Protokoll:
14235

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 235

  • date_rangeDatum: 15. Mai 2002

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 16:33 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung (Drucksache 14/9041) . . . . . . . . . . . . . . . 23409 A Tagesordnungspunkt 2: Befragung der Bundesregierung: Sach- standsbericht Verkehrsprojekte „Deut- sche Einheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23409 B Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 23409 B Manfred Grund CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 23410 C Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 23410 D Walter Hirche FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23411 C Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 23411 D Wolfgang Dehnel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 23412 C Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 23412 D Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU . . . . . . . . . . 23413 C Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 23413 D Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . . . . . 23414 A Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 23414 B Renate Blank CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 23414 C Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 23415 A Peter Letzgus CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 23415 C Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 23415 C Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . . . . . 23416 A Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 23416 B Tagesordnungspunkt 3: Fragestunde (Drucksache 14/9003) . . . . . . . . . . . . . . . 23416 D Abgabe der Vermittlungsgutscheine für private Arbeitsvermittlung an Langzeitarbeitslose MdlAnfr 6, 7 Dr. Klaus Grehn PDS Antw PStSekr Gerd Andres BMA . . . . . . . . . 23417 A ZusFr Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . 23417 C Fortsetzung des AKP-Zuckerprotokolls bzw. Ausklammerung aus den geplanten Wirt- schaftspartnerschaftsabkommen MdlAnfr 10 Gerald Weiß (Groß-Gerau) CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Uschi Eid BMZ . . . . . . 23419 A ZusFr Gerald Weiß (Groß-Gerau) CDU/CSU 23419 A Deutsche Entwicklungshilfe seit 1999 für Staa- ten, die eine Rücknahme eigener, aus Deutsch- land ausreisepflichtiger Bürger verweigern oder behindern MdlAnfr 11 Martin Hohmann CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Uschi Eid BMZ . . . . . . 23419 D Beitritt der mittel- und osteuropäischen Länder sowie Maltas und Zyperns zur EU im Jahre 2004 MdlAnfr 13 Klaus Hofbauer CDU/CSU Plenarprotokoll 14/235 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 235. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002 I n h a l t : Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . 23420 A ZusFr Klaus Hofbauer CDU/CSU . . . . . . . . . 23420 A Lohn- und Wohlstandsgefälle zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tsche- chischen Republik, insbesondere in den Grenz- regionen, nach dem Beitritt der Tschechischen Republik zur EU MdlAnfr 14 Klaus Hofbauer CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . 23420 C ZusFr Klaus Hofbauer CDU/CSU . . . . . . . . . 23420 D Auswirkungen der Mittelkürzungen auf die Förderung der deutschen Minderheit in Polen MdlAnfr 15 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . 23421 B ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 23421 C Einbeziehung der Benes-Dekrete in bilateriale Verhandlungen mit der Tschechischen Repu- blik MdlAnfr 16 Hartmut Koschyk CDU/CSU Antw StMin Dr. Ludger Volmer AA . . . . . . . 23422 A ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 23422 B Staaten, die eine Rücknahme eigener, aus Deutschland ausreisepflichtiger Bürger ver- weigern oder behindern MdlAnfr 19 Martin Hohmann CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 23422 D ZusFr Martin Hohmann CDU/CSU . . . . . . . . 23423 A ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . 23423 C Kenntnis des BMVg über die hygienischen und bautechnischen Mängel in der Küche der Theodor-Blank-Kaserne in Rheine-Bentlage, Zustand anderer Küchen MdlAnfr 27 Karl-Josef Laumann CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . 23423 D ZusFr Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . 23424 B Wahrnehmung der Fürsorgepflicht des BMVg gegenüber wehrpflichtigen Soldaten im Hin- blick auf die Verpflegung MdlAnfr 28 Karl-Josef Laumann CDU/CSU Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . 23424 C ZusFr Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . 23424 D Beendigung der militärischen Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide MdlAnfr 29, 30 Wolfgang Gehrcke PDS Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg 23425 B, C ZusFr Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . 23425 D ZusFr Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . 23427 C Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bun- desregierung zu den anhaltend hohen Arbeitslosenzahlen in Deutschland, zu den im europäischen Vergleich niedrigen Wachstumsraten und den geringen Investitionen in Straße und Schiene . . . 23428 B Peter Rauen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 23428 B Walter Riester, Bundesminister BMA . . . . . . . 23429 C Dr. Heinrich L. Kolb FDP . . . . . . . . . . . . . . . 23431 D Margareta Wolf, Parl. Staatssekretärin BMWi 23433 A Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23435 B Dr. Rainer Wend SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23436 B Ulrich Klinkert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 23438 A Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23439 B Johannes Singhammer CDU/CSU . . . . . . . . 23440 C Franz Thönnes SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23442 A Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . . . . . . 23443 C Reinhold Hiller (Lübeck) SPD . . . . . . . . . . . 23444 D Jochen-Konrad Fromme CDU/CSU . . . . . . . 23445 D Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23446 D Ingrid Arndt-Brauer SPD . . . . . . . . . . . . . . . 23448 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23449 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 23451 A Anlage 2 Aus technischen Gründen nachträglich zu Pro- tokoll gegebene Reden zur Beratung Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002II – des Entwurfs eines Gesetzes zur Moderni- sierung des Stiftungsrechts – des Entwurfs eines Gesetzes für eine Re- form des Stiftungsrechts (Stiftungs- rechtsreformgesetz) (233. Sitzung, Tagesordnungspunkt 9) . . . . . . 23451 C Alfred Hartenbach SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 23451 C Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/CSU 23452 A Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23453 B Rainer Funke FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23454 B Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 23454 D Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ 23455 B Anlage 3 Einführung einer internationalen Insolvenz- regelung für Staaten MdlAnfr 3 PeterWeiß (Emmendingen) CDU/CSU Antw PStSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . . 23456 A Anlage 4 Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit mittel- ständischer Unternehmen und der Entwicklung des Arbeitsmarkts nach einer EU-Osterweite- rung; Aufstockung der Regionalfördermittel für Oberfranken, die Oberpfalz und Niederbay- ern, Reduzierung der Zahl der bayerischen För- dergebiete der Gemeinschaftsaufgabe „Verbes- serung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ MdlAnfr 4, 5 Hans Michelbach CDU/CSU Antw PStSekr’in Margareta Wolf BMWi . . . 23456 B Anlage 5 Vorlage des Referentenentwurfs zum Vorha- ben „Weniger Verkehrszeichen – bessere Be- schilderung“ beim Verkehrsausschuss MdlAnfr 8, 9 Hans-Michael Goldmann FDP Antw PStSekr Stephan Hilsberg BMVBW 23457 C Anlage 6 Verwendung von Mitteln aus dem Einzelplan 60 für „Maßnahmen in Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung“ MdlAnfr 12 PeterWeiß (Emmendingen) CDU/CSU Antw PStSekr’in Dr. Uschi Eid BMZ . . . . . . 23457 C Anlage 7 Aktivitäten des Nationalen Widerstandsrates des Iran in Deutschland; verfassungsschutz- rechtliche Erkenntnisse MdlAnfr 17, 18 Monika Brudlewsky CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMJ . . . . 23458 A Anlage 8 Lebensmittel mit hohen Konzentrationen von Acrylamid MdlAnfr 20 Gudrun Kopp FDP Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 23458 C Anlage 9 Studie des Instituts für Demoskopie Allens- bach zur Frage der Akzeptanz der „Grünen Gentechnik“ MdlAnfr 21 Helmut Heiderich CDU/CSU Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 23459 A Anlage 10 Berücksichtigung des Einfuhrverbots von Milcherzeugnissen aus Betrieben in der Türkei MdlAnfr 22 Annette Widmann-Mauz CDU/CSU Antw PStSekr Matthias Berninger BMVEL 23459 B Anlage 11 Sanierung der NATO-Pipeline von Straßburg nach Tübingen; Auswirkungen des Baustellen- verlaufs auf die naturlandschaftliche und tou- ristische Infrastruktur MdlAnfr 23, 24 Dirk Niebel FDP Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . 23459 C Anlage 12 Untertützung des Costumer-Product-Manage- ment-Prozesses des BMVg; Anzahl der für Auslandseinsätze zur Verfügung stehenden Soldaten MdlAnfr 25 Günther Friedrich Nolting FDP Antw PStSekr’in Brigitte Schulte BMVg . . . 23460 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002 III Anlage 13 Novellierung des Gentechnikgesetzes bezüg- lich Anzeigeverfahren MdlAnfr 31 Helmut Heiderich CDU/CSU Antw PStSekr’in Gudrun Schaich-Walch BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23460 C Anlage 14 Unterstützung des Vertriebs von Medikamen- ten über das Internet durch das BMG; Auswir- kungen auf deutsche Apotheken MdlAnfr 32, 33 Ernst Hinsken CDU/CSU Antw PStSekr’in Gudrun Schaich-Walch BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23461 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002 Ingrid Arndt-Brauer 23449 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002 23451 (C) (D) (A) (B) Dr. Blank, CDU/CSU 15.05.2002 Joseph-Theodor Fischer (Berlin), BÜNDNIS 90/ 15.05.2002 Andrea DIE GRÜNEN Frankenhauser, CDU/CSU 15.05.2002 Herbert Friedrich (Altenburg), SPD 15.05.2002 Peter Gleicke, Iris SPD 15.05.2002 Heinrich, Ulrich FDP 15.05.2002 Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/ 15.05.2002 DIE GRÜNEN Irmer, Ulrich FDP 15.05.2002 Jüttemann, Gerhard PDS 15.05.2002 Dr. Kenzler, Evelyn PDS 15.05.2002 Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 15.05.2002 Leidinger, Robert SPD 15.05.2002 Neumann (Gotha), SPD 15.05.2002 Gerhard Ostrowski, Christine PDS 15.05.2002 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 15.05.2002 Roos, Gudrun SPD 15.05.2002 Schmidt (Aachen), SPD 15.05.2002 Ulla Schütze (Berlin), CDU/CSU 15.05.2002 Diethard Seehofer, Horst CDU/CSU 15.05.2002 Siemann, Werner CDU/CSU 15.05.2002 Voß, Sylvia BÜNDNIS 90/ 15.05.2002 DIE GRÜNEN Welt, Jochen SPD 15.05.2002 Zierer, Benno CDU/CSU 15.05.2002* * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates Anlage 2 Aus technischen Gründen nachträglich zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung – des Entwurfs eines Gesetzes zurModernisierung des Stiftungsrechts – des Entwurfs eines Gesetzes für eine Reform des Stiftungszivilrechts (Stiftungsreformgesetz) (233. Sitzung, Tagesordnungspunkt 9) Alfred Hartenbach (SPD): Das Stiftungsrecht ist in zwei Stufen modernisiert worden: Als erstes wurden die steuerlichen Förderungen von Stiftungen unter der rot- grünen Bundesregierung im Jahr 2000 deutlich verbes- sert. Nun folgt als zweiter Schritt die Modernisierung des Stiftungsrechts. Diese Modernisierung war lange überfäl- lig. Wir hatten bisher das reine Genehmigungsverfahren durch die Behörden der einzelnen Bundesländer. Bestim- mend waren nicht das Bürgerliche Gesetzbuch, sondern das jeweilige Landesrecht. Dabei gab es teilweise unglaubliche Unterschiede in den Anforderungen an Sat- zungen und Bestimmungen, ehe eine Stiftung – schön ho- heitlich und oft auch schön langsam – genehmigt wurde. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir weg von diesem Genehmigungsverfahren und einem Antragsver- fahren den Weg öffnen. Wir stärken damit auch zugleich die Freiheit der Stifter, weil deren Willen im Vordergrund steht – nicht mehr der Prüfzettel der Beamten. Wir schaf- fen nun ein einheitliches Recht auf Bundesebene, das vor allem auch die Stifter gleichstellt. Entscheidend ist nun, dass die Stiftung in einer Satzung dartun muss, dass die Stiftung auf eine gewisse Dauer angelegt ist und das Stiftungsvermögen eine nachhaltige Erfüllung der Aufgaben sicherstellt. Diese Voraussetzun- gen gelten auch für die Bürgerstiftungen, die zu Beginn ihrer Tätigkeit nicht über umfassende Vermögen verfü- gen. Das Gesetz fordert eine Gemeinwohlverpflichtung der Stiftung. Damit können extremistische Vereinigungen abgewehrt werden, ihr übles Treiben hinter einer Stiftung zu verstecken und auch noch steuerliche Vorteile daraus zu ziehen. Wenn alle Voraussetzungen vorliegen, besteht ein Rechtsanspruch des Stifters auf Anerkennung einer Stiftung. Das schafft Rechtssicherheit für die Stifter. Wir haben auch erreicht, dass die Stiftung errichtet werden kann, wenn der Stifter zwischen Antragstellung und An- erkennung verstirbt, und selbst auch dann, wenn die Satzung nicht allen Anforderungen entspricht. Zu einem bundesweiten Stiftungsregister konnten wir uns nicht bereit finden. Damit wäre ein nicht ganz geringer Eingriff in die Verwaltungshoheit der Länder verbunden gewesen, und auch ein Mehr an Bürokratie. Ein bun- desweites Stiftungsregister wäre erforderlich gewesen, aus unserer Sicht überflüssig, da 14 Bundesländer bereits über entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht eigene Stiftungsregister verfügen. Um aber mehr Trans- parenz für Stifter, Stiftungen, Stiftungswillige und Inte- ressierte zu schaffen, bitten wir die Länder, in einem Entschließungsantrag ihre Register zugänglich zu machen und sich dabei auch der modernen Kommunikationswege zu bedienen. Die Koalition hat nach intensiven Beratungen auf der Basis einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe, deren Ergeb- nisse wir im Wesentlichen übernommen haben, ein gutes Gesetz geschaffen. Die überwiegende Mehrzahl der Experten haben bei einer Anhörung unserem Entwurf den Vorzug vor dem der FDP gegeben. Bei den Beratungen in den Ausschüssen fand unser Entwurf die erforderlichen Mehrheiten. Es sieht heute danach aus, dass die Zustim- mung noch größer wird. Das wäre ein feiner Erfolg; ein Erfolg für mehr Freiheit der Stifter, für mehr bürger- schaftliches Engagement und letztlich auch für unser Par- lament. Ich danke allen, die uns bei den Beratungen unterstützt und nach vorn gebracht haben. Wir sehen uns auch im Einklang mit dem Bundesverband Deutscher Stiftungen. Da darf man zum Schluss sagen: Gut gemacht! Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Mehr wäre besser gewesen, aber das vorliegende Gesetz ist der Weg in die richtige Richtung. Es ist natürlich Un- sinn, wenn Professor Rawert in der „Frankfurter Allge- meinen“ vom 23. April 2002 schreibt: „Dieses Stiftungs- gesetz führt zurück ins 19. Jahrhundert.“ Recht hat er aber, dass wir wegen der bürokratischen Bedenkenträger nicht von dem staatlichen Konzessions- system ohne Wenn und Aber auf das normative System – Anerkennen nach Vorliegen formeller Voraussetzungen – gegangen sind. Dies war im Übrigen sowohl bei dem früheren Entwurf der Grünen und ist bei dem vorliegen- den Entwurf der FDP vorhanden und entspricht den Vor- stellungen der CDU/CSU-Fraktion. Richtig ist, dass wir das Stiftungsrecht dort gelassen haben, wo es seit 100 Jahren steht und hingehört – im BGB. Es wurden die vorhandenen Vorschriften entrüm- pelt, um neuen Schwung ins Stiftungswesen zu bringen. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Stiftungen dort schon seit über 100 Jahren funktioniert haben, wo die Länder entsprechende Ergänzungen durch Stiftungsgesetze vor- genommen haben, die praktikabel waren und die nicht unnötig viel Bürokratie für die Stifter brachten. Auch die Genehmigungsverfahren liefen dort – zum Beispiel in meinem Heimatland Baden-Württemberg – gut, wo die richtigen Behörden und die richtige Abteilung die Geneh- migungen erteilten. Dennoch wäre es gut gewesen, wenn die amtliche Prüfung mit diesem Gesetz entfallen wäre. Das Stiftungsrecht – und wen wundert es; es stammte immerhin aus dem 19. Jahrhundert – wurde mehr „ho- heitlich“ geregelt, weil es unter dem Genehmigungsvor- behalt des Staates stand. Wir sind uns zwar einig, dass nach der Rechtsprechung ein Anspruch auf Genehmigung auch bisher bestand, nur wussten zuständige Beamte dies oft nicht – Hamburg lässt grüßen. Nunmehr ist im neuen § 80 eine Anerkennungspflicht durch die zuständige Behörde gegeben, wenn die formellen und materiellen Voraussetzungen vorliegen. Ich hätte gerne den Text in Abs. 2 geändert – und ich weiß, dass das Justizministerium hierauf eingegangen wäre –, weil ich befürchtet habe, dass der Text „die dau- ernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks ge- sichert ist“ Tür und Tor für die gegebenenfalls nicht sach- gemäße Prüfung durch die Anerkennungsbehörde öffnet. Eine Stiftung ist nicht auf Ewigkeit gegründet, sondern unter Umständen nur für eine gegebenenfalls auch kür- zere Dauer, auf die der Wille des Stifters gerichtet sein kann. Aber die Länder bestanden – weil in vielen Länder- satzungen ein ähnlicher Satz steht – auf Beibehaltung die- ses „dauernd und nachhaltig“, weil sie der Meinung wa- ren, „nachhaltig“ alleine nicht genügt. Wenigstens heißt es: „ ... die dauernde und nachhaltige Erhaltung des Stiftungsrechts gesichert scheint“. Das heißt, es ist kein absoluter Nachweis zu führen, ob die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks tatsächlich gesichert ist, sondern es genügt die Prognose. Diese darf nicht kleinkariert und beckmesserisch von Bürokraten zerpflückt werden, sondern es gelten, wenn keine gravierenden Anhaltspunkte dagegen stehen, Wille und Prognose des Stifters. Richtigerweise wurde in der Begründung auch auf- genommen, dass der Begriff „nachhaltig und dauernd“ keine zwei selbstständig zu prüfenden Voraussetzungen ist, sondern ein Merkmal darstellen soll, dass Stiftungen ein ernsthaftes Geschäft sind und nicht aus „Jux und Dol- lerei“ durchgeführt werden. Vielmehr ist ein nachhaltiger Zweck zu erfüllen und die Stiftung muss auf eine gewisse Dauer – gegebenenfalls vom Stifter vorgesehen; aber nicht zum Beispiel für nur wenige Monate – angelegt sein. Nachhaltig heißt auch, dass entweder ein entsprechen- des Anfangsvermögen oder die Aussicht auf Zustiftungen den durch Stifterwillen vorgegebenen Zweck erfüllen. Aber auch hier gilt, das vom Stifter Gewollte, wenn nicht die „Unmöglichkeit auf die Stirn“ geschrieben ist. Ich hätte auch gerne den etwas „schwammigen“ Be- griff im letzten Halbsatz des Abs. 2 geändert, der die An- erkennung der Stiftung davon abhängig macht, dass die Stiftung das „Gemeinwohl nicht gefährdet“. Hier hätte ich mir gewünscht, dass dieser Halbsatz gelautet hätte: „ ... und die Stiftung nicht gegen Gesetz und Recht ver- stößt“. In den Berichterstatter-Gesprächen mit Experten des Ministeriums wurde dies abgelehnt, unter anderem, weil „Gemeinwohl“ nicht nur im geltenden Recht, son- dern auch in mehreren Ländergesetzen als Begriff aufge- nommen worden sei. Der bloße Hinweis, dass die Stiftung Gesetz und Recht zu entsprechen habe, schränke die Handlungsfähigkeit der Anerkennungsbehörden ein, wenn zum Beispiel die Frage der Anerkennung von Stif- tungen von links- oder rechtsradikalen Organisationen oder radikal-fundamentalen Religionsgemeinschaften an- stünde. Es überzeugt mich nicht, weil „Gemeinwohl“ doch sehr häufig nicht nur objektiv gesehen wird, sondern durchaus auch mit parteipolitischer Brille. So haben die zuständigen Länderbehörden einen Ermessensspielraum, der aber zum Trost bei der Versagung einer Anerkennung gerichtlich überprüft werden kann. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 200223452 (C) (D) (A) (B) Die Vorschläge der CDU/CSU-Fraktion waren richtig und nützlich, der Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grü- nen vom Grundsatz her ebenso. Aber ein eigenes Stif- tungsgesetz mit vielen neuen Behörden, gegebenenfalls Stiftungskammern, Registrierungen und Ähnliches, hätte meines Erachtens das Stiftungsgeschäft nicht erleichtert, sondern eher erschwert. Auch der Entwurf der FDP, der richtigerweise die Än- derungen im BGB vorsah, hat von uns eine große Sym- pathie. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf haben wir aber das Machbare, mit den vorhandenen Mehrheiten und in Abstimmungen mit den Ländern, erreicht. Der Gesetzentwurf soll Stiftungen erleichtern und Stif- ter ermutigen, indem der Stifter für Stiftungen nun einen Rechtsanspruch hat und nicht um „Genehmigung nachsu- chen muss“, sondern die Anerkennung beantragt. Durch die verbesserte Formulierung hinsichtlich der „Stiftungen von Todes wegen“ können Erblasser, auch mit kurzen An- ordnungen einer Stiftung, relativ sichergehen, dass nach ihrem Tode ihr Wille für die Stiftung nachhaltig berück- sichtigt wird. Das neue rechtliche Korsett der Stiftung ist aber nur das eine. Dazu muss eine günstige steuerliche Begleitung kommen, die im Rahmen der Erfahrungen aus den letzten Jahren einer Überprüfung bedarf und sicher Verbesserun- gen verdient. Es muss dann noch das manchmal bei einigen Mitglie- dern der Regierungsparteien vorhandene rückständige Denken über Stifter geändert werden. Stifter sind nicht „Steuerhinterzieher“, sondern Menschen, die ihr erarbei- tetes Vermögen oder Einkommen, das sie bereits versteu- ert haben, einsetzen, um da zu helfen, wo der Staat nicht eingreifen kann oder will. Dies gilt natürlich nicht nur für Kultur und Kunst, sondern auch im sozialen Bereich, in der Forschung, im Denkmalschutz, im Umweltschutz, für Schulen usw. Um nochmals auf den FDP-Antrag zurückzukommen: Es wird niemand gehindert, das Stiftungsgeschäft über ei- nen Anwalt oder Notar vorbereiten zu lassen, und ich kann – insbesondere bei größeren Summen oder Vermögen – es nur empfehlen, weil insoweit der Sachverstand eines Notars oder Anwalts noch nie geschadet hat. Sollte sich mit der Zeit herausstellen, dass dies notwendig ist und keine zusätzliche Hürde für Stifter darstellt, könnte ein Hinweis auf § 313 BGB eingefügt werden. Die Unionsfraktion stimmt mit den vorgebrachten Be- denken diesem Gesetz zu und enthält sich folgerichtig beim FDP-Gesetzentwurf. Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute ist ein glücklicher Tag für das bürgerschaftliche Engagement, denn heute wird die Reform des Stiftungs- rechts abgeschlossen. Fünf Jahre nachdem die Grünen sich dieses Themas angenommen haben und nachdem sich die Regierungskoalition vorgenommen hatte, das Thema zu einem zufrieden stellenden Abschluss zu bringen, sind wir heute hier und beraten den Gesetzentwurf zum letzten Mal – jedenfalls in dieser Legislaturperiode. Was haben wir geschafft? 1997 haben wir mit dem bündnisgrünen Gesetzentwurf das damalige Stiftungs- recht auf seine Schwächen und Stärken abgeklopft und einen umfassenden Vorschlag zu seiner Verbesserung vor- gelegt. Das Hauptziel war, Anreize für Stifter und Inte- resse für Stiftungen zu wecken. Denn wir hatten erkannt, was heute jedermann verstanden hat: Stiftungen wecken kreative Kräfte, sie sind Ideenschöpfer für eine moderne, globale Gesellschaft. Im Sommer 2000 setzten wir zu- sammen mit der SPD steuerrechtliche Reformen für die Stiftungen und die Stifter durch. Das schaffte konkrete Anreize vor allem auch für Stifter mit kleinen Vermögen, sich für eine gute Sache zu engagieren. Die Bürger und Bürgerinnen ergriffen die Gelegenheit beim Schopf. Vor allem die Bürgerstiftungen wuchsen allerorts aus dem Bo- den. Die Stiftungspraxis beweist, dass wir mit unserer Re- form unser Ziel erreichen: Allein im letzten Jahr sind an die 1 000 neue Stiftungen gegründet worden. Jetzt wird der vorläufig letzte Schritt vollzogen: Wir haben uns den zivilrechtlichen Regelungen im Stiftungs- wesen zugewandt und vier Regelungen vorgeschlagen: Erstens. Ein formuliertes „Recht auf Stiftung“. Was in juristischen Fachkreisen schon längst anerkannt ist, wird nun auch im Gesetz festgeschrieben. Zweitens. Eine abgeschlossene Liste der materiellen Voraussetzungen zur Errichtung einer Stiftung wird in das Gesetz aufgenommen. So ist ein Mindeststandard für die Errichtung einer Stiftung gewährleistet. Das bringt Über- sichtlichkeit, Einfachheit und Transparenz ins Stiftungs- wesen. Das ist stifterfreundlich. Drittens. Stiftungszweck kann jedes Anliegen eines Stifters sein, das nicht gegen die Gesetze verstößt. Nur so ist die Vielfalt der Stiftungen zu gewährleisten. Viertens. In Zukunft werden Stiftungen von den Be- hörden nicht mehr länger genehmigt, sondern sie werden anerkannt. Auch hier spiegelt sich die Auffassung wider, dass der Mensch ein Recht darauf hat, sich in Form einer Stiftung zu entfalten. Gestern meldeten sich schon die Stimmen der Kritik. Peter Rawert aus Hamburg wies nicht zu Unrecht auf den weitaus umfassenderen ersten Entwurf von 1997 hin. Und auch der Kulturrat bemängelte, dass man sich vor allem um eine eindeutigere Definition der Institution Stiftung hätte kümmern sollen. Mir persönlich ist es besonders bedauerlich, dass uns vonseiten des Parlaments die Hände vor allem dahin ge- hend gebunden waren, dass der Entwurf das Stiftungs- register mit all seinen Konsequenzen nicht aufnehmen konnte. Denn die Länder hatten von vornherein signali- siert, dass sie einem bundesweiten Register für Stiftungen nicht zustimmen würden. Mit einem solchen Register wäre dem legitimen Be- dürfnis der Öffentlichkeit Rechnung getragen worden, über die privilegierte Rechtsform Stiftung mehr und ein- heitlicheres zu erfahren, als die Stiftungen selbst bereit sind, bekannt zu geben. Stiftungen werden – so sie denn gemeinnützig sind – vom Staat vor allem steuerlich be- günstigt. Wir hätten uns also durchaus auch eine weiter Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002 23453 (C) (D) (A) (B) gehende Reform vorstellen können, bei der gemeinnüt- zige echte Stiftungen im bürgerlichen Gesetzbuch defi- niert, durch bestimmte Rechtsformzusätze – entsprechend etwa dem „e. V.“ bei eingetragenen Vereinen – gekenn- zeichnet und in einem öffentlich zugänglichen Register geführt werden müssten. Mehr Transparenz in dieser Form hätte dem Stiftungs- wesen gut getan. Die Anhörung im Rechtsausschuss hat uns in dieser Hinsicht bestärkt, denn die Mehrheit der Referenten sprach sich für ein Stiftungsregister aus. Wir haben in dieser Hinsicht unsere parlamentarischen Mög- lichkeiten ausgeschöpft, indem wir im Ausschuss für Kul- tur und Medien einen interfraktionellen Entschließungs- antrag einbrachten. Jetzt ist der Entschließungsantrag sogar ins Plenum eingebracht worden. Darin bitten wir die Länder, zumindest die regionalen Verzeichnisse zu ver- vollständigen, zu vernetzen und der Öffentlichkeit zu- gänglich zu machen. Das hat mit einem Register wenig zu tun, schafft aber immerhin mehr Öffentlichkeit für die Ar- beit und die Organisation der Stiftungen. Wir haben den Ländern weiterhin nahe gelegt, selbst die Register in ihre Landesgesetze aufzunehmen. Wir werden die Praxis beobachten. Das Thema lässt uns noch nicht los. Sollte sich herausstellen, dass sich in Sachen Transparenz zu wenig bewegt, werden wir noch einmal über eine diesbezügliche Verbesserung nachden- ken müssen. Wir haben in der vorliegenden Reform auch Abstand davon genommen, uns mit den vielfältigen Mög- lichkeiten des Missbrauchs von Stiftungen auseinander zu setzen. Auch hier werden wir wachsam sein und be- obachten, ob weitere spektakuläre Fälle den Namen der Stiftung in Misskredit bringen. Vielleicht müssen wir spä- ter auch hier noch einmal nachhaken. Jetzt wollen wir erst einmal diesen Teil der Reform angemessen begrüßen. Genauso sehr wie ich mich über den Abschluss insgesamt freue, ist es mir ein besonders großes Vergnügen, festzustellen, dass die Arbeit an dieser Reform wieder etwas Schönes gezeigt hat: Manche The- men eignen sich so wenig zur Polemisierung, dass die Sa- che wieder in den Vordergrund rückt. Das freut mich für unser Parlament und heute ganz besonders für eine große und wichtige Angelegenheit der Zivilgesellschaft; dem persönlichen Einsatz der Bürger und Bürgerinnen, die Stiftung. Rainer Funke (FDP): Wir sind uns sicherlich in die- sem Hause einig, dass das Stiftungsrecht modernisiert werden muss. Aus diesem Grund haben die Grünen einen umfangreichen Gesetzentwurf bereits am Ende der letzten Legislaturperiode eingebracht, der von dem angesehenen Notar Professor Dr. Rawert ausgearbeitet war. Die FDP hat einen eigenen Gesetzentwurf zu Beginn dieser Legis- laturperiode vorgelegt, der das materielle Stiftungsrecht, also die Bestimmungen des BGB und das Steuerrecht, umfasste. Das Stiftungssteuerrecht ist inzwischen durch Be- schlussfassung des Bundestages im Bundesgesetzblatt. Auch wenn uns diese steuerlichen Entlastungen für Stif- ter und Stiftungen nicht weit genug gehen, räume ich ein, dass wir mit diesem Stiftungssteuerrecht auf dem rich- tigen Weg sind. Erfreulich ist auch, dass die Bereitschaft, gemeinnützige Stiftungen zu gründen, zugenommen hat. Aber gerade um diese Stiftungskultur in Deutschland auf eine neue Stufe der Qualität und Quantität zu heben, muss das materielle Stiftungsrecht grundlegend vereinfacht werden und vom Konzessionssystem zum Normativ- system verändert werden. Gerade diese Grundvorausset- zung erfüllt der Regierungsentwurf bzw. der Entwurf der Koalitionsfraktionen nicht. Aus diesem Grunde werden sie von uns auch abgelehnt. Die geringfügigen Änderun- gen in § 80 und § 81 BGB führen nicht dazu, dass das Stif- tungsrecht, wie der Titel heißt, modernisiert wird; denn all das ist lediglich ein Etikettenschwindel. Ich frage mich wirklich, wie glaubwürdig gerade die Grünen sind, die noch vor vier Jahren einen Entwurf von Professor Rawert vorgelegt haben, der, auch wenn man nicht in allen Punk- ten mit ihm einverstanden sein musste, grundlegende Ver- änderungen gebracht hätte. Auch die Sachverständigenanhörung hat deutlich ge- macht, dass der heute zur Debatte stehende Gesetzentwurf abgelehnt und als nicht weit gehend genug bezeichnet wird. Das deckt sich im Übrigen mit dem Votum des Deutschen Kulturrates, der die Stiftungsreform halbher- zig nennt und mit der Auffassung Professor Rawerts in der „FAZ“ vom 23. April 2002, der das neue Stiftungsgesetz als Rückfall in das 19. Jahrhundert bezeichnet. Recht hat er, denn das Stiftungsrecht verbleibt bei den alten Rege- lungen des Jahres 1896 und den Partikularinteressen und Partikularrechten der Länder. Damit kann man keine An- reize für Stifter geben. Hier ist eine gute Gelegenheit ver- tan worden, das Stiftungsrecht wirklich zu modernisieren. Dies wäre auch möglich gewesen gegen den Widerstand der Länder, in denen das Stiftungsgeschäft so gestaltet worden wäre, dass das Normativsystem eingeführt und damit das Gesetz vom Zustimmungsgesetz zum Ein- spruchsgesetz verändert worden wäre. Der Gesetzentwurf der FDP, der diesem Kriterium der Modernisierung entspricht, hat weitgehende Zustim- mung bei den Sachverständigen gefunden. Frau Kollegin Vollmer war zwar im Ausschuss der Auffassung, dass dem Gesetzentwurf der FDP handwerkliche Mängel anhaften würde, aber sie war auch nicht bereit, diese angeblichen Mängel zu beseitigen. So verbleibt es heute dabei, dass das Stiftungsrecht nicht modernisiert wird und dieses Vor- haben zu Beginn der nächsten Legislaturperiode wieder aufgerufen und dann eine wirkliche Reform mithilfe der FDP beschlossen werden wird. Dr. Heinrich Fink (PDS):Mit der zu erwartenden An- nahme des vorliegenden Gesetzentwurfs zur Modernisie- rung des Stiftungsrechts findet eine intensive Debatte zu diesem Gegenstand innerhalb dieser Legislaturperiode ihren Abschluss. Die PDS hat hier weitgehend Neuland betreten, sich dann aber deutlich in den Meinungsbil- dungsprozess eingeschaltet. Dabei war uns besonders da- ran gelegen, den Reformprozess so auszurichten, dass er unser hauptsächlichstes Ziel, mehr soziale Gerechtigkeit in Deutschland herzustellen, befördert und nicht behin- dert. Als Element einer „Bürgergesellschaft“ haben wir im Stiftungswesen darüber hinaus eine Institution stärken wollen, die es Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 200223454 (C) (D) (A) (B) mehr unmittelbare Verantwortung für das Gemeinwohl zu übernehmen. Sehr früh sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass eine neue Stiftungskultur in diesem Sinne nur in der Einheit von steuerlichen Begünstigungen und neuen zi- vilrechtlichen Rahmenbedingungen entwickelt werden kann. Im Zentrum der zivilrechtlichen Stiftungsreform stand und steht für uns die Forderung nach mehr Transpa- renz und Publizität, und zwar nicht in erster Linie Trans- parenz für die staatlichen Behörden, sondern für die Be- völkerung, die in sehr unterschiedlicher Weise mit den Stiftungen in Berührung kommt. Das Gesetz bringt einige Verbesserungen und Verein- fachungen für die Gründung einer Stiftung und wegen dieser Verbesserungen werden wir dem Gesetzentwurf zustimmen. Doch die Forderung nach mehr Transparenz hinsichtlich des Wirkens der Stiftungen wird bei weitem nicht erfüllt. Darüber hinaus habe ich die Befürchtung, dass mit Inkrafttreten des Gesetzes die Transparenz- problematik aus der öffentlichen Debatte verschwindet. Um dies zu verhindern und um den Sachverstand aus den Ländern einzubeziehen, in denen die Transparenz im Stiftungswesen wesentlich weiter als in Deutschland ent- wickelt ist, schlagen wir mit unserem Entschließungsantrag vor, ein international zusammengesetztes Gremium ein- zurichten. Dieses Gremium soll beim Bundespräsidenten angesiedelt sein und seine Vorschläge bis zum Herbst 2004 vorlegen, damit diese noch innerhalb der nächsten Legis- laturperiode gesetzgeberisch umgesetzt werden können. Da ich weiß, dass viele Mitglieder des Hauses mit dem jetzt erreichten Stand unzufrieden sind, hoffe ich auf eine breite Unterstützung für diesen Antrag. Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin der Justiz: Wir beraten heute über die Modernisierung des zivilrechtlichen Stiftungsrechts. Der Stiftungsgedanke ist unübersehbar wieder stärker im öf- fentlichen Blickfeld. Dazu hat auch die Diskussion um Reformen im Stiftungsrecht beigetragen. Ich freue mich, dass heute mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Mo- dernisierung des Stiftungsrechts das Ergebnis dieses ge- meinsamen Weges von Stiftungspraxis, Ländern und Bund vorliegt. Das Stiftungswesen in Deutschland ist – das wissen wir – vielfältig. Stiftungen entfalten wertvolle Aktivitäten in allen Bereichen des öffentlichen Lebens. Das zeigen die Taten der bekannten Stiftungen, die berühmte Namen und teilweise eine Tradition von Hun- derten von Jahren haben, ebenso wie die vielen anderen, vielen kleinen, nicht so im Rampenlicht stehenden Stif- tungen und das, was sie tun. Das gilt gerade für den So- zialbereich sowie für Bildung und Forschung, aber auch für den kulturellen Bereich. Mit einer Modernisierung des Stiftungsrechts wollen wir dieses Engagement nachdrücklich unterstützen. Zu ei- ner Förderung der Stiftungskultur in Deutschland gehört auch ein modernes Stiftungsrecht. Die steuerlichen Rahmenbedingungen für Stiftungen haben wir bereits mit dem Gesetz vom 14. Juli 2000 ver- bessert. Diese Reform hat dazu beigetragen, dass sich das Stiftungswesen in einer regelrechten Aufbruchstimmung befindet. Ich darf das an einigen Zahlen erläutern. Die Zahl der Neugründungen ist in den letzten Jahren ständig ge- stiegen. Wurden vor zehn Jahren – also im Jahre 1992 – 290 privatrechtliche Stiftungen errichtet, waren es im Jahr 1998 schon 505 Stiftungen und im Jahr 2000 sogar 681. Im vergangenen Jahr – die genauen Zahlen sind al- lerdings noch nicht bekannt – hat die Gesamtzahl der Stif- tungen die 10 000er-Grenze überschritten. Wesentliche Voraussetzungen für eine Modernisierung des Stiftungsprivatrechts hat die Arbeitsgruppe der Län- der und des Bundes zum Thema Stiftungsrecht erarbeitet. Das möchte ich hier ausdrücklich anerkennen. Der Be- richt dieser Bund-Länder-Arbeitsgruppe zeigt, dass die Bestandsaufnahme ausgesprochen gut und gründlich war. Erstmals haben wir nun eine sichere rechtsstaatliche Grundlage, um die einschlägigen Fragen beantworten zu können. In dieser Arbeitsgruppe haben jedoch nicht nur Bund und Länder ihren Anteil erbracht. Mir ist wichtig, hier insbesondere die Sachkunde der Verbände und Einrich- tungen der Stiftungspraxis sowie von Sachverständigen zu erwähnen, die sich sehr kooperativ und hilfreich be- teiligt haben. Der Ihnen heute vorliegende Gesetzentwurf orientiert sich an den Vorschlägen des Abschlussberichtes der Ar- beitsgruppe vom Oktober letzten Jahres. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Modernisie- rung des Stiftungsrechts wird vor allem ein Ziel verfolgt: Die Stifterfreiheit soll gestärkt werden. Es geht im Kern darum, das Verfahren zur Errichtung von Stiftungen bür- gerlichen Rechts einfacher und transparenter zu gestalten. Den Schwerpunkt des Gesetzentwurfs bilden die fol- genden vier Punkte, die im Bürgerlichen Gesetzbuch ge- regelt werden sollen: Erstens. Im Bürgerlichen Gesetzbuch wird erstmals der Rechtsanspruch ausdrücklich festgeschrieben, dass die Stiftung als rechtsfähig anerkannt wird. Zweitens. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Stiftung werden abschließend und – das füge ich mit Bedacht hinzu – erstmals bundeseinheitlich geregelt. Dabei sind die obligatorischen Anforderungen an das Stiftungsgeschäft und die Stiftungssatzung auf ein unverzichtbares Minimum reduziert. Drittens. Der Gesetzentwurf schreibt erstmals aus- drücklich fest, dass Stiftungen zu jedem gemeinwohlkon- formen Zweck errichtet werden können. Lassen Sie mich eines hinzufügen: Ich finde es richtig, dass es hierbei nicht von vornherein Einschränkungen gibt. Wenn dem Gesetz- geber ein Stiftungsanliegen besonders wertvoll ist, dann kann er das im steuerlichen Bereich honorieren. Das ma- terielle Stiftungsrecht dagegen sollte aus unserer Sicht neutral sein. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002 23455 (C) (D) (A) (B) Viertens. Um den Grundsatz der Stiftungsfreiheit auch sprachlich deutlich zu machen, wurde der Begriff „Genehmigung der Stiftung“ durch den Begriff „Aner- kennung der Stiftung“ ersetzt. Ich bin zuversichtlich, dass sich auf dieser Grundlage das Stiftungsklima weiter verbessern wird. Wir wollen gute gesetzliche Voraussetzungen schaffen, damit sich die Stiftungen für das Gemeinwohl engagieren können. In diesem Sinne bitte ich Sie herzlich, dem Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Stiftungsrechts zuzu- stimmen. Ich möchte zum Ende meiner Ausführungen auch Ih- nen dafür danken, dass Sie die Diskussion so konstruktiv begeleitet haben. Ich bedanke mich auch bei den Mitar- beiterinnen und Mitarbeitern des Bundesministeriums der Justiz für ihre Unterstützung bei diesem Vorhaben. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Frage des Ab- geordneten Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) (Drucksache 14/9003, Frage 3): Wie beurteilt die Bundesregierung den Vorschlag der Stellver- tretenden Direktorin des Internationalen Währungsfonds zur Ein- führung einer internationalen Insolvenzregelung für Staaten? Die Vorschläge der ersten stellvertretenden Direktorin des Internationalen Währungsfonds für ein formales Ver- fahren zur Restrukturierung von Schulden souveräner Staaten werden von der Bundesregierung grundsätzlich positiv beurteilt. Ein solches Verfahren könnte spürbar die Lösung von Finanzkrisen erleichtern. Ein geordnetes Ver- fahren liegt im Interesse des Schuldners, aber auch der überwiegenden Mehrheit der Gläubiger, da bei einer Zah- lungseinstellung und einem sich anschließenden unge- regelten Verfahren die damit verbundenen Kosten für beide erheblich höher sind. Die Bundesregierung unter- stützt deshalb die weiteren Arbeiten im Internationalen Währungsfonds zur Konkretisierung eines solchen Ver- fahrens. Anlage 4 Antwort der Parl. Staatssekretärin Margareta Wolf auf die Fragen des Abgeordneten Hans Michelbach (CDU/CSU) (Drucksache 14/9003, Fragen 4 und 5): Wie gedenkt die Bundesregierung den Bedenken bei mittel- ständischen Betrieben und ihren Mitarbeitern bezüglich der Wett- bewerbsfähigkeit und der Entwicklung des Arbeitsmarkts ange- sichts der bevorstehenden EU-Osterweiterung entgegenzutreten? Beabsichtigt die Bundesregierung vor diesem Hintergrund die Regionalfördermittel für die Regierungsbezirke Oberfranken, Oberpfalz und Niederbayern aufzustocken, und warum wurden die bayerischen Fördergebiete der Gemeinschaftsaufgabe „Ver- besserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GA) erheblich re- duziert? Zu Frage 4: Die Bundesregierung steht in engem Kontakt mit den Institutionen der Wirtschaft und mit Unternehmen, um speziell wirtschaftsbezogene Themen der EU-Erweite- rung mit ihnen zu erörtern. In Veranstaltungen und Publi- kationen werden die Anliegen und Sorgen insbesondere der mittelständischen Wirtschaft erörtert und Informatio- nen weitergegeben. Die Bundesregierung wird im Rah- men ihrer Informations- und Kommunikationsstrategie das Ziel konsequent weiterverfolgen, gemeinsam mit den Einrichtungen der Wirtschaft die mittelständischen Un- ternehmen zu sensibilisieren und ihnen die Chancen der EU-Erweiterung zu verdeutlichen. Die Erweiterung der EU eröffnet auch mittelständi- schen Unternehmen viele neue Geschäftsmöglichkeiten und damit Ansatzpunkte zur Stärkung und Sicherung ih- rer Wettbewerbsfähigkeit. Neben den verbesserten Ab- satzmöglichkeiten im Zuge der EU-Erweiterung können die mittelständischen Betriebe von einem größeren Be- schaffungsmarkt profitieren. Ob und inwieweit das ein- zelne Unternehmen die vorhandenen Chancen auf den mittel- und osteuropäischen Märkten realisiert, hängt al- lerdings von einer Reihe von Faktoren ab: Aktive Anpas- sungsstrategien wie Qualifizierungsmaßnahmen, das An- eignen von Kenntnissen über die neuen Märkte, das jeweilige Rechtssystem und nicht zuletzt die Sprache, die konsequente Nutzung komparativer Wettbewerbsvorteile und die Bildung grenzüberschreitender Kooperationen und Netzwerke sind wichtige Voraussetzungen für erfolg- reiche grenzüberschreitende Aktivitäten. Die Bundesregierung unterstützt die Anstrengungen deutscher Unternehmen, Geschäftsmöglichkeiten in Mit- tel- und Osteuropa auszuschöpfen, mit einem breit ge- fächerten Instrumentarium der Außenwirtschaftsförde- rung, welches kontinuierlich auf seine Passgenauigkeit hinsichtlich der Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unter- nehmen überprüft wird. Es reicht von den Serviceleistun- gen der Auslandshandelskammern und der Bundesagentur für Außenwirtschaft (bfai), über die finanzielle Absiche- rung von Exporten (Hermes), die Auslandsmesseförde- rung, die Unterstützung im internationalen Wettbewerb durch die Ausfuhrgewährleistungen für Lieferungen und Leistungen sowie die Förderung von Direktinvestitionen bis hin zu der Organisation von Informations- und Kon- taktveranstaltungen. Darüber hinaus können die Betriebe von einer Vielzahl von Maßnahmen der Bundesregierung profitieren, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen generell verbes- sern. Eine Zusammenstellung der Maßnahmen findet sich in der Dokumentation des Bundesministeriums für Wirt- schaft und Technologie – Politik für den Mittelstand – (BMWi-Dokumentation Nr. 504). Für die Grenzregionen zu den Beitrittsländern, für die die EU-Erweiterung eine besondere Herausforderung dar- stellt, steht ein breites Spektrum von Maßnahmen seitens der EU, des Bundes und der Länder zur Verfügung. Das ganze Spektrum an Förderinstrumenten ist in der kürzlich erschienenen Dokumentation des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie – Förderung der Grenz- regionen zu den Beitrittsländern – Die Hilfen von EU, Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 200223456 (C) (D) (A) (B) Bund und Ländern – enthalten (BMWi-Dokumentation Nr. 502) Vor dem Hintergrund der Sorgen mittelständischer Be- triebe und Arbeitnehmer vor möglichen negativen Aus- wirkungen der EU-Erweiterung hinsichtlich der Entwick- lung des Arbeitsmarktes hat die Bundesregierung in den Beitrittsverhandlungen flexible und zeitlich begrenzte Übergangsregelungen im Bereich der Arbeitnehmerfrei- zügigkeit durchgesetzt, die ein schrittweises Zusammen- wachsen der Arbeitsmärkte ermöglichen. Es ist ein Ver- fahren vorgesehen, das eine Regelung des Zustroms von Arbeitnehmern nach nationalem Recht für einen Zeitraum von maximal sieben Jahren ermöglicht und eine entspre- chende Regelung für besonders betroffene Bereiche des Dienstleistungssektors (Baugewerbe, Innendekorateure, Gebäudereiniger) in Deutschland vorsieht. Diese auf EU- Ebene beschlossene und von Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Slowakischen Republik, Slowenien, der Tsche- chischen Republik und Ungarn bereits akzeptierte Rege- lung eröffnet gleichzeitig die Möglichkeit einer bedarfsori- entierten Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften. Zu Frage 5: Die Mittel für die GA werden im parlamentarischen Haushaltsverfahren des Bundestages beschlossen. Die Aufteilung der GA-Mittel auf die Länder bemisst sich nach festgelegten Quoten, die vom Bund-Länder-Pla- nungsausschuss anhand des Anteils der Länder an der Einwohnerzahl im Fördergebiet beschlossen werden. Die Bemessung der GA-Mittel richtet sich vorrangig nach den haushaltspolitischen Möglichkeiten des Bundes. Deshalb ist eine Aufstockung der GA-Ansätze durch die Bundes- regierung nicht vorgesehen. Das Fördergebiet der GAwird im Abstand von drei bis vier Jahren neu abgegrenzt und muss von der EU-Kom- mission genehmigt werden. Die Neuabgrenzung des der- zeitigen Fördergebietes erfolgte zum 1. Januar 2000. Den Plafond des Fördergebiets, das heißt den Anteil der För- dergebietsbevölkerung an der Gesamtbevölkerung, gibt die EU vor. Nach ihren eigenen Berechnungsverfahren hatte die EU für Deutschland anhand des Ausmaßes re- gionaler Strukturprobleme ursprünglich 23,4 Prozent für die westdeutschen Fördergebiete ermittelt und nach nachträglichen Kürzungen lediglich 17,6 Prozent zuge- standen. Hiergegen hat die Bundesregierung auf Bitte des Planungsausschusses Klage vor dem EuGH erhoben. Mit einer Entscheidung wird noch in diesem Jahr gerechnet. Nach dem von der EU vorgegebenen gekürzten Pla- fond hat der Planungsausschuss anhand von objektiven Regionalindikatoren das jetzige Fördergebiet ausgewie- sen, zu dem nahezu der gesamte bayerische Grenzbereich zu Tschechien gehört. Lediglich die Landkreise Schwan- dorf und Neustadt an der Waldnaab konnten aufgrund des gekürzten Plafond und der Ergebnisse der Regionalindi- katoren nicht berücksichtigt werden. Die Absicht von Bund und Ländern, diese Lücke im Grenzbereich zu Tschechien mit einer so genannten Feinabgrenzung zu schließen, wurde von der EU nicht genehmigt. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Stephan Hilsberg auf die Fragen des Abgeordneten Hans-Michael Goldmann (FDP) (Drucksache 14/9003, Fragen 8 und 9): Existiert der in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP in Bundestagsdrucksache 14/7191 zum Abbau des „Schilderwaldes“ angekündigte Referen- tenentwurf zum Vorhaben „Weniger Verkehrszeichen – bessere Beschilderung“ inzwischen? Wenn ja, wann wird er dem Bundestagsausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zugeleitet, und wenn nein, warum noch nicht? Die Überprüfung der derzeit geltenden Vorschriften – §§ 39 ff. der Straßenverkehrs-Ordnung mit den Verwal- tungsvorschriften – und die Formulierung von Ände- rungsvorschlägen ist noch nicht abgeschlossen. Anlage 6 Antwort der Parl. Staatssekretärin Dr. Uschi Eid auf die Fragen des Abgeordneten PeterWeiß (Emmendingen) (CDU/ CSU) (Drucksache 14/9003, Frage 12): Für welche Projekte und in jeweils welcher Höhe setzt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- wicklung die ihm zur Bewirtschaftung übertragenen Mittel aus dem Einzelplan 60, Titel 971 03 „Maßnahmen in Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung“ ein? Zur bisherigen Umsetzung der dem BMZ zugewiese- nen Mittel für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung liegen dem Haushaltsaus- schuss und dem AWZ umfangreiche Unterlagen vor. Ins- gesamt sind im Einzelplan 60 (Kap. 6002, Tit. 971 03) für den Einzelplan 23 (BMZ) Ausgabemittel in Höhe von 152 258 Millionen Euro (davon 50 Millionen Euro für den Wiederaufbau Afghanistans) sowie Verpflichtungser- mächtigungen in Höhe von mindestens 40 Millionen Euro vorgesehen. Die bisher bereitgestellten Ausgabemittel in Höhe von 112,2 Millionen Euro teilen sich insgesamt (Afghanistan und sonstiges Antiterrorpaket) insbesondere auf folgende Instrumente auf: bilaterale staatliche Entwicklungszu- sammenarbeit (FZ, TZ, staatliche TZ i. w. S., Nothilfe) 63,3 Millionen Euro (56,4 Prozent), zivilgesellschaftliche und wirtschaftliche Träger (politische Stiftungen, private Träger, Kirchen, ZFD, Sozialstruktur und anderes) 17,0 Millionen Euro (15,1 Prozent), multilaterale Zusam- menarbeit (insbesondere VN und internationale NRO) 28,5 Millionen Euro (25,4 Prozent). Inhaltlich liegt der Schwerpunkt der Afghanistan-Mit- tel in Höhe von 50 Millionen Euro in folgenden Bereichen: Aufbau der Strukturen (insbesondere über multilaterale Maßnahmen) 45 Prozent, Förderung von Rechtsstaatlich- keit, Demokratie, Menschenrechten und Krisenprävention 17 Prozent, Gesundheit 15 Prozent, Grundbildung 11 Pro- zent. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002 23457 (C) (D) (A) (B) Bei den sonstigen ATP-Maßnahmen in Höhe von 62,2 Millionen Euro ergeben sich folgende Schwer- punkte: Nahrungsmittel und elementare landwirtschaftli- che Produktionsmittel 5 Prozent, entwicklungspolitische Dialogstrukturen zivilgesellschaftlicher Kräfte (insbeson- dere politische Stiftungen, Kirchen, Aus- und Fortbil- dung, private Träger) 25 Prozent, Ziviler Friedensdienst 3 Prozent, soziale Infrastruktur, Beschäftigungspro- gramme und anderes (FZ) 23 Prozent, Förderung rechts- staatlicher Institutionen, Eingliederung von Ex-Kombat- tanten, Sozialentwicklung, Ausbildung, Sicherheitssektor und anderes (TZ) 27 Prozent, im multilateralen Bereich: UNDP-Maßnahmen zu „Good Governance“ und „Crisis Prevention and Recovery“; Bildung und Emanzipation von Frauen in islamischen Ländern; Korruptionsbekämp- fung 13 Prozent. Die Maßnahmen des BMZ dienen insbesondere fol- genden Zielen im Rahmen des Antiterrorprogramms: Un- terstützung von Partnerländern bei der Bewältigung der Folgen von Krisen und Konflikten; Eindämmung der Ur- sachen von Konflikten, Gewalt und Terrorismus; Stär- kung der Fähigkeiten von Partnerländern beim rechts- staatlichen und demokratischen Umgang mit den Herausforderungen von Konflikten. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Fra- gen der Abgeordneten Monika Brudlewsky (CDU/CSU) (Drucksache 14/9003, Fragen 17 und 18): Wie schätzt die Bundesregierung die Aktivitäten des Nationa- len Widerstandsrates des Iran in der Bundesrepublik Deutschland ein? Liegen der Bundesregierung verfassungsschutzrechtliche Er- kenntnisse über diese Vereinigung vor, und wenn ja, welche? Zu Frage 17: Beim „Nationalen Widerstandsrat Iran“ (NWRI) han- delt es sich um den weltweit aktiven politischen Arm der im Iran durch ihren militärischen Flügel „Nationale Be- freiungsarmee“ (NLA) mit terroristischen Mitteln operie- renden „Volksmodjahedin Iran-Organisation“ (MEK). Vor diesem Hintergrund wird auch der NWRI als extre- mistisch eingestuft und unterliegt daher der Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden. Zu Frage 18: Durch die generelle Befürwortung von Gewalt zur Herbeiführung eines Umsturzes im Iran sowie die Unter- stützung der Guerillaaktivitäten der NLA im Iran durch entsprechende Propaganda bzw. durch die teils illegale Beschaffung von Geldmitteln gefährdet der „Nationale Widerstandsrat Iran“ auswärtige Belange der Bundes- republik Deutschland. Die Organisation erfüllt damit die Beobachtungsvoraussetzungen nach § 3 Abs. 1 Ziff. 3 Bundesverfassungsschutzgesetz. Bei den unter dem Vorwand der Flüchtlingshilfe durch- geführten systematischen, teils illegalen Geldbeschaf- fungsmaßnahmen bedient sich der NWRI zahlreicher Tarnorganisationen im Bundesgebiet. Die Aktivitäten der „Volksmodjahedin Iran-Organisa- tion“ und ihres politischen Arms, dem „Nationalen Widerstandsrat Iran“, sind seit Jahren Gegenstand der Berichterstattung im jährlich erscheinenden Ver- fassungsschutzbericht, auf den verwiesen wird. Das Bun- desamt für Verfassungsschutz hat darüber hinaus im De- zember 2000 eine Broschüre zu den „Volksmodjahedin“ herausgegeben. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Matthias Berninger auf die Frage der Abgeordneten Gudrun Kopp (FDP) (Drucksache 14/9003, Frage 20): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über angeblich hohe Konzentrationen von Acrylamid in Lebensmitteln? Die Bundesregierung hat am 24. April 2002 über das Schnellinformationssystem für Lebensmittel bei der EU Informationen über Forschungsergebnisse aus Schweden erhalten, wonach bei der Herstellung bestimmter Lebens- mittel Acrylamid in unterschiedlichen und zum Teil hohen Konzentrationen entstehen kann. Es handelte sich um stär- kehaltige Lebensmittel, die gebraten, gebacken oder fri- tiert waren (zum Beispiel Kartoffelchips, Pommes frites, gebratene Kartoffeln, Brot). In gekochten Lebensmittel wurde kein Acrylamid gefunden. Die gefundenen Werte lagen um 1 mg/kg bei Kartoffelchips und um 0,5 mg/kg bei Pommes frites. Schweden hat bislang keine detaillierten Angaben über die verwendeten Analysemethoden gemacht. Die schwe- dischen Behörden haben bisher davon abgesehen, vom Verzehr bestimmter Lebensmittel abzuraten. Acrylamid ist als erbgutschädigend und krebserregend eingestuft. Es müssen daher große Anstrengungen unter- nommen werden, die Gehalte in Lebensmitteln zu mini- mieren. Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucher- schutz und Veterinärmedizin hatte auf Veranlassung der Bundesregierung kurzfristig für den 14. Mai 2002 zu ei- nem Expertengespräch unter Beteiligung der betroffenen Wirtschaft eingeladen. In diesem Gespräch wurden Fra- gen der Analytik und Exposition, der Chemie und Tech- nologie sowie der Toxikologie erörtert. In dem Expertengespräch zeigt sich, dass zu allen zu- vor genannten Fragen weiterer Klärungsbedarf besteht. Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucher- schutz und Veterinärmedizin wird vorrangig auf die Ent- wicklung einer validierten Analysenmethode hinwirken, die Voraussetzung für die Erhebung von aussgagekräfti- gen Daten ist. Auf deren Grundlage wird eine umfassende Risikobewertung vorgenommen werden, um erforderli- che Maßnahmen zur Risikominderung einleiten zu kön- nen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 200223458 (C) (D) (A) (B) Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Matthias Berninger auf die Frage des Abgeordneten Helmut Heiderich (CDU/CSU) (Drucksache 14/9003, Frage 21): Hat die Bundesregierung die Studie des Instituts für Demo- skopie Allensbach vom Herbst 2001, veröffentlicht z. B. auszugs- weise in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 2. Dezember 2001, S. 37, zur Frage der Akzeptanz der „Grünen Gentechnik“ in der deutschen Bevölkerung, zur Kenntnis genom- men, und beurteilt die Bundesregierung diese Studie als fachlich fundiert vor dem Hintergrund der Aussagen der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast, (z. B. Hessisch-Niedersächsische Allgemeine vom 14. Dezember 2001), wonach 70 % der Verbraucher „Nein“ zu Le- bensmitteln aus gentechnisch verbesserten Pflanzen sagen? Die in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ zitierten Ergebnisse der Studie des Instisitus für Demo- skopie Allensbach besagen, dass heute jeder dritte Deut- sche unter bestimmten Voraussetzungen gentechnisch veränderte Lebensmittel akzeptiert. Als Beispiel wurden gentechnisch veränderte Tomaten genannt, falls diese bes- ser schmecken. Dies steht nicht im Widerspruch zu der in der Frage erwähnten Aussage von Frau Bundesministerin Künast, wonach 70 Prozent der Verbraucher „Nein“ zu Lebensmitteln aus gentechnisch veränderten Pflanzen sa- gen. Dies deckt sich im Übrigen mit den Ergebnissen der Eurobarometerumfrage vom Mai/Juni 2001, nach der 70 Prozent der EU-Bürger gentechnisch veränderte Le- bensmittel ablehnen und 30 Prozent diese nicht ablehnen bzw. unentschlossen sind. Die Ergebnisse dieser Umfrage sind jedoch nicht nach Mitgliedstaaten der EU aufge- schlüsselt. Bestätigt werden diese Zahlen für Deutschland in einer Forsa-Umfrage aus dem Januar 2002, der zufolge 70 bis 80 Prozent der Befragten die Kennzeichnung gentech- nisch erzeugter Lebensmittel für unzureichend halten und der Kontrolle ihrer gesundheitlichen Unbedenklichkeit misstrauen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die im Auf- trag des BPA durchgeführte Studie des Instituts für De- moskopie Allensbach fachlich fundiert ist. Die Ergebnisse sind allerdings wegen der unterschiedlichen Fragestel- lung und des unterschiedlichen Befragtenkreises nicht di- rekt mit der Umfrage des Eurobarometers vergleichbar. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Matthias Berninger auf die Frage der Abgeordneten Annette Widmann-Mauz (CDU/ CSU) (Drucksache 14/9003, Frage 22): Inwieweit hat das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft der Entscheidung der Europä- ischen Kommission, wonach seit dem 17. Mai 2001 keine Milcherzeugnisse aus Betrieben in der Türkei zum menschlichen Verzehr eingeführt werden dürfen, Rechnung getragen? Die Entscheidung der Europäischen Kommission, tür- kische Betriebe, aus denen die Einfuhr zum Verzehr be- stimmter Milcherzeugnisse zugelassen war, von der Dritt- landsbetriebsliste zu streichen, wurde durch Schreiben des Bundesinstitutes für gesundheitlichen Verbraucher- schutz und Veterinärmedizin vom 1. Juni 2001 den für das Veterinärwesen zuständigen obersten Landesbehörden und den betroffenen Dachverbänden mitgeteilt. Damit sind die für die Durchführung der veterinärrechtlichen Maßnahmen zuständigen Landesbehörden in die Lage versetzt worden, der Entscheidung der Kommission Rechnung zu tragen. Anlage 11 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fra- gen des Abgeordneten Dirk Niebel (FDP) (Drucksache 14/9003, Fragen 23 und 24): Wie begründet die Bundesregierung die geplante Sanierung der NATO-Pipeline von Straßburg nach Tübingen, und mit wel- chen Kosten wird kalkuliert? Welche Auswirkungen auf die naturlandschaftliche und touris- tische Infrastruktur werden durch den Baustellenverlauf erwartet, und wie werden sie verhindert? Zu Frage 23: Zur Sanierung der benannten NATO-Pipeline ist im Abschnitt zwischen Kehl und Tübingen ein Neubau ge- plant. Diese Pipeline bildet die einzige Verbindung zwi- schen den in Süddeutschland gelegenen Systemanteilen des CENTRAL EUROPE PIPELINE SYSTEM (CEPS) und dem Gesamtsystem, das sich über den ganzen west- europäischen Raum erstreckt. Ohne eine Wiederanbin- dung an das Gesamtsystem sind die anderen süddeutschen Pipelineanteile nicht wirtschaftlich nutzbar. Darüber hi- naus ist der Transport von gefährlichen Gütern über Fern- leitungen die mit Abstand sicherste Methode und trägt zu- dem zur Entlastung von Schiene und Straße bei. Nicht zuletzt mit Blick auf ihre Osterweiterung hat die NATO ausdrücklich die Wiederinbetriebnahme der Pipe- lineverbindung zwischen Kehl und Tübingen gefordert. Das Interesse der neuen NATO-Partner Tschechien, Polen und Ungarn an einer Versorgung aus dem CEPS ist sehr groß. Es ist aus bündnispolitischer wie militärischer Sicht notwendig, das Pipelinesystem über leistungsfähige Fern- leitungen möglichst weit nach Osten zu führen. Die Fern- leitung Kehl–Tübingen trägt diesem Ziel Rechnung. Die Baukosten für die Pipeline Kehl–Tübingen betragen ohne Mehrwertsteuer 45 926 793 Euro (89 825 000 DM), die im Wesentlichen aus dem NATO-Sicherheitsinvestitions- programm finanziert werden. Zu Frage 24: Die Erneuerung der Pipeline Kehl–Tübingen erfolgt im Wesentlichen in ihrer bestehenden Trasse. In Abstim- mung mit den Genehmigungsbehörden wurden einzelne Umtrassierungen im Bereich der schützenswerten Ge- biete vorgenommen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002 23459 (C) (D) (A) (B) Bei der Bauausführung werden die Auflagen aus dem Planfeststellungsverfahren mit dem Ziel umgesetzt, Be- einträchtigungen für Mensch, Fauna und Flora auf ein Mi- nimum zu reduzieren. Die vorgefundene Geländebeschaffenheit sowie der ursprüngliche Zustand der vorhandenen Infrastruktur werden nach Abschluss der Bauarbeiten wieder herge- stellt. Dauerhaft nachteilige Auswirkungen auf Naturland- schaft und touristische Infrastruktur sind nicht zu erwarten. Anlage 12 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte auf die Fragen des Abgeordneten Günther Friedrich Nolting (FDP) (Drucksache 14/9003, Fragen 25 und 26): Wie plant die Bundesregierung den Costumer Product Management-Prozess des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) durch geeignete Analysen und Simulationen zu unter- stützen, und in welchen Projekten wurden entsprechende Initia- tiven aus Industrie und Amtsbereich bereits einbezogen? Wie viele Soldaten stehen gegenwärtig und ohne Einschrän- kungen (wie zum Beispiel Erkrankungen, Ausbildungserforder- nisse, inländische Verwendungen etc.), unterteilt nach Teilstreit- kräften für Auslandseinsätze, zur Verfügung? Zu Frage 25: Mit Einführung des Costumer Product Management (CPM) 2001 gewinnen Analyseverfahren und Simula- tionen eine neue Qualität. Der CPM umfasst die Analyse- phase, die Projektierungsphase, die Einführungsphase und die Nutzung. In der Analysephase werden technische und wirtschaft- liche Analysen, Studien und Simulationen zur Bedarfser- mittlung sowie zur Beurteilung und Auswahl von Lö- sungswesen durchgeführt. In der Projektierungsphase wird die Industrie die Herstellbarkeit und Leistungsfähigkeit neue Produkte vor Einleitung der Beschaffung durch De- monstratoren, Prototypen oder Simulationen nachweisen. Die Anwendbarkeit des CPM wurde anhand von sieben Pi- lotvorhaben erfolgreich erprobt. Die Nutzung von Analy- severfahren und Simulation stand dabei zunächst im Hin- tergrund. Seit Einführung der CPM für alle Neuvorhaben im Januar 2001 werden im Wesentlichen Beschaffungs- initiativen in der Analysephase untersucht. Erkenntnisse über die Anwendung von Simulation in der Projektierungs- phase liegen insbesondere beim Satellitenaufklärungssys- tem SAR-Lupe vor. In der Projektierungsphase wurden umfassende und intensive Simulationen durchgeführt, so- wohl auf Industrie- als auch auf Amtsseite. Die Industrie nutzte die Möglichkeiten der Simulation in großem Um- fang für die Systemauslegung und für den Realisierbar- keitsnachweis. Auf der Amtsseite wurden die Indus- trienachweise durch eigene Simulation verifiziert. Zu Frage 26: Derzeit kann die Bundeswehr für die personelle Auf- stellung für Auslandseinsätze auf insgesamt 211 325 Be- rufssoldaten, Soldaten auf Zeit und Freiwillig Wehr- dienstleistende zurückgreifen. Mit Stand April 2002 gilt dies für die Teilstreitkräfte in folgendem Umfang: Heer: circa 136 150 Soldaten; Luft- waffe: circa 52 513 Soldaten; Marine: circa 22 562 Sol- daten. Für jeden aktuell auszuplanenden Auslandseinsatz ist das verfügbare und erforderliche Personal in Abhängig- keit von Art des Einsatz, Lage im Einsatzgebiet, Auftrag des Kontingents, Einsatzdauer, Einsatzort/-raum sowie weiteren Einflussgrößen gezielt zu prüfen. Qualitative Anforderungen an das einzusetzende Personal können die Verfügbarkeit begrenzen. Einschränkungen im Hinblick auf Erkrankungen, Aus- bildungserfordernisse, inländische Verwendungen oder Ähnliches sind deshalb nicht quantifizierbar, sondern müssen für jeden konkreten Auslandseinsatz auch im Hin- blick auf dessen politische und militärische Priorisierung neu bewertet werden. Anlage 13 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch auf die Frage des Abgeordneten Helmut Heiderich (CDU/CSU) (Drucksache 14/9003, Frage 31): Wird die Bundesregierung ihrer Auffassung folgen, die sie in ihrem eigenen „Zweiten Bericht der Bundesregierung über Erfah- rungen mit dem Gentechnikgesetz“ (Bundestagsdrucksache 14/6763) dargestellt hat, wonach die gut zehnjährige Praxis der Forschungen der Gentechnik im Labor wie im Freiland aus- schließlich positive Erfahrungen erbracht hat (Zitat S. 41: „Schä- den für Mensch und Umwelt, die auf gentechnischen Arbeiten oder gentechnisch veränderten Organismen zurückzuführen wären, sind der Bundesregierung aus Deutschland nicht be- kannt“), und wird sie in Folge dieser eigenen Erkenntnis zumin- dest in der Sicherheitsstufe 1 (harmlose gentechnische Arbeiten) das Anzeigeverfahren als angemessenes behördliches Verfahren in der Novellierung des Gentechnikgesetzes festschreiben, wie von der EU in Richtlinie 98/81/EG bereits vor knapp vier Jahren vorgeschlagen? Die Aussage des Erfahrungsberichts, dass in Deutsch- land keine Gesundheits- oder Umweltschäden bekannt geworden sind, die auf gentechnische Arbeiten oder gen- technisch veränderte Organismen zurückzuführen wären, gilt nach wie vor. Um derartigen Schäden auch zukünftig vorzubeugen, prüft die Bundesregierung sorgfältig die Übernahme der durch das neue EG-Recht möglichen Ver- fahrensvereinfachungen in das deutsche Recht. Die erstmalige Aufnahme von Arbeiten mit gentechni- schen Methoden soll nach Ansicht der Bundesregierung bei der zuständigen Behörde vorher angemeldet werden. Die Behörde hat dann Zeit zu prüfen, ob die sachlichen und personellen Voraussetzungen gegeben sind, um die gentechnischen Arbeiten sicher durchzuführen. Das gilt auch in der Sicherheitsstufe 1. Diese präventive Kontrolle ist bei Inbetriebnahme einer Anlage unter Vorsorgege- sichtspunkten nötig. Eine bloße Anzeige genügt nicht. Die kurze Wartefrist ist nach Ansicht der Bundesregierung auch für die Betreiber keine unzumutbare Belastung. Die Inbetriebnahme eines neuen Gentechniklabors oder einer Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 200223460 (C) (D) (A) (B) neuen Produktionsanlage braucht immer zeitlichen Vor- lauf, bei dem auch eine kurze Wartefrist (maximal 30 Tage) eingeplant werden kann. Andere Maßstäbe sollten nach Ansicht der Bundesre- gierung bei weiteren Arbeiten in den niedrigen Sicher- heitsstufen gelten. Deshalb sind bei weiteren Arbeiten in Sicherheitsstufe 1 nur Aufzeichnungen zu führen. Verzö- gerungen durch Verwaltungsverfahren entstehen nicht. Bei weiteren Arbeiten in der Sicherheitsstufe 2 genügt nach Ansicht der Bundesregierung eine Anzeige an die zuständige Behörde ohne Wartefrist. Allerdings sind die Länder ganz überwiegend anderer Ansicht und halten eine Wartefrist und daher eine Anmeldepflicht für notwendig. Diese Auffassung der Länder ist insofern von besonderer Bedeutung, als die Länder hier für den Gesetzesvollzug zuständig sind. Anlage 14 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch auf die Frage des Abgeordneten Ernst Hinsken (CDU/CSU) (Drucksache 14/9003, Fragen 32 und 33): Treffen Pressemeldungen zu, wonach die Bundesministerin für Gesundheit, Ulla Schmidt, den Vertrieb von Medikamenten über das Internet, der seit 1998 gesetzlich verboten ist, unterstüt- zen will, und teilt sie die Einschätzung, dass eine Umsetzung die- ser Vorstellungen zu einem Rückgang der Zahl der Apotheken so- wie der Qualität der medizinischen Versorgung vor allem in dünn besiedelten Regionen führen würde? Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Apothekerverban- des, dass durch den möglichen Versand über ausländische Inter- netanbieter in den deutschen Apotheken mehrere Tausend Arbeits- plätze und dem Staat Steuereinnahmen verloren gehen, und wenn nicht, wie begründet sie dies? Zu Frage 32: Die Pressemeldungen treffen zu, dass die Bundes- ministerin für Gesundheit, Ulla Schmidt, sich für die rechtliche Ermöglichung des Versandhandels auch mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln ausspricht. Der Ver- sandhandel von nicht-apothekenpflichtigen Arzneimitteln ist nach dem Arzneimittelrecht erlaubt. Die Bundesregie- rung hat immer unterstrichen, dass bei einer Lockerung des Versandhandelverbotes die Arzneimittelsicherheit, der Verbraucherschutz, die Versorgungssicherheit und faire Wettbewerbsbedingungen sichergestellt sein müs- sen. Sie hat sich ausdrücklich gegen „Rosinenpickerei“ ausgesprochen. Die Empfehlung des „Runden Tisches“ zur Zukunft des Gesundheitswesens vom 22. April 2002 zum elektronischen Handel einschließlich Versandhandel mit Arzneimitteln deckt sich voll mit den Vorstellungen der Bundesregierung. Es trifft nicht zu, dass die Umsetzung der Vorstellun- gen der Ministerin zu einem Rückgang der Zahlen der Apotheken sowie der Qualität der medizinischen Versor- gung vor allem in dünn besiedelten Regionen führen wird. Der Versandhandel wird als eine Ergänzung des bisheri- gen Betriebes der Präsenzapotheken gesehen. Es ist nicht die Absicht, die Versandapotheke an die Stelle der bishe- rigen Präsenzapotheke zu setzen. Insofern bekommt natürlich auch zukünftig jede Patientin und jeder Patient auch im Notfall seine Arzneimittel in der Apotheke – auch in der Nacht und am Wochenende. Klar ist, dass die Bun- desregierung keiner Regelung zustimmt, die die flächen- deckende Versorgung durch Apotheken in Frage stellt. Der Internethandel oder elektronische Handel von Arz- neimitteln ist eine Form der Bestellung von Arzneimit- teln. Der Versandhandel umfaßt den Weg, den das Arz- neimittel von der Apotheke bis zum Kunden zurücklegt. Versandhandel soll auch von bestehenden Apotheken be- trieben werden können. Es ist besonders darauf zu achten, dass beides, Bestellung und Lieferung bis zur Zustellung beim Kunden ordnungsgemäß und qulitätsgerecht ab- läuft. So muss die angemessene Beratung und Informa- tion des Verbrauchers, die darauf ausgerichteten Qua- litätssicherungssysteme sowie die Überwachung durch die entsprechenden Behörden sichergestellt werden. Diese Anforderungen müssen insbesondere auch für den grenzüberschreitenden elektronischen Handel und Ver- sandhandel mit Arzneimitteln auf europäischer Ebene gelten. Zur Schaffung von fairen Wettbewerbsbedingun- gen sind zusammen mit den Beteiligten konkrete Maß- nahmen auszuarbeiten. Dies ist auch immer so mit der Bun- desvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) diskutiert worden. Der Versandhandel von Arzeimitteln ermöglicht es, den Wünschen und Bedürfnissen von Patientinnen und Patienten in der Arzneimittelversorgung, zum Beispiel hinsichtlich einer Zeit- und Wegeersprarnis (immobile Patienten, ältere Bürgerinnen und Bürger, Berufstätige und Kunden mit einer großen Entfernung zur nächsten Apotheke), besser als bisher zu entsprechen. Damit wird eine stärkere Orientierung an den Bedürfnissen bestimm- ter Patientinnen und Patienten erreicht. Gerade in einer äl- ter werdenden Gesellschaft haben zum Beispiel Pflegebe- dürftige und chronisch Kranke, die nicht mehr ständig das Haus verlassen können, hier Vorteile. Apotheken werden weitere Mittel des Wettbewerbs und Service insbesondere zur Kundeninformation und -bindung ermöglicht. Die Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung kann ins- gesamt verbessert werden. Auch zukünftig wird jeder Versicherte seine Arznei- mittel in seiner Apotheke bekommen können. Es wird auf- grund ausländischer Erfahrungen davon ausgegangen, dass etwa 8 Prozent aller Versicherten den Versandhandel nutzen werden. Dies kann nicht – wie von der ABDA be- hauptet – zu einem bundesweiten Apothekensterben führen oder gar das bundesdeutsche Arzneimittelversor- gungssystem gefährden. Es sollen alle notwendigen Rah- menbedingungen für einen fairen Wettbwerb geschaffen werden. Insofern sind auch die Befürchtungen der Apo- theker, dass hier eine Rosinenpickerei durch Internetan- bieter stattfinden wird, unbegründet. Der Patient bekommt auch zukünftig eine Beratung. Die qualitativ hohen Anforderungen des Arzneimittelge- setzes in Deutschland an die Arzneimittelsicherheit und den Verbraucherschutz sollen auch unter Versandhandel- bedingungen nicht verändert werden. Danach sind die volle und verständliche Patienteninformation in deutscher Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002 23461 (C) (D) (A) (B) Sprache gewährleistet und ebenso eine Beratung der Pati- entinnen und Patienten. So muss zum Beispiel beim Bezug eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels über die Versandapotheke das Rezept einer approbierten Apotheke- rin oder einem approbiertem Apotheker vorgelegt werden. Die Auslieferung von qualitativ schlechten Arzneimit- teln durch Versandapotheken soll dadurch verhindert wer- den, dass auch für Versandapotheken die entsprechenden Qualitätsicherungssysteme gelten sollen. Diese müssen sich insbesondere auch auf den Vertrieb und die Zustel- lung erstrecken. Hier soll auch zukünftig keine Abwei- chung von den Zielsetzungen der bestehenden Regelung zugelassen werden. Zu Frage 33: Die Bundesregierung teilt nicht die Ansicht des Apo- thekerverbandes, dass durch den möglichen Versand aus- ländischer Internetanbieter in den deutschen Apotheken mehrere Tausend Arbeitsplätze verloren gehen. Aufgrund der oben beschriebenen beabsichtigten flankierenden Maßnahmen und Regelungen wird der Internethandel mit Apotheken außerhalb Deutschlands keine große Bedeu- tung erlangen. Der Versandhandel und elektronische Han- del mit Arzneimitteln sollen entsprechend den Empfeh- lungen des „Runden Tisches“ im Gesundheitswesen nur unter klaren Bedingungen einschließlich fairen Wettbe- werbsbedingungen möglich sein. Insbesondere die Kran- kenkassen, die Patientenvertreter aber auch die pharma- zeutische Industrie haben betont, dass sie den von der ABDA prognostizierten Niedergang der Apotheken nicht erkennen können und dass eine Teilnahme für Patienten auf freiwilliger Basis erfolgen solle. Um Wettbewerbsverzerrungen (insbesondere „Rosi- nenpickerei“) zu vermeiden, sind die Vorschriften zu den Vertriebswegen, des Apothekenrechts, des Sozialrechts und der Arzneimittelpreisbildung entsprechend zu gestal- ten. Deshalb müssen folgende Maßnahmen für den elek- tronischen Handel und Versandhandel mit Arzneimitteln getroffen werden: Die Anforderungen an den elektronischen Handel und Versandhandel und der entsprechenden Qualitätssiche- rungssysteme sind unter anderem im Arzneimittel-, Apo- theken- und Werberecht sowie die Sicherstellung einer entsprechenden Überwachung auf nationaler und europä- ischer Ebene festzulegen. Die Anforderungen müssen ins- besondere die Versandapotheken, die Websites, den Vertrieb, die Zustellung – einschließlich Logistikunter- nehmen –, die Beratung und Information des Verbrau- chers, die darauf ausgerichteten Qualitätssicherungssys- teme, deren Zertifizierung und Kontrollen durch die Zertifizierungsstellen sowie die Überwachung durch die Behörden betreffen. Diese Anforderungen müssen insbe- sondere auch für den grenzüberschreitenden elektroni- schen Handel undVersandhandel mit Arzneimitteln gelten und auf europäischer Ebene durchgesetzt werden. Mit Drittstaaten muss über Sicherheitsstandards, die Überwa- chung und die internationale Zusammenarbeit verhandelt werden. Zur Schaffung von fairen Wettbewerbsbedingun- gen sind konkrete Maßnahmen auszuarbeiten. Eine Gefährdung des Bestandes der deutschen Apothe- ken wird von dem Apothekerverband auch darin gesehen, dass ausländische Anbieter dem Herkunfslandprinzip un- terworfen sind und daraus ein unfairer Wettbewerb mit ausländischen Apotheken mit wirtschaftlichen Folgen re- sultiert. Grundsätzlich ist auf elektronische Angebote im Netz die Richtlinie 2000/31/EG des europäischen Parla- ments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesell- schaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsver- kehrs, im Binnenmarkt, die durch das Gesetz über recht- liche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (Elektronischer Geschäftsverkehr-Ge- setz – EGG) vom 14. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3721) umgesetzt wurde, anzuwenden. Dabei muss zwischen der online-Werbung, dem Kaufvertrag und dem Versand der Ware unterschieden werden. Für die Werbung gilt nach den Grundsätzen des Inter- nationalen Privatrechts das Marktortprinzip. Soweit es sich um online-Werbung für apothekenpflichtige Arznei- mittel handelt, fällt diese in den durch die genannte Richt- linie koordinierten Bereich. Der freie Dienstleistungsver- kehr innerhalb der EU wird nach Artikel 3 Abs. 2 der Richtlinie bzw. § 4 Abs. 2 des Teledienstegesetzes also auch in Bezug auf online-Werbung für Arzneimittel, die von Anbiertern aus einem anderen Mitgliedstaat erbracht wird, nicht eingeschränkt. Dabei ist allerdings zu berück- sichtigen, dass damit nach Artikel 1 Abs. 4 der Richtlinie bzw. § 2 Abs. 6 des Teledienstegesetzes keine Regelung zum Internationalen Privatrecht getroffen wird. Bei Kaufverträgen ist zwischen zwei Fallgruppen zu un- terscheiden: Ist dem Vertragsabschluss ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung in dem Staat vorausgegangen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, bestimmt sich das anwendbare Recht nach Artikel 29 des Ergänzungsbuches zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB). Im Falle einer Rechtswahl, bei der auch Arti- kel 29 a EGBGB zu berücksichtigen ist, dürfen dem Ver- braucher die zwingenden Vorschriften des Rechts an sei- nem gewöhnlichen Aufenthaltsort nicht entzogen werden. Liegt keine Rechtswahl vor, ist auch für ausländische An- bieter das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Ver- brauchers anzuwenden, also hier das deutsche Recht. Die- ses Recht gilt nach Artikel 31 Abs. 1 EGBGB für die Beurteilung des Zustandekommens des Vertrages und dessen materieller Wirksamkeit. An dieser Rechtslage hat auch die Richtlinie über den elektronischen Geschäfts- verkehr und ihre Umsetzung in deutsches Recht nichts geändert. Die Vorschriften für vertragliche Schuldverhält- nisse in Bezug auf Verbraucherverträge sind vom Anwen- dungsbereich der Richtlinie ausdrücklich ausgenommen. Dies betrifft auch die Anforderungen an den Versand der Ware. Die Anforderungen an Waren oder an physisch er- brachte Dienstleistungen werden von der Richtlinie nicht erfasst. Dies hat zur Folge, dass der Versand von apothe- kenpflichtigen Arzneimitteln nicht dem koordinierten Be- reich der Richtlinie unterfällt, sondern dem anderen ein- schlägigen europäischen und dem darauf basierenden nationalen Recht. Ist dem Vertragsabschluss kein aus- drückliches Angebot oder eine Werbung in dem Staat vor- ausgegangen, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 200223462 (C) (D) (A) (B) Aufenthaltsort hat, richtet sich das anwendbare Recht in erster Linie nach den Artikeln 27 und 28 EGBGB. Danach ist es den Parteien freigestellt, das auf den Vertrag anzu- wendende Recht zu wählen. Liegt keine Rechtswahl vor, ist schon nach Artikel 28 EGBGB das Recht am Sitz des Veräußerers, das heißt insoweit das Recht des Herkunfts- landes, maßgeblich. Eine vollständige Aufhebung der Arzneimittelpreis- verordnung (einheitlicher Apothekenabgabepreis, Misch- kalkulation), des Fremd- und Mehrbesitzverbotes, des Kontrahierungszwanges sowie aller Bindungen der Apo- thekenbetriebsordnung ist weder wünschenswert noch er- forderlich, um für deutsche Apotheken gleiche Wettbe- werbsbedingungen zu erreichen. Es wird jedoch im Rahmen einer Gesamtkonzeption zur Einführung eines Versandhandels auch mit apothekenpflichtigen Arznei- mitteln zu prüfen sein, ob und inwieweit die oben ge- nannten Regelungen zu diesem Zweck angepasst werden müssen. Diese Prüfung sowie die Umsetzung der entspre- chenden Ergebnisse wird in enger Zusammenarbeit mit den betroffenen Kreisen erfolgen. Auch die Apotheken- pflicht bleibt deshalb gewährleistet, da diese Arzneimittel auch bei dem Versandhandel von einer Apotheke abgege- ben werden. Die Zustellung von der Apotheke erfolgt im oben genannten Fall über den Versand. Erfahrungen an- derer Staaten zeigen, dass die Zustellung von Arzneimit- teln auf dem Wege des Versandes sicher gestaltet werden kann, insbesondere wenn dazu diesbezügliche rechtliche Regelungen getroffen werden. Bereits das Landgericht Frankfurt hat in der Begründung zu zwei Urteilen vom 9. November 2000 (2-03 O 365/00 und 2-03 O 366/00) ausgeführt: „Denkbar wäre es, den Versandhandel mit Medikamenten in eingeschränktem Umfang zuzulassen und durch Rechtsvorschriften genaue Vorgaben für derar- tige Versandhandeltatbestände zu machen, die auch strenge Qualitätskontrollen beinhalten müssen.“ Dem Staat gehen keine Steuereinnahmen verloren. Ver- sendungslieferungen eines Unternehmers von einem ande- ren EU-Mitgliedstaat nach Deutschland unterliegen ab dem Erreichen eines jährlichen Entgelts von 100 000 Euro den Vorschriften des deutschen Umsatzsteuerrechts, bis zum Erreichen dieses Betrages den Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates. Auf die Anwendung der 100 000-Euro-Grenze kann der Unternehmer verzichten, sodass die Versendungslieferungen unabhängig vom Ge- samtbetrag der Entgelte in jedem Fall in Deutschland zu versteuern sind. Das in Rede stehende niederländische Unternehmen hat die Bundesregierung autorisiert, mitzuteilen, dass es für umsatzsteuerliche Zwecke in Deutschland beim zu- ständigen Finanzamt erfasst ist und die Versendungslie- ferungen nach Deutschland der deutschen Umsatzsteuer unterwirft. Somit ist auch ausgeschlossen, dass die nie- derländische Versandapotheke von Mehrwertsteuerdiffe- renzen zwischen Deutschland (16 Prozent) und den Niederlanden (6 Prozent) profitiert bzw. diese als Preis- nachlass weitergibt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002 23463 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423500000
Guten Tag, liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung
der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung
– Drucksache 14/9041 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Interfraktionell ist vereinbart, dass eine Aussprache
nicht erfolgen soll. – Ich sehe, Sie sind damit einver-
standen.

Wir kommen damit gleich zur Überweisung. Interfrak-
tionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Druck-
sache 14/9041 an die in der Tagesordnung aufgeführten
Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstan-
den? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so be-
schlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Sachstandsbericht Verkehrs-
projekte „Deutsche Einheit“.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungs-
wesen, Kurt Bodewig.

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Meine Damen! Meine Herren! Ich
freue mich, den Bericht in diesem Hause abgeben zu dür-
fen und auf Ihr Interesse zu stoßen. Ich will darauf hin-
weisen, dass heute im Kabinett der Sachstandsbericht
Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ Gegenstand der Be-
ratung war.

Es geht um 17 Projekte. Davon entfallen neun auf die
Schiene, sieben auf die Straße und eines auf die Was-

serstraße. Das Investitionsvolumen beträgt insgesamt
rund 35 Milliarden Euro. Davon waren bis Ende 2001
rund 20,5 Milliarden Euro umgesetzt. Das entspricht ei-
nem Anteil von nahezu 60 Prozent. Dieses hohe Niveau
der Umsetzung konnte erreicht werden, weil die Bundes-
regierung den Investitionen im Osten Vorrang eingeräumt
hat. Diesen Vorrang werden wir auch in Zukunft beibe-
halten. Er wird dazu führen, dass wir auch heute schon et-
was zur Fertigstellung einzelner Projekte sagen können.
Ich sage es in Kurzform: In der nächsten Legislaturpe-
riode werden wir die VDE-Projekte im Wesentlichen voll-
enden können.

Ich komme kurz zur Wasserstraße. Der Ausbau der
Wasserstraße Hannover–Magdeburg–Berlin soll schritt-
weise von West nach Ost erfolgen. Im nächsten Jahr wird
eine erste Ausbaustufe fertig, die den ganzjährigen Ver-
kehr von Binnenschiffen mit einem Tiefgang von 2,5 Me-
tern nach Berlin gewährleistet. Das Gesamtprojekt wird
zwischen 2012 und 2015 fertig gestellt.

Ich komme zur Schiene. Von den neun Schienenpro-
jekten sind sechs Projekte bereits in Betrieb. Dazu gehört
auch die Hochgeschwindigkeitsstrecke Berlin–Hannover.
Die Realisierung dieser Projekte führt zu einer deutlichen
Verringerung der Reisezeiten. Diese Verringerung beträgt
je nach Projekt zwischen einer Stunde und drei Stunden.
Ich glaube, auch dies sind gut investierte Steuergelder.

Den Baustopp beim VDE Nr. 8, der bekannten Hochge-
schwindigkeitsstrecke Berlin–Leipzig–Erfurt–Nürnberg,
haben wir, wie vom Bundeskanzler in Magdeburg zuge-
sagt, aufgehoben. Wir gehen von einer Fertigstellung bis
zum Jahre 2012 aus. Der Baustopp war damals sinnvoll;
denn nach der Regierungsübernahme haben wir die Sa-
nierung des Bundeshaushaltes mit einer globalen Minder-
ausgabe eingeleitet. In den folgenden Jahren haben wir
Prioritäten gesetzt. Dadurch haben wir die Infrastruktur-
investitionen zunächst stabilisiert und sie dann auf das
heutige Rekordniveau angehoben.

Mit dem „Zukunftsprogramm Mobilität“ haben wir
diese Finanzierungslinie in die Zukunft fortgeschrieben.
Es geht also weiter voran. Derzeit werden die Finanzie-
rungslinien und die Realisierungszeiträume für den

23409


(C)



(D)



(A)



(B)


235. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002

Beginn: 13.00 Uhr

weiteren Streckenausbau dieser wichtigen Verbindung
zwischen dem Bund und der DB AG abgestimmt.

Lassen Sie mich abschließend zur Straße kommen. Im
Rahmen der Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ wurden
bis heute 1 130 Kilometer Autobahn auf sechs Fahrstrei-
fen erweitert oder neu gebaut. Des Weiteren befinden sich
knapp 400 Kilometer im Bau oder in der Erweiterung. Da-
mit sind mehr als drei Viertel der Straßenprojekte fertig
gestellt oder in Arbeit. Zwei Projekte waren hierbei be-
sonders wichtig, und zwar zum einen der im Novem-
ber 1999 abgeschlossene sechsstreifige Ausbau der A 2
zwischen Hannover und dem Berliner Ring und zum an-
deren die Inbetriebnahme der ersten neuen Autobahn-
verbindung in den neuen Ländern im November 2000,
nämlich der A 14 von Magdeburg nach Halle. Damit ist
das bedeutende Chemiezentrum in Halle in Richtung
Norden und Westen besser angebunden. Nur zur Erinne-
rung: Der Bau dieser Strecke von 100 Kilometern ist der
schnellste Autobahnbau in der Geschichte der Bundes-
republik. Planung und Bau wurden in nur zehn Jahren ab-
geschlossen.

Die noch im Bau befindlichen Straßenprojekte werden
im Wesentlichen bis 2005 fertig gestellt sein.

Der Realisierungsstand der Verkehrsprojekte „Deutsche
Einheit“ verdeutlicht die hohe Priorität, die die Bundes-
regierung dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in den
neuen Bundesländern beimisst. Diese hohe Priorität wird
es auch künftig geben.


(Beifall bei der SPD)

– Applaus an dieser Stelle ist mehr als berechtigt.


(Wolfgang Dehnel [CDU/CSU]: Das war abgesprochen!)


Mit dem „Zukunftsprogramm Mobilität“ haben wir ei-
nen eindeutigen Schwerpunkt für den Ausbau der Ver-
kehrsinfrastruktur in den neuen Ländern gesetzt. Das
Kabinett hat am 6.März beschlossen, vor Ablauf des Jahr-
zehnts 90 Milliarden Euro in die Verkehrsinfrastruktur
zu investieren. Ein Schwerpunkt wird hier der Osten
Deutschlands sein. Das haben wir unabhängig von der
weiteren Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans
bereits jetzt festgelegt. Die Verkehrsinfrastruktur in den
neuen Ländern wird für diese Bundesregierung auch im
neuen Bundesverkehrswegeplan ein Schwerpunkt sein.
Damit bekommen die entsprechenden Projekte sozusagen
einen Sonderbonus für den Aufbau Ost. Wir wollen im
kommenden Jahr den Bundesverkehrswegeplan in diesem
Haus beraten.

Vielen Dank.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423500100
Danke schön, Herr
Bundesminister.

Ich bitte darum, zunächst Fragen zu dem Themen-
bereich zu stellen, der soeben aufgerufen worden ist. Die
erste Wortmeldung kommt vom Kollegen Manfred
Grund.


Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1423500200
Herr Minister, bei dem
Sachstand zu den Verkehrsprojekten „Deutsche Einheit“,
über den Sie gerade berichtet haben, geht es um Projekte,
die schon lange vor 1998, also vor Ihrem Antritt als Minis-
ter, begonnen und in Teilen fortgeführt, in Teilen aber
auch in eine Warteschleife überführt oder blockiert wor-
den sind. Sie haben von dem VDE-Projekt Nr. 8, dem
Schienenprojekt Berlin–Erfurt–München, gesprochen,
dessen Bau unterbrochen worden ist, weil die Finanzie-
rung nicht geklärt war und die Verkehrsprojekte unter ei-
nen allgemeinen Finanzierungsvorbehalt gestellt worden
sind.

Wie erklären Sie sich und uns, dass ausgerechnet eines
der wichtigsten Infrastrukturprojekte der neuen Bun-
desländer, nämlich der Bau dieser Hochgeschwindigkeits-
trasse, mit dem Ergebnis unterbrochen worden ist, dass
wahrscheinlich frühestens im Jahr 2012 mit einer Fertig-
stellung zu rechnen ist und dass damit in den neuen Bun-
desländern mindestens vier Jahre sowohl hinsichtlich der
Fertigstellung als auch hinsichtlich der Bindung von Bau-
leistungen verloren sind?

Gleichzeitig wurde die neue ICE-Trasse von Frankfurt
nach Köln bei Verdopplung der Baukosten munter wei-
tergebaut. Warum wurde dieser Schnitt ausgerechnet in
den neuen Bundesländern vorgenommen, der uns sehr zu
schaffen gemacht hat, während andernorts parallel zu ei-
ner vorhandenen Bahn- und Autobahntrasse eine ICE-
Trasse bei erhöhten Baukosten entsteht?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Die Ausgangslage war Folgende: Mit
der Regierungsverantwortung haben wir auch 1,5 Bil-
lionen DM Bundesschulden übernommen. Deswegen gab
es zur Haushaltskonsolidierung keine Alternative. Das
führte dazu, dass mit Steuergeldern besonders sorgsam
umgegangen werden muss.

Auch müssen Sie sich bei den von Ihnen verglichenen
Projekten den jeweiligen Projektauftrag vor Augen
führen. Während wir bei dem VDE 8.1, 8.2 und 8.3 das
Teilstück 8.3 realisiert haben und damit einen hohen ver-
kehrlichen Wert erzielen konnten, hat es in anderen Be-
reichen, in denen Tunnel und Brückenbauwerke die
großen Kostenfaktoren sind, keinen Sinn, den Bau zu un-
terbrechen. Deswegen gab es eine Entscheidung für das
Projekt 8.3, aber gegen die Fortführung der Projekte 8.1
und 8.2. Dies geschah vor dem Hintergrund der von der
alten Regierung hinterlassenen Verschuldung.

In Köln galten andere Vertragsverpflichtungen. Sie
wissen, dass es eine funktionale Ausschreibung und ein
geteiltes Risiko zwischen dem Bund und der DBAG gab,
was beim Schienenwegeausbau ein unübliches Verfahren
in Deutschland ist. Die Trasse nach Köln musste durch-
gebaut werden, weil es keinen Sinn hat, Teilstrecken zu
realisieren, die dann keine Fortführung gefunden hätten.
Das war eine völlig neue Streckenführung. Deswegen un-
terscheidet sich die in drei Teilabschnitten projektierte
Strecke von Berlin nach München deutlich von der
Strecke von Köln nach Frankfurt.




Bundesminister Kurt Bodewig
23410


(C)



(D)



(A)



(B)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423500300
Es gibt eine Nach-
frage des Kollegen Grund.


Manfred Grund (CDU):
Rede ID: ID1423500400
Herr Minister, der Ver-
weis auf die Bundesschuld, die Sie urplötzlich vorgefun-
den haben, wirkt etwas seltsam, wenn man berücksichtigt,
dass in den letzten zwei Jahren ungefähr 2Milliarden DM,
die der Bahn zur Projektierung und zum Bau zur Verfü-
gung gestanden haben, nicht abgerufen worden sind, weil
man nicht in der Lage gewesen ist, diese Mittel entspre-
chend einzusetzen.

Ich habe noch eine Nachfrage, die diesen Bereich
betrifft. Sie haben angegeben, die Verkehrsprojekte
„Deutsche Einheit“ hätten für die jetzige Bundesregie-
rung nach wie vor eine hohe Priorität. Sie haben aber in
Ihrer Amtszeit keinen neuen Bundesverkehrswegeplan
vorgelegt. Sie haben nur die Erwartung geäußert, dass in
Form einer Abgrenzung abgeklärt werden soll, welche
Projekte im Rahmen eines neuen Bundesverkehrswege-
plans realisiert werden könnten. Gibt es denn – auch um
bei den Straßenbauämtern und den Landesverwaltungen
Klarheit zu bekommen – einen Finanzrahmen, von dem
Sie ab dem Jahr 2002 ausgehen und innerhalb dessen sich
die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ und der Bundes-
verkehrswegeplan bewegen werden?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Sie haben sicherlich Verständnis dafür,
dass ich dem Haushaltsgesetzgeber nicht vorweggreifen
will. Aber bekanntlich hat die Bundesregierung in dem
„Zukunftsprogramm Mobilität“ mit 90 Milliarden Euro
eine Voraussetzung geschaffen, wie sie für die Bundes-
republik Deutschland einzigartig ist. Insofern gibt es in
der Tat einen finanziellen Rahmen.

Lassen Sie mich zum Bundesverkehrswegeplan eine
kurze Anmerkung machen. Die Länder haben mehr als
1 800 Projekte gemeldet. Das sind noch wesentlich mehr
als beim letzten Bundesverkehrswegeplan von 1992, der
aus Ihrer Regierungszeit stammt und der übrigens mit
100 Milliarden DM unterfinanziert war. Insofern findet
ein ordnungsgemäßer Ablauf statt. Wir prüfen alle Pro-
jekte und werden dann auch die jeweiligen Projektdaten
mit den Bundesländern im Einzelnen besprechen. Das ist
die Phase, die nun ansteht und die ich gemeinsam mit den
Verkehrsministern auf der letzten Verkehrsministerkon-
ferenz beschlossen habe.

Lassen Sie mich noch etwas zur Schienenpolitik sagen.
Diese Bundesregierung hat die Schiene in einem sehr ho-
hen Maße gefördert; denn wir haben die Situation vorge-
funden, dass Sie die Schieneninvestitionsanteile von noch
annähernd 9 Milliarden DM im Jahr 1995 auf annähernd
6 Milliarden DM im Jahr 1998 abgesenkt haben. Das
führte dazu, dass die Bahn Planungskapazitäten abgebaut
hat, die wir erst wieder aufbauen müssen. Die Bundes-
regierung hat es der Bahn ermöglicht, diese Planungs-
kapazitäten wiederherzustellen. Sie sehen also, dass wir
die Fehler der Vergangenheit vermeiden wollen und dass
wir der Bahn eine Perspektive bieten wollen, damit sie
eine kontinuierliche Planung durchführen kann. Deshalb

haben wir auch das „Zukunftsprogramm Mobilität“ auf-
gelegt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423500500
Die nächste Frage
stellt der Kollege Hirche.


Walter Hirche (FDP):
Rede ID: ID1423500600
Herr Minister, zunächst einmal
möchte ich darauf hinweisen, dass der Verkehrsausschuss
durch eine gewisse Fügung der Organisation just in die-
sen Minuten eine Expertenanhörung zum Thema Luft-
verkehr durchführt, die offenbar wegen des Staatsaktes
heute Morgen verschoben worden ist. Das führt zu der
unglücklichen Situation, dass kein Verkehrspolitiker und
kein Mitglied des Verkehrsausschusses anwesend sind.
Ich bitte dafür um Verständnis.

Ich habe folgende Fragen. Herr Minister, wir haben für
die neuen Bundesländer ein besonderes Planungsrecht
geschaffen. Sind Sie mit der Anwendung dieses Pla-
nungsrechts zufrieden und bedarf es einer Verlängerung
oder einer Ausdehnung auf Gesamtdeutschland?

Des Weiteren möchte ich an die Frage des Kollegen
Grund anknüpfen. Ist denn nun sichergestellt, dass Mittel,
die die Bahn in einem Haushaltsjahr nicht verbauen kann,
dann der Straße zur Verfügung gestellt werden? Schließ-
lich sind die Verkehrshindernisse im Bereich der Straße
ebenso groß wie im Bereich der Bahn.

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Herr Hirche, Sie kennen das Haushalts-
recht und wissen, dass es sich um getrennte Titel im Ein-
zelplan 12 handelt. Ich kann Ihnen aber versichern, dass
wir gerade für die Straße ungeheuer viel getan haben. Ein
Rekordhaushalt für die Bundesfernstraßen und ein Zu-
kunftsinvestitionsprogramm, mit dem wir 125 Ortslagen
vom Schwerlastverkehr und anderem Straßenverkehr ent-
lasten, sind sehr deutliche Zeichen dafür, dass diese Bun-
desregierung den Bedürfnissen der Bürger nach Mobi-
lität, aber auch nach Schutz vor Lärm und Abgasen in den
Ortslagen in einem hohen Maße entspricht. Sie werden si-
cherlich zustimmen, dass diese Politik der Bundesregie-
rung für die Bürger außerordentlich wichtig ist.

Ich möchte noch Ihre Worte des Bedauerns aufgreifen.
Wie Sie alle wissen, hat der Staatsakt die heutige Planung
durcheinander gebracht. Insofern freue ich mich, dass ei-
nige Mitglieder des Verkehrsausschusses anwesend sind.
Ich habe aber auch Verständnis für diejenigen Mitglieder
des Verkehrsausschusses, die in der Anhörung sind. So ist
dies leider. Wir beide haben ja am Staatsakt teilgenom-
men. Es war wichtig, dass wir uns vom ehemaligen Bun-
destagspräsidenten Stücklen gebührend verabschieden
konnten.

Nun zurück zu Ihrer Frage: Ich möchte ausdrücklich
deutlich machen, dass es uns darum geht, das bestehende
Planungsrecht zu nutzen. Gleichzeitig haben wir im
Bundesverkehrswegeplan neue Kriterien eingeführt,
mit denen die Frage der Raumordnungsbeziehungen






(C)



(D)



(A)



(B)


berücksichtigt werden soll. Damit wollen wir deutlich
machen, dass es uns nicht um abstrakte Planungen, son-
dern darum geht, mit direktem und effizienten Einsatz von
Mitteln die höchste Wirkung zu erzielen. Ich glaube, das
ist auch in Ihrem Sinne. Deshalb sage ich: Das bestehende
Planungsrecht, auch das geteilte, wird von uns für die
Realisierung von Projekten genutzt. Weiteren Handlungs-
bedarf sehe ich nicht.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423500700
Der Kollege Hirche
hat noch eine weitere Frage.


Walter Hirche (FDP):
Rede ID: ID1423500800
Herr Minister, ich möchte noch
eine Nachfrage zu konkreten Instandhaltungsproblemen
stellen, über die ich erst gestern auf einem Kolloquium der
Bauindustrie informiert worden bin.

Erstens. Welchen Fortschritt macht der Bau der Bahn-
strecke Hamburg–Berlin? Befindet man sich im Pla-
nungssoll? Was ist insbesondere mit den vielen ebenen-
gleichen Bahnübergängen, die sämtlich für die neuen
Geschwindigkeiten ausgelegt werden müssen?

Zweitens. Was ist mit dem Sonderproblem im Wasser-
bereich, dem Havelausbau?An einer Stelle der Havel, an
der eine Schleuse oder ein Übergang vorhanden ist, ist die
Sohle offenbar undicht, wodurch Wasser aus dem Kanal
in das Grundwasser sickert. Eigentlich müssten Sofort-
maßnahmen zur Behebung dieses Problems eingeleitet
werden. Dafür stehen aber offenbar keine Gelder zur Ver-
fügung.

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Das waren mehrere Fragen. Ich möchte
mit der zweiten beginnen. Ich bitte Sie um Verständnis,
dass mir zurzeit keine Informationen zu dem Havelpro-
blem vorliegen. Ich bin gerne bereit, Ihnen diese Frage
schriftlich zu beantworten. Es scheint mir ein sehr kom-
plexes technisches Problem zu sein. Ich werde dieses
Thema in meinem Hause gut aufbereiten lassen. Sie ha-
ben ja ein Interesse an soliden Informationen.

Zu Ihrer ersten Frage: Das Ausbauvorhaben VDE Nr. 2
– das ist die rund 270 Kilometer lange Strecke Ham-
burg–Berlin – ist ja gemäß der mit diesem Projekt ur-
sprünglich verfolgten Absicht realisiert. Uns geht es da-
rum – das müssen Sie unterscheiden –, in einer zweiten
Phase das zu realisieren, was quasi als Auftrag aus der
Entscheidung entstanden ist, die Transrapidstrecke zwi-
schen Hamburg und Berlin nicht zu bauen. Damals wurde
entschieden, dass 1 Milliarde DM aus dem Transrapid-
plafond zur weiteren Ertüchtigung der Strecke Ham-
burg–Berlin eingesetzt wird. Ich halte dies für eine gute
und solide Entscheidung.

Allerdings gab es hierbei ein Problem: Diese 1 Milli-
arde konnte damals nicht für den Ausbau der Infrastruk-
tur mobilisiert werden, weil sich die Kommunen nach
dem bundesweit geltenden Recht zu einem Drittel an der
Finanzierung der Kreuzungsbauwerke beteiligen müssen.
Das hätte die an der Strecke liegenden Kommunen aber
überfordert. Deswegen hat die Bundesregierung nach
vielen Gesprächen und nach einem Abwägungsprozess

entschieden, zwar nicht auf Rechtsansprüche nach dem
Eisenbahnkreuzungsgesetz zu verzichten, aber die Vor-
finanzierung zu übernehmen, damit nicht vielleicht auf-
grund der Haushaltslage einzelner Gemeinden eine wich-
tige Infrastrukturaufwendung in Höhe von 511 Millionen
Euro – das ist der heutige Wert – blockiert wird. Dies ist
uns gelungen. Ich glaube, dies ist im Interesse aller.

Ich betone ausdrücklich: Die Bundesregierung hat
keine Rechtsansprüche aufgegeben. Wir wollten auch kei-
nen Präzedenzfall schaffen. Die jetzige Regelung hat viel-
mehr mit dem spezifischen Problem zu tun, für das wir
eine sinnvolle Lösung angeboten haben; denn sonst wäre
es nicht möglich, in einer zweiten Ausbaustufe die Strecke
Hamburg–Berlin für Höchstgeschwindigkeiten zwischen
200 und 230 Kilometern pro Stunde so zu ertüchtigen,
dass die Fahrzeit auf dieser Strecke – ohne Stopp – auf an-
derthalb Stunden verkürzt werden kann. Insofern haben
wir einen klugen Weg gewählt, der mit Sicherheit auch
Ihre Zustimmung finden wird.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423500900
Der nächste Frage-
steller ist der Kollege Dehnel.


Wolfgang Dehnel (CDU):
Rede ID: ID1423501000
Herr Bundesminis-
ter, ich stimme mit Ihnen überein, dass die Verkehrspro-
jekte „Deutsche Einheit“ – so haben Sie es formuliert –
rückblickend betrachtet eine große Erfolgsgeschichte
sind. Sie haben das aber nur der derzeitigen Bundesregie-
rung geschuldet.

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Nein, das würde ich nicht sagen.


Wolfgang Dehnel (CDU):
Rede ID: ID1423501100
Sie stimmen mir also
wahrscheinlich zu, wenn ich sage, dass es eine große Leis-
tung der ehemaligen Regierung unter Helmut Kohl war,
die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ in Planung und
Umsetzung erheblich vorangebracht zu haben. So viel
zum Rückblick.

Gestatten Sie mir aber auch einen Blick nach vorn:
Wenn die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“, wie Sie
sagen, in der nächsten Legislaturperiode abgeschlossen
sein sollen, ist es dann nicht sinnvoll, schon jetzt Planun-
gen für Verkehrsprojekte der europäischen Einheit voran-
zubringen? In meiner Heimat, der erzgebirgischen Re-
gion, gibt es heute auf den 120 Kilometern zwischen Bad
Brambach und Altenberg/Geising keinen einzigen Grenz-
übergang für Schwerlasttransporte auf der Bahn. Ich frage
dies vor dem Hintergrund, dass Europa in kurzer Zeit zu-
sammenwachsen wird und wir in der Europäischen Union
Verkehrsprojekte brauchen, die heute schon geplant und
in den nächsten fünf Jahren umgesetzt werden müssen.
Wie sehen die diesbezüglichen Planungen in Ihrem Hause
aus?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Herr Dehnel, ich freue mich über Ihre
vielen Fragen sowie darüber, dass sich das Haus langsam




Bundesminister Kurt Bodewig
23412


(C)



(D)



(A)



(B)


füllt. Dies zeigt, dass Verkehrspolitik nicht nur die Bürger,
sondern auch das Parlament bewegt.

In der Beantwortung Ihrer Frage muss ich etwas wei-
ter ausholen. Natürlich habe ich jetzt nicht jedes die neuen
Bundesländer betreffende Projekt präsent. Sie wissen,
dass die Länder eine Reihe von zusätzlichen Projekten an-
gemeldet haben, die sich in dem Verfahren zur Erstellung
des Bundesverkehrswegeplans befinden. Das heißt, die-
jenigen Projekte, für die bis zum 31. Dezember 1999 kein
Baurecht erlangt wurde, werden in ein Verfahren zur
Bewertung der jeweiligen verkehrlichen Wirkung einbe-
zogen.

Das gilt natürlich auch für den grenzüberschreitenden
Bereich. Das von uns eingeführte Kriterium, Raumwirk-
samkeitsbezüge zu schaffen, spricht eher für als gegen
solche Projekte. Andererseits gibt es im Hinblick auf
größere Projekte aber auch eine Reihe von Vorfestlegun-
gen. Sie wissen, dass der Bundeskanzler in Magdeburg
sehr deutlich gemacht hat, dass es eine Fortführung der
A 14 in Richtung Norden geben muss, dass die A 72 für
den sächsischen Raum von großer Bedeutung ist und dass
nicht zuletzt die Aufhebung des Baustopps für die Pro-
jekte 8.1 und 8.2 zusätzlichen Schub bringt. Daran kön-
nen Sie erkennen, dass die neuen Bundesländer bei dieser
Bundesregierung sehr gut aufgehoben sind. Das gilt auch
für alle anderen Bewertungsverfahren.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423501200
Eine Nachfrage, Herr
Kollege Dehnel, bitte.


Wolfgang Dehnel (CDU):
Rede ID: ID1423501300
Herr Bundesminis-
ter, Sie haben die neuen Bundesländer gewürdigt. Auch
ich freue mich darüber, dass die A 72 und die A 14 kom-
men werden. Aber leider ist von Ihnen die Weiter-
führung bis nach Tschechien überhaupt nicht erwähnt
worden. Deshalb frage ich, welche Planungen es in Ihrem
Hause zur Weiterführung von Straßen aus Bayern, Sach-
sen und Brandenburg in Länder wie Tschechien und Po-
len gibt, die der Europäischen Union beitreten werden.

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Sie wissen, dass diese Projekte ange-
meldet sind und sich jetzt in der Bewertung befinden. Ich
möchte dem Verfahren nicht vorgreifen, kann Ihnen aber
sagen, dass ich mit meinen Amtskollegen aus Polen und
Tschechien, aber auch aus anderen Beitrittsländern stän-
dig im Gespräch bin. Nicht zuletzt finanziert die EU in
diesen Ländern Verkehrsinfrastrukturprojekte in einem
hohem Maße. Wir denken also gesamteuropäisch; trans-
europäische Netze und grenzüberschreitende Routenli-
nien sowohl für die Schiene als auch für die Straße sind
ebenfalls Gegenstand unserer Betrachtung.

Im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans gibt es das
von mir eben beschriebene Verfahren. Wir werden zum
Beispiel mit dem Land Sachsen auch in eine Diskussion
darüber eintreten, ob die in den Gutachten enthaltenen
Daten vom Land geteilt werden oder ob das Land be-
stimmte Projekte für wichtiger als andere hält. Das alles
sind wichtige Prozesse. Ich bin immer daran interessiert,

dass wir diese Prozesse ordnungsgemäß durchführen, ver-
sichere Ihnen aber, dass wir europäisch denken.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423501400
Es sind bei mir jetzt
noch vier Fragen angemeldet. Im Interesse aller bitte ich
diese vier Kollegen um kurze Fragen und bitte auch, wenn
es geht, um kurze Antworten. – Herr Kollege Otto, bitte.


Norbert Otto (CDU):
Rede ID: ID1423501500
Herr Minister, ich
komme noch einmal auf den Baustopp des Projektes
Nürnberg–Erfurt zurück. Sie haben einen dreijährigen
Baustopp zu verantworten; das haben Sie hier auch be-
stätigt. Sie haben ihn mit fehlenden Finanzierungsgrund-
lagen begründet. Herr Grund hat eben erläutert, dass die
Bahn überhaupt nicht in der Lage war, Mittel auszugeben.
Des Weiteren haben Sie den Versuch gemacht, den Bau-
stopp damit zu begründen, dass die Baureife nicht gege-
ben gewesen sei. Das ist auch nicht richtig. Das Pro-
jekt 8.1 war fast in seiner Gänze planfestgestellt und
baureif. Daran kann es auch nicht gelegen haben.

Sie haben in Ihre Koalitionsvereinbarung geschrieben,
alles komme noch einmal auf den Prüfstand. Im Rahmen
der Überprüfung sollte dieses Projekt unter technischem
Aspekt zerredet werden.


(Susanne Kastner [SPD]: Das ist ein Verdacht Ihrerseits!)


Meine erste Frage: Was hat die Überprüfung nun erge-
ben? Geschah dies auf Druck der Grünen, die Ihnen auf-
getragen haben, dieses Projekt nicht zu realisieren? Haben
sich tatsächlich technische Änderungen ergeben? Sie er-
innern sich an die vielen Varianten, die erarbeitet worden
sind, beispielsweise mit einem provisorischen Anschluss
bei Ilmenau usw. Welche technischen Ergänzungen haben
sich wirklich durch die Überprüfung ergeben? Haben sie
das Projekt preiswerter gemacht oder vereinfacht?

Meine zweite Frage: Welche Vorstellungen bestehen
zur Fertigstellung dieses Projektes? Wenn wir Milliarden
verbauen, dann will die Wirtschaft und dann wollen wir
wissen, wann diese Milliarden aktiviert werden. Hier
kann nicht auf irgendeinen Zeitpunkt verwiesen werden.

In der Antwort Ihres Hauses vom 27. März auf meine
Anfrage wird hierzu weiterhin eine unklare Aussage ge-
troffen. Es wird auf Abstimmungen mit der Bahn, auf
Finanzierungsverhandlungen usw. hingewiesen. Gibt es
jetzt eine klare Aussage über die komplette Fertigstellung
des Projektes Nr. 8.1? Wann ist diese Strecke zwischen
Nürnberg, Erfurt, Halle, Leipzig und Berlin als Schnell-
verkehrsstrecke funktionsfähig?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Herr Otto, die Frau Präsidentin hatte
eben um kurze Antworten gebeten.

Zu Ihrer ersten Frage: Sie haben uns damals einen Hau-
fen Schulden hinterlassen: Bundesschulden von 1,5 Bil-
lionen DM und 80 Milliarden DM jährliche Zinsleistung.
Unter diesem Gesichtspunkt sollte alles auf den Prüf-
stand. Als wir mit dem Schwerpunkt, Infrastrukturinves-
titionen in Zukunft in einem höheren Maße als zu Ihrer




Bundesminister Kurt Bodewig

23413


(C)



(D)



(A)



(B)


Zeit zu gewährleisten, massiv in die Haushaltskonsolidie-
rung eintraten, war es eine zwingende Folge, den Bau-
stopp aufzuheben. Das haben wir getan. Ich glaube, dass
das richtig war. Alles andere, was Sie in diese Entschei-
dung hineingeheimnissen, ist nicht zutreffend.

Die VDE Nr. 8.1 und 8.2 boten sich an, weil das Pro-
jekt 8.3 abgeschlossen war. Bevor man in milliarden-
schwere Maßnahmen einsteigt – Sie wissen, 3,7 Milliar-
den Euro allein für das Projekt 8.1 –, muss das Geld
vorhanden sein. Alles andere würde viel zu teuer. Deswe-
gen war es eine kluge und richtige Entscheidung der Bun-
desregierung, das Projekt zu prüfen und den Bau voran-
zutreiben, nachdem wir die Finanzlinie gesichert hatten.

Dazu gehört – dies zu Ihrer zweiten Frage –, dass wir
jetzt, nachdem der Baustopp vor kurzem aufgehoben wor-
den ist, mit der Bahn in Finanzierungsvereinbarungs- und
Bauzeitverhandlungen eintreten müssen, was für jedes
Projekt normal ist. Auch in dieser Hinsicht brauchen Sie
jetzt nicht zu versuchen, eine kleine Wahlkampflinie auf-
zubauen. Das lohnt sich nicht; das kann ich Ihnen versi-
chern. Wir haben die besseren Antworten, Herr Otto.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423501600
Jetzt ist Herr Kollege
Fischer mit seiner Frage an der Reihe.


Dirk Fischer (CDU):
Rede ID: ID1423501700
Frau Präsiden-
tin, nach der Bemerkung des Kollegen Hirche bezüglich
der Anwesenheit der Verkehrspolitiker weise ich darauf
hin, dass trotz laufender Ausschusssitzung fünf Abgeord-
nete der CDU/CSU-Fraktion aus dem Verkehrsausschuss
anwesend sind, weil meine Fraktion den Verkehrsprojek-
ten „Deutsche Einheit“ immer eine überragende Bedeu-
tung zugemessen hat.


(Beifall bei der CDU/CSU – Walter Hirche [FDP]: Sie sind ubiquitär!)


Was hat Sie bewogen, Herr Bundesminister, das Parla-
ment unrichtig dahin gehend zu informieren,


(Susanne Kastner [SPD]: Na, na!)

Sie hätten erstmalig die raumordnerische Wirkung in die
Reihe der Kriterien für die Aufstellung des Bundesver-
kehrswegeplanes aufgenommen, wohingegen nach mei-
nen Informationen dieses Kriterium seit eh und je galt?
Der allererste Plan ist von Herrn Lauritzen im Jahr 1976
erstellt worden.

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Ein guter Mann! Ich hatte allerdings ge-
dacht, dass Sie gekommen seien, weil ich Ihnen hier et-
was mitteilen kann.

Ich glaube, wir sind alle – das gilt für das gesamte Haus
und für alle Parteien – der Meinung, dass wir die Ent-
wicklung der Verkehrsinfrastruktur in den neuen Bundes-
ländern fördern müssen, weil dies etwas mit der Prospe-
rität der neuen Bundesländer zu tun hat.


(Beifall bei der SPD – Susanne Kastner [SPD]: Da könnt ihr auch mal klatschen!)


Ich füge an: Das ist auch gut so; denn eine gemeinsam ver-
tretene starke Linie hilft bei der Herstellung gleicher Le-
bensbedingungen in Deutschland.

Der zweite Punkt. Sie wissen – ich habe Ihnen im Ver-
kehrsausschuss auch mehr als einmal dargestellt, wie die
Kriterien des Bundesverkehrswegeplans sind –, dass wir
die Raumwirksamkeitsbezüge qualifiziert, eigenständig
ausgestaltet und verstärkt haben. Dieses Novum sollte
von Ihnen nun zumindest akzeptiert werden. Nicht zuletzt
sage ich natürlich auch, dass Lauritz Lauritzen eine gute
Arbeit gemacht hat; er kam aus einer vernünftigen Partei.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423501800
Frau Kollegin Blank,
Ihre Frage.


(Abg. Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU] meldet sich zu einer Nachfrage)


– Ich kann jetzt keine Nachfrage zulassen, damit die an-
deren auch noch zum Zuge kommen. Das halte ich für
kollegialer.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Dann würde ich mich zu einer anderen Frage wieder melden!)


Frau Kollegin Blank, bitte.


Renate Blank (CSU):
Rede ID: ID1423501900
Herr Minister, bis jetzt
waren Ihre Mitteilungen weniger inhaltsreich; sie hatten
mehr Unterhaltungswert.


(Norbert Otto [Erfurt] [CDU/CSU]: Sehr blumig!)


Ich komme jetzt noch einmal auf das Projekt 8.1 zurück.
Kann es nicht so gewesen sein, dass Sie, nachdem Rot-
Grün das Projekt Nürnberg – Erfurt gestoppt hat, plötzlich
gemerkt haben, dass Mittel, die für die Planung transeuro-
päischer Netze ausgegeben worden waren, an die Euro-
päische Union hätten zurückgezahlt werden müssen, dass
Sie daraufhin in Ihrem Investitonsprogramm einen klei-
nen Betrag ausgewiesen haben und eine Absichtser-
klärung abgegeben haben, diese Strecke doch zu bauen?

Die zweite Frage. Was ist eigentlich an Ihrem Sach-
standsbericht Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ –
außer der Beschäftigung von Mitarbeitern – neu? Im
Grunde genommen sind die VDEs beschlossene Sache
aus den Jahren 1992 und 1993 und ist es eigentlich die
Aufgabe jeder Regierung, die Projekte fortzuführen.

Eine weitere Frage zum Bundesverkehrswegeplan. Sie
haben seinerzeit ausgeführt – ich erinnere mich an das
Jahr 1998 –, dass Sie im Jahr 1999 oder 2000 ganz schnell
einen neuen Bundesverkehrswegeplan vorlegen wollten.
Warum ist das bis jetzt noch nicht geschehen? Kann ich
davon ausgehen, dass die rot-grün oder rot regierten Bun-
desländer so viele Anmeldungen getätigt haben, dass Sie
in Schwierigkeiten kommen, die entsprechenden Beträge
in den Bundesverkehrswegeplan aufzunehmen?


(Susanne Kastner [SPD]: Das haben Sie früher immer gemacht!)





Bundesminister Kurt Bodewig
23414


(C)



(D)



(A)



(B)


Sie haben von 90 Milliarden Euro Investitionen gespro-
chen. Ich würde sagen: Das ist normale Abwicklung in
den nächsten zehn Jahren. Das ist nichts Neues.


(Kurt Bodewig, Bundesminister: Dann können Sie nicht rechnen!)


Ich meine, dass Sie den Bundesverkehrswegeplan des-
wegen nicht vorlegen, weil Sie sonst Schwierigkeiten mit
den rot-grün regierten Bundesländern bekommen und
weil Sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, dass
der Bundesverkehrswegeplan unterfinanziert ist. Ich sage
Ihnen übrigens noch einmal: Es ist kein Finanzplan, son-
dern ein Bedarfsplan.

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Frau Blank, da hilft alles nichts. Die
VDE 8.1 und 8.2 wurden von uns aus materiellen Grün-
den auf den Prüfstand gestellt. Wenn Sie einen solchen
wirklich riesigen, für die Menschen unfassbaren Betrag
von 1 500 Milliarden Bundesschulden hinterlassen, dann
muss jede nachfolgende Regierung Projekte, die 3,7 Mil-
liarden Euro und mehr kosten, auf den Prüfstand stellen.
Das ist so. Das muss man tun. Wir haben das getan.


(Beifall bei der SPD)

Wir haben alles mobilisiert, haben Haushaltskonsoli-

dierung betrieben und trotzdem die Investitionen hochge-
fahren, während die alte Regierung sie – da muss ich
Ihrem Kurzzeitgedächtnis ein bisschen auf die Sprünge
helfen – zuvor zurückgefahren hatte. Vor dem Hinter-
grund ist es die richtige Entscheidung gewesen, die Pro-
jekte 8.1 und 8.2 jetzt zur Realisierung zu bringen. Sie wa-
ren dazu – auch das muss ich sagen – nicht in der Lage.


(Beifall bei der SPD)

Ich will Ihnen noch etwas sagen, weil ich glaube, dass

Sie bisher noch nicht begriffen haben, was 90 Mil-
liarden Euro investive Mittel bis zum Ende dieses Jahr-
zehnts bedeuten. Sie bedeuten eine hohe Arbeitsmarkt-
wirkung. Sie bedeuten, dass die Länder kalkulieren
können, und das ist die Voraussetzung dafür, dass man
über den Neubau von Straßen und Schienen, aber auch
Wasserstraßen diskutieren kann.

Zum Bundesverkehrswegeplan. Ich vermute, dass Sie
so spät gekommen sind, dass Sie meinen Ausführungen
nicht folgen konnten. Deshalb will ich sie kurz wiederho-
len. Es gab 1 800 Anmeldungen aus den Bundesländern,
und zwar aus allen Bundesländern, unabhängig von der
Couleur. Diese Anmeldungen müssen in einem geordne-
ten Verfahren geprüft werden. Daran arbeiten wir sehr zü-
gig. Mir geht es darum, dies so transparent wie möglich
zu machen. Deswegen wird es in den nächsten Wochen
die bilateralen Gespräche mit den Ländern geben. Sie
werden die Rohdaten dann überprüfen. Ich glaube, dass
das richtig ist.

Die Situation wäre etwas einfacher gewesen, wenn es
statt 1 800 nur 1 000 Anmeldungen gegeben hätte. Da-
durch hätten wir zumindest ein gehöriges Maß an Zeit
einsparen können. Es ist aber so, dass ich keinem Land
vorschreiben kann, welche Projekte es anmeldet. Deswe-
gen muss jedes Projekt auf den Prüfstand. Dem kommen

wir nach. Ein geordnetes Verfahren ist für Deutschland
besser als einseitige Entscheidungen, die vielleicht nur
eine fokussierte Betrachtung zur Folge hätten.


(Beifall bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423502000
Aufgrund des Zeitrah-
mens kann ich jetzt nur noch eine kurze Frage des Kolle-
gen Letzgus zulassen.


Peter Letzgus (CDU):
Rede ID: ID1423502100
Herr Bundesminister,
Sie sprachen vorhin davon, dass die A14 in kürzester Zeit
vollendet worden ist: Wir haben mit den Baumaßnahmen
damals sehr zügig angefangen und Sie haben sie sehr zü-
gig zu Ende gebracht; darüber können wir uns beide
freuen. Am meisten freuen sich natürlich die Autofahrer,
die diese Autobahn jetzt benutzen. Sie fahren zügig von
Halle nach Magdeburg. Nun möchten sie natürlich gerne
wissen, wie sie in Zukunft in Richtung Norden weiterfah-
ren können. Daher meine Frage: Können Sie etwas über
den zukünftigen Streckenverlauf sagen?

Der Hintergrund meiner Frage ist folgender: Der ver-
kehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Herr Weis,
hat sich – das stand in der Presse – auf eine Verbindung
Magdeburg–Schwerin und eine G-Variante, also eine
autobahnähnliche Straße, durch den Norden der Altmark
festgelegt. Können Sie dazu etwas sagen?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Ich möchte erst einmal unterstreichen,
dass diese Bundesregierung es für sinnvoll erachtet, die
A 14 in Richtung Norden fortzusetzen. Das hat der Bun-
deskanzler auch in Magdeburg im Sinne der Menschen in
den neuen Bundesländern sehr deutlich zum Ausdruck ge-
bracht. Zum anderen ist es so, dass vier Bundesländer be-
troffen sind. Es handelt sich nämlich um einen Großraum,
der zwischen Lüneburg, Schwerin und dem Magdeburger
Bereich quasi ein Viereck bildet.

Wir führen auf der Fachebene zurzeit Gespräche über
die Fortführung der A14. Es macht mehr Sinn, dieses Pro-
jekt gemeinsam mit den Ländern durchzuführen, anstatt
jetzt eine einseitige Erklärung abzugeben. Es ist aber gut,
wenn sich die politischen Parteien – auch die Partei, der
ich angehöre – positionieren. Das ist in einem sensiblen
Jahr wie diesem sehr wichtig. Die Bundesregierung ist mit
den Ländern im Gespräch. Wir alle sind der Auffassung,
dass die A 14 fortgeführt werden muss. Damit ist aus un-
serer Sicht eine Grundsatzentscheidung getroffen.


(Beifall bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423502200
Angesichts der Tatsa-
che, dass relativ wenige Fragen für die Fragestunde vor-
liegen, gestatte ich dem Kollegen Fischer, doch noch
seine angemeldete zweite Frage zu stellen.


(Susanne Kastner [SPD]: Jetzt bin ich aber erstaunt, Frau Präsidentin! Es heißt, eine halbe Stunde!)





Renate Blank

23415


(C)



(D)



(A)



(B)



Dirk Fischer (CDU):
Rede ID: ID1423502300
Ich möchte im
Anschluss an die Bemerkung des Bundesministers zum
Planungsvolumen für die Schiene folgende Frage stellen:
Haben Sie es aufgrund Ihrer Ausführungen über den
Planungsvorlauf der Bahn für vertretbar gehalten, bei der
Aufstellung des Haushaltsentwurfs für das Jahr 2001 im
Sommer 2000 einem Etat mit einem Volumen für Investi-
tionszuschüsse im Bereich Schiene von nur noch
6,75Milliarden DM– das ist ein absolutes Rekordminus –
zuzustimmen? Zu diesem Zeitpunkt war die UMTS-Ver-
steigerung noch gar nicht abgeschlossen. Das beschlos-
sene Volumen wurde durch den besonders günstigen
Verlauf der Versteigerung der UMTS-Lizenzen überra-
schenderweise für drei Jahre um jeweils 2 Milliarden auf-
gestockt. Sie haben aber 6,75 Milliarden DM als Normal-
ausstattung für ausreichend gehalten; denn so haben Sie
damals als Kabinettsmitglied entschieden.

Was halten Sie von der Informationspolitik zu dem
Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ Nr. 2 Hamburg–
Büchen–Berlin? Bahnchef Mehdorn hat in einem
„Stern“-Interview vom 3. Februar 2000 der Bevölkerung
versprochen, dass es in anderthalb Jahren, also Mitte
2001, auf einer für 350 Millionen DM ertüchtigten
Strecke möglich sei, in 90 Minuten von Hamburg nach
Berlin zu fahren.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423502400
Herr Kollege Fischer,
jetzt muss ich eingreifen. Sie haben zugesichert, nur eine
Frage zu stellen. Das war die Abmachung, da Sie schon
eine Frage gestellt haben.


Dirk Fischer (CDU):
Rede ID: ID1423502500
Die beiden
Fragen hängen zusammen, weil es um Geld geht. – Auf
dem Bahnhof Friedrichstraße stehen Informationstafeln
der DBAG, auf denen zu lesen ist: Wenn die Hindernisse
beseitigt sind, fahren wir bald mit Tempo 230 in 90 Mi-
nuten nach Hamburg. – Sie aber informieren uns heute,
dass dieses frühestens ab 2005 der Fall sein wird. Sind Sie
der Meinung, dass wir der Bevölkerung eine Informati-
onspolitik in dieser widersprüchlichen oder unseriösen
Art und Weise zumuten können?

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Herr Fischer, ich glaube, Sie haben die
Ringfragetechnik gut entwickelt: Eine Frage schließt sich
an die andere an. Ich will auf zwei konkrete Fragen einge-
hen.

Sie haben die Mittel von knapp 9 Milliarden DM im
Jahr 1995 auf knapp 6 Milliarden DM im Jahr 1998 ge-
senkt. Wir haben 1999 Kassensturz gemacht und dann
Konsolidierung betrieben. Wir konnten die globale Min-
derausgabe für dieses Ministerium zu großen Teilen ab-
wenden und haben aufgebaut. Daraus wird sehr deutlich,
dass wir auch der Schiene genau das richtige Maß an An-
erkennung geben, indem wir auf die ursprünglichen Stei-
gerungsraten zurückgehen, die damals schon außerge-
wöhnlich waren. Das sollten Sie anerkennen. Sie sollten
uns eigentlich loben für das, was wir getan haben, statt
hier herumzumäkeln. Aber ich will darauf nicht eingehen,
Herr Fischer, weil wir uns aus dem Ausschuss lange ge-

nug kennen und wissen, dass dies wahrscheinlich zum Ri-
tual gehört.

Wichtiger ist, Herr Fischer, dass es uns gelungen ist, et-
was voranzubringen. Wir haben für die Schiene Geld or-
ganisiert, wir haben der Schiene neue Planungskapazitä-
ten organisiert und wir wollen, dass die Schiene einen Teil
des Verkehrs aufnimmt. Wir wollen die Schiene stärken.
Wenn das unser gemeinsames Ziel ist, freue ich mich da-
rüber ganz besonders.

Zur Strecke Hamburg–Berlin: Dieses VDE wird in
dem vorgesehenen Rahmen abgewickelt. Wir haben nach
der Vereinbarung im Jahr 2000 gesagt, dass wir eine
Beschleunigung ermöglichen und eine ICE-Hochge-
schwindigkeitsverbindung zwischen den Städten Ham-
burg und Berlin realisieren wollen. Dadurch wird diese
Strecke attraktiv und vielleicht auch eine interessante Al-
ternative zum innerdeutschen Flugverkehr.

Dabei ergab sich eine Schwierigkeit, die ich eben in der
Beantwortung einer anderen Frage sehr ausführlich be-
schrieben habe. Wenn diese hohen Geschwindigkeiten er-
reicht werden sollen, ist es notwendig, Kreuzungsbau-
werke auf dieser Strecke neu herzurichten. Das ist daran
gescheitert, dass Kommunen nicht in der Lage waren, ein
Drittel der notwendigen Investitionen zu tätigen.

Wir haben hier einen sehr guten und intelligenten Weg
beschritten. Die Bürger können erkennen, dass diese Bun-
desregierung schnelle Bahnverbindungen will, dass sich
die Bahn im Sanierungsprozess befindet und attraktiver
wird. Wenn wir das von unserer Seite mit einer attraktiven
Infrastruktur verbinden, ist das genau der richtige Weg in
die Zukunft hin zu einer Mobilität, bei der die Menschen
entscheiden können. Ich glaube, das ist immer noch das
Beste.


(Beifall bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423502600
Die Regierungsbefra-
gung ist beendet.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:
Fragestunde
– Drucksache 14/9003 –

Die Fragen 1 und 2 zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums der Justiz1), die Frage 3 zum Geschäfts-
bereich des Bundesministeriums der Finanzen und die
Fragen 4 und 5 zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Wirtschaft und Technologie werden sämtlich
schriftlich beantwortet, sodass ich jetzt bereits den
Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und
Sozialordnung aufrufe. Zur Beantwortung steht Herr Par-
lamentarischer Staatssekretär Gerd Andres zur Verfü-
gung.

Wir kommen zur Frage 6 des Abgeordneten Dr. Klaus
Grehn:

Wie begründet die Bundesregierung die Tatsache, dass Ver-
mittlungsgutscheine für private Arbeitsvermittlung von den






(C)



(D)



(A)



(B)


1) Antworten lagen bei Redaktionsschluss nicht vor, sie werden zu
einem späteren Zeitpunkt abgedruckt.

Arbeitsämtern nicht an Langzeitarbeitslose ausgegeben werden,
die nicht mehr im Bezug von Leistungen des Arbeitsamtes stehen?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1423502700
Herr Abgeordneter
Grehn, wenn Sie gestatten, würde ich gern die Fragen 6
und 7 gemeinsam beantworten, weil sie in einem Zusam-
menhang stehen.


Dr. Klaus Grehn (PDS):
Rede ID: ID1423502800
Bitte.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423502900
Dann rufe ich jetzt
auch noch die Frage 7 des Abgeordneten Dr. Klaus Grehn
auf:

Beabsichtigt die Bundesregierung, die gesetzlichen Regelun-
gen für private Arbeitsvermittlung so zu verändern, dass diese be-
sonderen Problemfälle finanziell angemessen berücksichtigt wer-
den?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1423503000
Die Antwort auf die
Frage 6: Mit dem Vermittlungsgutschein wurde eine neue
Leistung in das Recht der Arbeitsförderung eingeführt.
Sie ermöglicht es Arbeitslosen, zulasten der Bundesan-
stalt für Arbeit private Vermittler in Anspruch zu nehmen.
Einstweilen kann nicht eingeschätzt werden, in welchem
Umfang dieses Instrument in Anspruch genommen
wird und wie viele Mittel dadurch gebunden werden.
Damit keine über die verfügbaren Haushaltsmittel hin-
ausgehenden Mehrausgaben entstehen, muss deshalb die
Gewährung des Vermittlungsgutscheins auf Leistungs-
empfänger beschränkt werden. Den Ausgaben für den
Vermittlungsgutschein stehen damit Einsparungen bei
den Leistungen für Arbeitslosengeld und Arbeitslosen-
hilfe gegenüber.

Die Frage 7 beantworte ich wie folgt: Bei den Vermitt-
lungsgutscheinen handelt es sich um ein befristet einge-
führtes arbeitsmarktpolitisches Instrument. Erst nach Vor-
lage breiterer Erkenntnisse und Erfahrungen mit dem
Instrument wird über Änderungen zu entscheiden sein.
Arbeitslose, die keine Leistungen beziehen, sind jedoch
nicht von vermittlerischer Unterstützung durch private
Vermittler oder andere Einrichtungen außerhalb der Ar-
beitsämter ausgeschlossen.

Nach § 37 a SGB III kann das Arbeitsamt Dritte mit der
Vermittlung Arbeitsuchender beauftragen. Hierbei gibt
es keine Beschränkung auf Leistungsbezieher. Die Ar-
beitsämter setzen dieses Instrument insbesondere zur Ver-
mittlung von Arbeitslosen mit Vermittlungshemmnissen
ein; dazu gehören in der Regel Langzeitarbeitslose. Die
Arbeitsämter sind in diesen Fällen verpflichtet, zu prüfen,
ob ihre Vermittlung durch die Beauftragung Dritter er-
leichtert werden kann. Ein Arbeitsloser hat andererseits
das Recht, die Beauftragung eines Dritten mit der Ver-
mittlung zu verlangen, wenn er oder sie sechs Monate
oder länger arbeitslos ist.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423503100
Herr Kollege Grehn,
zu einer ersten Nachfrage, bitte.


Dr. Klaus Grehn (PDS):
Rede ID: ID1423503200
Herr Staatssekretär, können
Sie sagen, wie groß die Gesamtzahl derjenigen ist, die von
der Ausgabe von Vermittlungsgutscheinen ausgeschlos-
sen sind?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1423503300
Nein, die Frage kann ich
nicht beantworten. Die Zahl kann ich Ihnen aber gerne
nachliefern.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423503400
Zu einer weiteren
Nachfrage, bitte, Herr Grehn.


Dr. Klaus Grehn (PDS):
Rede ID: ID1423503500
Herr Staatssekretär, können
Sie vielleicht erläutern, welche Auswirkungen diese Form
der Sonderbehandlung der überwiegend Schwervermit-
telbaren – Nichtleistungsempfänger sind in aller Regel
Langzeitarbeitslose – auf die Chancen der am schwersten
Vermittelbaren hat, die von dieser Möglichkeit ausge-
grenzt sind?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1423503600
Herr Abgeordneter
Grehn, ich möchte das noch einmal wiederholen: Es gibt
die Einschaltung Dritter oder Privater nach dem SGB III
in drei verschiedenen Formen. Einmal kann das Arbeits-
amt von vornherein Dritte beauftragen. Das Arbeitsamt ist
dabei in keiner Art und Weise gehindert und kann die
vollen Kosten übernehmen, wenn es das für notwendig
hält. Die Kosten können auch über den Sätzen liegen, die
wir für die Vermittlungsgutscheine veranschlagt haben.

Die zweite Form der Einbeziehung Dritter besteht
darin, dass nach dem Job-AQTIV-Gesetz jeder Arbeits-
lose nach sechs Monaten Arbeitslosigkeit das Recht auf
Einschaltung eines Dritten hat.

Die dritte Möglichkeit, die wir jetzt geschaffen haben,
sind die Vermittlungsgutscheine, die nach der Dauer der
Arbeitslosigkeit gestaffelt sind: In den ersten drei Mona-
ten gibt es keinen Gutschein, nach drei Monaten – das
kennen Sie – gibt es einen Gutschein mit einer entspre-
chenden zeitlichen Staffelung, der drei Monate gültig ist.

Die Frage, die Sie gestellt haben, bezieht sich auf Per-
sonen, die Langzeitsarbeitlose sind und keine Leistungen
beziehen. Diese zahlenmäßig abzugrenzen bin ich jetzt
nicht in der Lage. Deswegen musste ich Ihre erste Frage
so beantworten, wie ich es getan habe. Ich liefere das
gerne nach. Häufig haben jedoch Langzeitarbeitslose bei-
spielsweise einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe und
sind damit Leistungsbezieher. Wie groß die Gruppe ist,
die bei der Ausgabe von Vermittlungsgutscheinen nicht
berücksichtigt wird, kann ich Ihnen nicht sagen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423503700
Herr Kollege Grehn,
Sie haben noch zwei weitere Möglichkeiten zur Nach-
frage.


Dr. Klaus Grehn (PDS):
Rede ID: ID1423503800
Herr Staatssekretär, zunächst
danke ich Ihnen für die nochmalige Aufklärung. Repetitio




Vizepräsidentin Petra Bläss

23417


(C)



(D)



(A)



(B)


est mater studiorum. Ich nehme das gerne an, aber Sie ha-
ben mir Bekanntes genannt. Ich dachte, ich erfahre Neu-
igkeiten.

Meine nächste Frage ist: Sie haben in Ihrer Antwort
gesagt, Sie wüssten nicht genau, wie die Vermittlungs-
gutscheine genutzt werden. Nun gibt es Zahlen, die sich
um die 25 000 belaufen. Es gibt Einschätzungen, dass sie
eher weniger genutzt werden. Darauf bezieht sich meine
Frage: Wenn die Vermittlungsgutscheine eher weniger
genutzt werden und wenn die bisher zugelassenen priva-
ten Arbeitsvermittler, die sich nun auf der Grundlage der
neuen Bestimmungen hinsichtlich der Vermittlungsgut-
scheine zur Zulassung angemeldet haben, über zu wenig
Arbeit klagen, sehen Sie dann nicht die Möglichkeit, die
Effektivität dieser Maßnahme zu erhöhen, indem Sie die
betreffende Gruppe in die Vergabe von Gutscheinen mit
einbeziehen?

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1423503900
In meiner Beant-
wortung der Frage 6 habe ich gesagt, dass es bei der
Schaffung dieses Instrumentes nicht möglich war, einzu-
schätzen, in welchem Umfang es genutzt wird. Sie haben
Recht – wir haben jetzt mit den Vermittlungsgutscheinen
einen Monat Erfahrung –: Auch nach meinem Informa-
tionsstand sind ungefähr 25 000 ausgegeben worden.
Nach meinem Informationsstand sind gegenwärtig
41 eingelöst worden. Einlösen kann man sie erst, wenn es
zu einem Vermittlungserfolg gekommen ist. Ich muss
aber schlicht um Verständnis bitten: Ein Monat ist viel zu
kurz, um einschätzen zu können, wie sich dieses Instru-
mentarium auswirkt. Dazu brauchen wir ein bisschen
mehr Zeit. Sie waren ja heute Morgen im Ausschuss an-
wesend, als der Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit dies
erläutert hat.

Wir haben das genau im Auge. Uns ging es darum – ich
will das noch einmal ausdrücklich sagen –, mit dem Job-
AQTIV-Gesetz die Einbeziehung Dritter in die Vermitt-
lungstätigkeit deutlich auszuweiten. Mit den Vermitt-
lungsgutscheinen haben wir ein weiteres Instrument
geschaffen, das wir anwenden wollen. Aber gesetzliche
Änderungen etwa in Bezug auf die Einbeziehung anderer
Gruppen können wir erst vornehmen, wenn wir damit Er-
fahrung gesammelt haben.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423504000
Eine Frage bleibt
noch. Bitte.


Dr. Klaus Grehn (PDS):
Rede ID: ID1423504100
Herr Staatssekretär, es steht
mir nicht zu, hier einen Kommentar dazu abzugeben, weil
Fragestunde ist. Aber es ist schon interessant, dass Sie auf
der einen Seite zwei Möglichkeiten für eine bestimmte
Gruppierung schaffen und sie auch finanzieren, aber nicht
eine dritte Möglichkeit einführen wollen.

Meine Frage ist eine andere: Hat Ihr Ministerium in der
kurzen Zeit, in den fast sechs Wochen, die das Gesetz nun
gilt, schon Briefe von Betroffenen erhalten, die schildern,
wie sie die Situation einschätzen, und wie würden Sie auf
solche Briefe reagieren? Ich sage das, weil uns dies-

bezüglich sehr viele Briefe mit entsprechenden Anfor-
derungen erreichen.

G
Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1423504200
Ich kann die Frage, ob
das Ministerium angeschrieben worden ist, gegenwärtig
nicht beantworten. Ich kann nur mit Blick auf meinen ei-
genen Posteingang sagen, dass mich solche Briefe nicht
erreicht haben. Ich möchte nicht ausschließen, dass an-
dere Stellen des Arbeitsministeriums dazu angeschrieben
worden sind. Wenn Sie solche Briefe haben, können Sie
sie uns gerne zur Verfügung stellen. Ich biete das aus-
drücklich an.

Ich will aber noch einmal sagen – das ist auch heute
Morgen im Ausschuss dargestellt worden –: Die neue
Vermittlungsmöglichkeit über die Gutscheine ist Ende
März in Kraft getreten. Wir haben faktisch nur den Monat
April zur Beurteilung. Ich bitte um Verständnis, wenn ich
sage: Bei dem, was ausgegeben wurde, und dem, was ein-
gelöst wurde, ist der Erfahrungshorizont, den wir auf-
grund dessen haben können, noch nicht sehr aussagekräf-
tig. Deswegen braucht das noch etwas Zeit. Wir
beobachten sehr genau, was sich da abspielt. Wir gehen
auch möglichen Informationen über Windhundverfahren
und eventueller Bereicherung an den Gutscheinen, die in
der Presse dargestellt wurden, nach. Wir haben aber bis
jetzt noch keine handfesten Anhaltspunkte oder Beweise
dafür, dass in dieser Art und Weise mit den Vermittlungs-
gutscheinen umgegangen wird.

Sie wissen, dass wir mit dem Verband im Gespräch
sind – das ist heute Morgen geschildert worden –, um eine
Zertifizierung für Vermittler zu schaffen, die zunächst ein-
mal auf der Verbandsebene selbst vorgenommen werden
soll. Auch hier sind wir tätig und beobachten sehr genau
die Entwicklung.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423504300
Danke, Herr Staats-
sekretär.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Hier
werden alle Fragen, die Fragen 8 und 9, schriftlich beant-
wortet.

Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamenta-
rische Staatssekretärin Dr. Uschi Eid zur Verfügung.

Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Gerald Weiß
auf:

Wird sich die Bundesregierung im EU-Ministerrat für die un-
veränderte Fortsetzung des AKP-Zuckerprotokolls – AKP: Län-
der im afrikanischen, karibischen und pazifischen Raum, die mit
der EU durch das Abkommen von Cotonou vom Juni 2000 asso-
ziiert sind – und für die Ausklammerung des sensiblen Produktes
Zucker aus den geplanten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen
mit den 76 AKP-Staaten einsetzen, und teilt sie die Auffassung,
dass die Umsetzung der entgegengerichteten Vorschläge der
Kommission zwangsläufig zur Vernichtung von vielen Tausend
Arbeitsplätzen in der Zuckerwirtschaft, zum Existenzverlust einer
Vielzahl landwirtschaftlicher Betriebe und zur weitgehenden Auf-
gabe des europäischen Zuckerrübenanbaus führen würde?




Dr. Klaus Grehn
23418


(C)



(D)



(A)



(B)


Dr
Ursula Eid-Simon (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1423504400
Herr Abgeordneter Weiß, im AKP-EG-Partner-
schaftsabkommen vom 23. Juni 2000, das mittlerweile
Abkommen von Cotonou genannt wird, haben sich die
AKP-Staaten und die EU-Mitgliedstaaten zu einer WTO-
konformen Neuregelung ihrer Handelsbeziehungen ver-
pflichtet, welche unter Aufgabe der einseitigen Handels-
präferenzen schrittweise erreicht werden soll.

In diesem Zusammenhang wird auch das AKP-Zucker-
protokoll überprüft werden, wobei das Ziel vorgegeben
ist, die aus dem Protokoll erwachsenden Vorteile für
die Vertragsparteien zu erhalten. Dabei verweise ich auf
Art. 36 Abs. 4 des Abkommens von Cotonou.

Die Bundesregierung teilt die Besorgnisse der Zucker-
wirtschaft. Sie wird sie in ihre Überlegungen einbeziehen,
wie sie dies bei bisherigen Verhandlungen stets getan hat.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423504500
Herr Kollege Weiß,
bitte Ihre erste Nachfrage.

Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU): Frau Staats-
sekretärin, wenn die Bundesregierung die Besorgnisse
teilt, ist ihr ja das Zahlenmaterial bekannt: Wenn das ge-
schähe, was die EU-Kommission will, würde auf dem
Zuckermarkt ein zusätzliches Einfuhrpotenzial von über
6 Millionen Tonnen entstehen.

Wenn wir für die zollfreie Einfuhr aus den am wenigs-
ten entwickelten Ländern – Stichwort: LDC-Initiative –
2 Millionen Tonnen veranschlagen, haben wir bei einem
heutigen Verbrauch in der EU von weniger als 13 Mil-
lionen Tonnen ein zusätzliches Einfuhrpotenzial von
8 Millionen Tonnen. Wenn dieser Import im Zuge einer
wirklich unkontrollierten Freihandelspolitik so herein-
bräche, was würde das Ihrer Einschätzung nach für das
Preisgefüge, das Absatzgefüge und die Arbeitsplätze in
der Zuckerwirtschaft bedeuten? Sie sagen, Sie würden
die Besorgnisse, die Ihnen gegenüber geäußert werden,
berücksichtigen. In welcher Weise werden Sie vor diesem
Hintergrund handeln?

Dr
Ursula Eid-Simon (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1423504600
Herr Abgeordneter, diese Importe brechen
nicht über uns herein. Denn es gibt vom Jahr 2000 bis zum
Jahr 2008 eine Übergangszeit. Die AKP-Staaten und die
EU haben im Rahmen der WTO-Konferenz in Doha,
Katar, am 14. November 2001 gemeinsam eine Ausnah-
meregelung, den so genannten Waiver, zu Art. 1 und
Art. 13 des GATT aufrechterhalten, wonach die bisheri-
gen Handelsregelungen und damit auch das AKP-Zucker-
protokoll weiterhin gelten. Selbst nach 2008 kann es
noch lange Übergangsfristen geben, in denen sich die
Märkte gründlich auf die Freihandelsabkommen vorbe-
reiten können.

Ich füge allerdings hinzu, dass es aus entwicklungspo-
litischer Sicht selbstverständlich erforderlich ist, dass die
Länder in Afrika, Asien, Lateinamerika, in der Karibik
und im pazifischen Raum, die zum Teil nur Zucker ver-

kaufen können, die Möglichkeit haben, ihren Zucker auch
bei uns zu verkaufen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423504700
Bitte Ihre zweite Zu-
satzfrage, Herr Kollege Weiß.

Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU): Es wird
nicht so recht ersichtlich, wie Sie auf die zutage getrete-
nen Besorgnisse reagieren wollen. Deshalb möchte ich
Sie fragen: Werden Sie im Ministerrat der Europäischen
Union dem Mandat, das die Kommission mit Blick auf die
angestrebten Abkommen begehrt, undifferenziert zustim-
men oder nicht oder werden Sie auf eine Modifizierung
hinwirken?

Dr
Ursula Eid-Simon (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1423504800
Sie selber haben soeben richtig gesagt, dass die
Verhandlungen erst Ende September 2002 aufgenommen
werden. Sie sollen am 31. Dezember 2007 abgeschlossen
werden. Das heißt, wir stehen am Beginn der Verhand-
lungen. Verhandlungen zeichnen sich dadurch aus, dass
Ergebnisse nicht schon zu Beginn feststehen.

Ich möchte trotzdem darauf hinweisen, dass natürlich
auch die Aufgabe besteht, in Wirtschaftspartnerschafts-
abkommen ein Freihandelskonzept zu verfolgen. Denn
wir können nicht auf der einen Seite von den Entwick-
lungsländern verlangen, dass sie ihre Märkte für unsere
Produkte öffnen, und auf der anderen Seite unsere Märkte
für Produkte aus den Partnerländern im Süden schließen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423504900
Dann kommen wir zur
Frage 11 des Abgeordneten Martin Hohmann:

Welche der Staaten, die die Rücknahme eigener, aus
Deutschland ausreisepflichtiger Bürger verweigern oder behin-
dern – „Die Rückseite der Republik“, in: „Der Spiegel”, 10/2002,
S. 36 ff. – erhielten in den letzten drei Jahren deutsche Entwick-
lungshilfe und in welcher Höhe?

Dr
Ursula Eid-Simon (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1423505000
Herr Abgeordneter Hohmann, Ihre Frage, die
von meinem Haus zu beantworten ist, steht in einem sehr
engen Zusammenhang mit Ihrer Frage 19, die von mei-
nem Kollegen aus dem Innenministerium beantwortet
werden wird. Deswegen kann ich vorab die an uns ge-
richtete Frage nicht beantworten. Ich verweise auf die
Antwort des Kollegen aus dem BMI.


(Walter Hirche [FDP]: Damit die Kleiderordnung klar ist!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423505100
Bitte, Herr Kollege
Hohmann.


Martin Hohmann (AfD):
Rede ID: ID1423505200
Ich habe dazu keine
Nachfrage.






(C)



(D)



(A)



(B)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423505300
Die Frage 12 wird
schriftlich beantwortet.

Damit ist dieser Geschäftsbereich abgeschlossen.
Danke, Frau Staatssekretärin.

Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes auf. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister
Dr. Ludger Volmer zur Verfügung.

Wir kommen zur Frage 13 des Abgeordneten Klaus
Hofbauer:

Ist nach Auffassung der Bundesregierung der angestrebte
Zeitpunkt für den Beitritt der Länder Estland, Lettland, Litauen,
Malta, Polen, Slowakische Republik, Slowenien, Tschechische
Republik, Ungarn und Zypern zur Europäischen Union im
Jahr 2004 noch realistisch und, wenn nein, welche Gründe beste-
hen für Befürchtungen, diesen Termin nicht einzuhalten?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1423505400
Herr Kollege Hofbauer, der angestrebte Zeitpunkt
für den Beitritt dieser zehn Länder im Jahre 2004 ist nach
Auffassung der Bundesregierung weiterhin realistisch.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423505500
Bitte, Herr Kollege
Hofbauer, Ihre erste Nachfrage.


Klaus Hofbauer (CSU):
Rede ID: ID1423505600
Frau Präsidentin! Herr
Staatsminister, wie können Sie es sich erklären, dass in der
Presse immer mehr Meldungen erscheinen, dass der Zeit-
punkt 2004 nicht eingehalten werden kann? Ich darf zum
Beispiel den Vizepräsidenten des Europäischen Parla-
ments, Herrn Schmid, zitieren, der erst vor kurzem in ei-
ner größeren Zeitung in Süddeutschland gesagt hat: Dieser
Zeitpunkt wird nicht mehr haltbar sein. – Dies bedeutet
natürlich Verunsicherung in der Bevölkerung und bei den
betroffenen Stellen, zum Beispiel bei Speditionen.

Unternimmt die Bundesregierung etwas gegen solche
Äußerungen? Auch im „Focus“ dieser Woche steht ein
entsprechender Artikel geschrieben. Irgendwoher müssen
diese Argumente doch kommen. Deswegen frage ich Sie:
Was unternimmt die Bundesregierung, um dieser Tendenz
entgegenzuwirken?

Frau Präsidentin, wenn Sie es erlauben, würde ich
gleich meine zweite Frage anschließen. – Herr Staats-
minister, Sie wissen, dass Verhandlungen über sehr wich-
tige Kapitel noch nicht abgeschlossen sind. Hier denke ich
an die Kapitel der Landwirtschaft und auch der Regional-
politik. Besteht nicht die Gefahr, dass der Grundsatz
„Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ nicht mehr einzuhalten
ist, dass hier sehr rasche Abschlüsse erfolgen und dass wir
auf Dauer keine guten Ergebnisse erhalten?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1423505700
Herr Kollege, maßgebend für die Politik der Bundes-
regierung ist nicht die eine oder andere Meinungsäuße-
rung namhafter europäischer Politiker und auch nicht die
entsprechende Kommentierung in den Medien. Maßgeb-
lich für uns sind die Fortschrittsberichte der Europäischen
Union und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen der
jeweiligen Ratssitzungen.

So hat der Gipfel von Laeken festgestellt, dass der Er-
weiterungsprozess sehr gut gedeiht. Gerade bei der ersten
Gruppe der Beitrittsländer, den zehn von Ihnen benann-
ten, sind mittlerweile 21 bis 27 der 29 Kapitel vorläufig
erfolgreich abgeschlossen. Es bleiben jeweils zwei bis
acht Kapitel zu behandeln. Sie haben die entsprechenden
Themen genannt. Sie sind in der Tat nicht ganz einfach zu
lösen. Aber daraus kann man weder ableiten, dass der
Zeitplan nicht einzuhalten ist, noch kann man daraus ab-
leiten, dass ein politischer Rabatt gegeben wird.

Wir sind zuversichtlich, dass in voller Gründlichkeit
verhandelt wird und der Termin dennoch eingehalten wer-
den kann. Allerdings – auch dies sei gesagt – kann für kein
Land die Garantie gegeben werden, dass es tatsächlich bei
dem Datum 2004 bleibt.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423505800
Jetzt rufe ich die Fra-
ge 14 des Kollegen Klaus Hofbauer auf:

Welches Lohn- und Wohlstandsgefälle ist nach Auffassung der
Bundesregierung nach dem Beitritt der Tschechischen Republik
zur Europäischen Union zwischen der Bundesrepublik Deutsch-
land und der Tschechischen Republik, insbesondere in den Grenz-
regionen, zu erwarten?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1423505900
Herr Kollege, das Wohlstandsgefälle zwischen der
Tschechischen Republik und Deutschland – danach hatten
Sie gefragt – betrug im Jahre 1999 59 : 107, und zwar ge-
messen in Prozent des durchschnittlichen Bruttoinlands-
produktes pro Kopf in Kaufkraftparitäten aller 15 EU-Mit-
gliedstaaten. Für die deutschen Grenzregionen zur
Tschechischen Republik waren die Werte zwischen 67,
nämlich in Chemnitz, und 105, nämlich in der Oberpfalz
und in Oberfranken. Auf der tschechischen Seite betrugen
sie 49 in Nordwesttschechien und 54 in Südwesttschechien.

Das Lohngefälle Deutschlands zu Tschechien betrug
1996 – in diesem Jahre wurde die letzte richtige Messung
durchgeführt – 3,4 : 1. Bis zum Beitritt, voraussichtlich im
Jahre 2004, dürfte sich das Gefälle geringfügig verklei-
nert haben. Der Beitritt der Tschechischen Republik zur
Europäischen Union wird aber mittelfristig zu einer Ver-
ringerung dieses Abstandes führen. Die Prognosen für die
Annäherungsgeschwindigkeit hängen stark von der ange-
nommenen Differenz in den Wachstumsraten ab und
fallen daher sehr unterschiedlich aus.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423506000
Herr Kollege
Hofbauer, bitte.


Klaus Hofbauer (CSU):
Rede ID: ID1423506100
Herr Staatsminister,
das Lohngefälle ist nach wie vor vorhanden und wird auch
nach dem Beitritt bestehen bleiben. Ich frage Sie: Für wel-
chen Zeitraum wird dieser große Unterschied bestehen
bleiben? Sind in diesem Bereich Übergangsregelungen
erforderlich? Denn in der Praxis kann und muss man fest-
stellen, dass der Wettbewerb, zum Beispiel im Mittelstand,
selbst bei einem Lohngefälle von 1 : 3 mit Sicherheit ganz
erheblich beeinträchtigt wird. Das wird zu Verwerfungen
führen. Wie will man diesen entgegenwirken?






(C)



(D)



(A)



(B)


D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1423506200
Wie lange die Disparitäten genau anhalten und wie
stark sie ausfallen werden, ist schwer zu prognostizieren.
Dass dem jedoch so ist, ist nicht zu bestreiten. Dement-
sprechend wurden diverse Programme aufgelegt. Für den
Arbeitsmarkt gibt es eine siebenjährige Übergangsfrist
bezüglich der vollständigen Freizügigkeit von Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmern. Zudem hat die Europä-
ische Kommission spezielle Förderprogramme für die
Grenzregionen entwickelt. Der Umfang von ursprünglich
195 Millionen Euro wurde nun durch das Europäische
Parlament und den Rat um 50 Millionen Euro aufgestockt.

Ferner können die mittel- und osteuropäischen Staaten
schon heute auf die Mittel der PHARE-, ISPA- und
SAPARD-Programme zurückgreifen. Im Moment des
Beitritts haben sie natürlich auch den Zugriff auf die an-
deren Förderungsmöglichkeiten.

Es ist der Kommission und dem Rat bewusst, dass ins-
besondere die deutsche Ostgrenze als Grenzgebiet zu den
Beitrittsländern im Rahmen einer Strukturpolitik beson-
ders ins Auge gefasst werden muss. Wir gehen aber davon
aus, dass in dem Moment, in dem die deutsche Ostgrenze
durch den Beitritt der genannten Länder durchlässig wird,
die Wirtschaftsleistung der gesamten Region – auf deut-
scher und nicht deutscher Seite – vergrößert wird und da-
mit auch die Erwerbsmöglichkeiten mittelständischer Be-
triebe steigen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423506300
Bevor ich die nächste
Frage aufrufe, möchte ich verkünden, dass es eine inter-
fraktionelle Verständigung gab, die Aktuelle Stunde vor-
zuziehen, und zwar auf 15 Uhr. Ich wiederhole: Um 15 Uhr
beginnt die Aktuelle Stunde, da wir nur noch relativ we-
nige Fragen in der Fragestunde haben.

Jetzt kommen wir zur Frage 15 des Abgeordneten
Hartmut Koschyk:

Inwieweit sind Presseberichte zutreffend – Quelle: „Schlesi-
sches Wochenblatt” vom 26. April 2002 –, wonach die Mittel aus
dem Bundeshaushalt zur Förderung der deutschen Minderheit in
Polen stark rückläufig sowie einige Organisationen der deutschen
Minderheit in Polen unverhältnismäßig hoch von Kürzungen be-
troffen sind, und inwieweit sind der Fortbestand und die Arbeit der
Organisationen durch diese Kürzungen gefährdet oder einge-
schränkt?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1423506400
Herr Koschyk, für die Förderung der deutschen
Minderheit in Polen stehen im Jahr 2002 insgesamt mehr
Mittel zur Verfügung als jeweils in den vorangegangenen
Jahren. Die Hilfen des Bundesministeriums des Innern für
die deutsche Minderheit und ihr Umfeld in Polen werden
aus Mitteln des jeweiligen Bundeshaushalts und aus
Rückflussmitteln finanziert.

Für das Jahr 2002 werden vom Bundesministerium des
Innern 5,164 Millionen Euro bereitgestellt. 2001 waren es
11,34 Millionen DM, das sind 5,8 Millionen Euro. Zusätz-
lich sind 2002 circa 43 Millionen Zloty Rückflussmittel
verfügbar. Dies entspricht einer erheblichen Steigerung
gegenüber den 2001 vorhandenen Rückflussmitteln in
Höhe von 4,6 Millionen Zloty.

Die Äußerung – Sie haben eine Zeitung zitiert –, dass
einige Organisationen der deutschen Minderheit unver-
hältnismäßig stark von Kürzungen betroffen sind, kann
vor diesem Hintergrund nicht nachvollzogen werden.
Richtig ist, dass die Einrichtungen der deutschen Minder-
heit jährlich Zuschüsse zu ihren Verwaltungskosten erhal-
ten. Im Jahre 2001 wurden hierfür 1,7 Millionen DM ge-
währt. Für das Jahr 2002 sind 776 037 Euro – das sind
etwa 1,5 Millionen DM – vorgesehen. Diese Mittel wer-
den der deutschen Minderheit über die deutschen Gene-
ralkonsulate in Breslau und Danzig zur Verfügung gestellt
und von ihnen eigenverantwortlich auf die verschiedenen
Organisationen der deutschen Minderheit verteilt.

Außerdem ist vorgesehen, dass Rückflussmittel in
Höhe von 2,4 Millionen Zloty für Verwaltungs- und Per-
sonalkosten eingesetzt werden. Bei der Höhe dieser
Strukturhilfen wird nach einer jahrelangen Förderung in
der Vergangenheit erwartet, dass ein höherer Anteil an
Eigenleistungen erbracht wird.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423506500
Herr Kollege
Koschyk, Ihre erste Nachfrage, bitte.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1423506600
Herr Staatsminister,
besteht nicht die Gefahr, dass dann, wenn die Rückfluss-
mittel – das sind rückfließende Mittel von Krediten, die
man zum Beispiel für mittelständische Existenzgründer
usw. eingesetzt hat – in die allgemeine Förderung der
deutschen Minderheit in Polen einbezogen werden, die
Stiftung, die diese Mittel verwaltet und auch die Rück-
flussmittel erhält, diese nicht mehr für den ursprünglich
zugedachten Zweck, zum Beispiel für Infrastrukturpro-
jekte, Existenzgründungshilfen usw., bereitstellen kann?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1423506700
Die Stiftung verwaltet diese Mittel, aber nicht völ-
lig eigenständig, sondern in Abstimmung mit dem Bun-
desministerium des Innern. In diesem Zusammenhang
können die Mittel auch für weitere Hilfen eingesetzt wer-
den. Über die genaue Planung, die die Stiftung vornimmt,
bin ich im Moment nicht orientiert. Mir ist aber noch nicht
zu Ohren gekommen, dass genau dieses Problem, das
theoretisch entstehen könnte, tatsächlich besteht.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423506800
Zweite Frage, bitte,
Herr Koschyk.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1423506900
Sie haben bei der
Mittelzuweisung aus dem Haushalt des Bundesministeri-
ums des Innern für die deutschen Minderheiten in Polen
nur die Vergleichszahl für 2001 und 2002 genannt. Wie
haben sich die Mittel insgesamt seit 1998 entwickelt?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1423507000
Sie haben sich insgesamt eher positiv entwickelt,
wie ich gerade dargestellt habe, weil wir Rückflussmittel
mit einsetzen können. Generell trifft für diesen Politikbe-
reich das zu, was für alle anderen auch zutrifft – insbe-
sondere auch für alle anderen Bereiche der auswärtigen






(C)



(D)



(A)



(B)


Kulturpolitik –, nämlich dass wegen der Notwendigkeit
der allgemeinen Haushaltskonsolidierung jeder einzelne
Titel seine eigenen Einsparpotenziale ausschöpfen muss.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423507100
Jetzt rufe ich die
Frage 16 des Kollegen Hartmut Koschyk auf:

Wie begründet die Bundesregierung ihre bisherige Haltung,
kein eigenes Rechtsgutachten zur Frage der Fortgeltung der so ge-
nannten Benes-Dekrete sowie daraus resultierender Diskriminie-
rungen in Auftrag zu geben, vor dem Hintergrund ihrer Feststellun-
gen, dass es sich bei der Frage einer Aufhebung der Benes-Dekrete
um ein bilaterales Problem handelt – Quelle: Brief der Staatssekre-
tärin im Bundesministerium des Innern, Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast, abgedruckt in der Zeitschrift „Das Landvolk“ vom April
2002 –, und wie gedenkt die Bundesregierung vor diesem Hinter-
grund die Ergebnisse der Rechtsgutachten des Europäischen Parla-
ments zum Gegenstand bilateraler Erörterungen mit der Tschechi-
schen Republik zu machen?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1423507200
Herr Koschyk, nach Auffassung der jetzigen sowie
aller früheren Bundesregierungen stellt die aufgrund der
Benes-Dekrete erfolgte Enteignung und Ausbürgerung
Sudetendeutscher völkerrechtliches Unrecht dar. In der
Deutsch-Tschechischen Erklärung von 1997 sind die
deutsche und die tschechische Seite – mit breiter Zustim-
mung in beiden Parlamenten – übereingekommen, ihre
Beziehungen zukunftsgerichtet fortzuentwickeln und
nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden rechtlichen
und politischen Fragen zu belasten. Die Deutsch-Tsche-
chische Erklärung von 1997 stellt heute mit allen ihren
Elementen die Grundlage der bilateralen Beziehungen
dar. Dazu gehört auch der Grundsatz, dass jede Seite ihrer
Rechtsordnung verpflichtet bleibt und respektiert, dass
die andere Seite eine andere Rechtsauffassung hat.

Unbeschadet dieser Haltung geht die Bundesregierung
davon aus, dass der Acquis von allen Beitrittsländern ab
Beitritt einzuhalten ist. Sie hält es für einen normalen
Vorgang, dass die europäischen Institutionen die Rechts-
ordnungen von Beitrittsländern auf ihre Vereinbarkeit mit
dem Recht der Europäischen Union prüfen.

Die Ergebnisse des Rechtsgutachtens des Europä-
ischen Parlaments liegen noch nicht vor und sollten jetzt
abgewartet werden.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423507300
Herr Kollege
Koschyk, bitte.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1423507400
Herr Staatsminister,
ich hatte in meiner Frage die Bundesregierung um Aus-
kunft gebeten, warum sie nicht bereit ist, ein eigenes
Rechtsgutachten in Auftrag zu geben. Die tschechische
Seite hat ja unbeschadet der Deutsch-Tschechischen Er-
klärung ein solches Rechtsgutachten in Auftrag gegeben.
Wäre es dann nicht im Sinne der Deutsch-Tschechischen
Erklärung möglich, dass auch die Bundesregierung ein
eigenes Rechtsgutachten zu der Frage in Auftrag gibt, ob
diese Dekrete bis heute andauernde Diskriminierungen
für tschechische Staatsbürger deutscher oder ungarischer
Nationalität oder auch für künftige EU-Bürger entfalten?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1423507500
Herr Koschyk, diese Rechtsgutachten, die Sie ge-
rade angesprochen haben, sind im Zuge der Beitrittsver-
handlungen Tschechiens zur Europäischen Union ent-
standen. Von daher sind die Verhandlungspartner die
Tschechische Republik und die Europäische Union, nicht
die Bundesregierung. Die Bundesregierung hat hierzu
eine klare Auffassung; ich habe sie gerade im Grundsatz
dargestellt. Auch die tschechische Seite hat erklärt, dass
die Benes-Dekrete erloschen seien. Von daher kann da-
raus kein neues Unrecht über das hinaus, was damals ent-
standen war, was aber abgeschlossen ist, entstehen. Es
gibt eine Ausnahme, über die wir hier auch schon öfter
diskutiert haben, nämlich die Restitutionsgesetzgebung.
Dies ist ein Punkt, der auch bei den Beitrittsverhandlun-
gen mit der EU eine Rolle spielt.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1423507600
Herr Staatsminister,
wäre es nicht, wenn man zum Beispiel an die tschechische
Entscheidung im so genannten Dreithaler-Prozess oder an
die auch vom UNO-Menschenrechtsausschuss beanstan-
dete innertschechische Restitutionsgesetzgebung denkt,
doch angezeigt, vonseiten der Bundesregierung durch ein
Rechtsgutachten klären zu lassen – man muss ja keinen
deutschen, sondern man kann auch einen international an-
erkannten Völkerrechtler hinzuziehen –, ob diese Dekrete
heute und damit auch im Falle eines EU-Beitritts weiter
andauernde diskriminierende Wirkungen entfalten?

D
Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1423507700
Für den Umgang mit den Dekreten gibt es im bila-
teralen Verhältnis eine klare Regelung, die ich vorhin zi-
tiert habe. Aufgrund Ihres Interessenhintergrundes sollten
Sie es eigentlich begrüßen, dass sich die Europäische
Union im Rahmen des Beitrittsprozesses damit befasst.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423507800
Damit schließe ich
diesen Geschäftsbereich. Vielen Dank, Herr Staatsminis-
ter.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
des Innern auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamenta-
rischer Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung.

Da die Fragen 17 und 18 schriftlich beantwortet wer-
den, rufe ich jetzt die Frage 19 des Kollegen Martin
Hohmann auf:

Welche Staaten verweigern oder behindern die Rücknahme ei-
gener aus Deutschland ausreisepflichtiger Bürger – „Die Rück-
seite der Republik“ in: „Der Spiegel“, 10/2002, Seite 36 ff.?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1423507900
Herr Kollege Hohmann, Schwie-
rigkeiten bei der Rückführung ausreisepflichtiger auslän-
discher Staatsangehöriger ergeben sich oft aus der
mangelnden Rückkehrbereitschaft der betroffenen Perso-
nen. Viele Herkunftsstaaten kommen ihrer völkerrechtli-
chen Pflicht zur Rückübernahme eigener ausreisepflichti-
ger Staatsangehöriger nach und arbeiten mit den
zuständigen deutschen Behörden bei der Feststellung der




Staatsminister Dr. Ludger Volmer
23422


(C)



(D)



(A)



(B)


Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen und der
Ausstellung von Heimreisedokumenten gut zusammen.

Mit einer Reihe von Staaten ist die Zusammenarbeit
dagegen nicht zufriedenstellend. Die Bundesregierung
wirkt durch geeignete Maßnahmen – dazu gehören etwa
der Abschluss von Rückübernahmeabkommen, Experten-
gespräche und Gespräche mit den Botschaftern der Her-
kunftsstaaten – fortlaufend darauf hin, Schwierigkeiten
bei der Rückführung zu beseitigen. Für den Erfolg dieser
Maßnahmen wäre es meines Erachtens nicht sehr förder-
lich, die Staaten zu benennen, bei denen Rückführungs-
probleme bestehen. Dies wäre grundsätzlich nicht zweck-
mäßig.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423508000
Herr Kollege
Hohmann, bitte.


Martin Hohmann (AfD):
Rede ID: ID1423508100
Frau Präsidentin!
Herr Staatssekretär, es ist natürlich schwierig, eine Nach-
frage zu stellen, wenn die ursprüngliche Frage im Grunde
nicht beantwortet worden ist. Andererseits geht mir eine
gewisse Einsicht in die Motivation dafür – Sie haben sie
eben genannt – nicht ab.

Bei den Maßnahmen, die Sie zu unternehmen geden-
ken, haben Sie Gespräche mit den Botschaftern erwähnt.
Sind auch weitergehende Maßnahmen, die für diese – las-
sen Sie es mich so sagen – Verweigerungsstaaten viel-
leicht ein wenig fühlbarer sind, bereits in Anwendung
oder in Erwägung gezogen worden?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1423508200
Herr Kollege Hohmann, bei der
Bekanntgabe bestimmter Länder und Staaten, mit denen
es Schwierigkeiten gibt, befinden wir uns auf einer konti-
nuierlichen Linie mit der alten Bundesregierung: Das war
nie Gegenstand öffentlicher Erörterungen, weil es in der
Tat nicht erfolgversprechend und zweckmäßig wäre.

Es gibt vielfältige Initiativen. All diese könnte ich Ih-
nen detailliert auflisten; ich habe sie dabei. Ich habe Ihnen
die Länder nicht deswegen nicht genannt, weil ich sie
nicht kenne, sondern, wie gesagt, weil ich es nicht für
zweckmäßig halte. Ich denke, dass man auch auf das
Lomé-Folgeabkommen hinweisen muss, auf das Sie mit
Ihrer Frage im Grunde genommen abzielen. Mit diesem
wird letztendlich ein Zusammenhang zwischen auf der
einen Seite migrationspolitischen Verpflichtungen und
auf der anderen Seite entwicklungspolitischen Leistungen
hergestellt. Sie wissen, dass in dieses Nachfolgeabkom-
men auch eine so genannte Rückübernahmeklausel auf-
genommen worden ist. Aber Sie werden auch wissen, dass
dieses Cotonou-Abkommen, wie es sich jetzt nennt, zwar
schon von Deutschland, aber noch nicht von allen euro-
päischen Staaten ratifiziert ist, und dass auch zwei Drittel
der restlichen Staaten noch nicht zugestimmt haben, was
notwendig ist, damit dieses Abkommen in Kraft tritt.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423508300
Dann hat der Kollege
Eckart von Klaeden dazu eine Nachfrage.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1423508400
Herr Staatssekre-
tär, ich habe Verständnis dafür, dass Sie dies nicht öffent-
lich erörtern wollen. Sind Sie denn bereit, dem Kollegen
Hohmann über die Fragen, die ihn interessieren, im In-
nenausschuss Auskunft zu geben?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1423508500
Ich gebe gern dort Auskunft, wo
wir auf eine verlässliche Vertraulichkeit bauen können.
Das ist überhaupt keine Frage. Aber ich entnehme Ihrer
Frage, dass Sie volles Verständnis dafür haben, dass die
Namen der Länder, mit denen wir gewisse Probleme ha-
ben, nicht für die öffentliche Erörterung geeignet sind.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1423508600
Aber dass sich das
Parlament dafür interessiert, können Sie sicherlich nach-
vollziehen?

F
Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1423508700
Dafür habe ich volles Verständnis
und das ist überhaupt kein Problem. Es ist nicht so, dass
ich nicht darüber reden will, aber eine öffentliche Erörte-
rung ist erfolgsmindernd, weil diese Reaktionen auslösen
würde, die die Sache nur erschweren. – Ich merke an Ih-
rer Gestik, dass Sie mir zustimmen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423508800
Damit sind wir auch
mit diesem Geschäftsbereich am Ende. Vielen Dank, Herr
Staatssekretär.

Die Fragen 20, 21 und 22 zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft werden schriftlich beantwortet.

Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Verteidigung auf. Zur Beantwortung steht Frau Parla-
mentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte zur Verfü-
gung.

Die Fragen 23 bis 26 werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe daher die Frage 27 des Kollegen Karl-Josef

Laumann auf:
Seit wann sind dem BMVg die gravierenden hygienischen und

bautechnischen Mängel in der Küche der Theodor-Blank-Kaserne
in Rheine-Bentlage, die zur Schließung der Kasernenküche führ-
ten, bekannt und welche Informationen liegen der Bundesregie-
rung über den Zustand weiterer Kasernenküchen vor?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1423508900
Frau Präsidentin! Meine Da-
men und Herren! Lieber Herr Kollege Laumann, die Not-
wendigkeit, den baulichen und hygienischen Zustand der
Truppenküche in der Theodor-Blank-Kaserne zu ändern,
ist seit 1979 bekannt. Für die Zuhörer muss man sagen,
dass die Bundeswehr nicht selbst bauen darf, sondern sich
dazu der Länderverwaltungen bedient, die dafür pro Jahr
über 600 Millionen bekommen.

1985 wurde erstmals ein konkreter Bauantrag zur Sanie-
rung gestellt. Er wurde 1988 gestoppt, bevor er überhaupt
ausgeführt wurde. 1989 war man sich darüber klar, dass man
einen Antrag auf Neubau des Wirtschaftsgebäudes erneut




Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper

23423


(C)



(D)



(A)



(B)


stellen muss. Dass dessen Planung nach drei Jahren eben-
falls eingestellt wurde, hatte etwas damit zu tun, dass im
Jahre 1991 Veränderungen im Umfang der Bundeswehr
zum Tragen kamen, aber natürlich auch dringlichere Bau-
maßnahmen in den neuen Bundesländern für den Erhalt
von Bundeswehreinrichtungen anstanden.

Im Januar 1995 wurde die Dringlichkeit der Baumaß-
nahme durch das BMVg selber hervorgehoben. Es hat
dann im Jahre 1996 einen erneuten Bauantrag in Auftrag
gegeben. 1997 wurde der Bauzustand der Truppenküche
noch einmal als ungenügend gerügt. Bis zur Schließung
der Truppenküche aus Betriebsschutz- und Hygienegrün-
den nach einer entsprechenden Besichtigung durch den
Wehrbereichshygieniker am 11. April 2002 wurde der
dringendste Bedarf stets repariert, aber das Problem nicht
gelöst, Herr Kollege.

Dem Bundesministerium der Verteidigung sind die
Gründe, die zur Schließung der Truppenküche geführt ha-
ben, am 16. April auf dem Dienstwege mitgeteilt worden.
Das dürfte in der Abteilung WV des Hauses keinen ver-
wundert haben. Wir haben das Problem, dass wir die
Frage des Zustandes der Wirtschaftsgebäude selbstver-
ständlich auch in anderen Kasernen und nicht nur in Ihrem
Wahlkreis, Herr Laumann, thematisieren müssen. Doch
seit der Reform der Bundeswehr im Jahre 1991 und auch
in diesem Jahre hat es mehrere Male Stationierungsände-
rungen sowie Veränderungen in Umfang und Größe der
Truppe vor Ort gegeben, die dazu geführt haben, dass
viele notwendige Baumaßnahmen umgeplant wurden.

Darüber hinaus gibt es auch immer wieder Mitteilun-
gen vom Bundesrechnungshof, der auch auf die Bundes-
wehr ein wachsames Auge wirft. Beabsichtigt ist, dass
nach der derzeit in Arbeit befindlichen Neuordnung des
Verpflegungswesens verschiedene Neubauten durchge-
führt werden müssen. Dabei muss auch geprüft werden,
wie die genannte Neubaumaßnahme aussehen soll. Ich
gehe aber davon aus, dass für die Theodor-Blank-Kaserne
eine Lösung gefunden wird.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423509000
Jetzt hat der Kollege
Laumann eine erste Nachfrage.


Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1423509100
Frau Staatssekre-
tärin, ich gehe davon aus, dass Ihnen bekannt ist, dass in
dieser Kaserne weit mehr als 1 000 Soldaten ihren Dienst
ausüben, davon allein weit mehr als 500 Wehrpflichtige,
die einen Anspruch auf Truppenverpflegung haben. Mir
geht es eigentlich um Folgendes: Können Sie einen Ter-
min angeben, wann die Truppenküche in dieser Kaserne
wieder arbeitsfähig ist? Denn die Lösungen, die zurzeit
praktiziert werden, nämlich die Truppe über Catering-
Service und Ähnliches zu versorgen, sind kein Zustand,
der allen Ernstes mittelfristig beibehalten werden kann.
Ich meine vielmehr, dass eine kurzfristige Entscheidung
notwendig ist.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1423509200
Was die Kurzfristigkeit angeht,
muss ich sehr kritisch anmerken, dass man bei den Män-

geln hinsichtlich der Standortverwaltung und anderen
schon in der Vergangenheit einiges hätte auf den Weg
bringen können. Gegenwärtig sind sowohl der Umfang
als auch die Verpflegungsart im Grunde sehr antiquiert.
Bei der Änderung des Verpflegungskonzepts stellen wir
uns bekanntlich auch die Frage, welche Tätigkeiten vor
Ort wahrgenommen werden können und was wir zuliefern
lassen. Damit sind wir derzeit beschäftigt. Ich werde in
der Antwort auf Ihre nächste Frage ausführen, womit wir
zurzeit beschäftigt sind.

Der Zustand, dass es von 1979 bis heute nicht zu einem
Neubau gekommen ist, ist einerseits ohne Zweifel unbe-
friedigend. Andererseits, Herr Kollege Laumann, habe ich
in verschiedenen Orten Neubauten angetroffen, die ich für
überdimensioniert halte. Deswegen müssen wir einen ver-
nünftigen Weg finden. Ich stimme Ihnen aber darin zu,
dass wir diese Maßnahme nicht einfach vor uns herschie-
ben können.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423509300
Damit kommen wir
schon zu Frage 28:

Was wird künftig seitens des BMVg unternommen, um der
Fürsorgepflicht gegenüber wehrpflichtigen Soldaten, die An-
spruch auf Verpflegung unter anderem auch in der Theodor-
Blank-Kaserne haben, gerecht zu werden?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1423509400
Herr Laumann, die Versorgung
der Soldaten aus der Theodor-Blank-Kaserne wird zurzeit
über drei Feldküchen gewährleistet, die neben dem Spei-
sesaal mobil aufgestellt wurden und die so schlecht nicht
sind. Solche Feldküchen werden auch in den internatio-
nalen Einsätzen genutzt.

Ab dem 1. Juli 2002 erfolgt die Verpflegungsleistung
über zwei Truppenküchen, und zwar des nahe gelegenen
Fluglehrzentrums oder des ehemaligen Jagdgeschwa-
ders 72 in Westfalen. In der Theodor-Blank-Kaserne ist
der Neubau einer Truppenküche vorgesehen. Die notwen-
dige konzeptionelle Grundlage für diese wie für andere
investive Baumaßnahmen an Wirtschaftsgebäuden wird
nach dem neuen Verpflegungskonzept geschaffen werden
müssen. Ich hoffe, dass wir uns dafür nicht zu lange Zeit
nehmen müssen. Oberstes Ziel muss – damit haben Sie
völlig Recht – der Anspruch des Soldaten auf eine be-
darfsgerechte und, nebenbei gesagt, auch schmackhafte
Ernährung sein, und zwar auch da, wo die befristeten Be-
helfsmaßnahmen notwendig sind und in der Tat meistens
in vertretbarer Form stattfinden. Ich würde nicht sagen,
dass das, was in der Feldküche geleistet oder das, was zu-
transportiert wird, schlecht ist, aber längerfristig ist das
natürlich keine Lösung.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423509500
Herr Kollege
Laumann, bitte.


Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1423509600
Frau Staatssekre-
tärin, ich frage noch einmal nach: Können Sie mir einen
einigermaßen konkreten Termin angeben, wann es zu ei-
nem Neubau der Truppenküche kommt? Ich kenne sie
sehr gut; ich war schließlich als Soldat dort.




Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte
23424


(C)



(D)



(A)



(B)


Die vorgesehene Versorgung über das Jagdgeschwader
oder das Fluglehrzentrum führt dazu, dass diese Küchen
etwa die doppelte Anzahl von Mahlzeiten produzieren
müssen wie vorher. Das wiederum hat zur Folge – wie ich
aus dieser Kaserne weiß –, dass die Essensauswahl mäch-
tig zusammengestrichen wird, weil die erforderlichen Ka-
pazitäten nicht vorhanden sind.

Wenn alle im Bundestag mittelfristig aus einer Feld-
küche ernährt würden, würden wir sicherlich für eine Lö-
sung sorgen. Sorgen Sie doch jetzt auch für eine Lösung
in der Kaserne Bentlage!

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1423509700
Ich habe mich zwei Tage und
zwei Nächte in Afghanistan aufgehalten. Weil es dort be-
sonders wichtig ist, dass die Soldaten gut ernährt werden,
würde ich nicht abwerten, was eine Feldküche leisten
kann. Das möchte ich ausdrücklich anmerken.

Etwas anderes sind aber natürlich – deshalb habe ich
das Ihnen und den anderen Kolleginnen und Kollegen
auch dargestellt – die unglaublichen Bauvorgänge von
1979 bis heute. Wenn Sie mit uns und den anderen Kolle-
gen dazu beitragen, dass es zu einem modernen Liegen-
schaftsmanagement kommt und wir uns das, was wir
heute machen, wirklich abgewöhnen, bin ich fest davon
überzeugt, dass wir beide es noch als aktive Abgeordnete
erleben, dass wir diese Küche einweihen können.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Noch vor der Bundestagswahl?)


– Nach der Wahl. Ich möchte diese Funktion ja noch eine
Wahlperiode wahrnehmen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Aber die Feldküche hoffentlich nicht!)


– Nein, deswegen sage ich ja, dass wir sie in der nächsten
Wahlperiode noch wahrnehmen wollen; das ist wohl
wahr. Vor der Bundestagswahl ist das Konzept doch noch
nicht fertig.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423509800
Wir wechseln jetzt den
Standort und kommen zur militärischen Nutzung der
Kyritz-Ruppiner Heide.

Ich rufe die Frage 29 des Kollegen Wolfgang Gehrcke
auf:

Hat die Bundesregierung ihre Position zur Beendigung der
militärischen Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide geändert und
wenn ja, wie?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1423509900
Liebe Frau Präsidentin! Sehr
geehrter Herr Kollege Gehrcke, ich hätte beinahe gesagt:
ein Dauerthema. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt besteht
für die Bundesregierung keine Veranlassung, ihre Absicht
der weiteren militärischen Nutzung der Kyritz-Ruppiner
Heide, des berühmten Truppenübungsplatzes Wittstock,
zu ändern. Entsprechend den Vorgaben, die das Bundes-
verwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 14. De-
zember 2000 gemacht hat, wurden die umliegenden Ge-

meinden angehört. Deren Stellungnahmen werden derzeit
durch das Land Brandenburg ausgewertet, welches in
Amtshilfe für den Bund die Anhörung durchgeführt hat.

Ich möchte um Erlaubnis bitten, die Frage 30 des Kol-
legen Wolfgang Gehrcke im Zusammenhang mit Frage 29
beantworten zu dürfen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423510000
Herr Kollege
Gehrcke, sind Sie damit einverstanden? – Das scheint der
Fall zu sein. Dann rufe ich die Frage 30 des Kollegen
Wolfgang Gehrcke auf:

Zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass sich weitere
Gemeinden, darunter die Stadt Wittstock, im Zuge der Anhörung
gegen eine weitere militärische Nutzung des Truppenübungsplat-
zes ausgesprochen haben, die Schlussfolgerung, das Truppen-
übungsplatzkonzept so zu ändern, dass dem Begehren der Ge-
meinden Rechnung getragen wird?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1423510100
Wie erwähnt, wurde die An-
hörung der Gemeinden durch das Land Brandenburg – das
betrifft wieder die Frage, was die Länder für den Bund
übernehmen – im Rahmen der Amtshilfe durchgeführt.
Deren Stellungnahmen werden zurzeit ausgewertet. Wir
werden bald eine entsprechende Zusammenfassung über-
sandt bekommen. Das Bundesministerium der Verteidi-
gung wird dann die vorgetragenen Belange der Gemein-
den im Rahmen seiner Entscheidung über die künftige
militärische Nutzung des Truppenübungsplatzes Witt-
stock sachgerecht abwägen. Ob und wenn ja, in welchem
Umfang dadurch eine Änderung des Truppenübungs-
platzkonzeptes der Bundeswehr erforderlich sein wird,
kann man abschließend erst dann entscheiden, wenn man
von einer Änderung ausgeht. Ich gehe allerdings davon
aus, dass wir Wittstock auf jeden Fall brauchen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423510200
Herr Gehrcke hat jetzt
vier offene Nachfragen.

Zur ersten Nachfrage, Herr Gehrcke, bitte.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423510300
Ich habe natürlich viel
mehr offene Fragen, die beantwortet werden müssen.

Frau Parlamentarische Staatssekretärin, Kompliment
dafür, wie elegant Sie Wahlwerbung selbst im Zusam-
menhang mit der Beantwortung von Fragen betrieben
haben. Ob der von Ihnen bei der Beantwortung der Fra-
gen von Herrn Laumann signalisierte Optimismus, dass
Sie auch künftig in Ihrer Funktion als Parlamentarische
Staatssekretärin Fragen beantworten werden, angebracht
war, werden wir noch sehen.

Zu meiner ersten Nachfrage: Am Ostersonntag hat der
Bundesvorsitzende des Bündnisses 90/Die Grünen, Herr
Fritz Kuhn, auf der traditionellen Ostermarschkundge-
bung in der Kyritz-Ruppiner Heide mitgeteilt, dass die
Fraktion der Grünen geschlossen für eine Beendigung der
militärischen Nutzung und für eine zivile Nutzung des
Truppenübungsplatzes eintrete. Wenn mich nicht alles
täuscht, sind die Grünen noch immer Ihr Koalitionspart-
ner, jedenfalls derzeitig. Bedeutet das, dass nur eine




Karl-Josef Laumann

23425


(C)



(D)



(A)



(B)


Hälfte der Bundesregierung an dem bisherigen Trup-
penübungsplatzkonzept festhält, während die andere
Hälfte das nicht mehr tut?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1423510400
Ich gehe einmal davon aus,
dass Herr Kuhn zwar viel über die Landespolitik in
Baden-Württemberg weiß, dass es ihm aber ähnlich wie
ehemaligen sozialdemokratischen Oppositionspolitikern
– ich möchte keine Namen nennen – ergeht, die, als sie die
Regierungsverantwortung übernommen haben, feststel-
len mussten, dass sie über Militärpolitik auf Bundesebene
noch einiges lernen müssen. Insoweit bin ich ziemlich zu-
versichtlich, dass auch der kluge Bundesvorsitzende der
Grünen lernen wird, dass eine Entlastung Süddeutsch-
lands, also des Truppenübungs- und Bombenabwurfplat-
zes Siegenburg, und des niedersächsischen Standortes
Nordhorn sinnvoll ist. Ich glaube, dass Herr Kuhn seine
Meinung in dem Moment ändern wird, in dem er sich
selbst alle plausiblen Argumente, die für die weitere
militärische Nutzung des Truppenübungsplatzes Witt-
stock sprechen, vor Augen führt.

In der ehemaligen DDR – das kann ich Ihnen, Herr
Gehrcke, jetzt nicht ersparen – sind 25 000 fliegende Ein-
sätze pro Jahr durch die dort stationierten sowjetischen
Streitkräfte durchgeführt worden.


(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Was?)

Wir planen gerade einmal 1 700. Wir verlangen unseren
Soldatinnen und Soldaten gerade von Marine und Luft-
waffe ab, einen Großteil ihrer fliegerischen Ausbildung
außerhalb Deutschlands, ja sogar außerhalb Europas
durchzuführen, damit die deutsche und die europäische
Bevölkerung nicht übermäßig belastet wird. Ich halte
es deshalb für notwendig – ich kann Ihnen gerne ein Pri-
vatissimum darüber geben, was wir dort alles vorhaben –,
am Truppenübungsplatz Wittstock festzuhalten. Ich war
eine derjenigen, die zusammen mit der CDU/CSU immer
für die weitere Nutzung dieses Truppenübungsplatzes
gestimmt haben.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423510500
Die zweite Nachfrage
des Kollegen Gehrcke.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423510600
Ich könnte jetzt natürlich
meinen Werbeblock einbringen, da ich Abgeordneter aus
dieser Region bin und sie deshalb gut kenne.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1423510700
Das habe ich mir schon ge-
dacht.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423510800
Ich danke für die Vorlage.
Aber das werde ich jetzt nicht tun.

Darf ich Ihre Antwort auf meine erste Nachfrage so
verstehen, dass Sie davon ausgehen, dass der Bundesvor-
sitzende des Bündnisses 90/Die Grünen, Herr Fritz Kuhn,
der für den Bundestag kandidiert, in dieser Frage genauso
umfallen und eine 180-Grad-Kehrtwende vornehmen

wird wie Herr Scharping, wenn er in den Bundestag
einzieht? Das war doch wohl Ihre Kernaussage.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1423510900
Wenn sich ein Landtagsabge-
ordneter solchen Argumenten öffnet – Sie haben den Namen
genannt, den ich vorhin bewusst nicht genannt habe; Sie
hätten auch meinen Kollegen Kolbow nennen können –,


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Da gibt es noch ein paar!)


dann ist dies einfach eine Frage der Kenntnis von der
Aufteilung und Nutzung der Truppenübungsplätze in der
gesamten Bundesrepublik. Ich habe dafür durchaus Ver-
ständnis, auch für die betroffenen Gemeinden und natür-
lich auch für Sie als Abgeordnete. Dennoch ist das, was
wir dort planen, sinnvoll und vernünftig. Ich bin sogar zu-
versichtlich, dass wir auch Oppositionspolitiker davon
überzeugen können. Natürlich kann Herr Kuhn und kann
auch jede Partei eine andere Meinung haben. Wir aber
sind der festen Überzeugung, dass man an Wittstock fest-
halten muss.


(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Kann ich noch eine Frage stellen?)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423511000
Sie können sogar noch
zwei Fragen stellen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423511100
Frau Parlamentarische
Staatssekretärin, ich muss Sie fragen, ob Sie nicht auch
Verständnis für die Bevölkerung haben. Ich frage dies vor
dem von Ihnen zu Recht geschilderten Hintergrund, dass
die Bevölkerung zu Zeiten der DDR eine unverhältnis-
mäßig hohe, aggressive Belastung über sich ergehen las-
sen musste. Glauben Sie nicht, dass die Menschen, die
dort noch wohnen, aus der Vergangenheit heraus ein ge-
wisses Anrecht haben, jetzt nicht schon wieder, wenn
auch in einer nicht vergleichbaren Art und Weise, von
Fluglärm und Bombenabwurfsübungen behelligt zu wer-
den?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1423511200
Herr Gehrcke, um einmal auf
eine andere Region der Bundesrepublik Deutschland zu
kommen, in der nächsten Woche werde ich in Geilenkir-
chen sein. Dort geht es um AWACS. Es ist völlig unstrit-
tig, dass jeder fliegerische Übungsbetrieb Lärm mit sich
bringt. Wir wollen aber – darauf habe ich vorhin bereits
hingewiesen – von 25 000 Einsätzen pro Jahr bzw.
450 Einsätzen am Tag auf 1 700 Einsätze pro Jahr herun-
tergehen. Ferner wollen wir, angelehnt an die Praxis von
Nordhorn und Siegenburg, an Werktagen nur noch von
9 bis 17 Uhr mit einer zweieinhalbstündigen Mittags-
pause fliegen. An Feiertagen soll der Luft- und Boden-
schießplatz nicht genutzt werden; vielmehr wird die zwi-
schen den Übungsflächen gelegene Straße für die Bürger
geöffnet werden.

Allerdings muss auch Nachtflug geübt werden; hierbei
geht es vor allem um das Abwerfen von Munition, die aber




Wolfgang Gehrcke
23426


(C)



(D)



(A)



(B)


reine Übungsmunition sein wird, wohingegen durch die
früheren Bombenabwürfe Explosivstoff bis zu 500 Kilo-
meter verbreitet wurde. Wenn Sie sich in Nordhorn und
Siegenburg erkundigen, wird man Ihnen bestätigen, dass
wir diese Tiefflüge vor allen Dingen im Winterhalbjahr
durchführen, weil sie dann zu einem früheren Zeitpunkt
stattfinden können.

Die Bundeswehr möchte diesen Flugplatz übernehmen.
Die Übernahme wäre viel schneller vonstatten gegangen,
wenn die Vorgängerregierung keine Verfahrensfehler
gemacht hätte.


(Lachen des Abg. Hartmut Koschyk [CDU/CSU])


Diese Bundesregierung wird auch dafür sorgen, dass die
riesigen Mengen an Altmunition beseitigt werden. Mehr
kann man eigentlich nicht verlangen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423511300
Eine Frage können Sie
noch stellen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423511400
Man muss nicht mehr,
sondern etwas anderes verlangen: dass die gesamte mi-
litärische Nutzung eingestellt wird.

Letzte Frage: Bei vorangegangenen Debatten – Sie
haben Recht, es ist heute nicht die erste Debatte und auch
nicht die erste Behandlung dieses Themas in einer Frage-
stunde; das macht diese Gegend ja auch etwas berühmt –
haben Sie als Argument angeführt, dass der Bürgermeis-
ter von Wittstock, der der FDP angehört und sich für die
Garnison einsetzt, immer mit einem hohen Stimmen-
ergebnis wiedergewählt worden sei. Nun hat sich die
Stadtverordnetenversammlung in Wittstock, also das
demokratische Stadtparlament, mit großer Mehrheit
gegen eine Fortsetzung der militärischen Nutzung und für
eine zivile Nutzung ausgesprochen. Würden Sie mir zu-
stimmen, dass ein Beschluss einer Stadtverordnetenver-
sammlung mindestens so gewichtig wie die private Mei-
nung eines Bürgermeisters ist?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1423511500
Ich habe die Unterlagen dabei;
ich wusste, dass Sie mich danach fragen würden. Ob es
nun die private Meinung des Bürgermeisters ist oder ob
ein Stadtrat dazu noch zusätzliche Auskünfte bekommen
möchte, lasse ich dahingestellt sein. Ich habe mir jeden-
falls fest vorgenommen, einmal mit den Bürgern in Witt-
stock zu reden. Ich war Vorsitzende des Gesprächskreises
Kommunalpolitik und weiß daher, welche Rechte Kom-
munalparlamenten zustehen.

Was wir hier tun, ist sinnvoll und richtig. Dass eines
unserer Ausbildungsregimenter dort stationiert ist, ist ge-
rade für die Entwicklung von Wittstock eine schöne
Sache. An einer solchen Stationierung ist auch Herr
Koschyk interessiert, übrigens auch der Stadtrat von Witt-
stock. Dieser Truppenübungsplatz ist zur Entlastung von
Siegenburg und Nordhorn erforderlich. Er wird von uns
sehr viel weniger und behutsamer genutzt, als es in der
Vergangenheit der Fall war. Daher gehe ich davon aus,

dass die Menschen dort eines Tages dankbar sein werden,
dass sie diesen Truppenübungsplatz nicht verhindern konn-
ten.


(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Wir werden sehen!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423511600
Es gibt jetzt noch eine
letzte Nachfrage des Kollegen Koschyk.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Zu beiden Fragen!)


– Ach, zu beiden Fragen. Das ist sehr geschickt; damit
darf er zwei Fragen stellen.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1423511700
Frau Staatssekretä-
rin, Sie haben in der Antwort auf die Frage des Kollegen
Gehrcke nur auf die bei der Veranstaltung jüngst in dieser
Region geäußerte Auffassung des Vorsitzenden der Bünd-
nisgrünen, Herrn Kuhn, abgehoben. Wie bewerten Sie es
denn, dass dem Deutschen Bundestag ein Gruppenantrag
vorliegt, von mehreren Kolleginnen und Kollegen auch
Ihrer Fraktion unterschrieben – auch von Kolleginnen und
Kollegen, die sich mit Verteidigungsfragen befassen –,
der sich ebenfalls dagegen ausspricht, diesen Übungsplatz
weiterhin militärisch zu nutzen, und der sich für eine zi-
vile Nutzung einsetzt?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1423511800
Auf der einen Seite sind die
Antragsteller frei gewählte Abgeordnete. Auf der anderen
Seite gehöre ich zu den Leuten, die nach dem Motto le-
ben: Man muss den Menschen auch die Wahrheit sagen.
In diesem Falle sieht die Wahrheit so aus, dass die Vertei-
lung nicht so erfolgen kann, dass die schönen Dinge den
neuen Bundesländern zugute kommen, während sich der
Übungsbetrieb auf die alten Bundesländer beschränkt.

Wir haben inzwischen einige hervorragende Beispiele
dafür, dass die Bevölkerung damit, wie die Bundeswehr
die in Betrieb befindlichen Truppenübungsplätze benutzt,
außerordentlich zufrieden ist. Ich betreue den Unteraus-
schuss Neue Bundesländer und kann nur sagen, dass das
zutraf, ob ich nun in Ohrdruf oder in der Oberlausitz, in
Jägerbrück oder in anderen Gebieten war. Deswegen
haben wir den Kollegen, die diese Anträge gestellt haben,
gesagt: Das mag ja vielleicht ganz spektakulär sein; aber
wir sind der Überzeugung, dass unsere Position richtig ist.
Es ist ihr Recht, solche Anträge zu stellen; die Mehrheit
des Bundestages wird aber mit ihrer Stimme diesen
Antrag ablehnen.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1423511900
Wie bewerten Sie es
dann, Frau Staatssekretärin, dass der Unterausschuss
Neue Länder beschlossen hat, über diesen Gruppenantrag
eine Anhörung durchzuführen, dass es also im Ausschuss
eine Mehrheit für die Durchführung einer Anhörung zu
diesem Thema gab?

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1423512000
Es tut mir Leid; ich kann mich




Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte

23427


(C)



(D)



(A)



(B)


nicht daran erinnern. Ich war verwundert, als ich dies las.
Ich war bei jeder dieser Sitzungen anwesend, weil ich den
Unterausschuss Neue Bundesländer des Verteidigungs-
ausschusses begleite.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1423512100
Nach meiner Kennt-
nis führt einer der mit diesem Gruppenantrag befassten
Ausschüsse eine Anhörung durch. Nach meiner Kenntnis
ist es der Unterausschuss Neue Länder.

B
Brigitte Traupe (SPD):
Rede ID: ID1423512200
Das glaube ich nicht, weil das
Truppenübungskonzept Angelegenheit des Gesamtaus-
schusses ist. Es kann sein, dass sich der Verteidigungs-
ausschuss damit befassen wird.


(Susanne Kastner [SPD]: Die Kenntnisse kann man ja auch außerhalb dieses Hauses klären!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1423512300
Auch ich glaube, dass
das außerhalb der Sitzung zu klären ist. – Es liegen keine
weiteren Fragen vor. Danke, Frau Staatssekretärin.

Die Fragen 31, 32 und 33 zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Gesundheit werden schriftlich
beantwortet. Damit ist die Fragestunde beendet.

Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr. Dann beginnt
– vorgezogen – die Aktuelle Stunde.


(Unterbrechung von 14.43 bis 15.00 Uhr)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1423512400
Die unterbrochene
Sitzung ist wieder aufgenommen.

Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Haltung derBundesregierung zu den anhaltend
hohen Arbeitslosenzahlen in Deutschland, zu
den im europäischen Vergleich niedrigen
Wachstumsraten und den geringen Investi-
tionen in Straße und Schiene

Ich darf darauf hinweisen, dass wir uns in der Aktuel-
len Stunde befinden. Daher darf mit Ausnahme der Bun-
desregierung nicht länger als fünf Minuten gesprochen
werden.

Ich eröffne die Aussprache. Sind alle da? – Das scheint
der Fall zu sein. Dann hat als erster der Kollege Peter
Rauen für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.


Peter Rauen (CDU):
Rede ID: ID1423512500
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! „Es wird und wird
nicht besser“, so hat die „Bild“-Zeitung die Arbeitslosen-
zahlen vom April dieses Jahres kommentiert. Es wird
nicht nur nicht besser, es wird im Kern immer schlechter.
Gerade im April dieses Jahres waren gegenüber dem Vor-
jahresmonat 156 000 Arbeitslose mehr zu verzeichnen als
ein Jahr zuvor. Das war die höchste Arbeitslosenzahl in ei-
nem April seit 1998. Wenn es richtig ist, dass der Arbeits-

markt ein Spiegelbild der Wirtschafts-, Finanz- und Sozi-
alpolitik ist, dann ist die Lage dort ein einziges Desaster.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Kanzler Schröder wollte, wie er in seiner Regierungs-

erklärung gesagt hat, an dem gemessen werden, was er auf
dem Arbeitsmarkt bewegt. Wir werden im Jahre 2002 in
Deutschland über 4 Millionen Arbeitslose haben. Damit
hat er sein Ziel weit verfehlt; er ist auf dem Arbeitsmarkt
gescheitert.


(Heinz Wiese [Ehingen] [CDU/CSU]: Sogar meilenweit!)


Ich möchte noch mit einer Auffassung aufräumen, die
immer wieder von der Bundesregierung ins Feld geführt
wird, nämlich dass auf dem Arbeitsmarkt zusätzliche Be-
schäftigungsverhältnisse geschaffen wurden. Ich verweise
auf die Ergebnisse des Statistischen Bundesamtes. Hie-
raus geht ganz klar hervor, dass wir in Erwerbstätigen-
stunden gerechnet im Jahr 2002 in Deutschland weniger
arbeiten werden als im Jahr 1998. Das heißt, die ver-
meintlichen Erfolge auf dem Arbeitsmarkt hat es zu kei-
nem Zeitpunkt gegeben. Wir haben zwar mehr Teilzeit-
arbeitsverhältnisse, aber trotzdem wird in Deutschland
nicht mehr gearbeitet. Steuern und Abgaben werden nicht
auf den Arbeitsplatz gezahlt, sondern von den geleisteten
Stunden. Dabei liegen wir heute schlechter als im
Jahre 1998. Dann wird immer wieder die Wachstums-
schwäche, die wir haben, genannt. Wir haben ja in den
letzten zwei Jahren in Europa bezüglich des Wachstums
unvergleichlich weit hinten gelegen.


(Peter Dreßen [SPD]: Das haben wir seit 1993!)


Nach Einschätzung der Regierung vom November 2000
hätten wir in den Jahren 2001 und 2002 rund vier Prozent
Wachstum haben sollen. Dieses hat in Deutschland nicht
stattgefunden.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das hat Gründe!)


Vier Prozent Wachstum, gemessen am Bruttoinlands-
produkt, bedeuten, dass Wachstum im Wert von rund
165 Milliarden DM stattgefunden hätte. Bei einer Steuer-
und Abgabenquote von fast 44 Prozent wird, gemessen
am Wachstum, klar, warum Bund, Ländern, Gemeinden
und den Sozialversicherungskassen insgesamt rund
65 Milliarden DM an Einnahmen fehlen. Dies ist das Er-
gebnis einer verfehlten Wirtschafts-, Finanz- und Sozial-
politik dieser rot-grünen Bundesregierung.

Ich habe schon bei der Steuerdiskussion im Mai 2000
gesagt: Wer eine solche Politik gegen den Mittelstand und
die Arbeitnehmer macht wie diese Regierung,


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Das müssen Sie gerade sagen! Besteuerung der Nachtschichtzulage!)


der wird am Arbeitsmarkt brutal scheitern. Genau das ist
heute eingetreten. Alle 15 Minuten geht in Deutschland
ein Unternehmen in die Insolvenz.


(Peter Dreßen [SPD]: Jetzt warten wir nur noch auf die Ökosteuer!)





Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte
23428


(C)



(D)



(A)



(B)


Dabei sind noch nicht die mitgerechnet, die ihren Betrieb
aufgeben, weil er sich für sie nicht mehr rechnet: 33 000
im letzten Jahr, 40 000 werden es in diesem Jahr sein.
Ohne Unternehmer gibt es keine Arbeitsplätze.

Ich verstehe schon, dass die Gewerkschaften höhere
Löhne fordern und dass in Deutschland im Moment ein
Arbeitskampf im Gange ist;


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Sehr wahr!)


denn auch die Gewerkschaften sind von dieser Regierung
in die Irre geführt worden.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist doch eine Lachnummer, die Sie da abziehen, Herr Rauen! Das glaubt doch keiner!)


Sie haben geglaubt, dass die Lohnzusatzkosten reduziert
würden. Auch mit diesem Versprechen ist die Regierung
brutal gescheitert.


(Peter Dreßen [SPD]: Sie haben sie von 34 auf 42 Prozent hochgetrieben!)


– Sie mögen ja hier Zwischenrufe machen, aber nehmen
Sie bitte die Fakten zur Kenntnis.


(Peter Dreßen [SPD]: Wer hat sie denn hochgetrieben?)


In meinem Betrieb betragen die Sozialversicherungs-
beiträge in diesem Jahr 41,9 Prozent. Sie lagen im
Jahr 1998 bei 42 Prozent. Das heißt, meine Mitarbeiter ha-
ben lediglich 0,1 Prozent weniger an Lohnzusatzkosten.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1423512600
Herr Kollege, Ihre
Redezeit ist zu Ende.


Peter Rauen (CDU):
Rede ID: ID1423512700
Ja. – Das sind bei einem
Gehalt von 5 000 DM 2,50 DM für den Arbeitnehmer und
2,50 DM für den Betrieb pro Monat,


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wir rechnen immerhin schon in Euro!)


und das bei einer unvergleichlichen Erhöhung der Ener-
giekosten, angetrieben durch die Ökosteuer, wobei die
Steuerreform und die moderaten Lohnabschlüsse der letz-
ten Jahre – weil die Gewerkschaften der Regierung ge-
glaubt hatten – völlig konterkariert wurden durch das, was
an Lohnmehrkosten aufgebracht werden musste.


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Schämen Sie sich gar nicht, so etwas zu sagen?)


Vor diesem Hintergrund muss man leider feststellen,
dass es überhaupt keine Anzeichen gibt, dass wir vor ei-
ner Besserung stünden. Selbst der Geschäftsklimaindex –


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1423512800
Herr Kollege, Ihre
Redezeit ist weit überschritten. Wir sind in der Aktuellen
Stunde.


(Zurufe von der SPD: Abschalten!)



Peter Rauen (CDU):
Rede ID: ID1423512900
– ja, ich komme zum
Ende –, der von Herrn Eichel als Indiz für ein bevorste-
hendes Wachstum bemüht worden ist, hat sich beim letz-
ten Mal wieder verschlechtert.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1423513000
Ich erteile das Wort
dem Bundesarbeitsminister Walter Riester.

Walter Riester,Bundesminister für Arbeit und Sozial-
ordnung: Meine Damen und Herren! Ich bin sehr für eine
Debatte zu diesem Thema, aber ich frage mich, warum die
Opposition sie mit Unwahrheiten beschmutzt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Weiermann [SPD]: Weil sie nichts anderes draufhat!)


Es ist nicht so, dass die Arbeitslosigkeit stagniert, son-
dern wir haben die Arbeitslosigkeit um 10 Prozent redu-
ziert, und zwar eine Arbeitslosigkeit, die wir von Ihnen
übernommen haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Von 1,8Millionen im Jahr 1982 auf 4,8Millionen stieg sie
in der Verantwortung Ihrer Regierung.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: So war das!)


Ich kann ja verstehen, dass die Bewältigung des Pro-
blems einigen Leuten zu langsam ging. Aber ich kann
nicht verstehen, dass diejenigen, die das Problem verur-
sacht haben, nun mit dem Finger auf uns zeigen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Peter Rauen [CDU/CSU]: Herr Riester, das glaubt Ihnen doch kein Mensch mehr! Sie sind seit vier Jahren in der Regierung! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was hatten Sie sich denn als Ziel gesetzt?)


Ich freue mich über die zurückgehende Arbeitslosig-
keit; Sie haben Sorge. Besonders freut mich, dass die Ar-
beitslosigkeit schwerbehinderter Menschen um 18 Pro-
zent zurückgegangen ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Auch dieses Ziel werden Sie verfehlen, Herr Minister! Das ist jetzt schon klar!)


Auch das ist nicht von alleine passiert. Wir haben dafür
gesorgt, indem wir mit vielen Aktiven in den Arbeitsäm-
tern konsequent für das Gesetz zur Integration Schwerbe-
hinderter kämpfen und in den Betrieben und Köpfen Bar-
rieren abbauen, um diese Menschen in den Arbeitsmarkt
zu bringen.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Die Jugendarbeitslosigkeit ist gestiegen!)





Peter Rauen

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(C)



(D)



(A)



(B)


Warum haben Sie dagegen gestimmt? Warum wollten Sie
auch das nicht?

Ich freue mich, dass inzwischen 400 000 junge Men-
schen über das JUMP-Programm Zugang zu Arbeit, Aus-
bildung und Weiterbildung bekommen haben. Warum ha-
ben Sie dagegen gestimmt? Warum freuen Sie sich nicht
darüber?


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir können uns nicht freuen, weil wir, was die Zahlen angeht, das Schlusslicht in Europa bilden! Das ist ein Skandal!)


Herr Rauen, ich freue mich, dass 1,2 Millionen Men-
schen zusätzlich in Arbeit sind, seit wir die Regierung
übernommen haben. Dafür brauche ich keine Rechenbei-
spiele; ich freue mich einfach darüber. Warum freuen Sie
sich nicht?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Warum brauchen Sie eine Debatte, in der alles mies ge-
macht wird? Diejenigen, die sich hineinknien, die den
Karren aus dem Dreck ziehen, die vielen Tausenden von
Menschen, die sich der schwierigen Herausforderung der
Arbeitslosigkeit stellen, erleben eine Debatte, in der Sie
alles und jedes mies machen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Sie sperren sich schon gegen die Analyse!)


Wir sind die drittstärkste Wirtschaftsnation der Welt.
Was hören wir von Ihnen? Von Ihnen hören wir, dass das
Wachstum zu gering ist. Haben Sie denn vergessen, dass
das Wachstum in der letzten Legislaturperiode gerade ein-
mal halb so stark war wie jetzt? Haben Sie das vergessen?
Das können Sie doch nicht vergessen haben!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ CSU und der FDP)


Wir freuen uns darüber, dass wir immer noch ein doppelt
so hohes Wachstum haben, obwohl die Wirtschaft in den
USA eingebrochen ist. Dafür stehen wir und dafür kämp-
fen wir.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Das hat mit den USA überhaupt nichts zu tun! – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Vielleicht freuen Sie sich noch über die rote Laterne!)


– Mein lieber Herr dahinten, der Sie von der roten Laterne
sprechen: Die rote Laterne hat schon 1993 aufgeblinkt. Da
waren Sie in der Regierungsverantwortung und haben
freidemokratisch gelächelt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber bei Ihnen ist die Laterne sehr groß geworden!)


Meine Damen und Herren von der Opposition, ich
habe den Eindruck, dass Sie die Menschen nicht mögen,
die gegen die Arbeitslosigkeit kämpfen, dass Sie nicht zu

unserem Land, das stark ist und sich den Herausforderun-
gen stellt, stehen. Warum wohl? Für was braucht die Op-
position ein Schreckensbild, das sie den Menschen immer
wieder vor Augen führt?

Wir stehen zu der Kampagne, 400 000 junge Men-
schen, die Schwierigkeiten haben, in Arbeit zu bekom-
men. Bei Schwerbehinderten, die anderenfalls keine Ar-
beit gefunden hätten, ist die Arbeitslosigkeit um
18 Prozent gesunken. Die Arbeitslosigkeit insgesamt ist
um 10 Prozent geringer geworden. In diesem Monat wird
die Zahl der Arbeitslosen mit Sicherheit unter der
4-Millionen-Grenze liegen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein, nein! Warten Sie einmal ab!)


Was haben wir von Ihnen übernommen? Im Januar/
Februar Ihres letzten Regierungsjahres 4,8 Millionen Ar-
beitslose.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Jetzt haben Sie mehr als im April 1998!)


Was ist dann passiert? Menschen kamen massenweise in
ABM und SAM. Das waren – Herrn Kolb habe ich es vor-
hin aufgezeigt – in Ostdeutschland fast 300 000. Sie ha-
ben versucht, die Statistik zu manipulieren. Das lassen wir
Ihnen nicht durchgehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Johannes Singhammer [CDU/ CSU]: Gerster wartet schon!)


Wir hatten im letzten Monat einen Rückgang der Ar-
beitslosigkeit um 132 000. Auch in diesem Monat wird es
einen deutlichen Rückgang, nämlich um weit über
100 000, geben. Das Job-AQTIV-Gesetz greift. Ich frage
Sie: Sind Sie bereit, nun endlich bei Reformen mitzu-
machen?


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Bei welchen?)


Sie haben sich gegen die jungen Menschen gestellt. Sie
haben gegen das Job-AQTIV-Gesetz gestimmt. Sie haben
gegen die Integration Schwerbehinderter gestimmt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Unsere Bedenken waren doch gerechtfertigt!)


Sie dokumentieren uns ein Land, das so, wie Sie es dar-
stellen, nun wirklich nicht ist.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Ohne Unternehmer gibt es keine Arbeitsplätze! Da können Sie regulieren, so viel Sie wollen!)


– Das ist richtig. Aber auch mit Unternehmern waren bei
Ihnen 4,8 Millionen Menschen arbeitslos.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir haben angefangen, die Rahmenbedingungen zu verändern! Sie haben sie zurückgedreht!)


Auch mit Unternehmern waren bei Ihnen 1,2 Millionen
Menschen weniger in Arbeit. Daran darf ich Sie erinnern.

Ich kann überhaupt nicht erkennen, warum jemand,
wenn diese rückwärts gerichtete Politik weitergeht und




Bundesminister Walter Riester
23430


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(D)



(A)



(B)


Sie sich allem verwehren, auf Sie setzen soll. Wenn Sie
wieder in die Regierungsverantwortung kämen,


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sie werden es erleben! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es dauert nicht mehr lange!)


warum würden Sie nicht erneut unser Land in eine Ar-
beitslosigkeit von bis zu 5 oder 6 Millionen Arbeitslosen
führen? Sie standen kurz vor 5 Millionen. Wer sollte da-
rauf vertrauen, dass Sie unserem Land bei all Ihrem Ver-
weigern und Rückwärtsgerichtetem, bei all dem, woge-
gen Sie sich stemmen, tatsächlich einen Schub der
Erneuerung bringen? Daran glauben große Teile aus Ihren
eigenen Reihen nicht mehr. Sonst würden Sie sich hier
nicht so darstellen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein, nein!)


Wir werden konsequent den Weg der Absenkung der
Arbeitslosigkeit, des Aufbaus von Beschäftigung,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nichts als leere Versprechungen!)


der Hilfe für Problemgruppen, die durch ein Wirtschafts-
wachstum allein keine Unterstützung erfahren und die Ar-
beit finden sollen, gehen. Diese Gruppen habe ich Ihnen
aufgezählt; gegen all diese Gruppen haben Sie sich ge-
stellt.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Stimmt doch überhaupt nicht!)


– Da hinten kräht wieder jemand „Stimmt gar nicht!“.

(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ich krähe nicht! Ich habe etwas gesagt!)

Die Zahl von rund 196 000 arbeitslosen schwer behinder-
ten Menschen haben wir um 35 000 reduziert. Das ist eine
Leistung. Für jeden Einzelnen freue ich mich.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP: Wir beschäftigen solche Leute!)


Ich darf Ihnen auch sagen, dass ABM und SAM

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie hatten ein ganz anderes Ziel! Das werden Sie aber nicht erreichen!)


in weiten Bereichen Ostdeutschlands, wo es keine Ar-
beitsplätze zu vermitteln gibt, die bessere Alternative ist,
als nur Leistungen zu beziehen. Das wissen wir.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ach!)

Vor kurzem war ich in Rosenheim in Bayern. Dort bin

ich vom Diakonischen Werk zu einer wichtigen Jugend-
initiative eingeladen worden. In dieser wichtigen Jugend-
initiative sind Menschen, die an AB-Maßnahmen teilneh-
men. Sie haben Angst, wenn Ihnen erklärt wird, dass dies
alles abgestellt werden soll. Diese jungen Menschen be-
kommen sonst keine Unterstützungsleistungen. Sie haben
mich gefragt: Was ist zu erwarten, wenn es einen Regie-
rungswechsel gibt?


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es wird besser! – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sie bekommen einen Ausbildungsplatz, wenn sie einen haben wollen!)


Ich habe sie nur mit dem konfrontiert, was Ihr Kandidat,
meine Damen und Herren von der FDP, sagt. Dann sind
sie blass geworden. Für mich ist auch dieser Bereich
wichtig. Das war in dem Arbeitsamtsbezirk, der die ge-
ringste Arbeitslosigkeit aufweist, in dem diese jungen
Menschen trotzdem keine Chancen haben,


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Unvorstellbar, was Sie da sagen!)


aber Gott sei Dank vom Diakonischen Werk betreut wer-
den. Diesen 18 Menschen, mit denen ich gesprochen
habe, möchte ich ihre Chancen erhalten. Dies ist mir ge-
nauso wichtig wie Ihre angestrebten 18 Prozent.

Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Das war auch schon mal besser!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1423513100
Für die FDP-Fraktion
erteile ich dem Kollegen Dr. Heinrich Kolb das Wort.


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Ach du lieber Gott! – Gerd Andres [SPD]: Jetzt sind die Sozialdarwinisten dran!)



Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1423513200
Jetzt hören Sie doch erst
einmal zu!


(Gerd Andres [SPD]: Lesen Sie Ihr Programm! Da steht ein Krempel drin!)


Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Gerd Andres [SPD]: Ich habe Ihr Programm gelesen! Da steht ein Scheiß drin!)

Herr Andres, als unlängst die Feierstunde zum 50-jähri-
gen Bestehen der Bundesanstalt für Arbeit stattgefunden
hat, haben deren Beschäftigte vor dem Versammlungssaal
mit Transparenten demonstriert, auf denen zu lesen stand:
„Was sollen wir vermitteln, wenn es keine Arbeitsplätze
gibt?“. Das ist, auf eine kurze Formel gebracht, das ganze
Drama rot-grüner Arbeitsmarktpolitik.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Wolfgang Weiermann [SPD]: Sagen Sie Ihren Freunden Bescheid, sie sollen Arbeitsplätze zur Verfügung stellen!)


Denn, Herr Riester, zwar wollen Sie Arbeitslose ver-
pflichten, sich stärker als bisher um die Wiederaufnahme
von Arbeit zu bemühen.


(Gerd Andres [SPD]: Sie waren doch bis zu Ihrer Abwahl Staatssekretär!)


Sie üben auch Druck auf die Vermittler der Bundesanstalt
für Arbeit aus. Sie setzen, wie wir übrigens schon seit Jah-
ren, verstärkt auf private Arbeitsvermittlung. Dies alles




Bundesminister Walter Riester

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(C)



(D)



(A)



(B)


sind für sich genommen sinnvolle Schritte. Aber, Herr
Riester, Sie übersehen das Wichtigste: Die Arbeitslosig-
keit in unserem Land kann auf Dauer nur dann erfolgreich
reduziert werden, wenn gleichzeitig, also parallel zu die-
sen Maßnahmen, von Unternehmern genügend neue
Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt bereitgestellt wer-
den. Daran krankt es.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Wolfgang Weiermann [SPD]: Warum machen sie es dann nicht?)


– Diese Arbeitsplätze, Herr Kollege Weiermann, kann
man nicht per Gesetz verordnen.


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Aber dummes Zeug reden, das kann man!)


Wenn man dies könnte, hätten Sie schon längst ein solches
Gesetz auf den Weg gebracht.

Neue Arbeitsplätze entstehen, wenn das unternehme-
rische Umfeld stimmt, wenn es Freiräume für eine erfolg-
reiche unternehmerische Betätigung gibt und wenn sich
das Eingehen eines unternehmerischen Risikos nach Steu-
ern auch wirklich lohnt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Hier muss man feststellen: Die rot-grüne Politik krankt
am falschen Paradigma. Wer bei der Formulierung seiner
Gesetze immer das Großunternehmen mit dem Gewerk-
schaftsbüro neben der Betriebskantine vor Augen hat, der
muss ganz zwangsläufig den Mittelstand überfordern.


(Peter Dreßen [SPD]: Jetzt kommt wieder die Mittelstandslüge! Hören Sie doch auf!)


– Nein, das ist keine Mittelstandslüge. Das ist ein Faktum,
Herr Dreßen. Das ist das Problem.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – HansMichael Goldmann [FDP]: Da merkt man, Herr Kollege, dass Sie keine Ahnung haben!)


Sie liegen ganz offensichtlich mit Ihrer Politik falsch.
Im letzten Jahr kam es zu 33 000 Unternehmenszusam-
menbrüchen. In diesem Jahr wird es 40 000 Unterneh-
menszusammenbrüche bzw. Insolvenzen geben. Das
heißt, der Mittelstand, die tragende Säule unserer Volks-
wirtschaft, knickt ein. Das müsste für uns alle eigentlich
ein Alarmsignal sein.


(Beifall bei der FDP)

Dazu kommt, dass die Netto-Existenzgründungsrate
sinkt. Dies ist ein „Erfolg“ des rot-grünen Kampfes gegen
die so genannte Scheinselbstständigkeit. Viele Vollblut-
unternehmer ziehen sich frustriert zurück und geben Ihr
Unternehmen auf, weil es keinen Spaß mehr macht, in
Deutschland selbstständig zu sein und ein Unternehmen
zu führen.


(Peter Dreßen [SPD]: Sie wollen doch keinen Schutz für die Unternehmer!)


Das erklärt – um zum Thema dieser Aktuellen Stunde
zurückzukommen –, warum die Arbeitslosigkeit in
Deutschland auf einem hohen Niveau verharrt und warum

Deutschland mit nur noch 0,6 Prozent Wirtschaftswachs-
tum das Schlusslicht in Europa ist.

Ungefähr 75 Prozent der 3,3 Millionen mittelstän-
dischen Unternehmen in Deutschland haben bis zu fünf
Beschäftigte, 95 Prozent sogar bis zu 20 Beschäftigte.
Wenn jedes der 3,3 Millionen mittelständischen Unter-
nehmen in Deutschland – Herr Dreßen, das ist keine Mit-
telstandslüge, das ist die Wahrheit – nur einen zusätz-
lichen Beschäftigten einstellen würde, hätten wir das
Problem der Arbeitslosigkeit – das werden Sie zugeben
müssen – weitgehend gelöst.


(Wolfgang Grotthaus [SPD]: Fangen Sie als Erster an!)


Deswegen muss der Mittelstand in das Zentrum der Poli-
tik gerückt werden und darf nicht – wie bei Ihnen – nur
eine Randrolle spielen.

Wir von der FDP wollen den Mittelstand in Deutsch-
land aus dem Würgegriff rot-grüner Politik befreien,


(Lachen bei der SPD)

und zwar nicht als Selbstzweck, sondern um die Rahmen-
bedingungen dafür zu schaffen, dass als Ergebnis unter-
nehmerischer Entscheidungen – das ist der einzige Weg,
auch wenn das nicht in Ihr Weltbild passt –


(Beifall bei der FDP)

mehr Arbeitsplätze angeboten werden.


(Peter Dreßen [SPD]: Trotzdem Lüge!)

Deswegen fordern wir ein einfaches, niedriges und ge-

rechtes Steuersystem mit einem einheitlichen Stufentarif
mit Sätzen von 15, 25 und 35 Prozent.


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer zahlt das? Ungedeckte Schecks auf die Zukunft!)


Deswegen wollen wir mehr Freiraum für betriebsnahe
Lohngestaltungen, deswegen wollen wir die Einführung
eines Niedriglohnbereichs mit steuer- und abgabefreien
630-Euro-Jobs. Deswegen wollen wir eine mittelstands-
freundliche Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, das
auch auf die funktionierende informelle Mitbestimmung
in den kleinen und mittleren Unternehmen Rücksicht
nimmt.


(Konrad Gilges [SPD]: Arbeit ohne Lohn!)

Deswegen wollen wir eine Veränderung beim Kündi-

gungsschutz und beim Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
und die Rücknahme des Rechtsanspruchs auf Teilzeitar-
beit. Deswegen wollen wir die Rücknahme des Gesetzes
zur Bekämpfung der so genannten Scheinselbstständig-
keit.

Meine Damen und Herren, das, was ich hier nur schlag-
wortartig skizziert habe und skizzieren konnte, ist, nicht
der bequeme Weg. Darüber sind wir uns allerdings im
Klaren. Aber ich bin heute mehr denn je davon überzeugt:
Es gibt keine Alternative. Darin bestärkt uns nicht nur
– ich habe das schon wiederholt zitiert – der Sachverstän-
digenrat Ihrer Bundesregierung, sondern darin bestärkt
uns auch die EU-Kommission, die sich in einer jüngst ver-




Dr. Heinrich L. Kolb
23432


(C)



(D)



(A)



(B)


öffentlichten Untersuchung mit der Frage beschäftigt hat,
warum Deutschland bei Wachstum und Beschäftigung
hinterherhinkt.

Dort heißt es:
Ohne weit reichende Reformen auf dem Arbeits-
markt könnte der Wachstumsunterschied auf mittlere
Sicht signifikant bleiben.

Passiere nichts, so Kommissar Solbes, werde das Wachs-
tum in Deutschland in den nächsten fünf Jahren nur 2 Pro-
zent ausmachen, im Rest der Eurozone hingegen
2,75 Prozent. Das heißt, die Probleme, die wir bei Wachs-
tum und Arbeitslosigkeit haben, sind hausgemacht. Sie
tragen dafür die Verantwortung.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir werden nach dem 22. September umgehend da-
rangehen, die Rahmenbedingungen für mehr Beschäfti-
gung in Deutschland zu schaffen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1423513300
Jetzt hat die Parla-
mentarische Staatssekretärin Margareta Wolf das Wort.

M
Margareta Wolf-Mayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1423513400
Frau Präsiden-
tin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kolb,
wir wissen, dass Sie lediglich in der Lage sind, schlag-
lichtartig irgendetwas zu erzählen, was in sich wider-
sprüchlich ist. Ihre Konzepte sind unseriös, verehrter Herr
Kollege, das sagen alle Wirtschaftswissenschaftler.

Sie haben gerade die Kommission angesprochen, daher
frage ich: Wie wollen Sie mit dem Ausgabevolumen, das
Sie in Ihrem Programm vorgesehen haben – es sind über
100 Milliarden mehr –, dem Stabilitätspakt genügen?
Oder sind Sie jetzt auch noch Antieuropäer geworden?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist eine falsche Aussage! Das, was Herr Eichel sagt, ist getürkt!)


Mein lieber Herr Kollege, ich schätze Sie sehr, aber
auch ich möchte ein Schlaglicht aus Ihrem Programm zi-
tieren. Hören Sie mir einmal zu, Sie werden nämlich lang-
sam zu einer Haider-Partei, zu einer rechten Partei. In
Ihrem Programm steht


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zurufe von der FDP und der CDU/CSU)


– hören Sie zu –:
Die Interventionsspirale des kollektivistischen Be-
glückungsstaates kennt keine Grenzen. Der Sozialstaat
ist entartet zu einem Wohlfahrts- und Versorgungsstaat,
der mit seinen ausufernden Belastungen die Grund-
lagen unserer Wirtschaftsordnung gefährdet.

Wer war es denn – Herr Kolb, ich erwarte schon und es
ist guter demokratischer Stil, dass man sich zuhört –,


(Dr. Heinrich L. Kolb dass Sie uns mit Haider vergleichen?)


der Zeiss-Jena für jeden Arbeitsplatz im Monat
400 000 DM gezahlt hat? Das waren doch Sie, das waren
nicht wir.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sie erzählen je nach Gusto. Es ist wirklich flaneurhaft,
was Sie hier machen. Ich finde das unverantwortlich.

Heute Morgen hat Theo Waigel anlässlich der Trauer-
feier einen sehr schönen Satz gesagt. Er sagte, wir sollten
uns manchmal zu Gemüte führen, was ältere Parlamenta-
rier sagen. Ich habe vor zwei, drei Wochen Herrn Eppler
gehört. Herr Eppler hat gesagt: Es gibt kein Land in Eu-
ropa, in dem man wöchentlich, monatlich auf Arbeitslo-
sen- statt auf Wachstumszahlen starrt, in dem man nicht
auf die Leute stolz ist, die in diesem Land tatsächlich ar-
beiten, in dem man jede Debatte nutzt, um den Standort
tatsächlich schlecht zu reden. Das ist unverantwortlich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Ihre Politik ist schlecht, nicht der Standort!)


Wir wissen, verehrter Herr Kollege, bereits seit 25 Jah-
ren – auch das hat Eppler gesagt und es ist richtig –, dass
Wachstum und Beschäftigung nicht rein nationalökono-
misch geschaffen werden, sondern dass das von Entwick-
lungen außerhalb von Europa und von Entwicklungen in-
nerhalb von Europa abhängig ist. Seit 25 Jahren werden
wir bei jeder Bundestagswahl mit der These „Den Auf-
schwung wählen“ konfrontiert. Das ist Volksverdum-
mung. Was Herr Rauen hier heute geboten hat, geht genau
in die gleiche Richtung und ist noch nicht einmal kompa-
tibel mit Ihrem Programm.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Da irren Sie aber ganz gewaltig! Oder Sie verstehen es nicht!)


Ich glaube, die Präsenz in dieser Debatte lässt auch deut-
lich werden, dass Sie es selber nicht mehr ertragen, hier
jede Woche die gleiche Debatte zu führen, meine sehr ge-
ehrten Damen und Herren.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Die Aussagen, die Sie gemacht haben, waren unerträglich!)


Wir haben 1 Million neue Arbeitsplätze geschaffen.
Wir haben allein im Bereich der erneuerbaren Energien
100 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Was lese ich im
Programm der FDP? Das Erste, was Sie machen wollen
– die CDU/CSU will das auch –, ist, diesen innovativen
Schritt, diesen Exportschlager, diesen Beschäftigungsmo-
tor abzuschaffen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir wollen den Beschäftigungsmotor Mittelstand stärken!)


Sie müssen sich einmal überlegen: Wollen Sie zurück
oder wollen Sie nach vorne? Wollen Sie zukunftsfähige
Arbeitsplätze schaffen oder wollen Sie wieder ein




Dr. Heinrich L. Kolb

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(D)



(A)



(B)


Arbeitslosenpotenzial von 11,7 Prozent evozieren, wie
Sie es zum Ende Ihrer Regierungszeit hatten? Das wird
die Bevölkerung schon merken. Führen Sie nur jede Wo-
che diese Debatte.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das Wahlergebnis wird Ihnen zeigen, was die Menschen denken!)


– Sie können weiter an Umfragen glauben. Wir glauben
daran nicht so unbedingt.


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte

Ihnen einmal sagen, was die Institute dazu meinen, wie es
dem Wirtschaftsstandort Deutschland wirklich geht; Herr
Riester hat das in Teilen schon gesagt. Wir haben den Vor-
teil, dass wir exportstarke Unternehmen haben und dass
die Entwicklung der Exportvolumina in 2001 laut IMF in
Deutschland bei plus 4,7 Prozent lag. Der Welthandel lag
bei minus 0,2 Prozent, die USA lagen bei minus 4,6 Pro-
zent, Japan lag bei minus 6,5 Prozent und Italien bei plus
1,1 Prozent. Oder lassen Sie mich einmal die Zahlen zur
Arbeitslosenquote nennen, wegen der wir diese Debatte
führen: Eurostat sagt, wir liegen mit 7,9 Prozent niedriger
als alle anderen großen europäischen Mitgliedstaaten,
zum Beispiel als Spanien mit 13 Prozent, als Italien mit
9,5 Prozent, als Frankreich mit 8,6 Prozent. Herr Kolb,
warum sagen Sie unseren Unternehmen, die ja etwas un-
ternehmen sollen, immer, sie seien so schlecht und wir
seien insgesamt die rote Laterne in Europa? Das ist un-
verantwortlich. Das wird den Leistungen der Menschen in
unserem Lande auch nicht gerecht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber der Leistung der Bundesregierung wird es gerecht!)


Wir haben die zweithöchste Anzahl von Patentanmel-
dungen. Patente, das wissen Sie, stehen für Innovationen.
Wir stehen da in Europa gleich hinter Schweden. Die
deutschen Biotech-Firmen haben die höchsten Wachs-
tumsraten in Europa. Die Zahl der Beschäftigten auf die-
sem Gebiet hat sich verdoppelt.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Warum haben wir dann noch 4 Millionen Arbeitslose?)


Das sagt eine Studie aus Baden-Württemberg.
Wir haben natürlich auch ein hohes Maß an wirtschaft-

lichem und sozialem Konsens in Wirtschaft und Gesell-
schaft sowie ein stabiles Wachstum und einen den Struk-
turwandel fördernden Ordnungsrahmen. Wir sollten das
insgesamt einmal zur Kenntnis nehmen. Wenn ich in
Ihrem Programm lese, wie Sie das Bündnis für Arbeit


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Bündnis für Arbeitslosigkeit!)


als ein Degradierungsinstrument beschreiben, dann muss
ich Sie bitten: Reden Sie auch nicht mehr über soziale
Marktwirtschaft. Soziale Marktwirtschaft basiert auf so-
zialem Konsens zwischen den Verbänden der Arbeitgeber,
den Verbänden der Arbeitnehmer und der Politik.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Den haben Sie ruiniert! – Peter Rauen [CDU/CSU]: Nicht auf Interessenpolitik!)


Sagen Sie doch, was Sie wirklich wollen.
Ich kann wirklich dringend empfehlen, dieses Pro-

gramm zu lesen; dann weiß man, was sich hinter diesen
wohlfeilen Sätzen und der „Spaßgesellschaft“ tatsächlich
verbirgt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir freuen uns über jeden, der unser Programm liest!)


Wir sind bei den ausländischen Direktinvestitionen auf
dem höchsten Rang.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Mannesmann macht das meiste davon aus!)


Wir haben – das attestieren uns die Institute – eine
Wettbewerbspolitik, die unfaire Konkurrenz verhindert.
Sehr geehrter Herr Kollege Rauen, wir haben eine Ver-
zehnfachung bei den ausländischen Direktinvestitionen.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Wie ist denn das zustande gekommen?)


Wir liegen bei einer Größenordnung von 80,7 Mil-
liarden Euro. Da ist Vodafone explizit ausgerechnet, ver-
ehrter Herr Kollege. Ich darf schon erwarten, dass auch
Sie sich bisweilen die Zahlen anschauen, wenn Sie uns
schon immer mit diesen Debatten mittwochnachmittags
nerven.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Peter Rauen [CDU/CSU]: Das müssen Sie mir zeigen!)


Wir alle wissen, dass es heute wichtig ist, dass die Be-
schäftigten weitergebildet werden und dass es Bildungs-
initiativen in den Unternehmen gibt. Wir liegen durch un-
sere relativ umfangreichen Fortbildungsmaßnahmen für
Angestellte ziemlich weit vorn in Europa.

Letzte Bemerkung. Deutschland ist in der Rankinglis-
te – und zwar in der aktuellen – auf Platz 15 und somit im-
mer noch vor allen anderen großen EU-Ländern. Groß-
britannien ist auf Platz 16, Frankreich ist auf Platz 22,
Spanien ist auf Platz 23, Italien ist auf Platz 32.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Wer liegt denn vor uns, Frau Wolf? Dänemark, Griechenland, Portugal!)


Allein die Vereinigten Staaten liegen als großes Industrie-
land vor uns.

Verehrter Kollege, Sie beziehen das auf Dänemark,
Österreich und Island. Das sind kleine Länder, die von
daher natürlich eine viel kleinere Arbeitslosenzahl ha-
ben. Sie wissen, dass sie in einer Größenordnung von
300 000 liegt; das entspricht der Einwohnerzahl von
Bonn. Das ist natürlich nicht vergleichbar mit der der
Bundesrepublik Deutschland, die ein starkes Wirtschafts-
land ist.

Ich komme zu meiner letzten Bemerkung: Auch wir
– das ist bei den Ausführungen von Herrn Riester sehr
deutlich geworden – machen uns selbstverständlich Sor-
gen, wenn die Arbeitslosenquote ein wenig steigt oder wir




Parl. Staatssekretärin Margareta Wolf
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(D)



(A)



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Befürchtungen haben müssen, dass der Ölpreis wegen des
Krieges im Nahen Osten steigt.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Machen Sie mal ein bisschen mehr!)


Die Schadenfreude, mit der Sie an das Thema herangehen,
wird ihm allerdings nicht gerecht. Ich weiß, dass man
nicht immer nur zurückschauen, sondern den Blick auch
nach vorne richten sollte. Wenn ich nach vorne schaue,
entdecke ich bei Ihnen allerdings nichts außer unseren Ini-
tiativen, die Sie in Ihrem Programm fortschreiben, ver-
ehrte Kollegen von der CDU/CSU.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ist ja was Neues! – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Alles Quatsch, was Sie sagen!)


Kümmern wir uns gemeinsam um die Arbeitslosen und
verdummen Sie die Leute nicht weiter, indem Sie hier je-
den Mittwoch immer die gleichen Debatten führen und
keine einzige Perspektive aufzeigen!

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Steter Tropfen höhlt den Stein! – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Hier wird deutlich, warum wir so schlecht regiert werden! Erschreckend!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1423513500
Für die PDS-Fraktion
erteile ich dem Kollegen Dr. Klaus Grehn das Wort.


Dr. Klaus Grehn (PDS):
Rede ID: ID1423513600
Sehr geehrte Frau Präsiden-
tin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch das Thema
dieser Aktuellen Stunde reiht sich in den Versuch der
Unionsparteien ein, mit aller Macht zugegebenermaßen
wichtige Themen zu Dauerthemen im Wahlkampf zu
machen.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Sie müssen sich ja nicht daran beteiligen, Herr Grehn! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was sollen wir denn sonst machen?)


– Herr Kolb, an diesem Dauerlauf – er erinnert mich an
den Lauf eines Hamsters im Rad – ist allerdings wenig
Neues. Andere Konzepte haben wir von Ihnen auch in der
Vergangenheit nicht gesehen.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Von Ihnen werden wir auch nicht viel erfahren!)


Gewiss – das sieht auch die PDS so – wiederholt die
Regierung Schröder einige wesentliche Fehler, die ihre
Vorgängerin bereits gemacht hat.


(Dr. Rainer Wend [SPD]: Habe ich mir schon gedacht! Schulterschluss!)


Dazu zählt eine unzureichende Wirtschaftspolitik, die
wenig zur erhofften Wende auf dem Arbeitsmarkt beige-
tragen hat. Dazu gehört auch, dass es wenig Nachhaltig-
keit bei den Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt gibt.
Herr Bundesarbeitsminister, die Bäume wachsen dort
wahrlich nicht in den Himmel. Schließlich beschneidet sie

die dringend notwendigen und zudem Beschäftigung
schaffenden öffentlichen Investitionen. Das geschieht
nicht nur bei Schiene und Straße, wie Sie das in Ihrem An-
trag geschrieben haben.

Bei der Union werden alle diese Sachverhalte und Po-
litikfelder aus wahltaktischen Gründen in Bezug zu den
hohen Arbeitsmarktzahlen gesetzt. Das ist insofern de-
magogisch, als auch die Regierung Kohl bei höherem
Wirtschaftswachstum kein Rezept gegen die damals noch
höhere Arbeitslosigkeit gefunden hat.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Von 1982 bis 1989 sind 3 Millionen Arbeitsplätze entstanden!)


Für die PDS stellt sich natürlich mit aller Schärfe die
Frage, warum es auch dieser Bundesregierung nicht ge-
lungen ist, gegen die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit vor-
zugehen.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Was haben Sie denn reingeschleppt?)


Millionen Wählerinnen und Wähler – übrigens nicht nur
der PDS – stellen sich diese Frage auch. Auch 12 Jahre
nach der Vereinigung ist fast jeder fünfte Ostdeutsche
ohne Erwerbsarbeit. Die Bundesregierung greift zu Mit-
teln, die sie selbst längst als völlig untauglich für einen
Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit erkannt haben
müsste. Dazu gehören die Experimente mit der Bundes-
anstalt für Arbeit und die eigentlich gescheiterten Mo-
delle, wie zum Beispiel das Mainzer Modell. Sie wendet
sich dem Kern des Problems nicht mit tauglichen Mitteln
zu.

Auch die Unionsparteien setzen weiter auf das falsche
Pferd. Sie lassen ihren Kanzlerkandidaten Stoiber ver-
künden, dass neue Arbeitsplätze vor allem im Niedrig-
lohnbereich entstehen.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Reden Sie einmal über Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt!)


So bleibt es erneut der PDS überlassen, der Regierung und
der CDU/CSU zu erklären, dass solche Konzepte nicht
greifen werden. Wären solche Versuche, die Sie vorschla-
gen, nämlich erfolgversprechend, wäre ganz Ostdeutsch-
land ein Eldorado für Arbeitsplatzsuchende.


(Beifall bei der PDS sowie des Abg. Peter Dreßen [SPD])


Das Gegenteil ist aber der Fall. Herr Kolb, Sie wissen
ganz genau, dass der Bruttolohn aller abhängig Beschäf-
tigen in den neuen Bundesländern durchschnittlich
20 762 Euro beträgt. Damit liegt er um 22,5 Prozent un-
ter dem in den alten Bundesländern. Dennoch ist die Ar-
beitslosenrate um das 2,3-fache höher; die Beschäftigung
hat in den neuen Bundesländern dramatisch abgenom-
men.


(Gerd Andres [SPD]: Sehr wahr!)

Das führt Ihre Aussagen eigentlich ab absurdum.




Parl. Staatssekretärin Margareta Wolf

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(B)


Der Kern des Problems liegt ganz woanders. Er liegt in
der Schaffung von Arbeitsplätzen mit existenzsicherndem
Einkommen oberhalb der Armutsgrenze.


(Beifall bei der PDS)

Eine solche Entwicklung sichert die Steigerung der Bin-
nennachfrage, die die Wirtschaft ankurbelt und zusätzli-
che Arbeitsplätze schafft. Das Warten auf Automatismen
und das Schielen auf die amerikanische Konjunktur ist lö-
sungshemmende Untätigkeit. Das muss die gegenwärtige
Koalition den Wählerinnen und Wählern erklären.

Nichts deutet darauf hin, dass das erwartete Wunder ei-
nes beschäftigungswirksamen Wachstums von mehr als
2,3 Prozent in diesem Jahr eintreten wird. Aus Wahl-
kampfgründen die geplanten tiefen Einschnitte in die so-
zialen Sicherungssysteme zu verschweigen oder zu ver-
schieben wird die Menschen in Deutschland nicht mehr
ruhig stellen können.

Auch die PDS hat keinen Königsweg zur massenhaf-
ten Schaffung von Arbeitsplätzen.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Das ist sehr ungewöhnlich!)


Aber wir weisen auf eine ganze Reihe von Problemen hin.
Ich nenne zum Beispiel das Stichwort Reserve. Der Kanz-
ler hätte beim Bündnis für Arbeit mit der Faust auf den
Tisch schlagen sollen. Die Bundesregierung hat jedoch im
Gegensatz zur PDS kein erkennbares Konzept zur nach-
haltigen Senkung der Arbeitslosigkeit. In ihrem beschäf-
tigungspolitischen Programm hat die PDS eine Reihe von
Vorschlägen eingereicht. Ich nenne nur einige: Auswei-
tung der öffentlichen Investitionen und ein kommunales
Infrastrukturentwicklungsprogramm. Wir können Ihnen
dieses Konzept gerne zur Verfügung stellen und die De-
tails dazu erklären.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Sie können es schon einmal in Mecklenburg-Vorpommern oder in Berlin ausprobieren!)


Das bedeutet etwa 5 Millionen neue Arbeitsplätze.
Die PDS stimmt mit den Unionsparteien überein: Die

Untätigkeit und das der Union bekannte Aussitzen von le-
benswichtigen Problemen unseres Volkes seitens dieser
Bundesregierung müssen beendet werden. Ob das aller-
dings der zukünftige Kanzler besser als der vor 16 Jahren
macht, ist nicht klar.


(Beifall bei der PDS – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Der künftige Kanzler macht es besser! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Sie können Ihr Programm ja in Berlin umsetzen!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1423513700
Für die SPD-Fraktion
erteile ich nun das Wort dem Kollegen Dr. Rainer Wend.


Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1423513800
Frau Präsidentin! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Kurz vor den Bundes-
tagswahlen ist es Zeit, die Regierungszeit bis 1998 und

die letzten vier Jahre miteinander zu vergleichen. Der Ver-
gleich lohnt sich.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir vergleichen Ihre Versprechungen mit dem, was heute ist!)


Arbeitslosenzahl 1998 unter Schwarz-Gelb 4,3 Milli-
onen, heute 3,8 Millionen; ein Minus von 10 Prozent.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Im April dieses Jahres waren es mehr Arbeitslose als vor einem Jahr!)


Langzeitarbeitslosenzahl 1998 unter Schwarz-Gelb
1,5 Millionen, heute 1,2 Millionen; ein Minus von
15,7 Prozent.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Sie treiben Unzucht mit Zahlen!)


Die Zahl älterer Arbeitsloser 1998 unter Schwarz-Gelb
950 000, heute 714 000; ein Minus von 24,8 Prozent.
Nettolöhne und -gehälter 1998 unter Schwarz-Gelb
508 Milliarden Euro, heute 596 Milliarden Euro; ein Plus
von 17,2 Prozent. Kreditaufnahme des Bundes 1998 un-
ter Schwarz-Gelb 28,8 Milliarden Euro, heute 22,3 Milli-
arden Euro; ein Minus von 22,5 Prozent. Ausgaben für
Bildung und Forschung 1998 unter Schwarz-Gelb
7,27 Milliarden Euro, heute 8,4 Milliarden Euro; ein Plus
von 15,5 Prozent. Forschungsförderung Ostdeutschland
1998 unter Schwarz-Gelb 8,4 Milliarden Euro, heute
11,8 Milliarden Euro; ein Plus von 24,4 Prozent.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ob Sie damit die Wähler überzeugen werden?)


Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur 1998 unter
Schwarz-Gelb 9 Milliarden Euro, heute 11,5 Milliar-
den Euro; ein Plus von 21,5 Prozent.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Durchschnitt der ausländischen Direktinvestitionen in
den 90er-Jahren unter Schwarz-Gelb 13 Milliarden Euro,
Durchschnitt unter Rot-Grün in vier Jahren 90 Milliar-
den Euro.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Brutto oder netto?)


Durchschnittliches Wachstum des Bruttoinlandsproduk-
tes in den 90er-Jahren unter Schwarz-Gelb 1,2 Prozent,
durchschnittliches Wachstum unter Rot-Grün in vier Jah-
ren 1,8 Prozent.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jetzt bitte die aktuellen Umfrageergebnisse!)


Es gibt keine ökonomische Kennziffer, bei der Rot-
Grün nach vier Jahren nicht deutlich besser liegt, als Sie
am Ende Ihrer Regierungszeit gelegen haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Peter Rauen [CDU/CSU]: Das merkt nur keiner!)


– Ich weiß, Sie führen lieber ominöse Lampen- und Lich-
terdebatten. Aber wenn es um die harten Fakten geht,




Dr. Klaus Grehn
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(D)



(A)



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dann kneifen Sie, weil Sie nichts zu bieten haben, was sich
mit unseren Leistungen vergleichen lässt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN– Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Peter Rauen [CDU/CSU]: Wir kneifen überhaupt nicht!)


Aber erinnern wir uns – das ist ja das Schöne; es ist
noch gar nicht so lange her, dass Schwarz-Gelb regiert
hat –: Was haben uns die Herrschaften, die mit lauter
Stimme reden, aber nicht gut zuhören können, hinterlas-
sen? 1,5 Billionen DM Staatsverschuldung – die höchste
Verschuldung, die unser Land je gehabt hat –, 4,3 Milli-
onen Arbeitslose – die höchste Zahl von Arbeitslosen –,
42,3 Prozent Sozialversicherungsbeiträge – hochgetrie-
ben in Ihrer Regierungszeit von 34 auf 42,3 Prozent –


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Und Sie haben die Ökosteuer!)


und die höchste Steuerlast, die es in unserem Land je ge-
geben hat.


(Lachen bei der FDP)

Die Erblasser dieses ökonomischen Desasters aber führen
mit uns Schlusslichtdebatten. Meine Damen und Herren,
ich kann an Ihre Seite gewandt nur sagen: Das ist unan-
ständig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie leben in einer ganz anderen Welt, Herr Wend! Da gibt es anscheinend keine Probleme!)


Sie wollen vielleicht nicht so gerne – das mag für Sie
auch nicht so angenehm sein – die Zahlen der Vergangen-
heit hören. Dann wenden wir uns einmal den Konzepten
für die Zukunft zu. Die FDP schlägt vor: dreimal unter
35 Prozent, also Staatsquote, Steuern und Abgaben unter
35 Prozent senken.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Meinen Sie, dass Sie das richtig verstanden haben?)


Dazu hat der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende, Herr
Merz, gestern etwas Schönes in der „Welt“ gesagt:

Während, mit Verlaub, eine Zielsetzung „drei Mal
35“ ziemlich albern ist ...

Dem ist nichts hinzuzufügen, Herr Kolb.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie sollten mal vom FDP-Parteitag erzählen! Dann bin ich sofort dabei!)


Er hat in dem Interview etwas später noch gesagt:
Beim FDP-Parteitag hat offensichtlich ein kollekti-
ves Besäufnis ohne Alkohol stattgefunden.

(Heiterkeit bei der SPD – Beifall der Abg. Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Sie schmücken sich mit falschen Gags!)


Ich meine, dabei müssen wir Herrn Brüderle als Wein-
bauminister in Schutz nehmen. Ein bisschen Alkohol wird

sicherlich dabei gewesen sein; aber ansonsten will ich
dem gerne folgen.

Wenn aber die FDP so hart kritisiert wird, frage ich
mich im Hinblick auf die CDU/CSU: Warum kopieren Sie
dann fast die FDP und tauschen die 35 Prozent nur gegen
40 Prozent aus?


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Weil unsere Vorschläge gut sind, Herr Wend, und weil es keine Alternative gibt!)


Wissen Sie, was es bedeuten würde, wenn die Staatsquote
tatsächlich auf unter 40 Prozent gesenkt würde?


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Das wissen wir!)

170Milliarden Euro weniger Staatsausgaben durch Bund,
Länder und Kommunen. Wo bleiben dann die Investitio-
nen für den Straßenbau, für die Krankenhäuser, Schulen
und Kindergärten?


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Wir haben in den 80er-Jahren gezeigt, wie das geht!)


Wo bleiben das Krankengeld und das Arbeitslosengeld?
Entweder sind Sie ökonomisch nicht ernst zu nehmen,

weil Sie nicht zu Ende denken, oder Sie wollen diesen So-
zialstaat kaputtmachen.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Ach, Unfug!)

Beides sind Gründe, die zeigen, dass Ihre Regierungsun-
fähigkeit nach wie vor umfassend ist, meine Damen und
Herren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1423513900
Herr Kollege, Ihre
Redezeit ist um.


Dr. Rainer Wend (SPD):
Rede ID: ID1423514000
Das ist eigentlich schade.
Lassen Sie mich zum Schluss noch Folgendes sagen.

Wir wissen, dass die letzten vier Jahre nicht einfach wa-
ren, aber dem Kompass, den Fixsternen zu folgen, die Er-
neuerung unserer Gesellschaft zu betreiben, ohne dabei
den sozialen Zusammenhalt aus den Augen zu verlieren,
ist die wirkliche Staatskunst, der wir uns auch in Zukunft
widmen werden. Die Bürger merken das und werden es
honorieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Dann sagen Sie mal, wie die aktuellen Umfragewerte im Vergleich zu 1998 sind! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Das war jetzt Unzucht mit Zahlen!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1423514100
Das Wort hat jetzt der
Kollege Ulrich Klinkert für die CDU/CSU-Fraktion.


(Gerd Andres [SPD]: Jetzt sind wir aber mal gespannt!)





Dr. RainerWend

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(C)



(D)



(A)



(B)



Ulrich Klinkert (CDU):
Rede ID: ID1423514200
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Wend hat
in den Saal gerufen: Es ist Zeit zu vergleichen. Herr Kol-
lege Wend, jetzt vergleichen wir einmal, und zwar das
Wahlprogramm der SPD aus dem Jahr 1998 mit den er-
reichten Realitäten.


(Zuruf von der SPD: Aber ehrlich bleiben! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Auch interessant, Herr Wend!)


Unter der Überschrift „Arbeit, Innovation und Gerech-
tigkeit“ wurden den Menschen 1998 viele konkrete Ver-
sprechungen gemacht. Bundeskanzler Schröder verstieg
sich sogar zu der Aussage, dass es die SPD nicht verdie-
nen würde, wieder gewählt zu werden, wenn es nicht ge-
linge, die Arbeitslosigkeit unter 3,5Millionen zu drücken.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist wahr! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das stimmt! Der Mann hat Recht!)


Wir werden ihn beim Wort nehmen, meine Damen und
Herren.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Das SPD-Programm des Jahres 2002 ist dagegen sehr

viel schwammiger. Es steht nicht mehr unter der Über-
schrift „Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit“, sondern
unter der Überschrift: Schröder, Schröder, Schröder.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So ein Unsinn!)


Man darf sehr gespannt sein, wie die Bundesregierung in
dem zu erwartenden Wahlkampf ihr Versagen in der Wirt-
schaft und vor allen Dingen in der Arbeitsmarktpolitik be-
gründen will.


(Gerd Andres [SPD]: Können Sie den Namen des Bundeskanzlers mal wiederholen! Den hören wir so gerne!)


Falls der Bundeskanzler auch im Sommer des Jah-
res 2002 zu einer Tour durch die neuen Bundesländer star-
ten will, hat er in Leipzig schon einmal einen Vorge-
schmack darauf bekommen, dass es inzwischen in den
neuen Bundesländern nicht mehr reicht, mal die Ost-
cousinen zu besuchen oder sich bei einer Grundstein-
legung ins Bild zu drängeln.


(Gerd Andres [SPD]: Sie waren doch auch einmal Parlamentarischer Staatssekretär, bis Sie abgewählt wurden, nicht?)


Nein, die Menschen in den neuen Bundesländern wollen
konkrete Antworten auf ihre besorgten Fragen. Es war
sehr bemerkenswert, dass die beiden Vertreter der Bun-
desregierung in der heutigen Debatte so gut wie nichts
über die neuen Bundesländer gesagt haben.


(Gerd Andres [SPD]: Wie Herr Kolb! – Gegenruf des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Auch Sie sind bald ein ehemaliger!)


Die Menschen in den neuen Bundesländern wollen
wissen, warum entgegen allen Wahlversprechen nach vier
Jahren rot-grüner Regierung die Chefsache Aufbau Ost

im April 2002 zu einer historischen Rekordarbeitslosig-
keit von 18,1 Prozent in den neuen Bundesländern geführt
hat. Sie wollen wissen, warum die Schere zwischen Ost
und West hinsichtlich der Arbeitslosigkeit und des Wirt-
schaftswachstums immer weiter auseinander geht.


(Dr. Rainer Wend [SPD]: Wegen der SPD!?)

Sie wollen auch wissen, warum die Schere zwischen
Deutschland und Europa hinsichtlich der Arbeitslosigkeit
und des Wirtschaftswachstums immer weiter zuunguns-
ten Deutschlands auseinander geht.


(Gerd Andres [SPD]: Das ist doch Unsinn, Herr Staatssekretär a. D.!)


Die Bundesregierung will alles mit der schwächelnden
internationalen Konjunktur begründen. Frau Wolf, Sie ha-
ben das Beispiel Spanien gebracht und darauf verwiesen,
dass dort die Arbeitslosenquote mit zurzeit 13 Prozent we-
sentlich höher sei. Sie haben aber verschwiegen, dass die
Arbeitslosenquote in Spanien vor vier Jahren bei 20 Pro-
zent lag. Während Spanien unter diesen Voraussetzungen
eine äußerst erfreuliche Entwicklung genommen hat, ist
die Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern Jahr für
Jahr dramatisch gestiegen. Das ist das Ergebnis rot-grüner
Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Weiter heißt es in dem SPD-Regierungsprogramm von

1998:
Arbeitsplätze schaffen und Arbeitsplätze sichern, das
steht im Mittelpunkt unseres Regierungsprogramms.

Aber die Realität sieht so aus – Herr Riester, da können
Sie die Statistik verbiegen, wie Sie wollen –, dass im Jahre
2002 in den neuen Bundesländern genau 200 000 Arbeits-
plätze weniger zur Verfügung stehen als im Jahre 1998.
Dies hat zu dem historischen Höchststand der Arbeitslo-
senquote von 18,1 Prozent geführt, und das, obwohl die
Abwanderung aus den neuen Bundesländern beispiels-
weise im vergangenen Jahr so hoch war wie nur kurz nach
der Wende. Die Menschen glauben einfach nicht mehr an
die Chefsache Aufbau Ost dieses Bundeskanzlers.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Kein Wunder!)


Weiter steht im SPD-Regierungsprogramm von 1998:
„Wir wollen eine neue Chance für Ostdeutschland.“ Die
SPD sei die einzige Partei, die die berechtigten Interessen
der ostdeutschen Bürgerinnen und Bürger mit bundes-
deutscher Kraft durchsetzen könne.


(Konrad Gilges [SPD]: Sehr richtig! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das kannst du getrost vergessen!)


Das war vielleicht 1998 für viele Menschen eine gewisse
Hoffnung. Aber das klingt heute in den Ohren der Bürger
der neuen Bundesländer wie blanker Hohn.


(Beifall bei der FDP)

Von wegen Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit: Statt

Arbeit bewegt sich die Arbeitslosigkeit aufgrund einer






(C)



(D)



(A)



(B)


verfehlten Mittelstandspolitik und der Streichung einer
ganzen Reihe von Mitteln für den Aufschwung Ost auf
Rekordniveau. Statt Innovation wird eine Sozialpolitik
des 19. Jahrhunderts betrieben, die den Arbeitsmarkt
lähmt und dem Standort Deutschland schadet. Völlig ver-
fehlt ist beispielsweise die Energiepolitik. Statt Gerech-
tigkeit gibt es eine schamlose Abzocke durch die Öko-
steuer, die insbesondere die sozial Schwachen trifft und
dem Wirtschaftsstandort Deutschland schadet. Statt Ge-
rechtigkeit gibt es einen rot-grünen Rentenbetrug, der nur
einen Inflationsausgleich statt einer gesetzlich verbürgten
Angleichung der Renten an die Nettolöhne gebracht hat.


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Das musst du mal erklären! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So ein Unsinn! Noch nie hat es so hohe Rentenerhöhungen wie in dieser Regierungszeit gegeben!)


Nur eine einzige Aussage des Regierungsprogramms
der SPD von 1998 hat heute eine erstaunliche Aktualität
erfahren. Zu Beginn dieses Programms ist zu lesen:
„Deutschland braucht einen Politikwechsel. Die Zeit für
den Wechsel ist da.“ Das stimmt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1423514300
Nun erteile ich das
Wort der Kollegin Dr. Thea Dückert für Bündnis 90/Die
Grünen.


Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1423514400

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
Herr Rauen hat sich zu Beginn der Aktuellen Stunde sei-
ner eigenen Fraktion zugewandt und gesagt, er müsse ei-
gentlich nur das wiederholen, was er in vielen vergange-
nen Sitzungen und Aktuellen Stunden schon vorgetragen
habe.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Zu eurer Steuerreform 2000!)


Wenn man sich vor diesem Hintergrund anschaut, welche
Präsenz Sie von der CDU/CSU aufbieten, dann weiß man,
wie ernst Sie dieses Thema nehmen, das Sie selber auf die
Tagesordnung gesetzt haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Für diese schlappe Regierung brauchen wir nicht mehr Leute!)


Heute wurde in einer Zeitung – ich glaube, es war das
„Handelsblatt“ – die Frage aufgeworfen, warum in den
Wahlkampfprogrammen der Parteien, in der letzten Wo-
che beispielsweise der FDP, immer das Nirwana be-
schrieben wird, nicht aber Konzepte, mit denen in der
Realität die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen
verbessert werden können.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie sind da die Ausnahme, Frau Dückert!)


Ich bin ziemlich sicher, dass sich die Wählerinnen und
Wähler von diesem Nirwana nicht einlullen lassen. Aber
genau dieses Nirwana wird immer wieder beschrieben.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir haben ganz konkrete Vorschläge!)


Schauen wir uns einmal einige Vorschläge aus solchen
Programmen an. Herr Stoiber verspricht beispielsweise
800 000 zusätzliche Arbeitsplätze durch Kombilöhne.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Richtig!)

Er sagt nichts zur Finanzierung


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Doch!)

und verweist lediglich auf das Konzept „3 mal 40“. Damit
erscheint er als Entfesselungskünstler: Er glaubt offen-
sichtlich, auf diese Weise die konjunkturelle Entwicklung
entfesseln zu können.

Haben Sie sich einmal mit Ihren eigenen Landesregie-
rungen und Kommunen darüber unterhalten, was dieses
Konzept „3 mal 40“ bedeutet und wo die Ausgaben in
Höhe von 170 Milliarden Euro eingespart werden sollen?
Wie sollen denn Ihre Kommunen und Ihre Länder diese
leeren Versprechungen umsetzen?


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Sie hat es immer noch nicht begriffen!)


Keine Schulen mehr, keine Schwimmbäder mehr, keine
Bibliotheken mehr?


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Das passiert zurzeit unter Ihrer Regierung! – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Wer regiert denn? – Peter Rauen [CDU/CSU]: Gucken Sie sich an, wie es von 1983 bis 1989 gelaufen ist! Das ist ganz einfach! Dann haben Sie die Antwort!)


Damit müssen Sie sich einmal auseinander setzen. Was
Sie hier versprechen, ist ein Gruselkabinett für die Städte
und Gemeinden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wie wollen Sie die versprochene Entfesselung reali-
sieren, die das alles finanzieren soll? Sie sagen etwas zu
630-Mark-Jobs, zum Kündigungsschutz, der wieder ver-
schlechtert werden soll, und zur Streichung der Lohnfort-
zahlung im Krankheitsfall. Es kommen also all die alten
Hüte wieder, die Sie schon ausprobiert haben, die unso-
zial gewesen sind und die – das ist in diesem Zusammen-
hang viel wichtiger – bewiesen haben, dass sie wirklich
keine Entfesselung auf dem Arbeitsmarkt bewirken.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Von der Lohnfortzahlung redet niemand mehr, Frau Dückert, auch wenn Sie es noch so gerne hätten!)


Das kann überhaupt keine zusätzlichen Arbeitsplätze
schaffen. Das sind erprobte Luftnummern, keine Kon-
zepte.

Das alles wird noch mit weiteren Versprechen garniert,
die im Hinblick auf die Finanzierung ebenfalls eine blinde




Ulrich Klinkert

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(C)



(D)



(A)



(B)


Stelle aufweisen. So schlagen Sie ein Familiengeld vor,
um die Frauen vom Arbeitsmarkt fern zu halten,


(Peter Rauen [CDU/CSU]: So ein Unfug! Das kann doch nicht wahr sein!)


anstatt die Bedingungen dafür zu verbessern, dass Frauen
Beschäftigung mit Erziehung verbinden können. Dieses
Famliengeld aber wollen Sie mit 20 Milliarden Euro fi-
nanzieren, die Sie aus der Sozialhilfe nehmen. Was ist das
für ein Konzept? Es beinhaltet Schwierigkeiten für
Frauen, Arbeit und Erziehung miteinander zu verbinden,
und schlägt auch noch bei denen, die es brauchen, die so-
ziale Sicherheit weg.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Sie hat es nicht verstanden! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist die falsche Rede! Wir reden hier über Arbeitslosigkeit und Wirtschaftsschwäche, die durch die rot-grüne Regierung verursacht wurden!)


Auch das, meine Damen und Herren, bringt keinen einzi-
gen Arbeitsplatz mehr.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Interessant ist, dass Sie vor einigen Tagen mit Herrn
Späth eine Wunderwaffe präsentiert haben.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Guter Mann!)

– Ich finde es interessant, weil er wirklich interessante
Dinge entwickelt hat. – Allerdings glaube ich, dass Herr
Späth zu spät kommt, um diese rückwärts gewandte Pro-
grammatik gerade im Bereich der Wirtschafts- und
Arbeitsmarktpolitik noch in irgendeiner Weise beeinflus-
sen zu können.

Schauen wir uns einmal an, was die FDP vorschlägt.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Gutes!)


– Ja, einen Spitzensteuersatz von 35 Prozent. Das bedeu-
tet Steuersenkungen für Millionäre.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein, Frau Dückert, dann haben Sie das Programm nicht gelesen! Steuersenkungen für alle!)


Wie wollen Sie das finanzieren? Noch viel pointierter als
die CDU/CSU durch die Streichung der Sozialhilfe. Was
Sie vorschlagen, produziert mehr Armut und nicht mehr
Arbeit.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Anders als die Grünen sind wir eine Partei für das ganze Volk!)


Meine Damen und Herren, ich lasse mich einmal auf
die Schlusslichtdebatte ein, die Sie hier führen wollen.
Was die europäische Entwicklung angeht, so hat Frau
Wolf die zentralen Fakten schon genannt. Aber gucken
wir einmal nach Deutschland


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nach Niedersachsen!)


und gucken wir einmal,

(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Ja, schaun wir mal!)


was wir zum Beispiel bei der Jugendarbeitslosigkeit vor-
finden. Wir fanden nach Ihrer Regierungszeit eine Ju-
gendarbeitslosigkeit vor, die unerträglich war. Wir haben
ein JUMP-Programm aufgelegt, das Sie bekämpft haben.
Es hat viel Erleichterung gebracht und uns übrigens im
europäischen Vergleich gerade hinsichtlich der Jugendar-
beitslosigkeit nach vorn gebracht. Auf diesem Gebiet sind
wir nicht mehr das Schlusslicht, wofür Sie verantwortlich
waren.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Dieses Jahr 12 Prozent mehr als im April 1998!)


In Deutschland ist das Land Bayern das Schlusslicht
bei der Jugendarbeitslosigkeit. Ich wünsche Ihnen in Zu-
kunft fröhliche Verrichtung mit dieser Art von Arbeits-
marktpolitik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das war Mikrofonflucht, was Sie eben betrieben haben!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1423514500
Das Wort hat jetzt der
Kollege Johannes Singhammer für die CDU/CSU-Frak-
tion.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1423514600
Frau Präsi-
dentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser
Bundeskanzler und diese rot-grüne Bundesregierung


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Vorsicht! Ganz vorsichtig!)


haben den Arbeitnehmern in Deutschland das Blaue vom
Himmel versprochen. Die rote Laterne in Europa ist da-
raus geworden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Leider wahr!)


Eine Diskussion darüber können wir gern führen. Durch-
schnittlich fast 4 Millionen Menschen werden in diesem
Jahr arbeitslos sein, eine halbe Million mehr als Ihre ei-
gene Zielmarke. Deutschland ist europaweit das Schluss-
licht beim Beschäftigungszuwachs.

Erstmals seit Einführung einer EU-Statistik überhaupt
liegt Deutschland mit 7,9 Prozent Arbeitslosen über dem
EU-Durchschnitt. Daran soll sich nach den Prognosen der
EU-Kommission auch nichts ändern.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja, Herr Wend, so sieht die Sache aus!)


Immer mehr Arbeitnehmer in Deutschland haben netto
immer weniger in der Tasche. Das ist das zentrale Pro-
blem.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Beschäftigten und ihre Familien müssen durch die
Ökosteuer für die Jahre 1999 bis 2003 einschließlich der
Mehrwertsteuer insgesamt über 60 Milliarden Euro mehr
abliefern. Dieses Geld fehlt ihnen natürlich.




Dr. Thea Dückert
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(C)



(D)



(A)



(B)


Herr Minister Riester, der Bundeskanzler hat in diesen
Tagen in einem großen Magazin die Aktivposten seiner
Bundesregierung aufgeführt. Dort hat er einige Minister-
namen genannt; Sie waren nicht darunter. Wenn ich diese
Zahlen vergleiche, wundert mich das nicht, denn sie wer-
den Ihnen zugerechnet.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

Die Einkommensbelastungsquote, das heißt der Anteil

von Steuern und Sozialabgaben am Bruttoeinkommen, ist
von 55,1 Prozent im Jahr 1998 auf 56,6 Prozent in diesem
Jahr angestiegen. Das heißt, vom 1. Januar bis etwa
20. Juli dieses Jahres müssen die Arbeitnehmer arbeiten,
bis sie alle Steuern, Abgaben und Sozialbeiträge bezahlt
haben. Erst in den restlichen Wochen arbeiten sie für ihr
Netto.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wolfgang Weiermann [SPD]: Das ist doch dummes Zeug! Sie wissen genau, dass das Quatsch ist, was Sie jetzt erzählen!)


In allen EU-Ländern wird in diesem Jahr die Steuer-
und Abgabenlast gesenkt; in Deutschland steigt sie um
0,5 Prozent. Das ist der schlechteste Wert innerhalb der
EU. Deshalb ist Deutschland leider Schlusslicht in Eu-
ropa.


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Mein Gott noch mal!)


Deshalb ist auch die Streikbereitschaft in diesem Jahr
besonders ausgeprägt. Im Kern ist dieser Streik ein Auf-
begehren gegen die Politik dieser Bundesregierung:


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

gegen immer mehr Abzockerei und gegen immer mehr
Bevormundung. Vor allem aber ist er vor dem Hinter-
grund der maßlosen Enttäuschung darüber zu sehen, was
Sie versprochen und nicht eingehalten haben.


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Das lässt sich aber sehen, was wir versprochen und durchgesetzt haben!)


Die Verantwortung dafür tragen der Streikkanzler und
diese rot-grüne Regierungsmannschaft.

Die Arbeitnehmer in Deutschland haben es nicht ver-
dient, im Vergleich der EU-Staaten schlechter als ihre
Kollegen in Portugal, Griechenland oder Frankreich da-
zustehen, denn in punkto Leistungsfähigkeit brauchen
sich unsere Arbeitnehmer nicht zu verstecken. Die Ein-
satzbereitschaft der Menschen ist in Deutschland höher
als anderswo. Deshalb würde bei günstigen politischen
Rahmenbedingungen das Ergebnis besser sein.


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Deswegen wollen Sie ihnen ja auch alle Rechte nehmen!)


– Herr Weiermann, Lautstärke ersetzt keine Argumente.
Das Übel in Deutschland sind die politischen Rahmen-

bedingungen, die Sie zu verantworten haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir hingegen wollen, dass sich Leistung in diesem Land
wieder lohnt. Wir wollen, dass mehr Geld netto in der
Tasche bleibt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wolfgang Weiermann [SPD]: Sie wollen ihnen doch noch mehr abnehmen, verdammt noch mal! Kann man denn hier lügen, wie man will?)


– Das stimmt doch überhaupt nicht. Jetzt hören Sie einmal
auf, so laut zu schreien! Es wird dadurch nicht besser.


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Unerhört, so etwas! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Frau Präsidentin, Herr Weiermann hat einen Anfall!)


Wir werden eine gerechtere Rentenregelung durchset-
zen. Wir wollen nicht – Herr Weiermann, jetzt hören Sie
einmal zu –, dass im kommenden Jahr die Rentenbeiträge
trotz Ökosteuer auf 19,3 Prozent steigen werden, wie es
von den Instituten vorausgesagt wird. Deshalb ist unserer
Ansatz der richtige.

Um das mit netto und brutto noch einmal darzustellen:
Wir haben einen klaren Vorschlag für die so genannten
Minijobs gemacht. Wir wollen, dass künftig bei Löhnen
bis 400 Euro brutto gleich netto ausbezahlt wird – ohne
weitere Bürokratie. Das ist ein Konjunkturprogramm, wie
wir es brauchen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Peter Dreßen [SPD]: Und woher nehmen Sie dann die fehlenden Milliarden in der Sozialversicherung? – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jetzt fängt der Dreßen auch noch an!)


– Herr Dreßen, jetzt haben wir es Ihnen schon ein paarmal
erklärt und Sie haben es immer noch nicht kapiert. Ich
sage es Ihnen aber noch einmal:


(Peter Dreßen [SPD]: Woher?)

Allein dadurch, dass wir eine Vielzahl von Menschen aus
der größten Wachstumsbranche, nämlich der Schwarzar-
beit, zurückholen und ihnen im normalen Arbeitsmarkt
wieder eine Chance bieten, werden sich – das werden Sie
sehen – die Einnahmen des Staates und der Sozialversi-
cherung letztlich wieder verbessern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Peter Dreßen [SPD]: Das hat doch überhaupt nicht geklappt!)


Wir haben auch klar ausgeführt, dass wir auf Einkommen
bis zu 400 Euro eine 20-prozentige Pauschalsteuer, ge-
zahlt durch die Arbeitgeber, haben wollen. Auch dadurch
wird der von Ihnen angesprochene Einnahmeausfall aus-
geglichen.


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Das gibt es doch überhaupt nicht! Wer veranlasst denn die Beschäftigung, der Staat oder die Betriebe? Donnerwetter noch mal!)


– Jetzt sage ich Ihnen zusammengefasst noch einmal et-
was; vielleicht wird es dann einfacher.




Johannes Singhammer

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(C)



(D)



(A)



(B)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1423514700
Herr Kollege, Ihre
Redezeit ist zu Ende.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1423514800
Jawohl. – Wir
werden die lähmende Wirkung von immer dichterer Büro-
kratie, die sich wie Mehltau über unser Land gelegt hat,
beseitigen. Wir werden die Fenster aufmachen, durchlüf-
ten und für mehr Mut und Freiheit in unserem Land sor-
gen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1423514900
Ich werde mich zur
Lautstärke der Zwischenrufe nicht äußern, weil das im-
mer von der einen Seite zur anderen Seite des Hauses geht
und sich das ungefähr die Waage hält.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Die SPD ist anfälliger dafür!)


Ich kenne die Sozialpolitiker; sie können das, glaube ich,
ganz gut verkraften. Gleichwohl ist vielleicht ein bisschen
Mäßigung angesagt.

Nun erteile ich dem Kollegen Franz Thönnes für die
SPD-Fraktion das Wort.


Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1423515000
Frau Präsidentin! Liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Da stellt sich doch der Kollege
Kolb hierhin und spricht vom Würgegriff.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja!)

Kollege Kolb, in der Zeit von 1994 bis 1998 sind die So-
zialversicherungsbeiträge von 38,9 Prozent auf 42,5 Pro-
zent gestiegen.


(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)

Sie haben selbst gewürgt!


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wo stehen sie heute? – Manfred Grund [CDU/CSU]: Das ist unredlich! Die Pflegeversicherung ist mit dabei!)


Stellen Sie sich also nicht mit solchen Vorwürfen hier hin!
In den letzten vier Jahren sind die Sozialversicherungs-
beiträge auf 41 Prozent reduziert worden. Das und nichts
anderes ist die Wahrheit!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Der Schuss geht nach hinten los!)


Dann noch einmal zur roten Laterne, damit auch das
klar wird:


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: 37 Milliarden Ökosteuer!)


1994 Platz elf, 1995 Platz 14, 1996 Platz 15, 1997 Platz 14
und 1998 Platz 14. Sie haben am Ende die rote Laterne in
Europa gehabt.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ihr habt sie übernommen!)


Zuletzt waren Sie im Schlafwagen. Das haben die Men-
schen gemerkt. Deswegen wurden Sie abgewählt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So wird es Ihnen gehen!)


Seit zwei Monaten können wir wieder an die gute Si-
tuation des monatlichen Rückgangs der Arbeitslosigkeit
aus dem letzten Jahr anknüpfen. Auch den Vergleich zum
April 1998 brauchen wir nicht zu scheuen:


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was?)

400 000 Arbeitslose weniger, 1,35 Millionen Erwerbs-
tätige mehr und 570 000 sozialversicherungspflichtig Be-
schäftigte mehr,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das sind alles Tricks!)


und all das trotz erschwerter Rahmenbedingungen, trotz
der Wachstumsraten, die Sie hier kritisiert haben.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Beschäftigung ist doch getrickst! – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Täuschen und Tarnen!)


Das ist eine Leistung, die sich sehen lassen kann.
Eines ist klar: Wie immer man die Bilanz nach diesen

vier Jahren bewerten mag – Reformstau, Erstarrung und
Stillstand sind in dieser Republik vorbei und das wissen
die Menschen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jetzt noch die aktuellen Umfragewerte, Herr Kollege!)


Weil Sie so gern auf Europa gucken, frage ich Sie: Wie
war das denn 1994 bis 1998?


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist doch uninteressant!)


In Europa ist die Arbeitslosenrate gesunken. Wie war das
in Deutschland in der Zeit von 1994 bis 1998? – Sie ist
von 8,4 Prozent auf 9,3 Prozent gestiegen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Und wo steht sie heute?)


So sehen die Zahlen im Vergleich zu Europa aus!
Bei Ihrer ewigen Nörgelei müssen Sie sich auch ein-

mal vorhalten lassen, dass andere in Europa das ganz
anders sehen. Deutschland braucht sich als Wirtschafts-
standort nicht zu verstecken. Ich kann hierzu den Präsi-
denten der EU-Kommission Romano Prodi zitieren. In
der „Süddeutschen Zeitung“ vom 24.April 2002 heißt es:

Aber, ehrlich gesagt, die Debatte der Deutschen über
all ihre Schwächen – mir kommt das manchmal
richtig masochistisch vor. Sie sind besser, als sie
glauben ... Im langfristigen Trend steht das Land
noch immer ... gut da.

Dass Sie bei einer von Ihnen beantragten Aktuellen
Stunde gerade mal mit 5 Prozent Ihrer Fraktionsstärke






(C)



(D)



(A)



(B)


hier sitzen, zeigt, dass sich viele den Masochismus, den
Sie hier betreiben, gar nicht anhören wollen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Aber die 5 Prozent haben es in sich!)


Jetzt wollen wir einmal gucken, wo Sie wieder an-
knüpfen wollen. Sie wollen wieder da anknüpfen, wo Sie
mit Ihren Rezepten schon einmal gescheitert sind.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Nein, wir haben sie weiterentwickelt! Wir haben die Zeit genutzt, Herr Kollege!)


Die Arbeitslosenhilfe haben Sie reduziert. Das Schlecht-
wettergeld haben Sie abgeschafft.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Den Sparerfreibetrag haben Sie halbiert!)


Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall haben Sie auf
80 Prozent gekürzt. Den Kündigungsschutz haben Sie in
80 Prozent aller Betriebe reduziert; die Beschäftigten soll-
ten nicht mehr darunter fallen.

Was haben Sie in Ihr jetziges Programm hineinge-
schrieben? – Sie wollten wieder den Kündigungsschutz
reduzieren; Sie wollen die Sozialhilfe so mit der Arbeits-
losenhilfe zusammenlegen, dass die Leistungen der
Arbeitslosenhilfe das Sozialhilfeniveau erreichen; Sie
wollen die Rechte, die das Betriebsverfassungsgesetz
vorsieht, reduzieren.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Wir wollen Arbeitsplätze, Franz! Wann begreift ihr das endlich? – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie haben mir nicht zugehört!)


Vergessen wir nicht, dass die Wirtschaft Ihnen
während Ihrer Regierungszeit versprochen hat, dass,
wenn Sie das Kündigungsschutzgesetz ändern, 500 000
neue Arbeitsplätze entstehen. In der Zeit zwischen 1994
und 1998 gingen aber 600 000 Menschen mehr in die Ar-
beitslosigkeit.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das ist doch Quatsch! Doch nicht deswegen! Das ist doch ein Witz! Die haben doch Bestandsschutz!)


Am Ende Ihrer Regierungszeit gab es 1 Million weni-
ger Beschäftigte. Das war Ihre Bilanz. Mit Ihren Rezep-
ten lässt sich Deutschland nicht reformieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie werfen uns andauernd vor, die ABM ausgeweitet zu
haben, anstatt sie zu reduzieren. Sie haben die Arbeits-
marktzahlen des Jahres 1998 beschönigt: Sie haben die
Anzahl der ABM und SAM um 467 000 nach oben gefah-
ren.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Was macht ihr denn? Statistik bereinigen!)


Damit haben Sie die Arbeitslosigkeit kaschiert. Eigentlich
wäre die Arbeitslosigkeit um 1 Million und nicht um nur
600 000 gestiegen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Peter Rauen [CDU/CSU]: Das war ein großer Fehler! Wir haben daraus im Gegensatz zu Ihnen aber gelernt!)


Wegen Ihrer gescheiterten Rezepte sind Sie abgewählt
worden. Ich sage Ihnen eines: Sie werden auch am
22. September mit Ihrem Wahlprogramm, das die glei-
chen Rezepte wie damals enthält, scheitern.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Peter Rauen [CDU/CSU]: Nein, jetzt werdet ihr abgewählt!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1423515100
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, Sie sehen, dass ich hinsichtlich der Balance
der Lautstärke der Zwischenrufe Recht hatte.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ja!)

– Das freut mich.

Ich erteile nun dem Kollegen Wolfgang Meckelburg,
CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt sind wir wieder ruhig!)



Wolfgang Meckelburg (CDU):
Rede ID: ID1423515200
Frau Präsiden-
tin! Ich versuche, einen kleinen Ausgleich zu schaffen.
Nach der Rede von Herrn Thönnes kann man vielleicht
eine Phase der Ruhe und des Nachdenkens über die Ar-
gumente gebrauchen.

Herr Thönnes, wenn Sie auf die Worte von Herrn Prodi,
dass das Land im langfristigen Trend immer noch gut da-
stehe, verweisen, dann sage ich: Völlig richtig. Langfris-
tige Trends entstehen in der Vergangenheit. Ich füge
hinzu: Der langfristige Trend für Deutschland wird besser
werden, wenn es nach dem 22. September eine neue Re-
gierung gibt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Bundesminister Riester, wenn Sie behaupten,

dass wir das Land hier mies machen, dann sage ich in aller
Deutlichkeit: Das ist nicht unsere Absicht. Wir reden und
diskutieren faktisch in jeder Woche aktuell über dieses
Thema, über die miese Politik, die gerade Sie, der Ar-
beitsminister, in den vergangenen Jahren gemacht haben:
Sie haben mehr Bürokatie und mehr Regelungen geschaf-
fen, statt das Gegenteil zu bewirken. Das ist die falsche
Politik. Deswegen werden wir uns die Freiheit heraus-
nehmen, diese miese Politik deutlich zu kritisieren, auch
wenn Sie uns vorwerfen, wir täten etwas anderes.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jede Sitzungswoche, wenn es sein muss!)


Von den Kollegen bin ich ausreichend mit Zetteln ver-
sorgt worden. Einen finde ich besonders gut. Man kann




Franz Thönnes

23443


(C)



(D)



(A)



(B)


nämlich nicht häufig genug auf Folgendes hinweisen: Um
darzustellen, dass die Arbeitslosigkeit zurückgeht, kann
man Monate und Zahlen heranziehen. Ich greife auf die
Zahlen einer unabhängigen Quelle, des Instituts für Ar-
beitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg, zurück. Es
geht um die Frage, wie viele Stunden in Deutschland ge-
arbeitet wird. Wenn es in Deutschland mehr Arbeit gäbe,
dann müsste diese Statistik einen steilen Anstieg wider-
spiegeln und erst dann hätten Sie den Beweis antreten
können, dass Arbeit entstanden ist.

Betrachtet man die Anzahl der Arbeitsstunden in
Deutschland der Jahre 1997, 1998, 1999 und 2000, stellt
man fest, dass die Kurve in der Tat nach oben geht. Im
Jahr 2001 sinkt dann die Anzahl der Arbeitsstunden. Die
Schätzung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsfor-
schung für 2002 beruht auf der Grundlage eines Wirt-
schaftswachstums von 1,25 Prozent. Sie sagt einen Rück-
gang voraus, obwohl niemand dieses Wachstum erwartet.
Man geht eher von 0,9 oder 0,8 Prozent aus. Dann geht die
Zahl noch weiter herunter. Wenn Sie nach Studie dieser
Statistik den Mut haben, zu sagen, dass mehr Arbeit ent-
standen ist, dann beweisen Sie wirklich, wo Sie die Stun-
den, die mehr gearbeitet worden sind, versteckt haben: Es
ist Schwarzarbeit entstanden.


(Beifall bei der CDU/CSU und FDP – Zuruf von der SPD: So einen Schwachsinn hat man selten gehört!)


Ich möchte das anhand einiger Zahlen verdeutlichen.
Betrachtet man die Zahlen für April, stellt man fest, dass
die Arbeitslosigkeit in der Tat um 400 000 zurückgegan-
gen ist. Sie werden das Ziel von 3,5 Millionen Arbeitslo-
sen im Schnitt des Jahres 2002 – versprochen von
Schröder – nicht erreichen. Sie selbst gehen von 4 Milli-
onen Arbeitslosen aus. Das Ost-West-Gefälle ist größer
geworden: Vergleicht man wiederum die Zahlen für den
Monat April, stellt man fest, dass die Differenz zwischen
Ost und West im Jahre 1998 8,8 Prozent betrug; heute
liegt sie bei 10,3 Prozent. Die Schere geht auseinander.
Das ist ein Ergebnis der „Chefsache Ost“. Das sind ganz
einfach Zahlen, ohne Polemik vorgetragen. Sie können al-
les nachlesen.

Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen: Statt das Arbeits-
recht zu entbürokratisieren,


(Gerd Andres [SPD]: Was heißt das?)

haben Sie vor allem auf die arbeitsmarktpolitischen In-
strumente gesetzt, die die Arbeitslosigkeit künstlich sen-
ken. Da sind wir bei der Frage der Statistik.


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Ihren Wahlkampf-ABM sind wir dann!)


– Ich will einmal sagen, was Sie machen.

(Gerd Andres [SPD]: Wie war das noch mal mit den ABM?)

Betrug der Anteil der über 58-Jährigen, die über vorruhe-
standsähnliche Regelungen aus der Statistik fielen, im
Durchschnitt der letzten Jahre circa 200 000 Menschen, so
sind es jetzt 265 000 Menschen, also 65 000 mehr. Auch
der Personenkreis Altersteilzeit stieg signifikant auf

60 000 an. Die gemeldeten offenen Stellen sind weiter
rückläufig. Im April 2002 – das ist die aktuelle Zahl –
wurden nur 252 000 offene Stellen gemeldet. Das sind
33,6 Prozent, also ein Drittel weniger als im April letzten
Jahres.

Zur Entwicklung der Erwerbstätigenzahl seit Oktober
empfehle ich Ihnen, den Bericht der Bundesanstalt für Ar-
beit nachzulesen. Dann bekommen Sie vielleicht einmal
einen Blick für die Realität und müssen sich nicht ständig
von der Regierung auf Zettel schreiben lassen, was Sie
hier vortragen.


(Zuruf des Abg. Wolfgang Weiermann [SPD])

Ein Blick auf die Entwicklung der Erwerbstätigenzahl seit
Oktober 2001 reicht: Die Zahl der Erwerbstätigen insge-
samt, also die Zahl der voll sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten ohne die 325-Euro-Jobs, liegt um 302 000
unter dem Vorjahresniveau.

Obwohl ich meine Redezeit bereits um 10 Sekunden
überschritten habe, muss ich eines noch nennen,


(Gerd Andres [SPD]: ABM und SAM in 1998!)


weil es angesprochen worden ist: die Jugendarbeitslosig-
keit. Im April 2002 waren 473 000 Jugendliche unter
25 Jahren in Deutschland ohne Arbeit. Das sind 12,1 Pro-
zent mehr als im April des letzten Jahres. Frau Dückert,
Sie haben vorhin das JUMP-Programm groß herausge-
stellt.


(Zuruf der Abg. Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Was bedeutet das? Sie haben Jahr für Jahr
1 Milliarde Euro in das JUMP-Programm gesteckt und
haben jetzt schlechtere Zahlen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1423515300
Herr Kollege, Ihre
Redezeit ist jetzt weit überschritten. Ich dachte, es gäbe
eine kurze Bemerkung.


Wolfgang Meckelburg (CDU):
Rede ID: ID1423515400
Sie können den
Bürgern draußen nicht mehr klar machen, dass Sie auf
dem Arbeitsmarkt wirklich etwas bewegt haben. Sie ha-
ben es redlich verdient, abgewählt zu werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen ja nicht einmal etwas gegen die Jugendarbeitslosigkeit tun! In Ihrem Programm steht null!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1423515500
Das Wort hat jetzt der
Kollege Reinhold Hiller für die SPD-Fraktion.


Reinhold Hiller (SPD):
Rede ID: ID1423515600
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde befasst
sich auch mit den Ihrer Meinung nach wohl zu geringen
Investitionen in Straße und Schiene. Da fragt man sich,
was an dieser Stunde aktuell ist. Die nach Ihrer Meinung
fehlenden Investitionen im Verkehrsbereich, die Sie
unterstellen wollen, können es ja wohl nicht sein. Dem




Wolfgang Meckelburg
23444


(C)



(D)



(A)



(B)


Einzelplan 12 konnten Sie entnehmen, dass die Investi-
tionen für die Straße 4,6 Milliarden Euro und für die
Schiene 4,5 Milliarden Euro betragen. Insgesamt sind es
9,75 Milliarden Euro. Dazu kommen
1,44 Milliarden Euro aus den UMTS-Mitteln für Schie-
neninvestitionen und Ortsumgehungen. Zusätzlich – das
wissen Sie – sind 1,67 Milliarden Euro GVfG-Mittel vor-
gesehen. Darin kann die Aktualität dieser Aktuellen
Stunde also nicht liegen. Diese Zahlen sind auch Ihnen be-
kannt. Sie übertreffen in allen Punkten die Zahlen, die Sie
hinterlassen haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Peter Rauen [CDU/CSU]: 1998 wurden 4,2 Milliarden Euro mehr investiert als 2002! Das weist der Haushalt aus!)


Das heißt, die Verkehrsinvestitionen liegen seit dem Re-
gierungswechsel 20 Prozent über den Zahlen, die Sie hin-
terlassen haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Peter Rauen [CDU/CSU]: Das stimmt einfach nicht!)


Das haben Sie vergessen, und deshalb sind Sie nicht auf
der Höhe der Zeit, wenn Sie zu diesem Thema heute eine
Aktuelle Stunde beantragen.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: In diesem Jahr werden 4,2 Milliarden Euro weniger investiert als 1998! Das ist Fakt laut Haushaltsplan!)


Von Ihnen hätten wir eigentlich Lob und Anerkennung
für die Steigerung der Investitionen erfahren müssen.
Denn gleichzeitig hat auch die Verschuldung abgenom-
men. Deshalb möchte ich Ihnen eigentlich etwas unter-
stellen, was für die Rolle der Opposition kennzeichnend
ist und sehr häufig auftritt: Sie leiden unter Realitätsver-
lust. Das ist Ihr Problem.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Peter Rauen [CDU/CSU]: Das tun Sie!)


Sie fordern die Absenkung der Staatsquote und gleichzei-
tig beklagen Sie die zu niedrigen Investitionen im Ver-
kehrsbereich. Das ist auch noch sachlich falsch; das habe
ich Ihnen gerade gesagt.

Ich kann Ihnen eines prophezeihen: Je weiter man sich
von der Realität entfernt, desto weiter entfernt man sich
auch von einer möglichen Regierungsübernahme. Da-
rüber sollten Sie einmal nachdenken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Peter Rauen [CDU/CSU]: Da seid ihr dicke dabei!)


Sie haben völlig vergessen, dass Ihr Bundesverkehrswe-
geplan zu fast 100MilliardenDM unterfinanziert war. Die
neue rot-grüne Koalition hat es geschafft, Konstanz in ihn
zu bringen und damit auch circa eine Million Arbeits-
plätze durch öffentliche Investitionen zu sichern. Dass Sie
der rot-grünen Regierung hier ein Versagen unterstellen
wollen, ist absoluter Unsinn.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Ihr habt Projekte gestrichen!)


Man kann es auch anders ausdrücken: Der Anteil der
Investitionen im Bau- und Verkehrsbereich wurde von der
rot-grünen Koalition in vier Jahren von 45 auf 51 Prozent
im Jahre 2002 gesteigert. Auch das hat positive Effekte für
den Arbeitsmarkt, die Sie immer negativ herunterreden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Im Übrigen ist es so, dass diese Koalition den Schwer-
punkt im Osten gesetzt hat. Sie wissen ganz genau, dass
die meisten öffentlichen Investitionen im Bereich Verkehr
im Osten erfolgen. Damit nimmt die Bundesregierung
ihre Verantwortung auch gegenüber der Infrastruktur und
der Beschäftigung wahr.

Ein anderer Bereich ist die Telematik. Hier sind in den
nächsten Jahren besonders zukunftsträchtige Arbeits-
plätze zu erwarten. Die rot-grüne Koalition hat den
Durchbruch für das Satellitennavigationssystem Galileo
geschaffen.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Für mehr Arbeitslosigkeit!)


Auch hier sind zukunftsträchtige Arbeitsplätze im Be-
reich Automobilindustrie zu erwarten, der für die deut-
sche Volkswirtschaft von ganz besonderer Bedeutung ist.
Dies wird dazu beitragen, dass Deutschland auch in die-
sem Bereich konkurrenzfähig bleiben kann.

Darüber hinaus hat die Bundesregierung – das haben
Sie auch nicht geschafft – private Finanzierungsmöglich-
keiten im Verkehrsbereich eröffnet. Wir haben heute
Morgen kontrovers darüber diskutiert. Faktum ist: Hier ist
etwas auf die Schiene gebracht worden, zu dem Sie in den
letzten vier Jahren Ihrer Regierungsverantwortung nicht
in der Lage gewesen sind. Sie haben mehr Showveran-
staltungen durchgeführt. Angesichts der Fakten sollten
Sie hier etwas bescheidener auftreten.

Sie sollten über Folgendes nachdenken – das habe ich
schon einmal gesagt –: Je realitätsferner die Opposition
ist, desto weiter ist sie von der Regierungsübernahme ent-
fernt. Darüber können auch die aktuellen Umfragen, die
wir für nicht gut halten, nicht hinwegtäuschen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1423515700
Jetzt hat der Kollege
Jochen-Konrad Fromme für die CDU/CSU-Fraktion das
Wort.


Jochen-Konrad Fromme (CDU):
Rede ID: ID1423515800
Herr Kol-
lege Hiller, man muss sich die Zahlen natürlich genau an-
sehen. In Ihren Zahlen sind beispielsweise die Tilgungen
für die Konzessionsmodelle enthalten. Wenn wir im
Straßenbau im Augenblick so viel zu tun hätten, dann
wären die Straßenbauer sicherlich ganz anderer Meinung,
als wir es jetzt jeden Tag von ihnen hören.


(Zuruf von der SPD: Quatsch doch nicht so einen Blödsinn!)





Reinhold Hiller (Lübeck)


23445


(C)



(D)



(A)



(B)


Sie müssen die ganze Wahrheit sagen und nicht nur den
Bund heranziehen. Nehmen Sie doch einmal die Länder
und die Kommunen! Sie haben den Kommunen über die
Gewerbesteuerumlage so in die Tasche gegriffen, dass die
Investitionen um 9Milliarden Euro unter dem Niveau von
1993 liegen. Das entspricht einem halben Prozent Wachs-
tum des Bruttosozialproduktes.

Bei den laufenden Einnahmen für die Kommunen
spielt sich genau das Gleiche ab. Wenn Sie die Kommu-
nen vernünftig behandelt hätten, dann hätten wir ein Pro-
zent mehr Wirtschaftswachstum, weil sie ihren Aufgaben
nachkommen könnten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir werden als Sofortmaßnahme die Gewerbesteuer-

umlage wieder senken.
Das bedeutet, dass der Stadtkämmerer von Hildesheim
weiß, dass er 1,7 Millionen Euro mehr, dass der Stadt-
kämmerer von Salzgitter weiß, dass er 0,7 Millionen Euro
mehr, und dass der Stadtkämmerer von Braunschweig
weiß, dass er 2 Millionen Euro mehr zur Verfügung hat.
Dieses Geld geht sofort in die Investitionen, in die Wirt-
schaft und in den Arbeitsmarkt.

Was war denn Ihr großer Fehler in der Politik? – Wenn
man den Menschen das Geld über die Ökosteuer und die
Inflationsrate wegnimmt, wenn sie für den Weg zur Arbeit
mehr Geld ausgeben müssen als vorher, statt mehr zu ha-
ben, dann fehlt ihnen Kaufkraft. Wenn ihnen Kaufkraft
fehlt, dann fehlt Nachfrage am Arbeitsmarkt, wenn Nach-
frage am Arbeitsmarkt fehlt, dann fehlt Arbeit, wenn Ar-
beit fehlt, dann gibt es mehr Arbeitslose und weniger
Steuern. Das ist genau die Situation, die Sie hier ange-
richtet haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das sind die elementaren Fehler Ihrer Politik. Wenn ich

den Menschen und den Kommunen als wichtigen Nach-
fragern am Arbeitsmarkt die Kaufkraft nehme, dann brau-
che ich mich nicht zu wundern, wenn keine da ist und
nichts passiert. Sie haben zu verantworten, dass sich diese
Spirale immer schneller dreht.

Dafür, dass es auch anders geht, gibt es doch Beispiele.
Ich kann ja verstehen, dass der Kanzler seine eigenen Ver-
sprechen vergisst, wie zum Beispiel die Reduzierung der
Zahl der Arbeitslosen auf 3,5 Millionen,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Er hat sogar mal 3Millionen gesagt! Das ist schon die korrigierte Zahl!)


dass die Renten wie die Nettolöhne steigen oder dass die
Ökosteuer nicht über 6 Pfennig steigen soll. Dass er dabei
aber auch noch vergessen hat, dass es in der Vergangen-
heit gute Rezepte gab, ist natürlich ein teuflischer Fehler.
Wenn er sich am Montag im Fernsehen hinstellt und sagt,
die Regierung Kohl habe in 16 Jahren keine Steuerreform
zustande bekommen, aber er, Schröder, habe die größte
gemacht, frage ich: Was war denn 1985 bis 1989? Da gab
es die stoltenbergsche Steuerreform. Mit einer nominalen
Absenkung von 41 Milliarden waren am Ende in den al-

ten Bundesländern 3 Millionen Menschen mehr in sozial-
versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Am Ende waren 121 Milliarden mehr Steuern in der
Kasse. Daran sehen Sie, wie man so etwas finanzieren
kann.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Trotz Absenkung der Staatsquote!)


Und haben Sie ein Zweites vergessen? Der Deutsche
Bundestag hat unter der Regierung Kohl die Petersberger
Beschlüsse zweimal mit Kanzlermehrheit von CDU/CSU
und FDP beschlossen. Sie haben sie im Bundesrat
blockiert und deswegen tragen Sie die Verantwortung
dafür und niemand anders.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wer war das denn? – Die Ministerpräsidenten Schröder,
Eichel, Lafontaine. Auf Letzteren sollten Sie übrigens ab
und zu mal hören, aber sein Name scheint bei Ihnen ein
Unwort geworden zu sein.

Das sind doch die Rezepte, die funktionieren. Wenn Sie
das leugnen, dann können Sie natürlich auch nicht verste-
hen, wie man die Wirtschaft ankurbeln und vorwärts kom-
men kann.

Ich kann Ihnen nur sagen: Schlag nach bei Stoiber,
Merz und Merkel. Wenn Sie unser Regierungsprogramm
lesen, werden Sie merken, wie es weitergehen kann. Dass
die Menschen das merken, sehen wir an jeder Umfrage.
Von Umfrage zu Umfrage werden die Ergebnisse besser
für uns und schlechter für Sie. Warum? – Weil die Men-
schen Ihnen nicht glauben. Sie haben sich hier hingestellt,
Herr Kollege Wend, und Zahlenreihen vorgetragen, die
kein Mensch nachvollziehen und verstehen kann.


(Lachen des Abg. Wolfgang Weiermann [SPD])


Glauben Sie denn, dass auch nur ein Fernsehzuschauer
das verstanden hat?

Es ist aber ganz einfach: Steuern um 41Milliarden sen-
ken wie bei Stoltenberg, 3 Millionen Menschen mehr in
sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Genau das
werden wir wiederholen und das werden die Menschen
begreifen. Deswegen wird es Zeit, dass der 22. September
kommt: damit es in Deutschland endlich wieder aufwärts
geht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Oh Herr, lass Abend werden!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1423515900
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Albert Schmidt für Bündnis 90/Die Grünen.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ich habe dich den ganzen Vormittag vermisst, Albert!)


Albert Schmidt (Hitzhofen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Umso schöner. – Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Sie haben bei dem Titel Ihrer




Jochen-Konrad Fromme
23446


(C)



(D)



(A)



(B)


Aktuellen Stunde die Frechheit besessen – ich muss diese
Unverfrorenheit fast bewundern –, auch die Formulierung
der angeblich „geringen Investitionen in Straße und
Schiene“ mit aufsetzen zu lassen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt wollen wir hier
einmal Deutsch miteinander reden.


(Zuruf von der FDP: Das tun wir die ganze Zeit! – Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Aber er hat es nicht verstanden!)


Als wir 1998 die Regierungsverantwortung in diesem
Land übernommen haben, lagen die Investitionen des
Bundes in die deutschen Verkehrswege bei 9,5 Milliar-
den Euro. Heute liegen sie bei 11,5 Milliarden Euro. Das
sind 4 Milliarden DM bzw. 2 Milliarden Euro binnen vier
Jahren mehr, und dies nicht einmalig, sondern durch die
Vereinbarung mit der Bahn für drei Jahre garantiert, eine
Situation, von der frühere Bahnchefs und frühere Ver-
kehrsminister – jetzt ist Herr Wissmann leider nicht mehr
da – nur träumen konnten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Hätten Sie damals auch nur ein bisschen von einer solchen
Steigerung erreicht, dann würden Sie noch heute mit
stolzgeschwellter Brust herumlaufen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Jetzt sagen Sie mir mal, wo die UMTS-Milliarden herkommen!)


– Darauf komme ich gleich noch. Keine Sorge!
Unter Waigel und Wissmann haben Sie zum Beispiel

die Bahninvestitionen auf weniger als 6 Milliarden DM,
auf 5,7 Milliarden DM, zusammengestrichen. Sie haben
die Schienenwege Deutschlands als Sparbüchse miss-
braucht, um die Maastricht-Kriterien einzuhalten. Sie
sind auf Verschleiß gefahren. Wir haben daher noch heute
nicht nur im Schienennetz Probleme. Auch im Straßen-
netz existieren Schlaglöcher, die aus Ihrer Zeit herrühren.


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir haben die Investitionen massiv gesteigert und werden
dies fortsetzen.

Die Fraktionsvorstände der SPD und der Grünen haben
Anfang Januar in Wörlitz auf einer gemeinsamen Frak-
tionsvorständeklausur beschlossen, diese Zusatzausgaben
für das deutsche Verkehrswegenetz über das Jahr 2003
hinaus, nämlich bis 2007, zu verstetigen. Diese Berechen-
barkeit braucht die Bauwirtschaft. Wissen Sie, was das
ausgelöst hat? Es ging nicht nur um den Verkehrs-
infrastrukturbau. Allein das Unternehmen Deutsche Bahn
AG – ich war heute Vormittag nicht im Ausschuss, weil
ich im Aufsichtsrat sein musste –


(Zurufe von der CDU/CSU und FDP: Aha!)

hat aufgrund dieser großzügigen Ausstattung für die In-
frastruktur durch den Bund ein Gesamtpaket für die
Runderneuerung des gesamten Systems Schiene in einer
Größenordnung von 90 Milliarden DM binnen fünf Jah-
ren geschnürt. Das bedeutet: Streckenerneuerung, mo-
derne Technik, neue Fahrzeuge und Modernisierung der

Bahnhöfe. Die Auftragsbücher der Fahrzeugindustrie sind
voll. Das sind Investitionen. Auch der Bahnbau ist wie nie
zuvor in diesem Land beschäftigt. Sie aber behaupten, es
gebe geringe Investitionen. In welchem Land leben Sie
eigentlich?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Woher kommen die UMTS-Milliarden?)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union und
der FDP, jetzt möchte ich Ihnen noch etwas sagen – die
Hohepriester der Marktwirtschaft wissen es ja immer
ganz genau –: Die eigentliche Leistung besteht gar nicht
darin, dass die Beträge erhöht worden sind. Das ist zwar
eine Leistung für sich, aber die eigentliche Leistung be-
steht darin, dass wir diese Steigerung der Investitionen
trotz des Schuldenabbaus von 100 Milliarden DM infolge
der Tilgung im Rahmen der UMTS-Erlöse, trotz einer
Steuerreform, die die Menschen in diesem Land in einer
Größenordnung von 40 Milliarden DM netto entlastet,
und trotz einer Rückführung der Neuverschuldung auf ein
Niveau, von dem Sie nur träumen konnten, geschafft ha-
ben. Die eigentliche Leistung dieser Regierung ist, gleich-
zeitig konsolidiert und mehr investiert zu haben. Das will
Ihnen aber nicht in den Kopf gehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Peter Rauen [CDU/CSU]: Wovon reden Sie eigentlich?)


– Die Investitionsquote im Verkehrsetat liegt heute – der
Kollege hat es schon gesagt – bei 51 Prozent. Das heißt,
die größere Hälfte im Einzelplan 12 wird investiert. Als
Sie die Regierung übergeben haben, lag sie bei 45 Pro-
zent. Das ist der Unterschied.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Ach, Herr Schmidt! Wir haben in 2002 die niedrigste Investitionsquote, die wir jemals hatten!)


Jetzt aus aktuellem Anlass etwas dazu, was heute im
Verkehrsausschuss des Bundesrates in Bezug auf das Re-
gionalisierungsgesetz passiert ist. Auch der Bundestag hat
sich heute im Verkehrsausschuss damit befasst. Er wird
sich am Freitag in zweiter und dritter Lesung hier im Ple-
num damit beschäftigen. Das hat sehr wohl etwas mit In-
vestitionen zu tun. Denn ein Viertel der Regionalisie-
rungsmittel werden investiert: Zuschüsse in den
Fahrzeugbau, Zuschüsse in die Infrastrukturmodernisie-
rung usw.

Die Koalitionsfraktionen haben einen Gesetzentwurf
vorgelegt, über den heute im Verkehrsausschuss des Bun-
desrates und im Verkehrsausschuss des Bundestages de-
battiert wurde. Folgendes wird vorgeschlagen: ein Ver-
zicht auf Rückforderungen in Höhe von mehr als
700 Millionen Euro, die der Bund aufgrund der gesetz-
lichen Lage für die letzten Jahre stellen könnte, eine
Anhebung der Regionalisierungsmittel auf ein Rekord-
niveau von 13,4 Milliarden DM für das vergangene Jahr,
also für 2001, eine Festlegung eines Rekordniveaus von
6,75 Milliarden Euro für das Jahr 2002 und eine Dynami-
sierungsrate von plus 1,5 Prozent bis zum Jahre 2007, also
kontinuierlich für die nächsten Jahre.




Albert Schmidt (Hitzhofen)


23447


(C)



(D)



(A)



(B)


Das ist Planungssicherheit für den öffentlichen Nah-
verkehr. Das ist eine Verstärkung der Investitionsquote.
Sie haben das heute Vormittag im Verkehrsausschuss ab-
gelehnt.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie waren doch gar nicht da!)


– Ich weiß auch Bescheid, wenn ich nicht dabei war.

(Lachen bei der FDP)


Im Bundesrat hat Bayern versucht, diesen Gesetzent-
wurf auszubremsen. Bayern hat den Antrag gestellt, ihn
zu stoppen und den Vermittlungsausschuss anzurufen, um
Obstruktionspolitik zu betreiben. Wissen Sie, was passiert
ist? – Der Antrag Bayerns wurde im Verkehrsausschuss
des Bundesrates mit neun zu fünf Stimmen abgelehnt;
übrigens auch mit den Stimmen Thüringens.


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wunderbar!)


Das heißt im Klartext, es gibt auch in Ihren Reihen noch
ein paar Vernünftige.

Lassen Sie das dumme Gerede von angeblich niedrigen
Investitionen! Wir haben die Investitionen auf ein Re-
kordniveau gebracht. Dabei werden wir bleiben. So wol-
len und so werden wir weitermachen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1423516000
Nun erteile ich der
Kollegin Ingrid Arndt-Brauer für die SPD-Fraktion das
Wort.


Ingrid Arndt-Brauer (SPD):
Rede ID: ID1423516100
Frau Präsidentin! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte als letzte
Rednerin die Spitzenpositionen zusammenfassen, die die
Bundesregierung erreicht hat. In dieser Debatte ist heute
sehr viel gelogen worden.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber nur von dort drüben, wenn überhaupt!)


Falls ich daher Wahrheiten, die schon einmal gesagt wor-
den sind, wiederhole, ist das nicht schlimm.

Wir haben in Deutschland eine Exportquote, die weit
höher liegt als in den vergleichbaren EU-Staaten. Wir ha-
ben stabile Lohnstückkosten. Wir haben einen hohen Zu-
wachs ausländischer Direktinvestitionen.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Und 4Millionen Arbeitslose! – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Tendenz steigend!)


Wir haben, was immer wieder von ausländischen Journa-
listen bestätigt wird, ein sehr hohes internationales An-
sehen. Wir belegen zum Beispiel einen Spitzenplatz bei
Patentanmeldungen und wir können ein großes Auslands-
engagement deutscher Firmen aufweisen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wir haben nur eine schlechte Regierung! Das ist das Problem!)


Seitdem Helmut Kohl nicht mehr Bundeskanzler ist, hat
sich der Wachstumsabstand beträchtlich verringert.


(Zuruf von der CDU/CSU: Und wir haben eine Rekordwelle von Insolvenzen!)


Außerdem besteht eine hohe Innovationsintensität. Wir
belegen einen Spitzenplatz in der Biotechnologie, den wir
erst durch unsere erhöhten Investitionen erreichen konn-
ten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Daran haben die Grünen nun wirklich keinen Anteil! Das kann man nun wirklich nicht sagen!)


In der Automobilbranche belegen wir einen Spitzen-
platz und wir haben – auch dies darf man nicht verkennen –
ein großes Maß an sozialem Frieden. Wir sind Vorreiter
bei der Deregulierung von Netzwerkindustrien.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was? Das hat ja noch gar keiner gemerkt!)


Wir haben einen expandierenden Markt für Wagniskapi-
tal und eine leistungsfähige Infrastruktur. Auch haben wir
– dies ist ein sehr wichtiges Thema – mutige Steuerent-
lastungen durchgeführt.


(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Peter Rauen [CDU/CSU]: Warum merkt das denn keiner? – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Und Sie haben rückläufige Umfrageergebnisse, Frau Arndt-Brauer! – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Sie sind ganz toll! Wir haben nur leider 4 Millionen Arbeitslose!)


Wir haben nicht nur die Verbraucher entlastet, sondern
auch die Unternehmen, und zwar stark.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Die großen, aber nicht die kleinen!)


An dieser Stelle muss ich Ihnen Folgendes sagen: Ich
bin Mitglied des Finanzausschusses und gehöre eher zur
SPD-Linken. Ich habe diese Entlastung häufig als Steuer-
geschenk empfunden. Ich denke, so haben es auch die Un-
ternehmen empfunden. Während meines Studiums der
Betriebswirtschaft habe ich gelernt: Wenn es den Unter-
nehmen gut geht, wird investiert. Damit kommt es zu
Wachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ja, das stimmt! Das ist wahr!)


Das hat aber auf diese Weise nicht so recht geklappt.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Weil Sie die Pra xis nicht kennen, Frau Arndt-Brauer!)

Vielleicht können Sie ja einmal mit den verantwortlichen
Personen reden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man
dieses Problem mit noch mehr Geschenken lösen kann.

Wir haben die Rahmenbedingungen erheblich verbes-
sert. Wir haben also keine Schuld daran, dass Unterneh-




Albert Schmidt (Hitzhofen)

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(C)



(D)



(A)



(B)


men nicht so reagiert haben, wie sie laut Theorie hätten
reagieren sollen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es genügt eben nicht, nur Betriebswirtschaft zu studieren!)


Wir werden diesen Weg weiter gehen. Das wissen Sie.
Unsere Steuerreform ist noch nicht beendet. Ich denke, ir-
gendwann wird sich der Erfolg zeigen, und zwar auch auf
dem Arbeitsmarkt.

Im Bereich der Informationsgesellschaft sind wir in
Europa führend. Wir belegen ebenfalls einen Spitzenplatz
in der Umwelttechnologie, zum Beispiel bei der Nutzung
von Windkraft. Auch dies wäre unter Ihrer Regierung
überhaupt nicht denkbar gewesen. Wir haben ein hohes
Bildungs- und Ausbildungsniveau. Trotz der PISA-Studie
kann man sagen, dass wir in diesem Bereich immer noch
ein sehr hohes Potenzial haben. Weiterhin haben wir die
Entwicklungs- und Forschungsausgaben gesteigert. Dies
werden wir auch fortführen. Deshalb werden wir unseren
Platz in diesem Bereich auch halten.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Nur die Bevölkerung findet euch nicht Spitze!)


Wir haben das Projekt „Schulen ans Netz“ gestartet,
das dazu führen wird, dass wir auch in Zukunft gut aus-
gebildete Schüler haben werden. Wir haben eine sehr
niedrige Jugendarbeitslosigkeit. Das ist schon gesagt wor-
den. Wir haben auch eine niedrige Armutsquote. Auch das
sollte man nicht unterschätzen. Wir belegen im Bereich
Studienstandort Deutschland den Platz des drittwichtigs-
ten Gastlandes der Welt. Dies zeigt uns, dass ausländische
Studenten gerne zu uns kommen und gerne bei uns etwas
lernen wollen. Wir haben einen modernen Staat, der ver-
gleichsweise schon sehr schlank ist, den man aber viel-
leicht noch weiter verschlanken kann. Wir haben in die-
sem Bereich eine Menge erreicht.

Außerdem führen wir einen konsequenten Klima-
schutz durch.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was?)

Auch das wäre, wie vieles in anderen Bereichen, während
Ihrer Regierungszeit undenkbar gewesen. Wir haben
ferner eine hohe Wettbewerbsfähigkeit.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Nur leider merkt es keiner!)


All dies habe ich etwas schnell aufgezählt, weil meine
Redezeit gleich zu Ende ist. Sie konnten aber sehen, dass
wir in sehr vielen und wichtigen Bereichen Spitzenplätze
in Europa einnehmen. Diese Spitzenplätze werden wir
natürlich erhalten und weiter ausbauen. Dazu haben wir
noch vier Jahre Zeit.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Diese Chance bekommen Sie nicht mehr!)


Danach werden wir neu über unsere Ziele nachdenken.
Die nächsten vier Jahre werden wir nutzen, um das erfolg-
reiche Programm, das wir begonnen haben, fortzuführen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1423516200
Frau Kollegin, Sie
haben eine kostbare Minute verschenkt. Vielen Dank.

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Damit sind wir am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages ein auf morgen, Donnerstag, den 16. Mai 2002,
9 Uhr.

Die Sitzung ist geschlossen.