Gesamtes Protokol
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Guten Tag, liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Erste Beratung des von der Bundesregierung einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung
der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung
– Drucksache 14/9041 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Interfraktionell ist vereinbart, dass eine Aussprache
nicht erfolgen soll. – Ich sehe, Sie sind damit einver-
standen.
Wir kommen damit gleich zur Überweisung. Interfrak-
tionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Druck-
sache 14/9041 an die in der Tagesordnung aufgeführten
Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstan-
den? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so be-
schlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Sachstandsbericht Verkehrs-
projekte „Deutsche Einheit“.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungs-
wesen, Kurt Bodewig.
Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Meine Damen! Meine Herren! Ich
freue mich, den Bericht in diesem Hause abgeben zu dür-
fen und auf Ihr Interesse zu stoßen. Ich will darauf hin-
weisen, dass heute im Kabinett der Sachstandsbericht
Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ Gegenstand der Be-
ratung war.
Es geht um 17 Projekte. Davon entfallen neun auf die
Schiene, sieben auf die Straße und eines auf die Was-
serstraße. Das Investitionsvolumen beträgt insgesamt
rund 35 Milliarden Euro. Davon waren bis Ende 2001
rund 20,5 Milliarden Euro umgesetzt. Das entspricht ei-
nem Anteil von nahezu 60 Prozent. Dieses hohe Niveau
der Umsetzung konnte erreicht werden, weil die Bundes-
regierung den Investitionen im Osten Vorrang eingeräumt
hat. Diesen Vorrang werden wir auch in Zukunft beibe-
halten. Er wird dazu führen, dass wir auch heute schon et-
was zur Fertigstellung einzelner Projekte sagen können.
Ich sage es in Kurzform: In der nächsten Legislaturpe-
riode werden wir die VDE-Projekte im Wesentlichen voll-
enden können.
Ich komme kurz zur Wasserstraße. Der Ausbau der
Wasserstraße Hannover–Magdeburg–Berlin soll schritt-
weise von West nach Ost erfolgen. Im nächsten Jahr wird
eine erste Ausbaustufe fertig, die den ganzjährigen Ver-
kehr von Binnenschiffen mit einem Tiefgang von 2,5 Me-
tern nach Berlin gewährleistet. Das Gesamtprojekt wird
zwischen 2012 und 2015 fertig gestellt.
Ich komme zur Schiene. Von den neun Schienenpro-
jekten sind sechs Projekte bereits in Betrieb. Dazu gehört
auch die Hochgeschwindigkeitsstrecke Berlin–Hannover.
Die Realisierung dieser Projekte führt zu einer deutlichen
Verringerung der Reisezeiten. Diese Verringerung beträgt
je nach Projekt zwischen einer Stunde und drei Stunden.
Ich glaube, auch dies sind gut investierte Steuergelder.
Den Baustopp beim VDE Nr. 8, der bekannten Hochge-
schwindigkeitsstrecke Berlin–Leipzig–Erfurt–Nürnberg,
haben wir, wie vom Bundeskanzler in Magdeburg zuge-
sagt, aufgehoben. Wir gehen von einer Fertigstellung bis
zum Jahre 2012 aus. Der Baustopp war damals sinnvoll;
denn nach der Regierungsübernahme haben wir die Sa-
nierung des Bundeshaushaltes mit einer globalen Minder-
ausgabe eingeleitet. In den folgenden Jahren haben wir
Prioritäten gesetzt. Dadurch haben wir die Infrastruktur-
investitionen zunächst stabilisiert und sie dann auf das
heutige Rekordniveau angehoben.
Mit dem „Zukunftsprogramm Mobilität“ haben wir
diese Finanzierungslinie in die Zukunft fortgeschrieben.
Es geht also weiter voran. Derzeit werden die Finanzie-
rungslinien und die Realisierungszeiträume für den
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235. Sitzung
Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Beginn: 13.00 Uhr
weiteren Streckenausbau dieser wichtigen Verbindung
zwischen dem Bund und der DB AG abgestimmt.
Lassen Sie mich abschließend zur Straße kommen. Im
Rahmen der Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ wurden
bis heute 1 130 Kilometer Autobahn auf sechs Fahrstrei-
fen erweitert oder neu gebaut. Des Weiteren befinden sich
knapp 400 Kilometer im Bau oder in der Erweiterung. Da-
mit sind mehr als drei Viertel der Straßenprojekte fertig
gestellt oder in Arbeit. Zwei Projekte waren hierbei be-
sonders wichtig, und zwar zum einen der im Novem-
ber 1999 abgeschlossene sechsstreifige Ausbau der A 2
zwischen Hannover und dem Berliner Ring und zum an-
deren die Inbetriebnahme der ersten neuen Autobahn-
verbindung in den neuen Ländern im November 2000,
nämlich der A 14 von Magdeburg nach Halle. Damit ist
das bedeutende Chemiezentrum in Halle in Richtung
Norden und Westen besser angebunden. Nur zur Erinne-
rung: Der Bau dieser Strecke von 100 Kilometern ist der
schnellste Autobahnbau in der Geschichte der Bundes-
republik. Planung und Bau wurden in nur zehn Jahren ab-
geschlossen.
Die noch im Bau befindlichen Straßenprojekte werden
im Wesentlichen bis 2005 fertig gestellt sein.
Der Realisierungsstand der Verkehrsprojekte „Deutsche
Einheit“ verdeutlicht die hohe Priorität, die die Bundes-
regierung dem Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in den
neuen Bundesländern beimisst. Diese hohe Priorität wird
es auch künftig geben.
– Applaus an dieser Stelle ist mehr als berechtigt.
Mit dem „Zukunftsprogramm Mobilität“ haben wir ei-
nen eindeutigen Schwerpunkt für den Ausbau der Ver-
kehrsinfrastruktur in den neuen Ländern gesetzt. Das
Kabinett hat am 6.März beschlossen, vor Ablauf des Jahr-
zehnts 90 Milliarden Euro in die Verkehrsinfrastruktur
zu investieren. Ein Schwerpunkt wird hier der Osten
Deutschlands sein. Das haben wir unabhängig von der
weiteren Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans
bereits jetzt festgelegt. Die Verkehrsinfrastruktur in den
neuen Ländern wird für diese Bundesregierung auch im
neuen Bundesverkehrswegeplan ein Schwerpunkt sein.
Damit bekommen die entsprechenden Projekte sozusagen
einen Sonderbonus für den Aufbau Ost. Wir wollen im
kommenden Jahr den Bundesverkehrswegeplan in diesem
Haus beraten.
Vielen Dank.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Danke schön, Herr
Bundesminister.
Ich bitte darum, zunächst Fragen zu dem Themen-
bereich zu stellen, der soeben aufgerufen worden ist. Die
erste Wortmeldung kommt vom Kollegen Manfred
Grund.
Herr Minister, bei demSachstand zu den Verkehrsprojekten „Deutsche Einheit“,über den Sie gerade berichtet haben, geht es um Projekte,die schon lange vor 1998, also vor Ihrem Antritt als Minis-ter, begonnen und in Teilen fortgeführt, in Teilen aberauch in eine Warteschleife überführt oder blockiert wor-den sind. Sie haben von dem VDE-Projekt Nr. 8, demSchienenprojekt Berlin–Erfurt–München, gesprochen,dessen Bau unterbrochen worden ist, weil die Finanzie-rung nicht geklärt war und die Verkehrsprojekte unter ei-nen allgemeinen Finanzierungsvorbehalt gestellt wordensind.Wie erklären Sie sich und uns, dass ausgerechnet einesder wichtigsten Infrastrukturprojekte der neuen Bun-desländer, nämlich der Bau dieser Hochgeschwindigkeits-trasse, mit dem Ergebnis unterbrochen worden ist, dasswahrscheinlich frühestens im Jahr 2012 mit einer Fertig-stellung zu rechnen ist und dass damit in den neuen Bun-desländern mindestens vier Jahre sowohl hinsichtlich derFertigstellung als auch hinsichtlich der Bindung von Bau-leistungen verloren sind?Gleichzeitig wurde die neue ICE-Trasse von Frankfurtnach Köln bei Verdopplung der Baukosten munter wei-tergebaut. Warum wurde dieser Schnitt ausgerechnet inden neuen Bundesländern vorgenommen, der uns sehr zuschaffen gemacht hat, während andernorts parallel zu ei-ner vorhandenen Bahn- und Autobahntrasse eine ICE-Trasse bei erhöhten Baukosten entsteht?Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- undWohnungswesen: Die Ausgangslage war Folgende: Mitder Regierungsverantwortung haben wir auch 1,5 Bil-lionen DM Bundesschulden übernommen. Deswegen gabes zur Haushaltskonsolidierung keine Alternative. Dasführte dazu, dass mit Steuergeldern besonders sorgsamumgegangen werden muss.Auch müssen Sie sich bei den von Ihnen verglichenenProjekten den jeweiligen Projektauftrag vor Augenführen. Während wir bei dem VDE 8.1, 8.2 und 8.3 dasTeilstück 8.3 realisiert haben und damit einen hohen ver-kehrlichen Wert erzielen konnten, hat es in anderen Be-reichen, in denen Tunnel und Brückenbauwerke diegroßen Kostenfaktoren sind, keinen Sinn, den Bau zu un-terbrechen. Deswegen gab es eine Entscheidung für dasProjekt 8.3, aber gegen die Fortführung der Projekte 8.1und 8.2. Dies geschah vor dem Hintergrund der von deralten Regierung hinterlassenen Verschuldung.In Köln galten andere Vertragsverpflichtungen. Siewissen, dass es eine funktionale Ausschreibung und eingeteiltes Risiko zwischen dem Bund und der DBAG gab,was beim Schienenwegeausbau ein unübliches Verfahrenin Deutschland ist. Die Trasse nach Köln musste durch-gebaut werden, weil es keinen Sinn hat, Teilstrecken zurealisieren, die dann keine Fortführung gefunden hätten.Das war eine völlig neue Streckenführung. Deswegen un-terscheidet sich die in drei Teilabschnitten projektierteStrecke von Berlin nach München deutlich von derStrecke von Köln nach Frankfurt.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Bundesminister Kurt Bodewig23410
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt eine Nach-
frage des Kollegen Grund.
Herr Minister, der Ver-
weis auf die Bundesschuld, die Sie urplötzlich vorgefun-
den haben, wirkt etwas seltsam, wenn man berücksichtigt,
dass in den letzten zwei Jahren ungefähr 2Milliarden DM,
die der Bahn zur Projektierung und zum Bau zur Verfü-
gung gestanden haben, nicht abgerufen worden sind, weil
man nicht in der Lage gewesen ist, diese Mittel entspre-
chend einzusetzen.
Ich habe noch eine Nachfrage, die diesen Bereich
betrifft. Sie haben angegeben, die Verkehrsprojekte
„Deutsche Einheit“ hätten für die jetzige Bundesregie-
rung nach wie vor eine hohe Priorität. Sie haben aber in
Ihrer Amtszeit keinen neuen Bundesverkehrswegeplan
vorgelegt. Sie haben nur die Erwartung geäußert, dass in
Form einer Abgrenzung abgeklärt werden soll, welche
Projekte im Rahmen eines neuen Bundesverkehrswege-
plans realisiert werden könnten. Gibt es denn – auch um
bei den Straßenbauämtern und den Landesverwaltungen
Klarheit zu bekommen – einen Finanzrahmen, von dem
Sie ab dem Jahr 2002 ausgehen und innerhalb dessen sich
die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ und der Bundes-
verkehrswegeplan bewegen werden?
Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Sie haben sicherlich Verständnis dafür,
dass ich dem Haushaltsgesetzgeber nicht vorweggreifen
will. Aber bekanntlich hat die Bundesregierung in dem
„Zukunftsprogramm Mobilität“ mit 90 Milliarden Euro
eine Voraussetzung geschaffen, wie sie für die Bundes-
republik Deutschland einzigartig ist. Insofern gibt es in
der Tat einen finanziellen Rahmen.
Lassen Sie mich zum Bundesverkehrswegeplan eine
kurze Anmerkung machen. Die Länder haben mehr als
1 800 Projekte gemeldet. Das sind noch wesentlich mehr
als beim letzten Bundesverkehrswegeplan von 1992, der
aus Ihrer Regierungszeit stammt und der übrigens mit
100 Milliarden DM unterfinanziert war. Insofern findet
ein ordnungsgemäßer Ablauf statt. Wir prüfen alle Pro-
jekte und werden dann auch die jeweiligen Projektdaten
mit den Bundesländern im Einzelnen besprechen. Das ist
die Phase, die nun ansteht und die ich gemeinsam mit den
Verkehrsministern auf der letzten Verkehrsministerkon-
ferenz beschlossen habe.
Lassen Sie mich noch etwas zur Schienenpolitik sagen.
Diese Bundesregierung hat die Schiene in einem sehr ho-
hen Maße gefördert; denn wir haben die Situation vorge-
funden, dass Sie die Schieneninvestitionsanteile von noch
annähernd 9 Milliarden DM im Jahr 1995 auf annähernd
6 Milliarden DM im Jahr 1998 abgesenkt haben. Das
führte dazu, dass die Bahn Planungskapazitäten abgebaut
hat, die wir erst wieder aufbauen müssen. Die Bundes-
regierung hat es der Bahn ermöglicht, diese Planungs-
kapazitäten wiederherzustellen. Sie sehen also, dass wir
die Fehler der Vergangenheit vermeiden wollen und dass
wir der Bahn eine Perspektive bieten wollen, damit sie
eine kontinuierliche Planung durchführen kann. Deshalb
haben wir auch das „Zukunftsprogramm Mobilität“ auf-
gelegt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die nächste Frage
stellt der Kollege Hirche.
Herr Minister, zunächst einmalmöchte ich darauf hinweisen, dass der Verkehrsausschussdurch eine gewisse Fügung der Organisation just in die-sen Minuten eine Expertenanhörung zum Thema Luft-verkehr durchführt, die offenbar wegen des Staatsaktesheute Morgen verschoben worden ist. Das führt zu derunglücklichen Situation, dass kein Verkehrspolitiker undkein Mitglied des Verkehrsausschusses anwesend sind.Ich bitte dafür um Verständnis.Ich habe folgende Fragen. Herr Minister, wir haben fürdie neuen Bundesländer ein besonderes Planungsrechtgeschaffen. Sind Sie mit der Anwendung dieses Pla-nungsrechts zufrieden und bedarf es einer Verlängerungoder einer Ausdehnung auf Gesamtdeutschland?Des Weiteren möchte ich an die Frage des KollegenGrund anknüpfen. Ist denn nun sichergestellt, dass Mittel,die die Bahn in einem Haushaltsjahr nicht verbauen kann,dann der Straße zur Verfügung gestellt werden? Schließ-lich sind die Verkehrshindernisse im Bereich der Straßeebenso groß wie im Bereich der Bahn.Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- undWohnungswesen: Herr Hirche, Sie kennen das Haushalts-recht und wissen, dass es sich um getrennte Titel im Ein-zelplan 12 handelt. Ich kann Ihnen aber versichern, dasswir gerade für die Straße ungeheuer viel getan haben. EinRekordhaushalt für die Bundesfernstraßen und ein Zu-kunftsinvestitionsprogramm, mit dem wir 125 Ortslagenvom Schwerlastverkehr und anderem Straßenverkehr ent-lasten, sind sehr deutliche Zeichen dafür, dass diese Bun-desregierung den Bedürfnissen der Bürger nach Mobi-lität, aber auch nach Schutz vor Lärm und Abgasen in denOrtslagen in einem hohen Maße entspricht. Sie werden si-cherlich zustimmen, dass diese Politik der Bundesregie-rung für die Bürger außerordentlich wichtig ist.Ich möchte noch Ihre Worte des Bedauerns aufgreifen.Wie Sie alle wissen, hat der Staatsakt die heutige Planungdurcheinander gebracht. Insofern freue ich mich, dass ei-nige Mitglieder des Verkehrsausschusses anwesend sind.Ich habe aber auch Verständnis für diejenigen Mitgliederdes Verkehrsausschusses, die in der Anhörung sind. So istdies leider. Wir beide haben ja am Staatsakt teilgenom-men. Es war wichtig, dass wir uns vom ehemaligen Bun-destagspräsidenten Stücklen gebührend verabschiedenkonnten.Nun zurück zu Ihrer Frage: Ich möchte ausdrücklichdeutlich machen, dass es uns darum geht, das bestehendePlanungsrecht zu nutzen. Gleichzeitig haben wir imBundesverkehrswegeplan neue Kriterien eingeführt,mit denen die Frage der Raumordnungsbeziehungen
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002 23411
berücksichtigt werden soll. Damit wollen wir deutlichmachen, dass es uns nicht um abstrakte Planungen, son-dern darum geht, mit direktem und effizienten Einsatz vonMitteln die höchste Wirkung zu erzielen. Ich glaube, dasist auch in Ihrem Sinne. Deshalb sage ich: Das bestehendePlanungsrecht, auch das geteilte, wird von uns für dieRealisierung von Projekten genutzt. Weiteren Handlungs-bedarf sehe ich nicht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Kollege Hirche
hat noch eine weitere Frage.
Herr Minister, ich möchte noch
eine Nachfrage zu konkreten Instandhaltungsproblemen
stellen, über die ich erst gestern auf einem Kolloquium der
Bauindustrie informiert worden bin.
Erstens. Welchen Fortschritt macht der Bau der Bahn-
strecke Hamburg–Berlin? Befindet man sich im Pla-
nungssoll? Was ist insbesondere mit den vielen ebenen-
gleichen Bahnübergängen, die sämtlich für die neuen
Geschwindigkeiten ausgelegt werden müssen?
Zweitens. Was ist mit dem Sonderproblem im Wasser-
bereich, dem Havelausbau?An einer Stelle der Havel, an
der eine Schleuse oder ein Übergang vorhanden ist, ist die
Sohle offenbar undicht, wodurch Wasser aus dem Kanal
in das Grundwasser sickert. Eigentlich müssten Sofort-
maßnahmen zur Behebung dieses Problems eingeleitet
werden. Dafür stehen aber offenbar keine Gelder zur Ver-
fügung.
Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Das waren mehrere Fragen. Ich möchte
mit der zweiten beginnen. Ich bitte Sie um Verständnis,
dass mir zurzeit keine Informationen zu dem Havelpro-
blem vorliegen. Ich bin gerne bereit, Ihnen diese Frage
schriftlich zu beantworten. Es scheint mir ein sehr kom-
plexes technisches Problem zu sein. Ich werde dieses
Thema in meinem Hause gut aufbereiten lassen. Sie ha-
ben ja ein Interesse an soliden Informationen.
Zu Ihrer ersten Frage: Das Ausbauvorhaben VDE Nr. 2
– das ist die rund 270 Kilometer lange Strecke Ham-
burg–Berlin – ist ja gemäß der mit diesem Projekt ur-
sprünglich verfolgten Absicht realisiert. Uns geht es da-
rum – das müssen Sie unterscheiden –, in einer zweiten
Phase das zu realisieren, was quasi als Auftrag aus der
Entscheidung entstanden ist, die Transrapidstrecke zwi-
schen Hamburg und Berlin nicht zu bauen. Damals wurde
entschieden, dass 1 Milliarde DM aus dem Transrapid-
plafond zur weiteren Ertüchtigung der Strecke Ham-
burg–Berlin eingesetzt wird. Ich halte dies für eine gute
und solide Entscheidung.
Allerdings gab es hierbei ein Problem: Diese 1 Milli-
arde konnte damals nicht für den Ausbau der Infrastruk-
tur mobilisiert werden, weil sich die Kommunen nach
dem bundesweit geltenden Recht zu einem Drittel an der
Finanzierung der Kreuzungsbauwerke beteiligen müssen.
Das hätte die an der Strecke liegenden Kommunen aber
überfordert. Deswegen hat die Bundesregierung nach
vielen Gesprächen und nach einem Abwägungsprozess
entschieden, zwar nicht auf Rechtsansprüche nach dem
Eisenbahnkreuzungsgesetz zu verzichten, aber die Vor-
finanzierung zu übernehmen, damit nicht vielleicht auf-
grund der Haushaltslage einzelner Gemeinden eine wich-
tige Infrastrukturaufwendung in Höhe von 511 Millionen
Euro – das ist der heutige Wert – blockiert wird. Dies ist
uns gelungen. Ich glaube, dies ist im Interesse aller.
Ich betone ausdrücklich: Die Bundesregierung hat
keine Rechtsansprüche aufgegeben. Wir wollten auch kei-
nen Präzedenzfall schaffen. Die jetzige Regelung hat viel-
mehr mit dem spezifischen Problem zu tun, für das wir
eine sinnvolle Lösung angeboten haben; denn sonst wäre
es nicht möglich, in einer zweiten Ausbaustufe die Strecke
Hamburg–Berlin für Höchstgeschwindigkeiten zwischen
200 und 230 Kilometern pro Stunde so zu ertüchtigen,
dass die Fahrzeit auf dieser Strecke – ohne Stopp – auf an-
derthalb Stunden verkürzt werden kann. Insofern haben
wir einen klugen Weg gewählt, der mit Sicherheit auch
Ihre Zustimmung finden wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der nächste Frage-
steller ist der Kollege Dehnel.
Herr Bundesminis-
ter, ich stimme mit Ihnen überein, dass die Verkehrspro-
jekte „Deutsche Einheit“ – so haben Sie es formuliert –
rückblickend betrachtet eine große Erfolgsgeschichte
sind. Sie haben das aber nur der derzeitigen Bundesregie-
rung geschuldet.
Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Nein, das würde ich nicht sagen.
Sie stimmen mir alsowahrscheinlich zu, wenn ich sage, dass es eine große Leis-tung der ehemaligen Regierung unter Helmut Kohl war,die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ in Planung undUmsetzung erheblich vorangebracht zu haben. So vielzum Rückblick.Gestatten Sie mir aber auch einen Blick nach vorn:Wenn die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“, wie Siesagen, in der nächsten Legislaturperiode abgeschlossensein sollen, ist es dann nicht sinnvoll, schon jetzt Planun-gen für Verkehrsprojekte der europäischen Einheit voran-zubringen? In meiner Heimat, der erzgebirgischen Re-gion, gibt es heute auf den 120 Kilometern zwischen BadBrambach und Altenberg/Geising keinen einzigen Grenz-übergang für Schwerlasttransporte auf der Bahn. Ich fragedies vor dem Hintergrund, dass Europa in kurzer Zeit zu-sammenwachsen wird und wir in der Europäischen UnionVerkehrsprojekte brauchen, die heute schon geplant undin den nächsten fünf Jahren umgesetzt werden müssen.Wie sehen die diesbezüglichen Planungen in Ihrem Hauseaus?Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- undWohnungswesen: Herr Dehnel, ich freue mich über Ihrevielen Fragen sowie darüber, dass sich das Haus langsam
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Bundesminister Kurt Bodewig23412
füllt. Dies zeigt, dass Verkehrspolitik nicht nur die Bürger,sondern auch das Parlament bewegt.In der Beantwortung Ihrer Frage muss ich etwas wei-ter ausholen. Natürlich habe ich jetzt nicht jedes die neuenBundesländer betreffende Projekt präsent. Sie wissen,dass die Länder eine Reihe von zusätzlichen Projekten an-gemeldet haben, die sich in dem Verfahren zur Erstellungdes Bundesverkehrswegeplans befinden. Das heißt, die-jenigen Projekte, für die bis zum 31. Dezember 1999 keinBaurecht erlangt wurde, werden in ein Verfahren zurBewertung der jeweiligen verkehrlichen Wirkung einbe-zogen.Das gilt natürlich auch für den grenzüberschreitendenBereich. Das von uns eingeführte Kriterium, Raumwirk-samkeitsbezüge zu schaffen, spricht eher für als gegensolche Projekte. Andererseits gibt es im Hinblick aufgrößere Projekte aber auch eine Reihe von Vorfestlegun-gen. Sie wissen, dass der Bundeskanzler in Magdeburgsehr deutlich gemacht hat, dass es eine Fortführung derA 14 in Richtung Norden geben muss, dass die A 72 fürden sächsischen Raum von großer Bedeutung ist und dassnicht zuletzt die Aufhebung des Baustopps für die Pro-jekte 8.1 und 8.2 zusätzlichen Schub bringt. Daran kön-nen Sie erkennen, dass die neuen Bundesländer bei dieserBundesregierung sehr gut aufgehoben sind. Das gilt auchfür alle anderen Bewertungsverfahren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Nachfrage, Herr
Kollege Dehnel, bitte.
Herr Bundesminis-
ter, Sie haben die neuen Bundesländer gewürdigt. Auch
ich freue mich darüber, dass die A 72 und die A 14 kom-
men werden. Aber leider ist von Ihnen die Weiter-
führung bis nach Tschechien überhaupt nicht erwähnt
worden. Deshalb frage ich, welche Planungen es in Ihrem
Hause zur Weiterführung von Straßen aus Bayern, Sach-
sen und Brandenburg in Länder wie Tschechien und Po-
len gibt, die der Europäischen Union beitreten werden.
Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Sie wissen, dass diese Projekte ange-
meldet sind und sich jetzt in der Bewertung befinden. Ich
möchte dem Verfahren nicht vorgreifen, kann Ihnen aber
sagen, dass ich mit meinen Amtskollegen aus Polen und
Tschechien, aber auch aus anderen Beitrittsländern stän-
dig im Gespräch bin. Nicht zuletzt finanziert die EU in
diesen Ländern Verkehrsinfrastrukturprojekte in einem
hohem Maße. Wir denken also gesamteuropäisch; trans-
europäische Netze und grenzüberschreitende Routenli-
nien sowohl für die Schiene als auch für die Straße sind
ebenfalls Gegenstand unserer Betrachtung.
Im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans gibt es das
von mir eben beschriebene Verfahren. Wir werden zum
Beispiel mit dem Land Sachsen auch in eine Diskussion
darüber eintreten, ob die in den Gutachten enthaltenen
Daten vom Land geteilt werden oder ob das Land be-
stimmte Projekte für wichtiger als andere hält. Das alles
sind wichtige Prozesse. Ich bin immer daran interessiert,
dass wir diese Prozesse ordnungsgemäß durchführen, ver-
sichere Ihnen aber, dass wir europäisch denken.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es sind bei mir jetzt
noch vier Fragen angemeldet. Im Interesse aller bitte ich
diese vier Kollegen um kurze Fragen und bitte auch, wenn
es geht, um kurze Antworten. – Herr Kollege Otto, bitte.
Herr Minister, ichkomme noch einmal auf den Baustopp des ProjektesNürnberg–Erfurt zurück. Sie haben einen dreijährigenBaustopp zu verantworten; das haben Sie hier auch be-stätigt. Sie haben ihn mit fehlenden Finanzierungsgrund-lagen begründet. Herr Grund hat eben erläutert, dass dieBahn überhaupt nicht in der Lage war, Mittel auszugeben.Des Weiteren haben Sie den Versuch gemacht, den Bau-stopp damit zu begründen, dass die Baureife nicht gege-ben gewesen sei. Das ist auch nicht richtig. Das Pro-jekt 8.1 war fast in seiner Gänze planfestgestellt undbaureif. Daran kann es auch nicht gelegen haben.Sie haben in Ihre Koalitionsvereinbarung geschrieben,alles komme noch einmal auf den Prüfstand. Im Rahmender Überprüfung sollte dieses Projekt unter technischemAspekt zerredet werden.
Meine erste Frage: Was hat die Überprüfung nun erge-ben? Geschah dies auf Druck der Grünen, die Ihnen auf-getragen haben, dieses Projekt nicht zu realisieren? Habensich tatsächlich technische Änderungen ergeben? Sie er-innern sich an die vielen Varianten, die erarbeitet wordensind, beispielsweise mit einem provisorischen Anschlussbei Ilmenau usw. Welche technischen Ergänzungen habensich wirklich durch die Überprüfung ergeben? Haben siedas Projekt preiswerter gemacht oder vereinfacht?Meine zweite Frage: Welche Vorstellungen bestehenzur Fertigstellung dieses Projektes? Wenn wir Milliardenverbauen, dann will die Wirtschaft und dann wollen wirwissen, wann diese Milliarden aktiviert werden. Hierkann nicht auf irgendeinen Zeitpunkt verwiesen werden.In der Antwort Ihres Hauses vom 27. März auf meineAnfrage wird hierzu weiterhin eine unklare Aussage ge-troffen. Es wird auf Abstimmungen mit der Bahn, aufFinanzierungsverhandlungen usw. hingewiesen. Gibt esjetzt eine klare Aussage über die komplette Fertigstellungdes Projektes Nr. 8.1? Wann ist diese Strecke zwischenNürnberg, Erfurt, Halle, Leipzig und Berlin als Schnell-verkehrsstrecke funktionsfähig?Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- undWohnungswesen: Herr Otto, die Frau Präsidentin hatteeben um kurze Antworten gebeten.Zu Ihrer ersten Frage: Sie haben uns damals einen Hau-fen Schulden hinterlassen: Bundesschulden von 1,5 Bil-lionen DM und 80 Milliarden DM jährliche Zinsleistung.Unter diesem Gesichtspunkt sollte alles auf den Prüf-stand. Als wir mit dem Schwerpunkt, Infrastrukturinves-titionen in Zukunft in einem höheren Maße als zu Ihrer
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Bundesminister Kurt Bodewig23413
Zeit zu gewährleisten, massiv in die Haushaltskonsolidie-rung eintraten, war es eine zwingende Folge, den Bau-stopp aufzuheben. Das haben wir getan. Ich glaube, dassdas richtig war. Alles andere, was Sie in diese Entschei-dung hineingeheimnissen, ist nicht zutreffend.Die VDE Nr. 8.1 und 8.2 boten sich an, weil das Pro-jekt 8.3 abgeschlossen war. Bevor man in milliarden-schwere Maßnahmen einsteigt – Sie wissen, 3,7 Milliar-den Euro allein für das Projekt 8.1 –, muss das Geldvorhanden sein. Alles andere würde viel zu teuer. Deswe-gen war es eine kluge und richtige Entscheidung der Bun-desregierung, das Projekt zu prüfen und den Bau voran-zutreiben, nachdem wir die Finanzlinie gesichert hatten.Dazu gehört – dies zu Ihrer zweiten Frage –, dass wirjetzt, nachdem der Baustopp vor kurzem aufgehoben wor-den ist, mit der Bahn in Finanzierungsvereinbarungs- undBauzeitverhandlungen eintreten müssen, was für jedesProjekt normal ist. Auch in dieser Hinsicht brauchen Siejetzt nicht zu versuchen, eine kleine Wahlkampflinie auf-zubauen. Das lohnt sich nicht; das kann ich Ihnen versi-chern. Wir haben die besseren Antworten, Herr Otto.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jetzt ist Herr Kollege
Fischer mit seiner Frage an der Reihe.
Frau Präsiden-
tin, nach der Bemerkung des Kollegen Hirche bezüglich
der Anwesenheit der Verkehrspolitiker weise ich darauf
hin, dass trotz laufender Ausschusssitzung fünf Abgeord-
nete der CDU/CSU-Fraktion aus dem Verkehrsausschuss
anwesend sind, weil meine Fraktion den Verkehrsprojek-
ten „Deutsche Einheit“ immer eine überragende Bedeu-
tung zugemessen hat.
Was hat Sie bewogen, Herr Bundesminister, das Parla-
ment unrichtig dahin gehend zu informieren,
Sie hätten erstmalig die raumordnerische Wirkung in die
Reihe der Kriterien für die Aufstellung des Bundesver-
kehrswegeplanes aufgenommen, wohingegen nach mei-
nen Informationen dieses Kriterium seit eh und je galt?
Der allererste Plan ist von Herrn Lauritzen im Jahr 1976
erstellt worden.
Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Ein guter Mann! Ich hatte allerdings ge-
dacht, dass Sie gekommen seien, weil ich Ihnen hier et-
was mitteilen kann.
Ich glaube, wir sind alle – das gilt für das gesamte Haus
und für alle Parteien – der Meinung, dass wir die Ent-
wicklung der Verkehrsinfrastruktur in den neuen Bundes-
ländern fördern müssen, weil dies etwas mit der Prospe-
rität der neuen Bundesländer zu tun hat.
Ich füge an: Das ist auch gut so; denn eine gemeinsam ver-
tretene starke Linie hilft bei der Herstellung gleicher Le-
bensbedingungen in Deutschland.
Der zweite Punkt. Sie wissen – ich habe Ihnen im Ver-
kehrsausschuss auch mehr als einmal dargestellt, wie die
Kriterien des Bundesverkehrswegeplans sind –, dass wir
die Raumwirksamkeitsbezüge qualifiziert, eigenständig
ausgestaltet und verstärkt haben. Dieses Novum sollte
von Ihnen nun zumindest akzeptiert werden. Nicht zuletzt
sage ich natürlich auch, dass Lauritz Lauritzen eine gute
Arbeit gemacht hat; er kam aus einer vernünftigen Partei.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Blank,
Ihre Frage.
– Ich kann jetzt keine Nachfrage zulassen, damit die an-
deren auch noch zum Zuge kommen. Das halte ich für
kollegialer.
Frau Kollegin Blank, bitte.
Herr Minister, bis jetztwaren Ihre Mitteilungen weniger inhaltsreich; sie hattenmehr Unterhaltungswert.
Ich komme jetzt noch einmal auf das Projekt 8.1 zurück.Kann es nicht so gewesen sein, dass Sie, nachdem Rot-Grün das Projekt Nürnberg – Erfurt gestoppt hat, plötzlichgemerkt haben, dass Mittel, die für die Planung transeuro-päischer Netze ausgegeben worden waren, an die Euro-päische Union hätten zurückgezahlt werden müssen, dassSie daraufhin in Ihrem Investitonsprogramm einen klei-nen Betrag ausgewiesen haben und eine Absichtser-klärung abgegeben haben, diese Strecke doch zu bauen?Die zweite Frage. Was ist eigentlich an Ihrem Sach-standsbericht Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ –außer der Beschäftigung von Mitarbeitern – neu? ImGrunde genommen sind die VDEs beschlossene Sacheaus den Jahren 1992 und 1993 und ist es eigentlich dieAufgabe jeder Regierung, die Projekte fortzuführen.Eine weitere Frage zum Bundesverkehrswegeplan. Siehaben seinerzeit ausgeführt – ich erinnere mich an dasJahr 1998 –, dass Sie im Jahr 1999 oder 2000 ganz schnelleinen neuen Bundesverkehrswegeplan vorlegen wollten.Warum ist das bis jetzt noch nicht geschehen? Kann ichdavon ausgehen, dass die rot-grün oder rot regierten Bun-desländer so viele Anmeldungen getätigt haben, dass Siein Schwierigkeiten kommen, die entsprechenden Beträgein den Bundesverkehrswegeplan aufzunehmen?
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Bundesminister Kurt Bodewig23414
Sie haben von 90 Milliarden Euro Investitionen gespro-chen. Ich würde sagen: Das ist normale Abwicklung inden nächsten zehn Jahren. Das ist nichts Neues.
Ich meine, dass Sie den Bundesverkehrswegeplan des-wegen nicht vorlegen, weil Sie sonst Schwierigkeiten mitden rot-grün regierten Bundesländern bekommen undweil Sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, dassder Bundesverkehrswegeplan unterfinanziert ist. Ich sageIhnen übrigens noch einmal: Es ist kein Finanzplan, son-dern ein Bedarfsplan.Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- undWohnungswesen: Frau Blank, da hilft alles nichts. DieVDE 8.1 und 8.2 wurden von uns aus materiellen Grün-den auf den Prüfstand gestellt. Wenn Sie einen solchenwirklich riesigen, für die Menschen unfassbaren Betragvon 1 500 Milliarden Bundesschulden hinterlassen, dannmuss jede nachfolgende Regierung Projekte, die 3,7 Mil-liarden Euro und mehr kosten, auf den Prüfstand stellen.Das ist so. Das muss man tun. Wir haben das getan.
Wir haben alles mobilisiert, haben Haushaltskonsoli-dierung betrieben und trotzdem die Investitionen hochge-fahren, während die alte Regierung sie – da muss ichIhrem Kurzzeitgedächtnis ein bisschen auf die Sprüngehelfen – zuvor zurückgefahren hatte. Vor dem Hinter-grund ist es die richtige Entscheidung gewesen, die Pro-jekte 8.1 und 8.2 jetzt zur Realisierung zu bringen. Sie wa-ren dazu – auch das muss ich sagen – nicht in der Lage.
Ich will Ihnen noch etwas sagen, weil ich glaube, dassSie bisher noch nicht begriffen haben, was 90 Mil-liarden Euro investive Mittel bis zum Ende dieses Jahr-zehnts bedeuten. Sie bedeuten eine hohe Arbeitsmarkt-wirkung. Sie bedeuten, dass die Länder kalkulierenkönnen, und das ist die Voraussetzung dafür, dass manüber den Neubau von Straßen und Schienen, aber auchWasserstraßen diskutieren kann.Zum Bundesverkehrswegeplan. Ich vermute, dass Sieso spät gekommen sind, dass Sie meinen Ausführungennicht folgen konnten. Deshalb will ich sie kurz wiederho-len. Es gab 1 800 Anmeldungen aus den Bundesländern,und zwar aus allen Bundesländern, unabhängig von derCouleur. Diese Anmeldungen müssen in einem geordne-ten Verfahren geprüft werden. Daran arbeiten wir sehr zü-gig. Mir geht es darum, dies so transparent wie möglichzu machen. Deswegen wird es in den nächsten Wochendie bilateralen Gespräche mit den Ländern geben. Siewerden die Rohdaten dann überprüfen. Ich glaube, dassdas richtig ist.Die Situation wäre etwas einfacher gewesen, wenn esstatt 1 800 nur 1 000 Anmeldungen gegeben hätte. Da-durch hätten wir zumindest ein gehöriges Maß an Zeiteinsparen können. Es ist aber so, dass ich keinem Landvorschreiben kann, welche Projekte es anmeldet. Deswe-gen muss jedes Projekt auf den Prüfstand. Dem kommenwir nach. Ein geordnetes Verfahren ist für Deutschlandbesser als einseitige Entscheidungen, die vielleicht nureine fokussierte Betrachtung zur Folge hätten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Aufgrund des Zeitrah-
mens kann ich jetzt nur noch eine kurze Frage des Kolle-
gen Letzgus zulassen.
Herr Bundesminister,
Sie sprachen vorhin davon, dass die A14 in kürzester Zeit
vollendet worden ist: Wir haben mit den Baumaßnahmen
damals sehr zügig angefangen und Sie haben sie sehr zü-
gig zu Ende gebracht; darüber können wir uns beide
freuen. Am meisten freuen sich natürlich die Autofahrer,
die diese Autobahn jetzt benutzen. Sie fahren zügig von
Halle nach Magdeburg. Nun möchten sie natürlich gerne
wissen, wie sie in Zukunft in Richtung Norden weiterfah-
ren können. Daher meine Frage: Können Sie etwas über
den zukünftigen Streckenverlauf sagen?
Der Hintergrund meiner Frage ist folgender: Der ver-
kehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Herr Weis,
hat sich – das stand in der Presse – auf eine Verbindung
Magdeburg–Schwerin und eine G-Variante, also eine
autobahnähnliche Straße, durch den Norden der Altmark
festgelegt. Können Sie dazu etwas sagen?
Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Ich möchte erst einmal unterstreichen,
dass diese Bundesregierung es für sinnvoll erachtet, die
A 14 in Richtung Norden fortzusetzen. Das hat der Bun-
deskanzler auch in Magdeburg im Sinne der Menschen in
den neuen Bundesländern sehr deutlich zum Ausdruck ge-
bracht. Zum anderen ist es so, dass vier Bundesländer be-
troffen sind. Es handelt sich nämlich um einen Großraum,
der zwischen Lüneburg, Schwerin und dem Magdeburger
Bereich quasi ein Viereck bildet.
Wir führen auf der Fachebene zurzeit Gespräche über
die Fortführung der A14. Es macht mehr Sinn, dieses Pro-
jekt gemeinsam mit den Ländern durchzuführen, anstatt
jetzt eine einseitige Erklärung abzugeben. Es ist aber gut,
wenn sich die politischen Parteien – auch die Partei, der
ich angehöre – positionieren. Das ist in einem sensiblen
Jahr wie diesem sehr wichtig. Die Bundesregierung ist mit
den Ländern im Gespräch. Wir alle sind der Auffassung,
dass die A 14 fortgeführt werden muss. Damit ist aus un-
serer Sicht eine Grundsatzentscheidung getroffen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Angesichts der Tatsa-che, dass relativ wenige Fragen für die Fragestunde vor-liegen, gestatte ich dem Kollegen Fischer, doch nochseine angemeldete zweite Frage zu stellen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Renate Blank23415
Ich möchte im
Anschluss an die Bemerkung des Bundesministers zum
Planungsvolumen für die Schiene folgende Frage stellen:
Haben Sie es aufgrund Ihrer Ausführungen über den
Planungsvorlauf der Bahn für vertretbar gehalten, bei der
Aufstellung des Haushaltsentwurfs für das Jahr 2001 im
Sommer 2000 einem Etat mit einem Volumen für Investi-
tionszuschüsse im Bereich Schiene von nur noch
6,75Milliarden DM– das ist ein absolutes Rekordminus –
zuzustimmen? Zu diesem Zeitpunkt war die UMTS-Ver-
steigerung noch gar nicht abgeschlossen. Das beschlos-
sene Volumen wurde durch den besonders günstigen
Verlauf der Versteigerung der UMTS-Lizenzen überra-
schenderweise für drei Jahre um jeweils 2 Milliarden auf-
gestockt. Sie haben aber 6,75 Milliarden DM als Normal-
ausstattung für ausreichend gehalten; denn so haben Sie
damals als Kabinettsmitglied entschieden.
Was halten Sie von der Informationspolitik zu dem
Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ Nr. 2 Hamburg–
Büchen–Berlin? Bahnchef Mehdorn hat in einem
„Stern“-Interview vom 3. Februar 2000 der Bevölkerung
versprochen, dass es in anderthalb Jahren, also Mitte
2001, auf einer für 350 Millionen DM ertüchtigten
Strecke möglich sei, in 90 Minuten von Hamburg nach
Berlin zu fahren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Fischer,
jetzt muss ich eingreifen. Sie haben zugesichert, nur eine
Frage zu stellen. Das war die Abmachung, da Sie schon
eine Frage gestellt haben.
Die beiden
Fragen hängen zusammen, weil es um Geld geht. – Auf
dem Bahnhof Friedrichstraße stehen Informationstafeln
der DBAG, auf denen zu lesen ist: Wenn die Hindernisse
beseitigt sind, fahren wir bald mit Tempo 230 in 90 Mi-
nuten nach Hamburg. – Sie aber informieren uns heute,
dass dieses frühestens ab 2005 der Fall sein wird. Sind Sie
der Meinung, dass wir der Bevölkerung eine Informati-
onspolitik in dieser widersprüchlichen oder unseriösen
Art und Weise zumuten können?
Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Herr Fischer, ich glaube, Sie haben die
Ringfragetechnik gut entwickelt: Eine Frage schließt sich
an die andere an. Ich will auf zwei konkrete Fragen einge-
hen.
Sie haben die Mittel von knapp 9 Milliarden DM im
Jahr 1995 auf knapp 6 Milliarden DM im Jahr 1998 ge-
senkt. Wir haben 1999 Kassensturz gemacht und dann
Konsolidierung betrieben. Wir konnten die globale Min-
derausgabe für dieses Ministerium zu großen Teilen ab-
wenden und haben aufgebaut. Daraus wird sehr deutlich,
dass wir auch der Schiene genau das richtige Maß an An-
erkennung geben, indem wir auf die ursprünglichen Stei-
gerungsraten zurückgehen, die damals schon außerge-
wöhnlich waren. Das sollten Sie anerkennen. Sie sollten
uns eigentlich loben für das, was wir getan haben, statt
hier herumzumäkeln. Aber ich will darauf nicht eingehen,
Herr Fischer, weil wir uns aus dem Ausschuss lange ge-
nug kennen und wissen, dass dies wahrscheinlich zum Ri-
tual gehört.
Wichtiger ist, Herr Fischer, dass es uns gelungen ist, et-
was voranzubringen. Wir haben für die Schiene Geld or-
ganisiert, wir haben der Schiene neue Planungskapazitä-
ten organisiert und wir wollen, dass die Schiene einen Teil
des Verkehrs aufnimmt. Wir wollen die Schiene stärken.
Wenn das unser gemeinsames Ziel ist, freue ich mich da-
rüber ganz besonders.
Zur Strecke Hamburg–Berlin: Dieses VDE wird in
dem vorgesehenen Rahmen abgewickelt. Wir haben nach
der Vereinbarung im Jahr 2000 gesagt, dass wir eine
Beschleunigung ermöglichen und eine ICE-Hochge-
schwindigkeitsverbindung zwischen den Städten Ham-
burg und Berlin realisieren wollen. Dadurch wird diese
Strecke attraktiv und vielleicht auch eine interessante Al-
ternative zum innerdeutschen Flugverkehr.
Dabei ergab sich eine Schwierigkeit, die ich eben in der
Beantwortung einer anderen Frage sehr ausführlich be-
schrieben habe. Wenn diese hohen Geschwindigkeiten er-
reicht werden sollen, ist es notwendig, Kreuzungsbau-
werke auf dieser Strecke neu herzurichten. Das ist daran
gescheitert, dass Kommunen nicht in der Lage waren, ein
Drittel der notwendigen Investitionen zu tätigen.
Wir haben hier einen sehr guten und intelligenten Weg
beschritten. Die Bürger können erkennen, dass diese Bun-
desregierung schnelle Bahnverbindungen will, dass sich
die Bahn im Sanierungsprozess befindet und attraktiver
wird. Wenn wir das von unserer Seite mit einer attraktiven
Infrastruktur verbinden, ist das genau der richtige Weg in
die Zukunft hin zu einer Mobilität, bei der die Menschen
entscheiden können. Ich glaube, das ist immer noch das
Beste.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Regierungsbefra-gung ist beendet.Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:Fragestunde– Drucksache 14/9003 –Die Fragen 1 und 2 zum Geschäftsbereich des Bun-desministeriums der Justiz1), die Frage 3 zum Geschäfts-bereich des Bundesministeriums der Finanzen und dieFragen 4 und 5 zum Geschäftsbereich des Bundesminis-teriums für Wirtschaft und Technologie werden sämtlichschriftlich beantwortet, sodass ich jetzt bereits denGeschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit undSozialordnung aufrufe. Zur Beantwortung steht Herr Par-lamentarischer Staatssekretär Gerd Andres zur Verfü-gung.Wir kommen zur Frage 6 des Abgeordneten Dr. KlausGrehn:Wie begründet die Bundesregierung die Tatsache, dass Ver-mittlungsgutscheine für private Arbeitsvermittlung von den
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 200223416
1) Antworten lagen bei Redaktionsschluss nicht vor, sie werden zueinem späteren Zeitpunkt abgedruckt.Arbeitsämtern nicht an Langzeitarbeitslose ausgegeben werden,die nicht mehr im Bezug von Leistungen des Arbeitsamtes stehen?G
Herr Abgeordneter
Grehn, wenn Sie gestatten, würde ich gern die Fragen 6
und 7 gemeinsam beantworten, weil sie in einem Zusam-
menhang stehen.
Bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dann rufe ich jetzt
auch noch die Frage 7 des Abgeordneten Dr. Klaus Grehn
auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, die gesetzlichen Regelun-
gen für private Arbeitsvermittlung so zu verändern, dass diese be-
sonderen Problemfälle finanziell angemessen berücksichtigt wer-
den?
G
Die Antwort auf die
Frage 6: Mit dem Vermittlungsgutschein wurde eine neue
Leistung in das Recht der Arbeitsförderung eingeführt.
Sie ermöglicht es Arbeitslosen, zulasten der Bundesan-
stalt für Arbeit private Vermittler in Anspruch zu nehmen.
Einstweilen kann nicht eingeschätzt werden, in welchem
Umfang dieses Instrument in Anspruch genommen
wird und wie viele Mittel dadurch gebunden werden.
Damit keine über die verfügbaren Haushaltsmittel hin-
ausgehenden Mehrausgaben entstehen, muss deshalb die
Gewährung des Vermittlungsgutscheins auf Leistungs-
empfänger beschränkt werden. Den Ausgaben für den
Vermittlungsgutschein stehen damit Einsparungen bei
den Leistungen für Arbeitslosengeld und Arbeitslosen-
hilfe gegenüber.
Die Frage 7 beantworte ich wie folgt: Bei den Vermitt-
lungsgutscheinen handelt es sich um ein befristet einge-
führtes arbeitsmarktpolitisches Instrument. Erst nach Vor-
lage breiterer Erkenntnisse und Erfahrungen mit dem
Instrument wird über Änderungen zu entscheiden sein.
Arbeitslose, die keine Leistungen beziehen, sind jedoch
nicht von vermittlerischer Unterstützung durch private
Vermittler oder andere Einrichtungen außerhalb der Ar-
beitsämter ausgeschlossen.
Nach § 37 a SGB III kann das Arbeitsamt Dritte mit der
Vermittlung Arbeitsuchender beauftragen. Hierbei gibt
es keine Beschränkung auf Leistungsbezieher. Die Ar-
beitsämter setzen dieses Instrument insbesondere zur Ver-
mittlung von Arbeitslosen mit Vermittlungshemmnissen
ein; dazu gehören in der Regel Langzeitarbeitslose. Die
Arbeitsämter sind in diesen Fällen verpflichtet, zu prüfen,
ob ihre Vermittlung durch die Beauftragung Dritter er-
leichtert werden kann. Ein Arbeitsloser hat andererseits
das Recht, die Beauftragung eines Dritten mit der Ver-
mittlung zu verlangen, wenn er oder sie sechs Monate
oder länger arbeitslos ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Grehn,
zu einer ersten Nachfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, können
Sie sagen, wie groß die Gesamtzahl derjenigen ist, die von
der Ausgabe von Vermittlungsgutscheinen ausgeschlos-
sen sind?
G
Nein, die Frage kann ich
nicht beantworten. Die Zahl kann ich Ihnen aber gerne
nachliefern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer weiteren
Nachfrage, bitte, Herr Grehn.
Herr Staatssekretär, können
Sie vielleicht erläutern, welche Auswirkungen diese Form
der Sonderbehandlung der überwiegend Schwervermit-
telbaren – Nichtleistungsempfänger sind in aller Regel
Langzeitarbeitslose – auf die Chancen der am schwersten
Vermittelbaren hat, die von dieser Möglichkeit ausge-
grenzt sind?
G
Herr Abgeordneter
Grehn, ich möchte das noch einmal wiederholen: Es gibt
die Einschaltung Dritter oder Privater nach dem SGB III
in drei verschiedenen Formen. Einmal kann das Arbeits-
amt von vornherein Dritte beauftragen. Das Arbeitsamt ist
dabei in keiner Art und Weise gehindert und kann die
vollen Kosten übernehmen, wenn es das für notwendig
hält. Die Kosten können auch über den Sätzen liegen, die
wir für die Vermittlungsgutscheine veranschlagt haben.
Die zweite Form der Einbeziehung Dritter besteht
darin, dass nach dem Job-AQTIV-Gesetz jeder Arbeits-
lose nach sechs Monaten Arbeitslosigkeit das Recht auf
Einschaltung eines Dritten hat.
Die dritte Möglichkeit, die wir jetzt geschaffen haben,
sind die Vermittlungsgutscheine, die nach der Dauer der
Arbeitslosigkeit gestaffelt sind: In den ersten drei Mona-
ten gibt es keinen Gutschein, nach drei Monaten – das
kennen Sie – gibt es einen Gutschein mit einer entspre-
chenden zeitlichen Staffelung, der drei Monate gültig ist.
Die Frage, die Sie gestellt haben, bezieht sich auf Per-
sonen, die Langzeitsarbeitlose sind und keine Leistungen
beziehen. Diese zahlenmäßig abzugrenzen bin ich jetzt
nicht in der Lage. Deswegen musste ich Ihre erste Frage
so beantworten, wie ich es getan habe. Ich liefere das
gerne nach. Häufig haben jedoch Langzeitarbeitslose bei-
spielsweise einen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe und
sind damit Leistungsbezieher. Wie groß die Gruppe ist,
die bei der Ausgabe von Vermittlungsgutscheinen nicht
berücksichtigt wird, kann ich Ihnen nicht sagen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Grehn,
Sie haben noch zwei weitere Möglichkeiten zur Nach-
frage.
Herr Staatssekretär, zunächstdanke ich Ihnen für die nochmalige Aufklärung. Repetitio
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Vizepräsidentin Petra Bläss23417
est mater studiorum. Ich nehme das gerne an, aber Sie ha-ben mir Bekanntes genannt. Ich dachte, ich erfahre Neu-igkeiten.Meine nächste Frage ist: Sie haben in Ihrer Antwortgesagt, Sie wüssten nicht genau, wie die Vermittlungs-gutscheine genutzt werden. Nun gibt es Zahlen, die sichum die 25 000 belaufen. Es gibt Einschätzungen, dass sieeher weniger genutzt werden. Darauf bezieht sich meineFrage: Wenn die Vermittlungsgutscheine eher wenigergenutzt werden und wenn die bisher zugelassenen priva-ten Arbeitsvermittler, die sich nun auf der Grundlage derneuen Bestimmungen hinsichtlich der Vermittlungsgut-scheine zur Zulassung angemeldet haben, über zu wenigArbeit klagen, sehen Sie dann nicht die Möglichkeit, dieEffektivität dieser Maßnahme zu erhöhen, indem Sie diebetreffende Gruppe in die Vergabe von Gutscheinen miteinbeziehen?G
In meiner Beant-
wortung der Frage 6 habe ich gesagt, dass es bei der
Schaffung dieses Instrumentes nicht möglich war, einzu-
schätzen, in welchem Umfang es genutzt wird. Sie haben
Recht – wir haben jetzt mit den Vermittlungsgutscheinen
einen Monat Erfahrung –: Auch nach meinem Informa-
tionsstand sind ungefähr 25 000 ausgegeben worden.
Nach meinem Informationsstand sind gegenwärtig
41 eingelöst worden. Einlösen kann man sie erst, wenn es
zu einem Vermittlungserfolg gekommen ist. Ich muss
aber schlicht um Verständnis bitten: Ein Monat ist viel zu
kurz, um einschätzen zu können, wie sich dieses Instru-
mentarium auswirkt. Dazu brauchen wir ein bisschen
mehr Zeit. Sie waren ja heute Morgen im Ausschuss an-
wesend, als der Vorstand der Bundesanstalt für Arbeit dies
erläutert hat.
Wir haben das genau im Auge. Uns ging es darum – ich
will das noch einmal ausdrücklich sagen –, mit dem Job-
AQTIV-Gesetz die Einbeziehung Dritter in die Vermitt-
lungstätigkeit deutlich auszuweiten. Mit den Vermitt-
lungsgutscheinen haben wir ein weiteres Instrument
geschaffen, das wir anwenden wollen. Aber gesetzliche
Änderungen etwa in Bezug auf die Einbeziehung anderer
Gruppen können wir erst vornehmen, wenn wir damit Er-
fahrung gesammelt haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Frage bleibt
noch. Bitte.
Herr Staatssekretär, es steht
mir nicht zu, hier einen Kommentar dazu abzugeben, weil
Fragestunde ist. Aber es ist schon interessant, dass Sie auf
der einen Seite zwei Möglichkeiten für eine bestimmte
Gruppierung schaffen und sie auch finanzieren, aber nicht
eine dritte Möglichkeit einführen wollen.
Meine Frage ist eine andere: Hat Ihr Ministerium in der
kurzen Zeit, in den fast sechs Wochen, die das Gesetz nun
gilt, schon Briefe von Betroffenen erhalten, die schildern,
wie sie die Situation einschätzen, und wie würden Sie auf
solche Briefe reagieren? Ich sage das, weil uns dies-
bezüglich sehr viele Briefe mit entsprechenden Anfor-
derungen erreichen.
G
Ich kann die Frage, ob
das Ministerium angeschrieben worden ist, gegenwärtig
nicht beantworten. Ich kann nur mit Blick auf meinen ei-
genen Posteingang sagen, dass mich solche Briefe nicht
erreicht haben. Ich möchte nicht ausschließen, dass an-
dere Stellen des Arbeitsministeriums dazu angeschrieben
worden sind. Wenn Sie solche Briefe haben, können Sie
sie uns gerne zur Verfügung stellen. Ich biete das aus-
drücklich an.
Ich will aber noch einmal sagen – das ist auch heute
Morgen im Ausschuss dargestellt worden –: Die neue
Vermittlungsmöglichkeit über die Gutscheine ist Ende
März in Kraft getreten. Wir haben faktisch nur den Monat
April zur Beurteilung. Ich bitte um Verständnis, wenn ich
sage: Bei dem, was ausgegeben wurde, und dem, was ein-
gelöst wurde, ist der Erfahrungshorizont, den wir auf-
grund dessen haben können, noch nicht sehr aussagekräf-
tig. Deswegen braucht das noch etwas Zeit. Wir
beobachten sehr genau, was sich da abspielt. Wir gehen
auch möglichen Informationen über Windhundverfahren
und eventueller Bereicherung an den Gutscheinen, die in
der Presse dargestellt wurden, nach. Wir haben aber bis
jetzt noch keine handfesten Anhaltspunkte oder Beweise
dafür, dass in dieser Art und Weise mit den Vermittlungs-
gutscheinen umgegangen wird.
Sie wissen, dass wir mit dem Verband im Gespräch
sind – das ist heute Morgen geschildert worden –, um eine
Zertifizierung für Vermittler zu schaffen, die zunächst ein-
mal auf der Verbandsebene selbst vorgenommen werden
soll. Auch hier sind wir tätig und beobachten sehr genau
die Entwicklung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Danke, Herr Staats-sekretär.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-nisteriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Hierwerden alle Fragen, die Fragen 8 und 9, schriftlich beant-wortet.Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesmi-nisteriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-wicklung auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamenta-rische Staatssekretärin Dr. Uschi Eid zur Verfügung.Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Gerald Weißauf:Wird sich die Bundesregierung im EU-Ministerrat für die un-veränderte Fortsetzung des AKP-Zuckerprotokolls – AKP: Län-der im afrikanischen, karibischen und pazifischen Raum, die mitder EU durch das Abkommen von Cotonou vom Juni 2000 asso-ziiert sind – und für die Ausklammerung des sensiblen ProduktesZucker aus den geplanten Wirtschaftspartnerschaftsabkommenmit den 76 AKP-Staaten einsetzen, und teilt sie die Auffassung,dass die Umsetzung der entgegengerichteten Vorschläge derKommission zwangsläufig zur Vernichtung von vielen TausendArbeitsplätzen in der Zuckerwirtschaft, zum Existenzverlust einerVielzahl landwirtschaftlicher Betriebe und zur weitgehenden Auf-gabe des europäischen Zuckerrübenanbaus führen würde?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Dr. Klaus Grehn23418
Dr
Herr Abgeordneter Weiß, im AKP-EG-Partner-
schaftsabkommen vom 23. Juni 2000, das mittlerweile
Abkommen von Cotonou genannt wird, haben sich die
AKP-Staaten und die EU-Mitgliedstaaten zu einer WTO-
konformen Neuregelung ihrer Handelsbeziehungen ver-
pflichtet, welche unter Aufgabe der einseitigen Handels-
präferenzen schrittweise erreicht werden soll.
In diesem Zusammenhang wird auch das AKP-Zucker-
protokoll überprüft werden, wobei das Ziel vorgegeben
ist, die aus dem Protokoll erwachsenden Vorteile für
die Vertragsparteien zu erhalten. Dabei verweise ich auf
Art. 36 Abs. 4 des Abkommens von Cotonou.
Die Bundesregierung teilt die Besorgnisse der Zucker-
wirtschaft. Sie wird sie in ihre Überlegungen einbeziehen,
wie sie dies bei bisherigen Verhandlungen stets getan hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Weiß,
bitte Ihre erste Nachfrage.
Gerald Weiß (CDU/CSU): Frau Staats-
sekretärin, wenn die Bundesregierung die Besorgnisse
teilt, ist ihr ja das Zahlenmaterial bekannt: Wenn das ge-
schähe, was die EU-Kommission will, würde auf dem
Zuckermarkt ein zusätzliches Einfuhrpotenzial von über
6 Millionen Tonnen entstehen.
Wenn wir für die zollfreie Einfuhr aus den am wenigs-
ten entwickelten Ländern – Stichwort: LDC-Initiative –
2 Millionen Tonnen veranschlagen, haben wir bei einem
heutigen Verbrauch in der EU von weniger als 13 Mil-
lionen Tonnen ein zusätzliches Einfuhrpotenzial von
8 Millionen Tonnen. Wenn dieser Import im Zuge einer
wirklich unkontrollierten Freihandelspolitik so herein-
bräche, was würde das Ihrer Einschätzung nach für das
Preisgefüge, das Absatzgefüge und die Arbeitsplätze in
der Zuckerwirtschaft bedeuten? Sie sagen, Sie würden
die Besorgnisse, die Ihnen gegenüber geäußert werden,
berücksichtigen. In welcher Weise werden Sie vor diesem
Hintergrund handeln?
Dr
Herr Abgeordneter, diese Importe brechen
nicht über uns herein. Denn es gibt vom Jahr 2000 bis zum
Jahr 2008 eine Übergangszeit. Die AKP-Staaten und die
EU haben im Rahmen der WTO-Konferenz in Doha,
Katar, am 14. November 2001 gemeinsam eine Ausnah-
meregelung, den so genannten Waiver, zu Art. 1 und
Art. 13 des GATT aufrechterhalten, wonach die bisheri-
gen Handelsregelungen und damit auch das AKP-Zucker-
protokoll weiterhin gelten. Selbst nach 2008 kann es
noch lange Übergangsfristen geben, in denen sich die
Märkte gründlich auf die Freihandelsabkommen vorbe-
reiten können.
Ich füge allerdings hinzu, dass es aus entwicklungspo-
litischer Sicht selbstverständlich erforderlich ist, dass die
Länder in Afrika, Asien, Lateinamerika, in der Karibik
und im pazifischen Raum, die zum Teil nur Zucker ver-
kaufen können, die Möglichkeit haben, ihren Zucker auch
bei uns zu verkaufen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte Ihre zweite Zu-
satzfrage, Herr Kollege Weiß.
Gerald Weiß (CDU/CSU): Es wird
nicht so recht ersichtlich, wie Sie auf die zutage getrete-
nen Besorgnisse reagieren wollen. Deshalb möchte ich
Sie fragen: Werden Sie im Ministerrat der Europäischen
Union dem Mandat, das die Kommission mit Blick auf die
angestrebten Abkommen begehrt, undifferenziert zustim-
men oder nicht oder werden Sie auf eine Modifizierung
hinwirken?
Dr
Sie selber haben soeben richtig gesagt, dass die
Verhandlungen erst Ende September 2002 aufgenommen
werden. Sie sollen am 31. Dezember 2007 abgeschlossen
werden. Das heißt, wir stehen am Beginn der Verhand-
lungen. Verhandlungen zeichnen sich dadurch aus, dass
Ergebnisse nicht schon zu Beginn feststehen.
Ich möchte trotzdem darauf hinweisen, dass natürlich
auch die Aufgabe besteht, in Wirtschaftspartnerschafts-
abkommen ein Freihandelskonzept zu verfolgen. Denn
wir können nicht auf der einen Seite von den Entwick-
lungsländern verlangen, dass sie ihre Märkte für unsere
Produkte öffnen, und auf der anderen Seite unsere Märkte
für Produkte aus den Partnerländern im Süden schließen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dann kommen wir zur
Frage 11 des Abgeordneten Martin Hohmann:
Welche der Staaten, die die Rücknahme eigener, aus
Deutschland ausreisepflichtiger Bürger verweigern oder behin-
dern – „Die Rückseite der Republik“, in: „Der Spiegel”, 10/2002,
S. 36 ff. – erhielten in den letzten drei Jahren deutsche Entwick-
lungshilfe und in welcher Höhe?
Dr
Herr Abgeordneter Hohmann, Ihre Frage, die
von meinem Haus zu beantworten ist, steht in einem sehr
engen Zusammenhang mit Ihrer Frage 19, die von mei-
nem Kollegen aus dem Innenministerium beantwortet
werden wird. Deswegen kann ich vorab die an uns ge-
richtete Frage nicht beantworten. Ich verweise auf die
Antwort des Kollegen aus dem BMI.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte, Herr Kollege
Hohmann.
Ich habe dazu keineNachfrage.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002 23419
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage 12 wird
schriftlich beantwortet.
Damit ist dieser Geschäftsbereich abgeschlossen.
Danke, Frau Staatssekretärin.
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes auf. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister
Dr. Ludger Volmer zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 13 des Abgeordneten Klaus
Hofbauer:
Ist nach Auffassung der Bundesregierung der angestrebte
Zeitpunkt für den Beitritt der Länder Estland, Lettland, Litauen,
Malta, Polen, Slowakische Republik, Slowenien, Tschechische
Republik, Ungarn und Zypern zur Europäischen Union im
Jahr 2004 noch realistisch und, wenn nein, welche Gründe beste-
hen für Befürchtungen, diesen Termin nicht einzuhalten?
D
Herr Kollege Hofbauer, der angestrebte Zeitpunkt
für den Beitritt dieser zehn Länder im Jahre 2004 ist nach
Auffassung der Bundesregierung weiterhin realistisch.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte, Herr Kollege
Hofbauer, Ihre erste Nachfrage.
Frau Präsidentin! Herr
Staatsminister, wie können Sie es sich erklären, dass in der
Presse immer mehr Meldungen erscheinen, dass der Zeit-
punkt 2004 nicht eingehalten werden kann? Ich darf zum
Beispiel den Vizepräsidenten des Europäischen Parla-
ments, Herrn Schmid, zitieren, der erst vor kurzem in ei-
ner größeren Zeitung in Süddeutschland gesagt hat: Dieser
Zeitpunkt wird nicht mehr haltbar sein. – Dies bedeutet
natürlich Verunsicherung in der Bevölkerung und bei den
betroffenen Stellen, zum Beispiel bei Speditionen.
Unternimmt die Bundesregierung etwas gegen solche
Äußerungen? Auch im „Focus“ dieser Woche steht ein
entsprechender Artikel geschrieben. Irgendwoher müssen
diese Argumente doch kommen. Deswegen frage ich Sie:
Was unternimmt die Bundesregierung, um dieser Tendenz
entgegenzuwirken?
Frau Präsidentin, wenn Sie es erlauben, würde ich
gleich meine zweite Frage anschließen. – Herr Staats-
minister, Sie wissen, dass Verhandlungen über sehr wich-
tige Kapitel noch nicht abgeschlossen sind. Hier denke ich
an die Kapitel der Landwirtschaft und auch der Regional-
politik. Besteht nicht die Gefahr, dass der Grundsatz
„Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ nicht mehr einzuhalten
ist, dass hier sehr rasche Abschlüsse erfolgen und dass wir
auf Dauer keine guten Ergebnisse erhalten?
D
Herr Kollege, maßgebend für die Politik der Bundes-
regierung ist nicht die eine oder andere Meinungsäuße-
rung namhafter europäischer Politiker und auch nicht die
entsprechende Kommentierung in den Medien. Maßgeb-
lich für uns sind die Fortschrittsberichte der Europäischen
Union und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen der
jeweiligen Ratssitzungen.
So hat der Gipfel von Laeken festgestellt, dass der Er-
weiterungsprozess sehr gut gedeiht. Gerade bei der ersten
Gruppe der Beitrittsländer, den zehn von Ihnen benann-
ten, sind mittlerweile 21 bis 27 der 29 Kapitel vorläufig
erfolgreich abgeschlossen. Es bleiben jeweils zwei bis
acht Kapitel zu behandeln. Sie haben die entsprechenden
Themen genannt. Sie sind in der Tat nicht ganz einfach zu
lösen. Aber daraus kann man weder ableiten, dass der
Zeitplan nicht einzuhalten ist, noch kann man daraus ab-
leiten, dass ein politischer Rabatt gegeben wird.
Wir sind zuversichtlich, dass in voller Gründlichkeit
verhandelt wird und der Termin dennoch eingehalten wer-
den kann. Allerdings – auch dies sei gesagt – kann für kein
Land die Garantie gegeben werden, dass es tatsächlich bei
dem Datum 2004 bleibt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jetzt rufe ich die Fra-
ge 14 des Kollegen Klaus Hofbauer auf:
Welches Lohn- und Wohlstandsgefälle ist nach Auffassung der
Bundesregierung nach dem Beitritt der Tschechischen Republik
zur Europäischen Union zwischen der Bundesrepublik Deutsch-
land und der Tschechischen Republik, insbesondere in den Grenz-
regionen, zu erwarten?
D
Herr Kollege, das Wohlstandsgefälle zwischen der
Tschechischen Republik und Deutschland – danach hatten
Sie gefragt – betrug im Jahre 1999 59 : 107, und zwar ge-
messen in Prozent des durchschnittlichen Bruttoinlands-
produktes pro Kopf in Kaufkraftparitäten aller 15 EU-Mit-
gliedstaaten. Für die deutschen Grenzregionen zur
Tschechischen Republik waren die Werte zwischen 67,
nämlich in Chemnitz, und 105, nämlich in der Oberpfalz
und in Oberfranken. Auf der tschechischen Seite betrugen
sie 49 in Nordwesttschechien und 54 in Südwesttschechien.
Das Lohngefälle Deutschlands zu Tschechien betrug
1996 – in diesem Jahre wurde die letzte richtige Messung
durchgeführt – 3,4 : 1. Bis zum Beitritt, voraussichtlich im
Jahre 2004, dürfte sich das Gefälle geringfügig verklei-
nert haben. Der Beitritt der Tschechischen Republik zur
Europäischen Union wird aber mittelfristig zu einer Ver-
ringerung dieses Abstandes führen. Die Prognosen für die
Annäherungsgeschwindigkeit hängen stark von der ange-
nommenen Differenz in den Wachstumsraten ab und
fallen daher sehr unterschiedlich aus.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Hofbauer, bitte.
Herr Staatsminister,das Lohngefälle ist nach wie vor vorhanden und wird auchnach dem Beitritt bestehen bleiben. Ich frage Sie: Für wel-chen Zeitraum wird dieser große Unterschied bestehenbleiben? Sind in diesem Bereich Übergangsregelungenerforderlich? Denn in der Praxis kann und muss man fest-stellen, dass der Wettbewerb, zum Beispiel im Mittelstand,selbst bei einem Lohngefälle von 1 : 3 mit Sicherheit ganzerheblich beeinträchtigt wird. Das wird zu Verwerfungenführen. Wie will man diesen entgegenwirken?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 200223420
D
Wie lange die Disparitäten genau anhalten und wie
stark sie ausfallen werden, ist schwer zu prognostizieren.
Dass dem jedoch so ist, ist nicht zu bestreiten. Dement-
sprechend wurden diverse Programme aufgelegt. Für den
Arbeitsmarkt gibt es eine siebenjährige Übergangsfrist
bezüglich der vollständigen Freizügigkeit von Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmern. Zudem hat die Europä-
ische Kommission spezielle Förderprogramme für die
Grenzregionen entwickelt. Der Umfang von ursprünglich
195 Millionen Euro wurde nun durch das Europäische
Parlament und den Rat um 50 Millionen Euro aufgestockt.
Ferner können die mittel- und osteuropäischen Staaten
schon heute auf die Mittel der PHARE-, ISPA- und
SAPARD-Programme zurückgreifen. Im Moment des
Beitritts haben sie natürlich auch den Zugriff auf die an-
deren Förderungsmöglichkeiten.
Es ist der Kommission und dem Rat bewusst, dass ins-
besondere die deutsche Ostgrenze als Grenzgebiet zu den
Beitrittsländern im Rahmen einer Strukturpolitik beson-
ders ins Auge gefasst werden muss. Wir gehen aber davon
aus, dass in dem Moment, in dem die deutsche Ostgrenze
durch den Beitritt der genannten Länder durchlässig wird,
die Wirtschaftsleistung der gesamten Region – auf deut-
scher und nicht deutscher Seite – vergrößert wird und da-
mit auch die Erwerbsmöglichkeiten mittelständischer Be-
triebe steigen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bevor ich die nächste
Frage aufrufe, möchte ich verkünden, dass es eine inter-
fraktionelle Verständigung gab, die Aktuelle Stunde vor-
zuziehen, und zwar auf 15 Uhr. Ich wiederhole: Um 15 Uhr
beginnt die Aktuelle Stunde, da wir nur noch relativ we-
nige Fragen in der Fragestunde haben.
Jetzt kommen wir zur Frage 15 des Abgeordneten
Hartmut Koschyk:
Inwieweit sind Presseberichte zutreffend – Quelle: „Schlesi-
sches Wochenblatt” vom 26. April 2002 –, wonach die Mittel aus
dem Bundeshaushalt zur Förderung der deutschen Minderheit in
Polen stark rückläufig sowie einige Organisationen der deutschen
Minderheit in Polen unverhältnismäßig hoch von Kürzungen be-
troffen sind, und inwieweit sind der Fortbestand und die Arbeit der
Organisationen durch diese Kürzungen gefährdet oder einge-
schränkt?
D
Herr Koschyk, für die Förderung der deutschen
Minderheit in Polen stehen im Jahr 2002 insgesamt mehr
Mittel zur Verfügung als jeweils in den vorangegangenen
Jahren. Die Hilfen des Bundesministeriums des Innern für
die deutsche Minderheit und ihr Umfeld in Polen werden
aus Mitteln des jeweiligen Bundeshaushalts und aus
Rückflussmitteln finanziert.
Für das Jahr 2002 werden vom Bundesministerium des
Innern 5,164 Millionen Euro bereitgestellt. 2001 waren es
11,34 Millionen DM, das sind 5,8 Millionen Euro. Zusätz-
lich sind 2002 circa 43 Millionen Zloty Rückflussmittel
verfügbar. Dies entspricht einer erheblichen Steigerung
gegenüber den 2001 vorhandenen Rückflussmitteln in
Höhe von 4,6 Millionen Zloty.
Die Äußerung – Sie haben eine Zeitung zitiert –, dass
einige Organisationen der deutschen Minderheit unver-
hältnismäßig stark von Kürzungen betroffen sind, kann
vor diesem Hintergrund nicht nachvollzogen werden.
Richtig ist, dass die Einrichtungen der deutschen Minder-
heit jährlich Zuschüsse zu ihren Verwaltungskosten erhal-
ten. Im Jahre 2001 wurden hierfür 1,7 Millionen DM ge-
währt. Für das Jahr 2002 sind 776 037 Euro – das sind
etwa 1,5 Millionen DM – vorgesehen. Diese Mittel wer-
den der deutschen Minderheit über die deutschen Gene-
ralkonsulate in Breslau und Danzig zur Verfügung gestellt
und von ihnen eigenverantwortlich auf die verschiedenen
Organisationen der deutschen Minderheit verteilt.
Außerdem ist vorgesehen, dass Rückflussmittel in
Höhe von 2,4 Millionen Zloty für Verwaltungs- und Per-
sonalkosten eingesetzt werden. Bei der Höhe dieser
Strukturhilfen wird nach einer jahrelangen Förderung in
der Vergangenheit erwartet, dass ein höherer Anteil an
Eigenleistungen erbracht wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Koschyk, Ihre erste Nachfrage, bitte.
Herr Staatsminister,
besteht nicht die Gefahr, dass dann, wenn die Rückfluss-
mittel – das sind rückfließende Mittel von Krediten, die
man zum Beispiel für mittelständische Existenzgründer
usw. eingesetzt hat – in die allgemeine Förderung der
deutschen Minderheit in Polen einbezogen werden, die
Stiftung, die diese Mittel verwaltet und auch die Rück-
flussmittel erhält, diese nicht mehr für den ursprünglich
zugedachten Zweck, zum Beispiel für Infrastrukturpro-
jekte, Existenzgründungshilfen usw., bereitstellen kann?
D
Die Stiftung verwaltet diese Mittel, aber nicht völ-
lig eigenständig, sondern in Abstimmung mit dem Bun-
desministerium des Innern. In diesem Zusammenhang
können die Mittel auch für weitere Hilfen eingesetzt wer-
den. Über die genaue Planung, die die Stiftung vornimmt,
bin ich im Moment nicht orientiert. Mir ist aber noch nicht
zu Ohren gekommen, dass genau dieses Problem, das
theoretisch entstehen könnte, tatsächlich besteht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zweite Frage, bitte,
Herr Koschyk.
Sie haben bei der
Mittelzuweisung aus dem Haushalt des Bundesministeri-
ums des Innern für die deutschen Minderheiten in Polen
nur die Vergleichszahl für 2001 und 2002 genannt. Wie
haben sich die Mittel insgesamt seit 1998 entwickelt?
D
Sie haben sich insgesamt eher positiv entwickelt,wie ich gerade dargestellt habe, weil wir Rückflussmittelmit einsetzen können. Generell trifft für diesen Politikbe-reich das zu, was für alle anderen auch zutrifft – insbe-sondere auch für alle anderen Bereiche der auswärtigen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002 23421
Kulturpolitik –, nämlich dass wegen der Notwendigkeitder allgemeinen Haushaltskonsolidierung jeder einzelneTitel seine eigenen Einsparpotenziale ausschöpfen muss.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jetzt rufe ich die
Frage 16 des Kollegen Hartmut Koschyk auf:
Wie begründet die Bundesregierung ihre bisherige Haltung,
kein eigenes Rechtsgutachten zur Frage der Fortgeltung der so ge-
nannten Benes-Dekrete sowie daraus resultierender Diskriminie-
rungen in Auftrag zu geben, vor dem Hintergrund ihrer Feststellun-
gen, dass es sich bei der Frage einer Aufhebung der Benes-Dekrete
um ein bilaterales Problem handelt – Quelle: Brief der Staatssekre-
tärin im Bundesministerium des Innern, Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast, abgedruckt in der Zeitschrift „Das Landvolk“ vom April
2002 –, und wie gedenkt die Bundesregierung vor diesem Hinter-
grund die Ergebnisse der Rechtsgutachten des Europäischen Parla-
ments zum Gegenstand bilateraler Erörterungen mit der Tschechi-
schen Republik zu machen?
D
Herr Koschyk, nach Auffassung der jetzigen sowie
aller früheren Bundesregierungen stellt die aufgrund der
Benes-Dekrete erfolgte Enteignung und Ausbürgerung
Sudetendeutscher völkerrechtliches Unrecht dar. In der
Deutsch-Tschechischen Erklärung von 1997 sind die
deutsche und die tschechische Seite – mit breiter Zustim-
mung in beiden Parlamenten – übereingekommen, ihre
Beziehungen zukunftsgerichtet fortzuentwickeln und
nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden rechtlichen
und politischen Fragen zu belasten. Die Deutsch-Tsche-
chische Erklärung von 1997 stellt heute mit allen ihren
Elementen die Grundlage der bilateralen Beziehungen
dar. Dazu gehört auch der Grundsatz, dass jede Seite ihrer
Rechtsordnung verpflichtet bleibt und respektiert, dass
die andere Seite eine andere Rechtsauffassung hat.
Unbeschadet dieser Haltung geht die Bundesregierung
davon aus, dass der Acquis von allen Beitrittsländern ab
Beitritt einzuhalten ist. Sie hält es für einen normalen
Vorgang, dass die europäischen Institutionen die Rechts-
ordnungen von Beitrittsländern auf ihre Vereinbarkeit mit
dem Recht der Europäischen Union prüfen.
Die Ergebnisse des Rechtsgutachtens des Europä-
ischen Parlaments liegen noch nicht vor und sollten jetzt
abgewartet werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Koschyk, bitte.
Herr Staatsminister,
ich hatte in meiner Frage die Bundesregierung um Aus-
kunft gebeten, warum sie nicht bereit ist, ein eigenes
Rechtsgutachten in Auftrag zu geben. Die tschechische
Seite hat ja unbeschadet der Deutsch-Tschechischen Er-
klärung ein solches Rechtsgutachten in Auftrag gegeben.
Wäre es dann nicht im Sinne der Deutsch-Tschechischen
Erklärung möglich, dass auch die Bundesregierung ein
eigenes Rechtsgutachten zu der Frage in Auftrag gibt, ob
diese Dekrete bis heute andauernde Diskriminierungen
für tschechische Staatsbürger deutscher oder ungarischer
Nationalität oder auch für künftige EU-Bürger entfalten?
D
Herr Koschyk, diese Rechtsgutachten, die Sie ge-
rade angesprochen haben, sind im Zuge der Beitrittsver-
handlungen Tschechiens zur Europäischen Union ent-
standen. Von daher sind die Verhandlungspartner die
Tschechische Republik und die Europäische Union, nicht
die Bundesregierung. Die Bundesregierung hat hierzu
eine klare Auffassung; ich habe sie gerade im Grundsatz
dargestellt. Auch die tschechische Seite hat erklärt, dass
die Benes-Dekrete erloschen seien. Von daher kann da-
raus kein neues Unrecht über das hinaus, was damals ent-
standen war, was aber abgeschlossen ist, entstehen. Es
gibt eine Ausnahme, über die wir hier auch schon öfter
diskutiert haben, nämlich die Restitutionsgesetzgebung.
Dies ist ein Punkt, der auch bei den Beitrittsverhandlun-
gen mit der EU eine Rolle spielt.
Herr Staatsminister,
wäre es nicht, wenn man zum Beispiel an die tschechische
Entscheidung im so genannten Dreithaler-Prozess oder an
die auch vom UNO-Menschenrechtsausschuss beanstan-
dete innertschechische Restitutionsgesetzgebung denkt,
doch angezeigt, vonseiten der Bundesregierung durch ein
Rechtsgutachten klären zu lassen – man muss ja keinen
deutschen, sondern man kann auch einen international an-
erkannten Völkerrechtler hinzuziehen –, ob diese Dekrete
heute und damit auch im Falle eines EU-Beitritts weiter
andauernde diskriminierende Wirkungen entfalten?
D
Für den Umgang mit den Dekreten gibt es im bila-
teralen Verhältnis eine klare Regelung, die ich vorhin zi-
tiert habe. Aufgrund Ihres Interessenhintergrundes sollten
Sie es eigentlich begrüßen, dass sich die Europäische
Union im Rahmen des Beitrittsprozesses damit befasst.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Damit schließe ich
diesen Geschäftsbereich. Vielen Dank, Herr Staatsminis-
ter.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
des Innern auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamenta-
rischer Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung.
Da die Fragen 17 und 18 schriftlich beantwortet wer-
den, rufe ich jetzt die Frage 19 des Kollegen Martin
Hohmann auf:
Welche Staaten verweigern oder behindern die Rücknahme ei-
gener aus Deutschland ausreisepflichtiger Bürger – „Die Rück-
seite der Republik“ in: „Der Spiegel“, 10/2002, Seite 36 ff.?
F
Herr Kollege Hohmann, Schwie-rigkeiten bei der Rückführung ausreisepflichtiger auslän-discher Staatsangehöriger ergeben sich oft aus dermangelnden Rückkehrbereitschaft der betroffenen Perso-nen. Viele Herkunftsstaaten kommen ihrer völkerrechtli-chen Pflicht zur Rückübernahme eigener ausreisepflichti-ger Staatsangehöriger nach und arbeiten mit denzuständigen deutschen Behörden bei der Feststellung der
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Staatsminister Dr. Ludger Volmer23422
Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen und derAusstellung von Heimreisedokumenten gut zusammen.Mit einer Reihe von Staaten ist die Zusammenarbeitdagegen nicht zufriedenstellend. Die Bundesregierungwirkt durch geeignete Maßnahmen – dazu gehören etwader Abschluss von Rückübernahmeabkommen, Experten-gespräche und Gespräche mit den Botschaftern der Her-kunftsstaaten – fortlaufend darauf hin, Schwierigkeitenbei der Rückführung zu beseitigen. Für den Erfolg dieserMaßnahmen wäre es meines Erachtens nicht sehr förder-lich, die Staaten zu benennen, bei denen Rückführungs-probleme bestehen. Dies wäre grundsätzlich nicht zweck-mäßig.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Hohmann, bitte.
Frau Präsidentin!
Herr Staatssekretär, es ist natürlich schwierig, eine Nach-
frage zu stellen, wenn die ursprüngliche Frage im Grunde
nicht beantwortet worden ist. Andererseits geht mir eine
gewisse Einsicht in die Motivation dafür – Sie haben sie
eben genannt – nicht ab.
Bei den Maßnahmen, die Sie zu unternehmen geden-
ken, haben Sie Gespräche mit den Botschaftern erwähnt.
Sind auch weitergehende Maßnahmen, die für diese – las-
sen Sie es mich so sagen – Verweigerungsstaaten viel-
leicht ein wenig fühlbarer sind, bereits in Anwendung
oder in Erwägung gezogen worden?
F
Herr Kollege Hohmann, bei der
Bekanntgabe bestimmter Länder und Staaten, mit denen
es Schwierigkeiten gibt, befinden wir uns auf einer konti-
nuierlichen Linie mit der alten Bundesregierung: Das war
nie Gegenstand öffentlicher Erörterungen, weil es in der
Tat nicht erfolgversprechend und zweckmäßig wäre.
Es gibt vielfältige Initiativen. All diese könnte ich Ih-
nen detailliert auflisten; ich habe sie dabei. Ich habe Ihnen
die Länder nicht deswegen nicht genannt, weil ich sie
nicht kenne, sondern, wie gesagt, weil ich es nicht für
zweckmäßig halte. Ich denke, dass man auch auf das
Lomé-Folgeabkommen hinweisen muss, auf das Sie mit
Ihrer Frage im Grunde genommen abzielen. Mit diesem
wird letztendlich ein Zusammenhang zwischen auf der
einen Seite migrationspolitischen Verpflichtungen und
auf der anderen Seite entwicklungspolitischen Leistungen
hergestellt. Sie wissen, dass in dieses Nachfolgeabkom-
men auch eine so genannte Rückübernahmeklausel auf-
genommen worden ist. Aber Sie werden auch wissen, dass
dieses Cotonou-Abkommen, wie es sich jetzt nennt, zwar
schon von Deutschland, aber noch nicht von allen euro-
päischen Staaten ratifiziert ist, und dass auch zwei Drittel
der restlichen Staaten noch nicht zugestimmt haben, was
notwendig ist, damit dieses Abkommen in Kraft tritt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dann hat der Kollege
Eckart von Klaeden dazu eine Nachfrage.
Herr Staatssekre-
tär, ich habe Verständnis dafür, dass Sie dies nicht öffent-
lich erörtern wollen. Sind Sie denn bereit, dem Kollegen
Hohmann über die Fragen, die ihn interessieren, im In-
nenausschuss Auskunft zu geben?
F
Ich gebe gern dort Auskunft, wo
wir auf eine verlässliche Vertraulichkeit bauen können.
Das ist überhaupt keine Frage. Aber ich entnehme Ihrer
Frage, dass Sie volles Verständnis dafür haben, dass die
Namen der Länder, mit denen wir gewisse Probleme ha-
ben, nicht für die öffentliche Erörterung geeignet sind.
Aber dass sich das
Parlament dafür interessiert, können Sie sicherlich nach-
vollziehen?
F
Dafür habe ich volles Verständnis
und das ist überhaupt kein Problem. Es ist nicht so, dass
ich nicht darüber reden will, aber eine öffentliche Erörte-
rung ist erfolgsmindernd, weil diese Reaktionen auslösen
würde, die die Sache nur erschweren. – Ich merke an Ih-
rer Gestik, dass Sie mir zustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Damit sind wir auch
mit diesem Geschäftsbereich am Ende. Vielen Dank, Herr
Staatssekretär.
Die Fragen 20, 21 und 22 zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Verteidigung auf. Zur Beantwortung steht Frau Parla-
mentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte zur Verfü-
gung.
Die Fragen 23 bis 26 werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe daher die Frage 27 des Kollegen Karl-Josef
Laumann auf:
Seit wann sind dem BMVg die gravierenden hygienischen und
bautechnischen Mängel in der Küche der Theodor-Blank-Kaserne
in Rheine-Bentlage, die zur Schließung der Kasernenküche führ-
ten, bekannt und welche Informationen liegen der Bundesregie-
rung über den Zustand weiterer Kasernenküchen vor?
B
Frau Präsidentin! Meine Da-men und Herren! Lieber Herr Kollege Laumann, die Not-wendigkeit, den baulichen und hygienischen Zustand derTruppenküche in der Theodor-Blank-Kaserne zu ändern,ist seit 1979 bekannt. Für die Zuhörer muss man sagen,dass die Bundeswehr nicht selbst bauen darf, sondern sichdazu der Länderverwaltungen bedient, die dafür pro Jahrüber 600 Millionen bekommen.1985 wurde erstmals ein konkreter Bauantrag zur Sanie-rung gestellt. Er wurde 1988 gestoppt, bevor er überhauptausgeführt wurde. 1989 war man sich darüber klar, dass maneinen Antrag auf Neubau des Wirtschaftsgebäudes erneut
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper23423
stellen muss. Dass dessen Planung nach drei Jahren eben-falls eingestellt wurde, hatte etwas damit zu tun, dass imJahre 1991 Veränderungen im Umfang der Bundeswehrzum Tragen kamen, aber natürlich auch dringlichere Bau-maßnahmen in den neuen Bundesländern für den Erhaltvon Bundeswehreinrichtungen anstanden.Im Januar 1995 wurde die Dringlichkeit der Baumaß-nahme durch das BMVg selber hervorgehoben. Es hatdann im Jahre 1996 einen erneuten Bauantrag in Auftraggegeben. 1997 wurde der Bauzustand der Truppenküchenoch einmal als ungenügend gerügt. Bis zur Schließungder Truppenküche aus Betriebsschutz- und Hygienegrün-den nach einer entsprechenden Besichtigung durch denWehrbereichshygieniker am 11. April 2002 wurde derdringendste Bedarf stets repariert, aber das Problem nichtgelöst, Herr Kollege.Dem Bundesministerium der Verteidigung sind dieGründe, die zur Schließung der Truppenküche geführt ha-ben, am 16. April auf dem Dienstwege mitgeteilt worden.Das dürfte in der Abteilung WV des Hauses keinen ver-wundert haben. Wir haben das Problem, dass wir dieFrage des Zustandes der Wirtschaftsgebäude selbstver-ständlich auch in anderen Kasernen und nicht nur in IhremWahlkreis, Herr Laumann, thematisieren müssen. Dochseit der Reform der Bundeswehr im Jahre 1991 und auchin diesem Jahre hat es mehrere Male Stationierungsände-rungen sowie Veränderungen in Umfang und Größe derTruppe vor Ort gegeben, die dazu geführt haben, dassviele notwendige Baumaßnahmen umgeplant wurden.Darüber hinaus gibt es auch immer wieder Mitteilun-gen vom Bundesrechnungshof, der auch auf die Bundes-wehr ein wachsames Auge wirft. Beabsichtigt ist, dassnach der derzeit in Arbeit befindlichen Neuordnung desVerpflegungswesens verschiedene Neubauten durchge-führt werden müssen. Dabei muss auch geprüft werden,wie die genannte Neubaumaßnahme aussehen soll. Ichgehe aber davon aus, dass für die Theodor-Blank-Kaserneeine Lösung gefunden wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jetzt hat der Kollege
Laumann eine erste Nachfrage.
Frau Staatssekre-
tärin, ich gehe davon aus, dass Ihnen bekannt ist, dass in
dieser Kaserne weit mehr als 1 000 Soldaten ihren Dienst
ausüben, davon allein weit mehr als 500 Wehrpflichtige,
die einen Anspruch auf Truppenverpflegung haben. Mir
geht es eigentlich um Folgendes: Können Sie einen Ter-
min angeben, wann die Truppenküche in dieser Kaserne
wieder arbeitsfähig ist? Denn die Lösungen, die zurzeit
praktiziert werden, nämlich die Truppe über Catering-
Service und Ähnliches zu versorgen, sind kein Zustand,
der allen Ernstes mittelfristig beibehalten werden kann.
Ich meine vielmehr, dass eine kurzfristige Entscheidung
notwendig ist.
B
Was die Kurzfristigkeit angeht,
muss ich sehr kritisch anmerken, dass man bei den Män-
geln hinsichtlich der Standortverwaltung und anderen
schon in der Vergangenheit einiges hätte auf den Weg
bringen können. Gegenwärtig sind sowohl der Umfang
als auch die Verpflegungsart im Grunde sehr antiquiert.
Bei der Änderung des Verpflegungskonzepts stellen wir
uns bekanntlich auch die Frage, welche Tätigkeiten vor
Ort wahrgenommen werden können und was wir zuliefern
lassen. Damit sind wir derzeit beschäftigt. Ich werde in
der Antwort auf Ihre nächste Frage ausführen, womit wir
zurzeit beschäftigt sind.
Der Zustand, dass es von 1979 bis heute nicht zu einem
Neubau gekommen ist, ist einerseits ohne Zweifel unbe-
friedigend. Andererseits, Herr Kollege Laumann, habe ich
in verschiedenen Orten Neubauten angetroffen, die ich für
überdimensioniert halte. Deswegen müssen wir einen ver-
nünftigen Weg finden. Ich stimme Ihnen aber darin zu,
dass wir diese Maßnahme nicht einfach vor uns herschie-
ben können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Damit kommen wir
schon zu Frage 28:
Was wird künftig seitens des BMVg unternommen, um der
Fürsorgepflicht gegenüber wehrpflichtigen Soldaten, die An-
spruch auf Verpflegung unter anderem auch in der Theodor-
Blank-Kaserne haben, gerecht zu werden?
B
Herr Laumann, die Versorgung
der Soldaten aus der Theodor-Blank-Kaserne wird zurzeit
über drei Feldküchen gewährleistet, die neben dem Spei-
sesaal mobil aufgestellt wurden und die so schlecht nicht
sind. Solche Feldküchen werden auch in den internatio-
nalen Einsätzen genutzt.
Ab dem 1. Juli 2002 erfolgt die Verpflegungsleistung
über zwei Truppenküchen, und zwar des nahe gelegenen
Fluglehrzentrums oder des ehemaligen Jagdgeschwa-
ders 72 in Westfalen. In der Theodor-Blank-Kaserne ist
der Neubau einer Truppenküche vorgesehen. Die notwen-
dige konzeptionelle Grundlage für diese wie für andere
investive Baumaßnahmen an Wirtschaftsgebäuden wird
nach dem neuen Verpflegungskonzept geschaffen werden
müssen. Ich hoffe, dass wir uns dafür nicht zu lange Zeit
nehmen müssen. Oberstes Ziel muss – damit haben Sie
völlig Recht – der Anspruch des Soldaten auf eine be-
darfsgerechte und, nebenbei gesagt, auch schmackhafte
Ernährung sein, und zwar auch da, wo die befristeten Be-
helfsmaßnahmen notwendig sind und in der Tat meistens
in vertretbarer Form stattfinden. Ich würde nicht sagen,
dass das, was in der Feldküche geleistet oder das, was zu-
transportiert wird, schlecht ist, aber längerfristig ist das
natürlich keine Lösung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Laumann, bitte.
Frau Staatssekre-tärin, ich frage noch einmal nach: Können Sie mir eineneinigermaßen konkreten Termin angeben, wann es zu ei-nem Neubau der Truppenküche kommt? Ich kenne siesehr gut; ich war schließlich als Soldat dort.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte23424
Die vorgesehene Versorgung über das Jagdgeschwaderoder das Fluglehrzentrum führt dazu, dass diese Küchenetwa die doppelte Anzahl von Mahlzeiten produzierenmüssen wie vorher. Das wiederum hat zur Folge – wie ichaus dieser Kaserne weiß –, dass die Essensauswahl mäch-tig zusammengestrichen wird, weil die erforderlichen Ka-pazitäten nicht vorhanden sind.Wenn alle im Bundestag mittelfristig aus einer Feld-küche ernährt würden, würden wir sicherlich für eine Lö-sung sorgen. Sorgen Sie doch jetzt auch für eine Lösungin der Kaserne Bentlage!B
Ich habe mich zwei Tage und
zwei Nächte in Afghanistan aufgehalten. Weil es dort be-
sonders wichtig ist, dass die Soldaten gut ernährt werden,
würde ich nicht abwerten, was eine Feldküche leisten
kann. Das möchte ich ausdrücklich anmerken.
Etwas anderes sind aber natürlich – deshalb habe ich
das Ihnen und den anderen Kolleginnen und Kollegen
auch dargestellt – die unglaublichen Bauvorgänge von
1979 bis heute. Wenn Sie mit uns und den anderen Kolle-
gen dazu beitragen, dass es zu einem modernen Liegen-
schaftsmanagement kommt und wir uns das, was wir
heute machen, wirklich abgewöhnen, bin ich fest davon
überzeugt, dass wir beide es noch als aktive Abgeordnete
erleben, dass wir diese Küche einweihen können.
– Nach der Wahl. Ich möchte diese Funktion ja noch eine
Wahlperiode wahrnehmen.
– Nein, deswegen sage ich ja, dass wir sie in der nächsten
Wahlperiode noch wahrnehmen wollen; das ist wohl
wahr. Vor der Bundestagswahl ist das Konzept doch noch
nicht fertig.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir wechseln jetzt den
Standort und kommen zur militärischen Nutzung der
Kyritz-Ruppiner Heide.
Ich rufe die Frage 29 des Kollegen Wolfgang Gehrcke
auf:
Hat die Bundesregierung ihre Position zur Beendigung der
militärischen Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide geändert und
wenn ja, wie?
B
Liebe Frau Präsidentin! Sehr
geehrter Herr Kollege Gehrcke, ich hätte beinahe gesagt:
ein Dauerthema. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt besteht
für die Bundesregierung keine Veranlassung, ihre Absicht
der weiteren militärischen Nutzung der Kyritz-Ruppiner
Heide, des berühmten Truppenübungsplatzes Wittstock,
zu ändern. Entsprechend den Vorgaben, die das Bundes-
verwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 14. De-
zember 2000 gemacht hat, wurden die umliegenden Ge-
meinden angehört. Deren Stellungnahmen werden derzeit
durch das Land Brandenburg ausgewertet, welches in
Amtshilfe für den Bund die Anhörung durchgeführt hat.
Ich möchte um Erlaubnis bitten, die Frage 30 des Kol-
legen Wolfgang Gehrcke im Zusammenhang mit Frage 29
beantworten zu dürfen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Gehrcke, sind Sie damit einverstanden? – Das scheint der
Fall zu sein. Dann rufe ich die Frage 30 des Kollegen
Wolfgang Gehrcke auf:
Zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass sich weitere
Gemeinden, darunter die Stadt Wittstock, im Zuge der Anhörung
gegen eine weitere militärische Nutzung des Truppenübungsplat-
zes ausgesprochen haben, die Schlussfolgerung, das Truppen-
übungsplatzkonzept so zu ändern, dass dem Begehren der Ge-
meinden Rechnung getragen wird?
B
Wie erwähnt, wurde die An-
hörung der Gemeinden durch das Land Brandenburg – das
betrifft wieder die Frage, was die Länder für den Bund
übernehmen – im Rahmen der Amtshilfe durchgeführt.
Deren Stellungnahmen werden zurzeit ausgewertet. Wir
werden bald eine entsprechende Zusammenfassung über-
sandt bekommen. Das Bundesministerium der Verteidi-
gung wird dann die vorgetragenen Belange der Gemein-
den im Rahmen seiner Entscheidung über die künftige
militärische Nutzung des Truppenübungsplatzes Witt-
stock sachgerecht abwägen. Ob und wenn ja, in welchem
Umfang dadurch eine Änderung des Truppenübungs-
platzkonzeptes der Bundeswehr erforderlich sein wird,
kann man abschließend erst dann entscheiden, wenn man
von einer Änderung ausgeht. Ich gehe allerdings davon
aus, dass wir Wittstock auf jeden Fall brauchen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Gehrcke hat jetzt
vier offene Nachfragen.
Zur ersten Nachfrage, Herr Gehrcke, bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe natürlich vielmehr offene Fragen, die beantwortet werden müssen.Frau Parlamentarische Staatssekretärin, Komplimentdafür, wie elegant Sie Wahlwerbung selbst im Zusam-menhang mit der Beantwortung von Fragen betriebenhaben. Ob der von Ihnen bei der Beantwortung der Fra-gen von Herrn Laumann signalisierte Optimismus, dassSie auch künftig in Ihrer Funktion als ParlamentarischeStaatssekretärin Fragen beantworten werden, angebrachtwar, werden wir noch sehen.Zu meiner ersten Nachfrage: Am Ostersonntag hat derBundesvorsitzende des Bündnisses 90/Die Grünen, HerrFritz Kuhn, auf der traditionellen Ostermarschkundge-bung in der Kyritz-Ruppiner Heide mitgeteilt, dass dieFraktion der Grünen geschlossen für eine Beendigung dermilitärischen Nutzung und für eine zivile Nutzung desTruppenübungsplatzes eintrete. Wenn mich nicht allestäuscht, sind die Grünen noch immer Ihr Koalitionspart-ner, jedenfalls derzeitig. Bedeutet das, dass nur eine
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Karl-Josef Laumann23425
Hälfte der Bundesregierung an dem bisherigen Trup-penübungsplatzkonzept festhält, während die andereHälfte das nicht mehr tut?B
Ich gehe einmal davon aus,
dass Herr Kuhn zwar viel über die Landespolitik in
Baden-Württemberg weiß, dass es ihm aber ähnlich wie
ehemaligen sozialdemokratischen Oppositionspolitikern
– ich möchte keine Namen nennen – ergeht, die, als sie die
Regierungsverantwortung übernommen haben, feststel-
len mussten, dass sie über Militärpolitik auf Bundesebene
noch einiges lernen müssen. Insoweit bin ich ziemlich zu-
versichtlich, dass auch der kluge Bundesvorsitzende der
Grünen lernen wird, dass eine Entlastung Süddeutsch-
lands, also des Truppenübungs- und Bombenabwurfplat-
zes Siegenburg, und des niedersächsischen Standortes
Nordhorn sinnvoll ist. Ich glaube, dass Herr Kuhn seine
Meinung in dem Moment ändern wird, in dem er sich
selbst alle plausiblen Argumente, die für die weitere
militärische Nutzung des Truppenübungsplatzes Witt-
stock sprechen, vor Augen führt.
In der ehemaligen DDR – das kann ich Ihnen, Herr
Gehrcke, jetzt nicht ersparen – sind 25 000 fliegende Ein-
sätze pro Jahr durch die dort stationierten sowjetischen
Streitkräfte durchgeführt worden.
Wir planen gerade einmal 1 700. Wir verlangen unseren
Soldatinnen und Soldaten gerade von Marine und Luft-
waffe ab, einen Großteil ihrer fliegerischen Ausbildung
außerhalb Deutschlands, ja sogar außerhalb Europas
durchzuführen, damit die deutsche und die europäische
Bevölkerung nicht übermäßig belastet wird. Ich halte
es deshalb für notwendig – ich kann Ihnen gerne ein Pri-
vatissimum darüber geben, was wir dort alles vorhaben –,
am Truppenübungsplatz Wittstock festzuhalten. Ich war
eine derjenigen, die zusammen mit der CDU/CSU immer
für die weitere Nutzung dieses Truppenübungsplatzes
gestimmt haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die zweite Nachfrage
des Kollegen Gehrcke.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich könnte jetzt natürlich
meinen Werbeblock einbringen, da ich Abgeordneter aus
dieser Region bin und sie deshalb gut kenne.
B
Das habe ich mir schon ge-
dacht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke für die Vorlage.
Aber das werde ich jetzt nicht tun.
Darf ich Ihre Antwort auf meine erste Nachfrage so
verstehen, dass Sie davon ausgehen, dass der Bundesvor-
sitzende des Bündnisses 90/Die Grünen, Herr Fritz Kuhn,
der für den Bundestag kandidiert, in dieser Frage genauso
umfallen und eine 180-Grad-Kehrtwende vornehmen
wird wie Herr Scharping, wenn er in den Bundestag
einzieht? Das war doch wohl Ihre Kernaussage.
B
Wenn sich ein Landtagsabge-
ordneter solchen Argumenten öffnet – Sie haben den Namen
genannt, den ich vorhin bewusst nicht genannt habe; Sie
hätten auch meinen Kollegen Kolbow nennen können –,
dann ist dies einfach eine Frage der Kenntnis von der
Aufteilung und Nutzung der Truppenübungsplätze in der
gesamten Bundesrepublik. Ich habe dafür durchaus Ver-
ständnis, auch für die betroffenen Gemeinden und natür-
lich auch für Sie als Abgeordnete. Dennoch ist das, was
wir dort planen, sinnvoll und vernünftig. Ich bin sogar zu-
versichtlich, dass wir auch Oppositionspolitiker davon
überzeugen können. Natürlich kann Herr Kuhn und kann
auch jede Partei eine andere Meinung haben. Wir aber
sind der festen Überzeugung, dass man an Wittstock fest-
halten muss.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie können sogar noch
zwei Fragen stellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Parlamentarische
Staatssekretärin, ich muss Sie fragen, ob Sie nicht auch
Verständnis für die Bevölkerung haben. Ich frage dies vor
dem von Ihnen zu Recht geschilderten Hintergrund, dass
die Bevölkerung zu Zeiten der DDR eine unverhältnis-
mäßig hohe, aggressive Belastung über sich ergehen las-
sen musste. Glauben Sie nicht, dass die Menschen, die
dort noch wohnen, aus der Vergangenheit heraus ein ge-
wisses Anrecht haben, jetzt nicht schon wieder, wenn
auch in einer nicht vergleichbaren Art und Weise, von
Fluglärm und Bombenabwurfsübungen behelligt zu wer-
den?
B
Herr Gehrcke, um einmal aufeine andere Region der Bundesrepublik Deutschland zukommen, in der nächsten Woche werde ich in Geilenkir-chen sein. Dort geht es um AWACS. Es ist völlig unstrit-tig, dass jeder fliegerische Übungsbetrieb Lärm mit sichbringt. Wir wollen aber – darauf habe ich vorhin bereitshingewiesen – von 25 000 Einsätzen pro Jahr bzw.450 Einsätzen am Tag auf 1 700 Einsätze pro Jahr herun-tergehen. Ferner wollen wir, angelehnt an die Praxis vonNordhorn und Siegenburg, an Werktagen nur noch von9 bis 17 Uhr mit einer zweieinhalbstündigen Mittags-pause fliegen. An Feiertagen soll der Luft- und Boden-schießplatz nicht genutzt werden; vielmehr wird die zwi-schen den Übungsflächen gelegene Straße für die Bürgergeöffnet werden.Allerdings muss auch Nachtflug geübt werden; hierbeigeht es vor allem um das Abwerfen von Munition, die aber
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Wolfgang Gehrcke23426
reine Übungsmunition sein wird, wohingegen durch diefrüheren Bombenabwürfe Explosivstoff bis zu 500 Kilo-meter verbreitet wurde. Wenn Sie sich in Nordhorn undSiegenburg erkundigen, wird man Ihnen bestätigen, dasswir diese Tiefflüge vor allen Dingen im Winterhalbjahrdurchführen, weil sie dann zu einem früheren Zeitpunktstattfinden können.Die Bundeswehr möchte diesen Flugplatz übernehmen.Die Übernahme wäre viel schneller vonstatten gegangen,wenn die Vorgängerregierung keine Verfahrensfehlergemacht hätte.
Diese Bundesregierung wird auch dafür sorgen, dass dieriesigen Mengen an Altmunition beseitigt werden. Mehrkann man eigentlich nicht verlangen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Frage können Sie
noch stellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Man muss nicht mehr,
sondern etwas anderes verlangen: dass die gesamte mi-
litärische Nutzung eingestellt wird.
Letzte Frage: Bei vorangegangenen Debatten – Sie
haben Recht, es ist heute nicht die erste Debatte und auch
nicht die erste Behandlung dieses Themas in einer Frage-
stunde; das macht diese Gegend ja auch etwas berühmt –
haben Sie als Argument angeführt, dass der Bürgermeis-
ter von Wittstock, der der FDP angehört und sich für die
Garnison einsetzt, immer mit einem hohen Stimmen-
ergebnis wiedergewählt worden sei. Nun hat sich die
Stadtverordnetenversammlung in Wittstock, also das
demokratische Stadtparlament, mit großer Mehrheit
gegen eine Fortsetzung der militärischen Nutzung und für
eine zivile Nutzung ausgesprochen. Würden Sie mir zu-
stimmen, dass ein Beschluss einer Stadtverordnetenver-
sammlung mindestens so gewichtig wie die private Mei-
nung eines Bürgermeisters ist?
B
Ich habe die Unterlagen dabei;
ich wusste, dass Sie mich danach fragen würden. Ob es
nun die private Meinung des Bürgermeisters ist oder ob
ein Stadtrat dazu noch zusätzliche Auskünfte bekommen
möchte, lasse ich dahingestellt sein. Ich habe mir jeden-
falls fest vorgenommen, einmal mit den Bürgern in Witt-
stock zu reden. Ich war Vorsitzende des Gesprächskreises
Kommunalpolitik und weiß daher, welche Rechte Kom-
munalparlamenten zustehen.
Was wir hier tun, ist sinnvoll und richtig. Dass eines
unserer Ausbildungsregimenter dort stationiert ist, ist ge-
rade für die Entwicklung von Wittstock eine schöne
Sache. An einer solchen Stationierung ist auch Herr
Koschyk interessiert, übrigens auch der Stadtrat von Witt-
stock. Dieser Truppenübungsplatz ist zur Entlastung von
Siegenburg und Nordhorn erforderlich. Er wird von uns
sehr viel weniger und behutsamer genutzt, als es in der
Vergangenheit der Fall war. Daher gehe ich davon aus,
dass die Menschen dort eines Tages dankbar sein werden,
dass sie diesen Truppenübungsplatz nicht verhindern konn-
ten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt jetzt noch eine
letzte Nachfrage des Kollegen Koschyk.
– Ach, zu beiden Fragen. Das ist sehr geschickt; damit
darf er zwei Fragen stellen.
Frau Staatssekretä-
rin, Sie haben in der Antwort auf die Frage des Kollegen
Gehrcke nur auf die bei der Veranstaltung jüngst in dieser
Region geäußerte Auffassung des Vorsitzenden der Bünd-
nisgrünen, Herrn Kuhn, abgehoben. Wie bewerten Sie es
denn, dass dem Deutschen Bundestag ein Gruppenantrag
vorliegt, von mehreren Kolleginnen und Kollegen auch
Ihrer Fraktion unterschrieben – auch von Kolleginnen und
Kollegen, die sich mit Verteidigungsfragen befassen –,
der sich ebenfalls dagegen ausspricht, diesen Übungsplatz
weiterhin militärisch zu nutzen, und der sich für eine zi-
vile Nutzung einsetzt?
B
Auf der einen Seite sind die
Antragsteller frei gewählte Abgeordnete. Auf der anderen
Seite gehöre ich zu den Leuten, die nach dem Motto le-
ben: Man muss den Menschen auch die Wahrheit sagen.
In diesem Falle sieht die Wahrheit so aus, dass die Vertei-
lung nicht so erfolgen kann, dass die schönen Dinge den
neuen Bundesländern zugute kommen, während sich der
Übungsbetrieb auf die alten Bundesländer beschränkt.
Wir haben inzwischen einige hervorragende Beispiele
dafür, dass die Bevölkerung damit, wie die Bundeswehr
die in Betrieb befindlichen Truppenübungsplätze benutzt,
außerordentlich zufrieden ist. Ich betreue den Unteraus-
schuss Neue Bundesländer und kann nur sagen, dass das
zutraf, ob ich nun in Ohrdruf oder in der Oberlausitz, in
Jägerbrück oder in anderen Gebieten war. Deswegen
haben wir den Kollegen, die diese Anträge gestellt haben,
gesagt: Das mag ja vielleicht ganz spektakulär sein; aber
wir sind der Überzeugung, dass unsere Position richtig ist.
Es ist ihr Recht, solche Anträge zu stellen; die Mehrheit
des Bundestages wird aber mit ihrer Stimme diesen
Antrag ablehnen.
Wie bewerten Sie es
dann, Frau Staatssekretärin, dass der Unterausschuss
Neue Länder beschlossen hat, über diesen Gruppenantrag
eine Anhörung durchzuführen, dass es also im Ausschuss
eine Mehrheit für die Durchführung einer Anhörung zu
diesem Thema gab?
B
Es tut mir Leid; ich kann mich
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte23427
nicht daran erinnern. Ich war verwundert, als ich dies las.Ich war bei jeder dieser Sitzungen anwesend, weil ich denUnterausschuss Neue Bundesländer des Verteidigungs-ausschusses begleite.
Nach meiner Kennt-
nis führt einer der mit diesem Gruppenantrag befassten
Ausschüsse eine Anhörung durch. Nach meiner Kenntnis
ist es der Unterausschuss Neue Länder.
B
Das glaube ich nicht, weil das
Truppenübungskonzept Angelegenheit des Gesamtaus-
schusses ist. Es kann sein, dass sich der Verteidigungs-
ausschuss damit befassen wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auch ich glaube, dass
das außerhalb der Sitzung zu klären ist. – Es liegen keine
weiteren Fragen vor. Danke, Frau Staatssekretärin.
Die Fragen 31, 32 und 33 zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Gesundheit werden schriftlich
beantwortet. Damit ist die Fragestunde beendet.
Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr. Dann beginnt
– vorgezogen – die Aktuelle Stunde.
Die unterbrochene
Sitzung ist wieder aufgenommen.
Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Haltung derBundesregierung zu den anhaltend
hohen Arbeitslosenzahlen in Deutschland, zu
den im europäischen Vergleich niedrigen
Wachstumsraten und den geringen Investi-
tionen in Straße und Schiene
Ich darf darauf hinweisen, dass wir uns in der Aktuel-
len Stunde befinden. Daher darf mit Ausnahme der Bun-
desregierung nicht länger als fünf Minuten gesprochen
werden.
Ich eröffne die Aussprache. Sind alle da? – Das scheint
der Fall zu sein. Dann hat als erster der Kollege Peter
Rauen für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meinesehr verehrten Damen und Herren! „Es wird und wirdnicht besser“, so hat die „Bild“-Zeitung die Arbeitslosen-zahlen vom April dieses Jahres kommentiert. Es wirdnicht nur nicht besser, es wird im Kern immer schlechter.Gerade im April dieses Jahres waren gegenüber dem Vor-jahresmonat 156 000 Arbeitslose mehr zu verzeichnen alsein Jahr zuvor. Das war die höchste Arbeitslosenzahl in ei-nem April seit 1998. Wenn es richtig ist, dass der Arbeits-markt ein Spiegelbild der Wirtschafts-, Finanz- und Sozi-alpolitik ist, dann ist die Lage dort ein einziges Desaster.
Kanzler Schröder wollte, wie er in seiner Regierungs-erklärung gesagt hat, an dem gemessen werden, was er aufdem Arbeitsmarkt bewegt. Wir werden im Jahre 2002 inDeutschland über 4 Millionen Arbeitslose haben. Damithat er sein Ziel weit verfehlt; er ist auf dem Arbeitsmarktgescheitert.
Ich möchte noch mit einer Auffassung aufräumen, dieimmer wieder von der Bundesregierung ins Feld geführtwird, nämlich dass auf dem Arbeitsmarkt zusätzliche Be-schäftigungsverhältnisse geschaffen wurden. Ich verweiseauf die Ergebnisse des Statistischen Bundesamtes. Hie-raus geht ganz klar hervor, dass wir in Erwerbstätigen-stunden gerechnet im Jahr 2002 in Deutschland wenigerarbeiten werden als im Jahr 1998. Das heißt, die ver-meintlichen Erfolge auf dem Arbeitsmarkt hat es zu kei-nem Zeitpunkt gegeben. Wir haben zwar mehr Teilzeit-arbeitsverhältnisse, aber trotzdem wird in Deutschlandnicht mehr gearbeitet. Steuern und Abgaben werden nichtauf den Arbeitsplatz gezahlt, sondern von den geleistetenStunden. Dabei liegen wir heute schlechter als imJahre 1998. Dann wird immer wieder die Wachstums-schwäche, die wir haben, genannt. Wir haben ja in denletzten zwei Jahren in Europa bezüglich des Wachstumsunvergleichlich weit hinten gelegen.
Nach Einschätzung der Regierung vom November 2000hätten wir in den Jahren 2001 und 2002 rund vier ProzentWachstum haben sollen. Dieses hat in Deutschland nichtstattgefunden.
Vier Prozent Wachstum, gemessen am Bruttoinlands-produkt, bedeuten, dass Wachstum im Wert von rund165 Milliarden DM stattgefunden hätte. Bei einer Steuer-und Abgabenquote von fast 44 Prozent wird, gemessenam Wachstum, klar, warum Bund, Ländern, Gemeindenund den Sozialversicherungskassen insgesamt rund65 Milliarden DM an Einnahmen fehlen. Dies ist das Er-gebnis einer verfehlten Wirtschafts-, Finanz- und Sozial-politik dieser rot-grünen Bundesregierung.Ich habe schon bei der Steuerdiskussion im Mai 2000gesagt: Wer eine solche Politik gegen den Mittelstand unddie Arbeitnehmer macht wie diese Regierung,
der wird am Arbeitsmarkt brutal scheitern. Genau das istheute eingetreten. Alle 15 Minuten geht in Deutschlandein Unternehmen in die Insolvenz.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte23428
Dabei sind noch nicht die mitgerechnet, die ihren Betriebaufgeben, weil er sich für sie nicht mehr rechnet: 33 000im letzten Jahr, 40 000 werden es in diesem Jahr sein.Ohne Unternehmer gibt es keine Arbeitsplätze.Ich verstehe schon, dass die Gewerkschaften höhereLöhne fordern und dass in Deutschland im Moment einArbeitskampf im Gange ist;
denn auch die Gewerkschaften sind von dieser Regierungin die Irre geführt worden.
Sie haben geglaubt, dass die Lohnzusatzkosten reduziertwürden. Auch mit diesem Versprechen ist die Regierungbrutal gescheitert.
– Sie mögen ja hier Zwischenrufe machen, aber nehmenSie bitte die Fakten zur Kenntnis.
In meinem Betrieb betragen die Sozialversicherungs-beiträge in diesem Jahr 41,9 Prozent. Sie lagen imJahr 1998 bei 42 Prozent. Das heißt, meine Mitarbeiter ha-ben lediglich 0,1 Prozent weniger an Lohnzusatzkosten.
Herr Kollege, Ihre
Redezeit ist zu Ende.
Ja. – Das sind bei einem
Gehalt von 5 000 DM 2,50 DM für den Arbeitnehmer und
2,50 DM für den Betrieb pro Monat,
und das bei einer unvergleichlichen Erhöhung der Ener-
giekosten, angetrieben durch die Ökosteuer, wobei die
Steuerreform und die moderaten Lohnabschlüsse der letz-
ten Jahre – weil die Gewerkschaften der Regierung ge-
glaubt hatten – völlig konterkariert wurden durch das, was
an Lohnmehrkosten aufgebracht werden musste.
Vor diesem Hintergrund muss man leider feststellen,
dass es überhaupt keine Anzeichen gibt, dass wir vor ei-
ner Besserung stünden. Selbst der Geschäftsklimaindex –
Herr Kollege, Ihre
Redezeit ist weit überschritten. Wir sind in der Aktuellen
Stunde.
– ja, ich komme zum
Ende –, der von Herrn Eichel als Indiz für ein bevorste-
hendes Wachstum bemüht worden ist, hat sich beim letz-
ten Mal wieder verschlechtert.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich erteile das Wortdem Bundesarbeitsminister Walter Riester.Walter Riester,Bundesminister für Arbeit und Sozial-ordnung: Meine Damen und Herren! Ich bin sehr für eineDebatte zu diesem Thema, aber ich frage mich, warum dieOpposition sie mit Unwahrheiten beschmutzt.
Es ist nicht so, dass die Arbeitslosigkeit stagniert, son-dern wir haben die Arbeitslosigkeit um 10 Prozent redu-ziert, und zwar eine Arbeitslosigkeit, die wir von Ihnenübernommen haben.
Von 1,8Millionen im Jahr 1982 auf 4,8Millionen stieg siein der Verantwortung Ihrer Regierung.
Ich kann ja verstehen, dass die Bewältigung des Pro-blems einigen Leuten zu langsam ging. Aber ich kannnicht verstehen, dass diejenigen, die das Problem verur-sacht haben, nun mit dem Finger auf uns zeigen.
Ich freue mich über die zurückgehende Arbeitslosig-keit; Sie haben Sorge. Besonders freut mich, dass die Ar-beitslosigkeit schwerbehinderter Menschen um 18 Pro-zent zurückgegangen ist.
Auch das ist nicht von alleine passiert. Wir haben dafürgesorgt, indem wir mit vielen Aktiven in den Arbeitsäm-tern konsequent für das Gesetz zur Integration Schwerbe-hinderter kämpfen und in den Betrieben und Köpfen Bar-rieren abbauen, um diese Menschen in den Arbeitsmarktzu bringen.
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Peter Rauen23429
Warum haben Sie dagegen gestimmt? Warum wollten Sieauch das nicht?Ich freue mich, dass inzwischen 400 000 junge Men-schen über das JUMP-Programm Zugang zu Arbeit, Aus-bildung und Weiterbildung bekommen haben. Warum ha-ben Sie dagegen gestimmt? Warum freuen Sie sich nichtdarüber?
Herr Rauen, ich freue mich, dass 1,2 Millionen Men-schen zusätzlich in Arbeit sind, seit wir die Regierungübernommen haben. Dafür brauche ich keine Rechenbei-spiele; ich freue mich einfach darüber. Warum freuen Siesich nicht?
Warum brauchen Sie eine Debatte, in der alles mies ge-macht wird? Diejenigen, die sich hineinknien, die denKarren aus dem Dreck ziehen, die vielen Tausenden vonMenschen, die sich der schwierigen Herausforderung derArbeitslosigkeit stellen, erleben eine Debatte, in der Siealles und jedes mies machen.
Wir sind die drittstärkste Wirtschaftsnation der Welt.Was hören wir von Ihnen? Von Ihnen hören wir, dass dasWachstum zu gering ist. Haben Sie denn vergessen, dassdas Wachstum in der letzten Legislaturperiode gerade ein-mal halb so stark war wie jetzt? Haben Sie das vergessen?Das können Sie doch nicht vergessen haben!
Wir freuen uns darüber, dass wir immer noch ein doppeltso hohes Wachstum haben, obwohl die Wirtschaft in denUSA eingebrochen ist. Dafür stehen wir und dafür kämp-fen wir.
– Mein lieber Herr dahinten, der Sie von der roten Laternesprechen: Die rote Laterne hat schon 1993 aufgeblinkt. Dawaren Sie in der Regierungsverantwortung und habenfreidemokratisch gelächelt.
Meine Damen und Herren von der Opposition, ichhabe den Eindruck, dass Sie die Menschen nicht mögen,die gegen die Arbeitslosigkeit kämpfen, dass Sie nicht zuunserem Land, das stark ist und sich den Herausforderun-gen stellt, stehen. Warum wohl? Für was braucht die Op-position ein Schreckensbild, das sie den Menschen immerwieder vor Augen führt?Wir stehen zu der Kampagne, 400 000 junge Men-schen, die Schwierigkeiten haben, in Arbeit zu bekom-men. Bei Schwerbehinderten, die anderenfalls keine Ar-beit gefunden hätten, ist die Arbeitslosigkeit um18 Prozent gesunken. Die Arbeitslosigkeit insgesamt istum 10 Prozent geringer geworden. In diesem Monat wirddie Zahl der Arbeitslosen mit Sicherheit unter der4-Millionen-Grenze liegen.
Was haben wir von Ihnen übernommen? Im Januar/Februar Ihres letzten Regierungsjahres 4,8 Millionen Ar-beitslose.
Was ist dann passiert? Menschen kamen massenweise inABM und SAM. Das waren – Herrn Kolb habe ich es vor-hin aufgezeigt – in Ostdeutschland fast 300 000. Sie ha-ben versucht, die Statistik zu manipulieren. Das lassen wirIhnen nicht durchgehen.
Wir hatten im letzten Monat einen Rückgang der Ar-beitslosigkeit um 132 000. Auch in diesem Monat wird eseinen deutlichen Rückgang, nämlich um weit über100 000, geben. Das Job-AQTIV-Gesetz greift. Ich frageSie: Sind Sie bereit, nun endlich bei Reformen mitzu-machen?
Sie haben sich gegen die jungen Menschen gestellt. Siehaben gegen das Job-AQTIV-Gesetz gestimmt. Sie habengegen die Integration Schwerbehinderter gestimmt.
Sie dokumentieren uns ein Land, das so, wie Sie es dar-stellen, nun wirklich nicht ist.
– Das ist richtig. Aber auch mit Unternehmern waren beiIhnen 4,8 Millionen Menschen arbeitslos.
Auch mit Unternehmern waren bei Ihnen 1,2 MillionenMenschen weniger in Arbeit. Daran darf ich Sie erinnern.Ich kann überhaupt nicht erkennen, warum jemand,wenn diese rückwärts gerichtete Politik weitergeht und
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Bundesminister Walter Riester23430
Sie sich allem verwehren, auf Sie setzen soll. Wenn Siewieder in die Regierungsverantwortung kämen,
warum würden Sie nicht erneut unser Land in eine Ar-beitslosigkeit von bis zu 5 oder 6 Millionen Arbeitslosenführen? Sie standen kurz vor 5 Millionen. Wer sollte da-rauf vertrauen, dass Sie unserem Land bei all Ihrem Ver-weigern und Rückwärtsgerichtetem, bei all dem, woge-gen Sie sich stemmen, tatsächlich einen Schub derErneuerung bringen? Daran glauben große Teile aus Ihreneigenen Reihen nicht mehr. Sonst würden Sie sich hiernicht so darstellen.
Wir werden konsequent den Weg der Absenkung derArbeitslosigkeit, des Aufbaus von Beschäftigung,
der Hilfe für Problemgruppen, die durch ein Wirtschafts-wachstum allein keine Unterstützung erfahren und die Ar-beit finden sollen, gehen. Diese Gruppen habe ich Ihnenaufgezählt; gegen all diese Gruppen haben Sie sich ge-stellt.
– Da hinten kräht wieder jemand „Stimmt gar nicht!“.
Die Zahl von rund 196 000 arbeitslosen schwer behinder-ten Menschen haben wir um 35 000 reduziert. Das ist eineLeistung. Für jeden Einzelnen freue ich mich.
Ich darf Ihnen auch sagen, dass ABM und SAM
in weiten Bereichen Ostdeutschlands, wo es keine Ar-beitsplätze zu vermitteln gibt, die bessere Alternative ist,als nur Leistungen zu beziehen. Das wissen wir.
Vor kurzem war ich in Rosenheim in Bayern. Dort binich vom Diakonischen Werk zu einer wichtigen Jugend-initiative eingeladen worden. In dieser wichtigen Jugend-initiative sind Menschen, die an AB-Maßnahmen teilneh-men. Sie haben Angst, wenn Ihnen erklärt wird, dass diesalles abgestellt werden soll. Diese jungen Menschen be-kommen sonst keine Unterstützungsleistungen. Sie habenmich gefragt: Was ist zu erwarten, wenn es einen Regie-rungswechsel gibt?
Ich habe sie nur mit dem konfrontiert, was Ihr Kandidat,meine Damen und Herren von der FDP, sagt. Dann sindsie blass geworden. Für mich ist auch dieser Bereichwichtig. Das war in dem Arbeitsamtsbezirk, der die ge-ringste Arbeitslosigkeit aufweist, in dem diese jungenMenschen trotzdem keine Chancen haben,
aber Gott sei Dank vom Diakonischen Werk betreut wer-den. Diesen 18 Menschen, mit denen ich gesprochenhabe, möchte ich ihre Chancen erhalten. Dies ist mir ge-nauso wichtig wie Ihre angestrebten 18 Prozent.Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.
Für die FDP-Fraktion
erteile ich dem Kollegen Dr. Heinrich Kolb das Wort.
Jetzt hören Sie doch ersteinmal zu!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Andres, als unlängst die Feierstunde zum 50-jähri-gen Bestehen der Bundesanstalt für Arbeit stattgefundenhat, haben deren Beschäftigte vor dem Versammlungssaalmit Transparenten demonstriert, auf denen zu lesen stand:„Was sollen wir vermitteln, wenn es keine Arbeitsplätzegibt?“. Das ist, auf eine kurze Formel gebracht, das ganzeDrama rot-grüner Arbeitsmarktpolitik.
Denn, Herr Riester, zwar wollen Sie Arbeitslose ver-pflichten, sich stärker als bisher um die Wiederaufnahmevon Arbeit zu bemühen.
Sie üben auch Druck auf die Vermittler der Bundesanstaltfür Arbeit aus. Sie setzen, wie wir übrigens schon seit Jah-ren, verstärkt auf private Arbeitsvermittlung. Dies alles
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Bundesminister Walter Riester23431
sind für sich genommen sinnvolle Schritte. Aber, HerrRiester, Sie übersehen das Wichtigste: Die Arbeitslosig-keit in unserem Land kann auf Dauer nur dann erfolgreichreduziert werden, wenn gleichzeitig, also parallel zu die-sen Maßnahmen, von Unternehmern genügend neueArbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt bereitgestellt wer-den. Daran krankt es.
– Diese Arbeitsplätze, Herr Kollege Weiermann, kannman nicht per Gesetz verordnen.
Wenn man dies könnte, hätten Sie schon längst ein solchesGesetz auf den Weg gebracht.Neue Arbeitsplätze entstehen, wenn das unternehme-rische Umfeld stimmt, wenn es Freiräume für eine erfolg-reiche unternehmerische Betätigung gibt und wenn sichdas Eingehen eines unternehmerischen Risikos nach Steu-ern auch wirklich lohnt.
Hier muss man feststellen: Die rot-grüne Politik kranktam falschen Paradigma. Wer bei der Formulierung seinerGesetze immer das Großunternehmen mit dem Gewerk-schaftsbüro neben der Betriebskantine vor Augen hat, dermuss ganz zwangsläufig den Mittelstand überfordern.
– Nein, das ist keine Mittelstandslüge. Das ist ein Faktum,Herr Dreßen. Das ist das Problem.
Sie liegen ganz offensichtlich mit Ihrer Politik falsch.Im letzten Jahr kam es zu 33 000 Unternehmenszusam-menbrüchen. In diesem Jahr wird es 40 000 Unterneh-menszusammenbrüche bzw. Insolvenzen geben. Dasheißt, der Mittelstand, die tragende Säule unserer Volks-wirtschaft, knickt ein. Das müsste für uns alle eigentlichein Alarmsignal sein.
Dazu kommt, dass die Netto-Existenzgründungsratesinkt. Dies ist ein „Erfolg“ des rot-grünen Kampfes gegendie so genannte Scheinselbstständigkeit. Viele Vollblut-unternehmer ziehen sich frustriert zurück und geben IhrUnternehmen auf, weil es keinen Spaß mehr macht, inDeutschland selbstständig zu sein und ein Unternehmenzu führen.
Das erklärt – um zum Thema dieser Aktuellen Stundezurückzukommen –, warum die Arbeitslosigkeit inDeutschland auf einem hohen Niveau verharrt und warumDeutschland mit nur noch 0,6 Prozent Wirtschaftswachs-tum das Schlusslicht in Europa ist.Ungefähr 75 Prozent der 3,3 Millionen mittelstän-dischen Unternehmen in Deutschland haben bis zu fünfBeschäftigte, 95 Prozent sogar bis zu 20 Beschäftigte.Wenn jedes der 3,3 Millionen mittelständischen Unter-nehmen in Deutschland – Herr Dreßen, das ist keine Mit-telstandslüge, das ist die Wahrheit – nur einen zusätz-lichen Beschäftigten einstellen würde, hätten wir dasProblem der Arbeitslosigkeit – das werden Sie zugebenmüssen – weitgehend gelöst.
Deswegen muss der Mittelstand in das Zentrum der Poli-tik gerückt werden und darf nicht – wie bei Ihnen – nureine Randrolle spielen.Wir von der FDP wollen den Mittelstand in Deutsch-land aus dem Würgegriff rot-grüner Politik befreien,
und zwar nicht als Selbstzweck, sondern um die Rahmen-bedingungen dafür zu schaffen, dass als Ergebnis unter-nehmerischer Entscheidungen – das ist der einzige Weg,auch wenn das nicht in Ihr Weltbild passt –
mehr Arbeitsplätze angeboten werden.
Deswegen fordern wir ein einfaches, niedriges und ge-rechtes Steuersystem mit einem einheitlichen Stufentarifmit Sätzen von 15, 25 und 35 Prozent.
Deswegen wollen wir mehr Freiraum für betriebsnaheLohngestaltungen, deswegen wollen wir die Einführungeines Niedriglohnbereichs mit steuer- und abgabefreien630-Euro-Jobs. Deswegen wollen wir eine mittelstands-freundliche Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, dasauch auf die funktionierende informelle Mitbestimmungin den kleinen und mittleren Unternehmen Rücksichtnimmt.
Deswegen wollen wir eine Veränderung beim Kündi-gungsschutz und beim Arbeitnehmerüberlassungsgesetzund die Rücknahme des Rechtsanspruchs auf Teilzeitar-beit. Deswegen wollen wir die Rücknahme des Gesetzeszur Bekämpfung der so genannten Scheinselbstständig-keit.Meine Damen und Herren, das, was ich hier nur schlag-wortartig skizziert habe und skizzieren konnte, ist, nichtder bequeme Weg. Darüber sind wir uns allerdings imKlaren. Aber ich bin heute mehr denn je davon überzeugt:Es gibt keine Alternative. Darin bestärkt uns nicht nur– ich habe das schon wiederholt zitiert – der Sachverstän-digenrat Ihrer Bundesregierung, sondern darin bestärktuns auch die EU-Kommission, die sich in einer jüngst ver-
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Dr. Heinrich L. Kolb23432
öffentlichten Untersuchung mit der Frage beschäftigt hat,warum Deutschland bei Wachstum und Beschäftigunghinterherhinkt.Dort heißt es:Ohne weit reichende Reformen auf dem Arbeits-markt könnte der Wachstumsunterschied auf mittlereSicht signifikant bleiben.Passiere nichts, so Kommissar Solbes, werde das Wachs-tum in Deutschland in den nächsten fünf Jahren nur 2 Pro-zent ausmachen, im Rest der Eurozone hingegen2,75 Prozent. Das heißt, die Probleme, die wir bei Wachs-tum und Arbeitslosigkeit haben, sind hausgemacht. Sietragen dafür die Verantwortung.
Wir werden nach dem 22. September umgehend da-rangehen, die Rahmenbedingungen für mehr Beschäfti-gung in Deutschland zu schaffen.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Jetzt hat die Parla-
mentarische Staatssekretärin Margareta Wolf das Wort.
M
Frau Präsiden-tin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kolb,wir wissen, dass Sie lediglich in der Lage sind, schlag-lichtartig irgendetwas zu erzählen, was in sich wider-sprüchlich ist. Ihre Konzepte sind unseriös, verehrter HerrKollege, das sagen alle Wirtschaftswissenschaftler.Sie haben gerade die Kommission angesprochen, daherfrage ich: Wie wollen Sie mit dem Ausgabevolumen, dasSie in Ihrem Programm vorgesehen haben – es sind über100 Milliarden mehr –, dem Stabilitätspakt genügen?Oder sind Sie jetzt auch noch Antieuropäer geworden?
Mein lieber Herr Kollege, ich schätze Sie sehr, aberauch ich möchte ein Schlaglicht aus Ihrem Programm zi-tieren. Hören Sie mir einmal zu, Sie werden nämlich lang-sam zu einer Haider-Partei, zu einer rechten Partei. InIhrem Programm steht
– hören Sie zu –:Die Interventionsspirale des kollektivistischen Be-glückungsstaates kennt keine Grenzen. Der Sozialstaatist entartet zu einem Wohlfahrts- und Versorgungsstaat,der mit seinen ausufernden Belastungen die Grund-lagen unserer Wirtschaftsordnung gefährdet.Wer war es denn – Herr Kolb, ich erwarte schon und esist guter demokratischer Stil, dass man sich zuhört –,
der Zeiss-Jena für jeden Arbeitsplatz im Monat400 000 DM gezahlt hat? Das waren doch Sie, das warennicht wir.
Sie erzählen je nach Gusto. Es ist wirklich flaneurhaft,was Sie hier machen. Ich finde das unverantwortlich.Heute Morgen hat Theo Waigel anlässlich der Trauer-feier einen sehr schönen Satz gesagt. Er sagte, wir solltenuns manchmal zu Gemüte führen, was ältere Parlamenta-rier sagen. Ich habe vor zwei, drei Wochen Herrn Epplergehört. Herr Eppler hat gesagt: Es gibt kein Land in Eu-ropa, in dem man wöchentlich, monatlich auf Arbeitslo-sen- statt auf Wachstumszahlen starrt, in dem man nichtauf die Leute stolz ist, die in diesem Land tatsächlich ar-beiten, in dem man jede Debatte nutzt, um den Standorttatsächlich schlecht zu reden. Das ist unverantwortlich.
Wir wissen, verehrter Herr Kollege, bereits seit 25 Jah-ren – auch das hat Eppler gesagt und es ist richtig –, dassWachstum und Beschäftigung nicht rein nationalökono-misch geschaffen werden, sondern dass das von Entwick-lungen außerhalb von Europa und von Entwicklungen in-nerhalb von Europa abhängig ist. Seit 25 Jahren werdenwir bei jeder Bundestagswahl mit der These „Den Auf-schwung wählen“ konfrontiert. Das ist Volksverdum-mung. Was Herr Rauen hier heute geboten hat, geht genauin die gleiche Richtung und ist noch nicht einmal kompa-tibel mit Ihrem Programm.
Ich glaube, die Präsenz in dieser Debatte lässt auch deut-lich werden, dass Sie es selber nicht mehr ertragen, hierjede Woche die gleiche Debatte zu führen, meine sehr ge-ehrten Damen und Herren.
Wir haben 1 Million neue Arbeitsplätze geschaffen.Wir haben allein im Bereich der erneuerbaren Energien100 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Was lese ich imProgramm der FDP? Das Erste, was Sie machen wollen– die CDU/CSU will das auch –, ist, diesen innovativenSchritt, diesen Exportschlager, diesen Beschäftigungsmo-tor abzuschaffen.
Sie müssen sich einmal überlegen: Wollen Sie zurückoder wollen Sie nach vorne? Wollen Sie zukunftsfähigeArbeitsplätze schaffen oder wollen Sie wieder ein
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Dr. Heinrich L. Kolb23433
Arbeitslosenpotenzial von 11,7 Prozent evozieren, wieSie es zum Ende Ihrer Regierungszeit hatten? Das wirddie Bevölkerung schon merken. Führen Sie nur jede Wo-che diese Debatte.
– Sie können weiter an Umfragen glauben. Wir glaubendaran nicht so unbedingt.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchteIhnen einmal sagen, was die Institute dazu meinen, wie esdem Wirtschaftsstandort Deutschland wirklich geht; HerrRiester hat das in Teilen schon gesagt. Wir haben den Vor-teil, dass wir exportstarke Unternehmen haben und dassdie Entwicklung der Exportvolumina in 2001 laut IMF inDeutschland bei plus 4,7 Prozent lag. Der Welthandel lagbei minus 0,2 Prozent, die USA lagen bei minus 4,6 Pro-zent, Japan lag bei minus 6,5 Prozent und Italien bei plus1,1 Prozent. Oder lassen Sie mich einmal die Zahlen zurArbeitslosenquote nennen, wegen der wir diese Debatteführen: Eurostat sagt, wir liegen mit 7,9 Prozent niedrigerals alle anderen großen europäischen Mitgliedstaaten,zum Beispiel als Spanien mit 13 Prozent, als Italien mit9,5 Prozent, als Frankreich mit 8,6 Prozent. Herr Kolb,warum sagen Sie unseren Unternehmen, die ja etwas un-ternehmen sollen, immer, sie seien so schlecht und wirseien insgesamt die rote Laterne in Europa? Das ist un-verantwortlich. Das wird den Leistungen der Menschen inunserem Lande auch nicht gerecht.
Wir haben die zweithöchste Anzahl von Patentanmel-dungen. Patente, das wissen Sie, stehen für Innovationen.Wir stehen da in Europa gleich hinter Schweden. Diedeutschen Biotech-Firmen haben die höchsten Wachs-tumsraten in Europa. Die Zahl der Beschäftigten auf die-sem Gebiet hat sich verdoppelt.
Das sagt eine Studie aus Baden-Württemberg.Wir haben natürlich auch ein hohes Maß an wirtschaft-lichem und sozialem Konsens in Wirtschaft und Gesell-schaft sowie ein stabiles Wachstum und einen den Struk-turwandel fördernden Ordnungsrahmen. Wir sollten dasinsgesamt einmal zur Kenntnis nehmen. Wenn ich inIhrem Programm lese, wie Sie das Bündnis für Arbeit
als ein Degradierungsinstrument beschreiben, dann mussich Sie bitten: Reden Sie auch nicht mehr über sozialeMarktwirtschaft. Soziale Marktwirtschaft basiert auf so-zialem Konsens zwischen den Verbänden der Arbeitgeber,den Verbänden der Arbeitnehmer und der Politik.
Sagen Sie doch, was Sie wirklich wollen.Ich kann wirklich dringend empfehlen, dieses Pro-gramm zu lesen; dann weiß man, was sich hinter diesenwohlfeilen Sätzen und der „Spaßgesellschaft“ tatsächlichverbirgt.
Wir sind bei den ausländischen Direktinvestitionen aufdem höchsten Rang.
Wir haben – das attestieren uns die Institute – eineWettbewerbspolitik, die unfaire Konkurrenz verhindert.Sehr geehrter Herr Kollege Rauen, wir haben eine Ver-zehnfachung bei den ausländischen Direktinvestitionen.
Wir liegen bei einer Größenordnung von 80,7 Mil-liarden Euro. Da ist Vodafone explizit ausgerechnet, ver-ehrter Herr Kollege. Ich darf schon erwarten, dass auchSie sich bisweilen die Zahlen anschauen, wenn Sie unsschon immer mit diesen Debatten mittwochnachmittagsnerven.
Wir alle wissen, dass es heute wichtig ist, dass die Be-schäftigten weitergebildet werden und dass es Bildungs-initiativen in den Unternehmen gibt. Wir liegen durch un-sere relativ umfangreichen Fortbildungsmaßnahmen fürAngestellte ziemlich weit vorn in Europa.Letzte Bemerkung. Deutschland ist in der Rankinglis-te – und zwar in der aktuellen – auf Platz 15 und somit im-mer noch vor allen anderen großen EU-Ländern. Groß-britannien ist auf Platz 16, Frankreich ist auf Platz 22,Spanien ist auf Platz 23, Italien ist auf Platz 32.
Allein die Vereinigten Staaten liegen als großes Industrie-land vor uns.Verehrter Kollege, Sie beziehen das auf Dänemark,Österreich und Island. Das sind kleine Länder, die vondaher natürlich eine viel kleinere Arbeitslosenzahl ha-ben. Sie wissen, dass sie in einer Größenordnung von300 000 liegt; das entspricht der Einwohnerzahl vonBonn. Das ist natürlich nicht vergleichbar mit der derBundesrepublik Deutschland, die ein starkes Wirtschafts-land ist.Ich komme zu meiner letzten Bemerkung: Auch wir– das ist bei den Ausführungen von Herrn Riester sehrdeutlich geworden – machen uns selbstverständlich Sor-gen, wenn die Arbeitslosenquote ein wenig steigt oder wir
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Parl. Staatssekretärin Margareta Wolf23434
Befürchtungen haben müssen, dass der Ölpreis wegen desKrieges im Nahen Osten steigt.
Die Schadenfreude, mit der Sie an das Thema herangehen,wird ihm allerdings nicht gerecht. Ich weiß, dass mannicht immer nur zurückschauen, sondern den Blick auchnach vorne richten sollte. Wenn ich nach vorne schaue,entdecke ich bei Ihnen allerdings nichts außer unseren Ini-tiativen, die Sie in Ihrem Programm fortschreiben, ver-ehrte Kollegen von der CDU/CSU.
Kümmern wir uns gemeinsam um die Arbeitslosen undverdummen Sie die Leute nicht weiter, indem Sie hier je-den Mittwoch immer die gleichen Debatten führen undkeine einzige Perspektive aufzeigen!Danke schön.
Für die PDS-Fraktion
erteile ich dem Kollegen Dr. Klaus Grehn das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsiden-tin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch das Themadieser Aktuellen Stunde reiht sich in den Versuch derUnionsparteien ein, mit aller Macht zugegebenermaßenwichtige Themen zu Dauerthemen im Wahlkampf zumachen.
– Herr Kolb, an diesem Dauerlauf – er erinnert mich anden Lauf eines Hamsters im Rad – ist allerdings wenigNeues. Andere Konzepte haben wir von Ihnen auch in derVergangenheit nicht gesehen.
Gewiss – das sieht auch die PDS so – wiederholt dieRegierung Schröder einige wesentliche Fehler, die ihreVorgängerin bereits gemacht hat.
Dazu zählt eine unzureichende Wirtschaftspolitik, diewenig zur erhofften Wende auf dem Arbeitsmarkt beige-tragen hat. Dazu gehört auch, dass es wenig Nachhaltig-keit bei den Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt gibt.Herr Bundesarbeitsminister, die Bäume wachsen dortwahrlich nicht in den Himmel. Schließlich beschneidet siedie dringend notwendigen und zudem Beschäftigungschaffenden öffentlichen Investitionen. Das geschiehtnicht nur bei Schiene und Straße, wie Sie das in Ihrem An-trag geschrieben haben.Bei der Union werden alle diese Sachverhalte und Po-litikfelder aus wahltaktischen Gründen in Bezug zu denhohen Arbeitsmarktzahlen gesetzt. Das ist insofern de-magogisch, als auch die Regierung Kohl bei höheremWirtschaftswachstum kein Rezept gegen die damals nochhöhere Arbeitslosigkeit gefunden hat.
Für die PDS stellt sich natürlich mit aller Schärfe dieFrage, warum es auch dieser Bundesregierung nicht ge-lungen ist, gegen die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit vor-zugehen.
Millionen Wählerinnen und Wähler – übrigens nicht nurder PDS – stellen sich diese Frage auch. Auch 12 Jahrenach der Vereinigung ist fast jeder fünfte Ostdeutscheohne Erwerbsarbeit. Die Bundesregierung greift zu Mit-teln, die sie selbst längst als völlig untauglich für einenBeitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit erkannt habenmüsste. Dazu gehören die Experimente mit der Bundes-anstalt für Arbeit und die eigentlich gescheiterten Mo-delle, wie zum Beispiel das Mainzer Modell. Sie wendetsich dem Kern des Problems nicht mit tauglichen Mittelnzu.Auch die Unionsparteien setzen weiter auf das falschePferd. Sie lassen ihren Kanzlerkandidaten Stoiber ver-künden, dass neue Arbeitsplätze vor allem im Niedrig-lohnbereich entstehen.
So bleibt es erneut der PDS überlassen, der Regierung undder CDU/CSU zu erklären, dass solche Konzepte nichtgreifen werden. Wären solche Versuche, die Sie vorschla-gen, nämlich erfolgversprechend, wäre ganz Ostdeutsch-land ein Eldorado für Arbeitsplatzsuchende.
Das Gegenteil ist aber der Fall. Herr Kolb, Sie wissenganz genau, dass der Bruttolohn aller abhängig Beschäf-tigen in den neuen Bundesländern durchschnittlich20 762 Euro beträgt. Damit liegt er um 22,5 Prozent un-ter dem in den alten Bundesländern. Dennoch ist die Ar-beitslosenrate um das 2,3-fache höher; die Beschäftigunghat in den neuen Bundesländern dramatisch abgenom-men.
Das führt Ihre Aussagen eigentlich ab absurdum.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Parl. Staatssekretärin Margareta Wolf23435
Der Kern des Problems liegt ganz woanders. Er liegt inder Schaffung von Arbeitsplätzen mit existenzsicherndemEinkommen oberhalb der Armutsgrenze.
Eine solche Entwicklung sichert die Steigerung der Bin-nennachfrage, die die Wirtschaft ankurbelt und zusätzli-che Arbeitsplätze schafft. Das Warten auf Automatismenund das Schielen auf die amerikanische Konjunktur ist lö-sungshemmende Untätigkeit. Das muss die gegenwärtigeKoalition den Wählerinnen und Wählern erklären.Nichts deutet darauf hin, dass das erwartete Wunder ei-nes beschäftigungswirksamen Wachstums von mehr als2,3 Prozent in diesem Jahr eintreten wird. Aus Wahl-kampfgründen die geplanten tiefen Einschnitte in die so-zialen Sicherungssysteme zu verschweigen oder zu ver-schieben wird die Menschen in Deutschland nicht mehrruhig stellen können.Auch die PDS hat keinen Königsweg zur massenhaf-ten Schaffung von Arbeitsplätzen.
Aber wir weisen auf eine ganze Reihe von Problemen hin.Ich nenne zum Beispiel das Stichwort Reserve. Der Kanz-ler hätte beim Bündnis für Arbeit mit der Faust auf denTisch schlagen sollen. Die Bundesregierung hat jedoch imGegensatz zur PDS kein erkennbares Konzept zur nach-haltigen Senkung der Arbeitslosigkeit. In ihrem beschäf-tigungspolitischen Programm hat die PDS eine Reihe vonVorschlägen eingereicht. Ich nenne nur einige: Auswei-tung der öffentlichen Investitionen und ein kommunalesInfrastrukturentwicklungsprogramm. Wir können Ihnendieses Konzept gerne zur Verfügung stellen und die De-tails dazu erklären.
Das bedeutet etwa 5 Millionen neue Arbeitsplätze.Die PDS stimmt mit den Unionsparteien überein: DieUntätigkeit und das der Union bekannte Aussitzen von le-benswichtigen Problemen unseres Volkes seitens dieserBundesregierung müssen beendet werden. Ob das aller-dings der zukünftige Kanzler besser als der vor 16 Jahrenmacht, ist nicht klar.
Für die SPD-Fraktion
erteile ich nun das Wort dem Kollegen Dr. Rainer Wend.
Frau Präsidentin! Meinesehr geehrten Damen und Herren! Kurz vor den Bundes-tagswahlen ist es Zeit, die Regierungszeit bis 1998 unddie letzten vier Jahre miteinander zu vergleichen. Der Ver-gleich lohnt sich.
Arbeitslosenzahl 1998 unter Schwarz-Gelb 4,3 Milli-onen, heute 3,8 Millionen; ein Minus von 10 Prozent.
Langzeitarbeitslosenzahl 1998 unter Schwarz-Gelb1,5 Millionen, heute 1,2 Millionen; ein Minus von15,7 Prozent.
Die Zahl älterer Arbeitsloser 1998 unter Schwarz-Gelb950 000, heute 714 000; ein Minus von 24,8 Prozent.Nettolöhne und -gehälter 1998 unter Schwarz-Gelb508 Milliarden Euro, heute 596 Milliarden Euro; ein Plusvon 17,2 Prozent. Kreditaufnahme des Bundes 1998 un-ter Schwarz-Gelb 28,8 Milliarden Euro, heute 22,3 Milli-arden Euro; ein Minus von 22,5 Prozent. Ausgaben fürBildung und Forschung 1998 unter Schwarz-Gelb7,27 Milliarden Euro, heute 8,4 Milliarden Euro; ein Plusvon 15,5 Prozent. Forschungsförderung Ostdeutschland1998 unter Schwarz-Gelb 8,4 Milliarden Euro, heute11,8 Milliarden Euro; ein Plus von 24,4 Prozent.
Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur 1998 unterSchwarz-Gelb 9 Milliarden Euro, heute 11,5 Milliar-den Euro; ein Plus von 21,5 Prozent.
Durchschnitt der ausländischen Direktinvestitionen inden 90er-Jahren unter Schwarz-Gelb 13 Milliarden Euro,Durchschnitt unter Rot-Grün in vier Jahren 90 Milliar-den Euro.
Durchschnittliches Wachstum des Bruttoinlandsproduk-tes in den 90er-Jahren unter Schwarz-Gelb 1,2 Prozent,durchschnittliches Wachstum unter Rot-Grün in vier Jah-ren 1,8 Prozent.
Es gibt keine ökonomische Kennziffer, bei der Rot-Grün nach vier Jahren nicht deutlich besser liegt, als Sieam Ende Ihrer Regierungszeit gelegen haben.
– Ich weiß, Sie führen lieber ominöse Lampen- und Lich-terdebatten. Aber wenn es um die harten Fakten geht,
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Dr. Klaus Grehn23436
dann kneifen Sie, weil Sie nichts zu bieten haben, was sichmit unseren Leistungen vergleichen lässt.
Aber erinnern wir uns – das ist ja das Schöne; es istnoch gar nicht so lange her, dass Schwarz-Gelb regierthat –: Was haben uns die Herrschaften, die mit lauterStimme reden, aber nicht gut zuhören können, hinterlas-sen? 1,5 Billionen DM Staatsverschuldung – die höchsteVerschuldung, die unser Land je gehabt hat –, 4,3 Milli-onen Arbeitslose – die höchste Zahl von Arbeitslosen –,42,3 Prozent Sozialversicherungsbeiträge – hochgetrie-ben in Ihrer Regierungszeit von 34 auf 42,3 Prozent –
und die höchste Steuerlast, die es in unserem Land je ge-geben hat.
Die Erblasser dieses ökonomischen Desasters aber führenmit uns Schlusslichtdebatten. Meine Damen und Herren,ich kann an Ihre Seite gewandt nur sagen: Das ist unan-ständig.
Sie wollen vielleicht nicht so gerne – das mag für Sieauch nicht so angenehm sein – die Zahlen der Vergangen-heit hören. Dann wenden wir uns einmal den Konzeptenfür die Zukunft zu. Die FDP schlägt vor: dreimal unter35 Prozent, also Staatsquote, Steuern und Abgaben unter35 Prozent senken.
Dazu hat der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende, HerrMerz, gestern etwas Schönes in der „Welt“ gesagt:Während, mit Verlaub, eine Zielsetzung „drei Mal35“ ziemlich albern ist ...Dem ist nichts hinzuzufügen, Herr Kolb.
Er hat in dem Interview etwas später noch gesagt:Beim FDP-Parteitag hat offensichtlich ein kollekti-ves Besäufnis ohne Alkohol stattgefunden.
Ich meine, dabei müssen wir Herrn Brüderle als Wein-bauminister in Schutz nehmen. Ein bisschen Alkohol wirdsicherlich dabei gewesen sein; aber ansonsten will ichdem gerne folgen.Wenn aber die FDP so hart kritisiert wird, frage ichmich im Hinblick auf die CDU/CSU: Warum kopieren Siedann fast die FDP und tauschen die 35 Prozent nur gegen40 Prozent aus?
Wissen Sie, was es bedeuten würde, wenn die Staatsquotetatsächlich auf unter 40 Prozent gesenkt würde?
170Milliarden Euro weniger Staatsausgaben durch Bund,Länder und Kommunen. Wo bleiben dann die Investitio-nen für den Straßenbau, für die Krankenhäuser, Schulenund Kindergärten?
Wo bleiben das Krankengeld und das Arbeitslosengeld?Entweder sind Sie ökonomisch nicht ernst zu nehmen,weil Sie nicht zu Ende denken, oder Sie wollen diesen So-zialstaat kaputtmachen.
Beides sind Gründe, die zeigen, dass Ihre Regierungsun-fähigkeit nach wie vor umfassend ist, meine Damen undHerren.
Herr Kollege, Ihre
Redezeit ist um.
Das ist eigentlich schade.
Lassen Sie mich zum Schluss noch Folgendes sagen.
Wir wissen, dass die letzten vier Jahre nicht einfach wa-
ren, aber dem Kompass, den Fixsternen zu folgen, die Er-
neuerung unserer Gesellschaft zu betreiben, ohne dabei
den sozialen Zusammenhalt aus den Augen zu verlieren,
ist die wirkliche Staatskunst, der wir uns auch in Zukunft
widmen werden. Die Bürger merken das und werden es
honorieren.
Das Wort hat jetzt derKollege Ulrich Klinkert für die CDU/CSU-Fraktion.
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Dr. RainerWend23437
Frau Präsidentin! Meinesehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Wend hatin den Saal gerufen: Es ist Zeit zu vergleichen. Herr Kol-lege Wend, jetzt vergleichen wir einmal, und zwar dasWahlprogramm der SPD aus dem Jahr 1998 mit den er-reichten Realitäten.
Unter der Überschrift „Arbeit, Innovation und Gerech-tigkeit“ wurden den Menschen 1998 viele konkrete Ver-sprechungen gemacht. Bundeskanzler Schröder verstiegsich sogar zu der Aussage, dass es die SPD nicht verdie-nen würde, wieder gewählt zu werden, wenn es nicht ge-linge, die Arbeitslosigkeit unter 3,5Millionen zu drücken.
Wir werden ihn beim Wort nehmen, meine Damen undHerren.
Das SPD-Programm des Jahres 2002 ist dagegen sehrviel schwammiger. Es steht nicht mehr unter der Über-schrift „Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit“, sondernunter der Überschrift: Schröder, Schröder, Schröder.
Man darf sehr gespannt sein, wie die Bundesregierung indem zu erwartenden Wahlkampf ihr Versagen in der Wirt-schaft und vor allen Dingen in der Arbeitsmarktpolitik be-gründen will.
Falls der Bundeskanzler auch im Sommer des Jah-res 2002 zu einer Tour durch die neuen Bundesländer star-ten will, hat er in Leipzig schon einmal einen Vorge-schmack darauf bekommen, dass es inzwischen in denneuen Bundesländern nicht mehr reicht, mal die Ost-cousinen zu besuchen oder sich bei einer Grundstein-legung ins Bild zu drängeln.
Nein, die Menschen in den neuen Bundesländern wollenkonkrete Antworten auf ihre besorgten Fragen. Es warsehr bemerkenswert, dass die beiden Vertreter der Bun-desregierung in der heutigen Debatte so gut wie nichtsüber die neuen Bundesländer gesagt haben.
Die Menschen in den neuen Bundesländern wollenwissen, warum entgegen allen Wahlversprechen nach vierJahren rot-grüner Regierung die Chefsache Aufbau Ostim April 2002 zu einer historischen Rekordarbeitslosig-keit von 18,1 Prozent in den neuen Bundesländern geführthat. Sie wollen wissen, warum die Schere zwischen Ostund West hinsichtlich der Arbeitslosigkeit und des Wirt-schaftswachstums immer weiter auseinander geht.
Sie wollen auch wissen, warum die Schere zwischenDeutschland und Europa hinsichtlich der Arbeitslosigkeitund des Wirtschaftswachstums immer weiter zuunguns-ten Deutschlands auseinander geht.
Die Bundesregierung will alles mit der schwächelndeninternationalen Konjunktur begründen. Frau Wolf, Sie ha-ben das Beispiel Spanien gebracht und darauf verwiesen,dass dort die Arbeitslosenquote mit zurzeit 13 Prozent we-sentlich höher sei. Sie haben aber verschwiegen, dass dieArbeitslosenquote in Spanien vor vier Jahren bei 20 Pro-zent lag. Während Spanien unter diesen Voraussetzungeneine äußerst erfreuliche Entwicklung genommen hat, istdie Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern Jahr fürJahr dramatisch gestiegen. Das ist das Ergebnis rot-grünerPolitik.
Weiter heißt es in dem SPD-Regierungsprogramm von1998:Arbeitsplätze schaffen und Arbeitsplätze sichern, dassteht im Mittelpunkt unseres Regierungsprogramms.Aber die Realität sieht so aus – Herr Riester, da könnenSie die Statistik verbiegen, wie Sie wollen –, dass im Jahre2002 in den neuen Bundesländern genau 200 000 Arbeits-plätze weniger zur Verfügung stehen als im Jahre 1998.Dies hat zu dem historischen Höchststand der Arbeitslo-senquote von 18,1 Prozent geführt, und das, obwohl dieAbwanderung aus den neuen Bundesländern beispiels-weise im vergangenen Jahr so hoch war wie nur kurz nachder Wende. Die Menschen glauben einfach nicht mehr andie Chefsache Aufbau Ost dieses Bundeskanzlers.
Weiter steht im SPD-Regierungsprogramm von 1998:„Wir wollen eine neue Chance für Ostdeutschland.“ DieSPD sei die einzige Partei, die die berechtigten Interessender ostdeutschen Bürgerinnen und Bürger mit bundes-deutscher Kraft durchsetzen könne.
Das war vielleicht 1998 für viele Menschen eine gewisseHoffnung. Aber das klingt heute in den Ohren der Bürgerder neuen Bundesländer wie blanker Hohn.
Von wegen Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit: StattArbeit bewegt sich die Arbeitslosigkeit aufgrund einer
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verfehlten Mittelstandspolitik und der Streichung einerganzen Reihe von Mitteln für den Aufschwung Ost aufRekordniveau. Statt Innovation wird eine Sozialpolitikdes 19. Jahrhunderts betrieben, die den Arbeitsmarktlähmt und dem Standort Deutschland schadet. Völlig ver-fehlt ist beispielsweise die Energiepolitik. Statt Gerech-tigkeit gibt es eine schamlose Abzocke durch die Öko-steuer, die insbesondere die sozial Schwachen trifft unddem Wirtschaftsstandort Deutschland schadet. Statt Ge-rechtigkeit gibt es einen rot-grünen Rentenbetrug, der nureinen Inflationsausgleich statt einer gesetzlich verbürgtenAngleichung der Renten an die Nettolöhne gebracht hat.
Nur eine einzige Aussage des Regierungsprogrammsder SPD von 1998 hat heute eine erstaunliche Aktualitäterfahren. Zu Beginn dieses Programms ist zu lesen:„Deutschland braucht einen Politikwechsel. Die Zeit fürden Wechsel ist da.“ Das stimmt.Vielen Dank.
Nun erteile ich das
Wort der Kollegin Dr. Thea Dückert für Bündnis 90/Die
Grünen.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Herr Rauen hat sich zu Beginn der Aktuellen Stunde sei-ner eigenen Fraktion zugewandt und gesagt, er müsse ei-gentlich nur das wiederholen, was er in vielen vergange-nen Sitzungen und Aktuellen Stunden schon vorgetragenhabe.
Wenn man sich vor diesem Hintergrund anschaut, welchePräsenz Sie von der CDU/CSU aufbieten, dann weiß man,wie ernst Sie dieses Thema nehmen, das Sie selber auf dieTagesordnung gesetzt haben.
Heute wurde in einer Zeitung – ich glaube, es war das„Handelsblatt“ – die Frage aufgeworfen, warum in denWahlkampfprogrammen der Parteien, in der letzten Wo-che beispielsweise der FDP, immer das Nirwana be-schrieben wird, nicht aber Konzepte, mit denen in derRealität die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungenverbessert werden können.
Ich bin ziemlich sicher, dass sich die Wählerinnen undWähler von diesem Nirwana nicht einlullen lassen. Abergenau dieses Nirwana wird immer wieder beschrieben.
Schauen wir uns einmal einige Vorschläge aus solchenProgrammen an. Herr Stoiber verspricht beispielsweise800 000 zusätzliche Arbeitsplätze durch Kombilöhne.
Er sagt nichts zur Finanzierung
und verweist lediglich auf das Konzept „3 mal 40“. Damiterscheint er als Entfesselungskünstler: Er glaubt offen-sichtlich, auf diese Weise die konjunkturelle Entwicklungentfesseln zu können.Haben Sie sich einmal mit Ihren eigenen Landesregie-rungen und Kommunen darüber unterhalten, was diesesKonzept „3 mal 40“ bedeutet und wo die Ausgaben inHöhe von 170 Milliarden Euro eingespart werden sollen?Wie sollen denn Ihre Kommunen und Ihre Länder dieseleeren Versprechungen umsetzen?
Keine Schulen mehr, keine Schwimmbäder mehr, keineBibliotheken mehr?
Damit müssen Sie sich einmal auseinander setzen. WasSie hier versprechen, ist ein Gruselkabinett für die Städteund Gemeinden.
Wie wollen Sie die versprochene Entfesselung reali-sieren, die das alles finanzieren soll? Sie sagen etwas zu630-Mark-Jobs, zum Kündigungsschutz, der wieder ver-schlechtert werden soll, und zur Streichung der Lohnfort-zahlung im Krankheitsfall. Es kommen also all die altenHüte wieder, die Sie schon ausprobiert haben, die unso-zial gewesen sind und die – das ist in diesem Zusammen-hang viel wichtiger – bewiesen haben, dass sie wirklichkeine Entfesselung auf dem Arbeitsmarkt bewirken.
Das kann überhaupt keine zusätzlichen Arbeitsplätzeschaffen. Das sind erprobte Luftnummern, keine Kon-zepte.Das alles wird noch mit weiteren Versprechen garniert,die im Hinblick auf die Finanzierung ebenfalls eine blinde
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Ulrich Klinkert23439
Stelle aufweisen. So schlagen Sie ein Familiengeld vor,um die Frauen vom Arbeitsmarkt fern zu halten,
anstatt die Bedingungen dafür zu verbessern, dass FrauenBeschäftigung mit Erziehung verbinden können. DiesesFamliengeld aber wollen Sie mit 20 Milliarden Euro fi-nanzieren, die Sie aus der Sozialhilfe nehmen. Was ist dasfür ein Konzept? Es beinhaltet Schwierigkeiten fürFrauen, Arbeit und Erziehung miteinander zu verbinden,und schlägt auch noch bei denen, die es brauchen, die so-ziale Sicherheit weg.
Auch das, meine Damen und Herren, bringt keinen einzi-gen Arbeitsplatz mehr.
Interessant ist, dass Sie vor einigen Tagen mit HerrnSpäth eine Wunderwaffe präsentiert haben.
– Ich finde es interessant, weil er wirklich interessanteDinge entwickelt hat. – Allerdings glaube ich, dass HerrSpäth zu spät kommt, um diese rückwärts gewandte Pro-grammatik gerade im Bereich der Wirtschafts- undArbeitsmarktpolitik noch in irgendeiner Weise beeinflus-sen zu können.Schauen wir uns einmal an, was die FDP vorschlägt.
– Ja, einen Spitzensteuersatz von 35 Prozent. Das bedeu-tet Steuersenkungen für Millionäre.
Wie wollen Sie das finanzieren? Noch viel pointierter alsdie CDU/CSU durch die Streichung der Sozialhilfe. WasSie vorschlagen, produziert mehr Armut und nicht mehrArbeit.
Meine Damen und Herren, ich lasse mich einmal aufdie Schlusslichtdebatte ein, die Sie hier führen wollen.Was die europäische Entwicklung angeht, so hat FrauWolf die zentralen Fakten schon genannt. Aber guckenwir einmal nach Deutschland
und gucken wir einmal,
was wir zum Beispiel bei der Jugendarbeitslosigkeit vor-finden. Wir fanden nach Ihrer Regierungszeit eine Ju-gendarbeitslosigkeit vor, die unerträglich war. Wir habenein JUMP-Programm aufgelegt, das Sie bekämpft haben.Es hat viel Erleichterung gebracht und uns übrigens imeuropäischen Vergleich gerade hinsichtlich der Jugendar-beitslosigkeit nach vorn gebracht. Auf diesem Gebiet sindwir nicht mehr das Schlusslicht, wofür Sie verantwortlichwaren.
In Deutschland ist das Land Bayern das Schlusslichtbei der Jugendarbeitslosigkeit. Ich wünsche Ihnen in Zu-kunft fröhliche Verrichtung mit dieser Art von Arbeits-marktpolitik.
Das Wort hat jetzt der
Kollege Johannes Singhammer für die CDU/CSU-Frak-
tion.
Frau Präsi-dentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! DieserBundeskanzler und diese rot-grüne Bundesregierung
haben den Arbeitnehmern in Deutschland das Blaue vomHimmel versprochen. Die rote Laterne in Europa ist da-raus geworden.
Eine Diskussion darüber können wir gern führen. Durch-schnittlich fast 4 Millionen Menschen werden in diesemJahr arbeitslos sein, eine halbe Million mehr als Ihre ei-gene Zielmarke. Deutschland ist europaweit das Schluss-licht beim Beschäftigungszuwachs.Erstmals seit Einführung einer EU-Statistik überhauptliegt Deutschland mit 7,9 Prozent Arbeitslosen über demEU-Durchschnitt. Daran soll sich nach den Prognosen derEU-Kommission auch nichts ändern.
Immer mehr Arbeitnehmer in Deutschland haben nettoimmer weniger in der Tasche. Das ist das zentrale Pro-blem.
Die Beschäftigten und ihre Familien müssen durch dieÖkosteuer für die Jahre 1999 bis 2003 einschließlich derMehrwertsteuer insgesamt über 60 Milliarden Euro mehrabliefern. Dieses Geld fehlt ihnen natürlich.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Dr. Thea Dückert23440
Herr Minister Riester, der Bundeskanzler hat in diesenTagen in einem großen Magazin die Aktivposten seinerBundesregierung aufgeführt. Dort hat er einige Minister-namen genannt; Sie waren nicht darunter. Wenn ich dieseZahlen vergleiche, wundert mich das nicht, denn sie wer-den Ihnen zugerechnet.
Die Einkommensbelastungsquote, das heißt der Anteilvon Steuern und Sozialabgaben am Bruttoeinkommen, istvon 55,1 Prozent im Jahr 1998 auf 56,6 Prozent in diesemJahr angestiegen. Das heißt, vom 1. Januar bis etwa20. Juli dieses Jahres müssen die Arbeitnehmer arbeiten,bis sie alle Steuern, Abgaben und Sozialbeiträge bezahlthaben. Erst in den restlichen Wochen arbeiten sie für ihrNetto.
In allen EU-Ländern wird in diesem Jahr die Steuer-und Abgabenlast gesenkt; in Deutschland steigt sie um0,5 Prozent. Das ist der schlechteste Wert innerhalb derEU. Deshalb ist Deutschland leider Schlusslicht in Eu-ropa.
Deshalb ist auch die Streikbereitschaft in diesem Jahrbesonders ausgeprägt. Im Kern ist dieser Streik ein Auf-begehren gegen die Politik dieser Bundesregierung:
gegen immer mehr Abzockerei und gegen immer mehrBevormundung. Vor allem aber ist er vor dem Hinter-grund der maßlosen Enttäuschung darüber zu sehen, wasSie versprochen und nicht eingehalten haben.
Die Verantwortung dafür tragen der Streikkanzler unddiese rot-grüne Regierungsmannschaft.Die Arbeitnehmer in Deutschland haben es nicht ver-dient, im Vergleich der EU-Staaten schlechter als ihreKollegen in Portugal, Griechenland oder Frankreich da-zustehen, denn in punkto Leistungsfähigkeit brauchensich unsere Arbeitnehmer nicht zu verstecken. Die Ein-satzbereitschaft der Menschen ist in Deutschland höherals anderswo. Deshalb würde bei günstigen politischenRahmenbedingungen das Ergebnis besser sein.
– Herr Weiermann, Lautstärke ersetzt keine Argumente.Das Übel in Deutschland sind die politischen Rahmen-bedingungen, die Sie zu verantworten haben.
Wir hingegen wollen, dass sich Leistung in diesem Landwieder lohnt. Wir wollen, dass mehr Geld netto in derTasche bleibt.
– Das stimmt doch überhaupt nicht. Jetzt hören Sie einmalauf, so laut zu schreien! Es wird dadurch nicht besser.
Wir werden eine gerechtere Rentenregelung durchset-zen. Wir wollen nicht – Herr Weiermann, jetzt hören Sieeinmal zu –, dass im kommenden Jahr die Rentenbeiträgetrotz Ökosteuer auf 19,3 Prozent steigen werden, wie esvon den Instituten vorausgesagt wird. Deshalb ist unsererAnsatz der richtige.Um das mit netto und brutto noch einmal darzustellen:Wir haben einen klaren Vorschlag für die so genanntenMinijobs gemacht. Wir wollen, dass künftig bei Löhnenbis 400 Euro brutto gleich netto ausbezahlt wird – ohneweitere Bürokratie. Das ist ein Konjunkturprogramm, wiewir es brauchen.
– Herr Dreßen, jetzt haben wir es Ihnen schon ein paarmalerklärt und Sie haben es immer noch nicht kapiert. Ichsage es Ihnen aber noch einmal:
Allein dadurch, dass wir eine Vielzahl von Menschen ausder größten Wachstumsbranche, nämlich der Schwarzar-beit, zurückholen und ihnen im normalen Arbeitsmarktwieder eine Chance bieten, werden sich – das werden Siesehen – die Einnahmen des Staates und der Sozialversi-cherung letztlich wieder verbessern.
Wir haben auch klar ausgeführt, dass wir auf Einkommenbis zu 400 Euro eine 20-prozentige Pauschalsteuer, ge-zahlt durch die Arbeitgeber, haben wollen. Auch dadurchwird der von Ihnen angesprochene Einnahmeausfall aus-geglichen.
– Jetzt sage ich Ihnen zusammengefasst noch einmal et-was; vielleicht wird es dann einfacher.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 2002
Johannes Singhammer23441
Herr Kollege, Ihre
Redezeit ist zu Ende.
Jawohl. – Wir
werden die lähmende Wirkung von immer dichterer Büro-
kratie, die sich wie Mehltau über unser Land gelegt hat,
beseitigen. Wir werden die Fenster aufmachen, durchlüf-
ten und für mehr Mut und Freiheit in unserem Land sor-
gen.
Ich werde mich zur
Lautstärke der Zwischenrufe nicht äußern, weil das im-
mer von der einen Seite zur anderen Seite des Hauses geht
und sich das ungefähr die Waage hält.
Ich kenne die Sozialpolitiker; sie können das, glaube ich,
ganz gut verkraften. Gleichwohl ist vielleicht ein bisschen
Mäßigung angesagt.
Nun erteile ich dem Kollegen Franz Thönnes für die
SPD-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kol-leginnen und Kollegen! Da stellt sich doch der KollegeKolb hierhin und spricht vom Würgegriff.
Kollege Kolb, in der Zeit von 1994 bis 1998 sind die So-zialversicherungsbeiträge von 38,9 Prozent auf 42,5 Pro-zent gestiegen.
Sie haben selbst gewürgt!
Stellen Sie sich also nicht mit solchen Vorwürfen hier hin!In den letzten vier Jahren sind die Sozialversicherungs-beiträge auf 41 Prozent reduziert worden. Das und nichtsanderes ist die Wahrheit!
Dann noch einmal zur roten Laterne, damit auch dasklar wird:
1994 Platz elf, 1995 Platz 14, 1996 Platz 15, 1997 Platz 14und 1998 Platz 14. Sie haben am Ende die rote Laterne inEuropa gehabt.
Zuletzt waren Sie im Schlafwagen. Das haben die Men-schen gemerkt. Deswegen wurden Sie abgewählt.
Seit zwei Monaten können wir wieder an die gute Si-tuation des monatlichen Rückgangs der Arbeitslosigkeitaus dem letzten Jahr anknüpfen. Auch den Vergleich zumApril 1998 brauchen wir nicht zu scheuen:
400 000 Arbeitslose weniger, 1,35 Millionen Erwerbs-tätige mehr und 570 000 sozialversicherungspflichtig Be-schäftigte mehr,
und all das trotz erschwerter Rahmenbedingungen, trotzder Wachstumsraten, die Sie hier kritisiert haben.
Das ist eine Leistung, die sich sehen lassen kann.Eines ist klar: Wie immer man die Bilanz nach diesenvier Jahren bewerten mag – Reformstau, Erstarrung undStillstand sind in dieser Republik vorbei und das wissendie Menschen.
Weil Sie so gern auf Europa gucken, frage ich Sie: Wiewar das denn 1994 bis 1998?
In Europa ist die Arbeitslosenrate gesunken. Wie war dasin Deutschland in der Zeit von 1994 bis 1998? – Sie istvon 8,4 Prozent auf 9,3 Prozent gestiegen.
So sehen die Zahlen im Vergleich zu Europa aus!Bei Ihrer ewigen Nörgelei müssen Sie sich auch ein-mal vorhalten lassen, dass andere in Europa das ganzanders sehen. Deutschland braucht sich als Wirtschafts-standort nicht zu verstecken. Ich kann hierzu den Präsi-denten der EU-Kommission Romano Prodi zitieren. Inder „Süddeutschen Zeitung“ vom 24.April 2002 heißt es:Aber, ehrlich gesagt, die Debatte der Deutschen überall ihre Schwächen – mir kommt das manchmalrichtig masochistisch vor. Sie sind besser, als sieglauben ... Im langfristigen Trend steht das Landnoch immer ... gut da.Dass Sie bei einer von Ihnen beantragten AktuellenStunde gerade mal mit 5 Prozent Ihrer Fraktionsstärke
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 235. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. Mai 200223442
hier sitzen, zeigt, dass sich viele den Masochismus, denSie hier betreiben, gar nicht anhören wollen.
Jetzt wollen wir einmal gucken, wo Sie wieder an-knüpfen wollen. Sie wollen wieder da anknüpfen, wo Siemit Ihren Rezepten schon einmal gescheitert sind.
Die Arbeitslosenhilfe haben Sie reduziert. Das Schlecht-wettergeld haben Sie abgeschafft.
Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall haben Sie auf80 Prozent gekürzt. Den Kündigungsschutz haben Sie in80 Prozent aller Betriebe reduziert; die Beschäftigten soll-ten nicht mehr darunter fallen.Was haben Sie in Ihr jetziges Programm hineinge-schrieben? – Sie wollten wieder den Kündigungsschutzreduzieren; Sie wollen die Sozialhilfe so mit der Arbeits-losenhilfe zusammenlegen, dass die Leistungen derArbeitslosenhilfe das Sozialhilfeniveau erreichen; Siewollen die Rechte, die das Betriebsverfassungsgesetzvorsieht, reduzieren.
Vergessen wir nicht, dass die Wirtschaft Ihnenwährend Ihrer Regierungszeit versprochen hat, dass,wenn Sie das Kündigungsschutzgesetz ändern, 500 000neue Arbeitsplätze entstehen. In der Zeit zwischen 1994und 1998 gingen aber 600 000 Menschen mehr in die Ar-beitslosigkeit.
Am Ende Ihrer Regierungszeit gab es 1 Million weni-ger Beschäftigte. Das war Ihre Bilanz. Mit Ihren Rezep-ten lässt sich Deutschland nicht reformieren.
Sie werfen uns andauernd vor, die ABM ausgeweitet zuhaben, anstatt sie zu reduzieren. Sie haben die Arbeits-marktzahlen des Jahres 1998 beschönigt: Sie haben dieAnzahl der ABM und SAM um 467 000 nach oben gefah-ren.
Damit haben Sie die Arbeitslosigkeit kaschiert. Eigentlichwäre die Arbeitslosigkeit um 1 Million und nicht um nur600 000 gestiegen.
Wegen Ihrer gescheiterten Rezepte sind Sie abgewähltworden. Ich sage Ihnen eines: Sie werden auch am22. September mit Ihrem Wahlprogramm, das die glei-chen Rezepte wie damals enthält, scheitern.
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, Sie sehen, dass ich hinsichtlich der Balance
der Lautstärke der Zwischenrufe Recht hatte.
– Das freut mich.
Ich erteile nun dem Kollegen Wolfgang Meckelburg,
CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Frau Präsiden-tin! Ich versuche, einen kleinen Ausgleich zu schaffen.Nach der Rede von Herrn Thönnes kann man vielleichteine Phase der Ruhe und des Nachdenkens über die Ar-gumente gebrauchen.Herr Thönnes, wenn Sie auf die Worte von Herrn Prodi,dass das Land im langfristigen Trend immer noch gut da-stehe, verweisen, dann sage ich: Völlig richtig. Langfris-tige Trends entstehen in der Vergangenheit. Ich fügehinzu: Der langfristige Trend für Deutschland wird besserwerden, wenn es nach dem 22. September eine neue Re-gierung gibt.
Herr Bundesminister Riester, wenn Sie behaupten,dass wir das Land hier mies machen, dann sage ich in allerDeutlichkeit: Das ist nicht unsere Absicht. Wir reden unddiskutieren faktisch in jeder Woche aktuell über diesesThema, über die miese Politik, die gerade Sie, der Ar-beitsminister, in den vergangenen Jahren gemacht haben:Sie haben mehr Bürokatie und mehr Regelungen geschaf-fen, statt das Gegenteil zu bewirken. Das ist die falschePolitik. Deswegen werden wir uns die Freiheit heraus-nehmen, diese miese Politik deutlich zu kritisieren, auchwenn Sie uns vorwerfen, wir täten etwas anderes.
Von den Kollegen bin ich ausreichend mit Zetteln ver-sorgt worden. Einen finde ich besonders gut. Man kann
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Franz Thönnes23443
nämlich nicht häufig genug auf Folgendes hinweisen: Umdarzustellen, dass die Arbeitslosigkeit zurückgeht, kannman Monate und Zahlen heranziehen. Ich greife auf dieZahlen einer unabhängigen Quelle, des Instituts für Ar-beitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg, zurück. Esgeht um die Frage, wie viele Stunden in Deutschland ge-arbeitet wird. Wenn es in Deutschland mehr Arbeit gäbe,dann müsste diese Statistik einen steilen Anstieg wider-spiegeln und erst dann hätten Sie den Beweis antretenkönnen, dass Arbeit entstanden ist.Betrachtet man die Anzahl der Arbeitsstunden inDeutschland der Jahre 1997, 1998, 1999 und 2000, stelltman fest, dass die Kurve in der Tat nach oben geht. ImJahr 2001 sinkt dann die Anzahl der Arbeitsstunden. DieSchätzung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsfor-schung für 2002 beruht auf der Grundlage eines Wirt-schaftswachstums von 1,25 Prozent. Sie sagt einen Rück-gang voraus, obwohl niemand dieses Wachstum erwartet.Man geht eher von 0,9 oder 0,8 Prozent aus. Dann geht dieZahl noch weiter herunter. Wenn Sie nach Studie dieserStatistik den Mut haben, zu sagen, dass mehr Arbeit ent-standen ist, dann beweisen Sie wirklich, wo Sie die Stun-den, die mehr gearbeitet worden sind, versteckt haben: Esist Schwarzarbeit entstanden.
Ich möchte das anhand einiger Zahlen verdeutlichen.Betrachtet man die Zahlen für April, stellt man fest, dassdie Arbeitslosigkeit in der Tat um 400 000 zurückgegan-gen ist. Sie werden das Ziel von 3,5 Millionen Arbeitslo-sen im Schnitt des Jahres 2002 – versprochen vonSchröder – nicht erreichen. Sie selbst gehen von 4 Milli-onen Arbeitslosen aus. Das Ost-West-Gefälle ist größergeworden: Vergleicht man wiederum die Zahlen für denMonat April, stellt man fest, dass die Differenz zwischenOst und West im Jahre 1998 8,8 Prozent betrug; heuteliegt sie bei 10,3 Prozent. Die Schere geht auseinander.Das ist ein Ergebnis der „Chefsache Ost“. Das sind ganzeinfach Zahlen, ohne Polemik vorgetragen. Sie können al-les nachlesen.Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen: Statt das Arbeits-recht zu entbürokratisieren,
haben Sie vor allem auf die arbeitsmarktpolitischen In-strumente gesetzt, die die Arbeitslosigkeit künstlich sen-ken. Da sind wir bei der Frage der Statistik.
– Ich will einmal sagen, was Sie machen.
Betrug der Anteil der über 58-Jährigen, die über vorruhe-standsähnliche Regelungen aus der Statistik fielen, imDurchschnitt der letzten Jahre circa 200 000 Menschen, sosind es jetzt 265 000 Menschen, also 65 000 mehr. Auchder Personenkreis Altersteilzeit stieg signifikant auf60 000 an. Die gemeldeten offenen Stellen sind weiterrückläufig. Im April 2002 – das ist die aktuelle Zahl –wurden nur 252 000 offene Stellen gemeldet. Das sind33,6 Prozent, also ein Drittel weniger als im April letztenJahres.Zur Entwicklung der Erwerbstätigenzahl seit Oktoberempfehle ich Ihnen, den Bericht der Bundesanstalt für Ar-beit nachzulesen. Dann bekommen Sie vielleicht einmaleinen Blick für die Realität und müssen sich nicht ständigvon der Regierung auf Zettel schreiben lassen, was Siehier vortragen.
Ein Blick auf die Entwicklung der Erwerbstätigenzahl seitOktober 2001 reicht: Die Zahl der Erwerbstätigen insge-samt, also die Zahl der voll sozialversicherungspflichtigBeschäftigten ohne die 325-Euro-Jobs, liegt um 302 000unter dem Vorjahresniveau.Obwohl ich meine Redezeit bereits um 10 Sekundenüberschritten habe, muss ich eines noch nennen,
weil es angesprochen worden ist: die Jugendarbeitslosig-keit. Im April 2002 waren 473 000 Jugendliche unter25 Jahren in Deutschland ohne Arbeit. Das sind 12,1 Pro-zent mehr als im April des letzten Jahres. Frau Dückert,Sie haben vorhin das JUMP-Programm groß herausge-stellt.
Was bedeutet das? Sie haben Jahr für Jahr1 Milliarde Euro in das JUMP-Programm gesteckt undhaben jetzt schlechtere Zahlen.
Herr Kollege, Ihre
Redezeit ist jetzt weit überschritten. Ich dachte, es gäbe
eine kurze Bemerkung.
Sie können den
Bürgern draußen nicht mehr klar machen, dass Sie auf
dem Arbeitsmarkt wirklich etwas bewegt haben. Sie ha-
ben es redlich verdient, abgewählt zu werden.
Das Wort hat jetzt der
Kollege Reinhold Hiller für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin!Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Stunde befasstsich auch mit den Ihrer Meinung nach wohl zu geringenInvestitionen in Straße und Schiene. Da fragt man sich,was an dieser Stunde aktuell ist. Die nach Ihrer Meinungfehlenden Investitionen im Verkehrsbereich, die Sieunterstellen wollen, können es ja wohl nicht sein. Dem
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Wolfgang Meckelburg23444
Einzelplan 12 konnten Sie entnehmen, dass die Investi-tionen für die Straße 4,6 Milliarden Euro und für dieSchiene 4,5 Milliarden Euro betragen. Insgesamt sind es9,75 Milliarden Euro. Dazu kommen1,44 Milliarden Euro aus den UMTS-Mitteln für Schie-neninvestitionen und Ortsumgehungen. Zusätzlich – daswissen Sie – sind 1,67 Milliarden Euro GVfG-Mittel vor-gesehen. Darin kann die Aktualität dieser AktuellenStunde also nicht liegen. Diese Zahlen sind auch Ihnen be-kannt. Sie übertreffen in allen Punkten die Zahlen, die Siehinterlassen haben.
Das heißt, die Verkehrsinvestitionen liegen seit dem Re-gierungswechsel 20 Prozent über den Zahlen, die Sie hin-terlassen haben.
Das haben Sie vergessen, und deshalb sind Sie nicht aufder Höhe der Zeit, wenn Sie zu diesem Thema heute eineAktuelle Stunde beantragen.
Von Ihnen hätten wir eigentlich Lob und Anerkennungfür die Steigerung der Investitionen erfahren müssen.Denn gleichzeitig hat auch die Verschuldung abgenom-men. Deshalb möchte ich Ihnen eigentlich etwas unter-stellen, was für die Rolle der Opposition kennzeichnendist und sehr häufig auftritt: Sie leiden unter Realitätsver-lust. Das ist Ihr Problem.
Sie fordern die Absenkung der Staatsquote und gleichzei-tig beklagen Sie die zu niedrigen Investitionen im Ver-kehrsbereich. Das ist auch noch sachlich falsch; das habeich Ihnen gerade gesagt.Ich kann Ihnen eines prophezeihen: Je weiter man sichvon der Realität entfernt, desto weiter entfernt man sichauch von einer möglichen Regierungsübernahme. Da-rüber sollten Sie einmal nachdenken.
Sie haben völlig vergessen, dass Ihr Bundesverkehrswe-geplan zu fast 100MilliardenDM unterfinanziert war. Dieneue rot-grüne Koalition hat es geschafft, Konstanz in ihnzu bringen und damit auch circa eine Million Arbeits-plätze durch öffentliche Investitionen zu sichern. Dass Sieder rot-grünen Regierung hier ein Versagen unterstellenwollen, ist absoluter Unsinn.
Man kann es auch anders ausdrücken: Der Anteil derInvestitionen im Bau- und Verkehrsbereich wurde von derrot-grünen Koalition in vier Jahren von 45 auf 51 Prozentim Jahre 2002 gesteigert. Auch das hat positive Effekte fürden Arbeitsmarkt, die Sie immer negativ herunterreden.
Im Übrigen ist es so, dass diese Koalition den Schwer-punkt im Osten gesetzt hat. Sie wissen ganz genau, dassdie meisten öffentlichen Investitionen im Bereich Verkehrim Osten erfolgen. Damit nimmt die Bundesregierungihre Verantwortung auch gegenüber der Infrastruktur undder Beschäftigung wahr.Ein anderer Bereich ist die Telematik. Hier sind in dennächsten Jahren besonders zukunftsträchtige Arbeits-plätze zu erwarten. Die rot-grüne Koalition hat denDurchbruch für das Satellitennavigationssystem Galileogeschaffen.
Auch hier sind zukunftsträchtige Arbeitsplätze im Be-reich Automobilindustrie zu erwarten, der für die deut-sche Volkswirtschaft von ganz besonderer Bedeutung ist.Dies wird dazu beitragen, dass Deutschland auch in die-sem Bereich konkurrenzfähig bleiben kann.Darüber hinaus hat die Bundesregierung – das habenSie auch nicht geschafft – private Finanzierungsmöglich-keiten im Verkehrsbereich eröffnet. Wir haben heuteMorgen kontrovers darüber diskutiert. Faktum ist: Hier istetwas auf die Schiene gebracht worden, zu dem Sie in denletzten vier Jahren Ihrer Regierungsverantwortung nichtin der Lage gewesen sind. Sie haben mehr Showveran-staltungen durchgeführt. Angesichts der Fakten solltenSie hier etwas bescheidener auftreten.Sie sollten über Folgendes nachdenken – das habe ichschon einmal gesagt –: Je realitätsferner die Oppositionist, desto weiter ist sie von der Regierungsübernahme ent-fernt. Darüber können auch die aktuellen Umfragen, diewir für nicht gut halten, nicht hinwegtäuschen.Herzlichen Dank.
Jetzt hat der Kollege
Jochen-Konrad Fromme für die CDU/CSU-Fraktion das
Wort.
Herr Kol-lege Hiller, man muss sich die Zahlen natürlich genau an-sehen. In Ihren Zahlen sind beispielsweise die Tilgungenfür die Konzessionsmodelle enthalten. Wenn wir imStraßenbau im Augenblick so viel zu tun hätten, dannwären die Straßenbauer sicherlich ganz anderer Meinung,als wir es jetzt jeden Tag von ihnen hören.
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Reinhold Hiller
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Sie müssen die ganze Wahrheit sagen und nicht nur denBund heranziehen. Nehmen Sie doch einmal die Länderund die Kommunen! Sie haben den Kommunen über dieGewerbesteuerumlage so in die Tasche gegriffen, dass dieInvestitionen um 9Milliarden Euro unter dem Niveau von1993 liegen. Das entspricht einem halben Prozent Wachs-tum des Bruttosozialproduktes.Bei den laufenden Einnahmen für die Kommunenspielt sich genau das Gleiche ab. Wenn Sie die Kommu-nen vernünftig behandelt hätten, dann hätten wir ein Pro-zent mehr Wirtschaftswachstum, weil sie ihren Aufgabennachkommen könnten.
Wir werden als Sofortmaßnahme die Gewerbesteuer-umlage wieder senken.Das bedeutet, dass der Stadtkämmerer von Hildesheimweiß, dass er 1,7 Millionen Euro mehr, dass der Stadt-kämmerer von Salzgitter weiß, dass er 0,7 Millionen Euromehr, und dass der Stadtkämmerer von Braunschweigweiß, dass er 2 Millionen Euro mehr zur Verfügung hat.Dieses Geld geht sofort in die Investitionen, in die Wirt-schaft und in den Arbeitsmarkt.Was war denn Ihr großer Fehler in der Politik? – Wennman den Menschen das Geld über die Ökosteuer und dieInflationsrate wegnimmt, wenn sie für den Weg zur Arbeitmehr Geld ausgeben müssen als vorher, statt mehr zu ha-ben, dann fehlt ihnen Kaufkraft. Wenn ihnen Kaufkraftfehlt, dann fehlt Nachfrage am Arbeitsmarkt, wenn Nach-frage am Arbeitsmarkt fehlt, dann fehlt Arbeit, wenn Ar-beit fehlt, dann gibt es mehr Arbeitslose und wenigerSteuern. Das ist genau die Situation, die Sie hier ange-richtet haben.
Das sind die elementaren Fehler Ihrer Politik. Wenn ichden Menschen und den Kommunen als wichtigen Nach-fragern am Arbeitsmarkt die Kaufkraft nehme, dann brau-che ich mich nicht zu wundern, wenn keine da ist undnichts passiert. Sie haben zu verantworten, dass sich dieseSpirale immer schneller dreht.Dafür, dass es auch anders geht, gibt es doch Beispiele.Ich kann ja verstehen, dass der Kanzler seine eigenen Ver-sprechen vergisst, wie zum Beispiel die Reduzierung derZahl der Arbeitslosen auf 3,5 Millionen,
dass die Renten wie die Nettolöhne steigen oder dass dieÖkosteuer nicht über 6 Pfennig steigen soll. Dass er dabeiaber auch noch vergessen hat, dass es in der Vergangen-heit gute Rezepte gab, ist natürlich ein teuflischer Fehler.Wenn er sich am Montag im Fernsehen hinstellt und sagt,die Regierung Kohl habe in 16 Jahren keine Steuerreformzustande bekommen, aber er, Schröder, habe die größtegemacht, frage ich: Was war denn 1985 bis 1989? Da gabes die stoltenbergsche Steuerreform. Mit einer nominalenAbsenkung von 41 Milliarden waren am Ende in den al-ten Bundesländern 3 Millionen Menschen mehr in sozial-versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen.
Am Ende waren 121 Milliarden mehr Steuern in derKasse. Daran sehen Sie, wie man so etwas finanzierenkann.
Und haben Sie ein Zweites vergessen? Der DeutscheBundestag hat unter der Regierung Kohl die PetersbergerBeschlüsse zweimal mit Kanzlermehrheit von CDU/CSUund FDP beschlossen. Sie haben sie im Bundesratblockiert und deswegen tragen Sie die Verantwortungdafür und niemand anders.
Wer war das denn? – Die Ministerpräsidenten Schröder,Eichel, Lafontaine. Auf Letzteren sollten Sie übrigens abund zu mal hören, aber sein Name scheint bei Ihnen einUnwort geworden zu sein.Das sind doch die Rezepte, die funktionieren. Wenn Siedas leugnen, dann können Sie natürlich auch nicht verste-hen, wie man die Wirtschaft ankurbeln und vorwärts kom-men kann.Ich kann Ihnen nur sagen: Schlag nach bei Stoiber,Merz und Merkel. Wenn Sie unser Regierungsprogrammlesen, werden Sie merken, wie es weitergehen kann. Dassdie Menschen das merken, sehen wir an jeder Umfrage.Von Umfrage zu Umfrage werden die Ergebnisse besserfür uns und schlechter für Sie. Warum? – Weil die Men-schen Ihnen nicht glauben. Sie haben sich hier hingestellt,Herr Kollege Wend, und Zahlenreihen vorgetragen, diekein Mensch nachvollziehen und verstehen kann.
Glauben Sie denn, dass auch nur ein Fernsehzuschauerdas verstanden hat?Es ist aber ganz einfach: Steuern um 41Milliarden sen-ken wie bei Stoltenberg, 3 Millionen Menschen mehr insozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Genau daswerden wir wiederholen und das werden die Menschenbegreifen. Deswegen wird es Zeit, dass der 22. Septemberkommt: damit es in Deutschland endlich wieder aufwärtsgeht.
Ich erteile das Wortdem Kollegen Albert Schmidt für Bündnis 90/Die Grünen.
Albert Schmidt (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Umso schöner. – Frau Präsidentin! LiebeKolleginnen und Kollegen! Sie haben bei dem Titel Ihrer
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Jochen-Konrad Fromme23446
Aktuellen Stunde die Frechheit besessen – ich muss dieseUnverfrorenheit fast bewundern –, auch die Formulierungder angeblich „geringen Investitionen in Straße undSchiene“ mit aufsetzen zu lassen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt wollen wir hiereinmal Deutsch miteinander reden.
Als wir 1998 die Regierungsverantwortung in diesemLand übernommen haben, lagen die Investitionen desBundes in die deutschen Verkehrswege bei 9,5 Milliar-den Euro. Heute liegen sie bei 11,5 Milliarden Euro. Dassind 4 Milliarden DM bzw. 2 Milliarden Euro binnen vierJahren mehr, und dies nicht einmalig, sondern durch dieVereinbarung mit der Bahn für drei Jahre garantiert, eineSituation, von der frühere Bahnchefs und frühere Ver-kehrsminister – jetzt ist Herr Wissmann leider nicht mehrda – nur träumen konnten.
Hätten Sie damals auch nur ein bisschen von einer solchenSteigerung erreicht, dann würden Sie noch heute mitstolzgeschwellter Brust herumlaufen.
– Darauf komme ich gleich noch. Keine Sorge!Unter Waigel und Wissmann haben Sie zum Beispieldie Bahninvestitionen auf weniger als 6 Milliarden DM,auf 5,7 Milliarden DM, zusammengestrichen. Sie habendie Schienenwege Deutschlands als Sparbüchse miss-braucht, um die Maastricht-Kriterien einzuhalten. Siesind auf Verschleiß gefahren. Wir haben daher noch heutenicht nur im Schienennetz Probleme. Auch im Straßen-netz existieren Schlaglöcher, die aus Ihrer Zeit herrühren.
Wir haben die Investitionen massiv gesteigert und werdendies fortsetzen.Die Fraktionsvorstände der SPD und der Grünen habenAnfang Januar in Wörlitz auf einer gemeinsamen Frak-tionsvorständeklausur beschlossen, diese Zusatzausgabenfür das deutsche Verkehrswegenetz über das Jahr 2003hinaus, nämlich bis 2007, zu verstetigen. Diese Berechen-barkeit braucht die Bauwirtschaft. Wissen Sie, was dasausgelöst hat? Es ging nicht nur um den Verkehrs-infrastrukturbau. Allein das Unternehmen Deutsche BahnAG – ich war heute Vormittag nicht im Ausschuss, weilich im Aufsichtsrat sein musste –
hat aufgrund dieser großzügigen Ausstattung für die In-frastruktur durch den Bund ein Gesamtpaket für dieRunderneuerung des gesamten Systems Schiene in einerGrößenordnung von 90 Milliarden DM binnen fünf Jah-ren geschnürt. Das bedeutet: Streckenerneuerung, mo-derne Technik, neue Fahrzeuge und Modernisierung derBahnhöfe. Die Auftragsbücher der Fahrzeugindustrie sindvoll. Das sind Investitionen. Auch der Bahnbau ist wie niezuvor in diesem Land beschäftigt. Sie aber behaupten, esgebe geringe Investitionen. In welchem Land leben Sieeigentlich?
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union undder FDP, jetzt möchte ich Ihnen noch etwas sagen – dieHohepriester der Marktwirtschaft wissen es ja immerganz genau –: Die eigentliche Leistung besteht gar nichtdarin, dass die Beträge erhöht worden sind. Das ist zwareine Leistung für sich, aber die eigentliche Leistung be-steht darin, dass wir diese Steigerung der Investitionentrotz des Schuldenabbaus von 100 Milliarden DM infolgeder Tilgung im Rahmen der UMTS-Erlöse, trotz einerSteuerreform, die die Menschen in diesem Land in einerGrößenordnung von 40 Milliarden DM netto entlastet,und trotz einer Rückführung der Neuverschuldung auf einNiveau, von dem Sie nur träumen konnten, geschafft ha-ben. Die eigentliche Leistung dieser Regierung ist, gleich-zeitig konsolidiert und mehr investiert zu haben. Das willIhnen aber nicht in den Kopf gehen.
– Die Investitionsquote im Verkehrsetat liegt heute – derKollege hat es schon gesagt – bei 51 Prozent. Das heißt,die größere Hälfte im Einzelplan 12 wird investiert. AlsSie die Regierung übergeben haben, lag sie bei 45 Pro-zent. Das ist der Unterschied.
Jetzt aus aktuellem Anlass etwas dazu, was heute imVerkehrsausschuss des Bundesrates in Bezug auf das Re-gionalisierungsgesetz passiert ist. Auch der Bundestag hatsich heute im Verkehrsausschuss damit befasst. Er wirdsich am Freitag in zweiter und dritter Lesung hier im Ple-num damit beschäftigen. Das hat sehr wohl etwas mit In-vestitionen zu tun. Denn ein Viertel der Regionalisie-rungsmittel werden investiert: Zuschüsse in denFahrzeugbau, Zuschüsse in die Infrastrukturmodernisie-rung usw.Die Koalitionsfraktionen haben einen Gesetzentwurfvorgelegt, über den heute im Verkehrsausschuss des Bun-desrates und im Verkehrsausschuss des Bundestages de-battiert wurde. Folgendes wird vorgeschlagen: ein Ver-zicht auf Rückforderungen in Höhe von mehr als700 Millionen Euro, die der Bund aufgrund der gesetz-lichen Lage für die letzten Jahre stellen könnte, eineAnhebung der Regionalisierungsmittel auf ein Rekord-niveau von 13,4 Milliarden DM für das vergangene Jahr,also für 2001, eine Festlegung eines Rekordniveaus von6,75 Milliarden Euro für das Jahr 2002 und eine Dynami-sierungsrate von plus 1,5 Prozent bis zum Jahre 2007, alsokontinuierlich für die nächsten Jahre.
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Das ist Planungssicherheit für den öffentlichen Nah-verkehr. Das ist eine Verstärkung der Investitionsquote.Sie haben das heute Vormittag im Verkehrsausschuss ab-gelehnt.
– Ich weiß auch Bescheid, wenn ich nicht dabei war.
Im Bundesrat hat Bayern versucht, diesen Gesetzent-wurf auszubremsen. Bayern hat den Antrag gestellt, ihnzu stoppen und den Vermittlungsausschuss anzurufen, umObstruktionspolitik zu betreiben. Wissen Sie, was passiertist? – Der Antrag Bayerns wurde im Verkehrsausschussdes Bundesrates mit neun zu fünf Stimmen abgelehnt;übrigens auch mit den Stimmen Thüringens.
Das heißt im Klartext, es gibt auch in Ihren Reihen nochein paar Vernünftige.Lassen Sie das dumme Gerede von angeblich niedrigenInvestitionen! Wir haben die Investitionen auf ein Re-kordniveau gebracht. Dabei werden wir bleiben. So wol-len und so werden wir weitermachen.
Nun erteile ich der
Kollegin Ingrid Arndt-Brauer für die SPD-Fraktion das
Wort.
Frau Präsidentin! Meinesehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte als letzteRednerin die Spitzenpositionen zusammenfassen, die dieBundesregierung erreicht hat. In dieser Debatte ist heutesehr viel gelogen worden.
Falls ich daher Wahrheiten, die schon einmal gesagt wor-den sind, wiederhole, ist das nicht schlimm.Wir haben in Deutschland eine Exportquote, die weithöher liegt als in den vergleichbaren EU-Staaten. Wir ha-ben stabile Lohnstückkosten. Wir haben einen hohen Zu-wachs ausländischer Direktinvestitionen.
Wir haben, was immer wieder von ausländischen Journa-listen bestätigt wird, ein sehr hohes internationales An-sehen. Wir belegen zum Beispiel einen Spitzenplatz beiPatentanmeldungen und wir können ein großes Auslands-engagement deutscher Firmen aufweisen.
Seitdem Helmut Kohl nicht mehr Bundeskanzler ist, hatsich der Wachstumsabstand beträchtlich verringert.
Außerdem besteht eine hohe Innovationsintensität. Wirbelegen einen Spitzenplatz in der Biotechnologie, den wirerst durch unsere erhöhten Investitionen erreichen konn-ten.
In der Automobilbranche belegen wir einen Spitzen-platz und wir haben – auch dies darf man nicht verkennen –ein großes Maß an sozialem Frieden. Wir sind Vorreiterbei der Deregulierung von Netzwerkindustrien.
Wir haben einen expandierenden Markt für Wagniskapi-tal und eine leistungsfähige Infrastruktur. Auch haben wir– dies ist ein sehr wichtiges Thema – mutige Steuerent-lastungen durchgeführt.
Wir haben nicht nur die Verbraucher entlastet, sondernauch die Unternehmen, und zwar stark.
An dieser Stelle muss ich Ihnen Folgendes sagen: Ichbin Mitglied des Finanzausschusses und gehöre eher zurSPD-Linken. Ich habe diese Entlastung häufig als Steuer-geschenk empfunden. Ich denke, so haben es auch die Un-ternehmen empfunden. Während meines Studiums derBetriebswirtschaft habe ich gelernt: Wenn es den Unter-nehmen gut geht, wird investiert. Damit kommt es zuWachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen.
Das hat aber auf diese Weise nicht so recht geklappt.
Vielleicht können Sie ja einmal mit den verantwortlichenPersonen reden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mandieses Problem mit noch mehr Geschenken lösen kann.Wir haben die Rahmenbedingungen erheblich verbes-sert. Wir haben also keine Schuld daran, dass Unterneh-
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men nicht so reagiert haben, wie sie laut Theorie hättenreagieren sollen.
Wir werden diesen Weg weiter gehen. Das wissen Sie.Unsere Steuerreform ist noch nicht beendet. Ich denke, ir-gendwann wird sich der Erfolg zeigen, und zwar auch aufdem Arbeitsmarkt.Im Bereich der Informationsgesellschaft sind wir inEuropa führend. Wir belegen ebenfalls einen Spitzenplatzin der Umwelttechnologie, zum Beispiel bei der Nutzungvon Windkraft. Auch dies wäre unter Ihrer Regierungüberhaupt nicht denkbar gewesen. Wir haben ein hohesBildungs- und Ausbildungsniveau. Trotz der PISA-Studiekann man sagen, dass wir in diesem Bereich immer nochein sehr hohes Potenzial haben. Weiterhin haben wir dieEntwicklungs- und Forschungsausgaben gesteigert. Dieswerden wir auch fortführen. Deshalb werden wir unserenPlatz in diesem Bereich auch halten.
Wir haben das Projekt „Schulen ans Netz“ gestartet,das dazu führen wird, dass wir auch in Zukunft gut aus-gebildete Schüler haben werden. Wir haben eine sehrniedrige Jugendarbeitslosigkeit. Das ist schon gesagt wor-den. Wir haben auch eine niedrige Armutsquote. Auch dassollte man nicht unterschätzen. Wir belegen im BereichStudienstandort Deutschland den Platz des drittwichtigs-ten Gastlandes der Welt. Dies zeigt uns, dass ausländischeStudenten gerne zu uns kommen und gerne bei uns etwaslernen wollen. Wir haben einen modernen Staat, der ver-gleichsweise schon sehr schlank ist, den man aber viel-leicht noch weiter verschlanken kann. Wir haben in die-sem Bereich eine Menge erreicht.Außerdem führen wir einen konsequenten Klima-schutz durch.
Auch das wäre, wie vieles in anderen Bereichen, währendIhrer Regierungszeit undenkbar gewesen. Wir habenferner eine hohe Wettbewerbsfähigkeit.
All dies habe ich etwas schnell aufgezählt, weil meineRedezeit gleich zu Ende ist. Sie konnten aber sehen, dasswir in sehr vielen und wichtigen Bereichen Spitzenplätzein Europa einnehmen. Diese Spitzenplätze werden wirnatürlich erhalten und weiter ausbauen. Dazu haben wirnoch vier Jahre Zeit.
Danach werden wir neu über unsere Ziele nachdenken.Die nächsten vier Jahre werden wir nutzen, um das erfolg-reiche Programm, das wir begonnen haben, fortzuführen.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Kollegin, Sie
haben eine kostbare Minute verschenkt. Vielen Dank.
Die Aktuelle Stunde ist beendet. Damit sind wir am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages ein auf morgen, Donnerstag, den 16. Mai 2002,
9 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.