Gesamtes Protokol
Grüß Gott, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-zung ist eröffnet.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 a bis 1 c auf:a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einord-nung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetz-buch– Drucksache 15/1636 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Auswärtiger AusschussInnenausschussRechtsausschussFinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftVerteidigungsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenHaushaltsausschuss gemäß § 96 GOb) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes fürmoderne Dienstleistungen am ArbeitsmarktcsfRedet– Drucksache 15/1637 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
InnenausschussSportausschussRechtsausschussFinanzausschussAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftVerteidigungsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit uEntwicklungAusschuss für TourismusAusschuss für Kultur und MedienHaushaltsausschuss gemäß § 96 GO
gebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes fürmoderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt– Drucksache 15/1638 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
InnenausschussSportausschussRechtsausschussFinanzausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für TourismusAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionAusschuss für Kultur und MedienHaushaltsausschuss gemäß § 96 GOInterfraktionell wurde vereinbart, dass keine Ausspra-he erfolgen soll. – Wie ich sehe, sind Sie damit einver-tanden.Wir kommen damit gleich zur Überweisung. Inter-raktionell wird vorgeschlagen, die Gesetzentwürfe aufextden Drucksachen 15/1636, 15/1637 und 15/1638 an diein der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu über-weisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das istnicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so be-schlossen.Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:Befragung der BundesregierungDie Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-binettsitzung mitgeteilt: Entwurf eines Zwölften Geset-zes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes.r den einleitenden fünfminütigen Berichtentarische Staatssekretärin bei der Bun-ür Gesundheit und Soziale Sicherung,-Merk.nd Das Wort fühat die Parlamdesministerin fMarion Caspers
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5540 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003
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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Zwölf-
ten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes be-
schlossen. Der Gesetzentwurf dient der Verbesserung
der Arzneimittelsicherheit und enthält im Wesentlichen
die zur Umsetzung europäischen Rechts notwendigen
Änderungen der Regelung zur klinischen Prüfung von
Arzneimitteln an Menschen.
Mit dem Entwurf des Zwölften AMG-Änderungsgeset-
zes sollen einheitliche Rahmenbedingungen für die klini-
sche Forschung mit Arzneimitteln in Europa geschaffen
und europäisches Recht umgesetzt werden. Darüber hi-
naus dient die Novelle der Verbesserung der Arznei-
mittelsicherheit. Insbesondere die künftige stärkere Be-
rücksichtigung von Neben- und Wechselwirkungen bei
Medikamenten spielt eine große Rolle. Durch die Rege-
lungen in diesem Gesetzentwurf wird auch die Verbreitung
von Arzneimittelfälschungen deutlich erschwert. Dieses
Problem hat bislang stärker in Entwicklungsländern eine
Rolle gespielt; mittlerweile hat es aber leider auch
Deutschland erreicht. Mit dem Gesetzentwurf tragen wir
dem Wunsch der Pharmaindustrie Rechnung, die Verbrei-
tung von Arzneimittelfälschungen deutlich zu erschweren.
So wird unter anderem in § 8 das Verbot aufgenom-
men, Arzneimittel herzustellen oder in den Verkehr zu
bringen, die in Bezug auf ihre Identität und Herkunft
falsch gekennzeichnet sind. Damit werden die Regelun-
gen des Arzneimittelgesetzes verschärft, die auf eine
mindere Qualität gefälschter Arzneimittel und deren
Auswirkungen abhoben. Auch der Strafrahmen für die
Herstellung und das In-Verkehr-Bringen von Arzneimit-
teln, die in ihrer Qualität gemindert sind, wird ver-
schärft. Dazu wird dieser Tatbestand von § 96 Arznei-
mittelgesetz in den Strafkatalog des § 95 AMG mit einer
Strafandrohung von maximal drei Jahren Freiheitsstrafe
verschoben. Die Herstellung und das In-Verkehr-Brin-
gen von gefälschten Arzneimitteln wird als neuer
Straftatbestand geregelt. Verstöße gegen das Werbever-
bot für nicht zugelassene Arzneimittel werden in Zu-
kunft als Ordnungswidrigkeit geahndet.
Was Meldungen über unerwünschte Wirkungen von
Arzneimitteln betrifft, so soll eine EU-weite Datenbank
aufgebaut werden, die den Informationsaustausch über
schwerwiegende unerwünschte Nebenwirkungen von Arz-
neimitteln zwischen den Mitgliedstaaten sicherstellen soll.
Im Interesse der von allen Seiten geforderten Verbesse-
rung der Arzneimittelsicherheit für Kinder wird durch den
Gesetzentwurf die klinische Prüfung bei Kindern und Ju-
gendlichen unter bestimmten Voraussetzungen auch dann
gestattet, wenn ein so genannter Gruppennutzen vorliegt.
Ich nenne ein Beispiel: Durch eine zusätzliche Blutunter-
suchung nach dem erfolgreichen Abschluss einer Thera-
pie kann vielleicht zwar kein individueller Nutzen für die
betroffene Person, wohl aber ein künftiger Nutzen für die
jeweilige Patientengruppe erwartet werden.
Durch Gruppennutzen bei Kindern können insbeson-
dere Laborwerte untersucht oder funktionsdiagnostische
Untersuchungen zusätzlich bestimmt oder untersucht
werden, die für eine Überwachung sowie den Nachweis
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
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5542 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003
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Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-MerkWie ich sehe, kommen viele Kollegen erst jetzt insPlenum, weil die Sitzung des Ausschusses für Gesund-heit und Soziale Sicherung noch andauerte.Ich will zu diesem Punkt Folgendes sagen: Wir habendafür gesorgt, dass keine Forschung an gesunden Kin-dern vorgenommen werden darf. Klinische Forschungenan Kindern sind nur dann zugelassen, wenn das Einver-ständnis eines Erziehungsberechtigten – wer immer diesauch sein mag – vorliegt. In einer stationären Einrich-tung müssen dies nicht die Eltern sein, sondern dies kannauch durch einen Dritten erfolgen. Wenn die Kinder abeinem bestimmten Alter einsichtsfähig sind, ist auch ihreZustimmung erforderlich. Die klinische Prüfung an nichteinwilligungsfähigen kranken Erwachsenen setzt wiebisher einen individuellen Nutzen voraus.
Die nächste Frage hat die Kollegin Widmann-Mauz.
Frau Staatssekretärin, Sie haben, wie ich gerade mit-
bekommen habe, erläutert, dass in Zukunft pro Land nur
noch eine Stellungnahme einer Ethikkommission not-
wendig ist. Haben Sie in Ihrem Vorhaben auch geregelt,
ob Rechtsmittel gegen eine Entscheidung bzw. gegen ein
ausbleibendes Votum der Ethikkommission eingelegt
werden können? Wenn ja, wie haben Sie diese Rechts-
mittel ausgestaltet, und, wenn nein, warum sehen Sie
kein Erfordernis, gegen ein Votum bzw. gegen ein aus-
bleibendes Votum der Ethikkommission Rechtsmittel
vorzusehen?
M
Zunächst einmal sind wir einem Wunsch der for-
schenden Pharmaunternehmen nach mehr Klarheit und
Transparenz entgegengekommen. Wir haben eine Viel-
zahl von Ethikkommissionen. In Europa gibt es unter-
schiedliche Situationen. Es gibt Länder, die nur wenige
haben. In Deutschland gibt es ein Nebeneinander von
Ethikkommissionen. Durch die 12. AMG-Novelle wird
künftig eine Ethikkommission federführend zuständig
sein und die anderen Ethikkommissionen werden zuar-
beiten. Deren Rechte werden also nicht beschnitten. In
Zukunft laufen bei einer Kommission die Informationen
zusammen.
Ich habe eben erläutert, dass neben dem Gesetz auch
eine Verordnung erlassen werden wird, die das Verfah-
ren detailliert regelt. Die Verordnung befindet sich im
Entwurfsstadium und wird mit den Bundesländern und
den beteiligten Kreisen erörtert. Ich bin sicher, dass die
Frage der Rechtsmittel noch einmal zu diskutieren sein
wird.
Der nächste Fragesteller ist der Kollege Storm.
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5546 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003
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Herr Kollege von Klaeden, Sie wissen, dass die Bun-
desregierung eine entsprechende Einlegungsfrist hat.
Diese Frist ist noch nicht abgelaufen. Insofern befindet
sich diese Frage noch in Prüfung und kann hier heute
noch nicht beantwortet werden.
Herr Kollege von Klaeden, eine Zusatzfrage.
Herr Staatsminister, wenn die Frist abgelaufen ist,
dann brauche ich Sie auch nicht mehr zu fragen. Die
Frist läuft am Freitag oder Montag ab. Deswegen bin ich
ein wenig erstaunt. Sie haben dieses Verfahren mit Inten-
sität und in einer verfassungsrechtlich äußerst fragwürdi-
gen Art und Weise durchgezogen. Sie bekommen jetzt
zum dritten Mal dieselben Argumente vorgetragen und
können mir jetzt nicht sagen, ob Sie Beschwerde einle-
gen wollen oder nicht. Das erschließt sich mir, ehrlich
gesagt, nicht ganz; denn ich weiß nicht, was aus Ihrer
Sicht noch zu prüfen ist.
Herr von Klaeden, ich weise zunächst noch einmal
ausdrücklich zurück, dass wir mit einem fragwürdigen
Verfahren agiert haben. Wir haben rechtsstaatliche Mit-
tel in Anspruch genommen. Selbstverständlich ist es not-
wendig – ich denke, das würden Sie andernfalls von der
Bundesregierung erwarten –, dass man das, was als Be-
gründung für diese Einstellung vorgelegt worden ist, ei-
ner sorgsamen Prüfung unterzieht und dann am Ende
dieses Prüfungsprozesses eine Entscheidung fällt, und
zwar innerhalb des Zeitraums, der uns rechtlich zur Ver-
fügung steht.
Ich weise darauf hin, dass die Zeit für die Befragung
der Bundesregierung überschritten ist.
Ich gebe jetzt noch dem Kollegen Grindel das Wort.
Bitte, Herr Kollege Grindel.
Ich möchte Sie im Anschluss an die Frage des Kol-
legen von Klaeden bitten, uns folgende Fragen zu be-
antworten – die Prüfung umfasst ja eine Abwägung –:
Welche Gründe sprechen für eine Fortführung des Ver-
fahrens? Welche Gründe sprechen dafür, die Frist ver-
streichen zu lassen?
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5548 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das war jetzt eine Kommentierung, die ich nicht ak-
eptieren kann. Der Minister lädt die Gäste ein, die er
raucht bzw. die auf ihn zukommen. Wenn Sie den
unsch gehabt hätten, mit Herrn Bundesminister
r. Struck zu reden, wäre er sicher bereit gewesen, auch
it Ihnen darüber ein Gespräch zu führen.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Klaus
ofbauer auf:
Gibt es Einheiten der Bundeswehr, die sowohl von den
technischen als auch von den logistischen Anforderungen
standortunabhängig sind, und, wenn ja, können diese Einhei-
ten aus strukturpolitischen Erwägungen in ländliche Räume
oder strukturschwache Regionen verlegt werden, die von
Standortschließungen betroffen sind?
H
Auf Ihre Frage, Herr Kollege Hofbauer, antworte ich:
a, es gibt, wie Sie vermutet haben, solche Einheiten der
undeswehr, die sowohl von den technischen als auch
on den logistischen Anforderungen her standortunab-
ängig sind. Sollte sich aus der Weiterentwicklung der
undeswehr die Notwendigkeit zu Verlegungen ergeben,
ird über diese nur auf der Basis von militärisch/funk-
ionalen und betriebswirtschaftlichen Kriterien entschie-
en werden. Von allen anderen Überlegungen müssen
ir uns trennen, denn sonst können wir die Kosten nicht
enken und vor allen Dingen im Einzelplan 14 nicht den
pielraum gewinnen, den wir brauchen.
Herr Staatssekretär, ich war in der letzten Woche aninem Standort, an dem der Auflösungsappell stattge-unden hat. Ich gehe davon aus, dass Sie als Mitglied derundesregierung ganzheitlich handeln. Die Menschen inener Region fühlen sich sehr allein gelassen. Die Auflö-ung des Standortes Kötzting hat wirtschaftliche Folgenür die Region. Es handelt sich um eine strukturschwa-he Region in Ostbayern. Die Bundesregierung möchteich dort auch aus der Gemeinschaftsaufgabe zurückzie-en. Welche Überlegungen stellt die Bundesregierungn, gerade in solchen strukturschwachen Regionenbergangsregelungen bzw. -hilfen anzubieten?Die zweite Frage möchte ich – wenn ich darf, Frauräsidentin – gleich anfügen. Ich habe ein bisschen den
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003 5549
)
)
Klaus HofbauerEindruck, Herr Staatssekretär, dass insbesondere die Ab-wicklung, also der Verkauf der betreffenden Liegen-schaften, unheimlich zäh vor sich geht. Ich habe selberzwei Gespräche mit Ihren zuständigen Stellen initiiert.Es ist fast schon beschämend, wie diese Verhandlungengeführt werden: keine konkreten Angaben, weder zumPreis noch zum Zeitpunkt des Verkaufs noch zur Art undWeise. Ich glaube, dass wir hier wesentlich aktiver agie-ren müssen, um Lösungen für die Region zu finden;denn es ist ja unbestritten, dass der eine oder andereStandort aufgelöst werden muss.H
Herr Kollege, ich unterstütze ausdrücklich Ihre Aus-
sage, dass diese Bundesregierung ganzheitlich handelt.
Das ist Sinn und Zweck der Zusammenarbeit in der Re-
gierung.
Zweiter Punkt: Es kommt darauf an, Herr Kollege,
wer für die Verkäufe der Liegenschaften zuständig ist.
Es gibt mittlerweile – leider – vier verschiedene Zustän-
digkeiten: Der Bundesfinanzminister ist über die Bun-
desvermögensverwaltung zuständig. Der Bundesvertei-
digungsminister hat eine Zuständigkeit über die
Standortverwaltungen, die ihre Arbeit jetzt optimieren
wollen; sie behaupten zumindest, sie könnten den Ver-
kauf genauso gut abwickeln wie die Bundesvermögens-
verwaltung. Dann gibt es die GEBB. Weitere Verkäufe
von Liegenschaften müssen geprüft werden. Es ist be-
dauerlich, dass das so lange dauert; da gebe ich Ihnen
Recht. Keiner wäre glücklicher als wir, wenn der Haus-
halt durch die Verkäufe der Liegenschaften aufgebessert
werden könnte.
In den einzelnen Standorten werden Entwicklungs-
maßnahmen überlegt, die zu einer Standortoptimierung
beitragen können. Möglicherweise denken bei dem von
Ihnen erwähnten Standort die kommunale Ebene und die
entsprechenden Dienststellen gemeinsam darüber nach,
wie die Liegenschaft fortan genutzt werden kann. Es gibt
sehr gute Beispiele dafür in Deutschland, dass solche
Überlegungen zum Erfolg geführt haben.
Zu Ihrem letzten Punkt. Standorte aus strukturellen
Gründen aufrechtzuerhalten ist nicht mehr möglich. Wir
müssen sehen, wie die Betriebskosten gesenkt werden
können.
Eine weitere Zusatzfrage, und zwar des Kollegen
Fischer.
Herr Staatssekretär, wenn Sie doch wissen, dass es bei
der Auflösung von Standorten seit Jahren das Problem
der vier Zuständigkeiten gibt, sind Sie dann mit mir der
Auffassung, dass es die Aufgabe der Bundesregierung
wäre, eine bessere Koordination bzw. eine Zusammenle-
gung vorzunehmen? Denn gerade vor dem Hintergrund
der jetzt anstehenden Schließungen muss man dafür sor-
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5550 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003
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Für welche Projekte im Rahmen der Wiederaufbaupro-
gramme im Irak sollen gegebenenfalls deutsche Finanzhilfen
bereitgestellt werden?
K
Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesre-ierung leistet bereits jetzt, und zwar sowohl bilateral alsuch im Rahmen der EU, humanitäre Hilfe und wird diesuch weiterhin tun. So befinden sich beispielsweise seitnde September 2003 Experten des Technischen Hilfs-erkes im Irak, um zum Wiederaufbau der Wasserwerkeeizutragen. Schließlich ist die Bundesregierung bereit,ur Ausbildung irakischer Polizeikräfte beizutragen. Sieat anlässlich einer Reise des Bundeskanzlers am. Oktober 2003 eine entsprechende Absichtserklärungit den Vereinigten Arabischen Emiraten unterzeichnet.ie Bundesregierung ist grundsätzlich bereit, den Wie-eraufbauprozess im Irak weiter zu unterstützen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003 5551
)
)
Herr Kollege Weiß.
Frau Staatsministerin, da die von Ihnen bereits er-
wähnten Aktivitäten der Bundesregierung im Bereich
der humanitären Hilfe aus den dafür zur Verfügung
stehenden Etatansätzen des Auswärtigen Amtes und des
Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenar-
beit und Entwicklung finanziert werden, möchte ich
gerne wissen, ob für die Unterstützung der Ausbildung
von Sicherheitskräften Mittel bereitgestellt worden sind
oder ob es zumindest eine entsprechende Planung gibt,
um die Zusage des Bundeskanzlers einzulösen.
K
Wir werden sicherlich Mittel zur Verfügung stellen,
um die Zusage des Bundeskanzlers umzusetzen; davon
können Sie ausgehen. Nähere Einzelheiten stehen zum
jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest.
Ich kann Ihnen hierzu sagen, dass die Zusage des
Bundeskanzlers bei allen Partnern auf große Zustim-
mung stößt. Vor allem die amerikanische Seite hat es
sehr begrüßt, dass wir uns an der Ausbildung einer iraki-
schen Polizei beteiligen wollen. Denn dies ist perspek-
tivisch ein ganz wichtiger Punkt zur Herstellung von
Sicherheit und Stabilität im Irak. Dies ist eine grundle-
gende Voraussetzung für den Wiederaufbau.
Der jetzige Stand ist: Es gibt eine gemeinsame Ab-
sichtserklärung über eine Zusammenarbeit. Die Einzel-
heiten zur Umsetzung dieser Erklärung werden auf
Expertenebene geprüft und ausgearbeitet. Wir wollen
natürlich, dass diese Programme eine möglichst breite
Wirkung entfalten. Gehen Sie davon aus, dass wir diese
Zusage umsetzen werden!
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Frau Staatsministerin, der eigentlichen Geberkonfe-
renz wird am 22. Oktober 2003 eine Vorkonferenz mit
Nichtregierungsorganisationen und Vertretern des Pri-
vatsektors vorausgehen. Deswegen möchte ich Sie fra-
gen: Ist bereits, was die Teilnahme deutscher Vertreter
der Nichtregierungsorganisationen und des Privatsek-
tors, vor allem Vertreter der Industrie, anbelangt, eine
Koordinierung mit der Bundesregierung erfolgt und hat
die Bundesregierung für diese Vorkonferenz gegenüber
den Nichtregierungsorganisationen und Vertretern des
Privatsektors Zusagen hinsichtlich einer finanziellen und
technischen Unterstützung ihrer Aktivitäten gemacht?
K
Ich vermute einmal, dass dies nicht der Fall ist. Aber
es gibt in der Tat diese Veranstaltung für den Privatsek-
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Ich rufe die Frage 8 der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch
uf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Präsidentenwahl in
Tschetschenien vom 5. Oktober 2003 und hat Bundeskanzler
Gerhard Schröder sein letztes Zusammentreffen mit Präsident
Wladimir Putin genutzt, um über die Situation in Tschetsche-
nien zu sprechen?
K
Die Position der Bundesregierung kommt in den bei-
en Erklärungen der Europäischen Union zu den Präsi-
entschaftswahlen in Tschetschenien vom 26. Septem-
er und vom 8. Oktober 2003 zum Ausdruck. In diesem
inne wurde das Thema Tschetschenien auch im Rah-
en der deutsch-russischen Regierungskonsultationen
esprochen, die am 8. und 9. Oktober 2003 in Jekateri-
enburg unter Leitung von Bundeskanzler Schröder und
räsident Putin und unter Teilnahme des Außenministers
tattfanden.
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatsministerin, an der Präsidentenwahl inschetschenien haben bekanntermaßen auch russischeesatzungssoldaten teilgenommen. Wie bewertet dieundesregierung die Teilnahme von Besatzungssoldatenn der Wahl und entspricht dies ihrem Verständnis vonemokratischen Wahlen?
Metadaten/Kopzeile:
5552 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003
)
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Wir stehen zu den entsprechenden EU-Erklärungen,
die ich hier gern noch einmal darstellen möchte. In den
Erklärungen haben wir gemeinsam mit den Partnern kri-
tisiert, dass es einen Mangel an echten Alternativkandi-
daten für das Präsidentenamt gab. Wir haben ferner das
Fehlen unabhängiger Medien kritisiert und die Notwen-
digkeit unterstrichen, dass die tschetschenische Bevölke-
rung die Rechtmäßigkeit der Wahl anerkennt. Das be-
trifft insbesondere den Punkt, den Sie gerade erwähnt
haben.
Darüber hinaus haben wir in den EU-Erklärungen un-
sere Erwartung zum Ausdruck gebracht, dass in Tschet-
schenien Menschenrechte geachtet und Menschenrechts-
verletzungen strafrechtlich verfolgt werden und die
Förderung eines politischen Prozesses zur Konflikt-
lösung angegangen wird. Wir haben ferner die russische
Regierung aufgerufen, ihre Zusammenarbeit mit interna-
tionalen Organisationen, insbesondere mit der OSZE, zu
intensivieren. Ich denke, wir haben unsere Sorgen be-
züglich der Wahl klar formuliert.
Sie können noch eine weitere Zusatzfrage stellen.
Frau Staatsministerin, Sie haben in Beantwortung der
Ausgangsfrage dargestellt, dass der Bundeskanzler diese
Fragen gegenüber Präsident Putin angesprochen hat.
Wie war die Reaktion der russischen Seite?
K
Es waren Vier-Augen-Gespräche, von daher kann ich
Ihnen die Reaktionen nicht beschreiben. Das tut mir
Leid. Ich kann Ihnen nur zur Sache sagen, dass sowohl
der Kanzler als auch der Außenminister auf der Linie der
EU-Erklärungen die Frage der Wahl in Tschetschenien
klar angesprochen haben.
Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Markus Löning auf:
Wie steht die Bundesregierung dazu, dass viele der großen
humanitären Hilfsorganisationen einen Bundeswehreinsatz in
Kunduz ablehnen?
K
Herr Abgeordneter, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Viele der in Afghanistan tätigen staatlichen und
nicht staatlichen Hilfsorganisationen fordern eine Aus-
weitung der ISAF-Präsenz über den Raum Kabul hinaus.
So haben im Juni 2003 über 80 Nichtregierungsorgani-
sationen in einem offenen Brief die internationale Ge-
meinschaft aufgefordert, das ISAF-Mandat über Kabul
hinaus zu erweitern und so Sicherheit für die Arbeit von
staatlichen und nicht staatlichen Hilfsorganisationen zu
schaffen. Zu den Unterzeichnern gehören so bedeutende
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003 5553
)
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Sie dürfen leider keine zweite Zusatzfrage stellen.
Wir kommen zur Frage 10 des Kollegen Markus
Löning:
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5554 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003 5555
)
)
Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf KörperSie kennen die polizeiliche Lage und Sie werden mir mitSicherheit nicht widersprechen, wenn ich sage, dass diesein sinnvolles Instrument für unsere innere Sicherheitist. Ich bin mir sicher, dass ich damit nicht im Wider-spruch zu Ihnen stehe.
Ihre zweite Zusatzfrage.
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Kann die Bundesregierung hier und heute
erklären, dass die Übernahme der Reiterstaffel der Berli-
ner Polizei nicht nur eine Verlegenheitslösung war, son-
dern dass der Einsatz beim BGS langfristig – das betone
ich – gesichert ist? Das wollen sicher auch die Kollegen
beim BGS wissen.
F
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Gewalt, Sie wissen, dass die Über-
nahme dieser Reiterstaffel in Berlin eine hohe Akzep-
tanz in der Öffentlichkeit hatte. Man sollte daran nicht
weiter herummäkeln;
denn ihr Einsatz ist aufgrund der Einsatzmöglichkeiten
sinnvoll.
Dass wir diese Reiterstaffel inklusive dem zuständi-
gen Personal übernommen haben, war eine kluge und
wichtige Entscheidung von uns. Die dortigen Polizeibe-
amtinnen und Polizeibeamten verrichten einen hervorra-
genden Dienst; wir sind zufrieden. Ich denke, das sieht
der Bundesrechnungshof auch zukünftig so.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Fischer.
Axel E. Fischer (CDU/CSU):
Ich darf feststellen, dass Sie die Frage nicht beant-
wortet haben. Die Frage lautete, ob Sie eine langfristige
Perspektive bieten können. Ich stelle die Frage für den
Kollegen jetzt einfach noch einmal und bitte Sie, hier zu
verkünden, ob Sie diese langfristige Perspektive anbie-
ten können.
F
Herr Kollege Fischer, Sie haben bei meiner Antwort
wohl nicht richtig zugehört.
Ich habe gesagt, dass die polizeifachliche Lage in
Berlin einen sinnvollen Einsatz dieser Reiterstaffel mög-
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Ich rufe die Frage 12 des Abgeordneten Roland
ewalt auf:
Hat es zwischen der Bundesregierung und dem Berliner
Senat Verhandlungen über die Überlassung von Hubschrau-
bern des BGS zur Erfüllung von Polizeiaufgaben in der
Hauptstadt gegeben und, wenn ja, zu welchem Ergebnis ha-
ben sie geführt?
F
Herr Kollege Gewalt, einer Nachfrage des Landes
erlin aus dem Jahre 2000 zur dauerhaften Überlassung
on Polizeihubschraubern des Bundesgrenzschutzes
wecks Erfüllung von Polizeiaufgaben des Landes
erlin konnte seitens des Bundesministeriums des In-
ern nicht entsprochen werden.
Jedoch kann es sinnvoll sein, im Wege einer Koopera-
ion mit gleichen Rechten und Pflichten einen gemeinsa-
en Polizeihubschrauber zu betreiben, mittels dessen
olizeiaufgaben beider Seiten in der Bundeshauptstadt
rfüllt werden können. Eine entsprechende Prüfung fin-
et derzeit statt.
Herr Kollege Gewalt, Sie haben das Wort.
Herr Staatssekretär, ist Ihre Antwort so zu verstehen,
ass dem Land Berlin bzw. der Berliner Polizei – ge-
einsam mit dem BGS – in Zukunft ständig ein Hub-
chrauber zur Verfügung steht, der durch den BGS be-
eitgestellt wird?
F
Meine Antwort ist so nicht zu verstehen. Ich habe Ih-
en gesagt, dass zu diesem Themenkomplex derzeit eine
rüfung stattfindet. Darüber hinaus ist zum jetzigen
eitpunkt inhaltlich nichts festzuhalten. Ich kann mir gut
orstellen, dass Sie stets denken: Alles für Berlin! Das
st aus Ihrer Sicht verständlich. Aber auch das, was ich
azu gesagt habe, ist nachvollziehbar. Lassen Sie uns
arüber reden! Der Prüfungsvorgang ist, wie gesagt, im
ange.
Ihre zweite Frage, bitte.
Metadaten/Kopzeile:
5556 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003
)
)
Herr Staatssekretär, Sie wissen sicherlich auch, dass
es 2004 aufgrund von Einsparbeschlüssen des Berliner
Senats keine Berliner Polizeihubschrauber mehr geben
wird. Halten Sie es denn nicht für erforderlich, dass
Hubschrauber – ob nun vom BGS oder von der Berliner
Polizei – für den Polizeieinsatz in Berlin ständig zur Ver-
fügung stehen: zur Sicherung des Regierungsviertels, bei
Großlagen etc.?
F
Herr Kollege Gewalt, § 11 des Bundesgrenzschutzge-
setzes regelt die Verwendung zur Unterstützung eines
Landes ganz klar. Dort ist von der Unterstützung eines
Landes durch den Bundesgrenzschutz die Rede; es geht
nicht speziell nur um das Land Berlin. Dies ist die gel-
tende Rechtslage.
Meine Antwort, dass wir derzeit prüfen, besagt im
Übrigen noch lange nicht, dass es für das Jahr 2004
keine entsprechende Entscheidung gibt.
Die Frage 13 des Kollegen Jens Spahn wird schrift-
lich beantwortet.
Wir kommen damit zur Frage 14 der Kollegin Petra
Pau:
Wie viele antisemitische Straftaten wurden im zweiten
Quartal 2003 in der Bundesrepublik Deutschland begangen
und wie viele Opfer dieser Straftaten gab es?
F
Frau Kollegin Pau, im zweiten Quartal 2003 wurden
insgesamt 245 antisemitische Straftaten, die dem so ge-
nannten Phänomenbereich „Politisch motivierte Krimi-
nalität – rechts“ zugeordnet wurden, gemeldet, darunter
sind 43 Propagandadelikte und neun Gewaltdelikte. Bei
Letzteren handelt es sich um sieben Körperverletzungen,
einen Landfriedensbruch sowie einen gefährlichen Ein-
griff in den Bahn-, Luft-, Schiffs- und Straßenverkehr.
Im zweiten Quartal 2003 wurden acht Personen verletzt.
Todesfälle waren nicht zu verzeichnen.
Bitte schön, Frau Kollegin.
Herr Staatssekretär, ich hatte ausdrücklich nach anti-
semitischen Straftaten gefragt. Ich gehe davon aus, dass
sich die von Ihnen genannten Zahlen auf diesen Kom-
plex beziehen. Ich möchte mich nur vergewissern, weil
Sie von Rechtsextremismus sprachen. Ich gehe weiter-
hin davon aus, dass Sie gut vorbereitet sind und mir die
Streuung dieser Straftaten auf die einzelnen Bundeslän-
der mitteilen können.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003 5557
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Manfred Grundder politischen Verantwortung steht, bereit, dort das, washier schlüssig dargelegt worden ist, noch einmal vorzu-tragen?A
Ja. Wir werden den Leiter des zuständigen Gebietsre-
ferates dorthin schicken. Er wird die gesamte Zeit dort
sein, die Position des Ministeriums noch einmal vertre-
ten und für die Beantwortung aller Fragen zur Verfügung
stehen.
Die Fragen 30 und 31 des Kollegen Hans-Joachim
Otto , die Frage 32 des Kollegen Michael
Kretschmer und die Frage 33 des Kollegen Albert
Rupprecht werden schriftlich beantwortet.
Wir sind am Ende des Geschäftsbereichs des Bundes-
ministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.
Frau Staatssekretärin Mertens, vielen Dank für die Be-
antwortung der Fragen.
Wir sind damit auch am Schluss der Fragestunde.
Ich unterbreche die Sitzung bis zum Beginn der Aktu-
ellen Stunde um 15.30 Uhr.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist
wieder eröffnet.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Haltung der Bundesregierung zum Einge-
ständnis des Bundesfinanzministers, dass er
2003 für den Bund mit über 40 Milliarden
Euro die höchsten Schulden in der Geschichte
der Bundesrepublik aufnehmen wird
Zur Geschäftsordnung erteile ich das Wort dem Kol-
legen Manfred Grund.
Herr Präsident! Wir können die Bundesregierung gar
nicht zu ihrer Haltung befragen, weil sie nicht anwesend
ist. Ich frage jetzt den Präsidenten, wie wir verfahren
wollen.
Angesichts der Leere in den Bänken der Bundesregie-
rung und der Rednerreihenfolge, die uns hier vorliegt,
stelle ich fest, dass der Finanzminister einmal mehr das
Parlament und damit auch die Öffentlichkeit scheut
und nicht Stellung zu dem von ihm verursachten Finanz-
desaster nehmen will, über das jetzt hier im deutschen
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Auch zur Geschäftsordnung, Herr Kollege Koppelin.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichin etwas überrascht, dass die Koalitionsfraktionen esngesichts eines Antrages, einen Bundesminister herbei-urufen, für notwendig halten, den Ältestenrat einzube-ufen. Ich muss schon sagen, das ist etwas ungewöhn-ich. Sie wollen doch nur Zeit schinden, um Ihre Leuteusammenzurufen!
nscheinend haben Sie kein Interesse, über dieseshema zu diskutieren.Herr Präsident, wir unterstützen den Antrag dernion. Es ist doch eine Zumutung für ein Parlament undiemlich ungewöhnlich, wenn ein Bundesfinanzministerm Rande eines Parteitages der hessischen Sozialdemo-raten so wichtige Entscheidungen wie die Erhöhung dereuverschuldung bekannt gibt, aber nicht bereit ist, hierm Parlament Rede und Antwort zu stehen. Das gehticht.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003 5563
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Jürgen KoppelinWir haben bereits vor Monaten darauf hingewiesen,welche Risiken der Haushalt 2003 birgt. Die Fraktionder FDP hat bereits im Februar den Minister aufgefor-dert, den Haushalt zurückzuziehen und neu zu bearbei-ten, weil bereits damals die Risiken abzusehen waren.Die Koalition hat das durch ihre Redner mit Vehemenzbestritten. Der Bundesfinanzminister war damals nichtbereit, Rede und Antwort zu stehen. Heute muss er Redeund Antwort stehen. Deshalb unterstützen wir den An-trag der Union auf Herbeirufung von Minister Eichel.
Weitere Wortmeldungen zur Geschäftsordnung liegen
nicht vor. Der Antrag ist gestellt. Gleichzeitig liegt der
Antrag einer Fraktion zur Unterbrechung der Sitzung
zwecks Einberufung des Ältestenrates vor.
Ich empfehle Folgendes: Erstens besteht kein Zwei-
fel, dass über den Antrag abzustimmen ist. Zweitens ha-
ben wir die ständige Praxis, dass wir dem Wunsch auf
Unterbrechung der Sitzung, wenn er von Fraktionen ge-
äußert wird, Rechnung tragen. Für eine Einberufung des
Ältestenrates kann ich selbst bei großzügigster Ausle-
gung der Geschäftsordnung keinerlei Bedarf erkennen.
Um dem nachvollziehbaren Anliegen der antragstellen-
den Fraktion entgegenzukommen, empfehle ich, die Sit-
zung für 15 Minuten zu unterbrechen, anschließend über
den Geschäftsordnungsantrag abzustimmen, den die
CDU/CSU-Fraktion gestellt hat, und dann in die Ak-
tuelle Stunde einzutreten.
Die Sitzung ist bis 15.50 Uhr unterbrochen.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir kommen zur Abstimmung über den Geschäftsord-
nungsantrag der CDU/CSU zur Aktuellen Stunde, den
Bundesminister der Finanzen herbeizurufen. Wer diesem
Geschäftsordnungsantrag zustimmen möchte, den bitte
ich um das Handzeichen. – Gegenprobe! – Wer enthält
sich der Stimme? – Damit ist der Antrag abgelehnt.
Ich mache darauf aufmerksam, dass die Aktuelle
Stunde dennoch stattfindet. Es wäre schön, wenn die an-
wesenden Kolleginnen und Kollegen klären könnten,
wer an dieser Debatte teilnehmen will und wer wegen
Ausschusssitzungen zurück in die damit verbundenen
Beratungen muss.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Dietrich Austermann, CDU/CSU-Fraktion.
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iese haushaltspolitische Geisterfahrt muss beendeterden.Was ist denn in den vergangenen fünf Jahren tatsächlichingetreten? Wir hatten eine ständige Abwärtsbewegung
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5564 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003
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Dietrich Austermannbeim wirtschaftlichen Wachstum. Wir hatten eine Auf-wärtsbewegung bei den Arbeitslosenzahlen und eine ent-sprechende Aufwärtsbewegung bei den Schulden. Dastatsächliche gesamtstaatliche Defizit tendiert in diesemJahr gegen 100 Milliarden Euro. Sie kennen alle die Rich-terskala für Erdbeben. Ich würde sagen: Auf der nachoben offenen Eichel-Skala haben wir durchaus noch Luft,um diesen Wert im nächsten Jahr zu toppen. Wenn IhrePolitik so weiter betrieben wird, wird Eichel im nächstenJahr – wenn er dann noch im Amt ist, was ich beklagenwürde – diese Marge noch übertreffen, weil die Zahlendieses Jahres die Basis für die weitere Entwicklung sind.
Das werden die Steuerschätzung Anfang November unddie Erörterung der einen oder anderen Vorlage im Ver-mittlungsausschuss bestätigen.Unsere Meinung dazu ist seit Monaten klar:
Ich könnte Ihnen die Presseerklärungen vom Januar, vomMärz und vom Mai dieses Jahres vorlegen, in denen un-sere Haushälter jeweils deutlich gemacht haben, dass dieSchulden dieses Jahres, Frau Kollegin Lehn, mindestensdoppelt so hoch sein werden wie von der Bundesregie-rung im Haushaltsaufstellungsverfahren angenommen.
Dabei wird ein wesentlicher Teil der Daten, die Sie allekennen müssten, von Ihnen immer noch verschleiert. Je-den Tag geht das Wirrwarr weiter. Ich will nur einen einzi-gen Punkt erwähnen: Gestern und vorgestern haben wir inder Zeitung gelesen, dass möglicherweise Versicherungs-unternehmen in Abweichung von dem geltenden, imJahre 2000 beschlossenen Recht um 5 bis 10 MilliardenEuro entlastet werden sollen, weil das Halbeinkünftever-fahren, das wir von Anfang an für eine Missgeburt gehal-ten haben, bei ihnen nicht mehr angewendet werden soll.Jetzt soll Gesetzgebung auf Zuruf von Interessenverbän-den gemacht werden. Daran können Sie erkennen, wieweites mit der Achtung der Regierung vor dem Parlament hin-sichtlich der Gesetzgebungsverfahren gekommen ist.
Alles das, was Sie an Basis für den Haushalt des kom-menden Jahres am Freitag vorlegen werden, ist lücken-haft, ist nicht einmal ein Torso, ist in Teilbereichen einegewaltige Belastung für Bürger und Betriebe, und zwarselbst unter Einbeziehung des Vorziehens der Steuer-reform. Angesichts der desaströsen Lage der Rentenver-sicherung – es ist ja nicht so, dass Sie nur die Finanzendes Bundes durcheinander gebracht haben; Sie habenauch dazu beigetragen, dass die Rentner auf absehbareZeit nicht mehr mit Zuwächsen rechnen können – habenwir immer gesagt: Es müssen folgende Entscheidungengetroffen werden: Haushaltssperre, Nachtragshaushalt,saLmbdHrgzMvswBhuEdlgnwmsbMzmKBmdda
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Dem Haushalt 2003 liegt die Annahme einesealen wirtschaftlichen Wachstums von 1 Prozent zu-runde. Diese Annahme lag zu der damaligen Zeit
iemlich dicht an der Prognose des Ifo-Instituts vomärz, welches damals ein wirtschaftliches Wachstumon 0,9 Prozent unterstellte.Die Nachwirkungen des Irakkrieges ergaben einchwächeres Wirtschaftswachstum, sodass die gegen-ärtigen Prognosen bei 0 bis 0,2 Prozent liegen.
ezüglich der Folgen muss man wissen: Der Bundes-aushalt ist im Unterschied zu allen Länderhaushaltennd allen Kommunalhaushalten von der konjunkturellenntwicklung im Positiven wie im Negativen jeweilsoppelt betroffen, weil wir die konjunkturelle Entwick-ung sowohl auf der Einnahmeseite als auch auf der Aus-abenseite ganz drastisch in einer Milliardengrößenord-ung spüren. Auf der Einnahmeseite bedeutet schlechtesirtschaftliches Wachstum, dass uns die Steuereinnah-en wegbrechen. Auf der Ausgabenseite bedeutetchlechtes wirtschaftliches Wachstum Mehrausgabeneim Zuschuss an die Bundesanstalt für Arbeit undehrausgaben bei der Arbeitslosenhilfe, die zu 100 Pro-ent aus dem Bundeshaushalt bezahlt wird.
Wie sahen die Maßnahmen aus, über die wir im Rah-en des Haushalts 2003 beraten haben? Es waren dieoalitionsfraktionen im Haushaltsausschuss, die in deneratungen dankenswerterweise die Aufgabe übernom-en haben, CDU/CSU-Anträge auf Mehrausgaben iner Größenordnung von 3 Milliarden Euro, die nicht ge-eckt bzw. kreativ gedeckt waren,
bzulehnen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003 5565
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Parl. Staatssekretär Karl Diller
Die Koalition blieb seriös, während Sie unseriös warenund Wünsche für Mehrausgaben für Bundeswehr, Be-amte, Landwirtschaft und für alle möglichen GruppenIhrer Wählerinnen und Wähler meinten anmelden zumüssen.
Diese Koalition hat all ihre Wünsche mit entspre-chenden Mehrausgaben auch finanziert. Ich erinnere nuran die Mehrausgaben für das Programm zur Beschäfti-gung jugendlicher Arbeitsloser, JUMP plus, und für dasProgramm zur Beschäftigung von 100 000 Langzeitar-beitslosen in der Größenordnung von 165 MillionenEuro.
Diese Koalition hat die Mehrausgaben an anderer Stelleeingespart. Das ist solide Haushaltspolitik.
Der Nachtragshaushalt für das Jahr 2003 wird derzeitaufgestellt; Herr Kollege Austermann, was Sie ange-sprochen haben, darüber haben wir vorhin im Haushalts-ausschuss diskutiert.
Die Regierung hat Ihnen im August den Finanzplan vor-gelegt. Im Finanzplan ist deutlich zu lesen, dass sich dieVerschuldung entgegen der Annahme aus dem Haus-haltsplan verdoppeln wird. Der Grund ist die Wachs-tumsschwäche. Wir werden in der nächsten Woche eineneue Wachstumsschätzung vorliegen haben und werdendaraus Folgerungen für die Einnahme- und Ausgabeseitedes Haushaltes ziehen müssen. Deswegen ist es wahr-scheinlich – aber noch nicht belastbar –, dass die Netto-kreditaufnahme bei bzw. über 40 Milliarden Euro liegenwird.
Nun hat Kollege Austermann gemeint – im Antragkommt das auch zum Ausdruck –, einen Vergleich mitdem Jahr 1996 ziehen zu können, als Sie die bis heutegrößte Nettokreditaufnahme zu verantworten hatten.
Damals lag sie bei 40,02 Milliarden Euro, trotz einesWirtschaftswachstums von real 1,4 Prozent.
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Nun hat der Kollege Austermann auch noch gemeint,inen längeren Zeitraum ins Auge fassen zu können. Sieaben eben darauf hingewiesen, dass wir im fünften Jahrerantwortung tragen.
enn wir einen vergleichbar langen Zeitraum Ihrer Re-ierungszeit nehmen und die letzten fünf Jahre Ihrer Re-ierungszeit betrachten – das sind die Jahre 1994 bis998 –, dann müssen wir feststellen, dass Sie in diesenahren insgesamt 152,7 Milliarden neue Schulden ge-acht haben.
enn wir diese Zahl toppen wollten, müsste die Neuver-chuldung in diesem Jahr bei über 48 Milliarden Euroiegen. Sie wird darunter liegen, und zwar deutlich.
Sie müssen noch folgenden Punkt berücksichtigen:um Schließen des Haushaltsloches kann man nicht nureue Schulden machen, sondern man kann auch Vermö-ensanteile verkaufen.
ie damals regierende Koalition hat im Zeitraum 1994is 1998 neben der Aufnahme dieser gigantischen Schul-en zur Schließung von Haushaltslöchern weitere4,76 Milliarden, im Wesentlichen Telekom-Aktien,erkauft.
ei uns sind das nur 8 Milliarden und damit 6 Milliardeneniger. Deswegen sehen wir auch in diesem Vergleicheutlich besser aus.
Lassen Sie mich noch einmal den Grund nennen: Derrund, dass wir trotz der schwierigen Entwicklung iniesem Jahr sowohl auf das Jahr als auch auf einen län-eren Zeitraum bezogen besser aussehen, als Sie damalsussahen,
iegt darin, dass diese Koalition im Jahre 1999, dem ers-en Jahr ihrer Regierungszeit, die Kraft hatte, gegen Ihretimmen ein Konsolidierungsprogramm zu beschließen,
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Parl. Staatssekretär Karl Dillerdurch das im ersten Jahr 15 Milliarden Euro eingespartwerden konnten. Dieses wirkt noch bis heute fort.
Die Umsetzung dieses Programms erbrachte Einsparun-gen bzw. Mehreinnahmen von bisher 25 Milliarden Eurojährlich.
Diese Konsolidierung zugunsten des Bundeshaushaltessetzt sich weiter fort.Unsere Folgerungen sind: Wir befinden uns unbestrit-ten in einer wirtschaftlich und damit haushälterischschwierigen Situation.
Unsere Vorschläge zur Lösung dieser Situation liegenauf dem Tisch.
Ich nenne die Strukturreformen.
Wir werden im Haushaltsausschuss sehen, wie Sie ab-stimmen. Daneben nenne ich die Konsolidierungsmaß-nahmen. Wir werden schauen, wie Sie abstimmen.
Schließlich setzen wir Impulse für mehr Wachstum.Auch hier sind wir gespannt, wie Sie abstimmen.
Sie stehen mit in der Verantwortung. Dieser Verant-wortung können Sie sich nicht entziehen. Spätestens imVermittlungsausschuss müssen Sie Farbe bekennen.
Nächster Redner ist Dr. Günter Rexrodt für die FDP-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der HerrBundesfinanzminister ist wahrscheinlich schon wiederirgendwo unterwegs, um den Leuten zu erzählen, dassdie exorbitante, astronomische Neuverschuldung auf dieinsgesamt schlechte Wirtschaftslage in unserer Welt zu-rückzuführen ist. Herr Diller betet das hier für ihn nach.Es ist im Kern wahr, dass die Wirtschaftslage schlechtist, wodurch sich Auswirkungen auf den Haushalt erge-ben und die Arbeitslosigkeit hoch ist. Herr Diller, diesghwshWidJEz6nggdEhr1sdzNdSidsRdklvw–dDddlSv
issen Sie, dass von der Weltwirtschaft – so schlecht siem Vergleich zu den Vorjahren auch sein mag – expan-ierende Impulse auf die deutsche Wirtschaft ausgehen?eweils bezogen auf den Vergleichszeitraum sind diexporte zwischen 1999 und 2002 gestiegen, und zwarunächst um 5,1 Milliarden Euro bis schließlich um,9 Milliarden Euro; bei den Exporten geht es um Billio-en. Im Jahre 2003 werden sie, bezogen auf den Ver-leichszeitraum, noch einmal um 7 Milliarden Euro stei-en. Die Exporte wachsen, die Weltwirtschaft beflügeltie deutsche Wirtschaft. Ursache für die katastrophalentwicklung der Nettoneuverschuldung und des Haus-alts ist die Tatsache, dass Sie eine strukturelle Sanie-ung der Haushalte nie konsequent angepackt haben.
Herr Diller, Sie beschwören hier die alten Zeiten.999 und 2000 haben Sie im Wesentlichen von Privati-ierungserlösen gelebt, die Sie durch Privatisierungen,ie von uns gegen Ihre Stimme durchgesetzt wurden, er-ielt haben. Diese haben Sie in die Lage versetzt, dieettoneuverschuldung ein Stück zurückzuführen.
Ihre Politik in den ersten Jahren war sehr fehlerhaft;as ist ja sogar vom Bundeskanzler zugegeben worden.ie haben das, was – zögerlich; ich bin da ganz fair – wirn Gang gebracht hatten, wieder aufgehoben. Ich nenneie Veränderungen bei der Lohnfortzahlung, die Ab-chaffung der demographischen Komponente in derentenversicherung – das waren Ihre Entscheidungen –,en Feldzug gegen die so genannte Scheinselbstständig-eit, die Pflicht zum Angebot von Teilzeitarbeit und vie-es andere mehr.Das Wesentliche hat aber der Bundesfinanzministererschuldet: Der Spitzensatz bei der Körperschaftsteuerurde zwar auf 25 plus 13, also auf 38 Prozent, gesenkt so weit, so gut –, aber die Belastung für die mittelstän-ischen Unternehmen wurde bei 48,5 Prozent belassen.iese Spreizung, Herr Diller, ist die Ursache dafür, dassie mittelständische Wirtschaft verdrossen ist und dassas Vertrauen in die Politik dieser Bundesregierung völ-ig verloren gegangen ist.
Nun wollen Sie das mit dem Vorziehen der drittentufe der Steuerreform wieder gutmachen. Mittlerweileersteht kein Mensch mehr – darüber werden wir am
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003 5567
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Dr. Günter RexrodtFreitag sprechen –, was Sie überhaupt wollen. Die Ver-stimmung ist groß und der Verdruss nimmt zu. Eineshaben Sie, meine Damen und Herren von den Regie-rungsfraktionen, noch nicht registriert: Das ständigeWiederaufflackern der Diskussion um die Erhöhung derErbschaftsteuer und um die Wiederbelebung der Vermö-gensteuer ist die Hauptursache dafür, dass der Mittel-stand niemanden mehr einstellt. Diese Verdrossenheitund dieser Ärger sind ursächlich für den Rückgang derBeschäftigtenzahlen.
Wer so Politik macht, braucht sich nicht zu wundern,dass die Wirtschaft in Deutschland lahmt, die Steuerein-nahmen wegbrechen, die Arbeitslosigkeit ein historischesHoch erreicht hat, die Neuverschuldung exorbitante Aus-maße annimmt, der Haushalt verfassungswidrig ist undsich diese Bundesregierung zum dritten Mal anschickt,völkerrechtlich verbindliche Verträge über die Verschul-dung eines Landes ganz bewusst zu brechen. Das ist dasErgebnis Ihrer Politik. Das müssen Sie sich und niemandanderes vorhalten lassen.
Ich erteile das Wort der Kollegin Anja Hajduk,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren!Beim Haushalt 2003 wird es wohl auf eine Höchstver-schuldung hinauslaufen. Das ist
in den letzten Tagen noch deutlicher geworden. Da dieOpposition kritisch einen Nachtragshaushalt angemahnthat, haben wir darüber schon länger gesprochen.
– Ich sage gleich etwas zum Handeln. Das ist ein wichti-ger Punkt.Diese Situation mit ihren Risiken und diese negativeEntwicklung haben wir nicht verleugnet. Sie haben unsimmer vorgehalten, wir müssten die Höhe des Nach-tragshaushaltes rechtzeitig darlegen. Wir haben immerdarauf verwiesen – das möchte ich zu dem Vorwurf sa-gen, der Haushalt laufe aus dem Ruder –, dass wir in vie-len Bereichen konsolidiert haben. In zwei Bereichen– sie sind für diese riesige Neuverschuldung, mit der wirin 2003 rechnen müssen, ausschlaggebend – können wiraufgrund der konjunkturellen Situation nicht mehr ein-sparen. Vom Kollegen Rexrodt ist in einer anderen De-batte befürwortet worden, dass man in einer stagnativenEntwicklung nicht übermäßig sparen darf.Es ist nun einmal so: Die Steuereinnahmen lassensich nicht weiter erhöhen und bei der Bundesanstalt fürAfgdDffN–laaRNsthDtIddGg1uägtRdalfwu–S
Das hat mit der hohen Arbeitslosigkeit zu tun.Ich habe diese Punkte angeführt, weil ich der Öffent-ichkeit klar machen will, dass dieser Haushalt nicht anllen Ecken und Enden auseinander klafft, sondern nurn wenigen, aber dafür entscheidenden Stellen aus demuder läuft. Die Frage ist: Wie gehen wir damit um?Ich möchte zu Ihrem Verhalten ein paar Worte sagen.ach drei Jahren Stagnation müssen wir bei der Neuver-chuldung in der Tat einen traurigen Rekord verantwor-en. Sie machen uns den Vorwurf, die Probleme seienausgemacht.
ieser Vorwurf wird von der Bevölkerung durchaus ge-eilt.
ch möchte Sie jetzt für einen gewissen Realismus undie Einsicht gewinnen, dass sich das „Hausgemachte“er Probleme nicht nur auf die Regierungszeit von Rot-rün bezieht, sondern sich auf eine Politik der Regierun-en bezieht, die über einen Zeitraum von mindestens5 Jahren Verantwortung getragen haben.
Die Bevölkerung ist unter schwierigen Bedingungennd mit widerstreitenden Gefühlen bereit, Strukturver-nderungen mitzumachen. Sie weiß, dass wir vielerundsätzliche, strukturelle Probleme haben. Das be-rifft Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, bei derentenversicherung und der Krankenversicherung. Miter Behauptung, diese Probleme seien hausgemacht unduf die Regierungszeit von Rot-Grün zurückzuführen,ocken Sie keine Wähler hinter dem Ofen hervor. Dasällt auf uns alle zurück. Wir sind noch nicht da, wohinir müssen. Diese Ehrlichkeit dürfen die Bürgerinnennd Bürger von uns, aber auch von Ihnen erwarten.
Sie sind immer so polemisch und geben uns diechuld. Das kommt nicht mehr an.
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5568 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003
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Anja HajdukIch möchte noch eines mit Blick auf den Einwurf, deraus Ihren Reihen kam – wie man denn das Problem lö-sen solle –, sagen. Um den Arbeitsmarkt flexibler zu ge-stalten, müssen wir in den Bereichen, die ich aufgezählthabe, in allen Bereichen, die unsere sozialen Sicherungs-systeme betreffen, Veränderungen vornehmen.
Wir tun das.Jetzt möchte ich etwas zu dem Vorwurf des Zickzack-kurses sagen.
– Das mache ich gerne, weil das erst recht auf Sie, HerrKampeter, zurückfällt.Wer in Bezug auf die Reformen und die Richtung, indie es gehen muss, einen sagenhaften Zickzackkurs hin-legt, das ist die CDU/CSU. Extremer geht es gar nicht,wie Sie in die Ecken segeln und keine Linie haben.
Das ist nicht so schlimm, weil Sie im Moment bei Geset-zesinitiativen nicht in die Vorlage treten müssen. AberSie lehnen sich wohlgefällig zurück, obwohl wir eineschwierige Situation haben.Ein Letztes zum Wort Zickzackkurs im engeren Blickauf diesen Haushalt. Es ist notwendig, dass wir eineKonsolidierung hinkriegen. Es ist auch notwendig, dasswir parallel dazu Steuerreformvorhaben voranbringen.Wenn man aber ein einfacheres Steuersystem mit niedri-gen Tarifen haben will, dann darf man keinen Zickzack-kurs einschlagen und beim Subventionsabbau zurückru-dern, wie es die Opposition immer wieder tut, und dasfalsche Argument von „linke Tasche, rechte Tasche“bringen. Ich bitte Sie, da keinen Zickzackkurs zu fahren.Wenn Sie ein einfaches Steuersystem und eine Konso-lidierung haben wollen, dann machen Sie beim Subven-tionsabbau mit.
Frau Kollegin.
Ich komme zum Ende, Herr Präsident.
Das würde etwas mehr Perspektive für die Zukunft
schaffen. Wir haben noch einen langen, schweren Weg
vor uns.
Danke schön.
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Eines will ich Ihnen sagen: Unterstützt wurden wirabei von Ihrem Amtsvorgänger Metzger, der in der Re-el immer unseren Argumenten zugestimmt hat. Er hatnders gehandelt, weil sich die Grünen nie entscheidenönnen, ob sie Regierung oder Opposition sind. Aber sou tun, als ob Sie in den letzten 14 Tagen als Erste ineutschland die Risiken für Haushalt, Wirtschaft undukunftsentwicklung entdeckt hätten, ist schlichtwegine Unverschämtheit, die ich zurückweisen möchte.
Mit diesem Wechsel der Grünen zwischen Regierungnd Opposition bei jeder Debatte wird vielleicht eineussage bald Wahrheit, die gestern im „Handelsblatt“ zuesen war. Mit „Eichel ist Vergangenheit“ war ein Arti-el überschrieben. Hoffentlich wird es bald so weit kom-en.
enn dann wäre Vergangenheit, dass wir in Deutschlandeinen Buchhalter mehr und endlich einen Finanzminis-er haben, der Konsolidierung so begreift, wie man sieegreifen müsste, nämlich als wirtschaftspolitische Auf-abe und nicht als buchhalterischen Steuerungstrick, derit dem Nachkriegsrekord der Neuverschuldung vonnapp 42 Milliarden Euro zum gegenwärtigen Zeitpunktescheitert ist.
Früher konnte man als deutscher Finanzminister nochen anderen europäischen Staaten Ratschläge geben.eute dagegen werden wir europaweit milde belächelt.in wichtiges Argument bei der schwedischen Abstim-ung gegen den Euro war, dass Länder wie Deutschlanden Euro schwächen. In der Verantwortung des Herrnichel ist der deutsche Beitrag zur Stabilität des Euro soeduziert worden, dass er als Argument gegen die Ein-ührung der gemeinsamen europäischen Währung inem Industrieland Schweden angeführt wird. Das ist dieahrheit über die Bilanz Ihrer Politik, meine sehr ver-hrten Damen und Herren.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003 5569
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Steffen KampeterWenn die Regierung nicht mehr aufzubieten hat alsden Staatssekretär Diller, der das personifizierte Leidenist, ist das schon Selbstanklage genug. Aber ich halte esfür eine Missachtung des Parlaments, dass zum selbenZeitpunkt, zu dem wir angesichts des Nachkriegsrekordsin der Verschuldung um die besseren Wege für die Zu-kunft ringen,
der Bundesfinanzminister vor einem Lobbyverband einevon „Phoenix“ übertragene Rede hält. Dass er segnenddurch das Land zieht, während wir uns hier in den parla-mentarischen Pflichten ergehen, ist eine Missachtungdes Parlaments, die wir empört zurückweisen müssen.
Der Kollege Austermann hat schon relativ frühzeitigeinen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr 2003 ge-fordert. Wenn ein Nachtragshaushalt etwas bewirkenund zu einer Umsteuerung führen soll, dann muss ermöglichst früh eingebracht werden. Es geht nicht darum,am Jahresende sozusagen notariell zu bestätigen, dassman gescheitert ist. Ein Nachtragshaushalt ist vielmehrdie gesetzgeberische Möglichkeit, Haushaltspolitik mitder Wirtschaftspolitik gleichzusetzen und während deslaufenden Haushaltsjahres Einsparungen vorzunehmen.All diese Chancen hat der Bundesfinanzminister ver-passt. Er tritt wie ein Notar und ein Buchhalter auf undist ein Schaden für die Haushaltspolitik dieses Landes.
Man kann kaum noch von Haushaltslöchern sprechen; essind vielmehr riesige Haushaltskrater, die von Tag zuTag größer werden.Allein diese Woche beraten wir im Finanz- und Haus-haltsausschuss ein knappes Dutzend finanz- und steuer-politische Gesetzentwürfe. Ihnen allen ist gemein, dassder Bundesfinanzminister in der Auseinandersetzung mitseiner Regierung unterlegen ist. Ich nenne als Beispieledie Tabaksteuer, bei der er balbiert worden ist, und dasHin und Her bei der Rentenversicherung, zu dem es je-den Tag eine andere Meldung gab. Mal hatte Eichel2 Milliarden, mal fehlten sie ihm.
Ein Finanzminister, der im Kabinett den Stellenwert ei-nes Hausmeisters hat, ist ein Schaden für ein Industrie-land wie die Bundesrepublik Deutschland.
Deswegen ist unsere Auffassung, dass der Bundes-kanzler, der der Generalunternehmer dieses Chaosunter-nehmens ist, endlich handeln sollte. Er sollte seinen Fi-nanzminister entlassen. Er sollte Deutschland von dieserfinanzpolitischen Plage befreien und endlich auf die Vor-schläge der Union eingehen, die wir beispielsweise indieser Woche unter dem Stichwort „Herzog-Kommis-sion“ offensiv diskutieren.
sdKBdSLdZREkDSFKBfHbhVhhbwddSLdstdsKBb
Ich will mit einer Überschrift aus der „Süddeutscheneitung“ schließen, die über die Haushaltspolitik vonot-Grün schreibt: „Plünderer am Werk“.
s war einer der politischen Gassenhauer, SPD als Ab-ürzung für „Sie plündern Deutschland“ zu bezeichnen.ieser Finanzminister ist der Beweis dafür, dass dieserpruch zutrifft.
Ich erteile dem Kollegen Carsten Schneider, SPD-
raktion, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Wir beraten heute zum wiederholten Male denundeshaushalt und die implizierte Neuverschuldungür 2003. Wir kommen gerade aus einer Sitzung desaushaltsausschusses, in der wir uns mit dem Haushalts-egleitgesetz beschäftigt haben, mit dem für den Haus-alt 2004 wichtige einschneidende und maßgeblicheorkehrungen und Veränderungen innerhalb der Haus-altsstruktur vorgesehen werden.Sie weigern sich, an dieser Debatte teilzunehmen. Sieaben sich auch verweigert, als wir den Haushalt 2003eraten haben. Sie haben – der Kollege Diller hat es er-ähnt – Forderungen zur Gegenfinanzierung in Milliar-enhöhe vorgelegt. Dass Sie heute behaupten, mit allem nichts zu tun zu haben, ist ein Skandal.
chließlich reißen nicht nur wir im Bundeshaushalt dieatte bei der Nettokreditaufnahme – leider – in sehr be-enklicher Höhe. Das ist auch in den Landeshaushalteno. Wenn Sie sich den Bericht des Bundesfinanzminis-eriums über die Halbjahreszahlen anschauen, dann wer-en Sie feststellen, dass in manchen Landeshaushaltenchon nach einem halben Jahr der eigentlich geplantereditrahmen für das ganze Jahr ausgeschöpft ist.Die Ursachen, warum die Situation im diesjährigenundeshaushalt so angespannt ist, hat Kollege Dillerereits dargestellt. Im Bundeshaushalt schlagen sich
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5570 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003
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Carsten Schneidernämlich sowohl die schwache Konjunktur in Form vonSteuermindereinnahmen als auch die gestiegenen Ar-beitsmarktausgaben nieder. Dass die Situation in denLandeshaushalten genauso angespannt ist
– Herr Fromme, Niedersachsen ist davon genauso be-troffen wie Hessen –,
ist meines Erachtens ein Beweis dafür, dass dies nichtsdamit zu tun hat, wer regiert, sondern mit den Entschei-dungen, die wir auch im Deutschen Bundestag getroffenhaben.
Im Jahr 2003 lag der Entwurf eines Steuervergünsti-gungsabbaugesetzes vor. Wenn dieser angenommenworden wäre, dann hätte das Mehreinnahmen für Bund,Länder und Gemeinden in Milliardenhöhe bedeutet. Wirhaben den Bundeshaushalt auf der Grundlage dieses Ge-setzes aufgestellt. Ich erinnere mich noch an die Debattevom 2. April dieses Jahres. Ich habe damals an Sie, dieSie die Mehrheit im Bundesrat haben, appelliert, diesemEntwurf zuzustimmen. Da Sie das aber nicht getan ha-ben, haben Sie den Bundeshaushalt und natürlich auchdie Länderhaushalte mit vor die Wand gefahren. AuchSie haben ein Stück weit Verantwortung in den Ländernund den Kommunen zu tragen.
Herr Kollege Kampeter, Sie haben von den Vorschlä-gen gesprochen, die die Union vorgelegt hat. Sie habenunter anderem auch die Herzog-Pläne genannt. Das, wasSie dazu im Zusammenhang mit dem Bundeshaushaltgesagt haben, halte ich für Ihre extremste Aussage; denndie Herzog-Pläne gehen meines Erachtens – wenn ichnicht richtig informiert bin, können Sie mich gern korri-gieren – von Mehrausgaben für den Bundeshaushalt inHöhe von 36 Milliarden Euro im Minimum aus. Viel-leicht ist es noch mehr.
Herr Kampeter, wie soll es möglich sein, zusätzlich36 Milliarden Euro für Leistungen der sozialen Siche-rungssysteme in den Bundeshaushalt einzustellen?
Wenn man das täte, würde das Defizit noch größer wer-den. Deshalb kann man solche Vorschläge nur ablehnen.
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ch möchte Ihnen als Beispiel nur die Gesundheitsreformnd das Stichwort „Meisterzwang“ nennen. Wir habeniesbezüglich Vorschläge gemacht, um eine stärkereirtschaftliche Dynamik in unserem Land zu entfalten.
ber Ihnen gelingt es nicht, sich über die Belange Ihrerlientel hinwegzusetzen und die Interessen unseres Lan-es zu berücksichtigen und zu verteidigen.
aher gebührt Ihnen ein großer Anteil an den jetzt vor-egenden Ergebnissen.Wenn ich Ihre Vorschläge den Subventionsabbau be-effend anschaue, dann stelle ich fest, dass Sie zum Bei-piel die Einsparungen, die Sie im Bereich der Stein-ohle erzielen wollen, zehnmal in anderen Bereichenvestieren wollen. Das führt letztlich nicht zu Einspa-ungen. Früher war für die PDS der Verteidigungshaus-alt die Sparbüchse. Ich kann Ihnen nur sagen: Mit einerolch unsoliden Finanzpolitik werden Sie keinen Blu-entopf gewinnen.
Zum Schluss: Herr Austermann hat der „taz“ ein sehrteressantes Interview gegeben, das in der heutigenusgabe erschienen ist und aus dem ich zitieren möchte.ie Frage lautet:Theo Waigel, Finanzminister der Union, hat sich1996 den damaligen Schuldenrekord von umge-rechnet 40 Milliarden Euro geleistet. War auchWaigel voll verantwortlich?ie Antwort von Herrn Austermann lautet:Damals gab es eine einmalige Situation, die bedingtwar durch Weltwirtschaftskrise, Asienkrise und dieFolgewirkungen der Wiedervereinigung.
ieber Kollege Austermann, Sie hätten auch den Irak-rieg nennen können; denn die Asienkrise begann erst997, hatte ihren Höhepunkt im Jahre 1999 und hatte so-it keine Auswirkung auf den Bundeshaushalt 1996.Ich erkenne an, dass Sie damals – wie wir heute –eim Bundeshaushalt von der weltwirtschaftlichen Ent-icklung abhängig waren. Auch wir haben Prognosenugrunde gelegt, die leider nicht eingetreten sind. Des-alb appelliere ich an Sie: Werden Sie Ihrer Verantwor-ng gerecht! In der anschließenden Sitzung des Haus-altsausschusses haben Sie Gelegenheit dazu.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003 5571
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Carsten Schneider
Nächster Redner ist der Kollege Kurt Rossmanith für
die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Die heutige Aktuelle Stunde sollte dazu dienen,dass wir, das heißt das Parlament, und die deutsche Öf-fentlichkeit die Haltung der Bundesregierung dazu hö-ren, weshalb es zu dieser höchsten Verschuldung gekom-men ist, die jemals in der Geschichte der BundesrepublikDeutschland stattgefunden hat.
Herr Staatssekretär Diller, von Ihnen haben wir einenAusflug – zudem einen völlig falschen – in die Vergan-genheit erfahren. Aber zur aktuellen Situation haben Sieüberhaupt nichts beigetragen.
Sie haben nicht gesagt, weshalb es zu dieser Verschul-dung gekommen ist. Die Ignoranz der Bundesregierungzeigt sich darin, dass der Finanzminister bei dieser De-batte – neben dem Bundeskanzler hat er das wesentlichmitzuverantworten – nicht anwesend ist und dass derzweite Minister, der Wirtschaftsminister, dessen Anwe-senheit aufgrund unserer wirtschaftlichen Situation aucherforderlich wäre, es auch nicht für notwendig erachtet,im Parlament zu erscheinen. Eine Zeit lang war seinStaatssektretär Schlauch noch hier, aber auch er hat esvorgezogen, wieder von dannen zu gehen und seinenleeren Schlauch einzupacken.
So kann man keine zukunftsorientierte Politik machen.Aber, Herr Staatssekretär Diller, ich will Ihnen, weilSie in die Vergangenheit gegangen sind, einige Punktedazu sagen. Wer war denn bis 1998 der Blockierer? –Das war doch die Sozialdemokratische Partei, die dieLändermehrheit dazu missbraucht hat, die Reformen, diewir angestoßen haben, zu verhindern. Das, was wir ohneden Bundesrat durchführen konnten, wurde sofort imJahre 1999 – ich nenne hier nur den Namen Lafontaine,den Sie nicht mehr gerne hören – mit einem Schlag wie-der zurückgefahren, was allein damals eine Größenord-nung von rund 40 Milliarden Euro beinhaltet hat; darun-ter leiden wir noch heute.w–Isn0hEinShuiJDBhbHfrNAekavbDn2sJmdgAsjIsEmnd
Der Wirtschaftsminister zieht es vor, hier nicht Redend Antwort zu stehen, sondern erklärt heute wiederumn der „Süddeutschen Zeitung“: Wir werden im nächstenahr ein Wirtschaftswachstum von 2 Prozent haben. –iesen Beschluss, Herr Staatssekretär Diller, hat dieundesregierung genau im März, als wir über den Haus-alt 2003 beraten haben, auch gefasst. Sie hat es einfacheschlossen, genau so, wie man sagen kann, dass imimmel Jahrmarkt ist. Diesen Beschluss kann man auchassen; er hat dieselbe Qualität.Denn Sie hatten im Haushalt 2003 – es geht hier ge-ade um die Verschuldung in diesem Jahr – eine absoluteull hinsichtlich des Zuschusses zur Bundesanstalt fürrbeit vorgesehen. Jeder konnte Ihnen sagen, dass dasine völlig fehlgeleitete Zahl ist. Sie hätten jeden fragenönnen; aber Sie haben niemanden gefragt. Sie haben esuch selbst gewusst. Das heißt, dass der Haushalt 2003on Hause aus auf Lügen aufgebaut ist.Das nächste Jahr ist bereits das vierte Jahr, in dem wirezüglich der Maastricht-Kriterien ins Negative gehen.enn wir hatten den Grenzwert schon im vorvergange-en Jahr ganz knapp tangiert; da haben Sie noch auf,8 Prozent schöngerechnet. Schon 2002 lag die Neuver-chuldung mit 3,5 Prozent deutlich zu hoch. In diesemahr wird sie mehr als 4 Prozent betragen. Auch im kom-enden Jahr wird die Neuverschuldung das Haushalts-efizit weiter wachsen lassen. Wir haben heute angefan-en, den Bundeshaushalt für das nächste Jahr zu beraten.ngesichts Ihres Haushaltsplans wird die Nettoneuver-chuldung eher 50 Milliarden Euro als das, wovon Sieetzt ausgehen, erreichen.Ihre Ignoranz zeigt sich auch darin, wie spät sich beihnen die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass die Neuver-chuldung in diesem Jahr bei mindestens 42 Milliardenuro liegen wird, nämlich erst, als das wirklich nichtehr zu leugnen war. Dazu bekannten Sie sich abericht in der Öffentlichkeit oder vor dem Deutschen Bun-estag, sondern auf einem SPD-Parteitag in Baunatal.
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Kurt J. RossmanithDas ist eine Ungehörigkeit, die schlicht und einfach wi-derspiegelt, wie diese Regierung mit dem Parlament undmit der Öffentlichkeit umgeht.
Ich erteile der Kollegin Franziska Eichstädt-Bohlig,Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorallem liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Besucher-tribüne!
Wir behandeln die 1,3 Billionen Euro Schulden, dieBund, Länder und Gemeinden derzeit haben. Es geht da-bei nicht nur um ein bundespolitisches Problem, sondernauch um ein Problem unserer gesamten Nation, um einProblem auf allen politischen Ebenen. Im Moment dis-kutieren wir über die Nettoneuverschuldung. Würdenwir endlich mit dem Schuldenabbau beginnen
– hören Sie einen Moment zu, Kollegen! –, würdenBund, Länder und Gemeinden jährlich 13 MilliardenEuro Schulden abbauen, brauchten wir noch immer100 Jahre – die jungen Leute hier oben brauchten ihrganzes Leben –, um diesen Schuldenberg abzubauen.
– Es ist wirklich peinlich,
dass Sie meinen, dieses Problem durch permanentes Ge-brüll und Geblöke wie in der ersten Schulklasse behan-deln zu müssen.
Wir sollten uns diesem Problem endlich gemeinsamernsthaft stellen. Wir alle stehen in der Verantwortung,diesen Schuldenberg abzutragen. Nicht diejenigen, diehier sitzen, sondern alle Politikergenerationen der Nach-kriegszeit, egal welcher Couleur, haben ihn Schritt fürSchritt angehäuft. Unser Problem ist, dass das ganze po-litische Handeln seit den 50er-Jahren auf Verteilung aus-gerichtet war.
Historisch gesehen, haben wir jetzt das Ende dieser Ver-teilungspolitik erreicht.Sie verbreiten die Illusion, wir könnten durch dasDrehen an ein paar Stellschrauben relativ schnell, wo-muDbMsinK–SAddtiuKtuPvabtamSiseadqdmlebzDgsve
as ist ein ganz großer Fehler. Ihre Doppelzüngigkeitesteht darin, einerseits die Einhaltung deraastricht-Kriterien und andererseits viel Geld für be-timmte Zwecke zu fordern. In diesem Sinne äußern sich jeder Sitzung des Haushaltsausschusses Austermann,ampeter, Rossmanith usw.
In letzter Zeit haben Sie keinen Antrag gestellt, weilie dazu nicht mehr in der Lage sind.Ganz konkret: Sie sind nicht bereit, unsere Pläne zurbschaffung der Eigenheimzulage und zur Absenkunger Entfernungspauschale mitzutragen. Viele Elementeer Vorschläge von Koch und Steinbrück zum Subven-onsabbau haben wir in den letzten drei Jahren längstmgesetzt. Sie hingegen haben seit Jahr und Tag keinonzept, mit dem man wirklich politisch verantwor-ngsvoll arbeiten kann.Das zentrale Problem ist – es ist ein gemeinsamesroblem und deswegen kommen Sie nicht so billig da-on –, dass Sie aufgrund Ihrer Stellung im Vermittlungs-usschuss und im Bundesrat mitverantwortlich sind. Ichehaupte, Sie tragen auch als Parlamentarier im Bundes-g Mitverantwortung; denn eine Aufgabe des Parla-ents als des Haushaltsgesetzgebers ist es, mit denteuergeldern verantwortungsvoll umzugehen. Insofernt es einfach zu billig, zu behaupten, es handele sich umin Eichel-Problem.
Kommen Sie daher endlich in die Pötte! Hören Sieuf, hier ständig Vorwürfe zu machen! Wenn Sie nacher Beantragung dieser Aktuellen Stunde endlich konse-uent und ehrlich sein wollen, dann müssen Sie, erstens,em Haushaltsbegleitgesetz 2004 voll und ganz zustim-en. Zweitens müssen Sie den Haushaltsvorlagen zu al-n Etats – mit den Kürzungs- und Sparvorschlägen ha-en wir sie auf wirklich knapp kalkulierte Etatsurückgeführt und schlank gestaltet – zustimmen.
rittens müssen Sie Hartz III und Hartz IV – auch dasehört dazu – zustimmen; denn das ist ebenfalls ein we-entlicher Aspekt des Umstrukturierens, nämlich wegon einer Verteilungspolitik hin zu einer Politik, mit derin schlanker Staat solche Leistungen erbringt.
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Franziska Eichstädt-BohligZu den Umstrukturierungen im Bereich Gesundheitund Rente: Im Bereich der Gesundheit hat sich zumin-dest die CDU/CSU mit ins Boot begeben. Die FDP hatgemeint, sie könne sich fein heraushalten und sich prak-tisch hinter der Pharmaindustrie und den Apothekernverstecken. Es ist eine ganz billige Methode, hier immerzu sagen: „Wir sind für Subventionsabbau und für Struk-turreformen“, aber dann, wenn es Ernst wird, nicht ein-mal mehr den Mut zu haben, auch nur die erste Reformmitzumachen. Bei der Eigenheimzulage wird es wiederso sein, dass Sie nicht den Mut haben, mitzuziehen.Sie müssten also jeden Schritt mittragen, der in Rich-tung Einsparvolumen geht, im Steuerrecht genauso wiebeim Haushalt, statt hier ständig zu blockieren und zumeinen, Sie könnten die Probleme lösen, indem Sie allesoffen halten. Sie müssten sogar weiter gehende Vor-schläge machen. Wenn Sie das tun, dann sind wir gernbereit, darüber zu diskutieren. Aber solange Sie hier nurrumpöbeln und meinen, das sei Politik, ist das, finde ich,ziemlich verantwortungslos. Sie sollten sich vor der ge-samten deutschen Bevölkerung schämen!
Ich erteile dem Kollegen Georg Schirmbeck, CDU/
CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Herr Staatssekretär Diller, wenn bei Ihrer Bilanz dasWort „solide“ in den Mund genommen wird, dann fehleneinem wirklich die Worte.
Wir haben noch gut in Erinnerung, wie Sie uns in denBundestagswahlkämpfen immer wieder eingehämmerthaben: Wir machen nicht alles anders, aber vieles bes-ser. – Ich frage Sie: Was?
Zurzeit sind Sie doch damit beschäftigt – das muss maneinmal zur Kenntnis nehmen –, das wegzuräumen, wasSie in den ersten vier Jahren angerichtet haben.
Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig, Sie haben hier ebenquasi um Zustimmung zu Ihren nicht vorhandenen Kon-zepten gebettelt.
Ich erinnere Sie einmal an die Zeit von 1994 bis 1998.Da wurde in Deutschland blokkiert! Wir entwickelnKrWaKraDummDtktiEsmmskdnSZdwWtSeEgagmSaEPtuN
ir haben auch bewiesen, dass wir sie in diesem Hauseuch mit tragen. Dafür sollten Sie dankbar sein. Unsereonzepte haben dazu geführt, dass sich in diesem Be-eich etwas bewegt hat. Sie haben das 630-DM-Gesetzbgeschafft, weil das in Ihren Augen Teufelswerk war.ann haben Sie 400-Euro-Jobs eingeführt. Es war einesnserer Konzepte, das Sie damit umgesetzt haben. Wirussten den Schaden erst wieder gutmachen.
Ein Sprichwort lautet: An ihren Taten wird man sieessen.
iese Bundesregierung und die sie tragenden Bundes-agsfraktionen kann man aber auch an ihren Worten er-ennen. Es heißt oft, man wolle mit neuem Geld Investi-onen fördern. Was heißt das eigentlich? Will man denuro wieder abschaffen? Will man die Lira oder den rus-ischen Rubel einführen? In Wirklichkeit heißt das: Manacht Schulden, immer mehr Schulden. Finanzierungs-öglichkeiten wie Mauteinnahmen kann man offen-ichtlich nicht erschließen. Ich stelle fest: Sozialistenönnen nicht mal mehr Geld einsammeln.
Meine Damen und Herren, Sie wollen die Nettokre-itaufnahme senken. Was heißt das? – Man macht immeroch Schulden. In Wirklichkeit hat man noch nie mehrchulden gemacht. Man muss sich das einmal auf derunge zergehen lassen: 42 Milliarden Euro neue Schul-en! Das sind mehr als 80 Milliarden DM. Ich sage das,eil viele Bürger, die uns zuhören, immer noch in dieserährung denken.
Herr Eichel wird in den Medien mit den Worten zi-iert, es wäre Gift für die Konjunktur, wenn man jetztteuern erhöhen würde. Über was sonst als darüber, dassr natürlich wieder eine Steuer erhöhen will, spricht Herrichel eigentlich?Er hat davon gesprochen, dass der Haushalt auf Kanteenäht ist. Eichel vor der Sommerpause im Haushalts-usschuss: Wir haben einige Probleme, haben aberrundsätzlich natürlich alles im Griff. – Nach der Som-erpause sind es nicht mehr 18,9 Milliarden Euro neuechulden, sondern 42 Milliarden Euro. Das war nichtuf Kante genäht, sondern das war eine Luftnaht, eineulenspiegelei oder eine vorsätzliche Täuschung desarlaments.
Es wird davon gesprochen, wir hätten einen Wachs-msabschwung, ein Minuswachstum oder eine roteull.
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Georg Schirmbeck
Im Klartext heißt das für die Bevölkerung, die uns zu-hört: Wir haben eine schrumpfende Volkswirtschaft. DasErgebnis davon sind Milliarden Einnahmeausfälle füralle Sozialkassen und Milliarden Steuerausfälle auf allenpolitischen Ebenen. Das Sozialsystem steht kurz vordem Kollaps. Die kommunale Selbstverwaltung habenSie damit quasi außer Kraft gesetzt.Sie sprechen von der Agenda 2010. Was will uns dassagen? Agenda suggeriert doch Nachhaltigkeit, zu-kunftsgerechtes Handeln und Ressourcenschutz.
Genau das Gegenteil machen Sie. Die Zukunftschan-cen der nachwachsenden Generation werden von einembürokratischen Schuldenstaat verspielt.Unserer Jugend, der man angeblich so viel Gutes tunwill, lädt man ständig mehr Lasten auf. Das ist die Wirk-lichkeit.Meine Damen und Herren, wozu hat diese Politik ge-führt? – Von 18,9 Milliarden zu 42 Milliarden jährlichenSchulden beim Bund. Das Land Niedersachsen bei-spielsweise hat im letzten Jahr 2,5 Milliarden Euro neueSchulden aufgenommen und muss auch in diesem Jahrund im nächsten Jahr jeweils 2,5 Milliarden Euro neueSchulden aufnehmen. Bis auf Bayern hat kein Bundes-land einen verfassungsgemäßen Haushalt. Jetzt aber denschwarzen Peter den Ländern zuzuschieben, das stelltdoch die Dinge auf den Kopf.
Die Länder haben eigentlich nur die Auswirkungen Ihrerverfehlten Wirtschafts- und Finanzpolitik auszubaden.
Die Länder sind nicht die Täter, die Länder sind die Op-fer dieser falschen Politik.
In dem Landkreis, für den ich Verantwortung trage,beträgt die Arbeitslosigkeit 7 Prozent; das ist eine ver-gleichsweise gute Situation.
In 57 Jahren haben wir 60 Millionen Euro Schulden auf-getürmt, also 120 Millionen DM. Allein in diesem Jahrmüssen wir aufgrund der Auswirkungen Ihrer verfehltenPolitik 40 Millionen DM neue Schulden machen, dasheißt, in drei Jahren müssen wir so viel Schulden ma-chen, wie wir vorher in 57 Jahren gemacht haben. Ichstelle fest: Wir befinden uns ungebremst auf der FahrtRichtung Wand.
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Herzlichen Dank.
Nun hat das Wort der Kollege Lothar Binding, SPD-
raktion.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Ichöchte, bevor ich zu den Inhalten komme, etwas zuriskussionskultur und im Grunde genommen auch zureliebigkeit der gewählten Argumente sagen. Es gab ei-en Zwischenruf von Herrn Kampeter, der lautete: Daslaubt hier ja keiner mehr! – In einem von ihm mitfor-ulierten Antrag findet man die Wörter Vorhersehbar-eit, Wahrheit, Klarheit, Vollständigkeit. An einem ganzleinen Beispiel will ich deutlich machen, was er darun-er versteht: Er hat ja vorhin gesagt, Herr Eichel sprecheurzeit in „Phoenix“ vor Lobbyisten. Einmal abgesehenavon, ob das stimmt, halte ich es für eine starke Leis-ung, wenn ein Minister in der Öffentlichkeit seine Lob-ygespräche führt. Das gefällt mir jedenfalls besser, alsenn er es hinter verschlossenen Türen täte, um dannntsprechende Anträge zu lancieren.
Da kann man gut einen Zwischenruf machen. Ich höreas gerne.Die Wahrheit ist aber, dass Eichel nicht bei „Phoenix“or Lobbyisten spricht, sondern dass der Kanzler mitolleginnen und Kollegen auf einer IG Metall-Konfe-enz ist, die von „Phoenix“ übertragen wird.
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Lothar Binding
Sie sehen an diesem kleinen Beispiel deutlich, wie hiermit Wahrheit umgegangen wird.
Jetzt komme ich zu dem ersten Argument, dem wich-tigsten von denen, die Herr Austermann eingangs formu-liert hat. Er sprach von schonungsloser Aufklärung. Seinnächster Satz lautete: Wir haben einen absoluten Nach-kriegsrekord bei der Nettokreditaufnahme.
Das könnte, oberflächlich betrachtet, wahr sein. Wennman aber noch einmal genauer hinschaut, stellt man fest,dass das nicht unbedingt wahr ist. Was sagt denn eigent-lich die Nettokreditaufnahme aus, wenn man sie nichtins Verhältnis zur Gesamtleistung des Volkes setzt?
Wir müssen also die Neuverschuldung stets im Verhält-nis zum Bruttoinlandsprodukt sehen. Sie erinnern sichhoffentlich besser als in Bezug auf das, was „Phoenix“überträgt, daran, dass 1996 das Verhältnis Neuverschul-dung zu Bruttoinlandsprodukt 2,2 Prozent betrug, 1993,in einer absolut starken Wachstumsphase, 2 Prozent, seit1999 übrigens 1,3 Prozent und heute wieder – man höreund staune – bei 2 Prozent liegt,
also durchaus in einer Bandbreite, wie Sie sie vorgege-ben haben.
– Ja, es gibt heute weniger Spielraum, da haben SieRecht: Ihre Regierung konnte in einer absoluten Wachs-tumsphase handeln, während wir es heute mit einer welt-weiten Wachstumsschwäche zu tun haben.
Wenn Sie die Nettokreditaufnahme und die Gesamtaus-gaben vergleichen, werden Sie sehen, dass das Verhält-nis heute deutlich besser ist als in vielen Jahren unterKohl.
Jetzt komme ich zu der Summe von 40 Milliarden EuroNeuverschuldung. Damit hatten wir nicht gerechnet; dennwzWDglvDü3hdwmHddSadsSneKwBtddsdeAt
as lässt sich mit drei einfachen Zahlen ganz leicht bele-en: Wir haben ein Steuervergünstigungs-, also Schlupf-ochabbaugesetz und ein Gesetz zum Subventionsabbauorgelegt, die Sie ziemlich rundheraus abgelehnt haben.
as hat den Bund über 6 Milliarden Euro, die Länderber 6 Milliarden Euro und die Kommunen fastMilliarden Euro gekostet, was in den Kommuneneute dramatische Folgeprobleme aufwirft. Deshalbenke ich, dass es sehr viel geschickter gewesen wäre,enn Sie uns nicht beschimpft, sondern sich mit uns ge-einsam um die Finanzierung gekümmert hätten.
Besonders merkwürdig fand ich die Einlassung vonerrn Austermann zum Stichwort „Versicherungen“ undie Behauptung, dass wir sozusagen Politik auf Zurufer Lobbyisten machten.
ie kennen sicher die auch von Ihnen im Vermittlungs-usschuss mitgezeichnete Protokollerklärung der Bun-esregierung zum Steuervergünstigungsabbaugesetzehr gut.
chon dort war angekündigt, dass genau dieser Komplexoch einmal hinterfragt werden solle. Die Sache ist ganzinfach erklärt: Bei Lebensversicherungen hat derunde eine Auszahlungsgarantie von 90 Prozent der Ge-inne.
ei Krankenversicherungen liegt die Auszahlungsgaran-ie bei 80 Prozent. Das ist eine Mindestrendite. Das be-eutet, wenn die Aktienkurse der Versicherung steigen,ann erhalten die Kunden eine entsprechend hohe Aus-chüttung. Nach der hohen Ausschüttung, die dem Kun-en zugute kommt, hat die Versicherung niedrige Steu-rn. Wenn aber die Börsenwerte fallen und dieusschüttung niedrig ist, sind die Steuern plötzlich ex-rem hoch.
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Lothar Binding
Daran erkennt man sofort, warum es extrem wichtig ist,die Versicherungen anders zu behandeln als eine nor-male Aktiengesellschaft, die über die Kumulation ihrerGewinne und die Höhe der Ausschüttung selbst ent-scheiden kann.
Ein letzter Satz: Was schlägt die CDU/CSU eigentlichvor? Sie verlangt einen Nachtragshaushalt, schnell undsorgfältig ausgearbeitet. Jeder weiß, dass die gesamt-wirtschaftliche Entwicklung nächste Woche neu betrach-tet wird. Genau das wird die Basis für den Nachtrags-haushalt sein.
Es kommt aber noch schlimmer.
Herr Kollege – –
Noch einen letzten Satz. –
Sie haben auch einen inhaltlichen Vorschlag gemacht,
nämlich eine Ausgabensperre zu verhängen. Sie wissen
genau, dass eine Ausgabensperre die Störung des ge-
samtwirtschaftlichen Gleichgewichts verstärken würde.
Dieser Vorschlag ist für uns nicht akzeptabel.
Deshalb fordere ich Sie auf, das Haushaltsbegleitge-
setz mitzutragen; denn das ist eine vernünftige Basis für
eine solide Haushaltsführung.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist vielleicht
nahe liegend, aber nicht zwingend nötig, dass bei einer
Debatte über die bislang höchste Neuverschuldung in ei-
nem Jahr auch der Lärmpegel das bisher höchste Niveau
erreicht.
Der Verständigung untereinander dient es, wenn ab-
wechselnd gesprochen wird, denn dann bekommt man
eher etwas von den Argumenten mit, die jeweils vorge-
tragen werden, seien sie nun mehr oder weniger über-
zeugend.
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Das Haushaltsfiasko hat sich bereits seit längerem ab-ezeichnet. Dennoch hat Herr Eichel die wahre Haus-alts- und Finanzlage immer wieder verschwiegen. Herrichel hat den dringlichen Handlungsbedarf zum Nach-ragshaushalt und zur Haushaltssperre immer wiedererleugnet und insbesondere die notwendigen Entschei-ungen zum Schaden unseres Landes verschleppt. Damitst Deutschland in eine desaströse Haushaltsfalle gera-en. Herr Eichel hat nicht gehandelt; er hat die Dingeinfach treiben lassen und bis heute Versteck gespielt.as ist für mich ein schwer wiegender Amtsmissbrauchnd die Fortsetzung des rot-grünen Wahlbetrugs.
Erst jetzt, als die Wahrheit nicht mehr zurückzuhaltenar, wurden immer mehr „Eichel-Löcher“ eingestanden.
2 Milliarden Euro Neuverschuldung sind nicht ein biss-hen mehr; das ist ein trauriger Negativrekord und eininanzpolitischer Supergau. Das sind die Tatsachen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003 5577
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Hans MichelbachRot-Grün versucht, alles zu relativieren und zu ver-niedlichen. Da wird auf Theo Waigel verwiesen und ge-sagt, er habe eine ähnliche Verschuldung zu verantwor-ten. Es gibt aber wesentliche Unterschiede.
Damals, auf dem Höhepunkt der Einheitskosten, hattenwir eine Defizitquote von 2,4 Prozent. Heute liegt dieQuote über 4,4 Prozent, Richtung 5 Prozent. Der Unter-schied ist also: Heute gibt es ein Gesamtdefizit in Höhevon 100 Milliarden Euro, während es damals nicht ein-mal die Hälfte war.
Das sind die fehlerhaften Entwicklungen.Sie verweisen auf Privatisierungserlöse. Gleichzeitigverschweigen Sie aber, dass Sie Einnahmen aus der Ver-steigerung der UMTS-Lizenzen in Höhe von 50 Milliar-den Euro verbuchen konnten.
Aber das zeigt, wo wir wirklich stehen. Mit der Steuer-,Schulden- und Haushaltsfalle haben wir heute die größteFinanzkrise der öffentlichen Haushalte in der Geschichteder Bundesrepublik. Rot-Grün hat nicht nur den Bund,sondern inzwischen auch Länder und Kommunen mit ih-rer Verschiebetaktik in die Haushaltsfalle geführt.Deutschland verletzt Jahr für Jahr in immer größeremAusmaß den europäischen Stabilitätspakt. Die europäi-sche Wirtschafts- und Währungsunion lebt aber von soli-den öffentlichen Finanzen. Nur so kann die Grundlagefür Vertrauen, Preisstabilität, Wachstum und Beschäfti-gung geschaffen werden. Sie haben diesen völkerrechtli-chen Vertrag, wonach übermäßige Defizite zu vermeidensind,
geradezu ignoriert. Sie verwüsten sozusagen diesen Ver-trag: Der Bundeskanzler fährt nach Paris, um Partner fürseinen Amtsmissbrauch zu finden.
– Ich schreibe Ihnen ins Stammbuch: Der vorsätzlicheBruch eines völkerrechtlichen Vertrages ist für michAmtsmissbrauch, nichts anderes.
Der Stabilitätspakt darf nicht einfach außer Kraft ge-setzt werden. Da ist keine Beliebigkeit und keine fle-xible Auslegung möglich. Unser Land verliert damit jeg-liche finanzpolitische Glaubwürdigkeit. Als zivilisiertesLand kann Deutschland nicht vorsätzlich einen VertragbrechenukbdEtwGdgEedbHwusaSMBddSsADghdWUG
nd damit die Gefahr heraufbeschwören, dass dieserünftig auch von anderen europäischen Ländern nichteachtet wird.Sie machen alles verkehrt; Ihr Handeln ist kontrapro-uktiv.
igentlich müssten Sie Freiräume schaffen, damit letz-en Endes eine wirtschaftliche Dynamik entsteht. Heuteurde im Finanzausschuss über Tabaksteuererhöhung,ewerbesteuererhöhung, Mindeststeuer, Beschränkunger Verlustverechnung, Abschreibungsverschlechterun-en, Streichung der Eigenheimzulage und Kürzung derntfernungspauschale beschlossen. Das ist eine Steuer-rhöhungsorgie von A bis Z an nur einem Tag. Das ister verkehrte Weg; damit beschreiten Sie einen Irrweg.
Zum Schluss muss ich feststellen: Deutschlandraucht einen Neustart in der Steuer- und Finanzpolitik.ierzu muss Herrn Eichel ins Stammbuch geschriebenerden: Jemand, dem es an Mut zur Wahrheit mangeltnd der stets bereit ist, im Sinne der Unwahrheit Zuge-tändnisse zu machen, kann niemals in Deutschland einkzeptabler Finanzminister sein.
Nächster Redner ist der Kollege Hubertus Heil für die
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herrichelbach, Sie sollten hin und wieder einmal einenlick in ein großes Buch der Weltgeschichte werfen, inem es so schön heißt: Du sollst nicht falsch Zeugnis re-en wider deinen Nächsten.
ie haben nämlich eben Folgendes gemacht – das gehörtich nicht in einem Parlament –: Sie haben anderenmtsmissbrauch vorgeworfen.
as ist ein sehr niedriges Niveau, Herr Michelbach. Imleichen Atemzug haben Sie die Wahrheit gebeugt.Ich will Ihnen das an einem Punkt nachweisen. Sieaben gesagt, die während Ihrer Regierungszeit entstan-enen Privatisierungserlöse seien das Normalste von derelt gewesen und wir hätten das Gleiche bei denMTS-Erlösen gemacht. Dazu will ich Ihnen sagen: Imegensatz zu Ihnen haben wir die UMTS-Erlöse nicht
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5578 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003
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Hubertus Heildafür verwendet, Haushaltslöcher zu stopfen, wie Siedas getan haben. Wir haben vielmehr damit begonnen,Ihre Schulden zu tilgen.
Das können Sie nicht bestreiten. Als Helmut Schmidt1982 aus dem Amt schied, hatte der Bund350 Milliarden DM Schulden. Als Helmut Kohl 1998das Amt verließ, waren aus diesen 350 Milliarden1,5 Billionen geworden. Das ist die Wahrheit.
Die Haushaltsentwicklung in diesem Jahr erfüllt unsalle mit Sorge; das ist gar keine Frage. Zweifellos habendie weltwirtschaftlichen und die strukturellen Problemein unserem Land zu massiven Steuerausfällen geführt,
aber nicht nur dazu, sondern auch zu Mehrbelastungendurch gestiegene Ausgaben vor allen Dingen im Rahmender Arbeitslosigkeit. In dieser Analyse können wir unseinig sein; das sind die Ursachen dafür,
dass wir in diesem Jahr auf Bundes-, Länder- und kom-munaler Ebene in Probleme geraten sind. Der Bund hatvor allen Dingen durch die gestiegenen Ausgaben für dieMassenarbeitslosigkeit schwer zu tragen.
– Sind Sie evangelisch, katholisch oder ein Quäker? Siequäken nämlich immer dazwischen.
– Auch ich musste Ihre Rede ertragen. Von jeman-dem, der immer wieder fordert zu sparen, aber als Rüs-tungslobbyist im Haushaltsausschuss ständig Ausgabe-nerhöhungen fordert, lasse ich mir nichtdazwischenbrüllen; das will ich deutlich sagen.
Die Frage, die uns zu bewegen hat, ist: Was könnenund was müssen wir angesichts dieser Situation kon-junkturell und strukturell tun? Ich will Ihnen deutlich sa-gen, dass wir dieses Problem auf beiden Ebenen, also so-wohl in der Konjunktur- als auch in der Strukturpolitik,zu beantworten haben. Konjunkturell war es in diesemJahr richtig und notwendig, automatische Stabilisatorenwirken zu lassen und nicht prozyklisch in die Krise hi-neinzukürzen, um das schwache Wachstum, das wir indiesem Jahr haben, nicht noch weiter abzuwürgen.
Ich sage Ihnen auch, dass Konjunktur- und Konso-lidierungspolitik etwas anderes ist als kurzatmige Sparvor-schläge, die in der Realität gar nicht umzusetzen sind. Mansollte sich einmal anschauen, wie Sie mit dem Steuerver-gCmSbMphSfsbmbi3vSjfFcivrsvvKesgSsHb
ie wollten Politik gegen Adam Riese machen und ha-en durch Ihre Blockade im Bundesrat eine ganzeenge zu der jetzigen Misere beigetragen.
Jetzt kommt es darauf an, dass wir konjunkturell Im-ulse setzen. Sie haben die Gelegenheit, uns dabei zuelfen, zum Beispiel beim Vorziehen der Steuerreform.ie haben vor allem die Möglichkeit, bei den Strukturre-ormen, die mit dem Begriff „Agenda 2010“ verbundenind, mitzuwirken. Mit den Reformen im Gesundheits-ereich – die haben wir gemeinsam hinbekommen – undit Reformen in den Bereichen Pflege, Rente und Ar-eitsmarkt sowie in vielen anderen Bereichen gehen wirn diesem Jahr Probleme an, die in unserem Land0 Jahre lang liegen geblieben sind.Frau Merkel hat vor kurzem in ihrer „großen“ Redeor der Konrad-Adenauer-Stiftung einen wunderbarenatz gesagt: „Wir müssen mehr für Deutschland tun undeder muss bei sich selber anfangen.“ Wir haben ange-angen. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Dierage ist, was von Ihnen außer Obstruktions- und Blo-kadepolitik kommt.
Wir tun eine ganze Menge. Wir legen dem Parlamentn diesem Herbst eine Reihe von Gesetzesvorschlägenor. Wir sorgen nicht nur mit dem Vorziehen der Steuer-eform in der Konjunkturpolitik dafür, dass der Auf-chwung im nächsten Jahr gelingen wird, sondern wirerändern auch die Strukturen am Arbeitsmarkt.Ich möchte Ihnen bei allem Streit, auch bei allem ni-eaulosem Hin- und Hergeplänkel, das wir gerade vomollegen Michelbach hinnehmen mussten, Folgendesrnsthaft mit auf den Weg geben: Wir sollten bei der Zu-ammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe einenanz entscheidenden Schritt miteinander gehen. Machenie das nicht kaputt! Seien Sie keine vaterlandslosen Ge-ellen!
elfen Sie mit, dass wir dieses Land gemeinsam voran-ringen!
Herzlichen Dank.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003 5579
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Ich erteile das Wort dem Kollegen Norbert Schindler
und verbinde dies mit herzlichen Glückwünschen zu sei-
nem heutigen Geburtstag.
Wenigstens am Anfang meiner Rede bekomme ich
den Applaus des ganzen Hauses.
Herr Staatssekretär Diller, Ihre Worte zu Beginn erin-
nern an die Zeit von 1982. Ihre Regierung ist am Ende,
fix und alle!
Alles läuft aus dem Ruder. Ihre Partner in der Gesell-
schaftspolitik verlassen Sie. Sie hangeln sich von Fall zu
Fall mit Kanzlerdrohung und knapper Kanzlermehrheit
über die nächsten Tage und Wochen. Sie hätten gern
heute dem Finanzminister das Wort überlassen. Das sehe
ich Ihrem Gesichtsausdruck an, Herr Diller.
Dass es Herr Eichel vorzieht, drei Minuten in
„Phoenix“ zu erscheinen, kann nicht darüber hinwegtäu-
schen, dass Eichel Weltmeister ist. Er hat das Recht, ins
Guinnessbuch der Rekorde eingetragen zu werden. Er
hat geschafft, was Sie Theo Waigel so gern vorgehalten
haben, aber unter ganz anderen Voraussetzungen.
– Darauf komme ich gern noch einmal zurück. Es ist gut,
wenn Politologen einmal zuhören und sich nicht so
schulmeisterlich benehmen wie gerade bei der Rede vom
Kollegen Michelbach.
– Das war oberlehrerhaft.
Herr Diller, auf die Schulden der deutschen Einheit
sind wir alle stolz. Wir haben zusammen mit Kohl,
Waigel und der FDP die deutsche Einheit gemeistert.
Ich bin auf diese tausend Milliarden DM stolz.
Es ist kein Schuss gefallen, es gab keine harten militäri-
schen Auseinandersetzungen. Wir haben Deutschland
wieder vereinigt. Das war es uns wert.
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Wieso „unwahr“? Sie haben 5 Milliarden für die Infra-
trukturen verteilt.
Wenn das falsch war, wird es ja noch schlimmer.
Das ist zwar gut gemeint, aber ein Dialog zwischen
ednern und Anwesenden auf der Regierungsbank ist
ach unserer Geschäftsordnung nicht vorgesehen. Damit
ollen wir auch gar nicht erst anfangen.
Bekomme ich noch eine halbe Minute Redezeit?
Das ist wegen des Geburtstags in Ordnung, aber nicht
egen der Geschäftsordnung.
Herr Diller, Sie müssen noch eines zur Kenntnis neh-en: Seit Sie an der Regierung sind, ist die Staatsquoteuf 51 Prozent gestiegen. Das ist ein schlimmes Zeichen.ir waren 1998 wieder bei einer Staatsquote von6 Prozent angekommen.Was noch viel schlimmer ist, ist, dass wir mit Ihrerährungspolitik die von uns im Stabilitätspakt in Eu-opa mit vorgegebene Höchstgrenze für die Neu-erschuldung mit einer Quote von 4,5 oder 5 Prozenteutlich überschreiten werden. Angesichts Ihrer zu Op-ositionszeiten gegebenen Worte müssten Sie eigentlichofort den Hut nehmen und nach Hause nach Trier ge-
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Norbert Schindlerhen. Ihr habt doch total versagt. Das gilt auch für IhrenFinanzminister.
Welche strukturellen Veränderungen haben Sie mitGesetzen und der Steuerreform 2000 auf den Weg ge-bracht? Was haben Sie alles verhindert? KanzlerSchröder hat sich vor einigen Wochen hier hingestelltund gesagt: Frau Merkel, die Abschaffung des demogra-phischen Faktors war ein Fehler. Draußen bekam mandann sogar noch zu hören: Ach, er sieht ja ein, welch ka-tastrophalen Fehler er mit Blick auf die Sicherung derRente gemacht hat. – Der demographische Faktor wurdevon uns 1997 richtungsweisend eingeführt. Wir habenauch mit den Petersberger Beschlüssen ein Steuerre-formpaket geschnürt, welches hier dreimal abgelehntworden ist.Die bitteren Ergebnisse der strukturschwachen Steu-erreform aus dem Jahre 2000 schlagen doch bis in dieGemeindehaushalte durch. Wenn mein Landkreis BadDürkheim in den nächsten drei Jahren – HerrSchirmbeck aus Niedersachsen hat die gleiche Entwick-lung zu verzeichnen – genauso viele Schulden macht wiein den letzten 25 Jahren zusammen, weil uns alles weg-bricht, dann sind doch im Jahre 2000 wirtschafts- undsteuerpolitisch die falschen Weichen gestellt worden,und zwar mit Ihrer – damals gekauften – Mehrheit imBundesrat. Dafür müssen wir jetzt leider Gottes alle bü-ßen.
Wer will denn angesichts der Haushaltansätze für daskommende Jahr und der damit verbundenen Perspektivefür die Wirtschaft noch in Deutschland investieren?Sie lenken doch nur ab. Einmal war es der 11. Sep-tember 2001. Vorhin haben wir gehört, es sei der Kriegim Irak gewesen. Am 6. Dezember verkünden Sie wahr-scheinlich: Die Zahlen sind so schlecht, weil der Weih-nachtsmann kommt.
Wenn man sich diese Haushaltsvorlage insbesonderemit Blick auf den investiven Bereich unserer Wirtschaftansieht, bekommt man die Befürchtung, im nächstenJahr werde die Neuverschuldung noch höher ausfallen.Ich prophezeie Ihnen: Spätestens im Frühjahr 2005 zurLandtagswahl in NRW – ich wette eine gute Kiste Spät-lese trocken dagegen – sitzen Sie nicht mehr auf dieserBank. Gehen Sie bitte heute. Es ist besser für Deutsch-land. Es ist besser für unsere Zukunft und auch für dieZukunft unserer Kinder.Danke schön.
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ie ein altes Ehepaar, seit mehr als 50 Jahren verheira-et, bei mir saß. Dieses Ehepaar hatte seit vielen Jahrenen Lebensunterhalt dadurch sichergestellt, dass jedesahr Schulden gemacht wurden. Wenn die Waschma-chine kaputt gegangen war, haben sie Schulden aufge-ommen. Wenn das Auto repariert werden musste, ha-en sie Schulden aufgenommen.
eit vielen Jahren wurden immer mehr Schulden ge-acht.
ieses Ehepaar war nun bei mir, weil zusätzlich zu denroblemen, die es ohnehin gab, jetzt auch noch die Ein-ahmen fehlten, da der Nebenjob des Mannes plötzlicheggefallen war. Die Frau saß nun vor mir und wolltearüber diskutieren, was man in dieser Situation machenönnte, um zum Beispiel die Wohnung zu halten. Derann, der ebenfalls dabei war, hat die ganze Zeit darü-er diskutiert, was die Frau in den letzten fünf Jahrenalsch gemacht hat.Dieses Verhalten entspricht dem, was zurzeit abläuft:ir reden nicht darüber, dass wir alle – Sie in Ihrer Re-ierungszeit, wir in unserer Regierungszeit, die FDP na-ezu immer – mitgemacht haben: jedes Jahr nicht nuras auszugeben, was zur Verfügung steht, sondern deut-ich über die Verhältnisse zu leben. In einem bestimmteneitabschnitt, nämlich kurz nach der deutschen Einheit,ar diese Verhaltensweise besonders stark ausgeprägt.as kann man durchaus damit rechtfertigen, dass in die-er Zeit mehr getan werden musste. Aber es stellt sichrotzdem die Frage, ob der Weg richtig gewesen ist.Ich möchte auf das Bild zurückkommen. Ich finde, esilft uns allen überhaupt nicht weiter, wenn wir darüberiskutieren, wer welchen Anteil Schuld an der Situationat, wie sie heute ist.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Oktober 2003 5581
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Waltraud Lehn
Wir müssen darüber diskutieren, welchen Beitrag jederfür sich, die Regierung auf der einen Seite und die Oppo-sition, die im Bundesrat nun einmal eine eigene Mehr-heit hat, auf der anderen Seite, leisten kann, damit sichdie Situation in unserem Land wieder bessert.
Die haushalts- und finanzpolitische Situation ist sehrschwierig. Die Lage ist viel zu ernst, um solche Beiträgewie Ihre abzugeben, die ausgesprochen kleinkariert,rückwärts gewandt und voller Schuldzuweisungen ge-wesen sind. Das hilft dem Land nicht weiter. Das hatdieses Land auch nicht verdient.
Schuldzuweisungen, die Sie unterlassen woll-ten?)Sie werfen uns vor, wir würden die Kommunen im Stichlassen. Sie sind der unseriöse Teil in diesem Haus. Manbraucht kein Prophet zu sein, um zu wissen, dass die fol-genden Beratungen genau so ablaufen werden.Sie müssen endlich Klarheit darüber schaffen, wasSie mittragen wollen und was nicht. Darauf haben dieMenschen in diesem Land einen Anspruch. Bei Ihnenherrscht das reinste Meinungschaos; das will ich Ihnendeutlich sagen. Als Beispiel nenne ich, wie es mit demSteuerabbau weitergehen soll: Koch ist dagegen, Stoiberist dafür, Beust ist eingeschränkt dafür, Austermann istdagegen, Merz wiederum kann sich alles vorstellen. Wiesoll man in einer solchen Situation zu Verständigung, zuVerabredungen, zu gemeinsamem Handeln kommen?Ich kann Sie nur auffordern, sich mit dem, was wirmachen, konstruktiv auseinander zu setzen. Dazu zählt,Sie sind wenig glaubwürdig, wenn Sie hier in markigenWorten die Politik von Hans Eichel geißeln, aber gleich-zeitig zu keiner konstruktiven Mitarbeit bereit sind.
Wir wären in diesem Land schon wesentlich weiter,wenn Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst wären unddanach handeln würden. Sie sind unglaubwürdig, wennSie die Politik der Bundesregierung immer wieder kriti-sieren, aber gleichzeitig Maßnahmen, wie sie im Steuer-vergünstigungsabbaugesetz enthalten sind, verhindern.Allein die Kommunen haben auf diese Art und Weise indiesem Jahr Einnahmen in Höhe von 7 Milliarden Euroverloren. Das haben Sie zu verantworten.
Ich schließe die Aussprache.
Wir sind damit am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Donnerstag, den 16. Oktober 2003,
Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.