Protokoll:
15015

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 15

  • date_rangeSitzungsnummer: 15

  • date_rangeDatum: 18. Dezember 2002

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:11 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Die Poli- tik der Bundesregierung für behinderte Menschen; Dosenpfand . . . . . . . . . . . . . 1121 A Ulla Schmidt, Bundesministerin BMGS . . . . 1121 B Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1122 B Ulla Schmidt, Bundesministerin BMGS . . . . 1122 B Hubert Hüppe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 1123 A Ulla Schmidt, Bundesministerin BMGS . . . . 1123 B Daniel Bahr (Münster) FDP . . . . . . . . . . . . . 1123 D Ulla Schmidt, Bundesministerin BMGS . . . . 1124 A Hildegard Müller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 1124 B Ulla Schmidt, Bundesministerin BMGS . . . . 1124 C Silvia Schmidt (Eisleben) SPD . . . . . . . . . . . 1124 D Ulla Schmidt, Bundesministerin BMGS . . . . 1124 D Verena Butalikakis CDU/CSU . . . . . . . . . . . 1125 B Ulla Schmidt, Bundesministerin BMGS . . . . 1125 B Helga Kühn-Mengel SPD . . . . . . . . . . . . . . . 1125 D Ulla Schmidt, Bundesministerin BMGS . . . . 1125 D Daniel Bahr (Münster) FDP . . . . . . . . . . . . . 1126 C Ulla Schmidt, Bundesministerin BMGS . . . . 1126 D Hubert Hüppe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 1127 A Ulla Schmidt, Bundesministerin BMGS . . . . 1127 A Dr. Michael Fuchs CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 1127 C Rolf Schwanitz, Staatsminister BK . . . . . . . . . 1127 D Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksache 15/177) . . . . . . . . . . . . . . . . 1127 D Auswirkungen der zentralen Abwicklung von Sonderprogrammen, zum Beispiel „Enti- mon“, durch das BMFSFJ auf die Antrags- zahlen MdlAnfr 1 Andreas Scheuer CDU/CSU Antw PstSekr’in Marieluise Beck BMFSFJ 1128 A ZusFr Andreas Scheuer CDU/CSU . . . . . . . . 1128 B Genehmigung des Umzugs der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung nach Berlin MdlAnfr 2 Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU Antw PstSekr’in Marion Caspers-Merk BMGS 1129 A ZusFr Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . 1129 A Umzug der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung und des AOK-Bundesverbandes nach Berlin MdlAnfr 3 Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU Antw PstSekr’in Marion Caspers-Merk BMGS 1130 A ZusFr Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . 1130 C Kriterien für die Gewährung von Überflug-, Lande- und Hafenrechten an die USA im Falle eines militärischen Einsatzes gegen den Irak MdlAnfr 4 Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU Antw StMin’in Kerstin Müller AA . . . . . . . . . 1131 B ZusFr Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU 1131 D Plenarprotokoll 15/15 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 15. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 I n h a l t : Unterscheidung hinsichtlich der Bereitschaft zur Unterstützung der USA im Falle eines mi- litärischen Einsatzes gegen den Irak zwischen dem Vorliegen und dem Nichtvorliegen eines Sicherheitsratsmandats MdlAnfr 5 Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU Antw StMin’in Kerstin Müller AA . . . . . . . . . 1132 B ZusFr Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU 1132 B ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . 1133 A ZusFr Dr. Klaus Rose CDU/CSU . . . . . . . . . 1133 B Völkerrechtliche Auffassung der USA zu mi- litärischen Maßnahmen gegen den Irak gem. UN-Resolution 1441; Gewährung von Über- flugrechten für die USA im Falle eines von der UN geduldeten Militärschlags MdlAnfr 6 Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU Antw StMin’in Kerstin Müller AA . . . . . . . . . 1133 C ZusFr Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU . . . . . . 1133 D Thematisierung des Kernkraftwerks Temelin bei den EU-Osterweiterungsverhandlungen MdlAnfr 9 Andreas Scheuer CDU/CSU Antw StMin’in Kerstin Müller AA . . . . . . . . . 1134 C ZusFr Andreas Scheuer CDU/CSU . . . . . . . . 1134 D ZusFr Dr. Klaus Rose CDU/CSU . . . . . . . . . 1135 B Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylbewerber nach Ablauf eines Jahres seit Beginn des Asyl- verfahrens MdlAnfr 10 Dr. Ole Schröder CDU/CSU Antw PstSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . 1135 C ZusFr Dr. Ole Schröder CDU/CSU . . . . . . . . 1135 D Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt bei Erlaubnis des Zugangs zum Arbeitsmarkt für Asylbewerber nach Ablauf eines Jahres seit Beginn des Asylverfahrens MdlAnfr 11 Dr. Ole Schröder CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . 1136 B ZusFr Dr. Ole Schröder CDU/CSU . . . . . . . . 1136 B Bezeichnung der vom BMI gemäß § 64 a Abs. 4 AuslG bestimmten Staaten und Personengruppen MdlAnfr 12 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . 1136 D ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 1137 A Visaerteilung seit 11. September 2001 an Staatsangehörige gemäß § 64 a Abs. 4 AuslG MdlAnfr 13 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . 1137 B ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 1137 C Teilnahme eines verdeckten Ermittlers des BGS an der Besetzung der ICE-Strecke Ham- burg–Hannover im November 2002 während eines Castor-Transportes MdlAnfr 14 Petra Pau fraktionslos Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . 1138 A ZusFr Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . 1138 C ZusFr Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1139 A Genehmigung weiterer finanzieller Mittel für Europol im Rahmen der Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung durch den Rat der Europäischen Union MdlAnfr 15 Petra Pau fraktionslos Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . . 1139 B Umsatzbesteuerung von landwirtschaftlichen Betrieben im Rahmen des StVergAbG MdlAnfr 18 Norbert Schindler CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 1139 C ZusFr Norbert Schindler CDU/CSU . . . . . . . 1139 D Absatzdefizite für bäuerliche Betriebe und Be- triebe mit ökologischem Anbau bei Abschaf- fung der steuerlichen Absetzbarkeit von Wer- bemitteln und Geschenken im Rahmen des StVergAbG MdlAnfr 19 Norbert Schindler CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 1140 B ZusFr Norbert Schindler CDU/CSU . . . . . . . 1140 C ZusFr Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1140 D Auswirkungen der beabsichtigten Absenkung des Pauschalierungssatzes und der gleichzeiti- gen Anhebung des Umsatzsteuersatzes auf Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002II wichtige landwirtschaftliche Vorprodukte auf das Verhalten der Landwirte zur Pauschal- bzw. Regelbesteuerung MdlAnfr 20 Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 1141 A ZusFr Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1141 B ZusFr Gitta Connemann CDU/CSU . . . . . . . 1141 D ZusFr Albert Deß CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 1142 A Verhältnis von Mehreinnahmen bei der Um- satzsteuer und Verwaltungsaufwand für neu re- gelbesteuerte Landwirte MdlAnfr 21 Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 1142 B ZusFr Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1142 C ZusFr Gitta Connemann CDU/CSU . . . . . . . 1143 A Höhe der Erstattungen an Landwirte für geleis- tete Vorsteuern infolge des zu erwartenden Wechsels in die Regelbesteuerung MdlAnfr 22 Albert Deß CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 1143 B ZusFr Albert Deß CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 1143 B ZusFr Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1143 C Erhöhung des Umsatzsteuersatzes für Futter- mittel für landwirtschaftliche Nutztiere bei gleichzeitiger Beibehaltung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Heimtierfutter MdlAnfr 23 Albert Deß CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 1143 D ZusFr Albert Deß CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 1144 A ZusFr Julia Klöckner CDU/CSU . . . . . . . . . 1144 C ZusFr Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1144 D ZusFr Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1145 B ZusFr Dr. Peter Jahr CDU/CSU . . . . . . . . . . 1145 C Zusätzliche Aufwendungen der Finanzverwal- tung und landwirtschaftlichen Unternehmen für Bearbeitung und Erstellung der Umsatz- steuererklärungen von zur Regelbesteuerung wechselnden Landwirten MdlAnfr 24 Bernhard Schulte-Drüggelte CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 1145 D ZusFr Bernhard Schulte-Drüggelte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1146 A ZusFr Gitta Connemann CDU/CSU . . . . . . . 1146 B ZusFr Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1146 C ZusFr Albert Deß CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 1146 D Auswirkungen der Umsatzsteuererhöhung für landwirtschaftliche Vorprodukte auf die Vor- steuerbelastung MdlAnfr 25 Gitta Connemann CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 1147 A ZusFr Gitta Connemann CDU/CSU . . . . . . . 1147 B Bitte der Niederlande um Verzicht auf Um- satzsteuererhöhung bei Gartenbauerzeugnis- sen MdlAnfr 26 Gitta Connemann CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 1147 C ZusFr Gitta Connemann CDU/CSU . . . . . . . 1147 C ZusFr Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1148 A ZusFr Albert Deß CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 1148 B ZusFr Bernhard Schulte-Drüggelte CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1148 B ZusFr Dr. Ole Schröder CDU/CSU . . . . . . . 1148 C ZusFr Dr. Peter Jahr CDU/CSU . . . . . . . . . . 1148 D Vorlage des Rüstungsexportberichts 2001 MdlAnfr 31 Erich G. Fritz CDU/CSU Antw PStSekr Gerd Andres BMWA . . . . . . . . 1149 A Sofortmaßnahmen zur Entlastung des Mittel- standes zur Vermeidung von Unternehmens- insolvenzen MdlAnfr 32 Hans Michelbach CDU/CSU Antw PStSekr Gerd Andres BMWA . . . . . . . . 1149 B ZusFr Hans Michelbach CDU/CSU . . . . . . . 1149 D Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 III Fachliche Kompetenz des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Staffelt beim BMWA ange- sichts seiner ehemaligen Beteiligung an der Konstruktion der Berliner Bankgesellschaft MdlAnfr 35 Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos Antw PStSekr Gerd Andres BMWA . . . . . . . . 1150 C ZusFr Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . 1150 D Auswirkungen einer Umsatzsteuererhöhung für Gartenbauerzeugnisse sowie Brennholz auf deren Absatz MdlAnfr 36 Bernhard Schulte-Drüggelte CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Gerald Thalheim BMVEL 1151 B ZusFr Bernhard Schulte-Drüggelte CDU/CSU 1151 B Zahl der Transportpanzer Fuchs im Bestand der Bundeswehr, Einsatzgebiete MdlAnfr 41 Günther Friedrich Nolting FDP Antw PStSekr Hans Georg Wagner BMVg . . . 1151 D ZusFr Günther Friedrich Nolting FDP . . . . . 1151 D ZusFr Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . 1152 B Stationierungsplanung für das Lufttransportge- schwader 62 (Wunstorf), Zukunft der Stand- orte Diepholz und Holzdorf MdlAnfr 42 Günther Friedrich Nolting FDP Antw PStSekr Hans Georg Wagner BMVg . . . 1152 C Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Frak- tion der CDU/CSU: Aktuelle Vorschläge zur weiteren steuerlichen Belastung der Bürger und Unternehmen . . . . . . . . . . . 1153 A Heinz Seiffert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 1153 A Ingrid Arndt-Brauer SPD . . . . . . . . . . . . . . . 1154 A Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . . . . 1155 C Christine Scheel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1156 C Hans Michelbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 1158 A Lydia Westrich SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1159 A Norbert Schindler CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 1160 C Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1161 C Christian Freiherr von Stetten CDU/CSU . . . 1164 A Kerstin Andreae BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1165 A Stefan Müller (Erlangen) CDU/CSU . . . . . . 1166 D Dr. Hans-Ulrich Krüger SPD . . . . . . . . . . . . 1167 D Dr. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . 1168 D Elke Wülfing CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 1169 C Karin Roth (Esslingen) SPD . . . . . . . . . . . . . 1170 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1172 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 1173 A Anlage 2 Erklärung der Abgeordneten Christel Humme (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Beitragssatzsicherungsgesetzes (11. Sitzung, Tagesordnungspunkt 12) . . . . . . 1173 B Anlage 3 Grundsätze für die zukünftige EU-Strukturför- derung nach 2006, insbeonsere für Tschechien MdlAnfr 7, 8 Klaus Hofbauer CDU/CSU Antw StMin’in Kerstin Müller AA . . . . . . . . . 1173 B Anlage 4 Vertragsbedingungen für einen Medienberater beim BMF MdlAnfr 16, 17 Dietrich Austermann CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 1173 D Anlage 5 Folgen der Besteuerung der Veräußerung von privatem Grundbesitz für die landwirtschaftli- chen Betriebe und die Forstbetriebe; höhere Kosten für landwirtschaftliche Betriebe als Zu- lieferer für Biomasse-Kraftheizwerke durch Erhöhung der Mehrwertsteuer für landwirt- schaftliche Vorprodukte MdlAnfr 5 Georg Schirmbeck CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Barbara Hendricks BMF 1174 A Anlage 6 Information des Bundestages über das vor Ver- abschiedung der „kleinen TKG-Novelle“ an- gedrohte Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EG-Vertrag im Falle einer verspäteten Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002IV Einführung der Betreibervorauswahl im Orts- netz; technische Voraussetzungen MdlAnfr 33, 34 Hans-Joachim Otto (Frankfurt) FDP Antw PStSekr Gerd Andres BMWA . . . . . . . . 1174 C Anlage 7 Warnung vor mit Nitrofuran belastetem brasi- lianischen Hähnchenfleisch durch Greenpeace und nicht im Rahmen des europäischen Schnellwarnsystems MdlAnfr 37, 38 Gerda Hasselfeldt CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Gerald Thalheim BMVEL 1175 A Anlage 8 Freigabe und Verwertung von Kasernenarea- len in Bayern über die Bundesvermögensver- waltung; Klärung der Eigentumsverhältnisse der zu verwertenden Kasernenareale, unter an- derem der „Bayern-Kaserne“ in München MdlAnfr 39, 40 Johannes Singhammer CDU/CSU Antw PStSekr Hans Georg Wagner BMVg 1175 C Anlage 9 Bestand der Bundeswehr an Truppentransport- panzern vom Typ „Fuchs“ sowie deren Ein- satzfähigkeit MdlAnfr 43, 44 Jürgen Koppelin FDP Antw PStSekr Hans Georg Wagner BMVg 1176 A Anlage 10 Einsatz von AWACS-Flugzeugen mit deut- schen Soldaten im Falle eines Krieges gegen den Irak MdlAnfr 45 Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU Antw PStSekr Hans Georg Wagner BMVg 1176 B Anlage 11 Abschluss der Finanzierungsvereinbarung für das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ 8.2 (ICE-Trasse Nürnberg–Berlin, hier Abschnitt Erfurt–Halle/Leipzig) MdlAnfr 46, 47 Volkmar Uwe Vogel CDU/CSU Antw PStSekr Achim Großmann BMVBW 1176 C Anlage 12 Baubeginn der Autobahnen A 72, Abschnitt Chemnitz–Leipzig, der Südumgehung Leipzig (A38) und der Ortsumfahrung Meißen (B 101) MdlAnfr 48, 49 Dr. Peter Jahr CDU/CSU Antw PStSekr Achim Großmann BMVBW 1176 D Anlage 13 Mittelkürzungen durch verspätete Einführung der LKW-Maut; betroffene Straßenbauprojekte MdlAnfr 50, 51 Henry Nitzsche CDU/CSU Antw PStSekr Achim Großmann BMVBW 1177 A Anlage 14 Sicherung von Arbeitsplätzen durch Erhalt ei- nes Kernbestandes von Aufträgen für die säch- sischen Instandsetzungswerke der DB AG in Chemnitz, Delitzsch und Zwickau MdlAnfr 52, 53 Dr. Michael Luther CDU/CSU Antw PStSekr Achim Großmann BMVBW 1177 A Anlage 15 Schnellere Anbindung des deutschen ICE-Net- zes an die französische Hochgeschwindig- keitsstrecke TGV-Est über Kehl–Straßburg MdlAnfr 54, 55 PeterWeiß (Emmendingen) CDU/CSU Antw PStSekr Achim Großmann BMVBW 1177 C Anlage 16 Auswirkungen der veranschlagten Mehrkosten für die Teilstrecke Nürnberg–Erfurt auf den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der ICE-Strecke Nürnberg–Berlin; Beteiligung des Bundes an den Mehrkosten MdlAnfr 56 Hans Michelbach CDU/CSU Antw PStSekr Achim Großmann BMVBW 1177 D Anlage 17 Information der Länder über das Investitions- programm „Zukunft, Bildung und Betreuung“ sowie Beantwortung eines Schreibens des thüringischen Kultusministers durch das BMBF MdlAnfr 57, 58 Bernward Müller (Gera) CDU/CSU Antw PStSekr Christoph Matschie BMBF . . . 1178 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 V Anlage 18 Bundesmittel aus dem „Investitionsprogramm des Bundes für den Aus- und Aufbau von Ganz- tagsschulen“ für die persönliche Betreuung von Schülern und Jugendlichen; Berücksichtigung der von den Ländern entwickelten Konzepte MdlAnfr 59, 60 Claudia Nolte CDU/CSU Antw PStSekr Christoph Matschie BMBF . . . 1178 B Anlage 19 Ausgaben bzw. Mehrausgaben gegenüber den Sollzahlen für Kapitel 30 04 – Titel 632 11 und 632 12 (Schüler- und Studierenden-BAföG) im Haushalt 2002; Gegenfinanzierung MdlAnfr 61, 62 Christoph Hartmann (Homburg) FDP Antw PStSekr Christoph Matschie BMBF . . . 1178 D Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002VI (A) (B) (C) (D) Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1121 15. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 Beginn: 13.00 Uhr
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    (A) (C) 1172 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1173 (C) (D) (A) (B) Bernhardt, Otto CDU/CSU 18.12.2002 Brüderle, Rainer FDP 18.12.2002 Bury, Hans Martin SPD 18.12.2002 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 18.12.2002 Herta Dümpe-Krüger, Jutta BÜNDNIS 90/ 18.12.2002 DIE GRÜNEN Eymer (Lübeck), Anke CDU/CSU 18.12.2002 Fischer (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 18.12.2002 Joseph DIE GRÜNEN Freitag, Dagmar SPD 18.12.2002 Hedrich, Klaus-Jürgen CDU/CSU 18.12.2002 Janssen, Jann-Peter SPD 18.12.2002 Kolbe, Manfred CDU/CSU 18.12.2002 Künast, Renate BÜNDNIS 90/ 18.12.2002 DIE GRÜNEN Lehn, Waltraud SPD 18.12.2002 Möllemann, Jürgen W. FDP 18.12.2002 Pfeiffer, Sibylle CDU/CSU 18.12.2002 Poß, Joachim SPD 18.12.2002 Welt, Jochen SPD 18.12.2002 Dr. Westerwelle, Guido FDP 18.12.2002 Dr. Wetzel, Margrit SPD 18.12.2002 Anlage 2 Erklärung der Abgeordneten Christel Humme (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf ei- nes Beitragssatzsicherungsgesetzes (11. Sitzung, Tagesordnungspunkt 12) In der Ergebnisliste ist mein Name nicht aufgeführt. Mein Votum lautet „Ja“. Anlage 3 Antwort der Staatsministerin Kerstin Müller auf die Fragen des Abgeordneten Klaus Hofbauer (CDU/CSU) (Drucksa- che 15/177, Fragen 7 und 8): entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenografischen Bericht Welche Grundsätze wurden beim EU-Gipfel in Kopenhagen zur zukünftigen EU-Strukturförderung nach 2006 festgelegt, und wie wirken sich diese Entscheidungen auf die Regionalpolitik in Deutschland aus? Nach welchen Kriterien und mit welchen Beträgen werden die Beitrittsländer, insbesondere Tschechien, von der EU bei der Strukturpolitik gefördert? Zu Frage 7: Der Europäische Rat von Kopenhagen hat im Rahmen seiner Einigung über die Erweiterung der EU auch die Strukturförderung für die Beitrittsländer bis 2006 behan- delt. Die Zukunft der EU-Strukturpolitik nach 2006 stand nicht auf der Tagesordnung des Europäischen Rates. Es wurden deshalb auch keine Grundsätze für die Struktur- förderung nach 2006 festgelegt. Zu Frage 8: Nach dem Beitritt werden die Beitrittsländer nach den- selben Kriterien wie die Mitgliedstaaten bei der Struktur- politik gefördert. Die zehn Beitrittsländer, die zum 1. Mai 2004 in die Europäische Union aufgenommen werden, er- halten ab Beitritt bis Ende 2006 insgesamt 21,746 Milli- arden Euro Strukturmittel. Davon entfallen 2,328 Milliar- den Euro auf Tschechien. Für die Jahre 2000 bis 2003 stellt die Finanzielle Vorausschau den acht mittel- und osteuropäischen Ländern, die der EU zum 1. Mai 2004 beitreten werden, insgesamt 2,8 Milliarden Euro im Rah- men des strukturpolitischen Instruments (ISPA) an Vor- beitrittshilfe zur Verfügung. Davon entfallen auf Tsche- chien 280 Millionen Euro. Ferner werden den oben genannten acht Ländern in dieser Zeit knapp 3 Milliarden Euro Vorbeitrittshilfe im Rahmen von PHARE zur Verfü- gung gestellt; davon entfallen auf strukturpolitische Zwecke etwa 70 Prozent. Tschechien erhält 315 Millionen Euro PHARE-Mittel. Zypern und Malta werden separat gefördert. Sie erhalten gesondert je 44 und 36 Millionen Euro Vorbeitrittshilfe. Anlage 4 Antwort der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die Fragen des Abgeordneten Dietrich Austermann (CDU/ CSU) (Drucksache 15/177, Fragen 16 und 17): Ist beim Bundesministerium der Finanzen (BMF) ein Medien- berater beschäftigt, und wenn ja, zu welchen Konditionen? Mit welcher Laufzeit und welchen Vertragsbedingungen ist die Vereinbarung des BMF mit einem Medienberater gegebenen- falls abgeschlossen? Zu Frage 16: Auf der Grundlage eines Beratungsvertrages ist ein freiberuflich tätiger Medienberater an bis zu 10 Tagen für das Bundesministerium der Finanzen tätig. Der Berater ist nicht in die Struktur und den Dienstbetrieb des BMF ein- gegliedert; er hat keinerlei Weisungsbefugnis gegenüber Angehörigen des BMF. Zu Frage 17: Der derzeitige Beratungsvertrag ist für die Zeit vom 1. Oktober 2002 bis 31. Dezember 2002 abgeschlossen worden. Mit dem Berater sind bereits in der Vergangen- heit mehrere zeitlich befristete Beratungsverträge ab- geschlossen worden. Der Berater erhält ein Honorar von 510 Euro pro Tag für höchstens 10 Tage im Monat. Mit dem Tagessatz sind sämtliche Auslagen und Nebenkosten – mit Ausnahmen von Reisekosten – abgegolten. Anlage 5 Antwort der Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks auf die Fra- gen des Abgeordneten Georg Schirmbeck (CDU/CSU) (Drucksache 15/177, Fragen 29 und 30): Ist der Bundesregierung bewusst, dass die geplante Belastung der Veräußerung des privaten Grundbesitzes mit einer pauschalen Steuer von 15 Prozent (bisher steuerfrei) die Existenzfähigkeit der landwirtschaftlichen Land- und Forstbetriebe schwer treffen würde, weil der private Grundbesitz für sie ein Grundpfeiler der Altersvorsorge und der Betriebsabsicherung darstellt, und ist die Bundesregierung deshalb bereit, von diesem Vorhaben abzulas- sen? Wie beurteilt die Bundesregierung, die sich nach ihren Aussa- gen für die vermehrte Nutzung nachwachsender Rohstoffe ein- setzt, dass durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer für landwirt- schaftliche Vorprodukte auch die landwirtschaftlichen Betriebe als Zulieferer für Biomassekraftheizwerke mit höheren Kosten belastet werden? Zu Frage 29: Grundsätzlich befindet sich bei Land- und Forstbetrie- ben der Grundbesitz im land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen, sodass sie von der vorgeschlagenen Neuregelung der zur Besteuerung der Gewinne aus priva- ten Grundstücksveräußerungsgeschäften nicht betroffen sind. Sollte das Grundstück jedoch aus dem Betriebsver- mögen in das Privatvermögen überführt und anschließend veräußert werden, wird aufgrund des moderaten Steuer- satzes von 15 Prozent die Existenzfähigkeit der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe keineswegs gefährdet. Dies gilt vor allem auch auf Grundstücke, die bereits in der Vergangenheit in das Privatvermögen überführt wur- den, da bei ihnen nach dem Gesetzentwurf faktisch ein die Einkommensteuer abgeltender Steuersatz von 1,5 Prozent auf den Veräußerungserlös angewendet wird. Die Bun- desregierung sieht folglich keinen Grund für die Ände- rung des Gesetzentwurfes. Zu Frage 30: Durch die im Steuervergünstigungsabbaugesetz vorge- sehene Streichung der Umsatzsteuerermäßigung für land- wirtschaftliche Vorprodukte werden landwirtschaftliche Zulieferbetriebe, gewerbliche Betreiber von Biomasse- heizkraftwerken und Endverbaucher nicht zusätzlich be- lastet, da die höhere Umsatzsteuer der Vorprodukte von dem gewerblichen Betreiber des Kraftwerks als Vorsteuer geltend gemacht werden kann. Die Bundesregierung sieht daher keine negativen Auswirkungen auf die Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gerd Andres auf die Fragen des Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP) (Drucksache 15/177, Fragen 33 und 34): Wann und in welcher Form hat die (frühere) Bundesregierung den Deutschen Bundestag darüber informiert, dass ihr bereits vor Verabschiedung der „kleinen TKG-Novelle“ im Sommer dieses Jahres von der EU-Kommission die Durchführung eines Ver- tragsverletzungsverfahrens nach Artikel 226 EG-Vertrag im Falle einer verspäteten Einführung der Betreibervorauswahl im Orts- netz angedroht worden war? Was veranlasste die (frühere) Bundesregierung zu ihrer Aus- sage in der entsprechenden Anhörung des Deutschen Bundes- tages, mit einer Verabschiedung der „kleinen TKG-Novelle“ noch in der 14. Wahlperiode des Deutschen Bundestages sei die Ver- hängung eines Bußgeldes der EU-Kommission gegen die Bun- desrepublik Deutschland abgewendet, obwohl ihr aus Mitteilun- gen der Deutschen Telekom AG bekannt sein musste, dass eine Umsetzung der Betreibervorauswahl im Ortsnetz innerhalb der Umsetzungsfrist bis zum 1. Dezember 2002 aus technischen Grün- den ohnehin ausgeschlossen war? Zu Frage 33: Die Bundesregierung hat den Deutschen Bundestag mit der Einbringung der „kleinen Novelle des Tele- kommunikationsgesetzes (TKG-Novelle)“ von dem seit Herbst 2000 anhängigen Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission unterrichtet. In dem vom Bundeskabinett am 17. April 2002 verabschiedeten Ent- wurf des Ersten Gesetzes zur Änderung des TKG ist in dessen Begründung ausdrücklich Bezug auf das Vertrags- verletzungsverfahren genommen worden. Die „kleine Novelle“ diente dazu, eine Klage der Europäischen Kom- mission gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der verspäteten Umsetzung der Richtlinie 98/61/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Septem- ber 1998 zur Änderung der Richtlinie 97/33/EG hinsicht- lich der Übertragbarkeit von Nummern und der Betrei- bervorauswahl (Abl. L 268 vom 3. Oktober 1998) beim EuGH abzuwenden. Zu Frage 34: Eine Mitteilung der Deutschen Telekom AG, nach der die Einrichtung der Betreibervorauswahl im Ortsnetz bis zum 1. Dezember 2002 ausgeschlossen sei, ist der Bun- desregierung nicht bekannt. Die Bundesregierung hatte die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post nach Einbringung der „kleinen Novelle“ mit Schreiben vom 23. April 2002 be- auftragt, die erforderlichen regulatorischen Vorkehrungen zu treffen, damit die Betreibervorauswahl im Ortsnetz zum 1. Dezember 2002 angeboten werden kann. Wider- stände „aus dem Markt“ verhinderten eine frühzeitige Erörterung des Themas. Bevor eine Rechtsgrundlage be- stehe, so das Argument, sei nicht zulässig abschätzbar, welche technischen Vorkehrungen im Einzelnen zu tref- fen seien. Dies führte dazu, dass erst im November 2002 die nötigen technischen Spezifikationen vorlagen, auf de- nen die technischen Vorbereitungen des dominanten An- bieters, der Deutschen Telekom, aufbauen. Mit dieser Ver- zögerung wurde für die Bundesregierung offenkundig, Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 20021174 (C) (D) (A) (B) dass das gegenüber der Europäischen Kommission zuge- sagte Datum, der 1. Dezember 2002, nicht einzuhalten war. Wie in der Antwort zu Ihrer vorherigen Frage bereits dargelegt, sollte mit der „kleinen TKG-Novelle“ eine Klage der Kommission gegen die Bundesrepublik abge- wendet werden. Die Frage der Verhängung eines Buß- geldes wäre, wie in der Ausschusssitzung am 3. Juli 2002 von der Bundesregierung erläutert, dann relevant gewor- den, wenn Deutschland sich der Umsetzung der Richtli- nie ausdrücklich widersetzt hätte, indem eine Änderung des § 43 Abs. 6 TKG vom Parlament abgelehnt worden wäre. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerald Thalheim auf die Fra- gen der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) (Drucksache 15/177, Fragen 37 und 38): Weshalb ist das in dem aus Brasilien importierten Hähnchen- fleisch einer Handelskette mit Sitz in Nordrhein-Westfalen gefun- dene verbotene Antibiotikum Nitrofuran erst durch eine Untersu- chung von Greenpeace und nicht bereits im Rahmen von Warnmeldungen des europäischen Schnellwarnsystems aufgefallen (ddp-Meldung vom 12. Dezember 2002)? Hängt die Tatsache, dass diese Handelskette selbst keine Kennt- nis von der Nitrofuran-Belastung des Hähnchenfleisches hatte, mit der Änderung der Weiterleitungspraxis von Schnellwarnmeldungen der Bundesregierung zusammen, nach der Schnellwarnungen seit Sommer 2002 nicht mehr unmittelbar, sondern lediglich in anony- misierter Form an die Wirtschaft weitergeleitet werden? Zu Frage 37: Die Durchführung der amtlichen Überwachung von Fleisch und Geflügelfleisch obliegt den hierfür zuständigen Landesbehörden. Nach der Verordnung über bestimmte Schutzmaßnahmen bei der Einfuhr von Geflügelfleisch aus Brasilien vom 22. Oktober 2002, mit der die Entscheidung 2002/794/EG der Kommission vom 11. Oktober 2002 um- gesetzt wurde, ist jede Sendung von Geflügelfleisch aus Brasilien im Rahmen der Einfuhruntersuchung insbeson- dere auf Rückstände von Nitrofuranen zu untersuchen. Aufgrund hier bekannter Erkenntnise hat das Bundesmi- nisterium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirt- schaft (BMVEL) die zuständigen Landesbehörden bereits mit Schreiben vom Juli 2002 gebeten, im Rahmen der Ein- fuhrbestimmung Geflügelfleischimporte aus Brasilien ver- stärkt auf Nitrofuran-Rückstände zu untersuchen. Ferner wurden die betroffenen Wirtschaftsverbände im Zusam- menhang mit dem Erlass der genannten Verordnung gebe- ten, Lagerware und Verarbeitungsware, die bzw. deren Rohmaterial vor dem Inkrafttreten der Verordnung einge- führt wurde, im Rahmen der betrieblichen Eigenkontrollen verstärkt auf Nitrofuran-Rückstände zu untersuchen. Zu Frage 38: Nein. Die betroffene Wirtschaft und damit auch die be- treffende Handelskette konnten aus den anonymisierten Zusammenstellungen über Schnellwarnmeldungen auch vor Beginn der systematischen amtlichen Untersuchung von brasilianischem Geflügelfleisch auf Nitrofurane die Problematik einer möglichen Nitrofuranbelastung von Geflügelfleisch aus bestimmten Drittländern erkennen. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans Georg Wagner auf die Fra- gen des Abgeordneten Johannes Singhammer (CDU/ CSU) (Drucksache 15/177, Fragen 39 und 40): Hat das vom damaligen Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping, am 29. Januar 2001 vorgelegte Ressortkonzept zur Feinausplanung und Stationierung der Bundeswehr betreffend die Freigabe und Verwertung von Kasernenarealen in Bayern über die Bundesvermögensverwaltung weiterhin Bestand, und wie sieht der entsprechende Zeitplan für die einzelnen Areale in Bay- ern, insbesondere in München, aus? Sind die Eigentumsverhältnisse der zu verwertenden Kaser- nenareale geklärt, und ist beispielsweise der Bund bezüglich der Münchner „Bayern-Kaserne“ uneingeschränkt befugt, diese zu veräußern oder anderweitig darüber zu verfügen? Zu Frage 39: Mit Herausgabe des Ressortkonzepts Stationierung der Bundeswehr vom 16. Februar 2001 wurde im Rahmen der Neustrukturierung der Bundeswehr die endgültige Ent- scheidung zur künftigen Stationierung getroffen. Im Rah- men dieser Entscheidung wurden die Standortauflösun- gen der Vorgängerregierungen aus den 90er-Jahren – nach erneuter sorgfältiger Prüfung – bestätigt. Die meisten Sta- tionierungsentscheidungen werden bis 2004 greifen. Der Gesamtprozess wird sich jedoch voraussichtlich bis ins Jahr 2006 erstrecken. An diesen Entscheidungen wird weiterhin grundsätz- lich festgehalten. Das Bundesministerium der Verteidigung hat am 26. Juni 2001 der Gesellschaft für Entwicklung, Beschaf- fung und Betrieb (g.e.b.b.) unter anderem die Münchner Liegenschaften Bayern-Kaserne, Luitpold-Kaserne, Prinz-Eugen-Kaserne, Fürst-Wrede-Kaserne und Stand- ortübungsplatz Fröttmaninger Heide zur Entwicklung und Vermarktung übergeben. Folgende Aufgabezeitpunkte sind vorgesehen: Prinz- Eugen-Kaserne (2005), Teilfläche des Standortübungs- platzes Fröttmaninger Heide (2003 bei Kostenübernahme durch die Landeshauptstadt München für die Verlegung des Sprengplatzes). Die Aufgabe der Luitpold-Kaserne (ur- sprünglich für das Jahr 2002 geplant) ist abhängig von der Verlegung der in großen Teilen in der Luitpold-Kaserne un- tergebrachten Bundeswehrfachschule und der Ausdildungs- kompanie Fach-/Fachschulausbildung (Teile der Bundes- wehrfachschul-Unterkunft sind in der Bayern-Kaserne). Zu Frage 40: Bei allen vorgenannten Münchner Liegenschaften ist die Bundeswehrverwaltung als Eigentümer im Grund- buch eingetragen. Damit ist der Bund, d. h. das Bundes- ministerium der Verteidigung, befugt, die Grundstücke zu veräußern oder anderweitig darüber zu verfügen. Das Vor- liegen von Rückübertragungsansprüchen wird im Rahmen Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1175 (C) (D) (A) (B) der Verwertung von der zuständigen Oberfinanzdirektion geprüft und, soweit Ansprüche bestehen, werden diese berücksichtigt. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans Georg Wagner auf die Fra- gen des Abgeordneten Jürgen Koppelin (FDP) (Druck- sache 15/177, Fragen 43 und 44): Aus welchen Gründen kann die Bundeswehr keine ihrer Trup- pentransportpanzer vom Typ „Fuchs“ entbehren, wie der Bundes- minister der Verteidigung, Dr. Peter Struck, in der ARD am 6. De- zember 2002 erklärte? Wie viele Truppentransportpanzer vom Typ „Fuchs“ sind im Bestand der Bundeswehr, und wie viele sind davon einsatzfähig? Zu Frage 43: Die Aussage des Bundesministers der Verteidigung be- zog sich auf das Gruppenfahrzeug des Typs Transportpan- zer. Insgesamt verfügt die Bundeswehr über 357 Grup- penfahrzeuge vom Typ Transportpanzer. Davon sind 280 Stück ohne Zusatzpanzerung. 77 Stück sind mit Zu- satzpanzerung gegen Minen und ballistischen Schutz ge- gen Geschosse bis 14,5 Millimeter ausgestattet. 74 Grup- penfahrzeuge mit Zusatzpanzerung befinden sich gegenwärtig im Einsatz, 10 bei SFOR, 52 bei KFOR, 6 bei ISAF, 5 in Mazedonien und 1 Fahrzeug in Kuwait. Dem steht ein Gesamtbedarf in den aktiven Truppenteilen von 371 und an den Truppenschulen von 55 für die Ausbil- dung – insgesamt 426 Stück – gegenüber. Damit ist das Heer nur zu 84 Prozent ausgestattet. Aufgrund des Be- darfs dieser Fahrzeuge für den Einsatz, die Ausbildung und für Übungen ist eine Abgabe nicht möglich. Zu Frage 44: Die Bundeswehr verfügt über insgesamt 1 031 Trans- portpanzer des Typs „Fuchs“ in 6 Varianten. Für den Transport von Infanteriegruppen wird der Typ Transport- panzer, Grundmodell, benutzt. Die Bundeswehr besitzt insgesamt 357 Fahrzeuge dieses Typs. Bei einer durch- schnittlichen Einsatzbereitschaft von 80 Prozent stehen damit der Bundeswehr für Einsätze, Ausbildung – ein- schließlich der einsatzvorbereitenden Ausbildung – und Übungen insgesamt circa 285 Fahrzeuge für den Trans- port von Infanteriegruppen zur Verfügung. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans Georg Wagner auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/ CSU) (Drucksache 15/177, Frage 45): Wie will die Bundesregierung im Falle eines Krieges gegen den Irak sicherstellen, dass die in AWACS-Flugzeugen zum Ein- satz kommenden deutschen Soldaten ihre Aufgabe, gegnerische Flugzeuge und Schiffe zu erkennen und eigenen Jagdbombern Ziele zuzuweisen, nicht erfüllen? Die Bundesregierung wird sich nicht an militärischen Operationen gegen den Irak beteiligen. Gleichzeitig wird die Bundesregierung zu ihren Bündnisverpflichtungen stehen. Das würde den Einsatz deutscher Soldaten in AWACS-Flugzeugen einschließen, wenn der NATO-Rat entscheiden würde, diese weiter zum Schutz des Bünd- nisgebietes einzusetzen. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Achim Großmann auf die Fragen des Abgeordneten Volkmar Uwe Vogel (CDU/CSU) (Drucksache 15/177, Fragen 46 und 47): Zu welchem Zeitpunkt im Jahr 2003 rechnet die Bundesregie- rung mit dem Abschluss der Finanzierungsvereinbarung für das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ 8.2 (ICE-Trasse Nürn- berg–Berlin, hier Abschnitt Erfurt–Halle/Leipzig)? Welchen Zeitpunkt setzt die Bundesregierung nach dem Ab- schluss der Finanzierungsvereinbarung für das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ 8.2 bis zum Fortgang der Baumaßnahmen an, und welche Zeitachse entfällt auf Planungen und Ausschreibungen? Zu Frage 46: Frau Parlamentarische Staatssekretärin Gleicke hat in der Fragestunde am 13. November 2002 ausführlich Stel- lung zu den Verkehrsprojekten 8.1 und 8.2 bezogen. Ab Sachstand hat sich seither nichts geändert. Mit der Unter- zeichnung der Finanzierungsvereinbarung ist im Jahre 2003 zu rechnen. Zu Frage 47: Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Deut- sche Bahn AG nach Abschluss der Finanzierungsverein- barung umgehend die Baumaßnahmen beim Neubauab- schnitt Erfurt–Gröbers beginnen wird. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Achim Großmann auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Peter Jahr (CDU/CSU) (Drucksa- che 15/177, Fragen 48 und 49): Wann rechnet die Bundesregierung mit dem Baubeginn der Autobahnen A 72/Abschnitt Chemnitz–Leipzig, der Südumge- hung Leipzig (A 38) und der Ortsumfahrung Meißen (B 101)? Kommt es nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand der Bun- desregierung zu einer Verzögerung des geplanten Baubeginns? Zu Frage 48: Abhängig von dem noch zu schaffenden Baurecht durch den Freistaat Sachsen wird von einem Baubeginn für die Projekte Bundesautobahn A 72 und Bundesstraße B 101 im Jahr 2003 ausgegangen. Der Baubeginn für den 2. Bauabschnitt der Südumfahrung Leipzig im Zuge der Bundesautobahn A38 erfolgte bereits im Dezember 2001. Zu Frage 49: Nein, sofern bei der Bundesautobahn A 72 von der sächsischen Straßenbauverwaltung die baurechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 20021176 (C) (D) (A) (B) Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Achim Großmann auf die Fragen des Abgeordneten Henry Nitzsche (CDU/CSU) (Druck- sache 15/177, Fragen 50 und 51): Ist es richtig, dass durch die verspätete Einführung der schweren LKW-Maut erhebliche Mittelkürzungen zu erwarten sind? Welche Straßenbauprojekte sind davon konkret betroffen bzw. verzögern sich? Zu Frage 50: Mit der vom 1. Juli 2003 auf den 31. August 2003 ver- legten Einführung der Maut für schwere LKW auf Auto- bahnen stehen im Jahr 2003 zwangsläufig geringere Ein- nahmen als geplant zur Verfügung. Dies führt aber nicht zu Projekt- bzw. Programmkürzungen. Zu Frage 51: Die Maßnahmen, die haushaltsrelevant sind, sind auf Seite 31 des Entwurfs zum Bundeshaushalt 2003 aufge- führt. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Achim Großmann auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Michael Luther (CDU/CSU) (Drucksache 15/177, Fragen 52 und 53): Ist die Bundesregierung bereit, die Deutsche Bahn AG (DB AG) aufzufordern, einen Kernbestand von Aufträgen für die sächsischen Instandsetzungswerke der DB AG in Chem- nitz, Delitzsch und Zwickau zu belassen, und wenn ja, mit wel- chen Auftragsvolumen ist für jeden dieser drei Standorte zu rechnen? Wie viele Arbeitsplätze könnten durch die Erhaltung eines Kernbestandes von Aufträgen in den jeweiligen Standorten gebunden werden, und was erwartet die Bundesregierung von etwaigen Investoren, die Interesse am Erhalt von Arbeitsplätzen in den Instandsetzungswerken bekunden, was sie zu tragfähigen Erhaltungskonzepten der Instandsetzungswerke beitragen könn- ten? Zu Frage 52: Über die Organisation einzelner Geschäftsaktivitäten der Deutschen Bahn AG entscheidet der Vorstand des Un- ternehmens gemäß den aktienrechtlichen Vorgaben in ei- gener wirtschaftlicher Verantwortung. Weder der Auf- sichtsrat der Deutschen Bahn AG noch der Bund als Eigentümer können dem Vorstand Weisungen erteilen. Zu Frage 53: Auf die Antwort zu Frage 52 nehme ich Bezug. Dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungs- wesen liegen keine Angaben zu dem jeweiligen Auftrags- volumen der einzelnen Ausbesserungswerke und damit auch nicht zu einem Mindest- oder Kernbestand zur Si- cherung eines Standortes vor. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Achim Großmann auf die Fragen des Abgeordneten Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/ CSU) (Drucksache 15/177, Fragen 54 und 55): Wie wird die Bundesregierung das Schreiben der Oberbür- germeisterin von Straßburg, Fabienne Keller, und des Präsidenten der Communauté de Strasbourg (CUS), Robert Grossmann, an den Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Dr. Manfred Stolpe, beantworten, in dem diese eine schnellere An- bindung des deutschen ICE-Netzes an die französische Hochge- schwindigkeitsstrecke TGV-Est über Kehl–Straßburg fordern (vgl. Badische Zeitung vom 26. November 2002)? Wird die Bundesregierung die Schreiben zum Anlass nehmen, bei der Deutschen Bahn AG auf eine schnellere Realisierung der Verknüpfung zwischen dem französischen Hochgeschwindig- keitsnetz und dem deutschen Bahnnetz über die Strecke Straß- burg–Kehl–Appenweier zu drängen? Zu Frage 54: Das gemeinsame Schreiben der Oberbürgermeisterin und des Präsidenten des Stadtverbands von Straßburg ist vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Woh- nungswesen am 26. November 2002 beantwortet worden. In der Antwort wird ausgeführt, dass der deutsche Teil der Schnellbahnverbindung Paris–Ostfrankreich–Südwest- deutschland von Kehl nach Appenweier einschließlich des Ausbaus der bisher eingleisigen Rheinbrücke zusam- men mit der noch nicht terminierten zweiten französi- schen Baustufe von Baudrecourt nach Straßburg fertig- gestellt werden soll. Zu Frage 55: Nein. Mit der Deutschen Bahn AG besteht Einverneh- men, die Strecke Kehl–Appenweier zusammen mit der zweiten französischen Ausbaustufe von Baudrecourt nach Straßburg zu realisieren. Deutsche Vorleistungen sind aus verkehrlichen und wirtschaftlichen Gründen nicht ge- rechtfertigt. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Achim Großmann auf die Frage des Abgeordneten Hans Michelbach (CDU/CSU) (Druck- sache 15/177, Frage 56): Wirken sich die nunmehr veranschlagten Mehrkosten in Höhe von 700 Millionen Euro für die Teilstrecke Nürnberg–Erfurt auf den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der ICE-Strecke Nürnberg– Berlin aus, und wie hoch ist der Anteil, den der Bund von den Mehrkosten übernehmen wird (vgl. Coburger Tageblatt vom 5. Dezember 2002)? Der Bundesregierung ist nicht bekannt, dass für die Neubaustrecke Erfurt–Ebensfeld Mehrkosten in Höhe von 700 Millionen Euro zu veranschlagen sind. Die in den Medien kursierenden Zahlen sind dem Bund gegenüber noch nicht substanziiert dargelegt worden. Insofern sind für die Bundesregierung die ihr bisher von der Deutschen Bahn AG vorgelegten Zahlen Grundlage ihrer mittelfristi- gen Investitionsplanung. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1177 (C) (D) (A) (B) Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christoph Matschie auf die Fra- gen des Abgeordneten Bernward Müller (Gera) (CDU/ CSU) (Drucksache 15/177, Fragen 57 und 58): Wann beabsichtigt die Bundesregierung, die Länder konkret über das Investitionsprogramm „Zukunft, Bildung und Betreu- ung“ zu informieren, und wann beabsichtigt sie, ein entsprechen- des Schreiben des thüringischen Kultusministers, Prof. Dr. Michael Krapp, an den Parlamentarischen Staatssekretär bei der Bundes- ministerin für Bildung und Forschung, Christoph Matschie, vom 22. November 2002 zu beantworten? Was versteht die Bundesregierung unter „fundierten pädagogi- schen Konzepten“ im Sinne des Investitionsprogramms „Zukunft, Bildung und Betreuung“, die laut Äußerungen des Parlamentari- schen Staatssekretärs bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Christoph Matschie, gegenüber der „Thüringischen Landeszeitung“ (20. November 2002) Grundlage für Zuwendungen sein sollen, und welche Inhalte hält die Bundesregierung für erfor- derlich? Zu Frage 57: Die Länder werden in Kürze über die konkreten Eck- punkte des Investitionsprogramms „Zukunft, Bildung und Betreuung“ in Kenntnis gesetzt werden. Zunächst muss- ten zwischen den Bundesressors verschiedene verfah- renstechnische Fragen geklärt werden. Das Schreiben von Herrn Kultusminister Prof. Dr. Krapp an Herrn Parl. Staatssekretär Matschie vom 22. November 2002 wird be- antwortet, wenn die Verfahrensfragen geklärt sind. Zu Frage 58: Ganztagsschulen, die im Rahmen des Investititions- programms „Zukunft, Bildung und Betreuung“ aufgebaut werden, sollen über ein integriertes pädagogisches Kon- zept für den Ganztagsbetrieb verfügen. Die Ausgestaltung eines solchen obliegt den Ländern im Rahmen ihrer Zu- ständigkeit für den Schulbereich und wird von den jewei- ligen Schulen in Zusammenarbeit mit den zu beteiligen- den Akteuren vor Ort durch Weiterentwicklung der Schule im Sinne einer kontinuierlichen Schulentwicklung (Schulprogramm) vorgenommen. Die Bundesregierung versteht unter einem integrierten pädagogischen Konzept grundsätzlich ein den Vor- und Nachmittag umfassendes Konzept, das neben unterrichtsbezogenen Ergänzungen einschließlich Hausaufgabenbetreuung besondere Ange- bote zur Individuellen Förderung, themenbezogene Ar- beitsgemeinschaften und praxisnahe Projekte, eine Mit- tagsverpflegung und anregende Freizeitangebote umfasst. Bei der Gestaltung des Ganztagsprofils sollten neben El- tern und Schülerinnen und Schüler auch außerschulische Träger, insbesondere die Jugendhilfe, und weitere örtliche Kooperationspartner miteinbezogen werden. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christoph Matschie auf die Fra- gen der Abgeordneten Claudia Nolte (CDU/CSU) (Drucksache 15/177, Fragen 59 und 60): Wird die Bundesregierung aus dem „Investitionsprogramm des Bundes für den Aus- und Aufbau von Ganztagsschulen“ auch Mittel zur Verfügung stellen, die die persönliche Betreuung der Schüler und Jugendlichen betreffen? Wird die Bundesregierung die von den Ländern entwickelten Konzepte, die zur Bewilligung der Mittel verlangt werden, res- pektieren und fördern, oder wird sie darauf dringen, dass die Län- der den Vorstellungen des Bundes folgen? Zu Frage 59: Im Rahmen des geplanten Investitionsprogramms „Zu- kunft, Bildung und Betreuung“ gewährt der Bund den Län- dern eine Finanzhilfe für Neubau-, Ausbau-, Umbau- oder Renovierungsmaßnahmen und die erforderliche Ausstat- tung zur Einrichtung von Ganztagsschulen. Ganztagsschulen, die im Rahmen des Investitionspro- gramms „Zukunft, Bildung und Betreuung“ aufgebaut werden, sollen über ein integriertes pädagogisches Kon- zept für den Ganztagsbetrieb verfügen. Im Rahmen eines solchen Konzepts werden Kindern und Jugendlichen ver- bindliche Bildungs- und Betreuungsangebote gemacht. Besondere Chancen eines profilierten Ganztagsprofils zur Verbesserung des Bildungsangebots bietet dabei die indi- viduelle Förderung. Zu Frage 60: Die Ausgestaltung eines integrierten pädagogischen Konzepts für den Ganztagsbetrieb obliegt den Ländern im Rahmen ihrer Zuständigkeit für den Schulbereich und wird von den jeweiligen Schulen in Zusammenarbeit mit den zu beteiligenden Akteuren vor Ort durch Weiterent- wicklung der Schule im Sinne einer kontinuierlichen Schulentwicklung (Schulprogramm) vorgenommen. Die Mittel, die im Rahmen des Investitionsprogramms „Zukunft, Bildung und Betreuung“ den Ländern zur Ver- fügung gestellt werden sollen, werden den Ländern als Finanzhilfe zur eigenständigen Bewirtschaftung zugewie- sen (entsprechend der Grundvereinbarung über die Ge- währung von Finanzhilfen des Bundes an die Länder aus dem Jahre 1986). Demnach werden vom Bund keine An- träge der Länder bewilligt, sondern die Länder übermit- teln dem Bund Anmeldungen über ihre geplanten Vorha- ben. Diese müssen entsprechend dem vorgegebenen Förderziel über ein pädagogisches Konzept für den Ganz- tagsbetrieb verfügen; andernfalls besitzt der Bund ein Ausschlussrecht. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christoph Matschie auf die Fra- gen des Abgeordneten Christoph Hartmann (Homburg) (FDP) (Drucksache 15/177, Fragen 61 und 62): In welcher Gesamthöhe werden im Haushaltsjahr 2002 Aus- gaben für Kapitel 3004 Titel 632 11 und Titel 632 12 (Schüler- und Studierenden-BAföG) geleistet, und wie groß sind die Mehraus- gaben insgesamt gegenüber den Sollzahlen? Sind die gegenüber den Sollzahlen des Haushalts 2002 geleis- teten bzw. noch zu leistenden Mehrausgaben zum Teil durch Ein- sparungen an anderen Stellen im Einzelplan 30 gegenfinanziert worden, und wenn ja, an welchen? Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 20021178 (C) (D) (A) (B) Zu Frage 61: Laut Bundeshaushaltsplan weist das Soll 2002 im Ka- pitel 3004 Titel 632 11 einen Betrag von 340 Millionen Euro aus. Nachdem die Bundesländer den Mittelbedarf für den Monat Dezember abgerufen haben, wird das vo- raussichtliche Jahresist bei dem Titel 392 Millionen Euro betragen. Dies entspricht einem überplanmäßigen Mehr- bedarf von 52 Millionen Euro. Das Soll 2002 bei Kapitel 3004 Titel 632 12 beträgt 420 Millionen Euro. Das voraussichtliche Jahresist wird 443 Millionen Euro betragen. Dies entspricht einem über- planmäßigen Mehrbedarf von 23 Millionen Euro. Zu Frage 62: Das Bundesministerium der Finanzen hat am 3. De- zember 2002 seine Einwilligung zur Leistung überplan- mäßiger Ausgaben bei Kapitel 3004 Titelgruppe 31 erteilt. Dabei wurde von einem Mehrbedarf von insgesamt 61 Mil- lionen Euro (bzw. unter Anrechnung der Inanspruch- nahme der Deckungsfähigkeit innerhalb der BAföG-Ti- telgruppe von 43 Millionen Euro) ausgegangen, der nun wie oben ausgeführt überholt ist. Bei der Einwilligung setzt das BMF voraus, dass der Betrag in Höhe der Mehr- ausgaben im Einzelplan 30 haushaltsmäßig eingespart wird. Im Rahmen der gegenseitigen Deckungsfähigkeit kann der Mehrbedarf zum Teil durch Minderausgaben bei Kapitel 3004 Titel 61111 in einer Höhe von rund 19 Mil- lionen Euro gedeckt werden. Die danach noch verblei- benden Mehrausgaben von 56 Millionen Euro müssen aus Minderausgaben verschiedener Titel des Einzelplans 30 gedeckt werden. Bedingt durch die zurzeit laufenden Jah- resabschlussarbeiten im BMBF, können zum heutigen Tag keine konkreten Einsparstellen benannt werden. Spätestens bis 20. Februar 2003 sind der Bundeshaupt- kasse für das BMF die Unterlagen zur Rechnungslegung mit den entsprechenden Einsparstellen vorzulegen. Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1179 (C)(A) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501500000

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sit-

zung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-

binettssitzung mitgeteilt: Die Politik der Bundesregie-
rung für behinderte Menschen – Mehr Selbstbestim-
mung und Teilhabe.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Si-
cherung, Ulla Schmidt.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Die wird zur Opposition sprechen müssen! Von der Regierung ist keiner da!)


Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
Soziale Sicherung:

Die sind alle sehr intensiv beschäftigt. – Frau Präsi-
dentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesre-
gierung hat in der vergangenen Legislaturperiode einen
Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik eingeleitet.
Das war das größte gesetzgeberische Programm in diesem
Bereich seit den 70er-Jahren. Dieser Paradigmenwechsel
bringt spürbare Verbesserungen für behinderte Menschen
in ihrer Lebenswelt. Behinderte und von Behinderung be-
drohte Menschen sind nicht länger Objekt öffentlicher
Fürsorge; vorgesehen sind vielmehr eigenständige Rechte
und die Beseitigung aller Hindernisse, die den behinder-
ten Menschen bis dato noch im Wege gestanden haben,
sodass diese Menschen die Chancengleichheit verwirkli-
chen können.

Wir haben die neue Politik vor vier Jahren auch mit
dem Ziel begonnen, die Arbeitslosigkeit von Menschen
mit Behinderungen zu bekämpfen. In nur zwei Jahren seit
In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Bekämpfung der Ar-
beitslosigkeit Schwerbehinderter ist es gelungen, die Ar-
beitslosigkeit dieser Personengruppe um 24 Prozent zu
senken, und das angesichts schwieriger konjunktureller

Bedingungen. Wir wollen an diesen Erfolg anknüpfen und
die Kampagne zum Abbau der Arbeitslosigkeit schwerbe-
hinderter Menschen mit weiterentwickelten Zielvorgaben
fortführen. Weil wir 24 Prozent erreicht haben – das Ziel
waren 25 Prozent –, sehen wir keine Notwendigkeit, die
Beschäftigungspflichtquote zum 1. Januar wieder von
5 Prozent auf 6 Prozent anzuheben.

Mit dem Sozialgesetzbuch IX, das man mit Fug und
Recht als einen Meilenstein in der Behindertenpolitik der
Bundesregierung bezeichnen kann, haben wir die Selbst-
bestimmung und die gleichberechtigte Teilhabe von Men-
schen mit Behinderungen verbessert, ihre Wunsch- und
Wahlrechte ausgebaut sowie die Beteiligungsrechte ihrer
Verbände gestärkt.

Eine der wohl bedeutendsten Innovationen in diesem
Gesetz ist das persönliche Budget, das wie kaum eine an-
dere Leistungsform dazu geeignet ist, die individuelle
Selbstbestimmung behinderter Menschen und die Entste-
hung bedarfsgerechter Leistungsangebote zu fördern. Wir
wollen deshalb dem persönlichen Budget in dieser Legis-
laturperiode auch in der Praxis zum Durchbruch verhel-
fen. Das SGB IX schließt eine seit langem bestehende
Lücke im Sozialgesetzbuch. Behinderte Menschen kön-
nen ihre Rechte leichter in Anspruch nehmen.

Die gemeinsamen Servicestellen der Rehabilitations-
träger werden dazu beitragen, dass diese Rechte wahrge-
nommen werden können. Ich hoffe sehr, dass nicht nur die
Servicestellen eingerichtet werden, sodass wir am Ende
des Jahres ein flächendeckendes Angebot haben, sondern
dass sie im Interesse der behinderten Menschen die Arbeit
so gestalten, dass ihre Leistung wahrgenommen werden
kann. Sie wissen alle: Wir haben vor Ort im Moment eine
Reihe von Problemen zu lösen.

Mit dem Gesetz zur Gleichstellung behinderter Men-
schen, das als letztes großes Reformprojekt in der ver-
gangenen Legislaturperiode verwirklicht wurde, wird
das Gebot des Grundgesetzes „Niemand darf wegen sei-
ner Behinderung benachteiligt werden“ umgesetzt. Das
Gleichstellungsgesetz schafft die Voraussetzungen für
eine schnelle und umfassende Herstellung der Barriere-
freiheit. Dabei geht es nicht nur um Barrierefreiheit in Ge-
bäuden, sondern auch um die Beseitigung von Barrieren

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002
Bundesministerin Ulla Schmidt
im kommunikativen Bereich. Hierzu haben wir gemein-
sam mit dem BMI drei Rechtsverordnungen auf den Weg
gebracht. Jetzt kommt es darauf an, dafür zu sorgen, dass
Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit eröffnet
wird, bei allen gesellschaftlich relevanten Fragen mit dis-
kutieren und am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu
können.

Wir haben im Jahre 2003 das Europäische Jahr der
Menschen mit Behinderungen. In diesem Rahmen wollen
wir zusammen mit den anderen Mitgliedstaaten und den
europäischen Institutionen die Bevölkerungen in Europa
für die Belange von Menschen mit Behinderungen sensi-
bilisieren. Wir wollen den Erfahrungsaustausch auf loka-
ler, nationaler und europäischer Ebene stärken und errei-
chen, dass alle Beteiligten besser zusammenarbeiten. Das
Europäische Jahr soll die Politik für behinderte Menschen
in Europa ein gutes Stück voranbringen. Es soll auch ein
wichtiger Baustein sein; der auch die Arbeiten der Kom-
mission begleiten wird.

Die Bundesregierung wird die Forderung nach einer
umfassenden Antidiskriminierungsrichtlinie mit Nach-
druck unterstützen und wird, aufbauend auf dem, was wir
in der letzten Legislaturperiode erreicht haben, ein Anti-
diskriminierungsgesetz auf den Weg bringen.

Vielen Dank.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501500100

Ich bitte Sie, zunächst Fragen zu dem Themenbereich

zu stellen, über den so eben berichtet wurde. – Herr Kol-
lege Koppelin, bitte.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1501500200

Frau Ministerin, alles das, was Sie gesagt haben, hört

sich ganz gut an. Ich möchte aber nun konkret werden.
Eine Art der Behinderung ist, wie Sie sicherlich wissen,
die Gehörlosigkeit. Was unternimmt die Bundesregierung
konkret, damit zum Beispiel mehr Gehörlosendolmet-
scher ausgebildet werden können, um deren Zahl zu er-
höhen? Wie engagiert sich die Bundesregierung, damit
Gehörlose die Möglichkeit haben, sich auch im politi-
schen Bereich zu informieren? Ich denke hier an die Par-
lamentsdebatten. Ich könnte mir vorstellen, dass sie diese
gerne verfolgen würden, wenn wir Gehörlosendolmet-
scher hätten. Diese haben wir nicht. Wie also engagieren
Sie sich? Welche Chancen sehen Sie, dass wir mehr
Gehörlosendolmetscher bekommen und dass die Gehör-
losensprache anerkannt wird? Es reicht nicht, dass Sie
diese Dinge nur verkünden. Ihr Haus müsste in diesem
Bereich viel mehr tun als bisher.

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
Soziale Sicherung:

Herr Kollege Koppelin, durch die Rechtsverordnungen
zur Herstellung der Barrierefreiheit haben wir uns im Ge-
schäftsbereich der Bundesregierung unter anderem das
Ziel gesetzt, überall dort, wo es möglich ist, Gebärden-
dolmetscher einzusetzen. Es gibt – das wissen Sie – An-
träge an den Deutschen Bundestag aus der letzten Legis-

laturperiode, in denen gefordert wird, die Möglichkeit zu
schaffen, dass auch Menschen mit Gehörbehinderungen
oder Gehörlosigkeit Parlamentsdebatten verfolgen kön-
nen. Wir wollen ferner erreichen, dass sehbehinderte oder
blinde Menschen politische Dokumente lesen können.
Auch hier muss Barrierefreiheit hergestellt werden.

Ein Element, das wir im SGB IX geschaffen haben,
sieht vor, dass die Verbände der Behinderten in die Lage
versetzt werden, selbst Zielvereinbarungen mit Anbietern
zu treffen. Auf wesentlich mehr Veranstaltungen als noch
vor drei oder vier Jahren gehören Gebärdendolmetsche-
rinnen oder -dolmetscher wie selbstverständlich dazu.
Überall in den Parteien und im Alltagsleben wird darauf
geachtet, dass bei großen Veranstaltungen Gebärdendol-
metscher dabei sind, damit Menschen mit Behinderungen
teilnehmen können. Wir haben im damaligen Bundes-
arbeitsministerium große Veranstaltungen durchgeführt,
bei denen das der Fall war. Diese Anstrengungen werden
wir weiter fortsetzen.

Wir brauchen, wie ich glaube, sowohl Ausbildung als
auch die Verankerungen vor Ort. Sehr viele Gebärdendol-
metscher sind freiberuflich tätig. Wir müssen dafür sor-
gen, dass zum Beispiel vertragliche Gestaltungen oder
Vereinbarungen mit Fernsehsendern und anderen zu-
stande kommen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche
Aufgabe. Die Bundesregierung alleine kann dieses nicht
sicherstellen. Sie ist darauf angewiesen, dass auch die
Länder und die Kommunen mitmachen. Alle gesell-
schaftlichen Gruppen, die in diesem Bereich Verantwor-
tung tragen, müssen ihren Beitrag für Gleichstellung und
Barrierefreiheit leisten.

Sie können sicher sein, dass ich darauf ein Auge haben
werde; denn ich habe vor meiner Tätigkeit im Bundestag
immerhin 17 Jahre mit behinderten Menschen gearbeitet.
Daher kann ich sagen, dass wir auf einem guten Weg
sind.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501500300

Der Herr Kollege Koppelin hat eine Zusatzfrage.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1501500400

Ich will wiederholen, Frau Ministerin, dass wir uns in

der Zielsetzung einig sind. Da Sie darüber gesprochen
haben, was Verbände in die Hand nehmen sollen, möchte
ich konkret von Ihnen hören, was Ihr Haus fördern wird.
Ein Gehörlosenverband – das kenne ich aus Schleswig-
Holstein – kann die Ausbildung von Gehörlosendolmet-
schern nicht bezahlen. Das ist völlig unmöglich. Wir ha-
ben zwar in Schleswig-Holstein dafür ein Modell, aber
das läuft aus. Danach ist die Finanzierung wieder unge-
wiss.

Wer wird diese Ausbildung bezahlen? Wer wird für
mehr Gehörlosendolmetscher sorgen? Nach meiner
Auffassung wird dies am Ende Ihr Haus sein. Dafür er-
warte ich Modelle; denn wenn Sie bei Ihrer Berichter-
stattung Forderungen stellen, dann müssen Sie durch
Ihr Haus auch dazu beitragen, dass diese Forderungen
erfüllt werden können. Das habe ich bisher nicht erken-
nen können.


(A)



(B)



(C)



(D)


1122


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1123

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
Soziale Sicherung:

Sie können sicher sein, dass mein Haus diese Forde-
rungen erfüllen wird. Die Frage der Finanzierung steht auf
einem anderen Blatt. Einiges können wir über den Aus-
gleichsfonds, der im BMWA angesiedelt ist, finanzieren.
Dazu werden wir die entsprechenden Schritte einleiten.
Jetzt geht es darum, die Rechtsverordnung, die wir erlas-
sen haben umzusetzen. Ich berichte dann gerne über die
Umsetzung der einzelnen Maßnahmen, über die konkrete
Umsetzung der drei Rechtsverordnungen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501500500

Die nächste Frage kommt vom Kollegen Hüppe.


Hubert Hüppe (CDU):
Rede ID: ID1501500600

Frau Ministerin, ich habe eine Frage zu der Fallpau-

schalenverordnung, die in Kürze umgesetzt wird. Im Rah-
men des Optionsmodells besteht für mehrere Kranken-
häuser die Möglichkeit – mein Eindruck ist, dass diese
Möglichkeit vor allen Dingen von Krankenhäusern ge-
nutzt wird, denen es finanziell schlechter geht –, anhand
der Fallpauschalen abzurechnen. Ich möchte gerne wis-
sen, wie Sie gewährleisten wollen, dass die Krankenhaus-
behandlung, aber auch die daran anschließende Versor-
gung von Menschen mit Behinderungen in diesen
Fallpauschalen adäquat abgebildet werden. Gibt es von
Ihnen dazu schon konkrete Richtlinien? Diese Fallpau-
schalen werden schließlich Anfang nächsten Jahres ein-
geführt.

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
Soziale Sicherung:

Herr Kollege Hüppe, im kommenden Jahr starten die
Krankenhäuser, die sich auf die Abrechnung mit Fallpau-
schalen vorbereitet haben, mit dem Modell. Das geschieht
in den Jahren 2003 und 2004 unter budgetneutralen Be-
dingungen. Im Jahr 2003 ist der Modellversuch freiwillig,
ab dem 1. Januar 2004 führen alle Krankenhäuser das
Fallpauschalensystem ein. Dieses Vorgehen ermöglicht
es, die bisherigen Kalkulationen für die Bewertung der
medizinischen Leistungen in der Praxis zu konkretisieren
und – wo es notwendig ist – nachzujustieren.

Sie wissen, dass nach dem Start dieses Modellversuchs
im kommenden Jahr die endgültige Kalkulation von der
Selbstverwaltung erarbeitet werden soll. Im Jahr 2005,
wenn alle Krankenhäuser anhand von Fallpauschalen ab-
rechnen, werden die Erkenntnisse, die in der Phase der Er-
probung gewonnen wurden, in die Fallpauschalen einge-
gangen sein.

Menschen mit Behinderungen – dabei kommt es im-
mer auf die Art der Behinderung an – brauchen im Ge-
sundheitswesen je nach Behinderung unterschiedliche
Begleitung. Ich nenne beispielhaft Menschen mit geisti-
ger Behinderung. Das ist unabhängig von der Abrechnung
in den Krankenhäusern anhand von Fallpauschalen. Viel-
mehr müssen wir bei der Inanspruchnahme ärztlicher
Leistungen, sei es im ambulanten, sei es im stationären

Bereich, dafür Sorge tragen, dass die Kommunikation so
stattfindet, dass auch für behinderte Menschen eine opti-
male Behandlung garantiert werden kann. Wir haben in
den Regelungen zu den Fallpauschalen vorgesehen, dass
in sehr schwierigen Fällen bzw. in den Fällen, in denen
eine längerfristige Behandlung notwendig ist, eine Rück-
kehr zur Abrechnung nach Tagespflegesätzen möglich ist.
Auch ist bei der Gestaltung der Fallpauschalen der ge-
samte psychiatrische Bereich ausgenommen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501500700

Eine Zusatzfrage des Kollegen Hüppe.


Hubert Hüppe (CDU):
Rede ID: ID1501500800

Frau Ministerin, wenn ich Sie eben richtig verstanden

habe, gibt es keine Richtlinien von Ihrer Seite, die das si-
cherstellen. Ich frage Sie vor dem Hintergrund, dass die
Überprüfung schwierig ist und dass in dem australischen
Modell, das für das deutschen Modell Pate gestanden hat,
Menschen mit Behinderungen von den Fallpauschalen
ausgenommen worden sind: Ist es richtig, dass noch keine
konkreten Anweisungen vorliegen, um Patienten mit be-
stimmten Erkrankungen von den Fallpauschalen auszu-
nehmen? Patienten wie ein Alzheimerpatient, der mit ei-
nem Beinbruch ja nicht in die Psychiatrie, sondern in ein
normales Krankenhaus eingeliefert wird, werden in den
Krankenhäusern vor allem, wenn es ihnen schlecht geht,
nicht gern gesehen, weil für diese Patienten ein zusätz-
licher Pflegeaufwand notwendig ist.

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
Soziale Sicherung:

Herr Kollege Hüppe, zu den Aufgaben in den kom-
menden zwei Jahren gehört es, zu prüfen, für welche
Sachverhalte besondere Lösungen erforderlich sind. Wir
befinden uns im intensiven Gespräch mit den Behinder-
tenverbänden und den Sozialverbänden, um insbesondere
bei der Betreuung geistig behinderter Menschen zu Lö-
sungen zu kommen, die den behinderten Menschen in der
stationären wie auch der nachstationären Behandlung
gerecht werden. Hier bestehen – unabhängig vom Fall-
pauschalensystem – schon derzeit Probleme. Deshalb ist
gleichzeitig mit den Fallpauschalen gesetzlich geregelt
worden, die Entwicklungen in diesem Bereich genau zu
verfolgen; das gilt für die schwer Unfallverletzten, die
Komapatienten und andere. Bei der endgültigen Fest-
legung der Fallpauschalen, die erst nach der zweijährigen
budgetneutralen Phase, in der sich in der Finanzierung der
Krankenhäuser keine Änderungen ergeben, erfolgt, wer-
den die gesammelten Erfahrungen berücksichtigt werden
können.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501500900

Der nächste Fragesteller ist der Kollege Bahr.


Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1501501000

Frau Ministerin, Sie haben in Ihrer Einführung viele

allgemeine Ziele formuliert, die hier im Hause sicherlich

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002
Daniel Bahr
viel Zuspruch erfahren. Ich frage Sie aber nach den kon-
kreten gesetzgeberischen Vorhaben, mit denen wir in die-
ser Legislaturperiode rechnen können. Was ist in diesem
Zusammenhang geplant? Ich möchte konkret das Leis-
tungsgesetz ansprechen, das in Ihren Reihen als großes
Wahlkampfversprechen angekündigt wurde. Ist von Ihrer
Seite für diese Legislaturperiode ein Leistungsgesetz ge-
plant, das die Eingliederungshilfe aus der Sozialhilfe he-
rauslöst, und können wir in dieser Legislaturperiode mit
einem Entwurf rechnen?

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
Soziale Sicherung:

In dieser Legislaturperiode steht die Sozialhilfereform
an. Im Rahmen dieser Reform wird – wie eben ausge-
führt – die Frage des individuellen Budgets eine große
Rolle spielen. Darüber hinaus werden Abgrenzungsfragen
geklärt werden, um die praktische Anwendung sicherzu-
stellen. In diesem Zusammenhang ist im Koalitionsver-
trag festgehalten worden, dass Schritte hin zu einem Leis-
tungsgesetz entwickelt werden. Die Umsetzung wird
schrittweise und mit Blick darauf erfolgen, dass die Fi-
nanzierung und die Akzeptanz seitens der Länder und der
Kommunen sichergestellt sind. In diesem Bereich ist Zu-
sammenarbeit gefordert.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501501100

Eine Zusatzfrage des Kollegen Bahr.


Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1501501200

Ich habe eine kurze Zusatzfrage, um für mich klar-

zustellen, ob ich Ihre Antwort richtig verstanden habe: Ist
es richtig, dass ein eigenständiges Leistungsgesetz nicht
geplant ist, sondern dass Sie im Rahmen der Sozialhilfe-
reform erste Schritte in Richtung eines solchen Gesetzes
unternehmen wollen? Habe ich es richtig verstanden, dass
wir in dieser Legislaturperiode nicht mit einem eigen-
ständigen Leistungsgesetz rechnen können?

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
Soziale Sicherung:

Vielleicht steht das am Ende. Aber zuerst werden wir
die Sozialhilfereform auf den Weg bringen. Wir werden
das individuelle Budget praxissicher machen. Wir werden
prüfen, was in einer längerfristigen Perspektive im Rah-
men eines Leistungsgesetzes auf den Weg gebracht wer-
den kann. Schließlich müssen wir auch die Länder und die
Kommunen mitnehmen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501501300

Die nächste Frage kommt von der Kollegin Müller.


Hildegard Müller (CDU):
Rede ID: ID1501501400

Frau Ministerin, wie bewertet die Bundesregierung das

Vorhaben der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen,
die Zuschüsse für medizinisch-therapeutisches Personal

in Schulen für Körperbehinderte der Landschaftsver-
bände in Höhe von 8,5 Millionen Euro zu streichen?

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
Soziale Sicherung:

Ich bin im Moment über die Maßnahmen und die Pläne
der Landesregierung von NRW nicht informiert. Sie lie-
gen mir auch nicht vor. Deshalb möchte ich dazu keine
Stellung nehmen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501501500

Bitte schön, Frau Kollegin Müller.


Hildegard Müller (CDU):
Rede ID: ID1501501600

Ich frage trotzdem nach: Sofern es denn so wäre, wür-

den Sie das für politisch klug halten?

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
Soziale Sicherung:

Ich habe mir abgewöhnt, in meinem politischen Leben
auf Fragen zu antworten, die im Konjunktiv gestellt wer-
den.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501501700

Nächste Fragestellerin ist die Kollegin Silvia Schmidt.


Silvia Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1501501800

Meine Frage ist folgende: Wir haben 1999 eine Kam-

pagne zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit schwerbehin-
derter Menschen gestartet. Können Sie mir Zahlen und
Ergebnisse nennen, die belegen, inwieweit diese Kam-
pagne von Erfolg gekrönt war?

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
Soziale Sicherung:

Wir haben in den letzten anderthalb Jahren die Ar-
beitslosigkeit um 24 Prozent abbauen können. Ende Ok-
tober 2002 war die Zahl arbeitsloser behinderter Men-
schen so gering wie seit 1991 nicht mehr. Von Oktober
1999 bis Ende Oktober 2002 konnte die Zahl arbeitsloser
schwerbehinderter Menschen um 45 305 gesenkt werden.
Das sind rund 24 Prozent. Im Vergleich zu Ende Oktober
2001 ist die Zahl arbeitsloser schwerbehinderter Men-
schen um 19 630, das heißt um rund 12 Prozent, zurück-
gegangen. Demgegenüber ist die allgemeine Arbeits-
losigkeit leider um 5,5 Prozent gestiegen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501501900

Eine weitere Frage der Kollegin Schmidt.


Silvia Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1501502000

Frau Ministerin, können Sie mir sagen, was zum Erfolg

dieser Kampagne beigetragen hat?


(A)



(B)



(C)



(D)


1124


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1125

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
Soziale Sicherung:

Der Grund lag darin, dass alle – die Politik, die Bun-
desanstalt für Arbeit, die Gewerkschaften, die Verbände,
die Kommunen oder die Bundesregierung – an einem
Strang gezogen haben. Wir haben dafür gesorgt, dass der
Anteil beschäftigter schwerbehinderter Menschen stark
gestiegen ist. Alle waren sich in dem Ziel einig, in Ko-
operation mit den Arbeitsämtern das Ziel, die Zahl ar-
beitsloser schwerbehinderter Menschen um 25 Prozent zu
senken, zu erreichen. Deswegen ist die Quote von 6 auf
5 Prozent gesenkt worden. Wir sehen in der Tatsache, dass
wir gut 24 Prozent erreicht haben, eine gute Ausgangs-
basis, um im kommenden Jahr die Arbeit fortzusetzen.

Ich möchte noch auf eines hinweisen: Die Bedingun-
gen sind natürlich für diejenigen Menschen sehr schwie-
rig, die bisher nicht vermittelbar waren. Hier gibt es einen
hohen Anteil arbeitsloser schwerbehinderter Menschen,
über 45 Jahre oder ohne Berufsausbildung. Deshalb muss
man sich in den kommenden Monaten sehr genau auf
die Vermittlung dieser Menschen konzentrieren. Vor allen
Dingen muss die Bundesanstalt für Arbeit weiterhin
die Vermittlung schwerbehinderter Menschen zu einem
Schwerpunkt ihrer Tätigkeit machen. Ich bin sicher, dass
wir dies erreichen werden und damit weiter zum Abbau
der Arbeitslosigkeit beitragen können.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501502100

Nächste Fragestellerin ist die Kollegin Butalikakis.


Verena Butalikakis (CDU):
Rede ID: ID1501502200

Frau Ministerin, welche Erkenntnisse liegen der Bun-

desregierung im Hinblick auf die Umsetzung des Bundes-
gleichstellungsgesetzes in Landesgleichstellungsgesetze
vor? Sie wissen vielleicht: Das Land Berlin hatte weit vor
der bundesgesetzlichen Regelung ein eigenes Landes-
gleichstellungsgesetz. Wie sieht das in den anderen Bun-
desländern aus? Welche Erkenntnisse haben Sie dazu?

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
Soziale Sicherung:

Die Arbeit der Länder an ihren Gleichstellungsgeset-
zen ist in den verschiedenen Ländern unterschiedlich weit
fortgeschritten. Wir werden weiterhin mit darauf achten
und helfen, wo das möglich ist, dass die Maßnahmen zur
Erreichung der Barrierefreiheit und des Zuganges für alle
auch in den Ländern auf den Weg kommen. In verschie-
denen Bereichen sind schon Erfolge erzielt worden. Es
gibt unterschiedliche Zielvereinbarungen, die auf der
Landesebene getroffen worden sind. Es gibt überall Ini-
tiativen. Dennoch haben wir da in den kommenden Jah-
ren noch Arbeit vor uns.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501502300

Möchten Sie noch eine Zusatzfrage stellen?


(Verena Butalikakis [CDU/CSU]: Ja, das würde ich gern tun!)


– Bitte schön.


Verena Butalikakis (CDU):
Rede ID: ID1501502400

Wann wird die Umsetzung in Landesgleichstellungs-

gesetze Ihrer Einschätzung nach erfolgt sein? Sie sagten,
dass in den kommenden Jahren noch Arbeit vor uns liegt.
Das hörte sich so an, als ob es sich um einen sehr gro-
ßen Zeitraum handelt. Wann also wird die Umsetzung in
Landesgleichstellungsgesetze Ihrer Einschätzung nach
tatsächlich erfolgt sein?

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
Soziale Sicherung:
Die Umsetzung sollte so schnell wie möglich stattfinden.
Wenn ich recht informiert bin, ist sie in Rheinland-Pfalz
bereits geschehen. Jeder muss sich klarmachen, dass die
Menschen mit Behinderungen ein Anrecht auf Barriere-
freiheit haben und dass es auch Aufgabe der einzelnen
Länder ist, dies in Landesrecht umzusetzen.

Ich kann Ihnen zum Stand der Vorbereitung in den ein-
zelnen Ländern jetzt nichts sagen. Wenn es Sie interes-
siert, bin ich gern bereit, darauf schriftlich Antwort zu ge-
ben. Wir müssen einmal abfragen, wie das in den
einzelnen Ländern aussieht, wie jedes einzelne Land
vorgeht und welcher Stand erreicht ist. Sind Sie damit ein-
verstanden?


(Verena Butalikakis [CDU/CSU]: Ja, gern!)

– Gut.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501502500

Die nächste Frage stellt die Kollegin Helga Kühn-

Mengel.


Helga Kühn-Mengel (SPD):
Rede ID: ID1501502600

Frau Ministerin, Sind Sie mit mir der Meinung, dass

durch die gesetzgeberischen Maßnahmen, die die Koali-
tion seit vier Jahren in diesem Feld zustande gebracht hat
– Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbe-
hinderter, SGB IX, Mietrechtsreform, Bundesgleichstel-
lungsgesetz, auch Anerkennung der Gebärdensprache,
Herr Kollege Koppelin –, die Voraussetzungen geschaffen
worden sind, um das Diskriminierungsverbot in Art. 3
Grundgesetz endlich mit Leben zu erfüllen?

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
Soziale Sicherung:

Frau Kollegin Kühn-Mengel, ich bin mit Ihnen ganz
entschieden einer Meinung.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Bravo! – Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Erstaunlich!)


– Ja, das war auch keine Konjunktivfrage. – Wir haben mit
diesen Gesetzen einen entscheidenden Paradigmenwech-
sel zustande gebracht. Ich sage dies auch als jemand, der
17 Jahre seines Lebens mit Menschen mit Behinderungen

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002
Bundesministerin Ulla Schmidt
gearbeitet hat und in diesen Jahren immer für Folgendes
eingetreten ist: Wir müssen in dieser Gesellschaft akzeptie-
ren, dass Menschen mit Behinderungen zwar Behinderun-
gen haben, aber leistungsfähig sind und sehr viele Fähig-
keiten einbringen können. Es geht darum, den Menschen,
die ein eigenständiges Leben führen wollen und auch
führen können, die notwendigen Instrumente an die Hand
zu geben und die für sie notwendigen Rahmenbedingungen
zu schaffen.

Das Sozialgesetzbuch IX ist ein Meilenstein auf dem
Wege dahin, diesen Menschen ein selbstbestimmtes Le-
ben zu ermöglichen. Es schafft die Rahmenbedingungen
dafür, dass Menschen mit Behinderungen eingegliedert
werden – gesellschaftlich, politisch und am Arbeitsmarkt.
Allein schon die Assistenten im Berufsleben sind eine
wichtige Errungenschaft. Bevor das Sozialgesetzbuch IX
verabschiedet worden ist, haben die Behindertenverbände
und die Menschen mit Behinderungen kaum zu hoffen ge-
wagt, dass wir die Anliegen, für die die Menschen jahre-
lang gekämpft haben, umsetzen würden.

Zugleich ist darauf hinzuweisen, dass trotz der ent-
scheidenden Schritte nach vorne niemand von uns, weder
in diesem Hause noch in einer Regierung in diesem Lande
noch irgendeiner vor Ort, aus der Verantwortung entlas-
sen ist. Ein jeder bleibt dazu aufgefordert, dafür zu sorgen
und daran mitzuwirken, dass das Ziel, das gleichberech-
tigte Zusammenleben von Menschen mit und ohne Be-
hinderungen, verwirklicht wird und heute noch vorhan-
dene Diskriminierungen wirklich beseitigt werden.

Unser Haus unterstützt sehr intensiv das Europäische
Jahr der Menschen mit Behinderungen, weil wir glauben,
dass dies ein guter Anlass ist, um mit vielen kleineren und
größeren Veranstaltungen vor Ort die Menschen für die-
ses Problem zu sensibilisieren. Es gibt ja eine Reihe von
diesbezüglichen Initiativen. Ich nenne nur einmal die
„Initiative Hören“, die sich zum Ziel gesetzt hat, darauf
aufmerksam zu machen, dass die Sinneswahrnehmung
Hören gefördert werden muss, insbesondere bei Kindern,
und hier auch Früherkennungsmaßnahmen durchzu-
führen sind. Das geht dann in den Gesundheitsbereich und
betrifft die Prävention.

Dieses Gesamtpaket wollen wir auf den Weg bringen.
Ich bin sicher, dass wir auf der Basis der bestehenden Ge-
setze und dem ausstehenden Antidiskriminierungsgesetz
mit Meilenstiefeln vorankommen. Es zeigt sich ja bei al-
len Diskussionen, dass Menschen mit Behinderungen an-
erkennen, was hier in diesem Bereich geschaffen wurde.


(Helga Kühn-Mengel [SPD]: Frau Präsidentin, ich würde gerne eine Zusatzfrage stellen!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501502700

Bitte schön.


Helga Kühn-Mengel (SPD):
Rede ID: ID1501502800

Frau Ministerin, Sie haben gerade die Arbeitsassistenz

angesprochen, die ja ein wichtiger Baustein bei der Ver-
mittlung von Arbeit für Menschen mit Behinderungen ist.
Hier spielen auch die Integrationsfachdienste eine Rolle.

Können Sie uns sagen, wie viele dieser Integrationsfach-
dienste inzwischen bundesweit eingerichtet wurden?
Diese spielen ja eine erhebliche Rolle bei der Vorberei-
tung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in den Be-
trieben und bei der Vermittlung von Menschen mit Be-
hinderungen.

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
Soziale Sicherung:

Wir haben, wenn ich die genauen Zahlen nehme, mehr
als 180 Integrationsfachdienste, die in knapp zwei Jahren
eingerichtet wurden. Diese konnten in rund 6 000 Fällen
für besonders betroffene schwerbehinderte Menschen An-
gebote unterbreiten und Vermittlungen bewirken.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501502900

Für eine weitere Frage bekommt der Kollege Bahr das

Wort.


Daniel Bahr (FDP):
Rede ID: ID1501503000

Frau Ministerin, ich habe noch eine Frage zur Umset-

zung des Bundesgleichstellungsgesetzes bei den Bundes-
behörden; das sprachen Sie ja in Ihrer Einleitung an. Wel-
che Fortschritte gibt es da? Können Sie von konkreten
Erfolgen berichten, gerade in Bezug auf entsprechende
Formulare oder – das interessiert mich auch sehr – in Be-
zug auf den barrierefreien Zugriff auf die Homepages der
Bundesbehörden?

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
Soziale Sicherung:

Die Bundesbehörden und insbesondere die Bundesre-
gierung konnten sehr große Erfolge bezüglich der Ein-
stellung schwerbehinderter Menschen verzeichnen, so-
dass sich deren Arbeitsmarktsituation verbessert hat. Der
öffentliche Dienst kann sich sehen lassen: Die Ministerien
haben insgesamt, auch ohne nachgeordnete Behörden, die
erforderliche Quote übertroffen. Damit stehen wir gut da.
Vor allen Dingen ein großes Problem – ich denke an die
Zeit, in der ich noch sehr stark mit Frauen- und Familien-
politik befasst war – haben wir gelöst: Im Vergleich zum
Vorjahr haben wir 11,4 Prozent mehr schwerbehinderte
Frauen eingestellt. Deswegen ist auch der Anteil der
schwerbehinderten Frauen bei den Bundesministerien,
ohne Berücksichtigung der nachgeordneten Bereiche, auf
41,2 Prozent gestiegen. So viel zur Frage der Arbeits-
marktsituation.

Nun zu den Rechtsverordnungen: Wir haben ja auf der
Basis des Gleichstellungsgesetzes drei Rechtsverordnun-
gen in Kraft gesetzt: erstens die Einführung der Gebär-
densprache in Verwaltungsverfahren des Bundes, zwei-
tens – ich habe das eben schon dem Kollegen Koppelin
gesagt –, Blinden und Sehbehinderten Bescheide zugäng-
lich zu machen, und drittens, für Barrierefreiheit auf den
Internetseiten des Bundes zu sorgen.

Das alles wird derzeit umgesetzt. Es ist vorgesehen,
dass bis zum 31. Dezember 2004 – man braucht Zeit, um
das alles auf den Weg zu bringen – die Bundesregierung


(A)



(B)



(C)



(D)


1126


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1127

hier im Parlament einen Bericht vorlegt und über die Um-
setzung und den Erfolg dieser Vorhaben berichtet.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501503100

Die nächste Frage stellt der Kollege Hüppe.


Hubert Hüppe (CDU):
Rede ID: ID1501503200

Ich habe eine Frage zum Thema Frühförderung. Sie

sprachen eben davon, dass das SGB IX auch mit Zustim-
mung der CDU/CSU-Fraktion beschlossen worden ist.
Ich höre von den Verbänden, dass es mit der Finanzierung
erhebliche Probleme gibt, weil es sich bei der Frühförde-
rung um eine Komplexleistung handelt. Ich frage die Bun-
desregierung, ob sie bereit ist, zu regeln, wer Kostenträ-
ger der Frühförderung ist, und welche Präferenz sie
gegebenenfalls bei diesen Trägern hat.

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
Soziale Sicherung:

Wir sind bereit, uns dieses Problems anzunehmen. In
welcher Form das geschehen wird, kann ich derzeit noch
nicht sagen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501503300

Herr Kollege Hüppe, eine Zusatzfrage.


Hubert Hüppe (CDU):
Rede ID: ID1501503400

Meine Zusatzfrage bezieht sich auf das eben genannte

Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen, das
unter dem Motto „Nichts über uns ohne uns“ steht. Das
Kabinett hat zugestimmt, den Nationalen Ethikrat in sei-
ner jetzigen Besetzung einzusetzen. Im Januar will der
Nationale Ethikrat eine Stellungnahme zur PID, die Be-
hindertenverbände besonders interessiert, abgeben. Ich
möchte von der Bundesregierung wissen, ob der Grund-
satz „Nichts über uns ohne uns“ gewährleistet ist, wenn
man bedenkt, dass nicht eines der 25 Mitglieder einem Be-
hindertenverband angehört oder gar selbst betroffen ist.

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und
Soziale Sicherung:

Herr Kollege Hüppe, ich möchte die Empfehlung des
Nationalen Ethikrates in dieser Frage nicht vorwegneh-
men. Es wäre aber zu kurz gefasst, würde man so tun, als
habe die Präimplantationsdiagnostik nur etwas mit behin-
derten Menschen zu tun.


(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Einer reicht ja! Es wäre nicht schlecht, wenn einer dabei wäre, oder? Entschuldigung!)


– Das wäre nicht schlecht. Welche Kriterien bei der Zu-
sammensetzung des Nationalen Ethikrates maßgeblich
waren, kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Ich bin aber da-
von überzeugt, dass im Nationalen Ethikrat eine Reihe
von Menschen – ich meine insbesondere die Vertreter der
Kirchen und anderer gesellschaftlicher Gruppen – vertre-
ten sind, die sich dem Bewusstsein der Verantwortung für

die Behindertenarbeit sehr intensiv verpflichtet sehen und
sich im engen Dialog mit den Behindertenverbänden be-
finden. Insofern gehe ich davon aus, dass der Nationale
Ethikrat entsprechende Vorschläge – ich bin davon über-
zeugt, dass es Minderheiten- und Mehrheitenvoten geben
wird – machen wird.

Dann kommt es darauf an – nicht ohne uns, aber mit uns
–, mit allen gesellschaftlichen Gruppen über diese Vor-
schläge zu diskutieren. Selbstverständlich werden wir in
diesem Zusammenhang auch über die Befürchtungen und
Ängste der Menschen mit Behinderungen, der Verbände
der Behinderten – die diese Befürchtungen und Ängste
zum Ausdruck gebracht haben –, aber auch der Kirchen
und anderer Vertreter ausführlich diskutieren. Diese Voten
werden wir in unsere Entscheidung einfließen lassen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501503500

Ich beende nun die Befragung zu den Themen der heu-

tigen Kabinettssitzung. Es gibt noch eine weitere Frage an
die Bundesregierung. Das Wort hat der Kollege Fuchs.


Dr. Michael Fuchs (CDU):
Rede ID: ID1501503600

Hat in der heutigen Kabinettssitzung das Thema Do-

senpfand eine Rolle gespielt? Viele Unternehmen, die da-
von betroffen sind, befinden sich in einer dramatischen
Situation: Alle Dosenhersteller, aber beispielsweise auch
die Weißblechhersteller und die Abfüllbetriebe, haben
Kurzarbeit angemeldet. In meinem Wahlkreis müssen
noch vor Weihnachten 500 Leute in Kurzarbeit geschickt
werden. Ich wüsste gerne, ob sich die Bundesregierung
damit beschäftigt hat. 10 000 bis 15 000 Arbeitsplätze ste-
hen in diesem Bereich kurzfristig auf dem Spiel. Ich
denke, darum sollte kurzfristig etwas geschehen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501503700

Kanzleramtsminister Schwanitz, bitte.


Rolf Schwanitz (SPD):
Rede ID: ID1501503800

Herr Kollege, das Thema Dosenpfand stand heute nicht

auf der Tagesordnung des Kabinetts.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501503900

Damit beende ich die Befragung.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Fragestunde
– Drucksache 15/177 –

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zur
Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretä-
rin Marieluise Beck zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Andreas
Scheuer auf:

Welche Gründe gibt es, seitens des Bundesministeriums für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend von der dezentralen Ab-
wicklung von Sonderprogrammen – zum Beispiel „move now“ –

Bundesministerin Ulla Schmidt

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner

abzuweichen, und teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass
durch die zentrale Durchführung ein dramatischer Einbruch der
Antragszahlen – zum Beispiel im Freistaat Bayern beim Sonder-
programm „Entimon“ – hinzunehmen ist?

Marieluise Beck, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend;
Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flücht-
linge und Integration:

Zunächst einmal ist festzustellen, dass es sehr erfreu-
lich ist, dass das Aktionsprogramm „Jugend für Toleranz
und Demokratie“ auf ein großes Interesse in der Gesell-
schaft gestoßen ist, sowohl in den Kommunen als auch in
den Ländern. Wir waren fast überrascht über die Zahl, die
Vielfalt und auch die Qualität der eingereichten Anträge
und der durchgeführten Projekte.

Zunächst waren die Maßnahmen gegen Gewalt und
Rechtsextremismus für ein Jahr konzipiert. Während die-
ser Zeit ist die Projektvergabe über die Länder gelaufen.
Sie fragen nun, ob wir durch die Zentralisierung der Ver-
gabe einen Rückgang sowohl der Antragszahlen als auch
der Bewilligungen zu verzeichnen haben.

Dazu ist festzustellen, dass die Zentralisierung der An-
tragsvergabe aufgrund der Erfahrungen mit zwei anderen
Programmen gegen Rechtsextremismus und Gewalt,
nämlich „Xenos“ und „Civitas“, erfolgt ist, weil sich dort
gezeigt hat, dass eine gewisse Einheitlichkeit und Zielge-
richtetheit besser herzustellen ist, wenn die Vergabe bun-
deseinheitlich vorgenommen wird. In diesem Fall geschieht
das über eine Servicestelle, mit der in diesem Bereich der so-
zialpolitischen Arbeit Erfahrungen vorliegen.

Ein Blick auf die Antragslage im Jahr 2001 zeigt, dass
die Antragszahlen nicht zurückgegangen sind und dass
sich der Freistaat Bayern hinsichtlich der bewilligten An-
träge im guten Mittelfeld befindet. Insofern kann der von
Ihnen vermutete dramatische Einbruch bei den Projekten
überhaupt nicht bestätigt werden; das Gegenteil ist der
Fall.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501504000

Ihre Zusatzfrage, bitte, Kollege Scheuer.


Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1501504100

Programme gegen Rechtsextremismus sind wichtig

und unterstützenswert. Aber ist Ihnen bekannt, dass durch
den Wechsel der Förderpraxis hin zur Zentralität gerade
linksextreme Gruppen von diesen Projekten profitiert ha-
ben, vor allem finanziell, und dass wegen der fehlenden
regionalen Kompetenz der Vergabe auf diese Art und
Weise politischer Extremismus auf der linken Seite ge-
fördert wird?

Marieluise Beck, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend;
Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flücht-
linge und Integration:

Dieser Vorgang ist mir nicht bekannt. Ich bitte Sie, das
im Einzelnen zu belegen. Die zentrale Serviceagentur

wird von einem Beirat begleitet, der sich aus Persönlich-
keiten der Wissenschaft, des öffentlichen Lebens und von
Jugendorganisationen zusammensetzt. Die Letztentschei-
dung wird im Ministerium selbst getroffen. Mir ist bisher
nicht zu Ohren gekommen, dass auf diese Art und Weise
quasi die Förderung von linksextremen Initiativen durch
die Maschen geschlüpft wäre.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501504200

Ihre zweite Zusatzfrage, bitte.


Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1501504300

Ihnen ist – Sie haben ja Zahlen genannt – anscheinend

nicht bekannt, dass durch den Wechsel der Fördermethode
zum Beispiel die Projektzahlen im Freistaat Bayern von
330 auf 98 zurückgegangen sind. Stimmen Sie mir, wenn
Sie diese Zahlen hören, zu, dass die Durchlässigkeit bis an
die regionale Basis zerstört wurde?

Marieluise Beck, Parl. Staatssekretärin bei der Bun-
desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend;
Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flücht-
linge und Integration:

Sehr verehrter Herr Kollege Scheuer, diese Entwick-
lung hat mit einer Veränderung der Finanzstruktur bei die-
sen der Initiativen und Projekten zu tun. Im ersten Jahr
gab es eine große Zahl von Projekten und kleinen Initiati-
ven, die mit sehr geringen Mitteln ausgekommen sind.
60 Prozent der Mittel wurden nämlich an kleine, unab-
hängige örtliche Initiativen vergeben, die zunächst mit ei-
nem kleinen Fördervolumen eingestiegen sind. Aufgrund
des Wachsens dieser Initiativen hat sich das Volumen der
beantragten Mittel stark erhöht. Die Zahl der geförderten
Initiativen musste also zurückgehen, weil die zu verge-
benden Mittel gedeckelt waren. Das ist die Erklärung für
die rückläufige Zahl der geförderten Initiativen.

Ich möchte einen zweiten Punkt hinzufügen. Das erste
große Programm, das Maßnahmen gegen Gewalt und
Rechtsextremismus beinhaltete – es war ebenfalls auf ein
Jahr begrenzt und wurde im Freistaat Bayern im Rahmen
von „move now“ umgesetzt –, ist zu unserer großen
Freude von anderen Bundesländern als Landesprogramm
weitergeführt worden. Das hat der Freistaat Bayern leider
nicht getan. Wir bedauern das sehr.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501504400

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-

ministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Zur
Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretä-
rin Marion Caspers-Merk zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Dr. Nobert Röttgen
auf:

Aus welchem Grund hat die Bundesregierung immer noch
keine abschlägige Entscheidung über die Genehmigung des Um-
zuges der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, KBV, nach Ber-
lin getroffen?


(A)



(B)



(C)



(D)


1128


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1129

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1501504500


Herr Kollege Röttgen, das Bundesministerium für Ge-
sundheit und Soziale Sicherung hat zu der von der Kas-
senärztlichen Bundesvereinigung geplanten Sitzverle-
gung sowohl der Kassenärztlichen Bundesvereinigung als
auch deren Personalrat einen Vermittlungsvorschlag un-
terbreitet. Dieser orientiert sich an der Beibehaltung der
Aufteilung der KBV-Funktionen auf die Standorte Köln
und Berlin nach organisatorisch und sozial zweckmäßi-
gen Gesichtspunkten.

Sowohl die Hauptgeschäftsführung als auch der Perso-
nalrat der Kassenärztlichen Bundesvereinigung haben
dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Si-
cherung eine Stellungnahme zu dem Vermittlungsvor-
schlag übersandt. Die Kassenärztliche Bundesvereini-
gung ist in ihrer Stellungnahme nicht bereit, auf den
Vorschlag der Aufteilung der KBV-Funktionen einzuge-
hen. Die Auswertung dieser Stellungnahme ist insgesamt
noch nicht abgeschlossen. Weitere Maßnahmen sind noch
nicht veranlasst. An der Beantwortung Ihrer Frage können
Sie ersehen, dass wir in dieser Angelegenheit weiter am
Ball bleiben.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501504600

Ihre Zusatzfrage, Kollege Röttgen.


Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1501504700

Die Frau Bundesgesundheitsministerin hat mir in ei-

nem Schreiben vom 10.April 2001 mitgeteilt, die Prüfung
des Antrages stehe vor dem Abschluss und eine Entschei-
dung hierüber werde in einem absehbaren Zeitraum, mög-
lichst noch im April des Jahres 2001, getroffen. Ist Ihnen
bekannt, dass in der Zwischenzeit die Kassenärztliche
Bundesvereinigung Tatsachen schafft? Ist Ihnen bekannt,
dass sie Liegenschaften in Köln verkauft und in Berlin an-
mietet?

Ist Ihnen weiterhin bekannt, dass in Ausschreibungen
für neue Stellen als Dienstort Berlin genannt wird, dass
den Mitarbeitern Versetzungsanordnungen angekündigt
werden und dass ihnen Kündigungen für den Fall ange-
droht werden, dass sie dieser Anordnung nicht nachkom-
men? Was unternehmen Sie dagegen, dass während dieser
Hängepartie – diese hat das Gesundheitsministerium bzw.
das Sozialministerium zu verantworten, weil es in dieser
Frage nicht entscheidet – Fakten zulasten der Beschäfti-
gen und zulasten des Gesundheitsstandorts Köln geschaf-
fen werden?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1501504800


Herr Kollege Röttgen, Sie wissen, dass dieses nur einer
der vielen Streitpunkte ist, die wir im Moment mit der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung haben. Ich bin gerne
bereit, hinsichtlich dieses Streitpunkts ins Detail zu gehen.

Bezogen auf ihre Aktivitäten in Berlin hat die Kas-
senärztliche Bundesvereinigung bereits im Jahre 2000

mitgeteilt, dass sie bei einem Verbleib ihres Sitzes in Köln
aufgrund eines Ablehnungsbescheides der vormaligen
Bundesministerin für Gesundheit mit einer wesentlich er-
weiterten zweiten Dienststelle in Berlin vertreten sein
müsse. Es wurde sozusagen eine Splittung der Standorte
angekündigt. Deshalb strebe sie an, mit der Bundesärzte-
kammer und der Deutschen Krankenhausgesellschaft ein
gemeinsames Verwaltungsgebäude in Berlin zu beziehen.

In dem noch zu errichtenden Verwaltungsgebäude hat
die Kassenärztliche Bundesvereinigung ab Sommer 2004
Räumlichkeiten unter der Option angemietet, nach Be-
darf, insbesondere bei Ablehnung der Genehmigung einer
Sitzverlegung, einen Teil der Räumlichkeiten unterzuver-
mieten. Diese vom vormaligen Bundesministerium für
Gesundheit akzeptierte Vorgehensweise ermöglicht der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung flexible Entschei-
dungen, ohne das Ergebnis des laufenden Genehmi-
gungsverfahrens über den KBV-Satzungsbeschluss zur
Sitzverlegung vorwegzunehmen.

Wenn Ihnen Erkenntnisse dafür vorliegen, dass entge-
gen dem, was uns mitgeteilt wurde, harte Fakten geschaf-
fen wurden, die auf einen alleinigen Sitz in Berlin abzie-
len und nicht auf eine zweite Dienststelle, bitte ich Sie,
mir diese zukommen zu lassen. Wir werden dieser Sache
dann unverzüglich nachgehen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501504900

Sie haben noch eine zweite Zusatzfrage.


Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1501505000

Die Fakten sind vorhanden; sie sind notorisch. Insofern

wundert es mich, dass sie dem Ministerium nicht bekannt
sind.

Ich frage Sie noch einmal auf den Punkt gebracht:
Wann wird das Ministerium die gegenwärtige Hängepar-
tie, die seit mehr als drei Jahren besteht – so alt ist der Um-
zugsbeschluss –, beenden, indem es Klarheit über die
Rechtmäßigkeit eines Umzuges schafft? Die Betroffenen
erwarten nach drei Jahren Klarheit. Wann wird es dazu
kommen?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1501505100


Nochmals: Wir haben diesen Prüfauftrag sehr ernst ge-
nommen.

Vonseiten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
werden immer wieder neue Gutachten vorgelegt, Gutach-
ten, die die angebliche Unwirtschaftlichkeit der zwei
Standorte Köln und Berlin belegen sollen. Jetzt ist wieder
ein neues Gutachten vorgelegt worden. Dieses prüfen wir
derzeit. Wir haben nicht den Eindruck, dass es sich bei
diesem Gutachten um ein umfassendes und neutrales Gut-
achten handelt, zumal es von der Kassenärztlichen Bun-
desvereinigung selbst in Auftrag gegeben wurde. In ihm
werden lediglich Mietpreise und Standortqualitäten ver-
glichen, nicht aber die Umzugskosten und die nachgela-
gerten Kosten zum Beispiel im Hinblick auf das Personal

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002
Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk
geprüft. Aus diesem Grunde prüfen wir dieses Gutachten
sehr genau. Umgekehrt haben wir immer wieder versucht,
eine Einigung herbeizuführen. Wir haben viele Gespräche
geführt.

Wir haben an einer Fortsetzung des jetzigen Schwebe-
zustands kein Interesse. Die Vereinbarung gilt: Es sollen
keine harten Fakten zulasten des Gesundheitsstandortes
Köln/Bonn geschaffen werden. Wenn Ihnen andere prüf-
bare Belege vorliegen, bitte ich Sie, mir diese zu übermit-
teln.


(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Werde ich tun!)


Sie bekommen dann von mir eine schriftliche Auskunft.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501505200

Wir kommen zur Frage 3 des Abgeordneten Norbert

Röttgen:
Wird die Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Siche-

rung, Ulla Schmidt, sicherstellen, dass die Kassenärztliche Bun-
desvereinigung, KBV, und der AOK-Bundesverband (weitere)

Maßnahmen unterlassen, die den Umzug nach Berlin faktisch ein-
leiten, bevor über die Genehmigung der Umzugsbeschlüsse ent-
schieden ist, und wann ist mit den Entscheidungen zu rechnen?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1501505300


Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat in der
Vergangenheit auf Nachfrage mündlich und schriftlich
bekräftigt, dass sie keine rechtlichen Verpflichtungen ein-
gehen werde, die einen Umzug der Kassenärztlichen Bun-
desvereinigung nach Berlin bedingen würden. Ich habe
Ihnen soeben erläutert, dass uns gesagt wird, es würden
keine Fakten geschaffen.

Das ehemalige Bundesministerium für Gesundheit
hatte bereits im Jahr 2000 der Kassenärztlichen Bundes-
vereinigung vorgegeben, bis zum Abschluss des auf-
sichtsrechtlichen Genehmigungsverfahrens keine Maß-
nahmen zu ergreifen, die von einer Genehmigung der
Satzungsänderung zur Sitzverlegung ausgehen. Unstrittig
ist jedoch, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung
zur Erfüllung ihrer Aufgaben eine Repräsentanz am Re-
gierungssitz Berlin benötigt. Deswegen war der Zweitsitz
Berlin für uns nie eine strittige Frage.

Sehr geehrter Herr Kollege, Sie haben in Ihrer Frage
auch nach der Verlagerung des Sitzes des AOK-Bundes-
verbandes gefragt. Dazu darf ich Ihnen antworten: Der
Verwaltungsrat des AOK-Bundesverbandes hat in seiner
Sitzung vom 13. November 2002 keinen Satzungsände-
rungsbeschluss zur Verlegung seines Sitzes nach Berlin
gefasst, sondern den Vorstand beauftragt, die volle Funk-
tionsfähigkeit des AOK-Bundesverbandes bis zum Jah-
reswechsel 2007/2008 in Berlin sicherzustellen. Dieser
Absichtsbeschluss wird mit der gegebenen politischen
Anforderung durch Bundestag, Bundesrat und Bundesre-
gierung sowie der weiter wachsenden zentralen Präsenz
der Leistungsanbieter in Berlin begründet.

Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale
Sicherung hat Zweifel daran, dass der AOK-Bundesver-

band die Auswirkungen des Berlin/Bonn-Gesetzes in sei-
nen Planungen für eine Sitzverlegung wie auch in dem
von ihm zu beachtenden Wirtschaftlichkeitsgrundsatz
hinreichend berücksichtigt hat. Deshalb wird das Bundes-
ministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung mit dem
AOK-Bundesverband ein Beratungsgespräch über den Be-
schluss führen, in dem noch einmal auf die Sicherstellung
des Gesundheitsstandortes Köln/Bonn hingewiesen wird.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501505400

Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege Röttgen.


Dr. Norbert Röttgen (CDU):
Rede ID: ID1501505500

Vielleicht gestatten Sie, dass ich meine beiden Zusatz-

fragen zusammen stelle.
Erstens. Teilen Sie meine Einschätzung, dass sich die

gerade beschriebene Hängepartie und die Untätigkeit der
Bundesregierung bzw. die Verweigerung einer definitiven
Rechtsauskunft in dieser Frage ermunternd auf andere
Gesundheitseinrichtungen in der Region ausgewirkt ha-
ben, was sich im Sinne eines Rutschbahneffektes – die
eine hat es versucht, ist damit erfolgreich und findet kei-
nen effektiven Widerstand durch die Bundesregierung,
also macht es die andere auch – zeigt? Fürchten Sie die-
sen Rutschbahneffekt als Auswirkung der Untätigkeit der
Bundesregierung?

Zweitens. Was spricht dagegen, dass Sie die Chance er-
greifen, für Klarheit zu sorgen, indem Sie als Bundesge-
sundheitsministerium Ihre Rechtsauffassung bekunden?
Sie haben sie ja gerade angedeutet. Schaffen Sie doch
Klarheit und sagen Sie: Das Berlin/Bonn-Gesetz hat den
Politikstandort definiert und gesetzlich fixiert, sodass die
Genehmigungen aus Rechtsgründen nicht erteilt werden
können. Dann hätten alle Rechtsklarheit und es gäbe viel
weniger Unsicherheit in der Region. Was spricht dagegen,
dass Sie das tun?

M
Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1501505600


Herr Kollege Röttgen, ich sehe natürlich, dass Sie Ihre
Funktion als Vertreter einer bestimmten Region sehr en-
gagiert wahrnehmen; das ist die eine Seite. Auf der ande-
ren Seite finde ich es ein bisschen weit hergeholt, immer
nur zu sagen: Alles hat Auswirkungen, weil die Bundes-
regierung dies oder jenes nicht beschließt. Natürlich hat
die Verankerung von Berlin als Politikstandort immer
auch Konsequenzen für die Debattenstruktur; dies aber
können wir selbst nie ganz steuern.

Was wir tun konnten, gerade beim Thema AOK, ist,
dass wir sehr zügig reagiert haben. Der Beschluss kam
dort am 13. November 2002 zustande. Wir haben uns zu
diesem Beschluss unmittelbar geäußert und ein Bera-
tungsgespräch vereinbart. Zügiger kann man gar nicht
reagieren. Insofern möchte ich den Vorwurf, wir hätten
dort eine Hängepartie zu vertreten, zurückweisen.

Auch hinsichtlich der KBV kann von Untätigkeit nicht
die Rede sein. Wir haben Vermittlungsvorschläge ge-
macht, mussten uns aber immer wieder mit neuen Argu-


(A)



(B)



(C)



(D)


1130


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1131

menten und neuen Gutachten auseinander setzen. Es ist
also umgekehrt gewesen: Wir wollten eine schnelle Ent-
scheidung und man hat uns immer wieder mit neuen Tat-
sachen konfrontiert.

Insgesamt ist klar, dass die Bundesregierung an dem,
was wir damals mit einer knappen Mehrheit beschlossen
haben, festhält. Das Berlin/Bonn-Gesetz schafft einen
verbindlichen Ordnungsrahmen für die Bundesministe-
rien und damit auch für das Bundesministerium für Ge-
sundheit und Soziale Sicherung als Adressat des Gesetzes.
Für das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale
Sicherung bedeutet dies, dass es der Vorgabe zum Erhalt
und zur Förderung politischer Funktionen im Politikbe-
reich Gesundheit insoweit Rechnung zu tragen hat, als der
Politikbereich Gesundheit in Bonn erhalten bleibt.

Die Verbände der gesetzlichen Krankenversicherung
auf Bundesebene, die ihren Sitz im Bonner Raum haben,
sind hingegen nicht unmittelbar Adressaten des Berlin/
Bonn-Gesetzes. Der AOK-Bundesverband wie auch die
Kassenärztliche Bundesvereinigung haben jedoch davon
auszugehen, dass die politischen Funktionen des Poli-
tikbereichs Gesundheit im Bonner Raum entsprechend
den Vorgaben des Berlin/Bonn-Gesetzes erhalten bleiben,
und müssen sich deshalb in ihren künftigen Erwägungen
darauf einrichten, es sei denn, der Gesetzgeber beschlösse
etwas anderes.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501505700

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Wir sind am Ende

des Geschäftsbereiches für Gesundheit und Soziale
Sicherung.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes. Zur Beantwortung der Fragen steht Frau Staats-
ministerin Kerstin Müller zur Verfügung.

Ich rufe Frage 4 des Abgeordneten Christian Schmidt
auf:

Gibt nach Auffassung der Bundesregierung die Resolution 1441
des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen den Mitgliedstaaten
das Recht, bei berichtsmäßig gemäß Ziffer 4 oder 11 dieser Reso-
lution festgestelltem Verstoß des Irak gegen die Auflagen dieser
Resolution unmittelbar Maßnahmen nach Kapitel VII der Charta
der Vereinten Nationen zu ergreifen, falls nein, beabsichtigt die
Bundesregierung für den Fall einer ohne weitere Sicherheitsrats-
beschlussfassung in dieser Angelegenheit von den Vereinigten
Staaten von Amerika durchgeführten militärischen Zwangsmaß-
nahme diesen die laut Unterrichtung durch den Bundeskanzler
vom 27. November 2002 von der Regierung der Vereinigten Staa-
ten von Amerika erbetenen Überflug-, Lande- und Hafenrechte zu
gewähren?

K
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501505800


Die Resolution 1441 des UN-Sicherheitsrates sieht in
Ziffer 12 Folgendes vor: Der Sicherheitsrat wird sofort
nach Eingang eines Berichtes nach den Ziffern 4 oder 11
derselben Resolution zusammentreten, um – ich zitiere –

über die Situation und die Notwendigkeit der vollin-
haltlichen Befolgung aller einschlägigen Ratsresolu-
tionen zu beraten, um den Weltfrieden und die inter-
nationale Sicherheit zu sichern ...

Zentraler Punkt ist, dass der Weltsicherheitsrat die ge-
nannte Resolution 1441 einstimmig verabschiedet und
damit Völkerrecht gesetzt hat. In der Resolution wird aber
offen gelassen, ob es eine weitere Resolution geben wird,
wenn der Irak sich nicht an seine Verpflichtungen hält.
Nach dem Wortlaut der Resolution 1441 muss der Sicher-
heitsrat jedoch nur erneut beraten. Unter realistischen An-
nahmen gibt es daher seit der Verabschiedung der Reso-
lution 1441 keinen resolutionsfreien Raum mehr. Unter
diesen Umständen ist jede weitere Spekulation müßig, da
nicht absehbar ist, unter welchen Bedingungen der Si-
cherheitsrat erneut zusammentreten würde.

Für den Fall, dass es zu einer Militäraktion gegen den
Irak kommt, was wir nicht hoffen, wird sich Deutschland
daran nicht beteiligen. Die Bundesregierung wäre aber
gegenüber den USA und den NATO-Mitgliedstaaten im
Rahmen der Bündnisverpflichtungen zur Gewährung von
Überflugrechten, des reibungslosen Transits für Truppen,
der Nutzung der amerikanischen Militäreinrichtungen
und des Schutzes von Einrichtungen bereit.

Im Übrigen – das finde ich sehr wichtig noch einmal zu
betonen – betrachtet die Bundesregierung nach wie vor
die friedliche Lösung der Irakfrage als vordringlich. Der
Irak muss die Resolution 1441 umsetzen. Das Land muss
den Inspektoren vollen Zugang gewähren und darf keine
Massenvernichtungswaffen besitzen. Die Bundesregie-
rung unterstützt daher die Inspektoren nach Kräften bei
ihrer Arbeit. Das dürfte auch in Ihrem Sinne sein.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501505900

Ihre Zusatzfrage, Kollege Schmidt.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1501506000

Frau
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1501506100
Tatsächlich dürfte es auch in Ihrem Interesse sein,
dass wir alle miteinander versuchen, a) den Irak zu ent-
waffnen und b) eine friedliche Lösung herbeizuführen.
Niemand in diesem Hause will irgendetwas anderes.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Das möchte ich gern auch zur Kenntnis der deutschen
Bundesregierung festgehalten haben. – Entschuldigung,
Frau Präsidentin, aber das war notwendig.

Sie sprechen von Bündnisverpflichtungen. Wären Sie,
Frau Staatsministerin, in der Lage, mir zu erklären, wel-
che Bündnisverpflichtungen völkerrechtlicher und ver-
tragsrechtlicher Art einschlägig sind für die Gewährung
von Lande- und Überflugrechten im Falle einer amerika-
nischen Aktion gegenüber dem Irak?

K
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501506200


Das ist wieder eine hypothetische Frage, die anhand
von NATO-Verträgen und Stationierungsverträgen zu prü-
fen wäre. Wenn Sie dieses im Einzelnen wissen möchten,

Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002
Staatsministerin Kerstin Müller
müsste ich Ihnen das schriftlich nachreichen. Aber das
sind natürlich die Grundlagen, die wir mit Bündnisver-
pflichtungen meinen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501506300

Ihre zweite Zusatzfrage, bitte schön.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1501506400

Frau Staatsministerin, verstehe ich Sie richtig, dass Sie

davon ausgehen, dass im Rahmen der NATO Bündnisver-
pflichtungen erwachsen, die die Bundesrepublik Deutsch-
land dazu verpflichten, bei einer Aktion der Amerikaner
aufgrund der Resolution 1441 – die von Ihnen angespro-
chenen Fragen seien dahingestellt – Überflug- und Lan-
derechte zu gewähren?

K
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501506500


Das eine ist unsere Position zu einem möglichen Irak-
krieg. Wir hoffen, wir können ihn vermeiden, indem es zu
einer friedlichen Entwaffnung des Irak kommt. Das haben
Sie ja auch noch einmal zum Ausdruck gebracht. Das an-
dere sind unsere Bündnisverpflichtungen und wir geden-
ken, diesen Bündnisverpflichtungen nachzukommen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Welches Bündnis denn?)


Das hat der Bundeskanzler noch einmal sehr deutlich ge-
sagt. Diese Fragen sind also zu trennen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501506600

Wir kommen zur Frage 5 des Abgeordneten Christian

Schmidt:
Hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die entspre-

chende Anfrage der Vereinigten Staaten von Amerika eine Unter-
scheidung ihrer Unterstützungsbereitschaft zwischen dem Vorliegen
und dem Nichtvorliegen eines Sicherheitsratsmandats gemacht?

K
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501506700


Die Bundesregierung hat auf die vertrauliche Anfrage
der USA auch vertraulich geantwortet. Im Übrigen ergibt
sich die Haltung der Bundesregierung aus der Beantwor-
tung Ihrer ersten Frage.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501506800

Herr Kollege Schmidt, bitte.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1501506900

Der Bundeskanzler hat öffentlich geantwortet; er ging

sogar an die Presse. Ich weiß, für die Fragestunde gilt ein
strammes Verfahren, aber ich finde es etwas eigenartig,
dass die Bundesregierung Fragen, die ihr gestellt werden,
mit ausweichenden Bemerkungen beantwortet. Sie haben
die Pflicht, dem deutschen Parlament und der Öffentlich-
keit zu sagen, was Sie tun.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501507000

Herr Kollege Schmidt, Sie müssen eine Zusatzfrage

stellen.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1501507100

Danke, Frau Präsidentin.
Meine Zusatzfrage lautet: Sehr verehrte Frau Staatsmi-

nisterin, hat die Bundesregierung diese Unterscheidung
getroffen? Anders formuliert: Ist die gestrige Aussage von
Herrn Bundesminister Fischer bei Frau Maischberger da-
hin gehend zu interpretieren, dass die Bundesregierung
der Auffassung ist, dass aufgrund der Resolution 1441 be-
reits völkerrechtlich sanktionierte Maßnahmen gegen den
Irak bei Material Breach, also auch bei entscheidenden Be-
hinderungen der Aktionen der Inspektoren, ergriffen wer-
den? Dazu muss doch einmal ein Ja oder Nein möglich sein.

K
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501507200


Sie haben nun zwei Fragen gestellt. Noch einmal: Auf
vertrauliche Anfragen antworten wir vertraulich.

Nun zu Ihrer zweiten Frage bezüglich des Interviews
von Frau Maischberger, das ich nicht gesehen habe: Sie
haben danach gefragt, ob die Resolution 1441 militärische
Schritte gestattet. Dazu muss ich wiederholen, was ich be-
reits zu Ihrer ersten Frage gesagt habe: Die Resolution 1441
lässt die Frage offen, ob weitere Resolutionen gefasst
werden müssen, weil sich die Sicherheitsratsmitglieder
darüber nicht einigen konnten. Der Wortlaut sieht nur eine
Befassung und ein erneutes Zusammentreten vor. Das ist
die Grundlage, die Konsequenzen werden nicht ausbuch-
stabiert. Der Sicherheitsrat hat bewusst offen gelassen,
was folgen wird. Insofern gibt es für uns überhaupt kei-
nen Anlass, uns an Spekulationen zu beteiligen. Das war
eine bewusste Entscheidung des Sicherheitsrates.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501507300

Herr Kollege Schmidt, Sie haben noch eine weitere Zu-

satzfrage.


Christian Schmidt (CSU):
Rede ID: ID1501507400

Darf ich davon ausgehen, dass die Bundesregierung

den Vereinigten Staaten von Amerika gegenüber deutlich
gemacht hat, dass sie nur bei Vorliegen eines völkerrecht-
lich verbindlichen Mandats bereit ist, die Unterstützung
für eine Militäraktion zu gewähren?

K
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501507500


Die Bundesregierung geht davon aus, dass alle weiteren
Schritte den Vorgaben der Sicherheitsratsresolution 1441
folgen werden und dass die Vereinigten Staaten, die jetzt
bewusst im VN-Rahmen gehandelt haben, dies auch wei-
ter tun werden. Wir haben keinen Grund zu der Annahme,
dass die Vereinigten Staaten diesen Rahmen verlassen
werden.


(A)



(B)



(C)



(D)


1132


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1133


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501507600

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten von

Klaeden.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1501507700

Frau Staatsministerin, müssen die Vereinigten Staaten

und andere Partner der Bundesrepublik damit rechnen,
dass vertrauliche Anfragen von der Bundesregierung, wie
es der Kollege Christian Schmidt gerade geschildert hat,
öffentlich beantwortet werden, und halten Sie ein solches
Verhalten der Bundesregierung für zuträglich?

K
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501507800


Ich weiß nicht, was Sie damit meinen. Vertrauliche An-
fragen werden vertraulich beantwortet. Öffentliche Dis-
kussionen werden selbstverständlich aufgegriffen. Die
Position der Bundesregierung im Hinblick auf den Irak ist
sehr klar. Sie ist auch öffentlich. Wir werden uns an einer
möglichen Militäraktion nicht beteiligen.

Wir sollten aber – das müsste Gegenstand der Debatte
sein – unsere Anstrengungen darauf konzentrieren – zu-
mindest die Bundesregierung wird das tun –, dass es auf-
grund der Resolution 1441 und einer erfolgreichen Arbeit
der Waffeninspekteure zu einer friedlichen Abrüstung des
Irak kommt. Zu diesen Dingen stehen wir gern Rede und
Antwort.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501507900

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Rose.


Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1501508000

Frau Staatsministerin, Sie haben gerade sehr stark auf

das Wort „vertraulich“ abgehoben. Würden Sie es als ver-
traulich klassifizieren, dass der Bundesminister bei Frau
Maischberger noch Auskunft gegeben hat, aber heute aus
Krankheitsgründen im Auswärtigen Ausschuss nicht
mehr zur Vertraulichkeit in der Lage war?

K
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501508100


Erstens ist der Minister wirklich krank.
Zweitens. Ich habe das Maischberger-Interview nicht

gesehen. Sie müssen also eine konkrete Frage stellen, die
ich konkret beantworten kann.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501508200

Wir kommen zur Frage 6 des Abgeordneten Dr. Hans-

Peter Uhl:
Hält die Bundesregierung die völkerrechtliche Auffassung der

USA für vertretbar, wonach bereits jetzt ein völkerrechtliches
Mandat zu militärischen Maßnahmen gegen den Irak aus der
UN-Resolution 1441 in Verbindung mit den UN-Resolutionen 678
und 687 besteht, und wird die Bundesregierung im Falle eines von
der UN geduldeten Militärschlags der USA Überflugrechte ge-
währen?

K
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501508300


Die Resolution 1441 des UN-Sicherheitsrates sieht in
ihrer Ziffer 12 vor, dass der Sicherheitsrat sofort nach Ein-
gang eines Berichts gemäß den Ziffern 4 oder 11 der ge-
nannten Resolution zusammentritt, „um“ – ich habe es
eben zitiert und wiederhole es gern noch einmal – „über
die Situation und die Notwendigkeit der vollinhaltlichen
Befolgung aller einschlägigen Ratsresolutionen zu bera-
ten, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit
zu sichern.“

Das Zentrale ist, dass der Weltsicherheitsrat einstim-
mig die genannte Resolution verabschiedet hat und damit
Völkerrecht gesetzt hat. Das heißt, es bleibt offen, ob es
eine weitere Resolution geben wird, wenn sich der Irak
nicht an seine Verpflichtungen hält. Nach dem Wortlaut
der Resolution 1441 muss der Sicherheitsrat jedoch nur
erneut beraten. Das heißt aus unserer Sicht: Unter realis-
tischen Annahmen gibt es daher seit der Verabschiedung
der Resolution 1441 keinen resolutionsfreien Raum mehr.
Unter diesen Umständen ist jede Spekulation müßig, da
nicht absehbar ist, unter welchen Bedingungen der Sicher-
heitsrat gegebenenfalls erneut zusammentreten würde.

Falls es zu einer Militäraktion gegen den Irak kommt,
wird sich Deutschland daran nicht beteiligen. Die Bun-
desregierung wäre aber gegenüber den USA und den
NATO-Mitgliedstaaten im Rahmen der Bündnisverpflich-
tungen zur Gewährung von Überflugrechten, des reibungs-
losen Transits für Truppen, der Nutzung der amerikanischen
Militäreinrichtungen und des Schutzes von Einrichtungen
bereit.

Diese Antwort entspricht im Wesentlichen der Beant-
wortung der Frage des Kollegen Schmidt, aber ich wollte
Ihre Frage höflicherweise dennoch beantworten.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501508400

Herr Kollege Uhl, Ihre Zusatzfrage bitte.


Dr. Hans-Peter Uhl (CSU):
Rede ID: ID1501508500

Ich bedanke mich für die Wiederholung der Antwort.

Wir haben alle verstanden: Man wird sich am Krieg nicht
beteiligen, wohl aber den Bündnisverpflichtungen nach-
kommen. Meine Frage lautet: Was wird die Bundesregie-
rung tun, wenn die Erfüllung dieser Bündnisverpflichtun-
gen in einer irgendwie gearteten Form der Beteiligung an
dem Irakkrieg bestehen sollte, zum Beispiel indem deut-
sche Soldaten in AWACS-Flugzeugen auch das Einsatz-
geschehen im Luftraum über dem Irak mit betreuen?

K
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501508600


Also noch einmal und auch im Hinblick auf AWACS:
Die Bundesregierung wird sich nicht an einem Militär-
schlag beteiligen, aber wir werden gleichzeitig unseren
Bündnisverpflichtungen nachkommen. Dies gilt für den
Schutz des NATO-Bündnisses einschließlich der Türkei.
Wir werden gewährleisten, dass deutsche Soldaten nicht
bei einer militärischen Operation gegen den Irak zum

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002
Staatsministerin Kerstin Müller
Einsatz kommen. Wir hoffen, dass es nicht zu einer mi-
litärischen Auseinandersetzung mit dem Irak kommt, son-
dern dass auf der Basis der UN-Resolution 1441 eine
friedliche Abrüstung des Irak erfolgt.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501508700

Herr Kollege Uhl, Ihre zweite Zusatzfrage.


Dr. Hans-Peter Uhl (CSU):
Rede ID: ID1501508800

Ich möchte noch ein anderes Thema ansprechen. Es ist

offensichtlich die Meinung der Bundesregierung, dass die
UN-Resolution 1441 das völkerrechtliche Mandat auch
für militärische Interventionen im Irak erteile, es sei zu-
mindest denkbar. Warum oder wann kam die Bundesre-
gierung zu dieser völkerrechtlich bedeutsamen Erkennt-
nis bezüglich der Resolution vom 8. November 2002?
Schließlich wurde einen Monat später, am 8. Dezember,
auf dem Parteitag der Grünen beschlossen, dass man die
Vereinigten Staaten nicht unterstützen würde, wenn sie
kein solches Mandat der UN hätten. Nach Meinung der
Bundesregierung hatten die USA dieses Mandat zu die-
sem Zeitpunkt aber schon seit einem Monat. An dieser
Beschlussfassung waren prominente Vertreter der Bun-
desregierung beteiligt. Warum ließ man solch leere Be-
schlüsse zu, die nach Lage des Völkerrechts völlig un-
brauchbar sind, weil das UN-Mandat bereits seit einem
Monat bestand?

K
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501508900


Ich kann hier nur Fragen beantworten, die an die Bun-
desregierung gerichtet sind und nicht solche, die an die
Parteivorsitzenden der Grünen zu richten sind. Ich bin
nämlich nicht Parteivorsitzende der Grünen.

Im Hinblick auf Ihre erste Feststellung muss ich Sie al-
lerdings zunächst korrigieren. Ich will wiederholen, was
ich hier als Antwort auf die verschiedenen Fragen gesagt
habe: Die Resolution 1441 lässt offen, ob es eine weitere
Resolution geben muss, wenn sich der Irak nicht an seine
Verpflichtungen hält. Die Sicherheitsratsmitglieder konn-
ten sich darüber nicht einigen. Die Resolution sieht ledig-
lich – nach dem Wortlaut – eine weitere Befassung, das
heißt eine weitere Beratung der Sicherheitsratsmitglieder,
vor. Die Konsequenzen aus diesen Beratungen sind be-
wusst offen gelassen. Deshalb halten wir es nicht für sinn-
voll, zu spekulieren: Was wäre, wenn ...? Die Resolution
1441 ist die Grundlage und auf dieser Grundlage werden
die Konsequenzen ausbuchstabiert. Das ist jetzt aber noch
nicht der Fall. Mir ist sehr wichtig, das festzuhalten.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501509000

Die Fragen 7 und 8 des Abgeordneten Klaus Hofbauer

werden gemäß Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien für die Frage-
stunde schriftlich beantwortet.

Wir kommen zur Frage 9 des Abgeordneten Andreas
Scheuer:

Wurden seitens der Bundesregierung bereits Maßnahmen er-
griffen, das Kernkraftwerk Temelin zum Gegenstand der aktuel-

len EU-Osterweiterungsverhandlungen zu machen, und wenn ja,
wie ist der aktuelle Stand?

K
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501509100


Herr Abgeordneter Scheuer, Ihre Frage beantworte ich
wie folgt: Die Bundesregierung hat im Rahmen der Bei-
trittsverhandlungen dem Thema „nukleare Sicherheit“
hohe Priorität zugemessen. So wurde das Energiekapitel
der Beitrittsverhandlungen mit Tschechien erst vorläufig
abgeschlossen, und zwar im Dezember 2001, nachdem
Tschechien die Umsetzung der Empfehlungen eines Be-
richts zur „nuklearen Sicherheit im Kontext des Beitritts-
prozesses“ vom 23. Mai 2001 zugesagt hatte.

Dieser Bericht enthält sowohl übergreifende Empfeh-
lungen zu Temelin, zum Beispiel die Durchführung zu-
sätzlicher Analysen, als auch sehr spezifische Empfeh-
lungen, zum Beispiel zur Verbesserung der Sicherheit der
Frischdampf- und Speisewasserleitungen auf der Bühne
des Kraftwerks Temelin.

Zusätzlich wurde über spezielle Sicherheitsanliegen
Österreichs im Rahmen des so genannten Melk-Prozesses
verhandelt. Zunächst erfolgte ein Sicherheitstrialog zwi-
schen Österreich und Tschechien mit Moderation durch
die EU-Kommission, um wichtige Sicherheitsfragen he-
rauszufiltern. Im Abschlussprotokoll zum Melk-Prozess
vom November 2001 hat sich Tschechien verpflichtet, zu
sieben von österreichischer Seite angeführten offenen
technischen Sicherheitsfragen Verbesserungen durchzu-
führen oder weitere Fachgespräche zu führen. Das Ergeb-
nis wurde von der tschechischen Seite in die Beitrittskon-
ferenz eingebracht.

Die Erweiterungsverhandlungen mit Tschechien wur-
den auf dieser Grundlage am 13. Dezember auf dem Eu-
ropäischen Rat in Kopenhagen erfolgreich abgeschlossen.
In die Schlussfolgerungen des Vorsitzes zum Europä-
ischen Rat Kopenhagen wurde – mit unserer ausdrückli-
chen Unterstützung – ein Abschnitt aufgenommen, der
die Erwartung des Rates zum Ausdruck bringt, dass das
Melker Abkommen umfassend angewendet wird.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501509200

Ihre Zusatzfrage, bitte.


Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1501509300

Was gedenkt die Bundesregierung bei den weiteren

EU-Verhandlungen zu tun? Bei einer Podiumsdiskussion
der Passauer Verlagsgruppe vor etwa zwei Jahren wurde
von Bundesminister Trittin lauthals angekündigt, dass das
KKWTemelin eine grüne Wiese wird.

K
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501509400


Ihre Frage bezieht sich auf Maßnahmen zur Überwa-
chung. Das ist das, was ansteht, was wichtig ist und was
vereinbart wurde. Die Erfüllung der Verpflichtungen der
tschechischen Regierung ist Gegenstand eines Monito-


(A)



(B)



(C)



(D)


1134


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1135

ringprozesses der zuständigen Arbeitsgruppe des Rates,
also der Gruppe für Atomfragen der EU. Auf dem Allge-
meinen Rat in Brüssel bestand Einigkeit, dass der Moni-
toringprozess fortgeführt wird. Darüber hinaus verpflich-
ten sich Österreich und Tschechien in einer bilateralen
Erklärung zum Beitrittsvertrag, ihre wechselseitigen Ver-
pflichtungen aus dem Melker Abkommen zu erfüllen. Das
Wichtigste ist also der Monitoringprozess auf europä-
ischer Ebene.


Andreas Scheuer (CSU):
Rede ID: ID1501509500

Monitoring bedeutet noch keine grüne Wiese. – Zu

meiner zweiten Frage: Wurden Vorschläge und Stellung-
nahmen von Bundesminister Trittin zu diesem Thema als
Rüstzeug für den Bundeskanzler und den Bundesaußen-
minister gemacht, damit sie für die Verhandlungen zur
EU-Osterweiterung gerüstet waren?

K
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501509600


Sie werden verstehen: Ich kann zu den Äußerungen
von Herrn Trittin keine Stellung nehmen, weil ich nicht
anwesend war und weil ich über das, wovon Sie jetzt re-
den, nichts gelesen habe.

Ich kann Ihnen ausführlich Auskunft darüber geben,
was die Zukunft von Temelin angeht, auch angesichts der
Beratungen des Europäischen Rates in Kopenhagen, und
kann Ihnen versichern, dass uns dies ein Anliegen ist. Sie
wissen, die Bundesregierung hat ursprünglich den öster-
reichischen Vorschlag eines Protokolls zum Beitrittsver-
trag unterstützt. Wir konnten uns damit bei den Partnern
nicht durchsetzen. Umso wichtiger ist deswegen der Mo-
nitoringprozess im Hinblick auf Temelin.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501509700

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Rose.


Dr. Klaus Rose (CSU):
Rede ID: ID1501509800

Stimmt es, Frau Staatsministerin, dass die deutsche

Bundesregierung auf dem Gipfel in Kopenhagen zum ei-
nen massiv dafür eingetreten ist, dass Tschechien keine
Zugeständnisse bei den gewünschten Verbesserungen im
Kabotagebereich gemacht wurden, dass sie sich auf der
anderen Seite zum Thema Temelin, bei dem sie vorher im-
mer gesagt hat, dass sie alles tun werde, überhaupt nicht
geäußert hat?

K
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501509900


Das ist nicht richtig. Ich habe gerade schon gesagt:
Deutschland hat den ursprünglich österreichischen Vor-
schlag eines Protokolls zum Beitrittsvertrag unterstützt,
durch das das bilaterale Melker Abkommen mit dem Bei-
trittsvertrag verknüpft werden sollte. Erst als absehbar
war, dass dieser Vorschlag im Kreis der übrigen 13 Mit-
gliedstaaten nicht durchsetzbar war, hat sich Deutschland,
wie übrigens auch Österreich, mit der Aufnahme einer

entsprechenden Passage in die Schlussfolgerungen des
Vorsitzes begnügt. Die überwältigende Zahl der Mitglied-
staaten war der Meinung, dass ein bilaterales Abkommen
nicht mit einem multilateralen EU-Vertrag verknüpft wer-
den sollte. Einige Mitgliedstaaten befürchteten durch ein
solches Protokoll darüber hinaus eine stillschweigende
Ausweitung der EU-Kompetenzen im Bereich nuklearer
Sicherheit. Aber um das noch einmal deutlich zu machen:
Wir haben Österreich sehr deutlich unterstützt.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501510000

Wir sind am Ende des Geschäftsbereichs des Auswär-

tigen Amtes. Vielen Dank, Frau Staatsministerin.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums

des Innern auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentari-
sche Staatssekretär Fritz Rudolf Körper bereit.

Ich komme zu Frage 10 des Abgeordneten Dr. Ole
Schröder:

Inwieweit ist sich die Bundesregierung mit den anderen Mit-
gliedstaaten der EU im Ministerrat über die Verpflichtung einig,
Asylbewerbern den Zugang zum Arbeitsmarkt zu gestatten, so-
bald die Dauer ihres Asylverfahrens in der ersten Instanz, begin-
nend mit der Antragstellung beim Bundesamt für die Anerken-
nung ausländischer Flüchtlinge, ein Jahr überschreitet?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501510100


Herr Kollege Schröder, wir hatten diesbezüglich
schon heute Morgen miteinander im Innenausschuss ge-
sprochen. Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Der Rat der
Justiz- und Innenminister hat sich in seiner Sitzung am
28. November 2002 im Rahmen des Richtlinienentwurfs
für Mindestnormen zur Aufenthaltsbedingung für Asylbe-
werber bezüglich des Arbeitsmarktzuganges auf folgende
Formulierung geeinigt – ich zitiere wörtlich –:

Ist nach einem Jahr noch keine Entscheidung über
den Antrag in erster Instanz ergangen und ist diese
Verzögerung nicht durch Verschulden des Antrag-
stellers bedingt, so legen die Mitgliedstaaten die Be-
dingungen für den Arbeitsmarktzugang fest.

Ich möchte hinzufügen, dass diese Formulierung und
diese Entscheidung im Einvernehmen mit dem Vertreter
der Bundesländer, mit dem Bremer Innensenator
Dr. Kuno Böse, erfolgte. Sie gewährleistet ein hohes Maß
an Flexibilität für die Mitgliedstaaten.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501510200

Ihre erste Zusatzfrage, bitte.


Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1501510300

Herr Staatssekretär, ist es richtig, dass dadurch Asylbe-

werber, deren Verfahren ein Jahr dauert, grundsätzlich
Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt bekommen werden
und dass die Kompetenz damit nicht mehr bei den Natio-
nalstaaten liegt, sondern dass diese Frage damit grund-
sätzlich auf europäischer Ebene geregelt ist?

Staatsministerin Kerstin Müller

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501510400


Herr Schröder, dazu ist Folgendes festzuhalten: Streit
gab es in der Ausgangssituation in der EU beispielsweise
darüber – das habe ich Ihnen heute Morgen dargelegt –,
ob die EU das Recht hat, den Zugang zum Arbeitsmarkt
grundsätzlich zu regeln und zu bestimmen. Deutschland
hatte eine relativ isolierte Position. Der Streit hierüber ist
mit der zitierten Formulierung beigelegt worden. Ich füge
hinzu, dass sich aufgrund dieses Beschlusses und der ge-
fundenen Regelung an der bisherigen, derzeit bestehen-
den Rechtssituation in Deutschland nichts ändert. Das
heißt, der Vollzug wird nach der derzeitigen Rechtslage
gehandhabt, womit wir alle Möglichkeiten offen haben.


Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1501510500

Geben Sie mir Recht, dass die derzeitige Rechtslage da-

mit festgeschrieben wird und wir auf nationaler Ebene nicht
mehr in der Lage sein werden, die aktuelle Rechtslage, die
auch durch Verordnungen geregelt wird, zu ändern? Ist es
dann nicht so, dass von nun an das Ob auf europäischer
Ebene geregelt wird und dass Asylbewerber grundsätzlich
Zugang zum Arbeitsmarkt bekommen werden?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501510600


Die auf europäischer Ebene gefundene Entscheidung
lässt die Frage des Wie der Regelung offen und belässt sie
weiterhin in der Kompetenz des Mitgliedstaates.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501510700

Wir kommen nun zu der Frage 11 des Abgeordneten

Dr. Schröder:
Mit welchen Auswirkungen auf den deutschen Arbeitsmarkt,

auch im Hinblick auf die Zahl der betroffenen Asylbewerber, wird
seitens der Bundesregierung für den Fall des In-Kraft-Tretens ei-
ner solchen oder ähnlich lautenden Regelung gerechnet?

Bitte schön, Herr Staatssekretär.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501510800


Herr Schröder, diese Frage kann ich relativ kurz beant-
worten. Die vorgenannte Formulierung erlaubt – das habe
ich eben schon einmal erwähnt – die Beibehaltung der
deutschen Rechtslage. Zur Frage des Arbeitsmarktzu-
gangs für Asylbewerber: Mit Auswirkungen auf den deut-
schen Arbeitsmarkt ist aufgrund der neuen Bestimmungen
der Richtlinie nicht zu rechnen. Ich füge hinzu: Es bleibt
bei den Möglichkeiten des derzeitigen nationalen Rechts.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501510900

Bitte schön, Herr Kollege.


Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1501511000

Sie haben mir indirekt meine Nachfrage beantwortet,

nämlich dass das Ob nicht mehr auf nationaler Ebene ge-

regelt wird. In meiner Frage hatte ich um Auskunft über
die Zahl der von dieser Regelung betroffenen Asylbewer-
ber gebeten.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501511100


Das Ob ist an dieser Stelle überhaupt nicht entschei-
dend, weil das Ob im nationalen Recht geregelt ist. Es ist
nun eine interpretatorische Maßgabe, wie die Frage der
Bedingung auszulegen ist. Die Länder haben dieser For-
mulierung auch deswegen zugestimmt, weil die interpre-
tatorischen Möglichkeiten beim Wie vorhanden sind.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501511200

Nun haben Sie noch eine Zusatzfrage.


Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1501511300

Sie haben meine Frage nicht beantwortet, auf wie viele

Asylbewerber diese neue Regelung überhaupt anwendbar
ist. Ich möchte eine Zahl wissen.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501511400


Sie ist auf diejenigen anwendbar, die in diesen Zeit-
raum fallen. Das ist immer unterschiedlich. Wie sich das
aktuell im Dezember kurz vor Weihnachten 2002 dar-
stellt, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich werde Ihnen die ge-
naue Zahl gerne mitteilen, wenn dies möglich ist. Aber ich
glaube, das ist nicht der entscheidende Punkt, weil unab-
hängig von der Zahl die Möglichkeit zur Anwendung un-
seres Rechts nach wie vor vorhanden ist. Beim Zugang
und den Zugangsmöglichkeiten zum Arbeitsmarkt gibt es
keine Veränderungen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501511500

Wir kommen zur Frage 12 des Abgeordneten Hartmut

Koschyk:
Welche Staaten hat das Bundesministerium des Innern, BMI,

im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt, AA, gemäß § 64 a
Abs. 4 Ausländergesetz, AuslG, „Angehörige bestimmter Staa-
ten“, durch allgemeine Verwaltungsvorschrift bestimmt, und wel-
che sind die in § 64 a Abs. 4 AuslG genannten „bestimmten Per-
sonengruppen“, „Angehörigen von in sonstiger Weise bestimmten
Personengruppen“?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501511600


Lieber Herr Koschyk, bei dieser allgemeinen Verwal-
tungsvorschrift handelt es sich um eine Verschlusssache,
deren Inhalt mit Rücksicht auf die Vertraulichkeit der
Regelung nicht öffentlich gemacht werden kann. Das
muss ich Ihnen als Antwort auf diese Frage leider sagen.
Dass ich nicht auskunftsfreudiger sein darf, tut mir aus-
drücklich Leid.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501511700

Bitte schön, Herr Kollege Koschyk.


(A)



(B)



(C)



(D)


1136


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1137


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1501511800

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, sind Sie dann bereit,

mir diese Frage unter der entsprechenden Einstufung als
Mitglied des Innenausschusses schriftlich zu beantwor-
ten?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501511900


Lieber Herr Koschyk, bei aller Freundschaft kann ich
das nicht tun. Ich habe mich mit der Frage beschäftigt, ob
eine solche Mitteilung überhaupt gemacht werden kann.
Ich will gerne überprüfen, ob dies in dieser Form möglich
ist. In der Regel habe ich vor Ihnen keine Geheimnisse,
weil ich weiß, dass man sich auf Sie verlassen kann.


(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501512000

Zweite Zusatzfrage.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1501512100

Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. – Unabhängig

von dieser Überprüfung möchte ich gerne wissen, wel-
ches Gremium im Parlament über den Gegenstand meiner
Frage informiert wird.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501512200


Lassen Sie mich die Frage so beantworten: Ich werde
Sie nach Überprüfung über die Entscheidung unterrich-
ten, welches Gremium über den Gegenstand Ihrer Frage
informiert wird. Ich gebe Ihnen offen zu, dass das nicht
ganz einfach ist.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501512300

Wir kommen zur Frage 13 des Abgeordneten Hartmut

Koschyk:
Wie viele Visa hat das AA bzw. Ausnahmevisa hat das Bun-

desministerium des Innern seit dem 11. September 2001 an Staats-
angehörige aus den in Frage 12 in Bezug genommenen Staaten
ausgestellt?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501512400


Herr Kollege Koschyk, die Aufschlüsselung der erteil-
ten Visa erfolgt nicht nach Nationalität, sondern nach
Auslandsvertretungen. Deswegen können im Folgenden
nur gerundete Angaben zu den Visa, die Staatsangehöri-
gen von Risikostaaten im Sinne von § 64 a Ausländerge-
setz erteilt wurden, gemacht werden.

Die Auslandsvertretungen in den betroffenen Staaten
haben in der Zeit vom 1. Oktober 2001 bis zum 1. Okto-
ber 2002 insgesamt 314 821 Visa ausgestellt. Nur in we-
nigen Einzelfällen hat das Bundesinnenministerium aus-
nahmsweise sich selbst die Entscheidung über die
Erteilung von Ausnahmesichtvermerken vorbehalten; das

heißt, die Ausnahmesichtvermerke werden nicht, wie üb-
lich, durch die Grenzbehörden selbst erteilt. Es handelt
sich hierbei, wie gesagt, um sehr wenige Einzelfälle.

Voraussetzung für den Entscheidungsvorbehalt des
BMI ist, dass es sich um Fälle von nationalem Interesse
handelt. Es dürfte sich um ungefähr zehn Fälle seit In-
krafttreten der Verwaltungsvorschrift zu § 64 a Auslän-
dergesetz handeln.

Im Zeitraum zwischen dem 11. September 2001 und
dem Inkrafttreten der Verwaltungsvorschrift zu § 64 a Aus-
ländergesetz wurde die Erteilung von Ausnahmesichtver-
merken für bestimmte Personengruppen – zum Teil waren
die Gruppen, für die ein besonderes Verfahren gilt, nicht
mit denjenigen deckungsgleich, die nunmehr durch die
Verwaltungsvorschrift zu § 64 a Ausländergesetz festge-
legt sind – durch entsprechende Erlasse geregelt. In diesem
Zeitraum erfolgte die Erteilung von Ausnahmesichtver-
merken in Fällen, in denen sich das Bundesinnenministe-
rium die Entscheidung vorbehalten hatte, circa 50-mal. In
dieser Zahl sind allerdings Personen enthalten, die bereits
über ein Visum verfügten, das nur hinsichtlich der Gültig-
keit zeitlich und räumlich erweitert wurde.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501512500

Bitte schön, Herr Kollege Koschyk.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1501512600

Herr Staatssekretär, die Zahl der erteilten Visa für An-

tragsteller aus Risikostaaten, wie Sie sie genannt haben,
liegt insgesamt in einer nicht unbeträchtlichen Höhe. Wie
stellt die Bundesregierung eigentlich sicher, dass die
Empfänger der Visa in Deutschland nicht Gefahren ver-
wirklichen, wegen derer ihr Herkunftsland entsprechend
eingestuft worden ist?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501512700


Sie wissen, dass damit ein bestimmtes Verfahren ver-
bunden ist; es geht dabei um die Nachfrage. Wir sind der-
zeit dabei, mit den Ländern eine Regelung zu treffen, um
entsprechende Nachfragen gründlich und gut beantworten
zu können.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501512800

Sie haben noch eine zweite Zusatzfrage.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1501512900

Herr Staatssekretär, heißt das, dass in solchen Fällen in

Abstimmung mit den Ländern auch eine Beobachtung er-
folgen wird?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501513000


Nein. Zuerst erfolgt eine Rückfrage, ob entsprechende
Kenntnisse vorliegen. Davon wird die Entscheidung

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002
Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper
abhängig gemacht. Es genügt nicht, zu fragen, welche
Kenntnisse beispielsweise dem Bundesamt für Verfas-
sungsschutz vorliegen, sondern es ist auch die Frage zu
stellen, was auf Länderebene in einzelnen Behörden über
bestimmte Personen bekannt ist. Die entsprechenden In-
formationen müssen zusammengeführt werden. Das ist
im Grunde auch Sinn und Zweck dieser Maßnahme.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501513100

Wir kommen zu Frage 14 der Abgeordneten Petra Pau,

fraktionslos.
Treffen Meldungen zu, nach denen ein verdeckter Ermittler

des Bundesgrenzschutzes – BGS – während eines Castor-Trans-
portes im November dieses Jahres eine Besetzung der ICE-
Strecke Hamburg–Hannover am 13. November 2002 mit geplant
und – mit Wissen der zuständigen Einsatzleitung des BGS – auch
durchgeführt hat und damit eine lebensbedrohende Situation für
Zugreisende, Polizeibeamte und Besetzer bewusst in Kauf ge-
nommen hat, und wenn ja, welche Kenntnis hat die Bundesregie-
rung über diesen Vorgang?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501513200


Frau Kollegin Pau, ich könnte zunächst kurz und knapp
antworten: Die Meldungen treffen nicht zu. Der Bundes-
grenzschutz setzt keine verdeckten Ermittler ein. Zum
Zwecke der Gefahrenabwehr setzt er allerdings gemäß
§ 21 des Bundesgrenzschutzgesetzes Beamte in Zivilklei-
dung ein, um im Ausnahmefall Informationen zu gewinnen,
wenn ohne diese die Erfüllung der dem BGS obliegenden
präventiven Aufgaben gefährdet oder erheblich erschwert
würde. Solche Einsätze von Polizeibeamten in Zivilklei-
dung sind übrigens auch bei den Länderpolizeien üblich.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Das ist auch gut so!)


– Das ist in der Tat gut so. Ich war doch noch nicht so weit.
Ich komme jetzt zum 13. November 2002. Im Zeitraum

von etwa 10.50 Uhr bis etwa 11 Uhr – Sie sehen, wie prä-
zise ich hier bin – hielten sich circa 40 Personen auf den
Gleisen der ICE-Strecke Hamburg–Hannover auf und
zwangen so den Intercity Nr. 71 – man beachte die Ge-
nauigkeit – zu einem Nothalt. Ein BGS-Beamter in Zivil-
kleidung hatte sich im Auftrag seiner Einsatzleitung bei
dieser Gruppe aufgehalten, um Ort und Zeit einer Gleis-
blockade im Raum Lüneburg zu erfahren, die diese
Gruppe durchführen wollte.

Als die Gruppe wenige Minuten vorher telefonisch
zum Aktionsbeginn abberufen wurde, informierte dieser
BGS-Beamte unverzüglich seine Einsatzleitung, um eine
Gefährdung von Personen durch den Zugverkehr auszu-
schließen und die Gleisblockade zu verhindern. Diese
Meldung war maßgeblich dafür, dass der Bundesgrenz-
schutz den Nothalt des Intercitys veranlasste und zeit-
gleich mit Unterstützung der Landespolizei die Personen
von den Gleisen entfernen konnte. Eine lebensbedro-
hende Situation für Zugreisende, Polizeibeamte und Be-
setzer hat der BGS somit verhindert.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501513300

Bitte schön, Frau Kollegin Pau.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1501513400

Ich bin von der Genauigkeit der Daten beeindruckt. Al-

lerdings wüsste ich sehr gern, zu welchem Zeitpunkt und
in welchem Umfang die Behörden des Landes Nieder-
sachsen und auch die zuständigen Stellen der Deutschen
Bahn über den Einsatz dieses Beamten und über die Ab-
sicht, dieses Gleis zu besetzen, informiert wurden bzw.
warum die Gleisbesetzung, welche zur Vollbremsung ge-
führt hat, nicht verhindert wurde.

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501513500


Wer über diese Gleisbesetzung entschieden hat, müs-
sen Sie andere fragen. Jedenfalls war diese Maßnahme ab-
gestimmt. Ich wiederhole mit Hinweis auf das vorher Ge-
sagte: Es ist keine ungewöhnliche Maßnahme gewesen,
dass ein Bundesgrenzschutzbeamter seinen Dienst in Zi-
vil verrichtete. Ich denke, auch das Ergebnis dieses Ein-
satzes führt dazu, dass man von der Richtigkeit dieser
Maßnahme überzeugt sein kann.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501513600

Sie haben noch eine zweite Frage.


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1501513700

Zuerst stelle ich fest, dass wir hier nicht übereinstim-

men; denn wenn der Zug nicht hätte bremsen müssen,
wäre sicherlich überhaupt keine Gefährdung – weder der
Besetzer noch der Zugreisenden – aufgetreten.

Mir liegt das Protokoll der Sitzung des Niedersächsi-
schen Landtags aus der vergangenen Woche vor, in der
sich der niedersächsische Innenminister zumindest ver-
wundert darüber geäußert hat, dass er nicht informiert
wurde, und in der er bestätigt hat, dass es staatsanwalt-
schaftliche Ermittlungen gegen diesen BGS-Beamten
gibt, weil er offensichtlich seine Befugnisse überschritten
hat. Ich möchte von Ihnen noch einmal wissen: Mit wel-
chem Auftrag hat dieser BGS-Beamte gehandelt und kön-
nen Sie bestätigen, dass er über seinen Auftrag nicht hi-
nausgegangen ist?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501513800


Ich kann nicht bestätigen, dass er über seinen Auftrag
hinausgegangen ist. Ich kann nur bestätigen, dass dieser
BGS-Beamte seinen Einsatz entsprechend verrichtet hat.
Warum sich der niedersächsische Innenminister so ge-
äußert hat


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Haben soll!)


– das ist richtig; mir liegt der entsprechende Protokoll-
auszug nicht vor –, ist, glaube ich, völlig unwichtig. Wich-


(A)



(B)



(C)



(D)


1138


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1139

tig ist vielmehr, dass dies Bestandteil einer Einsatzmaß-
nahme war, die sich im Grunde genommen als richtig er-
wiesen hat. Ich gehe davon aus, dass auch das eingeleitete
Ermittlungsverfahren – ein solches Verfahren wurde übri-
gens nicht nur in diesem Einzelfall eingeleitet – zur Auf-
klärung des Tatbestandes beitragen wird.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501513900

Herr Kollege Carstensen, Ihre Zusatzfrage.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1501514000

Herr Staatssekretär, hat der gerade erwähnte Beamte,

der sehr couragiert gehandelt und ordentlich gearbeitet
hat, eine – wie ich meine: berechtigte – Belobigung be-
kommen?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501514100


Herr Carstensen, dieser Beamte verdient unsere volle
Unterstützung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501514200

Wir kommen zu Frage 15 der Abgeordneten Petra Pau,

fraktionslos:
Hat der Rat der Europäischen Union auf Vorschlag der Gruppe

„Terrorismus“ und der Mitgliedstaaten, die dem Verwaltungsrat
von Europol angehören, zur Finanzierung bestimmter Maßnah-
men von Europol im Rahmen der Zusammenarbeit bei der Terro-
rismusbekämpfung seit dem 11. September 2001 weitere beson-
dere Mittel beschlossen und, wenn nicht, warum wurden diese
Mittel nicht beschlossen?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1501514300


Frau Pau, bei dem in Ihrer Frage angesprochenen Vor-
schlag zur Finanzierung bestimmter Maßnahmen von Eu-
ropol im Rahmen der Zusammenarbeit bei der Terroris-
musbekämpfung handelt es sich um einen Vorschlag der
EU-Kommission und nicht etwa – das ist ganz wichtig –
der Mitgliedstaaten oder der Ratsgruppe „Terrorismus“.
Der Kommissionsvorschlag sieht für bestimmte Maßnah-
men von Europol zur Terrorismusbekämpfung eine Fi-
nanzierung aus dem EU-Haushalt vor. Dies würde gegen
das in Art. 35 des Europol-Übereinkommens festge-
schriebene Prinzip der Finanzierung von Europol aus
Beiträgen der Mitgliedstaaten verstoßen. An diesem Prin-
zip will die Mehrzahl der Mitgliedstaaten – ich bekenne
freimütig: auch wir – festhalten. Der Kommissionsvor-
schlag wurde dem Rat bislang nicht zur Beschlussfassung
vorgelegt. Okay?


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501514400

Sie haben keine Zusatzfragen, Frau Pau? – Damit sind

wir am Ende der Behandlung der Fragen zum Geschäfts-

bereich des Bundesministeriums des Innern. Vielen Dank,
Herr Staatssekretär.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht die Parla-
mentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks bereit.

Die Fragen 16 und 17 des Kollegen Dietrich
Austermann werden schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 18 des Kollegen Norbert Schindler
auf:

Wie gedenkt die Bundesregierung sicherzustellen, dass bei der
im Entwurf des Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen
und Ausnahmeregelungen, Steuervergünstigungsabbaugesetz –
StVergAbG, geplanten Streichung des § 24 Umsatzsteuergesetz,
UStG, der bisher eine Besteuerung mittels Durchschnittssätzen für
land- und forstwirtschaftliche Betriebe ermöglicht, der in der Be-
gründung des Gesetzentwurfs angeführte Beitrag zur Steuerver-
einfachung und Entbürokratisierung für circa 400 000 land- und
forstwirtschaftliche Betriebe tatsächlich erreicht wird, wenn diese
ein Umsatzsteuerverfahren anwenden müssen, das für alle Be-
triebe einen zusätzlichen zeitlichen und buchhalterischen Auf-
wand bedeutet, während alle anderen EU-Mitgliedstaaten eine
Pauschalierungsregelung für die Landwirtschaft praktizieren?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501514500


Lieber Kollege Schindler, die Bundesregierung hat am
20. November 2002 den Entwurf eines Gesetzes zum Ab-
bau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelun-
gen beschlossen. In dem Entwurf ist die Absenkung des
Durchschnittssatzes für die „übrigen Umsätze“ im Sinne
des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Umsatzsteuergesetz und der
Vorsteuerpauschale für die nicht in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Umsatzsteuergesetz bezeichneten Umsätze der land- und
forstwirtschaftlichen Betriebe um zwei Prozentpunkte
von 9 vom Hundert auf 7 vom Hundert vorgesehen. Da-
mit bleibt die Durchschnittssatzbesteuerung des § 24 Um-
satzsteuergesetz als Sonderregelung zu den allgemeinen
Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes erhalten.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501514600

Bitte schön, Ihre Zusatzfrage.


Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1501514700

Frau Hendricks, Sie wissen, dass nach den Zahlen für

die anderen Bereiche – das geht von der Forstwirtschaft
bis hin zu Blumen – eine Vorsteuerpauschale von 12 Pro-
zent berechtigt sein würde. Sie haben vor vier Jahren mit
Karl-Heinz Funke festgestellt – der Regierung gehörten
Sie damals an; das war noch in Bonn –: Die Festlegung
von 9 Prozent im Verhältnis zu 16 Prozent ist eine ver-
nünftige Entscheidung. Das gilt auch für die anderen Pro-
dukte des gesonderten Bereichs.

Jetzt wird es eine Belastung großen Ausmaßes geben.
Wenn eine gute Pauschalregelung vom Berufsstand mit
getragen wurde – einige hatten einen extremen Vorteil;
viele andere waren bereit, einen geringeren Steuervorteil
in Kauf zu nehmen, um Bürokratieaufwand zu sparen –,
dann ist doch die Frage, ob man die Neuregelung verant-
worten kann.

Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501514800


Es gibt keine makroökonomischen Daten über die Aus-
wirkungen. Die Ermittlung der tatsächlichen Vorsteuerbe-
lastung zum Beispiel anhand der makroökonomischen
Daten der letzten Jahre für die Landwirte, die von der Pau-
schale Gebrauch machen, ist zwischen den Fachleuten,
auch den Fachleuten des Bundesministeriums der Finan-
zen und des Bundesministeriums für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft, immer strittig geblieben.

Die Tatsache, dass nur 7 Prozent aller Landwirte, also
30 000, zur Regelbesteuerung optieren, aber 93 Prozent,
also 380 000, die Pauschale in Anspruch nehmen, könnte
ein Zeichen dafür sein, dass die tatsächliche Vorsteuerbe-
lastung in den allermeisten Fällen unterhalb der jetzigen
Pauschale in Höhe von 9 Prozent liegt. Nach früheren
Feststellungen des Bundesrechnungshofs weist die
tatsächliche Vorsteuerbelastung der Landwirte, die von
der Pauschale Gebrauch machen, eine Bandbreite von 3
bis 11 Prozent auf.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501514900

Ihre zweite Zusatzfrage, bitte.


Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1501515000

Gehen Sie auch so sicher wie ich davon aus, dass wir

dies im Vermittlungsausschuss „wegputzen“ werden?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501515100


Ich bin sicher, dass dies im Vermittlungsausschuss zum
Thema werden wird.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501515200

Ich rufe die Frage 19 des Abgeordneten Norbert

Schindler auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung unter dem Aspekt der in der

Landwirtschaft gewünschten und von der Bundesministerin für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate
Künast, propagierten Direktvermarktung, insbesondere bei bäuer-
lichen und Betrieben mit ökologischem Anbau, und der Diversifi-
zierung den Sachverhalt, dass die Bundesregierung selbst im Ent-
wurf des Steuervergünstigungsabbaugesetzes die Möglichkeit der
steuerlichen Absetzbarkeit von Werbemitteln und Geschenken bis
zur Höhe von 40 Euro als Betriebsausgabe abschaffen will, ob-
wohl sich in der Vergangenheit viele, vor allem kleinere, bäuerli-
che Betriebe sowie Winzer und Brenner in diesem Bereich erfolg-
reich etabliert haben, weil ihre Produkte sich hervorragend als
Präsente eignen, und diese Kleinunternehmen jetzt schlagartig
– im Vorgriff auf das geplante Gesetz schon heute – ihrer Absatz-
märkte beraubt werden?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501515300


Durch die Streichung der 40-Euro-Grenze zur Abzieh-
barkeit von Geschenken soll vermieden werden, dass
Kosten der privaten Lebensführung in den betrieblichen
Bereich verlagert werden. Mir ist bewusst, dass sich ein-
zelne Branchen sehr weitgehend auf solche Geschenke

spezialisiert haben. Speziell bei der Werbeartikelindustrie
liegt es auf der Hand. Aber es gibt natürlich auch andere
Branchen, die bei solchen Geschenken führend sind. Den-
ken Sie an Lederwaren oder Schneidwaren. Auch Winzer
oder Brenner haben sich darauf spezialisiert, Geschenk-
produkte für Betriebe anzubieten. Trotzdem müssen wir
darauf achten, dass Kosten der privaten Lebensführung
nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Darauf be-
ruht der Vorschlag der Bundesregierung in ihrem Gesetz-
entwurf.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501515400

Eine Zusatzfrage, bitte.


Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1501515500

Da müssen Sie mir bitte etwas erklären, Frau Staatsse-

kretärin Hendricks. Wenn ich in der „FAZ“ oder in der
„taz“ in Berlin oder in der „Bild“-Zeitung Anzeigen
schalte und darüber Kundenpflege betreibe, dann ist das
nach wie vor als Werbeausgabe voll steuerlich zu berück-
sichtigen. Wenn ich dagegen individuell sehr gezielt Kun-
denpflege betreibe, dann soll die neue Regelung Ihrer
Vorlage gelten. Hat das nicht etwas mit sozialistischen
Neideffekten zu tun?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501515600


Nein, Herr Kollege, das hat sicherlich nichts mit sozia-
listischen Neideffekten zu tun. Es ist zweifellos ein prin-
zipiell unterschiedlicher Vorgang, ob man eine Anzeige
liest oder eine geschenkte Flasche Wein trinkt.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501515700

Herr Kollege, Sie hatten bereits zwei Zusatzfragen ge-

stellt. Daher jetzt bitte der Kollege Carstensen.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1501515800

Frau Staatssekretärin, ist es richtig, dass Sie am Don-

nerstag Winzer aus dieser Branche auf Vermittlung des
Kollegen Herzog empfangen werden und denen schon an-
gedeutet worden ist, dass ein Teil der sie betreffenden Re-
gelungen zurückgenommen werden soll?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501515900


Ich gehe davon aus, dass sich die Koalitionsfraktionen
im Gesetzgebungsverfahren dieser Regelung noch einmal
annehmen werden. Deren Entwurf wird ja zurzeit im Fi-
nanzausschuss des Deutschen Bundestages behandelt.
Der erste Durchgang dürfte jetzt wohl ungefähr beendet
sein; ich musste ja hierher und konnte nicht bis zum Ende
des ersten Durchgangs der Beratungen über diesen Ge-
setzentwurf im Finanzausschuss bleiben.

Die Koalitionsfraktionen haben verabredet, sich nach
der für den 15. Januar nächsten Jahres geplanten An-
hörung noch einzelne Vorschläge dieses Gesetzentwurfes


(A)



(B)



(C)



(D)


1140


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1141

im Einzelnen anzusehen. Dazu mag auch die Frage der
Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für Werbeartikel und
Geschenke gehören.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501516000

Wir kommen zur Frage 20 des Abgeordneten Peter Harry

Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1501516100


Wie viele Landwirte werden nach Einschätzung der Bundes-
regierung infolge der beabsichtigten Absenkung des Pauschalie-
rungssatzes von 9 auf 7 Prozent und der gleichzeitigen Anhebung
des Umsatzsteuersatzes auf wichtige landwirtschaftliche Vor-
produkte wie Saatgut, Futtermittel, Stroh und Lebendvieh von der
Pauschalbesteuerung nach § 24 Umsatzsteuergesetz zur Regel-
besteuerung wechseln?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501516200


Sollte die tatsächliche Vorsteuerbelastung zum Bei-
spiel aufgrund der Anhebung des Steuersatzes für den Er-
werb landwirtschaftlicher Vorprodukte steigen, können
die betroffenen Land- und Forstwirte jederzeit zur ergeb-
nisneutralen Regelbesteuerung optieren. Die Entschei-
dung, welche Besteuerungsform – also ergebnisneutrale
Regelbesteuerung oder Durchschnittssatzbesteuerung nach
§ 24 Umsatzsteuergesetz – die für einen Land- und Forst-
wirt günstigere ist, kann jeder anhand seiner spezifischen
wirtschaftlichen Situation selber treffen. Eine genaue
Zahl der von der Pauschalierung hin zur Regelbesteue-
rung wechselnden Landwirte kann deshalb zurzeit nicht
genannt werden.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501516300

Zusatzfrage.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1501516400

Frau Staatssekretärin, können Sie mir bitte sagen, bei

welchem Satz nach Berechnung des Finanzministeriums
und auch nach Berechnung des Landwirtschaftsministe-
riums im Moment die Vorsteuerpauschale liegen müsste,
wenn die Vorstellungen der Bundesregierung, einen
Großteil des einzukaufenden Futters und Saatgutes sowie
viele andere Dinge nicht mehr mit 7 Prozent, sondern mit
16 Prozent Mehrwertsteuer zu belegen, Wirklichkeit wer-
den?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501516500


Ich sagte ja auf die Frage des Kollegen Schindler, hatte
aber zugleich auch die Ehre, es dem ganzen Haus zu sa-
gen, dass diese Berechnungen unter den Fachleuten im-
mer umstritten geblieben sind und dass der Bundesrech-
nungshof von einer Bandbreite von 3 bis 11 Prozent
ausgegangen ist. Es gibt sicherlich keine punktgenaue
Berechnungsmöglichkeit.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501516600

Zweite Zusatzfrage.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1501516700

Frau Staatssekretärin, stimmen Sie mir zu, dass – ganz

gleich ob ich das nun punktgenau berechnen kann – in-
folge der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Vorprodukte
der Landwirtschaft – Futtermittel, Saatgut und ähnliche
Dinge – die Vorsteuerpauschale auf jeden Fall höher sein
müsste, als sie jetzt ist? Wobei sich da auch die Frage
stellt, ob sie zurzeit überhaupt korrekt festgelegt ist.

Können Sie mir außerdem zustimmen, dass die Absen-
kung der Vorsteuerpauschale von 10 auf 9 Prozent vor vier
Jahren von der Bundesregierung damit begründet wurde,
dieses sei der Beitrag der Landwirte zur Konsolidierung
des Haushaltes?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501516800


Herr Kollege Carstensen, im Einzelnen kann ich mich
an diese Begründung nicht mehr so genau erinnern. Ich
kann mich aber sehr wohl daran erinnern, dass kurz vor-
her, ohne eine eigentlich durchschlagende Begründung,
diese Vorsteuerpauschale von 9 auf 10 Prozent angehoben
worden war und sie nur zurückgeführt wurde.

Selbstverständlich wird dann, wenn landwirtschaft-
liche Vorprodukte mit dem normalen Mehrwertsteuersatz
belegt werden, das Interesse der Landwirte, in die Regel-
besteuerung zu wechseln, größer sein. Dies mag ihnen
überlassen sein. Deswegen ist die Vorsteuerpauschale
tatsächlich nichts anderes als ein Vereinfachungsinstru-
ment. Wenn die Landwirte dieses Vereinfachungsinstru-
ment nutzen wollen, so mögen sie es auch in Zukunft tun.
Es ist aber natürlich ergebnisunabhängig möglich, zur Re-
gelbesteuerung zu optieren, sodass ein wirtschaftlicher
Nachteil nicht zu erwarten ist.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501516900

Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Connemann.


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1501517000

Sie sagen, der Übergang in die Regelbesteuerung

bleibe den Landwirten überlassen. Meinen Sie nicht, dass
die bisherige Pauschalierungsmöglichkeit bei der Um-
satzsteuer durch die Änderung des § 24 Umsatzsteuer-
gesetz in der angedachten Form ausgehöhlt wird und
die Betriebe praktisch gezwungen werden, in die Regel-
besteuerung überzuwechseln?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501517100


Gezwungen werden sie selbstverständlich nicht. Es
kommt auf den jeweiligen Betrieb an. Es kommt bei-
spielsweise darauf an, wie umfangreich die in dem Be-
trieb geleisteten Investitionen sind. Es kann sein, dass der
Vorsteuerabzug in der Regelbesteuerung günstiger ist.

Sie dürfen auch nicht vergessen, dass es bei der Um-
satzsteuer eine Kleinstunternehmerregelung gibt. Wenn
jemand zur Regelbesteuerung optiert und unter die Um-
satzsteuerregelung für Kleinstunternehmer fällt – ich

Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002
Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
glaube, sie gilt für Betriebe mit Umsätzen in einer
Größenordnung von unter 16 621 Euro im vorangegan-
genen Jahr – ist er von der Umsatzsteuer befreit. Dadurch
wird bei den meisten Nebenerwerbslandwirten, die zur
Regelbesteuerung optiert haben, die Umsatzsteuer nicht
erhoben.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501517200

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Deß.


Albert Deß (CSU):
Rede ID: ID1501517300

Frau Staatssekretärin Dr. Hendricks, halten Sie es nicht

für einen Widerspruch, wenn einerseits Wirtschaftsminis-
ter Clement hier ankündigt, dass durch die Pauschalierung
auch bei Kleinbetrieben Bürokratie abgebaut werden soll,
aber andererseits bei der Landwirtschaft eine bewährte
Pauschalierung indirekt abgeschafft werden soll?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501517400


Herr Kollege Deß, die Pauschalierung wird nicht indi-
rekt abgeschafft. Gerade für die Kleinstunternehmen, die
nicht besonders investitionsstark sind, bleibt sie erhalten.
Die Pauschalierung ist eine Vereinfachungsregelung, die
aber in einer bestimmten Höhe – über diese Höhe wird
man sich naturgemäß nicht endgültig verständigen kön-
nen – einen Subventionstatbestand darstellt. Uns geht es
darum, diesen Subventionstatbestand zu minimieren.

Die Vereinfachungsregelung bleibt bestehen. Sollten die
Landwirte diese Vereinfachungsregelung nicht mehr in An-
spruch nehmen wollen, so ist das – untechnisch ausgedrückt
– „Umswitchen“ in die Regelbesteuerung möglich. In der
Finanzverwaltung ist das im Übrigen ein Massenverfahren.

Ich will eines deutlich sagen: Die meisten Landwirte
sind in der Lage, saubere Aufzeichnungen zu führen. Sie
müssen sie bereits jetzt führen, wenn sie bestimmte Un-
terstützungen vonseiten der EU erhalten wollen. Insofern
werden keine neuen Tatbestände geschaffen. Die früher
weit verbreitete Meinung, der Bauer könne kein Formular
ausfüllen, ist einfach falsch.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501517500

Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Peter Harry

Carstensen auf:
Welche Mehreinnahmen bei der Umsatzsteuer stehen dem

Verwaltungsmehraufwand für die neu regelbesteuerten Landwirte
gegenüber?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501517600


Herr Kollege Carstensen, die Umsatzsteuer ist in ihrer
wirtschaftlichen Wirkung eine allgemeine Verbrauch-
steuer, mit der grundsätzlich der gesamte private und öf-
fentliche Verbrauch, das heißt vom Letztverbraucher
erworbene Güter und in Anspruch genommene Dienstleis-
tungen, belastet wird. Danach ist die Umsatzsteuer auf der
Ebene der Unternehmer, die die Regelbesteuerung an-

wenden – das habe ich eben schon erwähnt –, ergebnis-
neutral. Darüber hinaus werden sich die zusätzlichen
Aufwendungen für die Finanzverwaltung in vertretbaren
Grenzen halten.

Nach Angaben des Bundesministeriums für Verbrau-
cherschutz, Ernährung und Landwirtschaft beträgt die
umsatzsteuerlich relevante Endproduktion der Landwirte,
die zur Pauschalierung optiert haben, 28,4 Milliarden Euro.
Die Vorsteuerpauschale von 9 Prozent bedeutet die steu-
erliche Berücksichtigung einer Vorsteuerbelastung der
Landwirte, die zur Pauschalierung optiert haben, in Höhe
von rund 2,6 Milliarden Euro. Eine Senkung der Pau-
schale von 9 auf 7 Prozent verringert dieses Volumen
rechnerisch um zwei Neuntel, das heißt um rund 600 Mil-
lionen Euro. Unsere Rechnung, die vonseiten des Bun-
desministeriums für Finanzen dem Entwurf des Gesetzes
zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahme-
regelungen zugrunde gelegt wurde, setzt aber nur ein
Mehraufkommen in Höhe von rund 200 Millionen Euro
an. Anders ausgedrückt: Es wird ein Abschlag von rund
zwei Dritteln vorgenommen, weil insbesondere Verhal-
tensreaktionen der betroffenen Landwirte, beispielsweise
die Option zum Wechsel in die Regelbesteuerung, berück-
sichtigt werden.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501517700

Zusatzfrage.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1501517800

Frau Staatssekretärin, gibt es in Ihrem Hause oder im

Hause des Landwirtschaftsministeriums – wir fragen die
Bundesregierung – Berechnungen darüber, wie sich der
Aufwand der Landwirte – Stichworte: Kosten für den
Steuerberater, Verwaltungsausgaben – verändert, wenn sie
in die Regelbesteuerung wechseln? Besteht bei Ihnen die
Vermutung, dass der Staat das Geld nicht einnimmt, Sie
dennoch zusätzliche Belastungen auf die Landwirte verla-
gern?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501517900


Ich kann diese Vermutung nicht bestätigen.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1501518000

Frau Staatssekretärin – wenn ich die zweite Zusatz-

frage stellen darf, Frau Präsidentin –, gehört diese Verän-
derung zu den von der Bundesministerin im Gespräch mit
dem Deutschen Bauernverband kritisierten Änderungen
aus dem Hause des Finanzministers, von denen sie gesagt
hat, dass sie – ich habe nicht den genauen Wortlaut –
handwerklich nicht sehr sauber und von nicht sehr viel
Sachverstand geprägt seien und dass sie dazu noch Ge-
spräche mit dem Finanzminister führen müsse?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501518100


Herr Kollege, ich war bei dem Gespräch der Bundes-
ministerin mit dem Bauernverband nicht dabei und kann


(A)



(B)



(C)



(D)


1142


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1143

deswegen nicht einmal den Tatbestand einer solchen
Äußerung, geschweige denn den Inhalt bestätigen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501518200

Frau Kollegin Connemann, Ihre Zusatzfrage.


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1501518300

Wie definieren Sie „vertretbar“?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501518400


Entschuldigung, ich weiß, dass ich Sie das jetzt eigent-
lich nicht fragen sollte, aber in welchem Zusammenhang
wollen Sie das Wort „vertretbar“ definiert haben?


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1501518500

Sie haben auf die Frage des Kollegen Carstensen ge-

antwortet, dass Sie den Verwaltungsmehraufwand als ver-
tretbar ansehen würden.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501518600


Ich halte ihn deswegen für vertretbar, weil im Prinzip
keine neuen oder allein zu diesem Zweck gemachten Auf-
zeichnungen erfolgen müssen; denn die Landwirte haben
aus anderen Gründen ohnehin Aufzeichnungen zu ma-
chen, die für diesen Zweck herangezogen werden können.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501518700

Wir kommen damit zur Frage 22 des Abgeordneten

Albert Deß:
Mit welchen Erstattungen an Landwirte für in den Vorjahren

geleistete Vorsteuern auf Güter des Anlagevermögens – Vorsteuer-
berichtigung – rechnet die Bundesregierung infolge des zu erwar-
tenden Wechsels auf die Regelbesteuerung in weiten Teilen der
Landwirtschaft?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501518800


Die Höhe möglicher Vorsteuererstattungen an Land-
wirte durch Inanspruchnahme der Möglichkeit der Vor-
steuerberichtigung nach § 15 a des Umsatzsteuergesetzes
für in den Vorjahren geleistete Vorsteuern auf Güter des
Anlagevermögens, wenn im Zuge der geplanten Neu-
regelung im Steuervergünstigungsabbaugesetz eine Op-
tion zur Regelbesteuerung erfolgt, kann mangels geeig-
neter statistischer Daten nicht geschätzt werden.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501518900

Bitte schön, Herr Deß.


Albert Deß (CSU):
Rede ID: ID1501519000

Ich glaube schon, dass hier Daten vorliegen, und würde

bitten, Frau Staatssekretärin, dass das im Ministerium ge-

prüft wird und mir das Ergebnis zumindest schriftlich mit-
geteilt wird.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501519100


Das sage ich selbstverständlich gerne zu, Herr Kollege
Deß.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501519200

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege? –

Nein.
Herr Carstensen, Ihre Zusatzfrage.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1501519300

Frau Staatssekretärin, können Sie mir sagen, welche

Aufzeichnungen, die für den Erhalt Brüsseler Mittel, wie
Sie vorhin gesagt haben, benötigt werden, herangezogen
werden können, um die Aufgaben der Landwirtschaft in
diesem Bereich zu erledigen?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501519400


Ich habe nicht von Brüsseler Mitteln gesprochen.

(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Von Subventionen!)

– Nicht einmal das Wort Subventionen habe ich benutzt.
Nach meiner Erinnerung habe ich von Zuwendungen aus
Brüssel gesprochen.

Ich habe nicht gesagt, dass das, was man für einen An-
trag nach Brüssel schickt, denselben Inhalt wie eine Um-
satzsteuererklärung hat. Das ist selbstverständlich nicht
der Fall. Ich habe zum Ausdruck bringen wollen, dass es
in jedem landwirtschaftlichen Betrieb wie in anderen Be-
trieben auch Kenntnisse über die Vorgänge im Betrieb
gibt und dass deswegen die Aufzeichnung dieser Kennt-
nisse im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer in meinen
Augen – um auf die Frage der Kollegin zurückzukom-
men – vertretbar ist.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501519500

Wir kommen zur Frage 23 des Abgeordneten Albert

Deß:
Beabsichtigt die Bundesregierung, Heimtierfutter von einer

Erhöhung der Umsatzsteuer auszunehmen, während Futtermittel
für landwirtschaftliche Nutztiere künftig mit 16 statt 7 Prozent
besteuert werden sollen, und wenn ja, warum?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501519600


Im Regierungsentwurf des Gesetzes zum Abbau von
Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen vom
20. November 2002 wird vorgeschlagen, die Steuer-
ermäßigung für die Lieferung, die Einfuhr, den inner-
gemeinschaftlichen Erwerb und die Vermietung von Rück-
ständen und Abfällen der Lebensmittelindustrie sowie

Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002
Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
von zubereitetem Futter mit Ausnahme des Hunde- und
Katzenfutters aufzuheben. Somit werden nur Hunde- und
Katzenfutter in Aufmachungen für den Einzelverkauf
– das heißt einzeln verpackt, um es einfach auszudrücken –
von der Aufhebung der Steuerermäßigung ausgenommen.
Bei Hunde- und Katzenfutter bleibt es aus sozialen Grün-
den, insbesondere im Hinblick darauf, dass Hunde und
Katzen häufig im Besitz von älteren, allein lebenden Men-
schen sind, bei 7 Prozent Mehrwertsteuer.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501519700

Bitte schön, Kollege Deß.

Albert Deß (CSU):
Rede ID: ID1501519800

Ich könnte angesichts der Tatsache, dass nur Hunde-

und Katzenfutter ausgenommen sind, die polemische
Frage stellen, ob für das Hamsterfutter der volle oder der
reduzierte Steuersatz gilt.


(Ute Kumpf [SPD]: Die fressen so wenig!)

Meine Frage ist aber: Welcher Logik entspricht es,

Frau Staatssekretärin, dass auf Futtermittel für Nutztiere,
aus denen später Lebensmittel gewonnen werden, der
volle Steuersatz, aber auf Heimtierfutter nur der redu-
zierte Steuersatz gezahlt werden muss? Ich verstehe die
Logik nicht.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501519900


Sie haben Recht. Wenn man aus sozialen Gründen auf
einen Besteuerungsanspruch verzichtet, ist dies nicht im-
mer logisch zu begründen.


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1501520000

Herr Kollege Deß, Sie haben noch eine weitere Zu-

satzfrage.


Albert Deß (CSU):
Rede ID: ID1501520100

Frau Staatssekretärin Dr. Hendricks, wie hoch schätzt

das Finanzministerium die Ausfälle, die sich ergeben,
wenn das Heimtierfutter nicht mit dem gleichen Steuer-
satz belastet wird? Ist Ihnen bekannt, um welche Summe
es sich dabei handelt?


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Nobert Lammert)


D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501520200


Herr Kollege, bis jetzt ist das Heimtierfutter nicht mit
der vollen Umsatzsteuer belastet worden. Deswegen kann
man auch nicht von Steuereinnahmeausfällen sprechen. Da
dieser Punkt nicht Gegenstand des Gesetzgebungsverfah-
rens ist, haben wir denkbare Mehreinnahmen – also Mehr-
einnahmen für den Fall, dass man auch das Heimtierfutter
mit dem vollen Satz belegen würde – nicht abgeschätzt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501520300

Nächste Zusatzfrage von der Frau Kollegin Klöckner.


Julia Klöckner (CDU):
Rede ID: ID1501520400

Liebe Frau Staatssekretärin, Sie sagten vorhin in einem

Nachsatz, Hunde und Katzen seien vorwiegend im Besitz
älterer Menschen und daher seien soziale Gründe maß-
geblich. Soziale Gründe sollten aber auch für die Land-
wirtschaft gelten. Abgesehen davon ist dort auch eine
große Gruppe älterer Menschen vertreten. Auch wenn Sie
selber darauf hinweisen, dass es in diesem Punkt keine
Logik gibt, kann ich Ihre Entscheidung nicht nachvollzie-
hen; denn auch in anderen Bereichen könnten überall so-
ziale Gründe angeführt werden. Können Sie noch einmal
erläutern, warum gerade das Heimtierfutter von der Er-
höhung der Umsatzsteuer ausgenommen wird? Geht es
dabei vielleicht um Ihre Wählerklientel?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501520500


Frau Kollegin, ich habe von sozialen Gründen gespro-
chen, weil für die älteren allein lebenden Menschen ein
Haustier eine große Bedeutung hat. Natürlich haben auch
bäuerliche Familien einen Anspruch auf sozialen Schutz.
Das ist doch selbstverständlich und das wird niemand be-
streiten.

Die Erhebung der Umsatzsteuer auf landwirtschaftli-
che Vorprodukte ist nur für den landwirtschaftlichen Be-
trieb von Bedeutung. Dieser Vorgang bleibt, wie eben
schon bei der Beantwortung der anderen Fragen erläutert,
aufkommensneutral, wenn der Landwirt zur Normalbe-
steuerung optiert. Die Verbrauchsteuer ist immer eine
Endverbrauchsteuer. Was auf den Produktionsebenen,
auch innerhalb der landwirtschaftlichen Produktions-
kette, zwischen verschiedenen Betrieben stattfindet, be-
droht die Familien in der Landwirtschaft natürlich nicht in
ihrer Existenz.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501520600

Nächste Zusatzfrage, Herr Kollege Carstensen.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1501520700

Frau Staatssekretärin, Sie haben vorhin gesagt, Sie

könnten die Steuerausfälle nicht quantifizieren, weil es
keine gebe.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501520800


Ich habe nur gesagt, dass wir sie nicht berechnet haben.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1501520900

Gut. – Es handelt sich um einen Subventionstatbe-

stand, obwohl Sie doch eigentlich die Subventionen
zurückfahren wollen. Können Sie mir bitte die Frage be-
antworten, wie hoch der Steuersatz ist, wenn ich meine
einzige Kuh zu Hause mit Hundefutter füttere?


(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Ute Kumpf [SPD]: Sie sind ein schlechter Landwirt, Herr Kollege Carstensen!)



(A)



(B)



(C)



(D)


1144


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1145

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501521000


Herr Kollege, wenn Sie Ihre Kuh mit Hundefutter füt-
tern würden, dann würde ein legendärer Ausspruch der
Kollegin Künast zutreffen, nämlich dass in unsere Kühe
nur Gras und Wasser gehören. Ich glaube nicht, dass Hun-
defutter dazu zählt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501521100

Frau Staatssekretärin, das war allerdings keine präzise

Antwort auf die Frage des Kollegen Carstensen.

(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Ich habe nach dem Steuersatz gefragt!)


D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501521200


Wenn Sie Ihre Kuh zum Beispiel mit im Fernsehen be-
worbenem Hundefutter in kleinen Dosen füttern würden,
dann würden Sie auf dieses Futter nur 7 Prozent und nicht
16 Prozent Umsatzsteuer zahlen. Insgesamt würde es Sie
aber teurer kommen, als wenn Sie Heu, Gras und Wasser
verfüttern würden.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501521300

Nächste Frage, Herr Kollege Weiß.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1501521400

Fr
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1501521500
Welche sozialen Gründe spre-
chen aus Ihrer Sicht dafür, dass das Futter für den Kampf-
hund und das Futter für die friedliche Kuh so
unterschiedlich besteuert werden?


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501521600


Herr Kollege, Sie haben wirklich Recht. Denn das
Steuerrecht kann nur verhältnismäßig grobe Unterschei-
dungen machen, wie das zum Beispiel der Fall ist beim
Hundefutter für den Kampfhund und die friedliche Kuh,
die Gras oder Heu und Wasser bekommt. Natürlich lieben
wir alle die friedliche Kuh viel mehr.

Ich will Ihnen ein anderes Beispiel zur Umsatzsteuer
nennen. Es ist völlig unbestritten, dass Kulturgüter, also
Bücher und Zeitschriften, mit dem halben Mehrwertsteu-
ersatz belegt sein sollen. Es lässt sich damit leider nicht
ausschließen, dass auch Pornohefte mit dem halben Mehr-
wertsteuersatz belegt sind. So ist das auch mit dem
Kampfhund.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Es gibt auch nackte Hunde! – Heiterkeit bei der CDU/CSU – Ute Kumpf [SPD]: Sie von der „C“-Partei dürften gar nicht wissen, was ein Pornoheft ist!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501521700

Nächste Zusatzfrage des Kollegen Jahr.


Dr. Peter Jahr (CDU):
Rede ID: ID1501521800

Ich möchte auf die soziale Begründung Ihres Umsatz-

steuersatzes zu sprechen kommen. Könnte man im Rah-
men Ihrer Begründung nicht auch über andere Produkte
nachdenken? Ich nenne das Beispiel der Blumen. Blumen
werden vorwiegend von älteren Menschen an andere ver-
schenkt. Sollte man also unter diesem sozialen Gesichts-
punkt nicht auch noch einmal über die Besteuerung von
Blumen diskutieren? Einerseits sind sie ein Kulturgut und
machen Freude. Andererseits werden auch Gräber mit
Blumen bestückt. Ihre Begründung sollte Anlass sein, die
geplante höhere Besteuerung zu überdenken und unlogi-
sche Dinge zu beseitigen.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501521900


Herr Kollege, ich stimme Ihnen zu: Blumen sind nach
unserem Verständnis sicherlich ein Kulturgut, das wir
über viele Jahrhunderte in Deutschland entwickelt haben.
Ich stimme Ihnen auch darin zu, dass selbstverständlich
alle in Gesetzen bestehenden Tatbestände gründlich über-
dacht werden müssen.

Ich möchte jedoch anraten, dass die meisten Blumen
von jungen Männern verschenkt werden sollten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501522000

Ich habe das nicht als die Ankündigung einer gesetzli-

chen Regelung verstanden, die jedes Nachdenken darüber
lohnen würde.

Wir können nun die Frage 23 abschließen und uns der
Frage 24 des Abgeordneten Schulte-Drüggelte zuwenden:

Wie hoch werden die zusätzlichen Aufwendungen in der Fi-
nanzverwaltung und bei den landwirtschaftlichen Unternehmen
für die Bearbeitung und Erstellung der Umsatzsteuererklärungen
für diejenigen Landwirte eingeschätzt, die zur Regelbesteuerung
wechseln?

Frau Staatssekretärin.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501522100


Herr Kollege Schulte-Drüggelte, die zusätzlichen Auf-
wendungen für die Finanzverwaltung halten sich in
durchaus vertretbaren Grenzen. Beim Umsatzsteuervor-
anmeldungsverfahren handelt es sich um ein Massenver-
fahren, das im Wesentlichen maschinell abläuft. Für die
landwirtschaftlichen Unternehmer, die zur Regelbesteue-
rung optieren, entstehen, wie ich schon ausgeführt habe,
zusätzliche Aufwendungen für Aufzeichnungs- und Er-
klärungspflichten in vertretbarer Höhe. Jedoch ist zu
berücksichtigen, dass bereits heute – sei es aus betriebs-
wirtschaftlichen Gründen, sei es zur Beantragung von Zu-
schüssen – viele Landwirte Aufzeichnungen machen.

Soweit bäuerliche Klein- und Nebenerwerbsbetriebe
die Kleinunternehmerregelung anwenden, sind sie im

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002
Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
wirtschaftlichen Ergebnis von der vorgeschlagenen steu-
erlichen Änderung nicht betroffen, da nach § 19 Abs. 1
Umsatzsteuergesetz keine Umsatzsteuer erhoben wird.
Ich sagte soeben bereits: Die Grenze liegt zurzeit bei ei-
nem Umsatz von 16 620 Euro. Die allermeisten Nebener-
werbslandbetriebe dürften dies nicht erreichen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501522200

Zusatzfrage, Herr Kollege Schulte-Drüggelte? – Bitte.


Bernhard Schulte-Drüggelte (CDU):
Rede ID: ID1501522300

Halten Sie es für möglich, dass die Zielsetzung der Re-

gierungserklärung, die Bürokratie abzubauen, mit dieser
Maßnahme nicht erreicht wird?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501522400


Herr Kollege, es ist richtig: Der Bürokratieabbau ist
eine Aufgabe, der sich nicht nur die Bundesregierung,
sondern jeweils alle staatlichen Ebenen zu unterziehen
haben. Gleichwohl ist nicht jede öffentliche Handlung mit
Bürokratie gleichzusetzen. Vielmehr ist jeweils zu über-
prüfen, ob ein Vorgang mit angemessenem Aufwand er-
folgen kann und ob damit jemand über Gebühr belastet
wird. Selbstverständlich muss der Staat im öffentlichen
Interesse bestimmte Regeln setzen, die eingehalten wer-
den müssen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501522500

Eine weitere Zusatzfrage? – Bitte.


Bernhard Schulte-Drüggelte (CDU):
Rede ID: ID1501522600

Die zweite Hälfte meiner Frage betraf die Belastung

der landwirtschaftlichen Unternehmen. Halten Sie es für
möglich, dass sich die Wettbewerbssituation der Betriebe
in Deutschland dadurch verschlechtert, dass das europä-
ische Recht die Möglichkeit eröffnet, mit pauschalen Re-
gelungen vorzugehen, und andere Länder davon Ge-
brauch machen?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501522700


Ja, Herr Kollege. Aber die pauschale Regelung gibt es
ja auch bei uns weiterhin.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Die ist doch faktisch tot!)


Insofern wird da keine Wettbewerbsverzerrung stattfinden.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501522800

Eine weitere Zusatzfrage von Frau Connemann.


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1501522900

Auch wenn das Ministerium sich jetzt nicht in der Lage

sieht, uns zu beziffern, wie viele Landwirte zukünftig op-

tieren werden, ist es doch so, dass die berufsständischen
Organisationen uns sagen, dass der absolut überwiegende
Teil von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird. Sind
angesichts der dann zu erwartenden Abertausenden von
zusätzlichen Umsatzsteuererklärungen die Finanzbehör-
den derzeitig personell entsprechend ausgestattet, um die-
sen Mehranforderungen gerecht werden zu können?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501523000


Ich hatte Ihnen eben die Zahlen genannt. Etwa 380 000
Betriebe haben nicht optiert zur Regelbesteuerung und
etwa 30 000 haben optiert. Sosehr ich die deutsche Land-
wirtschaft schätze, so ist die Zahl von 380 000 Betrieben
im Verhältnis zur Betriebsstruktur und zur Anzahl aller
Betriebe in der Bundesrepublik Deutschland eine über-
schaubare Größe. Auch wenn ich davon ausgehe, dass die
Mehrzahl dieser bisher 380 000 nicht optierenden Land-
wirte dies zukünftig tun wird, so ist das eine Größenord-
nung, die von den Landesfinanzverwaltungen ohne be-
deutsamen Mehraufwand, insbesondere weil es in einem
maschinellen Verfahren abläuft, bearbeitet werden kann.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501523100

Herr Kollege Carstensen.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1501523200

Frau Staatssekretärin, erwarten Sie nach dieser Rege-

lung, dass dann, wenn Landwirte in die Regelbesteuerung
gehen, Investitionen der letzten Zeit noch geltend ge-
macht werden und dies dann natürlich auch zu Steuer-
mindereinnahmen der Bundesregierung führen wird?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501523300


Dabei gibt es natürlich Grenzen. Es kann nicht einfach
rückwirkend optiert werden. Sie wissen genau, dass man
die Option bis zum 10. Januar eines Jahres ausüben muss
und dann nach vorne hin fünf Jahre lang, sodass man nicht
sagen kann: Ich habe vor fünf Jahren investiert und jetzt
optiere ich für die Zukunft, aber das, was ich vor fünf Jah-
ren investiert habe, hole ich mir als Vorsteuerabzug
zurück. Das geht so nicht. Man kann nicht sozusagen von
beiden Seiten des Kuchens gleichzeitig abbeißen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501523400

Herr Kollege Deß.


Albert Deß (CSU):
Rede ID: ID1501523500

Frau Staatssekretärin, § 15 a schreibt das aber anders

vor. Wenn jemand im letzten Jahr investiert hat, dann
muss er sehr wohl die Möglichkeit haben, dass er Vor-
steuer zurückbekommt. Gibt es hierzu Zahlen, die zeigen,
um welche Summen es sich handeln würde, die die Land-
wirte erhalten, wenn sie plötzlich zur Option übergehen?
Ich gehe davon aus, dass das schon ein großer Betrag ist.
Sind Sie da meiner Meinung?


(A)



(B)



(C)



(D)


1146


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1147

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501523600


Herr Kollege Deß, Sie haben Recht hinsichtlich des
letzten Jahres. Darum habe ich eben gesagt, dass es Be-
schränkungen gibt. Also man kann nicht, wie ich eben bei
meinem Beispiel sagte, einfach fünf Jahre zurückgehen.
Nein, es gibt dazu keine Zahlen. Einer Ihrer Kollegen
hatte eben schon diese Frage gestellt und ich musste sie
leider mit Nein beantworten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501523700

Nun rufe ich die Frage 25 der Kollegin Connemann

auf:
Wie hoch wird durch die Anhebung des Umsatzsteuersatzes

für wichtige landwirtschaftliche Vorprodukte wie Saatgut, Futter-
mittel, Stroh und Lebendvieh die durchschnittliche Vorsteuer-
belastung der nach § 24 Umsatzsteuergesetz pauschalierenden
Landwirte ansteigen, prozentuale Vorsteuerbelastung und abso-
lute Zahllast?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501523800


Durch die geplante Besteuerung landwirtschaftlicher
Vorprodukte mit dem Regelsteuersatz erwartet die Bun-
desregierung bei einer Wirkung, die sich auf ein volles Jahr
bezieht, also das so genannte Entstehungsjahr, Umsatz-
steuermehreinnahmen in Höhe von 990 Millionen Euro.
Hierdurch würde sich rein rechnerisch die tatsächliche
Vorsteuerbelastung bei den pauschalierenden Landwirten
um rund 3,5 Prozentpunkte erhöhen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501523900

Zusatzfrage.


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1501524000

Wird damit nicht der letzte Unterschied zwischen land-

wirtschaftlicher und gewerblicher Tierhaltung beseitigt?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501524100


Umsatzsteuerlich gesehen wäre das dann gleichgültig;
das ist richtig. Ein Landwirt, der optiert, wird im Umsatz-
steuerrecht genauso behandelt wie ein Gewerbebetrieb.
Das ist umsatzsteuerlich betrachtet. Im Bewertungsgesetz
gibt es Unterschiede.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501524200

Gibt es eine zweite Zusatzfrage?


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1501524300

Nein.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501524400

Dann rufe ich die Frage 26 auf:

Trifft es zu, dass die Regierung der Niederlande sich mit der
Bitte an die Bundesregierung gewandt hat, auf eine Umsatzsteuer-
erhöhung auf Gartenbauerzeugnisse zu verzichten, und wenn ja,
wie hat die Bundesregierung darauf reagiert?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501524500


Ja, der Botschafter der Niederlande, Herr Dr. Nikolaos
van Dam, hat sich an die Bundesregierung gewandt und auf
mögliche Folgen bei der Umsetzung der Pläne der Bundes-
regierung, den ermäßigten Umsatzsteuersatz für gartenbau-
liche Erzeugnisse abzuschaffen, hingewiesen. Das Antwort-
schreiben der Bundesregierung ist derzeit in Vorbereitung.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501524600

Zusatzfrage.


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1501524700

In welcher Richtung können wir uns die Antwort vor-

stellen?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501524800


Entschuldigung, ich musste gerade ein bisschen la-
chen, weil ein Kollege von hinten gerufen hat: Die geht
nach Amsterdam. Aber diese Richtung war natürlich nicht
gemeint.

Die Bundesregierung hat diese Rechtsänderungen so
vorgeschlagen und wird sie natürlich auch gegenüber der
niederländischen Regierung vertreten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501524900

Und der Brief geht wahrscheinlich nach Den Haag.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501525000


Auch das.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501525100

Bitte schön, Frau Connemann.


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1501525200

Hat die Bundesregierung angesichts dieser Pläne ge-

rade im Bereich der Erhebung der Umsatzsteuer bei Pro-
dukten aus dem Gartenbau auch die Erfahrungen berück-
sichtigt, die 1991 in Frankreich mit einer selben Regelung
gemacht worden sind, als nach kurzer Zeit und wegen ei-
nes drastischen Abbaus von Arbeitsplätzen diese Rege-
lung dort zurückgenommen wurde?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501525300


Ja, die Bundesregierung hat diese Erfahrungen in
Frankreich berücksichtigt.

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501525400

Herr Kollege Carstensen.


Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1501525500

Wenn die Erfahrungen aus Frankreich berücksichtigt

worden sind, können Sie mir sagen, wann Sie denn diese
Regelung zurückzunehmen gedenken?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501525600


Herr Kollege, in Frankreich wurde damals die Mehr-
wertsteuer um 13 Punkte angehoben; bei uns ist eine
Anhebung um 9 Punkte vorgesehen. Außerdem gehe ich
davon aus, dass gerade in Deutschland eine besonders
ausgeprägte Liebe zu Schnittblumen und Topfpflanzen
besteht, und ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand
aufgrund des Tatbestandes, ob er 5,00 Euro oder
5,45 Euro bezahlen soll, in seiner Kaufentscheidung so
wesentlich beeinflusst wird.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Sie wollen die Liebenden abzocken, wie ich das so sehe!)


– Und die Balkongärtner.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501525700

Was ja eine schöne Koalition ist.
Die nächste Zusatzfrage, Herr Kollege Deß.


Albert Deß (CSU):
Rede ID: ID1501525800

Frau Staatssekretärin, muss jemand, der im Ausland ei-

nen Blumenstrauß kauft, wo ein niedrigerer Steuersatz
gilt, damit rechnen, dass er an der Grenze nach Deutsch-
land den Differenzbetrag zur höheren Umsatzsteuer in
Deutschland bezahlen muss?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501525900


Nein, Herr Kollege Deß, weil es sich dabei um Ver-
brauchsmengen handelt, die jeder Reisende mit sich
führen kann. Außerdem wird natürlich gerade bei Schnitt-
pflanzen die Zahl der Menschen, die das tun können,
durchaus begrenzt sein.


(Ute Kumpf [SPD]: Das Edelweiß darf nicht eingeführt werden! Das ist sowieso artgeschützt!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501526000

Herr Kollege Schulte-Drüggelte.


Bernhard Schulte-Drüggelte (CDU):
Rede ID: ID1501526100

Wie schätzen Sie denn die Auswirkungen dieser Um-

satzsteuerregelung auf die Gartenbaubetriebe ein? Halten
Sie die Auswirkungen für vertretbar oder glauben Sie,
dass trotz Verteuerung unverändert weiter gekauft wird?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501526200


Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Er-
höhung der Umsatzsteuer in diesem Bereich an den End-
verbraucher weitergegeben werden kann.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501526300

Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Der Kollege heißt Schröder!)



Dr. Ole Schröder (CDU):
Rede ID: ID1501526400

Welche Auswirkungen hat dies auf die Baumschulbe-

triebe?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501526500


Bäume, die von Baumschulbetrieben veräußert wer-
den, sollen in Zukunft auch dem normalen Mehrwertsteu-
ersatz unterliegen.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Welche Auswirkungen hat das?)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501526600

Weitere Zusatzfragen liegen hierzu nicht vor.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

– Entschuldigung, habe ich jemanden übersehen?


(Dr. Peter Jahr [CDU/CSU]: Der Carstensen mit seinem breiten Kreuz verdeckt mich total!)


– Das ist dann in der Tat wahrscheinlich auf das breite
Kreuz des Kollegen Carstensen zurückzuführen.

Frau Staatssekretärin, würden Sie freundlicherweise
für eine weitere Zusatzfrage zur Verfügung stehen? – Bitte
schön, Herr Jahr.


Dr. Peter Jahr (CDU):
Rede ID: ID1501526700

Ich möchte nur noch einmal nachfragen, Frau Staats-

sekretärin. Gehen Sie also wirklich davon aus, dass
aufgrund dieses geänderten Mehrwertsteuersatzes der
Nettoumsatz bei den Gartenbau-, Blumen- und Baum-
schulbetrieben nicht negativ beeinflusst wird?

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501526800


Ich rechne nicht mit einer wesentlichen Beeinträchti-
gung.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501526900

Die Fragen 27 und 28 sind zurückgezogen.
Die Fragen 29 und 30 werden schriftlich beantwortet.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich

darf mich bei Ihnen, Frau Staatssekretärin, bedanken.


(A)



(B)



(C)



(D)


1148


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1149

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Wirtschaft und Arbeit auf. Zur Beantwortung der Fra-
gen steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Gerd
Andres zur Verfügung.

Ich rufe zunächst die Frage 31 des Kollegen Erich Fritz
auf.

Gedenkt die Bundesregierung, den Rüstungsexportbericht
2001 noch in diesem Jahr vorzulegen, nachdem sie in der Antwort
des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für
Wirtschaft und Technologie, Dr. Ditmar Staffelt, vom 28. Juni
2002 auf meine schriftliche Frage in Bundestagsdrucksache
14/9775 mitgeteilt hatte, dass sich der Rüstungsexportbericht
2001 in der Vorbereitung befinde und so bald wie möglich nach
Ressortabstimmung und Verabschiedung durch das Kabinett dem
Deutschen Bundestag zugeleitet werde, und wenn nein, welche
Gründe stehen einer Vorlage entgegen?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1501527000


Herr Kollege Fritz, ich habe eine frohe Botschaft für
Sie: Das Bundeskabinett hat heute den Rüstungsexport-
bericht 2001 beschlossen. Nach meinem Kenntnisstand
ist der Bericht heute Nachmittag dem Bundestag zugelei-
tet worden, sodass er Sie in kürzester Zeit erreichen wird.
So kann auch die Bundesregierung einmal eine frohe Bot-
schaft überbringen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501527100

Nachdem der Kollege Fritz offensichtlich auf eine Zu-

satzfrage verzichtet hat, habe ich eigentlich auf Ihr Ange-
bot gewartet, den Bericht nun langsam vorzulesen. Mög-
licherweise ist das aber auch durch individuelle Lektüre
auszugleichen.

Ich rufe die Frage 32 des Kollegen Hans Michelbach
auf:

Wie gedenkt die Bundesregierung auf den neuen Rekord an
Unternehmensinsolvenzen zu reagieren und wird es Sofortmaß-
nahmen zur Entlastung des Mittelstandes geben?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1501527200


Herr Kollege Michelbach, Ihre Frage beantworte ich
wie folgt: Das Statistische Bundesamt hat zuletzt am
22. November Zahlen zu Unternehmensinsolvenzen Ja-
nuar bis Juli 2002 bekannt gegeben. Danach sind die Un-
ternehmensinsolvenzen um 13,7 Prozent gegenüber dem
Vorjahreszeitraum auf 21 586 gestiegen. Im Vergleichs-
zeitraum Januar bis Juli 2001 waren es 18 982. Damit
setzt sich der bereits seit Anfang der 90er-Jahre zu beob-
achtende Aufwärtstrend der Insolvenzzahlen auch im Jahr
2002 fort.

Für die Beurteilung der Unternehmensentwicklung in
einer Volkswirtschaft ist nicht allein die Zahl der Insol-
venzen maßgeblich, sondern auch die Zahl der Neugrün-
dungen. Von entscheidender Bedeutung ist das Grün-
dungsgeschehen insgesamt und damit der Saldo. Dieser
ist weiterhin deutlich positiv.

Im ersten Halbjahr 2002 standen in Deutschland
234 500 Gründungen 197 500 Liquidationen gegenüber.

Dies ist ein positiver Saldo von 37 000. Damit der Saldo
auch weiterhin positiv bleibt, ist es zentrale Aufgabe für
die Wirtschafts- und Finanzpolitik, Raum für private Ini-
tiativen und insgesamt ein positives Klima für Innovatio-
nen und Unternehmensgründungen zu schaffen.

Die Bundesregierung hat in dieser Hinsicht in den ver-
gangenen Jahren Beachtliches zuwege gebracht. Mit den
in mehreren Stufen realisierten Steuerreformmaßnahmen
werden mittelständische Unternehmen 2005 gegenüber
1998 per saldo um rund 16,7Milliarden Euro pro Jahr ent-
lastet.

Die Steuerentlastungen ermöglichen den Unternehmen
höhere Nettogewinne und erleichtern auf diesem Wege
die notwendige Bildung von Eigenkapital. Die anhaltende
Wachstumsschwäche in den Jahren 2001 und 2002 macht
es jedoch notwendig, die Steuerreform in einen mittelfris-
tigen Konsolidierungskurs einzubetten.

Mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz reduzieren
wir unangemessene Steuersubventionen, schließen Steu-
erschlupflöcher und tragen so zu mehr Steuergerechtig-
keit bei.

In der Koalitionsvereinbarung hat die Bundesregie-
rung eine Mittelstandsinitiative beschlossen. Konkrete
Maßnahmen sind unter anderem: Die Sicherstellung der
Unternehmensfinanzierung ist ein wichtiges Thema für
den Mittelstand. Durch die Zusammenlegung von Deut-
scher Ausgleichsbank und Kreditanstalt für Wiederaufbau
setzen wir den ersten Baustein der Mittelstandsinitiative um.

In diesem und im nächsten Jahr stehen jährlich allein
aus dem ERP-Sondervermögen des Bundes 5 Milliarden
Euro für zinsgünstige Förderkredite zur Verfügung. Die
beiden Förderinstitute des Bundes, die KfW und die DtA
bzw. zukünftig die Mittelstandsbank, bieten jährlich rund
9 Milliarden Euro für die Kreditfinanzierung des Mittel-
standes an. Zusätzlich werden die Hausbanken durch eine
teilweise Haftungsentlastung und durch bessere Anreize
zur Durchleitung von Förderkrediten unterstützt.

Bürokratie behindert die Schaffung neuer Arbeits-
plätze. Mit einem Masterplan Bürokratieabbau wird die
Bundesregierung deshalb Bürokatie abbauen. Außerdem
wollen wir spezielle Erleichterungen für Gründer, um
mehr Anreize für die Verwirklichung neuer unternehme-
rischer Ideen zu schaffen. So planen wir dazu, im Hand-
werk den durch die Leipziger Beschlüsse eingeleiteten
Liberalisierungsprozess fortzuführen. Wir wollen Exis-
tenzgründer in der Gründungsphase finanziell entlasten,
zum Beispiel durch Freistellung von Kammerbeiträgen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501527300

Zusatzfrage.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1501527400

Herr Staatssekretär Andres, Sie haben die Existenz-

gründer angesprochen. Ist es nicht so, dass wir eine Ver-
langsamung bei den Neugründungen in Deutschland
gegenüber den Vorjahren haben? Sehen Sie nicht, dass
die Erhöhung der Ökosteuer, der Erdgassteuer, der

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002
Hans Michelbach
Mindeststeuer, der Wertzuwachssteuer, der Firmen-
wagensteuer, der Umsatzsteuer usw., die zum 1. Januar
2003 erfolgt, zu einem Entzug an Kaufkraft und Investi-
tionen von etwa 30 Milliarden Euro führt? Wir haben es
gehört. Dies ist geradezu eine Kakophonie an Steuer-
erhöhungen statt einer Symphonie der Steuererleichte-
rungen.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1501527500


Herr Abgeordneter Michelbach, ich habe die Ver-
gleichszahlen hier: Im Jahre 2001 gab es auf das gesamte
Jahr gerechnet 455 000 Gründungen und 386 000 Liqui-
dationen. Der Saldo – gerechnet für das gesamte Jahr – lag
bei 69 000. Ich würde nicht sagen, dass wir bei den Neu-
gründungen eine Verlangsamung haben.

Bei den Insolvenzraten gibt es eine deutliche Steige-
rung. Dies ist überhaupt nicht zu bestreiten. Deswegen
– das habe ich ausgeführt – hat die Bundesregierung die
Absicht, eine Gründungsinitiative auf den Weg zu brin-
gen. Das werden wir im Januar und Februar tun.

Zur zweiten Position habe ich in meiner Antwort auch
bereits deutlich gemacht: Mit den Stufen der Steuerreform
haben wir gewaltige Steuerentlastungen auf den Weg ge-
bracht. Einige Stufen haben wir schon umgesetzt. Es wer-
den weitere Stufen folgen. Das wissen Sie.

Wir haben jetzt eine Stufe ausgesetzt und bestimmte
Maßnahmen ergriffen, die infolge der Flut, wegen des
Konsolidierungskurses, der mit den Maastrichtkriterien
zu tun hat, und anderem notwendig waren. Ich denke aber,
dass wir bei einer mittelfristigen Verbesserung des Kon-
junkturverlaufes und der Wachstumsentwicklung sehr
wohl auch positivere Zeichen bekommen. Das, was Sie
als Konsumentzug bezeichnet haben, schätzen wir nicht
so ein.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501527600

Bitte schön, eine Zusatzfrage.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1501527700

He
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1501527800
Wenn die Zahl der Insolvenzen steigt – was Sie ein-
räumen –, wird dann nicht die im Steuervergünstigungs-
abbaugesetz vorgesehene Strafsteuer auf Kapitals näm-
lich die Mindeststeuer, zur Vernichtung weiterer Betriebe
führen, indem hier eine Scheingewinnbesteuerung statt-
findet, indem hier insbesondere Verluste nicht mehr mit
Gewinnen verrechnet werden können und damit letzten
Endes Liquiditätsengpässe – verstärkt in jungen Unter-
nehmen – auftreten? Können Sie sich vorstellen, dass da-
mit die Insolvenzzahlen im Jahre 2003 weiterhin erheb-
lich ansteigen?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1501527900


Wir halten diese steuerliche Maßnahme für notwendig.
Über Auswirkungen kann man spekulieren. Ich empfehle

abzuwarten. Im Übrigen teile ich die Bewertung, die in Ih-
rer Frage zum Ausdruck kommt, nicht.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501528000

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.
Die Fragen 33 und 34 des Kollegen Otto werden

schriftlich beantwortet.
Ich rufe die Frage 35 der Abgeordneten Dr. Lötzsch

auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, dass der Parlamentarische

Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit,
Dr. Ditmar Staffelt, als damaliger Fraktionsvorsitzender der Frak-
tion der SPD im Berliner Abgeordnetenhaus an der Konstruktion
der Berliner Bankgesellschaft beteiligt war und die Bank nur
durch eine Risikoabschirmung von 21 Milliarden Euro durch das
Land Berlin vor dem Bankrott bewahrt werden konnte, und wel-
che Rückschlüsse zieht die Bundesregierung hieraus im Hinblick
auf die fachliche Kompetenz des Parlamentarischen Staatsse-
kretärs beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1501528100


Frau Abgeordnete Dr. Lötzsch, die Antwort der Bun-
desregierung lautet wie folgt: Keine. Für die Bundesre-
gierung steht die fachliche Kompetenz des Parlamentari-
schen Staatssekretärs beim Bundesminister für Wirtschaft
und Arbeit, Dr. Ditmar Staffelt, außer Frage. Die Bundes-
regierung vermag nicht zu erkennen, dass zwischen Funk-
tionen, die Herr Staatssekretär Dr. Staffelt bis 1994 in der
Berliner Landespolitik innehatte, und der derzeitigen
Schieflage der Berliner Bankgesellschaft irgendein Zu-
sammenhang besteht, der Rückschlüsse – insbesondere
fachlicher Art – auf seine derzeitige Position rechtfertigen
würde.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501528200

Zusatzfrage?


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1501528300

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, nun

ist es Konsens – nicht nur in der Berliner Politik, sondern
auch darüber hinaus –, dass die Konstruktion der Bank-
gesellschaft die Ursache für den desaströsen Zustand ist.
In seiner Biografie hat Herr Staatssekretär Dr. Staffelt sel-
ber die Konstruktion der Bankgesellschaft als eine seiner
größten Leistungen dargestellt. Sind Sie im Lichte dieser
Einschätzung nicht auch der Auffassung, dass die eben
von Ihnen sehr kurz und positiv vorgetragene Einschät-
zung seitens der Bundesregierung überprüft werden
müsste?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1501528400


Nein.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501528500

Weitere Zusatzfrage?


(A)



(B)



(C)



(D)


1150


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1151


Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1501528600

Selbstverständlich. – Ist es denn innerhalb der Bundesre-

gierung überhaupt nicht üblich, sich mit fachlichen Vorleis-
tungenvonParlamentarischenStaatssekretärenzubefassen?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1501528700


Doch, das ist üblich. Wir sehen aber den Zusammen-
hang, den Sie hier konstruieren wollen, nicht. Selbstver-
ständlich hat Herr Dr. Staffelt in seiner politischen Funktion
die Gründung der Berliner Bankgesellschaft begleitet. Ich
kann Ihnen übrigens reihenweise Fachleute, Wirtschafts-
vertreter und weitere Personen nennen, die alle die Kon-
struktion der Bankgesellschaft für notwendig hielten. Der
politische Prozess ist das eine Problem.

Die fachliche Kontrolle und der fachliche Umgang mit
der Bankgesellschaft sind ein ganz anderes Problem. Den
konstruierten Zusammenhang, den Sie in Ihrer Frage zum
Ausdruck gebracht haben, teilt die Bundesregierung aus-
drücklich nicht.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501528800

Weitere Zusatzfragen dazu liegen nicht vor.
Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich be-

danke mich bei Herrn Kollegen Andres.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums

für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentari-
sche Staatssekretär Dr. Thalheim zur Verfügung.

Wir kommen zunächst zur Frage 36 des Kollegen
Schulte-Drüggelte:

Welche Wirkungen auf den Absatz von Gartenbauerzeugnis-
sen – Blumen, Zierpflanzen, Baumschulerzeugnisse – sowie
Brennholz gehen nach Ansicht der Bundesregierung von einer Er-
höhung der Umsatzsteuer auf diese Produkte aus?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1501528900


Sehr geehrter Herr Kollege Schulte-Drüggelte, die Ab-
schaffung des ermäßigten Steuersatzes auf Gartenbau-
erzeugnisse und Brennholz kann preiswirksam werden, so-
weit die Umsatzsteuer auf den Endverbraucher abgewälzt
wird. Ob und inwieweit eine Preiserhöhung zu einer Kauf-
zurückhaltung führt, lässt sich nicht zuverlässig abschät-
zen. Berechnungen über Auswirkungen auf den Umsatz
bergen dementsprechend große Unsicherheiten. Der Bun-
desregierung ist bekannt, dass die mit dem Gartenbau ver-
bundenen Berufe erhebliche Umsatzeinbrüche befürchten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501529000

Eine Zusatzfrage.


Bernhard Schulte-Drüggelte (CDU):
Rede ID: ID1501529100

Halten nicht auch Sie es für wahrscheinlich, dass die

Nachfrage bei einer Preiserhöhung zurückgeht? Sind die

von Ihnen gerade beschriebenen Befürchtungen des Be-
rufsstandes nicht durchaus berechtigt?

Dr
Dr. Gerald Thalheim (SPD):
Rede ID: ID1501529200


Schon im Zusammenhang mit einigen Fragen aus dem
Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen
haben wir über die Neigung der Deutschen zum Kauf von
Schnittblumen und Gartenbauerzeugnissen diskutiert.
Wir gehen davon aus, dass – abhängig von dem Eintreten
einer positiven Wirtschaftsentwicklung in den nächsten
Jahren – die Bereitschaft auch künftig groß sein wird,
Schnittblumen, Topfpflanzen und Gartenbauerzeugnisse,
also Baumschulerzeugnisse, zu kaufen. Das heißt, zumin-
dest die Bundesregierung geht davon aus, dass sich die
Erhöhung der Mehrwertsteuer auf die Kaufentscheidun-
gen kaum auswirken wird.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Da liegt sie falsch!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501529300

Die Fragen 37 und 38 der Kollegin Hasselfeldt werden

schriftlich beantwortet.
Dieser Geschäftsbereich ist damit beendet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums

der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen steht
der Parlamentarische Staatssekretär Wagner zur Verfügung.

Die Fragen 39 und 40 des Kollegen Singhammer wer-
den schriftlich beantwortet.

Ich rufe die Frage 41 des Kollegen Nolting auf:
Wie viele Transportpanzer des Typs Fuchs sind im Bestand der

Bundeswehr und wo sind diese im Einsatz?

H
Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1501529400


Herr Kollege Nolting, die Bundeswehr verfügt über ins-
gesamt 1 031 Transportpanzer des Typs Fuchs. Von diesen
Fahrzeugen verfügen 357 über die Ausrüstung als Grup-
pentransporter. 77 dieser Fahrzeuge verfügen über eine
Zusatzpanzerung gegen Minen und ballistischen Schutz
gegen Geschosse bis 14,5 Millimeter. Im Einsatz sind der-
zeit bei KFOR 100, bei SFOR 45, in Mazedonien 9, bei
ISAF 14 und bei Enduring Freedom 16 Fahrzeuge, davon
74 Gruppentransporter mit Zusatzpanzerung.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501529500

Eine Zusatzfrage, bitte schön.


Günther Friedrich Nolting (FDP):
Rede ID: ID1501529600

Herr Staatssekretär, wie erklären Sie die Aussage des

Bundesverteidigungsministers, dass keine Transportpan-
zer des Typs Fuchs nach Israel geliefert werden können,
da die Bundeswehr alle Fahrzeuge – es sind, wie Sie ge-
rade gesagt haben, über 1 000 – selbst benötigt?

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002

H
Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1501529700


Ich habe der Aussage des Bundesverteidigungsminis-
ters nichts hinzuzufügen. Da, wo nichts ist, kann man
nichts geben.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501529800

Zweite Zusatzfrage.


Günther Friedrich Nolting (FDP):
Rede ID: ID1501529900

Herr Staatssekretär, wenn ich es richtig verstanden

habe, dann sind bedeutend weniger Transportpanzer des
Typs Fuchs im Einsatz; insofern müsste also noch ein
großer Restbestand vorhanden sein. Wieso kann aus die-
sem Restbestand nicht geliefert werden?

H
Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1501530000


Ich will Ihnen einmal die genauen Zahlen nennen. Ich
habe eben gesagt, die Bundeswehr verfüge über
1 031 Transportpanzer des Typs Fuchs in sechs Varianten.
Vom Grundmodell mit unterschiedlichen Rüstsätzen gibt
es 444 Fahrzeuge. Vom Grundmodell mit Zusatzpanze-
rung gibt es 124 Fahrzeuge. Es gibt 269 Transportpanzer
Funk. Es gibt – sie sprachen davon – 77ABC-Spürpanzer
Standard und 37 ABC-Spürpanzer leistungsgesteigert.
Außerdem gibt es 80Transportpanzer Eloka. Das sind ins-
gesamt 1 031 Einheiten. Daraus erkennen Sie angesichts
des Einsatzes, den ich Ihnen genannt habe, dass keine Re-
serven zur Verfügung stehen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501530100

Eine Zusatzfrage des Kollegen Niebel.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1501530200

Herr Staatssekretär, von dem Gefechtsfahrzeug Fuchs sagen
die einen, es handele sich um ein gepanzertes Transport-
fahrzeug, die anderen, es handele sich um einen Transport-
panzer. Ist der Fuchs nach Ansicht der Bundesregierung
eher ein Transportfahrzeug mit einer stärkeren Außenwand
oder mehr ein Panzer im Sinne eines Schützenpanzers oder
eines Kampfpanzers? Ist es eher ein Auto, das sicherer ist als
andere Autos, oder eher ein Gefechtsfahrzeug?

H
Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1501530300


Herr Abgeordneter, ich habe eben gesagt, dass es sechs
Varianten des Transportpanzers vom Typ Fuchs gibt. Da-
von verfügen 77 Transportpanzer über eine Zusatzpanze-
rung gegen Minen und über einen ballistischen Schutz ge-
gen Geschosse bis 14,5 mm.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501530400

Ich rufe die Frage 42 des Kollegen Nolting auf:

Wie sieht die Stationierungsplanung für das Lufttransportge-
schwader 62 (Wunstorf) aus und welche Maßnahmen sind für die

dazugehörenden Standorte Diepholz (Niedersachsen) und Holz-
dorf (Sachsen-Anhalt) geplant?

H
Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1501530500


Herr Kollege Nolting, zurzeit befindet sich das Luft-
transportgeschwader 62 mit dem Stab und der 1. und
3. Fliegenden Staffel Transall C 160 in Wunstorf. In
Diepholz ist die 2. Staffel des Geschwaders mit dem leich-
ten Transporthubschrauber UH 1 D stationiert.

Am zukünftigen Standort des Geschwaders in Schöne-
walde auf dem Flugplatz Holzdorf befindet sich die Luft-
transportgruppe mit einer Staffel UH 1 D. Seit dem
1. März 2002 ist eine Kerngruppe des bewaffneten Such-
und Rettungsdienstes zum Aufbau dieser Fähigkeit in der
Luftwaffe dort angegliedert.

Im Rahmen der Einnahme der Luftwaffenstruktur 5 ist
geplant, im Bereich der Lufttransportverbände mit der
Umrüstung auf neue Waffensysteme typenreine Ge-
schwader zu schaffen. Die geplante Umgliederung des
Lufttransportgeschwaders 62 von einem gemischten
Transportverband mit seinen Einheiten an den Standorten
Wunstorf, Diepholz und Schönewalde zu einem typenrei-
nen, mit NH 90 ausgerüsteten Hubschrauberverband am
Standort Schönewalde erfolgt in Abhängigkeit vom Zu-
lauf der neuen Waffensysteme A400M und NH 90 sowie
der Herausnahme der bisherigen Waffensysteme C 160
und UH 1 D aus der Nutzung.

Mit dem voraussichtlichen Zulauf der ersten A400M
im Jahr 2010/2011 und dem Beginn der Außerdienststel-
lung der C 160 ist geplant, die 1. Lufttransportstaffel des
Geschwaders am Standort Wunstorf aufzulösen. Eben-
falls soll die Auflösung des Geschwaderstabes sowie der
Fliegenden und der Technischen Gruppe erfolgen. Die
3. Staffel des Lufttransportgeschwaders 62 wird als Flug-
lehrgruppe C 160 am Standort Wunstorf voraussichtlich
bis in die Jahre 2012/2013 verbleiben.

Parallel zur Auflösung am Standort Wunstorf soll am
Standort Schönewalde die Aufstellung des Geschwader-
stabes, der Gruppen und von zurzeit geplanten drei Staf-
feln des typenreinen NH-90-Verbandes der Luftwaffe er-
folgen.

Mit der voraussichtlichen Aufnahme der teilstreit-
kraftübergreifenden NH-90-Ausbildung in den Jah-
ren 2005 und 2006 an der Heeresfliegerwaffenschule in
Bückeburg ist beabsichtigt, die 2. Staffel des Lufttrans-
portgeschwaders 62 am Standort Diepholz aufzulösen.

Parallel dazu beginnt am Standort Schönewalde der
Aufbau der zukünftigen 3. Staffel des Lufttransportge-
schwaders 62 mit NH 90. Diese Staffel ist zur Wahrneh-
mung von luftwaffenspezifischen Ausbildungsanteilen
für den NH-90-Einsatz vorgesehen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501530600

Es gibt keine Zusatzfragen.
Die Fragen 43, 44 und 45 der Kollegen Koppelin und

Uhl sollen schriftlich beantwortet werden.


(A)



(B)



(C)



(D)


1152


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1153

Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereiches und
auch am Ende der Fragestunde. Ich bedanke mich bei dem
Kollegen Wagner für die Beantwortung der Fragen.

Die nicht aufgerufenen Fragen werden unserer Praxis
entsprechend schriftlich beantwortet.

Ich rufe nun den Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf:
Aktuelle Stunde
Aktuelle Vorschläge zur weiteren steuerlichen
Belastung der Bürger und Unternehmen

Die Fraktion der CDU/CSU hat diese Aktuelle Stunde
beantragt.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der
Kollege Heinz Seiffert, CDU/CSU-Fraktion.


Heinz Seiffert (CDU):
Rede ID: ID1501530700

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Die

rot-grüne Bundesregierung ist seit dem 23. September
laufend bemüht, den Bürgern und Unternehmen immer
tiefer in die Tasche zu greifen. Dabei ist sie nun auf eine
neue Idee gekommen: Eine Neuregelung bei der Zinsbe-
steuerung soll beim Bund und bei den Ländern die leeren
Kassen füllen. Der Bundeskanzler stellt locker 25 Milli-
arden Euro in den Raum. Das macht Eindruck, ist aber
wohl völlig utopisch.

Das Zauberwort heißt Zinsabgeltungsteuer. Diese Idee
hatten aber nicht Sie von Rot-Grün, sondern wir von der
CDU/CSU – das gilt auch für die FDP – hatten sie in un-
serem Regierungsprogramm. Noch vor wenigen Wochen
ist jeder von uns, der diesen sogar europatauglichen Weg
zur Pauschalbesteuerung der Kapitalerträge vorgeschla-
gen hat, von Rot-Grün diffamiert worden.


(Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: So ist es!)

Jedem, der diese Art der Zinsbesteuerung als taugliches
Mittel empfohlen hat, um Kapital, das im Ausland ange-
legt ist, an den Finanzplatz Deutschland zurückzuholen,
ist unterstellt worden, er wolle nur die Steuerhinterzie-
hung begünstigen.

Wenn die Bundesregierung und ihr klammer Finanz-
minister beim Steuerrecht nun wieder einen Schwenk um
180 Grad vollziehen, so will ich dies nicht grundsätzlich
kritisieren. Wenn Sie zumindest im Bereich der Zins-
besteuerung ein Stück Bürokratie abbauen, wenn Sie den
Menschen einen Weg zu mehr Steuerehrlichkeit anbieten
und wenn Sie mit einem lukrativen Steuersatz versuchen,
die Steuerbasis zu verbreitern, um damit mehr Einnahmen
zu erzielen, so geht dies in die richtige Richtung. Bei der
Zinsabgeltungsteuer machen Sie, wenn Sie es richtig ma-
chen, ebenso wie bei der Scheinselbstständigkeit und den
Minijobs ein Stück Unionspolitik.

Kritisch beleuchten will ich allerdings die Begleitum-
stände, die bei Ihnen zu diesem Sinneswandel geführt ha-
ben. Es ist ziemlich absurd, diese Zinsabgeltungsteuer in
der Öffentlichkeit als Ersatz für die Vermögensteuer zu
verkaufen.


(Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Das ist richtig!)


Noch vor wenigen Tagen wollten die Verteilungspolitiker
in der SPD wohlhabende Privatleute und Betriebe durch
eine Wiedereinführung der Vermögensteuer stärker belas-
ten. Die entsprechenden Plakate sind in Niedersachsen
bereits gedruckt. Nun geschieht mit dieser Zinsabgel-
tungsteuer genau das Gegenteil. Kapitalerträge, die seit-
her bei Hochvermögenden mit dem persönlichen Steuer-
satz von über 50 Prozent belegt worden sind, werden
künftig mit etwa der Hälfte, also mit 25 Prozent pauschal
versteuert. Ich persönlich bin nicht betroffen und kann da-
mit gut leben. Aber es darf nicht passieren, dass die klei-
nen Sparer, die für das Alter vorgesorgt haben, künftig
schlechter als bisher gestellt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das heißt, die Freibeträge müssen erhalten bleiben. Die
Kleinanleger müssen sich über die Steuererklärung schad-
los halten können. Darauf legen wir großen Wert.

Ein weiterer Punkt. Sie sollten sich nicht wieder über
die finanziellen Auswirkungen der Besteuerung selbst in
die Tasche lügen; das kennen wir ja. Sie sollten auch nicht
bei Bund und Ländern Erwartungen wecken, die Sie mit
Sicherheit nicht erfüllen können. Ich möchte ernsthaft be-
zweifeln, dass es für diejenigen, die ihr Geld im Ausland
angelegt haben, ein großer Anreiz ist, ihr Geld nach
Deutschland zurückzuholen, wenn sie dem Staat sofort
ein Viertel als nachträgliche Pauschalversteuerung ablie-
fern sollen. Darüber muss man noch einmal nachdenken.
Beachten Sie bitte auch die Aussagen aller Fachleute zu
diesem Thema, die diese Strafsteuer für ebenfalls viel zu
hoch halten.

Das Wichtigste, was wir tun müssen, um dieser neuen
Zinssteuer zum Erfolg zu verhelfen und wieder Kapital
nach Deutschland zurückzuführen, ist: Wir müssen Ver-
trauen in den Finanzplatz Deutschland und in die Finanz-
und Steuerpolitik schaffen. Sie von der SPD aber machen
derzeit genau das Gegenteil. Der Kanzler verkündet voll-
mundig, die Debatte über die Vermögensteuer sei beendet.
Am gleichen Tag äußert sich Frau Simonis in der „Süd-
deutschen Zeitung“ dahin gehend, es gebe keinen Grund,
auf die Vermögensteuer zu verzichten. Herr Gabriels Re-
gierungssprecher erklärt, das Thema sei vorläufig vom
Tisch.

Glauben Sie ernsthaft, dass dies vertrauensbildende
Maßnahmen sind? Glauben Sie, dass jemand wirklich be-
reit ist, 25 Prozent aus seiner Vermögenssubstanz abzuge-
ben, dann 25 Prozent Abgeltungsteuer auf die Zinserträge
zu entrichten und gegebenenfalls, auch wenn es heute alle
verneinen, zusätzlich Vermögensteuer zu zahlen? So
dumm ist doch keiner. Deshalb bitten wir Sie inständig:
Erklären Sie sich heute! Lehnen Sie mit uns die Vermö-
gensteuer deutschlandweit künftig ab. Wir haben einen
entsprechenden Gesetzentwurf eingebracht. Stimmen Sie
unserem Gesetzentwurf zur endgültigen Abschaffung zu.
Dies würde Vertrauen schaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ihr Finanzminister Eichel soll die Hände vom Bank-
geheimnis lassen. Wenn die Banken Steuern auf Zins-
erträge automatisch an das Finanzamt abführen, dann sind

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002
Heinz Seiffert
Kontrollmitteilungen nicht notwendig. Sie sollten nicht
alle unbescholtenen und steuerehrlichen Bürger mit glä-
sernen Konten bestrafen.


(Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Schnüffelei! – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist das, was ihr wollt!)


Die Zinsabgeltungsteuer kann ein Schritt in die richtige
Richtung sein. Sie sollten aber bei der Ausgestaltung des
Gesetzes nicht wieder alles falsch machen, was man
nur falsch machen kann. Wir von der CDU/CSU werden
Sie in diesem Verfahren konstruktiv, aber kritisch beglei-
ten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501530800

Die nächste Rednerin ist die Kollegin Arndt-Brauer für

die SPD-Fraktion.


Ingrid Arndt-Brauer (SPD):
Rede ID: ID1501530900

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich das Thema
der Aktuellen Stunde – Aktuelle Vorschläge zur weiteren
steuerlichen Belastung der Bürger und Unternehmen –,
beantragt von der CDU/CSU, das erste Mal gelesen habe,
habe ich mich gefragt, ob jetzt aktuelle Vorschläge der
Opposition zu erwarten sind. Das würde mich zum einen
wundern, weil die Vorschläge selten aktuell, sondern in
den meisten Fällen irgendwo hervorgekramt sind.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Zum anderen kann sich die Formulierung „steuerliche Be-
lastung“ nicht auf uns beziehen, weil wir schließlich ge-
nau das Gegenteil machen.


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Elke Wülfing [CDU/CSU]: Sie haben anscheinend in der Finanzausschusssitzung schlecht aufgepasst!)


Von daher ist das Thema der Aktuellen Stunde sehr weit
hergeholt. Dem Tenor Ihres Redebeitrags, Herr Seiffert,
war anzumerken, dass es mehr um Panikmache als um die
vernünftige Befassung mit dem Thema geht.


(Beifall bei der SPD – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Haben Sie die Plakate in Niedersachsen gesehen?)


Wenn Sie von kleinen Sparern sprechen, an deren Spar-
vermögen wir angeblich heranwollen, dann ist das falsch.
Das wissen Sie genauso gut wie ich.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Wir warnen ja davor!)


Einen Vorschlag, den Sie früher für gut befunden ha-
ben, der aber dann plötzlich aussichtslos geworden ist,
können Sie so in der Öffentlichkeit sicherlich nicht ver-
nünftig vertreten. Deswegen möchte ich anders anfangen.
Ich möchte unseren Zuhörern und den Anwesenden vor-
tragen, welche Steuersenkungen wir bereits durchgeführt

haben, damit nicht der Eindruck entsteht, wir würden
Steuern erhöhen.


(Lachen bei der CDU/CSU – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wir haben doch keine Märchenstunde!)


Wir haben seit 1999 konsequent das Ziel verfolgt, Ar-
beitnehmer, Familien und den Mittelstand zu entlasten.


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Das merken die Leute bloß nicht!)


Wir haben bekanntlich gleichzeitig Einsparungen im
Haushalt vorgenommen, die allen ein bisschen wehgetan
haben. Wir haben – auch das ist Ihnen bekannt – Steuer-
schlupflöcher gestopft und wir haben Subventionen ge-
strichen, um Steuersenkungen gegenzufinanzieren.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Wo sind die denn?)


Dass es Steuersenkungen für die Familien und die Unter-
nehmen gegeben hat, kann wohl niemand bestreiten.


(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Sagen Sie mal was zu den Gesamtbelastungen! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Und für die Kapitalgesellschaften!)


– Nein, nicht für die Kapitalgesellschaften. Sie wissen,
dass wir die Anrechnung der Gewerbesteuer für den von
Ihnen und auch von uns geliebten Mittelstand eingeführt
haben. Ich halte das für eine gute Maßnahme, die auch er-
folgreich war.

Wir sorgen auch dafür, dass Spitzenverdiener und Ka-
pitalgesellschaften wieder Steuern zahlen. Wir haben seit
1999 dreimal die Steuern gesenkt, dreimal das Kindergeld
erhöht, das BAföG erhöht, das Elterngeld eingeführt, das
Wohngeld verbessert, die Rente für die Erziehungszeiten
der Frauen erhöht und dem Mittelstand – das habe ich
eben bereits erwähnt – die Belastung durch die Gewerbe-
steuer faktisch genommen.


(Beifall bei der SPD – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Ökosteuer, Gewerbesteuer, Wertzuwachssteuer!)


Diese Politik wird jetzt konsequent weitergeführt. Die
Spekulationsgewinne aus Aktien- und Immobilienverkäu-
fen werden wirksamer besteuert und Abschreibungsmo-
delle im Mietwohnungsbau nach einer Übergangszeit auf
eine faire Besteuerung umgestellt. Außerdem wird dafür
gesorgt, dass große Kapitalgesellschaften ihre Steuer-
schulden nicht mehr über Verlusttransaktionen auf null
setzen können. Damit können wir weitere Steuersenkun-
gen und Betreuungseinrichtungen für Kinder – die uns
sehr am Herzen liegen – finanzieren.


(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Das haben Sie doch verschoben!)


Es ist interessant zu vergleichen, was einer Durch-
schnittsfamilie mit zwei Kindern 1998 vom Bruttoeinkom-
men blieb und was ihr heute bleibt. 1998 betrug das Netto
vom Brutto 77,32 Prozent. Schon 2000 – seitdem ist es auch
so geblieben – lag das Netto über 80 Prozent vom Brutto.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Die Leute müssen ja jubeln!)



(A)



(B)



(C)



(D)


1154


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(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1155

Ich meine, dass das eindeutig ein Erfolg ist.

(Beifall bei der SPD – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Brutto gleich netto, ja? – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Wie halten Sie es jetzt mit der Vermögensteuer?)


Eine Durchschnittsfamilie – Durchschnittseinkommen
und zwei Kinder – hat im Jahre 2003 monatlich insgesamt
337,12 Euro mehr in der Tasche als 1998.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Plus Ökosteuer!)


– Die Ökosteuer ist ein interessantes Stichwort, weil diese
nämlich die Durchschnittsfamilie entlastet.


(Lachen bei der CDU/CSU)

– Lassen Sie mich bitte ausreden! – Sämtliche Stufen der
Ökosteuer belasten die Familie 2003 mit circa 24 Euro im
Monat. Das ist die Belastung.


(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Wenn Vater, Mutter und alle drei Kinder arbeiten!)


Die Entlastung beträgt bei der Rentenversicherung
48,36 Euro. Es ist klar erkennbar, dass eindeutig eine
Entlastung stattgefunden hat.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Bitte?)

Das Kindergeld ist seit 2000 wesentlich stärker erhöht

worden, als die Summe von Lohn- und Kirchensteuer aus-
macht. Das heißt, auch hier hat eine Entlastung der Fami-
lien stattgefunden.

Grundsätzlich wird die Durchschnittsfamilie von den
vorgeschlagenen Steueränderungen bzw. Subventions-
kürzungen, die wir im nächsten Jahr vorhaben, nicht stark
betroffen sein. Ich habe das bereits in der vorigen Aktuel-
len Stunde dargelegt. Da die Durchschnittsfamilie selten
über einen Dienstwagen verfügt, wenig Aktienspekula-
tionen betreibt und auch selten Abschreibungsmodelle im
Mietwohnungsbau nutzt, ist sie nur vom Regelsteuersatz
bei der Mehrwertsteuer für Blumen und Pflanzen betrof-
fen. Das wird ungefähr 1 bis 2 Euro im Monat ausmachen.
Ich denke, das ist angesichts der großen Entlastung für die
Durchschnittsfamilie zu verkraften. Deswegen haben wir
sehr erfolgreich Politik gemacht.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das sieht man an den Umfrageergebnissen! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


– In der Aktuellen Stunde sind Fragen nicht erlaubt.
Ich danke Ihnen für das Zuhören.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Sie haben das Thema verfehlt, Frau Kollegin!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501531000

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Solms, FDP-Frak-

tion.

(Reinhard Schultz [Everswinkel] [SPD]: Sagen Sie einmal etwas zur Repatriierung von Möllemanns Geld!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1501531100

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-

ren! Auf dieses Niveau wollte ich mich nicht begeben,
Herr Kollege Schultz. Wenn das Ihr Niveau ist, dann ist
das bezeichnend.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Ich möchte auf die bemerkenswerte Kursänderung ein-

gehen, die hinter der Absicht der rot-grünen Regierung
steckt, eine Zinsabgeltungsteuer einzuführen. Wenn das
tatsächlich wahr ist – das ist ja das Eigentliche, was noch
zu prüfen ist –, möchte ich auf Folgendes hinweisen: Die
FDP fordert schon seit der Einführung der Zinsbesteue-
rung 1992 eine Zinsabgeltungsteuer. Wir konnten uns da-
mit in der damaligen Koalition nicht durchsetzen. Die
Einführung einer solchen Steuer ist gleichwohl richtig.
Wir haben schon Anfang Juni 2001 öffentlich vorgeschla-
gen, eine Brücke zur Steuerehrlichkeit für diejenigen zu
bauen, die ihr Kapital bzw. ihr Sparvermögen ins Ausland
transferiert und nicht deklariert haben, damit sie wieder
steuerehrlich werden können.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn eine solche Politik konsequent gemacht wird,
dann muss sie natürlich nach jeder Richtung hin abge-
sichert sein. Das heißt, wenn wir das Vertrauen in den Ka-
pitalmarkt Deutschland – die umfängliche Kapitalflucht
zeigt, dass dieses verloren gegangen ist – zurückgewinnen
wollen, dann muss der Kapitalmarkt Deutschland so ge-
staltet werden, dass die Belastungen auf Sparvermögen hier
nicht höher sind als in vergleichbaren Industriestandorten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ein Maßstab dafür ist Österreich mit einer Zinsbesteue-
rung von 25 Prozent. In Österreich ist das Steueraufkom-
men seit Einführung der Zinsabgeltungsteuer um 30 Pro-
zent gestiegen.

Es geht also darum, das Vertrauen in den Kapitalmarkt
Deutschland wiederherzustellen. Das wird aber nur gelin-
gen, wenn Sie mit der Einführung einer Zinsabgeltung-
steuer gleichzeitig dafür sorgen, dass das Bankgeheimnis
erhalten bleibt, dass die Banken also keine umfängliche
Kontrollmitteilungen machen müssen und dass die Dis-
kussion über die Wiedereinführung der Vermögensteuer
und die Erhöhung der Erbschaftsteuer beendet wird.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Sofort!)

Sonst wird das Vertrauen derjenigen missbraucht, deren
Kapital besteuert werden soll.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sehr richtig!)

Wenn die Kapitalbesteuerung so durchgeführt werden

soll, wie Sie das vorhaben – das ist durchaus sinnvoll –,
dann muss der Richtungswechsel auch konsequent und
endgültig vorgenommen werden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das heißt, die Einführung der Zinsabgeltungsteuer müs-
sen wir mit der endgültigen Abschaffung der Vermögen-
steuer verbinden. Des Weiteren müssen wir den Unsinn

Ingrid Arndt-Brauer

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002
Dr. Hermann Otto Solms
mit den Kontrollmitteilungen unterlassen. Diese sind
dann auch nicht mehr notwendig, weil die Steuerpflich-
tigen eine Zinsabgeltungsteuer, die an der Quelle erhoben
und deren Aufkommen von den Banken abgeführt wird,
gar nicht umgehen können.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Deshalb kann das Bankgeheimnis – das muss es kon-

sequenterweise auch – erhalten bleiben. Nur so wird ein
Schuh daraus. Wenn Sie das nicht einsehen, dann werden
Ihnen die Sparer nicht vertrauen, das heißt, sie werden ihr
Kapital weder hier belassen noch aus dem Ausland – oder
wo auch immer sie es deponiert haben – zurückholen. So
einfach ist die Rechnung.

Wir befinden uns schließlich in einer offenen ökono-
mischen Welt und nicht in einer geschlossenen Volkswirt-
schaft. Wir sind den Regeln des Wettbewerbs voll unter-
worfen und müssen uns ihm deshalb stellen. Das geht nur,
indem wir Deutschland für die steuerpflichtigen Sparer
und Kapitalbesitzer in Zukunft so attraktiv gestalten, wie
es die besten Länder um uns herum bereits sind. Den
Österreichern ist das gelungen. Wir brauchen ihnen nur
zu folgen. Auch die Schweizer sind inzwischen bereit,
das Quellensteuerabzugsverfahren mitzumachen. Wenn
Deutschland diesen Weg gehen würde, würde natürlich in
ganz Europa ein Umdenken einsetzen. Das ist doch ganz
klar.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich möchte noch zwei Bemerkungen machen. Erstens.

Ich habe Zweifel, dass die Regierung die Einführung ei-
ner Zinsabgeltungsteuer tatsächlich beabsichtigt; denn in-
nerhalb der Regierung wird darüber diskutiert, in Zukunft
Kapital- und Mieterträge in die Bemessungsgrundlage für
die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung ein-
zubeziehen. Die Diskussion läuft und das wird jetzt auf
die Rürup-Kommission geschoben. Wenn das tatsächlich
so kommen sollte, dann können Sie alles das vergessen,
was Sie in diesem Bereich tun; denn dann ist das Ver-
trauen weg.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dann möchte ich noch eine Bemerkung zu dem Spit-

zenkandidaten der Sozialdemokraten im Bundesland Hes-
sen machen. Wie Sie wissen, ist der Finanzplatz Frankfurt
der deutsche Finanzplatz. International ist damit der Ka-
pitalmarkt Deutschland verbunden. Nun will der Spitzen-
kandidat der Sozialdemokraten, der dort Ministerpräsi-
dent werden will


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bökel heißt der!)


– Gerhard Bökel, genau; ich kenne ihn seit langem und
gut; er war einmal Landrat im Lahn-Dill-Kreis in meiner
Nachbarschaft –,


(Ortwin Runde [SPD]: Ein guter!)

nicht von der Einführung der Vermögensteuer lassen. Wer
für den Finanzplatz Frankfurt – dabei geht es um das Ver-
trauen in den deutschen Kapitalmarkt – Verantwortung
übernehmen will, der kann doch nicht eine Politik betrei-
ben, die dazu führt, dass die Kapitalbesitzer, die Sparer ru-

delweise ihr Geld ins Ausland tragen und den Finanzplatz
Frankfurt in einem weiten Bogen umgehen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das wäre eine eklatante Beschädigung des Finanzplatzes
Frankfurt, des Wirtschaftsstandortes Hessen und zum
Nachteil der dort beschäftigten Zehntausenden von Mit-
arbeitern in den Finanzdienstleistungsbereichen.

Meine Damen und Herren, ich kann Sie nur auffordern,
die Zinsabgeltungsteuer einzuführen. Wir halten das für
richtig. Es macht aber nur Sinn, wenn es konsequent be-
trieben wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501531200

Das Wort hat nun die Kollegin Christine Scheel,

Bündnis 90/Die Grünen.

(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Jetzt kommt der Salto vorwärts und rückwärts gleichzeitig! – Gegenruf der Abg. Ute Kumpf [SPD]: Nur kein Neid!)



Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501531300

Genau, kein Neid!


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Haltungsnoten geben wir später!)


Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Herr
Dr. Solms, es kann überhaupt keine Rede davon sein, dass
ein Kurswechsel vorgenommen wird.


(Lachen bei der CDU/CSU)

Wir haben in der Vergangenheit immer gesagt, Ziel ist,
den Steuertarif zu senken, in Verbindung damit die Be-
messungsgrundlage zu verbreitern


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Weiß das die SPD schon?)


und auch auf der europäischen Ebene eine vernünftige Po-
litik zu erreichen, was die Besteuerung von Zinsen anbe-
langt. Das war immer Konsens. Soweit ich das verfolgen
kann, ist es sogar in Ihren Reihen mit Beifall bedacht wor-
den, wenn diese Position in Veranstaltungen draußen ver-
treten worden ist.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Nur, Sie haben das Gegenteil gemacht!)


Wir haben von 1998 bis 2002 – das sind die Daten, die
jetzt ermittelt worden sind; darauf möchte ich hinweisen –
die Steuerquote von 22,1 Prozent auf 21 Prozent gesenkt.
Das heißt, dass wir 1998 von der damaligen Regierung
eine relativ hohe Steuerquote übernommen haben, die wir
bis heute Jahr für Jahr – das müssen Sie bitte einmal zur
Kenntnis nehmen – gesenkt haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das gilt übrigens genauso für die Abgabenquote. Es
wird immer so getan, als seien die Abgaben permanent ge-


(A)



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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1157

stiegen. Man muss das in der Relation sehen. Wir haben
von 1998 bis heute eine Senkung der Abgaben von
40,2 Prozent auf 39 Prozent erreicht. Auch das gehört zur
Wahrheit dazu. Ich bitte Sie, doch einfach einmal die Fak-
ten zur Kenntnis zu nehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Sie müssen die indirekten Steuern auch berücksichtigen! – Weiterer Zuruf des Abg. CarlLudwig Thiele [FDP])


– Herr Thiele, ich bitte Sie, sich einmal anzugucken, wie
hoch der Rentenversicherungsbeitrag zu Ihrer Regie-
rungszeit gewesen ist: 20,3 Prozent!


(Dirk Niebel [FDP]: Ohne Ökosteuer!)

Bei uns beträgt er 19,5 Prozent. Das heißt, bei uns liegt er
immer noch 0,8 Prozentpunkte unter dem Satz, den Sie
uns hinterlassen haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dass er immer noch zu hoch ist, wissen wir. Wir sind auf
einem anderen Weg als dem, den Sie eingeschlagen hat-
ten. Sie haben über ein ganzes Jahrzehnt die Steuer- und
Abgabenquote kontinuierlich erhöht. Das war Ihre Poli-
tik. Wir machen genau das Gegenteil.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ihr lügt!)

Die weiteren Stufen der Einkommensteuerreform – so

viel zum Titel dieser Aktuellen Stunde – werden auch
kommen.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Wann? – Dirk Niebel [FDP]: Wann erhöhen Sie die Mehrwertsteuer?)


Es ist mal wieder typisch Opposition, zu suggerieren, dass
wir im Saldo Mehrbelastungen statt Entlastungen vor-
nehmen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was denn sonst? – Elke Wülfing [CDU/CSU]: Das ist doch unglaublich! Wir haben gerade eine Sitzung des Finanzausschusses gehabt! Da sind Sie Vorsitzende! – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Zwischen dem Paul-Löbe-Haus und dem Reichstagsgebäude müssen ja Kilometer sein!)


Die Beschlusslage ist, dass in den Jahren 2004 und 2005
– das ist die Gesetzeslage, verehrte Damen und Herren der
Opposition – die Steuersätze weiter gesenkt werden, und
zwar bis zu einem Eingangssteuersatz von 15 Prozent und
einem oberen Grenzsteuersatz von 42 Prozent. Das ist im
internationalen Vergleich hervorragend. Es gibt einige
wenige Länder, bei denen der Satz unter 40 Prozent liegt.
Dazu muss man aber wissen, dass dort der Spitzen-
steuersatz nicht erst bei einem Einkommen von rund
48 000 Euro, sondern bereits zum Beispiel bei einem
Einkommen von 25 000 Euro einsetzt. Das heißt, dass
dort die definitive Belastung durch die Einkommensteuer
wesentlich höher ist, als es bei uns der Fall ist. So viel zu
der Mär, die Sie immer wieder zu verbreiten versuchen.
Wir sind international top aufgestellt, das gilt für die Ein-

kommensteuer übrigens genauso wie für die Körper-
schaftsteuer.

Selbstverständlich haben wir nach wie vor eine Kon-
junkturflaute. Bekannterweise hat diese wirtschaftliche
Situation nicht zu Steuermehreinnahmen, sondern eher zu
Steuermindereinnahmen geführt.


(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Wann haben Sie es denn gemerkt?)


Das haben wir ja jetzt auch im Rahmen der Steuerschät-
zung festgestellt. Dies zwingt uns natürlich dazu, Spar-
maßnahmen vorzunehmen, nicht nur – ich sage das ganz
bewusst – im Bereich der Steuerpolitik durch Verbreite-
rung der Bemessungsgrundlage, sondern selbstverständ-
lich auch in den sozialen Sicherungssystemen und selbst-
verständlich auch in den Einzeletats der verschiedenen
Haushalte, die wir hier aufgestellt haben. Deren Einspa-
rungen tragen zu zwei Dritteln zum Gesamtvolumen bei, um
die Vorgaben, die wir einhalten müssen, erfüllen zu können.

Die Opposition verweigert ja bislang jede Diskussion
darüber, welche Einsparungen im Einzelnen vorgenom-
men werden könnten. Sie sagen: Wir haben das bis 1998
gemacht und jetzt seid ihr an der Regierung; jetzt legt ihr
mal vor. Aber alles, was vorgelegt wird, lehnen Sie jedes
Mal wieder ab. Das ist keine konstruktive Oppositions-
politik. Das habe ich von dieser Stelle aus schon mehrmals
gesagt. Ich muss leider feststellen, dass das in den letzten Ta-
gen in Bezug auf die Steuerpolitik nicht besser geworden ist.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Wären Sie uns nur bei der großen Steuerreform gefolgt! Dann würde Deutschland anders dastehen!)


Ich erwarte von Ihnen, dass Sie Vorschläge zum Subven-
tionsabbau und zur Streichung von Steuervergünstigun-
gen machen.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Tun wir!)

Dann kommen wir an dieser Stelle zusammen und kom-
men auch gemeinsam voran.

Abschließend sage ich ganz klar: Die Vermögensteuer-
diskussion ist vom Tisch.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hoffentlich weiß das die SPD schon!)


Die Abgeltungsteuer wird im Januar oder Februar nächs-
ten Jahres in einem eigenen Gesetz kommen und die Zins-
abschlagsteuer ersetzen. Bevor hier ein Mythos aufgebaut
wird, Herr Seiffert, sage ich Ihnen: Es wird – das wird von
SPD und Grünen so gesehen – eine Option für diejenigen
geben, die unter 25 Prozent liegen, und der Sparerfreibe-
trag soll selbstverständlich erhalten bleiben, sodass kleine
Vermögen auf alle Fälle geschützt werden.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501531400

Ich erteile das Wort dem Kollegen Hans Michelbach,

CDU/CSU-Fraktion.

Christine Scheel

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1501531500

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen!

Die Vermögensteuerdebatte ist Rot-Grün völlig aus dem
Ruder gelaufen. Kassiert die Reichen ab, damit Lieschen
Müller ihre Bildung bekommt – diese Neiddebatte war die
Wahlkampfstrategie eines Herrn Gabriel und eines Herrn
Bökel.


(Ortwin Runde [SPD]: Frauenfeindlich!)

Nun hat sich der Bundeskanzler aber eine neue Insze-

nierung einfallen lassen. Das Thema Vermögensteuer soll
durch das Thema Abgeltungsteuer überdeckt und damit der
Streit in der SPD geradezu wundersam beendet werden.


(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Es gibt keinen Streit!)


Das ist die Wahrheit. Eine richtige Besteuerung von Kapita-
lerträgen wird also dafür missbraucht. Leider bahnt sich
eher ein neuer rot-grüner Steuerflop an, als dass ein seriöses
Abgeltungsteuergesetz eingeführt wird: Für den Genossen
Gabriel stellt das die Fortsetzung der Neid- und Ausgren-
zungspolitik in der Steuerpolitik unter anderem Titel dar.

Die Bundesregierung selbst lebt in der Steuerpolitik
aber ohnehin nur nach dem Prinzip Hoffnung. Erst heute
wurden im Finanzausschuss von den Beamten weitere
Risiken der Steuerschätzung für das Jahr 2003 in Höhe
von etwa 3 Milliarden Euro eingeräumt. Bundeskanzler
Schröder sieht sich aber schon selbst als neuen Dagobert
Duck, der dank der Abgeltungsteuer geradezu in neuem
Geld schwimmt. 100Milliarden Euro will er heimholen und
damit auch den aufmüpfigen Herrn Gabriel besänftigen.


(Zurufe von der SPD)

Dabei, meine Damen und Herren, haben die Genossen

anscheinend den neuen Verteilungsmechanismus noch gar
nicht verstanden, nämlich dass höhere Einkommen niedri-
ger und geringere Einkommen höher besteuert werden. Wie
lässt sich denn das überhaupt mit Ihrem Neidkomplex ver-
einbaren? Schröders Vorstellung ist geradezu eine Ein-
nahme-Fata-Morgana. Nicht einmal 10 Prozent dieser
Summe werden durch seine Steueramnestie hereinkommen.


(Zuruf der CDU/CSU: Das fürchte ich auch! – Gegenruf von der SPD: Sie müssen nicht von sich auf alle anderen schließen!)


Was sagt eigentlich der Amnestiegegner Eichel zu diesem
Wechsel in die Steueramnestie?

Eines ist sicher: Heerscharen von Steuerzahlern lockt
die rot-grüne Steuerpolitik sicher nicht ins Land. Die reu-
igen Kapitalanleger sollen einmalig 25 Prozent auf das
Kapital zahlen, ihre zukünftigen Erträge ebenfalls mit
25 Prozent versteuern und zusätzlich die neuen Steuer-
erhöhungen der laufenden Gesetzgebung in Kauf neh-
men. Es ist ja nicht so, dass Sie keine Steuererhöhungen
machen. Sie veranstalten eine Steuerorgie mit einer
ganzen Reihe neuer Steuern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch bei der SPD)


Das ist die Situation, die Sie zu verantworten haben. Die
Steuerquote ist doch nur deshalb so niedrig, weil Sie das

Kindergeld im Einkommensteuerbereich abziehen. Das
ist die Situation!


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war aber 1998 auch schon so!)


Für wie naiv halten Sie eigentlich unsere Steuerzahler?
Solange die Frage der Vermögensteuer nicht geklärt ist,
wird kein Geld aus dem Ausland zurückkommen. Deshalb
fordere ich Sie auf: Stimmen Sie zuerst für unseren An-
trag auf Abschaffung der Vermögensteuer. Dann herr-
schen Wahrheit und Klarheit auf diesem Gebiet und Sie
können vielleicht Vertrauen schaffen. Das werden Sie
aber wieder nicht tun.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Solange das neue Steuerpaket 41 Steuererhöhungen
vorsieht, wird kein Geld aus dem Ausland zurückkom-
men. Solange ein zu hoher Abgeltungsteuersatz in Höhe
von 25 Prozent besteht, wird kein Geld aus dem Ausland
zurückkommen.


(Ute Kumpf [SPD]: Das ist zu hoch?)

Solange gleichzeitig das Bankgeheimnis durch Kontroll-
mitteilungen zerstört wird, wird kein Geld aus dem Aus-
land zurückkommen.

Das alles zeigt: Die rot-grüne Steuerpolitik ist Kako-
phonie und nicht Symphonie. Das ist die Wahrheit!


(Beifall bei der CDU/CSU)

Niemand hat noch Vertrauen in eine rot-grüne Steuer-

politik. Deswegen wird es in Deutschland immer weniger
Investitionen geben. Niemand hat Vertrauen in diesen
Standort. Sie belasten den Standort immer stärker: Der
Staatsanteil am Volkseinkommen liegt inzwischen bei
56 Prozent. Sie aber reden davon, dass Sie die Steuerbür-
ger und die Betriebe entlastet haben.


(Zuruf von der SPD: So ist es auch!)

Der richtige Weg für die Einführung der Abgeltung-

steuer muss mit einer klaren Abschaffung der Vermögen-
steuer und einem Gesamtsteuerkonzept, das vereinfacht
und entlastet, verbunden sein. Eine Abgeltungsteuer
braucht Lösungen im Einkommensteuertarif, beim Halb-
einkünfteverfahren und bei den Dividenden. Eine Abgel-
tungsteuer macht nur Sinn, wenn der steuerpolitische
Zickzackkurs und die rot-grünen Steuererhöhungen been-
det werden. Sie haben die Steuerquote nicht wirklich ge-
senkt; denn zum 1. Januar haben Sie Steuererhöhungen
durchgeführt: Ökosteuer, Erdgassteuer, Mindeststeuer,
Wertzuwachssteuer, Firmenwagensteuer und Umsatz-
steuer. Das bedeutet für diesen Standort einen Kauf-
kraftentzug in Höhe von 25 bis 30 Milliarden Euro.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das ist die Wahrheit.

Zum Abschluss kann ich Ihnen nur sagen: Die schrö-
derschen Schalmeienklänge machen im kalten Winter
noch keinen Frühling in der rot-grünen Steuerpolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf der SPD: Viel Lyrik gab es und wenig Brot!)



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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1159


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501531600

Nächste Rednerin in der Aussprache ist die Kollegin

Lydia Westrich, SPD-Fraktion.


Lydia Westrich (SPD):
Rede ID: ID1501531700

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Herr Kollege Michelbach, Sie tun mir fast ein wenig
Leid. Es muss doch frustrierend sein, permanent Wahl-
kampf führen zu müssen.


(Zuruf der SPD: Bis in den Herbst hinein!)

Es ist kein Wunder, dass Ihnen keine Zeit bleibt, eigene
Konzepte zu entwickeln. Ich glaube schon, dass Sie ein
bisschen neidisch sind. Das hat man an Ihrer Rede auch
gemerkt.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Auf wen neidisch?)


Außerdem stehlen Sie uns die Zeit, die wir besser mit der
konstruktiven Lösung der wirklich drängenden Probleme
unseres Landes verbringen könnten.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Mit neuen Steuererhöhungen!)


Ihr Wirtschaftssachverständiger, Lothar Späth – er hat
im Wahlkampf noch etwas gegolten –, schreibt Ihnen ins
Stammbuch, dass Sie mit Ihrer rückwärts gewandten Po-
litik endlich aufhören sollten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Herr Späth schreibt im „Handelsblatt“:
Die Politik kann sich jetzt einen Untersuchungsaus-
schuss erlauben, die Unternehmer nicht ... Unsere
Mittelständler wollen jetzt keine weitere Jammerei,
sondern sie wollen Lösungen für unsere großen ge-
sellschaftspolitischen Fragen. Sei es im Wettbewerb
der Parteien oder gemeinsam.

Diese Lösungen, wie Sie selbst gesagt haben, bieten wir
Ihnen an.


(Beifall bei der SPD – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Das sind keine Lösungen, das sind Probleme!)


Sie als Opposition sagen wie immer nur Nein. Das wird
nicht reichen, Herr Thiele.

Der CDU-Wirtschaftsrat geht mit Ihnen genauso hart
ins Gericht, siehe „FAZ“ von heute:

Die Opposition darf sich nicht auf Kritik beschrän-
ken, sondern muss auch konkrete eigene Konzepte
vorlegen ...

(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Das habe ich vorhin gemacht! Haben Sie nicht zugehört? Das habe ich ganz aktuell gemacht!)


Andernfalls mache Opposition „keinen Sinn“. So der Prä-
sident des Wirtschaftsrats, Kurt Lauk. Ich kann nur hof-
fen, dass diese Mahnungen auf fruchtbaren Boden fallen

und die Weihnachtszeit Ihren Frust, Herr Michelbach, und
Ihre Erbitterung über die verlorene Wahl etwas dämpft.


(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Wie lange wollen Sie diese Melodie noch singen?)


Heute im Finanzausschuss gab es schon wieder das
gleiche Spiel: Es werden Schaufensteranträge zu selbst
aufgebrachten Diskussionen gestellt, aber bei der konkre-
ten Gesetzesberatung nach Alternativen gefragt heißt es
nur schnippisch – das ist wörtlich gefallen –: Ihr seid doch
die Regierung.


(Leo Dautzenberg [CDU/CSU]: Ihr wisst doch gar nicht, was ihr wollt!)


Da kommt nichts Substanzielles, auch von Ihnen nicht,
Herr Dautzenberg.

Einerseits wird der Einbruch beim Aufkommen aus der
Körperschaftsteuer heiß beklagt. Ihr Kanzlerkandidat lief
ja monatelang durch die Lande und forderte, dass große
Unternehmen wieder Steuern zahlen sollten. Wenn aber
die Regierungskoalition konkrete Maßnahmen vor-
schlägt, dann sind diese plötzlich alle des Teufels. Alter-
nativen Ihrerseits gibt es keine.

Sie beklagen den Verfall der Steuereinnahmen der Ge-
meinden und stimmen gleichzeitig gegen jede Möglich-
keit, die Steuerbasis wieder zu stabilisieren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie fordern Subventionsabbau, aber wenn es ans Einge-
machte geht, ist plötzlich jede einzelne Subvention sakro-
sankt. Außer den Sonntags-, Feiertags- und Nachtzu-
schlägen


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Und Steinkohle!)

– das kommt gleich auch noch – fällt Ihnen bei den Steuer-
vergünstigungen nichts ein. An die kann man ja herange-
hen; das betrifft ja nur Arbeitnehmer, Krankenschwestern,
Busfahrer usw. Gleichzeitig geben Sie damit den Ge-
werkschaften eins drauf, die Sie sowieso zu den Buhmän-
nern der Nation hochstilisieren.

Die FDP fordert eine lineare Kürzung aller Subventio-
nen. Das heißt, Sie haben Ihre politische Gestaltungskraft
längst aufgegeben. Zurzeit sind Sie ein bisschen mit sich
selbst beschäftigt. Vielleicht wird es wieder besser. Mit
Ihren alten Rezepten – weniger Staat, mehr Markt, der
Markt richtet es schon – kommen wir nicht weiter, das ha-
ben wir gesehen. Sie haben es 16 Jahre lang versucht und
an den Ergebnissen knabbern wir noch heute.

Wir machen heute die Reformen, die Sie schon längst
hätten in Angriff nehmen müssen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Aber es war immer bequemer, den Schuldenberg weiter
aufzuhäufen,


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Jetzt kommt auch noch der Schuldenberg! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: So wie dieses Jahr ist der noch nie gewachsen!)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002
Lydia Westrich
statt sich ernsthaft mit den Interessenverbänden anzule-
gen, lieb gewordene Privilegien auf ein normales Maß zu
beschneiden und die Last der Konsolidierung der öffent-
lichen Haushalte auf viele Schultern zu verteilen, damit
sie für alle erträglich wird. Ihnen fallen nur die Steinkohle
und Feiertagszuschläge ein.

Nein, das stimmt nicht ganz: Ihr ehemaliger Staatsse-
kretär, den Sie jetzt immer als Sachverständigen benen-
nen, Eekhoff, fordert die Erhöhung der Verbrauchsteuern,
weil das mehr Klarheit und Wahrheit bringe, obwohl Sie
heute selbst einen gegenteiligen Antrag dazu gestellt ha-
ben. Ministerpräsident Milbradt


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Milbradt ist in der CDU, Frau Kollegin!)


fordert eine Wertschöpfungsteuer für die Kommunen und
eine Flächennutzungsteuer, deren Betrag sich gegenüber
der Grundsteuer verdoppeln soll.

Als Allheilmittel zur Lösung aller Probleme schlägt der
Wirtschaftsrat der CDU wieder vor, den Spitzensteuersatz
der Einkommensteuer auf 35 Prozent zu senken. Wenn es
Ihnen mit der Einführung eines einfachen Steuerrechts
ernst ist, dann müssen Sie endlich zur Kenntnis nehmen,
dass es auch einen unangenehmeren Teil dieses Projektes
gibt, nämlich die Verbreiterung der Bemessungsgrundla-
gen. Dazu gehört der Abbau von direkten und versteckten
Subventionen. Dazu fehlt Ihnen natürlich der Mut. Da
wird wieder alles abgelehnt; das haben wir heute gesehen.
Jedem wohl und keinem wehe – so können Sie, meine
Damen und Herren von der Opposition, die Zukunft
Deutschlands nicht gestalten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das wussten die Bürger, als sie die rot-grüne Bundes-
regierung bestätigt haben.

Das Schlimmste ist, Herr Seiffert, mit anzusehen, wie
Sie sich als Parlamentarier selbst entmachten.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Wir? – CarlLudwig Thiele [FDP]: Ihr seid doch nur Durchlauferhitzer!)


Wie bei den Hartz-Konzepten werden Sie es auch bei den
Steuergesetzen Ihren Ländervertretern überlassen, nach
konstruktiven Lösungen zu suchen. Die Länder und Ge-
meinden brauchen die Konsolidierung der Haushalte ge-
nauso notwendig wie der Bund. Dazu wird das Subven-
tionsabbaugesetz beitragen. Arbeiten Sie lieber jetzt
konstruktiv mit, nehmen Sie Ihre parlamentarische Ver-
antwortung wahr und warten Sie nicht darauf, dass Ihnen
jemand anders die Kastanien aus dem Feuer holt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501531800

Nächster Redner in der Aussprache ist der Kollege

Norbert Schindler, CDU/CSU-Fraktion.


Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1501531900

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Derzeit

werben gute Versicherungskonzerne im Fernsehen erfolg-
reich mit dem Spruch: Was Menschen so sicher macht, ist
das täglich millionenfach gehaltene Versprechen.


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich jetzt nicht verstanden!)


Was aber erleben wir in der Politik? – Wir erleben
Ankündigungen. Es gab beispielsweise heute im Finanz-
ausschuss eine Beratung über den ersten Gesetzentwurf
aus der Giftliste des Herrn Eichel, bestehend aus 45 Punk-
ten. Wir haben vor zwei Tagen gehört, dass es eine fried-
liche Einigung über die Abgeltungsteuer zwischen Herrn
Schröder und Herrn Gabriel gegeben hat. Es wurde ge-
sagt, sie sei sozial gerecht. Mit dieser Ankündigung – man
ist sich sicher, dass dieser Vorschlag positiv aufgenom-
men wird – war man schon zufrieden. Wenn wir vertrau-
ensbildende Maßnahmen machen wollen, dann dürfen
uns aber die massiven Fehler nicht passieren, die die Re-
gierung vor einigen Wochen gemacht hat.

Angesprochen auf die Veräußerungsgewinne, die jetzt
ebenfalls in diese Giftliste aufgenommen worden sind,
sagte Gerhard Schröder am 14. Juli im „Tagesspiegel“,
die Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne müsse
bleiben. Was danach geschah, wissen Sie.

Am 26. Juli ist von Kanzler Schröder in der ARD fest-
gestellt worden, dass keine Absicht bestehe, Steuern zu er-
höhen.


(Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Machen wir doch auch nicht! – Lachen bei der CDU/CSU)


Aber was geschieht?
Sie haben gesagt, Sie würden die Steuern nicht er-

höhen. Aber für einige Produkte wird die Umsatzsteuer
von 7 auf 16 Prozent angehoben. Sie müssen einräumen,
dass dies zu Preiserhöhungen führen wird. Außerdem
kommt es bei bestimmten Produkten noch zu Verzerrun-
gen. Ich verspreche Ihnen – das habe ich schon heute Mit-
tag getan –, dass wir im Bundesrat einiges ausputzen
werden. Erklären Sie den Menschen im Lande doch ein-
mal, dass das Futter für Kampfhunde mit 7 Prozent und
das Futter für die friedliche Kuh mit 16 Prozent Umsatz-
steuer belastet wird. Erklären Sie das einmal den Tier-
liebhabern!


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf der Abg. Ute Kumpf [SPD])


Vertrauensbildende Maßnahmen fehlen auch im Be-
reich der Rente. Die SPD verkündete am 18. Juni in einer
Anzeige in der „Frankfurter Rundschau“:

Wir halten die Rentenbeiträge langfristig stabil.
Frau Scheel, wir können rechnen. Aber Sie haben an-
scheinend in der Schule bei der Mengenlehre nicht aufge-
passt. Wenn ich einmal die Belastungen zusammenzähle
und ausrechne, was die Bürgerinnen und Bürger noch in
ihrer Tasche haben, dann wundert es mich nicht, dass Ihre
Regierung so schlechte Umfrageergebnisse hat. Trotz
Ökosteuer ist es beschlossene Sache, die Beiträge zur
Rentenversicherung von 19,1 auf 19,5 Prozent anzuhe-


(A)



(B)



(C)



(D)


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(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1161

ben. Das ist dann zwar keine Steuererhöhung, aber eine
Abgabenerhöhung.

Eine weitere Lüge: Haushaltsdefizit. Fünf Tage vor der
Wahl verkündet der Herr Finanzminister in der ARD, er
sei sicher, dass wir keinen blauen Brief aus Brüssel be-
kommen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Jetzt kriegt er zwei! Für 2002 und 2003!)


Einige Tage später sah die Sache anders aus.
Ich komme zu einem weiteren Punkt: Staatsverschul-

dung. Eichel verkündete am 12. September im Bundestag,
dass die Finanzlage absolut in Ordnung sei, dass der eu-
ropäische Stabilitätspakt eingehalten werde und dass eine
Neuverschuldung nicht für nötig gehalten werde.


(Zuruf des Abg. Dr. Michael Bürsch [SPD])

Was 14 Tage später passiert ist, wissen Sie.

Im Wahlprogramm der SPD ist zur Krankenversiche-
rung zu lesen:

Bei der Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzli-
che Krankenversicherung gibt es keine Änderungen.

Das Hartz-Konzept wurde nach massivem Einwirken
von Vertretern der Union und der FDP im Vermittlungs-
ausschuss in einem Teilbereich endlich so umgesetzt, dass
wir gut damit leben können. Das entspricht aber nicht
Ihrem ursprünglichen Vorschlag.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Carl-Ludwig Thiele [FDP])


Ein letzter Punkt: die Kabinettszusammensetzung.
Dazu stellte Gerhard Schröder im „Spiegel“ fest, er habe
ein gut arbeitendes Kabinett und zu Personaldebatten
gebe es keinen Anlass. Auch im zweiten Fernsehduell mit
Edmund Stoiber betonte er, er habe einen tüchtigen Wirt-
schaftsminister und einen tüchtigen Arbeitsminister. Was
er in Wahrheit über sie gedacht hat, kam wenige Tage nach
der Wahl heraus. Jetzt stellen sich die Fragen: Wie geht
Bsirske und wie geht die Gewerkschaft als der dritte Ko-
alitionspartner mit dem Vorschlag über die Abgeltung-
steuer um?


(Beifall bei der CDU/CSU)

Knickt Ihre Fraktion mit ihren 120Verdi-Mitgliedern wie-
der ein?


(Zuruf von der CDU/CSU: Mehr! 180!)

Wie züchtig sind Sie dann im Befolgen dieser Wünsche?

Das notwendige Vertrauen wird nicht geschaffen. Sie
haben die Vermögensteuer noch im Hinterkopf. Sie wol-
len das Bankgeheimnis völlig abschaffen. Wer glaubt,
dass im Ausland geparktes Vermögen dann wieder ver-
trauensvoll in die Bundesrepublik Deutschland zurück-
fließt, der täuscht sich. Deswegen sollte es deutliche Zei-
chen und keine Widersprüche geben.

Leider Gottes habe ich nur eine Redezeit von fünf Mi-
nuten. Zum Schluss möchte ich aber aus einem Brief zur
Weihnachtszeit, den ich gestern bekam, noch Folgendes
zitieren:

... noch will das alte unsre Herzen quälen, noch
drückt uns böser Tage schwere Last. Ach Herr, gib
unsern aufgeschreckten Seelen das Heil, für das du
uns geschaffen hast.

Das wünschen wir uns vor Weihnachten.
Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501532000

Für die Bundesregierung hat nun die Parlamentarische

Staatssekretärin Frau Dr. Hendricks das Wort.

D
Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501532100


Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lie-
ber Kollege Norbert Schindler, natürlich kann nur der
Herr deine Weihnachtswünsche erfüllen. Wir jedenfalls
werden auf der Erde alles dazu tun, dass es den Menschen
gut geht.


(Beifall bei der SPD – Manfred Grund [CDU/ CSU]: Wann fangen Sie damit an? – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Welche Drohung! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Sie werden in Zukunft die Weihnachtsbäume höher besteuern!)


Wir haben in den letzten vier Jahren in der Steuerpoli-
tik konsequent das Ruder herumgerissen und sie inner-
halb weniger Jahre wieder auf Kurs gebracht. Die Kolle-
gin Scheel hat darauf hingewiesen: Wir haben in der
letzten Legislaturperiode die größte Steuerreform in der
Geschichte der Bundesrepublik Deutschland mit einem
Entlastungsvolumen von 56 Milliarden Euro durchge-
setzt. Dafür haben wir im In- und Ausland Anerkennung
gefunden.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Da lachen Ihre eigenen Leute, Frau Kollegin!)


Daher sollte Ihnen nicht daran gelegen sein, ständig unser
Land schlechtzureden.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Niemand macht das! Das haben Sie vor der Wahl auch behauptet!)


Das entspricht nicht der Verantwortung, die Sie als Abge-
ordnete der Opposition auszuüben haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Ergebnis ist: Der Standort Deutschland ist für In-
vestoren wieder attraktiv geworden. Das ist sehr gut
nachweisbar.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Deshalb kommen die auch alle! – Zuruf des Abg. Hans Michelbach [CDU/CSU])


Das hat die international renommierte Unternehmensbe-
ratung Ernst & Young in einer aktuellen Untersuchung,
Herr Kollege Michelbach, festgestellt. Dafür gibt es harte

Norbert Schindler

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002
Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
Zahlen: Deutschland steht mit Direktinvestitionen in
Höhe von 27Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2002 wie
schon in den vergangenen vier Jahren – aber erst seither –
und bei der Anwerbung von Auslandskapital an der Spitze
Europas. Wir haben mit einer Steuerquote von 21,6 Pro-
zent in diesem Jahr den niedrigsten Stand seit 1960. Wenn
dann jemand sagt, sie sei nur deshalb so niedrig, weil wir
das Kindergeld dagegenrechneten, dann sage ich Ihnen:
Das Kindergeld ist in den Taschen der Menschen und in-
folgedessen nicht beim Finanzamt. Nach dem Bundesver-
fassungsgericht ist es eine Steuererstattung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war es 1998 auch schon!)


– Richtig, das war es auch schon vor unserer Regierungs-
verantwortung. Auch Sie von der Opposition haben das
Kindergeld in Ihrer Regierungsverantwortung von der
Steuerquote abgezogen.

Wir haben also dafür gesorgt, dass Arbeitnehmer und
Familien am meisten von unseren Reformen profitieren.
Einige Eckwerte sollten Sie sich noch einmal anhören,
auch wenn Sie ständig, wie ich annehme, wider besseres
Wissen, also eigentlich böswillig, das Gegenteil behaup-
ten. Das verfügbare Einkommen einer durchschnittlichen
Arbeitnehmerfamilie – nehmen wir einen Alleinverdiener
in der Steuerklasse III mit zwei Kindern – beträgt in die-
sem Jahr über 88 Prozent des Bruttoverdienstes, natürlich
das Kindergeld eingerechnet. Noch nie in der Geschichte
der Bundesrepublik Deutschland behielten Arbeitnehmer
und Familien so viel in der Tasche.

Die Gründe: Wir haben schon 2002 mit einem Ein-
gangssteuersatz von 19,9 Prozent und einem Spitzensteu-
ersatz von 48,5 Prozent die Tarife deutlich gesenkt. Das
Kindergeld war mit monatlich 154 Euro für das erste und
das zweite Kind noch nie so hoch wie jetzt.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Wissen Sie eigentlich, was den Leuten vom Weihnachtsgeld bleibt? – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Da schämt man sich, wenn man Weihnachtsgeld auszahlt!)


Von dem gesenkten Einkommensteuertarif – das wis-
sen auch Sie, auch wenn Sie immer wieder das Gegenteil
behaupten – profitiert der Mittelstand. Insbesondere
durch die pauschale Anrechnung der Gewerbesteuer auf
die Einkommensteuer werden die weitaus meisten Perso-
nenunternehmen faktisch nicht mehr mit Gewerbesteuer
belastet. Parallel dazu sind die Sätze für die Kapitalge-
sellschaften gesenkt worden, wovon natürlich auch die
mittelständischen GmbHs profitieren.

Wir haben beschlossen – das werden wir auch durch-
führen –, 2004 und 2005 den Einkommensteuertarif wei-
ter zu senken. Allein diese Stufen, die in diesen beiden
Jahren kommen werden, bedeuten eine zusätzliche Entlas-
tung von 25 Milliarden Euro.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Die vorher über die Progression bezahlt wurden!)


Das Ergebnis unserer Politik heißt also: deutliche Steu-
ersenkung. Auch wenn Sie mit dem Thema dieser Aktuel-

len Stunde der Öffentlichkeit erneut das Gegenteil einre-
den möchten, haben wir mit unserer Steuerpolitik alles an-
dere getan, als Bürger und Unternehmen zu belasten.
Nein, wir haben sie entlastet.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wer hat denn die Debatte über die Vermögensteuer geführt?)


– Es ist richtig, dass über die Vermögensteuer Debatten
geführt worden sind. Aber Debatten haben noch nie dazu
geführt, dass jemand mehr Steuern zahlen muss. Nur
Gesetzesänderungen führen dazu. Beim Reden über
Schwangerschaft wird man auch nicht schwanger.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Für die neue Legislaturperiode haben wir schwer-
punktmäßig vor, Subventionen abzubauen, eine effek-
tivere Anwendung des Steuerrechts zu gewährleisten,
Besteuerungslücken zu schließen und mehr Steuergerech-
tigkeit zu verwirklichen. Das sind keine Steuererhöhun-
gen, sondern die Voraussetzungen dafür, dass wir die
beschlossenen Steuersenkungen trotz ungünstigerer welt-
wirtschaftlicher Rahmenbedingungen mit den bekannten
Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte gleichwohl
umsetzen können.

Dazu dient auch das Steuervergünstigungsabbauge-
setz. Nach der jüngsten Steuerschätzung besteht ein zu-
sätzlicher Finanzierungsbedarf für den Haushalt, und
zwar für alle Haushalte: für den öffentlichen Gesamt-
haushalt, also natürlich auch für die Haushalte der Länder.
Deswegen werden wir mit dem Steuervergünstigungsab-
baugesetz trotz verringerter Wachstumserwartungen das
Maastricht-Kriterium für die Neuverschuldung einhalten.
Aber der entscheidende Punkt ist, dass wir Ausgaben
zurückführen. Das tun wir auch in viel breiterem Maße,
als wir Mehreinnahmen durch das Steuervergünstigungs-
abbaugesetz erwarten.

Da wir in der nächsten Zeit darüber sowieso noch aus-
führlich reden werden, will ich jetzt zu dem Punkt kom-
men, der eigentlich der einzige aktuelle Punkt ist. Sie ha-
ben diese Aktuelle Stunde seltsamerweise „Aktuelle
Vorschläge zur weiteren steuerlichen Belastung der Bür-
ger und Unternehmen“ genannt.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Genau darüber wollten wir reden!)


Es muss in Ihren Reihen, Herr Kollege Seiffert, hinsicht-
lich der Finanzpolitik ein bisschen Durcheinander herr-
schen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Was sagen Bsirske und Simonis? – Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)


Das kann natürlich sein. Ihr stellvertretender Fraktions-
vorsitzender, der für Finanzpolitik zuständig ist, ist im
Moment mit der Feststellung der historischen Wahrheit
der Vorgänge in der Union in den letzten Monaten befasst
und kann deswegen keine Linie in Ihre Finanzpolitik brin-
gen,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



(A)



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(B)



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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1163

was dazu führt, dass Sie hier über aktuelle Vorschläge
weiterer steuerlicher Belastungen reden,


(Zuruf von der CDU/CSU: Simonis! Gabriel! Steinbrück!)


wohingegen Herr Merz – ich glaube, es war am 16. dieses
Monats – dem „Handelsblatt“ gesagt hat, eine Zinsab-
schlagsteuer in der Größenordnung von 25 Prozent könne
er sich selbstverständlich gut vorstellen. Der Satz solle
nicht über 25 Prozent liegen, hat er gesagt.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Im Gesamtsteuerkonzept hat er gemeint! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Was sagt Simonis?)


Dann darf ich Ihnen ein Zitat von Herrn Ministerpräsi-
dent Koch aus der Ausgabe 24 der Zeitschrift „Capital“
von diesem Jahr vorhalten. Auf die Frage, was denn mit
Kontrollmitteilungen sei, antwortete er: Denen werden
wir uns nicht verschließen. Es geht darum, die Gesetze
lückenlos umzusetzen, statt neue zu schaffen. – Ich kann
nur zustimmen. Da hat Herr Koch einmal etwas Richtiges
gesagt. Es ist natürlich notwendig, wenn man das konse-
quent macht.

Sie dürfen eines nicht vergessen: Bei dem Thema be-
treten wir Neuland. Es ist deswegen umso beachtlicher,
dass wir durchweg positive Reaktionen aus der Wirtschaft
und auch aus den Medien bekommen. Sie fangen heute
wieder an rumzumäkeln.


(Zuruf von der CDU/CSU: Moment: Bsirske und Simonis!)


Das scheint Ihre Vorstellung von Opposition zu sein. Aber
insgesamt haben uns sogar Vertreter der Oppositionspar-
teien auf Bundes- und auf Landesebene Anerkennung ge-
zollt.

Es bleibt also dabei: Statt neuer Steuern schöpfen wir
vorhandene Steuerquellen aus, so wie das Herr Koch vor-
geschlagen hat. Steuersündern, die ihren Rechtsbruch be-
dauern, bauen wir eine Brücke zur Steuerehrlichkeit. Ich
betone allerdings deutlich: Das Tor zur Rechtschaffen-
heit wird nicht ewig und auch nicht ohne faire Eigenleis-
tung offen stehen. Hartgesottene Steuerhinterzieher, die
diese Chance nicht ergreifen, werden damit rechnen müs-
sen,


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Dass sie abkassiert werden!)


dass sie im Anschluss an diese Aktion zur Herstellung von
Steuerehrlichkeit einem höheren Entdeckungsrisiko aus-
gesetzt sein werden. Deswegen werden wir darauf beste-
hen müssen, das Bankgeheimnis aufzuheben und das
Kontrollmitteilungsverfahren zu ergänzen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Big Brother ist watching you!)


– Ich weiß nicht, was Sie haben. In allen Ländern der
westlichen Welt gibt es Kontrollmitteilungen über Zins-
erträge: Vereinigte Staaten, Frankreich, Schweden, Groß-
britannien und Niederlande.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Österreich!)


– Österreich hat eine Abgeltungsteuer ohne Sparerfreibe-
trag


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ohne Kontrollmitteilungen!)


und ohne die Möglichkeit, wenn man unter 25 Prozent
liegt, sich das erstatten zu lassen.


(Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Luxemburg!)


Dann sagen Sie bitte, dass Sie das wollen. Sie wollen die
anonyme Abgeltungsteuer, die dazu führt, dass Menschen
mit höheren Einkünften einen niedrigeren Steuersatz be-
kommen,


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wir wollen Einnahmen für den Fiskus!)


aber Menschen mit niedrigeren Einkünften mehr bezah-
len sollen als heute.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Natürlich nicht!)

Bei einer anonymen Abgeltungsteuer können sie natur-
gemäß gar nicht mehr nachweisen, dass sie den Sparer-
freibetrag nicht überschritten haben, und sie können auch
nicht nachweisen, dass ihre persönliche Steuerschuld we-
niger als 25 Prozent beträgt.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Das braucht der Steuerschuldner nur vorzulegen! – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ihr wollt den gläsernen Steuerzahler, das ist das Problem!)


Österreich werde ich mir also nicht zum Vorbild nehmen;
denn Österreich nimmt keinerlei Rücksicht auf die Höhe
der Einkünfte der Sparer. Wir werden dafür sorgen, dass
auch in Zukunft der Sparerfreibetrag gilt und dass die-
jenigen, die einen niedrigeren Steuersatz haben, keine
25 Prozent bezahlen müssen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Dann werden die Leute es in Österreich versteuern!)


Steuerehrlichkeit wird ermöglicht werden für diejeni-
gen, die ihr Kapital schon lange im Ausland haben. Wir
müssen davon ausgehen, dass sie es sehr häufig ja nicht
nur wegen der Hinterziehung der Steuer auf Kapital-
erträge, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass vorher
schon Geschäfte ohne Rechnung gemacht worden sind,
ins Ausland verbracht haben.


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Also doch eine Amnestie!)


Deswegen sind 25 Prozent das Mindeste, was man von
denen, die sich jetzt steuerehrlich machen, erwarten muss.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Die werden in Scharen kommen!)


Die 25-prozentige Abgeltungsteuer ist nicht höher als in
der ganzen Welt. Warum also soll das Geld woanders hin?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Also 120 Milliarden! Das wird ein Satz mit X: Nix!)


Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501532200

Ich erteile das Wort dem Kollegen Christian von

Stetten, CDU/CSU-Fraktion.


Frhr. Christian von Stetten (CDU):
Rede ID: ID1501532300

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Liebe Frau Staatssekretärin, das war ein interessanter
Vortrag, aber die Wahrheit bleibt: Nicht nur bei der Ver-
mögensteuer, sondern bei der gesamten Steuer- und Ab-
gabenpolitik fahren Sie einen unkalkulierbaren Zickzack-
kurs und missbrauchen Begriffe, wie es Ihnen beliebt. Sie
reden von Steuervereinfachung; vorhin war auch wieder
die Rede von Subventionsabbau. In Wirklichkeit aber le-
gen Sie uns Gesetzentwürfe mit über 40 verschiedenen
Steuererhöhungen vor.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wissen Sie eigentlich, was Planungssicherheit in die-

sem Zusammenhang ist?

(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Ein Fremdwort!)


Wissen Sie, was Sie den Bürgern und den Unternehmen hier
in Deutschland zumuten? Kennen Sie die Existenzängste
junger Unternehmer, die volles Risiko eingegangen sind,


(Ute Kumpf [SPD]: Besser als Sie, Herr von Stetten! Wir sind nämlich älter als Sie!)


die ihre Idee Tag und Nacht verfolgen, die neue Mitarbei-
ter eingestellt und Arbeitsplätze geschaffen haben, alles
im Vertrauen auf eine verlässliche und faire Steuerpolitik?


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Der junge Kollege weiß, wovon er spricht!)


Nachdem Sie im Wahlkampf kategorisch jegliche
Steuererhöhung ausgeschlossen haben, kommen Sie jetzt
mit Vorschlägen wie Mindeststeuer, Umsatzsteueranglei-
chung, Erdgassteuer, insgesamt mit über 40 verschiede-
nen Steuererhöhungen, meistens zulasten des Mittelstan-
des, und keiner weiß, ob das, worüber heute geredet wird,
morgen in Ihren Reihen noch gilt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das gilt auch für die Eigenheimzulage. Ich spreche das

an, weil das Stichwort vorhin gefallen ist.

(Ute Kumpf [SPD]: Jetzt sind Sie bei Ihrem Stichwort!)

Hier sind nicht nur viele Existenzgründer betroffen, son-
dern auch viele junge Familien, die finanziell nicht gut ge-
stellt sind. Sie haben die Chance auf die Verwirklichung
ihres Traumes von den eigenen vier Wänden gänzlich ver-
loren und können ihn sich nicht mehr erfüllen.


(Ute Kumpf [SPD]: Kommen Sie ja nicht mit den 40 Kindern!)


In Teilen Ihrer Fraktion wurde angekündigt, dass Sie noch
überlegen und nachbessern wollen. Dazu hätte ich heute
gern einige Ausführungen gehört, aber auch da ist leider
nichts gekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Bürger rufen mich an und fragen: Was gilt denn nun bei
Ihnen in Berlin?


(Reinhard Schultz [Everswinkel] [SPD]: Bei Ihnen? – Ute Kumpf [SPD]: Herr von Stetten, Sie müssen Zeitung lesen! Dann wissen Sie auf jede Frage eine Antwort, und zwar die richtige! Schwarz auf weiß ist das da nachzulesen!)


– Bei mir rufen sie an. Bei Ihnen, bei SPD- und Grünen-
Abgeordneten, rufen die Bürger schon lange nicht mehr
an. Sie sind in den Wahlkreisen doch auf Tauchstation ge-
gangen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP– Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Es gilt ja auch jeden Tag etwas anderes! – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Versteckspiel!)


Sie wollen das, was uns hier jede Woche von der Regie-
rung vorgelegt wird, doch selber nicht mehr vertreten.
Wenn Sie nach wochenlangem Hin und Her endlich ein-
mal etwas vorlegen, was die ungeteilte Zustimmung von
Experten und Bürgern findet, wie zum Beispiel gestern
bei der Vorlage zur Neuregelung der Minijobs, dann ist es
etwas, was wir Ihnen im Vermittlungsausschuss aufzwin-
gen mussten, was Sie übernommen haben, was Sie aber
auch seit Jahren in unseren Wahlprogrammen hätten
nachlesen können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Fr
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1501532400
So viele über-
holte Vorlagen und Gesetzentwürfe, die im Prinzip jetzt
schon nicht mehr stimmen, wie meine Kollegen und ich
sie im Finanzausschuss erleben mussten, habe ich in zehn
Jahren Kommunalpolitik noch nicht erlebt.


(Ute Kumpf [SPD]: Man muss fleißig sein!)

Ich kenne daher die Auswirkungen Ihrer Steuerpolitik. Ich
möchte Ihnen nur ein Beispiel nennen: Schwäbisch Hall ist
eine Stadt mit 36 000 Einwohnern in meinem Wahlkreis. In
den letzten Jahren lag das Gewerbesteueraufkommen bei
durchschnittlich 60 Millionen Euro. In diesem Jahr, also
nach Ihrer verkorksten Unternehmensteuerreform, die Sie
jetzt teilweise zurücknehmen wollen, lag das Gewerbe-
steueraufkommen noch bei 12 Millionen Euro. Das sind
80 Prozent weniger. Sie haben diese Stadt ruiniert.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sie kennen doch den Grund!)

Dr. Barbara Hendricks (SPD):
Rede ID: ID1501532500

Ich möchte Ihnen noch einen Irrtum eingestehen. Ich
habe am Anfang meiner Tätigkeit im Finanzausschuss ge-
dacht, Sie machten handwerkliche Fehler und produzier-
ten Schnellschüsse – zum Beispiel das Verbot der Spen-
denabzugsfähigkeit bei Kapitalgesellschaften –, die Ihnen
nachher zum Teil Leid tun. Nach zwei Monaten gemein-
samer Arbeit, nach Diskussionen über Vermögensteuer
und allgemeiner Finanzpolitik bin ich überzeugt: Teile Ih-
rer Fraktion wissen ganz genau, was sie tun. Ihre finanz-
politischen Vorschläge sind nur dann schlüssig, wenn Sie
einen anderen Staat und eine andere Gesellschaft wollen.
Dabei machen wir nicht mit.


(A)



(B)



(C)



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(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1165

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501532600

Herr Kollege von Stetten, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer

ersten Rede im Deutschen Bundestag und wünsche Ihnen
weiterhin viel Erfolg für Ihre parlamentarische Arbeit.


(Beifall)

Als nächster Rednerin erteile ich der Kollegin Kerstin

Andreae, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.


Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501532700

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Es ist schon gesagt worden, dass der Titel der
Aktuellen Stunde „Aktuelle Vorschläge zur weiteren steu-
erlichen Belastung der Bürger und Unternehmen“ sugge-
riert: Alle Menschen, alle Unternehmen in Deutschland
werden an den Rand des Ruins getrieben.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Lesen Sie Zeitung! – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Lesen Sie die Insolvenzstatistik!)


Sie wissen, dass es vor allem im Winter die tatsächliche
und die gefühlte Temperatur gibt. Genauso gibt es die
tatsächliche Belastung und die gefühlte Belastung. Ich be-
haupte, dass Sie mit der Art, mit der Sie in den letzten Wo-
chen den Standort Deutschland schlecht geredet


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Der ist doch schlecht! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Wo leben Sie eigentlich?)


und die Politik schlecht geredet haben, das Gefühl einer
enorm hohen Belastung in Deutschland fördern und das
ist nicht richtig.

Es wurden vorhin schon die Staats- und Abgabenquote
angesprochen. Beide wurden in den letzten Jahren gesenkt
und das ist richtig so. Diese Politik werden wir fortführen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zurufe von der CDU/CSU: Wo sind Sie denn runtergegangen? – Keine Drohungen, bitte!)


Schauen wir uns die Ausgangslage an: Deutschland ist
hoch verschuldet.


(Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Sie verwechseln das mit Wachstum! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


– Sie sagen es selber, Deutschland ist hoch verschuldet.

(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben neue Schulden gemacht!)

Wir reißen das Maastricht-Kriterium und haben einen
Konsolidierungsbedarf in 2003 in Höhe von 18,4 Milliar-
den Euro.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: 34 Milliarden Euro neue Schulden! Rot-Grün!)


Wer dafür nur eine politische Entscheidung oder den Kurs
einer Regierung verantwortlich macht, lügt sich in die ei-
gene Tasche. Richtig ist: Wir haben viel zu lange über un-
sere Verhältnisse gelebt, auf allen Ebenen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: 34,5 Milliarden Euro neue Schulden!)


Das kann nur bedeuten: Die fetten Jahre sind vorbei.
Es gilt, die Finanzen in Ordnung zu bringen. Diese Po-

litik wurde von Finanzminister Eichel mit unserer Unter-
stützung in der vergangenen Legislaturperiode vorange-
trieben. Diese werden wir auch fortführen.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Noch nie sind so viele Schulden gemacht worden wie in diesem Jahr!)


Herr von Stetten, ich habe vorhin im Finanzausschuss
zugehört, als Sie bezüglich der Eigenheimzulage sagten,
man müsste jetzt 40 Kinder bekommen, um die gleiche
Förderung zu erhalten. Genau das ist der Punkt: Es geht
nicht mehr um die gleiche Förderung, sondern es geht da-
rum, dass wir nach Möglichkeiten suchen, Subventionen
abzubauen und Steuerlöcher zu stopfen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Kinder sind doch keine Subventionen!)


Wir müssen die Einnahmeseite prüfen und das machen
wir mit dem Gesetz, das wir jetzt beschließen werden.


(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Sollen wir jetzt in Plattenbauten wohnen?)


Wir müssen die Ausgabenseite prüfen;

(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Zurück zur Platte!)

denn wir können jetzt nicht mehr all das finanzieren, was
wir in den letzten Jahren finanziert haben.

Wenn Sie die Versprechen von vor der Wahl aufrecht-
erhalten, betreiben Sie eine Politik, die auf den Haushalt
bezogen nicht verantwortungsbewusst und zukunftsorien-
tiert ist, betreiben keine Konsolidierungspolitik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir müssen die Einnahmen prüfen, wir müssen die Aus-
gaben prüfen und wir müssen die wirtschaftliche Leis-
tungsfähigkeit erhalten.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wir wollen Oswald Metzger wieder hören! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Der schreibt ein Buch über die Wahrheit! – Gegenruf des Abg. Reinhard Schultz [Everswinkel] [SPD]: Aber aus therapeutischen Gründen, weil keiner mehr mit ihm spricht!)


– Dann lesen Sie das Buch von Oswald Metzger, viel-
leicht können Sie daraus noch etwas lernen.

Sie fragen nach den aktuellen steuerpolitischen Vor-
schlägen. Zur Abgeltungsteuer ist vorhin schon viel ge-
sagt worden. Ich möchte aber noch eine Sache erwähnen,
weil ich sie für sehr bedeutsam halte, und dies ist die Steu-
erreform. Die erste Stufe ist schon gelaufen und die zweite

Christian Freiherr von Stetten

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002
Kerstin Andreae
und dritte Stufe kommen noch. Es ist richtig, dass wir
diese um ein Jahr verschoben haben.


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Ihr verschiebt noch einmal um vier Jahre!)


Sie wissen genau, warum wir diese um ein Jahr verscho-
ben haben. Sie wissen aber auch, dass die nächste Stufe am
1. Januar 2004 und die weitere Stufe am 1. Januar 2005
greifen werden.

Wenn ich nachschaue, welche steuerpolitischen Vor-
schläge die Union hat, stelle ich fest: Sie schlagen einen
Spitzensteuersatz von 35 Prozent vor.


(Georg Brunnhuber [CDU/CSU]: Klasse!)

Im Dezember 1997 hatten wir – unter Ihrer Regie – einen
Spitzensteuersatz von 53 Prozent.


(Zuruf von der CDU/CSU: Deshalb wollten wir die Steuerreform! Die haben Sie kaputtgemacht!)


Wenn das Ihr „Projekt 18“ ist, weil Sie von 53 Prozent
18 Prozent abziehen und dann auf 35 Prozent kommen,
muss ich Ihnen sagen: Dieses „Projekt 18“ ist genau wie
das andere „Projekt 18“ zum Scheitern verurteilt. So funk-
tioniert es nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Weil Sie blockiert haben!)


Zum Steuervergünstigungsabbaugesetz: Vorhin im Fi-
nanzausschuss haben Sie mit uns wieder über die einzel-
nen Punkte dieses Gesetzes verhandelt. Dann erfahre ich
von der Frau Staatssekretärin, dass von den CDU-regier-
ten Ländern überhaupt keine Vertreter an den Bund-Län-
der-Arbeitsgruppen teilnehmen. Sie beteiligen sich gar
nicht konstruktiv an der Diskussion dieser Vorschläge.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Bei diesem Steuermurks! – Elke Wülfing [CDU/CSU]: Es lohnt sich doch überhaupt nicht, über dieses Gesetz zu reden!)


Es ist eines der wenigen Male, dass in diesen Arbeits-
gruppen nicht alle Länder vertreten sind. Es ist ein Riesen-
fehler, dass über dieses Gesetz nicht auch in den Ländern
diskutiert wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Einen solchen Steuermurks machen wir nicht!)


Wenn die Opposition etwas Besseres weiß, dann sagen
Sie es! Aber Sie haben keine markt-, sozial- und ökolo-
gieverträgliche Alternative.


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Es kommen doch alle acht Tage neue Vorschläge!)


Es gibt eine Stellungnahme von der Vereinigung der
Bayerischen Wirtschaft: 16 Seiten sind negativ und auf ei-
ner Seite stehen Vorschläge. Nun nenne ich Ihnen die drei
Vorschläge, die die bayerische Wirtschaft macht:

Erstens: Senkung der Einkommensteuer.

(Zuruf von der CDU/CSU: Gut!)


– Machen wir mit den nächsten Schritten der Steuer-
reform in den Jahren 2004 und 2005.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Zweitens: Subventionsabbau. Einer der größten Sub-
ventionstatbestände ist die Eigenheimzulage. Wir gehen
an die Eigenheimzulage heran, auch wenn es schmerzhaft
ist, und bauen sie ab.


(Elke Wülfing [CDU/CSU]: Das würde ich nicht so laut sagen! – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Die Sie vorher beschlossen haben!)


Drittens fordert der Verband lapidar die Abschaffung
der Gewerbesteuer. Dies ist zwar leicht, zu fordern, aber
sie sagen nicht, wie die Gemeinden sich dann finanzieren
sollen. Wir machen eine Gemeindefinanzreform und un-
terbreiten Vorschläge, wie die Gewerbesteuer moderni-
siert und verstetigt werden kann. Dies bringt den Kom-
munen etwas und verstetigt die Finanzkraft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Meine Damen und Herren, Sie wollen eine Aktuelle
Stunde über Belastungen. Ich sage Ihnen: Wir entlasten
die Bürgerinnen und Bürger.


(Lachen bei der CDU/CSU – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Merkt keiner!)


Mit dieser Stunde haben Sie nur versucht, sich selbst zu
entlasten.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501532800

Als nächstem Redner erteile ich dem Kollegen Stefan

Müller, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Ich möchte alle Kolleginnen und Kollegen bitten, die

Zahl der Zwischenrufe mindestens so weit zu reduzieren,
dass sie erstens noch wahrgenommen werden können und
zweitens dem Redner die Einhaltung der Redezeit auch
ermöglicht wird.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Und drittens noch protokolliert werden können! – Reinhard Schultz [Everswinkel] [SPD]: Wenn wir sie anmelden müssen, geht das zulasten der Spontaneität!)



Stefan Müller (CSU):
Rede ID: ID1501532900

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir

haben diese Akutelle Stunde beantragt, um von Ihnen
Auskunft darüber zu bekommen, was Sie sonst noch alles
in petto haben und mit welchen steuerpolitischen Vor-
schlägen Sie in der nächsten Zeit aufwarten möchten,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

und weil man insbesondere von den Regierungsparteien
fortlaufend etwas anderes hört:


(Ute Kumpf [SPD]: Wir sind anspruchsvoll!)



(A)



(B)



(C)



(D)


1166


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1167

Heute Ja, heute Nein; übermorgen ist wieder alles ganz
anders. Dies ist das Prinzip, nach dem Sie verfahren, liebe
Kolleginnen und Kollegen.

Der Wahlkämpfer Gabriel verkündet, er wolle die Ver-
mögensteuer im Zweifel auch im Alleingang einführen,
um damit seine dringend notwendigen Bildungsausgaben
zu finanzieren. Er kündigt auch noch großspurig eine Un-
terschriftenaktion an. Der Bundeskanzler erklärt dann,
dass er keine Debatte über die Vermögensteuer wünsche,
und lässt einen Vorschlag für die Zinsabgeltungsteuer ma-
chen. Obwohl es sich bei dieser Steuer um etwas ganz an-
deres als die Vermögensteuer handelt, gibt sich Herr
Gabriel damit zufrieden.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Scheinbar!)

– Vorläufig, wie er betont.

Auch bei den Gewerkschaften scheinen Sie offensicht-
lich nicht um Erlaubnis gefragt zu haben. Der DGB hat
gestern erklärt, man werde die Kampagne für die Vermö-
gensteuer auf jeden Fall fortsetzen, auch wenn die SPD-
Ministerpräsidenten jetzt den Schwanz einziehen. – So zu
lesen im gestrigen „Handelsblatt“.

Ich kaufe Ihnen nicht ab, dass das Thema Vermögen-
steuer für Sie jetzt vom Tisch ist. Wenn es Ihnen damit
ernst wäre, dann müssten Sie sich in den weiteren par-
lamentarischen Beratungen unserem Vorschlag, diese
Steuer ein für alle Mal abzuschaffen, anschließen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir sind auch auf Ihre Vorschläge zur Einführung ei-

ner Zinsabgeltungsteuer sehr gespannt,

(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das wird was werden!)

das darf ich Ihnen versichern. Angesichts der bisherigen
Erfahrungen ist auch hierbei kein großer Wurf zu erwar-
ten. Denn wenn Ihre Umverteilungspolitiker endlich ver-
standen haben, worum es bei dieser Steuer geht, werden
sie – das ist meine Überzeugung – sehr schnell zurück-
rudern.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: So wird das sein!)


Ihr Durcheinander in der Steuerpolitik nimmt den Bür-
gern und den Unternehmern in diesem Land die dringend
nötige Planungssicherheit. Da brauchen Sie sich nicht zu
wundern, dass die Menschen in diesem Lande zutiefst
verunsichert sind. Sie brauchen sich nicht zu wundern,
dass die Privatleute kein Geld mehr ausgeben, dass sie
nicht mehr konsumieren und dass die Unternehmen nicht
mehr investieren. Wie wollen Sie mit dieser Politik neue
Arbeitsplätze schaffen?

Anstatt eine Politik zur Stärkung der Wachstumskräfte
zu betreiben und damit die Basis für solide Finanzen zu
schaffen, kommen Sie fortlaufend mit immer neuen Steuer-
erhöhungen. Ich möchte hier einige Beispiele nennen:

Es gibt die Fortentwicklung der ökologischen Steuer-
reform, die vor allem das produzierende Gewerbe belas-
tet. Dann haben wir die Ökosteuer, deren nächste Stufe
zum 1. Januar nächsten Jahres in Kraft tritt. Die Ökosteuer

ist und bleibt ein deutscher Alleingang, der die Wett-
bewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft am meisten trifft.
Ferner haben Sie das so genannte Steuervergünstigungs-
abbaugesetz vorgelegt. Damit schließen Sie keine Steuer-
schlupflöcher; vielmehr belasten Sie die Bürgerinnen und
Bürger immer wieder aufs Neue.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Hans Eichel wird den Steuerzahlern bis zum Ende dieser
Legislaturperiode über 60 Milliarden Euro aus der Tasche
ziehen, und das, obwohl Gerhard Schröder vor der Wahl
Steuererhöhungen kategorisch ausgeschlossen hat, mit
der richtigen Begründung: Steuererhöhungen sind ökono-
mischer Unsinn.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Unsinn sollte schon in normalen Zeiten unterbleiben, aber
erst recht in einer wirtschaftlichen Krise.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sehr richtig!)

Sie verhindern mit Ihrer Steuerpolitik eine Konjunktur-

erholung und nehmen den Verlust von weiteren Arbeits-
plätzen sowie noch mehr Unternehmenspleiten billi-
gend in Kauf. Die Folge Ihrer Steuererhöhungen werden
weiter sinkende Steuereinnahmen sein. Kapitalflucht und
Schwarzarbeit werden weiter zunehmen.

Die Steuerpolitik hat bei Ihnen keinerlei ordnungspoli-
tische Funktion mehr. Es geht Ihnen schlicht und ergrei-
fend darum, die Menschen in diesem Lande noch weiter
abzukassieren, damit Sie Ihre Haushaltsprobleme in den
Griff bekommen, Probleme, die Sie, meine Damen und
Herren von den Regierungsfraktionen, zu verantworten
haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!)


Ich fordere Sie deswegen auf: Lassen Sie von Ihrer fi-
nanzpolitischen Flickschusterei ab! Lassen Sie uns statt-
dessen über ein Gesamtkonzept reden, um die wirtschaft-
lichen Probleme in unserem Land endlich in den Griff zu
bekommen!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501533000

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Krüger, SPD-Frak-

tion.


Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD):
Rede ID: ID1501533100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Vor-

redner hat soeben gesagt, die heutige Aktuelle Stunde
solle darüber Aufschluss geben, was Rot-Grün vorhabe.
Die Antwort ist recht einfach: Schauen Sie in der Koali-
tionsvereinbarung nach! Dort können Sie nachlesen, was
eine sozial und ökonomisch ausgewogene Handlungs-
anleitung für die nächsten vier Jahre bedeutet. Es ist eine
Handlungsanleitung, die sich sowohl im Subventions-
abbaugesetz als auch in den aktuellen Plänen zur Ein-
führung einer Zinsabgeltungsteuer auswirkt. Es ist eine

Stefan Müller (Erlangen)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002
Dr. Hans-Ulrich Krüger
Handlungsanleitung, die der künftigen Generation wieder
genug Luft zum Atmen gibt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir wollen davon abkommen, dass jede vierte eingenom-
mene D-Mark zur Zahlung der Schuldzinsen aufgebracht
wird, wie es 1998 der Fall war.

Klar, einfach und ausgewogen, so sollen Pläne sein. Ich
sage Ihnen: So sind sie auch. Dazu gehören die schon
beschlossenen Steuerentlastungen, welche gerade die Be-
zieher kleinerer Einkommen entlastet haben. Zum Ver-
gleich: In den Jahren 1996 bis 1998 betrug der Eingangs-
steuersatz 25,9 Prozent. Aktuell sind es 19,9 Prozent. Ein
Eingangssteuersatz von 15 Prozent ist schon beschlossen.
Hierdurch und durch die aktuellen Gesetzesvorhaben, die
das Ziel haben, Subventionen abzubauen und Steuer-
schlupflöcher zu stopfen, werden wir dafür sorgen, dass
der Ehrliche nicht länger der Dumme ist.

Fragen Sie einmal die Ministerpräsidenten der Länder,
wie viele Hundert Millionen Euro Jahr für Jahr ihrer Mei-
nung nach am Fiskus vorbei geschleust und als Schwarz-
geld ins Ausland geschafft werden, ohne dass der Betref-
fende – das ist der entscheidende Punkt – das Risiko einer
Entdeckung nachhaltig fürchten muss.

Das wird es nicht mehr geben. Für den Kleinsparer
bleibt es – auch das ist schon angeklungen – nach wie vor
beim Steuersatz null. Der Ehrliche kann sich zur Einkom-
mensteuer veranlagen lassen und seinen spezifischen Ein-
kommensteuersatz zahlen, wenn er weniger als 25 Punkte
ausmacht, oder aber die 25-prozentige Abgeltungsteuer.
Sogar diejenigen – das sage ich ganz deutlich –, die be-
wusst und gewollt unter Einsatz krimineller Energie und
mit Verstoß gegen die deutschen Gesetze Geld am Fi-
nanzamt vorbei ins Ausland geschafft haben, bekommen
für einen vertretbaren Zeitraum eine Brücke gebaut und
die Chance, zur Ehrlichkeit zurückzufinden und damit
den Beitrag zu leisten, den die Gesellschaft absolut zu
Recht von ihnen erwartet.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deswegen habe ich mich – sehen Sie es mir nach,
meine Damen und Herren, dass ich das kommentiere – mit
dem Titel der heutigen Aktuellen Stunde schwer getan.
Normalerweise hätte es heißen müssen: Aktuelle Vor-
schläge zur weiteren steuerlichen Entlastung der Bürger
und Unternehmen.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber vielleicht wäre das von Ihnen zu viel verlangt.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht im Sinne der Opposition!)


Erkennen Sie bitte, dass es für Sie an der Zeit ist, aus
dem Schmollwinkel herauszukommen. Erkennen Sie,
dass unser Land und seine Zukunft viel zu wichtig sind,
um die Chance einer nachhaltigen Konsolidierung unge-
nutzt verstreichen zu lassen. Leisten Sie dazu Ihren Bei-
trag! Springen Sie über Ihren Schatten! Denn Sie müssen

sehen: Forderungen wie die nach einem 15-prozentigen
Eingangssteuersatz müssen Sie nicht länger aufstellen;
Rot-Grün hat dies längst verwirklicht.

Wir wollen und wir werden diesen Weg der Steuer-
konsolidierung, der Verbreiterung der Bemessungsgrund-
lagen, der Steuerstetigkeit konsequent weiter vorangehen.


(Beifall bei der SPD)

Wir wollen und wir werden dafür sorgen, dass Steuer-
gerechtigkeit kein bloßes Schlagwort ist, sondern eine
ernst zu nehmende Größe. Denn eines wissen wir alle:
Nur der wirtschaftlich Starke kann sich einen schwachen
Staat leisten. Für die überwiegende Mehrheit der Bevöl-
kerung hingegen gilt das nicht. Wir, unser Bundeskanzler
und unser Finanzminister, die heute mehrfach angespro-
chen worden sind, haben andere Ziele, als an der Jahres-
chronik 2002 zu feilen, wie wir das vor einigen Tagen hören
durften; wir wollen im Sinne unseres Landes tätig werden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Norbert Schindler [CDU/ CSU]: Welche Ziele haben die denn? Das sind andere!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501533200

Herr Kollege Krüger, ich möchte Ihnen herzlich zu Ih-

rer ersten Rede hier im Plenum gratulieren und Ihnen alle
guten Wünsche für Ihre weitere parlamentarische Arbeit
aussprechen.


(Beifall)

Als nächste Rednerin hat die fraktionslose Kollegin

Frau Dr. Lötzsch das Wort.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wo ist das SED Erbe?)



Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1501533300

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Zu-

schauerinnen und Zuschauer sage ich: Ich bin Abgeord-
nete der PDS.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sagen Sie mal was zu dem SED-Vermögen!)


Herr Leyendecker von der „Süddeutschen Zeitung“ er-
klärte mir heute Morgen beim Duschen via „Radio Eins“
die Sorgen der Millionäre. Er verwies auf den einen oder
anderen Bundesbürger, der aus Angst vor den „Russen
oder den Sozialdemokraten“ sein Geld nach Luxemburg
geschafft habe und jetzt nicht richtig wisse, wie er sein
Geld wieder legal nach Deutschland holen solle. Für die-
sen Fall sei die vorgeschlagene Zinssteuer ein Weg. Es ist
also ein Resozialisierungsprogramm für Steuerhinterzie-
her. Allerdings wird sich, meine Damen und Herren von
der Koalition, die Bereitschaft in Grenzen halten. Denn
warum sollte ein Steuerflüchtling, der auf einer kari-
bischen Insel 0 Prozent Steuern zahlt, nach Deutschland
kommen, um 25 Prozent Steuern zu zahlen?

Die Zinssteuer wird von der SPD als Ersatz für die Ver-
mögensteuer propagiert. Das ist wirklich eine Rolle rück-


(A)



(B)



(C)



(D)


1168


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1169

wärts. Die Vermögensteuer, die von den Herren Gabriel
und Steinbrück mit großem Brimborium angekündigt
wurde, soll den solidarischen Beitrag der Reichen und
Superreichen einfordern und Geld in die leeren Länder-
kassen und vor allen Dingen in die maroden Bildungs-
kassen bringen.

Doch die Zinssteuer hat genau die entgegengesetzte Wir-
kung. Sie führt zur Entlastung der Reichen und Superrei-
chen. Wenn heute ein gut betuchter Bürger 2MillionenEuro
zu 5 Prozent bei der Bank anlegt, muss er rund 50 Prozent
Steuern auf seine Zinsen zahlen. In Zukunft muss er nur
noch 20 bis 25 Prozent zahlen, das ist also eine klare Entlas-
tung der Menschen, die sehr viel Geld haben.

Der Denkfehler der Koalition ist: Sie glaubt, dass sich
die Anbiederung bei den Superreichen irgendwann einmal
rechnen könne. Doch das hat schon bei der Steuerreform
nicht funktioniert. Sie, meine Damen und Herren, haben
die großen Konzerne in der Hoffnung entlastet, dass sie
Arbeitsplätze schaffen würden, doch das Gegenteil ist
passiert. Sie haben nicht investiert, sondern sie haben zu-
sätzlich Geld vom Staat zurückgefordert und erhalten.

Wir als PDS bleiben dabei: Wir fordern die Vermögen-
steuer. Das Berliner Abgeordnetenhaus hat übrigens mit
den Stimmen von SPD, PDS und den Grünen eine ent-
sprechende Bundesratsinitiative beschlossen.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Diese Initiative ist kein Angriff auf die Mittelschicht. Es
sind hohe Freibeträge vorgesehen. In dem Sinne sind die
Vorschläge auch sozialverträglich. Für Gesamtvermögen
natürlicher Personen wird nach den Vorschlägen von PDS,
SPD und Grünen ein Steuerfreibetrag von 130 000 Euro
gelten. Selbst genutztes Wohneigentum soll steuerfrei
bleiben. Gleiches gilt für ein Betriebsvermögen bis zu
500 000 Euro. Das Ergebnis wären zusätzlich circa
10 Milliarden Euro in den Länderkassen. Wer meint, auf
die Steuereinnahmen verzichten zu können, der soll bei
der nächsten Haushaltsdebatte nicht erklären, dass alle
sparen müssen. Das Problem ist: Einige sparen sich reich,
die anderen leiden unter unsozialen Kürzungen.

Da Sie der PDS immer alles Mögliche vorwerfen, darf
ich sagen: Das sind Initiativen von PDS, SPD und Grünen
aus dem Berliner Abgeordnetenhaus.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das kann man nicht oft genug wiederholen!)


Ich erinnere Sie daran, dass sich Ministerpräsidenten von
der SPD, Herr Gabriel und Herr Steinbrück, in einer groß
angelegten Pressekonferenz für die Vermögensteuer ein-
gesetzt haben. Ihre Erklärungen, warum sie davon abge-
wichen sind, waren äußerst schwach.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos] – Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Am Ende hatte sie Recht!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501533400

Ich erteile der Kollegin Elke Wülfing für die

CDU/CSU-Fraktion das Wort.


Elke Wülfing (CDU):
Rede ID: ID1501533500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

L
Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1501533600
Ich finde Sie eigentlich sym-
pathisch. Deswegen tut es mir immer Leid, dass Sie dann,
wenn Sie hier vorne sprechen, langfristiger und kurzfris-
tiger Gedächtnisschwund befällt.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Ute Kumpf [SPD]: Na, na! – Jörg-Otto Spiller [SPD]: Vor Ihrer Sympathie muss man sich aber vorsehen!)


Bei dem langfristigen Gedächtnisschwund ist es jedes
Mal das Gleiche: Sie vergessen, wer unsere Steuerreform,
die wir 1996 zusammen mit der FDP gemacht haben,
verhindert hat. Das war Ihr ehemaliger Kollege Herr
Lafontaine. Heute wollen Sie nichts mehr von ihm wis-
sen; was ich gut verstehe. Aber er hat mit der SPD-Mehr-
heit unsere Steuerreform blockiert. Wir hätten


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Längst!)

seit 1996 niedrige Steuersätze haben können. Sie wollten
das nicht. Was machen Sie jetzt?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Jetzt verschieben Sie die Steuersenkung auf den Sankt-
Nimmerleins-Tag.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Das ist doch Gesetz! – Reinhard Schultz [Everswinkel] [SPD]: Der Sankt-Nimmerleins-Tag ist der 01.01.2004!)


Ich möchte Sie auch an Ihren kurzfristigen Gedächt-
nisschwund erinnern und Ihnen den Tunnelblick nehmen.
Das können Sie gut gebrauchen. Ich darf an die Finanz-
ausschusssitzung heute Morgen erinnern.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Über fünf Stunden!)


Frau Hendricks hat vorgetragen, dass das Steuervergüns-
tigungsabbaugesetz für jeden Einzelnen Belastungen
bringe. Darüber hinaus hat sie gesagt, dass die Belastun-
gen gerecht verteilt seien. Was ist in diesem Gesetz alles
enthalten? 45-mal Arsen: Streichung der Eigenheim-
zulage, Verlustvortrags- und -rücktragsverschlechterung,
private Wertzuwachssteuer, Streichung der Organschaften
– über die Verschiebung der Steuersenkung haben wir
schon gesprochen –, Abschreibungsverschlechterungen
und vieles mehr.

Auch Herrn Schröder, Ihrem Kanzler, hat die Situation
nicht gefallen. Er ist in ein tiefes Loch gestürzt.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Da ist er noch drin!)


Deswegen braucht er einen Befreiungsschlag. Den hat er
sich wie folgt vorgestellt: Schwarzgeld soll Herrn
Schröder aus dem Tief der Zustimmung holen. Das sind
nicht meine Worte, sondern das hat gestern die „Rhei-
nische Post“ getitelt. Ich denke, darin ist ein Körnchen
Wahrheit enthalten. Er versucht, so zu tun, als sei das et-
was ganz Neues. Natürlich ist das nichts Neues. Darüber
haben wir schon wer weiß wie lange geredet. Unser guter
stellvertretender Fraktionsvorsitzender Merz hat schon

Dr. Gesine Lötzsch

Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002
Elke Wülfing
sehr lange darüber nachgedacht und entsprechende Vor-
schläge unterbreitet.


(Beifall bei der CDU/CSU – Reinhard Schultz [Everswinkel] [SPD]: Aber nur geredet! Wir haben es gemacht!)


Aber wirklich unglaublich ist, Herr Schultz, welche
Pirouetten Ihr Chefkakophoniker Herr Schröder und die
Unterkakophoniker Herr Clement, Frau Simonis und Herr
Steinbrück drehen.


(Ute Kumpf [SPD]: Was sind denn das für Ausdrücke?)


Herr Steinbrück hat das gerade wieder bestätigt. Sie ha-
ben sicherlich auch die „Rheinische Post“ gelesen, in der
er mit den Worten zitiert wird: „Wir sind doch keine Pin-
scher“. Er hat das heute wieder zurückgenommen und er-
klärt, er habe nicht Pinscher, sondern Hund gesagt, so als
ob der Pinscher kein Hund wäre.


(Beifall bei der CDU/CSU – Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn das überhaupt? In Bayern kennt man den Begriff nicht!)


Er hat gesagt, er lasse das nicht mit sich machen, und hat
seinen Vorgänger Clement darauf hingewiesen, dass er
seit Februar 2002 an der Vermögensteuer mitgearbeitet
habe, und zwar ganz vorne in der ersten Reihe. Genau dort
hat er gesessen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Er ist jetzt untergetaucht!)


Dann plötzlich stimmte bei Herrn Clement das Sein
bzw. das Bewusstsein. Als er vom Ministerpräsidenten
zum Wirtschaftsminister mutiert ist, hat er wieder ganz
anders darüber gedacht. Dass Steinbrück darüber sauer
war, kann ich gut verstehen. Dass aber Gabriel noch sehr
viel saurer ist, kann ich noch besser verstehen. Es ist
tatsächlich ärgerlich, dass er jetzt in seiner Wahlkampf-
zentrale in Hannover die 800 Großplakate einstampfen
lassen muss.


(Reinhard Schultz [Everswinkel] [SPD]: Das braucht er aber nicht mehr, weil er die Wahl jetzt gewinnt!)


– Ich weiß nicht, ob das stimmt. Denn es kann durchaus
sein, dass die Vermögensteuer wieder auftaucht. Nach
dem, was ich heute über die Gestaltung der Abgeltung-
steuer gehört habe,


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Da kommt nichts bei raus!)


habe ich das Gefühl, dass für die Bildung – dafür brauch-
ten Sie ja angeblich die Vermögensteuer – nichts heraus-
springen wird. Das „Handelsblatt“ hat heute getitelt: „Ab-
geltungsteuer wird für Fiskus zum Flop“. Damit hat es
wahrscheinlich nicht Unrecht!

Lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken, wie
eine Abgeltungsteuer gestaltet werden kann! Ich meine,
man kann sie gut machen, aber sie wird nicht ohne die Zu-
sicherung von Anonymität möglich sein. Sonst werden
auf keinen Fall 100 Milliarden Euro zurückfließen.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Herr Ondracek hat geschätzt, dass höchstens 10 Mil-
liarden Euro zurückfließen werden. Wenn ich aber Ihre
Rechnung bzw. die von Herrn Schröder sehe, muss ich
vermuten, dass sie als Mathematikarbeit mit einer Sechs
benotet worden wäre. Er ist davon ausgegangen, dass
25 Prozent von 100 Milliarden Euro 25 Milliarden Euro
Ertrag bedeuten.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Brutto oder netto?)


Das ist doch ein wenig lächerlich. Wie soll das wohl ge-
hen? Ein Kapitalstock von 100 Milliarden ergibt bei
3 Prozent Zinsen einen Zinsertrag von 3 Milliarden.


(Jörg-Otto Spiller [SPD]: Von der Summe! Vom Kapital! – Christine Scheel [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Von der Summe ausgehend! Das ist doch vom Kapital! Falsch! Das ist doch die Zinsertragsteuer!)


25 Prozent davon sind 750 Millionen Euro. Das ist die
Summe, die sich bei einem Kapitalrückfluss von 100Mil-
liarden Euro jährlich möglicherweise ergeben könnte. Er
aber hat so getan, als handele es sich bei den 25 Milliar-
den Euro um eine sichere jährliche Einnahme. Deswegen
waren auch alle still.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das ist doch die Gesamtsumme!)


– Er hat es so gemacht. Entweder kann ich rechnen oder
er hat 25Milliarden Euro versprochen, die auf keinen Fall
zurückfließen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg-Otto Spiller [SPD]: Die erste Annahme trifft nicht zu!)


Ich meine, wir sollten gemeinsam über die Abgeltung-
steuer nachdenken, allerdings in Verbindung mit einer ver-
nünftigen Steuerreform. Wir haben 1996 Vorschläge zu ei-
ner Steuerreform vorgelegt. Lassen Sie uns noch einmal in
diese Vorschläge hineinschauen. Aber das Vorhaben auf
den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben, können Sie
mit uns nicht machen. Dabei machen wir nicht mit.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501533700

Frau Kollegin!


Elke Wülfing (CDU):
Rede ID: ID1501533800

Ja. – Zu der Abgeltungsteuer gehört eine vernünftige

Steuersenkung, sonst wird sie nicht funktionieren und
beim Verfassungsgericht landen. Dessen bin ich sicher.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501533900

Das vorläufig letzte Wort in dieser Aussprache hat die

Kollegin Roth für die SPD-Fraktion.


Karin Roth (SPD):
Rede ID: ID1501534000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

ist eine heftige Debatte geführt worden, in der vieles wie-


(A)



(B)



(C)



(D)


1170


(A)



(B)



(C)



(D)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002 1171

derholt worden ist. Die Behauptung, unsere Vorhaben
führten zu Mehrbelastungen, wie es vonseiten der Oppo-
sition immer wieder heißt, wird nicht dadurch wahrer,
dass sie immer wiederholt wird. Richtig ist vielmehr – das
ist von meinen Kollegen schon ausgeführt worden –, dass
wir seit 1999 dreimal die Steuern gesenkt und eine Steuer-
quote von 21,6 Prozent – das ist die niedrigste Steuerquote
seit 1960 – haben.

Von daher meine ich, dass Sie sich ein bisschen solider
vorbereiten sollten, liebe Kolleginnen und Kollegen, und
dass sie vor allem nicht weiter nachkarten, sondern in die
Zukunft schauen sollten. Das heißt, darüber nachzuden-
ken, was wir vorhaben und was möglich ist, statt wieder
die Bedenken vorzutragen, die im Zusammenhang mit der
Zinsabgeltungsteuer bei Ihnen offensichtlich wieder en
vogue sind. Es geht dabei um die Frage, ob Steuerhinter-
ziehung wirklich legalisiert werden soll oder ob wir nicht
vielmehr gemeinsam auf die Vermeidung von Steuerhin-
terziehung hinarbeiten wollen. Wir sollten gemeinsam
versuchen, Regelungen zu finden, die dafür sorgen, dass
die Menschen entsprechend ihrem Einkommen und ihrem
Vermögen zur Finanzierung des Staates herangezogen
werden. Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt.


(Beifall des Abg. Carl-Ludwig Thiele [FDP])

Ich denke, das muss alle in diesem Hohen Haus verbin-
den; denn das ist doch wahr.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Christine Scheel [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das gilt auch für Herrn Möllemann!)


– Darüber wollen wir jetzt nicht reden.
Wir haben in der Vergangenheit die Menschen in unse-

rem Land entlastet, und zwar sowohl die Unternehmen als
auch – in erster Linie – die Arbeitnehmer und ihre Fami-
lien. Wir wollen jetzt die Steuerschlupflöcher stopfen und
so dazu beitragen, dass wieder Steuern bezahlt werden.


(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Für die Höchstverdiener halbieren Sie die Steuern!)


Dass das dem einen oder anderen nicht gefällt, verstehen
wir gut. Aber wir wollen mit den geplanten Maßnahmen
für mehr Steuergerechtigkeit sorgen. Diese Politik möch-
ten wir fortsetzen.

Lassen Sie mich ganz kurz die drei Leitlinien unserer
Steuer- und Finanzpolitik aufzählen. Erstens. Wir entlas-
ten die Arbeitnehmer durch die Reduzierung der Steuer-
sätze. Wir entlasten aber auch die Unternehmen – zum
Beispiel des Mittelstandes – durch die von uns geschaf-
fene Möglichkeit, die Gewerbesteuer mit der Einkom-
mensteuer zu verrechnen. Das wurde immer verschwie-
gen, ist aber ein wichtiger Punkt für den Mittelstand.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Elke Wülfing [CDU/CSU]: Vorher haben Sie den Spitzensteuersatz heraufgesetzt!)


Die Unternehmen werden zum Beispiel auch dadurch ent-
lastet – dafür haben wir und nicht Sie gesorgt –, dass die
Körperschaftsteuer auf 25 Prozent gesenkt worden ist.

Auch diese Maßnahme dient dazu, im internationalen Wett-
bewerb der Unternehmen wieder konkurrenzfähig zu sein.

Zweitens. Wir wollen für mehr Steuergerechtigkeit
durch den Abbau von Subventionen und Steuervergünsti-
gungen sorgen. Hier ist das Geschrei groß, wenn es kon-
kret wird. Aber auch die Opposition muss ehrlich sein und
zugeben: Wenn man Subventionen abbauen will, dann
wird es sich nicht vermeiden lassen, dass es an der einen
oder anderen Stelle wehtut.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wie bei der Kohle!)


Da muss man durch und deutlich machen, dass das rich-
tig ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Drittens. Uns geht es auch um die Stabilisierung der
Einnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden. Wir ha-
ben das große Projekt der Gemeindefinanzierungsreform
noch vor uns. Nach 30 Jahren wird das endlich angepackt.
Ich habe heute zum ersten Mal gehört, dass sich die Län-
der daran nicht beteiligen wollen. Ich würde das sehr
schade finden; denn auch die Länder und Kommunen
müssen im Rahmen der beabsichtigten Gemeindefinan-
zierungsreform ihre Vorschläge einbringen. Ich halte eine
Blockadepolitik in diesem Zusammenhang für falsch und
gefährlich.

Herr von Stetten, noch ein Wort zu dem, was Sie zu
dem Fall Schwäbisch Hall gesagt haben. Wenn Sie unsere
Steuervorschläge richtig gelesen hätten, dann müssten Sie
wissen, dass wir durch die von uns beabsichtigten Ände-
rungen der steuerlichen Bestimmungen das, was im Fall
Schwäbisch Hall geschehen ist, in Zukunft verhindern
wollen, nämlich durch Käufe von Beteiligungen nicht
mehr zur Zahlung von Unternehmensteuern herangezo-
gen werden zu können. Das wird zukünftig nicht mehr
möglich sein. Wenn auch Sie das wollen, dann müssen Sie
unserem Gesetzentwurf eigentlich zustimmen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Herr von Stetten, ein letzter Punkt: Sie haben gesagt
– wir haben darüber schon einmal an anderer Stelle dis-
kutiert –, Sie wollten mehr Planungssicherheit. Herr von
Stetten, wo leben Sie? Wir schaffen Planungssicherheit in
der Steuerpolitik.


(Lachen bei der CDU/CSU)

Wir haben bereits eine Einkommensteuerreform be-
schlossen. Sie wird 2004 und 2005 fortgesetzt werden.
Wir haben sie aus gutem Grund um ein Jahr verschoben:
Wir wollten nicht mehr Schulden machen, wie Sie alle das
gerne getan hätten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Die habt ihr doch zusätzlich gemacht! 70 Milliarden DM!)


Lassen Sie mich noch etwas zum Eingangssteuersatz
sagen. Wir haben diesen Steuersatz auf 15 Prozent redu-
ziert. Im internationalen Vergleich ist Deutschland damit

Karin Roth (Esslingen)


Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 18. Dezember 2002
Karin Roth (Esslingen)

konkurrenzfähig. Das gilt auch für die Höhe des Freibe-
trags. Wenn Sie unseren Freibetrag zum Beispiel mit dem
in den USAvergleichen, dann werden Sie feststellen, dass
unser doppelt so hoch ist.

Von daher kann ich Ihnen nur sagen: Wir gehen unse-
ren Weg konsequent weiter. Wir halten Kurs in unserer
Politik der Förderung von Wachstum und Beschäftigung;
Sie werden an dem Punkt nicht vorbei kommen. Wir wer-
den die Reform durchsetzen, auch wenn Sie sie blockie-
ren wollen. Am Ende ist vielleicht das eine oder andere
doch möglich. Insofern hoffe ich, dass die Steuerreform
im Zuge des Vermittlungsverfahrens in einer Form be-
schlossen wird, bei der dieses Land vernünftig nach vorn
kommt und bei der auch die Konsolidierung des Haus-
halts Platz greift.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Sagen Sie es dem Kanzler!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1501534100

Ich schließe die Aktuelle Stunde.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord-

nung.
Die nächste Sitzung des Bundestages ist für morgen,

Donnerstag, den 19. Dezember, 9 Uhr, einberufen.
Die Sitzung ist geschlossen.