Grundpflege undder hauswirtschaftlichen Versorgung vorbehalten. Be-handlungspflege ist ausschließlich Angelegenheit derKrankenkassen. Deshalb besteht hier zweifellos Korrek-turbedarf.Der Bundesrat versucht jetzt allerdings auf denkbarschlechte Weise, das bestehende Abgrenzungsproblemzu beheben. Die Antwort auf die Frage, ob das An- undAusziehen von Kompressionsstrümpfen von der Kran-ken- oder von der Pflegekasse zu zahlen ist, soll nachden Vorstellungen des Bundesrates von der häuslichenSituation zum Zeitpunkt der Einstufung abhängig ge-macht werden. Komplizierter kann man das nicht gestal-ten. Entscheidend wäre demnach, ob zum Zeitpunkt derEinstufung im Haushalt des oder der Pflegebedürftigen– kompliziert zu lesen – Angehörige oder andere Perso-nen leben, die die behandlungspflegerischen Leistungenerbringen. Das heißt aber, dass immer dann, wenn sichdie häusliche Situation ändert, zum Beispiel wenn derEhegatte stirbt, eine Neueinstufung vorgenommen wer-den müsste. Das ist nach unserer Ansicht viel zu um-ständlich und dient eher dem Aufbau zusätzlicher Büro-kratie als der Entlastung pflegebedürftiger Menschen.
Seit Einführung der Pflegeversicherung haben wirständig irgendwelche Korrekturgesetze hinten angehängt,was die Bürokratie ständig verstetigt hat. Von vielen Ver-bänden wird endlich einig gefordert, die Bürokratie abzu-bauen. Bei Verabschiedung dieses Gesetzentwurfeswürde aber – das sei noch einmal gesagt – zusätzliche Bü-rokratie aufgebaut.Außerdem – wie schon mehrfach gesagt – ist der Ge-setzentwurf des Bundesrates überholt.
– Warum haben Sie denn nicht mehr mitgemacht? Siewaren doch beteiligt.
Einen Teil des Problems, auf das der Bundesrat in sei-nem Entwurf abhebt, haben wir in der gerade abge-schlossenen Gesundheitsreform bereits gelöst. Dort ha-bleurAsdskphdAuHgbkidefadeDlrdeBtwaWsr
Damit ist jetzt klargestellt, dass der Anspruch aufäusliche Krankenpflege und damit die Leistungspflichter Krankenkassen in Zukunft auch das An- undusziehen von Kompressionsstrümpfen der Klasse 2mfasst. Das gilt auch für die Fälle, in denen dieserilfsbedarf bei der Einstufung der Leistungen der Pfle-eversicherung zu berücksichtigen ist. Damit ist dieseehandlungspflegerische Leistung eindeutig der Kran-enversicherung zugeordnet. Der Vorteil gegenüber derm Bundesratsentwurf vorgeschlagenen Regelung ist,ass gleichzeitig kein zusätzlicher Verwaltungsaufwandntsteht.Ob das An- und Ausziehen von Kompressionsstrümp-en von Kranken- oder Pflegekassen zu zahlen ist, hängtuch nicht von der häuslichen Situation zum Zeitpunkter Einstufung ab. Deshalb ist auch keine Neueinstufungrforderlich, wenn sich die häusliche Situation ändert.ie im Rahmen der Gesundheitsreform getroffene Rege-ung entspricht daher dem Anspruch der Bundesregie-ung, Bürokratie abzubauen und zu vermeiden. Der Bun-esrat würde mit seinem Entwurf genau das Gegenteilrreichen.Mein Fazit lautet deshalb: Erstens. Der Entwurf desundesrates ist umständlich und zu bürokratisch. Zwei-ens. Wir haben das Problem, das gerade angesprochenorden ist, bereits im Rahmen der Gesundheitsreformuf wesentlich elegantere Art und Weise gelöst. Drittens.ir erarbeiten gemäß dem Urteil des Bundesverfas-ungsgerichtes für 2004 eine Reform der Pflegeversiche-ung, womit wir Regelungen zur besseren Verzahnung
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Petra Selgund Vernetzung der Leistungen der gesetzlichen Kran-kenversicherung und der Pflegeversicherung treffenwerden.Ich glaube, dass die Reform der Pflegeversicherungbei uns weitaus besser aufgehoben ist. Wir betreibenkeine taktischen Spielchen. Wenn ich mir die Vorschlägeder Herzog-Kommission zur Pflegeversicherung an-schaue, kann ich nur sagen: Gute Nacht Deutschland!Gute Nacht den Pflegebedürftigen!
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Daniel Bahr.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich bitte angesichts der Zeit und angesichts der Ernsthaf-
tigkeit des Themas Kompressionsstrümpfe nicht ins Lä-
cherliche zu ziehen. Sowohl für die Betroffenen als auch
für die Familien ist das ein sehr ernstes Thema.
Leistungsverschiebungen zwischen Kranken- und
Pflegeversicherung sind an der Tagesordnung und sor-
gen immer wieder für Unmut. Der Bundesrat hat die Ini-
tiative zum Pflege-Korrekturgesetz mit dem Ziel ergrif-
fen, gesetzlich eindeutig zu regeln, in welchen Fällen die
Pflegekassen die Kosten für die Erbringung von Leistun-
gen der Behandlungspflege bei ambulant versorgten
pflegebedürftigen Personen übernehmen.
Die Rechtsprechung hat zur Verschiebung von Leis-
tungen durch die Krankenversicherung in die Pflegever-
sicherung geführt. Die Möglichkeit zur Kostenverlage-
rung ist durch § 37 Abs. 3 SGB V gegeben. Durch
diesen Paragraphen wird die häusliche Krankenpflege
als Leistung der Krankenkasse ausgeschlossen, wenn
eine im Haushalt lebende Person den Kranken im erfor-
derlichen Umfang pflegen und versorgen kann. Dieser
Tatbestand wurde vom Bundessozialgericht sogar auf
Sachverhalte ausgedehnt, in denen der Pflegebedürftige
die ambulanten Leistungen durch professionelle Pflege-
kräfte bezog. Dies wurde teilweise im Rahmen des Ge-
sundheitssystemmodernisierungsgesetzes geändert. Das
ist – das wurde bereits gesagt – sehr löblich, reicht aber
nicht aus. Deswegen müssen wir weitere Anstrengungen
unternehmen, um den gesamten Bereich der Behand-
lungspflege auszubauen.
Die Rechtsauffassung der Gerichte widerspricht der
eigentlichen Intention der Pflegeversicherung. Die Pfle-
geversicherung ist grundsätzlich nicht für die Leistungen
der Behandlungspflege zuständig, sondern für Leistun-
gen der Grundpflege sowie der hauswirtschaftlichen
Versorgung. Da die Pflegeversicherung nur einen Teil-
kaskocharakter besitzt und damit nur Leistungen bis zu
einem festgesetzten Höchstsatz übernimmt, sind von den
Leistungsverschiebungen vor allem chronisch Kranke
sowie multimorbide Pflegebedürftige betroffen. Für
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Ich danke auch und schließe die Aussprache.Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-urfs an die in der Tagesordnung aufgeführten Aus-chüsse vorgeschlagen. Gibt es anderweitige Vor-chläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist dieberweisung so beschlossen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Son-
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Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
– Drucksache 15/1468 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für TourismusHaushaltsausschussHier haben die Abgeordneten Skarpelis-Sperk, OttoBernhardt, Hans-Josef Fell und Christoph Hartmann ge-beten, die Reden zu Protokoll geben zu dürfen.1) – Siesind offensichtlich damit einverstanden. Dann verfahrenwir auch so.Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-wurfs auf Drucksache 15/1468 an die in der Tagesord-nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt esanderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dannist die Überweisung so beschlossen.Wir sind damit – überraschenderweise – am Schlussunserer heutigen Tagesordnung.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-destages auf morgen, Freitag, den 7. November 2003,9 Uhr, ein.Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen und denBesuchern auf den Tribünen einen schönen Abend.Die Sitzung ist geschlossen.