Gesamtes Protokol
Einen schönen
guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung
ist eröffnet.
Interfraktionell ist vereinbart, die heutige Tagesord-
nung um die erste Beratung des von den Fraktionen der
SPD, der CDU/CSU, des Bündnisses 90/Die Grünen und
der FDP eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes
zur Änderung des Parteiengesetzes zu erweitern und dies
als Zusatzpunkt am Beginn der Sitzung aufzurufen. Eine
Aussprache soll nicht erfolgen. – Ich sehe, Sie sind damit
einverstanden. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD,
der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN und der FDP eingebrachten Entwurfs eines
Achten Gesetzes zur Änderung des Parteien-
gesetzes
– Drucksache 14/8778 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss
Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
Rechtsausschuss
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO
Wir kommen zur Überweisung. Interfraktionell wird
vorgeschlagen, den Gesetzentwurf auf Drucksache
14/8778 zur federführenden Beratung an den Innenaus-
schuss und zur Mitberatung an den Ausschuss für Wahl-
prüfung, Immunität und Geschäftsordnung, den Rechts-
ausschuss sowie an den Haushaltsausschuss mitberatend
und gemäß § 96 der Geschäftsordnung zu überweisen.
Gibt es anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Nationale Strategie für eine
nachhaltige Entwicklung.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Staatsminister beim Bundeskanzler, Hans Martin
Bury.
H
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Das Bundeskabinett hat heute eine umfassende
Modernisierungsstrategie unter dem Titel „Perspektiven
für Deutschland“ beschlossen. Wir kommen damit dem
1992 in Rio von der Vorgängerregierung abgegebenen,
von dieser in der Folge jedoch nicht eingelösten Verspre-
chen nach, eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie als
deutschen Beitrag für die in diesem Jahr stattfindende
Rio-Folgekonferenz in Johannesburg zu entwickeln.
Mit der Strategie machen wir deutlich, dass sich die
Zukunftsfähigkeit wie ein roter Faden durch die Reform-
politik dieser Bundesregierung zieht. Ich nenne die Kon-
solidierung des Bundeshaushaltes, die Reform der Alters-
vorsorge, die Energiewende, die Stärkung von Bildung
und Forschung und die Neuorientierung der Landwirt-
schafts- und Verbraucherpolitik. Mit der Nachhaltigkeits-
strategie machen wir deutlich, in welche Richtung sich
unser Land entwickeln soll und welche Weichenstellun-
gen dafür notwendig sind.
Nachhaltigkeit ist eine traditionelle und faszinierende
Idee, die von Erfahrungen ausgeht, die wir im Grunde alle
in der Familie gemacht haben. Als Stichworte nenne ich
das Zusammenleben der Generationen, die Perspektiven
für die Kinder und ein ordentliches Miteinander mit den
Nachbarn. Im Grunde sind es diese Prinzipien, die wir mit
dem Leitbild der Nachhaltigkeit auf unsere Gesellschaft
übertragen. Wir machen deutlich, dass Nachhaltigkeit
mehr als gute Umweltpolitik ist, und holen sie aus der
Ökonische. Anhand von vier Leitlinien entwerfen wir ein
Bild für die gute Zukunft unseres Landes.
Das knüpft an die traditionelle Nachhaltigkeitsdiskus-
sion mit ihren drei Säulen, nämlich der Ökologie, der
Ökonomie und dem Sozialen, an. Es geht aber darüber hi-
naus, weil wir den Begriff anhand der Leitlinien Lebens-
qualität, Generationengerechtigkeit, sozialer Zusammen-
halt und internationale Verantwortung anschaulicher und
damit konkreter machen.
Wir zeigen nicht nur Ziele, sondern auch Wege auf und
haben uns auf Wegmarken verständigt, anhand deren klar
wird, wo wir stehen und wo es weiteren Handlungsbedarf
gibt.
22705
229. Sitzung
Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Beginn: 13.00 Uhr
Unter den 21 Zielen für das 21. Jahrhundert finden Sie
diese Wegmarken in Form von Indikatoren, die ähnlich
wie der DAX für die Börse oder das BIP-Wachstum für
die Entwicklung der Volkswirtschaft deutlich machen, in-
wieweit sich das Land in puncto Nachhaltigkeit weiter-
entwickelt. Diese Indikatoren sind dort, wo es sinnvoll
und möglich war, mit quantifizierten Zielen verknüpft
worden. Drei Beispiele will ich nennen: So sollen etwa
die Energieproduktivität bis 2020, der Anteil erneuerbarer
Energien am Energieverbrauch bereits bis 2010 verdop-
pelt werden. Bis Mitte des Jahrhunderts wollen wir es
schaffen, dass erneuerbare Energien rund die Hälfte des
weltweiten Energiebedarfs decken.
Im Bereich der Kinderbetreuung haben wir uns zum Ziel
gesetzt, in Deutschland ein bedarfsorientiertes Angebot an
Ganztagsbetreuung flächendeckend sicherzustellen.
Soweit die Bundesregierung in dieser Strategie als Ak-
teur angesprochen ist, wird sie ihr Regierungshandeln da-
ran ausrichten, strategische Vorgaben in konkrete Politik
umzusetzen. In der Strategie wird hervorgehoben, dass
die Politik über Gesetze, Verordnungen, Förderpro-
gramme und Zielvereinbarungen Rahmenbedingungen
setzt, dass aber jeder Einzelne, wenn er als Unternehme-
rin oder Unternehmer investiert und produziert oder als
Verbraucherin oder Verbraucher konsumiert, auf die Ent-
wicklung dieses Landes in punkto Nachhaltigkeit ebenso
Einfluss nimmt.
Deshalb war es besonders wichtig, dass wir als Bun-
desregierung bei einem solchen Projekt zum ersten Mal
diese Strategie mit breiter Beteiligung der Öffentlichkeit,
insbesondere des Rates für Nachhaltige Entwicklung,
aber auch der gesamten interessierten Öffentlichkeit
durchgeführt und eine Fülle von Anregungen aus diesem
Prozess aufgenommen haben, was nicht nur die Akzep-
tanz der Strategie erhöhen, sondern auch ihrer Umsetzung
zugute kommen dürfte.
Zunächst Fra-
gen zum Bericht. Bitte schön.
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Herr Bury, ich habe folgende
Frage: Ist bei der Beratung heute Morgen im Kabinett
auch auf die – ich möchte es einmal so ausdrücken – in-
direkte Kritik eingegangen worden, die die Sachverstän-
digen, die Umweltweisen, in ihrem Gutachten vor einigen
Tagen hinsichtlich der inflationären Anwendung des Be-
griffs der Nachhaltigkeit vorgebracht haben?
Sie haben gerade gesagt, dass es Ihnen gelungen sei,
den Begriff der Nachhaltigkeit aus der Ökonische – ich
war über diese Formulierung erstaunt – herauszuholen.
Dabei klang Kritik an der Verbindung von Nachhaltigkeit
und Umweltpolitik mit. Die Sachverständigen haben er-
klärt, dass der Begriff der Nachhaltigkeit weiterhin auf die
Bewahrung des natürlichen Kapitals konzentriert werden
muss. Wenn man diesen Begriff zu sehr vom natürlichen
Kapital abkoppelt, dann besteht die Gefahr, dass die Um-
weltpolitik eines Tages ein totales Anhängsel wird. Haben
Sie das berücksichtigt?
Haben Sie ebenso die Kritik berücksichtigt, die bei der
Formulierung mitschwang, dass manche Ziele willkürlich
festgesetzt seien? Auch ist Kritik an der Kontinuität der
Zieldefinition, die Sie gerade gegeben haben, geäußert
worden. Ist auch das heute Morgen behandelt worden?
H
Herr Kollege, der Sachverständigenrat, den Sie zitie-
ren, hat in seiner Stellungnahme ausdrücklich positiv be-
wertet, dass diese Strategie vorgelegt wird und dass sie
konkrete quantifizierte Ziele enthält. Dies ist die Haltung
des Sachverständigenrates für Umweltfragen.
Aus dieser Stellungnahme wird deutlich, was ich vor-
her nur angerissen habe. Wir haben in der traditionellen
Nachhaltigkeitsdiskussion die drei Säulen Ökologie,
Ökonomie und Soziales. Der Anspruch war zwar stets ein
integrativer, aber je nach Standpunkt des Betrachters ist in
der Diskussion sehr häufig deutlich geworden, dass die
Trennung dieser Säulen eher zementiert als überwunden
wurde. Das war einer der Gründe, warum wir gesagt ha-
ben: Wir führen diese Diskussion fort und überführen sie
in die vorhin beschriebenen vier Koordinaten.
Es ging aber auch darum, den Begriff der nachhaltigen
Entwicklung weiterzuentwickeln, weil es in der Vergan-
genheit in Deutschland nicht ausreichend gelungen ist,
ihm eine breite Wirkung zu verschaffen. Es ist noch nicht
allzu lange her, dass auf entsprechende Fragen gerade ein-
mal knapp 15 Prozent der Befragten mit dem Begriff Kon-
kretes zu verbinden wussten. Andere Staaten, in denen die
jeweiligen Regierungen im Gegensatz zu unseren Vor-
gängern früher agiert und einen breit angelegten Nach-
haltigkeitsbegriff nicht nur propagiert, sondern auch zur
Leitlinie ihrer konkreten Politik gemacht haben, haben
hier positivere Ergebnisse zu vermelden.
Insofern hat sich unser Ansatz in der Praxis bereits be-
stätigt. Das schlägt sich in den schon beschriebenen Maß-
nahmen in dieser Legislaturperiode und in den Erfahrun-
gen anderer Länder nieder. Im Kabinett ist dieser breite
Ansatz noch einmal positiv gewürdigt und bestätigt wor-
den.
Darf ich noch eine
Zusatzfrage stellen?
Ja, bitte.
Sehen Sie nicht die
Gefahr, dass durch den von Ihnen gerade geschilderten
Ansatz eine wichtige, langfristig angelegte Grundlage der
Umweltpolitik verwässert wird, indem Sie den Ansatz,
über eine ethische Fundamentierung der Umweltpolitik
nachzudenken, zerstören und damit letztendlich eine für
die Umweltpolitik äußerst nachteilige Entwicklung her-
vorrufen?
H
Nein, ausdrücklich nicht. Da ich diese Befürchtungenaus dem Umweltausschuss kenne, haben wir in unserer
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Staatsminister Hans Martin Bury22706
Strategie deutlich gemacht, dass wir uns auf die wichtigenVorarbeiten der Umweltpolitik stützen und sie weiter-führen. Wir haben Ihre Anregungen ebenso wie Anregun-gen des Nachhaltigkeitsrates aufgegriffen, die ethischeDimension der Nachhaltigkeit in der Endfassung der Stra-tegie deutlicher zum Ausdruck zu bringen, als es im Ent-wurf der Fall war.
Jetzt hat die
Kollegin Burchardt das Wort.
Zunächst einmal bringe ich
unsere Freude zum Ausdruck, dass diese Bundesregie-
rung es zehn Jahre nach Rio geschafft hat, eine Nachhal-
tigkeitsstrategie vorzulegen. Damit hat sie eine ganz we-
sentliche internationale Verpflichtung umgesetzt und ist
rechtzeitig vor dem Bilanzgipfel in Johannesburg in der
Lage, auf der internationalen Bühne mit einer solchen
Strategie aufzutreten.
Zum Zweiten stelle ich fest, dass die Bundesregierung
– das sage ich an die Adresse des Kollegen Paziorek – in
ihrem institutionellen Arrangement, also durch die Ein-
richtung des Nachhaltigkeitsrats und des Staatssekretärs-
ausschusses sowie durch die Strategie, die heute be-
schlossen worden ist, die Beschlusslage des Deutschen
Bundestages aus der letzten Legislaturperiode exakt um-
gesetzt hat. Sowohl zu den Rio-Beschlüssen als auch zu
den Beschlüssen des Deutschen Bundestages gehörte aus-
drücklich der Auftrag, die Integration der ökologischen,
der sozialen und der wirtschaftlichen Dimension von
Nachhaltigkeit zu berücksichtigten. Diesem Auftrag ist
die Bundesregierung mit ihrer Nachhaltigkeitsstrategie in
vollem Umfange nachgekommen.
Viele Bürgerinnen und Bürger, die seit Jahren in loka-
len Agenda-Initiativen engagiert sind, haben darauf ge-
wartet, dass endlich auch von oben etwas passiert. Die Er-
wartung ist nun eingelöst. Hier stellt sich die Frage, wie
die Bürgerinnen und Bürger, die interessierte Öffentlich-
keit, in die Erarbeitung dieser Strategie eingebunden wor-
den sind. Eine zweite Frage in diesem Zusammenhang:
Welchen Beitrag erwartet die Bundesregierung von den
unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, um die
nachhaltige Entwicklung in der Bundesrepublik ein Stück
weit voranzubringen?
H
Die Einbeziehung der Öffentlichkeit in die Erarbei-
tung der Strategie erfolgte in zwei Phasen: Wir haben be-
reits vor Vorlage eines ersten Entwurfes den Rat für
Nachhaltige Entwicklung um entsprechende Vorschläge
gebeten. In dem Rat für Nachhaltige Entwicklung, der
vom Bundeskanzler eingesetzt wurde, sind Unternehmen,
Gewerkschaften, Kirchen, Umweltverbände und andere
Gruppen vertreten, sodass schon hier ein breites Spektrum
an Erfahrungen und Vorschlägen in die Erarbeitung der
Strategie eingeflossen ist. Darüber hinaus gab es eine erste
Konsultationsrunde mit Verbänden und Institutionen sowie
ein öffentliches Forum „Nachhaltigkeit“ im Internet, das al-
len interessierten Bürgerinnen und Bürgern die Möglich-
keit gab, ihre Anregungen und Vorschläge einzuspeisen.
Auf der Basis dieser ersten Konsultationsrunde hat der
Staatssekretärsausschuss für Nachhaltige Entwicklung
Ende letzten Jahres den Entwurf der Nachhaltigkeitsstra-
tegie beschlossen und erneut öffentlich zur Diskussion ge-
stellt. Auch hier gab es sowohl für den Rat für Nachhal-
tige Entwicklung als auch in einzelnen Konsultationen
mit Verbänden und Institutionen und erneut für die ge-
samte interessierte Öffentlichkeit die Möglichkeit, Kritik
und Anregungen einzubringen. In der Endphase der Er-
arbeitung der Strategie haben wir wesentliche Punkte der
Dialogphase dokumentiert und deutlich gemacht, welche
Anregungen in der Endfassung aufgegriffen worden sind.
Mit der Vorlage der Strategie ist das Thema der nach-
haltigen Entwicklung nicht abgeschlossen. Wir haben da-
her ein Managementkonzept verankert, das ein regel-
mäßiges Monitoring vorsieht. Auch werden wir, wie vom
Deutschen Bundestag gefordert, alle zwei Jahre einen Be-
richt an das Parlament und die Öffentlichkeit geben.
Selbstverständlich wird dann zu diskutieren sein, inwie-
weit die gesetzten Ziele erreicht sein werden und wo es
dann weiteren Handlungsbedarf geben wird.
Wir haben in der Strategie sehr deutlich zum Ausdruck
gebracht, dass der Staat ein Akteur ist und dass Wirtschaft
und Gesellschaft hinsichtlich ihrer jeweiligen Verantwor-
tungsbereiche ebenso angesprochen sind. Wir werden sie
am ehesten mit einem attraktiven Leitbild der Nachhal-
tigkeit gewinnen. Dieses legen wir heute mit unserer Stra-
tegie vor.
Jetzt hat die
Kollegin Bulling-Schröter das Wort.
Einen zentralen Punkt
der Strategie stellen die 21 Indikatoren für das 21. Jahr-
hundert dar. Hier wählt die Bundesregierung bei den zen-
tralen Punkten Energie- und Ressourcenverbrauch sowie
Verkehrsentwicklung einen Ansatz, der nur relative Ziel-
vorgaben, beispielsweise als Bezug auf eine Einheit Brut-
toinlandsprodukt oder als Kennziffer Verkehrsintensität,
enthält. Gefordert werden unserer Ansicht nach aber ab-
solute Werte. Denn wenn das Wirtschaftswachstum steigt
– was nach Punkt 10 ausdrücklich das Ziel der Bundes-
regierung ist –, dürften die Einsparungen weitgehend wie-
der aufgefressen werden.
Nun zu meiner Frage an Sie: Die Verkehrsintensität im
Güterverkehr soll bis 2020 um 5 Prozent und im Perso-
nenverkehr um 20 Prozent reduziert werden. Wenn wir
aber nur von dem niedrigen Wachstum des Bruttoinlands-
produkts von durchschnittlich knapp 1,8 Prozent in den
vergangenen fünf Jahren ausgehen und es für die Zu-
kunft fortschreiben – ich meine, das ist realistisch –, so
wird sich mit den Zielvorgaben der Nachhaltigkeitsstra-
tegie der Güterverkehr um 37 Prozent und der Personen-
verkehr um 16 Prozent erhöhen. Wie stehen Sie – auch im
Hinblick auf den Klimaschutz – dazu?
H
Richtig ist, dass die Steigerung der Energie- und Res-sourceneffizienz den Kern der Nachhaltigkeitsstrategie
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Staatsminister Hans Martin Bury22707
darstellt. Wir haben deshalb für die Energie- und Res-sourcenproduktivität ambitionierte Ziele festgelegt. Na-türlich bestehen zwischen den verschiedenen IndikatorenZielkonflikte. Dies haben wir in der Endfassung der Stra-tegie deutlicher herausgearbeitet, als es im Entwurf derFall war. Kern der nachhaltigen Politik ist es, diese Kon-flikte zwischen verschiedenen Indikatoren nach Möglich-keit auszubalancieren.Was wir nicht gemacht haben und auch nicht tun wer-den, ist, Planvorgaben – etwa für die Wirtschaftsentwick-lung – zu erstellen. Kern der Strategie ist es, über die Stei-gerung von Produktivität in diesen Bereichen ein Mehr anNachhaltigkeit zu erreichen. Dafür muss diese Produkti-vitätssteigerung idealerweise – wenn wir in puncto Nach-haltigkeit weiterkommen wollen – die entsprechenden Stei-gerungsraten in anderen Bereichen übertreffen.
Wie stehen Sie denn
nun zu den konkreten Zielvorgaben?
H
Wir haben 21 Ziele und Indikatoren. Zum Themen-
bereich Verkehr haben wir ein ganzes Maßnahmenbündel
in die Strategie aufgenommen, um die angestrebte Verlage-
rung des Verkehrs tatsächlich zu realisieren. Ich nenne bei-
spielhaft die Einführung der Autobahnbenutzungsgebühr,
die auch eine Optimierung der Nutzung von Kapazitäten
und eine gewisse Verlagerung von Verkehrsströmen zum
Ziel hat, das 6-Milliarden-Investitionsprogramm für die
Schienenwege des Bundes im Rahmen des Zukunftsinves-
titionsprogramms 2001 bis 2003 sowie Modernisierungs-
und Effizienzsteigerungsmaßnahmen im Schienenverkehr
durch die Fortführung der Bahnreform oder die Förderung
von Terminals des kombinierten Verkehrs. Das heißt, es
gibt eine Fülle von konkreten Maßnahmen, die dazu bei-
tragen werden, die im Kapitel „Ziele und Indikatoren“ ge-
nannten Werte zu erreichen.
Jetzt hat die
Kollegin Dr. Grygier das Wort.
Noch einmal zu den eben
von Ihnen beschriebenen Zielkonflikten – schließlich
kann es auch etwas damit zu tun haben –: Ich frage zu dem
Bereich Klimaschutz nach. Im kürzlich verabschiedeten
Antrag der Koalition gibt es die Zielstellung, bis 2020 die
CO2-Emissionen um 40 Prozent zu reduzieren. In IhrerNachhaltigkeitsstrategie taucht diese Zielvorgabe aber
gar nicht mehr auf. Vielmehr nehmen Sie auf die Selbst-
verpflichtung der Bundesrepublik Bezug, die CO2-Emis-sionen um 25 Prozent zu reduzieren, die nur bis zum
Jahr 2005 gilt. Nun stellt sich mir die Frage: Gibt es ei-
gentlich auch mittelfristige Zielstellungen, wie sind sie zu
erreichen und wie schätzen Sie die Möglichkeit ein, dass
das Ziel, die CO2-Emissionen bis 2005 in Relation zu1990 um 25 Prozent zu reduzieren, erreicht werden kann?
H
Frau Kollegin, die Bundesregierung bekennt sich
auch nach 2005 bzw. 2010 zu anspruchsvollen Klima-
schutzzielen. In der Diskussion, die durchaus kontrovers
geführt worden ist, ging es aber um die Frage, ob wir die
Klimaschutzziele am ehesten erreichen, wenn wir natio-
nal vorpreschen – das hätte nach unseren Erfahrungen mit
dem Kioto-Prozess dazu geführt, dass andere Länder
unter Verweis auf Deutschland in ihren eigenen Anstren-
gungen nachgelassen hätten – oder wenn wir uns gemein-
sam innerhalb der Europäischen Union für die Vereinba-
rung weiterer ambitionierter Klimaschutzziele einsetzen.
Wir haben uns für den zweiten Weg entschieden, weil wir
der Überzeugung sind, dass damit für den Klimaschutz
mehr gewonnen ist.
Jetzt hat die
Kollegin Dr. Schwaetzer das Wort.
Herr Staatsminister,
im Vorfeld hat eine ganze Reihe von Nichtregierungs-
organisationen Vorschläge eingebracht, die in die Nach-
haltigkeitsstrategie eingearbeitet werden sollten. Inwie-
weit hat die Bundesregierung diese konkret formulierten
Vorschläge aufgenommen und wie gedenkt die Bundes-
regierung – ich möchte das ganz präzise wissen – in den
nächsten Monaten die Diskussion mit den Nichtregie-
rungsorganisationen weiterzuführen?
H
Wir haben – dies wird auch in der nationalen Strate-
gie für eine nachhaltige Entwicklung dokumentiert – eine
Fülle von Anregungen aufgenommen. Das gilt beispiels-
weise für die Bereiche des Klimaschutzes, der Landwirt-
schaft und der Entwicklungszusammenarbeit. Wir haben
im Vergleich zum ersten Entwurf insbesondere das Kapi-
tel „Globale Verantwortung“ deutlich stärker herausge-
arbeitet und etwa dem Aspekt der Katastrophenvorsorge
Rechnung getragen. Es wird einen engen Dialog mit dem
Rat für Nachhaltige Entwicklung sowie darüber hinaus
– dieser Rat versteht sich ja auch als Forum für die öf-
fentliche Diskussion – mit der gesamten interessierten Öf-
fentlichkeit und mit interessierten Gruppen über diese
Strategie geben.
Herr Heinrich,
bitte.
Herr Staatsminister, Sie habendie Nachhaltigkeitspolitik der Bundesregierung dargestelltund unter anderem die Agenda 21 erwähnt. In derAgenda 21 ist ja festgelegt, dass es ein Gleichgewicht zwi-schen der ökonomischen, der ökologischen und der sozia-len Verantwortung geben soll. Sie haben jetzt von vier Säu-len gesprochen. Sie haben das also erweitert. Heißt das,dass Sie sich von der Agenda 21 verabschieden?Des Weiteren haben Sie davon gesprochen, dass eskeine Planvorgaben für die Wirtschaft geben werde. Dasbegrüße ich zwar ausdrücklich. Sie tun aber das Gegenteilin der Verbraucherschutzpolitik. Sie wollen dort mit kla-ren Vorgaben – Sie haben im Haushalt erhebliche Mittel
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Staatsminister Hans Martin Bury22708
zugunsten des ökologischen Landbaus umgeschichtet –zum Beispiel dafür sorgen, dass der Anteil des ökolo-gischen Landbaus bis 2010 auf 20 Prozent steigt. Das sindfür mich Widersprüche. Ich bitte Sie darum, diese aufzu-klären.H
Herr Kollege Heinrich, zu Ihrer ersten Frage: Wir ver-
abschieden uns nicht von der Agenda 21. Vielmehr führen
wir sie konsequent fort.
Zu Ihrer zweiten Frage: Selbstverständlich – das war
ein Wunsch der Öffentlichkeit, der im Parlament eine
breite Mehrheit gefunden hat – gibt es in dem Kapitel über
Ziele und Indikatoren auch quantitative Festlegungen;
denn wenn man nicht weiß, wohin man will, dann darf
man sich nicht wundern, wenn man nirgendwo ankommt.
Es würde nicht ausreichen, schöne Ziele zu beschreiben
und vielleicht noch Wege aufzuzeigen, nicht aber deutlich
zu machen, wo wir stehen, und die Entwicklung nicht
messbar zu machen. Die Steigerung des Anteils des öko-
logischen Landbaus auf 20 Prozent ist ein Ziel neben an-
deren. Wir haben das Kapitel über die konventionelle
Landwirtschaft bewusst vergrößert. Es enthält zwar keine
Planvorgaben für einzelne Betriebe. Aber wir wollen das
Erreichen des Ziels von 20 Prozent durch entsprechende
Rahmenbedingungen fördern. Letztlich entscheiden die
Verbraucherinnen und Verbraucher mit ihrem Konsum-
verhalten darüber, ob wir dieses Ziel erreichen. Sie müs-
sen von den qualitativen Vorteilen der Produkte des öko-
logischen Landbaus überzeugt werden.
Eine Nachfrage.
Kann ich aus den klaren Vor-
gaben zugunsten des ökologischen Landbaus die Schluss-
folgerung ziehen, dass Sie den konventionellen Landbau
nicht als nachhaltig bezeichnen?
Nein, im Gegenteil: Wir haben – darauf habe ich gerade hin-
gewiesen – in der überarbeiteten Strategie den Bereich des
konventionellen Landbaus sehr viel stärker herausgearbei-
tet und ein Leitbild für eine multifunktionale Landwirtschaft
entwickelt, das deutlich macht, dass die Landwirtschaft in
vielfältiger Weise Beiträge zu einer nachhaltigen Entwick-
lung in den jeweiligen Regionen leisten kann und in vielfa-
cher Weise auch schon heute leistet.
Herr Kollege
Hermann.
Herr Staatsminister, Sie haben zu Recht darauf hingewie-
sen, dass ein wichtiger Bestandteil dieser Strategie ist,
quantitative Ziele festzulegen und damit sozusagen nicht
nur eine Marschrichtung anzugeben. Meine Frage geht
dahin, warum eigentlich für bestimmte Bereiche solche
Ziele vorgegeben wurden, zum Beispiel in der Landwirt-
schaft bis zum Jahr 2010 20 Prozent Ökolandbau zu er-
reichen, aber keine längerfristigen Ziele. Für die CO2 -Re-duktion und den Bereich Klimaschutz wurden Ziele bis
zum Jahr 2005 vorgegeben. Gerade bei der Energie- und
Klimapolitik wie auch bei der Landwirtschafts- und Infra-
strukturpolitik kommt es aber darauf an, langfristig zu pla-
nen, also 20-, 30-Jahres-Horizonte zu eröffnen, und zwar
auch quantitativ. Warum wurde das nicht festgelegt bzw.
nur in manchen Bereichen oder nur bis zum Jahr 2010?
H
Kollege Hermann, ich habe die Frage eben schon ein-
mal beantwortet. Wo es sinnvoll und aus unserer Sicht
möglich war, haben wir quantitative Zielvorgaben ge-
macht. Im Bereich des Klimaschutzes haben wir deshalb
kein nationales langfristiges Ziel definiert, weil ein sol-
ches Ziel national nicht erreichbar ist. Wir haben aber
im Indikatorenkapitel deutlich gemacht, dass wir uns auf
europäischer Ebene dafür einsetzen, dass europäisch und
international selbstverständlich auch mittel- und langfris-
tig ambitionierte Klimaschutzziele vereinbart werden.
Ich habe noch eine Nachfrage. In der Umweltpolitik geht
es um langfristige Ziele. In der Entwicklungspolitik ist
das Ziel des 0,7-Prozent-Anteils am Bruttosozialprodukt
wieder festgeschrieben worden. Wir haben aber erwartet,
dass in der Strategie angegeben wird, auf welchen Wegen,
in welchen Schritten und wann man dahin kommt.
H
Im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, den
ich übrigens nicht auf dieses 0,7-Prozent-Ziel verkürzen
würde – auch wenn ich einräume, dass dem eine gewisse
symbolische Bedeutung zukommt –, wird der Öffnung
unserer Märkte, der Entwicklung fairer Handelschancen
und der Entschuldung der entsprechenden Länder – alles
Bereiche, in denen wir in den vergangenen Jahren große
Fortschritte erreicht haben – letztlich mindestens die glei-
che, wenn nicht weit größere Bedeutung für die betroffe-
nen Länder zukommen.
Was das Ziel angeht, die öffentlichen Ausgaben für Ent-
wicklungszusammenarbeit zu erhöhen, so ist zu sagen,
dass es nach einem permanenten Rückgang in der Vergan-
genheit gelungen ist, zunächst eine Verstetigung zu errei-
chen. Wir haben nicht nur das 0,7-Prozent-Ziel als Lang-
fristziel in die Strategie aufgenommen, sondern wir haben
auch aufgenommen, dass wir uns bemühen wollen, bis
zum Jahr 2006 einen Anteil von 0,33 Prozent zu erreichen.
Wir sind jetztschon nahe an dem Zeitpunkt, zu dem die Regierungs-befragung normalerweise beendet wird. Es gibt aber nocheine Reihe von Fragen; der Fragebedarf ist groß. Unterdenjenigen, die Fragen stellen möchten, sind auch etlicheKollegen, die schon zwei Fragen gestellt haben. Das ist imPrinzip möglich. Ich möchte nur darauf hinweisen, dassdas auf Kosten der Fragestunde geht.Wer möchte zu diesem Bereich noch eine Frage stel-len? – Ich nehme das auf und schließe damit die Liste.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Ulrich Heinrich22709
Ich gebe jetzt dem Kollegen Paziorek das Wort.
Vielen Dank, Frau
Präsidentin.
Erstens. Herr Bury, war der Bundesregierung heute
Morgen bei der Beschlussfassung, die langfristigen und
mittelfristigen Ziele des Klimaschutzes in diesem Bericht
nicht quantitativ auszuweisen, bekannt, dass der Bun-
destag bei den Beratungen zu den Ergebnissen der En-
quete-Kommission zur internationalen Klimaschutzpo-
litik quantitative Ziele vorgegeben hat, dass zwischen den
Fraktionen des Hauses bisher völlig unbestritten war, bis
zum Jahr 2030 beispielsweise die CO2-Emissionen inDeutschland um 40 Prozent oder 50 Prozent zu reduzie-
ren, und dass darüber hinaus im Bundestag auch qualita-
tive Zielvorstellungen vereinbart worden sind? Ist das ein
bewusstes Abrücken von den Zielvorstellungen des Deut-
schen Bundestages?
Zweitens. Wird die Bundesregierung dann, wenn die-
ser Bericht in diesem Jahr in Johannesburg behandelt wird
und Fragen zu der Bewertung der Beschlussfassung des
Bundestages kommen, darauf hinweisen, dass sie von den
Zielen des Bundestages zur Reduktion der CO2-Emis-sionen bewusst abgerückt ist, weil sie die nationale Vor-
reiterrolle etwas anders sieht, als es hier bisher definiert
worden ist?
H
Herr Kollege Paziorek, ich habe bereits zweimal deut-
lich gemacht, dass wir uns in dem Ziel, über die bereits
vereinbarten Maßnahmen hinaus europäisch und interna-
tional weitere ambitionierte Klimaschutzziele zu verein-
baren, nicht unterscheiden.
Es mag aber einen Unterschied hinsichtlich der Frage
geben, wie wir dieses Ziel am erfolgversprechendsten er-
reichen. In der Bundesregierung besteht darüber Konsens,
dass es nicht zielführend wäre, über die in der Strategie
enthaltenen Maßnahmen hinaus national quantifizierte
Ziele mittel- und langfristig festzuschreiben, weil das die
Bemühungen unserer europäischen Partner nicht erhöhen
würde – so ist die Erfahrung aus dem Kioto-Prozess –,
sondern bei dem einen oder anderen leider eher dazu
führte, eigene nationale Anstrengungen zurückzunehmen.
Deshalb besteht unser Weg, die gemeinsamen Bemühun-
gen zum Klimaschutz weiter zu forcieren, darin, unsere
europäischen Partner für europäische, idealerweise für in-
ternationale gemeinsame Zielvorgaben zu gewinnen.
Diese Zielvorgaben müssen selbstverständlich über die
bereits beschlossenen hinausgehen.
Frau Kollegin
Burchardt.
Wir leben bekanntlich im
Zeitalter der Globalisierung. Die Globalisierung führt auf
der einen Seite zu einer zunehmenden internationalen
Verflechtung von technisch-ökonomischen Prozessen und
Entwicklungen, auf der anderen Seite hat sie Einfluss auf
die großen Problemlagen wie zum Beispiel Umweltzer-
störung, Armut und Unterentwicklung. Welchen Sinn und
welchen Nutzen sieht die Bundesregierung vor diesem
Hintergrund in einer nationalen Strategie beim Klima-
schutz? Welche konkreten Impulse für die Innovations-
fähigkeit des Standortes Deutschland gehen aus Sicht der
Bundesregierung von dieser Strategie aus?
H
Der Sinn einer nationalen Strategie besteht darin, dassjede Regierung in ihrem unmittelbaren Verantwortungs-bereich – das wurde auch in Rio so verabredet – eigeneBeiträge leistet, um global zu einer nachhaltigen Ent-wicklung zu kommen. Wir haben in der Strategie aberüber die nationale Betrachtung hinaus dem internationa-len, dem globalen Aspekt breiten Raum eingeräumt. Diesgilt sowohl für das Leitbild als auch für die Handlungs-felder.Ihre Frage war zweigeteilt. Was die Frage des globalenAspekts angeht, unterstütze ich die Idee des Vorsitzendendes Nachhaltigkeitsrates, Volker Hauff, sehr, nach demVorbild der Brundtland-Kommission eine Weltkommis-sion zur Globalisierung und Nachhaltigkeit einzurichten,weil ich überzeugt bin, dass in dem Thema der nach-haltigen Entwicklung eine Fülle von Antworten auf diekritischen Fragen so genannter Globalisierungsgegnerstecken.Im zweiten Teil Ihrer Frage hatten Sie nach dem Inno-vationspotenzial in Deutschland gefragt. Wir haben in denHandlungsfeldern und noch konkreter in den Pilotprojek-ten deutlich gemacht, wo wir uns Innovationspotenzialeversprechen, die wir gemeinsam mit der Wirtschaft er-schließen wollen und wo wir Vorsprünge auf Zukunfts-märkten erarbeiten können. Im Bereich Klimaschutz undEnergie beispielsweise gibt es Projekte zu Offshorewind-parks. Dort verfolgen wir das Ziel, im Bereich der Wind-kraft durch Beschleunigung von Genehmigungsverfah-ren, durch Klärung von Nutzungskonflikten und durchAusweisung geeigneter Standorte zu einem Durchbruchzu kommen und den Anteil regenerativer Energien an derEnergieerzeugung in Deutschland weiter zu steigern. Die-ses trägt zugleich auch dazu bei, Exportchancen für Pro-dukte deutscher Maschinen- und Anlagenbauer, für Inge-nieure und Projektbüros, die in den letzten Jahren dankder Förderpolitik dieser Bundesregierung ohnehin einesehr erfreuliche Entwicklung genommen haben, weiter zuverbessern.Im Bereich der Brennstoffzelle haben wir, um einzweites Beispiel zu nennen, sowohl für die stationäre An-wendung – Überschrift: „Virtuelles Kraftwerk“ – als auchfür die mobile Anwendung im Rahmen der „Clean EnergyPartnership Berlin“ Pilotprojekte auf den Weg gebrachtund unterstützt, die in diesem zukunftsträchtigen Bereichder Steigerung von Energieeffizienz und der Erschließungder Nutzung regenerativer Quellen Deutschland voran-bringen sollen und damit dazu beitragen, dass wir auf denMärkten der Zukunft auch ökonomisch die Nase vorn ha-ben, im Sinne der Nachhaltigkeit natürlich begleitet da-durch, dass wir einen Beitrag für die Umwelt liefern undzukunftsfähige Arbeitsplätze in unserem Land schaffen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer22710
Herr Kollege
Obermeier.
Herr Staatsminister,
wie Sie wissen, gibt es eine Enquete-Kommission mit
dem Namen „Nachhaltige Energieversorgung unter den
Bedingungen der Globalisierung und der Liberalisie-
rung“. Diese Enquete-Kommission hat im vergangenen
Jahr einen ersten Bericht vorgelegt, der sich schwer-
punktmäßig mit der Definition des Leitbilds der Nachhal-
tigkeit befasst. Im Übrigen gehen wir, die Mitglieder die-
ser Enquete-Kommission, sehr wohl von quantitativen
Zielen aus. In Ergänzung dessen, was mein Vorredner ge-
sagt hat, weise ich darauf hin: Wir gehen davon aus, dass
das Ziel darin besteht, bis zum Jahr 2050 eine Minderung
des CO2-Ausstoßes um 80 Prozent zu erreichen.
Inwieweit bildeten die bis jetzt vorliegenden Ergeb-
nisse, insbesondere die Ergebnisse des Zwischenberichts,
eine Grundlage für Ihre Arbeit, und inwieweit flossen die
Inhalte des Zwischenberichts und der Studien in die Ar-
beit, die Sie jetzt vorgelegt haben, ein?
H
Die Arbeit der Enquete-Kommission des Deutschen
Bundestages und seiner Ausschüsse hat wertvolle Anre-
gungen für die Erarbeitung der nationalen Nachhaltig-
keitsstrategie geliefert. In der Endfassung des Berichts
dieser Strategie wird dokumentiert, inwieweit Anregun-
gen der Enquete-Kommission und der Ausschüsse einge-
flossen sind.
Herr Obermeier,
bitte.
Es stellt sich natür-
lich die Frage, inwieweit Differenzen zwischen dem, was
vonseiten der Enquete-Kommission im vergangenen Jahr
im Plenum vorgetragen wurde, und Ihrer Vorlage beste-
hen.
H
Wenn die Enquete-Kommission ihren Endbericht vor-
legt, wird man gegebenenfalls – davon gehe ich aus – in
diesem Haus darüber diskutieren, inwieweit zwischen
dem Bericht der Enquete-Kommission und der Nachhal-
tigkeitsstrategie der Bundesregierung Übereinstimmung
besteht und wo wir gegebenenfalls differierende Vorstel-
lungen haben.
Die Kollegin
Bulling-Schröter – das ist die letzte Frage in diesem Zu-
sammenhang – hat das Wort.
Herr Staatsminister, ich
möchte eine Frage zum Thema Energie bzw. Klima stel-
len. Wir haben das ambitionierte Ziel, bis 2005 25 Prozent
des CO2-Ausstoßes einzusparen. Laut einer DIW-Studielag die CO2-Einsparung im Jahr 2001 im Vergleich zumBasisjahr 1990 bei 13,5 Prozent. Viele Wissenschafts-
institute sind der Meinung, dass wir das Klimaschutzziel
nicht erreichen. Es muss festgestellt werden, dass diese
Gefahr besteht und dadurch weitergehende Ziele eben-
falls in Gefahr sind. Wurden diese Probleme in die Nach-
haltigkeitsstrategie eingearbeitet? Unter welchen Voraus-
setzungen halten Sie das deutsche Klimaschutzziel für
erreichbar? Legt die Bundesregierung hinsichtlich ihrer
Einsparungskurven die temperaturbereinigten Werte oder
die tatsächliche Einsparung von CO2 bei ihrer Abrech-nung zugrunde?
H
Frau Kollegin, Deutschland hat in den vergangenen
Jahren bereits deutlich größere Effizienzverbesserungen
erreicht als andere Länder. Bei der Energieeffizienz liegen
wir bei einer Steigerungsrate von 1,9 Prozent pro Jahr ge-
genüber 1,1 Prozent im EU-Durchschnitt. Diese Tendenz
wird sich aus meiner Sicht fortsetzen, wenn nicht gar ver-
bessern. Dem von uns festgelegten Ziel liegt eine jährli-
che Steigerung von gut 2 Prozent zugrunde. Dieses Ziel
soll mithilfe einer Fülle von Maßnahmen erreicht werden:
der Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung; der Vereinba-
rung mit der Wirtschaft zum Klimaschutz; der Energie-
einsparverordnung; dem CO2-Minderungsprogramm fürAltbauten; der Selbstverpflichtung der Automobilindus-
trie zur Verminderung des Benzinverbrauchs und vielem
anderen. Das alles zeigt, dass unsere Zielsetzung mit kon-
kreten Maßnahmen unterlegt ist.
Danke schön,
Herr Staatsminister. Ich beende die Befragung der Bun-
desregierung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksachen 14/8756, 14/8777 –
Zu Beginn der Fragestunde rufe ich zunächst gemäß
Ziffer 10 der Richtlinien für die Fragestunde die dringli-
chen Fragen auf.
Zunächst kommen wir zur dringlichen Frage 1 des Ab-
Wann haben Bundeskanzler Gerhard Schröder und Staatsse-
kretär Dr. Frank-Walter Steinmeier von dem in der „Welt am
Sonntag“ vom 14. April 2002 erwähnten Fund von angeblich ver-
schwundenen Original-Leuna-Akten im Bundeskanzleramt erfah-
ren und was haben sie daraufhin unter strafrechtlichen – Verdacht
der falschen Anschuldigung – und disziplinarrechtlichen Gesichts-
punkten gegenüber dem Sonderermittler Dr. Burkhard Hirsch und
den ihn unterstützenden Bediensteten der Abteilung 1 des Bun-
deskanzleramtes unternommen?
Es geht um den Geschäftsbereich des Bundeskanzler-
amts, sodass Sie, Herr Staatsminister Bury, die Frage be-
antworten.
H
Frau Präsidentin! Herr Kollege Schmidt, die in demvon Ihnen angesprochenen Zeitungsartikel enthaltenen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002 22711
Behauptungen über einen angeblichen Fund verschwun-dener Leuna-Akten im Bundeskanzleramt sind falsch. Bisheute wurde keine der verschwundenen Leuna-Aktenoder eine andere der verschwundenen Akten wieder auf-gefunden.
Herr Schmidt,
Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.
Herr
Kollege Bury, ich möchte das präzisieren: Trifft es zu,
dass bei einer stichprobenartigen Sichtung des Aktenbe-
standes im Rahmen einer Besprechung zwischen dem
Bundeskanzleramt und der Staatsanwaltschaft Bonn
im November 2001 Schriftgut im Original aufgefunden
wurde, obwohl die Bundesregierung gegenüber der
Staatsanwaltschaft behauptet hat, dass diese Original-
unterlagen fehlen?
H
Herr Kollege Schmidt, es ist zutreffend, dass am
20. und 21. November 2001 auf Wunsch der Staatsan-
waltschaft ein Informationsgespräch stattgefunden hat.
Der Staatsanwaltschaft wurden dabei bzw. im Nachgang
zu diesem Gespräch alle den Untersuchungsgegenstand
betreffenden Akten und die dazugehörigen Karteikarten
übergeben.
Ich finde,
wenn ich darauf hinweisen und es monieren darf, dass Sie
meine Frage nicht beantwortet haben. Ich habe gefragt, ob
Unterlagen im Original durch die Staatsanwaltschaft auf-
gefunden worden sind, von denen die Bundesregierung
behauptet hat, dass sie nicht mehr vorhanden sind.
H
Herr Kollege Schmidt, die Staatsanwaltschaft Bonn hat
im Bundeskanzleramt keine eigenen Recherchen durchge-
führt. Ich habe gerade darauf hingewiesen, dass der Staats-
anwaltschaft am 21.November 2001 im Bundeskanzleramt
bzw. im Nachgang zu diesem Gespräch alle den Untersu-
chungsgegenstand betreffenden Akten und die dazu-
gehörigen Karteikarten übergeben wurden. Von den Ak-
ten, die nach dem Regierungswechsel verschwunden
waren, wurde bislang keine wieder aufgefunden. Dazu
gehören sechs Bände Leuna-Akten, die im Original fehlen
und nur in ungeordneten Kopien mit Paginierungsfehlern
vorhanden sind, ein weiterer Band Leuna-Akten, der ver-
schollen ist, ohne dass Kopien vorhanden sind, und die Ori-
ginalakten weiterer Privatisierungsvorgänge. Dabei handelt
es sich um BBB – Bagger-Bugsier- und Bergungsree-
derei –, Baukombinat ELBO, Deutsche Seereederei Ros-
tock, Interhotel, Motorradwerke Zschopau und Grimme-
ner Hähnchen.
Frau Prä-
sidentin, ich muss darauf hinweisen, dass ich meine Frage
immer noch nicht als beantwortet ansehe. Ich habe ge-
fragt, Herr Kollege Bury: Sind Original – –
Moment! Sie
haben zu Ihrer Frage zwei Nachfragen gestellt. Mehr dür-
fen Sie nicht stellen.
– Sie dürfen auch nicht Pausen nutzen, in denen ich mich
nach dem Namen von Kollegen erkundige. Sie haben ja
noch eine zweite Frage, zu der Sie Nachfragen stellen
können.
Bitte, Herr Kollege Friedrich.
Herr
Minister, noch einmal konkret: Hat die Staatsanwaltschaft
am 20./21. November im Bundeskanzleramt Original-
Leuna-Akten gesehen und erhalten und waren in diesen
Akten auch Leitungsvorlagen, wie es die „Welt am Sonn-
tag“ schreibt?
H
Herr Kollege, ich habe diese Frage bereits zweimal
beantwortet
und gesagt, dass der Staatsanwaltschaft alle den Untersu-
chungsgegenstand betreffenden Akten und die dazu-
gehörigen Karteikarten übergeben worden sind,
dass aber von den Akten, die nach dem Regierungswech-
sel verschwunden waren, keine wieder aufgefunden
wurde.
Wir sind immer
noch bei den Zusatzfragen zur dringlichen Frage 1. –
Bitte.
In diesem Zu-
sammenhang hat die Kanzleramtsmitarbeiterin Frau
Sudhof jedoch auch von einem Missverständnis gespro-
chen. Warum ist es deshalb nach Aussage der Kanzler-
amtsmitarbeiterin nicht beabsichtigt, der Staatsanwalt-
schaft eine amtliche Auskunft zu geben, wie in der „Welt
am Sonntag“ berichtet wurde?
H
Frau Kollegin, ich hatte bereits darauf hingewiesen,
dass dieser Bericht falsch ist. Die Staatsanwaltschaft hat
selbstverständlich alle erbetenen Auskünfte erhalten.
Kollege von
Klaeden, bitte.
Herr Staatsminis-ter, Sie haben gerade gesagt, bei den Akten handele es sichum solche, die nach dem Regierungswechsel bzw. nach
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Staatsminister Hans Martin Bury22712
der Bundestagswahl verschwunden seien. Darf ich fra-gen, worauf Sie diese Erkenntnis gründen? Das nämlichist mir neu.H
Die Erkenntnis, dass Akten verschwunden sind, grün-
det sich insbesondere darauf, dass, wie Sie sicherlich
wissen, im Zusammenhang mit dem Untersuchungsaus-
schuss Aktenkopien aufgetaucht sind, von denen die Ori-
ginale nicht mehr vorhanden sind. Darüber hinaus gibt es
Kartei-, Registerkarten und anderes, die auf Akten ver-
weisen, die nicht mehr aufzufinden sind. Insofern ist un-
bestritten, dass Akten verschwunden sind.
Zusatzfrage der
Kollegin Bonitz.
Herr Staatsminister, Sie
haben eben gesagt, die Staatsanwaltschaft habe alle erbe-
tenen Auskünfte bekommen. Könnte es sein, dass das
Bundeskanzleramt von sich aus eine weitere Stellung-
nahme zugesagt hat, um dieses offensichtlich aufgetre-
tene Missverständnis bei dem Ortstermin am 20./21. No-
vember aufzuklären? Wenn es eine solche Zusage
gegeben hat: Ist eine solche Stellungnahme jemals gegen-
über der Staatsanwaltschaft abgegeben worden?
H
Es war für uns in diesem Gespräch und in der nach-
folgenden Korrespondenz nicht ersichtlich, dass es da ein
Missverständnis um die Untersuchungsausschussakten
gegeben hätte oder dass dieses Missverständnis nicht aus-
geräumt wäre. Inwieweit dazu in Zukunft ergänzende
Stellungnahmen abgegeben werden, vermag ich hier nicht
zu sagen. Aber die Staatsanwaltschaft selber hat sich nach
meiner Kenntnis öffentlich, auch gegenüber Zeitungen, in
dem Sinne geäußert, dass der Bericht, auf den Sie Ihre
Frage stützen, absolut unzutreffend ist.
Ich rufe jetzt die
dringliche Frage 2 des Abgeordneten Andreas Schmidt
auf:
In welchem Umfang und seit welcher Zeit stehen von der Staats-
anwaltschaft Bonn in dem Ermittlungsverfahren 50 Js 816/00 we-
gen angeblich verschwundener Akten und angeblicher Datenlö-
schungen im Bundeskanzleramt – vergleiche „Welt am Sonntag“
vom 14. April 2002 – erbetene Stellungnahmen des Bundeskanz-
leramtes aus?
Bitte, Herr Staatsminister.
H
Herr Kollege Schmidt, es stehen keine Stellungnah-
men aus. Die Staatsanwaltschaft Bonn hat sämtliche Un-
terlagen und Auskünfte erhalten, die sie schriftlich oder
mündlich beim Bundeskanzleramt erbeten hat.
Bitte, Herr Kol-
lege Schmidt.
Herr
Kollege Bury, ich habe eine Zusatzfrage: Hat die Bundes-
regierung oder hat das Bundeskanzleramt bei der Staats-
anwaltschaft Anzeige wegen Aktenvernichtung erstattet,
und wenn ja, gegen wen?
H
Die Bundesregierung, Herr Kollege Schmidt, hat im
Sommer 2000 einen Strafantrag bei der Staatsanwalt-
schaft gestellt.
Gegen
wen?
H
Das war ein Strafantrag wegen Datenlöschung, aller-
dings davon ausgehend, dass die Strafverfolgungsbehör-
den ohnehin von Amts wegen tätig geworden wären.
Herr Dr. Friedrich.
Herr
Minister, kann ich daraus schließen, dass es weder eine
Anzeige noch einen Strafantrag wegen Aktenvernichtung
gibt? Denn Sie haben jetzt von Datenlöschung gespro-
chen.
H
Es gibt den von mir eben beschriebenen Strafantrag,
Herr Kollege.
Frau Kollegin
Störr-Ritter, bitte.
Herr Staatsmi-
nister, hat das Bundeskanzleramt denn jetzt Beweise
dafür, dass vorsätzlich und rechtswidrig Akten vernichtet
worden sind?
H
Frau Kollegin, es ist ganz offenkundig, dass Akten
verschwunden und Dateien gelöscht worden sind. Daran
ändert auch der Sachverhalt nichts, dass die Verantwort-
lichen im Einzelnen bisher nicht zu ermitteln waren.
Zusatzfrage der
Kollegin Bonitz.
Herr Staatsminister, wenndas so offensichtlich ist, warum gibt es dann keine weitereStrafanzeige oder einen Strafantrag?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Eckart von Klaeden22713
H
Frau Kollegin Bonitz, es gibt Ermittlungen der Staats-
anwaltschaft und entgegen Ihrer Annahme oder Hoffnung
sind sie auch nicht eingestellt.
Kollege von
Klaeden.
Herr Staatsminis-
ter, wie bewerten Sie dann die Stellungnahme der Staats-
anwaltschaft Bonn, die der „Welt“ zu entnehmen war,
dass es nach der Befragung der Zeugen durch die Staats-
anwaltschaft, die auch von Herrn Hirsch befragt worden
seien, keine Beweise für eine vorsätzliche Aktenvernich-
tung, sondern allenfalls Indizien gebe?
H
Herr Kollege von Klaeden, ich hatte bereits mehrfach
darauf hingewiesen, dass der Bericht, auf den Sie Ihre
Fragen stützen, falsch ist.
Ich rufe jetzt die
dringliche Frage 3 der Abgeordneten Sylvia Bonitz auf:
Hält die Bundesregierung ihre bisherigen Vorwürfe hinsicht-
lich einer gezielten, vorsätzlichen Vernichtung der Leuna-Akten
uneingeschränkt aufrecht angesichts der Berichterstattung in
der „Welt am Sonntag“ vom 14. April 2002 und der „Welt“ vom
16. April 2002, wonach die Bonner Staatsanwaltschaft bei einem
Ortstermin im Bundeskanzleramt am 27. November 2001 bei ei-
ner stichprobenhaften Prüfung sofort Original-Akten zum Kom-
plex Leuna, darunter auch Leitungsvorlagen für den Amtschef und
für Bundeskanzler Helmut Kohl, gefunden habe, die angeblich
verschollen oder auf Geheiß von Mitarbeitern des damaligen Bun-
deskanzlers Helmut Kohl vernichtet worden sein sollen?
H
Frau Kollegin Bonitz, wie bereits in meiner Antwort
auf die Fragen des Kollegen Schmidt ausgeführt, sind die
in dem von Ihnen angesprochenen Zeitungsartikel ent-
haltenen Behauptungen über einen angeblichen Fund
verschwundener Leuna-Akten falsch. Insofern hat die
Bundesregierung keine Veranlassung, ihre bisherige Ein-
schätzung zu ändern.
Bitte.
Herr Staatsminister, wel-
che stichhaltigen Beweise hat denn nun die Bundesregie-
rung für ihren Vorwurf einer vorsätzlichen – das ist mir
wichtig: einer vorsätzlichen! – Aktenvernichtung und hat
auch die bisherige interne Chefermittlerin im Bundes-
kanzleramt, Frau Sudhof, diese Vorwürfe einer vorsätz-
lichen Aktenvernichtung gegenüber der Staatsanwalt-
schaft aufrechterhalten und belegen können?
H
Frau Kollegin, Fakt ist, dass von den im Bundeskanz-
leramt verschwundenen Akten bislang keine wieder auf-
gefunden wurde. Ich darf noch einmal darauf hinweisen,
um welche Vorgänge es sich handelt: Dazu gehören sechs
Bände Leuna-Akten, die im Original fehlen. Dazu gehört
ein weiterer Band Leuna-Akten, der verschollen ist, ohne
dass Kopien vorhanden sind. Dazu gehören die Original-
akten der Privatisierungsvorgänge – ich nannte sie be-
reits – BBB, Baukombinat ELBO, Deutsche Seereederei
Rostock, Interhotel, Motorradwerke Zschopau, Grimme-
ner Hähnchen, die im Kanzleramt nicht aufgefunden wer-
den konnten. Es fällt mir schwer, zu glauben, dass diese
Akten ohne aktives Zutun verschwunden sind.
Herr Staatsminister, ich
frage ganz konkret: Hat Frau Sudhof als interne Ermitt-
lerin im Bundeskanzleramt bei dem Ortstermin mit der
Staatsanwaltschaft am 20./21. November den Vorwurf ei-
ner vorsätzlichen Aktenvernichtung aufrechterhalten und
hat sie ihn belegen können?
H
Frau Kollegin, ich habe die Frage bereits beantwortet.
Es sind Akten in einem erheblichen Umfang verschwun-
den, verschollen und nicht wieder auffindbar.
Das war Gegenstand des Gespräches mit der Staatsan-
waltschaft, auf das Sie sich beziehen.
Zusatzfrage des
Kollegen Friedrich.
Zu der
Müntefering-Geschichte kommen wir später. – Herr
Staatsminister, trifft es zu, dass es bis zum heutigen Tag
nicht ein einziges Disziplinarverfahren gegen Mitarbeiter
wegen Aktenvernichtung auf Initiative des Bundeskanz-
leramtes gibt?
H
Es gibt ein Disziplinarverfahren, das noch nicht abge-
schlossen worden ist, da der Betroffene einen Klärungs-
antrag gegen die vom Chef des Bundeskanzleramtes
verfügte Verfahrenseinstellung gestellt hat.
Zusatzfrage derKollegin Störr-Ritter.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 200222714
Herr Staatsmi-
nister, Frau Sudhof hat eingeräumt, dass es bei dem Ter-
min am 20./21. November offensichtlich zu Missver-
ständnissen zwischen dem Bundeskanzleramt und der
Staatsanwaltschaft gekommen sei. Für mich ist bis heute
noch nicht nachvollziehbar, wie es zu diesen Missver-
ständnissen kommen konnte. Deshalb frage ich: Worin
bestanden diese Missverständnisse? Wann und von wem
sind sie aufgedeckt worden?
H
Frau Kollegin, während der zweitägigen Gespräche
mit der Staatsanwaltschaft wurde eine Vielzahl von Fra-
gen besprochen. Einer der Staatsanwälte warf eher am
Rande die Frage auf, ob nicht auch Parallelvorgänge zu
den Leuna-Akten gerechnet werden müssten – er meinte
damit die von mir bereits vorher erwähnten Akten zur Be-
gleitung des Untersuchungsausschusses „DDR-Vermö-
gen“ in der 13. Legislaturperiode –, weil sich zum Teil in
den Untersuchungsausschussakten die Leunaer Kartei-
zeichen befänden.
Dem Staatsanwalt wurde daraufhin erklärt, dass die
Untersuchungsausschussakten mit dem Privatisierungs-
vorgang nichts zu tun haben, sondern Akten über die
Leuna-Akten sind, deren Inhalt nicht Leuna, sondern die
Begleitung des Untersuchungsausschusses ist. In ihnen
wird etwa die Frage behandelt, welche Akten der Aus-
schuss beigezogen hat, welche Beweise außerdem erho-
ben wurden und Ähnliches. Die Beamten des Bundes-
kanzleramtes gingen davon aus, dass mit dieser Erklärung
das Missverständnis der Staatsanwaltschaft an Ort und
Stelle ausgeräumt gewesen sei.
Es stimmt also nicht, dass bei diesem Termin im No-
vember Akten aufgefunden worden sind, die zuvor über-
sehen wurden. Die Staatsanwaltschaft Bonn hat, wie ge-
sagt, keine eigene Aktenrecherche durchgeführt.
Zusatzfrage des
Kollegen von Klaeden.
Herr Staatsminis-
ter, da jetzt anscheinend alles auf Fehleinschätzung der
Staatsanwaltschaft und fehlerhafte Recherche der „Welt“
zurückgeführt werden soll, möchte ich die Frage stellen,
ob Ihnen der staatsanwaltschaftliche Vermerk, aufgrund
dessen es zu diesem Missverständnis gekommen sein soll,
überhaupt bekannt ist.
H
Herr Kollege von Klaeden, bei allem Respekt muss
ich sagen: Der Grund, warum wir dieses Thema erörtern,
liegt nicht in einem Missverständnis der Staatsanwalt-
schaft oder in der fehlerhaften Berichterstattung der
„Welt“, sondern in dem unglaublichen Vorgang, dass im
Bundeskanzleramt eine Vielzahl von Akten verschwun-
den und nicht mehr auffindbar ist.
Der in der „Welt am Sonntag“ erwähnte Vermerk der
Staatsanwaltschaft Bonn – ich habe bereits den entspre-
chenden Bericht kommentiert – ist dem Bundeskanzler-
amt nicht zur Kenntnis gegeben worden.
Zusatzfrage des
Kollegen Graf.
Herr Staatsminister,
haben Sie Erkenntnisse darüber, dass Akten aus dem
Kanzleramt bei der Konrad-Adenauer-Stiftung aufgefun-
den worden sind?
H
Herr Kollege Graf, in der Tat, ich kenne solche Be-
richte aus der Berichterstattung über die Arbeit des Un-
tersuchungsausschusses.
Ich rufe jetzt die
dringliche Frage 4 der Abgeordneten Sylvia Bonitz auf:
Wie erklärt die Bundesregierung ihr Dementi des Berichtes
der „Welt am Sonntag“ vom 14. April 2002, nachdem der Ober-
staatsanwalt beim Bundesgerichtshof geäußert hat, dass auch in
den Vorzimmern beim Chef des Bundeskanzleramtes „rechtswid-
rige Datenlöschungen nicht nachweisbar“ seien, und nachdem der
Chef des Bundeskanzleramtes, Dr. Frank-Walter Steinmeier, hin-
sichtlich des Disziplinarverfahrens gegenüber Ministerialdirigent
G. H. wörtlich ausgeführt hat – „Welt“ vom 16. April 2002 –:
„Eine Beteiligung an Löschungen von Dateien im Bereich des von
G. H. geleiteten Ministerbüros und an der Entfernung dienstlicher
Akten konnte nicht festgestellt werden. Das Disziplinarver-
fahren ist daher ohne Verhängung einer Disziplinarmaßnahme
einzustellen.“?
H
Frau Kollegin Bonitz, die beiden von Ihnen ange-
sprochenen Zeitungsartikel befassen sich mit zwei völlig
unterschiedlichen Aspekten innerhalb des Gesamtvor-
gangs „Datenlöschung und Aktenvernichtung im Bundes-
kanzleramt“. Wie ich bereits in der Antwort auf Ihre
vorherige Frage dargestellt habe, sind die in dem Zei-
tungsartikel vom 14. April 2002 enthaltenen Behauptun-
gen über einen angeblichen Fund verschwundener Leuna-
Akten falsch.
Zutreffend ist hingegen im Zeitungsartikel vom
16. April 2002 berichtet worden, dass in dem von Ihnen
angesprochenen Fall ein Disziplinarverfahren durchge-
führt wurde. Dieses Verfahren ist noch nicht abgeschlos-
sen, da der Betroffene einen Klärungsantrag gegen die
vom Chef des Bundeskanzleramtes verfügte Verfah-
renseinstellung gestellt hat. Eine Einstellung des Verfah-
rens in diesem Einzelfall hätte jedoch für die Verdachts-
lage in dem von der Staatsanwaltschaft Bonn geführten
Verfahren wegen des Verdachts der Datenlöschung im
Bundeskanzleramt im Zusammenhang mit dem Regie-
rungswechsel 1998 keine Bedeutung.
Bitte.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002 22715
Herr Staatsminister, ich
darf einmal kurz bemerken, dass dieses Disziplinarver-
fahren auf die Eigeninitiative des betroffenen Beamten
zurückzuführen ist und nicht auf ein entsprechendes An-
sinnen des Kanzleramtes.
Nun zu meiner Frage: Sie haben bislang keinen stich-
haltigen Beweis für Ihren Vorwurf liefern können, dass
Akten gezielt vernichtet worden sind. In wie vielen Fällen
hat die Staatsanwaltschaft Ihre bisher bloßen Vermutun-
gen und Verdächtigungen als stichhaltigen Beweis akzep-
tiert, der eine Anklageerhebung rechtfertigt, bzw. in wie
vielen Fällen hat sie sogar Anklage erhoben?
H
Frau Kollegin, was Ihre Bemerkung zum Thema
Disziplinarverfahren angeht, sollten Sie in Ihrer Ergän-
zung erwähnen, dass es ein zweites Disziplinarverfahren
gibt, das wegen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlun-
gen ruht.
Mit Blick auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen
– sie dauern ja noch an – lässt sich Ihre Frage hinsichtlich
einer Anklageerhebung oder eines möglichen Urteils
selbstverständlich nicht beantworten.
Wenn ich kurz nachtragen
darf: Auch das zweite Disziplinarverfahren geht auf die
Initiative des Betroffenen selbst zurück. Es scheint ja so
zu sein, dass die Staatsanwaltschaft bislang in keinem
einzigen Fall Anklage erhoben hat.
Mich würde aber interessieren, ob die bisherige interne
Ermittlerin im Bundeskanzleramt, Frau Sudhof, noch mit
dieser Aufgabe befasst ist und, wenn nein, seit wann nicht
mehr.
H
Frau Kollegin Bonitz, ich wüsste nicht, dass es – mit
Ausnahme des Abschlusses der Arbeiten des Sonder-
ermittlers – da zu Veränderungen gekommen ist.
Zusatzfrage des
Kollegen Neumann.
Herr Staatsmi-
nister, ist Ihnen bekannt, ob die Bonner Staatsanwalt-
schaft, die mit diesem Ermittlungsverfahren befasst ist,
einmal in der Konrad-Adenauer-Stiftung nachgesehen hat,
ob sich dort Teile der aus dem Kanzleramt verschwunde-
nen Akten befinden? Dort sind ja bereits andere Doku-
mente aufgefunden worden, die im Kanzleramt nicht mehr
vorhanden waren.
H
Herr Kollege Neumann, ich kann Ihre Frage nicht be-
antworten, da mir der Sachverhalt nicht unmittelbar be-
kannt ist.
Zusatzfrage der
Kollegin Störr-Ritter.
Wir haben jetzt
gehört, dass Frau Sudhof das entstandene Missverständnis
anlässlich des erwähnten Termins direkt ausgeräumt hat. Ist
Ihnen bekannt, dass im Widerspruch dazu vom Bundes-
kanzleramt eine ergänzende amtliche Auskunftserteilung
zugesagt worden ist, und ist diese inzwischen erfolgt?
H
Frau Kollegin, ich habe bereits mehrfach darauf hin-
gewiesen, dass die Staatsanwaltschaft alle erbetenen Aus-
künfte und Stellungnahmen erhalten hat.
Zusatzfrage des
Kollegen Friedrich.
Herr
Staatsminister, wissen Sie, ob die Staatsanwaltschaft
Bonn Herrn Staatssekretär Steinmeier, Frau Sudhof oder
Mitarbeiter der Abteilung 1 des Bundeskanzleramts ver-
nommen hat?
H
Herr Kollege, es hat ein Gespräch mit der Staats-
anwaltschaft zu einer Vielzahl von Fragen gegeben, über
die ich bereits Auskunft gegeben habe.
Darüber hinaus hat die Staatsanwaltschaft Bonn zu-
sätzlich zu den mündlichen Erläuterungen eine Reihe von
schriftlichen Auskünften erhalten. Diese schriftlichen
Auskünfte wurden allerdings nicht durch den Chef des
Bundeskanzleramtes persönlich, sondern durch die zu-
ständigen Mitarbeiter verfasst.
Nachdem diedringlichen Fragen aufgerufen und beantwortet wordensind, rufe ich jetzt die Fragen auf Drucksache 14/8756 inder üblichen Reihenfolge auf.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-teriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.Die Frage 1 der Abgeordneten Ulrike Mehl soll schriftlichbeantwortet werden.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-teriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-wicklung. Die Fragen 2 und 3 des Abgeordneten HelmutHeiderich sollen ebenfalls schriftlich beantwortet werden.Somit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums des Innern. Ich rufe Frage 4 des Abgeordne-ten Aribert Wolf auf:In welcher Besoldungsstufe sind die Leiter der Leitungsstäbebzw. die Leiter der Ministerbüros – im Vergleich zum Bundes-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 200222716
ministerium für Gesundheit – in den übrigen Bundes-ministerien eingestuft?Beantworten wird sie der Parlamentarische Staats-sekretär Körper. Bitte.F
Frau Präsidentin, ich beantworte
die Frage wie folgt: Die Leiter der Leitungsstäbe bzw. die
Leiter der Ministerbüros sind in den Bundesministerien
nicht einheitlich eingestuft.
Die besoldungsrechtliche Einstufung ist nach den all-
gemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen davon abhän-
gig, welches statusrechtliche Amt der Leiterin oder dem
Leiter einer solchen Organisationseinheit im Einzelfall
rechtsförmlich verliehen worden ist. Wenn die Leitungs-
stäbe oder Ministerbüros organisatorisch als Referate
oder Arbeitsgruppen aufgebaut sind und insoweit von ei-
ner Ministerialrätin oder einem Ministerialrat geleitet
werden, erfolgt die Besoldung der Leiterin oder des Lei-
ters nach den Besoldungsgruppen A 16 oder B 3.
Sind die Grundsatz- und Planungseinheiten als Unterab-
teilungen organisiert, die von einem Ministerialdirigenten
geleitet werden, richtet sich die Bezahlung der Leiterin
oder des Leiters nach der Besoldungsgruppe B 6. Im Bun-
desbesoldungsgesetz, das die Besoldung der Beamtinnen
und Beamten bundeseinheitlich verbindlich festlegt, ist
das Amt „Ministerialdirigent“ ausdrücklich mit dem Funk-
tionszusatz „als Leiter einer Unterabteilung“ ausgebracht;
dem Amt „Ministerialrat“ hat der Gesetzgeber keine be-
stimmten Funktionen zugeordnet.
Die Aufbau- und Organisationsstrukturen der Lei-
tungsstäbe sind aus den Haushalts- und Stellenplänen der
einzelnen Ressorts ersichtlich.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Wolf zu
einer ersten Nachfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, kön-
nen Sie sagen, in welcher Besoldungsstufe der Leiter des
Leitungsstabes im Bundesgesundheitsministerium von
1995 bis 1997 eingruppiert war und wie die ab 1991 am-
tierenden Leiter des Ministerbüros eingestuft waren?
F
Herr Kollege Wolf, ich glaube,
dass es nicht meine Aufgabe ist, diesbezüglich ressortbe-
zogene Fragen zu beantworten. Ich würde Ihnen vor allem
nicht raten, Vergleiche aus der Vergangenheit zu der Frage
anzustellen, wie welche Ressorts die Leiterinnen und Lei-
ter der Ministerbüros besoldet haben. Ich würde aus mei-
ner Kenntnis heraus sagen: Die alte Bundesregierung
würde da nicht besonders gut aussehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die zweite Nachfrage.
Bitte, Herr Kollege Wolf.
Ich stelle die Frage noch
einmal, weil es schon mir überlassen bleiben muss, wel-
che Fragen ich stelle.
Ich danke zwar für die Belehrungen. Es handelt sich hier
aber um das Fragerecht der Abgeordneten.
Deswegen frage ich Sie noch einmal: In welcher Be-
soldungsstufe waren der von 1995 bis 1997 amtierende
Leiter des Leitungsstabs und die ab 1991 amtierenden
Leiter des Ministerbüros im Bundesgesundheitsministe-
rium eingestuft?
F
Herr Wolf, es ist auch das Recht
des Antwortenden, die Antwort so zu geben, wie ich es ge-
tan habe. Was ich zu dieser Frage gesagt habe, bleibt auch
jetzt bestehen. Punkt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Damit rufe ich die
Frage 5 des Abgeordneten Hartmut Koschyk auf:
Welche Auswirkungen ergeben sich nach Ansicht der Bundes-
regierung im Hinblick auf den Kreis der Antragsberechtigten nach
§ 1 Abs. 6 Häftlingshilfegesetz als Folge der im Februar
ergangenen Bearbeitungshinweise des Bundesministeriums des
Innern , wonach bei Zivil-
deportierten aus den ehemaligen Reichsgebieten jenseits von
Oder und Neiße grundsätzlich von vordringlichen sicherheitspo-
litischen Erwägungen der Gewahrsamnahme, trotz nachfolgender
Heranziehung zur Zwangsarbeit, ausgegangen wird, und stehen
ausreichend finanzielle Mittel für einen gegebenenfalls größeren
Kreis von Antragsberechtigten zur Verfügung?
F
Herr Kollege Koschyk, ich beant-worte Ihnen die Frage wie folgt: Mit Rundschreiben vom12. Februar diesen Jahres an die zuständigen oberstenBehörden der Länder hat das Bundesinnenministeriumseine unter dem 1. November 2001 an diese Behördenübersandten Bearbeitungshinweise für Feststellungengemäß § 10 Abs. 4 Satz 2 des Häftlingshilfegesetzes –HHG – durch die zuständigen Behörden der Länder umHinweise zur Anwendung des in § 1 Abs. 6 HHG nor-mierten Ausschlusstatbestandes ergänzt. Nach § 10 Abs. 4HHG stellen diese Behörden rechtlich bindend fest, ob je-mand dem Kreis der politischen Häftlinge im Sinne von§1 Abs. 1 HHG angehört. Dies ist nach § 1 Abs. 6 HHGnicht der Fall, wenn jemand zur Durchsetzung von Ar-beitsverpflichtungen – Zwangsarbeit – oder deshalb in Ge-wahrsam genommen wurde, um ihn als Vertriebenen oderAussiedler abzutransportieren.Die ergänzenden Hinweise stellen nochmals ausdrück-lich klar, dass es auf den primären Gewahrsamsgrund an-kommt und demzufolge ein aus sicherheitspolitischenGründen angeordneter Gewahrsam den Ausschlusstatbe-stand auch dann nicht erfüllt, wenn der aus sicherheitspo-litischen Gründen in Gewahrsam Genommene außerdem
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer22717
zur Arbeitsleistung herangezogen wird. Darüber hinauskann nach den ergänzenden Hinweisen bei Zivildepor-tierten aus den ehemaligen Reichsgebieten jenseits vonOder und Neiße zukünftig grundsätzlich, das heißt sofernkeine entgegenstehenden Tatsachen bekannt sind, davonausgegangen werden, dass der Gewahrsam primär sicher-heitspolitisch motiviert war.Es ist nicht auszuschließen, dass aufgrund der klarstel-lenden Hinweise das Vorliegen des Ausschlusstatbestan-des häufiger als in der Vergangenheit verneint wird undbei der hierfür zuständigen Stiftung für ehemalige politi-sche Häftlinge mehr Anträge auf Gewährung von Unter-stützungen zur Linderung einer Notlage im Sinne von§ 18 HHG eingehen werden. Auf die Förderung besteht,wie Sie wissen, kein Rechtsanspruch, ferner ist in § 16Abs. 1 HHG die Höhe der Mittel festgelegt, die der Stif-tung in den Jahren 2002 bis 2005 aus dem Bundeshaus-halt zur Verfügung gestellt werden. Es sind jährlich rund767 Millionen Euro. Im Übrigen wird die Bundesregie-rung die Entwicklung beobachten und gegebenenfalls ge-eignete Schritte vorschlagen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Koschyk,
bitte, zu einer ersten Nachfrage.
Herr Staatssekretär,
es ist aufgrund der ergänzenden Hinweise der Bundes-
regierung zur Anwendung des Häftlingshilfegesetzes der
Eindruck entstanden, dass der Tatbestand der Zwangsar-
beit auf diese Weise mit entschädigt werden soll. Ich habe
Ihren Ausführungen entnommen, dass dies nicht die In-
tention der klarstellenden Hinweise ist.
F
Dies kann ich nur unterstreichen.
Das sehe ich genauso.
Sie haben einge-
räumt, dass es durch diese Hinweise zu vermehrter An-
tragstellung kommen kann, Sie haben aber gleichzeitig
deutlich gemacht, dass die vermehrte Antragstellung nicht
die Hoffnung begründet, dass auch mehr Antragsteller mit
einer entsprechenden Förderung rechnen können, weil die
Bundeszuschüsse an die Häftlingshilfestiftung gedeckelt
sind. Sie haben auch gesagt, dass die Bundesregierung den
Vorgang sorgfältig beobachten wird. Heißt das, dass die
Bundesregierung gegebenenfalls, wenn die Mittel nicht
ausreichen, erwägt, den Bundeszuschuss an die Häftlings-
hilfestiftung aufzustocken?
F
Herr Kollege Koschyk, ich kann
konkret bejahen, dass diese Überlegungen angestellt wer-
den. Man muss abwarten, wie viele Anträge eingehen
werden. Die Bundesregierung sieht zumindest eine ge-
wisse Möglichkeit, in diesem Bereich durch Umschich-
tungen etwas zu tun.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Danke, Herr Staats-
sekretär.
Damit rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums der Justiz auf. Zur Beantwortung der Fragen steht
Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Eckart Pick zur
Verfügung.
Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert
auf:
Ist es zutreffend, dass die Bundesregierung – wie in der „Süd-
deutschen Zeitung“ vom 9. April 2002 berichtet – entgegen
kein Zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz mehr in
den Deutschen Bundestag einbringen wird, und wenn ja, aus wel-
chen Gründen nimmt sie von diesem wichtigen gesetzgeberischen
Vorhaben Abstand?
D
Herr Kollege Seifert, es ist nicht zu-
treffend, dass die Bundesregierung von der Vorlage eines
Entwurfs für ein Zivilrechtliches Antidiskriminierungsge-
setz Abstand genommen hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Erste Nachfrage, bitte,
Herr Kollege Dr. Seifert.
Herzlichen Dank für die Ant-
wort. Sie freut mich sehr. Können Sie mir jetzt bitte sagen,
wann Sie das einbringen werden? Wir wissen alle, dass
sich die Legislaturperiode dem Ende nähert. Wenn das
Gesetz noch verabschiedet werden soll – die Einbringung
allein nützt ja nichts, die Verabschiedung ist das Wich-
tige –, dann muss es in dieser oder der nächsten Sitzungs-
woche eingebracht werden.
D
Herr Kollege Seifert, die Bundes-
regierung ist bemüht, das Projekt zu befördern. Wir be-
finden uns im Moment in der Abstimmung mit den
anderen Ressorts, nachdem, wie Sie wissen, die Verbände
noch einmal beteiligt worden sind. Ich hoffe, dass es uns
gelingt, dieses Projekt noch vor Abschluss der Legislatur-
periode zu realisieren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Dr. Seifert hat
eine zweite Nachfrage.
Herr Staatssekretär, jetzt bin ich
schon etwas weniger optimistisch als nach Ihrer ersten
Antwort. Ihre Hoffnung in allen Ehren, aber Sie haben
doch bestimmt so etwas wie einen Zeitplan. Ich verweise
nur darauf, dass zum Beispiel verschiedene Behinderten-
organisationen sehr nachdrücklich gesagt haben, dass die-
ses Versprechen der rot-grünen Koalition nun eingelöst
werden müsse und es höchste Eisenbahn sei. Können Sie
nicht etwas konkretere Zeitangaben machen?
D
Herr Kollege Seifert, Sie wer-den Verständnis dafür haben, dass ich keine Prognosedazu abgeben will, wann die Abstimmung innerhalb der
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper22718
Bundesregierung beendet sein wird. Ich sage noch ein-mal: Das Bundesministerium der Justiz als federführen-des Ressort ist bestrebt, die Dinge möglichst schnell zumAbschluss zu bringen, damit der Entwurf Kabinettsreifeerlangt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe jetzt die Fra-
ge 7 des Kollegen Dr. Seifert auf:
Welche Bedenken wurden – insbesondere von Arbeitgeber-
verbänden und den Kirchen – gegen das Gesetzesvorhaben vor-
gebracht und wie will die Bundesregierung angesichts nach-
drücklicher Forderungen der Betroffenenorganisationen, zum
Beispiel von Menschen mit Behinderungen, von Migranten, von
Lesben und Schwulen und anderen, deren Diskriminierungen ja
geächtet und geahndet werden sollen, nach Verabschiedung eines
umfassenden Antidiskriminierungsgesetzes diesen Bedenken
künftig begegnen?
D
Herr Kollege Dr. Seifert, die
Verbände der Arbeitgeber haben sich dafür ausgespro-
chen, das Diskriminierungsverbot auf die durch die
Richtlinie vorgegebenen Fallgestaltungen zu beschrän-
ken. Die Kirchen haben sich für eine Herausnahme der
Merkmale „Religion“ und „Weltanschauung“ aus dem
Gesetzentwurf ausgesprochen. Die Bundesregierung
wird diese Bedenken im Rahmen der laufenden Res-
sortsabstimmung prüfen und bei dieser Prüfung die nach-
drücklichen Forderungen der Betroffenenorganisationen
berücksichtigen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Auch hier eine Nach-
frage des Kollegen Dr. Seifert.
Herr Staatssekretär, es handelt
sich hierbei um ein sehr wichtiges Vorhaben. Diskrimi-
nierungen jeglicher Art sollen nicht nur verboten, sondern
auch geahndet werden. Sie wissen so gut wie ich, dass die
von ihnen genannten Organisationen unter Umständen zu
den Diskriminierern gehören könnten und eigentlich die
Belange der Betroffenen und nicht die der Diskriminierer
geschützt werden müssten.
Ich verweise nur darauf, dass Ihre Ministerin am 3. De-
zember 2001, als sie den Entwurf ihres Gesetzes vorstellte,
ausdrücklich sagte, dass die Bundesregierung jeder Form
der Diskriminierung entschlossen entgegentrete und sich
zukünftig jeder wirkungsvoll wehren könne, wenn er dis-
kriminiert würde. Als zweiten Kernpunkt nannte sie aus-
drücklich: Auch berufsständische Vereine und Organisa-
tionen dürfen nicht diskriminieren.
Wenn jetzt Arbeitgeberverbände – ich bleibe einfach
einmal bei diesem Beispiel – bestimmte Tatbestände nicht
in das Gesetz aufgenommen haben wollen, ist dies mög-
licherweise bereits der Versuch der Diskriminierung.
Wollen Sie dies tatsächlich zulassen?
D
Herr Kollege Seifert, ich beurteile
die Stellungnahmen der Verbände etwas anders als Sie.
Ich denke, es ist das Recht der Verbände, unter anderem
den Vorschlag zu machen, das aufgrund der Richtlinie un-
abdingbar Notwendige umzusetzen und andere Vor-
schläge, die wir in unseren Entwurf eingebracht haben,
nicht Gesetz werden zu lassen. Ich halte dies insofern für
eine Meinungsäußerung, der man nicht folgen muss. Dies
ist aber eine andere Frage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die letzte Nachfrage
des Kollegen Seifert, bitte.
Ich kann nur hoffen, dass Sie
das Letztere, nämlich dieser Meinungsäußerung nicht zu
folgen, tun. Dass diese das Recht haben, ist unbestritten.
Meine Frage lautet: Welche Gewichte setzen Sie? Wol-
len Sie diejenigen, die Diskriminierungsverbote verhin-
dern, unterstützen oder diejenigen, die diskriminiert wer-
den, davor schützen? Nur dies kann das Ziel dieses
Gesetzes sein. Dass es nicht leicht ist, so etwas durchzu-
setzen, weiß jeder. Aber dieses, wie jetzt gemunkelt wird,
aus dem Wahlkampf heraushalten zu wollen, kann nicht
im Interesse einer Regierung liegen, die bürgerrechtliche
Ziele verfolgt.
D
Herr Kollege Seifert, ich denke, die
Gewichte ergeben sich aus der Tatsache, dass das Bundes-
ministerium der Justiz diesen Entwurf, der nach wie vor
für alle Welt erkennbar im Internet steht, vorgelegt hat.
In diesem Entwurf wird die Meinung des Hauses wider-
gespiegelt. Über diesen Vorschlag wird im Gesetzge-
bungsverfahren diskutiert werden.
Es ist richtig, dass wir weit über die Erfordernisse der
Richtlinie hinausgehen wollen. Diese Frage muss im Ge-
setzgebungsgang geklärt werden. Wir hoffen, dass wir un-
sere Vorstellungen weitgehend durchsetzen können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bedanke mich,Herr Staatssekretär. Die Fragen zum Geschäftsbereich desBundesministeriums für Wirtschaft und Technologie wer-den schriftlich beantwortet.Deshalb kommen wir bereits jetzt zum Geschäftsbe-reich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Be-antwortung steht Frau Parlamentarische StaatssekretärinBrigitte Schulte zur Verfügung.Die Fragen 10 und 11 werden schriftlich beantwortet,sodass ich jetzt die Frage 12 des AbgeordnetenDr. Hansjörg Schäfer aufrufe:Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung geplant, um dieerhebliche Lärmbelästigung – insbesondere durch Nachtflüge –der Bürgerinnen und Bürger, die im Einzugsgebiet von US-Mi-litärflughäfen leben, zu verringern, und welche speziellen Erwä-gungen gibt es hierbei zu den US-Stützpunkten in Ramstein undSpangdahlem, die seit dem 11. September 2001 eine auffälligeSteigerung der Starts und Landungen verzeichnen und fernerdurch die Auflösung der Rhein-Main-Airbase die jeweils ansäs-sige Bevölkerung einer neuerlichen Zunahme der Lärmimmissionaussetzen werden?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Parl. Staatssekretär Dr. Eckhart Pick22719
B
Frau Präsidentin! Meine lieben
Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Schäfer,
der Flugbetrieb auf deutschen wie auf amerikanischen
Militärflughäfen orientiert sich an den militärischen Ein-
satznotwendigkeiten. Um zu Belastungsreduzierungen im
Einzugsbereich von Militärflugplätzen beizutragen, wur-
den analog zu den Fluglärmkommissionen an deutschen
Luftwaffenplätzen auch an den amerikanischen Militär-
flughäfen auf deutschem Boden spezielle Kommissionen
eingerichtet. Die vom Fluglärm betroffenen kommunalen
Gebietskörperschaften sowie das zuständige Bundesland
werden dadurch an der Lösung der Lärmbelastungspro-
bleme beteiligt.
In Ramstein wurde nach den Terroranschlägen vom
11. September 2001 durch die große Zahl militärischer
und humanitärer Hilfsflüge natürlich ein erhöhter Flugbe-
trieb im Hinblick auf Afghanistan verzeichnet. Die An-
zahl der Flugbewegungen hat sich inzwischen allerdings
wieder dem Normalmaß angenähert. Zumindest augen-
blicklich ist ein bei diesem Flugplatz übliches Verkehrs-
aufkommen zu verzeichnen.
In Spangdahlem konnte mit Ausnahme einer geringfü-
gigen Steigerung in den Monaten September und Okto-
ber 2001 keine auffällige Änderung des örtlichen Flug-
betriebsaufkommens festgestellt werden. Detaillierte
Aussagen zur Änderung der Lärmbelastungen infolge der
geplanten Verlegung des militärischen Flugbetriebs von
der Rhein-Main-Airbase in Frankfurt nach Ramstein und
Spangdahlem sind derzeit noch nicht möglich. Im Rah-
men der diesbezüglich erforderlichen luftrechtlichen Ver-
fahren werden natürlich alle Auswirkungen der geplanten
Verlegung geprüft.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Schäfer
zu einer ersten Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin,
da ich leider Gottes zufällig in der Einflugschneise eines
dieser Flughäfen wohne
– es ist der am stärksten belastete Flughafen, nämlich der
in Ramstein –, muss ich Ihrer Aussage widersprechen und
frage Sie, ob Sie möglicherweise noch andere Erkennt-
nisse hinzuziehen können, da es in den letzten Monaten
aufgrund des Afghanistankrieges doch erheblich mehr
Belastungen – insbesondere in der Nacht – gab. Können
Sie diese Beobachtung von mir überprüfen lassen oder
eventuell jetzt schon bestätigen?
B
Ich kann sie Ihnen sogar dop-
pelt bestätigen, weil ich selbst von dort mit Transportflug-
zeugen der Bundeswehr in Richtung der Türkei geflogen
bin. Zur Unterstützung der amerikanischen Soldaten bei
der Vorbereitung ihrer Operationen wurden vermehrt
Flüge durchgeführt.
Selbstverständlich war zu diesem Zeitpunkt sowohl auf
amerikanischer Seite als auch bei befreundeten Nationen
und natürlich auch bei uns ein erhöhtes Transportaufkom-
men notwendig. Das will ich gar nicht bestreiten.
Inzwischen hat sich die Situation verändert. Nach mei-
nem Kenntnisstand – wir haben sorgfältig nachgefragt –
hat sich bei diesem ohnehin sehr stark frequentierten
Flugplatz gegenüber der Zeit vor September keine signi-
fikante Erhöhung ergeben. Das wollte ich auch zunächst
nicht glauben. Deshalb habe ich nachgefragt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine zweite Nach-
frage des Kollegen Schäfer.
Es mag an meinen prä-
senilen Schlafstörungen hängen, aber ich habe am letzten
Sonntag nachts um exakt 4 Uhr Flugbewegungen gehört.
Ich habe nachgesehen: Es waren Transportflugzeuge, die
den Flughafen Ramstein angesteuert haben. Es kann mir
keiner weismachen, dass es eine Minimierung des Flug-
lärms sein soll, wenn jetzt gegenüber früher, als solche
Flugbewegungen nie stattgefunden haben, Flugbewegun-
gen stattfinden.
B
Von einer Minimierung habe
ich nicht gesprochen.
Das ist ein stark frequentierter Bereich. Ich habe gesagt:
Im Vergleich zu dem, was sich nach dem 11. September
ereignet hat, ist der Flugbetrieb in diesem Jahr zurückge-
gangen. Das hängt auch damit zusammen, dass wir in-
zwischen andere Routen haben. Aber in dieser Situation,
in der Einsätze einschließlich deutscher Transporte not-
wendig sind und ein Militärflughafen wie dieser zusam-
men mit dem von Spangdahlem für die Amerikaner eine
große Bedeutung in Europa hat, kann ich sogar nachemp-
finden, dass der Lärm bei ganz normaler Belastung des
Flugplatzes für einen sensiblen Menschen sehr stark ist.
Das will ich überhaupt nicht bestreiten.
Ich danke Ihnen für das
Wort „sensibel“.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir bleiben beimThema Nachtflug und Fluglärm. Ich rufe nun die Frage 13des Kollegen Dr. Hansjörg Schäfer auf:Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung zum Urteildes 4. Senats des BVerwG vom 21. März 1996, in dem das Gerichtunter anderem feststellt: „... der Gesetzgeber ermächtigt den Ver-ordnungsgeber nicht, Immissionsgrenzwerte festzulegen, die imFalle einer summierten Immission zu einer Gesundheitsgefähr-dung der Betroffenen führen“, und diesbezüglich zu den Regionen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 200222720
rund um US-Militärflughäfen, und beabsichtigt die Bundesregie-rung in Anbetracht solcher Erkenntnisse, neuerliche Nachtflug-ausnahmegenehmigungen für US-Einheiten zu erteilen, wie diesin den zurückliegenden Jahren beispielsweise für die in Landstuhlstationierte USAREUR-Einheit geschah?B
Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Lieber Herr Kollege Schäfer, der Bundesre-
gierung ist bekannt, dass der 4. Senat des Bundesverwal-
tungsgerichts am 21. März 1996 mehrere Urteile verkün-
det hat. Allerdings hat keines dieser Urteile Immissionen
im Sinne des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm zum
Gegenstand. Daher lassen sich anhand dieser Urteile
keine Maßnahmen für Flugplätze ableiten.
Trotzdem misst die Bundesregierung allen Aspekten,
die der Belastungsreduzierung der von notwendigen mi-
litärischen Übungen betroffenen Bevölkerung dienen,
große Bedeutung bei. Auch aus diesem Grunde wurde
schon bei den für die Sommermonate der letzten drei
Jahre geltenden Nachtflugausnahmegenehmigungen das
Prinzip einer ausgewogenen Belastungskompensation für
die betroffenen Bürger konsequent verfolgt.
Da die militärischen Notwendigkeiten für Nachteinsätze
mit Hubschraubern auch für die Bundeswehr bestehen, ist
die Einführung einer diesbezüglichen Dauerregelung ge-
plant, die wie üblich mit den Ländern abgestimmt wird.
Diese Dauerregelung wird im Vergleich zu den Vorjahren
eine noch weitergehende Belastungskompensation für die
betroffene Bevölkerung enthalten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Schäfer,
auch hier haben Sie die Möglichkeit zu einer Nachfrage.
Frau Staatssekretärin,
Ihnen ist sicherlich bekannt, dass für die Novellierung des
Fluglärmgesetzes ein Positionspapier erarbeitet worden
ist, in dem für Nachtflüge ein Grenzwert von 50 Dezibel
vorgesehen ist. Wie stellen Sie sich vor, dass im Rahmen
der Summierung, zum Beispiel im Bereich des Flughafens
Ramstein durch Sommernachtflugübungen von Hub-
schraubern, durch Zielanflüge im Rahmen des Polygon-
Betriebs, durch Nachtflugbetrieb des Flughafens Ram-
stein während des Afghanistaneinsatzes, ein solcher Wert
realistisch erreichbar sein könnte?
B
Ich stelle mir Folgendes vor:
Erstens. Ich will überhaupt nicht bestreiten, dass dies eine
Belastung für die Bevölkerung ist. Zweitens. Die jewei-
lige sicherheitspolitische Lage, in der wir uns befinden, ist
ausschlaggebend. Drittens. Wenn es die sicherheitspoliti-
sche Lage erlaubt, müssen wir auf die betroffenen An-
wohner sehr viel stärker Rücksicht nehmen.
Ich kenne von früheren Besuchen beide Flughäfen und
weiß um die Sorgen von Anwohnern. Ich bin auch mit
amerikanischen Luftwaffenoffizieren in den 80er-Jahren
schon dort gewesen. Ich habe mir die Lage in Spangdah-
lem angesehen und das Ganze miterlebt.
Lösungen lassen sich nur in folgendem Rahmen er-
möglichen: Erstens. Wir können auf die Dauer vielleicht
leisere Triebwerke entwickeln. Das müsste bei Transport-
flugzeugen leichter als bei Kampfflugzeugen möglich
sein. Zweitens. Außerhalb von Krisenzeiten müssen wir
die Zeit sorgfältiger nutzen, um diese Flugplätze gerade
von Nachtflügen zu entlasten. Aber im Moment kann ich
Ihnen da wenig Hoffnung machen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine letzte Nachfrage.
Ich versuche, meine
Hoffnung trotzdem zu vermehren, indem ich Sie frage, ob
Sie Möglichkeiten sehen, dass immerhin eine dieser
Lärmbelastungsquellen wenigstens für die Dauer des
Afghanistaneinsatzes eingeschränkt wird. Das wäre zum
Beispiel der Nachtübungsflug von Hubschraubern in die-
ser Gegend.
B
Das Dilemma ist Folgendes: Es
sind nicht die gleichen Besatzungen, die sich im Einsatz
befinden und die so etwas trainieren, um es zu beherr-
schen. Man braucht aber beide Besatzungen. Bei einem
Teil der Nachtflüge habe ich an Sie gedacht, ohne zu wis-
sen, dass Sie unmittelbar in der Nähe wohnen.
Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Herr Kollege. Wir
werden uns das bei Gelegenheit ansehen. Wir können uns
das von den Amerikanern einmal zeigen lassen.
Für diese Geste wäre
ich Ihnen dankbar.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Danke, Frau Staats-
sekretärin.
Die Fragen 14, 15 und 16 werden schriftlich beant-
wortet.
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Gesundheit auf. Zur Beantwortung der Fragen
steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun
Schaich-Walch zur Verfügung.
Wir kommen nun zur Frage 17 des Abgeordneten
Dr. Michael Luther:
Kann die Bundesregierung bestätigen, dass die in der Antwort
der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der
CDU/CSU genannte Summe
von 853 546,38 Euro tatsächlich alle Kosten für die seit Beginn
der Legislaturperiode vollzogenen Entlassungen der zwei Staats-
sekretäre und fünf Abteilungsleiter des Bundesministeriums für
Gesundheit umfasst?
G
Herr Kollege Luther,aufgrund Ihrer Frage habe ich die damaligen Berechnun-gen noch einmal nachvollziehen lassen. Dabei hat sich be-dauerlicherweise gezeigt, dass die Berechnung insoweitfehlerhaft war, als die Versorgungsleistungen für einen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Vizepräsidentin Petra Bläss22721
Abteilungsleiter nicht berücksichtigt worden sind. Dierichtige Zahl lautet nach Überprüfung 1106687,87 Euro.
Ich füge hinzu, dass sich die Ruhestandsbezüge durchAnrechnungsvorschriften reduzieren, sobald die betroffe-nen Personen über andere Einkünfte verfügen. Das trifftnach unserer Erkenntnis derzeit für mindestens zwei derin den Ruhestand Versetzten zu. Zu den Gesamtkosten fürdie seit dem Regierungswechsel in den einstweiligen Ru-hestand versetzten Angestellten kann ich keine Aussagemachen, weil wir davon ausgehen, dass künftig noch wei-tere in den Ruhestand versetzte Kolleginnen und Kolle-gen ein anderes Arbeitsverhältnis antreten werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Luther,
eine Nachfrage, bitte.
Frau Kollegin
Schaich-Walch, ich bitte Sie, uns die Berechnungen, die
dem Haushaltsausschuss seinerzeit übermittelt worden
sind, in aktualisierter Form vorzulegen, und schließe die
Frage an, welche Kosten die zusätzlichen Veränderungen
verursachen. Damals ging es um einen Staatssekretär und
zwei Abteilungsleiter, jetzt geht es um zwei Staatsse-
kretäre und fünf Abteilungsleiter. Der Umfang der Frage
hat sich also nicht durch uns, sondern durch Ihr Handeln
erweitert. Lässt sich diese Frage beantworten?
G
Ich sichere Ihnen
zu, dass wir Ihnen mitteilen werden, um welchen Diffe-
renzbetrag es sich gehandelt hat. Er ist dadurch entstan-
den, dass insgesamt fünf Personen in den Ruhestand
versetzt worden sind, die Mitteilung an den Haushalts-
ausschuss aber nur die Kosten für vier Personen enthielt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Haben Sie noch eine
zweite Nachfrage, Herr Luther?
Nein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Nach-
frage des Kollegen Schäfer, bitte.
Frau Staatssekretärin,
wie stellt sich die Rechtslage in Bezug auf die Entlassung
eines politischen Beamten bzw. eines Angestellten in ent-
sprechender Funktion dar?
G
Herr Kollege Schäfer,
nach dem geltenden Beamtengesetz erhalten die betroffe-
nen Personen bei einer Versetzung in den einstweiligen Ru-
hestand bzw. bei der Anordnung des Ruhens des Dienst-
verhältnisses für drei Monate ihre vollen Bezüge. Danach
wird ein Übergangsgeld in Höhe von 75 Prozent für die
Dauer der Zeit gezahlt, in der die Funktion wahrgenom-
men wurde, mindestens jedoch für sechs Monate und
längstens für drei Jahre. Dabei ist jeder in dieser Zeit er-
zielte Verdienst anzurechnen. Für einen Versorgungsan-
spruch müssen mindestens die Probezeit und die fünf-
jährige Wartezeit erfüllt sein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jetzt kommen wir zur
Frage 18 des Abgeordneten Dr. Michael Luther:
Wie erklärt die Bundesregierung die Diskrepanz zwischen der
in dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen
Leitungsbereich des BMG und der in der Antwort der Bundesre-
tern im Leitungsbereich des BMG?
G
Die dem Haus-
haltsausschuss mitgeteilte Zahl von 53 Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern setzt sich aus dem Leitungsstab sowie
den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Büros der Par-
lamentarischen Staatssekretärin, des Staatssekretärs so-
wie der Geschäftsstelle der Drogenbeauftragten zusam-
men.
Der Leitungsstab umfasst 38Mitarbeiter; dazu gehören
das Büro der Ministerin einschließlich der Persönlichen
Referentin der Ministerin, das Referat Grundsatzfragen
der Gesundheitspolitik, Frauen und Gesundheit, das Pres-
sereferat, das Referat Öffentlichkeitsarbeit, das Kabinett-
und Parlamentreferat und das Verbindungs- und Koor-
dinationsreferat.
Eine ganze Reihe der 53 Beschäftigten nimmt –wie Sie
dieser Auflistung entnehmen konnten – Koordinierungs-
aufgaben wahr, die sich durch die Umsetzung des
Bonn/Berlin-Beschlusses entwickelt haben. Das von uns
damit eingeführte Organisationskonzept hat zum Ziel, die
Bonner Arbeitseinheiten so weit wie möglich von der
Wahrnehmung von Terminen in Berlin zu entlasten und
dadurch den durch das Bonn/Berlin-Gesetz bedingten
Aufwand zu minimieren. Der Zuwachs von 15 Mitarbei-
tern stellt im Übrigen auch im Ressortvergleich durchaus
eine sparsame Lösung dar. In der Antwort auf die Kleine
Anfrage wurde demgegenüber die Zahl der Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeiter, die mit Leitungsaufgaben im klas-
sischen Sinne betraut sind, genannt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Luther
hat auch hierzu eine Nachfrage.
Gestatten Sie mirdie Vorbemerkung, dass es einigermaßen verwirrend ist,wenn Sie einmal von 37, dann von 53, von 24 und von38 Mitarbeitern im Leitungsbereich reden. Dem Haus-haltsausschuss ist eindeutig mitgeteilt worden, dass essich um 53 Mitarbeiter handelt. Deshalb frage ich Sie:Wen rechnen Sie zum Leitungsbereich und wen haben Siegegenüber dem Haushaltsausschuss zum Leitungsbereichgerechnet?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Parl. Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch22722
G
Zum Leitungsbe-
reich rechnen wir die von uns angegebenen 53 Mitarbei-
ter, die – wie ich bereits ausgeführt habe – im Leitungs-
stab, in den Büros der Parlamentarischen Staatssekretärin,
des Staatssekretärs und der Geschäftsstelle der neu hinzu-
gekommenen Drogenbeauftragten und in dem Leitungs-
stab der Ministerin, der die Bereiche umfasst, in denen
Koordinierungsaufgaben zu leisten sind, tätig sind. Alles
zusammen ergibt 53 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Noch eine Nachfrage?
Ich habe noch eine
Nachfrage. – Teilen Sie meine Einschätzung, dass, wenn
53 von insgesamt 503 Mitarbeitern im Ministerium zum
Leitungsbereich gehören und damit jeder Zehnte im Lei-
tungsbereich arbeitet, diese Zahl etwas hoch ist und Sie
damit im Vergleich zu anderen Bundesministerien an der
Spitze liegen?
G
Wir haben das ge-
prüft und ich kann feststellen, dass wir durchaus im mitt-
leren Bereich liegen. Das Gesundheitsministerium ist ein
Ministerium mit sehr vielen Aufgaben im Bereich der Ge-
setzesvorbereitung und -umsetzung. In diesem Zusam-
menhang ergeben sich viele Fragen, die auch die Bevöl-
kerung sehr intensiv betreffen. Damit wir diese Fragen
rechtzeitig beantworten können und auch die Zuarbeit für
die Abgeordneten in einem entsprechenden Maße geleis-
tet werden kann, ohne dass ein großer Teil von Mitarbei-
terinnen und Mitarbeitern permanent zwischen Bonn und
Berlin hin- und herpendeln müssen, haben wir uns für
diese Lösung entschieden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Wolf hat
auch noch eine Nachfrage.
Es gibt andere Ministerien,
die weit hinter der Quote von 10,5 Prozent leitender Mit-
arbeiter im Verhältnis zur Gesamtzahl der Mitarbeiter lie-
gen. Dabei handelt es sich durchaus um Ministerien, die
in Bonn ihren Sitz haben. Wie begründet denn das BMG,
dass es mit 10,5 Prozent im Verhältnis zu anderen Minis-
terien, die durch das Hin- und Herpendeln zwischen Ber-
lin und Bonn die gleichen personellen Probleme haben, so
weit vorne liegt?
G
Ich habe bereits
dargelegt, welche Aufgaben das Ganze umfasst, und
meine, dass wir damit eine vernünftige Personalausstat-
tung gefunden haben, die, wie gesagt, dem Umfang der
Aufgaben Rechnung trägt, die aber auch dafür Sorge trägt,
die Belastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in
Grenzen zu halten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe jetzt die
Frage 19 des Kollegen Wolfgang Zöller auf:
In welcher Weise hat das BMG die in dem Bericht des Bun-
desrechnungshofes vom 10. Juni 1996 genannten Forderungen zur
Straffung und Verschlankung der Organisationsstruktur des BMG
umgesetzt?
G
Für die Prüfung
hatte der Bundesrechnungshof zunächst die damalige Ab-
teilung 4 – Verbraucherschutz, Veterinärmedizin – ausge-
wählt. Im Laufe der Untersuchung wurden zahlreiche
Kommunikationsbeziehungen zu Referaten der Unterab-
teilung Z 2 – Angelegenheiten der Europäischen Union,
Internationale Zusammenarbeit – sowie der damaligen
Unterabteilung 11 – Grundsatz- und Planungsangelegen-
heiten – festgestellt, die dazu führten, dass die Prüfung auf
Referate dieser Unterabteilung ausgedehnt wurde.
Die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes hat die
damalige Leitung des BMG in zwei Klausurtagungen
aufgegriffen und in die eigenen Überlegungen zur Ver-
schlankung der Organisationsstrukturen und zur Ab-
schichtung von Aufgaben einbezogen. Als Ergebnis die-
ses mehrjährigen Prozesses waren bereits die damalige
Unterabteilung 11 als Grundsatz- und Planungsabteilung
und mehrere kleine Referate aufgelöst worden. Die Ab-
teilung 4, die primär Gegenstand der Untersuchung des
Bundesrechnungshofs war, ist bis auf geringe Ausnahmen
im vergangenen Jahr in das Bundesministerium für Ver-
braucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft verlagert
und eingegliedert worden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Zöller,
bitte.
Ich kann Folgendes
nicht ganz nachvollziehen – vielleicht können Sie mir das
erläutern –: Sie haben gesagt, es seien Abteilungen in das
Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft ausgelagert worden. Trotzdem ist die
Anzahl der Beschäftigten gestiegen.
G
Wir haben zwar
Referate, die sich mit dem Verbraucherschutz befasst ha-
ben, ausgegliedert, gleichzeitig aber neue Aufgaben über-
nehmen müssen. Ich trage Ihnen das gerne vor: Das sind
das Referat Gesamtwirtschaftliche Aspekte des Gesund-
heitswesens, das zusätzliche Arbeitsfeld Bündnis für Ar-
beit und das Referat Arzneimittelsicherheit. Ferner hat
sich aus der neuen Aufgabenverteilung ergeben, dass wir
Spiegelreferate zum Bundesministerium für Verbraucher-
schutz, Ernährung und Landwirtschaft vorhalten müssen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Zöller
hat noch eine zweite Frage.
Aus der Tatsache, dassdie Ministerien auch noch Spiegelreferate benötigen,kann ich nur die Schlussfolgerung ziehen, dass die Auf-gabenverteilung der Ministerien nicht sehr sinnvoll ge-wesen sein kann. Sehen Sie das anders?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002 22723
G
Natürlich sehe ich
das anders; denn ich gehe davon aus, dass mein Ministe-
rium und das Ministerium für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft in den verschiedensten
Bereichen, zum Beispiel im Bereich der Arzneimittelsi-
cherheit und der Tierarzneimittel, unter gesundheitspoli-
tischen Gesichtspunkten durchaus zu unterschiedlichen
Einschätzungen kommen können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt eine Nach-
frage der Kollegin Annette Widmann-Mauz.
Frau Staats-
sekretärin, wenn im Leitungsstab, wie Sie uns jetzt mit-
geteilt haben, heute 53 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
beschäftigt sind – das entspricht gemessen an der Ge-
samtbeschäftigtenzahl einem Anteil von 10,5 Prozent –,
stellt sich die Frage: Warum haben Sie in der Antwort auf
die Kleine Anfrage meiner Fraktion behauptet, dass
38 Beschäftigte im Leitungsstab – das entspricht einem
Anteil von 7,6 Prozent – tätig seien? Können Sie mir diese
Diskrepanz erklären?
G
Das habe ich ge-
rade eben deutlich gemacht: Zum Leitungsbereich des
BMG gehören neben dem Leitungsstab die Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen der Parlamentarischen Staatssekre-
tärin, des Staatssekretärs und der Drogenbeauftragten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Nachfrage des
Kollegen Wolf.
Wir kennen ja nun die
Empfehlungen des Bundesrechnungshofs. In der Antwort
auf unsere Kleine Anfrage haben Sie auch die Zahlen der
Mitarbeiter aufgelistet, die in den Leitungsbereichen der
anderen Ressorts tätig sind. Wieso haben Sie bei diesen
Ressorts eine andere Berechnungsgrundlage verwendet
als im Bundesgesundheitsministerium, wenn Sie tatsäch-
lich zu vergleichbaren Ergebnissen kommen wollten?
G
Ich habe Ihnen
schon vorhin die Grundlage für die Berechnung der
53 Stellen erklärt. Ich habe dem nichts hinzuzufügen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 20
des Kollegen Wolfgang Zöller auf:
Wie viele Referate gab es zum 1. Oktober 1998 in den Abtei-
lungen Z, 1, 2 und 3 des BMG und wie viele Referate waren dies
zum 1. März 2002?
G
Am 1. Oktober 1998
gab es in den Abteilungen Z, 1, 2 und 3 des BMG insge-
samt 60 Referate. Am 1. März 2002 waren es 67 Referate.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Zöller
zu einer Nachfrage, bitte.
Können Sie für diesen
Zeitraum auch die Referate für den Leitungsbereich be-
nennen?
G
Das kann ich. Ich
habe Ihnen für diesen Zeitraum aufgelistet, welche Berei-
che der Leitungsbereich umfasst, also nicht nur Referate,
sondern auch Arbeitseinheiten. Ich wiederhole es aber
gern, Herr Kollege: Das sind die Referate Grundsatzfra-
gen der Gesundheitspolitik, Frauen und Gesundheit, Pres-
sereferat, Öffentlichkeitsarbeit, Kabinett- und Parlament-
referat, Verbindungs- und Koordinationsreferat. Diese
Referate sind in der genannten Zahl von 67 Referaten
nicht enthalten.
Neu hinzugekommen, Herr Kollege Zöller, sind das
Referat Gesamtwirtschaftliche Aspekte des Gesundheits-
wesens, das ich vorhin schon erwähnt habe, das Referat
Arzneimittel, in dem eigenständig die immer drängender
werdenden Fragen der Arzneimittelsicherheit behandelt
werden, das Referat Tierarzneimittel und Veterinärberufe
– das resultiert aus der Trennung; dieses Referat ist sinn-
vollerweise bei uns angesiedelt und nicht in der Abtei-
lung 4 geblieben, die in das BMVEL ausgelagert worden
ist –, das Referat Qualitätssicherung, Verbraucherschutz
und Bürgerrechte in der Pflege – die Einrichtung dieses
Referates war eine sinnvolle Reaktion auf die zuneh-
mende Zahl von Berichten, nach denen die Pflege bei uns
im Großen und Ganzen sehr gut ist, es aber auch viele Vor-
kommnisse gibt, die zeigen, dass es einer Korrektur der
Situation in den Pflegeeinrichtungen bedarf –, das Refe-
rat Ernährungsmedizin, das Referat Gesundheitssicher-
stellung – dort sind im Wesentlichen die Aufgaben ange-
siedelt, die infolge des Anschlages vom 11. September
entstanden sind; ich verweise auf Vorkehrungen und Si-
cherheitsmaßnahmen in Bezug auf Bioterrorismus; die
Aufgaben werden gemeinsam mit dem Robert-Koch-Insti-
tut geleistet – und das Referat Betäubungsmittelverkehr
und Arzneimittelmissbrauch; das betrifft ein immer wich-
tiger werdendes Thema, was besonders deutlich wird,
wenn wir an die Kindergesundheit denken.
Die Aufzählung macht deutlich, dass es darum ging,
auf gesundheitspolitisch wichtige Entwicklungen auch
organisatorisch zu reagieren. Darüber hinaus waren die
absolut notwendigen Spiegelreferate zum BMVEL, die
ich schon erwähnt habe, zu bilden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt eine weitere
Nachfrage des Kollegen Zöller und dann noch eine Nach-
frage des Kollegen Wolf. Bitte, Herr Zöller.
Habe ich Ihre Aus-führungen richtig verstanden, dass es sieben zusätzlicheReferate sind?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 200222724
G
Ja.
Danke schön.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Wolf, bitte.
Man merkt an den Fragen,
dass wir wissen wollen, ob der Personalbestand im Bun-
desgesundheitsministerium aufgebläht worden ist. Sie ha-
ben ausgeführt, dass der Leitungsstab 38 Mitarbeiter um-
fasst, der Leitungsbereich aber 53 Mitarbeiter umfasst. In
der Beantwortung unserer Kleinen Anfrage, in der nach
dem Leitungsbereich gefragt wurde, haben Sie 38 aufge-
führt. Korrekterweise hätten Sie schon damals „53 Be-
schäftigte“ antworten müssen und diese ins Verhältnis zu
der Zahl in den übrigen Ministerien setzen müssen.
Warum haben Sie die Frage damals nicht korrekt beant-
wortet, wie Sie sie heute beantwortet haben?
G
Ich kann nicht fin-
den, dass wir die Frage damals nicht korrekt beantwortet
haben. Es sind die 38 Mitarbeiter der Bereiche, deren Auf-
gaben ich gerade noch einmal spezifiziert aufgeführt habe.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt eine weitere
Frage, nämlich von der Kollegin Dr. Margrit Spielmann.
Frau Staatssekretärin,
können Sie noch etwas zur spezifischen Aufgabenstellung
der neu geschaffenen Referate sagen?
G
Frau Kollegin, da-
rauf gehe ich gern ein. In dieser Legislaturperiode hat es
im Gesundheitsbereich Situationen gegeben, die sich für
unsere Bevölkerung zugespitzt haben. Dazu gehörte die
sich verschärfende Situation im Bereich BSE, die auch bis
heute noch nicht in Gänze ausgestanden ist. Dazu gehörte
ferner, dass es immer mehr neue Arzneimittel gibt, die
auch nach einem eingehenden Zulassungsverfahren
durchaus noch Probleme mit sich bringen. Wir haben wei-
ter beobachtet, dass gerade Kinder häufig mit Medika-
menten behandelt werden, die ihre Hyperaktivität etwas
dämpfen sollen, um sie für den schulischen Alltag unan-
gebrachterweise, so sage ich einmal, etwas fitter zu ma-
chen. Wir mussten uns intensiver als bisher damit ausei-
nander setzen, wie Tierarzneimittel wirken, wenn sie in
die Nahrungskette gelangen.
Das sind einige Gründe dafür, warum wir diese neuen
Aufgabenbereiche gebildet haben. Ich bin der festen
Überzeugung, dass die neuen Aufgaben, die sich uns stel-
len, diese Maßnahmen erforderlich machen. So können
wir die Sicherheit der Menschen in einem hohen Maße ga-
rantieren und können uns inhaltlich intensiv um die Frage
kümmern, wie es zu solchen Entwicklungen kommt. Wir
hätten uns bis zum 11. September nicht vorstellen können,
in welchem Ausmaß wir durch bioterroristische Aktionen
bedroht werden können. Diese Bedrohung macht Ände-
rungen an verschiedenen Stellen im Gesundheitsbereich
notwendig, damit eine klare, schnelle Reaktion erfolgen
kann. An diesen Erfordernissen haben wir die verschiede-
nen Bereiche in den neuen Referaten ausgerichtet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nun kommen zwei
weitere Nachfragen, eine des Kollegen Luther und eine
der Kollegin Widmann-Mauz.
Ich als Abgeord-
neter fühle mich ein wenig hinters Licht geführt oder
verstehe Sie einfach nicht; das kann auch sein. Ich habe
vorhin nachgefragt, wie viele Mitarbeiter zum Leitungs-
bereich gehören. Sie haben geantwortet: 53. In der Ant-
wort auf unsere Kleine Anfrage, wie viele Mitarbeiter es
im Leitungsbereich gibt, steht: 38. Auf die Nachfrage
nach der richtigen Zahl haben Sie vorhin gesagt, die Zahl
38 sei richtig. Deswegen stelle ich folgende Frage: Wel-
che der beiden Aussagen, die Sie gemacht haben, ist rich-
tig? Gehören zum Leitungsbereich 53 oder 38 Mitarbei-
ter?
G
In allen Stellen zu-
sammen, also im Leitungsstab der Ministerin mit den ver-
schiedenen Referaten, die ich aufgezählt habe, in den
Büros des Staatssekretärs und der Parlamentarischen
Staatssekretärin sowie im Büro der Drogenbeauftragten,
gibt es 53 Mitarbeiter im Leitungsbereich. Der Teil, der
dem Leitungsstab zugeordnet ist, bringt es mit den Per-
sönlichen Referenten und den einzelnen Referaten auf
38 Mitarbeiter.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Widmann-Mauz,
bitte.
Frau Staats-
sekretärin, auch ich möchte hierzu eine Nachfrage stellen.
Können Sie bestätigen, dass im Leitungsbereich Ihres
Hauses, wie Sie das heute ausgeführt haben, 53 Mitarbei-
terinnen und Mitarbeiter beschäftigt sind? Wenn Sie die-
ses bestätigen können, wie stehen Sie dann zu Ihrer Ant-
wort auf die Kleine Anfrage, in der wir gefragt haben, wie
viele Mitarbeiter zum Stichtag 1. Januar 2002 im Lei-
tungsbereich beschäftigt sind und auf die Sie geantwortet
haben, dass dies 38 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
seien?
G
Ich kann nur wie-derholen: Insgesamt gibt es 53 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter im Leitungsbereich. 38 Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter gibt es im Leitungsstab der Ministerin, wozu auchihre Persönliche Referentin und die Mitarbeiter in den da-zugehörigen Referaten zählen, die ich Ihnen aufgezählthabe. Das gebe ich Ihnen gerne schriftlich. Der andereAnteil entfällt auf die Parlamentarische Staatssekretärin
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002 22725
mit ihrem Büro, auf den Staatssekretär mit seinem Büround auf das Büro der Drogenbeauftragten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege von
Klaeden, auch Sie wollen eine Nachfrage stellen.
Frau Staatssekre-
tärin, warum haben Sie die Frage denn dann nicht korrekt
beantwortet?
G
Haben Sie Zweifel
an der Zahl 53 oder an der Zahl 38?
Ich habe Zweifel
an der Korrektheit Ihrer schriftlichen Antwort, die Sie auf
unsere Kleine Anfrage gegeben haben. Ich finde es ein
wenig unverschämt, wie Sie versuchen, diese falsche An-
gabe dem Parlament gegenüber ins Lächerliche zu ziehen.
Also: Warum haben Sie diese Frage in der Kleinen An-
frage falsch beantwortet?
G
Ich habe diese
Frage nicht falsch beantwortet. Meine Antwort habe ich
Ihnen nun näher ausgeführt.
Gehören Sie als
Parlamentarische Staatssekretärin nicht zum Leitungs-
bereich des Ministeriums?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege von
Klaeden, ich muss Sie bremsen; Sie dürfen nur eine Nach-
frage stellen. Wir bleiben ja aber noch bei diesem Thema.
Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Wolfgang Lohmann
auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, dass die Stellenhebung
der Leiterin des Leitungsstabes des BMG auf B 6 mit einem
ku-Vermerk im Haushaltsplan verbunden ist?
G
Herr Kollege
Lohmann, dieser Vermerk wurde im Zuge der Haushalts-
beratungen 2002 in den Haushaltsplan aufgenommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Erste Nachfrage.
Bitte, Herr Kollege Lohmann.
Frau Staatssekretärin, bedeutet dieser ku-Vermerk im
Haushaltsplan eine Umwandlung der als Nächstes frei
werdenden B-6-Planstelle in eine B-3-Planstelle? Resul-
tiert daraus eine Benachteiligung der Person, die als
Nachfolger eines derzeitigen B-6-Stelleninhabers be-
nannt wird?
G
Die nächste B-6-
Planstelle wird durch Erreichen der Altersgrenze des Stel-
leninhabers zum 1. September 2002 frei. Sie ist aufgrund
des genannten ku-Vermerks in eine Planstelle der Besol-
dungsgruppe B 3 umzuwandeln. Welche Funktion dieser
Planstelle letztendlich zugeordnet sein wird, hängt von
der noch ausstehenden Personalentscheidung für die Ende
August frei werdende Stelle eines Unterabteilungsleiters
ab. Entsprechend den sich daraus ergebenden Anforde-
rungen werden unter Umständen Gespräche mit dem Fi-
nanzminister zu führen sein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Kollege Wolf hat
das Wort zu einer Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, Sie
haben – das haben wir bereits festgestellt – auf die Kleine
Anfrage der Union hinsichtlich der 38 Mitarbeiter nicht
ganz korrekt geantwortet. In Frage 14 der Kleinen Anfrage
haben wir gefragt, ob es durch die B-6-Stelle im Leitungs-
bereich zu Benachteiligungen von im BMG langjährig
tätigen Mitarbeitern kommt. Sie haben geantwortet: Nein,
es gibt keine Benachteiligung. Ergibt sich aus der Um-
wandlung einer B-6-Stelle in eine B-3-Stelle keine Be-
nachteiligung desjenigen, der nun diese Stelle einnimmt?
G
Es gibt derzeit
keine Benachteiligung, weil nicht abzusehen ist, welche
Personalentscheidung in welcher Form getroffen werden
kann. Solange die Anforderungen nicht völlig klar sind
und nicht feststeht, ob eventuell jemand aus dem Hause
oder jemand anderer diese Stelle besetzen wird, ist dies
eine bloße Unterstellung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt eine weitere
Nachfrage des Kollegen Luther.
Frau Staatssekretä-
rin, Sie sagten, dass am 1. September eine B-6-Stelle al-
tershalber ausscheidet. Ich möchte Sie fragen, um welche
Stelle in welchem Referat es sich handelt, die dann in eine
B-3-Stelle umgewandelt wird?
G
Es scheidet keine Stelle,
sondern eine Person aus, Herr Luther. Die Stelle im Stel-
lenplan wird von dieser Person dann nicht mehr besetzt. Es
scheidet – das sage ich noch einmal – die Person aus.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jetzt rufe ich die Fra-ge 22 des Kollegen Wolfgang Lohmann
auf:Welcher Besoldungsgruppe bzw. Tarifgruppe gehörten die inder Antwort der Bundesregierung zur Frage 6 der Kleinen Anfrageder Fraktion der CDU/CSU – Bundestagsdrucksache 14/8459 –erwähnten Mitarbeiter, die zuvor in den Fraktionen der SPD unddes Bündnisses 90/Die Grünen beschäftigt waren, vor ihrer Ein-stellung in das BMG an und in welcher Zeit haben sie innerhalb
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Parl. Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch22726
des BMG ihre gegenwärtige Besoldungsgruppe bzw. Tarifgruppeerreicht?G
Die Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeiter der Fraktionen werden in der Regel
entsprechend dem BAT vergütet. Ich bitte jedoch um Ver-
ständnis, wenn ich zu der konkreten Einstufung durch ei-
nen anderen Arbeitgeber keine Auskunft geben kann. Seit
Eintritt der genannten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in
das BMG richten sich die Arbeitsverhältnisse und ihre
Dotierung nach den einschlägigen Bestimmungen für die
Bundesverwaltung, insbesondere nach dem Bundesange-
stelltentarifvertrag. Dies gilt selbstverständlich auch für die
nachfolgenden Höhergruppierungen, die sämtlich aus tarif-
lich veranlassten Arbeitsplatzüberprüfungen resultieren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Lohmann, eine Nachfrage, bitte.
Ich
habe in diesem Zusammenhang die Frage, in welchen
Zeiträumen solche Beförderungen der übrigen Mitarbei-
ter im BMG, die zuvor nicht den Fraktionen der SPD und
des Bündnisses 90/Die Grünen beschäftigt waren, übli-
cherweise vorgenommen werden.
G
Ein Gruppenleiter
wurde innerhalb von zwei Jahren von BAT I a nach BAT I
befördert. Ein weiterer Mitarbeiter wurde innerhalb eines
Jahres von BAT-O II a nach BAT-O I b höher gruppiert.
Der ehemalige Leiter des Ministerbüros wurde ein halbes
Jahr nach Eintritt in das BMG von BAT I a nach BAT I
höher gruppiert.
Im Übrigen wurden, wie bereits ausgeführt, der Leite-
rin des Ministerbüros, die über langjährige ministerielle
Erfahrung verfügt, die Leitung des Leitungsstabes über-
tragen. Sie erhält seit Beginn dieses Jahres nach Hebung
einer B-3-Planstelle eine außertarifliche Vergütung ent-
sprechend B 6.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die zweite Nachfrage,
bitte.
Mir ging es bei der Frage weniger um die Darstellung, wer
wann befördert worden ist – auch dafür bin ich dankbar –,
sondern um die Frage, wie üblicherweise bei den übrigen,
die diesen Vorteil nicht haben, vorgegangen wird.
G
Es entspricht dem
üblichen Vorgehen in einer Vielzahl von Fällen, wie Sie
sehen.
Kann man also davon ausgehen, wenn ich das noch fra-
gen darf, dass das, was Sie geschildert haben, das normale
und übliche Verfahren bei allen Mitarbeitern ist, unab-
hängig davon, ob sie früher – –
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Lohmann, das ist jetzt nicht mehr zulässig gewesen.
– Auch dieser Kommentar ist eigentlich nicht zulässig.
Wir kommen jetzt zur Frage 23 des Kollegen Aribert
Wolf – es geht um die Einstufung der Leiterin des Lei-
tungsstabes:
Wie begründet die Bundesregierung die Einstufung der Leite-
rin des Leitungsstabes analog zu einer Leiterin einer Unterabtei-
lung, falls die Bundesregierung die vom BMF in seinem Schreiben
vom 7. November 2001, Ausschussdrucksache 14/3100 des Haus-
haltsausschusses, genannte Zahl von 53 Mitarbeitern des Lei-
tungsbereichs nicht bestätigen kann und dort nur – wie in der Ant-
wort der Bundesregierung auf die Frage 4 der Kleinen Anfrage der
Fraktion der CDU/CSU, Bundestagsdrucksache 14/8459, ausge-
führt – 38 Mitarbeiter oder – wie in der Antwort zur Frage 5 der
Kleinen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU, a. a. O., ausgeführt –
gar nur 24 Mitarbeiter beschäftigt sein sollten, und womit ist dann
die hohe Einstufung der Leiterin des Leitungsstabes mit B 6 zu
rechtfertigen?
G
Um es vorweg zusagen, die Zahl 24 ist eine fiktive Größe, die gebildetwurde, um einen Zahlenvergleich mit Ressorts zu ermög-lichen, die den klassischen Leitungsbereich enger als dasBMG definieren. In der Antwort auf Ihre Kleine Anfragewird dazu ausgeführt:Bei einer Eingrenzung des Leitungsbereichs aufdiese Stellen– gemeint sind die Stellen der Büros von Ministerin,Staatssekretär, Parlamentarische Staatssekretärin undPresse –ergäbe sich im BMG ein Verhältnis von 24 zu 503,dies entspricht 4,8 %.Damit lägen wir im Ressortvergleich im Mittelfeld.Der Leitungsstab des BMG umfasst aktuell neben demMinisterbüro fünf weitere Referate mit einem Personal-bestand, wie ich vorhin schon ausführte, von insgesamt38 Beschäftigten und liegt damit deutlich über der in derGGO vorgesehenen personellen und organisatorischenMindestausstattung für eine Unterabteilung. In diesem Zu-sammenhang verweise ich auf die Gemeinsame Geschäfts-ordnung der Bundesministerien in der vom Bundeskabi-nett am 26. Juli 2000 beschlossenen Fassung. Sie sieht vor,dass für Unterabteilungen in der Regel mindestens fünfReferate zusammengefasst werden; ein Referat umfasstden Vorgaben der GGO zufolge neben der Referatsleitungin der Regel mindestens vier Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter. Danach sollte eine Unterabteilung nicht wenigerals 25 Beschäftigte haben. Die Leitung des Leitungssta-bes entspricht damit ohne weiteres der Leitung einer Un-terabteilung, insbesondere wenn man die herausragende
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Vizepräsidentin Petra Bläss22727
Bedeutung der im Leitungsbereich zu erledigenden Auf-gaben berücksichtigt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine erste Nachfrage.
Bitte, Herr Kollege Wolf.
In welcher Besoldungs-
stufe waren denn der von 1995 bis 1997 amtierende Lei-
ter des Leitungsstabes und der ab 1991 amtierende Leiter
des Ministerbüros im Bundesministerium für Gesundheit
eingruppiert?
G
Ich kann Ihnen
diese Frage nicht beantworten, weil ich nicht damit ver-
traut bin, welche Mitarbeiter welche Vergütung hatten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, Sie wissen, dass es sich hier nicht um eine
Debatte, sondern um die Fragestunde handelt. Die nächste
Fragestellerin ist die Kollegin Marga Elser.
– Sorry, ich bin schon ganz durcheinander. Ihre zweite
Nachfrage, bitte.
Das ist ja auch kein Wun-
der, weil hier mit Begriffen und Zahlen hin und her jong-
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Verwenden Sie den Begriff „Leitungsbereich“ im Minis-
terium immer einheitlich oder verwenden Sie den Begriff
„Leitungsbereich“ einmal so und einmal wieder anders?
G
Ich habe Ihnen ge-
rade gesagt, der Leitungsstab umfasst das Büro der Mi-
nisterin einschließlich der Persönlichen Referentin, das
Referat Grundsatzfragen, Frauen und Gesundheit, das
Pressereferat, das Referat Öffentlichkeitsarbeit, das Kabi-
nett- und Parlamentreferat und das Verbindungs- und Ko-
ordinierungsreferat. Wenn ich die Leitung des Leitungs-
stabes betrachte und diese auf der Zeitschiene vergleiche,
dann stelle ich fest, dass sie im BMA zurzeit mit B 6 be-
soldet wird, zu Ihrer Zeit aber mit B 9 besoldet wurde. Ich
könnte in dieser Art und Weise fortfahren, Herr Wolf.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jetzt hat Frau Elser
eine Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, ich inte-
ressiere mich dafür, welche Gestaltungsmöglichkeiten
hinsichtlich Arbeitsabläufen und Schwerpunkten, Auf-
bau- und Ablauforganisation im Leitungsbereich für eine
Ministerin oder einen Minister gegeben sind.
G
Frau Kollegin, in
diesem Zusammenhang möchte ich aus einer Stellung-
nahme des BMI unter Leitung von Innenminister Kanther
vom 14. April 1997 dem Bundesrechnungshof gegenüber
zitieren:
Generell besteht in allen Ministerien die Überzeu-
gung, dass Arbeitsabläufe und Arbeitsstil, aber auch
die Arbeitsschwerpunkte in den Leitungsbereichen
von der jeweiligen Person der Ministerin oder des
Ministers geprägt sind.
Dies kann nicht ohne Auswirkungen auf die Aufbau-
und Ablauforganisation im Leitungsbereich bleiben.
Hierdurch erklären sich die Unterschiede in deren
Organisation und der personellen Ausstattung der
entsprechenden Arbeitseinheiten in den Ministerien.
Im BMG war bereits im Jahre 1996 vorübergehend ein
Leitungsstab eingerichtet. Ich glaube, wir verfahren alle
noch immer so, wie es aus dieser Stellungnahme des ehe-
maligen Innenministers Kanther hervorgeht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin
Widmann-Mauz hat ebenfalls eine Nachfrage zu dieser
Frage.
Frau Staats-
sekretärin, Sie haben in Ihrer Antwort auf die Frage des
Kollegen Wolf angeführt, dass der Leitungsstab im
Bundesgesundheitsministerium 38 Beschäftigte umfasst.
Warum verwenden Sie in der Antwort auf unsere Kleine
Anfrage bei derselben Beschäftigtenzahl den Begriff
„Leistungsbereich“?
– Leitungsbereich, Entschuldigung.
G
Ich habe vorhinumschrieben, dass der Leitungsbereich bei uns 53 Perso-nen umfasst; 38 davon gehören in den Leitungsstab. Ichkann Ihnen nochmals versichern: Die restlichen Personen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Parl. Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch22728
befinden sich bei der Parlamentarischen Staatsskretärin,beim Staatssekretär und bei der Drogenbeauftragten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jetzt rufe ich Frage 24
der Kollegin Widmann-Mauz auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, dass die beiden Anfang
2001 entlassenen Abteilungsleiter des BMG vor ihrer Entlassung
verbeamtet worden sind, und wenn ja, in welcher Weise sind da-
durch deren Versorgungsansprüche gestiegen?
G
Weder die Abtei-
lungsleiterin noch der Abteilungsleiter ist im BMG ver-
beamtet worden. Die Frage geht im Übrigen erkennbar
von einer fehlerhaften Annahme aus. Die Versorgungsre-
gelungen für politische Beamte gelten arbeitsvertraglich
im Wesentlichen auch für Angestellte in entsprechenden
Funktionen. Durch eine Verbeamtung tritt deshalb keine
Besserstellung des oder der Beschäftigten ein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Erste Nachfrage, bitte,
Frau Kollegin.
Frau Staats-
sekretärin, erhält der im Jahr 2001 aus dem Gesundheits-
ministerium entlassene Abteilungsleiter Schulte-Sasse
weiterhin Zahlungen seitens des Bundesgesundheitsminis-
teriums, obwohl er seit kurzem Staatssekretär in Berlin
ist, bzw. sind bereits für die Zukunft erfolgte Zahlungen
nach dessen Amtsantritt als Staatssekretär zurückgefor-
dert worden?
G
Ich habe bereits
vorhin ausgeführt, dass zu diesen Versorgungsregelun-
gen, die ich näher beschrieben habe, gehört, dass eine
neue Tätigkeit entsprechend angerechnet werden muss –
nicht angerechnet werden kann. Ich habe vorhin ebenfalls
ausgeführt, dass es in dem Personenkreis, der vorzeitig in
den Ruhestand versetzt worden ist, zwei Personen gibt,
von denen wir ganz sicher wissen, dass sie eine andere
Beschäftigung gefunden haben, sodass wir davon ausge-
hen, dass sich der Betrag, der vorhin von mir genannt
wurde, infolgedessen reduziert. Dazu, in welcher Höhe,
kann ich keine Aussage machen. Ich denke, es wäre auch
nicht angebracht, über derartig persönliche Dinge anderer
hier im Bundestag zu sprechen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zweite Frage, bitte,
Frau Kollegin Widmann-Mauz.
Frau Staats-
sekretärin, Sie haben die Rechtslage nochmals geschil-
dert. Ist Ihnen bekannt, ob schon gezahlte Vergütungen
zurückgefordert wurden?
G
Ich habe Ihnen ge-
sagt, wie die Rechtslage ist. Ich kann Ihnen aber nicht sa-
gen, in welchem Umfang Anrechnungen vorgenommen
worden sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Nach-
frage des Kollegen Pfaff.
Frau Staatssekretärin, wie un-
terscheiden sich bei der Versetzung in den einstweiligen
Ruhestand die Versorgungslasten bei einem angestellten
von denen bei einem beamteten Abteilungsleiter? Ist der
Unterschied wirklich so groß, wie durch die gestellten
Fragen impliziert wird?
G
Herr Kollege Pfaff,
Sie haben einen nützlichen Hinweis gegeben. In der Dis-
kussion entsteht immer wieder der Eindruck, dass es dies-
bezüglich einen sehr großen Unterschied gebe. Entgegen
dieser landläufigen Meinung gibt es aber keinen Unter-
schied, da die angestellten Abteilungsleiter durch eine
entsprechende Gestaltung der Arbeitsverträge den beam-
teten Abteilungsleitern gleichgestellt werden. Es gibt auf
dieser Ebene also keinen Unterschied zwischen einem
Angestellten und einem Beamten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir kommen zur letz-
ten Frage dieses Themenkomplexes. Ich rufe die Frage 25
der Kollegin Annette Widmann-Mauz auf:
Kann die Bundesregierung ferner bestätigen, dass das BMG
plant, den derzeitigen Leiter der Abteilung 2 noch in dieser Le-
gislaturperiode zu verbeamten?
G
Entsprechende
Planungen kann ich weder bestätigen noch dementieren.
Allgemein ist festzuhalten, dass der Übernahme in das
Beamtenverhältnis üblicherweise ein entsprechender An-
trag vorausgeht, der vom BMI und BMF laufbahn- und
haushaltsrechtlich geprüft wird. In das Prüfverfahren ist
maßgeblich der Bundespersonalausschuss unter Vorsitz
des Präsidenten des Bundesrechnungshofs einzubezie-
hen.
Zu der Frage, ob ein Mitarbeiter des BMG einen sol-
chen Antrag stellt, möchte ich mich hier nicht äußern, um
seine Persönlichkeitsrechte nicht zu beeinträchtigen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Erste Nachfrage, bitte,
Frau Kollegin.
Ist geplant,
die Leiterin des Leitungsstabes des Bundesgesundheits-
ministeriums noch in dieser Legislaturperiode zu verbe-
amten?
G
Ich habe Ihnen be-reits gesagt, dass wir eine entsprechende Planung wederbestätigen noch dementieren können.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Parl. Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch22729
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt eine Nach-
frage des Kollegen Pfaff.
Frau Staatssekretärin, sind Sie
meiner Meinung, dass es sich bei den Fragen, die sich auf
die Verbeamtung und auf die Zahl der Beamten beziehen,
um Fragen handelt, die sich in erster Linie mit Inputs und
nicht mit Ergebnissen beschäftigen? Die Ausweitung des
Leitungsstabes kann durch die erkennbar verbesserte Ge-
setzgebung der letzten Jahre gerechtfertigt werden.
G
Herr Kollege, ich
stimme Ihnen ausdrücklich zu. Ich bin der Überzeugung,
dass dieses heutige Frage-und-Antwort-Spiel in keiner
Weise dazu beigetragen hat, den Gesundheitszustand
auch nur eines einzigen Menschen in der Bundesrepublik
Deutschland zu verbessern.
Es wäre sicher sinnvoller, wenn wir uns mit den Aufgaben
der neu geschaffenen Referate auseinander setzen würden
und wenn wir schauen würden, wo es noch weitere Ver-
besserungen geben könnte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt eine Nach-
frage des Kollegen Wolf.
Frau Staatssekretärin, wie
verträgt sich die Personalaufblähung im Gesundheitsmi-
nisterium – die Anzahl der Mitarbeiter ist zwar durch den
Wegfall einer Abteilung gesunken; aber die Anzahl der
leitenden Mitarbeiter ist gestiegen – mit der Tatsache,
dass den Versicherten gesagt wird, sie müssten im Ge-
sundheitsbereich den Gürtel enger schnallen?
G
Herr Wolf, ich will
betonen, dass Sie es sind, die mit Ihrem Rezept der Wahl-
und Regelleistung erreichen wollen, dass die Versicherten
den Gürtel enger schnallen.
Ich habe Ähnliches bei der Politik der Bundesregierung
nicht feststellen können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine zweite Nach-
frage der Frau Kollegin Widmann-Mauz.
Frau Staats-
sekretärin, können Sie uns erläutern, warum der Bereich
Frauengesundheit nur im Leitungsstab und nicht in den
vorhandenen Abteilungen Ihres Ministeriums bearbeitet
werden kann?
G
Wir haben in die-
sem Bereich leider viele Versäumnisse der alten Bundes-
regierung vorgefunden.
Es ist ein besonderes Anliegen unserer Gesundheitsminis-
terin, Fragen zur Frauengesundheit zu behandeln. Ich ver-
weise in diesem Zusammenhang auf die Problematik der
Mammographie und auf das Thema Vorsorgemaßnahmen
und Heilungschancen bei Brustkrebs. In diesem Bereich
gibt es leider noch ein ziemlich großes Defizit. Dieses De-
fizit wird nicht nur im Referat, das sich mit der Frauenge-
sundheit beschäftigt, sondern auch im Zusammenhang
mit dem Arzneimittelmissbrauch aufgearbeitet. Ich finde
es ganz ausgezeichnet, dass sich die Ministerin dieser so
lange vernachlässigten Aufgabe schwerpunktmäßig ange-
nommen hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jetzt schließe ich die-
sen Themenkomplex ab, aber nicht den Geschäftsbereich.
Ich rufe die Frage 26 der Kollegin Ursula Lietz auf:
Warum ist es nicht möglich, Erkrankungen in das Bundes-
krebsregister, in dem nur Todesfälle registriert werden, zu über-
nehmen, um so die Möglichkeit der statistischen Auswertung, zum
Beispiel nach Gebiet, Alter und familiärem Umfeld, zu haben?
G
Auf Bundesebene
gibt es auf gesetzlicher Grundlage ausschließlich die To-
desursachenstatistik, in der die Daten der in den statisti-
schen Landesämtern codierten Todesbescheinigungen zu-
sammengeführt werden. Eine Rechtsgrundlage für eine
zentrale bundesweite Erfassung aller Krebserkrankungs-
fälle in einem Bundeskrebsregister existiert nicht und ist
aufgrund der in der Verfassung verankerten Länderzu-
ständigkeit auch nicht durchsetzbar. Die Krebserkran-
kungsfälle werden daher von den Länderkrebsregistern,
also auf Länderebene, auf der Basis spezieller rechtlicher
Regelungen erfasst.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Lietz,
bitte Ihre erste Nachfrage.
Frau Schaich-Walch, ich
frage Sie, ob Sie nicht doch die Möglichkeit sehen, eine
Bundesregelung zu finden, mit der wir, auch wenn es im
Moment Datenschutzgründe gibt, die dagegen sprechen,
eine Möglichkeit schaffen, die Daten aller Krebserkrank-
ten, also auch die, die zu Lebzeiten erfasst werden, und die
Früherkennungen in einem Register zusammenzufassen,
damit wir nicht nur demographische Gegebenheiten, son-
dern auch soziale bzw. geographische Besonderheiten
beim Auftreten von Krebserkrankungen besser registrieren
können.
G
Wir haben beim Robert-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 200222730
Koch-Institut das Gesamtprogramm „Krebsbekämpfung“aufgelegt, in das die Daten, die uns von den Ländern über-mittelt werden, aufgenommen werden. Diese Übermitt-lung der Daten aus den Landeskrebsregistern klappt – somuss man sagen – im Großen und Ganzen sehr gut. DieZusammenführung der Daten gibt uns eine gute Basis fürdas Zusammenzuwirken in der Arbeitsgruppe „Bevölke-rungsbezogenes Krebsregister Deutschland“, die wir jetzteingerichtet haben. Aber eine gesetzliche Verpflichtungfür ein einheitliches deutsches Bundeskrebsregister seheich leider nicht als durchsetzbar an, weil die Länder dieseAufgabe als ihre eigene hoheitliche Aufgabe betrachten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Lietz,
Ihre zweite Nachfrage.
Ich habe keine zweite
Nachfrage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dann kommen wir zur
Frage 27 der Kollegin Ursula Lietz:
Hält die Bundesregierung es für machbar, eine Standardisie-
rung der verschiedenen Landeskrebsregister vorzunehmen, um so
eine Vergleichbarkeit der Fälle und eine bundesweite Auswertung
zu ermöglichen?
G
Es gibt bereits eine
gewisse Standardisierung dahin gehend, dass alle Lan-
deskrebsregister einen einheitlichen Basisdatensatz erhe-
ben und dass die Vorgaben der International Association
of Cancer Registries eingehalten werden. Hierfür wurde
durch das am 31. Dezember 1999 ausgelaufene Gesetz
über ein Krebsregister des Bundes gesorgt, das alle Län-
der zur Einrichtung von Krebsregistern nach weitgehend
einheitlichen Regularien verpflichtet. Allerdings durften
die Länder Ausnahmen vom Meldemodus und in Bezug
auf die Flächendeckung vornehmen.
Obwohl das oben genannte Krebsregister ausgelaufen
ist, wird die darin enthaltene Vorgabe, dass alle Landesre-
gierungen ihre anonymisierten epidemiologischen Daten
einmal pro Jahr an das Robert-Koch-Institut in Berlin
weitermelden – das war das, was ich vorhin bereits aus-
geführt habe –, weiterhin befolgt. Die Zusammenführung
wird am Robert-Koch-Institut vorgenommen. Damit sind
diese Daten auch der Öffentlichkeit zugänglich.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Lietz
bitte.
Frau Staatssekretärin, se-
hen Sie nicht trotzdem die Möglichkeit, die Länderregis-
ter stärker zu standardisieren, damit wir, wenn wir schon
kein Bundeskrebsregister einrichten können, zumindest
über die Länderdaten verfügen und durch eine Standardi-
sierung zu besseren Ergebnissen kommen, die man bun-
desweit auswerten kann?
G
Ich kann Ihnen
versichern, dass die Gesundheitsministerin dieses Thema
auf der Gesundheitsministerkonferenz ansprechen wird.
Denn viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Gesund-
heitsausschuss und aus anderen Ausschüssen des Bundes-
tages haben deutlich gemacht, dass ein großes Interesse an
einer Standardisierung besteht und dass die Abweichun-
gen, die damals Grundlage dafür waren, dass sich die Län-
der überhaupt damit einverstanden erklärt haben, dass es
zu diesen Erhebungen und zu einem solchen Krebsregis-
ter kommt, möglichst gering sind, sodass man tatsächlich
sagen kann: Wir haben allgemein gültige Aussagen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ihre nächste Nach-
frage bitte.
Ich habe eine zweite Nach-
frage: Frau Staatssekretärin, können Sie mir sagen, wo die
Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu anderen
westlichen Ländern, was die Registrierung von Krebs-
erkrankungen und deren Standards anbetrifft, steht?
G
Ich würde sagen:
Da befinden wir uns im Mittelfeld. Wenn ich es auf die
Bundesrepublik Deutschland beziehe, muss ich sagen:
Wir haben dort sehr große Unterschiede. Ich will auch
nicht verschweigen, dass es in den neuen Bundesländern
eine vorbildliche Erfassung gab.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Damit schließen wir
diesen Geschäftsbereich ab. Ich bedanke mich bei der Par-
lamentarischen Staatssekretärin für die Beantwortung.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.
Hier werden die Fragen sämtlich schriftlich beantwortet.
Deshalb rufe ich jetzt den Geschäftsbereich des Aus-
wärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung steht Herr Staats-
minister Dr. Christoph Zöpel zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 32 des Kollegen Hartmut
Koschyk:
Aufgrund welcher Prüfungen und diesbezüglicher Ergebnisse
gelangt die Bundesregierung zu der Auffassung, dass sie die um-
strittenen Benes-Dekrete nicht zum Gegenstand der EU-Beitritts-
verhandlungen mit der Tschechischen Republik machen wird
, und wie bewertet sie vor diesem
Hintergrund die Tatsache, dass der Auswärtige Ausschuss des Eu-
ropäischen Parlaments die Vereinbarkeit der Benes-Dekrete mit
den Rechtsgrundsätzen der Europäischen Union durch ein Rechts-
gutachten prüfen lässt?
D
Frau Präsidentin! Herr Kollege; die jetzige Bundes-regierung tut, wie Sie wissen, sinnvollerweise – Sie er-lauben mir diese Bemerkung – das Gleiche, was ihre Vor-gängerin getan hat, nämlich die deutsch-tschechischenBeziehungen durch die Vergangenheit nicht zu belasten.Darauf haben wir uns in der Deutsch-Tschechischen Er-klärung verständigt, die unter der Verantwortung der Re-gierung von Herrn Bundeskanzler Kohl abgeschlossenwurde. Die jetzige Regierung bemüht sich darum, das
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Parl. Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch22731
fortzusetzen. Das tun wir auch in einer Situation, in der– wie ich hier schon ausgeführt habe – die Weisheit eini-ger Äußerungen im tschechischen politischen System in-frage zu stellen ist.Das alles bedeutet nicht, dass die Bundesregierung– ich schätze, das macht sie wie ihre Vorgängerin – nichtsehr sorgfältig beobachten würde, wie die Kommissiondie Verhandlungen führt. Denn nur die Kommission führtdie Verhandlungen. Alles, was wir über die Hinweise zurSache und zum Verhalten gehört haben, die Herr Kom-missar Verheugen jüngst in Prag gegeben hat, vermitteltuns den Eindruck: Das Ganze ist auf einem guten, zu-kunftsorientierten und niemandem Schaden zufügendenWege.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Erste Nachfrage.
Bitte, Herr Kollege Koschyk.
Herr Staatsminister,
ich muss Ihre Antwort so deuten, dass Sie der Beurteilung
von Herrn Kommissar Verheugen zustimmen, dass die
Benes-Dekrete keine Bedeutung im Hinblick auf das Ver-
fahren des Beitritts der Tschechischen Republik zur Euro-
päischen Union haben. Wie bewertet es dann die Bundes-
regierung, dass das Europäische Parlament hier anderer
Auffassung zu sein scheint und verschiedene Rechtsgutach-
ten in Auftrag gegeben hat und die österreichische Regie-
rung durch die Frau Außenministerin Herrn Verheugen ent-
schieden widersprochen hat, sie also zu einer anderen
Auffassung kommt, nämlich dass die Frage weiter andau-
ernder Diskriminierungen tschechischer Bürger nicht tsche-
chischer Nationalität, aber auch von EU-Bürgern sehr wohl
im Zuge des Beitrittsverfahrens geprüft werden muss?
D
Die Überlegungen und auch die prozeduralen
Schlussfolgerungen des Europäischen Parlaments in die-
ser Angelegenheit sind nicht nur legitim, sondern sie
könnten auch einen Beitrag zur Lösung der mit diesen
Dekreten verbundenen Beschwernisse leisten. Wenn das
Europäische Parlament dies tut, hat das den Vorteil, dass
nicht die deutsche und die tschechische Regierung – sie
haben ja vereinbart, das nicht zu tun – Probleme im
deutsch-tschechischen Verhältnis und auf dem gewünsch-
ten Weg der Tschechen nach Europa schaffen. Das Euro-
päische Parlament würde solche Probleme ja nicht aus-
lösen. Darin könnte die Weisheit dieses Verfahrens liegen.
Wir beobachten das mit aktivem Interesse. Wir verfolgen
auch sehr genau, was Herr Kommissar Verheugen sagt. Er
hat ja schon deutlich gemacht, dass hinsichtlich tschechi-
scher Rechtsbestimmungen, die infolge der kommunisti-
schen Machtausübung auf dem Gebiet der heutigen
Tschechischen Republik bestehen, sehr kritische Prüfun-
gen angestellt werden können, ob sie zukünftig alle euro-
päischen Bürger in gleicher Weise betreffen. Wenn Sie es
genau verfolgt haben, wissen Sie, dass er diese Prüfung
seitens der Kommission auch hinsichtlich der Benes-De-
krete nicht ausschließt.
Ich glaube, im Ergebnis – das ist das, was ich für die
Politik Deutschlands für richtig halte – wird es zu einer
europäischen rechtlichen Prüfung kommen, ob infolge
dieser Dekrete Diskriminierungen heute lebender Men-
schen – nur darum kann es gehen – stattfinden. Ich glaube,
das hilft beiden. Das ist auch der Hintergrund unseres
sehr konkreten Verhaltens. Das hat eben nichts damit zu
tun, dass dies in einem historischen Kontext stattfindet, zu
dessen Herbeiführung Deutschland im tragischen Teil sei-
ner Geschichte viel beigetragen hat. Es gibt eben Fragen,
die heute gestellt werden müssen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt eine zweite
Nachfrage des Kollegen Koschyk.
Herr Staatsminister,
Sie haben gesagt, dass die Bundesregierung sehr sorg-
fältig beobachtet, wie sich die EU-Kommission im Hin-
blick auf fortwirkende Diskriminierungen für Bürger der
Tschechischen Republik, aber auch für künftige EU-Bür-
ger aufgrund der Folgewirkungen der Benes-Dekrete ein-
lassen wird. Wie bewertet die Bundesregierung eigentlich
in diesem Zusammenhang die so genannte Dreithaler-
Entscheidung des tschechischen Verfassungsgerichtsho-
fes aus dem Jahre 1995, bei der der tschechische Verfas-
sungsgerichtshof ausdrücklich an die Benes-Dekrete
angeknüpft hat, und wie bewertet die Bundesregierung in
diesem Zusammenhang die Beanstandungen der tsche-
chischen Restitutionsgesetzgebung durch den UN-Men-
schenrechtsausschuss im Fall Des Fours Walderode, bei
dem ebenfalls im Hinblick auf die tschechische Restitu-
tionsgesetzgebung eine Anknüpfung an die Benes-De-
krete erfolgte, was der UN-Menschenrechtsausschuss
ausdrücklich als nicht mit dem UN-Pakt über bürgerliche
und politische Rechte im Einklang stehend erklärt hat?
D
Herr Kollege Koschyk, Sie haben das Datum desUrteils genannt: 1995.
– Des Urteils. Sie haben das Datum 1995 genannt. Daraufbeziehe ich mich und sage, dass natürlich in den entspre-chenden Fachreferaten des Auswärtigen Amtes diese Ur-teile bekannt sind und geprüft wurden. Dazu gibt es Ver-merke.Aus guten Gründen, die ich in meiner Antwort ein-gangs dargelegt habe, haben die Bundesregierungen da-raus nicht die Konsequenz gezogen, das zum Bestandteilder Verhandlungen zu machen, sondern sich die soebenvon mir dargestellte Strategie – wenn ein europäischesGericht das einmal überprüft, könnte das mehr zumRechtsfrieden beitragen als alles andere – zu eigen ge-macht.Sie werden mir nicht übel nehmen, dass ich nicht alleDetails der Analyse dieser Urteile – ich habe das alles ein-mal gelesen – präsent habe. Es gibt keine eindeutigen Er-gebnisse, auch nicht bei der Rechtsprüfung, dass daszukünftig dem europäischen Recht widerspricht. Wie je-der Rechtsfall ist auch dies ein spezieller. Ich äußere jetzteine Bitte. Angesichts der Tatsache, dass sich seit 1995 die
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Staatsminister Dr. Christoph Zöpel22732
deutschen Regierungen so verhalten und sich die Kom-mission und das Europäische Parlament in einer adäqua-ten Weise intensiv damit beschäftigen, sollten wir es nichtzu einer Veränderung unseres Verhaltens kommen lassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin Rönsch
hat noch eine Nachfrage.
Beab-
sichtigt der Herr Bundeskanzler, seine ursprünglich ge-
plante Reise in den nächsten Monaten anzutreten und,
wenn ja, wird er dann von Herrn Präsidenten Zeman eine
Entschuldigung einfordern?
D
Frau Kollegin, in der Bundesregierung ist der Ein-
druck entstanden, dass ein Besuch des Bundeskanzlers
vor den Wahlen zum tschechischen Parlament nach dem
heutigen Kenntnisstand nicht zur Klärung beitragen kann.
Was nicht zur Klärung beiträgt, stiftet keinen Nutzen. Be-
suche auf dieser Ebene sollten europäischen Nutzen stif-
ten. Daraus ist aus heutiger Sicht zu folgern, dass ein
solcher Besuch des deutschen Regierungschefs wohl
sinnvollerweise erst später stattfindet. Das ist der heutige
Stand.
Jetzt zu der Frage der Entschuldigung: Einzelne Men-
schen können sich entschuldigen. Zu der Frage, ob Herr
Zeman absichtlich jemanden beleidigen wollte, kann ich
nur sagen: Das Gespräch, das Bundesaußenminister
Fischer mit ihm geführt hat und an dem ich teilnehmen
konnte, hat für mich zureichend deutlich gemacht, dass er
nicht subjektiv-vorsätzlich Deutsche – in dem Fall Su-
detendeutsche – beleidigen wollte. In diesem Punkt gibt
es nach Meinung der Bundesregierung keine Kollektiv-
schuld und keine Kollektivverantwortung. Unter Zugrun-
delegung dieser Kategorien kann man sich dann auch
nicht entschuldigen.
Unsere Folgerung daraus ist: Wir hoffen, dass es nach
den Wahlen in Tschechien wieder mehr Möglichkeiten
gibt, Versöhnung zu stiften und wir in Deutschland nicht
dazu beitragen, Versöhnung zu erschweren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 33
des Kollegen Peter Weiß auf:
Warum oblag die Leitung der deutschen Delegation bei der
Geberkonferenz für Mazedonien am 13. März 2002 dem Auswär-
tigen Amt, obwohl der weitaus größte Teil der dort getätigten
Zusagen in die Verantwortung des Bundesministeriums für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fällt?
D
Frau Präsidentin! Herr Kollege, wir haben Richt-
linien der Bundesregierung, und zwar nach meinem Wis-
sen schon länger, als diese Bundesregierung im Amt ist.
Ich füge hinzu: Das ist auch gut so.
– Der Spruch, Herr Kollege, liegt im Rahmen der von mir
erwünschten Ausweitung der Toleranz im Innergesell-
schaftlichen – ein Punkt, in dem sich eigentlich Freie De-
mokraten und Sozialdemokraten immer einig waren.
Ich bezog mich aber mehr auf Ihren vorherigen kleinen
Disput mit meiner Kollegin aus dem Gesundheitsminis-
terium darüber, ob wir denn nicht alles geändert hätten.
Wir haben nicht alles geändert und das ist in manchen Fäl-
len richtig so. So wollten Sie es doch.
In diesen Richtlinien steht also, dass das Auswärtige
Amt bei internationalen Verhandlungen federführend ist
und ihm damit die Delegationsleitung obliegt, wenn es
nicht ein anders Ressort damit beauftragt.
Bei der Geberkonferenz in Mazedonien handelte es sich
um internationale Verhandlungen, die ausdrücklich im An-
nex des Ohrid-Abkommens vorgesehen waren. Innerhalb
der Bundesregierung bestand Einvernehmen darüber, dass
die Delegationsleitung angesichts des Kontextes beim Aus-
wärtigen Amt lag. Das Ministerium für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung war immer beteiligt. Die
Lösung ist einvernehmlich gefunden worden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jetzt ist aber der Kol-
lege Weiß mit der ersten Nachfrage dran.
Herr
Staatsminister, wenn alle althergebrachten Regelungen
und Traditionen weiter bestehen sollen, warum gibt es
dann seit dem 5. März dieses Jahres einen neuen Rund-
erlass des Staatssekretärs des Auswärtigen Amtes, Jürgen
Chrobog, zum Thema Koordination der Außenbeziehun-
gen und welche Koordinierungsprobleme bzw. Zustän-
digkeitsprobleme innerhalb der Bundesregierung waren
Anlass für diesen neuen Runderlass?
D
Verübeln Sie es mir bitte nicht, aber die Überlegun-
gen der Beamten hinsichtlich der möglichen Zusatzfragen
haben trotz aller Weisheit der Beamten nicht zu dieser Zu-
satzfrage geführt. Da ich nicht gerne ins Blaue hinein
rede, kann ich Ihre Frage im Augenblick nicht beantwor-
ten. Runderlasse dieser Art dienen aus guten Gründen
dem Zusammenwirken der Mitarbeiter der Ressorts und
Herr Chrobog hat ihn sicherlich aufgrund seiner zu Recht
und gut wahrgenommenen Verantwortung erlassen. Ich
kenne den Erlass nicht und müsste ihn vorher lesen. Ich
bin aber gern bereit, Ihre Frage in einer anderen Frage-
stunde zu beantworten, worauf Sie einen Anspruch haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jetzt gibt es aber noch
eine zweite Nachfrage.
Herr Staats-minister, bedeuten Ihre grundsätzlichen Ausführungen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Staatsminister Dr. Christoph Zöpel22733
und die vielleicht noch nachzuholende Lektüre des neuenRunderlasses in Ihrem Hause, dass das Auswärtige Amtkünftig grundsätzlich bei allen Verhandlungen mit ande-ren Staaten die Delegationsführung für sich beanspruchenwird, also zum Beispiel auch bei Regierungsverhandlun-gen im Zusammenhang mit Zusagen zur Entwicklungs-zusammenarbeit, bei UN-Sonderkonferenzen unabhängigvom Thema und der jeweiligen federführenden Zustän-digkeit der Bundesressorts und unabhängig davon, wel-che Mitglieder der Bundesregierung einer Delegation an-gehören?D
Das bedeutet es nicht, wie entsprechendes Verhalten
auch deutlich macht. So hatte zum Beispiel die Bundes-
ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung die Delegationsleitung bei der Konferenz über
die Finanzierung der Entwicklung vor einigen Wochen in
Monterrey.
Im Fall der Geberkonferenz für Mazedonien hingegen
waren wir der Auffassung, dass der Zusammenhang des
Handelns besser hergestellt werden würde, wenn das Aus-
wärtige Amt diese Aufgabe übernimmt, weil das Auswär-
tige Amt am stärksten in diesen schwierigen Komplex der
Herbeiführung von friedlichen Lösungen in Mazedonien
involviert war. In Monterrey haben wir die Federführung
der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenar-
beit für richtig gehalten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke Herrn
Staatsminister für die Beantwortung der Fragen. Die Fra-
gen 34 und 35 werden schriftlich beantwortet.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer
Staatssekretär Matthias Berninger zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 36 des Kollegen Detlef Parr auf:
Wie reagiert die Bundesregierung darauf, dass Beamte der
Europäischen Kommission die Bundesregierung für ihre bishe-
rige Ablehnung eines Totalverbots der Tabakwerbung öffentlich
kritisiert und ein Totalverbot der Tabakwerbung durch die Welt-
gesundheitsorganisation gefordert haben – vergleiche
„Financial Times Deutschland“ vom 19. März 2002 – ?
Ma
Herr Kollege Parr, für die Bundesregie-
rung beantworte ich die Frage wie folgt: Die Bundesre-
gierung unterstützt grundsätzlich alle Bestrebungen auf
EU- und internationaler Ebene, die negativen Folgen des
Tabakkonsums zu reduzieren. Dazu gehören auch Ein-
schränkungen der Tabakwerbung. Die Bundesregierung
steht in diesem Zusammenhang mit der Tabakindustrie im
Gespräch über weitere Restriktionen, insbesondere zum
Schutz von Jugendlichen.
Allerdings müssen wir darauf achten, dass die Kompe-
tenzordnung der Europäischen Union gewahrt bleibt. Da
dies bei der ersten Tabakrichtlinie aus dem Jahre 1998 mit
sehr umfangreichen Werbeverboten nicht der Fall war, hat
der Europäische Gerichtshof diese für nichtig erklärt.
Gemäß diesem EuGH-Urteil setzt sich die Bundesregie-
rung auch bei den neuen Richtlinien zur Tabakwerbung
für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf die
grenzüberschreitenden und damit binnenmarktrelevanten
Tatbestände ein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Parr zu
einer ersten Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, im „The Lancet“
gab es heftige Vorwürfe gegen die alte und die neue Bun-
desregierung. Ich würde von Ihnen gerne wissen, welche
Erkenntnisse die Bundesregierung bezüglich der Wirkung
der Tabakwerbung auf den Konsum hat.
Ma
Herr Kollege Parr, zunächst einmal ist
völlig richtig, dass ein britisches medizinisches Fachjour-
nal die Bundesregierung sehr deutlich attackiert hat. Hin-
tergrund der ganzen Angelegenheit ist, dass die Tabak-
lobby in den Vereinigten Staaten dazu gezwungen wurde,
ihre Archive zu öffnen. Diese Archive werden jetzt von
Wissenschaftlern durchforstet. Die Akten wurden nicht
im Vorfeld vernichtet, sodass man sehr viele höchst deli-
kate Briefe aus den 80er-Jahren, insbesondere solche, die
den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl und die da-
malige englische Regierungschefin Margaret Thatcher
betreffen, gefunden hat.
Aus dieser Korrespondenz geht hervor – die Tabak-
lobby hat sich jedenfalls dafür bedankt –, dass beide in en-
gem Kontakt mit der Tabaklobby gestanden und in den
80er- und 90er-Jahren durch eine Verschleppungsstrategie
verhindert haben, dass eine EU-Richtlinie über die bin-
nenmarktrelevante Tabakwerbung erlassen wurde. Diesen
Umstand kann ich nicht weiter beurteilen.
Ich möchte Ihre zweite Frage beantworten. Offensicht-
lich gibt es einen Zusammenhang zwischen einer jugend-
gerechten Tabakwerbung und dem in den letzten Jahren
immer weiter sinkenden Einstiegsalter beim Tabakkon-
sum. Der Lösung dieses Problems widmen wir uns von-
seiten der Bundesregierung in besonderer Weise. Ich finde
es sehr besorgniserregend, dass das Durchschnittsalter in-
zwischen auf 13,6 Jahre gesunken ist. Damit wir hier Ta-
cheles reden, nenne ich Ihnen einen der Hersteller, näm-
lich Joe Camel. Die Werbung der Firma Camel hat hier
einen besonderen Anteil. Ich denke, dies sollte man auch
in diesem Hause kritisieren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Parr hat
noch eine weitere Frage. Bitte.
Die Wirkung der Camel-Werbunghaben Sie der Presse entnommen. In Bezug auf die Wir-kung der Tabakwerbung auf den Konsum hätte ich von derBundesregierung gerne eigene Erkenntnisse dargestelltbekommen.Ich möchte eine Zusatzfrage im Hinblick auf dieSelbstverpflichtung der Tabakindustrie und der Automa-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
PeterWeiß
22734
tenhersteller, die zum Beispiel dafür Sorge tragen wollen,dass im Umfeld von Schulen und bei der Nutzung von Au-tomaten entsprechende Einschränkungen Platz greifen,stellen. Wie beurteilen Sie dies im Zusammenhang mitden Bestrebungen für ein absolutes Werbeverbot?Ma
Bei der Beantwortung Ihrer Frage habe
ich darauf hingewiesen, dass die Bundesregierung in Ge-
sprächen mit der Tabakindustrie steht. Sie wissen, dass
wir keine grundsätzlichen Gegner von Selbstverpflich-
tungen, so sie denn tatsächlich ein Ziel erreichen, sind.
Hier muss man im Detail schauen, welche Angebote
vonseiten der Tabakindustrie gemacht werden und was
wir ihnen zusätzlich abhandeln können. Für mich gibt es
keine Kompromisse, wenn es um den Zugang von Ju-
gendlichen zu Tabakprodukten geht. Dies gilt insbeson-
dere auch bezüglich der Tabakwerbung, die junge Leute
als spezielle Zielgruppe hat. Ich denke, wir sollten hier für
absolute Klarheit sorgen.
Die Entwicklung, die nicht nur den Medien zu entneh-
men war, sondern anhand der Statistiken natürlich auch
im Bundesgesundheits- und Verbraucherschutzministe-
rium registriert worden ist, dass nämlich das Einstiegsal-
ter der Raucherinnen und Raucher im Durchschnitt immer
niedriger wird, ist keinesfalls akzeptabel und darf durch
Werbe- oder Marketingstrategien der Tabakwirtschaft
nicht befördert werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Hierzu gibt es jetzt
eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Dr. Thea Dückert.
Herr Staatssekretär, ich möchte gerne von Ihnen wissen,
wie sich die Bundesregierung zur Antiraucherinitiative
des Herrn Byrne verhalten hat.
Ma
Herr Kommissar Byrne hat im Rahmen
der Verhandlungen um die Zukunft der Tabakmarktord-
nung im Agrarrat die Position vertreten, dass ein immer
größerer Anteil der EU-Gelder, die bisher für den Ta-
bakanbau ausgegeben wurden, nun für Öffentlichkeits-
kampagnen gegen den Tabakkonsum eingesetzt werden
soll. Wir haben dies kräftig unterstützt.
Wir werden im nächsten Jahr 30 statt 20Millionen Euro
für die Kampagne ausgeben. Ich gehe davon aus – die EU-
Kommission hat hier unsere volle Unterstützung –, dass
wir ab dem Jahre 2004 diesen Betrag mit der Folge ver-
doppeln können, dass die EU dann erhebliche Mittel in
der Hand hat, um ihrerseits mit öffentlichen Kampagnen
gegen den Tabakkonsum besonders die Zielgruppe der
jungen Leute zu erreichen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir bleiben beim
Thema Tabakwerbung. Ich rufe die Frage 37 des Kollegen
Detlef Parr auf:
Hat die Bundesregierung einem Verhandlungsmandat an die
Europäische Kommission zugestimmt, das diese ermächtigt, bei
den Beratungen über eine internationale Tabakkonvention der
WHO auch über ein Totalverbot der Tabakwerbung zu verhan-
deln?
Ma
Die Bundesregierung hat im April 2001 einer
Ausweitung der Ermächtigung der Kommission, ein WHO-
Rahmenübereinkommen zur Bekämpfung des Tabakkon-
sums und zu damit zusammenhängenden Protokollen aus-
zuhandeln, zugestimmt. Das am 22.Oktober 1999 gegen die
Stimme Deutschlands erteilte ursprüngliche Mandat war
auf die Fragen begrenzt, die gemäß den Art. 95 und 152
des EG-Vertrages in die Zuständigkeit der Gemeinschaft
fallen.
Herr Kollege Parr, Bezug nehmend auf meine Antwort
auf Ihre erste Frage: Unserer Meinung nach liegt genau
das, was nicht binnenmarktrelevant ist, nicht in der Zu-
ständigkeit der Europäischen Gemeinschaft. Vor diesem
Hintergrund haben wir nicht erkennen können, dass die
EU-Kommission hier ein Verhandlungsmandat für die
Themenbereiche hat, die vom Europäischen Gerichtshof
als nicht im Zuständigkeitsbereich der Kommission lie-
gend betrachtet wurden. Insofern ergibt sich als Beant-
wortung der Frage, dass es von unserer Seite kein umfas-
sendes Verhandlungsmandat für diesen Themenkomplex
gegeben hat, wofür wir als Bundesrepublik Deutschland
– auch das war den Medien zu entnehmen – vonseiten der
WHO heftig kritisiert worden sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine kurze Zusatz-
frage des Kollegen Parr; dann ist die Zeit für die Frage-
stunde vorüber.
Ich danke der Präsidentin für die
Großzügigkeit.
Über Zuständigkeiten zu diskutieren ist die eine Seite.
Die Frage ist, was die Bundesregierung tun wird. Steuert
die Bundesregierung auf ein totales Werbeverbot zu?
Ma
Ich habe in meiner ersten Antwort daraufhingewiesen, dass wir in unseren Gesprächen mit der Ta-bakindustrie auch über Selbstverpflichtungen reden. Diesist ein Thema, über das wir intensiv diskutieren. Wir ha-ben noch kein konkretes Ergebnis.Über die Frage, ob es ein vollständiges Tabakwerbe-verbot zum Beispiel für solche Zeitschriften geben wird,die nur auf dem deutschen Markt erscheinen, wird dieBundesregierung im Rahmen der Kompetenzordnung derEuropäischen Union dann entscheiden, wenn ein Angebotder Tabakwirtschaft vorliegt. Wenn dieses Angebot nichtausreichend ist, wird dieses Thema erneut zu erörternsein. Dies ist aber unabhängig von der Frage, welcheKompetenzen wir als Bundesrepublik Deutschland imRahmen der Kompetenzordnung bereit sind an Brüsselabzugeben.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Detlef Parr22735
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Damit ist die Frage-
stunde beendet.
Wie üblich werden alle noch nicht beantworteten Fra-
gen schriftlich beantwortet.
Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 2 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD
Haltung der Bundesregierung zum Insolvenz-
antrag der Kirch-Media AG
Erster Redner in dieser Debatte ist der Staatsminister
Julian Nida-Rümelin.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin, ich hatte mich eigentlich da-rauf eingestellt, am Ende dieser Debatte zu sprechen.Aber es macht gar nichts, dass das jetzt umgestellt wurde.Meine sehr geehrten Damen und Herren, obwohl es ver-führerisch ist, die Kirch-Insolvenz auch für vordergründigePolemiken zu nutzen, muss sie uns vor allem Anlass dazusein, die Medienordnung in Deutschland, in Europa undauch im globalen Zusammenhang kritisch auf den Prüf-stand zu stellen. Schon seit Monaten führen wir im Rahmender Europäischen Union eine Diskussion über die Prinzi-pien einer europäischen Medienordnung. So wird etwa dieFernsehrichtlinie novelliert werden, was Auswirkungenauf die Medienlandschaft in Deutschland haben wird.Ich beschränke mich auf einige wesentliche Thesen, dieich zur Diskussion über die Konsequenzen aus der Kirch-Insolvenz beisteuern möchte und die wegen des Sachzu-sammenhanges zum Teil über den Zuständigkeitsbereichdes Bundes hinausgehen. Die gegenwärtigen Zuständig-keiten für Kontrolle und Aufsicht sind in Deutschland un-übersichtlich. Wir hatten Mühe genug, etwa im Bereichdes Jugendschutzes eine tragfähige Lösung zu finden, dievon den Ländern und dem Bund gemeinsam verantwortetwerden kann.Die erste These: Die Kirch-Insolvenz ist ein Warnsi-gnal im Hinblick auf die Verflechtung von politischen undmedienpolitischen Interessen einerseits und medienwirt-schaftlichen Privatinteressen andererseits.
Über die Details wird in den nächsten Wochen noch disku-tiert werden. Aber es steht ganz außer Frage, dass es eineenge Verflechtung gibt – welche Rolle die Bayerische Lan-desbank dabei gespielt hat, darüber wird noch diskutiert wer-den – und dass die risikofreudige Strategie von Kirch auchmit dieser Verflechtung zu tun hat. Dass er entsprechende po-litische Rahmenbedingungen vorgefunden hat, die ihm erstsein risikofreudiges Verhalten in diesem Umfange ermög-licht haben, steht für mich jedenfalls außer Frage.
Hier stellt sich natürlich die Anschlussfrage, welchesdie Konsequenz daraus sein kann. Eine Konsequenz, überdie wir diskutieren müssen – wie gesagt, es ist Sache derLänder, das dann politisch zu realisieren –, läuft auf dieFrage hinaus, ob in der gegenwärtigen Struktur der Me-dienordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht auf-grund von Standortkonkurrenz das öffentliche Interessean Medien- und Meinungsvielfalt sowie an hinreichendviel politischer und kultureller Berichterstattung in unse-rem Land unterlaufen wird und wir die Instrumente, dieim Rahmen der Medienaufsicht der Länder zur Verfügungstehen, erst dann wirksam zum Einsatz bringen können,wenn die Zuständigkeiten der Länder stärker koordiniertsein werden. Das geht bis hin zu einer gemeinsamen, ko-ordinierten Medienaufsicht der Länder gegenüber denverschiedenen privaten Rundfunkveranstaltern.
Die zweite These: Für mich liegt auf der Hand, dass wiralles tun müssen, damit Deutschland vielleicht kein gutes– viele wünschen sich ein besseres –, aber zweifellos dasbeste frei empfangbare Fernsehsystem der Welt behält.
Diese Tatsache hängt ganz eng damit zusammen, dass wireinen starken öffentlich-rechtlichen Hörfunk und ein star-kes öffentlich-rechtliches Fernsehen haben. Wir müssenalles tun, damit der öffentlich-rechtliche Sektor nicht mar-ginalisiert wird.
Man stelle sich einmal die schlimme Vision einer Mar-ginalisierung des öffentlich-rechtlichen Sektors vor undbedenke dabei, dass das Internet eine immer größere Rollespielt – Stichwort Konvergenz – und die öffentlich-recht-lichen Sender dort wenig Spielräume haben und dass esdeutliche Warnsignale im Hinblick auf eine Überalterungder Zuschauer gibt. Ferner ist hier an eine Werbevermül-lung des frei empfangbaren privaten Fernsehangebots zudenken. Noch sind wir nicht so weit; aber wir diskutierenüber eine weitgehende Liberalisierung der Werbemöglich-keiten privater Anbieter im frei empfangbaren Fernsehen.Damit ginge eine geringere Attraktivität des frei empfang-baren Fernsehens einher, was zugegebenermaßen die vonmanchem wirtschaftlich gewünschte Folge hätte, dass dasPay-TV entgegen der jetzigen Situation wirtschaftlich at-traktive Perspektiven böte.Pay-TV ist gegenwärtig deswegen wenig attraktiv fürdie Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, weil es hierein so gutes frei empfangbares Fernsehangebot gibt. Dashat sich Kirch offensichtlich falsch ausgerechnet.
Eine Entwicklung in der Richtung, wie sie etwa in denVereinigten Staaten von Amerika oder auch in Italien zubeobachten ist, wo das frei empfangbare Fernsehen einNiveau erreicht hat, das einen nachdenklich stimmenmuss – wer das einmal erlebt hat, wird mir sofort zustim-men –, ist meiner Meinung nach nicht wünschenswert.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 200222736
Die dritte Debatte, die wir meiner Meinung nachführen müssen, befasst sich mit der Frage, wie viel Marktmit hinreichend viel Struktur vereinbar ist. Ich sage dasbewusst so abstrakt. Es gilt, ein Spannungsverhältnis zwi-schen den von allen – auch von allen Ökonomen – an-erkannten nivellierenden Tendenzen eines globalen Me-dienmarktes einerseits und dem Ziel globaler kulturellerVielfalt einschließlich nationaler Identitäten andererseitszu bewahren. Daran, dass es dieses Spannungsverhältnisgibt, lässt sich nicht rütteln. Merkwürdigerweise wirddiese Diskussion in Frankreich, Italien, den anderen süd-europäischen Ländern und in Südamerika sehr viel inten-siver geführt als bei uns. Aber auch wir müssen diese Dis-kussion führen. Es kann schließlich nicht die Rede davonsein, dass die Produkte, die von den Medienunternehmenangeboten werden, lediglich private Güter im Sinne derÖkonomie bzw. privat konsumierbare Güter sind,
sondern es geht dabei offensichtlich auch – nicht nur, aberauch – um öffentliche Güter, etwa das Bildungsniveau inder Bundesrepublik Deutschland und das Maß der Infor-miertheit über politische Vorgänge. Ein völlig unpoli-tisches, reines Unterhaltungsprogramm ist selbst Politik.Es trägt nämlich zur Entpolitisierung bei.
Deswegen kann es auf der einen Seite – auch im Hin-blick auf Regionen, die wirtschaftlich weit schwächersind als die Bundesrepublik Deutschland – nicht sakro-sankt sein, darüber zu diskutieren, wie wir Staatsfernesichern können. Das kann auch für uns aktuell werden,wenn Berlusconi doch noch versucht, bei uns einzustei-gen und die bestehende Situation auszunutzen. Es gehtnicht an, dass wir in der Bundesrepublik DeutschlandStaatsferne gesichert haben – wobei ich mir vorstellenkann, dass die Staatsferne noch deutlicher gemacht undauch noch stärker in das System unserer Medienordnungimplementiert werden kann, als dies gegenwärtig der Fallist – und dass dann von ausländischer Seite ein Minister-präsident dieses Gebot der Staatsferne unterläuft.
Auf der anderen Seite müssen wir darauf achten, dassRegionen – insbesondere solche, die wirtschaftlichschwächer sind; die Bundesrepublik Deutschland stellt,wie gesagt, nicht das führende Beispiel dar – nicht von in-ternational agierenden Medienkonzernen ihrer kulturellenIdentität beraubt werden. Dass dies ein schwieriger Ba-lanceakt ist, ist mir bewusst.
Deswegen stellt es auch kein Vergehen gegen den Geistdes freien Marktes dar, wenn wir Regelungen einführen,wie sie in Großbritannien, Australien, in den USA, in Bra-silien und in vielen anderen Ländern selbstverständlichsind,
die die ausländische Kapitalbeteiligung an Medienunter-nehmen beschränken, wobei damit im EU-Rahmen natür-lich nur Kapital außerhalb der Europäischen Union ge-meint sein kann, weil es innerhalb der Europäischen Unionkeinen Unterschied zwischen inländischem und ausländi-schem Kapital gibt. Solche Beschränkungen halte ich alsTeil eines Konzepts einer Medienordnung, die auch globalBestand haben kann, für selbstverständlich.Danke schön.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jetzt spricht der
Bayerische Staatsminister für Wirtschaft, Dr. Otto
Wiesheu.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bei unsdarf jeder sprechen. Wie das bei Ihnen ist, weiß ich nicht.
Die laufenden Verhandlungen über die Lösung derProbleme, die im Zusammenhang mit der Insolvenz vonKirch-Media aufgetreten sind – diese betreffen nicht dieHolding, nicht das Pay-TV und auch nicht die Beteiligun-gen –, werden mit dem Ziel geführt, den Konzern und dieArbeitsplätze so weit wie möglich zu erhalten. Auf alleFälle ist es das erklärte Ziel der Banken wie der Insol-venzverwalter, den Kirch-Konzern als integrierten Me-dienkonzern im jetzt laufenden geregelten Insolvenzver-fahren zu erhalten. Es wurde auch zugesagt, die nächsteRate für die Übertragung der Bundesliga zu zahlen undVerhandlungen über die nächste Saison aufzunehmen. Ichstehe deswegen auf dem Standpunkt: Hier muss eine Lö-sung gefunden werden – sie wird auch gefunden wer-den –, die marktwirtschaftlich ist und die ohne Staats-zuschüsse und staatliche Bürgschaften auskommt.
Das Hilfsangebot des Herrn Bundeskanzlers – ichfrage mich, warum er überhaupt ein solches Angebot ge-macht hat – war überflüssig.
Er hat gesagt: Das, was bei Holzmann richtig war, ist auchbei Kirch nicht falsch. Dazu kann ich nur sagen: Er hatnichts dazugelernt; denn das, was schon bei Holzmannfalsch war, ist auch bei Kirch nicht richtig.
Es laufen Verhandlungen über die Filmrechte und dieFußballübertragungsrechte. Diese Verhandlungen werdenvon denjenigen geführt, die die Verantwortung tragen.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Staatsminister Dr. Julian Nida-Rümelin22737
Nun möchte ich auf das Thema der ausländischenInvestoren zu sprechen kommen, das auch schon HerrNida-Rümelin angesprochen hat. Herr Clement hat vor ei-niger Zeit öffentlich gesagt, dass er verfassungsrechtlichprüfen lassen werde, ob der Einstieg von Murdoch undBerlusconi bei Kirch gegen Art. 5 des Grundgesetzes ver-stoße. Das ist in mehrerer Hinsicht erstaunlich: Erstens.Wenn Bertelsmann in den USA, in Frankreich, in Italienoder, wie jetzt angekündigt, in Spanien investieren würdeund wenn als Reaktion darauf die Aussage käme, hier hatein Deutscher nichts verloren, dann würde man sich sehrwundern.
Manche nehmen also eine sehr seltsame Position im Hin-blick auf den Einstieg von Murdoch und Berlusconi ein.Zweitens. Als Bertelsmann in den USA investiert hat,hat es eine solche Debatte, wie wir sie jetzt führen, dortnicht gegeben. Man hätte sie dort im Hinblick auf unsereinternationale Wirtschafts- und Medienordnung als voll-kommen abwegig betrachtet.Drittens. Es war Herr Clement selbst – das belegt,warum die jetzige Debatte scheinheilig ist –, der HerrnMurdoch nachgelaufen ist und ihn nach Deutschland ge-holt hat. Herr Murdoch ist doch längst da: Er ist mit49,5 Prozent an Vox beteiligt. Er hält auch noch andereBeteiligungen. Herr Clement hat sich gerühmt, im Jahr1998 Herrn Murdoch in Los Angeles besucht und zweiStunden mit ihm verhandelt zu haben. Herr Clement hatdamals gesagt: Herr Murdoch ist ein hochinteressanterTyp, den man auf Dauer nicht aus Deutschland heraus-halten sollte. Das sind die Fakten.
Es ist ziemlich scheinheilig, wenn hier anders argumen-tiert wird.
Schließlich ist das deutsche Medienrecht auch für je-den ausländischen Investor verbindlich. Sie sollten denArtikel lesen, der am 6./7.April in der „Süddeutschen Zei-tung“ unter der Überschrift „Kirch – Heuchler und Böse-wichte“ erschienen ist; denn dort wird darauf hingewie-sen, dass ausländische Investoren, egal woher siekommen, nach den medienrechtlichen Vorschriften ge-nauso behandelt werden müssen wie die inländischen.Zur Kritik von Herrn Clement an Herrn Kirch und anden Vorgängen in dessen Konzern: Es war, glaube ich,auch im Jahr 1998, als Herr Clement in einer Debatte imnordrhein-westfälischen Landtag gesagt hat, wenn Kirchkommen würde, würde er ihm den roten Teppich ausrol-len. Herr Clement hat Herrn Kirch seinerzeit angeboten,ihm unbesehen einen Kredit in Milliardenhöhe bei derWestLB zu beschaffen, wenn er in Nordrhein-Westfaleninvestiere. Das sind auch Fakten, an die sich heute nie-mand mehr erinnern möchte.
– Nein, ich sehe die Zusammenhänge.Der Bundeskanzler hat zuerst eine nationale Lösungangepriesen. Dann ist er vorsichtiger geworden und hatnur noch gesagt, er lehne internationale Investoren nichtgrundsätzlich ab. Was ist denn die Rolle des Herrn Bun-deskanzlers bei diesem Thema?
– Ich rede von den Gesamtzusammenhängen. – Ende Ja-nuar hat es in Hannover ein Treffen zwischen HerrnBreuer, Herrn Bundeskanzler Schröder, Herrn Middelhoff,dem Vorstandsvorsitzenden bei Bertelsmann, und HerrnErich Schumann, dem Mitgeschäftsführer der „WAZ“,gegeben.
– Ich glaube schon, dass Sie das stört; denn jetzt kommendie Wahrheiten auf den Tisch.
Bei diesem Treffen wurde die Lage erörtert und darüberdiskutiert, wie man bei einem Zusammenbruch desKirch-Konzerns – es wurde also schon damals davon ge-sprochen – Murdoch und deutsche Investoren bedienenkönne. Ich frage Sie – das ist auch interessant –: Warumwar denn die „WAZ“ bei dem Thema dabei? Warum warBertelsmann dabei?
– Moment! – Warum verspricht Schröder Herrn Murdochbereits zu diesem Zeitpunkt, er würde Pay-TV bekommen?
Ende Januar zerteilt der Bundeskanzler einen Konzern,der ihm nicht gehört, bei dem er nichts mitzureden hat undwobei Voraussetzung natürlich die Insolvenz ist. EineWoche später nimmt der Herr Breuer Stellung und sagt,Kirch ist nicht mehr kreditwürdig, was für einen Bankerabsolut ungewöhnlich ist.
Es gibt eine Rolle, die der Herr Kanzler hier spielt. Ichfrage Sie: Was berechtigt den Bundeskanzler, Ende Januarüber die Zerlegung des Kirch-Konzerns zu debattierenund Zusagen zu machen, deren Einhaltung die Insolvenzvoraussetzt?
Eine Woche später kommt der Herr Breuer mit seinerÄußerung und beschleunigt den gesamten Prozess.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Dr. Otto Wiesheu, Staatsminister
22738
Ihnen geht es um etwas ganz anderes. Als der Kanzlervor einiger Zeit seine Kampagne gegen Springer an-gekündigt hat
– Sie sollten sich etwas beruhigen und zuhören –, ist ziem-lich klar geworden, dass es ihm um die Springer-Beteili-gung bei Kirch geht. Das war auch der Grund dafür, dassdie „WAZ“ dort teilgenommen hat.
Der Bundeskanzler hätte gern die Anteile, die Kirchan Springer hat, der „WAZ“ zugespielt, weil diese einenpolitischen Kurs verfolgt, der ihm gefällt.
Das ist mit der Hintergrund dafür
– Sie sollten Ihre Stimme schonen –, dass der Bundes-kanzler hierbei eine Rolle gespielt hat, und zwar keinegute Rolle.
– Regen Sie sich nur auf!Ich habe Herrn Nida-Rümelin und seine Thesen überdie Staatsferne des Rundfunks gehört.
Das war sehr schön und sehr abstrakt gesprochen. Um wases tatsächlich geht, ist aber die Parteinähe bestimmterMedien, die Sie in einigen Bereichen vermissen, die Siegern hätten.
– Aber natürlich! Entschuldigung! Es gab die Ankündi-gung des Kanzlers, er werde eine große Kampagne gegenSpringer fahren – das ist vielleicht eine Reminiszenz anseine Jusozeit, aber das hat er vor ein paar Monaten wie-derholt – , weil ihm der politische Kurs dort nicht passt.
Da er die Kampagne nicht fahren konnte, probiert er esjetzt auf eine andere Weise, indem er Anteile des Konzernsan Medienkonzerne verschiebt, die ihm politisch nahe ste-hen. Das ist die Aktivität, die gelaufen ist. Das ist auch dieAktivität, die Ende Januar gelaufen ist. Einen anderenSinn hatte das Gespräch nicht. Vielleicht können Sie ein-mal darlegen, ob über andere Themen gesprochen wordenist. Das war also der Hintergrund. Gleichzeitig ist demHerrn Murdoch zugesagt worden, er könne sich am Pay-TV beteiligen oder es übernehmen.
Wenn sich Herr Schröder beim Kirch-Konzern als Ret-ter aufspielen will, Monate vorher aber als Brandstiftermit tätig war,
dann ist das – um einen Begriff des Herrn Schröder zu ge-brauchen – menschlich unanständig und schäbig.
Zu dem Treffen gibt es eine Vorgeschichte. Auch da-rüber sollten Sie sich informieren lassen. Der Minister-präsident von Niedersachen
hat einen Untersuchungsausschuss empfohlen. Was den daskümmert, weiß ich nicht. In einem solchen Untersuchungs-ausschuss könnte man alle Beteiligten fragen, welche Rollesie eigentlich gespielt haben, und könnte man nach demDrehbuch fragen, das für einige vorgelegt worden ist.Dass der Kirch-Konzern finanziell angeschlagen war,ist bekannt.
Dass durch eine öffentliche Erörterung der Probleme dieProzesse beschleunigt worden sind und eine Sanierungohne Insolvenz unmöglich gemacht worden ist, ist auchbekannt. Dann kann man auch das Thema der Kreditver-gabe durch die Landesbank erörtern; darauf wird manaber sicher sowieso noch näher eingehen.
Der bei der Landesbank zuständige Dezernent – das mussich Ihnen bei dieser Gelegenheit mitteilen – war der Prä-sident selbst. Präsident Lehner kommt von der Münche-ner Sparkasse und ist bekanntermaßen SPD-Mitglied.Aber Sie werden sich sicher nicht vorstellen können, dassbei der Bayerischen Landesbank ein SPD-Mitglied Präsi-dent werden kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatsminister,
darf ich Sie darauf aufmerksam machen, dass wir uns in
einer Aktuellen Stunde befinden, in der die Redezeiten
streng begrenzt sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, dasweiß ich. Meine Redezeit ist aber auf zehn Minuten fest-gelegt.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Dr. Otto Wiesheu, Staatsminister
22739
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diese zehn Minuten
sind schon um.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Entschul-
digung. Das war mir nicht bekannt.
Ich dachte, ich hätte noch ein paar Minuten Redezeit.
Ich hätte gern noch einige Ausführungen gemacht, will
meine Rede aber damit beenden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nächste Rednerin in
der Aktuellen Stunde ist die Kollegin Christine Scheel für
die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Herr Wiesheu, es gibt anscheinend einige größere Unter-schiede zwischen dem Bayerischen Landtag und diesemParlament. Die betreffen nicht nur die Redezeit. Norma-lerweise reden wir hier in diesem Hause über die Sache,
darüber, wer für etwas zuständig ist, und darüber, wer,wenn eine Pleite stattgefunden hat, dafür die Verantwor-tung trägt. Darüber haben Sie leider kein einziges Wortverloren.
Wir sprechen hier heute über ein Lehrstück vor allemder bayerischen Wirtschaftspolitik. Am Beispiel Kirch istnämlich besonders plastisch geworden, wie die bayeri-schen Kompetenzen in der Wirtschaftspolitik wirklichaussehen. Es ist schon eigenartig, Herr Wiesheu: 1997 ha-ben Sie über die LfAversucht, einen Kredit für Leo Kirchdurchzubringen, der damit zu 100 Prozent von der bayeri-schen Regierung getragen worden wäre, haben aber 1998die Kompetenz für diesen Bereich entzogen bekommen.Die Kompetenz für diesen Bereich ist in die Staatskanzleizu Minister Huber und zu Herrn Stoiber abgewandert.Jetzt, da der Karren im Dreck steckt, werden Sie wiederhervorgezaubert; die anderen tauchen ab. Das ist die Rea-lität, wie in Bayern debattiert wird und welche Möglich-keiten die Einzelnen in Bayern haben.
Wir haben es hier – das ist eine sehr ernste Sache – miteinem der größten Unternehmenszusammenbrüche in derdeutschen Nachkriegsgeschichte zu tun. Es ist, gemessenan den Schulden in einer Größenordnung von mittlerweile7,2 Milliarden Euro, die größte Pleite. Diese Summe istfür einen normalen Menschen kaum vorstellbar. Wennman sich anschaut, wie das Ganze abgelaufen ist, dannmuss man feststellen, dass in Bayern Großunternehmen– dazu gehört das Unternehmen Kirch – auf Kosten desMittelstandes hofiert worden sind, und zwar jahrelang.
Es wurden über Jahre hinweg großzügig Kredite in Milli-ardenhöhe an den Großkunden Kirch vergeben. DiesesGeld aus der Schatulle der Bayerischen Landesbank standdamit dem Mittelstand und den kleinen Handwerkernnicht mehr zu Verfügung. Man muss sich also die gesamteSituation hinsichtlich der Vergabekriterien anschauen.
Wenn man sich weiterhin anschaut, wer in dem Vergabe-gremium der Bayerischen Landesbank sitzt, dann findetman von Umweltminister Schnappauf über Herrn Staats-minister Wiesheu und Innenminister Beckstein das halbeKabinett. Man braucht sich also nicht darüber zu wun-dern, wie die bayerische Wirtschaftspolitik funktioniert.
Angesichts dieser Situation müssen wir feststellen,dass es eine ganz enge Verknüpfung von Staat und Wirt-schaft gibt.
Herr Stoiber höchstpersönlich geriert sich als obersterMedienplaner des Landes. Auch er jettet in der weltwei-ten High Society umher und hat sich als Tête-à-tête mitMurdoch getroffen. Lassen Sie doch diese wunderbarenErzählungen über andere, die Sie uns präsentiert haben!Auch Herr Stoiber hat Herrn Murdoch in den VereinigtenStaaten kontaktiert und hat Seilschaften zugunsten seinesBusenfreundes Kirch geknüpft.Wenn wir untersuchen, wie versucht worden ist, anGeld zu kommen, dann erkennen wir, dass es noch eigen-artiger wird. Man wusste anscheinend, dass das Risikovor allem hinsichtlich der Formel 1 verdammt hoch ist.Deswegen hat man unter an deren mit der Hypo-Vereins-bank versucht, dieses Kreditrisiko etwas breiter zustreuen. Die Hypo-Vereinsbank ist aber nicht darauf ein-gegangen. Darum hat die Bayerische Landesbank denKredit trotz des hohen Risikos gewährt. Das spiegelt dasausgeklügelte System wider, das sich in Bayern jahrzehn-telang „bewährt“ hat.Wenn man sich schließlich anschaut, dass Herr Stoiberimmer wieder öffentlich die Monstranz der freien Markt-wirtschaft vor sich herträgt, aber in Hinterzimmern he-rummauschelt, dann muss man sagen: In Bayern habenwir mittlerweile eher eine Planwirtschaft als eine freieMarktwirtschaft.
Es bleiben die Fragen offen, ob es in dem Spiel Verlie-rer gibt und wer die bayerische Amigowirtschaft bezahlt.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 200222740
Die Antwort ist längst bekannt: Der Steuerzahler zahlt dieRechnung, und das gleich zweifach, nämlich einmal übereine politisch motivierte Kreditvergabe ohne belastbareSicherheiten, die sich im Insolvenzverfahren höchstwahr-scheinlich zulasten der Bayerischen Landesbank in Luftauflösen und infolgedessen natürlich wiederum den Steu-erzahler bzw. die Steuerzahlerin belasten, und zum Zwei-ten über die Steuerausfälle, wenn die privaten Banken ihreKredite, die sie im Medienmoloch versenkt haben, vonder Steuer absetzen.Ich muss Ihnen klar sagen, dass wir daraus folgendesFazit ziehen: Herr Stoiber hat auf der ganzen Linie ver-sagt, und zwar als Wirtschaftspolitiker, als Medienpoliti-ker und letztendlich auch als Landeschef. So jemand istKandidat für die Bundestagswahl! Wir können erahnen,was auf uns zukäme.Danke schön.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Für die FDP-Fraktion
hat jetzt der Kollege Hans-Joachim Otto das Wort.
Frau Präsi-dentin! Frau Kollegin Scheel, mit den Krokodilstränen,die Sie hier geweint haben, können Sie die ganze Saharazum Blühen bringen.
Es ist doch wohl witzig: Wo waren Sie eigentlich, als Ihrgroßer Kanzler Schröder so viel Geld für Holzmann her-gegeben hat? Wo war da Ihr marktwirtschaftliches Enga-gement? Jetzt regen Sie sich über die Landesbankbeteili-gung auf.
– Versprochen hat!Ich möchte mich aber mit dem seriöseren Teil der De-batte beschäftigen. Also werde ich mich der Frage zu-wenden, die Herr Nida-Rümelin aufgeworfen hat. Wirsind uns darin einig, dass die Kirch-Pleite schon alleindeshalb ein Warnzeichen ist, weil sie in erster LinieFolge einer verfehlten Medienordnung in Deutschlandist.
Es ist wohl wahr, dass Kirch unternehmerische Fehlergemacht hat. Ich glaube, das gibt er selbst zu. Wenn Kirchaber alleine verantwortlich wäre, könnten Sie mir nicht er-klären,
warum praktisch alle deutschen Privatsender immer tieferin die roten Zahlen rutschen. Das ist ein Problem, mit demwir uns hier offen beschäftigen müssen.
Lieber Herr Nida-Rümelin, in diesem Zusammenhangfällt mir der Spruch ein: Wasch mir den Pelz, aber machmich nicht nass. Wenn Sie gleichzeitig eine Stärkung desöffentlich-rechtlichen Systems fordern
und wenn Sie sich gegen die „Werbevermüllung“ – so ha-ben Sie es formuliert – wenden,
dann werden Sie auf der anderen Seite in Deutschlandkeine Standortbedingungen finden, unter denen privateFernsehsender erfolgreich wirken können.In Deutschland haben wir das mit weitem Abstand teu-erste öffentlich-rechtliche Rundfunksystem der Welt:6,5 Milliarden Euro Gebühren pro Jahr. Wir haben rund20 öffentlich-rechtliche Fernsehprogramme. Mit demGeld der Steuerzahler werden für 400 Millionen Euro dieFußballrechte für 2002 und 2006 gekauft. Welch eine Ver-geudung! Die Gebühren der Fußballmuffel, die nicht dieFußball-WM sehen wollen, werden mit dafür verwendet.Wenn wir das duale Rundfunksystem und die Vielfaltin Deutschland sichern wollen, dann müssen wir Lebens-bedingungen schaffen, die es privaten Sendern erlauben,Gewinne zu machen.
Wenn Sie sich dagegen wehren, werden wir die Dinge niein Ordnung bringen.Das nächste Thema: Staatsferne. Sie fordern Staats-ferne; das ist auch witzig! Herr Nida-Rümelin, ich habenoch nie gehört, dass Sie beispielsweise die BeteiligungenIhrer Partei an Verlagshäusern kritisiert haben.
An diesem Punkt hätte man sich über Staatsferne unter-halten können. Herr Nida-Rümelin, wo waren Sie, als derder SPD angehörende Ministerpräsident Clement bei derBesetzung des ZDF-Intendantenpostens mitgemischt hat?Tolle Staatsferne!Meine Damen und Herren, zur Holzmann-Geschichtemöchte ich noch einmal die Kollegin Scheel ansprechen.
Ich rede sehr gerne über Staatsferne, aber gerade dieSPD ist es doch, die in wirklich unverschämter Weiseüberall dort, wo sie die Ministerpräsidenten stellt, Perso-nalpolitik betreibt, durchgreift und auf Intendantenwah-len Einfluss nimmt. Das ist doch keine Staatsferne!
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Christine Scheel22741
Ich bin sehr damit einverstanden, dass sich die Landes-banken – –
– Ja, ich komme jetzt zu Bayern, kein Problem, HerrKüster.Wir sind natürlich dagegen, dass sich die Staatsbankenüberdurchschnittlich an den Risiken beteiligen.
Wir sind sogar der Meinung, dass die Staatsbanken zu pri-vatisieren sind. Ich wäre sehr dankbar, wenn Sie da aufunserer Seite wären. Wenn es um Staatsferne geht, HerrNida-Rümelin, haben Sie mit uns keine Probleme. Ich er-warte aber von Ihnen konsequentes Verhalten. Sie könnennicht auf der einen Seite sagen, die Bayerische Landes-bank muss sich raushalten, auf der anderen Seite aber sa-gen, dass alles in Ordnung ist, was Herr Clement in Nord-rhein-Westfalen mit der dortigen Landesbank macht.
Das Dritte, Herr Nida-Rümelin, sind die Ausländer-quoten: Ich finde es witzig, dass dieselbe SPD, die jahre-lang Leo Kirch als den bayerischen Dunkelmann desdeutschen Fernsehens diffamiert hat, jetzt nach einer na-tionalen Lösung schreit. Das ist doch wirklich enorm.Jetzt höre ich von Herrn Wiesheu auch noch, dass HerrClement praktisch den Herrn Murdoch herbeigeredet undihn aufgefordert hat, in Nordrhein-Westfalen zu investie-ren. Sie aber fangen mit Deutschtümelei und Quoten ge-gen die Ausländer an.
Ich möchte Sie nur darauf hinweisen, dass SieBerlusconi in keinem Fall werden fern halten können,denn er ist EU-Bürger. Da geht Ihr Argument schon einmalin die Irre. Wir sollten eigentlich froh sein, wenn kompe-tente ausländische Medienunternehmer bereit sind, in die-ser schwierigen Situation Geld zu investieren. Murdochbeispielsweise ist bereit, 600 Millionen Euro für Premierezu bezahlen.
– Ich habe gehört, dass Murdoch bereit ist, 600 MillionenEuro zu investieren. Ich würde es, ehrlich gesagt, in derSituation nicht machen.
Wenn er bereit ist, das zu tun, sollten Sie jetzt nicht mitnationalen Quoten operieren.Meine Damen und Herren, die Kirch-Pleite ist kein An-lass für Hysterie, sie ist vor allen Dingen auch kein Anlassfür Deutschtümelei. Es droht keine Mediendiktatur undkeine Gleichschaltung der Medien, wenn ausländischeInvestoren nach Deutschland kommen. Ich finde, die SPDsollte einmal ihre Position überprüfen: Hier ruft sie jetztnach nationalen Lösungen, stellt sich aber sonst die ganzeZeit als weltoffene Partei dar.
Die Kirch-Krise bietet wie fast alle Krisen große Mög-lichkeiten und Chancen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Otto, ich
muss Sie an die Zeit erinnern.
Ich möchte
Sie auffordern, die Chancen, die die Kirch-Krise für uns
alle bietet, im Zuge einer Reform der Medienordnung in
Deutschland beherzt aufzugreifen,
aber ihr nicht mit Hysterie und Deutschtümelei zu begeg-
nen.
Vielen Dank.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Für die Fraktion der
PDS spricht jetzt die Kollegin Angela Marquardt.
Frau Präsidentin! LiebeKolleginnen und Kollegen! Wirtschaftsliberale wollenuns ja gelegentlich weismachen, dass Privatwirtschaft soetwas wie das Gegenstück zu Politik und Staat ist.
Trotzdem hat uns der Fall Kirch klar gemacht und ein Pa-radebeispiel dafür geliefert, wie sehr beides zusammen-hängen kann.Die Geschichte des Medienimperiums Kirch beginnt inden frühen 80ern. Die damals bestehende Koalition ausCDU/CSU und FDP wollte dem vermeintlich linkslasti-gen öffentlich-rechtlichen Rundfunk etwas entgegenset-zen und hat sich für das Privatfernsehen stark gemacht.Kohl und Strauß haben dabei von Anfang an auf Kirch ge-setzt. Im Gegenzug hat dieser damals regelmäßig die pri-vate Kohl-Reklameshow „Zur Sache, Kanzler“ im deut-schen Fernsehen ausgestrahlt, gewissermaßen als Dankfür eine Unterstützung, die natürlich gerade auch ausBayern kam.1989 machte dann Edmund Stoiber die Medienpolitikzur Chefsache und beauftragte den Leiter der Staatskanz-lei, Erwin Huber, den Standort Bayern in Sachen Me-dienwirtschaft auszubauen. Ungeachtet der Kritik der da-maligen Opposition setzte die Bayerische Staatsregierungvor allem auf Herrn Kirch. So kam es, dass die BayerischeLandesbank damals mit großzügigen Krediten – ich
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Hans-Joachim Otto
22742
glaube, fast 2 Milliarden Euro – die gewaltige Expansiondes Unternehmens finanzierte. Alle Warnungen, denKirch im Dorf zu lassen, wurden überhört und seine Ex-pansion wurde zugelassen. Das Resultat kennen wir jetztalle; nicht umsonst debattieren wir heute darüber. Derwirtschaftspolitisch ach so kompetente Kanzlerkandidathofft nun, aus der Sache fein herauszukommen.Aber eines sage ich Ihnen: Ich glaube schon, dass dieMenschen im Land verstehen, dass hier nicht einfach nurein Unternehmer mit einem eigenwilligen FinanzkonzeptPleite gegangen ist, sondern dass auch seine Amigos ge-scheitert sind,
die unter Wirtschaftskompetenz vor allen Dingen politi-sche Freundschaften und politische Einflussnahme ver-stehen.
Alles in allem ergibt sich ein klägliches Bild: Zuerstwird die Privatisierung vorangetrieben, wenn diese abergegen den Baum gelaufen ist, werden die Rufe nach demStaat wieder laut, der helfen soll.
Das ist eine Sache, die man der PDS oft genug vorwirft.Diese Holzmann-Politik, die man meines Erachtensauf die Formel „Gewinne privatisieren, Verluste soziali-sieren“ bringen kann,
ist eine Politik, unter der man nicht unbedingt Liberalis-mus versteht, bzw. das scheint manchmal der Liberalis-mus des Bundeskanzlers zu sein.
Auch ich finde es erstaunlich, dass die Politik jetzt ver-sucht, zumindest hinsichtlich der Investoren Einfluss zunehmen. Sonst freut man sich über ausländische Investo-ren, aber hier beginnt man eine Debatte in Bezug aufpolitische Einflussnahme. Die Angst vor politischer Ein-flussnahme ist natürlich durchaus berechtigt. Aber daswissen genau jene selbst am besten, die all die Jahre diesepolitische Einflussnahme genossen haben.
Insofern kann ich nur sagen: Die größten Kritiker der El-che waren früher selber welche!
Natürlich sind auch in meinen Augen weder Berlusconinoch Murdoch besonders vertrauenswürdige Unterneh-mer. Aber ich glaube, dass hier Politiker, Intendanten undMedienunternehmer in seltener Eintracht zusammenrü-cken. Der Fall Bertelsmann ist hier schon angesprochenworden; dieses Unternehmen hat immerhin für schlappe1,4 Milliarden Dollar die größte US-amerikanischeVerlagsgruppe übernommen.Für die Sender Pro 7 und SAT 1 werden die Konse-quenzen aus der Kirch-Pleite in meinen Augen längerfris-tig eher gering sein. Was aber die Zukunft des defizitärenPay-TV angeht, sind natürlich viele Fragen aufgeworfenworden, und auch hinsichtlich des Digitalfernsehens isteiniges offen.Die Lehre – das ist vom Staatsminister angesprochenworden – aus diesem Kabinettsstück des Kapitalismuskann meines Erachtens nur sein, dass der öffentlich-recht-liche Rundfunk gestärkt wird. Er ist ein Grundpfeiler derMediendemokratie.
Wir dürfen den Versuchen, den öffentlich-rechtlichenRundfunk anzugreifen und ihn zu gefährden, nicht Türund Tor öffnen. Der Fall Kirch zeigt, dass Medien keineWare sind. Man kann sie nicht ausschließlich dem Kar-tellrecht unterordnen und man darf sie nicht zur Ware ma-chen. Das hat dieser Fall gezeigt. Sie sind Teil des demo-kratischen Systems und können das offen und transparentnur dann sein, wenn eine unabhängige Berichterstattunggewährleistet ist,
wenn Bürgerinnen und Bürger durch Information auch indie Lage versetzt werden, sich eigenständig eine Meinungzu bilden und an den demokratischen Prozessen zu betei-ligen. Dafür schafft der öffentlich-rechtliche Rundfunkmit die besten Voraussetzungen. Er wird heute mit Si-cherheit auch diese Debatte übertragen.Medien sind aber auch ein Teil der Kulturlandschaft.Nicht umsonst ist das Ministerium für Kultur und Medieneingerichtet worden. Auch Kultur kann nicht ausschließ-lich unter Verwertungsgesichtspunkten betrachtet wer-den.
Mir ist in dieser Diskussion in den letzten Wochen end-gültig klar geworden, Kollege Otto, dass eine Deregulie-rung des Medienmarktes die falsche Lösung für diesesProblem ist. Ich werde mich nicht ins Bockshorn jagenlassen, sondern immer gegen diese Deregulierung kämp-fen. Bevor wir die Medienordnung neu gestalten, bevorwir sie öffnen, bevor wir sie verändern, Kollege Otto, soll-ten wir den Fall Kirch genau analysieren, bis ins Detail.Denn die Chancen, die Sie hier sozusagen offeriert haben,können wir wirklich nur nutzen, wenn dieser Fall aufge-klärt ist und wenn wir uns auch trauen, zu sagen, dass wireine solche Medienmonopolmacht, wie Kirch sie war, inZukunft verhindern wollen, dass es eine solche Monopol-macht mit dieser Bundesregierung oder auch mit anderenBundesregierungen nicht wieder geben wird.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Angela Marquardt22743
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort für die SPD-
Fraktion hat der Herr Kollege Ludwig Stiegler.
Frau Präsidentin! Meine Da-men und Herren! Sie haben wieder Angst vor zeitge-schichtlichen Betrachtungen,
aber heute genügt die allerjüngste Zeit. – Herr Kirch haterklärt: Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen.Weiter geht dieses Zitat aus der Bibel so: Der Name desHerrn sei gepriesen.Diese wirklich gute, mich seit Kindheit rührende Ein-stellung des Dulders Hiob wäre richtig, wenn der Herrhier tätig gewesen wäre. Nur: Der Herr hat anderes zu tun.Hier waren schwarze Herren tätig, die die Verantwortungtragen und deren Name nicht gepriesen ist.
Wir haben erlebt, dass die CSU zu viel zu Kirch und zuwenig in die Kirche gegangen ist. Darum sitzt sie jetzt imFegefeuer.
Wenn es so weitergeht, kommen auf die CSU noch dieloca inferna, vulgo Hölle, zu.Meine Damen und Herren von der CSU, Sie haben einLehrstück aufgeführt, das uns zeigt, wie man es nicht ma-chen darf. Sie haben Staatseigentum riskiert. Jetzt sind Sie– das ist typisch Stoiber und die CSU – auf der Flucht vorder Verantwortung.
Jetzt werden in alter konservativer Tradition – ich binbeinahe schon wieder in Weimar – Dolchstoßlegenden ge-dichtet, die zum Gegenstand haben, dass es angeblich einVerschwörungsgespräch gegeben habe. Es ist mir absolutneu, dass Herr Breuer ein Instrument des Bundeskanzlersoder der SPD ist. Das ist eine wirklich überraschendeErkenntnis.
Immer wenn Sie mit Ihrer Verantwortung konfrontiertwerden, ist Ihnen jede Unwahrheit recht. Ich weise daszurück. Seien Sie ein Mann und stehen Sie zu dem, wasSie gemacht haben! Stehlen Sie sich nicht aus der Verant-wortung!
Der Fall Kirch hat große bundespolitische Auswirkun-gen. Es gibt nämlich erhebliche Steuerausfälle. Man mussnur daran denken, dass bei den beteiligten Banken Ver-lustrückstellungen in Milliardenhöhe vorgenommen wer-den müssen. Das hat Folgen für die Gewinne und für dieEigenkapitaldecke. Dadurch verschlechtert sich die Mög-lichkeit der Kreditgewährung an kleine und mittlere Be-triebe. Gerade die Bayerische Landesbank hat im Fallevon Sanierungen kleiner Betriebe immer auf die Grenzeneiner solchen Maßnahme hingewiesen. Aber im Falle vonKirch hat sie den Bogen überspannt. Dadurch hat sie sichselbst der Fähigkeit beraubt, den kleinen und mittlerenUnternehmen zu helfen.Eine der größten Schweinereien ist, den Fall Holzmanndem Fall Kirch gleichzustellen.
– Nein, das tut nicht weh, Herr Otto. Wenn Sie mirzuhören, werden Sie mir zustimmen müssen. – Im FallHolzmann hat Roland Berger, dem Stoiber so vertraut,dass er sogar mit ihm werben will, eine Konzeption vor-gelegt. Diese Konzeption sollte von den Banken umge-setzt werden; der Bund war zu einer Bürgschaft bereit.Kein Pfennig ist im Falle von Holzmann geflossen. Aberim Falle der Bayerischen Landesbank und der anderenBanken stehen Milliarden auf dem Spiel.
Es ist eine Schweinerei, hier einen Zusammenhang mitdem Fall Holzmann zu konstruieren. Mit dem Konzeptvon Herrn Berger, dem Sie an anderer Stelle so vertrauen,wurde deutlich, dass wir helfen wollen – ich stehe dazu –,indem wir auch in Zukunft mit einer Risikobürgschafteinstehen, wenn das Risiko nicht mehr allein von Holz-mann getragen werden kann und wenn es ein vernünftigesSanierungskonzept gibt. Wenn ich an die Privatbankendenke – die Liberalen fordern doch immer die reineMarktwirtschaft –, dann muss ich sagen, dass sie zu feigesind, bestimmte Risiken zu übernehmen.
Da es im Falle von Holzmann um Arbeitsplätze geht,stehen wir zu dieser Hilfe. Aber im Gegensatz zu Stoiberhat Schröder keine einzige Mark ausgegeben. Stoiber hatdas Vermögen des Freistaates Bayern im höchsten Maßegefährdet.
Jeder kleine Sparkassenvorstand wird verfolgt, wennder Tatbestand der Untreue vorliegt. Da frage ich mich,was all die schwarzen Nickneger im Kreditausschuss derBayerischen Landesbank zu gewärtigen haben.
Ich hoffe, dass die Staatsanwaltschaft München nichtmehr nur länger beobachtet, sondern auch einmal prüft,was hier los ist. Ich bin gespannt, was bei der Sonderprü-fung herauskommen wird.Ich hätte Ihnen, meine Damen und Herren von derCSU, noch gerne gesagt, wie Sie sich verhalten müssten.Ich sage aber nur: Die CSU hat gezeigt, wie man es in
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 200222744
Deutschland nicht machen kann, nämlich großkotzig aufden Hintern zu fallen, aber dann noch mit vollen und stin-kenden Hosen frech zu werden! Das werden wir Ihnennicht durchgehen lassen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nächster Redner ist
der Kollege Dr. Norbert Lammert für die Fraktion der
CDU/CSU.
Frau Präsidentin!Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Nachdem derfür die Medienpolitik der Bundesregierung zuständigeStaatsminister diese Aktuelle Stunde mit einem an Un-auffälligkeit kaum noch zu überbietenden „Divertimentofür kleine Besetzung“ begonnen hatte, hat die Debatte in-zwischen eine Lautstärke erreicht, die man sich von die-sem schönen Thema zu Recht erwarten durfte, wenn-gleich ich ein bisschen betrübt darüber bin, dass wir zumjetzigen Zeitpunkt der Debatte über die Haltung der Bun-desregierung zu diesem Insolvenzfall genauso wenig wis-sen wie zu Beginn der dazu beantragten Aktuellen Stunde.
Herr Kollege Stiegler, insofern wäre es wunderschöngewesen, wenn Sie Ihre leider so eng bemessene Rede-zeit dafür genutzt hätten, ein bisschen zur Sachverhalts-aufklärung beizutragen, was offenkundig nicht gelungen ist.
Die Medienwirtschaft gehört zu den nicht ganz so zahl-reichen innovativen Wirtschaftsbranchen mit hohemWachstumspotenzial.
Deswegen gibt es nicht zufällig seit vielen Jahren einenengagierten Wettbewerb der Länder, und zwar insbeson-dere des Freistaates Bayern und des größten Bundes-landes Nordrhein-Westfalen, mit jeweils einem hohenEinsatz der Wirtschaftsförderung und der Landesbanken.
Herr Stiegler, Frau Scheel, warum wird hier eigentlichmit einer geradezu unüberbietbaren Scheuklappenper-spektive an der einen Stelle das Paradies vermutet und ander anderen Stelle die Hölle an die Wand gemalt?
Ich komme aus Nordrhein-Westfalen und beobachte – of-fenkundig etwas länger als Sie – Glanz und Elend derBemühungen um die Entwicklung eines Medienstand-ortes.
– Herr Kollege Stiegler, es ist nicht zu übersehen, dass so-wohl an der einen als auch an der anderen Stelle die Be-geisterung über erhoffte Ansiedlungserfolge gelegentlichden nüchternen Blick für Chancen und Risiken getrübthat. Bevor in Bayern über das erste vermeintliche Pro-blem einer solchen Ansiedlungspolitik auch nur diskutiertworden ist, hatten wir in Nordrhein-Westfalen bereits dieerste Serie einschlägiger Flops hinter uns.
– Ich trage das vor, weil dies Ihnen bei Ihrer Vorbereitungvon Ihren fleißigen Mitarbeitern offenkundig nicht mehrrechtzeitig angereicht werden konnte.Da gab es das berüchtigte HDO, „High DefinitionOberhausen“, ein Trickfilmzentrum, das wohl auch des-wegen so hieß, weil es ein abschreckendes Beispiel für dietrickreiche Vernichtung von öffentlichen Mitteln war.
Unter massiver Förderung der nordrhein-westfälischenLandesregierung hat sich der Gesellschafterkreis mehr-fach verändert, zu dem aparterweise zu Beginn auch nochGesellschafter aus dem Kreis der Verwalter des früherenSED-Vermögens gehörten. In der Zwischenzeit sind fürdie öffentlichen Hände, für den nordrhein-westfälischenSteuerzahler, Verluste in einer dreistelligen Millionen-höhe eingetreten.
– Eben darum.Was hat diese Art der Auseinandersetzung für einenSinn? Herr Nida-Rümelin, wenn wir aus den Erfahrun-gen, die wir nicht zum ersten Mal machen, Konsequenzenziehen wollen, dann hat das mit der Keilerei „Rechte ge-gen Linke“ oder „Mitte gegen den Rest der Welt“ über-haupt nichts zu tun.
Der jetzt als der leibhaftige Gottseibeiuns geschilderteRupert Murdoch ist tatsächlich vom jetzigen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Clement in die deut-sche Medienwirtschaft eingeführt worden. Er hat damalseine Beteiligung bei Vox erworben, die nicht zu demgewünschten Ergebnis geführt hat. Ein konkretes Ergeb-nis dieses gemeinsamen Fehlengagements sind Kre-dite der öffentlichen Hand in Höhe von 30 bis 50 Mil-lionen DM, die bis heute nicht zurückgezahlt wordensind.In Köln gibt es einen gigantischen Medienpark, der miterheblichen öffentlichen Subventionen auf den Weg ge-bracht worden ist und von dem die nordrhein-westfälischePresse schreibt, hier betreibe ein Ministerpräsident „Me-dienpolitik mit Fördergeld und Brechstange“.Ich empfehle also sehr, die Sachverhalte insgesamt unddie Probleme der Entwicklung der vergangenen Jahre zurKenntnis zu nehmen, die nun wirklich nicht zu übersehenwaren und keineswegs heute zum ersten Mal auftreten.
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Ludwig Stiegler22745
Die Medienwirtschaft ist ein Wirtschaftsbereich, derwie jeder andere auch nach ökonomischen Gesichtspunk-ten organisiert werden muss. Er hat nicht mehr, aber auchnicht weniger Anspruch auf öffentliche Unterstützung alsandere Bereiche auch. Deswegen halten wir in dieserDebatte fest: Es darf bei der Restrukturierung einer inwirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Mediengruppein der Tat keine öffentlichen Hilfestellungen geben. Daunterscheidet sich die Position der Bayerischen Staats-regierung ganz offensichtlich von der der Bundesregie-rung. Gerhard Schröder hat ja mit traumwandlerischerSicherheit zunächst einmal die möglichen Folgepro-bleme einer Kirch-Insolvenz bei der Bundesliga vermu-tet und erst nach der verheerenden öffentlichen Reaktionauf das Angebot von öffentlichen Bürgschaften ange-droht, dass in Verlängerung der gescheiterten Holzmann-Intervention auch für die Mitarbeiter der Kirch-Gruppemit entsprechenden öffentlichen Hilfen eingegriffen wer-den sollte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Stichwort: Verlänge-
rung. Ich erinnere an die Redezeit. Sie ist vorüber.
Jawohl. – Wir
dürfen uns bei der notwendigen Restrukturierung nicht
um die bitteren Einsichten drücken,
die in den letzten Jahren und keineswegs in den letzten
Tagen deutlich geworden sind. Bei der auch nach unse-
rer Überzeugung zentralen Frage der Verbindung des
Wettbewerbsrechts – geht es nicht um die Frage: natio-
nal oder international; sondern um die Frage: Wettbe-
werb oder Monopol; das ist die eigentlich spannende
Frage. Und was das Medienrecht, das besonders sensi-
bel ist, angeht,
gibt es eine politische Partei in Deutschland, Herr
Stiegler, die sich bei dieser Diskussion sehr zurückhalten
sollte:
Das ist die Sozialdemokratische Partei Deutschlands.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Lammert, jetzt muss ich Sie wirklich ausbremsen. Sie ha-
ben Ihre Redezeit weit überzogen.
Eines werden wir
Ihnen nicht durchgehen lassen,
dass nämlich im Allgemeinen die Verbindung von politi-
schem Einfluss und Medieneinfluss mit Abscheu und
Empörung zurückgewiesen wird und für den medienpoli-
tischen Hausgebrauch
mit geradezu verzweifelter Wut an genau dieser Verbin-
dung festgehalten wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort für die Frak-
tion des Bündnisses 90/Die Grünen hat die Kollegin
Grietje Bettin.
FrauPräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlichdürfte die Kirch-Pleite niemanden wirklich überrascht ha-ben. Denn wer sich in den letzten Jahren nur ein wenig mitdieser Materie befasst hat, hätte wissen müssen, dass al-lein der Pay-TV-Sender Premiere World täglich – wohl-gemerkt: täglich – rund 2 Millionen Euro Verlust einge-fahren hat. Das entspricht einem Minus von mehr als700 Millionen Euro pro Jahr, von den anderen defizitärenSendern wie Sat 1, Kabel 1, N 24 und DSF ganz zuschweigen. Nein, die Pleite von Kirch-Media kam wirk-lich nicht überraschend.
Dieser Kollaps war vorprogrammiert.Als Außenstehende fragt man sich allerdings schon,welchen bayerischen oder außer-bayerischen Amigo-Freundschaften Leo Kirch immer wieder Bankkredite zuverdanken hatte. Wer konnte oder wollte dort das dro-hende finanzielle Fiasko nicht sehen oder wahrhaben?Die Frage, die sich fast schon automatisch stellt, ist: Hates möglicherweise erhebliche Unwägbarkeiten im Kredit-geschäft der beteiligten Banken gegeben? Eine Sonder-prüfung durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwe-sen bei den größeren Kreditgebern ist hier sicherlichgeboten.Inzwischen ist wohl jedem klar: Der Kirch-Konzern istin seiner bisherigen Form nicht mehr zu retten. Jetzt stehtfür uns die Sorge um die deutsche Medienlandschaft unddie Arbeitsplätze im Vordergrund. Es geht nicht nur umdie Beschäftigten bei Kirch selbst, sondern auch um ex-terne Produktionsfirmen und Zulieferer. Entscheidend istfür uns, dass es zu einem zukunftsfähigen Sanierungs-konzept für die Kirch-Gruppe kommt. Weitere Kreditedürfen nur unter der Voraussetzung gewährt werden, dassdamit langfristig die Firma Kirch und die Arbeitsplätzegesichert werden. Es darf nicht dazu kommen, dass durchneue Kredite der Konkurs nur verschleppt wird und sichbei der nächsten großen Zahlungsverpflichtung im Okto-ber das gleiche Problem stellt.Eine pauschale Zerschlagung der Kirch-Gruppe, beider sich Banken und andere Beteiligte die Rosinen wie dieFree-TV-Sender oder die Formel-1-Rechte herauspicken,lehnen wir ab. Wir fordern eine Gesamtlösung für dieKirch-Gruppe, die allerdings nicht von der Politik undschon gar nicht im Alleingang zu leisten ist, sondern im
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Dr. Norbert Lammert22746
Zusammenspiel zwischen den Banken, den Investorenund dem Unternehmen zu gewährleisten ist.Neben den finanzpolitischen Konsequenzen erfordertdie Krise um Kirch natürlich auch medienpolitische Kon-sequenzen. Denn es reicht bei weitem nicht mehr, die na-tionalen Medienmärkte isoliert zu betrachten. Andere Me-dienmogule, auch die jetzt immer wieder als Kirch-Erbengenannten Murdoch und Berlusconi, verfügen ebenfallsüber vielfältige Beteiligungen auf dem europäischenKontinent. Diese Beteiligungen beschränken sich be-kannterweise nicht nur auf den Rundfunksektor, sondernumfassen mitunter den gesamten Medienbereich. Mono-pole wie in Großbritannien oder Italien, die wahrschein-lich schon eine Gefahr für die Demokratie darstellen kön-nen, müssen in Deutschland verhindert werden.
Das gilt insbesondere für den Einstieg von Berlusconi,auch und gerade aufgrund seines politischen Gewichtsin Italien. Auch Rupert Murdoch ist sicherlich alleinaufgrund seiner aggressiven Boulevardpresse kein Wai-senknabe. Aber das deutsche Medienrecht ist umfas-send und nicht mit dem von Großbritannien zu verglei-chen.
Es gibt in Deutschland vielfältige Instrumente undMöglichkeiten, um Meinungsmacht und Medienkonzen-tration zu begrenzen. In Deutschland existieren gesetzli-che Grundlagen zur Medienkontrolle und zur Vielfalts-sicherung, die auch einem Rupert Murdoch und einemSilvio Berlusconi Grenzen setzen würden.Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht nicht darum,ausländische Medienbeteiligungen in Deutschland grund-sätzlich zu verhindern. Solche Beteiligungen gibt es jetztschon, so gehören zum Beispiel 50 Prozent von SuperRTL dem amerikanischen Disney-Konzern. Diese kön-nen und dürfen auch zukünftig, zumindest als Minder-heitsbeteiligungen, nicht ausgeschlossen werden. Viel-mehr geht es darum – auch das ist eine Lehre aus derKirch-Pleite –, dass die Kontrollmechanismen insgesamtnoch verbessert werden müssen. Das ist ein ganz ent-scheidender Punkt.
Deshalb fordern wir die Einrichtung einer europä-ischen Kommission zur Ermittlung der Konzentration imMedienbereich. Dabei sollen auch Cross-Ownership-Re-gelungen berücksichtigt werden. Rundfunk, Print, Onlineund weitere publizistische Beteiligungen lassen sich heut-zutage nicht mehr getrennt betrachten. Die Schaffung ei-nes koordinierenden Medien- und Kommunikationsratesauf Bundesebene würde unserer Meinung nach ebenfallshelfen, zukünftige Pleiten und Verflechtungen auf demMediensektor zu verhindern.
Dazu müssen allerdings die verantwortlichen Institutio-nen, die Landesmedienanstalten, die KEK oder auch dasBundeskartellamt, enger als bisher zusammenarbeitenkönnen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, schlussendlich zeigtder Fall Kirch einmal mehr, wie wichtig eine kartellrecht-liche und politische Aufsichtsfunktion im Medienbereichist; denn lässt man einem Unternehmen zu viele Freihei-ten, Herr Kollege Otto, verliert es auf den differenziertenMärkten selbst die Übersicht. Medienpolitik muss daherimmer über den Tellerrand hinaus schauen, sie muss ge-gebenenfalls Standortpolitik entlarven, Marktanteile imAuge behalten und darf bei den einzelnen Verwertungs-ketten nicht die Übersicht verlieren.Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nächster Redner ist
der Kollege Bernd Neumann für die Fraktion der
CDU/CSU.
Frau Präsi-dentin! Meine Damen und Herren! Eines der größtendeutschen Medienunternehmen, die Kirch-Gruppe, ist indramatische Schwierigkeiten geraten. Natürlich sind Ma-nagementfehler dafür mit entscheidend. Es ist durchaus le-gitim – vielleicht mehr im Bayerischen Landtag als hier –,die Frage zu stellen: Gibt es da Verantwortung, ja odernein?Ich möchte diese Diskussion hier nicht fortsetzen. Sieist wichtig, aber sie ist ein Stück weit in die Vergangen-heit gerichtet. Es stellt sich vielmehr die Frage: Woraufkommt es jetzt an? Aus meiner Sicht kommt es auf zweiDinge an: Wir müssen erstens alles tun, um möglichstviele der 10 000 Arbeitsplätze zu erhalten, und zweitenssicherstellen, dass die Vielfalt im Fernsehangebot nichteingeschränkt und die Machtbalance in unserem dualenSystem nicht gefährdet wird.Dazu gibt es unterschiedliche Vorschläge. Es gibt denVorschlag – ich zitiere –, der Bund müsse sich mit „1 Mil-liarde wenigstens eine Sperrminorität bei den Kirch-An-teilen sichern“ und gegebenenfalls – so heißt es weiter –„einen Teil der Anteile zurückkaufen und zurück verstaat-lichen“. Meine Damen und Herren, ich halte diesen Vor-schlag für so abenteuerlich und absurd, dass ich ihn nor-malerweise nicht aufgreifen würde, wenn er nicht zufälligvon der leibhaftigen SPD-Sprecherin und Vorsitzendendes Bundestagsausschusses für Kultur und Medien,Monika Griefahn, käme.
Abgesehen davon steht dieser Vorschlag völlig im Ge-gensatz zu Ihren Einlassungen am Anfang, Herr Nida-Rümelin. Sie sprachen davon, die Staatsferne zu sichern,ja die Staatsferne eher noch zu verdeutlichen. Bei IhremVorschlag schlagen die Herzen der Altkommunisten in derPDS höher, liebe Monika Griefahn. Ich hoffe, wir sind uns
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Grietje Bettin22747
einig: Dies wäre ein eklatanter Verstoß gegen das Gebotder Staatsferne, das kann überhaupt nicht infrage kom-men.
Ernster zu nehmen sind die von der SPD zum Teil vor-gebrachten Ängste vor möglichen ausländischen Anteils-eignern wie Berlusconi und Murdoch. Wenn man längerdarüber nachdenkt, kann man diese nur für unberechtigthalten.Wir haben in Deutschland die stringentesten Medien-gesetze der Welt. Diese führen dazu, dass ausländischeUnternehmen im Hinblick auf Investitionen in Deutsch-land zum Teil eher abgeschreckt als angezogen werden.Der Fall Liberty Media ist aus meiner Sicht ein klassi-sches Beispiel dafür.
Wir haben ein funktionierendes Wettbewerbsrecht.Wer gemessen am Zuschaueranteil über 26 Prozent undunter bestimmten Bedingungen über 30 Prozent des Fern-sehmarktes besitzt, darf sich nicht weiter ausdehnen. EineSituation wie in Italien, wo Berlusconi in der Tat über einevöllig indiskutable Medienmacht verfügt, ist in Deutsch-land aufgrund der Gesetzeslage undenkbar. Dies sollteman auch nicht herbeischwören.
Wir können uns nicht einerseits darüber freuen, wenndeutsche Unternehmen wie Bertelsmann oder die WAZ-Gruppe erfolgreich auf ausländischen Märkten agieren,andererseits aber unseren eigenen Markt abschotten, ganzabgesehen davon, das dies gegen die in den RömischenVerträgen verankerte Niederlassungsfreiheit in der EUverstieße. Es geht also gar nicht.Herr Nida-Rümelin, man könnte zumindest theoretischdarüber diskutieren, ob wir auch wie in Amerika und an-derswo den Anteil ausländischer Anteilseigner begrenzen.Wenn wir aber in der Philosophie deutscher Politik blei-ben wollen, würde ich eher dafür plädieren, dafür zu wer-ben, dass auch woanders diese Barrieren beseitigt werdenund wir nicht neue einführen.
Wer es ernst meint mit der Sicherung möglichst vielerArbeitsplätze der Kirch-Gruppe, kann nicht gleichzeitigdie wenigen, wirklich kapitalkräftigen Investoren behin-dern wollen.
Wer sonst soll denn im Bereich der privaten Fernsehan-bieter das Gegengewicht zu dem so genannten GigantenBertelsmann bilden, das wir brauchen? Dies geht doch nurmit kapitalkräftigen Investoren. Deswegen halte ich es fürfalsch, solche Forderungen zu stellen.Es ist schon gesagt worden: Wie politisch einseitig undzum Teil auch unglaubwürdig Ihre Sorgen, meine Damenund Herren von den Sozialdemokraten, im Hinblick aufzu viel Meinungsmacht durch Medien sind, offenbart dieTatsache, dass Sie Ihre eigenen Medienbeteiligungen anmehr als 30 regionalen Tageszeitungen und Rundfunk-sendern
in Deutschland, die nach eigenen Angaben ohne Immobi-lien einen Wert von 750 Millionen DM haben, bisher ver-schleiert haben und Ihre Einnahmen nicht offen legenwollten. Wenn Sie es mit Ihrer Forderung nach der Un-abhängigkeit der Medien ernst meinen – ich hoffe dies –,sollten Sie sich von Ihren Medienanteilen trennen, umendlich den chancengleichen Wettbewerb aller Parteien inDeutschland
im Willensbildungsprozess herzustellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Neumann, auch Sie muss ich an die überzogene Redezeit
erinnern.
Ich komme
zum Schluss.
Meine Damen und Herren von der SPD, in Anbetracht
des Meinungsbildes bei Umfragen verstehe ich Ihren Ver-
such, das Thema „Bayern, Kirch und Stoiber“ hochzuzie-
hen; ich halte dies aber für untauglich. Wenn Sie sich
wirklich um den Erhalt der Arbeitsplätze kümmern wol-
len, verstehe ich nicht, dass Ihre einzigen Vorschläge –
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Neumann, ich bitte Sie, sich an die Redezeit zu halten.
– ich
komme zum Ende – die von Clement und Müller waren,
die darauf abzielten, über Staatsbürgschaften sicherzu-
stellen, dass die Bundesligaklubs weiterhin die völlig
überholten Millionengagen an ihre Spieler zahlen können.
Es kann nicht wahr sein, dass dies die einzige konkrete
Forderung der Sozialdemokraten ist.
Vielen Dank.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nächster Redner für
die Fraktion der SPD ist der Kollege Rolf Hempelmann.
Manchmal hat man dasGefühl, dass wir heute hier bei der Weltmeisterschaft imNebelkerzenweitwurf sind.Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind uns– jedenfalls auf der linken Seite dieses Hauses – darübereinig, dass hier durch die Bayerische Landesbank überJahre unverantwortliche Kreditvergaben vorgenommenworden sind.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Bernd Neumann
22748
Diese gehört zu 50 Prozent dem bayerischen Freistaat.Wenn man sich die Besetzung ansieht, insbesondere diedes Verwaltungsrates, kann man sagen, dass dies der ver-längerte Arm der bayerischen Landesregierung ist.Fast 2 Milliarden Euro sind hier in den Teich gesetztworden. Deswegen habe ich überhaupt kein Verständnisdafür, wenn man hier aufseiten der Opposition über allesMögliche redet, nur nicht über die Sache.Meine Damen und Herren, wir brauchen uns nur dieletzte Kreditvergabe vor einem Jahr anzuschauen
– Herr Lammert, ich weiß, dass es Ihnen unangenehmist –,
um hier zu einem klaren Urteil zu kommen. Es ging umden Erwerb der Rechte an der Formel 1. VerschiedeneBanken – das ist heute kurz angerissen worden – wurdenangesprochen. Alle, unter anderem auch die Hypo-Ver-einsbank, haben abgewunken. Was geschah? Tags daraufbrüstete sich Leo Kirch damit, dass es nur einiger Telefo-nate bedurft habe und schon habe er den Kredit in einerGrößenordnung von 1 Milliarde Euro durch die Bayeri-sche Landesbank erhalten.
Schauen wir uns einmal an, wie die Sicherungen aus-sehen. Danach wird unsereins, wenn er einen Kredit vonder Bank haben möchte, ja auch gefragt. Bei der SicherungNummer 1 handelt es sich um die Rechte an der Formel 1selbst. Der eine oder andere sagt – die Zahl ist heute auchim Otto-Katalog erschienen –, dass diese 600 MillionenEuro wert sind. Es gibt aber andere, die etwas von diesemGeschäft verstehen und die schon vor einem Jahr gesagthaben, dass der Wert auch Null sein kann, und zwar dann– das wurde damals schon geplant oder jedenfalls ange-sprochen –, wenn die Automobilhersteller das Geschäftselbst in die Hand nehmen, was aus deren Perspektivedurchaus Sinn und Verstand machen kann. SicherungNummer 1 ist also nichts wert.Sicherung Nummer 2 soll der 25-prozentige Anteil anKirch-Media sein. Wenn wir uns das einmal anschauen,stellen wir fest, dass Kirch-Media mit 6 Milliarden Euroverschuldet ist. Für unsereins wäre das natürlich eine tolleSache: Man geht zur Bank, um einen Kredit zu erhalten,wird nach Sicherungen gefragt und sagt, dass die BankVertrauen haben kann, da man eine Menge Schulden hat.So läuft das im Allgemeinen nicht. In Bayern ist aber viel-leicht manches möglich, was anderswo so nicht geht.
Sie müssen sich schon fragen lassen, wie die Entschei-dung über diesen Kredit herbeigeführt wurde, wie die Kre-ditvergabe geprüft wurde und warum ausgerechnet dieBayerische Landesbank Geld in ein Loch geschüttet hat, indas alle anderen Banken nichts mehr hineingeben wollten.
Meine Damen und Herren, Herr Wiesheu kann einemja eigentlich Leid tun. Im Prinzip ist er heute vorgeschicktworden. Normalerweise müsste dort jemand ganz anderersitzen.
Bei dem Spiel Hase und Igel ist es aber nun einmal so:Wenn es darum geht, so genannte Erfolgsmeldungen zuverbreiten, geht es nach der Methode Igel. Dann, wenn esetwas zu vermelden gibt, ist Herr Stoiber immer als Ers-ter da. Wenn es sich um schlechte Nachrichten handelt,geht es nach der Methode Hase. Dann weiß er von nichts.
Die „Süddeutsche Zeitung“ hat das gut erkannt. Ichzitiere:Er– gemeint ist Stoiber –ist für die Verkündung des Guten, Schönen und Er-habenen in Bayern zuständig. Die Hiobsbotschaftenlässt er erst einmal seinen Minister übermitteln.Weiter heißt es in der „Süddeutschen Zeitung“, dass poli-tische Verantwortung auch Haftung für Fehler anderer ist.
So etwas ist ja sogar in Bayern schon in dem einen oderanderen Fall vorgekommen.
Es geht weiter:Im Falle Kirch und Stoiber geht es nicht darum, dassder Ministerpräsident für fremde Fehler gerade-stehen soll ... Es geht um die Haftung für die eigenePolitik...Meine Damen und Herren, am 22. September diesesJahres ist die Wahl. Ich denke, Stoiber hat dann eine her-vorragende Gelegenheit, an diesem Tag für seine eigenePolitik zu haften. Seine Juristen haben ihn jedenfallsschlecht beraten, seinen Minister hier Attacken reiten zulassen und andere als Brandstifter zu betiteln. Es wärevielleicht klüger gewesen, hier die eigene Schuld darzu-stellen. Es ist ein typisches Delinquentenverhalten. Ichdenke, nach der Wahl wird Ihnen Ihr Bewährungshelfersagen, wie Sie sich in Zukunft verhalten sollen.Vielen Dank.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Für die Bundesregie-rung spricht jetzt die Parlamentarische StaatssekretärinDr. Barbara Hendricks.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Rolf Hempelmann22749
D
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Mein Kollege Nida-Rümelin
hat am Anfang Ausführungen zu den kultur- und medien-
politischen Folgerungen gemacht. Ich möchte mich jetzt
auf die bankaufsichtsrechtlichen Fragen beschränken.
Dabei werde ich mich sehr hart an den Fakten orientieren
und mit Aussagen, so wie es das Kreditwesengesetz vor-
schreibt, ganz vorsichtig sein. Ich stehe nicht an zu sagen,
dass es dem Kollegen Wiesheu gut getan hätte, wenn er
etwas näher an der Wahrheit geblieben wäre.
Nach eigenen, von der Bundesregierung nicht be-
stätigbaren Aussagen der Kirch-Gruppe – sie sind öffent-
lich zugänglich gemacht worden – ist diese mit minde-
stens 6,5 Milliarden Euro verschuldet. Davon entfallen
– diese Informationen sind ebenfalls den Medien zu ent-
nehmen – etwa 2 Milliarden Euro auf die Bayerische Lan-
desbank.
Nach § 19 des Errichtungsgesetzes der Bayerischen
Landesbank aus dem Jahre 1972 führen die Staatsminis-
terien der Finanzen und des Innern des Freistaates Bayern
die Aufsicht über die Bayerische Landesbank. Mitglieder
der Bayerischen Staatsregierung haben Sitz und Stimme
im Verwaltungsrat der Bank. Insoweit hat der Bund selbst-
verständlich keine Rechts- oder Fachaufsichtsbefugnisse.
Daneben sind jedoch noch eine Vielzahl anderer Ban-
ken bei der Kirch-Gruppe engagiert, so zum Beispiel die
Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG.
Der Ausgang des Insolvenzverfahrens bei der Kirch-
Media AG ist nicht absehbar. Grundsätzlich lässt sich aus
bankaufsichtsrechtlicher Sicht Folgendes sagen:
Für die beteiligten Banken, insbesondere die Häuser, de-
ren Engagement bei der Kirch-Gruppe erheblich ist, wird
es darauf ankommen, dass der bankaufsichtsrechtliche
Mindestsolvabilitätskoeffizient – einfach ausgedrückt: das
Eigenkapital – nicht durch die erforderlich werdende Ri-
sikovorsorge bzw. durch entstehende Verluste unterschrit-
ten wird. Die Eigenkapitalmindestanforderung liegt bei
8 Prozent. Auf die Frage, ob diese Eigenkapitalanforderung
bei den beteiligten Banken im Einzelfall unterschritten
wird, kann die Bundesregierung wegen der Geheimhal-
tungsbestimmungen des § 9 des Kreditwesengesetzes keine
Auskunft erteilen.
Daneben sind weitere aufsichtsrechtliche Vorschriften,
wie zum Beispiel die §§ 13, 13 a und 13 b des Kreditwe-
sengesetzes, – dabei handelt es sich um Großkreditvor-
schriften –, einzuhalten. Ferner gilt § 18 des Kreditwesen-
gesetzes; er bezieht sich auf die Kreditunterlagen. Das
bedeutet im Einzelnen:
Als Großkredite gelten Kredite an einen Kreditnehmer,
deren Betrag 10 Prozent des haftenden Eigenkapitals des
Kredit gewährenden Instituts übersteigt. Ob die Melde-
und Beschlussfassungsvorschriften für Großkredite in den
vorliegenden Fällen eingehalten worden sind, kann die
Bundesregierung wegen der Geheimhaltungsvorschriften
nicht sagen.
Nach § 18 des Kreditwesengesetzes darf ein Kreditin-
stitut einen Kredit von insgesamt mehr als 250000 Euro
nur gewähren, wenn es sich von dem Kreditnehmer die
wirtschaftlichen Verhältnisse, insbesondere durch die Vor-
lage der Jahresabschlüsse, offen legen lässt. Der Bundes-
regierung ist nicht bekannt, dass die Kirch-Holding einen
Konzernabschluss für das Geschäftsjahr 2000 aufgestellt
hat, also vor der Kreditvergabe von rund 1 Milliarde Euro
durch die Bayerische Landesbank im vergangenen Jahr
für das Engagement, von dem der Kollege Hempelmann
gerade gesprochen hat.
Darüber, ob dadurch die Offenlegungsvorschrift des § 18
des Kreditwesengesetzes verletzt wurde, kann die Bun-
desregierung mit Hinweis auf die genannte Geheimhal-
tungsvorschrift des § 9 des Kreditwesengesetzes keine
Auskunft erteilen.
Die Prüfer des Jahresabschlusses bzw. eines Zwi-
schenabschlusses eines Kreditinstitutes haben nach § 29
Abs. 3 des Kreditwesengesetzes dem Bundesaufsichtsamt
für das Kreditwesen und der Deutschen Bundesbank an-
zuzeigen, wenn bei der Prüfung Tatsachen bekannt wer-
den, welche den Bestand des Instituts gefährden oder
seine Entwicklung wesentlich beeinträchtigen können.
Hierzu zählen grundsätzlich wertberichtigungsbedürftige
Großkreditengagements wegen akuter nicht besicherter
Kreditrisiken. Auskünfte hierüber kann ich jedoch wegen
der Geheimhaltungsvorschriften des Kreditwesengeset-
zes ebenfalls nicht geben. Es bleibt Ihrer Klugheit über-
lassen, aus meinen Ausführungen Schlussfolgerungen zu
ziehen.
Die Bankenaufsicht hat bei den acht größten Kreditge-
bern der Kirch-Gruppe Sonderprüfungen angeordnet, mit
deren Abschluss frühestens zum Ende der ersten Jahres-
hälfte 2002 zu rechnen ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der
bayerische Staatsminister Dr. Otto Wiesheu.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Prä-sidentin! Hohes Haus! Angesichts der Kürze der zur Ver-fügung stehenden Redezeit will ich nur auf ein paarPunkte eingehen.Erstens. Ich habe den Eindruck, in der SPD-Fraktiongibt es ausschließlich Bankfachleute.
Aber Sie sollten sich die entsprechenden Unterlagenanschauen und nicht nur Wahlkampf betreiben. Ich sagenur nebenbei, dass vor einiger Zeit Kirch-Pay-TV vonLehman – Lehman Brothers ist eine Investmentbank, dieBetriebe für Investoren sehr genau prüfen und bewertenmuss – mit 8 Milliarden Euro bewertet worden ist. Kirch-
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Media wurde sogar noch höher eingeschätzt. Es kommtnicht von irgendwoher, dass die Investoren hohe Beträgeinvestiert haben, aber nur geringe Anteile bekommen ha-ben. Sie machen das nicht, weil sie Geld übrig haben,sondern sie prüfen sehr exakt. Vielleicht machen Sie sichdarüber einmal Gedanken!Zweitens. Die Put-Optionen waren so, wie sie jetzt auf-getreten sind, nicht allgemein bekannt, auch nicht denBanken.Drittens. Sie sagen, es sei von der Landesbank unver-antwortlich gewesen, hier entsprechende Kredite zu ge-ben. War es auch bei der Hypo-Vereinsbank, der Com-merzbank und der DZ unverantwortlich? In derenGremien sitzt kein Mitglied der Staatsregierung. War esauch bei der Deutschen Bank und bei der Dresdner Bank,die ebenfalls Kredite gegeben haben, unverantwortlich?Was hier erzählt wird, ist alles ein großer Unsinn.Viertens. Zu Ihrer seltsamen Sprache muss ich Folgen-des sagen, Herr Stiegler: Sie haben behauptet, im Kre-ditausschuss säßen nur schwarze Nickneger. Dort sitzenaber auch rote Nickneger, die genickt haben.
– Ich nehme nicht an, dass sie automatisch mitnicken,weil wir sie so sehr überzeugt haben. Vielmehr haben siesich an den Grundlagen und Fakten orientiert, die hier auf-gelistet sind. Insofern wurde hier sehr leichtfertig argu-mentiert.Fünftens. Im Hinblick auf die Landesbank wurde auchbehauptet, es gebe negative Auswirkungen auf den Mittel-stand. Sie müssen einmal überprüfen, wie weit die Themen,die Frau Hendricks angesprochen hat, berührt sind. Woherwollen Sie denn wissen, dass das Eigenkapital überlastetworden wäre? Das wissen Sie nicht; denn das ist es näm-lich nicht. Das wird auch die Untersuchung ergeben.
Zuvor hat Herr Hempelmann, glaube ich, gesagt, es seien2 Milliarden in den Sand gesetzt worden. Woher wollenSie das wissen? Warten Sie doch erst einmal ab, was beider Sanierung herauskommt. Dann werden Sie sehen,dass die Welt völlig anders ausschaut. Erst dann wird manüber die Beträge reden können.
Im Übrigen bitte ich Sie, sich zu informieren, bevor Siebehaupten, Kirch-Media sei mit 6 Milliarden verschuldet.Damit liegen Sie völlig falsch. Die Zahlen, die genanntworden sind, beziehen sich auf die Holding, Kirch-Media,Pay-TV und alle Beteiligungen. Kirch-Media ist nichteinmal mit einem Drittel dabei. Ich kann und will Ihnenhier nicht die konkrete Zahl nennen. Aber es ist inakzep-tabel, hier so leichtfertig und ignorant aufzutreten undVorwürfe zu erheben.
– Mit einer gewissen Vorsicht sage ich Ihnen: Die Sanie-rung wird schneller vor sich gehen, als Ihnen lieb ist.Sechstens. Herr Stiegler, Sie haben sich darüber aufge-regt, dass ich das Treffen in Hannover angesprochen habe.Die Zusammenhänge, die ich genannt habe, wurden so inder „Süddeutschen Zeitung“ dargestellt. Ich frage Sienoch einmal: Warum geben Sie dazu Erklärungen ab? Wasmacht der Geschäftsführer der „WAZ“ bei einem Treffen,bei dem es um Kirch geht?
Was haben Murdoch und andere damit zu tun? Nein, daging es um politisch-strategische Themen.Vorletzte Bemerkung: Herr Abgeordneter, Ihre großenSprüche, hier handle es sich um die größte Pleite derNachkriegsgeschichte, muss ich auch klarstellen. Diegrößte Pleite der Nachkriegsgeschichte ist, bezogen aufdie Arbeitsplätze, immer noch Holzmann mit 23 000 Be-schäftigten.
Bei Vulkan waren es 22 000 Beschäftigte. Bei Kirch istjetzt eine Gruppe mit nicht mehr als 5 000 oder 6 000 Be-schäftigten in Insolvenz.
– Betrachtet man es von den Kosten, dann ist als Erste dieNeue Heimat zu nennen, die seinerzeit Steuerersparnissein Höhe von 4 Milliarden DM und Zuschüsse in Höhe von10 Milliarden DM bekommen hatte und im Jahr 1985Kredite in Höhe von 17 Milliarden DM gehabt hat. Wennman also schon über die größten Insolvenzen redet, dannsollte man sich an Fakten halten.
Der letzte Punkt: Ich freue mich, dass manche die Aus-wirkungen auf den Medienstandort Bayern so sehr bedau-erten. Ich habe noch nie erlebt, dass sich die SPD-Bundes-tagsfraktion so um bayerische Anliegen gekümmert hat.
Dass Bayern nach wie vor der erfolgreichste Medienstand-ort ist, haben Sie vorgestern feststellen können, als Mün-chen das Medienzentrum für die WM 2006 geworden ist.Clement macht Sprüche und heult Tränen.Meine Damen und Herren, die Fakten sprechen eineandere Sprache. Das Thema, das Sie hier wahlkampfbe-dingt hochziehen wollen, wird Ihnen schneller zusam-mensacken, als Ihnen lieb ist.Danke schön.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jetzt spricht Herr Kol-
lege Eckhardt Barthel für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin!Meine Damen und Herren! Herr Minister Wiesheu, die
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Staatsminister Dr. Otto Wiesheu
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Kirch-Krise – Vielleicht können Sie mir ganz kurz IhreAufmerksamkeit zuwenden.
Ich würde gern auf meinen Vorredner eingehen; ichmache es auch ganz kurz.In einem Ihrer letzten Sätze haben Sie festgestellt, dasswir uns zu sehr mit bayerischen Angelegenheiten be-schäftigen. Ich meine, dass es sich bei der Kirch-Kriseund den Folgen dieser Krise nicht mehr um eine bayerischeAngelegenheit handelt. Die Wirkungen und die Folgen fürdie Medienordnung usw. sind nämlich nicht nur auf Bay-ern begrenzt, auch wenn dort die Ausführenden waren.Das alles hat auch Auswirkungen auf die gesamteMedienordnung der Bundesrepublik Deutschland. Inso-fern ist Bayern – es ist eigentlich gemein, was ich überBayern sage – bzw. die bayerische CDU zwar der Verur-sacher, aber die Wirkung ist nicht auf sie begrenzt.
Wenn man das Glück hat, etwas später in einer Debattezu sprechen, fragt man sich beim Zuhören manchmal, werbei Ihnen eigentlich die Rederegie führt. Dabei meine ichsowohl die bayerische Regierung, wenn ich das einmal sa-gen darf, als auch die CDU/CSU. Es ist schon erstaunlich:Während die Bayerische Staatsregierung über ihre Lan-desbank in das Titanic-Unternehmen Kirch Milliarden-Beträge hineinpumpt, fragt sie hier – auch Herr Wiesheuhat davon gesprochen – nach der Rolle des Bundeskanz-lers. Wie passt das eigentlich zusammen? Denn der Bun-deskanzler ist natürlich gar kein Akteur in diesem Poker-spiel um Kirch.
Der Kollege Lammert redet, während es hier um einekonkrete Krise geht, die wir auch benannt haben, unter-dessen über NRW. Allerdings machen Sie das – das gebeich zu – ganz geschickt: Sie verdrängen durch Generali-sierung. Unser Thema ist aber die Krise bei Kirch.
Ich finde es ein bisschen bedauerlich, dass Sie viel zu we-nig auf die medienpolitischen Auswirkungen dieser Kriseeingegangen sind, obwohl dies im Hinblick auf unserenAufgabenbereich eigentlich im Mittelpunkt stehen müsste.Herr Otto, auch ich würde gern als Botschaft den schö-nen Spruch verkünden, dass jede Krise eine Chance bein-haltet.
Das zu äußern ist aber angesichts der Wirkung auf die Me-dienordnung und Arbeitsplätze nicht so leicht. Ich gebeIhnen aber Recht: Wir sollten es tun, weil dadurch auchder Blick nach vorne gerichtet wird. Was die Notwendig-keiten angeht, denke ich weniger an das Fußballentertain-ment als an die Programm- und Meinungsvielfalt, die Pro-grammqualität, die Staatsferne und alles, was unter die-sem Gesichtspunkt bereits genannt wurde.Ich möchte zu der Frage nach den Ursachen noch einenPunkt ansprechen. Das negative und traurige BeispielKirch – oder nennen Sie es CSU oder Stoiber; alles istrichtig –, über das wir heute reden, zeigt, welch böse Fol-gen es für die Medienordnung haben kann, wenn man Me-dienpolitik nur – ich betone: nur – unter dem Gesichts-punkt von kurzfristigen Standortinteressen und in einempolitisch-ideologischen Gleichklang mit den Medienun-ternehmern betreibt.
Am Ende der Ära Kirch stoßen wir jetzt auf merkwür-dige Befindlichkeiten. Sehr viele Menschen – ich gehöredazu –, die sehr lange und mit Recht Kritik an Kirch, sei-nem Imperium und seinem Geschäftsgebaren geübt ha-ben, haben heute die Sorge: Was kommt, wenn das Impe-rium wegfällt? Es ist kein Zufall, dass viele der Kritiker– ich denke nur an den Poker um die Fußball-WM-Über-tragungsrechte – befürchten, dass die Balance in unserempluralen System zwischen Öffentlich-Rechtlichen undPrivaten möglicherweise in Gefahr ist. Diese Sorgensollte man ernst nehmen.Diese Sorgen haben bekanntlich zwei Namen: Murdochund Berlusconi. Ich gehöre nicht zu denen, die angesichtsdessen in Panik verfallen. Ich halte es auch für falsch,davon auszugehen, dass die Freiheit über den Medien-wolken grenzenlos ist. Es gibt zum Glück gesetzlicheGrenzen und Begrenzungen wirtschaftlicher und publizis-tischer Konzentration. Wir haben unter anderem auch eineMedienaufsicht. Darüber, dass viele Reformmaßnahmennotwendig sind, sind wir uns sicherlich einig. Wir werdendas auch angehen. Ich bin froh, dass meine Fraktion ge-rade in dieser Richtung schon wesentliche Vorleistungenerbracht hat. Sie kennen auch den von uns eingebrachtenAntrag.
– Die kennen ihn alle. Wir werden uns auch noch darüberunterhalten.Ich glaube nicht, dass sich Medienpolitiker oder Me-dienrechtler jemals haben vorstellen können, dass ein aus-ländischer Medienzar, der „nebenbei“ auch noch Regie-rungschef eines anderen Landes ist, so bedrohlich auf dendeutschen Markt vorstößt. Dies ist sicherlich sehr originell.
– Ich hatte gesagt: bedrohlich. Bitte hören Sie mir genauzu! Bitte nehmen Sie mir ab, dass ich weiß, dass er schonBeteiligungen an deutschen Medienunternehmen hält.Für uns ist – das wird auch immer wieder betont – dasGebot der Staatsferne wichtig. Das wird hier entscheidendberührt. Ich glaube, dass wir deshalb sowohl auf nationa-ler Ebene als auch auf EU-Ebene gesetzlich handeln müs-sen.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Eckhardt Barthel
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Barthel,
auch Sie muss ich leider an die Redezeit erinnern.
Letzter Satz: Wir
sollten – das ist zu meiner großen Freude schon von eini-
gen angesprochen worden – in Anbetracht der Krise bei
Kirch nicht die Öffentlich-Rechtlichen aus den Augen
verlieren. Wir alle wissen, dass es keinen Wettbewerb
gibt, wenn es keine Öffentlich-Rechtlichen gibt. Deshalb
sollte eine Konsequenz aus der Bewältigung der Krise bei
Kirch – das ist eine Chance – die Stärkung der Öffentlich-
Rechtlichen sein.
Ich bedanke mich.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Für die SPD-Fraktion
spricht jetzt der Kollege Dr. Axel Berg.
Frau Präsidentin! Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! Pleiten gibt es nun einmal in der
Marktwirtschaft, also auch in der Medienbranche. Was ist
bei Kirch so besonders? Medien sind in Zeiten des digita-
len Kapitalismus Machtfaktor. Ein Medienkonzern wie die
Kirch-Gruppe hat extreme politische Macht. Ein Garant
für das Funktionieren von Demokratie ist Pluralismus.
Deswegen gibt es Gewaltenteilung und eine freie Presse.
Die Pressemedien sind aber nicht mehr frei, wenn sie
nur einem oder wenigen gehören. Die Kirch-Gruppe gilt
als konservativ. Stoiber, auch konservativ, hat ein eigenes
politisches Interesse an der extremen Macht der Kirch-
Gruppe, weil sie ihm hilft, den Bundeskanzler und alles,
was in der Mitte der Gesellschaft ist oder sogar links von
ihr steht, schlecht zu machen. Nebenbei, liebe schwarze
Kollegen: Stoiber reiste persönlich nach Los Angeles, um
den Einstieg Murdochs bei Premiere möglich zu machen.
Finanziert wurde das Ganze damals durch einen Großkre-
dit der Landesbanktochter BAWAG aus Österreich.
Auch Banken sind normal in Marktwirtschaften. Sie
geben Kredite und verdienen mit dem Produkt Geld ihr
Geld. Eine Sonderrolle hat aber die Bayerische Landes-
bank. Sie fungiert als Hausbank des Freistaates Bayern
und versteht sich als Universalbank besonderer Prägung.
Ihr Ziel ist es, den Freistaat Bayern bei seiner Aufgaben-
erfüllung zu unterstützen. Kontrolliert wird die Landes-
bank vom Verwaltungsrat, in dem die CSU-Landesregie-
rung entscheidenden Einfluss hat.
– Nein, aber nicht so groß einsteigen. –Wenn also die von
der Bayerischen Staatsregierung kontrollierte Landes-
bank ungenügend gesicherte Kredite gibt – übrigens so
viele, wie noch nie eine Landesbank einem Unternehmen
gegeben hat, so viele, wie Kirch von keiner anderen Bank
bekommen hat, und das zu einem Zeitpunkt, als alle
Warnzeichen blinkten und hupten –, dann bedeutet das
entweder, dass Stoiber Steuermittel letztlich dazu benutzt
hat, seinem Helfershelfer und Spezl Kirch zu helfen, oder
aber, dass seine wirtschaftspolitische Kompetenz nur eine
Schimäre ist.
Kirch ist ein Musterbeispiel und ein vorläufiger Höhe-
punkt verfehlter bayerischer Wirtschaftspolitik. Nach
Grundig, Schneider-Unterhaltungselektronik, Fairchild
Dornier, Schmidt-Bank, dem fast kaputten Stahlkonzern
Maxhütte und der halbstaatlichen Immobiliengesellschaft
LWS geht es jetzt mit Kirch weiter. Auch Infineon, Sie-
mens, Epcos, Viag und Interkom streichen Hunderte Stel-
len. Als Münchner kann ich nur hoffen, dass Stoiber die
Bundestagswahl so vernichtend verliert, dass wir auch in
Bayern endlich einen wirtschaftlich kompetenten Minis-
terpräsidenten bekommen.
Was ist jetzt zu tun? 10 000 Arbeitsplätze bei Kirch
selbst und noch einige Tausend bei den Zulieferern müs-
sen gerettet werden. Die Beschäftigten haben gut gear-
beitet. Ihnen ist kein Vorwurf zu machen. Etliche sind ex-
tra nach München und in die Umgebung gezogen, weil sie
vermuteten, dass in Bayern gute Medienpolitik gemacht
wird. Ihre Erwartungen wurden nicht erfüllt. Die hybride
Blase ist geplatzt. Durch die Kirch-Gruppe muss nicht nur
ein Ruck gehen. Sie muss auch richtig umstrukturiert
werden. Bei dem kirchschen Verantwortungschaos ist es
unmöglich, der öffentlichen Hand klar zu machen, dass
Steuergelder reingebuttert werden, ohne dass sich etwas
verändert. Aber es sieht ja gar nicht so schlecht aus. Vier
Banken bilden die Auffanggesellschaft. Pro 7, SAT 1 und
Kabel sind profitabel. Jetzt müssen wir strategische Inves-
toren finden. Berlusconi wird nicht kommen.
Als Demokrat sehe ich in der Kirch-Pleite auch eine
große Chance, zu mehr Pluraliät und zu größerer Pro-
grammvielfalt zu kommen. Statt einem Kirch sehe ich viele
Medienunternehmen mit vielen Meinungen und einem
echten Wettbewerb der Meinungsmacher statt immer nur
„more of the same“. Das wäre ein Zustand, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen, der wirklich zu unserer offenen Zi-
vilgesellschaft passen würde und angemessen wäre.
Gestatten Sie mir ein letztes Wort. Herr Wiesheu, Sie
tun mir, ehrlich gesagt, ein bisschen Leid; sonst ja nicht,
aber diesmal schon.
Wieder einmal müssen Sie für Ihren Chef die Kohlen aus
dem Feuer holen. Stoiber ist leider wieder zu feige, per-
sönlich herzukommen –wie bei der LWS-Pleite, wie beim
BSE-Skandal, wie bei der Affäre um den Deutschen Or-
den. Verantwortung, denke ich, gehört aber auch zum po-
litischen Geschäft.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nächster Redner für
CDU/CSU-Fraktion ist der Kollege Dr. Martin Mayer.
FrauPräsidentin! Meine Damen und Herren! Der Medienfach-
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002 22753
mann Peter Glotz, SPD, schreibt über den Medienunter-nehmer Leo Kirch – ich zitiere – :Leo Kirch war über viele Jahrzehnte ein innovativerUnternehmer. Zum Schluss hat er sich übernommen.Jetzt kommt es darauf an, möglichst viel von seinemLebenswerk zu retten.In der Tat hat Leo Kirch einen beachtlichen Anteil ander beispielhaften Entwicklung des MedienstandortesBayern mit vielen hoch qualifizierten Arbeitsplätzenund zahlreichen Ausbildungsplätzen, insbesondere inder Region München. Für diese unternehmerische Leis-tung gebührt ihm auch heute noch Dank und Anerken-nung.Nun ist die Kirch-Gruppe offensichtlich durch Verlustebeim Bezahlfernsehen Premiere in eine finanzielle Krisegeraten
und man hat manchmal den Eindruck, dass bei der SPDund bei den Grünen darüber Genugtuung herrscht.
Unser Augenmerk muss jetzt darauf gerichtet sein, mit-zuhelfen, dass diese Krise abgewendet werden kann.Zur Rettung des Unternehmens und damit auch derArbeitsplätze müssen fachkundige finanzstarke Inves-toren aus dem In- oder aus dem Ausland gewonnen wer-den.
Die Banken und der Insolvenzverwalter tun das Ihrige.Wie verhalten sich nun die Bundesregierung und dieKoalition in dieser Situation? Wo sind die Bemühungen,potenziellen Investoren den Weg zu ebnen? Der Bundes-kanzler ist ganz offensichtlich in erster Linie damit be-schäftigt, zum einen die Insolvenz der Kirch-Media AG zunutzen, um den bayerischen Ministerpräsidenten EdmundStoiber zu diffamieren, und zum anderen seiner Partei ei-nen möglichst großen Einfluss auf den künftigen Fern-sehmarkt zu sichern. Anders lassen sich seine ersten öf-fentlichen Äußerungen nicht interpretieren. Die Kollegender SPD und der Grünen haben heute diesen Eindruck be-stätigt.
Ihre Reden lenken letztlich davon ab, dass die rot-grüneWirtschaftspolitik in Deutschland zu einer Pleite geführthat und dass die rot-grüne Wirtschaftspolitik abgelöstwerden muss.
Heute ist schon angesprochen worden: Da trifft sich derHerr Bundeskanzler und Chef der SPD hinter dem Rückenvon Leo Kirch mit dem Vorsitzenden der SPD-nahen„WAZ“-Verlagsgruppe, die Teile der Kirch-Beteiligungenerwerben will, und mit dem Vorstandschef einer Gläubi-gerbank, der Tage danach zum Schaden des Kirch-Unter-nehmens öffentlich über die Insolvenz spekuliert.
Ist das die Fürsorge für ein Unternehmen in der Krise oderwill da etwa eine Partei ihren Einflussbereich in derPresse vergrößern und sich einen großen Brocken amFernsehen sichern?
Hinzu kommt ein Weiteres. Der Bundeskanzler warf inseinen ersten Äußerungen Edmund Stoiber vor, er unter-stütze Leo Kirch zu wenig. Was ist denn nun richtig? Zu-gleich erhebt die SPD im Bayerischen Landtag ständigden Vorwurf – auch hier haben Sie das wiederholt –, LeoKirch werde von der CSU und der Bayerischen Staatsre-gierung zu stark unterstützt. Dieses Doppelspiel, diesedoppelbödige Argumentation ist durchsichtig. Es geht derSPD nicht um das Wohl der Unternehmungen von Kirch,sondern einzig und allein um Wahlkampfpolemik.
Die Zweifel an der Lauterkeit der Absichten werden auchnicht ausgeräumt, wenn man die Äußerungen der SPD-Mi-nisterpräsidenten gegenüber Berlusconi und Murdoch hört.Dazu ist hier schon genug gesagt worden. Ich möchte aberfesthalten: Das ist eine große Heuchelei. Wer in der SPDwirklich Sorge um zu viel Einfluss von Staat und Parteienauf die Medien hat, der soll sich einmal mit den Beteiligun-gen der eigenen Partei an Zeitungsverlagen beschäftigen.
Wer wirklich einen Beitrag zum Überleben der Unterneh-men der Kirch-Gruppe leisten will, der muss auch mögli-che ausländische Kapitalgeber gut behandeln. Davon istbei der SPD leider nichts, aber auch gar nichts zu spüren.Zum Abschluss noch ein Zitat von Peter Glotz – ich zi-tiere –:Kirchs Insolvenz ist nicht nur ein Ende. Sie kannauch ein Anfang werden.Ich füge dem hinzu: Alle Beteiligten einschließlich derGläubigerbanken tragen eine große Verantwortung. Siemüssen sich anstrengen, damit die Kirch-Unternehmenweitergeführt werden können. Für diesen Neuanfangwünsche ich viel Glück und Erfolg im Interesse der Be-schäftigten, im Interesse der Geschäftspartner der Kirch-Gruppe und schließlich auch im Interesse der Vielfalt desMedienstandortes Deutschland.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der letzte Redner indieser Debatte ist der Kollege Jörg Tauss für die SPD-Fraktion.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002
Dr. Martin Mayer
22754
Liebe Frau Präsidentin! LiebeKolleginnen und Kollegen! Wir haben gelernt: Kirch istein erfolgreiches Unternehmen und Rot-Grün ist schuld.
Es ist schon etwas platt, Herr Mayer und Herr Wiesheu,was Sie an Ausführungen gemacht haben.Ich möchte zitieren, und zwar nicht aus einer sozialde-mokratischen Zeitung, sondern aus der „Financial TimesDeutschland“, an der wir noch nicht einmal beteiligt sind.Sie hat ihre Berichterstattung zum Thema Kirch-Insol-venz mit den Worten „Bayerns verfehlte Politik“ über-schrieben.
Ich glaube, dieses Zitat aus der „Financial Times Deutsch-land“ beschreibt die Verhältnisse in passender Weise.Der Fall Kirch ist – davon brauchen Sie nicht abzu-lenken; das können Sie auch nicht – eine Pleite für diestoibersche Medienpolitik, nicht nur was den Medien-standort München angeht, sondern auch für die Medien-politik als solche. Darauf möchte ich näher eingehen.Es hat mich sehr befremdet – das möchte ich an dieserStelle einmal sagen –, dass der bayerische Wirtschaftsmi-nister kaum Worte für die Beschäftigten fand, für die klei-nen Produktionsfirmen, übrigens nicht nur in Bayern. Ichhätte erwartet, dass der bayerische Wirtschaftsministerdieses Thema anspricht, statt sich in NRW und in Gegen-den zu verlieren, in denen er sich regional gar nicht aus-kennt.
Nein, Sie hätten hier Ihre Verantwortung für den Medien-standort München offen legen müssen. Zu dieser Verant-wortung hätten Sie sich bekennen müssen. Sie haben hierin zwei Beiträgen nichts dazu beigetragen, sondern Ne-belkerzen geworfen. Damit werden Sie nicht durchkom-men.
Das Engagement der Bayerischen Landesbank ist dasProblem, über das wir uns unterhalten müssen – nicht dieintelligente Standortpolitik in Nordrhein-Westfalen. Trotzwarnender Stimmen war das Engagement der Bayeri-schen Landesbank in unverantwortlicher, in mangelhafterWeise abgesichert, und das unter Ihrer Verantwortung.Das steht schon heute – selbst wenn die Staatssekretärin,wie sie uns gesagt hat, noch nicht so deutlich werdenkonnte – auch unter rechtlichen Gesichtspunkten ganz of-fensichtlich fest.Die Gründe für dieses Verhalten liegen auf der Hand.Es ging darum, einen konservativen Multimediakonzernzu installieren, auf den man unmittelbaren Einfluss hatund mit dem man in Spenden verflochten war. Es ist keinZufall, dass Gelder in Höhe von 800 000 DM an HerrnKohl geflossen sind. Übrigens: Bei der „WAZ“, von derSie so viel reden, waren es auch 800 000 DM, die an HerrnKohl gegangen sind. Es ist hochinteressant, an was wir al-les schuld sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren,machen Sie sich also bitte nicht lächerlich!
Ich will mich in dieser Aktuellen Stunde aber nicht nurmit diesem Totalausfall bayerischer Medienpolitik undderen Konkurs beschäftigen. Herr Staatsminister Nida-Rümelin hat – ich weiß nicht, warum Sie das kritisiert ha-ben, Herr Kollege Lammert – das Thema Medien und Me-dienpolitik ernsthaft angesprochen. Ich stimme Ihnen zu,dass wir hier sehr wohl Konsequenzen ziehen müssen. Zuder Frage, ob Bayern die richtigen Konsequenzen zieht,kommen wir gleich noch.Herr Kollege Otto, Sie haben hier zu Recht den priva-ten Rundfunk angesprochen. Nur, die privaten Rundfunk-anbieter hatten vor Malone Angst, weil sie fürchteten, un-ter die Räder zu kommen. Die Zusammenhänge, die Siegeschildert haben, waren nicht sehr nachvollziehbar.Es ist immer wieder die Rede von den Beteiligungender SPD an Medienkonzernen. Früher durften wir nochnicht einmal drucken – das war die historische Situation –,weil die Konservativen, die Reaktionären und die Braunenin diesem Lande den Druckereien verboten hatten, für dieSPD zu drucken. Daher haben wir uns Druckereien be-schaffen müssen, die wir zum Teil noch heute haben.
Diese Unternehmen sind wirtschaftlich erfolgreich unddeswegen haben Sie Neidgefühle. Das tut mir sehr Leid.Am Beispiel des Bayerischen Rundfunks – da geht esnicht um Kapitalbeteiligungen – erkennt man, dass dieGewaltenteilung zwischen Politik und Medien anders alsbei uns eben nicht funktioniert. Das zeigt auch der FallKirch. Die Maschinerie unter Bundeskanzler Kohl hatihren Einfluss so wahrgenommen, dass jede Stelle einesAbteilungsleiters und sogar die des Pförtners beim Zwei-ten Deutschen Fernsehen entsprechend besetzt wurde.
Sie lenken ab. Sie haben ohnehin ein gestörtes Verhält-nis, was die Gewaltenteilung in der Politik angeht, sieheEingriffe in die bayerische Justiz. Es wäre hochinteressant,über diese Themen einmal ein bisschen mehr zu reden.
Herr Kollege Otto und Herr Kollege Lammert, wirmüssen über das Wettbewerbsrecht sprechen. Es gibt aufdiesem Gebiet einige Probleme, über die wir diskutierenmüssen. Es geht darum, über das Wettbewerbsrecht dieMeinungsvielfalt im Rundfunk zu sichern. Das ist derHintergrund dafür, dass wir über ausländische Beteiligun-gen diskutieren. Es ist doch ein Schmarren, zu behaupten,dass sich irgendjemand vor ausländischen Beteiligungenfürchtet. Die Fragen sind einfach: Funktionieren die Ver-antwortung und die Abgrenzung, von denen ich geradegeredet habe? Funktioniert der Ordnungsrahmen? – Eskann nicht sein – über diesen Punkt diskutieren wir –, dassdurch Medienbeteiligungen die Gewaltenteilung zwi-schen Politik und Medien außer Kraft gesetzt ist.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 229. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. April 2002 22755
Wir haben einen europäischen Auftrag. Was Berlusconiin Italien im Sinne von wirklicher Macht tut, ist weder fürEuropa noch für Italien noch für Deutschland akzeptabel.Deswegen wollen wir die italienischen Verhältnisse, FrauPräsidentin, nicht.
Bayern schaut nicht über seinen Gartenzaun hinweg.Sie, Herr Wiesheu und Herr Huber, sind es, die nicht be-reit sind, darüber zu reden, wie eine moderne Kommuni-kationsordnung aussieht. Sie errichten Ihre Gartenzäune.Sie wollen die entsprechenden Zuständigkeiten: EU, Bun-deskartellamt, Regulierungsbehörden, 15 Landesmedien-anstalten, KEK, KEF, Aufsichtsräte noch und noch, in de-nen man sitzt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Tauss,
ich fühle mich sehr geehrt, dass Sie mich in Ihre Rede ein-
gebaut haben; aber meine Uhr funktioniert tatsächlich. Sie
zeigt an, dass Sie Ihre Redezeit überschritten haben.
Frau Präsidentin, Sie haben völlig
Recht. – Nach der stoiberschen Pleite können natürlich
auch Chancen entstehen. Wer aber Sendezeiten für das In-
ternet will, der zeigt, dass er weder medienpolitisch noch
wirtschaftspolitisch Ahnung hat. Das hat die heutige De-
batte gezeigt.
Ich bedanke mich für die zusätzlichen Sekunden Re-
dezeit.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Aktuelle Stunde
ist beendet.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord-
nung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tags ein auf morgen, Donnerstag, den 18. April 2002,
9 Uhr.
Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen noch einen
angenehmen, wenn auch sicherlich arbeitsreichen Abend.
Die Sitzung ist geschlossen.