Protokoll:
14214

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 214

  • date_rangeDatum: 30. Januar 2002

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:32 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Nachruf auf die Abgeordnete Kristin Heyne 21193 A Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Erika Reinhardt . . . . . . . . . . . . . . . . . 21193 B Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 21193 B Begrüßung der Präsidentin des schwedischen Parlaments, Frau Dahl, und ihrer Delegation 21210 D Tagesordnungspunkt 1: Zweiter Zwischenbericht der Enquete- Kommission Recht und Ethik der modernen Medizin: Teilbericht Stammzellforschung (Drucksache 14/7546) . . . . . . . . . . . . . . . 21193 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Wodarg, Dr. Hermann Kues und weiterer Abgeordneter: Schutz der Menschen- würde angesichts der biomedizinischen Möglichkeiten – Kein Import embryona- ler Stammzellen (Drucksache 14/8101) . . . . . . . . . . . . . . . 21193 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Dr. Maria Böhmer, Margot von Renesse und weiterer Abgeordneter: Keine verbrauchende Em- bryonenforschung – Import humaner embryonaler Stammzellen grundsätzlich verbieten und nur unter engen Vo- raussetzungen zulassen (Drucksache 14/8102) . . . . . . . . . . . . . . . 21193 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Katherina Reiche und weiterer Abgeord- neter: Verantwortungsbewusste For- schung an embryonalen Stammzellen für eine ethisch hochwertige Medizin (Drucksache 14/8103) . . . . . . . . . . . . . . . 21194 A Dr. Hermann Kues CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 21194 C Margot von Renesse SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 21195 B Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21196 D Monika Knoche BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21198 A Dr. Maria Böhmer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 21199 A Katherina Reiche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 21200 D Dr. Wolfgang Wodarg SPD . . . . . . . . . . . . . . 21202 B Andrea Fischer (Berlin) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21203 C Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 21205 A Monika Griefahn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21206 C Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 21207 A Jochen Borchert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 21208 C Gerhard Schröder SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21209 B Dr. Edzard Schmidt-Jortzig FDP . . . . . . . . . . 21211 A Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker SPD . . . . . . 21212 A Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21213 A Werner Lensing CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 21213 D Pia Maier PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21215 A Plenarprotokoll 14/214 (neu) Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 214. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 I n h a l t : Christa Nickels BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21215 D Regina Schmidt-Zadel SPD . . . . . . . . . . . . . . 21216 D Hubert Hüppe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 21217 B Dr. Ernst Dieter Rossmann SPD . . . . . . . . . . 21218 A Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU 21219 A Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 21219 D Hanna Wolf (München) SPD . . . . . . . . . . . . . 21220 C Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . . 21221 B Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21222 C Ilse Falk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21223 C Dr. Carola Reimann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 21224 B Heinz Schemken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 21225 A Christoph Matschie SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 21225 D Georg Brunnhuber CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 21226 C Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 21227 A Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21228 A René Röspel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21228 D Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21230 C Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21231 B Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . 21232 B Wolf-Michael Catenhusen SPD . . . . . . . . . . . 21233 C Dr. Norbert Lammert CDU/CSU . . . . . . . . . . 21234 D Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . 21236 A, C Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21239 A, 21250 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21237 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 21263 A Anlage 2 Erklärungen nach § 31 zu den namentlichen Abstimmungen über Anträge zum Import von Stammzellen (Drucksachen 14/8101, 14/8102 und 14/8103) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21263 D Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21263 D Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 21264 B Renate Diemers CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 21264 D Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21265 A Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 21265 D Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21266 B Klaus Holetschek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 21266 D Josef Hollerith CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 21267 A Gerald Häfner BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21267 B Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) CDU/CSU 21269 A Dr. Elke Leonhard SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 21269 D Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . . . . . . . 21269 D Detlef Parr FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21270 C Christa Reichard (Dresden) CDU/CSU . . . . . 21271 A Dr. Norbert Röttgen CDU/CSU . . . . . . . . . . . 21271 B Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21271 C Dr. Erika Schuchardt CDU/CSU . . . . . . . . . . 21272 A Johannes Singhammer CDU/CSU . . . . . . . . . 21273 B Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21273 D Angelika Volquartz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 21274 A Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU . . . . . 21274 B Wolfgang Zöller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 21275 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002II Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters 21237 (C)(A) Endgültiges Ergebnis der ersten namentlichen Abstimmung über Anträge zum Import von Stammzellen – Drucksachen 14/8101, 14/8102 und 14/8103 – Abgegebene Stimmen 617 Ungültige Stimmen 21 Gültige Stimmen 598 Mit Nein haben gestimmt 2 Enthaltungen 2 Es entfielen auf die Anträge: der Abgeordneten Wodarg, Kues, Knoche, Borchert u. a. – Drucksache 14/8101 – 263 Stimmen der Abgeordneten Böhmer, von Renesse, Fischer (Berlin), Seehofer u. a. – Drucksache 14/8102 – 225 Stimmen der Abgeordneten Flach, Reiche, Hintze, Gerhard u. a. – Drucksache 14/8103 – 106 Stimmen Ein Antrag ist angenommen, wenn er mehr Stimmen erhält als die anderen Anträge zuzüglich der Nein-Stimmen. Keiner der Anträge hat die erforderliche Mehrheit bei der ersten Abstimmung erreicht. Der Antrag mit der Drucksa- che 14/8103, auf den die geringste Zahl der Stimmen entfiel, scheidet für das weitere Abstimmungsverfahren aus. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 21239 (C) (D) (A) (B) Liste 1 Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Drucksache 14/8103 Nein Enthaltung SPD Brigitte Adler x Gerd Andres x Ingrid Arndt-Brauer x Rainer Arnold x Hermann Bachmaier x Ernst Bahr x Doris Barnett x Eckhardt Barthel (Berlin) x Klaus Barthel (Starnberg) x Ingrid Becker-Inglau x Dr. Axel Berg x Hans-Werner Bertl x Friedhelm Julius Beucher x Petra Bierwirth x Rudolf Bindig x Lothar Binding (Heidelberg) x Kurt Bodewig x Klaus Brandner x Anni Brandt-Elsweier x Willi Brase x Rainer Brinkmann (Detmold) x Bernhard Brinkmann (Hildesheim) x Hans-Günter Bruckmann x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 200221240 (C) (D) (A) (B) Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Drucksache 14/8103 Nein Enthaltung Edelgard Bulmahn x Ursula Burchardt x Hans Martin Bury x Hans Büttner (Ingolstadt) x Marion Caspers-Merk x Wolf-Michael Catenhusen x Dr. Peter Danckert x Dr. Herta Däubler-Gmelin x Christel Deichmann x Karl Diller x Peter Dreßen x Detlef Dzembritzki x Dieter Dzewas x Dr. Peter Eckardt x Sebastian Edathy x Ludwig Eich x Marga Elser x Peter Enders x Gernot Erler x Petra Ernstberger x Annette Faße x Lothar Fischer (Homburg) x Gabriele Fograscher x Norbert Formanski x Rainer Fornahl x Hans Forster x Dagmar Freitag x Lilo Friedrich (Mettmann) x Harald Friese x Anke Fuchs (Köln) x Arne Fuhrmann x Monika Ganseforth x Konrad Gilges x Iris Gleicke x Günter Gloser x Uwe Göllner x Günter Graf (Friesoythe) x Angelika Graf (Rosenheim) x Dieter Grasedieck x Monika Griefahn x Kerstin Griese x Achim Großmann x Wolfgang Grotthaus x Karl-Hermann Haack (Extertal) x Klaus Hagemann x Manfred Hampel x Alfred Hartenbach x Anke Hartnagel x Klaus Hasenfratz x Nina Hauer x Hubertus Heil x Reinhold Hemker x Frank Hempel x Rolf Hempelmann x Dr. Barbara Hendricks x Gustav Herzog x Monika Heubaum x Reinhold Hiller (Lübeck) x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 21241 (C) (D) (A) (B) Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Drucksache 14/8103 Nein Enthaltung Gerd Höfer x Jelena Hoffmann (Chemnitz) x Walter Hoffmann (Darmstadt) x Iris Hoffmann (Wismar) x Frank Hofmann (Volkach) x Ingrid Holzhüter x Eike Hovermann x Christel Humme x Lothar Ibrügger x Brunhilde Irber x Gabriele Iwersen x Renate Jäger x Ilse Janz x Dr. Uwe Jens x Volker Jung (Düsseldorf) x Johannes Kahrs x Ulrich Kasparick x Sabine Kaspereit x Susanne Kastner x Hans-Peter Kemper x Klaus Kirschner x Marianne Klappert x Siegrun Klemmer x Walter Kolbow x Fritz Rudolf Körper x Karin Kortmann x Nicolette Kressl x Volker Kröning x Angelika Krüger-Leißner x Horst Kubatschka x Ernst Küchler x Helga Kühn-Mengel x Ute Kumpf x Konrad Kunick x Werner Labsch x Christine Lambrecht x Brigitte Lange x Christian Lange (Backnang) x Detlev von Larcher x Waltraud Lehn x Klaus Lennartz x Dr. Elke Leonhard x Eckhart Lewering x Götz-Peter Lohmann (Neubrandenburg) x Gabriele Lösekrug-Möller x Erika Lotz x Dieter Maaß (Herne) x Winfried Mante x Dirk Manzewski x Tobias Marhold x Ulrike Mascher x Christoph Matschie x Heide Mattischeck x Markus Meckel x Ulrike Mehl x Ulrike Merten x Angelika Mertens x Dr. Jürgen Meyer (Ulm) x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 200221242 (C) (D) (A) (B) Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Drucksache 14/8103 Nein Enthaltung Ursula Mogg x Christoph Moosbauer x Siegmar Mosdorf x Jutta Müller (Völklingen) x Christian Müller (Zittau) x Franz Müntefering x Andrea Nahles x Volker Neumann (Bramsche) x Gerhard Neumann (Gotha) x Dr. Edith Niehuis x Dr. Rolf Niese x Dietmar Nietan x Günter Oesinghaus x Eckhard Ohl x Leyla Onur x Holger Ortel x Adolf Ostertag x Kurt Palis x Albrecht Papenroth x Dr. Martin Pfaff x Georg Pfannenstein x Johannes Pflug x Dr. Eckhart Pick x Joachim Poß x Karin Rehbock-Zureich x Dr. Carola Reimann x Margot von Renesse x Renate Rennebach x Bernd Reuter x Dr. Edelbert Richter x Gudrun Roos x René Röspel x Dr. Ernst Dieter Rossmann x Michael Roth (Heringen) x Birgit Roth (Speyer) x Gerhard Rübenkönig x Marlene Rupprecht x Thomas Sauer x Dr. Hansjörg Schäfer x Gudrun Schaich-Walch x Rudolf Scharping x Bernd Scheelen x Dr. Hermann Scheer x Siegfried Scheffler x Horst Schild x Otto Schily x Dieter Schloten x Ulla Schmidt (Aachen) x Silvia Schmidt (Eisleben) x Dagmar Schmidt (Meschede) x Wilhelm Schmidt (Salzgitter) x Dr. Frank Schmidt (Weilburg) x Regina Schmidt-Zadel x Heinz Schmitt (Berg) x Carsten Schneider x Dr. Emil Schnell x Walter Schöler x Karsten Schönfeld x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 21243 (C) (D) (A) (B) Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Drucksache 14/8103 Nein Enthaltung Fritz Schösser x Gerhard Schröder x Richard Schuhmann (Delitzsch) x Brigitte Schulte (Hameln) x Reinhard Schultz (Everswinkel) x Volkmar Schultz (Köln) x Ewald Schurer x Dr. Angelica Schwall-Düren x Rolf Schwanitz x Bodo Seidenthal x Erika Simm x Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk x Wieland Sorge x Wolfgang Spanier x Dr. Margrit Spielmann x Jörg-Otto Spiller x Dr. Ditmar Staffelt x Antje-Marie Steen x Ludwig Stiegler x Rolf Stöckel x Rita Streb-Hesse x Reinhold Strobl (Amberg) x Dr. Peter Struck x Joachim Stünker x Joachim Tappe x Jörg Tauss x Jella Teuchner x Dr. Gerald Thalheim x Wolfgang Thierse x Franz Thönnes x Adelheid Tröscher x Hans-Eberhard Urbaniak x Rüdiger Veit x Simone Violka x Ute Vogt (Pforzheim) x Hans Georg Wagner x Hedi Wegener x Dr. Konstanze Wegner x Wolfgang Weiermann x Matthias Weisheit x Gert Weisskirchen (Wiesloch) x Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker x Jochen Welt x Dr. Rainer Wend x Hildegard Wester x Lydia Westrich x Inge Wettig-Danielmeier x Dr. Margrit Wetzel x Dr. Norbert Wieczorek x Jürgen Wieczorek (Böhlen) x Helmut Wieczorek (Duisburg) x Heidemarie Wieczorek-Zeul x Heino Wiese (Hannover) x Brigitte Wimmer (Karlsruhe) x Engelbert Wistuba x Barbara Wittig x Dr. Wolfgang Wodarg x Verena Wohlleben x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 200221244 (C) (D) (A) (B) Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Drucksache 14/8103 Nein Enthaltung Hanna Wolf (München) x Waltraud Wolff (Wolmirstedt) x Heidemarie Wright x Uta Zapf x CDU/CSU Ulrich Adam x Ilse Aigner x Peter Altmaier x Dietrich Austermann x Norbert Barthle x Dr. Wolf Bauer x Günter Baumann x Brigitte Baumeister x Meinrad Belle x Dr. Sabine Bergmann-Pohl x Otto Bernhardt x Dr. Joseph-Theodor Blank x Renate Blank x Dr. Heribert Blens x Peter Bleser x Antje Blumenthal x Friedrich Bohl x Dr. Maria Böhmer x Sylvia Bonitz x Jochen Borchert x Wolfgang Börnsen (Bönstrup) x Wolfgang Bosbach x Dr. Wolfgang Bötsch x Klaus Brähmig x Dr. Ralf Brauksiepe x Paul Breuer x Monika Brudlewsky x Georg Brunnhuber x Hartmut Büttner (Schönebeck) x Dankward Buwitt x Manfred Carstens (Emstek) x Peter H. Carstensen (Nordstrand) x Leo Dautzenberg x Wolfgang Dehnel x Hubert Deittert x Albert Deß x Renate Diemers x Thomas Dörflinger x Dr. Hansjürgen Doss x Marie-Luise Dött x Maria Eichhorn x Rainer Eppelmann x Anke Eymer (Lübeck) x Ilse Falk x Dr. Hans Georg Faust x Albrecht Feibel x Ingrid Fischbach x Dirk Fischer (Hamburg) x Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) x Klaus Francke x Herbert Frankenhauser x Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) x Erich G. Fritz x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 21245 (C) (D) (A) (B) Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Drucksache 14/8103 Nein Enthaltung Jochen-Konrad Fromme x Hans-Joachim Fuchtel x Dr. Jürgen Gehb x Norbert Geis x Georg Girisch x Dr. Reinhard Göhner x Peter Götz x Dr. Wolfgang Götzer x Kurt-Dieter Grill x Hermann Gröhe x Manfred Grund x Gottfried Haschke (Großhennersdorf ) x Gerda Hasselfeldt x Norbert Hauser (Bonn) x Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) x Klaus-Jürgen Hedrich x Helmut Heiderich x Ursula Heinen x Manfred Heise x Siegfried Helias x Hans Jochen Henke x Ernst Hinsken x Peter Hintze x Klaus Hofbauer x Klaus Holetschek x Josef Hollerith x Dr. Karl-Heinz Hornhues x Siegfried Hornung x Joachim Hörster x Hubert Hüppe x Georg Janovsky x Dr.-Ing. Rainer Jork x Dr. Harald Kahl x Bartholomäus Kalb x Steffen Kampeter x Dr.-Ing. Dietmar Kansy x Irmgard Karwatzki x Volker Kauder x Eckart von Klaeden x Ulrich Klinkert x Dr. Helmut Kohl x Norbert Königshofen x Eva-Maria Kors x Hartmut Koschyk x Rudolf Kraus x Dr. Martina Krogmann x Dr. Hermann Kues x Werner Kuhn x Karl Lamers x Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) x Dr. Norbert Lammert x Helmut Lamp x Dr. Paul Laufs x Karl-Josef Laumann x Vera Lengsfeld x Werner Lensing x Peter Letzgus x Ursula Lietz x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 200221246 (C) (D) (A) (B) Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Drucksache 14/8103 Nein Enthaltung Walter Link (Diepholz) x Eduard Lintner x Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) x Dr. Manfred Lischewski x Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) x Julius Louven x Dr. Michael Luther x Erich Maaß (Wilhelmshaven) x Erwin Marschewski (Recklinghausen) x Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) x Wolfgang Meckelburg x Dr. Michael Meister x Dr. Angela Merkel x Friedrich Merz x Hans Michelbach x Meinolf Michels x Dr. Gerd Müller x Bernward Müller (Jena) x Elmar Müller (Kirchheim) x Bernd Neumann (Bremen) x Claudia Nolte x Günter Nooke x Franz Obermeier x Friedhelm Ost x Eduard Oswald x Norbert Otto (Erfurt) x Dr. Peter Paziorek x Anton Pfeifer x Dr. Friedbert Pflüger x Beatrix Philipp x Ronald Pofalla x Ruprecht Polenz x Marlies Pretzlaff x Dr. Bernd Protzner x Thomas Rachel x Hans Raidel x Peter Rauen x Christa Reichard (Dresden) x Katherina Reiche x Erika Reinhardt x Hans-Peter Repnik x Klaus Riegert x Dr. Heinz Riesenhuber x Franz Romer x Hannelore Rönsch (Wiesbaden) x Heinrich-Wilhelm Ronsöhr x Dr. Klaus Rose x Kurt J. Rossmanith x Adolf Roth (Gießen) x Dr. Norbert Röttgen x Dr. Christian Ruck x Volker Rühe x Anita Schäfer x Dr. Wolfgang Schäuble x Hartmut Schauerte x Heinz Schemken x Karl-Heinz Scherhag x Dr. Gerhard Scheu x Norbert Schindler x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 21247 (C) (D) (A) (B) Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Drucksache 14/8103 Nein Enthaltung Dietmar Schlee x Bernd Schmidbauer x Christian Schmidt (Fürth) x Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) x Andreas Schmidt (Mülheim) x Michael von Schmude x Dr. Andreas Schockenhoff x Dr. Rupert Scholz x Reinhard Freiherr von Schorlemer x Dr. Erika Schuchardt x Wolfgang Schulhoff x Gerhard Schulz x Clemens Schwalbe x Dr. Christian Schwarz-Schilling x Wilhelm Josef Sebastian x Heinz Seiffert x Dr. h. c. Rudolf Seiters x Bernd Siebert x Werner Siemann x Johannes Singhammer x Bärbel Sothmann x Margarete Späte x Carl-Dieter Spranger x Wolfgang Steiger x Erika Steinbach x Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten x Andreas Storm x Dorothea Störr-Ritter x Max Straubinger x Thomas Strobl (Heilbronn) x Michael Stübgen x Dr. Rita Süssmuth x Dr. Susanne Tiemann x Edeltraut Töpfer x Dr. Hans-Peter Uhl x Arnold Vaatz x Angelika Volquartz x Andrea Voßhoff x Peter Weiß (Emmendingen) x Annette Widmann-Mauz x Heinz Wiese (Ehingen) x Hans-Otto Wilhelm (Mainz) x Klaus-Peter Willsch x Bernd Wilz x Willy Wimmer (Neuss) x Werner Wittlich x Dagmar Wöhrl x Aribert Wolf x Elke Wülfing x Peter Kurt Würzbach x Wolfgang Zeitlmann x Benno Zierer x Wolfgang Zöller x BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gila Altmann (Aurich) x Marieluise Beck (Bremen) x Volker Beck (Köln) x Angelika Beer x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 200221248 (C) (D) (A) (B) Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Drucksache 14/8103 Nein Enthaltung Matthias Berninger x Grietje Bettin x Annelie Buntenbach x Ekin Deligöz x Dr. Thea Dückert x Franziska Eichstädt-Bohlig x Dr. Uschi Eid x Hans-Josef Fell x Andrea Fischer (Berlin) x Katrin Göring-Eckardt x Rita Grießhaber x Gerald Häfner x Winfried Hermann x Antje Hermenau x Ulrike Höfken x Michaele Hustedt x Monika Knoche x Dr. Angelika Köster-Loßack x Steffi Lemke x Dr. Reinhard Loske x Oswald Metzger x Kerstin Müller (Köln) x Winfried Nachtwei x Christa Nickels x Cem Özdemir x Simone Probst x Christine Scheel x Irmingard Schewe-Gerigk x Rezzo Schlauch x Albert Schmidt (Hitzhofen) x Werner Schulz (Leipzig) x Christian Simmert x Christian Sterzing x Hans-Christian Ströbele x Jürgen Trittin x Dr. Antje Vollmer x Dr. Ludger Volmer x Sylvia Voß x Helmut Wilhelm (Amberg) x Margareta Wolf (Frankfurt) x FDP Ina Albowitz x Hildebrecht Braun (Augsburg) x Rainer Brüderle x Ernst Burgbacher x Jörg van Essen x Ulrike Flach x Gisela Frick x Paul K. Friedhoff x Rainer Funke x Dr. Wolfgang Gerhardt x Hans-Michael Goldmann x Joachim Günther (Plauen) x Dr. Karlheinz Guttmacher x Klaus Haupt x Dr. Helmut Haussmann x Ulrich Heinrich x Walter Hirche x Birgit Homburger x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 21249 (C) (D) (A) (B) Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Drucksache 14/8103 Nein Enthaltung Dr. Werner Hoyer x Ulrich Irmer x Dr. Klaus Kinkel x Dr. Heinrich L. Kolb x Gudrun Kopp x Jürgen Koppelin x Ina Lenke x Sabine Leutheusser-Schnarrenberger x Dirk Niebel x Günther Friedrich Nolting x Detlef Parr x Cornelia Pieper x Dr. Günter Rexrodt x Dr. Edzard Schmidt-Jortzig x Gerhard Schüßler x Dr. Irmgard Schwaetzer x Marita Sehn x Dr. Hermann Otto Solms x Dr. Max Stadler x Dr. Dieter Thomae x Jürgen Türk x Dr. Guido Westerwelle x PDS Dr. Dietmar Bartsch x Petra Bläss x Maritta Böttcher x Eva Bulling-Schröter x Roland Claus x Dr. Heinrich Fink x Dr. Ruth Fuchs x Wolfgang Gehrcke x Dr. Klaus Grehn x Dr. Gregor Gysi x Uwe Hiksch x Dr. Barbara Höll x Carsten Hübner x Ulla Jelpke x Sabine Jünger x Gerhard Jüttemann x Dr. Evelyn Kenzler x Rolf Kutzmutz x Dr. Christa Luft x Heidemarie Lüth x Pia Maier x Manfred Müller (Berlin) x Kersten Naumann x Rosel Neuhäuser x Christine Ostrowski x Petra Pau x Dr. Uwe-Jens Rössel x Christina Schenk x Gustav-Adolf Schur x Dr. Ilja Seifert x Dr. Winfried Wolf x Fraktionslose Abgeordnete Christa Lörcher x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 200221250 (C) (D) (A) (B) Liste 2 Endgültiges Ergebnis der zweiten namentlichen Abstimmung über Anträge zum Import von Stammzellen – Drucksachen 14/8101, 14/8102 und 14/8103 – Abgegebene Stimmen 618 Ungültige Stimmen 1 Gültige Stimmen 617 Mit Nein haben gestimmt 10 Enthaltungen 2 Es entfielen auf die Anträge: der Abgeordneten Wodarg, Kues, Knoche, Borchert u. a. – Drucksache 14/8101 – 266 Stimmen der Abgeordneten Böhmer, von Renesse, Fischer (Berlin), Seehofer u. a. – Drucksache 14/8102 – 339 Stimmen Ein Antrag ist angenommen, wenn er mehr Stimmen erhält als die anderen Anträge zuzüglich der Nein-Stimmen. Der Antrag Drucksache 14/8102 hat die erforderliche Mehrheit erreicht. Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Nein Enthaltung SPD Brigitte Adler x Gerd Andres x Ingrid Arndt-Brauer x Rainer Arnold x Hermann Bachmaier x Ernst Bahr x Doris Barnett x Eckhardt Barthel (Berlin) x Klaus Barthel (Starnberg) x Ingrid Becker-Inglau x Dr. Axel Berg x Hans-Werner Bertl x Friedhelm Julius Beucher x Petra Bierwirth x Rudolf Bindig x Lothar Binding (Heidelberg) x Kurt Bodewig x Klaus Brandner x Anni Brandt-Elsweier x Willi Brase x Rainer Brinkmann (Detmold) x Bernhard Brinkmann (Hildesheim) x Hans-Günter Bruckmann x Edelgard Bulmahn x Ursula Burchardt x Dr. Michael Bürsch x Hans Martin Bury x Hans Büttner (Ingolstadt) x Marion Caspers-Merk x Wolf-Michael Catenhusen x Dr. Peter Danckert x Dr. Herta Däubler-Gmelin x Christel Deichmann x Karl Diller x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 21251 (C) (D) (A) (B) Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Nein Enthaltung Peter Dreßen x Detlef Dzembritzki x Dieter Dzewas x Dr. Peter Eckardt x Sebastian Edathy x Ludwig Eich x Marga Elser x Peter Enders x Gernot Erler x Petra Ernstberger x Annette Faße x Lothar Fischer (Homburg) x Gabriele Fograscher x Norbert Formanski x Rainer Fornahl x Hans Forster x Dagmar Freitag x Lilo Friedrich (Mettmann) x Harald Friese x Anke Fuchs (Köln) x Arne Fuhrmann x Monika Ganseforth x Konrad Gilges x Iris Gleicke x Günter Gloser x Uwe Göllner x Günter Graf (Friesoythe) x Angelika Graf (Rosenheim) x Dieter Grasedieck x Monika Griefahn x Kerstin Griese x Achim Großmann x Wolfgang Grotthaus x Karl-Hermann Haack (Extertal) x Hans-Joachim Hacker x Klaus Hagemann x Manfred Hampel x Alfred Hartenbach x Anke Hartnagel x Klaus Hasenfratz x Nina Hauer x Hubertus Heil x Reinhold Hemker x Frank Hempel x Rolf Hempelmann x Dr. Barbara Hendricks x Gustav Herzog x Monika Heubaum x Reinhold Hiller (Lübeck) x Stephan Hilsberg x Gerd Höfer x Jelena Hoffmann (Chemnitz) x Walter Hoffmann (Darmstadt) x Iris Hoffmann (Wismar) x Frank Hofmann (Volkach) x Ingrid Holzhüter x Eike Hovermann x Christel Humme x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 200221252 (C) (D) (A) (B) Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Nein Enthaltung Lothar Ibrügger x Brunhilde Irber x Gabriele Iwersen x Renate Jäger x Ilse Janz x Dr. Uwe Jens x Volker Jung (Düsseldorf) x Johannes Kahrs x Ulrich Kasparick x Sabine Kaspereit x Susanne Kastner x Hans-Peter Kemper x Klaus Kirschner x Marianne Klappert x Siegrun Klemmer x Walter Kolbow x Fritz Rudolf Körper x Karin Kortmann x Anette Kramme x Nicolette Kressl x Volker Kröning x Angelika Krüger-Leißner x Horst Kubatschka x Ernst Küchler x Helga Kühn-Mengel x Ute Kumpf x Konrad Kunick x Werner Labsch x Christine Lambrecht x Brigitte Lange x Christian Lange (Backnang) x Detlev von Larcher x Waltraud Lehn x Klaus Lennartz x Dr. Elke Leonhard x Eckhart Lewering x Götz-Peter Lohmann (Neubrandenburg) x Gabriele Lösekrug-Möller x Erika Lotz x Dieter Maaß (Herne) x Winfried Mante x Dirk Manzewski x Tobias Marhold x Ulrike Mascher x Christoph Matschie x Heide Mattischeck x Markus Meckel x Ulrike Mehl x Ulrike Merten x Angelika Mertens x Dr. Jürgen Meyer (Ulm) x Ursula Mogg x Christoph Moosbauer x Siegmar Mosdorf x Jutta Müller (Völklingen) x Christian Müller (Zittau) x Franz Müntefering x Andrea Nahles x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 21253 (C) (D) (A) (B) Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Nein Enthaltung Volker Neumann (Bramsche) x Gerhard Neumann (Gotha) x Dr. Edith Niehuis x Dr. Rolf Niese x Dietmar Nietan x Günter Oesinghaus x Eckhard Ohl x Leyla Onur x Holger Ortel x Adolf Ostertag x Kurt Palis x Albrecht Papenroth x Dr. Martin Pfaff x Georg Pfannenstein x Johannes Pflug x Dr. Eckhart Pick x Joachim Poß x Karin Rehbock-Zureich x Dr. Carola Reimann x Margot von Renesse x Renate Rennebach x Bernd Reuter x Dr. Edelbert Richter x Christel Riemann-Hanewinckel x Reinhold Robbe x Gudrun Roos x René Röspel x Dr. Ernst Dieter Rossmann x Michael Roth (Heringen) x Birgit Roth (Speyer) x Gerhard Rübenkönig x Marlene Rupprecht x Thomas Sauer x Dr. Hansjörg Schäfer x Gudrun Schaich-Walch x Rudolf Scharping x Bernd Scheelen x Dr. Hermann Scheer x Siegfried Scheffler x Horst Schild x Otto Schily x Dieter Schloten x Horst Schmidbauer (Nürnberg) x Ulla Schmidt (Aachen) x Silvia Schmidt (Eisleben) x Dagmar Schmidt (Meschede) x Wilhelm Schmidt (Salzgitter) x Dr. Frank Schmidt (Weilburg) x Regina Schmidt-Zadel x Heinz Schmitt (Berg) x Carsten Schneider x Dr. Emil Schnell x Walter Schöler x Karsten Schönfeld x Fritz Schösser x Ottmar Schreiner x Gerhard Schröder x Richard Schuhmann (Delitzsch) x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 200221254 (C) (D) (A) (B) Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Nein Enthaltung Brigitte Schulte (Hameln) x Reinhard Schultz (Everswinkel) x Volkmar Schultz (Köln) x Ewald Schurer x Dr. Angelica Schwall-Düren x Rolf Schwanitz x Bodo Seidenthal x Erika Simm x Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk x Wieland Sorge x Wolfgang Spanier x Dr. Margrit Spielmann x Jörg-Otto Spiller x Dr. Ditmar Staffelt x Antje-Marie Steen x Ludwig Stiegler x Rolf Stöckel x Rita Streb-Hesse x Reinhold Strobl (Amberg) x Dr. Peter Struck x Joachim Stünker x Joachim Tappe x Jörg Tauss x Jella Teuchner x Dr. Gerald Thalheim x Wolfgang Thierse x Franz Thönnes x Adelheid Tröscher x Hans-Eberhard Urbaniak x Rüdiger Veit x Simone Violka x Ute Vogt (Pforzheim) x Hans Georg Wagner x Hedi Wegener x Dr. Konstanze Wegner x Wolfgang Weiermann x Matthias Weisheit x Gert Weisskirchen (Wiesloch) x Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker x Jochen Welt x Dr. Rainer Wend x Hildegard Wester x Lydia Westrich x Inge Wettig-Danielmeier x Dr. Margrit Wetzel x Dr. Norbert Wieczorek x Jürgen Wieczorek (Böhlen) x Helmut Wieczorek (Duisburg) x Heidemarie Wieczorek-Zeul x Dieter Wiefelspütz x Heino Wiese (Hannover) x Brigitte Wimmer (Karlsruhe) x Engelbert Wistuba x Barbara Wittig x Dr. Wolfgang Wodarg x Verena Wohlleben x Hanna Wolf (München) x Waltraud Wolff (Wolmirstedt) x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 21255 (C) (D) (A) (B) Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Nein Enthaltung Heidemarie Wright x Uta Zapf x Dr. Christoph Zöpel x CDU/CSU Ulrich Adam x Ilse Aigner x Peter Altmaier x Dietrich Austermann x Norbert Barthle x Dr. Wolf Bauer x Günter Baumann x Brigitte Baumeister x Meinrad Belle x Dr. Sabine Bergmann-Pohl x Otto Bernhardt x Dr. Joseph-Theodor Blank x Renate Blank x Dr. Heribert Blens x Peter Bleser x Antje Blumenthal x Friedrich Bohl x Dr. Maria Böhmer x Sylvia Bonitz x Jochen Borchert x Wolfgang Börnsen (Bönstrup) x Wolfgang Bosbach x Dr. Wolfgang Bötsch x Klaus Brähmig x Dr. Ralf Brauksiepe x Paul Breuer x Monika Brudlewsky x Georg Brunnhuber x Hartmut Büttner (Schönebeck) x Dankward Buwitt x Cajus Caesar x Manfred Carstens (Emstek) x Peter H. Carstensen (Nordstrand) x Leo Dautzenberg x Wolfgang Dehnel x Hubert Deittert x Albert Deß x Renate Diemers x Thomas Dörflinger x Dr. Hansjürgen Doss x Marie-Luise Dött x Maria Eichhorn x Anke Eymer (Lübeck) x Ilse Falk x Dr. Hans Georg Faust x Albrecht Feibel x Ulf Fink x Ingrid Fischbach x Dirk Fischer (Hamburg) x Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) x Klaus Francke x Herbert Frankenhauser x Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) x Erich G. Fritz x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 200221256 (C) (D) (A) (B) Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Nein Enthaltung Jochen-Konrad Fromme x Hans-Joachim Fuchtel x Dr. Jürgen Gehb x Norbert Geis x Georg Girisch x Michael Glos x Dr. Reinhard Göhner x Peter Götz x Dr. Wolfgang Götzer x Kurt-Dieter Grill x Hermann Gröhe x Manfred Grund x Gottfried Haschke (Großhennersdorf ) x Gerda Hasselfeldt x Norbert Hauser (Bonn) x Hansgeorg Hauser (Rednitzhembach) x Klaus-Jürgen Hedrich x Helmut Heiderich x Ursula Heinen x Manfred Heise x Siegfried Helias x Hans Jochen Henke x Ernst Hinsken x Peter Hintze x Klaus Hofbauer x Klaus Holetschek x Josef Hollerith x Dr. Karl-Heinz Hornhues x Siegfried Hornung x Joachim Hörster x Hubert Hüppe x Georg Janovsky x Dr.-Ing. Rainer Jork x Dr. Harald Kahl x Bartholomäus Kalb x Steffen Kampeter x Dr.-Ing. Dietmar Kansy x Irmgard Karwatzki x Volker Kauder x Eckart von Klaeden x Ulrich Klinkert x Dr. Helmut Kohl x Norbert Königshofen x Eva-Maria Kors x Hartmut Koschyk x Rudolf Kraus x Dr. Martina Krogmann x Dr. Hermann Kues x Werner Kuhn x Karl Lamers x Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) x Dr. Norbert Lammert x Helmut Lamp x Dr. Paul Laufs x Karl-Josef Laumann x Vera Lengsfeld x Werner Lensing x Peter Letzgus x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 21257 (C) (D) (A) (B) Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Nein Enthaltung Ursula Lietz x Walter Link (Diepholz) x Eduard Lintner x Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) x Dr. Manfred Lischewski x Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) x Julius Louven x Dr. Michael Luther x Erich Maaß (Wilhelmshaven) x Erwin Marschewski (Recklinghausen) x Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) x Wolfgang Meckelburg x Dr. Michael Meister x Dr. Angela Merkel x Friedrich Merz x Hans Michelbach x Meinolf Michels x Dr. Gerd Müller x Bernward Müller (Jena) x Elmar Müller (Kirchheim) x Bernd Neumann (Bremen) x Claudia Nolte x Günter Nooke x Franz Obermeier x Friedhelm Ost x Eduard Oswald x Norbert Otto (Erfurt) x Dr. Peter Paziorek x Anton Pfeifer x Dr. Friedbert Pflüger x Beatrix Philipp x Ronald Pofalla x Ruprecht Polenz x Marlies Pretzlaff x Dr. Bernd Protzner x Thomas Rachel x Hans Raidel x Dr. Peter Ramsauer x Peter Rauen x Christa Reichard (Dresden) x Katherina Reiche x Erika Reinhardt x Hans-Peter Repnik x Klaus Riegert x Dr. Heinz Riesenhuber x Franz Romer x Hannelore Rönsch (Wiesbaden) x Heinrich-Wilhelm Ronsöhr x Dr. Klaus Rose x Kurt J. Rossmanith x Adolf Roth (Gießen) x Dr. Norbert Röttgen x Dr. Christian Ruck x Volker Rühe x Anita Schäfer x Dr. Wolfgang Schäuble x Hartmut Schauerte x Heinz Schemken x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 200221258 (C) (D) (A) (B) Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Nein Enthaltung Karl-Heinz Scherhag x Dr. Gerhard Scheu x Norbert Schindler x Dietmar Schlee x Bernd Schmidbauer x Christian Schmidt (Fürth) x Dr.-Ing. Joachim Schmidt (Halsbrücke) x Andreas Schmidt (Mülheim) x Michael von Schmude x Dr. Andreas Schockenhoff x Dr. Rupert Scholz x Reinhard Freiherr von Schorlemer x Dr. Erika Schuchardt x Wolfgang Schulhoff x Gerhard Schulz x Clemens Schwalbe x Dr. Christian Schwarz-Schilling x Wilhelm Josef Sebastian x Heinz Seiffert x Dr. h. c. Rudolf Seiters x Bernd Siebert x Werner Siemann x Johannes Singhammer x Bärbel Sothmann x Margarete Späte x Carl-Dieter Spranger x Wolfgang Steiger x Erika Steinbach x Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten x Andreas Storm x Dorothea Störr-Ritter x Max Straubinger x Thomas Strobl (Heilbronn) x Michael Stübgen x Dr. Rita Süssmuth x Dr. Susanne Tiemann x Edeltraut Töpfer x Dr. Hans-Peter Uhl x Arnold Vaatz x Angelika Volquartz x Andrea Voßhoff x Dr. Theodor Waigel x Peter Weiß (Emmendingen) x Annette Widmann-Mauz x Heinz Wiese (Ehingen) x Hans-Otto Wilhelm (Mainz) x Klaus-Peter Willsch x Bernd Wilz x Willy Wimmer (Neuss) x Matthias Wissmann x Werner Wittlich x Dagmar Wöhrl x Aribert Wolf x Elke Wülfing x Peter Kurt Würzbach x Wolfgang Zeitlmann x Benno Zierer x Wolfgang Zöller x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 21259 (C) (D) (A) (B) Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Nein Enthaltung BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gila Altmann (Aurich) x Volker Beck (Köln) x Angelika Beer x Matthias Berninger x Grietje Bettin x Annelie Buntenbach x Ekin Deligöz x Dr. Thea Dückert x Franziska Eichstädt-Bohlig x Dr. Uschi Eid x Hans-Josef Fell x Andrea Fischer (Berlin) x Joseph Fischer (Frankfurt) x Katrin Göring-Eckardt x Rita Grießhaber x Gerald Häfner x Winfried Hermann x Antje Hermenau x Ulrike Höfken x Michaele Hustedt x Monika Knoche x Dr. Angelika Köster-Loßack x Steffi Lemke x Dr. Helmut Lippelt x Dr. Reinhard Loske x Oswald Metzger x Kerstin Müller (Köln) x Winfried Nachtwei x Christa Nickels x Cem Özdemir x Simone Probst x Christine Scheel x Irmingard Schewe-Gerigk x Rezzo Schlauch x Albert Schmidt (Hitzhofen) x Werner Schulz (Leipzig) x Christian Simmert x Christian Sterzing x Hans-Christian Ströbele x Jürgen Trittin x Dr. Antje Vollmer x Dr. Ludger Volmer x Sylvia Voß x Helmut Wilhelm (Amberg) x Margareta Wolf (Frankfurt) x FDP Ina Albowitz x Hildebrecht Braun (Augsburg) x Rainer Brüderle x Ernst Burgbacher x Jörg van Essen x Ulrike Flach x Gisela Frick x Paul K. Friedhoff x Rainer Funke x Dr. Wolfgang Gerhardt x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 200221260 (C) (D) (A) (B) Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Nein Enthaltung Hans-Michael Goldmann x Joachim Günther (Plauen) x Dr. Karlheinz Guttmacher x Klaus Haupt x Dr. Helmut Haussmann x Ulrich Heinrich x Walter Hirche x Birgit Homburger x Dr. Werner Hoyer x Ulrich Irmer x Dr. Klaus Kinkel x Dr. Heinrich L. Kolb x Gudrun Kopp x Jürgen Koppelin x Ina Lenke x Sabine Leutheusser-Schnarrenberger x Dirk Niebel x Günther Friedrich Nolting x Hans-Joachim Otto (Frankfurt) x Detlef Parr x Cornelia Pieper x Dr. Günter Rexrodt x Dr. Edzard Schmidt-Jortzig x Gerhard Schüßler x Dr. Irmgard Schwaetzer x Marita Sehn x Dr. Hermann Otto Solms x Dr. Max Stadler x Carl-Ludwig Thiele x Dr. Dieter Thomae x Jürgen Türk x Dr. Guido Westerwelle x PDS Dr. Dietmar Bartsch x Petra Bläss x Maritta Böttcher x Eva Bulling-Schröter x Roland Claus x Dr. Heinrich Fink x Dr. Ruth Fuchs x Wolfgang Gehrcke x Dr. Klaus Grehn x Dr. Gregor Gysi x Uwe Hiksch x Dr. Barbara Höll x Carsten Hübner x Ulla Jelpke x Sabine Jünger x Gerhard Jüttemann x Dr. Evelyn Kenzler x Rolf Kutzmutz x Heidi Lippmann x Dr. Christa Luft x Heidemarie Lüth x Pia Maier x Manfred Müller (Berlin) x Kersten Naumann x Rosel Neuhäuser x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 21261 (C)(A) Name Drucksache 14/8101 Drucksache 14/8102 Nein Enthaltung Christine Ostrowski x Petra Pau x Dr. Uwe-Jens Rössel x Christina Schenk x Gustav-Adolf Schur x Dr. Ilja Seifert x Dr. Winfried Wolf x Fraktionslose Abgeordnete Christa Lörcher x Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 21263 (C) (D) (A) (B) Balt, Monika PDS 30.01.2002 Dr. Bartels, Hans-Peter SPD 30.01.2002 Behrendt, Wolfgang SPD 30.01.2002* Bierling, Hans-Dirk CDU/CSU 30.01.2002** Bierwirth, Petra SPD 30.01.2002 Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 30.01.2002 Klaus Follak, Iris SPD 30.01.2002 Dr. Friedrich CDU/CSU 30.01.2002 (Erlangen), Gerhard Friedrich (Altenburg), SPD 30.01.2002 Peter Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 30.01.2002 Gradistanac, Renate SPD 30.01.2002 Günther (Duisburg), CDU/CSU 30.01.2002 Horst Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 30.01.2002 DIE GRÜNEN Hohmann, Martin CDU/CSU 30.01.2002 Imhof, Barbara SPD 30.01.2002 Janssen, Jann-Peter SPD 30.01.2002 Kelber, Ulrich SPD 30.01.2002 Klappert, Marianne SPD 30.01.2002 Dr. Knake-Werner, PDS 30.01.2002 Heidi Dr. Küster, Uwe SPD 30.01.2002 Lehder, Christine SPD 30.01.2002 Leidinger, Robert SPD 30.01.2002 Lötzer, Ursula PDS 30.01.2002 Marquardt, Angela PDS 30.01.2002 Müller (Düsseldorf), SPD 30.01.2002 Michael Opel, Manfred SPD 30.01.2002 Pieper, Cornelia FDP 30.01.2002 Raidel, Hans CDU/CSU 30.01.2002 Rauber, Helmut CDU/CSU 30.01.2002 Roos, Gudrun SPD 30.01.2002 Schlee, Dietmar CDU/CSU 30.01.2002 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 30.01.2002 Hans Peter Schröder, Gerhard SPD 30.01.2002 Schröter, Gisela SPD 30.01.2002 Dr. Schubert, Mathias SPD 30.01.2002 Seehofer, Horst CDU/CSU 30.01.2002 Simm, Erika SPD 30.01.2002 Strebl, Matthäus CDU/CSU 30.01.2002 Titze-Stecher, Uta SPD 30.01.2002 Violka, Simone SPD 30.01.2002 Weis (Stendal), SPD 30.01.2002 Reinhard Dr. Wieczorek, Norbert SPD 30.01.2002 Wiesehügel, Klaus SPD 30.01.2002 Zumkley, Peter SPD 30.01.2002** * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung des Europarates ** für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Ver- sammlung der NATO Anlage 2 Erklärungen nach § 31 zu den namentlichen Abstimmungen über An- träge zum Import von Stammzellen (Drucksa- chen 14/8101, 14/8102 und 14/8103 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Erstens. Ich lehne die Forschung an embryonalen Stamm- zellen aus grundsätzlichen ethischen Überlegungen ab. Diese Forschung ist ohne die Tötung von Embryonen nicht zu haben. Zweitens. Die Grundrechtsverletzung – Menschen- würde, Lebensschutz – findet bei der Herstellung der Stammzellenlinien und nicht beim Import derselben statt. entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Daher dürfte es zumindest zweifelhaft sein, ob ein hun- derprozentiges Verbot des Importes von Stammzellen zum Zwecke der Forschung mit der verfassungsrechtlich garantierten Forschungsfreiheit vereinbar ist. Der Antrag auf Drucksache 14/8102 enthält einen Vorschlag für eine enge Regelung des Importes. Drittens. Während beim Import zu Forschungs- zwecken die verfassungsrechtliche Vorgabe der For- schungsfreiheit zu beachten ist, ist der Staat bei der Ver- gabe seiner Forschungsmittel völlig frei. Deshalb wäre nach meiner ethischen Überzeugung eine generelle Ab- sage an die Bereitstellung von Forschungsmitteln für die embryonale Stammzellenforschung Voraussetzung einer glaubwürdigen, verfassungsrechtlich begründeten Posi- tion des „Nein, aber“. Durch die Offenhaltung der Förde- rung der embryonalen Stammzellenforschung geht der Antrag auf Drucksache 14/8102 über das verfassungs- rechtlich Gebotene hinaus. Aus diesen Gründen stimme ich trotz verfassungs- rechtlicher Zweifel für den Antrag auf Drucksache 14/8101. Es ist eine Schwäche dieses parlamentarischen Ab- stimmungsverfahrens, dass mangels einer Klärung über eine Ausschussberatung falsche Alternativen abgestimmt werden bzw. Korrekturen nicht möglich sind. Zudem gibt es ein nicht auszuschließendes Risiko, dass am Ende die Anträge der Importbefürworter und der Importgegner ge- geneinander stehen, obwohl es angemessener wäre, am Ende den Kompromissantrag gegen einen der beiden ab- zustimmen. Es kann nicht erwartet werden, dass bei einer Abstimmung über ethische Grundfragen die Abgeordne- ten taktisch abstimmen. Sylvia Bonitz (CDU/CSU): Dürfen wir, um heilen zu können, menschliches Leben töten? Dürfen wir befruch- tete Eizellen bzw. Embryonen, die alle genetischen Anla- gen zur Entwicklung eines vollständigen Menschen in sich tragen, nach eigenem Gutdünken verwenden, nur weil ihnen der schützende Uterus ihrer Mutter fehlt? Dür- fen wir, fasziniert von der Vorstellung, mithilfe der For- schung an embryonalen Stammzellen die Chancen auf Heilung von Krankheiten maximieren zu können, Em- bryonen „verbrauchen“, um damit gegebenenfalls selbst länger leben zu können? Zugespitzt formuliert: Dürfen wir Menschen konsumieren, um selbst zu leben? Schon der Begriff der „verbrauchenden Embryonen- forschung“ bezeichnet die Perversion unseres Denkens. Diesem Denken folgt das Handeln: Wir pflanzen mensch- liche Stammzellen in Mäusehirne ein. Wir kreuzen Schweine mit Spinat. Wir handeln wider die Natur und pfuschen Gott ins Handwerk. Manche versuchen gar, Gott zu spielen. Wo wird das hinführen? Wo soll das enden? Wird es aufhören, wenn wir die Missbildungen miss- glückter Züchtungen lebendig vor unseren Augen sehen? Wenn aus den Zelllinien nicht nur Zellgewebe oder ein einzelnes Organ, sondern mehr als das geworden ist? Oder wird es nur zum Verbergen solcher Versuche führen, bis das gezüchtete Resultat medienwirksam präsentabel und wirtschaftlich vermarktbar ist? Welches wird die mo- ralische Grenze sein, jenseits der unsere Forscherneugier gezügelt werden kann und muss? Gibt es andererseits aber nicht auch eine moralische Pflicht, alles zur Heilung von Kranken Denkbare zu tun, oder ist es zulässig, Hei- lungschancen zu verweigern? Bereits der Umgang mit den bisher künstlich in vitro gezeugten Lebewesen macht die ethische Dimension und zuweilen die Absurdität unserer Schlussfolgerungen be- wusst. Jener übersteigerte Hang zum Perfektionismus lässt uns allzu leicht vergessen, dass es auch ein Recht auf Unvollkommenheit gibt. Zudem können die weitreichen- den – aus meiner Sicht falschen – Entscheidungen anderer Nationen auf dem Feld der biomedizinischen Forschung nicht maßgeblich sein für unser eigenes, mit gesundem Menschenverstand zu fällendes Urteil. Der Schutz der Menschenwürde, der dem mensch- lichen Leben vom Anbeginn seiner Entstehung her zuteil werden muss, gebietet es, den Import von Stammzellen, die aus menschlichen Embryonen gewonnen worden sind, zu verbieten und stattdessen ethisch unproblematische Forschungsalternativen, zum Beispiel durch Forschung an adulten Stammzellen, verstärkt zu fördern. Nach mei- ner christlichen Grundüberzeugung haben wir nicht das Recht, menschliches Leben zu töten, um mit embryonalen Stammzellen zu experimentieren und hierdurch eventuell größere Chancen auf Heilung erfahren zu können. Zudem gilt auf dem weiten Gebiet biomedizinischer Forschung erst recht der Spruch: Quidquid agas, pruden- ter agas et respice finem. Zu deutsch: Was du tust, das tue klug und bedenke das Ende. Wer immer glaubt, er könne den Geist, den er jetzt aus der Flasche lässt, wieder zurück in die Flasche holen, der irrt. Die Neugier und Expe- rimentierfreude von Forschern wird niemand wirklich zü- geln können. Dieses widerspräche dem Forschungsdrang per se. Das Ende bedenkend, entscheide ich mich für den Schutz der Menschenwürde gegen den Import von em- bryonalen Stammzellen und gegen die Forschung an ih- nen, wissend, dass ich einigen kranken Menschen damit vielleicht die Hoffnung auf etwaige Heilungschancen nehme. Wenn die Gesellschaft von heute die „verbrau- chende Embryonenforschung“ zulässt, dann folgt als nächster Schritt das therapeutische Klonen und es besteht die Gefahr, dass die Gesellschaft von morgen nach Über- schreitung weiterer Grenzen in das Gesicht ihrer Klone blickt. Renate Diemers (CDU/CSU): Ich habe heute dem Antrag zum Verbot eines Stammzellenimportes zuge- stimmt. Ich lehne einen Import embryonaler Stammzellen ab, da dies nicht mit der Würde des menschlichen Lebens vereinbar ist. Mir ist bewusst, dass insbesondere in Bezug auf Forschungseinrichtungen im Ausland – aber auch im Inland – nur geringe Möglichkeiten bestehen, um lenkend auf sich abzeichnende Entwicklungen Einfluss zu nehmen beziehungsweise aufzuhalten. Aber mir ist auch bewusst, dass in diesen wichtigen ethischen Fragen eine nachgebende und abnickende Politik immer weitere Grenzüberschreitungen herausfordert. Dies wird dazu Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 200221264 (C) (D) (A) (B) führen, dass die Politik zukünftig ethische Grenzen nachträglich immer weiter ausdehnen muss. Eine Ablehnung des Stammzellenimportes soll heute dagegen ein Zeichen setzen. Dr. Heinrich Fink (PDS): Ich habe für den Antrag 14/8101 gestimmt, und zwar aus folgenden Gründen: Für eine demokratische, solidarische Gesellschaft ist ein humanistisches Menschenbild unverzichtbar. Es res- pektiert Menschen als ganzheitliche Wesen in breiter gleichberechtigter soziokultureller Einbindung. Zu die- sem Menschenbild müssen neuerdings zusätzliche, ver- bindliche Festlegungen getroffen werden, weil die Unan- tastbarkeit der Menschenwürde nicht mehr mit der Zeitansage „von Geburt bis zum Tod“ zutreffend um- schrieben ist. Es geht um den möglicherweise verbrau- chenden Umgang mit embryonalen Stammzellen und an- dererseits um die Unantastbarkeit der Menschenwürde in den Stadien des Ablebens. In vielen Ländern wird diskutiert, wie weit es ethisch erlaubt ist, die befruchtete Eizelle final zu Forschungs- zwecken zu nutzen oder eigens dafür zu produzieren. Und ebenso umstritten sind die Kriterien dafür, ab wann im In- teresse der Organentnahme der Eintritt des Todes zu attes- tieren sei. Mit dem Embryonenschutzgesetz hat der Deutsche Bundestag eine eindeutige konservative Entscheidung für Deutschland gefällt. Wissenschaftler und zum Beispiel der Verein zur För- derung der Genomforschung, dem die namenhaftesten Pharmafirmen wie Bayer, Böhringer, Roche und Schering angehören, drängen nun darauf, die Forschungsblockade durch das Embyonenschutzgesetz wenigstens durch Ge- nehmigung des Importes von Stammzellen zu lösen. Die Forschung an adulten Stammzellen unterliegt ja keinerlei Einschränkung. Aber mit der Freigabe des Importes von embryonalen Stammzellen würde der Bundestag be- schließen, dass ein von ihm selber verabschiedetes Gesetz wirksam unterwandert werden darf, weil die ethische Be- wertung der Menschenwürde der befruchteten Eizelle dem Forschungsbemühen von deutschen Wissenschaft- lern und den Interessen der Pharmakonzerne zuwider- läuft, auf dem dicht besetzten Markt in Sachen embryo- nale Stammzellenforschung mit eigenen Patenten wettbewerbsfähig zu sein. Darum wird die Frage, wie viele Tage die befruchtete Eizelle möglicherweise doch noch keinen Anspruch auf den Schutz der „Menschen- würde“ hat, keineswegs als ethisches Problem internatio- nal zur Diskussion gestellt. Erfragt wird vielmehr der Zeitraum aus nationalen Forschungsnutzungsinteressen. Via Import werden aber alle diese Modifikationen scheinbar umgangen: Ausländische Embryonen sind nicht an die inländischen Kriterien der Menschenwürde gebun- den. Und weil Heilen von bisher als unheilbar geltenden Krankheiten als moralische Maxime aller dieser wissen- schaftlichen Bemühungen gilt, scheint es unverständlich zu sein, warum die Freiheit der Forschung „schutzlos“ dem Embryonenschutzgesetz ausgeliefert ist. Aber unsere Diskussion findet nicht im geschichts- freien Raum statt. Heute, am 30. Januar, wurde 1933 Deutschlands erste Demokratie, die in freien Wahlen anulliert worden war, mit der Übertragung der Staats- macht auf Hitler, endgültig ausgelöscht. In den zwölf Jah- ren faschistischer Diktatur hatten viele Wissenschaftler keine moralischen Bedenken, die Freiheit ihrer Forschung an geistig Behinderten, an „nicht arischem oder slawi- schem Menschenmaterial“ zugunsten von Erkenntnissen zur genetischen Reinerhaltung der arischen Rasse und verbesserten Heilmethoden zu praktizieren. Diese wohl umfassendste, die Menschenwürde von Ausgegrenzten und Internierten verletzende wissenschaftliche For- schung, die den Tod der Versuchsobjekte einkalkulierte, ist nie wirklich „aufgearbeitet worden“. In Deutschland wurde die Freiheit der Wissenschaft wissentlich miss- braucht – durch Menschen verbrauchende Forschung an Ausgegrenzten und Ausländern. Die Freiheit der Wissenschaft bleibt ein hohes, schüt- zenswertes Gut. Aber sie existiert nie in einem interessen- freien Raum. Und die Interessen müssen moralisch abge- wogen werden. Die irreführende Konfrontation heißt jetzt: Wer die verwertende Stammzellenforschung ablehnt, ver- weigert chronisch Kranken die Chance auf Heilung. Wer nach dem jetzt gültigen Embryonenschutzgesetz gegen die Freigabe zum Stammzellenimport argumentiert, greift die Freiheit der Wissenschaft an. – Diese Diskussion zeigt, dass wir noch viel Zeit zum sachlichen Abwägen der Werte brauchen. Der 30. Januar 1933 bleibt eine Herausforderung an den moralischen Wissenschaftsstandort Deutschland. Ich sage eindeutig Nein zum Import embrynonale Stammzel- len, aber fordere zugleich eine in jeder Hinsicht verviel- fachte Unterstützung der Forschung mit adulten Stamm- zellen. Wolfgang Gehrcke (PDS): Ich habe keinem der drei Anträge meine Stimme gegeben und möchte mein Ab- stimmverhalten erklären. Wir haben heute eine gesellschaftspolitische Entschei- dung getroffen, die unmittelbar ethische und moralische Haltungen berührt. Jede und jeder Abgeordnete hat seine persönlichen Grundsätze bedacht. Das habe ich auch ge- tan, geht es doch um die Frage, was das Menschsein des Menschen ausmacht. Der Antrag des Kollegen Wodarg und weiteren unter- stellt, menschliches Leben entstehe mit der Empfängnis. Ich hingegen gehe davon aus: Der Mensch ist ein sozia- les, ein gesellschaftliches Wesen. Sein Menschsein be- ginnt mit der Geburt. Ich denke, das entspricht auch den Traditionen der Aufklärung. So geht die amerikanische Verfassung davon aus, alle Menschen sind gleich geboren und haben gleiche Rechte. In der Bill of Rights steht nicht: Alle Menschen sind gleich gezeugt. Die Rechte der gleich Geborenen vielmehr sind unantastbar und unteilbar. Ge- nau das meint aus meiner Sicht das Grundgesetz mit sei- nem kategorischen Imperativ: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 21265 (C) (D) (A) (B) Meine Einwände zum Antrag der Kollegin Flach und weiteren sind ebenfalls grundsätzlicher Natur. Ich be- obachte mit Sorge, dass der Kapitalismus alle menschli- chen Beziehungen in Waren verwandelt und sie den Be- dingungen des Marktes unterwirft. Selbst der Körper wird zum Rohstofflieferanten. Die Entschlüsselung der Ge- heimnisse des Menschen wird zum Patent. Gegenstand des Antrags der Kollegin Flach ist, die Freiheit der kapi- talistischen Verwertungsbedingungen über den Rohstoff Mensch zu sichern. Das muss ich ablehnen. Als Sozialist arbeite ich dafür, die selbstbestimmte Gestaltung der Ge- sellschaft, der Gemeinschaft der Menschen, der unver- wechselbaren Individuen gegenüber der anonymen Macht der Märkte und der Waren zurückzugewinnen. Der Antrag der Kolleginnen Dr. Böhmer, von Renesse und weiteren kommt mir am nächsten. Jedoch hätte ich mir klarere gesellschaftliche Normen, Mitbestimmung und öffentliche Aufklärung gewünscht. Wir bewegen uns doch noch immer in dem Dilemma, das Friedrich Dürrenmatt in seinem Stück „Die Physiker“ fast resignie- rend resümieren lässt: Eine Erkenntnis, einmal in die Welt gesetzt, lässt sich nicht zurückholen. Was er damals zur Wasserstoffbombe sagte, treibt uns heute noch um: Wie können wir die Geister beherrschen, die der Hexenmeister losließ? Erkennbarkeit ist nicht identisch mit Beherrschbarkeit. Aus Produktivkräften können Destruktivkräfte werden. Ich kann unter den Bedingungen des Profits, der glo- balen Weltmarktkonkurrenz und der Abwesenheit welt- umspannender demokratischer Regulierung keine Ein- griffe in die Reproduktion der Gattung Mensch verantworten. Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich lehne den Import embryonaler Stammzellen ab und stimme dem Antrag „Schutz der Menschenwürde ange- sichts der biomedizinischen Möglichkeiten – Kein Import embryonaler Stammzellen“, Drucksache 14/8101, zu. Le- ben beginnt, so die Auffasung der Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ und der Mehr- heit der Wissenschaftler, mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle. Damit ist die Individualität angelegt. In- sofern kommt dem Embryo der grundgesetzlich gesi- cherte Schutz nach Art. 1 und 2 zu: die Unantastbarkeit der Würde des Menschen sowie das Recht auf Leben. Diese ethische Bewertung trifft auch für im Ausland er- zeugte Embryonen zu. Für die Stammzellforschung stehen viele Alternativen zur Verfügung, wie zum Beispiel die Nutzung adulter Stammzellen, Stammzellen aus Nabelschnurblut oder tie- rischer embryonaler Stammzellen. Diese Möglichkeiten sind bislang nicht ausgeschöpft. Das gilt gerade für die Grundlagenforschung, an deren Anfang die Wissenschaft noch heute steht. Viele heutige Heilungsversprechungen sind absurd, ebenso wie die Behauptungen mancher Wis- senschaftler, Forschungsfortschritte heute nur mit ent- sprechenden Stammzellen erzielen zu können. Es kann nicht sein, dass finanzielle Erwägungen zur Nutzung menschlicher Embryonen statt zu teureren Alternativen, wie beispielsweise zur Nutzung der Embryozellen von Primaten, führt. Wir fordern eine gesetzliche Regelung für das Import- verbot. Dabei müssen die verfassungsrechtlichen Mög- lichkeiten ausgeschöpft werden. Inwieweit sich das Im- portverbot rückwirkend auf schon vorhandene Zelllinien erstrecken kann, kann sich in der rechtlichen Umsetzung zeigen. Eine argumentative Vermischung mit der Abtreibungs- debatte greift daneben: Beim § 218 geht es um die Un- möglichkeit der Abwägung zwischen den Rechten der Frau und denen des Embryos in der einzigartigen Verbin- dung der Schwangerschaft. Eine Parallele zwischen der Situation einer Konfliktschwangerschaft und dem im Reagenzglas „in vitro“ lebenden Embryonen ist nicht vor- handen und kann daher als Begründung nicht in Anspruch genommen werden. Erst recht kann mit dem § 218 nicht der Anspruch des Embryos auf Menschenwürde infrage gestellt werden. Ich habe als Mitglied der Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ beide Positionen der Kommissionsempfehlung unterschrieben: die ethische Ablehnung des Imports von embryonalen Stammzellen und die Beschränkung auf gesetzlich geregelte, zum Stichtag 9. August 2001 bereits vorhandenen Stammzell- linien, falls die erste Option der Importablehnung verfas- sungsrechtlich oder politisch nicht realisierbar ist. Beide Positionen der Enquete-Kommission sind nicht wider- sprüchlich und kompatibel. Tatsächlich ist eine Stammzelllinie kein Embryo, und ihr kann daher nicht der Grundrechtsschutz des Art. 1 zu- gesprochen werden. Dennoch bleibt die Ablehnung ihrer Gewinnung. Mein Ziel und das der Fraktion von Bünd- nis 90/Die Grünen ist es heute, das Embryonenschutzge- setz zu erhalten und den Verbrauch weiterer Embryonen für die Forschung zu verhindern. Ich betone daher, dass sowohl der Antrag „Schutz der Menschenwürde ange- sichts der biomedizinischen Möglichkeiten – Kein Import embryonaler Stammzellen“, Drucksache 14/8101, wie auch der Antrag „Keine verbrauchende Embryonenfor- schung: Import humaner embryonaler Stammzellen grundsätzlich verbieten und nur unter engen weiteren Voraussetzungen zulassen“, Drucksache 14/8102, diese Ziele nachdrücklich verfolgen: die Nutzung und den Ver- brauch von Embryonen zu verhindern. Von daher werde ich, falls der Antrag „Schutz der Menschenwürde ange- sichts der biomedizinischen Möglichkeiten – Kein Import embryonaler Stammzellen“, Drucksache 14/8101, nicht die notwendige Mehrheit findet, dem zweitgenannten An- trag, Drucksache 14/8102, zustimmen, um dies so wich- tige gemeinsame Ziel zu erreichen. Klaus Holetschek (CDU/CSU): Ich habe für den Antrag auf Drucksache 14/8101 gestimmt. Die beiden an- deren Anträge führen zu einer Minderung des derzeitig geltenden Embryonenschutzes, sei es durch eine weitrei- chende Öffnung der Forschungsmöglichkeiten, sei es durch eine Öffnung unter sehr eng gefassten Bedingun- gen. Unserer Verfassung liegt das christliche Men- schenbild zugrunde. Der uneingeschränkte Schutz des Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 200221266 (C) (D) (A) (B) menschlichen Lebens gehört daher zu den wichtigsten Aufgaben der Verfassung. Durch die Zustimmung zu ei- nem Import von Stammzellen würde dieser Lebensschutz unterlaufen werden. Vage Heilerwartungen dürfen nicht zu einer Abstufung des menschlichen Lebens führen. Der bestehende Wertekonsens in der Bevölkerung hinsichtlich des Beginns und des Endes des menschlichen Lebens darf nicht weiter relativiert werden. Durch die Tötung der Em- bryonen käme es dagegen zu einer weiteren Verschiebung der Lebensschwelle. Die Freiheit der Forschung ist ein hohes verfassungs- rechtliches Gut. Ebenso sind die Wissenschaftler ver- pflichtet, die Risiken und Chancen ihrer Forschungen miteinander abzuwägen. Bei der so genannten verbrau- chenden Embryonenforschung überwiegen die Risiken. Die ethischen Grenzüberschreitungen bei Experimenten in den Vereinigten Staaten und in Großbritannien haben dies deutlich vor Augen geführt. Kein noch so guter Zweck kann jedoch die Tötung menschlichen Lebens rechtfertigen. Josef Hollerith (CDU/CSU): Ich werde dem Grup- penantrag „Schutz der Menschenwürde angesichts der biomedizinischen Möglichkeiten“ in der heutigen Bun- destagsabstimmung zustimmen, mich damit gegen jeden Import von Stammzellen, die aus Embryonen gewonnen worden sind, dem Geist des Embryonenschutzgesetzes folgend aussprechen und fordere zugleich eine eindeutige diesbezügliche Klarstellung im Embryonenschutzgesetz. Im Kern der Entscheidung geht es für mich nicht nur um die Frage nach dem bloßen Import embryonaler Stammzellen, sondern darum, ob der Verbrauch dieser embryonalen Stammzellen zu Forschungszwecken grund- sätzlich ethisch vertretbar ist. Mit einer Zulassung des Im- ports auch von Stammzelllinien würde letztendlich eine Grenze überschritten. Die Frage nach einem bestmöglichen Schutz mensch- lichen Lebens lässt sich mit dem Beginn menschlichen Lebens, das heißt mit der Verschmelzung der Ei- und Sa- menzelle zweifelsfrei definieren. Eine verbrauchende Stammzellenforschung mit embryonalen Stammzellen stellt daher für mich einen eindeutigen Eingriff in das be- stehende menschliche Leben dar. Die Freiheit der Forschung muss in einer Rechtsgüter- abwägung gegenüber jedem Recht auf Leben zurückste- hen. Es stellt sich die Frage, ob nicht durch die Forschung an adulten Stammzellen eine gleichwertige wissenschaft- liche Alternative zur Verfügung steht. Der Einwand, dass es sich um bereits existierende em- bryonale Stammzellen handeln würde, die in jedem Fall getötet würden, vermag nicht zu überzeugen. Auch der Import von bestimmten, klar definierten Stammzelllinien birgt das Risiko, dass zu einem späteren Zeitpunkt unter dem Gesichtspunkt wissenschaftlicher Erkenntnisse neue zusätzliche Linien benötigt werden. Gerald Häfner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es geht in der heutigen Debatte zunächst und vordergründig um eine Lücke im Embryonenschutzgesetz. Dabei ist das Gesetz eigentlich klar. Embryonen sind kein beliebiges Material, sondern sind Leben, sind im Werden befindliche Menschen, sind zukünftige Kinder. Sie brauchen daher den größtmöglichen Schutz. Sie tragen ihren Wert in sich und dürfen nicht fremden, anders gerichteten Zwecken ausgeliefert werden. Schon gar nicht dürfen sie zu ande- ren Zwecken als denen ihres eigenen Lebens, ihrer eige- nen freien und ungestörten Entwicklung zu Forschungs- zwecken gezüchtet oder „genutzt“, das heißt zerschnitten, auseinander genommen oder getötet werden. So sehe ich es, und so sieht es auch das Gesetz, bisher jedenfalls. Nur eines hat der damalige Gesetzgeber verabsäumt: neben der Herstellung, Nutzung usw. auch den Import embryonaler Stammzellen zu verbieten. Solche Zellen werden heute vielfach aus Embryonen gewonnen, die aus einem ganz anderen, in meinen Augen in dieser Form ebenfalls höchst fragwürdigen Verfahren, der so genann- ten In-vitro-Fertilisation, hervorgehen – einem Verfahren, in dem zum Zwecke der Zeugung eines Menschen zunächst einmal viele Embryonen außerhalb des Mutter- leibes herangezüchtet werden, um dann, wenn die Nida- tion in einem Fall erfolgreich war, als nicht mehr benötigte Embryonen „verworfen“ oder eben in Gefrier- schränken eingelagert zu werden. Mich veranlasst dieser Tatbestand zu der Konsequenz, als Gesetzgeber ganz dringend auch noch einmal über die gesetzliche Regelung zur In-vitro-Fertilisation nachzudenken. Andere veran- lasst er zu dem Gedanken, diese Embryonen, die ja nun nicht mehr gebraucht würden, bevor man sie sterben lässt – was im Übrigen etwas anderes ist, als sie zu töten! –, doch für andere Zwecke zu nutzen. Dass Import und Nut- zung solcherart gewonnener Zellen nicht vom Embryo- nenschutzgesetz verboten werden, liegt – das kann man anhand des Gesetzes, seiner Begründung und der seiner- zeitigen Gesetzesberatung deutlich zeigen – nicht daran, dass man dies etwa erlauben wollte, sondern daran, dass die Fantasie des damaligen Gesetzgebers schlicht nicht ausreichte, auch diese damals noch nicht bedachte Mög- lichkeit vorauszusehen. Nun aber muss diese Frage entschieden werden – un- weigerlich. Ich will deutlich sagen: Wer dem inländischen Embryo einen anderen Schutz zukommen lassen will als dem ausländischen, wer Herstellung und Nutzung im In- land untersagen, den Import und die Nutzung importierter Stammzellen aber erlauben will, handelt nicht logisch. Ethik und Menschenrechte sind nicht teilbar. Derselbe Schutz, der hiesigen Embryonen als werdendem Leben zu Recht gebührt und die Nutzung von aus diesen gewonne- nen Stammzellen verbietet, muss auch für aus im Ausland gezüchteten Embryonen gewonnene Stammzellen gelten. Alles andere wäre inkonsequent und gefährlich. Doch geht es in dieser Debatte noch um mehr. Sie ist gewissermaßen erst der Auftakt zu vielen weiteren De- batten, die wir noch zu führen, Entscheidungen, die wir noch zu treffen haben werden. Die moderne Wissenschaft und die auf sie gestützte Technik entwickeln zunehmend Verfahren, durch die in die menschliche Verfügbarkeit ge- langt, was bisher aus guten Gründen, wie ich meine, weit jenseits derselben lag. Das will ich nicht beklagen. Im Gegenteil: Es liegt im Wege der Entwicklung des mensch- lichen Geistes und Bewusstseins und es vermehrt und Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 21267 (C) (D) (A) (B) vergrößert unsere Freiheit. Aber zu dieser Freiheit gehört mitnichten, immer alles zu tun, was überhaupt getan wer- den kann. Im Gegenteil: Das wäre gar keine Freiheit. Frei- heit bedeutet vielmehr, bewusste Entscheidungen zu tref- fen, nicht nur Ja, sondern auch Nein zu sagen. Und das ist hier nötig – schon um künftige Freiheit zu erhalten. Denn es geht gerade an diesen Schwellen von Geburt und Tod heute darum, das Wesen des Menschen und seine Freiheit zu verteidigen. Der Mensch – auch der werdende – darf nicht Material, Objekt fremder Zwecke und fremden Nut- zens werden. Er trägt seinen Zweck – und damit die Vo- raussetzung seiner Freiheit – ausschließlich in sich, nicht zum Nutzen für diesen oder jenen Wissenschaftler, diese oder jene Forschung. Mir scheint, wir stehen vor einer wichtigen Weichen- stellung, einer, bei der der Mensch selbst, das, was ihn vor allem anderen ausmacht, auf dem Spiel steht. Deshalb sollten wir diese Debatte mit allergrößtem Ernst führen – und deshalb den Dammbruch, die Grenzüberschreitung, erkennen, die darin läge, wenn wir heute Embryonen den nötigen umfassenden Schutz verweigern und sie zum be- liebigen Material wissenschaftlicher Forschung erklären würden. Bisher haben wir den jeweiligen Menschen so genom- men, wie er ist. Ein großer Kulturfortschritt lag darin, ihn auch so zu akzeptieren, wie er ist, und allen Menschen, unabhängig von Haut- und Haarfarbe, Rasse, Herkunft, Geschlecht, körperlichen oder sonstigen Besonderheiten, gleiche Würde, gleiche Wertigkeit und gleiche Rechte zu- zugestehen. Aufgabe von Ärzten, Politik und Gesell- schaft, Aufgabe von uns allen untereinander war es, dem jeweiligen Individuum zu helfen, seinen individuellen Weg zu gehen, das Beste aus seinen je eigenen Hinder- nissen und Möglichkeiten zu machen, wobei jedes Leben einzigartig ist, kein Weg und kein Leben mehr oder weni- ger gilt als ein anderes. Jetzt, wo wir dies – belehrt auch durch schreckliche Irr- wege und Abstürze in der Vergangenheit – allmählich ge- lernt haben könnten, stehen wir vor dieser Schwelle, das Leben künftig schon vor seinem vollen Eintritt in die phy- sische Existenz, vor dem Geborenwerden, zu manipulie- ren – natürlich, so heißt es, nur zu seinem bzw. unserem Besten. Zu wessen Besten aber? Der Mensch, der sich da inkarnieren will, wird ja gar nicht gefragt, kann sich – noch – nicht äußern. Vielleicht will, vielleicht braucht er seinen eigenen Leib, sein Leben gerade so, wie kluge Ärzte es verhindern wollen. Man argumentiere bitte nicht mit dem Interesse des werdenden Menschen, das keiner kennen kann, falls er nicht von sich behaupten will, er könne schon mit Ungeborenen reden. Nein, es ist das In- teresse der schon Lebenden, der Gesellschaft, das hier für das des werdenden Menschen ausgegeben wird. Und weit mehr und viel öfter noch ist es das Interesse bestimmter Forscher, bestimmter Institute und vor allem bestimmter Firmen, die auf die so entwickelten Verfahren Patent- schutz beantragen und diese wirtschaftlich verwerten wollen. Doch auch dieses angebliche Interesse der Gesellschaft sollten wir hinterfragen. Denn: Wollen wir wirklich eine Gesellschaft aus lauter gesunden Menschen, in der es zum Beispiel Behinderte nicht mehr gibt, weil sie entweder schon vor der Geburt erfolgreich behandelt oder aber, wenn dies nicht ging, verworfen wurden? Vielleicht gehört – wie die Krankheit – ja auch die Behinderung zum Menschen, zum Leben, zur Gesellschaft. Vielleicht ist die Vision eines Lebens ohne das, was wir heute Behinderung nennen, nur scheinbar eine sinnvolle und gutherzige, tatsächlich aber eine der kältesten und schrecklichsten, die es gibt, weil sie den Wert des Menschen, ob sie will oder nicht, unterscheidet – und zwar nach rein biologi- schen Maßstäben, nach Maßstäben, die an dem, was zum Beispiel ich für das Wesentliche des Menschen halte, völ- lig vorbeigehen. Wir leben in einer säkularen Welt. Die – im Übrigen, das sei hier ausdrücklich gesagt, nicht antichristliche, son- dern im Christentum von Anbeginn schon veranlagte – Trennung von Kirche und Staat verwehrt, in dieser Frage eine bestimmte, nicht von allen geteilte, religiöse Über- zeugung zum Ausgangspunkt der Gesetzgebung zu ma- chen. Doch gilt auch dies nach allen Seiten. Denn die Trennung von Religion und Staat heißt keineswegs, dass nun ungeprüft der schiere Utilitarismus an die Stelle tre- ten darf, die zuvor die Religionen zu Recht räumen muss- ten. Gelegentlich habe ich den Eindruck, dass – unaus- gesprochen und oft wohl auch unbewusst – der Materia- lismus die neue Religion unserer Zeit ist und, wenn Sie den Vergleich gestatten, manche weißbekittelten For- scher, aber auch manche Wirtschafts- und Börsengurus ihre Priester. Damit will ich sagen: Die Trennung der Politik von der Religion trennt diese noch nicht von der Moral. Im Ge- genteil! Unsere Moral wird immer stärker gefordert. Jede Entscheidung, die über eine Aktienanlage ebenso wie die über einen ärztlichen Eingriff, hat moralische Implikatio- nen und verlangt eine moralische Entscheidung. Es gibt keine wertfreien Entscheidungen. Die uns dies vorma- chen wollen, sind Lügner und gefährliche Verführer. Doch den Wert finden wir in keiner Glaubensüberlieferung, kei- ner logischen Ableitung und keiner normativen Satzung, sondern in uns. Hier sieht der Blick nach innen mehr und schärfer als der nach außen. Niemand anderem würden wir ein Urteil über unser Lebensrecht, über unseren Le- benswert zugestehen – egal, wer und wie wir sind. Und: Derselbe Wert, dieselbe Würde, dieselbe Einmaligkeit, die uns eignet, eignet jedem anderen menschlichen We- sen. Wert und Würde sind aber keine religiösen, keine phi- losophischen und keine naturwissenschaftlichen Katego- rien, nichts, was sich herleiten, von außen definieren oder gar nach naturwissenschaftlichen Methoden zählen, mes- sen und wägen ließe. Es sind Primärerfahrungen des Menschlichen, die durch äußere Kriterien eher verstellt denn erhellt werden können. Für sie gilt gewissermaßen, was schon der „kleine Prinz“ sagte: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wichtigste ist für die Augen unsichtbar! Lernen wir also auch in dieser Debatte, wieder mehr mit dem Herzen zu denken! Das gilt zumal bei Gesetzen, die ja die Richtschnur für künftiges Handeln Tausender von Menschen in vielleicht Millionen von Fällen sein werden. Wir – als Deutscher Bundestag – sind der Gesetzgeber. Wir wollen und wir sollen heute – als Vertreter unseres Volkes – Recht schöp- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 200221268 (C) (D) (A) (B) fen, Recht gestalten. Das Recht aber ist keine naturwis- senschaftliche, sondere eine rein menschliche Kategorie. Was Recht ist und was nicht, geht aus einer inneren Ab- wägung hervor, die sich nicht aus äußeren Interessen spei- sen lassen darf und auch keine bloße Fortsetzung natur- wissenschaftlicher Überzeugungen ist. Der Mensch ist mehr, weit mehr, als seine biologisch-physikalische, leib- liche Grundlage. Er ist nicht nur die Funktion biochemi- scher Prozesse, sondern ein freies, selbstbestimmtes We- sen. Das scheint mir in vielen Debatten und Beiträgen zu kurz zu kommen. Die Entscheidung über dasjenige, was Recht und Gesetz sein soll, können wir aber nur mit der- jenigen Schicht unseres Wesens fällen, wo wir mehr sind als bloßes physikalisches Material, wo wir ganz frei sind – aber eben auch frei, genau dieses umfassende Bild vom Menschen gegenüber einem zunehmend reduktionisti- schen und utilitaristischen zu verteidigen. Wenn die neuen technischen Möglichkeiten der Nutz- barmachung und Manipulation menschlichen Lebens zum Anlass würden, uns unseres eigentlichen Wesens, unserer Freiheit und Würde und damit auch unserer Verantwor- tung gegenüber der Freiheit und Würde anderer erneut und in aller Deutlichkeit sowie mit aller Konsequenz be- wusst zu werden, dann hätten sie ihr Gutes für die Würde und die Freiheit des Menschen. Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU): Das deutsche Parlament steht am 30. Januar 2002 vor einer außergewöhnlich schwierigen Entscheidung. Nach langer Vorarbeit und sorgfältiger Abwägung wird darüber abge- stimmt, ob embryonale Stammzellen zu Forschungs- zwecken nach Deutschland importiert werden dürfen – eine Entscheidung, die jeden einzelnen Abgeordneten in seinem Gewissen fordert. Die rasanten Entwicklungen im Bereich der Biomedi- zin und die damit verbundenen Fortschritte in der Gen- technologie und der Stammzellenforschung stellen unsere Gesellschaft vor bisher ungeahnte Herausforderungen. Für mich selbst und meine Fraktion im Deutschen Bun- destag können verantwortbare Lösungen und die damit zusammenhängenden ethischen Fragen nur am Maßstab einer grundsätzlichen Wertorientierung gefunden werden. Hierbei geben uns das Grundgesetz ebenso wie das christ- liche Menschenbild eine inhaltliche Orientierung. Die Würde des Menschen ist unantastbar und hat als oberstes Gut Vorrang vor allem. Der Respekt vor dem Leben eines anderen Menschen ist die Grenze, die nicht überschritten werden darf. Dies gilt zu jeder Zeit, am Ende des Lebens genauso wie von seinem Beginn an. Wer den Schutz des menschlichen Le- bens ernst nimmt, der muss die Forschung an Zellen ab- lehnen, die durch die gezielte Tötung von Embryonen ge- wonnen werden. Das Embryonenschutzgesetz hat das Verbot der verbrauchenden Embryonenforschung für Deutschland rechtlich geregelt. Die Lücke im Gesetz, nämlich der Import von entsprechenden embryonalen Stammzellen aus dem Ausland, muss geschlossen wer- den, will man glaubwürdig bleiben. Aus christlicher Sicht erwächst uns jedoch auch eine große Verpflichtung, die durch die medizinische For- schung eröffneten Perspektiven von Hilfe und Heilung für die Menschen zu nutzen. Meine ablehnende Haltung zum Import von embryonalen Stammzellen ist keineswegs wissenschaftsfeindlich. Denn neueste Forschungsergeb- nisse haben gezeigt, dass es durchaus Alternativen zur Grundlagenforschung an embryonalen Stammzellen gibt: Die Forschung mit adulten Stammzellen beziehungsweise mit Stammzellen aus Nabelschnurblut. Deren Gewinnung ist ethisch unbedenklich und muss weiterhin unterstützt werden. Dafür gilt es sich mit Nachdruck einzusetzen. Aus diesem Grund ist das von Baden-Württemberg aufer- legte Förderprogramm zur Forschung an adulten Stamm- zellen in Höhe 7,5 Millionen Euro nur zu begrüßen. Un- ser Ziel muss sein, Stammzellenforscher dabei zu unterstützen, für Schwerkranke gesundes Ersatzgewebe zu gewinnen – ohne Embryonenverbrauch. Dies scheint möglich, da immer mehr Wissenschaftler diese Zellen für wesentlich vielseitiger halten als bislang gedacht. Bei der heutigen Entscheidung muss sich jeder an sei- nem Gewissen orientieren und aus ethischen Überlegun- gen und Abwägungen heraus handeln. Ich unterstütze den eingebrachten Antrag zum „Schutz der Menschenwürde angesichts der biomedizinischen Möglichkeiten – Kein Import von embryonalen Stammzellen“. Dies ist die Stunde des Parlaments. Kirchen, Wissen- schaft und Forschung sowie die politisch Verantwortli- chen bleiben aufgefordert, sich mit unseren Mitbürgerin- nen und Mitbürgern über Grundsatzfragen bezüglich der Würde des Menschen und des Schutzes des Lebens im Lichte revolutionärer Entwicklungen im Bereich der me- dizinischen Forschung noch stärker als bisher miteinan- der und gemeinsam auzutauschen. Dr. Elke Leonhard (SPD): Ich stimme dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach, Katharina Reiche, Peter Hintze, Dr. Wolfgang Gerhardt, Dr. Wolfgang Schäuble, Dr. Edzard Schmidt-Jorzig und anderer „Verantwortungs- bewusste Forschung an embryonalen Stammzellen für eine ethisch hochwertige Medizin“ mit der Einschrän- kung und Bemerkung zu, dass der Forderungskatalog an die Bundesregierung eindeutiger artikuliert wird: zu 1. Der letzte Satz „Eine künstliche Befruchtung al- lein zu Forschungszwecken bleibt weiterhin ausgeschlos- sen“ ist zu schwach formuliert. Strafrechtliche Sank- tionierung im Falle von Missbrauch muss international etabliert werden. zu 3. Muss inhaltlich modifiziert werden. Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Für mich ist die Entscheidung des Deutschen Bundestages über den Im- port von Stammzellen die schwierigste, die ich in meiner Zeit als Abgeordneter zu treffen hatte. Sie ist für mich schwieriger als die neue Regelung des § 218 StGB, weil ich die jetzige Entscheidung als noch grundsätzlicher empfinde. Als Sozialpolitiker gehöre ich nicht zu dem Kreis der Kolleginnen und Kollegen, die ständig mit grundsätzli- chen Fragen des menschlichen Lebens befasst sind. In der täglichen politischen Arbeit stehen für mich die Probleme Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 21269 (C) (D) (A) (B) des Arbeitsmarktes, der Sozialversicherungen, des Aus- gleichs im Sinne sozialer Gerechtigkeit im Vordergrund. In der Frage des Imports von Stammzellen, was mir medizinische Kenntnisse abverlangt, die ich nicht habe, habe ich mich tastend an eine Entscheidung herange- arbeitet. Nach einer sehr überzeugenden Darstellung von Professor Winnacker – seiner ursprünglichen Meinung, dass die Forschung auf embryonale Stammzellen verzich- ten könne und stattdessen adulte Stammzellen ausreichten – war ich in meiner Grundüberzeugung sehr gestärkt und entschieden. Nachdem Professor Winnacker seine Posi- tion geändert hatte, wurde ich zum Fragenden und Su- chenden. Mir war plötzlich klar, dass ich um eine persön- liche Gewissensentscheidung nicht herumkommen würde. Nach Abwägung aller Argumente komme ich zu dem Schluss, dass nur ein konsequentes Ja zum Schutz des menschlichen Lebens infrage kommen kann. Ich habe Respekt vor den Gewissensentscheidungen anderer Kolleginnen und Kollegen, die zu anderen Ergeb- nissen kommen. Auch sie haben sich ihre Antwort sicher nicht leicht gemacht. Aber letztlich stoße ich immer an den Punkt einer Grenzziehung. Wenn ich bestimmte Kon- ditionen einer weitergehenden Lösung des Stammzellen- imports akzeptiere, stellt sich sogleich die Frage, warum ich nicht weitergehende – sicher auch logisch begründ- bare und aus Sicht vieler Kollegen vertretbare – Grenzen akzeptieren sollte. Für mich war das die Erkenntnis, dass – sobald eine Grenze überschritten ist – die nächste Grenze damit auch überschreitbar wird. Und das bestärkt mich in der Auffassung, dass die engste Grenze zu ziehen ist – die des Schutzes des menschlichen Lebens. An meinem persönlichen Positionsfindungsprozess möchte ich dies verdeutlichen. Lange Zeit habe ich den so genannten Böhmer-Seehofer-Antrag favorisiert. Das des- wegen, weil ich geglaubt habe, dass man eine grundsätz- liche Position vertreten kann – nämlich die des Schutzes menschlichen Lebens vom Anfang an – und gleichzeitig akzeptieren kann, dass – weil die Forschung an embryo- nalen Stammzellen in der Welt stattfindet – man den Im- port auch zulassen kann. Die Frage der Tötung stellt sich nicht mehr, die Stammzelllinien bestehen bereits. Sobald ich diese Position aber akzeptiere, stellt sich die Frage, warum dann nicht konsequenterweise ein noch weiterge- hender Import oder gar die Produktion von embryonalen Stammzellen zugelassen werden kann. Meine Erfahrung des Denkens ist diese: Wenn man die erste Tür geöffnet hat, hat man sich schnell auf den Weg des weiteren Türöffnens begeben. Interessanterweise finde ich auch im Antrag der Kolle- ginnen und Kollegen, die die Türe am Weitesten öffnen, eine Grenzziehung, nämlich die der Überprüfung nach fünf Jahren. Also selbst die, die weitestgehende Vorstel- lungen des Imports formuliert haben, sind sich nicht si- cher. Und genau diese fehlende Sicherheit führt mich zu meiner Entscheidung mit der engsten Grenzziehung. Be- grenzungen und die Formulierung von Ausnahmetatbe- ständen werden in der Praxis zur Öffnung weiterer Türen führen. Trotzdem bleiben Zweifel, sich richtig entschieden zu haben. Habe ich die Ethik des Heilens genügend berück- sichtigt? Habe ich die Möglichkeit der Forschung ausge- schlossen, die eventuell zu wichtigen Erkenntnissen führt? Habe ich den Grundsatz der freien Forschung nach dem Grundgesetz genügend berücksichtigt? Diese und weitere Fragen bleiben. Es bleibt aber auch: Weltweit wird die Forschung wei- tergehen, wenn der Bundestag in dieser Frage auch eine konsequende Entscheidung zum Verbot des Imports em- bryonaler Stammzellen mehrheitlich fällt. Was passiert mit Ergebnissen aus dieser Forschung, sind sie dann in Deutschland verboten? Diese Frage ist schwierig zu be- antworten, und heute nehme ich das Risiko in Kauf, sie erst beantworten zu können und auch zu müssen im Zu- sammenhang mit nachweisbaren Heilungschancen, die heute noch spekulativ sind. Detlef Parr (FDP): Das ist schon eine verkehrte Welt. Noch vor wenigen Monaten hieß es bei den Gegnern em- bryonaler Stammzellenforschung vehement: auf keinen Fall das ESchG antasten. Etliche Befürworter sahen da- gegen in einer Weiterentwicklung des mehr als zehn Jahre alten Gesetzes eine Notwendigkeit. Heute, am Tag der Entscheidung, nach intensiven Vorgesprächen über die Fraktionsgrenzen hinweg, plädieren die Gegner für dras- tisch verschärfte gesetzliche Regelungen, die Befürworter stecken zurück und geben sich mit einer Option auf eine eventuelle Fortschreibung des Gesetzes zu einem späte- ren Zeitpunkt zufrieden. Wenn Kompromissbereitschaft und gegenseitiges Verständnis belohnt wird, dürfte das Ergebnis der Abstimmung eigentlich schon feststehen. Wir führen heute eine Diskussion, die unsere europä- ischen Nachbarn längst geführt haben. Wir sind spät dran in Deutschland. Die Enquete-Kommission hat sich bei ihrem Englandbesuch, der Islandreise und in Anhörungen mit internationaler Beteiligung damit auseinander gesetzt, wie dort die ethisch-moralischen und rechtlichen Pro- bleme gelöst worden sind. Erst vor einer Woche haben – zuletzt bei der Anhörung zu PID – Experten aus Europa Stellung bezogen. Viele haben ihre Argumentation nicht verstanden – oder nicht verstehen wollen –, aber – was schlimmer ist – unsere Gäste aus Belgien und Großbri- tannien haben unsere Debatte nicht verstanden. Verständnislosigkeit und die fehlende Bereitschaft, von europäischen Erfahrungen zu lernen und sie in unsere Entscheidungsfindung einzubeziehen, ist aber das, was wir in Europa am wenigsten gebrauchen können. Eines ist wohl klar geworden: Der kardinale Vorwurf einer neuen Form des Kannibalismus, der Barbarei ist wohl nicht die angemessene Form des Umgangs mit Wis- senschaftlern, gerade wenn wir ins Ausland blicken. Bis auf wenige Ausnahmen gewissenloser Forscher, deren Verhalten wir alle gemeinsam auf das Schärfste verurtei- len, sind Apokalypsen nirgendwo Wirklichkeit geworden. Wir brauchen Perspektiven für eine gemeinsame Zu- kunft in Europa und für Deutschland in diesem Europa. Unsere Zukunft liegt nicht in einem Europa der Verbote, sondern in einem freiheitlichen, liberalen Europa. Des- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 200221270 (C) (D) (A) (B) halb bitte ich Sie um Zustimmung zum Gruppenantrag der FDP-Fraktion und großen Teilen der Fraktion der CDU/CSU. Unser Ziel ist klar umschrieben: Stammzellenfor- schung ist auch Gesundheitsforschung. Wir wollen alle vertretbaren Register ziehen, um neue Therapiemöglich- keiten auch bei uns in Deutschland zu sichern. Unsere Forscher dürfen nicht ins Ausland abgedrängt werden; sie verdienen unser aller Vertrauen. Christa Reichard (Dresden) (CDU/CSU):Grundlage für unsere heutige Entscheidung ist die Aussage darüber, welcher der folgenden Werte die höhere Priorität genießt: Ist dies der Schutz der Menschenwürde, der Schutz des Lebens, die Freiheit der Forschung oder die Hoffnung auf Heilung? Mir ist aufgefallen, dass die Kolleginnen und Kollegen aus den neuen Bundesländern überwiegend der For- schungsfreiheit und Heilungshoffnungen den Vorzug geben. Dies entspricht wahrscheinlich auch dem Stim- mungsbild in der Bevölkerung der neuen Länder. Gerade deshalb möchte ich Sie bitten, auch über die Ursachen einer solchen Grundstimmung nachzudenken: Über Jahrzehnte verordneter Atheismus hat das Ver- ständnis von einem christlichen Menschenbild weit- gehend verblassen lassen. Christen sind in der Minder- heit. Die Wissenschaft genießt höchsten Stellenwert. Eine wissenschaftliche Weltanschauung wurde uns 40 Jahre lang vermittelt. Dies blieb nicht ohne Folgen. Die Debatte über die ethischen Grundlagen für eine Forschung mit mensch- lichen Embryonen kann von vielen bei uns kaum nach- vollzogen werden. Sind wir mit dieser Haltung wirklich der fortschritt- lichere Teil unseres Landes? Ich finde mich mit meiner Position, die dem Schutz des Lebens und der Achtung der Menschenwürde höchste Pri- orität einräumt, in einer Minderheitsposition in meinem Dresdner Wahlkreis. Gerade deshalb ist es wichtig für mich, heute zu diesem Thema stellvertretend für eine überzeugte Anzahl von Christen aus den neuen Ländern zu sprechen, die mich in meiner Haltung unterstützen und bestärken. Ich werbe für ein klares und eindeutiges Ja zur Men- schenwürde von Anfang an und gegen den Import em- bryonaler Stammzellen. Dr. Norbert Röttgen (CDU/CSU): Die Entscheidung, die Forschung an embryonalen Stammzellen zu befür- worten, ist das Ergebnis einer Abwägung höchster Ver- fassungsgüter unseres Gemeinwesens. Die befruchtete Eizelle besitzt – unabhängig davon, ob sie innerhalb oder außerhalb des Mutterleibes existiert – die Fähigkeit, sich zu einem Menschen zu entwickeln. Aufgrund dieser Fähigkeit kommt der befruchteten menschlichen Eizelle Würde zu, die den Staat nach Art. 1 des Grundgesetzes zu ihrem Schutz verpflichtet. Anders als bei natürlich be- fruchteten Eizellen, von denen sich allerdings auch nur etwa jede vierte in die Gebärmutter einnistet und so zum Leben kommt, entscheidet bei der künstlich befruchteten Eizelle die Einpflanzung in die Gebärmutter darüber, ob sie sich zu einem Menschen entwickelt. Kommt es nicht zur Einpflanzung, hat die Eizelle keine Lebensperspek- tive. In diesem Fall darf und soll der Staat sich im Rah- men der Abwägung zu Gunsten eines anderen höchsten Verfassungsgutes, nämlich der medizinischen Forschung, um langfristig eine Heilungschance für schwerste Krank- heiten zu eröffnen, entscheiden. Der Gesetzgeber ist auf- gefordert, Regelungen zu schaffen, die die Einhaltung der durch diese Abwägung höchster Verfassungsgüter gezo- genen Grenzen sicherstellen. Albert Schmidt (Hitzhofen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Folgende Gründe haben mich bewogen, in der heutigen Abstimmung gegen eine Importgenehmi- gung für embryonale Stammzellen zu entscheiden: Erstens. Ich verkenne nicht, dass sich mit der For- schung an embryonalen Stammzellen Hoffnungen auf Möglichkeiten der Krankheitsheilung verbinden. Diese Hoffnungen beziehen sich vor allem auf die Fähigkeit em- bryonaler Stammzellen, sich theoretisch zu jedem belie- bigen menschlichen Gewebe weiterentwickeln zu kön- nen. Ein solches Forschungsinteresse halte ich für berechtigt und zulässig, sofern an adulten Stammzellen geforscht wird, die von Erwachsenen gewonnen wurden, oder an fötalen Stammzellen, die aus der Nabelschnur ge- wonnen werden. Stammzellen aus einem werdenden Em- bryo jedoch werden einem menschlichen Wesen in sei- nem frühesten Stadium entnommen, das infolge dieses Eingriffs abstirbt. Dies ist ein Eingriff, der sich nach mei- ner Überzeugung ethisch nicht rechtfertigen lässt. Es gibt ein Grundrecht auf die Unversehrtheit menschlichen Le- bens, nicht jedoch ein Menschenrecht auf Forschung, das demgegenüber höher zu bewerten wäre. Ich halte es nicht für zulässig, zur Rettung von Leben bzw. zur Heilung von Krankheiten anderes menschliches Lebenspotenzial zu benutzen und dabei zu vernichten. Zweitens. Mit der Forschung an embryonalen Stamm- zellen wird ein ethischer Rubikon überschritten. Für mich ist der Import embryonaler Stammzellen aus dem Ausland ethisch nicht anders zu bewerten als die Forschung an em- bryonalen Stammzellen aus Deutschland. Ich habe sogar die Befürchtung, dass durch die – wenn auch begrenzte Ge- nehmigung des Imports embryonaler Stammzellen – die „Nachfrage“ im Ausland angeregt wird und damit letztlich ein Markt eröffnet wird, auf dem sich Geld verdienen lässt. Eine Haltung nach dem Muster: „Wir produzieren keine embryonalen Stammzellen zu Forschungszwecken, wir im- portieren sie nur“ ist für mich ethisch nicht begründbar und weicht der Entscheidung letztlich aus. Drittens. Es spricht viel dafür, dass die Forschung mit adulten Stammzellen bzw. Stammzellen aus Nabel- schnurgewebe ein umfassenderes Potenzial ermöglichten als oft behauptet. Von daher sollte in der Forschung primär dieser Weg intensiviert und ausgelotet werden, an- statt die Vernutzung embryonaler Stammzellen in Erwä- gung zu ziehen. Viertens. Das ethische Kernproblem besteht für mich darin: Die verbrauchende Vernutzung menschlichen Le- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 21271 (C) (D) (A) (B) bens zur Heilung anderen menschlichen Lebens birgt die Gefahr einer schleichenden Werteveränderung im Bewusst- sein der Menschen. Insgesamt wäre für mich der Import embryonaler Stammzellen zum Zwecke der Forschung ein Schritt, der ein grundlegendes Missverständnis gegenüber der gesam- ten Schöpfung und gegenüber dem Menschen als Ge- schöpf weiter befördert. Ein solcher Schritt vebindet sich für mich mit der verhängnisvollen Absolutsetzung einer vermeintlichen Verfügbarkeit menschlichen Lebens für noch so gute oder gut gemeinte Zwecke. Ich bin demge- genüber der Auffassung, dass wir hier in aller Demut die Grenzen dessen, was wir tun sollen und tun dürfen aner- kennen sollten, anstatt sie auf ein Territorium hinaus zu schieben, auf dem wir uns nicht wirklich verantwortlich bewegen können. Dr. Erika Schuchardt (CDU/CSU): Ich fühle mich zu dieser persönlichen Erklärung gedrängt, weil der vorlie- gende Antrag von Frau Böhmer, Frau von Renesse und an- deren meines Erachtens ein ethisches Dilemma beinhaltet, ein Messen mit zweierlei Maß. Wir haben vor, von im Aus- land getöteten Embryonen zu profitieren, um jede Tötung auf deutschem Boden zu vermeiden. Können Insider dabei übersehen, dass auch hier bei uns bei jeder In-vitro-Ferti- lisation überzählige Embryonen anfallen, die eingefroren im Eis nach circa fünfjähriger Verwahrdauer nicht mehr lebensfähig sind und entsorgt, das heißt verbrannt oder weggespült werden? Ist das de facto keine Tötung? Wenn ich dem Antrag von Frau Böhmer, Frau von Renesse und anderen, dem Antrag „Importieren, aber nicht herstellen“, als einem meines Erachtens logisch nicht stimmigen Kompromiss, einem Ergebnis einer lang geführten kontroversen Diskussion im Rahmen unserer demokratischen Kultur aus Achtung vor der jeweils ande- ren Position, jetzt dennoch zustimme, so in der Hoffnung, dass wir durch eine weitergehende Diskussion in Deutschland zu einer bedingten Zulassung von Forschung an embryonalen Stammzellen aus Deutschland finden werden. Ich denke dabei an eine gesetzlich geregelte El- tern-Patienten-Verfügung über anfallende überzählige Embryonen als mögliche Spende für heilende Forschung, die vor Beginn einer In-vitro-Fertilsation-Behandlung zu treffen ist. Dazu im Folgenden meine Ausführungen, die bereits unter dem Titel „Politik des Lebens“ in der „Dokumenta- tion der Diskussion um die Chancen und Risiken der Bio- und Gentechnologie in der CDU/CSU-Bundestagsfrak- tion“, Berlin 2001, S. 44 ff., vorgelegt wurden: Zur Dis- kussion in Europa und im bioethischen Kontext: Das, was ich beitragen und anregen möchte, hat mit jeder Anhörung an Gewicht gewonnen. Das wurde mir besonders deut- lich, als ich in der jüngsten Vergangenheit die Gelegenheit hatte, in Brüssel unsere Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ zu vertreten. Der Round- Table war von dem nicht ständigen Ausschuss Humange- netik des Europäischen Parlaments einberufen, um die Chance zu eröffnen, darüber nachzudenken, wie denn die gegenwärtige Konfrontation im Dialog mit allen Reprä- sentanten aufgehoben werden könne. Ich möchte dazu vorausschicken, dass es für mich in Brüssel beein- druckend war, die Irritation darüber zu erleben, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland dem Menschen- rechtsübereinkommen zur Biomedizin bis heute noch kei- nen Raum in unserer parlamentarischen Diskussion gege- ben haben. Sie erinnern sich vielleicht: Es liegt anderthalb Jahre zurück, dass ich mich mit einem interfraktionellen Antrag, unterstützt von Frau von Renesse, SPD, und Herrn Schmidt-Jortzig, FDP, für eine Interpretationser- klärung zum umstrittenen § 17 und sodann für eine An- nahme des Europäischen Menschenrechtsübereinkom- mens zur Biomedizin – übrigens noch vor Einberufung unserer Enquete-Kommission – eingesetzt habe. Bevor ich meinen Vorschlag im Einzelnen darlege, er- lauben Sie mir bitte eine Vorbemerkung. Ich möchte an die Bundestagsdebatte in der 13. Legislaturperiode über die Organtransplantation erinnern. Damals verwies ich auf die Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland, EKD: „Gott ist ein Freund des Lebens“. Sie wurde als ge- meinsame Erklärung mit der Katholischen Bischofskonfe- renz zur Grundlage der Gesetzgebung des Deutschen Bun- destages für die Regelung von Organspenden. Den Kirchen folgend war der Grundgedanke: „Gott ist ein Freund des Lebens“, er schenkt uns daher auch die Freiheit zu autonomen Entscheidungen, in diesem Zusammenhang zur Bejahung wie zur Ablehnung von Organspenden. Das wollte ich vorausschicken, wohl wissend, dass Or- gantransplantation und embryonale Stammzellenfor- schung, ES-Forschung, nur bedingt miteinander vergli- chen werden können. Dennoch komme ich zu der Überlegung, ob es nicht vereinbar wäre, das Recht, auto- nom zu verfügen, auf neu zu schaffender Rechtsgrundlage auf die Stammzellenforschung zu übertragen und damit die Möglichkeit zu erweitern, zur „heilenden Forschung“ durch eigene Entscheidungen beizutragen. Zur Eltern-Patienten-Verfügung. Mein Vorschlag ist der Folgende: die gesetzliche Regelung einer Eltern-Patien- ten-Verfügung über so genannte „verwaiste“ Embryonen. Sie wissen es alle: Mit der grenzüberschreitenden medizi- nischen Entdeckung der In-vitro-Fertilisation hat sich für die unfreiwillig kinderlosen Paare – circa 20 Prozent, 1,2 bis 1,6 Millionen – ein Wunschtraum verwirklicht. Zunächst in Deutschland verboten, desto nachhaltiger im Ausland praktiziert, von der katholischen Kirche uneinge- schränkt untersagt, von der Evangelischen Kirche nur im bedenkenvollen „JEIN“ akzeptiert, hat sich in unserer Ge- sellschaft fast verschwiegen der ursprüngliche „Wunsch“ nach einem Kind in ein anspruchsvolles „Recht“ auf ein Kind – darüber hinaus unausgesprochen mehr oder weni- ger unbewusst auf ein „gesundes“ Kind – verwandelt. Diese Konstellation mit ihren ethischen Konsequen- zen wird in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen und ist überhaupt noch nicht diskutiert worden. Sie blieb weitgehend ein Tabuthema. Trotzdem stieg die Anzahl der In-vitro-Fertilsation in der Bundesrepublik Deutsch- land im Durchschnitt auf 70 000 pro Jahr, installierte sich das In-vitro-Fertilsation-Register, stagniert die Erfolgs- quote der In-vitro-Fertilsation bei circa 25 Prozent, bleibt es beim leidvollen leisen Ertragen der Prozedur und beim Verschweigen der dabei anfallenden überschüssigen so genannten „verwaisten“ Embryonen. Diese ausgesparte Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 200221272 (C) (D) (A) (B) Diskussion können wir jetzt nachholen. Mir liegt nun da- ran, dass wir nicht einfach nur irgendeine praktische ge- setzliche Regelung schaffen, sondern dass wir zugleich im Sinne der Subsidiarität Eigenverantwortlichkeit der Betroffenen in den Vordergrund stellen, selbstverständ- lich im Rahmen rechtlicher Grundlagen. Konkrete Schritte sind: Nach der medizinischen Auf- klärung über möglicherweise anfallende überzählige Em- bryonen muss bei den Eltern ein Prozess des Bewusst- werdens in Gang gesetzt werden, damit sie sich ihrer Verantwortung für diese so genannten „verwaisten“ Em- bryonen stellen können, indem sie vor Durchführung der In-vitro-Fertilsation durch eine Verfügung über den Ver- bleib von Embryonen entscheiden, deren Transfer aus gravierenden Gründen unterbleiben muss. Sollen sie „ihrem Schicksal überlassen bleiben“, durch Verbrennen, durch Wegspülen entsorgt werden? Sollen sie zur späteren Verwendung eingefroren werden? Oder anknüpfend an die EKD-Denkschrift „Gott ist ein Freund des Lebens“ könnte es die Möglichkeit geben, sie zu spenden, sie zu verschenken, um eine embryonale Stammzellenforschung in der Hoffnung auf therapeutische Erfolge bei heute noch unheilbaren Krankheiten zu ermöglichen. Zusammenfassend meine ich, man könnte mit meinem Vorschlag, erstens die bislang ausgebliebene öffentliche Diskussion um die medizinisch, rechtlich-ethische Di- mension der In-vitro-Fertilisation nachholen, würde zweitens damit die Eigenverantwortlichkeit der Eltern zum entscheidenden Maßstab machen und sie in den Mit- telpunkt rücken, würde drittens den Lösungsweg einer be- dingten Zustimmung einer Embryonenspende gesetzlich verankern und damit viertens eine Brücke zwischen bei- den Positionen – für oder gegen embryonale Stamm- zellenforschung – bauen. Ein Weg, dies zu ermöglichen, könnte wie erwähnt, sein, eine „Eltern-Patienten-Verfügung“ – Patient ist ja per definitionem jeder, der eine Einrichtung des Gesund- heitswesens in Anspruch nimmt – über so genannte „ver- waiste“ Embryonen, die im Vorfeld einer geplanten In- vitro-Fertilisation von der Frau/dem Paar schriftlich niedergelegt werden muss, gesetzlich vorzuschreiben. Darin begründet sich meines Erachtens die Analogie zur „erweiterten Zustimmung“ zur Organspende im Trans- plantationsgesetz, TPG. Eine Vorgehensweise mit solcher Zielsetzung dürfte eher mit ethischen Grundsätzen ver- einbar sein als die derzeitig gültige rechtliche Praxis des Schwangerschaftsabbruchs im Anschluss an eine Bera- tung nach § 218. Johannes Singhammer (CDU/CSU): Ich werde dem Gruppenantrag „Kein Import embryonaler Stamm- zellen“ (Drucksache 14/8101) in der heutigen Bundes- tagsabstimmung zustimmen und mich damit gegen jeden Import von Stammzellen, die aus Embryonen gewonnen worden sind, dem Geiste des Embryonenschutzgesetzes folgend, aussprechen. Zugleich fordere ich eine eindeu- tige diesbezügliche Klarstellung im Embryonenschutzge- setz. Im Kern der Entscheidung geht es für mich nicht nur um die Frage nach dem bloßen Import embryonaler Stammzellen, sondern darum, ob der Verbrauch dieser embryonalen Stammzellen zu Forschungszwecken grundsätzlich ethisch vertretbar ist. Mit einer Zulassung des Imports auch von Stammzelllinien würde letztendlich eine Grenze überschritten. Die Frage nach einem bestmöglichen Schutz mensch- lichen Lebens lässt sich mit dem Beginn des menschli- chen Lebens, das heißt mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle, zweifelsfrei definieren. Eine verbrau- chende Stammzellenforschung mit embryonalen Stamm- zellen stellt daher für mich einen eindeutigen Eingriff in das bestehende menschliche Leben dar. Die Freiheit der Forschung muss in einer Rechtsgüter- abwägung gegenüber jedem Recht auf Leben zurückste- hen. Ob mit embryonaler Stammzellenforschung letzt- endlich eine Rettung von Leben Dritter, zum Beispiel unheilbar Kranker, möglich ist, ist völlig offen. Eine bloße eventuelle Chance auf eine Heilung muss gegenüber der unweigerlichen konkreten Tötung des ungeborenen Le- bens in einer solchen Abwägung eindeutig zurückstehen. Es stellt sich die Frage, ob nicht durch die Forschung an adulten Stammzellen eine gleichwertige wissenschaftli- che Alternative zur Verfügung steht. Der Einwand, dass es sich um bereits existierende em- bryonale Stammzellen handele, die in jedem Falle getötet würden, vermag nicht zu überzeugen. Auch der Import von bestimmten, klar definierten Stammzelllinien birgt das Risiko, dass zu einem späteren Zeitpunkt unter dem Gesichtspunkt wissenschaftlicher Erkenntnisse neue zu- sätzliche Linien benötigt werden. Hinzu kommt, dass auch die Stammzelllinien, aus denen zu keinem Zeitpunkt mehr menschliches Leben entstehen kann, dennoch be- makelt sind; denn die Art der Entstehung kann nicht be- billigt werden. Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Die ganze Debatte hat etwas Gespenstisches. Wir debat- tieren darüber, ob außerhalb des Mutterleibes künstlich befruchtete Eizellen zur Forschung genutzt werden kön- nen, wobei sie in der Regel „abgetötet“ werden müssen, und erlauben uns straflos die Tötung ungeborenen Lebens im Mutterleib bis zum dritten Monat. Die Präimplantationsdiagnostik – die heute nur in- direkt anzusprechen ist – ist plötzlich auch für diejenigen eine Gewissensfrage, die für ein Gesetz gestimmt haben, das Schlimmeres erlaubt. Dieses ungeborene Leben kann nach der Implantation in den Mutterleib wie selbst- verständlich auf Krankheiten, drohende körperliche und geistige Behinderungen untersucht werden. Für mich ist es ungeheuerlich und verwerflich, dass dieses ungeborene Leben, wenn sich dann solche Behinderungen zeigen oder drohen – sozusagen „bis kurz vor dem Kreißsaal“ –, getö- tet werden kann. In diese deutsche Realität passt die angeblich so ernste und „ethisch wertvolle“ Diskussion über die embryonale Stammzellenforschung nicht. Die Mogelpackung mit be- schränktem oder unbeschränktem Import ausländischer Embryonen zur Forschung in Deutschland halte ich für „bedenklich“. Sind ausländische Embryonen weniger Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 21273 (C) (D) (A) (B) „Mensch“ oder weniger „wert“, gerade auch, weil viel von den Importen aus Israel gesprochen wird? Wer daher embryonale Stammzellenforschung will – und ich be- streite nicht, dass es dafür Gründe gibt –, kann diese nicht auf ausländische Embryonen oder embryonale Stamm- zellen beschränken. Bisher konnte mich niemand nachhaltig davon über- zeugen, dass die adulte Stammzellenforschung nicht auch für die Erforschung und Bekämpfung von schlimmen oder bisher unheilbaren Krankheiten ausreicht, wenn man sie denn forciert. Ich mache mir auch keine Illusionen da- rüber, dass die embryonale Stammzellenforschung im Ausland und irgendwann auch einmal im Inland durch- geführt wird. Um ein Zeichen gegen Abtreibung und Tö- tung ungeborenen Lebens im Mutterleib und außerhalb des Mutterleibes zu setzen, werde ich keinem Gesetz zu- stimmen, das die Vernichtung menschlichen Lebens, auch ungeborenen menschlichen Lebens, zur Forschung er- laubt, weil wir irgendwo auch noch Grenzen gegenüber der Schöpfung einhalten müssen. Angelika Volquartz (CDU/CSU): Mit der Zustim- mung zu diesem Antrag will ich – trotz Bedenken – sicherstellen, dass bei der Abstimmung eine Mehrheit für die Forschung zunächst mit importierten embryonalen Stammzellen zustande kommt. Meine Bedenken beziehen sich in erster Linie darauf, dass es völlig überflüssig ist, dass der Gesetzgeber schon heute auf der Grundlage von Spekulationen über den künftigen Forschungsbedarf den Verbrauch weiterer Embryonen zur Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen ausschließt. Denn heute weiß niemand, ob eines Tages aus überzähligen Embryonen auch in Deutschland Stammzelllinien benötigt werden, weil die vorhandenen Stammzelllinien nach Menge und Qualität für den weltweiten Bedarf von Forschungsinsti- tuten nicht ausreichen. Der Präsident der Deutschen For- schungsgemeinschaft hat bestätigt, dass es hier zurzeit keinen Entscheidungsbedarf gibt. Ferner habe ich Zweifel, ob das Gesetz, das den Import unter Auflagen im Detail regeln soll, im Eilverfahren Bundestag und Bundesrat passieren kann. Deshalb hätte in dem Antrag klargestellt werden sollen, dass der Deut- sche Bundestag keine Bedenken gegen den Import und den Beginn der Forschungsarbeiten nach seinem Be- schluss und noch vor In-Kraft-Treten des Gesetzes erhebt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hätte durch Aufla- gen und Kontrollen vorübergehend selbst sicherstellen können, dass die absehbaren Auflagen einer künftigen ge- setzlichen Neuregelung beachtet werden. Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU):Auf der ei- nen Seite steht eine abstrakte Vision – erfolgreiche The- rapien für schwerste Krankheiten. Auf der anderen Seite aber steht der Preis für diese ferne Vision – der Entzug des Lebensrechts für Embryonen, ungeborene Menschen. Man sollte sich nicht täuschen: Es geht heute um Grundsätzliches. Und man kann sich nicht mit so genann- ten Kompromissen durchschlängeln. Wer den Import von Stammzellen von getöteten menschlichen Embryonen, mit welchen Auflagen auch immer, zulässt, trifft damit eine unumkehrbare Entscheidung gegen den Schutz menschlichen Lebens. Bald schon nämlich werden For- scher neue Zelllinien fordern, wenn bestehende nicht genügend Erkenntnisse liefern. Das große Experiment mit dem Menschen als Versuchstier hätte begonnen. Doch ist dieser schwerwiegende ethische Sündenfall aus wissenschaftlicher Sicht zwingend notwendig, ist er überhaupt sinnvoll? Immer mehr Forscher weisen uns da- rauf hin, dass embryonale Stammzellen erhebliche Nach- teile in ihrer möglichen therapeutischen Nutzbarkeit haben. Genannt werden vor allem die Gefahr der Immun- abstoßung und Krebsrisiken. Und: Offenbar benötigte man nach heutigen Erkenntnissen circa 3 000 verschie- dene Zelllinien embryonaler Stammzellen, um alle Im- muntypen in der Bevölkerung mit passendem Gewebe zu versorgen. Daher interessieren sich immer mehr Forscher für die Erforschung des Grundprinzips: Was macht das Potenzial einer Zelle aus, sich zu erneuern und alle Ge- webetypen des Körpers zu bilden? Welche Rolle spielen dabei Gene und Proteine? Dieses Wissen, für das keine verbrauchende Embryonenforschung am Menschen not- wendig ist, könnte dann auf adulte Stammzellen übertra- gen werden. Schon heute wissen wir, dass auch im er- wachsenen Körper hochpotente Zellen lagern, die embryonalen Stammzellen gar nicht so unähnlich sind. Manche Forscher sprechen von einem Siegeszug der adulten Stammzellenforschung. Es zeigt sich, es gibt keinen wissenschaftlichen Automa- tismus, der uns in die verbrauchende Embryonenforschung treibt und zwingt. Es gibt deshalb auch keinen ethischen Zwang dazu, nicht einmal ein unauflösliches ethisches Di- lemma, weil es gleichwertige Alternativen zur verbrauchen- den Embryonenforschung gibt. Nicht das erste Mal in der Geschichte steht die Gesellschaft vor der Frage, zwischen dem Lebensrecht des Menschen und anderen Rechtsgütern abzuwägen. Die Antwort ist klar: Das menschliche Lebens- recht steht über dem – nennen wir es einmal so – „Recht auf Forschung mit dem Ziel der Heilung“. Gegen die For- schungsfreiheit verstößt ein Nein gegen Stammzellenfor- schung aus menschlichen Embryonen nicht. Forschung, die dem Schutz und der Förderung menschlicher Integrität, die der verfassungsgründenden Ehrfurcht vor dem Leben gilt, wird dadurch nicht behindert. Sie wird im Gegenteil nach- drücklich gefördert. Zu allen Zeiten, angefangen vom hip- pokratischen Eid, hat Forschung innerhalb normativ gezo- gener Grenzen stattgefunden. Das muss auch so bleiben. Das Diktum von Hans Jonas, dass Wissenschaft nicht alles darf, was sie kann, darf doch nicht zur zahnlosen Floskel für Sonntagsreden verkommen. Nein, genau heute muss es An- wendung finden! Lassen sie uns nicht vergessen, es geht um das Ver- suchstier Mensch. Ein Embryo ist nicht ein werdender Mensch, er ist ein Mensch im Werden, also Mensch von Beginn an. Die Frage nach dem Zeitpunkt, wann Leben beginnt, lässt sich in verantwortlichem Respekt vor dem Erkenntnisstand der Wissenschaft nicht einfach durch eine beliebige Übereinkunft festlegen. Mit der Konstitu- tion eines neuen Genoms, die durch die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle erfolgt, ist das vollständige Ent- wicklungspotenzial des neuen Menschen gegeben. Für uns selbst, für unsere heutige Existenz fordern wir An- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 200221274 (C) (D) (A) (B) erkennung als moralische Subjekte und Träger unver- äußerlicher Menschenrechte. Diese Anerkennung müssen wir dann auch jenen zuteil werden lassen, die sich heute in der schutzlosen embryonalen Lebensphase befinden, in der wir Schutz, Hilfe und Förderung erfahren haben. Man hört schon mal das Argument, der extrakorporale Embryo sei noch nicht allein lebensfähig und könne sein Potenzial nur im Austausch mit dem Organismus der Mutter entfal- ten. Dieses Argument steht schon deshalb auf tönernen Füßen, weil der Embryo in diese prekäre Situation, sich außerhalb des Mutterleibes zu befinden, durch willentli- ches und daher rechtfertigungsbedürftiges menschliches Handeln gebracht worden ist. Aber auch in einer späteren Lebensphase, als Säugling, braucht der Mensch den en- gen Hautkontakt, die Nahrung und die Wärme des müt- terlichen Organismus. Wer also mit der mangelnden eige- nen Lebensfähigkeit des Embryos vor der Einnistung im Mutterleib ein abgestuftes Schutzkonzept begründen möchte, begibt sich auf argumentatives Glatteis. Menschen sind in jeder Lebensphase – mal mehr, mal weniger – auf fremde Hilfe angewiesen, etwa im Alter auf lebensret- tende Medikamente. Heute haben wir die Möglichkeit, ein eindrucksvolles Bekenntnis zum Menschenrecht auf Leben abzulegen. Ein klares Nein zum Import menschlicher embryonaler Stamm- zellen bedeutet klares Ja zur Menschenwürde. Dieses Be- kenntnis bedeutet wirklichen gesellschaftlichen Fortschritt. Deshalb stimme ich für den Antrag der Abgeordneten Wodarg, Kues und anderer, den Import menschlicher em- bryonaler Stammzellen ohne Ausnahme zu verbieten. Wolfgang Zöller (CDU/CSU):Die Entscheidung, wie wir mit der Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen umgehen, wird die Welt mehr verändern als die Ereignisse am 11. September 2001. Deshalb sollten wir uns genügend Zeit nehmen und die Gelegenheit nut- zen, um eine Werte- und Grundsatzdiskussion zu führen. Die Frage, wie wir mit dem Thema Stammzellen- forschung umgehen sollen, scheint unsere Gesellschaft in zwei Gruppen zu trennen. Auf der einen Seite diejenigen, die den Eindruck vermitteln, dass viele Gesundheits- probleme ausschließlich mit der Stammzellenforschung gelöst werden können, und auf der anderen Seite diejeni- gen, die einen weiteren Dammbruch in der Ethik befürch- ten. Ich will versuchen, anhand von Argumenten meine Entscheidung, den Import von Stammzellen abzulehnen, zu begründen. Erstens. Der Import von Stammzellen wird dem unein- geschränkten Schutz der Menschenwürde nicht gerecht. Die Gewinnung von Stammzelllinien setzt die Tötung menschlicher Embryonen voraus. Durch die Zulassung des Imports würde mittelbar auch die Art ihrer Gewin- nung gebilligt. Der Import von Stammzellen, die aus menschlichen Embryonen gewonnen wurden, ist mit der Position, dass dem menschlichen Embryo von Anfang an Menschenwürde zukommt, nicht vereinbar. Wir brauchen ein klares Wertekonzept, das sich in unserem Grundge- setz – Art. 1: „Die Würde das Menschen ist unantastbar“ und Art. 2: „Jeder hat das Recht auf Leben“ – widerspie- gelt. Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich eindeu- tig geäußert: „Die von Anfang an im menschlichen Sein angelegten potenziellen Fähigkeiten genügen, um die Menschenwürde zu begründen.“ Zweitens. Das Argument, man könne den Import von Stammzellen genehmigen, da bereits mit der Abtreibungs- regelung der erste Dammbruch vollzogen worden sei, ist nicht konsequent. Wir können diese falsche Regelung zur- zeit noch nicht zurücknehmen. Aber wir können daraus lernen, bevor wir den nächsten Dammbruch beschließen. Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil die Politik beauftragt, laufend zu überprüfen, ob menschliches Leben ausreichend geschützt wird. Drittens. Brauchen wir unbedingt menschliche em- bryonale Stammzellen? Die bisher von wissenschaftlicher Seite gemachten Heilungsversprechen – die Heilungen würden ausschließlich mittels Stammzellenforschung erzielt – können nicht mehr aufrechterhalten werden. Professor Stark von der Universität Freiburg erklärte: „Adulte Stammzellen sind im Vergleich zu den embryo- nalen Stammzellen sogar die aussichtsreichere Alter- native“. Sie seien verträglicher und könnten nicht zu Krebszellen entarten. „Aus praktischer Sicht können wir auf embryonale Stammzellen verzichten.“ Viertens. Zum Forschungsstandort Deutschland: Die Forschung muss auch Grenzen akzeptieren im Interesse der Menschheit. Bei Transplantationen mit embryonalen Stammzellen kommt es zu ganz normalen Abstoßreak- tionen. Um dies zu verhindern, befürchte ich den nächsten Schritt der Wissenschaft: das therapeutische Klonen. Auch dies könnte dann medizinisch begründet werden. Bei Im- portfreigabe befürchte ich, dass eher ein geklontes Men- schenkind zur Welt kommt, als dass dem ersten MS-Kran- ken durch embryonale Stammzellen geholfen werden kann. Als wir das erfreulicherweise strenge Embryonen- schutzgesetz verabschiedeten, wurde uns gesagt, das würde dem Forschungsstandort Deutschland schaden. Heute können wir erfreut feststellen, dass wir trotz des strengen Embryonenschutzgesetzes eine Spitzenstellung erreicht haben. Angesichts der unvorhergesehenen Fort- schritte der Forschung mit den ethisch unbedenklichen adulten Stammzellen und anderen Alternativen ist es sinn- voll, diese Forschung besonders zu fördern. Dies könnte letztendlich zu wirtschaftlichen Standortvorteilen für Deutschland führen. Fünftens. „Wenn wir es nicht machen, machen es die anderen.“ – Natürlich lassen sich Forschungsergebnisse in unserer globalisierten Welt nicht geheim halten. Aber dies ist für mich kein Grund, jegliche Art der Forschung zu akzeptieren. Forschungsergebnisse aus Deutschland mit so genanntem lebensunwerten Leben wurden auch be- kannt, ohne dass die Nachbarstaaten diese grausame Art der „Forschung“ erlaubt bzw. übernommen hätten. Muss es nicht unser oberstes Ziel sein, Forschung, die gegen Menschenwürde verstößt, in der EU und mit allem Nach- druck auch weltweit zu ächten? Nicht wir sollten täglich Wertmaßstäbe aufgeben, nur weil es andere tun, sondern uns dafür einsetzen, dass zumindest Kernwertvorstelllun- gen in Europa und in der Welt akzeptiert werden. Dazu muss dieses Thema aber endlich auf die Tagesordnung der Weltpolitik. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 214. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002 21275 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1421400000
Guten Tag, liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

Ich bitte Sie, sich zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich)


Ich habe die traurige Pflicht, Ihnen bekannt zu geben, dass
die von uns allen geschätzte Kollegin Frau Kristin Heyne
heute Vormittag im Alter von 49 Jahren verstorben ist.

Frau Heyne war von Beruf Lehrerin und übte Tätig-
keiten in der Krankenpflege und der Erwachsenenausbil-
dung aus. Dem Deutschen Bundestag gehörte sie seit
1994 an. Seit Oktober 1998 war sie Erste Parlamenta-
rische Geschäftsführerin der Fraktion des Bündnisses 90/
Die Grünen.

Wir haben Frau Heyne in ihrer ruhigen, aber festen und
zugleich verbindlichen und sehr freundlichen Art im Ple-
num, im Ältestenrat und in den Kommissionen erlebt. Ihre
schwere Krankheit war vielen von uns bekannt. Sie hat sie
mit Hoffnung und bewunderungswürdiger Kraft getra-
gen. Wir trauern um die Verstorbene und werden ihr An-
denken in Ehren halten. Mein Beileid gilt insbesondere
der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.

Sie haben sich zu Ehren der Verstorbenen erhoben; ich
danke Ihnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute feiert die Kol-
legin Erika Reinhardt ihren 70. Geburtstag. Ich gratu-
liere ihr im Namen des ganzen Hauses sehr herzlich und
wünsche ihr alles Gute.


(Beifall)

Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige

Tagesordnung um die Ihnen in der Zusatzpunktliste vor-
liegenden Punkte zu erweitern:

ZP 1 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Wolfgang Wodarg,
Dr. Hermann Kues, Monika Knoche, Jochen Borchert,
Wolfgang Thierse, Ilse Falk, René Röspel, Georg Brunnhuber,
Christel Riemann-Hanewinckel, Christa Nickels und weiterer
Abgeordneter
Schutz derMenschenwürde angesichts der biomedizinischen
Möglichkeiten – Kein Import embryonaler Stammzellen
– Drucksache 14/8101 –

ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Maria Böhmer,
Margot von Renesse, Andrea Fischer (Berlin), Horst Seehofer,
Hildegard Wester, Werner Lensing, Wolf-Michael Catenhusen,
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) und weiterer Abgeordneter
Keine verbrauchende Embryonenforschung: Import hu-
maner embryonaler Stammzellen grundsätzlich verbieten
und nur unter engen Voraussetzungen zulassen
– Drucksache 14/8102 –

ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrike Flach,
Katharina Reiche, Peter Hintze, Dr. Wolfgang Gerhardt,
Dr. Wolfgang Schäuble, Dr. Edzard Schmidt-Jortzig und weite-
rer Abgeordneter
Verantwortungsbewusste Forschung an embryonalen
Stammzellen für eine ethisch hochwertige Medizin
– Drucksache 14/8103 –

Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre keinen Wi-
derspruch. Dann ist es so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 sowie Zusatzpunk-
te 1 bis 3 auf:

Beratung des Zweiten Zwischenberichts der
Enquete-Kommisssion Recht und Ethik der mo-
dernen Medizin
Teilbericht Stammzellforschung
– Drucksache 14/7546 –

ZP 1 Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Wolfgang Wodarg, Dr. Hermann Kues, Monika
Knoche, Jochen Borchert, Wolfgang Thierse, Ilse
Falk, René Röspel, Georg Brunnhuber, Christel
Riemann-Hanewinckel, Christa Nickels und wei-
terer Abgeordneter
Schutz derMenschenwürde angesichts der bio-
medizinischen Möglichkeiten – Kein Import
embryonaler Stammzellen
– Drucksache 14/8101 –

ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Maria
Böhmer, Margot von Renesse, Andrea Fischer

(Berlin), Horst Seehofer, Hildegard Wester,

Werner Lensing, Wolf-Michael Catenhusen,
Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) und weiterer
Abgeordneter

21193


(C)



(D)



(A)



(B)


214. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2002

Beginn: 13.00 Uhr

Keine verbrauchende Embryonenforschung:
Import humaner embryonaler Stammzellen
grundsätzlich verbieten und nur unter engen
Voraussetzungen zulassen
– Drucksache 14/8102 –

ZP 3 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrike
Flach, Katharina Reiche, Peter Hintze,
Dr. Wolfgang Gerhardt, Dr. Wolfgang Schäuble,
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig und weiterer Abgeord-
neter
Verantwortungsbewusste Forschung an em-
bryonalen Stammzellen für eine ethisch hoch-
wertige Medizin
– Drucksache 14/8103 –

Bevor wir mit den Beratungen beginnen, bitte ich um
Ihre Aufmerksamkeit für einige Hinweise zum Ablauf der
Debatte und zu den Abstimmungen.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache dreieinviertel Stunden vorgesehen. Diese Zeit
soll im Wesentlichen nach dem Stärkeverhältnis der Un-
terstützer der drei Anträge verteilt werden. Nach Schluss
der Aussprache stimmen wir über die vorliegenden drei
Gruppenanträge ab.

Ich trage Ihnen die Anträge noch einmal vor: Antrag
der Abgeordneten Wodarg, Kues, Knoche, Borchert und
anderer auf Drucksache 14/8101 mit dem Titel „Schutz
der Menschenwürde angesichts der biomedizinischen
Möglichkeiten – Kein Import embryonaler Stammzel-
len“; Antrag der Abgeordneten Böhmer, von Renesse,
Fischer, Seehofer und anderer auf Drucksache 14/8102
mit dem Titel „Keine verbrauchende Embryonen-
forschung: Import humaner embryonaler Stammzellen
grundsätzlich verbieten und nur unter engen Vorausset-
zungen zulassen“; Antrag der Abgeordneten Ulrike Flach,
Katherina Reiche, Peter Hintze, Wolfgang Gerhardt und
anderer auf Drucksache 14/8103 mit dem Titel „Verant-
wortungsbewusste Forschung an embryonalen Stammzel-
len für eine ethisch hochwertige Medizin“.

Es ist vereinbart worden, dass über diese Anträge in ei-
nem abgestuften Abstimmungsverfahren entsprechend
§ 50 der Geschäftsordnung wie folgt abgestimmt werden
soll: Falls nicht einer der Anträge schon im ersten
Abstimmungsgang die erforderliche Mehrheit der abge-
gebenen Stimmen erhält, kommt es in einem zweiten Ab-
stimmungsgang zur Abstimmung über die beiden best-
platzierten Anträge. Erreicht auch hier keiner der Anträge
die erforderliche Mehrheit der abgegebenen Stimmen,
wird über den Antrag mit der höheren Stimmenzahl in ei-
nem dritten Abstimmungsgang entschieden.

Die Abstimmungen erfolgen namentlich. Besondere
Stimmzettel werden rechtzeitig ausgegeben. Für jede Ab-
stimmung benötigen Sie außerdem jeweils einen Stimm-
ausweis. Entnehmen Sie bitte – soweit noch nicht gesche-
hen – Ihre drei weißen Stimmausweise Ihrem
Stimmkartenfach in der Lobby. Nähere Hinweise zu den
Einzelheiten des Abstimmungsverfahrens erhalten Sie
nochmals unmittelbar vor der Abstimmung.

Das vereinbarte Verfahren weicht in einigen Punkten
von dem üblichen Verfahren nach unserer Geschäftsord-
nung ab. Es ist in vergleichbaren Fällen schon mehrfach
in ähnlicher Weise angewandt worden. Sind Sie mit dem
geschilderten Verfahren einverstanden? – Das ist der Fall.
Dann ist mit der erforderlichen Mehrheit so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile Dr. Hermann
Kues das Wort. Bitte schön.


Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1421400100
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ob die neuen faszinie-
renden Entwicklungen in Gentechnik und Biomedizin
zum Fluch oder zum Segen für die Menschheit werden,
hängt entscheidend davon ab, ob und wie wir den politi-
schen Willen aufbringen, die Entwicklungen so zu gestal-
ten, dass sie zum Segen werden.

Wir stehen heute vor einer Grundsatzentscheidung.
Wir stehen an einer Weggabelung ohne Rückkehrmög-
lichkeit. Maßgebliche Forscher ließen auch in den letzten
Tagen keinen Zweifel daran, dass sie keineswegs nur ei-
nen eng begrenzten Ausnahmetatbestand für den Import
embryonaler Stammzellen wollen. Sie wollen mehr. Un-
ter Berufung auf die Forschungsfreiheit soll allgemein an
menschlichen Embryonen geforscht werden.

Ich frage mich: Wie weit wird menschliches Leben ver-
fügbar, wenn Embryonen unter dem Vorwand der
Bekämpfung von Krankheit getötet werden dürfen? Es
geht um die sehr grundsätzliche Entscheidung, ob
menschliche Embryonen als Forschungsmaterial ver-
wandt werden dürfen. Wir müssen vorher die Frage be-
antworten: Wer ist Mensch? Welchen Schutz genießt er?
Wenn der Mensch mit der Verschmelzung von Ei und Sa-
menzelle beginnt, dann kommt ihm von diesem Zeitpunkt
an eine unverfügbare Würde zu – unverfügbar für den
Staat, die Gesellschaft und die Mitmenschen.

Diesen Auffassungen liegen Annahmen zugrunde, die
etwas mit Grundhaltungen und Überzeugungen zu tun ha-
ben, Überzeugungen, die sich auch in der Rangordnung
unserer Verfassung niederschlagen und die aus den
großen Traditionen der Aufklärung und nicht zuletzt aus
dem christlichen Menschenbild gespeist werden. Eine
weltanschaulich neutrale Betrachtungsweise gibt es nicht.

Die Wertepräferenz ist meines Erachtens eindeutig. Es
gibt eine ethische Verpflichtung zum Heilen, insbeson-
dere zur Vermeidung von schier unerträglichem Leid, und
zur Bekämpfung von bislang als unheilbar geltenden
Krankheiten. Es gibt auch das hohe Gut der Forschungs-
freiheit. Es gibt aber nicht zuletzt den Respekt vor der
Würde eines jeden Menschen. Hier muss eine Abwä-
gung erfolgen. Es ist nicht alles gleichwertig. Die Hierar-
chie der Werte muss stimmen. Die Würde des Menschen
nimmt in der Rangordnung der abzuwägenden Güter die
erste Stelle ein.

Lassen Sie mich ganz deutlich sagen: Das ist nicht die
Sondermoral einer versprengten Truppe mit ideologi-
schen Scheuklappen. Nein, darauf haben wir uns bei der
Verabschiedung des Grundgesetzes geeinigt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)





Präsident Wolfgang Thierse
21194


(C)



(D)



(A)



(B)


Die Menschenwürde bedeutet, dass der Mensch nie allein
Objekt werden und nie allein als Mittel zum Zweck die-
nen darf, sondern immer Subjekt bleiben muss.

Ich lehne mit meinen Mitstreitern vor allem aus zwei
Gründen den Import embryonaler Stammzellen ab: Ers-
tens. Es wäre die nachträgliche Billigung der vorange-
henden Tötung der Embryonen außerhalb Deutschlands.
Zweitens. Das Problem des möglichen Versiegens vor-
handener Stammzelllinien bleibt unausgesprochen. Ich
bin sicher: Der Import wird dann bald nicht mehr genü-
gen. Die Ansprüche werden größer.

Der einzige Grund – das ist für mich der Kern –, warum
die Forschung unabdingbar erscheint, ist eine bestimmte
forschungspolitische Binnenperspektive, die von anderen
Forschern mit überzeugenden Argumenten bestritten
wird. Ich möchte nicht die Hand dafür reichen, dass we-
gen dieser Forschungsperspektive grundlegende Prinzi-
pien unseres Personen- und Rechtsverständnisses, so wie
sie in der Verfassung niedergelegt sind, aufgegeben oder
umgedeutet werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Die Forschung befindet sich im Fluss. Ich erinnere nur
an die Möglichkeit, Embyronen Stammzellen zu entneh-
men, ohne den Embryo zu töten, wie es erst kürzlich ver-
öffentlicht wurde. Ich erinnere an die Forschungsalter-
native der adulten Stammzellen, von der vor einem
halben Jahr kaum die Rede war. Ich möchte nicht – das
will ich noch einmal deutlich sagen –, dass wir unser
Menschenverständnis ohne Not umdeuten und bestimm-
ten Forschungszwecken anpassen. Wir können nur Schritt
für Schritt entscheiden. Wir müssen immer wieder neu
abwägen. Allerdings dürfen wir keine Schritte in die
falsche Richtung tun.

Ich anerkenne ausdrücklich die großen Leistungen der
Forscher. Wenn aber einer der aktuellen Antragsteller
ganz offen davon spricht, wie ich es gestern Morgen im
Deutschlandfunk gehört habe, es gehe jetzt zunächst da-
rum, die Tür einen Spalt zu öffnen, um letztlich diese
Technologie im Lande zu etablieren, dann weiß jeder von
uns, um was es in Wirklichkeit geht. Deswegen bitte ich
Sie aus tiefer Überzeugung um Unterstützung für den An-
trag, den ich mit initiiert habe und der von zahlreichen
Kolleginnen und Kollegen ausdrücklich unterstützt wird.
Wir sind gegen das Töten von Embryonen und deshalb ge-
gen den Import von Stammzellen. Dies ist die Stunde des
Parlaments und wir sollten diese Stunde nutzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1421400200
Ich erteile Kollegin
Margot von Renesse das Wort.


Margot von Renesse (SPD):
Rede ID: ID1421400300
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Es

braucht sich niemand um das Wohl von Kranken und um
die Erkenntnisse der Wissenschaft Sorgen zu machen,
wenn es in diesem Hause zu einem hundertprozentigen
Nein zur Forschung an embryonalen Stammzellen käme;
denn – so ist unsere Rechtslage – es kommt jeder in
Deutschland zu jeder Therapie, die ihm nützt, sei sie in
Wisconsin oder auf den Philippinen entwickelt. Unser
SGB V gibt ihm das Recht darauf. Kein Sozialrichter in
Deutschland würde einem Aidskranken, der eine in Ame-
rika oder in England oder neuerdings in Frankreich ver-
fügbare Therapie einklagt, sagen: Um der Menschheit
willen stirbst du kläglich. – Das kommt nicht infrage, und
zwar um unserer Werteordnung willen.

Genauso verhindert nicht einmal das Embryonen-
schutzgesetz, dass ein mit einem DAAD-Stipendium aus-
gestatteter deutscher Wissenschaftler, der irgendwohin
geht und sich an dem beteiligt, was in Deutschland ver-
boten ist, bei seiner Rückkehr nach Deutschland kein Pro-
blem mit dem Staatsanwalt hätte. So werden wir – ob wir
es wollen oder nicht – auch mit einem Nein in diesem
Hause nicht verhindern, weil es aufgrund unserer Werte-
ordnung nicht zu verhindern ist, dass wir von den Er-
kenntnissen, Erzeugnissen und Ergebnissen profitieren.
Nicht einmal katholische oder evangelische Krankenhäu-
ser werden sich weigern können, derartige Therapien an-
zuwenden, wenn es sie denn tatsächlich gäbe, was bisher
nicht der Fall ist, damit das klar ist. Das wird auch von uns
nicht verkannt. Es geht zunächst einmal um Grundla-
genforschung. Dazu muss man aber sagen: Es gibt nicht
automatisch Therapien aus Grundlagenforschung. Aber
ohne sie gibt es auch keine. Insofern ist Grundlagenfor-
schung das, was ihr Name sagt, nämlich die Grundlage für
alles. Das galt für Robert Koch genauso wie für Anatomen
des ausgehenden Mittelalters.

In einer schwierigen Situation, in der wir zwischen
Feuern leben, in der Werte einander gegenüberstehen, ist
es gefährlich, gerade Wege zu suchen. In einem Labyrinth
wird man vor die Mauer laufen, wenn man gerade Wege
sucht, oder man wird sie einreißen müssen. Oft ist der
gewundene Weg gerade der, der zum Ausweg führt. Das
haben wir schon an vielen Stellen erlebt. Meine Lebens-
erfahrung sagt mir, dass in einer grundsätzlichen Ausei-
nandersetzung selten jemand das Wort ergreift, der nicht
auch etwas Richtiges zu sagen hat, selbst wenn es der an-
dere noch nicht erkennt.

Deswegen bin ich sehr glücklich darüber, dass wir es
mit unserem Antrag hinbekommen haben, keinen Kom-
promiss zu machen, bei dem von der einen oder anderen
Seite Kröten geschluckt werden mussten; vielmehr hat
niemand etwas zu sagen gehabt, was er nicht ausgedrückt
haben könnte. Niemand hat etwas sagen müssen, was für
ihn eigentlich unerträglich war. Der Antrag ist nicht das
Ergebnis eines Kompromisses, sondern einer Verständi-
gung. Nach meiner Auffassung bietet das die höchste Ge-
währ für eine Antwort, mit der man leben kann. Wir ha-
ben das auch schon bei der Diskussion um den § 218
Strafgesetzbuch erlebt.

Vor welchen Fragen stehen wir? Welche Probleme sind
uns zur Lösung aufgegeben? – Wir alle wollen, dass
menschliches Leben nicht verdinglicht bzw. zur Sache




Dr. Hermann Kues

21195


(C)



(D)



(A)



(B)


gemacht wird, und wir wollen keine Vampir-Medizin
– wie ich es mitunter genannt habe – einführen, bei der
sich der eine, der es zu brauchen glaubt, der Lebenskraft
eines anderen bedient. Dies ist gefährlich; es führt zur
Verdinglichung und zur Verrohung. Das wollen wir alle
nicht. Wir wollen keine verbrauchende Embryonenfor-
schung, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern,
wenn irgend möglich, auch in der Welt. – Die europäische
Perspektive ist in unserem Antrag deutlich zum Ausdruck
gekommen. – Das können wir aber angesichts der Situa-
tion, in der wir uns befinden, nur dann, wenn wir uns an
dieser Arbeit bzw. an diesem Erarbeiten beteiligen, das
wir ohnehin nutzen werden.

Nach unserem Antrag wird kein Embryo geschädigt, –
nicht einmal in Zukunft. Nicht nur in Deutschland, son-
dern auch in anderen Ländern geben wir durch die Stich-
tagsregelung keinen Anreiz, Embryonen zu vernichten,
um Stammzelllinien zu gewinnen, selbst wenn Wissen-
schaftler zum Ausdruck bringen, dass sie es gerne anders
hätten. Hierüber entscheidet der Gesetzgeber und kein
Wissenschaftler.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist eine Frage an uns und die lassen wir uns nicht aus
der Hand nehmen.

Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich Wissen-
schaftler in großer Zahl nicht an plausible, in der Gesell-
schaft für richtig gehaltene Gesetze halten. Es ist aber
auch nicht auszuschließen – das wird unterstellt –, dass sie
in ihren Kellerlabors Dinge machen, die der Gesetzgeber
nicht prüfen kann, ebenso wenig wie der Paragraph, der
den Mord verbietet, diesen nicht zu 100 Prozent verhin-
dert. Aber halten kann ein Gesetz in der Regel nur, wenn
es freiwillig befolgt wird. Denn wir morden nicht deshalb
nicht, weil wir Angst vor dem Staatsanwalt haben, son-
dern weil wir es nicht für richtig halten, es zu tun. So muss
es auch bei diesem Gesetz sein. Die Wissenschaftler in ih-
rer großen Zahl haben erklärt, dass sie mit einer solchen
Regelung leben können, auch wenn sie sich mehr ge-
wünscht hätten. Wer wirft ihnen das vor?

Wir haben in unserem Antrag diejenigen eingebunden,
die mehr haben wollten, aber die entscheidende Klippe
erkannt haben, dass nämlich Deutschland nur ein Stand-
ort für Wissenschaft und Wirtschaft sein kann, soweit es
kulturell integrierbar ist. Dass diejenigen mitgemacht ha-
ben, die gern Nein gesagt hätten, aber erkannt haben, dass
dies verfassungsrechtlich nicht möglich ist, ist für mich
eine große Freude.

Ich meine, dass ein „Nein-Gesetz“ an der Klippe der
Verfassung scheitern würde. Der „TÜV“ in Karlsruhe
könnte anderer Meinung sein. Wir reden nämlich nicht
über das Recht des Bundestages, etwas zuzulassen. Wir
leben mit einer Verfassung der Freiheit und auf Freiheit
begründet sich Würde. Also müssen wir darüber reden, ob
wir verbieten wollen und können. Wenn wir dies aber tun,
befürchte ich, dass wir angesichts der Tatsache, dass wir
alle auch davon profitieren werden – es wird das Gesetz
in unserer Gesellschaft geben, und zwar nicht, weil andere

dasselbe tun und wir es nachmachen müssen, sondern
weil es sich aufgrund unserer Rechtslage ergeben wird –,
im Zynismus enden werden.

Kein Embryo wird durch unsere Regelung geschädigt,
sondern wir nutzen das Vorhandene. Die entscheidende
Frage ist der Vorwurf, ob wir das damit billigen. Billigen
wir den Verbrauch von Embryonen dadurch, dass bei uns
die In-vitro-Fertilisation, die künstliche Befruchtung,
und neuerdings auch das ICSI-Verfahren, für dessen Ent-
wicklung auch Embryonen ihr Leben haben lassen müs-
sen, eine Krankenkassenleistung ist? Oder billigen wir die
KZ-Menschenversuche, weil auch bis heute – im Übri-
gen klägliche – Erkenntnisse aus der damaligen Zeit ver-
wendet werden?

Natürlich werden wir nicht Organe von Menschen im-
portieren, die exekutiert worden sind – ein Beispiel, das
Wolfgang Wodarg gerne verwendet –, aber die Stamm-
zelllinie ist nicht nur kein Embryo, sondern sie ist auch
kein embryonales Gewebe. Man könnte die Urzelle, aus
der sie stammt, ohne weiteres dem Embryo zurückgeben.
Sie wird nicht benötigt. Sie ist ein Erzeugnis dieser Tech-
nik. Dass wir diese Erzeugnisse nutzen werden, habe ich
bereits dargelegt.

Meine Damen und Herren, ich kann zwar verstehen,
dass Angst vor den Verrohungspotenzialen der Moderne
bestehen. Die Natürlichkeit der Natur scheint eine Ge-
währleistung der Humanität des Menschen zu sein. In der
Tat: Humanität ist durch die immer weiteren Eingriffe in
die Natur, die wir aufgrund von Wissen und Können vor-
nehmen, gefährdet. Aber auch die Natur ist kein Wegwei-
ser; denn der Mensch definiert auch die Natur und er setzt
ihr Grenzen. Wer „Natur“ sagt, landet wieder beim Men-
schen. Die Antwort ist vielmehr, dass wir die Moderne
verarbeiten und dass wir ihr geistig gewachsen sind. Ich
bitte darum, dass wir in diesem Sinne entscheiden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der FDP und der PDS)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1421400400
Ich erteile der Kolle-
gin Ulrike Flach das Wort.


Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1421400500
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Die Debatte um den Import von embryona-
len Stammzellen und die Forschung an Zelllinien ist in
Deutschland sehr lange und mit sehr großer Vehemenz ge-
führt worden. Ich kann Ihnen das so sagen, weil ich mehr
als eineinhalb Jahre lang an unzähligen Debatten sozusa-
gen deutschlandweit beteiligt war. Ich bin froh darüber
– das sage ich auch für meine Kollegen und Kolleginnen,
die diesen Antrag mit unterzeichnet haben –, dass es nicht
nur innerhalb der Wissenschaft, bei den Kirchen, den Ärz-
ten und Behindertenverbänden eine breite Diskussion ge-
geben hat, sondern dass sich auch viele Menschen – viel-
leicht seit sehr langer Zeit zum ersten Mal wieder – mit
der Frage der Ethik in der Forschung befasst haben.




Margot von Renesse
21196


(C)



(D)



(A)



(B)


Meine Damen und Herren, die Enquete-Kommission
und der Nationale Ethikrat haben Empfehlungen abgege-
ben, aber die Entscheidung – da stimme ich Ihnen, Frau
von Renesse, voll zu – liegt hier; sie gehört in die Hände
des Parlaments.

Wir schlagen mit unserem gemeinsamen Antrag vor,
den Import von embryonalen Stammzellen zuzulassen
– damit unterscheiden wir uns von Ihnen – und die For-
schung an ihnen zu ermöglichen. Das Ziel dieser Grund-
lagenforschung ist ein besseres Verständnis davon, wie die
Programmierung von Zellen funktioniert. Wie kommt es,
dass aus einer unspezifischen Zelle eine Leber-, Blut-,
Knochenmarks- oder Herzmuskelzelle wird? Wie können
wir diesen Prozess gezielt steuern? Wir hoffen darauf, dass
diese Forschung dazu beiträgt, dass zumindest einigen von
Tausenden von Menschen in Deutschland, aber auch welt-
weit, die zurzeit auf ein Spenderorgan warten, geholfen
werden kann.

Wir wollen so vorgehen – das steht in unserem ge-
meinsamen Antrag –, wie es die Deutsche Forschungsge-
meinschaft in ihrem Votum vom Mai des letzten Jahres
vorgeschlagen hat:

Erstens. Forschung an adulten Stammzellen und sol-
chen aus Nabelschnurblut soll gefördert werden.

Da die Qualität dieser Stammzellen nach Einschätzung
der Fachleute jedoch nicht ausreicht – das muss man ganz
klar sagen – und wir zum Verständnis der Zellprogram-
mierung den Vergleich zwischen adulten und embryo-
nalen Stammzellen benötigen, stimmen wir zweitens für
den Import von embryonalen Stammzellen. Hierbei
– das ist für die Diskussion ganz klar zu machen – handelt
es sich um Stammzellen, die bei der künstlichen Befruch-
tung nicht genutzt werden. Es sind Embryonen, die von
Spendern selbstlos und ohne finanziellen Gewinn zur Ver-
fügung gestellt werden – ohne Bezahlung und ohne Be-
stellung. Zusätzlich muss eine Ethikkommission zuge-
stimmt haben.

Drittens. Wenn sich nach einem angemessenen Zeit-
raum intensiver Forschung an importierten Embryonen
zeigt, dass diese nicht geeignet sind, Erfolg verspre-
chende Ergebnisse für Therapien gegen Alzheimer, Par-
kinson und MS zu erbringen, dann – darauf haben wir uns
in unserem gemeinsamen Antrag geeinigt – wollen wir
eine Weiterentwicklung des Embryonenschutzgeset-
zes, um auch in Deutschland Stammzelllinien etablieren
zu können.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch auf
Ihre Anträge eingehen, Frau von Renesse und Frau
Böhmer. Sie haben von einem gewundenen Weg gespro-
chen. Ich sage: Ihr Antrag lässt Hintertüren offen. Sie sa-
gen, dass der Import embryonaler Stammzellen für öf-
fentliche wie für private Forschung verboten sein soll,
wollen aber Ausnahmen machen. Sie stellen in Ihrem An-
trag völlig richtig fest, dass menschliche embryonale
Stammzellen keine Embryonen sind, weil sie sich nicht zu
einem vollständigen Menschen entwickeln können. Da-
raus ergibt sich, dass kein unmittelbarer Grundrechts-
schutz besteht. Wenn Sie dies feststellen, Frau von

Renesse, dann ist die Forschung mit embryonalen Stamm-
zellen nicht nur zulässig, dann ist sie moralisch geboten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie geben auch keine Antwort auf die Frage, was wir
tun sollen, wenn sich zum Beispiel zeigt, dass die Qualität
der importierten Stammzellen nicht ausreicht; auch diese
Frage wird natürlich unter Wissenschaftlern diskutiert.
Sie mogeln sich mit juristischer Finesse um eine klare
Entscheidung herum. Die Menschen erwarten aber vom
Parlament eine eindeutige Werteentscheidung, meine
Damen und Herren: Entweder ist die Forschung an em-
bryonalen Stammzellen moralisch nicht verantwortbar;
dann dürfen wir sie weder im Ausland noch im Inland zu-
lassen und müssten Sanktionen gegen Staaten erwägen,
die dies tun. Oder sie ist moralisch vertretbar; dann muss
sie angesichts der darauf wartenden Patienten umfassend
und schnellstmöglich gefördert werden. Wir sagen in die-
ser Verantwortung: Ja, wir halten es für verantwortbar.

Wenn unser Antrag eine Mehrheit findet, werden wir
uns im europäischen Vergleich in einem ausgewogenen
Mittelfeld befinden. Wir kennen die weiter gehenden Re-
gelungen in Großbritannien, in Frankreich plant die Re-
gierung für den Herbst ein Gesetz zur Zulassung der For-
schung an so genannten überzähligen Embryonen und in
Schweden sollen in naher Zukunft die gesetzlichen Vo-
raussetzungen zur Erlaubnis des therapeutischen Klonens
geschaffen werden. Niemand in diesem Hause hat einen
winzigen Zweifel daran, dass England, Frankreich und
Schweden kulturell und moralisch hoch stehende Länder
sind, obwohl sie in der Forschung viel weiter gehen wol-
len als wir. Unser Antrag, meine Damen und Herren, geht
längst nicht so weit; er ist abgewogen und maßvoll.

Lassen Sie mich noch zwei Sätze zum Antrag von
Wodarg, Knoche, Seifert und anderer sagen. Diejenigen,
Herr Dr. Wodarg, die alles verbieten wollen, müssen auch
bereit sein, den Patienten zu sagen, dass wir nicht jede
Chance nutzen, Gewebe zu schaffen, obwohl in Deutsch-
land Tausende Menschen auf eine solche Chance warten.
Wer den Import ablehnt, verzichtet bewusst auf durchaus
vorhandene Chancen, Therapien für schwere, lebensbe-
drohende Krankheiten zu entwickeln. Wer den Import ab-
lehnt, muss konsequenterweise auch die irgendwann aus
der Stammzellenforschung gewonnenen Medikamente
unseren Patienten vorenthalten.


(Margot von Renesse [SPD]: SGB V!)

– Das sehe ich völlig anders als Sie, Frau von Renesse. Ich
halte diese Position auch aus ethischen Gründen nicht für
richtig, denn auch Mitleid, Barmherzigkeit und Hilfe für
die Kranken sind Grundwerte unserer Gesellschaft.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Elke Leonhard [SPD])


Meine Damen und Herren, nicht nur die Präsidenten
und Vorsitzenden der großen Wissenschaftsorganisatio-
nen von Markl bis Winnacker, nicht nur sechs Nobel-
preisträger wie Christiane Nüsslein-Vollhard, sondern
auch Vertreter von Patientenorganisationen wie der
Deutschen Multiple-Sklerose-Gesellschaft sagen: Wir




Ulrike Flach

21197


(C)



(D)



(A)



(B)


brauchen die Grundlagenforschung und wir brauchen
dafür den Import von Stammzelllinien.

Unsere heutige Entscheidung wird im In- und Ausland
mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Wir wissen, dass ein
Importverbot bei uns die Stammzellenforschung im Aus-
land nicht beeinflussen wird. Ein Importverbot kann aber
zu einem Export von deutschen Wissenschaftlern ins
Ausland sowie dazu führen, dass – dies ist noch viel wich-
tiger – unsere Kontrollmöglichkeiten für eine verant-
wortungsbewusste Forschung eingeschränkt werden und
unsere Patienten Hilfe im Ausland suchen.

Meine Damen und Herren, die Möglichkeit für betrof-
fene Patienten, sich öffentlich zu artikulieren, ist – auch
das haben wir in den letzten Monaten gelernt – leider nicht
so stark wie die einiger Verbandsvertreter. Hier geht es ge-
rade um die Schwachen in unserer Gesellschaft. Für diese
Patienten wollen wir mit unserem Antrag eine verantwor-
tungsbewusste Forschung mit strengen Auflagen ermög-
lichen. Dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitten wir
Sie um Ihre Unterstützung.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der PDS und der Abg. Dr. Elke Leonhard [SPD])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1421400600
Ich erteile Kollegin
Monika Knoche das Wort.


Monika Knoche (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1421400700
Sehr
geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und
Damen! Richtig ist, dass wir heute vor einer grundsätzli-
chen Entscheidung stehen. Wenn wir ehrlich sind, stellen
wir fest, dass es nur eine Entscheidung zwischen Ja und
Nein geben kann. Wir haben die Aufgabe, eine menschen-
rechtlich relevante Frage in einem werteprogressiven Sinn
zu beantworten. Wir müssen mit einem aufgeklärten,
emanzipatorischen Menschenrechtsverständnis das weiter-
entwickeln, was in unserer Verfassung geschrieben steht
und was sie an Erfahrungen auch der Inhumanität speichert.
Es geht heute um den Embryo, um die Frage, ob er zur
Menschheit gehört, ob er zur Gattungsart Mensch gehört.
Wenn das bejaht wird, dann ist er nicht verfügbar.

Wir haben in Deutschland ein Grundgesetz, das die
Würde des Menschen in all seinen Zuständen als unan-
tastbar wahrt. Wir haben in Deutschland ein Embryo-
nenschutzgesetz, mit dem wir praktische Lösungswege
im Hinblick auf die krankheitswertige Unfruchtbarkeit
der Frau regeln und sicherstellen, dass keine überzähligen
Embryonen entstehen. Im gesamten angelsächsischen
Raum bestehen solche rechtlichen Vorgaben als Begren-
zung der Fortpflanzungsmedizin und der Forschung nicht.
Das kann aber nicht heißen, dass das, was im Ausland ge-
stattet ist, in Deutschland erlaubt werden muss oder – wie
in diesem Fall – dass wir in Deutschland einen Nießnutz
aus der Embryonenvernutzung anderer ziehen, aber selber
sagen: Wir wollen den Status des Embryos nicht verän-
dern. – Insofern bin ich froh, Frau Flach, dass Sie mit
Ihrem Antrag eine sehr klare, sehr konsequente Position
beziehen – nicht, dass ich ihr zustimme, ganz im Gegen-
teil. Aber man darf sich nicht vormachen, dass wir mit ei-

ner Legaldefinition hinsichtlich des Imports embryonaler
Stammzellen nicht erstmalig in Deutschland eine Status-
definition des Embryos in vitro vornähmen. Wir tun das
implizit. Wer mag dann noch mit Fug und Recht auf die
Verfassung und die Menschenwürde verweisen, nachdem
wir mit einem Gesetz festgestellt haben, dass wir die For-
schungsfreiheit, die Freiheit, an der Embryonenvernut-
zung teilzuhaben, höher werten als die Unverfügbarkeit
des Embryos selbst?

Der Embryo, um den es geht, ist durch künstliche Be-
fruchtung in die Welt gekommen. Er ist herzeigbar, er ist
handhabbar und schon werden Begehrlichkeiten an ihm
wach, die darauf abzielen, ihn nicht in den Uterus der Frau
zu transplantieren, sondern aus ihm ein Produkt herzu-
stellen. Jeder Embryo, ob er sich im Körper der Frau oder
in der Petrischale befindet, hat die gleiche, aus sich selbst
kommende Kraft, sich als Mensch zu entwickeln, zur Per-
son zu werden. Wer hier die Auffassung vertritt, der Em-
bryo sei, wenn er die Gebärmutter nicht erreiche, auch
kein Mensch, der entfernt sich weit vom Menschen-
rechtsverständnis unserer Verfassung und sagt, es sei von
den Handlungen anderer abhängig, ob er ein eigenes
Recht hat, ob er ein eigenständiger Rechtsträger ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist dann in der Tat eine biologistische Menschen-
rechtsdogmatik, die sich mit unserem Konzept der Men-
schenwürde nicht verträgt und nicht vertragen kann.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/ CSU und der PDS)


Was würde es angesichts der weiteren Entwicklungen
in der Forschung bedeuten, wenn wir in die Auffassung
einstimmten, dass da, wo kein Uterus ist, auch kein
Mensch ist? Es hinge davon ab, wie viele seiner natürli-
chen Funktionen künstlich ersetzt werden könnten.

Machen wir uns bitte nichts vor: Wenn dieser Weg
durch Import embryonaler Stammzellen beschritten wird
und wir hier in Deutschland eine Legaldefinition vorneh-
men, werden wir keine verfassungsrelevanten Gründe
mehr dafür anführen können, nicht in die Embryonenpro-
duktion einzusteigen. Das ist eine Konsequenz.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/ CSU und der PDS)


Ich bitte an dieser Stelle um die geforderte Aufrichtig-
keit. Wir haben kein Dilemma. Wir haben keinen Kon-
flikt. Wir brauchen keinen Mittelweg. Der Ausweg
– wenn wir bei diesen festen Werten bleiben wollen – ist,
den Status quo zu bestätigen.


(Margot von Renesse [SPD]: Das ist die vollkommene Erlaubnis! Der Status quo ist die Erlaubnis ohne Regeln!)


Sagen wir doch in dem internationalen Konzert: Wir als
Souverän verzichten auf den Aufbau eines Forschungs-
zweiges, der zwangsläufig auf der Indienstsetzung und
der Instrumentalisierung des ungeborenen In-vitro-Em-
bryos basiert. Sagen wir das! Viele unserer europäischen




Ulrike Flach
21198


(C)



(D)



(A)



(B)


Nachbarn wären froh, wenn sie ein solches Grundgesetz
hätten, das an erster Stelle sagt: „Die Würde des Men-
schen ist unantastbar.“

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der PDS)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1421400800
Ich erteile das Wort
der Kollegin Maria Böhmer.


Dr. Maria Böhmer (CDU):
Rede ID: ID1421400900
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Entschei-
dung über den Import von menschlichen embryonalen
Stammzellen macht sich in diesem Parlament wahrlich
niemand leicht. Wir wissen sehr wohl um die ethischen
Fragen, die sich damit verbinden, und auch um die Be-
deutung für unsere Werteordnung, für das Bild vom Men-
schen. Dieses wollen wir achten und alles daransetzen,
dass es auch in Zukunft trägt. Dafür gilt es, jede Regelung
zu überprüfen, feste Mauern zu bauen und feste Grenzen
zu setzen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben die Diskussion mit großer Intensität geführt.

Manche haben uns den Vorwurf gemacht, wir hätten ver-
zögert oder verschleppt. Ich sage ganz klar: Das war nicht
der Fall. – Vielmehr gehen wir aus dieser Diskussion in
unserem Wissen und in unserem Wertebewusstsein ge-
stärkt hervor. Das gilt nicht nur für dieses Hohe Haus, son-
dern für die ganze deutsche Gesellschaft: Die Diskussion
fand nicht mehr nur in kleinen Zirkeln und Akademiever-
anstaltungen statt, sondern auch in der breiten Öffentlich-
keit, in den Medien und im privaten Bereich. Wir haben
uns den grundlegenden Fragen gestellt: Wer sind wir?
Was wollen wir? Wo gehen wir hin?

Die Entscheidung über den Import menschlicher em-
bryonaler Stammzellen – das wissen wir alle – darf nicht
isoliert gesehen werden. Wir müssen fragen: Woher kom-
men diese Stammzellen? Wie sind sie gewonnen worden?
Genauso gilt es, abzuschätzen, wohin der Weg führt. Die
Frage liegt auf dem Tisch: Folgt aus der Forschung an em-
bryonalen Stammzellen letztendlich das therapeutische
Klonen, also die Produktion von Menschenklonen? Folgt
daraus möglicherweise eine Eizellspende in großem Um-
fang? Werden sich unsere Gesellschaft und das Bild vom
Menschen dann verändern?

Wir sind gehalten, darauf eine Antwort zu geben. Ich
glaube, dass wir an dieser Stelle sehr genau hinhören müs-
sen. Zum einen gibt es in Deutschland aufseiten der For-
scher sehr viele, die sagen: Therapeutisches Klonen
kommt nicht infrage. – Wir dürfen aber auch die anders
lautenden Stimmen nicht überhören. Wir dürfen diejeni-
gen nicht überhören, die sagen, dass es demnächst den
Forschungsembryo gebe. In den USA hat jetzt ein Aus-
schuss der unabhängigen Nationalen Akademie der Wis-
senschaften der Regierung empfohlen, therapeutisches
Klonen auch mit staatlichen Geldern zu fördern.

Von daher müssen wir sehr wohl sehen: Forschungs-
embryonen und therapeutisches Klonen sind ebenso irre-
führende wie verführerische Zauberwörter. Was verbirgt
sich dahinter? Nichts anderes, als einen menschlichen
Embryo zu Forschungszwecken oder für Therapien zu
verbrauchen. Der Mensch ist aber kein Experimentierfeld
und der Mensch ist kein Ersatzteillager. Hier müssen wir
die Grenze deutlich ziehen, damit in Zukunft niemand in
die Versuchung gerät, diese Grenze zu überschreiten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir stehen heute nicht nur vor der Frage des Imports;
sondern im Kern geht es um die Frage: Dürfen menschli-
che Embryonen für die Forschung getötet werden? Im
geltenden Recht finden wir eine klare Antwort. Sie heißt:
Nein. Wer die verbrauchende Embryonenforschung
will, muss das Recht ändern und muss sich auch über die
Folgen nicht nur für den einzelnen Menschen, sondern für
den Menschen als solchen im Klaren sein. Die Abschät-
zung der Folgewirkungen ist nicht nur ethisch, sondern
auch verfassungsrechtlich geboten. Wir wissen von vielen
Verfassungsrechtlern, dass man nicht nur den Status des
Embryos, den Schutz des Lebens und die Würde des Men-
schen in den Blick nehmen muss. Vielmehr geht es da-
rüber hinaus um die Verfassungsordnung als Ganzes und
um die Würde des Menschen als das zentrale Grundprin-
zip der Verfassung, die es zu wahren gilt.

Zur Debatte stehen heute zwar drei Anträge. Aber in
Wahrheit handelt es sich nur um zwei Grundpositionen,
die sich wie folgt auf den Nenner bringen lassen: Die eine
Grundposition erteilt jeglicher verbrauchender Embryo-
nenforschung eine klare Absage. Die andere Grundposi-
tion öffnet sich der verbrauchenden Embryonenfor-
schung. Beiden Grundpositionen liegen sehr wohl
unterschiedliche Prämissen zugrunde. Bei der einen Prä-
misse geht man davon aus, dass das menschliche Leben
unbedingt von Anbeginn zu schützen ist. Die Vertreter
dieser Prämisse sagen: Das ist uns durch die Verfassung
aufgegeben, die die Anerkennung der Menschenwürde
und deren vollen Schutz beinhaltet. Die andere Prämisse
geht von einem abgestuften Lebensschutz aus. Beide Aus-
gangspositionen sind sehr unterschiedlich. Daher werden
aus ihnen auch sehr unterschiedliche Schlussfolgerungen
gezogen. Aber ich stelle fest, dass es eine überwiegende
Mehrheit im Parlament – das machen zwei Anträge deut-
lich – gibt, die der verbrauchenden Embryonenforschung
eine klare Absage erteilt und sie verbieten will.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Der Antrag, den ich gemeinsam mit den Kolleginnen
Margot von Renesse und Andrea Fischer, dem Kollegen
Horst Seehofer, der heute aus Krankheitsgründen leider
nicht an der Debatte teilnehmen kann, und vielen anderen
eingebracht habe, ist dem Gedanken verpflichtet, dass Le-
bensanfang und voller Lebensschutz zusammenzudenken
sind. Wir machen in unserem Antrag deutlich – und zwar
in jeder Beziehung –: Es darf in Deutschland nicht dazu
kommen, dass Embryonen für die Forschung verbraucht




Monika Knoche

21199


(C)



(D)



(A)



(B)


und damit getötet werden. Wir wollen keinen Anreiz zur
Herstellung neuer embryonaler Stammzelllinien im
Ausland schaffen. Wir wollen damit vermeiden, dass wei-
tere Embryonen getötet werden. Das ist die Grundlinie
unseres Antrags. Damit halten wir am Embryonenschutz-
gesetz fest und bekräftigen seine Zielrichtung. Wir wol-
len, dass dieses Gesetz auch zukünftig gültig ist und dass
von ihm um keinen Zentimeter abgewichen wird; denn
das ist die Grundlage für unser Leben und für unser Bild
vom Menschen. Wir wollen die Tür damit zuhalten.

Jetzt fragen etliche wie Frau Flach: Gibt es nicht doch
eine Hintertür? Mogelt man sich mit diesem Antrag nicht
an der Entscheidung vorbei? Ist das Denken, das sich in
unserem Antag offenbart, nicht inkonsequent? – Ich
glaube, man muss sich den entscheidenden Punkt genau
anschauen. Der entscheidende Punkt ist, dass wir mit un-
serem Antrag, der ein grundsätzliches Nein zum Import
von menschlichen embryonalen Stammzellen enthält,
deutlich machen, dass weder jetzt noch in Zukunft Em-
bryonen für die Gewinnung neuer embryonaler Stamm-
zelllinien getötet werden dürfen. Das ist von entscheiden-
der Bedeutung. Das ist die Kernaussage unseres Antrags.

Wir müssen uns aber auch überlegen, wie sich sicher-
stellen lässt, dass dieses Verbot eingehalten wird, wie man
einen Damm bauen kann, damit es keine Wanderdüne
gibt, damit sich das „Nein, aber“ nicht zu einem „Ja, aber“
entwickelt. Das ist für uns eine ganz zentrale Frage. Wir
wollen nur dort eine Ausnahme erlauben – das ist ein
schmaler Korridor –, wo es um bereits existierende
Stammzelllinien geht. Wir wollen also nur dort eine Aus-
nahme erlauben, wo menschliches Leben beendet worden
ist bzw. wo Embryonen getötet worden sind, wo wir diese
Tötung nicht mehr rückgängig machen können. Das heißt
nicht, dass wir diese Tötung billigen. Wir werden auch für
die Zukunft alles daransetzen, dass dies nicht mehr ge-
schieht.

Aber wir müssen sehen: Stammzelllinien sind keine
Embryonen. Von daher kommt ihnen nicht der volle
Schutz des Grundgesetzes zu. Deswegen besteht, wenn es
um die Forschungsfreiheit geht, auch ein verfassungs-
rechtliches Problem. Wir müssen eine Regelung schaffen,
die Bestand hat. Deshalb haben wir uns für dieses deutli-
che, grundsätzliche Nein und für eine Ausnahmeregelung
ausgesprochen.

Diese aber bedeutet, dass nur in sehr restriktiver Art
und Weise bereits existierende Stammzelllinien nach
Deutschland importiert werden können. Das ist daran ge-
bunden, dass wir alternativen Forschungsvorhaben den
Vorrang geben, dass wir einen Stichtag nennen, der si-
cherstellt, dass es weder jetzt noch in der Zukunft zu ei-
ner Entwicklung kommen wird, die wir nicht gutheißen
können, dass wir das Einverständnis der Eltern haben,
kommerzielle Interessen ausschließen und dass die Hoch-
rangigkeit der entsprechenden Forschungsvorhaben nach-
gewiesen werden muss. Dafür brauchen wir gesetzliche
Grundlagen; denn ohne gesetzliche Regelungen ist dies
nicht durchführbar. Auch benötigen wir eine Kontroll-
behörde und eine Genehmigungspflicht.

All denjenigen, die in ihrem Leben von schwerster
Krankheit bedrängt sind, Hoffnung brauchen und Heilung

erfahren möchten, möchte ich sagen: Wir sehen einen
anderen Weg vor uns. Das ist nicht der Weg der embryo-
nalen Stammzellenforschung, sondern der Weg der adul-
ten Stammzellenforschung. Dieser ist ethisch unproble-
matisch und für die Betroffenen auch medizinisch
hilfreicher. Denn hierbei handelt es sich nicht nur um vage
Hoffnungen. Vielmehr gibt es hier schon klinische An-
wendungen. In diesem Bereich findet aufgrund der Mög-
lichkeiten, die sich eröffnen, eine faszinierende Entwick-
lung statt.

Deshalb sprechen wir uns in unserem Antrag klar dafür
aus, dass die adulte Stammzellenforschung stärker geför-
dert werden muss als bisher. Deutschland muss zu einem
Kompetenzzentrum für die adulte Stammzellenforschung
werden, damit Menschen bald Heilung erfahren können
und sie Therapien erhalten, die wirksam sind.

Lassen Sie mich abschließend sagen: Ich hoffe, dass
sich heute der Deutsche Bundestag mit einer klaren und
überwältigenden Mehrheit für ein Nein zur verbrauchen-
den Embryonenforschung ausspricht. Ich hoffe, dass wir
mit einer solchen Entscheidung ein Nein zur Ver-
zweckung und zum Missbrauch des menschlichen Lebens
aussprechen, dass wir uns gegen die Herstellung von
neuen Stammzelllinien und damit auch gegen die Tötung
von Embryonen wenden. Ich hoffe, dass wir uns zugleich
für die massive Förderung von adulten Stammzellfor-
schungsbereichen aussprechen. Lassen Sie uns alles daran-
setzen, dass der Schutz menschlichen Lebens, die Würde
des Menschen und damit unsere gemeinsame Werteord-
nung geachtet werden.

Ich bin mir sicher, dass es nicht einfach sein wird, im-
mer wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen.
Aber ich bin mir sicher, dass es uns mit diesem Gruppen-
antrag gelingt, ein Fundament zu bauen, mit dem wir un-
sere Werteordnung und menschliches Leben in Zukunft
schützen, sodass wir darauf vertrauen können: Das Bild
des Menschen, das unserer Verfassung zugrunde liegt, ist
gewahrt und wird Bestand haben.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1421401000
Ich erteile der Kolle-
gin Katherina Reiche das Wort.


Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1421401100
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nunmehr diskutieren
wir in Deutschland seit über einem Jahr, ob auch hierzu-
lande mit embryonalen Stammzellen geforscht werden
darf, um Erkenntnisse zu gewinnen, die Kranken und Lei-
denden helfen können. Nun ist es an uns, die Argumente
heute in eine Entscheidung zu gießen.

Klar ist, dass wir mit zunehmender Internationalität
biomedizinischer Forschung und ihren Ergebnissen
konfrontiert sind. Keine Politik – schon gar nicht die ei-
nes einzelnen Staates – kann die biotechnologische For-
schung aufhalten. Politik muss den Rahmen setzen und




Dr. Maria Böhmer
21200


(C)



(D)



(A)



(B)


die Gesellschaft auf die ethischen, sozialen und soziolo-
gischen Konsequenzen vorbereiten. Sie muss vor allem
dafür Sorge tragen, dass den Menschen wissenschaftliche
Erkenntnisse nicht vorenthalten bleiben.

Der Wille zu heilen entspricht dem humanitären Auf-
trag, Alten, Schwachen und Kranken zu helfen. Der
christliche Auftrag, sich die Erde untertan zu machen, er-
wartet vom Menschen, die ihm gegebene Vernunft und
das aus ihr resultierende Wissen zur Erkenntnis und Nut-
zung der Natur einzusetzen.

Verliert einer unserer 200 Zelltypen seine Funktion,
führt dies zu gesundheitlichen Ausfallerscheinungen, oft
sogar zum Tod. Bei vielen schweren Erkrankungen fehlen
bislang wirksame Therapien.

Stammzellforschung verfolgt zwei Ziele: die Entwick-
lung von Zell- und Gewebetransplantaten und die Ent-
wicklung von Medikamenten. Ethisch unproblematisch
wäre der Einsatz von adulten, das heißt aus Organen von
Erwachsenen gewonnener, Stammzellen und von Stamm-
zellen, die aus dem Nabelschnurblut Neugeborener ge-
wonnen werden. Der Erforschung dieser beiden Stamm-
zelltypen ist Vorrang zu geben und diese ist auch
finanziell zu unterstützen. Allerdings sind die adulten
Stammzellen auch mit erheblichen Nachteilen behaftet.
Sie sind bereits stark differenziert und nur bedingt ver-
mehrbar. Außerdem nimmt die Anzahl der adulten
Stammzellen leider mit zunehmendem Alter der Patienten
ab.

Wir wissen bis heute nicht, warum aus einer bestimm-
ten Zelle eine Nervenzelle wird. Den Weg der Zelldiffe-
renzierung und -programmierung will die Wissenschaft
erforschen. Der amerikanische Forscher Gearhart ent-
deckte erstmals 1998 embryonale Stammzellen. Diese
Stammzellen können sich nahezu unbegrenzt vermehren,
teilen und in sehr viele verschiedene Zelltypen ent-
wickeln. Embryonale Stammzellen sind der Schlüssel
zum Verständnis aller anderen Stammzelltypen. Die For-
schung versichert glaubhaft, dass die Funktionsweise
adulter Stammzellen nur mithilfe der Grundlagenfor-
schung an embryonalen Stammzellen festgestellt wer-
den kann. Mit anderen Worten: Man muss die Pro-
grammierung einer Zelle kennen, um sie am Ende
reprogrammieren zu können. Ziel ist es ja, Krankheiten
mit eigenen Stammzellen des Patienten zu heilen.

Ein Forscher versucht die Dinge zu begreifen, indem er
die Wirklichkeit erfasst. Schon Augustinus sagte: „Ich
forsche, um eine Sache zu wissen, nicht, um sie zu den-
ken.“ Die Medizin ist nicht von vornherein der Wei-
terentwicklung des Lebens verpflichtet; sie steht auch im
Dienste der Heilung von Menschen. Sie berührt neben der
Forschungsfreiheit auch den Schutz der Gesundheit ande-
rer Menschen. Die zu importierenden embryonalen
Stammzelllinien sind pluripotente Stammzellen und
können sich nicht mehr zu einem Menschen entwickeln.
Die pluripotente Stammzelle ist somit rechtlich und me-
dizinisch kein Embryo.

Gegen die Herstellung von embryonalen Stammzellli-
nien gibt es ethische und rechtliche Bedenken. Es geht um
elementare Schutzgüter wie den Würde- und den Lebens-

schutz. Die Frage, wann das Leben beginnt, ist medi-
zinisch, rechtlich, philosophisch und theologisch um-
stritten. Viele Menschen halten den Zeitpunkt der Ver-
schmelzung von Samen- und Eizelle für den
überzeugendsten. Gleichwohl gibt es gewichtige Gründe,
die Einnistung des Embryos in die Gebärmutter als
entscheidend anzusehen. Die Mutter gibt dem Embryo die
Kontinuität einer Entwicklung als Mensch, die Identität
der in der Eizelle angelegten und mit der Nidation be-
stätigten Person.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Kann Politik den Beginn des Lebens festlegen? Der

ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, Profes-
sor Paul Kirchhof, führt dazu aus:

Das Zusammenwirken von Menschenwürdegarantie
und Lebensschutz fordert einen je nach dem vorge-
fundenen Leben bemessenen, realitätsgerecht ge-
stuften Schutz, der schon dem geborenen Menschen
in anderer Weise zukommt als dem Embryo im Mut-
terleib, den Embryo vor der Nidation anders erfasst
als nach der Nidation.

Unsere Gesellschaft akzeptiert bereits, dass das Lebens-
recht des Embryos nicht absolut ist. Dies gilt zum
Beispiel sowohl für die Regelung des Schwangerschafts-
abbruches als auch für die Anwendung von Nidations-
hemmern. Auch bei der In-vitro-Fertilisation werden
Rechtsgüter abgewogen. Man nimmt bei der In-vitro-Fer-
tilisation in Kauf, dass sich nur ein kleiner Teil der im-
plantierten Embryonen einnistet, ein Teil verworfen wird
bzw. nie die Gebärmutter erreicht. Dies wird um des fort-
pflanzungsmedizinischen Ziels willen billigend in Kauf
genommen. Die In-vitro-Fertilisation brachte in den
15 Jahren seit ihrer Zulassung in Deutschland etwa
70 Embryonen hervor, die aus verschiedenen Gründen
nicht zur Herbeiführung einer Schwangerschaft benötigt
wurden. Sie sind um ihrer selbst willen erzeugt worden,
werden jedoch nie die unverzichtbare Lebensbedingung
Mutter vorfinden.

In anderen Ländern ist die Forschung an embryonalen
Stammzellen bereits im Gange. Die dabei gewonnenen
Erkenntnisse werden künftig in der Medizin zur Anwen-
dung kommen. Es wird sich dann die Frage stellen, ob wir
es in Deutschland rechtfertigen können, Patienten diese
Behandlungsmöglichkeiten zu verwehren, nur weil sie
mithilfe von in Deutschland nicht zugelassenen Verfahren
zustande gekommen sind. Können wir es dann trotz ethi-
scher Bedenken gegen die Nutzung embryonaler Stamm-
zellen verhindern, dass Patienten in die Länder gehen, wo
diese Therapien angeboten werden? Dann würden zwar in
Deutschland keine embryonalen Stammzellen verbraucht,
aber Stammzellen durch Deutsche im Ausland. Daraus er-
geben sich für mich eine Reihe von Wertungswider-
sprüchen.

Nach Abwägung aller Argumente komme ich zu der
Überzeugung, dass wir die Forschung an embryonalen
Stammzellen und die Nutzung der Forschungsergebnisse
in Deutschland befürworten sollten. Die rechtliche Mög-
lichkeit zum Import embryonaler Stammzellen besteht
bereits heute; sie sollte genutzt werden.




Katherina Reiche

21201


(C)



(D)



(A)



(B)


Zurzeit ist nicht absehbar, ob die bereits im Ausland
hergestellten Stammzelllinien, die der deutschen For-
schung zur Verfügung gestellt werden sollen, den wissen-
schaftlichen Anforderungen in jeder Hinsicht gerecht
werden. Um eine erfolgreiche Grundlagenforschung auch
hierzulande zu gewährleisten, darf daher auf die Mög-
lichkeit, embryonale Stammzellen auch in Deutschland
herzustellen, nicht von vornherein verzichtet werden. Die
Herstellung von Stammzellen kann aber nur an solchen
Embryonen geschehen, die bei künstlicher Befruchtung
erzeugt werden und dort nicht zur Anwendung kommen.
Für diese überzähligen Embryonen, die wir auch in
Deutschland haben, gibt es derzeit keine überzeugende
Lösung. Die Gewinnung von eigenen Stammzelllinien ist
erst recht dann geboten, wenn nach Ausschöpfung aller
anderen Forschungswege schwerwiegende Argumente
für die Forschung an embryonalen Stammzellen spre-
chen.

Ich möchte mit einem Zitat von Hubert Markl enden,
der sich fragt, was uns Kant zu seinem kategorischen Im-
perativ heute sagen würde:

Vermutlich hätte er uns also gesagt, wenn wir wissen
wollen, was wir wissen können und wissen müssen,
sollten wir das tun, was uns auch künftig hoffen lässt.
Recht hätte er damit gehabt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU so wie bei der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1421401200
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Wolfgang Wodarg.


Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Rede ID: ID1421401300
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen! Liebe Kollegen! Menschenwürde kommt
dem Menschen als solchem zu. Wenn man sie als etwas
versteht, was ihm von anderen zu- oder abgesprochen
werden kann, dann hat man sie eigentlich schon aufgege-
ben. Sie ist nicht damit vereinbar, nach willkürlichen
Kriterien – wie den aktuellen Fähigkeiten, dem Entwick-
lungsstand oder dem Umfeld, in dem ein Mensch exis-
tiert, zum Beispiel im Labor – abgestuft zu werden. Alle
Menschen in allen Entwicklungsphasen haben Anteil an
der Menschenwürde.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Walter Hirche [FDP]: Warum gibt es ein Gesetz zum § 218?)


– Wir müssen über die Frage des § 218 sprechen und das
werden wir auch tun. Aber das überlasse ich den Frauen
in unserer Gruppe. Sie werden Ihnen eine sehr genaue
Antwort geben. Ich maße mir nicht an, dieses Thema jetzt
in meiner Redezeit zu bearbeiten.

Wir dürfen nicht zulassen, dass irgendjemand festlegen
will, welche Kriterien erfüllt sein müssen, welche Eigen-
schaften vorliegen müssen, welche Fähigkeiten da sein
müssen, bevor einem Menschen Menschenwürde zuge-
sprochen wird. Menschenwürde ist auch nichts, was man
unter dem Mikroskop finden könnte. Deshalb gibt es für
Wissenschaftler auch keine besondere Zuständigkeit bei
der Definition dessen, was Menschenwürde ausmacht.

Der Mensch soll für den Menschen unverfügbar sein.
Deshalb darf man auch niemandem das Recht einräumen,
zu definieren, in welcher Phase seiner Existenz oder auf-
grund welcher Kriterien ein Mensch als Mensch gelten
darf.

Auch das Ausland kann hier nicht maßgebend für un-
sere Gesetzgebung sein. In anderen Ländern wird von
Forschern und Ärzten sehr viel nicht Hinnehmbares mit
Menschen angestellt. Es ist richtig, dass wir – das gilt für
die Vergangenheit und für die Zukunft – die Augen vor
den Erkenntnissen, die dort gewonnen werden, nicht zu-
machen dürfen. Aber es gibt hier sehr wohl eine ab-
gestufte Wertung und eine abgestufte Verantwortung, um
die wir streiten müssen. Im Ausland werden riskante Ver-
suche an Menschen unternommen, die selbst oft gar nichts
davon wissen und die erst recht nicht zustimmen konnten.
Es werden Sterbenden, ja sogar Hingerichteten und Getö-
teten ohne deren Zustimmung Organe entnommen und für
die Transplantation oder die Forschung angeboten und es
geschehen viele Dinge mehr, die hier in Deutschland un-
ter strenge Strafe gestellt sind.

Von den Befürwortern des Importes ist zu hören, dass
man den Import verfassungsrechtlich nicht verhindern
könne, weil mit embryonalen Stammzellen kein Rechts-
gut von Verfassungsrang betroffen sei. Das haben wir
auch gerade wieder gehört. Ein Kompromiss sei deshalb
möglich.

Unserer Meinung nach ist das abwegig. Ein bekannter
Verfassungsrechtler hat gerade letzten Montag in der
„FAZ“ darauf hingewiesen. Er schreibt:

Im Übrigen kennt die deutsche Rechtsordnung
durchaus Regelungen, die über das innerstaatliche
Verbot hinaus auch den „Rechtswidrigkeitsimport“
untersagen, wenn es um fundamentale Positionen
wie Würde und Leben geht.

Er zitiert § 12 Abs. 1 Satz 4 des Transplantationsgesetzes,
in dem es heißt, dass im Ausland gewonnene Organe nur
dann nach Deutschland vermittelt werden dürfen, wenn
die Organentnahme „mit wesentlichen Grundsätzen des
deutschen Rechts, insbesondere mit den Grundrechten,“
nicht offensichtlich unvereinbar ist. Der Deutsche Bun-
destag hat damit entschieden, dass die Ethik des Heilens
an dieser Stelle ihre Grenze findet.

Er sagt dann weiter:
Das Herz eines hingerichteten Strafgefangenen oder
eines so genannten „non heart beating donors“

– wie es in den Vereinigten Staaten heißt –
ist danach ebenso tabu wie die für 10 000 Dollar
erworbene Niere eines Slumbewohners aus Kalkutta,
selbst wenn dieser Verzicht den sicheren Tod eines
ganz konkreten, schwer leidenden Patienten in
Deutschland zur Folge hat. Was sollte den Gesetzge-
ber also hindern, Ähnliches für den Import von
embryonalen Stammzellen für Deutschland zu nor-
mieren?

(Beifall der Abg. Monika Knoche [BÜND NIS 90/DIE GRÜNEN])





Katherina Reiche
21202


(C)



(D)



(A)



(B)


Das Verfassungsrecht steht dem ebenso wenig entge-
gen wie das europäische Gemeinschaftsrecht.

Ich denke, die Tötung von Embryonen zur Gewinnung
von Stammzellen kann durchaus als die früheste Form der
Tötung eines Menschen zur Gewinnung von Organen
empfunden werden, sollen doch aus dem Embryo ein
Mensch und aus den Stammzellen seine Organe wachsen.

In einer Frage wie dieser brauchen wir deshalb nicht
nur eine juristisch saubere Lösung, sondern die Lösung,
die unserem Menschenbild und unserem moralisch-ethi-
schen Empfinden gerecht wird. Wenn wir es verbieten, in
Deutschland Embryonen zur Erzeugung von Stammzel-
len zu vernichten, es aber gleichzeitig erlauben, solche
embryonalen Stammzellen aus dem Ausland zu importie-
ren, widerspricht das ohne Zweifel dem moralischen
Empfinden vieler Menschen in unserem Lande.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der PDS)


Wenn wir keine verbrauchende Embryonenforschung
wollen, dann sollte es ethisch unerheblich sein, ob sie hier
oder im Ausland geschieht.

Hinzu kommt ein weiteres Problem. Wenn wir erst ein-
mal einen Katalog definiert haben, welche Bedingungen
an die Gewinnung von embryonalen Stammzellen zu stel-
len sind: Welches Argument hätten wir dann eigentlich
noch gegen die Embryonenvernichtung im eigenen Land,
wenn diese denselben Bedingungen genügen würde?

Noch einige Worte zur Signalwirkung der deutschen
Entscheidung. Auch in den europäischen Ländern, in de-
nen die Tötung von Embryonen zu Forschungs- oder The-
rapiezwecken erlaubt ist – oder wie in Frankreich gerade
erlaubt werden soll –, fühlen sich viele Menschen von ei-
ner solchen Politik nicht repräsentiert. Die deutsche Hal-
tung zum Embryonenschutz ist für viele dort ein Refe-
renzpunkt, auf den sie sich beziehen konnten. Wenn wir
diese Haltung nun aufweichen würden, hätte das eine sehr
negative Signalwirkung. Wir haben auch hier eine euro-
päische Verantwortung.

Würden wir heute einem begrenzten Import zustim-
men, dann würden uns sogar die Befürworter der ver-
brauchenden Embryonenforschung in ganz Europa als
heuchlerisch bezeichnen können – nach dem Motto: Die
Deutschen wollen sich zu Hause die Hände nicht schmut-
zig machen, wollen aber gleichzeitig von im Ausland
getöteten Embryonen profitieren. Solche Äußerungen
gibt es bereits aus dem Umfeld der Europäischen Kom-
mission und dem Europäischen Parlament. Eine klare, der
bisherigen deutschen Haltung entsprechende Entschei-
dung gegen den Import wäre ein wichtiges und positives
Signal für das ganze Europa.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


Wir alle waren einmal ein Embryo. Das Leben jedes
Einzelnen von uns hat so angefangen. Wir müssen uns
auch immer wieder fragen, was es für unser eigenes
Selbstverständnis als Gattung und für unser Men-

schenbild bedeutet, wenn wir das früheste Stadium unse-
res Lebens als instrumentalisierbares, verfügbares Mate-
rial behandeln würden. Produkte, für deren Entwicklung
Embryonen getötet werden mussten, werden immer mit
diesem Makel behaftet sein.

Ich wünsche mir, dass medizinischer Fortschritt made
in Germany das Label der ethischen Unbedenklichkeit
mit Recht erhalten kann. Menschliche Embryonen und
auch ihre Teile sind keine Ware, die man kaufen und
verkaufen, importieren und exportieren darf. Die Mehr-
heit dieses Hauses ist hoffentlich mit mir der Meinung,
dass sie auch niemals Ware werden dürfen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der PDS)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1421401400
Ich erteile Kollegin
Andrea Fischer das Wort.

Andrea Fischer (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der
Antrag, für den ich hier heute argumentieren möchte, hat
eine klare Zielsetzung: Wir wollen die strengen Regeln
des Embryonenschutzgesetzes erhalten, wir wollen keine
verbrauchende Embryonenforschung zulassen und wir
wollen nicht, dass von Deutschland Anreize ausgehen,
Embryonen – wo auch immer – für die Forschung zu tö-
ten.

Zugleich aber schlagen wir eine streng geregelte Aus-
nahme für heute bereits vorhandene Stammzelllinien vor,
für die bereits Embryonen getötet wurden. Entgegen man-
chem Urteil von Kollegen hier im Hause halte ich diesen
Vorschlag für eine konsistente Position. Er ist ein ernst-
haftes Angebot auf einer festen moralischen Grundlage,
im bislang so unversöhnlich geführten Streit um die
Zulässigkeit des Imports der Stammzelllinien vermittelnd
wirken zu können.

Unser Antrag geht von der unteilbaren Menschen-
würde des Embryos aus: Ab der Verschmelzung von Ei
und Samenzelle entwickelt sich der Embryo als Mensch.
Mit Verweis auf seine vorpersonale Form kann ihm nicht
der Schutz der Gemeinschaft entzogen werden. Denn
– wie es in unserem Antrag heißt –: Embryonen sind die
künftigen Kinder künftiger Eltern.

Mich hat in der Debatte des vergangenen Jahres keines
der biologistischen und der philosophischen Argumente
überzeugt, die einen abgestuften Schutzstatus des Em-
bryos begründen sollten. Zu offenkundig trat dahinter die
Absicht hervor, durch eine Bagatellisierung der Tötung
des Embryos eine Rechtfertigung für dessen Verzweck-
lichung zu finden.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Im Übrigen möchte ich all denen, die die in unserem
Antrag deutlich werdende Sicht der Schutzwürdigkeit
des Embryos nicht teilen, zu bedenken geben, dass es




Dr. Wolfgang Wodarg

21203


(C)



(D)



(A)



(B)


auch in ihrem wohlverstandenen Eigeninteresse liegen
mag, dass wir uns nicht auf den Weg einer – wie es
Habermas nennt – Selbstinstrumentalisierung der Gattung
begeben. Wenn wir uns darauf einlassen, dass wir
menschliches Leben zu einem außerhalb seiner selbst lie-
genden Zweck verwenden, werden wir künftig nur
schwerlich Maßstäbe finden, auf diesem Gebiet Grenzen
zu setzen.

Daher ist unser Antrag an diesem Punkt unmissver-
ständlich und niemand sollte dies für nur begleitende Ly-
rik halten, die angesichts des materiellen Ergebnisses des
Antrages vernachlässigenswert sei. Wir wollen keine
Embryonen auch für noch so hochrangige Zwecke ver-
brauchen und wir billigen ihre Tötung auch im Nachhi-
nein nicht.

Das heißt dann auch, dass der potenzielle Erfolg oder
Misserfolg der Forschung, um die es hier geht, kein schla-
gendes Argument ist.

Das gilt in beide Richtungen: Zum einen verkennt man
das Wesen der Wissenschaft, wenn man von ihr im Vor-
hinein Belege für ihren späteren Erfolg verlangt, um die
Forschung erst dann zuzulassen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Umgekehrt ist das Heilungspotenzial für sich genommen
ein notwendiges, aber kein hinreichendes Argument.
Stünden die Heilungschancen über allen anderen Rechts-
gütern, dann gäbe es keinerlei Grund für irgendeine
Schranke. Ich meine aber, dass es ein zu Recht geltender
Konsens in unserer Gesellschaft ist, dass uns auch noch so
verlockende Heilungsmöglichkeiten nicht das Recht ge-
ben, sie zulasten Dritter durchzusetzen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/ CSU und der PDS)


Diese Selbstbeschränkung, die uns allen im Angesicht
von vielfachem Leid durch Krankheiten schwer fällt, wird
dadurch erträglicher – und übrigens auch zwingender –,
dass wir Aussicht auf gute Ergebnisse der Forschung an
ethisch unbedenklichen Stammzellen von Erwachsenen
oder an Stammzellen aus dem Nabelschnurblut haben.
Deshalb sprechen wir uns in unserem Antrag deutlich für
den Vorrang dieser Forschung aus.

Für die Grundlagenforschung wollen wir eine Aus-
nahme zulassen, nämlich die Forschung an bereits beste-
henden embryonalen Stammzelllinien, wenn Bedingun-
gen hinsichtlich ihrer Herkunft erfüllt sind sowie der
Nachweis der Alternativlosigkeit der Forschung erbracht
ist. Diese Stammzelllinien, die nach unserem Vorschlag
importiert werden können, sind keine Embryonen mehr.
Sie können sich nicht mehr als Mensch entwickeln und
der Tod dieser Embryonen ist nicht mehr abänderlich.
Deshalb steht diese Ausnahme in Einklang mit unserem
Bekenntnis zum Embryonenschutz.

Ich habe mich schon vor langer Zeit davon überzeugen
lassen, dass es aus verfassungsrechtlichen Gründen
nicht möglich sein wird, deren Import nach Deutschland
verbieten zu lassen. Auch das Lebensschutzgebot des

Grundgesetzes gibt uns keine Handhabe, die Forschung
an Stammzelllinien zu verbieten, für die Embryonen in
der Vergangenheit bereits getötet worden sind. Und das
noch an den Kollegen Wodarg: Hier geht es nicht um den
Unterschied zwischen In- und Ausland, sondern um den
Unterschied zwischen Vergangenheit, Heute und Zukunft.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/ CSU und der PDS)


Allerdings ist es uns möglich, rigide Begrenzungen für die
Verwendung dieser Stammzelllinien durchzusetzen. Des-
halb appelliere ich an Sie: Lassen Sie uns gemeinsam
diese Regeln bestimmen, anstatt uns in Rechtsstreitigkei-
ten mit ungewissem Ausgang zu begeben, die uns bei ei-
nem einfachen Nein zum Import gewisslich drohen.

Aber selbst dann, wenn das rechtliche Argument schla-
gend sein sollte, entbindet es mich nicht von der Frage
nach der moralischen Legitimität dieses Vorgehens.

Ich will keine verbrauchende Embryonenforschung
und ich will, dass sich der Bundestag heute dazu bekennt,
auch künftig nicht damit zu beginnen. Dieses Ziel wird
nicht verletzt, wenn an Stammzelllinien gearbeitet wird,
zu deren Herstellung Embryonen verwendet werden kön-
nen, deren Tötung nicht mehr rückgängig gemacht wer-
den kann. Im Gegenteil: Dieses Ziel kann vielleicht eher
dadurch erreicht werden, dass wir die vergleichende
Grundlagenforschung in engen Grenzen ermöglichen, so-
dass künftig keine Arbeit mehr mit embryonalen Stamm-
zelllinien erforderlich ist. Im Lichte einer solchen Erwar-
tung macht diese Ausnahmeregelung Sinn.

Wir nehmen damit diejenigen Forscher beim Wort, die
uns die Absicht zur begrenzten Grundlagenforschung ver-
sichern. Im Verlauf der Debatte um die embryonale
Stammzellenforschung hat es im Verhältnis zwischen
Wissenschaft und Politik – um es vorsichtig zu formulie-
ren – manche Irritation gegeben. Die Forschung erwartet
von uns, der Gesellschaft, zu Recht Vertrauen und auch
die Anerkennung ihrer guten Absichten. Umgekehrt aber
erwarten wir von der Forschung, dass sie die Regeln un-
serer Gesellschaft auch dann akzeptiert, wenn sie ihr
Grenzen setzen. Sie muss sich auch der historischen Er-
fahrung stellen, dass die gute Absicht allein noch nicht
ethische Abwege der Forschung verhindert hat.

Unser Antrag will eine Brücke zwischen den ver-
schiedenen Interessen bauen und sucht nach einem prak-
tikablen Weg auf einem soliden ethischen Fundament.
Dieses Angebot vertraut darauf, dass es nicht gewollt
missverstanden wird. Es handelt sich hier eben nicht um
einen ersten Schritt zum Abschied von hinderlichen ethi-
schen Rücksichtnahmen. In diesem Sinne ist unser Antrag
auch ein Vertrauensvorschuss und wir setzen darauf, dass
unser Vertrauen nicht enttäuscht wird.

Die Debatte hat bislang die unterschiedlichen Positio-
nen strikt gegeneinander gesetzt. Vorhin hat dies jemand
in der Forderung zusammengefasst: Man kann nur Ja oder
Nein sagen. Deswegen schien es oft so, als sei eine Ver-
ständigung nicht möglich, ja, als gelte sie den Beteiligten
als Verrat an der eigenen moralischen Position. Aber in ei-
ner pluralistischen Gesellschaft haben Konsense gerade




Andrea Fischer (Berlin)

21204


(C)



(D)



(A)



(B)


in moralischen Fragen ihren eigenen Wert. Einen Dissens
in der Renten- oder Finanzpolitik muss ich als Demokra-
tin immer hinnehmen. Aber bei der Verständigung über
die moralischen Regeln unseres Zusammenlebens kann
eine schlichte Mehrheitsentscheidung die Gefühle der
Unterlegenen in schwerer Weise verletzen. Doch wir alle
sollten uns auch nach der heutigen Entscheidung noch
hier zu Hause fühlen können. Deshalb werbe ich heute um
eine große Zustimmung zu unserem Antrag.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/ CSU und der PDS)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1421401500
Ich erteile dem Kolle-
gen Peter Hintze das Wort.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1421401600
Herr Präsident! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Wenn wir hier in diesem
Hause die Frage stellen, ob die Wissenschaft in Deutsch-
land in der Lage und bereit ist, mit diesen Fragen mit ei-
nem hohen Maß an ethischer Verantwortung umzugehen,
so möchte ich doch in dieser Debatte feststellen, dass die
Wissenschaft in Deutschland in den letzten Monaten be-
reits dadurch ein hohes Maß an Verantwortung bewiesen
hat, dass sie aus freier Entscheidung die eigenen für wich-
tig gehaltenen Forschungsvorhaben zurückgestellt hat,
obwohl die rechtliche Möglichkeit dazu unbestritten be-
steht, und gesagt hat: Wir als Wissenschaftler in Deutsch-
land verpflichten uns, die Meinungsbildung im Deutschen
Bundestag abzuwarten, und versetzen uns selbst auch
ohne Rechtsgrund in die Lage, den ethischen Konsens ab-
zuwarten, bevor wir das, was wir als richtig erkennen, tun.
Ich finde deswegen, dass die Forschung in Deutschland
unseren Rückhalt und unser Wort verdient hat.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)


Diese Debatte geht um die Frage, wie wir der Men-
schenwürde gerecht werden. Wir sind uns darüber einig,
dass die Menschenwürde die größte ethische, rechtliche
und kulturelle Errungenschaft unserer Zivilisation ist. Wir
sind uns auch darin einig, dass das menschliche Leben ei-
nen so hohen Stellenwert genießt, dass jeder ungerecht-
fertigte Eingriff in dieses Gut verboten ist. Darauf haben
uns nicht zuletzt die Kirchen hingewiesen.

Uns beschäftigt die Frage, ob der Mensch alles darf,
was er kann. Ich denke, wir können sie gemeinsam beant-
worten: Nein, er darf nur das, was er ethisch verantworten
kann.


(Beifall der Abg. Ulrike Flach [FDP])

Die Menschenwürde aber wird nicht nur durch aktives
Tun verletzt; sie kann auch durch Unterlassen verletzt
werden. Ich kann einen Menschen nicht nur durch eine
Fehlhandlung, sondern auch dadurch verletzen, dass ich
Leiden oder den abwendbaren Tod sehenden Auges hin-
nehme, obwohl ich Mittel zu seiner Bewahrung davor
habe.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)


Unser Ja zum Leben schließt ein Ja zur Heilung unseres
Gegenübers ein. Ich freue mich, dass Bischof Huber unsere
Debatte auf der Tribüne verfolgt. Wir diskutieren das auch
in unseren Kirchen. Für mich ist dieses Ja zum Leben zu-
gleich Verpflichtung, auch Ja zur Heilung des Gegenübers
zu sagen. Dies ist eine zentrale Botschaft der Bibel.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Richtig!)

Hier erhält die Stammzellforschung ihre ethische und für
die Christen auch religiöse Begründung.

Ich halte es für medizinisch und ethisch geboten, dass
wir uns an dieser menschenfreundlichen Basisinnovation
des 21. Jahrhunderts beteiligen. Wir müssen das natürlich
abwägend tun. Es gibt keine schwierigen ethischen Fragen,
die man abwägungslos beiseite schieben kann. Wie aber
lautet die Abwägung? Auf der einen Seite steht der ernst zu
nehmende und wichtige Schutz einer befruchteten Eizelle
in einer Petrischale außerhalb des menschlichen Körpers.
Die Ehrfurcht vor dem Leben gebietet es uns, mit dieser
biologischen Wurzel für individuelle Menschwerdung
ganz behutsam umzugehen. Auf der anderen Seite stehen
mögliche Heilungschancen für ganze Generationen.

Auch wenn die Debatte, was ich sehr gut finde, in ei-
ner ruhigen Atmosphäre stattfindet, so muss man doch die
Unterschiede herausarbeiten. Deshalb will ich eines
ernsthaft sagen: Die befruchteten Eizellen, um die es hier
geht, wurden im Rahmen der Reproduktionsmedizin ge-
wonnen. Die Eltern haben sich aus Gründen, die lange vor
der Forschung liegen, entschieden, diese befruchtete Ei-
zelle nicht einzupflanzen. Wer gibt uns eigentlich das ethi-
sche Recht, diesen Eltern den selbstlosen und großherzi-
gen Schritt zu verweigern, diese befruchtete Eizelle zu
spenden, weil sie sagen, dass es ihrem Leben Trost und
Hoffnung gibt, wenn sie wissen, dass damit vielleicht vie-
len anderen Leben geholfen werden kann?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)


Dass das nicht ohne einen ethischen Konflikt gehen
kann, kennen wir aus der Debatte um das Transplantations-
gesetz. Wir haben hier im Haus bewegende Reden
– auch von betroffenen Kollegen – gehört. Diese haben
sich, nachdem ein Familienangehöriger gestorben war, ge-
fragt, ob sie dies oder jenes tun können, dürfen oder müs-
sen. Der eine mag das so, der andere so entscheiden. Wenn
aber die Vorstellung in den Raum gestellt wird, die Alter-
native liege in der Entscheidung zwischen der Entfaltung
zu einer individuellen Person – lassen wir alle biologischen
Voraussetzungen einmal beiseite – und der Hilfe in der For-
schung, so muss man sagen: Dies war schon gegen die Ent-
faltung der Person entschieden, noch bevor die Frage nach
einer möglichen Forschung überhaupt gestellt wurde.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)


Für mich ist daher die Abwägung zwischen dem Recht
künftiger Generationen auf Leben und Gesundheit und
unserer Verweigerung an diese Eltern, zu einer solchen
Spende Ja zu sagen, sehr wichtig.

Ich bin kein Verfassungsjurist; das weiß hier jeder.
Aber jeder, der sich damit beschäftigt hat, weiß, dass das




Andrea Fischer (Berlin)


21205


(C)



(D)



(A)



(B)


Bundesverfassungsgericht die Frage des rechtlichen
Schutzes der befruchteten Eizelle in seinen Entscheidun-
gen aus guten Gründen immer außen vor gelassen hat. Wir
kommen hier in Wertungswidersprüche hinein, die gar
nicht zu beschreiben sind.

Natürlich weiß ich, dass eine Kirche in unserem Lande
insgesamt gegen empfängnisverhütende Mittel und auch
gegen nidationshemmende Mittel wie die Spirale ist.
Dazu, was jährlich zu Hundertausenden von Abgängen
von befruchteten Eizellen führt, haben wir kaum einen
Ton gehört. Darüber haben wir nicht ein Dreivierteljahr
diskutiert; dazu regt sich keine Empörung. Jetzt aber, wo
es um zwei oder drei Stammzelllinien geht, was wirklich
Hilfe für Generationen von Menschen bedeuten kann,
kommt die große Empörung. Das empfinde ich als einen
quälenden Widerspruch.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)


Ein letzter Gedanke. Was haben wir vom Menschen ge-
lernt? Neun Hochschullehrer, Professoren der Theologie,
haben es vorige Woche unseren beiden Kirchen gesagt:
Der Mensch ist doch mehr als sein Genom. Der Mensch
ist mehr als seine biologische Wurzel. Wir können das
ausführen: Der Mensch ist von Gott dazu berufen, Ge-
schichte zu haben. Das hat ein behinderter Mensch, das
hat ein kranker Mensch und das hat ein Mensch, dem viele
Möglichkeiten nicht mehr zur Verfügung stehen. Dadurch
zählt er zur Gemeinschaft der Menschen.

Aber sollen wir deshalb keinen Unterschied mehr ma-
chen zwischen einem Menschen, der eine Geschichte hat,
und einer befruchteten Eizelle, die in einem Tiefkühl-
behälter der Reproduktionsmedizin lagert? Wenn das al-
les gleichgesetzt wird, wenn hier an diesem Pult dauernd
vom Töten geredet wird, was müssen dann Menschen
denken, deren Angehörige zum Beispiel von Regimen
qualvoll getötet wurden?


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Eine solche kategoriale Gleichsetzung wird unserem
Thema meiner Ansicht nach nicht gerecht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)


Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Deswegen
will ich unsere Forscher und auch Frau Flach, Frau Reiche,
Herrn Schäuble und all die anderen, die unseren Antrag un-
terstützt haben, eindeutig vor dem Vorwurf in Schutz neh-
men, es gehe uns nicht um die Menschenwürde. Uns geht
es um die Menschenwürde, um den Respekt vor der Würde
des Menschen, der auch darin seinen Ausdruck findet, dass
wir unsere Kraft, unsere Fähigkeit und unseren Willen ein-
setzen, damit Menschen geholfen wird, denen es nicht so
gut geht und die nicht gesund sind, damit auch sie ein men-
schenwürdiges Leben führen können.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1421401700
Ich erteile der Kolle-
gin Monika Griefahn das Wort.


Monika Griefahn (SPD):
Rede ID: ID1421401800
Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Poli-
tik muss Grenzen setzen und Forderungen stellen. For-
schung dagegen impliziert, neugierig zu sein und
gleichzeitig die Hoffnung auf Hilfe für Kranke.

Es ist wichtig, dass wir die Neugier in uns Menschen
immer wieder weitertreiben und dass wir die Neugier be-
friedigen. Aber wie wir Kindern, die neugierig sind, Gren-
zen setzen und auch ihnen nicht alles erlauben, so ist es
bei der Forschung ab und zu wichtig, die Schwerpunkte in
eine Linie zu bringen.

Woher kommen denn die embryonalen Zellen, über die
wir uns hier unterhalten? Es sind Embryos, die aus der
künstlichen Befruchtung entstanden sind und übrig ge-
blieben sind. Und warum brauchen wir künstliche Be-
fruchtung? Weil immer mehr Menschen unfruchtbar wer-
den. Sie alle, die Sie hier als Mann sitzen, sind
durchschnittlich nur noch halbe Männer.


(Unruhe)

Weil die durchschnittliche Anzahl an Samenzellen enorm
zurückgegangen ist – er lag ehedem bei 110 Millionen,
heute liegt er bei 55 Millionen –, haben heute weitaus mehr
Männer als früher Schwierigkeiten, selber Kinder zu zeu-
gen.

Nur 6 Prozent der In-vitro-Fertilisationen sind erfolg-
reich. Das heißt, wir reden über die übrig gebliebenen
Stränge. Wenn wir darüber diskutieren, wie Schwer-
punkte von Forschung zu setzen sind, dann kann ich nur
sagen: Ich will nicht vorwiegend die Reparaturtechnik,
sondern die Prävention fördern. Die Vielzahl von Chemi-
kalien nämlich ist es, die dafür sorgt, dass die Fruchtbar-
keit zerstört wird, dass Menschen krank werden, dass zum
Beispiel die Brustkrebsrate bei Frauen enorm gestiegen
ist. Zu nennen sind zum Beispiel die Organozinn-Verbin-
dungen bei Schiffsanstrichen, aber auch das, was Sie alle
in Ihren Büros haben, nämlich die Drucker, insbesondere
die Laserdrucker, und die Kopierer. Aus diesen Geräten
strömen diese Verbindungen aus, die dann direkt ins Ge-
webe gelangen und krank machen. Da brauchen wir drin-
gend Forschung, um unschädliche Chemikalien zu ent-
wickeln; denn sie ist viel zu gering. Da brauchen wir
Aktivitäten und Schwerpunktsetzungen, auch auf europä-
ischer Ebene. Ich hoffe, dass dadurch viel eher die Mög-
lichkeit besteht, den Menschen präventiv zu helfen, als
wenn wir viel Luxus investieren. Es kostet Pfennige, die
Strassenkinder in Lateinamerika vor Krankheiten, vor
Blindheit zu bewahren. Auch das bekommen wir nicht
hin. Aber wir leisten uns eine Luxusdebatte über etwaige
Möglichkeiten von Reparaturtechnik.

Deshalb: Neugier ja, aber Grenzen stecken! Ich plä-
diere dafür, die Grenze so zu stecken, dass wir Importe
verbieten und das Geld schwerpunktmäßig für die
Prävention, das heißt für die Entwicklung von Stoffen
verwenden, die nicht krank machen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)





Peter Hintze
21206


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1421401900
Ich erteile Kollegin
Angela Merkel das Wort.


Dr. Angela Merkel (CDU):
Rede ID: ID1421402000
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Nach einer langen und aus
meiner Sicht außerordentlich verantwortungsvoll geführ-
ten breiten gesellschaftlichen Debatte, die sich gerade die
Mitglieder meiner Partei nicht leicht gemacht haben, ste-
hen wir heute in diesem Parlament vor einer wichtigen,
grundsätzlichen Entscheidung

Ich sage an einem der Zwischenpunkte dieser Debatte
als Vorsitzende der Christlich Demokratischen Union: Je-
dem, den ich in meiner Partei kenne, geht es um die
Würde des Menschen. Jedem geht es um eine verantwort-
bare Entscheidung, und zwar eine ethisch-verantwortbare
Entscheidung an einer neuen Wegmarke. Immer wieder
haben wir Menschen angesichts neuer wissenschaftlicher
Erkenntnisse vor solchen Wegmarken gestanden. Immer
wieder war es nötig, Grenzen zu ziehen, Erlaubnisse zu
geben und Erkenntnisse neu zu bewerten. Immer wieder
hat dies gegenseitigen Respekt von uns verlangt.

Deshalb wird die Antwort, die die Mehrheit dieses
Hauses heute findet, auch eine Antwort auf unser Bild
vom Menschen sein. Sie wird aber auch eine Antwort
sein, die unser Verständnis von Forschung und von den
Grenzen der Forschung widerspiegelt.

Dass wir diese Debatte heute führen, beruht darauf,
dass die Deutsche ForschungsgemeinschaftAnträge zu
dem Import von Stammzellen zu bescheiden hat – An-
träge, die sich mit einer Situation außerhalb unseres Lan-
des befassen, die die Existenz solcher Stammzellen be-
reits impliziert.

Wir haben in dieser Debatte – das ist heute schon ge-
sagt worden – eine wichtige Erfahrung gemacht: Die
Deutsche Forschungsgemeinschaft hat sich nicht einfach
darauf berufen, dass ein rechtlich nicht geregelter Bereich
durch Handeln ausgefüllt werden kann, sondern sie war
bereit, die Debatte in diesem Parlament abzuwarten, um
hierüber auch zu einem allgemeinen gesellschaftlichen
Konsens zu kommen. Ich halte das für eine sehr wichtige
Demokratieerfahrung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Gerhard Schröder [SPD])


Das, was wir hier heute zu bescheiden haben, ist im
Embryonenschutzgesetz nicht geregelt. Es ist darin des-
halb nicht geregelt, weil wir zum Zeitpunkt der Verab-
schiedung des Embryonenschutzgesetzes von diesen
neuen Möglichkeiten noch gar keine Vorstellungen hat-
ten. Dies zeigt, mit welcher Dynamik menschliche Er-
kenntnis voranschreitet, und zeigt auch, dass es mit Si-
cherheit nicht die letzte Debatte gewesen ist. Aber ich
glaube, jeder von uns weiß, dass das, was wir heute zu
entscheiden haben, auf einer Rechtslücke beruht, die den
Geist des Embryonenschutzgesetzes nicht etwa außer
Kraft setzt, sondern ihn bei der Entscheidung, die wir zu
treffen haben, wieder von uns einfordert.

Deshalb gibt es für mich auch keinerlei Abstriche bei
der Aussage zu machen, dass menschliches Leben mit der
Verschmelzung von Ei und Samenzelle beginnt. Dies
bleibt für mich der Fixpunkt der gesamten Debatte. Des-
halb darf es auf gar keinen Fall eine Erzeugung von Em-
bryonen zum Zwecke der Forschung oder eine verbrau-
chende Embryonenforschung geben.

Die Sorge, die viele hier umtreibt – egal, zu welcher
Antwort sie am Schluss kommen –, besteht doch darin,
dass aus den Möglichkeiten der Forschung mit embryo-
nalen Stammzellen implizit ein Druck erwächst, solche
embryonalen Stammzellen aus reinen Nützlichkeitserwä-
gungen heraus zu erzeugen.

Dennoch warne ich davor, diejenigen, die sich für eine
Forschung an embryonalen Stammzellen unter bestimm-
ten Grenzsetzungen aussprechen, sozusagen als die Erfül-
lungsgehilfen einer wissenschaftlichen Innensicht zu
betrachten, und andere, die diese wissenschaftliche In-
nensicht nicht teilen, wiederum als diejenigen, die den
ethischen Prinzipien verpflichtet sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und der PDS)


Gute Wissenschaft kann von Ethik nicht getrennt werden.
Beides bildet eine Einheit; das muss auch so sein. Das ist
meine Anforderung an die Wissenschaft.

Natürlich gehen die Meinung und das Wissen der For-
scher in unsere Erkenntnisbildung und Entscheidungsfin-
dung mit ein. Wir wissen, dass es nicht nur im Bereich der
embryonalen Stammzellen, sondern zum Beispiel auch
der adulten Stammzellen ungeahnte Forschungsmöglich-
keiten gibt. Meiner Ansicht nach muss die Forschung an
adulten Stammzellen absoluten Vorrang vor allen ande-
ren Forschungen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deshalb geht es bei dem Beschluss, den wir heute fassen
werden, nicht nur um die Frage, ob der Import von em-
bryonalen Stammzellen zu bejahen oder zu verneinen ist,
sondern auch um die Frage der neuen, grundsätzlichen
Ausrichtung unserer zukünftigen Forschungspolitik, die
– was die Forschung an adulten Stammzellen betrifft – aus
meiner Sicht längst nicht die notwendigen Schwerpunkte
setzt, wie sie in Zukunft zu setzen sind. Das muss eine
Folge unserer heutigen Debatte sein.


(Beifall des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU])

Meine Damen und Herren, es geht also um die Chan-

cen und Möglichkeiten von Forschung, aber vor allen
Dingen darum, alles zu tun, um außerhalb Deutschlands
– innerhalb natürlich sowieso – den Druck zu nehmen,
dass Embryonen aus Nützlichkeitserwägungen erzeugt,
verbraucht und gebraucht werden und daraus völlig neue
Maßstäbe entstehen würden. Deshalb plädiere ich für den
Antrag, der Folgendes vorsieht: keine verbrauchende
Embryonenforschung und ein grundsätzliches Verbot des
Imports, der nur unter strengen Voraussetzungen zugelas-
sen werden soll.






(C)



(D)



(A)



(B)


Wie schön wäre es, wie bereits einige heute festgestellt
haben, wenn man eine so komplizierte Frage mit einem
einfachen Ja oder Nein beantworten könnte.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD] und des Abg. Wolf-Michael Catenhusen [SPD])


Ich stelle für mich persönlich fest: Ich kann es leider nicht.
Wir leben schließlich in einer realen Welt, in der bereits
embryonale Stammzellen existieren, und wir wissen, dass
man mit ihnen forschen kann und dass die Tötung der Em-
bryonen unter bestimmten Bedingungen, die wir in unse-
rem Antrag sehr deutlich klassifiziert haben, in einem völ-
lig anderen Zusammenhang bereits stattgefunden hat.
Deshalb meinen wir, dass ein Stichtag festgelegt werden
muss, bis zu dem die embryonalen Stammzellen erzeugt
wurden und von dem ab wir – weil uns neue Erkenntnisse
vorliegen – alles tun, um den Druck zu nehmen, weiter
embryonale Stammzelllinien herzustellen. Wir nehmen
aber die Welt so zur Kenntnis, dass wir meinen: Wenn es
diese Stammzellen gibt und wir diese Grenzen ziehen,
dann sollten wir – weil wir in Deutschland die Therapien
einsetzen werden – uns nicht davor verschließen, unter
diesen strengen Grenzziehungen auch den Import dieser
Stammzellen zu akzeptieren.

Meine Damen und Herren, meine Entscheidung
kommt dadurch zustande, dass wir meiner Meinung nach
in einer Gesamtwelt leben und nicht für uns allein in ei-
nem Land. Das entbindet uns natürlich nicht der Aufgabe,
unsere eigenständigen Entscheidungen zu fällen. Das ha-
ben wir in Deutschland mit dem Embryonenschutz-
gesetz und mit unserem Verständnis des Menschen auch
eindeutig getan.

Ich meine aber auch, dass wir, wenn wir unsere Wert-
maßstäbe in dieser Welt erhalten wollen, mehr tun müs-
sen, um in Zukunft auf die internationalen Maßstäbe Ein-
fluss zu nehmen. Um dies zu können, müssen wir
sicherstellen, dass kein falscher Druck zur Erzeugung von
Embryonen entsteht. Wir müssen aber auch sicherstellen,
dass internationale rechtliche Regelungen getroffen
werden, die dies für alle bindend festlegen. Deshalb ist
Politik in diesem Sinne meines Erachtens nicht auf natio-
nales Handeln beschränkt.

Ich sage ganz deutlich: Mich beschwert es, dass
Deutschland noch immer nicht die Bioethik-Konvention
unterzeichnet hat.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Wir drücken uns vor Entscheidungen und werden dadurch
immer wieder mit Situationen konfrontiert werden, in de-
nen wissenschaftliche Erkenntnisse schneller greifen, als
wir Grenzen gesetzt haben. Das darf und sollte uns in Zu-
kunft nicht so häufig passieren. Deshalb stimme ich für
den Antrag so, wie ich es begründet habe.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Roland Claus [PDS])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1421402100
Ich erteile dem Kolle-
gen Jochen Borchert das Wort.


Jochen Borchert (CDU):
Rede ID: ID1421402200
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte heute wie schon
die Debatte der vergangenen Monate zeigt, um welch
grundsätzliche Fragen es hierbei geht und wie schwierig
die Frage zu beantworten ist, was der Mensch darf und wo
ethische Grenzen sind. Es geht um die Frage: Wann be-
ginnt menschliches Leben? Gibt es eine Zäsur in der Ent-
wicklung des individuellen menschlichen Lebens, die so
eindeutig ist, dass man sagen kann: „Davor gibt es keinen
Lebensschutz, danach gibt es einen uneingeschränkten
Lebensschutz.“?

Nach meinem christlichen Verständnis vom Menschen
beginnt menschliches Leben mit der Verschmelzung von
Ei und Samenzelle. Von da an gilt der uneingeschränkte
Lebensschutz. Von da an gilt die Unantastbarkeit der
Würde des Menschen. Wenn man den Beginn des Lebens
an andere Kriterien wie Entwicklung oder Nidation bin-
det, dann kommen wir dahin, dass sich die Frage stellt: Ist
die Würde des Menschen nur dann unantastbar, wenn der
Mensch zur Selbstachtung fähig ist? Wenn wir diese
Grenze aufgeben, dann, so glaube ich, werden alle ande-
ren Grenzen willkürlich sein.

Der uneingeschränkte Lebensschutz, die Schutzwür-
digkeit auch des Embryos verbieten es, den Embryo für
die Gewinnung von Stammzellen zu töten, und verbieten
eine verbrauchende Embryonenforschung. Bis hierher
stimme ich und stimmen die anderen Unterzeichner des
Antrags gegen einen Import von Stammzelllinien auch
mit dem Konsensantrag überein.

Wenn ich eine verbrauchende Embryonenforschung in
Deutschland ablehne, dann ist es für mich auch nicht ver-
tretbar, Stammzellen zu importieren, die aus der Vernich-
tung von Embryonen gewonnen worden sind. Jede noch
so eng definierte Importerlaubnis wird die Tür zu weite-
ren Ausnahmen öffnen. Hier ist schon die Frage ange-
klungen: Was spricht dagegen, nach einiger Zeit, wenn die
existierenden Stammzellen für die wissenschaftliche For-
schung nicht ausreichen, zu sagen: „Es gibt neue Stamm-
zelllinien, für die Embryonen bereits vernichtet worden
sind“, und die Tür für den Import weiterer Stammzellli-
nien zu öffnen? Wenn wir den ersten Schritt tun, dann
– da bin ich ganz sicher – werden weitere Schritte folgen
und wir werden die Tür nicht wieder schließen können.
Dies wäre eine Entwicklung, die ich ethisch nicht verant-
worten könnte.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Von den Befürwortern einer weiter gehenden Embryo-
nenforschung auch hier in Deutschland werden immer
zwei Argumente ins Feld geführt. Es wird gesagt, ein Ver-
bot der Forschung an embryonalen Stammzellen gefährde
den Forschungsstandort Deutschland, und es wird auf die
mit der Forschung verbundene Hoffnung auf zukünftige
Heilungsmöglichkeiten verwiesen. Ein Verbot des Im-




Dr. Angela Merkel
21208


(C)



(D)



(A)



(B)


ports embryonaler Stammzellen bedeutet jedoch nicht den
Verzicht auf Stammzellforschung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Vielmehr haben wir die Wahl zwischen einer Forschung
an embryonalen Stammzellen mit großen ethischen Pro-
blemen, mit ethischen Fragen, die diesen Weg für mich
nicht gangbar machen, und einer ethisch unbedenklichen
Forschung an adulten Stammzellen. Hierbei geht es
doch um die Grenzen einer ethisch verantwortbaren For-
schung. Deshalb sagen wir Ja zu einer Forschung an adul-
ten Stammzellen und fordern wir eine sehr viel intensivere
und stärkere Forschung auf diesem Gebiet.

Mit der Stammzellforschung verbinden sich Hoffnungen
auf die Entwicklung von Heilverfahren für bisher nicht zu
heilende Krankheiten. Diese Hoffnungen lassen sich nach
Ansicht einiger nur oder schneller mit embryonalen Stamm-
zellen realisieren. Aber rechtfertigt die Hoffnung auf mögli-
che Heilung die Tötung menschlichen Lebens? Können wir
hier abwägen zwischen dem Lebensrecht des Embryos und
einer Hoffnung auf Heilung, von der wir nicht wissen, ob sie
zu realisieren ist und ob sie nur auf diesem Wege zu reali-
sieren ist? Ist es vertretbar, zu sagen, je intensiver die Hei-
lungshoffnung sei, desto stärker dürften wir die Unantast-
barkeit der Würde des Menschen in einem frühen Stadium
infrage stellen? Nach meinem Dafürhalten lässt sich die ver-
brauchende Embryonenforschung nicht mit der mehr oder
weniger fundierten Hoffnung auf Heilung rechtfertigen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der PDS)


Eine Ethik, die eine verbrauchende Embryonenfor-
schung in Deutschland ablehnt, muss auch einen wie im-
mer begrenzten Import von Stammzellen ablehnen. Wie
bereits mehrfach angeklungen ist, geht es hier um ein Ja
oder Nein zu einer verbrauchenden Embryonenfor-
schung. Eine Erlaubnis zum begrenzten Import von
Stammzellen öffnete hier eine Tür, die wir auf Dauer nicht
wieder schließen könnten. Deswegen stehen wir heute vor
der entscheidenden Frage, ob wir zu einem Import em-
bryonaler Stammzellen Nein sagen, wie es der Geist des
Embryonenschutzgesetzes vorsieht, oder ob wir die Tür
zu einer verbrauchenden Embryonenforschung auch in
Deutschland öffnen, was uns auf einen Weg führte, den
wir Schritt für Schritt immer weiter gehen müssten. Ich
plädiere dafür, im Hinblick auf eine embryonale Stamm-
zellenforschung in Deutschland beim Nein zu bleiben.

Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1421402300
Ich erteile dem Kolle-
gen Gerhard Schröder das Wort.


Gerhard Schröder (SPD):
Rede ID: ID1421402400
Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Es ist ein gutes Zeichen für den Zustand
der politischen Kultur in Deutschland, dass die Debatte,
die wir heute hier führen, in der Öffentlichkeit so breit, so

intensiv und gelegentlich auch durchaus leidenschaftlich
geführt worden ist. Wir sollten auch in Zukunft darauf
achten, zu vermeiden, dass diejenigen, die prinzipiell ge-
gen jede Form der Forschung an embryonalen Stammzel-
len und infolgedessen auch gegen ihre Einfuhr sind, den
„Knüppel“ der unterlassenen Hilfeleistung zu spüren be-
kommen und die anderen, die diese Forschung generell
oder unter restriktiven Bedingungen bejahen, als Antwort
darauf mit dem Etikett der ethischen Verantwortungslo-
sigkeit oder gar des verfassungswidrigen Handelns belegt
werden. Wir haben dies in der Vergangenheit vermieden
und sollten es auch in Zukunft vermeiden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP und des Abg. Roland Claus [PDS])


Für diejenigen, die sich nicht jeden Tag mit diesen Fra-
gen beschäftigen können oder wollen, möchte ich das,
worüber heute zu entscheiden ist, präzise bestimmen: Vor
dem Hintergrund einer breiten öffentlichen Diskussion
haben wir über die Frage zu entscheiden, ob wir den
Import von embryonalen Stammzellen, den das heute
geltende Embryonenschutzgesetz erlaubt, verbieten wol-
len oder ob wir auch in deutschen Labors und Universitä-
ten Forschung an ebendiesen embryonalen Stammzellen
ermöglichen wollen, wie es in den Vereinigten Staaten, in
Israel und Australien, aber auch – das ist besonders wich-
tig – in mehr und mehr europäischen Ländern selbstver-
ständlich geschieht, da man sich von dieser Forschung er-
hoffen darf – mehr ist es zunächst nicht –, dass sie neue
Medikamente und Heilverfahren für bislang unheilbare
Krankheiten hervorbringt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nach meiner
Auffassung wären ein totales Importverbot für embryo-
nale Stammzellen und als Konsequenz dessen ein totales
Forschungsverbot nicht nur unangemessen, sondern auch
verfassungsrechtlich problematisch.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP sowie des Abg. Peter Hintze [CDU/CSU])


Stammzellen, aus denen sich kein vollständiger Organis-
mus mehr entwickeln kann, genießen – das ist meine per-
sönliche Meinung – keinen Grundrechtsschutz. Sehr wohl
aber genießt die Freiheit von Wissenschaft und For-
schung Grundrechtsschutz. Wir alle täten gut daran, die-
ses Grundrecht zu verteidigen.

Vor diesem Hintergrund bitte ich darum – das haben hier
auch schon andere ausgeführt –, dass wir uns gemeinsam
dagegen verwahren, dass Medizinern und Biologen dunkle
Motive wie etwa Profitgier oder Geltungssucht unterstellt
werden, nur weil sie sich der Erforschung embryonaler
Stammzellen widmen oder sich für diese Forschung aus-
sprechen. In dieser Debatte muss klar werden: Diese Wis-
senschaftler haben ihre Forschungstätigkeit in den Dienst
ihrer Mitmenschen gestellt. Sie haben sich damit einer
großartigen Aufgabe verschrieben. Sie wollen anderen hel-
fen, sie wollen Schmerzen lindern und Krankheiten heilen.
Ich finde, dafür haben sie Anerkennung verdient.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Andrea Fischer [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])





Jochen Borchert

21209


(C)



(D)



(A)



(B)


Frau Merkel, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, wenn
Sie darauf hinweisen, dass auch die DFG Anerkennung
verdient – in diese Anerkennung schließe ich auch Herrn
Professor Brüstle ein, über den so viel geschrieben und
geredet worden ist –, denn Wissenschaftler haben in den
vergangenen Monaten darauf verzichtet, von einem
Recht, das ihnen ausdrücklich zusteht und das wir nicht
eingeschränkt hatten, Gebrauch zu machen, um ihre For-
schungen schon jetzt zu ermöglichen. Ich werte das als ei-
nen Beweis für den sehr verantwortungsvollen Umgang
deutscher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit
ebendiesem Problem.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/ CSU und der FDP)


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich werde heute
für den Gruppenantrag von Frau Böhmer, Frau von
Renesse und anderen stimmen, trotz einiger Bedenken,
die auch ich habe, trotz einiger meiner Auffassung nach
ernst zu nehmender Argumente, die ich von denen, die für
ein weniger eingeschränktes Ja eintreten, gehört habe. In
der jetzigen Situation und vor dem Hintergrund der brei-
ten öffentlichen Debatte schafft dieser Antrag keine
gegenüber dem geltenden Embryonenschutzgesetz prin-
zipiell neue Rechtslage, aber er kann ein Stück Rechtssi-
cherheit und ein Stück Klarheit vermitteln helfen.

Die Anforderungen an den Import embryonaler
Stammzellen sind in diesem Antrag präzise und sehr um-
fassend geregelt. Ich glaube, dass damit die Forschungs-
möglichkeiten, die man neben der Forschung an adulten
Stammzellen braucht, vielleicht nicht in optimaler Weise
für die Forscher, aber in vertretbarer Weise für die Ge-
sellschaft geregelt werden. Zudem beschreiten wir, falls
wir diesen Antrag beschließen, keinen Sonderweg für
Deutschland. Wir gehen längst nicht über die Praxis in an-
deren Staaten hinaus, aber – das ist für mich entscheidend –
wir koppeln uns eben auch nicht von den internationalen
Forschungsstandards ab.

Für diejenigen, die prinzipiell dagegen sind, könnte
vielleicht folgendes Argument ein wenig Überzeugungs-
kraft entwickeln: Nur auf der Basis dieses vermittelnden
Antrags haben wir eine Chance, uns über unsere nationa-
len Regelungen hinaus auch in der internationalen
Forschungspolitik Mitsprachemöglichkeiten zu sichern
– auf andere Weise würde es außerordentlich schwer wer-
den, das zu tun –, um auf diese Weise ein Problem, das
nicht allein im nationalen Maßstab zu regeln ist, im inter-
nationalen Maßstab vielleicht in stärkerem Maße gemäß
unseren Vorstellungen von verantwortungsbewusster For-
schung zu regeln, als das – das muss man einräumen – in
anderen Ländern der Fall ist.

Natürlich rühren die Fragen, die wir hier zu beantwor-
ten haben, an Grundfragen des menschlichen Lebens und
Zusammenlebens. Das wurde hier bereits gesagt. All die-
jenigen, die es sich schwer gemacht haben – das gilt für
jeden von uns, denke ich – und die sagen, die einfache
Antwort Ja oder Nein ist keine angemessene, keine mir
mögliche Antwort, haben Recht. Befürworter und Gegner
der Stammzellenforschung – auch das ist wichtig – unter-
scheiden sich nicht nach den üblichen Kriterien, nach

rechts oder links, die in der politischen Debatte gelten,
übrigens auch nicht nach Konfessionszugehörigkeit. Das
sind Fragen, die der Einzelne für sich und in seiner Ver-
antwortung für die Erfüllung des Auftrags, den er vom
Volk bekommen hat, beantworten muss.

Mir ist wichtig, dass Folgendes ausgedrückt wird: Es
ist klar, dass die Entscheidung pro Forschung an embryo-
nalen Stammzellen keine Entscheidung gegen Forschung
an adulten Stammzellen ist, sein kann und sein darf.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Roland Claus [PDS])


Im Gegenteil: Das, was wir da in der Vergangenheit ge-
leistet haben – ich erinnere auch an das, was wir an Un-
terstützung mobilisiert haben –, ist wichtig und richtig
und muss weitergeführt werden. Ich denke, darüber gibt
es Übereinstimmung.

Ich nenne ein letztes Argument, das nicht neu ist und
das hier schon angeführt worden ist, das ich aber unter-
streichen will – mich jedenfalls hat es immer beschäftigt –:
Wie geht man, wenn man zu einem prinzipiellen Nein
kommt, ehrlich mit der Tatsache um – Frau von Renesse
hat sie eingangs ihrer Rede beeindruckend dargestellt –,
dass Therapien oder Medikamente, die durch Forschung
an embryonalen Stammzellen in anderen Ländern
verantwortungsbewusst – es geht jetzt nicht um diejeni-
gen, die das anders machen – entwickelt worden sind, hier
natürlich, selbstverständlich benutzt werden? Ich rede
jetzt nicht nur über den rechtlichen Regelungskatalog, der
das gebietet, sondern auch über die Verantwortung, die je-
der Arzt, aber auch jeder, der Hilfe leistet, verspüren wird.
Wie geht man dann damit um? Auf diese Frage, glaube
ich, wissen diejenigen, die prinzipiell Nein sagen, keine
– jedenfalls für mich befriedigende – Antwort. Ich habe in
der Diskussion auch keine gehört.

Ich ziehe folgendes Fazit: Der vorliegende Gruppen-
antrag, den ich erwähnt habe, bewältigt, glaube ich, in
sehr adäquater Weise auf der einen Seite den Abwä-
gungsprozess, von dem hier zu Recht die Rede gewesen
ist; auf der anderen Seite setzt er nationale Grenzen, er
eröffnet uns Möglichkeiten des Einflusses auf die inter-
nationale Forschungspolitik und er macht zudem das
möglich, was forschungspolitisch und auch vor dem Hin-
tergrund des Heilenwollens in unserem Land geboten ist.
Das ist der Grund, warum ich Sie bitte, diesem Antrag zu-
zustimmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Roland Claus [PDS] und des Abg. CarlLudwig Thiele [FDP])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1421402500
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, auf der Tribüne hat soeben die Präsidentin
des schwedischen Parlaments, Dahl, mit ihrer Delegation
Platz genommen. Wir begrüßen Sie sehr herzlich.


(Beifall)

Wir hoffen, dass Sie einen aufschlussreichen Einblick

in unsere parlamentarische Arbeit bekommen. Sie neh-




Gerhard Schröder
21210


(C)



(D)



(A)



(B)


men heute ja an einer besonders wichtigen Debatte des
Bundestages teil. Für Ihren Aufenthalt hier bei uns, in un-
serem Lande und für Ihr weiteres Wirken begleiten Sie
unsere besten Wünsche.


(Beifall)

Ich erteile das Wort dem Kollegen Edzard Schmidt-

Jortzig.


Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (FDP):
Rede ID: ID1421402600
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr
Kollege Schröder, ich komme mit ganz ähnlichen Argu-
menten wie Sie zur Befürwortung des Gruppenantrags
Flach/Reiche/Hintze/Gerhardt.

Ich möchte mit meiner Argumentation bei dem einset-
zen, was schon Frau von Renesse am Anfang gesagt hat.
Ich möchte nämlich darauf hinweisen – das scheint mir
auch und gerade bei einer so emotionalen und sensiblen
Frage wie der, die wir heute behandeln, wichtig zu sein –,
dass es nicht darum geht, zu fragen, was wir denn zulas-
sen, sondern darum, was wir verbieten sollen oder dürfen.
In unserem Verständnis von Gemeinwesen, von Rechts-
ordnung und von politischer Verfassung ist nämlich, je-
denfalls staatlich – alles andere ist eine Frage der ganz
persönlichen Moral und Ethik –, alles zu tun erlaubt, so-
lange es nicht verboten ist. Umgekehrt gilt nicht plötzlich,
dass nur zugelassen sei, was hoheitlich ausdrücklich ge-
stattet werde. Wir leben eben nicht in einem totalitären
Regime oder in einer Diktatur, sondern in einer freiheitli-
chen Staatsordnung. Ich möchte, dass das auch hier deut-
lich wird. Wir müssen also fragen: Was legitimiert, wenn
wir es aussprechen wollen, ein Verbot?

Gerade für ein Verbot und im Übrigen auch für ent-
sprechende Einschränkungen gibt es – das bestreitet nie-
mand – manche Argumente:

Da ist zum einen der Schutz des embryonalen Le-
bens. Für mich – das will ich für meinen Teil ganz deut-
lich machen – ist es nicht streitig, dass das menschliche
Leben mit der Verschmelzung der beiden Keimzellen und
damit sowohl sein verfassungsrechtlicher als auch sein
moralisch gebotener Schutz beginnen. Man kann wissen-
schaftlich sicherlich darüber streiten, ob man den Zeit-
punkt noch früher ansetzen müsste. Nur, im Zusammen-
hang mit dem menschlichen Leben müssen
unterschiedliche Dinge gegeneinander abgewogen wer-
den. Wir Christen wissen sehr gut – das sage ich beson-
ders an Ihre Adresse, lieber Kollege Borchert, da Sie ganz
bewusst aus christlicher Sicht argumentiert haben –, dass
es mehr als die bloße physische Existenz gibt. Wir müs-
sen in der Praxis ohnehin auf vielfältige Weise zwischen
Leben und Leben abwägen.

Ein anderes Argument für die Rechtfertigung des Ver-
bots der verbrauchenden Embryonenforschung ist der
Schutz der Menschenwürde. Dazu möchte ich sagen:
Ich bezweifle sehr stark, dass die Blastozyste, also der
Frühzellverband, bereits ein würdefähiger Mensch ist. All
diejenigen, die schockiert sind, wenn man so etwas sagt,
rufe ich auf, sich um ein tieferes Verständnis der Dinge zu
bemühen. Es geht ja nicht darum, irgendwelche Behaup-
tungen tapfer zu wiederholen. Es geht vielmehr darum,

herauszubekommen, zu erfühlen oder für sich zu ent-
scheiden, was denn Würde im Kern wirklich bedeutet,
und die Frage zu beantworten, warum sie unter Gottes
Himmel nur dem Menschen und keinem anderen Ge-
schöpf, erst recht keiner anderen Sache, keinem einzelnen
Organ und im Übrigen auch keiner totipotenten Zelle, zu-
erkannt wird. Ich sage auch dies in Richtung derjenigen,
die besonders aus christlicher Sicht argumentieren. Em-
sige Dogmaverkündigung ersetzt jedenfalls nicht Über-
zeugungskraft.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU und der Abg. Christina Schenk [PDS])


Es geht also darum, abzuwägen, inwieweit die Schutz-
und Förderungsbelange des einen Guts bzw. Handlungs-
ziels zugunsten der des anderen zurückgedrängt werden
können. Das gilt auch für die empfindliche Stelle, über die
wir jetzt diskutieren, nämlich wenn es um den Import em-
bryonaler Stammzellen und die Forschung an ihnen geht.
Das müssten doch auch diejenigen – darauf ist schon hin-
gewiesen worden – spüren, die vehement für ein absolu-
tes Verbot streiten. Mir ist jedenfalls nie klar geworden,
wie man seinerzeit für eine – wie auch immer konditio-
nierte – Regelung des Schwangerschaftsabbruchs sein
konnte und jetzt vehement für ein striktes Verbot der
Stammzellenforschung eintreten kann.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU und der Abg. Christina Schenk [PDS])


Bei dem von mir skizzierten Abwägungsprozess – um
ihn kommen wir nicht herum; ich glaube, dass Roman
Herzog völlig Recht hat, wenn er vor absoluten Verboten
warnt, weil diese das Ende jeder Argumentation seien –
mag man je nach subjektiver Gewichtung der Vektoren
und je nach weltanschaulicher bzw. religiöser Grundaus-
richtung zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Das
ist klar. Deshalb habe ich die größte Achtung vor der Ent-
scheidung derjenigen Kollegen, die eine andere Position
vertreten. Ich jedenfalls kann an der Verwendung frühes-
ter, noch gänzlich individuumsferner Zellsubstanzen für
hochwertige, ernsthafte Ziele nichts per se Verwerfliches
erkennen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der PDS)


Es geht ja nicht um Ausforschung um der Ausfor-
schung willen, nicht um die Entschlüsselung irgendwel-
cher Geheimnisse um der Neugier willen, sondern um das
Vorankommen der Forschung auf medizinisch-therapeu-
tischem Feld. Von der Ethik des Heilens ist bereits ge-
sprochen worden. Auch darüber müssen wir uns ernsthaft
Gedanken machen. Es sollen überhaupt nur – die Termi-
nologie wirkt hier zugegebenermaßen etwas gewalttätig –
so genannte überzählige oder verwaiste Embryonen für
Forschungszwecke herangezogen werden, die sonst, wie
es einmal von einem hoch gestellten Juristen formuliert
worden ist, in das ewige Eis verbannt sind, also keine Per-
spektive auf wirkliche Individualität und Menschenwürde
haben. Sie, Herr Hintze, haben ja auch schon darauf hin-
gewiesen.




Präsident Wolfgang Thierse

21211


(C)



(D)



(A)



(B)


Deshalb entscheide ich mich – ich bin dankbar, das hier
einmal deutlich und klar dartun zu können – für ein kon-
ditioniertes Freihalten entsprechender Forschung, für
einen möglichen Fortschritt. Dieser Fortschritt ist nur
möglich. Niemand verspricht ihn fest. Aber eine solche
Perspektive ist auf dem medizinisch-therapeutischen
Feld vorhanden. Wichtige Elemente dieser Freihaltung
der Forschung, die in dem entsprechenden Antrag der
Kollegin Flach und anderen enthalten sind, sind die strikte
Begründungsnotwendigkeit, die Meldeauflage, die Insti-
tutionenlizenz etc.

Ich glaube, dass nur der Weg einer verantwortlichen,
freien Forschung unserem zivilisatorischen Vorankom-
mensanspruch, unserem Verbesserungsanspruch und un-
serem Anspruch, nicht stehen bleiben zu wollen, gerecht
werden kann. Wenn man davon nicht überzeugt ist, sollte
man bei dieser Gewissensfrage nicht so votieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1421402700
Ich erteile dem Kolle-
gen Ernst Ulrich von Weizsäcker das Wort.


Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker (SPD):
Rede ID: ID1421402800
Herr Präsi-
dent! Frau Dahl! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Ich sehe alle drei Anträge als ethisch gut begründet
und motiviert an. Es ist niemandem, der sich einem der
Anträge angeschlossen hat, vorzuwerfen, sich die Frage
ethisch leicht gemacht oder sich gar aus niederen Motiven
entschieden zu haben.


(V o r s i t z: Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters)


Ich gestatte mir, insbesondere für den Antrag, der den
Namen von Margot von Renesse trägt, diese positive Ein-
schätzung zum Ausdruck zu bringen. Anfangs war ich
durchaus in der Versuchung, mich dieser Initiative
anzuschließen. Doch was hat mich dazu gebracht, mich
schließlich gegen eine Importerlaubnis auszusprechen?
Mich hat einiges an der medizinischen Argumentation
bei Befürwortern des Imports, nicht zuletzt in der Wis-
senschaftlergemeinde, gestört.


(Beifall der Abg. Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Da spricht man, oft mit Fotos von bedauernswerten
Kranken unterlegt, von Heilungschancen bekannter
Krankheiten. Oft wird der Mund ziemlich voll genom-
men. Dabei sind die nahe liegenden Heilungschancen
heute ausschließlich bei ausgereiften adulten Stamm-
zellen zu suchen,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


zumal man bei der Übertragung von embryonalen Stamm-
zellen ein echtes Tumorrisiko eingeht, weswegen dies
heute auch kein Arzt tun würde.

Der Vorzug der embryonalen Stammzellen ist, zumin-
dest heute, ein rein wissenschaftlicher. Mit ihnen können
bestimmte Fragen der Zelldifferenzierung und deren
Steuerung besser untersucht werden. In Zukunft können
hieraus auch Heilungschancen erwachsen. Aber diese
Grundlagenforschung lässt sich mit embryonalen Stamm-
zellen von Primaten, zum Beispiel Weißbüscheläffchen,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


größtenteils genauso gut durchführen.

(Margot von Renesse [SPD]: Dann gibt es auch kein Importproblem mehr!)

– Hier gibt es in der Tat kein Importproblem.


(Margot von Renesse [SPD]: Und keine Genehmigung!)


Sollte sich nach Jahren der Grundlagenforschung im
In- und Ausland ein starker Hinweis auf eine verbesserte
Chance auf Heilung bestimmter Krankheiten ergeben,
dann wäre ich bereit, meine derzeitige Haltung zu re-
vidieren und im Sinne des Antrags von Renesse eine sehr
vorsichtige Öffnung der Forschung an vorhandenen, an-
sonsten todgeweihten embryonalen Stammzellen zuzu-
lassen. Wenn die Heilungschancen konkretisiert sind,
würde ich dieser Argumentation zustimmen.

Tut man dies aber beim heutigen Stand der Erkennt-
nisse, also bereits auf vagen Verdacht hin, dann ist nach
meiner Befürchtung eine ethische Rutschpartie program-
miert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der PDS)


Einen vagen Verdacht späterer medizinischer Nützlich-
keit kann ein ehrgeiziges Forscherteam eigentlich immer
konstruieren.

Ich höre den Einwand, dass die Wissenschaft in
Deutschland verkümmere, wenn man im Ausland etwas
darf, was hierzulande verboten ist. Gut – das Argument
„Wissenschaftsstandort Deutschland“ ist für mich das
seriöseste von denen, die für den Stammzellenimport
sprechen. Nicht etwa, weil die Forschung mit mensch-
lichen embryonalen Stammzellen eine so zentrale Stel-
lung einnähme, sondern weil die Debatte der letzten Mo-
nate sie zu einem Symbolfall der Forschungsfreiheit
hochstilisiert hat.

Mein Einwand bleibt aber, dass es Tausende faszi-
nierender wissenschaftlicher Fragestellungen mit me-
dizinischer Relevanz auch im Bereich der erlaubten
Stammzellforschung gibt. In dieser Lage ausgerechnet
diejenigen Fragen zum Symbolfall der Freiheit zu ma-
chen, bei denen viele Menschen starke ethische Bedenken
haben, ist nicht gut.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/ CSU und der PDS)


Ich traue aus eigener wissenschaftlicher Kenntnis der
deutschen Lebenswissenschaft zu, auf höchstem interna-




Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
21212


(C)



(D)



(A)



(B)


tionalen Niveau ohne Verletzung ethischer Bedenken zur
Mehrung des Wissens um die Heilung von Kranken bei-
zutragen. Das ist ein Weg, der nicht zu Spaltungen führt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS – Margot von Renesse [SPD]: Den kann der Gesetzgeber nicht vorschreiben! Art. 5!)


Es ist der Weg, der eine breite Akzeptanz der Wissen-
schaft in unserem Volk sichert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421402900
Ich erteile
das Wort der Kollegin Petra Bläss.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1421403000
Herr Präsident! Liebe Kollegin-
nen und Kollegen! Der heutigen Entscheidung ist eine
einzigartige und breite gesellschaftliche bioethische De-
batte vorausgegangen, die mit der heutigen Beschluss-
fassung nicht abgeschlossen wird – im Gegenteil.

Die von uns jetzt zu beantwortende Teilfrage, ob der
Import embryonaler Stammzellen zugelassen werden
soll, verlangt eine Gewissensentscheidung von jeder und
jedem von uns, die uns in ethischer Hinsicht eine un-
geheure Verantwortung aufbürdet. Die Zuschriftenflut,
die uns Abgeordnete in den letzten Tagen erreicht hat,
zeugt von der Relevanz, die dieses Thema für die Men-
schen in diesem Lande hat. Als Politikerinnen und Poli-
tiker sind wir verpflichtet, Hoffnungen und Sorgen ernst
zu nehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es heute
mit einer Entscheidung zu tun, bei der keine Seite ruhigen
Gewissens sagen kann, was in der Konsequenz daraus
folgt. Die bisherige Debatte war von hoher Qualität und
politischer Kultur gekennzeichnet; davon zeugen sowohl
die fraktionsübergreifenden Bündnisse als auch die ge-
genseitige Akzeptanz unterschiedlicher Sichtweisen. Eins
aber ist in der Debatte immer deutlicher geworden: Bei
der Entscheidung über eine Zulassung ist nur ein klares Ja
oder ein klares Nein möglich, ein „Nein, aber“ oder ein
„Ja, aber“ sind grundsätzlich auch ein Ja. Hier gibt es kei-
nen Kompromiss.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich spreche mich klar gegen die Zulassung des Imports
embryonaler Stammzellen aus.

Die Frau spielt in der ganzen Debatte eine unter-
geordnete Rolle; dabei geht es doch um sie: um ihre Ge-
sundheit und darum, dass nur sie das Ausgangsmaterial
für die embryonale Stammzellenforschung, nämlich die
Eizelle, liefern kann – im Übrigen unter Inkaufnahme ho-
her gesundheitlicher Risiken aufgrund der notwendigen
hormonellen Stimulation. Davon ist leider nirgendwo die
Rede gewesen.

Keine und keiner kann heute sagen, ob ihre oder seine
Entscheidung in einem Jahr noch richtig ist. Die, die heute

Ja sagen, können sich irren; die, die heute Nein sagen,
können sich ebenso irren. Doch ein Ja bringt die große
Gefahr mit sich, dass die Entscheidung, wenn sie sich als
Irrtum herausstellt, nicht rückgängig zu machen ist, dass
eine Tür geöffnet wird, die möglicherweise nicht wieder
zu schließen ist.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bei einem Nein könnten wir, wenn sich unsere heutige
Entscheidung als Irrtum herausstellt, immerhin noch spä-
ter die Tür aufmachen.

Worum geht es bei der notwendigen Entscheidung?
Doch nicht darum, heute Kranken Heilungschancen zu
versprechen. Bei allem Verständnis für die Argumente,
die für eine Zulassung des Imports embryonaler Stamm-
zellen sprechen, kann ich ihm nicht zustimmen, weil da-
mit auch und vor allem ein Paradigmenwechsel in der
Fortpflanzungsmedizin eingeleitet werden würde. Wer für
die Importzulassung stimmt, stimmt für die Vernutzung
der Eizelle und damit der Frau. Die Frau wird so zur Lie-
ferantin eines Rohstoffs, der für Forschungszwecke ge-
nutzt wird, zur Spenderin eines potenziell auf dem Markt
gehandelten Gutes.

Ja, es besteht die Gefahr, dass hier ein Markt entsteht,
der kommerziellen Interessen folgt. Die Befürworte-
rinnen und Befürworter der Importzulassung kommen
zum Teil ganz offen mit dem Argument des Wirtschafts-
und Wissenschaftsstandorts. Ja, es gibt hier handfeste
wirtschaftliche Interessen, aber die dürfen meines Erach-
tens an dieser Stelle nicht ausschlaggebend sein, genauso
wenig wie das Gut der Forschungsfreiheit nicht losgelöst
vom ethischen Gebot der Verantwortung für die Folgen
betrachtet werden darf.

Unsere Debatte zeigt: Jede und jeder von uns ist ge-
zwungen, durchaus schlüssige Argumente pro und kontra
abzuwägen und letztlich eine Entscheidung zu treffen. Für
mich wiegen die Risiken und möglichen Gefahren, die mit
einer Zulassung des Imports embryonaler Stammzellen
verbunden sind, schwerer. Daher spreche ich mich klar
gegen eine Importzulassung aus.

Danke.

(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421403100
Ich gebe das
Wort dem Kollegen Werner Lensing.


Werner Lensing (CDU):
Rede ID: ID1421403200
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Kolleginnen! Meine Herren Kollegen! Un-
ter dem Eindruck der heutigen Debatte gestatten Sie mir
drei Grundaussagen.

Aussage eins. Die theologisch in der Zuwendung
Gottes zu den Menschen begründete Würde findet in der
heutigen Bundestagsdebatte ihren prägenden Ausdruck
sowohl in der Freiheit des Abgeordneten, zu einem




Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker

21213


(C)



(D)



(A)



(B)


eigenen Standpunkt zu finden, als auch in seiner ethischen
Verpflichtung, bereitwillig Verantwortung zu überneh-
men.

Aussage zwei. Wie uns bereits aus den Heilungsge-
schichten der Evangelisten bekannt ist, gehört die Zu-
wendung zum Kranken zu den Grund- und Kernbestän-
den christlicher Ethik. Von hier aus gewinnt die
therapeutisch begründete Grundlagenforschung eine zu-
sätzliche moralische und religiöse Rechtfertigung.

Aussage drei. Gleichwohl lehne ich eine Klassifi-
zierung der Kolleginnen und Kollegen, etwa nach der
Art: hier die angeblich fortschrittsfreundlichen Heilenden
und dort die vermeintlich fortschrittsfeindlichen Lebens-
schützer, eindeutig ab.


(Beifall des Abg. Carl-Ludwig Thiele [FDP])

Vor diesem Hintergrund komme ich zu einem Mittel-

weg zwischen den beiden Polen, die uns heute im We-
sentlichen beschäftigt haben. Aus meiner persönlichen
Überzeugung heraus, nach der der Mensch von Anfang an
Mensch ist, will ich versuchen, diesen Mittelweg zu be-
gründen.

Unser Antrag, der den Import, wie Sie wissen,
grundsätzlich verbietet und nur nach strengen Kriterien
Ausnahmen zulässt, unterstreicht die bestehende Rechts-
lage, nach der in Deutschland keine Embryonen zu
Forschungszwecken getötet werden dürfen. Der Antrag
der Befürworter eines vollständigen Importverbots be-
rücksichtigt, zumindest aus meiner Sicht, zwar unein-
geschränkt die Rechte des Embryos, aber er unterschei-
det nicht präzise genug zwischen Embryonen und Stamm-
zellen und grenzt dadurch grundgesetzlich geschützte Po-
sitionen wie die der Forschungsfreiheit aus.

Deswegen möchte ich, auch anbindend an die Aus-
führungen meiner Kolleginnen Maria Böhmer und Frau
Renesse, weil es für mich und erst recht für all diejenigen
ganz wichtig ist, die eventuell noch überlegen, welchem
Antrag sie denn zustimmen sollen, mit Deutlichkeit fest-
stellen: Pluripotente Stammzellen sind keine Embryo-
nen. Aus solchen Stammzellen können auch keine Em-
bryonen erwachsen. Wer embryonale Stammzellen
importiert, begeht damit keine Tötung von Embryonen
und verstößt insofern auch nicht gegen den Geist unseres
Embryonenschutzgesetzes.

Vielmehr bedeutet der Tod des Embryos eine Zäsur,
mit der das – zugegebenermaßen – ethisch wie grundge-
setzlich begründete Lebensrecht des Embryos zwangsläu-
fig endet. Dies muss bei der ethischen wie auch bei der
rechtlichen Beurteilung beachtet und darf nicht miteinan-
der vermengt werden. Insofern ist es nicht nachvollzieh-
bar, wenn ein vermeintlich zwingend erforderliches recht-
liches Verbot des Imports von humanen embryonalen
Stammzellen mit einer ethischen Argumentation begrün-
det wird, die ihre Grundlage ausschließlich in dem Hin-
weis auf die Tötung von Embryonen findet.

Gegen unseren Antrag – das möchte ich hier sehr offen
sagen – hörte ich wiederholt das schlichte Argument: Der
Hehler ist ebenso schlimm wie der Stehler. Dieser Hin-
weis ist völlig unzutreffend. Ich will das begründen. Ein

Hehler schafft durch die von ihm gebotene Absatzmög-
lichkeit gerade den Anreiz für den Dieb, eine Sache zu
stehlen. Mit unserem Antrag hingegen werden, insbeson-
dere durch die Stichtagsregelung, sämtliche Anreize zur
Tötung von Embryonen für den Import nach Deutschland
genommen. Zudem – auch das ist mir besonders wichtig –
verbietet die christliche Ethik ausdrücklich nicht, aus
Sachverhalten, die durch Unrecht entstanden sind, neue
Erkenntnisse zu gewinnen, solange hierdurch nicht der
Eindruck einer nachträglichen Legitimierung der Un-
rechtstat entsteht.

Lassen Sie mich nach all den grundsätzlichen Bemer-
kungen und Erwägungen drei Punkte ganz pragmatisch
ansprechen. Da ist zunächst einmal der Hinweis auf den
befürchteten Dammbruch.Angesichts der geltenden Ge-
setzeslage, in der ein Import humaner embryonaler
Stammzellen grundsätzlich und ohne Beschränkung mög-
lich ist, wird erst durch ein grundsätzliches Verbot, auch
wenn es einen Erlaubnisvorbehalt enthält, ein Damm er-
richtet, der auch zukünftig mit dem Hinweis auf den not-
wendigen Embryonenschutz gehalten werden kann.

Eine weiterer Punkt ist die Stichtagsregelung.Die von
uns vorgesehene Regelung stellt sicher, dass dem Em-
bryonenschutzgesetz gebührend Rechnung getragen wird
und der Verbrauch von Embryonen weiterhin verboten
bleibt. Durch die Stichtagsregelung wird zugleich jeder
Anreiz genommen, humane embryonale Stammzellen im
Ausland durch Tötung von Embryonen zu gewinnen, da-
mit sie nach Deutschland exportiert werden können.

Schließlich ist das Argument von der Doppelmoral ein
wichtiger Punkt. Dieses Argument wurde heute schon
wiederholt angeführt. Weil ich es persönlich für so wich-
tig erachte, gestatten Sie mir diesen deutlichen Hinweis.
Doppelmoral wäre es, wenn man durch ein Verbot der
Stammzellenforschung ausschließt, dass die deutsche
Forschung einen Beitrag zur Entwicklung des Wissens
auf diesem Gebiet leistet, sich aber vorbehält, die thera-
peutischen Optionen selbst zu nutzen. Dass nämlich sol-
che Optionen auch deutschen Patienten zugute kommen
müssten, dürfte ein jeder zugestehen, auch derjenige, der
der Stammzellenforschung grundsätzlich skeptisch ge-
genübersteht. Im Übrigen dürfte sich die Annahme, dass
sich eine Übernahme möglicher Forschungsergebnisse
ausschließen lässt, als völlig illusorisch erweisen.

Meine Damen und Herren, keine der heute im Zusam-
menhang mit der Forschung an embryonalen Stamm-
zellen vertretenen Positionen kommt ohne persönliche
Güterabwägung und ohne persönliche Entscheidung aus.
Jede Entscheidung muss Risiken in Kauf nehmen, Risi-
ken, die letztlich nicht mehr – egal, auf welchem Stand-
punkt ich auch stehen mag – voll kontrollierbar sind. Ich
persönlich glaube, dass unser vorgelegtes Konzept auf
dem hohen Stellenwert, der dem Schutz unserer Embryo-
nen gebührt, beruht und dass wir mit diesem Konzept eine
verbrauchende Embryonenforschung ablehnen, aber zu-
gleich die Hoffnung und die Chancen auf Heilung beför-
dern.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)





Werner Lensing
21214


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421403300
Ich erteile
der Kollegin Pia Maier das Wort.


Pia Maier (PDS):
Rede ID: ID1421403400
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Wenn mir vor einigen Jahren die Position
begegnete, das Leben beginne mit der Verschmelzung von
Samen und Ei, wurde das immer mit dem Gebot „Du darfst
nicht töten“ und mit der absoluten Schutzwürdigkeit des
Lebens verknüpft und als Argument gegen Abtreibung he-
rangezogen. In der damaligen Auseinandersetzung mit
dieser Position kam ich zu der Grundüberzeugung, dass
nicht nur die Verschmelzung von Ei und Samen den
Lebensbeginn und die Schutzwürdigkeit begründen, son-
dern dass der zweite Schritt ein ebenso elementarer ist: die
Einnistung in die Gebärmutter und die Entscheidung der
Frau für eine Schwangerschaft.

Der Mensch ist nicht nur ein biologisches, sondern
auch ein soziales Wesen.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der FDP)


Das gilt nicht nur im Körper, sondern auch außerhalb. Der
Embryo im Reagenzglas sollte ebenso geschützt sein wie
der im weiblichen Körper, aber eben nur genauso und
nicht weitergehend. Dieser Grundüberzeugung folge ich
auch heute, indem ich für den Antrag der Kolleginnen und
Kollegen Flach, Hintze und Reiche votieren werde, den
ich und auch andere PDS-Abgeordnete gern mit unter-
stützt hätten.

Dieser Grundüberzeugung folge ich, indem ich von ei-
nem Konzept der abgestuften Schutzwürdigkeit des
menschlichen Lebens ausgehe. In den ersten 14 Tagen,
also vor dem Zeitpunkt der Einnistung, ist das befruchtete
Ei kein x-beliebiger Forschungsgegenstand; aber es muss
nicht um jeden Preis am Leben gehalten werden. Es han-
delt sich um potenzielles Leben.

Die Forschung mit embryonalen Stammzellen bedeu-
tet, den Embryo, aus dem sie gewonnen werden, zu nut-
zen. Aber dennoch und in vollem Bewusstsein dessen
sage ich: Die Forschung an ihm und mit ihm kann unter
bestimmten Bedingungen zugelassen werden.


(Beifall der Abg. Ulrike Flach [FDP])

Zentrale Bedingungen sind dabei der Kinderwunsch und
das hochrangige Forschungsinteresse. Die Forschung
muss dem Interesse Kranker, dem Interesse an Heilung
dienen, und zwar nicht nur derjenigen, die sich das leisten
können.

Forschung, die potenzielles menschliches Leben ver-
braucht, benötigt gute Gründe. Jedes einzelne Forschungs-
vorhaben muss entsprechend geprüft werden. Forschung
kann zugelassen werden, wenn die Eltern zugestimmt ha-
ben, wenn Transparenz und Öffentlichkeit gewahrt sind
und wenn der Embryo – wie eben erwähnt – ursprünglich
wegen eines Kinderwunsches entstand.

Mit diesen Bedingungen sind meiner Meinung nach
die Befürchtungen ausgehebelt, die hier unter dem Stich-
wort „Selbstbestimmungsrecht der Frau“ vorgebracht
werden. Wenn der Kinderwunsch und die Zustimmung

Voraussetzung sind, werden Frauen nicht zu Eispenderin-
nen gemacht, werden ihre Körper nicht zu Ersatzteil-
lagern, werden sie nicht gegen ihren Willen oder aus
Geldnot in eine Hormonbehandlung getrieben. Denn das
will auch ich nicht. Das zu verhindern ist unsere Aufgabe.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der FDP)


Zum Selbstbestimmungsrecht der Frau gehört nach
meinem Verständnis auch, dass sie sich selbst entscheidet:
für oder gegen Kinder, für oder gegen eine Hormon-
behandlung, für oder gegen die Verwendung ihrer Eizel-
len zur Forschung.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Zum Selbstbestimmungsrecht der Frau gehört, sich selbst
zu entscheiden, und nicht, den Frauen fürsorglich eine Ent-
scheidung durch ein vorsorgliches Verbot abzunehmen.


(Beifall bei der PDS)

Lassen Sie mich zum Schluss Dürrenmatts „Die Phy-

siker“ zu Hilfe nehmen: Dürrenmatt gelangt in seinem
Stück zu dem Schluss, dass eine Erkenntnis, die einmal in
der Welt ist, nicht ungeschehen gemacht werden kann.
Man muss lernen, mit dieser Erkenntnis zu leben.

Die Forschung an embryonalen Stammzellen ist in der
Welt. Es ist besser, diese Forschung hier geregelt zuzulas-
sen, hier mit Gesetzen die in diesem Zusammenhang ge-
wonnenen Erkenntnisse in geeignete Bahnen zu leiten.
Sonst treiben wir die, die mit embryonalen menschlichen
Stammzellen forschen wollen, in andere Länder, in Län-
der, die sich aus Geldnot und aus anderen Gründen eine
Regulierung bzw. eine Begrenzung nicht leisten können
und die andere ethische Maßstäbe setzen als wir. Das wäre
der falsche Umgang mit dieser Forschung.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und der FDP)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421403500
Es spricht
die Kollegin Christa Nickels.


Christa Nickels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1421403600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ka-
tholische Rheinländerin muss ich mich wirklich wundern,
mit welch überzogener Heilserwartung seit Jahr und Tag
auf die Forschung an embryonalen Stammzellen geblickt
wird. Zu den Versprechungen, die im Hinblick auf eine
Forschung gemacht werden, die sich noch absolut im Sta-
dium der Grundlagenforschung befindet, und der damit
verbundenen Wundersehnsüchtigkeit und Erwartungen
kann ich nur sagen, dass im Vergleich dazu Pilger, die an
einer Marienprozession teilnehmen und über die ja viele
lachen, wirklich staubtrockene Realisten sind.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/ CSU und der PDS)


Vergessen wir nicht – das sagen Herr Brüstle und alle
anderen –: Die embryonale Stammzellenforschung ist im






(C)



(D)



(A)



(B)


Stadium der absoluten Grundlagenforschung.Alle For-
scher sagen: Wir brauchen mindestens noch zehn Jahre,
bis wir Aussagen darüber treffen können,


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist aber kein Grundargument!)


ob es überhaupt ein therapeutisches Potenzial geben wird.
Es macht mich traurig, dass man das Leiden von Men-
schen mit schweren Krankheiten funktionalisiert und
durch einen möglichen Eintritt in die Forschung an em-
bryonalen Stammzellen bei ihnen unglaubliche Erwartun-
gen weckt, die nicht gedeckt sind.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/ CSU und der PDS)


Wir leiten unglaubliche Mengen an Kapital in die Le-
benswissenschaften. Die Bundesregierung hat im Januar
2001 ein Fünfjahresprogramm zur Förderung der
Bio-Technologie mit einem Gesamtetat von 1,5 Milliar-
den DM aufgelegt. Das ist eine riesige Summe, die für
diese Forschung eingesetzt wird. Dazu kommen 350 Mil-
lionen DM für die Genomforschung. Dem gegenüber ste-
hen die großen Volkskrankheiten, die gut erforscht sind
und die durch Prävention, gesunde Lebensweise und eine
gesunde Arbeitsumwelt drastisch zurückgefahren wer-
den könnten. Gegen die oben erwähnten Summen neh-
men sich – um nur einige zu erwähnen – die 1,5 Milli-
onen DM für das Aktionsprogramm für Umwelt und
Gesundheit und die 4,8 Millionen DM für den Kinder-
und Jugendgesundheitssurvey klein aus. Mit diesem
Geld könnte man bei vielen Volkskrankheiten sehr
schnell Heilung und Linderung schaffen. So viel zu dem
Argument, dass wir nicht für die Heilung von Menschen
seien.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/ CSU und der PDS)


Es gibt eine ethisch unbedenkliche Alternative. Es ist
nicht so, dass die Forschung an embryonalen Stammzel-
len alternativlos ist. Bei der Forschung an adulten
Stammzellen gibt es viele der Nebenwirkungen nicht, die
es bei embryonalen Stammzellen gibt, wie etwa die Tu-
morbildung. Auch gibt es keine Abstoßungsreaktionen.
Wenn man Nabelschnurblut von jedem Neugeborenen
entnehmen würde, könnte man für jeden Menschen eine
entsprechende Heilungsoption schaffen. Hier muss
massiv investiert werden. Hier ist Deutschland Spitze.
Hierauf muss man alle Kraft lenken. Wir haben – wie ge-
sagt – zehn Jahre Zeit.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/ CSU und der PDS)


Zu den Kolleginnen Renesse, Böhmer und Fischer –
ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das Menschenbild des
Grundgesetzes ausdrücklich bestätigen; das ist sehr
wichtig. Zu dem Argument, dass wir uns jetzt in einer Si-
tuation befinden, in der wir eine Brücke bauen und mit be-
stimmten Zellen forschen wollen, sage ich: Eine Brücke
ist kein Ort, an dem man verweilen kann. Man muss ent-

weder zurück- oder weitergehen. Wer, der diesen Weg
geht, wird denn in dem Augenblick, in dem eine thera-
peutische Möglichkeit erkennbar wird, zurückgehen? Das
ist meiner Meinung nach eine Illusion und für mich ein
Grund dafür, zu sagen: Wir müssen alle Kraft auf die For-
schung mit adulten Stammzellen setzen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/ CSU und der PDS)


Auch denjenigen, die sagen, was in der Welt ist, muss
man nutzen, man kann es nicht einfach ungenutzt liegen
lassen, sage ich: Wir als Koalitionsfraktionen haben ge-
rade den Ausstieg aus der Atomenergie eingeleitet,


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

weil sie mit unübersehbaren Risiken für Millionen von
Menschen behaftet ist. Ich sehe nicht ein, in eine Risiko-
technologie, deren Auswirkungen auf das menschliche
Leben erst über Generationen hinweg sichtbar werden,
einzusteigen. Es gibt diese Forschung in Deutschland
nicht. Es besteht keine Notwendigkeit dafür.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/ CSU und der PDS)


Ich stimme Frau von Renesse ausdrücklich darin zu,
dass sich Würde auf Freiheit begründet. Sie begründet
sich aber nicht auf schrankenloser Freiheit, Frau von
Renesse. Würde begründet sich auch darauf, dass wir der
Freiheit Grenzen setzen können, die ethisch begründet
sind. Für mich ist es sehr wichtig, dass wir an einem Men-
schenbild festhalten, das den Menschen in all seinen Da-
seinsformen, sei es mikroskopisch klein, sei es hilflos,
unnütz, krank oder alt, die Würde nicht abspricht.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag, der ge-
währleistet und sicherstellt, dass wir keine Nachfolge-
zwänge schaffen. Denn wenn die Forschung an embryo-
nalen Stammzellen einmal genutzt wird, wird es sehr
schwer, hier wieder eine Grenze zu ziehen.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/ CSU und der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421403700
Ich gebe der
Kollegin Regina Schmidt-Zadel das Wort.


Regina Schmidt-Zadel (SPD):
Rede ID: ID1421403800
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Neue wissenschaftliche Er-
kenntnisse und technische Möglichkeiten stellen uns – das
hat die Diskussion heute gezeigt – vor grundsätzliche Fra-
gen und auch Herausforderungen: Wie gehen wir mit der
Gattung Mensch um? Was bedeutet Fortschritt heute? Wo
beginnt und wo endet die Ethik des Heilens?

In den vergangenen Monaten – viele Vorrednerinnen
und Vorredner haben darauf hingewiesen – wurde ver-
stärkt die Hoffnung geweckt, dass unter Verwendung em-
bryonaler Stammzellen schwerste Krankheiten geheilt




Christa Nickels
21216


(C)



(D)



(A)



(B)


werden könnten. Der entsprechende Beweis steht bis
heute aus. Im Gegensatz dazu besteht die Möglichkeit,
dass die Verwendung embryonaler Stammzellen im Hin-
blick auf alternative therapeutische Möglichkeiten nur ein
Hilfsmittel auf Zeit wäre. Es gibt fundierte wissenschaft-
liche Anhaltspunkte dafür, dass eine zielführende Grund-
lagenforschung mit adulten Stammzellen im Hinblick
auf die Therapie bisher nicht behandelbarer Krankhei-
ten ein Erfolg versprechender Weg ist; Ernst Ulrich
von Weizsäcker hat darauf hingewiesen.

Viele Menschen versprechen sich von Fortschritten in
der Bio- und Gentechnik in erster Linie eine Heilung von
schweren und schwersten Krankheiten wie Morbus Par-
kinson, Alzheimer, MS, Herzinfarkt oder Diabetes mel-
litus. Für Hoffnung auf Heilung ist es grundsätzlich zu
früh, da konkrete Studien am Menschen frühestens in
etwa drei bis fünf Jahren, wahrscheinlich aber erst sehr
viel später vorliegen werden.

Ich denke – auch das will ich ausdrücklich sagen –,
dass es der falsche Weg ist, denjenigen, die einen anderen
Antrag unterschrieben haben bzw. befürworten, zu unter-
stellen, dass sie gegen Therapie oder Heilung von Krank-
heiten sind. Das sollten wir uns heute nicht erlauben und
das sollte auch nicht Sinn dieser Diskussion sein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Ich will meinen ganz persönlichen Standpunkt darstel-
len: Der Import von Stammzellen, die aus menschlichen
Embryonen gewonnen wurden, ist aus meiner Sicht
ethisch nicht zu vertreten. Eine Produktion dieser Stamm-
zelllinien ist mit der Manipulation an menschlichen
Stammzellen verbunden. Der Import embryonaler Stamm-
zellen wäre ein Verstoß gegen den Konsens über den un-
eingeschränkten Schutz menschlicher Embryonen, der
1990 vom Bundestag beschlossen wurde. Das Grund-
gesetz stellt den Schutz der Menschenwürde und des Le-
bens über alle Gesetze. Nur die direkte Bedrohung, nicht
aber an fernen Zielen ausgerichtete Grundlagenforschung
kann das Recht auf Leben einschränken.


(Beifall der Abg. Monika Knoche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Meine Damen und Herren, die Forschungsfreiheit hat
ihre Grenzen. Deswegen unterstütze ich den Antrag, der
von Wolfgang Wodarg und anderen eingebracht wurde.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421403900
Das Wort
hat der Kollege Hubert Hüppe.


Hubert Hüppe (CDU):
Rede ID: ID1421404000
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Heute fällt sicherlich eine der wich-
tigsten Entscheidungen im Deutschen Bundestag. Ich
habe vieles gehört – ich wohne dieser Debatte von Anfang
an bei – und es ist deutlich geworden, dass fast alle – egal,
welchen Antrag sie unterstützen – davon ausgehen, dass
es sich beim Embryo um menschliches Leben handelt.
Die Konsequenz daraus ist, dass wir heute darüber ent-

scheiden – das ist der eigentliche Punkt –, ob man in
Deutschland für Grundlagenforschung menschliches
Leben töten oder mit Material arbeiten darf, für das
menschliches Leben getötet wurde. Das ist die eigentliche
Entscheidung.

Herr Schmidt-Jortzig, den ich aufgrund vieler anderer
Debatten ansonsten sehr schätze, hat gerade gesagt, es
gebe kein grundsätzliches Verbot, das weiterhelfen
würde. Ich glaube, es gibt ein solches grundsätzliches
Verbot. Dieses grundsätzliche Verbot steht ganz oben in
der Verfassung. Wir können dieses Verbot auch nicht mit
einer Dreiviertelmehrheit des Bundestages aufheben. Es
besagt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Es steht dort nicht: Die Würde des Menschen ist unan-
tastbar – Klammer auf –, es sei denn, im Ausland wird sie
auch angetastet – Klammer zu. Es steht dort auch nicht,
dass die Würde der Person oder des individuellen Men-
schen unantastbar ist. Das Schutzkonzept beinhaltet, dass
jeder Mensch unantastbar ist, weil er Mensch ist. Das ist
die einzige Voraussetzung. Alles andere wird gefährlich.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch heute – ich habe genau zugehört – wurden, im-
mer wieder, zwar keine Heilungsversprechen gegeben,
aber ganz nebenbei doch Perspektiven zu Parkinson, Dia-
betes, Alzheimer und Multipler Sklerose aufgezeigt.
Noch vor einer Woche – ich bitte darum, das einfach ein-
mal zur Kenntnis zu nehmen – hat die „Ärztezeitung“ auf-
grund neuer Forschungsergebnisse deutlich gemacht: Es
gibt überhaupt keinen Ansatz, bei Multipler Sklerose auf
Stammzellforschung, auch nicht – leider – auf die For-
schung mit erwachsenen Stammzellen zurückzugreifen.
Das muss man einmal sagen.

Ich finde das deswegen so schlimm, weil viele kranke
Menschen, die zum Beispiel vor den Fernsehern die De-
batte verfolgen, natürlich nach jedem Halm greifen, der
ihnen hingehalten wird. Diese Hoffnungen sind einfach
nicht zu erfüllen. Deswegen darf ich Sie bitten, sich da
sehr zurückzuhalten.


(Beifall des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/CSU])


Es ist interessant, dass viel davon gesprochen wird,
behinderten und kranken Menschen helfen zu wollen.
Wenn Sie die Stellungnahmen der großen Behinderten-
verbände und auch der Zusammenschlüsse gelesen ha-
ben, werden Sie feststellen, dass es fast keinen Behinder-
tenverband gibt, der die Forschung an embryonalen
Stammzellen will. Weder die Bundesvereinigung „Le-
benshilfe“ noch ein anderer Verband wollen das.

Warum ist das so? Das ist deswegen so, weil sie Angst
davor haben, dass bei dem Vorgehen, der Zweck heiligt
die Mittel, möglicherweise auch andere Personengruppen
in die Forschung einbezogen werden, die angeblich keine
Menschenwürde mehr hätten, weil sie geistig behindert
oder altersdement sind.

Ich will noch eines sagen, das zwar nicht von den Red-
nern, aber oft in der Öffentlichkeit genannt wird. Viele




Regina Schmidt-Zadel

21217


(C)



(D)



(A)



(B)


Behinderten- und Patientengruppen wären dankbar, wenn
sie so viel Aufmerksamkeit für ihre heutigen Probleme in
Heimen, in Pflegeheimen wie diejenigen bekämen, die
jetzt von Forschungsperspektiven für die nächsten 10, 20
oder 50 Jahre reden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Wenn wir heute dem Import zustimmen, wird es sich
nicht dabei bewenden lassen, sondern es wird weitergehen.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat dies darge-
stellt. Sie hat gesagt, sie will jetzt erst einmal den Import.
Sie hat aber auch klar gemacht, dass sie danach sofort ei-
gene Stammzelllinien in Deutschland produzieren will.

Wer heute die Tür öffnet, wird sie nie wieder schließen
können. Deswegen darf ich Sie bitten, den Antrag des
Kollegen Kues und anderer zu unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421404100
Das Wort
hat der Kollege Ernst Dieter Rossmann.


Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1421404200
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im deutschen Parla-
ment haben wir mit dem Grundgesetz, dem Embryonen-
schutzgesetz und der Gesetzgebung zum § 218 StGB ei-
nen Konsens in der Gesellschaft herbeigeführt, der Werte
gesetzt hat. Ich möchte fragen: Ist es nicht tatsächlich eine
Nachfrage wert, ob es nicht zu diesem Konsens gehörte,
dass wir die Bestimmung eines menschlichen Embryos
– egal, in welchem Zustand seiner Entwicklung – immer
in dem Zweck gesehen haben, zu einem eigenen Leben
werden zu können? So hat es die Schöpfung vorgesehen
und so haben wir es respektiert. Oder ein Embryo muss
absterben, so wie es die Schöpfung vorgesehen hat. Wir
als Menschen haben nicht das Recht, in diese natürliche
Zweckbestimmung der individuellen Menschwerdung
mit anderen Zwecken – und seien sie noch so hochran-
gig – einzugreifen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Monika Knoche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ausgenommen – das ist in der Geschichte dieser Re-
publik zu einem Konsens gewachsen – ist das Recht der
Frau.Dieses Recht der Frau leitet sich aus ihrer ganz per-
sönlichen, individuellen und existenziellen Verhaftung
und Verknüpfung mit entstehendem Leben ab. Aber, Frau
Maier und andere, die es angesprochen haben: Das Recht
der Frau leitet sich nicht so weit ab, dass sie andere
Zwecke als die Zwecke, die sich mit entstehendem Leben
und ihrer Existenz verbinden, einbringen kann.


(Beifall der Abg. Monika Knoche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und des Abg. Rolf Kutzmutz [PDS] – Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Richtig!)


Das ist für meine Begriffe die Sorge um den Damm-
bruch, der dazu führen kann, dass sich an dieser Stelle in
den Köpfen von Menschen in dieser Gesellschaft etwas
verändert. Auch in der Entwicklung der Biomedizin ha-
ben wir den Menschen viel an neuer Entwicklung abver-
langt. Aber das hat sich immer darauf bezogen, sich an
menschlichem Leben, an der Ermöglichung von mensch-
lichem Leben, von Schwangerschaft und Elternschaft bei
Menschen zu orientieren. Jetzt kommt ein anderer Zweck
hinzu, und zwar der Zweck von Dritten und von Heilung.
Es können auch noch andere Zwecke hinzukommen. Wir
müssen uns überlegen, ob wir das zulassen wollen.

Ich bin dafür, dass wir es im Bild belassen: Ein in klei-
nem Umfang gebrochenes Tabu ist ein gebrochenes Tabu.
Ein Fenster, das ein Stück weit geöffnet ist, ist ein offenes
Fenster. Wir sollten an der Kraft von modernen Tabus
festhalten. Das mag nicht von allen so gesehen werden.

Wir sind aufgerufen, uns hinsichtlich möglicher ei-
gener Widersprüche oder der Widersprüche, die andere
aufzeigen, zu prüfen. Ich will das an einem Punkt tun.

Einige Kolleginnen und Kollegen haben das Dilemma
des unmoralisch gewordenen Nutzens angesprochen.
Ich möchte die Rückfrage stellen: War es in der Ge-
schichte der Medizin, der Technik, der Kunst und der Kul-
tur nicht schon immer selbstverständlich, dass Gutes ge-
nutzt wird, selbst wenn es aus früher oder noch immer
Verbotenem entstanden ist, solange es nicht selbst durch
Verbotenes gewonnen wird?


(Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Richtig!)

Das ist der Punkt: Es darf nicht selbst durch Verbotenes
wieder neu gewonnen werden. Deshalb wäre meine Ant-
wort: Sollte sich durch in Deutschland nicht gewollte For-
schung in anderen Ländern eine Perspektive in Bezug auf
Heilung ergeben, dann bin ich so lange für deren Nutzung,
solange für deren therapeutischen Einsatz keine weitere
Nutzung von embryonalen Stammzellen erforderlich ist.
Das will doch auch niemand.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir können das umso eher einfordern, als wir eine Al-

ternative haben. Es wäre unmoralisch, wenn wir den Weg
der Forschung an adulten Stammzellen nicht so massiv
mitgehen würden. Da wir ihn mitgehen, bieten wir ande-
ren eine Chance und können von anderen die Chance
wahrnehmen. Aber es muss feststehen: Es darf keine the-
rapeutische Nutzung von embryonalen Stammzellen ge-
ben. Deshalb nehme ich das nicht als Widerspruch wahr.

Ich will noch kurz darauf hinweisen, dass wir in eine
Besonderheit hineingeraten, die einmalig auf der ganzen
Welt ist: Wir haben ein starkes Embryonenschutzgesetz
und eine Ausnahme, die es nirgendwo gibt. In Amerika
werden embryonale Stammzellen im eigenen Land er-
zeugt. Die Stärke einer Position zeigt sich an der Klarheit
einer Norm. Sie zeigt sich auch darin, dass man verzich-
tet. Ich fasse es wie folgt zusammen: Wir brauchen keinen
starken Standort, sondern wir brauchen einen starken
Standpunkt,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)





Hubert Hüppe
21218


(C)



(D)



(A)



(B)


damit aus dem, was wir als Anker des Embryonenschutz-
gesetzes haben, kein Treibanker wird, der uns absichtlich
unabsichtlich über den Rubikon führt.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421404300
Ich gebe das
Wort dem Kollegen Martin Mayer.


Dr. Martin Mayer (CSU):
Rede ID: ID1421404400
Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werbe um Zu-
stimmung für den Antrag der Abgeordneten Böhmer,
Renesse, Fischer und Seehofer, weil dieser Antrag einer-
seits auf christlichen Wertorientierungen aufbaut und auf
die Empfindungen der Bürger in unserem Land Rücksicht
nimmt, andererseits aber die Möglichkeiten der For-
schung an embryonalen Stammzellen des Menschen in
Deutschland nicht völlig verbaut.

Der Antrag ist in wesentlichen Aussagen deckungs-
gleich mit dem Papier, das Alois Glück und Horst
Seehofer im vergangenen Jahr dem Parteivorstand der
CSU vorgelegt haben.

Das christliche Menschenbild verpflichtet uns in be-
sonderer Weise zum Einsatz für die Würde des Menschen
und den Schutz des Lebens. Aus christlicher Sicht ist es
aber auch eine große Verpflichtung, die durch die medi-
zinische Forschung eröffneten Perspektiven von Hilfe
und Heilung auch dann zu nutzen, wenn es sich bisher nur
um eine Option bzw. eine Hoffnung handelt.

In diesem Zusammenhang möchte ich einige Sätze zu
den meist religiös geprägten Mitbürgern sagen, die uns
viele, zum Teil anrührende Briefe geschrieben haben. Ei-
ner empfahl mir, die Frage zu stellen: Was würde Jesus
dazu sagen? Meine Antwort war: Ich habe mir die Frage
gestellt. Würde Jesus sagen, verlasst euch einfach auf die
Bischöfe, oder würde er sagen: Denkt nach und verlasst
euch auf euer Gefühl und euer Gewissen? Oder würde er
vielleicht die provokante Gegenfrage stellen, wie wir in
Deutschland mit den Kindern im Mutterleib umgehen,
von denen im vergangenen Jahr 135 000 zwischen dem
zweiten und dritten Schwangerschaftsmonat sterben
mussten? Jeder gläubige Christ muss seine Antwort auf
diese Frage suchen.

Heute ist viel von Tabubrüchen die Rede gewesen. Die
Heilige Schrift nennt jedenfalls Beispiele für Tabubrüche
wie die Heilung von Kranken am Sabbat. Auch in der For-
schung an embryonalen Stammzellen des Menschen ist
letztlich die Heilung von Kranken das Ziel.

Durch das Embryonenschutzgesetz wird der Import
von im Ausland erzeugten humanen embryonalen Stamm-
zellen nicht ausdrücklich verboten. Das wurde heute
schon mehrmals festgestellt. Da deren Gewinnung nach
dem derzeitigem Stand von Wissenschaft und Technik zur
Tötung von Embryonen führt, ist der Import von humanen
embryonalen Stammzellen rechtlich und ethisch proble-
matisch. Dies gilt ungeachtet der mit der Forschung an

diesen Stammzellen verbundenen Hoffnungen auf Hei-
lung für schwerkranke Menschen. Der Antrag nennt des-
halb strenge Bedingungen für den Import, die ich nicht
mehr im Einzelnen ausführen muss.

Wir befinden uns in dem Dilemma, dass der Antrag die
Forschung an Stammzellen vorsieht, die auf einem in
Deutschland verbotenen Weg gewonnen wurden. Das Di-
lemma besteht aber auch bei denen, die die Stammzellen-
forschung in Deutschland verbieten wollen. Denn die Er-
kenntnisse, die aus der Forschung im Ausland gewonnen
werden, werden natürlich auch in Deutschland zur An-
wendung kommen.

Ich möchte noch eines hinzufügen. Wir führen heute
eine sehr ernsthafte und wichtige Debatte. Der Erfolg oder
Misserfolg der Forschung an Stammzellen im Ausland
wird aber die öffentliche Meinung und Debatte in
Deutschland stärker beeinflussen, als wir es in dieser De-
batte können.

Nach Ansicht der Repräsentanten der deutschen For-
scher stellt die Forschung an embryonalen Stammzellen
den Schlüssel zur Erkenntnis und zur Nutzung aller
Stammzellen dar. Dies wurde in den letzten Tagen noch
einmal bestätigt. Ich will mir nicht anmaßen, dass ich
diese schwierigen Fragen besser beurteilen kann als die
Wissenschaftler.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Allein mit der Forschung an adulten Stammzellen lässt

sich nach heutiger Erkenntnis deren Funktionsweise nicht
feststellen. Hierzu bedarf es der Grundlagenforschung an
embryonalen Stammzellen. Es besteht die Hoffnung, dass
dadurch neue Erkenntnisse gewonnen werden. Per defini-
tionem ist Grundlagenforschung immer etwas Ungewis-
ses. Man kann letztlich nie mit Gewissheit sagen, welche
Ergebnisse dabei herauskommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Mikro-
kosmos einer befruchteten menschlichen Eizelle und
seine Entwicklung sind ein Wunderwerk der Schöpfung,
dem wir mit ehrfürchtigem Staunen gegenüberstehen.
Dieses Wunderwerk zu entdecken und zu verstehen, um
Krankheiten besser begegnen zu können, ist eine faszi-
nierende Aufgabe, von der wir die deutsche Forschung bei
Beachtung strenger ethischer Grenzen nicht ausschließen
sollten. Ich bitte deshalb um Zustimmung zu dem Antrag
der Abgeordneten Böhmer und Seehofer.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Andrea Fischer [Berlin] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421404500
Jetzt spricht
die Kollegin Maria Eichhorn.


Maria Eichhorn (CSU):
Rede ID: ID1421404600
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Darf der Mensch alles, was machbar
ist? Das habe ich in der Debatte im vergangenen Jahr ge-
fragt. Seither habe ich viel gelesen, viele Vorträge gehört
und Gespräche im In- und Ausland geführt. Viele Fragen
sind dabei entstanden. Wir stecken in einem Dilemma.
Die überzähligen Embryonen sind da. Durch Forschung




Dr. Ernst Dieter Rossmann

21219


(C)



(D)



(A)



(B)


mit ihnen könnten Menschen möglicherweise von schwe-
ren Krankheiten geheilt werden. Darf ich vor diesem Hin-
tergrund zur Forschung an embryonalen Stammzellen
Nein sagen? Aber Forschung mit menschlichen embryo-
nalen Stammzellen heißt: Der Embryo muss getötet wer-
den.

Wann – das ist die Grundfrage – beginnt menschliches
Leben? Es gibt viele Argumente dafür, dass menschliches
Leben mit der Befruchtung entsteht. Für mich ist wichtig,
dass der Embryo bereits die volle genetische Ausstattung
hat und sich von diesem Zeitpunkt an zu einem eigen-
ständigen Menschen entwickelt. Auch wenn die Natur-
wissenschaft zu anderen Ergebnissen käme, ist letztlich
entscheidend, ob ich diesem Embryo von Anfang an die
volle Würde des Menschen zuerkenne.

Für mich spannt sich der Bogen aber weiter. Würden
wir dem Menschen nicht von Anfang an, in jedem Sta-
dium, die volle Würde zuerkennen, so kämen wir schnell
in Gefahr, auch am Ende des Lebens, bei Krankheit oder
Gebrechlichkeit, diese Zuerkennung der menschlichen
Würde infrage zu stellen.

Dennoch muss ich feststellen: Es gibt überzählige Em-
bryonen. Allein im Memorial Hospital in der Nähe von
New York, in dem In-vitro-Fertilisation durchgeführt
wird, gibt es einige Tausend eingefrorene Embryonen. Als
ich im Kühlraum vor den Behältern mit diesen Embryo-
nen stand, wurde mir bewusst, dass hier einige Tausend
mögliche Kinder lagern. Sie sind durch IvF entstanden.
Bei einer solchen Behandlung bleiben im Durchschnitt
drei Embryonen übrig. Wäre es somit nicht ethisch ver-
tretbar, diese Embryonen zur Entwicklung von Heilungs-
verfahren zu verwenden? Aber, meine Damen und Her-
ren, es ist menschliches Leben. Wenn sich später
herausstellt, dass die Forschung mit menschlichen em-
bryonalen Stammzellen nicht den gewünschten Erfolg er-
zielt, dann wäre menschliches Leben nur zum Zwecke der
Forschung getötet worden.

Ich nehme die Hoffnungen von Kranken sehr ernst.
Diese Hoffnungen beziehen sich aber nicht nur auf em-
bryonale, sondern auch – wir haben es heute schon aus be-
rufenem Munde gehört – auf adulte Stammzellenfor-
schung. Unabhängig davon, wie heute die Entscheidung
ausfällt: Wir müssen die Forschung an den ethisch unbe-
denklichen adulten Stammzellen verstärkt fördern. Das
Argument, wir wären in Deutschland nicht mehr wettbe-
werbsfähig, wird entkräftet, wenn wir uns auf die For-
schung an adulten Stammzellen konzentrieren und dort
Höchstleistungen erzielen.

Der Umgang mit menschlichem Leben ist für mich
letztlich der entscheidende Punkt, warum ich für den res-
triktiven Antrag stimme. Ich habe im Ausland mit Ärzten
gesprochen, die IvF durchführen. Die sagten ganz klar,
gegen Geld werde alles gemacht; die zukünftigen Eltern
hätten große Ansprüche, die erfüllt werden müssten. Dies
zeigt mir, dass die Grenze, über die wir alle hier nicht
schreiten wollen, dort schon lange überschritten ist. Ich
habe Sorge, dass dies auch bei uns geschieht.

Nach einem langen Abwägungsprozess hat bei meiner
Gewissensentscheidung der Schutz der Würde des Men-

schen von Anfang an höchste Priorität. Deswegen stimme
ich für den Antrag Kues.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421404700
Ich gebe das
Wort der Kollegin Hanna Wolf.


Hanna Wolf (SPD):
Rede ID: ID1421404800
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben aus großem
Verantwortungsgefühl heraus das Embryonenschutzge-
setz debattiert und verabschiedet. Wir wollen seinen Geist
auch nicht ändern. Embryonale Stammzellen waren zu
der Zeit der Verabschiedung des Gesetzes unbekannt. Aus
embryonalen Stammzellen kann sich zwar kein Leben
mehr entwickeln, aber sie sind aus Embryonen gewonnen
worden. Diese Gewinnung ist bei uns immer noch unge-
setzlich – aus gutem Grund, wie ich meine. Wenn wir sol-
che nach unserem Gesetz unrechtmäßig gewonnenen em-
bryonalen Stammzellen importieren, dann geben wir
gleich, so finde ich, einen Freifahrschein für die Erzeu-
gung solcher Zellen in Deutschland. Forderungen hier-
nach gibt es bereits.

Weil § 218 immer wieder in die Debatte geworfen
wurde, gehe ich auf den entscheidenden Unterschied zum
heutigen Thema ein. Das Schlüsselwort heißt Konflikt-
fall. Bei den mit großem Ernst geführten Debatten um
§ 218, an denen viele von Ihnen teilgenommen haben, war
der beste Schutz des Embryos, der sich im Mutterleib be-
findet, der zentrale Punkt. Konsens ist, dass der Fötus
nicht ohne die Mutter zu schützen ist. Die Frau kann sich
jedoch in einem so schweren Konflikt befinden, dass sie
keine andere Möglichkeit als die Abtreibung sieht. Nur für
diesen schweren Konfliktfall und nur nach der Entschei-
dung der Frau ist eine Abtreibung straffrei; sie bleibt aber
weiterhin ungesetzlich. Bei der Produktion embryonaler
Stammzellen dagegen wurde ohne Not gehandelt. For-
scher haben über die Verwendung von Embryonen außer-
halb des Mutterleibes entschieden. Das war kein Kon-
fliktfall.


(Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Richtig!)

Das Tor zur Gewinnung von Stammzellen wurde durch

die In-vitro-Befruchtung geöffnet. Leider können wir sie
nicht mehr zurückschrauben. Sie ist aber das Einfallstor
dafür, dass der Mensch zum formbaren Produkt wird. Der
nächste Schritt heißt wahrscheinlich irgendwann PID.

Wir befinden uns also auf einer schiefen Bahn. Erlau-
ben Sie mir, dass ich hier Jürgen Habermas zitiere:

Ich misstraue den Abwieglern unter den Experten,
die nur den nächsten Schritt ins Auge fassen wollen.
... Je kürzer der zeitliche Horizont, den wir in Be-
tracht ziehen, umso größer wird später die Macht der
dann bereits geschaffenen Fakten sein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)





Maria Eichhorn
21220


(C)



(D)



(A)



(B)


Die embryonalen Stammzellen außerhalb Deutsch-
lands stellen die Fakten dar, vor denen wir heute stehen.
Vor welchen Fakten stehen wir morgen? Wie verändern
sie unser Verhältnis zum Menschsein? Wie verändern sie
die Position von Frauen? Heute schon bezweifeln wir, ob
die existierenden embryonalen Stammzellen virenfrei
sind. Der „Sauerteig“ kann durch die Art seiner Vermeh-
rung verseucht sein. Neue Stammzellenreihen werden be-
reits verlangt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb
sollten wir heute ein Verbot des Imports embryonaler
Stammzellen beschließen.

Die vielen Briefe aus der Bevölkerung, die ich ebenso
wie Sie alle bekommen habe, sprechen sich ganz über-
wiegend gegen den Import aus. Sie sind Ausdruck einer
regen öffentlichen Diskussion. An dieser Stelle danke ich
für die vielen ernsten Gedanken, die mir übermittelt wur-
den. Sie befassen sich immer wieder auch damit, dass die
Illusion der Perfektion den richtigen Umgang mit Behin-
derung, Krankheit und Sterben verhindert.

Mit einem Verbot des Imports geben wir den deutschen
medizinischen Forschern unter Umständen einen Kreativ-
schub – weg von dem einen angeblichen Königsweg hin
zu einer Vielfalt in der Forschung und einer Vielfalt the-
rapeutischer Möglichkeiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421404900
Ich erteile
das Wort dem Kollegen Wolfgang Gerhardt.


Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP):
Rede ID: ID1421405000
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Ich werbe für den Antrag von
Herrn Hintze, Frau Reiche, Frau Flach und Herrn
Schmidt-Jortzig, den Wolfgang Schäuble und ich aus
mehreren ganz einfachen Gründen mit unterzeichnet ha-
ben.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat uns in ei-
nem Memorandum wissen lassen, dass Hoffnungen, we-
sentliche Erkrankungen lindern zu können, nicht als un-
begründet anzusehen sind. Sie hat keine falschen
Heilsversprechungen gemacht. Niemand aus der Deut-
schen Forschungsgemeinschaft hat den Eindruck er-
weckt, mit der Stammzellenforschung seien schon mor-
gen die Leiden der Menschheit in Vergessenheit zu
bringen.


(Beifall bei der FDP)

Die Forschungsgemeinschaft hat in ihrem Memorandum
vorsichtig gesagt:

Die Erwartungen auf diesem Gebiet erhalten durch
Forschungsergebnisse der letzten Jahre eine wissen-
schaftlich begründete und Erfolg versprechende Ba-
sis.

Von Gegnern dieser Haltung mag der Vorhalt gemacht
werden, dass man das noch nicht alles wisse. Das stimmt,
aber das ist kein Vorhalt. Hier geht es um die legitime Auf-

forderung, in verantwortungsvoller Weise danach zu fra-
gen, was wir im Rahmen der Verfassung der Bundesrepu-
blik Deutschland in Erfahrung bringen können. Das ist die
Kernfrage.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wer jetzt schon zu wissen meint, dass sich keine weitere
Erkenntnis gewinnen lässt, der muss uns auch die morali-
sche Konsequenz seines Handelns und seiner Haltung dar-
legen, wenn dereinst Erkenntnisse vorliegen werden, die
Menschen helfen können, und er vielleicht mit einem er-
krankten Mitglied seiner Familie zum Arzt kommt und gern
entgegennimmt, dass in Deutschland ein Medikament ver-
ordnet wird, das aus einem Land kommt, das unserem Kul-
turkreis angehört, dessen Verfassung der unseren entspricht,
aber dessen Gesellschaft ihrer Forschungslandschaft dieses
Verfolgen großer, hochrangiger Ziele ermöglicht hat.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb ist es nicht mehr als vernünftig, dass wir auch
diese Frage so entscheiden können.


(Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Das hat Herr Kollege Rossmann schon gut beantwortet!)


Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist eine große
Scientific Community, die von verfassungsgebundenem
Handeln geprägt ist, die weiß, welche Verantwortung sie
in der Wissenschaftslandschaft hat. Ich glaube, dass zu
dieser Entscheidung nicht nur eine eigene Haltung gehört,
die mit religiösen Überzeugungen verbunden ist, sondern
vielmehr, dass ein Stück menschliches Maß und ein Stück
Vertrauen in die Entscheidung eingebunden werden muss.
Mit Vertrauen meine ich auch das Zutrauen in deutsche
Forscherpersönlichkeiten, von denen wir überzeugt sind,
dass sie bislang menschliches Maß, Regeln, fairen Er-
kenntnisgewinn, öffentliche Darlegung und eigene Rück-
koppelung vertreten haben. Sonst wäre dieses Land mit
seiner Forschungskapazität auch nicht aus dieser Kata-
strophe seiner Geschichte herausgekommen. Das muss
hier auch ganz klar gesagt werden.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Peter Hintze [CDU/ CSU])


Wir glauben deshalb, dass man die Entscheidung, Stamm-
zellenforschung in Deutschland zuzulassen, verantworten
kann.

Um es auf den Punkt zu bringen: Mir will nicht ein-
leuchten, dass Zellverbände, die ihrem Schicksal in Tief-
kühlfächern in Deutschland nicht entrinnen können,


(Zuruf von der SPD: Das ist doch überhaupt nicht die Frage!)


selbst dann, wenn die Spender zustimmen, nicht benutzt
werden können, um ein Stück Erkenntnis gewinnen und
damit Menschen helfen zu können.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Elke Leonhard [SPD])





Hanna Wolf (München)


21221


(C)



(D)



(A)



(B)


Das ist nach meiner tiefen Überzeugung weder aus einem
christlichen Menschenbild noch aus einer Interpretation
der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland herzulei-
ten. Jemand mag diese Auffassung haben. Sie ist aber
überhöht, weil aus ihr keine Verhaltensweisen der Mit-
menschlichkeit, der Barmherzigkeit und der Hilfe ent-
springen können.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ihr Kern liegt außerhalb menschlichen Lebens, der Le-
benswirklichkeit und unserer Fähigkeit, uns der Wege zu
versichern, die Menschen helfen können.

Für die Antragsteller sage ich: Wir befinden uns in
guter internationaler Gesellschaft. Die DFG und die Max-
Planck-Gesellschaft stehen in internationaler Koopera-
tion mit Wissenschaftsorganisationen in anderen Ländern,
die genau die gleichen Wertvorstellungen und die glei-
chen zivilisatorischen Gepflogenheiten haben wie wir.
Das ist eine internationale Scientific Community, die
uns allen im Grunde genommen signalisiert, dass sie ihre
Verantwortung kennt. Gesellschaften in anderen Ländern,
die auch ethisch-moralische Abwägungen vorgenommen
haben, die die Diskussion ebenso wie wir geführt haben,
haben bereits Entscheidungen getroffen, die etwa dem
Antrag entsprechen, den wir hier vorlegen. Das sind ver-
fassungsgebundene Gesellschaften; deren Menschen ha-
ben moralische Positionen und christliche Lebensüber-
zeugungen. Sie haben sich so entschieden!

Ich werbe für diesen Antrag, weil ich der Meinung bin,
dass er Maß und Ziel hat. Er ist regelgebunden; er weiß
auch nicht schon alles. Wir wissen im Gegensatz zu man-
chen der Kolleginnen und Kollegen, die vorhin vorgetra-
gen haben, eben nicht, dass wir mit adulten Stammzellen
wesentlich weiter kämen. Wir wissen nicht, ob das so ist;
wir möchten es durch Forschung feststellen lassen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn die Kollegen Recht haben, dann beenden wir die
embryonale Stammzellenforschung und arbeiten mit
adulten Stammzellen weiter. Um das aber entscheiden zu
können, möchten wir es wissen und nicht – wie es hier
vorgetragen wurde – glauben. Wir möchten es in einem
Forschungsgang verantwortbar wissen. Wir bleiben des-
halb bei unserem Antrag.

Den Kolleginnen und Kollegen, die den Antrag von
Frau von Renesse unterschrieben haben, muss ich sagen:
Wenn etwas verantwortbar ist, dann ist es nicht bis zu ei-
nem Stichtag verantwortbar und gut und hinterher nicht
verantwortbar und böse.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Wenn wir in Deutschland Stammzellenforschung zulas-
sen können, dann muss man sich entscheiden, sie zuzu-
lassen. Der Hinweis auf einen Stichtag ist dann mora-
lisch-ethisch nicht entscheidend. Wenn die embryonale
Stammzellenforschung zu dem Zweck, menschliches
Leid zu lindern, legitim ist, dann ist sie nicht mit einem
Kalenderblatt zu beenden; dann richtet sich der weitere

Fortgang vielmehr nach dem Erkenntnisgewinn. Deshalb
ist unser Antrag klarer und, wie ich finde, überzeugender.
Er ist im Übrigen moralisch, ethisch und forschungspoli-
tisch wirklich vertretbar. Er ist das Ergebnis eines gründ-
lichen Abwägungsprozesses.

Wir beachten die Würde des Menschen ebenso wie
die Kolleginnen und Kollegen, die gegen diesen Weg
sind. Wir nehmen für uns in Anspruch, eine andere Ab-
wägung vorgenommen zu haben – nicht mehr und nicht
weniger. Wir glauben, dass wir sie gemeinsam mit einer
Forschungsgemeinschaft, deren Seriosität, deren For-
schungsverhalten und deren Transparenz wir seit Jahr-
zehnten kennen, auch verantworten können.

Zum Schluss bitte ich deshalb wirklich jede Kollegin
und jeden Kollegen, sich das zu überlegen. Es ist verant-
wortbar, in Deutschland Stammzellenforschung zuzulas-
sen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421405100
Es spricht
der Kollege Ilja Seifert.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1421405200
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Auch mich erreichten in den letzten Tagen,
Wochen, ja Monaten Dutzende oder Hunderte von Brie-
fen, E-Mails usw. von Menschen, die sich Hoffnungen
machen, dass die „Stammzellenforschung“ ihnen oder
ihren Kindern hilft.

Die meisten von Ihnen wissen, dass ich in der deut-
schen und internationalen Behindertenbewegung ziem-
lich tief verwurzelt bin. Wenn ich „Behindertenbewe-
gung“ sage, schließt das die chronisch Kranken immer mit
ein. Ich habe das größte Verständnis für all diese Hoff-
nungen; aber der wichtigste Punkt ist – Herr Gerhardt,
auch Sie haben diesen Zwiespalt befördert –: Es geht nicht
um die „Stammzellforschung“ im Allgemeinen; es geht
um die Forschung mit embryonalen Stammzellen.Das
ist ein gewaltiger Unterschied, der in der Öffentlichkeit
aber kaum richtig wahrgenommen wird.

Ich habe größtes Verständnis, wenn betroffene Men-
schen äußern: „Stimmt doch jetzt dem Import der Stamm-
zellen zu, damit meinen Kindern geholfen werden kann,
die an einer erblichen Krankheit leiden und möglicher-
weise früher sterben, als ich – der Vater, die Mutter – mir
das für meine Kinder wünsche!“ Warum sprechen sich
aber alle deutschen Behindertenorganisationen, einschließ-
lich der Organisationen der chronisch Kranken – das hat
der Deutsche Behindertenrat, der nur einstimmige Be-
schlüsse fassen kann, erst heute wieder getan –, klar ge-
gen den Import embryonaler Stammzellen aus? – Weil
sich in diesen Gremien – Frau Flach, ich komme gleich
noch auf den angeblichen Widerspruch zwischen Funk-
tionären und Betroffenen zu sprechen, den Sie immer wie-
der aufzeigen – der Sachverstand im Hinblick auf die Be-
troffenheit und das Nachdenken über die Zukunft
bündeln. Das ist die Funktion solcher Organisationen.




Dr. Wolfgang Gerhardt
21222


(C)



(D)



(A)



(B)


Es wurde hier mehrfach gesagt, dass wir nicht nur an
den morgigen Tag denken dürfen, sondern die Folgen der
Folgen, die wir heute einleiten, bedenken müssen. Wir
müssen sehen, was hinter der Tür ist, die wir heute öffnen
oder nicht öffnen. Die Behindertenorganisationen sagen
uns deutlich: Lasst es sein! Ihr könnt uns auch anders hel-
fen, zum Beispiel, indem ihr uns vernünftige Lebensbe-
dingungen schafft, aber auch, indem ihr die Forschung,
die sich auf andere, gute Möglichkeiten konzentriert, för-
dert. Damit tut ihr etwas, das uns allen – sowohl den Men-
schen, die krank sind, als auch denen, die krank werden
können, als auch denen, die es nicht werden, weil dadurch
nämlich ihre Menschlichkeit gefördert wird – wirklich
nützt. – Das halte ich für einen Aspekt, den wir in diesem
Hause hoch bewerten sollten.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)


Nun, Frau Flach, zur Frage nach den Betroffenen und
den Funktionären: Die Vertreter der Behindertenorganisa-
tionen sind Leute wie du und ich und engagieren sich in
ihrer Freizeit für die Belange der Behinderten. Sie sind
also keine hoch bezahlten Funktionäre.

Erlauben Sie mir, noch auf einen anderen Aspekt ein-
zugehen. Das Niveau der heutigen Debatte – dieser Mei-
nung bin ich unabhängig von ihrem Ausgang; ich gebe zu,
ich hoffe, dass sie zugunsten des Verbots des Imports von
embryonalen Stammzellen ausgeht – wird es uns ermög-
lichen, weiter miteinander zu reden und zu arbeiten. Das
ist sehr wichtig.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Bei der weiteren Zusammenarbeit sollten wir ganz
schnell die Frage beantworten: Wie können wir verhin-
dern, dass Menschen aufgrund ihrer genetischen Disposi-
tionen diskriminiert werden? Ob wir das einfachgesetz-
lich regeln können oder ob wir einen entsprechenden
Passus ins Grundgesetz aufnehmen müssen, kann ich
zwar noch nicht abschätzen. Aber ich appelliere an Sie:
Lassen Sie uns nach dieser Debatte darüber nachdenken,
wie wir es verhindern können, dass jemand, nur weil er
oder sie eine chronische Krankheit hat und demzufolge
andere Lebensbedingungen braucht, im privaten oder im
beruflichen Leben oder zum Beispiel durch Versicherun-
gen und all das, was sich auf diesem Gebiet andeutet, be-
nachteiligt wird. Die Enquete-Kommission Recht und
Ethik der modernen Medizin, die über diesen Punkt in-
tensiv diskutiert hat, wird dazu einen Vorschlag unter-
breiten; aber ich denke, wir und auch die Öffentlichkeit
sollten uns überlegen, ob wir nicht schon eher damit an-
fangen können, Regelungen gegen Diskriminierung
wegen genetischer Anlagen auf den Weg zu bringen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. Ich wünsche uns
eine gute Abstimmung und wünsche, dass wir hinterher
beherzt an die weiteren Aufgaben herangehen.

Danke schön.

(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der FDP)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421405300
Es spricht
die Kollegin Ilse Falk.


Ilse Falk (CDU):
Rede ID: ID1421405400
Herr Präsident! Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! Die heutige Debatte macht noch
einmal deutlich, dass es im Kern um ganz wenige, aber
entscheidende Fragen geht: Was ist Leben? Was ist Leben
wert? Wer ist wert zu leben? Wer bestimmt den Wert? Den
Fragen folgen zwingend scheinbar einfache Antworten:
Der Embryo ist von Anfang an menschliches Leben mit
der diesem innewohnenden Würde. Jede andere Grenz-
ziehung wäre willkürlich und von selbst definierten Kri-
terien abhängig. Wir können doch nicht wollen, dass der
Mensch Definitionsmacht über seinesgleichen erhält.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Jeder Mensch ist in seiner Einzigartigkeit so viel wert
wie ein anderer. Deshalb kann es kein abgestuftes Le-
bensrecht geben, das den einen dazu berechtigte, das Le-
ben eines anderen – vermeintlich minder wertvollen –
einzufordern. Deshalb kann es nicht erlaubt und schon gar
nicht geboten sein, einen Menschen im frühesten Stadium
seiner Entwicklung so zu verwerten, dass zunächst nutz-
bringende Erkenntnisse, dann aber auch dringend
benötigte Zellkulturen und Organe aus ihm gewonnen
werden, anderen somit geholfen werden kann, er selbst
aber getötet wird.

Gäbe es eine unterschiedliche Bewertung des Men-
schen in seinen verschiedenen Lebensphasen, wer dürfte
sich anmaßen, einen solchen Wert zu bestimmen? Wel-
cher Maßstab sollte hierfür gelten? Wird nicht vielmehr
deutlich, wie sehr uns inzwischen die verbindliche Basis
für das, was man tun darf und was nicht, abhanden
kommt? Dürfen wir tatsächlich um der Menschlichkeit
willen die Grenzen des Lebens neu definieren und unse-
rer Selbstbestimmung unterwerfen? Oder gibt es nicht
vielmehr Grenzen, die wir auf keinen Fall überschreiten
dürfen?

Natürlich erproben wir immer wieder unsere Grenzen
und versuchen, sie zu verschieben. Das entspricht unse-
rem Selbstverständnis und auch unserem Freiheitsver-
ständnis. Dabei werden wir aber schnell merken, dass alle
Grenzen, die wir erkennen, immer nur vorläufig sind. Sie
lassen sich verschieben, aber nicht aufheben. Indem der
Mensch in dieses komplizierte Gefüge eingreift, löst er
immer auch unbeabsichtigte Folgen aus. Er schafft neue
Zufälligkeiten, für die er sich als auslösender Faktor ver-
antwortlich macht, ohne die Verantwortung wirklich tra-
gen zu können oder auch zu wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer sagt mir denn,
dass wir nicht eines Tages vor die Frage gestellt werden,
Ergebnisse der heute begehrten Forschung an Menschen
zu erproben, deren Leben zwar sichtbarer ist als das eines
Embryos, aber auch für weniger wert, für überzählig oder
überflüssig erklärt wird?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)





Dr. Ilja Seifert

21223


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich denke an Menschen im Koma, Verwirrte und Behin-
derte – an diejenigen, die ohne unsere Fürsorge und Ver-
antwortung der Willkür ausgeliefert wären.

Zwar haben wir, gerade auch nach christlichem Ver-
ständnis, die Freiheit, unser Leben in die eigene Hand zu
nehmen und uns nicht an ein anonymes Schicksal auszulie-
fern. Aber es gibt auch Grenzen dieser Freiheit. Sie zu über-
schreiten hieße, die Grundlagen der Freiheit zu zerstören.
Sie werden immer dann überschritten, wenn Menschen ihr
Interesse dem Gemeinwohl überordnen und sich zu Herren
über Leben und Tod machen, wenn sie Hand an ihresglei-
chen legen und die Vernichtung von Leben rechtfertigen.

Wenn wir die Debatte auf diese Kernfragen zurück-
führen, werden sich auch manche scheinbar unlösbaren
Probleme auflösen. Wir müssen nicht mehr entscheiden,
ob Embryonen der einen oder anderen Herkunft nicht
doch verwendet werden dürfen. Wir dürfen überzählige,
eingefrorene, wie auch immer gewonnene Embryonen
einfach sterben lassen, ohne ihre Verwendung bestimmen
zu müssen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dann können wir uns mit aller Kraft der Forschung

mit adulten Stammzellen zuwenden, die möglicher-
weise ein größeres Heilungspotenzial in sich bergen, als
wir es uns heute vorstellen können. Die Wahrscheinlich-
keit, dass dies so ist, ist mindestens so groß wie die er-
hofften Erkenntnisse aus der Forschung an embryonalen
Stammzellen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421405500
Das Wort
hat die Kollegin Carola Reimann.


Dr. Carola Reimann (SPD):
Rede ID: ID1421405600
Herr Präsident! Sehr ge-
ehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wohl kaum ein Forschungsbereich ist in der Vergangenheit
so intensiv diskutiert worden wie jener der Stammzellenfor-
schung. Wer sich dabei in den vergangenen Wochen für die
Stammzellenforschung ausgesprochen hat, ist schnell in den
Verdacht geraten, Handlanger einer profitorientierten For-
schungsindustrie zu sein. Dabei wurde zuweilen auch ein
Bild von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ver-
mittelt, das den Eindruck erweckte, als ob in den Laboren
unseres Landes nur noch verantwortungslose und ungedul-
dige Karrieristen ihr Unwesen treiben würden. Dies waren
Bilder, aus denen tiefes inneres Misstrauen sprach.

Ich möchte hier für unsere Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler eine Lanze brechen.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Richtig!)

Denn gerade diejenigen Forscher, die in diesem Bereich
arbeiten, legen zurzeit ganz besondere Geduld an den Tag.
Seit einem Dreivierteljahr warten sie nämlich auf unsere
Entscheidung.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Völlig richtig!)


Dabei haben sie eine hohe Bereitschaft gezeigt, sich der
kritischen Öffentlichkeit immer wieder in Diskussionen
zu stellen und ihre Forschungsvorhaben einem breiten Pu-
blikum zu erläutern und auch zu vermitteln.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


Dafür möchte ich ihnen an dieser Stelle ausdrücklich dan-
ken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt für mich gute
Gründe, einen Import von Stammzellen unter restrikti-
ven Bedingungen zu befürworten. Häufig ist zu hören,
dass die Medizin vor neuen Anforderungen steht. Nicht
immer kann die traditionelle Therapie die in sie gesetzten
Erwartungen erfüllen. Wenn man aber will, dass die For-
schung neue Wege geht, dann darf Politik die Tore nicht
zumauern; das gilt auch für die Stammzellforschung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich habe Respekt vor den moralischen Überzeugungen,

die stark genug sind, die sonst üblichen parteitaktischen
Überlegungen in den Hintergrund zu drängen – und das in
Vorwahlkampfzeiten! Ich denke, dass auch die Bürgerin-
nen und Bürger spüren, dass sich keiner hier im Hause die
Entscheidung leicht macht. Bevor wir aber zu einem ab-
schließenden Urteil kommen, sollten wir uns einige Dinge
klar machen.

Bei der hier diskutierten Stammzellforschung handelt
es sich um Grundlagenforschung mit dem Ziel, die Ent-
wicklung von Geweben und Zellen sowie die Differenzie-
rungsvorgänge und ihre Beeinflussbarkeit zu verstehen.

Unabhängig davon, ob man adulte, also von erwachse-
nen Personen gewonnene, oder embryonale Stammzellen
für die Untersuchung verwendet, und abgesehen von al-
len Hoffnungen und Erwartungen, die daran geknüpft
sind, ist zu sagen, dass die Forschung hier noch am An-
fang steht. Aussagen über künftige Therapiemöglichkei-
ten bleiben daher zwangsläufig spekulativ.

Forschung ist nicht vorhersehbar, das gilt für Erfolge
wie für Misserfolge. Deshalb lässt sich auch nicht seriös
vorhersagen, ob Versuche mit adulten Stammzellen
höhere Erfolgsaussichten als Versuche mit embryonalen
Stammzellen haben. Ich halte es für richtig, dass die Bun-
desregierung die Forschung an adulten Stammzellen
schwerpunktmäßig fördert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir sollten aber das eine tun und das andere nicht lassen.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Richtig!)

Wir sollten uns die Option erhalten, Forschungsergeb-

nisse zu erzielen, aus denen sich im Laufe der nächsten
Jahrzehnte eventuell Therapien entwickeln lassen. Wir
sollten unseren Einfluss als nationales Parlament erhalten.
Wir sollten den Gestaltungsspielraum, den wir haben,
nutzen, um Maßstäbe auch für die internationale Diskus-
sion zu setzen. Das heißt für mich: Der Import muss an
Bedingungen geknüpft werden, die die ethischen Beden-
ken ernst nehmen und ihnen Rechnung tragen.




Ilse Falk
21224


(C)



(D)



(A)



(B)


Die Befürchtung, dass beständig neue Embryonen ver-
wendet werden müssen, um die Stammzellforschung dau-
erhaft abzusichern, ist unbegründet. Einmal etablierte
Stammzelllinien gelten als unbegrenzt vermehrbar. Des-
halb genügt es der Forschung, wenn der Import bereits
etablierter, aber vermehrbarer Stammzelllinien ermög-
licht und zugleich auf diese Linien begrenzt wird.

Wir wollen mit den Bedingungen, wie wir sie in unse-
rem Antrag formuliert haben, Maßstäbe für die Forschung
setzen und die Möglichkeit eröffnen, die Chancen verant-
wortlich zu nutzen. Ein striktes Nein ist genauso falsch
wie ein bedingungsloses Ja. Liebe Kolleginnen und Kol-
legen, reißt weder die Tore blindlings auf, noch mauert
diese Tore blindlings zu, sondern sichert diese Tore!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb bitte ich Sie, dem Antrag für einen Stammzell-
import unter restriktiven Auflagen zuzustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421405700
Es spricht
der Kollege Heinz Schemken.


Heinz Schemken (CDU):
Rede ID: ID1421405800
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Enquete-
Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ hat
in ihrem Zwischenbericht festgestellt, dass den menschli-
chen Embryonen uneingeschränkte Schutzwürdigkeit zu-
kommen muss. Diese Erkenntnis leitet mich zu dem Antrag
Wodarg/Kues. Ethisch können nicht unterschiedliche Kri-
terien für den Schutz von Embryonen von außerhalb
Deutschlands und von solchen aus Deutschland aufgestellt
werden. Auch wenn rechtlich die Bewertung von Gewin-
nung und Import getrennt werden kann, so höhlt ein solches
Vorgehen ethisch den Embryonenschutz aus. Dies wider-
spricht in jedem Fall dem Geist des Embryonenschutzge-
setzes. Menschliches Leben darf grundsätzlich nicht zum
Objekt fremdnütziger Zwecke gemacht werden. Dies muss
auch für menschliches Leben im Stadium seiner frühen em-
bryonalen Entwicklung gelten.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Da menschliches Leben auch nach Auffassung des
Bundesverfassungsgerichts mit der Verschmelzung von Ei
und Samenzelle beginnt, ist der Import von Stammzellen-
linien, die aus der Tötung menschlicher Embryonen ge-
wonnen wurden, ethisch konsequenterweise nicht vertret-
bar. Da die Forschung mit adulten Stammzellen bzw.
gewebespezifischen Stammzellen als Alternative zur
Grundlagenforschung ausreicht, sollte die Wissenschaft
auf diesem Feld nachdrücklich gefördert werden. In die-
sem Rahmen kann auch das Gebot des Heilens bei schwe-
ren Krankheiten und Leiden in ethisch vertretbarem Rah-
men progressiv befolgt werden.

Auf der anderen Seite steht am Ende möglicherweise
das Klonen des Menschen. Das müssen wir sicherlich be-
achten. Herr Gerhardt, Sie haben ja diesen Forschungs-
weg, das Prinzip des Öffnens, hier beschrieben. Diese
Frage von höchster ethischer Relevanz wird durch die
Auseinandersetzung über den Import der Stammzellen
mehr oder weniger überdeckt. Wenn der Gesetzgeber dem
Drängen interessierter Wissenschaftler nachgibt, wird
auch er es zukünftig schwer haben, entsprechende Weite-
rungen abzuwehren. Das liegt in der Natur der Sache. Es
zeichnet sich doch bereits heute ab, dass es nicht bei den
64 Stammzellenlinien bleiben wird. Es wird ja schon
heute angekündigt, dass weitergeforscht werden wird,
ganz gleich, wie der Gesetzgeber entscheidet. Im Übrigen
wäre es unvertretbar, dass diejenigen, die in ethischen und
rechtlichen Grauzonen geforscht haben, nun auch noch ei-
nen Vorteil hätten. Auch dies sollten wir beachten.

Da mir die Wissenschaft keine Antwort gibt, kann ich
nur aus meiner eigenen Sicht, aus der Sicht eines Men-
schen, der versucht, die Dinge christlich zu sehen, die
Würde des Menschen anführen. Sie ist ihm von Gott ge-
geben. Wir sollten der Wissenschaft Grenzen setzen, die
keinen Kompromiss zulassen; sonst würden wir in das
Schöpfungswerk eingreifen. Deshalb gibt es für mich nur
eine Entscheidung: Das ist der absolute Stopp des Imports
und der Forschung mit embryonalen Stammzellen. Mir
hilft dabei nur mein Werteverständnis. Ich kann hier keine
andere Antwort geben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Monika Knoche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421405900
Das Wort
hat der Kollege Christoph Matschie.


Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1421406000
Herr Präsident! Werte
Kolleginnen und Kollegen! Wir führen hier heute eine
Debatte über die Forschung an Stammzellen, weil uns alle
gemeinsam die Sorge umtreibt, dass Schutz und Würde
des Menschen angetastet werden könnten, weil wir ge-
meinsam um eine Antwort auf die Frage ringen, wo in die-
sen schwierigen Fragen die Grenzen zu ziehen sind.

Hier ist an verschiedenen Stellen davon die Rede ge-
wesen, dass wir möglicherweise eine Schwelle über-
schreiten, dass wir eine Tür aufmachen, die wir nicht wie-
der zubekommen, dass wir einen Damm brechen. Ich bin
dafür, dass wir, bevor wir uns weiter überlegen, ob dem so
ist, einmal einen Moment den Kopf heben und schauen,
was die anderen um uns herum in dieser Frage tun – nicht,
weil ich glaube, dass sie uns Orientierung sein sollten,
sondern weil ich glaube, dass wir nicht auf einer Insel le-
ben und dass wir den anderen um uns herum, die zu an-
deren Entscheidungen kommen, beispielsweise in Groß-
britannien oder in Frankreich, nicht unterstellen können,
dass sie bei ihren Überlegungen weniger moralisch ver-
antwortlich, weniger ethisch entschieden haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der FDP: Wohl wahr!)





Dr. Carola Reimann

21225


(C)



(D)



(A)



(B)


Es gibt unterschiedliche Konzepte für den Schutz der
Würde des Menschen, für den Schutz des Lebens. Das
sollten wir zunächst respektieren. Wir haben uns in
Deutschland mit dem Embryonenschutzgesetz für ein
sehr hohes Niveau entschieden. Der Antrag von Frau
Renesse und Frau Böhmer, den ich unterstütze, bleibt bei
diesem hohen Niveau.

Ich sage aber ebenso ganz deutlich: Ich glaube, dass
auf der Grundlage unseres Grundgesetzes auch hier in
Deutschland andere Positionen möglich sind, wie es sie in
anderen Ländern gibt. Ich glaube nicht, dass es von vorn-
herein verwerflich ist und dass der Rubikon überschritten
wird, wenn auch darüber nachgedacht wird, wie man
überzählige Embryonen, bei denen jetzt nur die Alterna-
tive besteht, sie auf Eis zu lagern oder zu vernichten, un-
ter ganz bestimmten Voraussetzungen – ich nenne in die-
sem Zusammenhang die Zustimmung der Spender, die
Öffentlichkeit der Forschung und die Tatsache, dass es
sich um eine hoch qualifizierte Forschung handelt – nut-
zen kann. Dass das nach unserem Grundgesetz von vorn-
herein nicht zulässig sein soll, leuchtet mir nicht ein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Die quälenden Widersprüche an dieser Stelle sind
schon deutlich geworden. Aber sie gibt es bei allen hier
vorgetragenen Positionen. Wir dürfen uns nicht der Illu-
sion hingeben, dass wir Entscheidungen treffen, die ein
für alle Mal gültig sind. Ich sage als Theologe ganz klar:
Auch ethische Positionen verändern sich im Laufe der
Geschichte. Dafür gibt es die vielfältigsten Beispiele. Wir
haben heute vor dem Hintergrund unserer gesellschaftli-
chen Auseinandersetzung eine verantwortliche ethische
Entscheidung zu treffen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die entscheidende Frage ist: Wie können wir heute zu

dieser verantwortlichen Entscheidung kommen? Ich halte
die hier vorgetragenen Positionen allesamt für mit dem
Grundgesetz vereinbar. Ich habe schon deutlich gemacht,
dass ich auch die Position in dem Antrag von Frau Flach
und anderen nicht von vornherein für eine Überschreitung
des ethischen Rubikon halte.

Trotzdem votiere ich für den Antrag von Frau von
Renesse und Frau Böhmer. Ich will Ihnen sagen, warum.
Ich glaube nämlich, dass ethische Entscheidungen ganz
wesentlich das Produkt einer gesellschaftlichen Ausei-
nandersetzung, einer Debatte sind. Deshalb möchte ich
bei dieser Entscheidung, die wir heute zu fällen haben,
nicht die Empfehlung der Enquete-Kommission des
Bundestages außer Acht lassen, die beinhaltet, dass wir
das Embryonenschutzgesetz nicht verändern und diesen
Schutzstatus aufrechterhalten sollten. Diese Empfehlung
sollten wir bei unserer heutigen Entscheidung berück-
sichtigen.

Natürlich empfinden viele – nicht nur hier im Hause,
sondern überall in der Gesellschaft – den Widerspruch in
den Debatten, dass wir einerseits den hohen Schutz in
Deutschland aufrechterhalten wollen und dass wir ande-
rerseits bereit sind, Stammzelllinien zu importieren, bei
deren Herstellung dieser hohe Schutz nicht eingehalten

wurde. Das ist ein Widerspruch, den man aushalten muss.
Es ist aber auch ein Widerspruch, wenn man die Stamm-
zellenforschung nicht zulassen und den Import von
Stammzellen verbieten, aber von den Erkenntnissen der
Forschung profitieren will. Ich frage Sie: Ist das in diesem
komplizierten Prozess nicht eine Verschiebung des ethi-
schen Widerspruchs ein Stück weiter nach hinten?

Ich habe keine Position gefunden, die von Wider-
sprüchen frei ist. Das kann angesichts einer solch schwie-
rigen Frage auch nicht der Fall sein. Deshalb bin ich dafür,
dass wir auf der Grundlage der Ergebnisse der Diskussion
der letzten Monate, die zur Empfehlung der Enquete-
Kommission geführt hat, die Möglichkeit eröffnen, unter
ganz engen Voraussetzungen die Forschung hier in
Deutschland weiter zu betreiben.

Ich bitte Sie: Stimmen Sie dem Antrag von Frau von
Renesse und von Frau Böhmer zu!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und des Abg. Roland Claus [PDS])



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421406100
Das Wort
hat der Kollege Georg Brunnhuber.


Georg Brunnhuber (CDU):
Rede ID: ID1421406200
Herr Präsident!
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Wochenzei-
tung „Rheinischer Merkur“ hat ihre Ausgabe vom 25. Ja-
nuar mit der Überschrift „Biopolitik – Die große Versu-
chung“ aufgemacht. Es besteht die große Versuchung,
dass der Mensch sein eigener Schöpfer wird.

Es geht heute um das Wesentliche, nämlich um das
menschliche Leben überhaupt, um ethische und morali-
sche Grundsätze sowie um die Unantastbarkeit der
menschlichen Würde und den Schutz des menschlichen
Lebens von Anfang an. Ich möchte uns deshalb an fol-
gende Grundsätze erinnern:

Erstens. Nach christlicher Überzeugung beginnt
menschliches Leben mit der Verschmelzung von Ei und
Samenzelle. Jede andere Prämisse, die etwa den Lebens-
beginn zu einem späteren Zeitpunkt ansetzt oder ihn dem
Embryo nur in abgestufter Weise zugesteht, steht unter
ethischen Gesichtspunkten auf schwankendem Boden.
Sie widerspricht unserem Bild vom Menschen und der
Würde des Menschen, auf der das Grundgesetz aufbaut.

Zweitens. Eine angestrebte Therapie zur Heilung von
bisher noch unheilbaren schweren Erkrankungen – so
wünschenswert sie wäre – kann nicht unabhängig von den
Methoden gesehen werden, die dafür angewandt werden.
Positive Ziele wie Forschung und Heilung rechtfertigen
nicht jeden Weg. Auch der Weg selbst muss ethisch ver-
tretbar sein. Der Respekt vor dem Leben des anderen ist
eine Grenze, die nie überschritten werden darf, weder aus
wirtschaftlichen Gründen noch aus Gründen des Wettbe-
werbs. Auf der Heilung von Krankheiten kann kein Se-
gen liegen, wenn sie auf Kosten des Lebens anderer er-
kauft wird.


(Beifall des Abg. Dr. Hermann Kues [CDU/CSU])





Christoph Matschie
21226


(C)



(D)



(A)



(B)


Drittens. Die Unterstützung und Förderung alternati-
ver Methoden auf dem Weg zu neuen Möglichkeiten für
Therapie und Heilung, wie zum Beispiel die verstärkte
Forschung an adulten Stammzellen, wie sie gerade die
Landesregierung von Baden-Württemberg besonders för-
dert, können auch zum Anreiz für einen Dialog werden,
der über die Grenzen Deutschlands hinaus zu führen ist.
Die Möglichkeit der Gewinnung von adulten Stammzel-
len und die Forschung daran sind ethisch unbedenklich.
Sie schädigt niemanden und vernichtet kein menschliches
Leben. Es wäre deshalb wünschenswert, der Deutsche
Bundestag würde sich Gedanken darüber machen, wie bei
Gewährung von mehr Mitteln der Forschungsstandort
Deutschland in der Forschung an adulten Stammzellen
weltweit eine herausragende Rolle bekommen würde.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Im Grunde genommen ist dies die allseits verantwort-
bare forschungspolitische Alternative. Dies wäre ethisch
und moralisch vertretbar.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421406300
Es spricht
der Kollege Friedrich Merz.


Friedrich Merz (CDU):
Rede ID: ID1421406400
Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich
zunächst eine Vorbemerkung machen: Ich hoffe, dass uns
diejenigen, die unsere Debatte heute Nachmittag verfol-
gen und sie heute Abend und morgen früh kommentieren
und beschreiben werden, den Respekt vor dem Verlauf
dieser Debatte genauso wenig versagen wie den Respekt
vor dem individuellen Abstimmungsverhalten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage das deshalb, weil ich mit einiger Sorge be-
trachtet habe, wie insbesondere aus den Kirchen – ich
muss leider sagen: auch aus meiner Kirche – Erwartungen
formuliert worden sind, die man vielleicht aus dem kirch-
lichen Lehramt heraus artikulieren kann, die aber in der
Abwägung, die Abgeordnete eines frei gewählten Parla-
ments vorzunehmen haben, nicht ohne weiteres im Ver-
hältnis 1:1 nachvollzogen werden können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Ich sage dies nicht, weil, sondern ich sage dies, obwohl
ich derselben Auffassung bin, wie sie von den beiden Kir-
chen zum Ausdruck gebracht wird.

Ich möchte aus meiner Sicht drei Anmerkungen zur Sa-
che machen:

Erste Anmerkung. Auch heute ist – genauso wie in den
letzten Wochen – sehr häufig die Forschungsfreiheit in
Anspruch genommen worden. Es gibt sie in der Tat. Sie
ist ein Grundrecht und steht nicht unter einem Gesetzes-

vorbehalt. Die Forschung ist frei; aber sie ist nicht unge-
bunden. Auch die Forschung in Deutschland unterliegt
dem tragenden Prinzip unserer Grundrechtsordnung: der
unbedingten Schutzwürdigkeit der menschlichen Würde,
so wie sie in Art. 1 des Grundgesetzes zum Ausdruck
kommt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Deswegen kann es Forschungsverbote geben, ohne dass
damit das Grundrecht der Freiheit der Forschung verletzt
wird.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der PDS)


Meine zweite Anmerkung betrifft den Redebeitrag
meines geschätzten Kollegen Peter Hintze. Dieses tra-
gende Prinzip unserer Grundrechtsordnung bindet staatli-
che Gewalt und bindet auch die Eltern und Erzeuger be-
fruchteter Eizellen. Es ist nicht ein Akt altruistischer
Hilfe, wenn Eltern ihre so genannten „überflüssigen“ be-
fruchteten Eizellen zu Forschungszwecken zur Verfügung
stellen. Auch die Eltern sind in ihrer Dispositionsfreiheit
eingeschränkt, jedenfalls dann, wenn dieses alles tra-
gende Prinzip unserer Grundrechtsordnung verletzt
würde. Ich sage dies bewusst im Konjunktiv; aber ich
meine, dass es gilt, dies noch einmal klarzustellen.

Und schließlich drittens: Der Kollege Gerhardt hat auf
das Memorandum der Deutschen Forschungsgemein-
schaft hingewiesen, das wir alle kennen. In der Tat wer-
den mit der Forschung an embryonalen Stammzellen viele
Hoffnungen verbunden. Es heißt in diesem Memoran-
dum: Die Hoffnungen sind nicht unbegründet. Sie sind
nicht weniger, aber auch nicht mehr als nicht unbegrün-
det. Wenn uns aber nach heutigem Kenntnisstand Alter-
nativen zur Forschung an embryonalen Stammzellen zur
Verfügung stehen, von denen noch niemand mit Gewiss-
heit sagen kann, ob sie nicht zu den gleichen Ergebnissen
führen können,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


dann müssen wir uns sehr wohl überlegen, ob wir heute
– denn wir können nur vom heutigen Erkenntnisstand aus-
gehen – die Entscheidung treffen, die Forschung an em-
bryonalen Stammzellen in Deutschland ab morgen zuzu-
lassen.

Ich komme zu einem anderen Ergebnis und sage: Nach
heutigem Wissens- und Erkenntnisstand spricht alles
dafür, dass sich Deutschland bei seinem Anspruch, bei der
Erforschung dieser großartigen Chancen, die die Biome-
dizin bietet, führend in der Welt zu sein, auf die Forschung
an adulten Stammzellen und alternativen Methoden kon-
zentrieren sollte.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)





Georg Brunnhuber

21227


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir werden gewiss nicht eine Spitzenposition verlieren,
wenn wir gerade in diesem Bereich größte Anstrengungen
unternehmen und – vielleicht sogar als erste – den Nach-
weis erbringen, dass die Forschung an adulten Stammzel-
len eine weitere Erforschung embryonaler Stammzellen
überflüssig macht. Das könnte die Spitzenposition von
Forschung und Entwicklung in Deutschland mit besonde-
rem Nachdruck unterstreichen. Deswegen sage ich nur für
mich: Aus heutiger Sicht kann ich der Entscheidung, em-
bryonale Stammzellenforschung in Deutschland zuzulas-
sen, nicht zustimmen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421406500
Nun spricht
der Kollege Hans-Josef Fell.


Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1421406600

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Das Töten von Embryonen zu Forschungszwecken lehne
ich ab. Für den Import bereits existierender embryonaler
Stammzellen werde ich stimmen, da für deren Erzeugung
keine weiteren Embryonen getötet werden müssen. – Herr
Merz, da unterscheiden sich unsere Auffassungen über-
haupt nicht. Auch wir wollen uns bei der Forschungsför-
derung auf adulte Stammzellen konzentrieren.

Für mich stehen die Menschenwürde und das Men-
schenleben im Vordergrund. Dies umfasst auch das Le-
bensrecht und die Würde der Embryonen. Dieses Recht
wiegt für mich schwerer als die Forschungsfreiheit. Die
Tötung von Embryonen zu Forschungszwecken darf es
daher nicht geben.

Wäre es, wie es viele hier fordern, dann nicht eine lo-
gische Konsequenz, den Import von Stammzellen em-
bryonaler Herkunft vollständig zu verbieten? Ich denke,
nein. Embryonale Stammzellen haben nicht mehr die
Möglichkeit, sich zu einem ganzen Menschen zu ent-
wickeln. Folglich wird hier nicht grundsätzlich über das
Lebensrecht von Embryonen entschieden.

Diese Antwort allein wäre aber zu kurz gegriffen. Wer
den Import von embryonalen Stammzellen erlaubt, för-
dert auch die Nachfrage nach neuen Stammzellen, es sei
denn, der Import beschränkt sich auf bereits vorhandene
Stammzelllinien. Manche befürchten dennoch einen
Dammbruch, wenn der Import nicht vollständig verboten
wird. Ich sehe auch dies anders, und zwar aus zwei
gewichtigen Gründen: Zum einen halte ich den streng
reglementierten Import für verfassungsrechtlich gefestig-
ter. Es ist zumindest umstritten, ob ein vollständiges Im-
portverbot verfassungsrechtlich möglich ist. Noch be-
deutsamer erscheint mir aber zum anderen die Frage,
inwiefern ein Dammbruch politisch – auch international –
verhindert werden kann. Wer über Importregelungen ent-
scheidet, darf die internationale Ebene nicht außer Acht
lassen. Deutschland ist keine isolierte Forschungsinsel.

Dieser Aspekt kam in der bisherigen Debatte viel zu
kurz. Lediglich Kollege Wodarg hat darauf hingewiesen.
Ich komme aber zu einem anderen Ergebnis als er. Wer

heute nämlich über die eigenen Grenzen hinaus sieht,
wird Folgendes sehen: Zum einen haben sich die USA
bereits auf eine Stichtagsregelung für die Förderung der
Forschung mit embryonalen Stammzellen festgelegt.
Zum anderen haben sich das Europäische Parlament,
Forschungskommissar Busquin und große Teile des
europäischen Forschungsministerrates – mit Ausnahme
Deutschlands und nur weniger anderer Staaten – für die
Forschung an embryonalen Stammzellen ausgesprochen.
Eine Entscheidung steht noch aus.

Nimmt Deutschland eine Maximalposition gegen die
Forschung mit embryonalen Stammzellen ein, wird
Deutschland, so fürchte ich, in der Abstimmung unterlie-
gen. Zu groß ist der Druck auf der europäischen Ebene, an
embryonalen Stammzellen zu forschen. Aller Wahr-
scheinlichkeit nach würden die USA spätestens unter
einem demokratischen Präsidenten dem Druck von Wis-
senschaft und Wirtschaft nachgeben und dem Damm-
bruch Europas folgen.

Fordert Deutschland hingegen eine sehr streng regle-
mentierte Forschung, deren Regelung derjenigen der
USA gleicht, haben wir gute Chancen, diese Position in
Europa durchzusetzen. Wenn Europa und die USA auf ei-
ner Linie liegen, gibt es die Möglichkeit, diese strikte
Regelung zu einem internationalen Standard zu machen,
der sich kaum mehr lockern ließe. Damit wäre der Men-
schenwürde mehr gedient als mit einer isolierten Position
Deutschlands, die international nicht mehrheitsfähig ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Embryo-
nenschutz hat für mich absolute Priorität. Daneben sollten
aber auch zukünftige Therapiemöglichkeiten in der ethi-
schen Debatte betrachtet werden. Es ist heute noch
vollkommen unklar, ob die Forschung mit embryonalen
Stammzellen eines Tages zu bedeutenden Therapien
führen könnte; doch zumindest die Chancen hierzu gibt
es. Ich halte es unter der Voraussetzung, dass keine wei-
teren Embryonen mehr getötet werden – dies ist bei einer
Beschränkung auf vorhandene Stammzelllinien der Fall –,
für ethisch vertretbar, der Menschheit diese Chancen zu
eröffnen.

Deshalb werde ich dem streng begrenzten Import be-
stehender embryonaler Stammzellen zustimmen in der
Annahme, dass hierdurch eine internationale Regelung
und eine höhere Verfassungskonformität möglich werden,
die der Tötung weiterer Embryonen zu Forschungs-
zwecken entgegenstehen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie der Abg. Dr. Angela Merkel [CDU/CSU])



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421406700
Jetzt spricht
der Kollege René Röspel.


René Röspel (SPD):
Rede ID: ID1421406800
Herr Präsident! Meine sehr ver-
ehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir als Natur-
wissenschaftler und Politiker, der auf Zeit mit Verantwor-
tung in ein Parlament entsandt worden ist und auch heute
noch der Faszination erliegt, die von Wissenschaft und
Forschung ausgeht, auch zu später Stunde ein leiden-




Friedrich Merz
21228


(C)



(D)



(A)



(B)


schaftliches Plädoyer für die Forschung an Stammzellen
zu halten.

Stammzellen besitzen ohne Zweifel ein großes Poten-
zial, vor allem für die Wissenschaft, aber auch für die Me-
dizin. Ich sage das, ohne außer Acht lassen zu wollen, dass
die Erfolge der zunehmenden Lebenserwartung und Ge-
sundheit der Menschen in den letzten Jahrzehnten nicht
nur auf das Konto moderner Medizin gehen, sondern vor
allem auf die Bekämpfung des Hungers, eine bessere Hy-
giene, bessere Sozialstandards und vor allen Dingen eine
bessere Bildung zurückzuführen sind.

Über Stammzellen lernen wir jeden Monat Neues. Mit
ähnlicher Schnelligkeit erfahren wir, zu welchen unter-
schiedlichen Zellarten sich Stammzellen entwickeln kön-
nen. Allein beim Menschen konnten bisher aus Stamm-
zellen Nerven-, Leber-, Blut-, Knochen-, Knorpel- und
Muskelzellen hergestellt werden. Mittlerweile können
aus 20 unterschiedlichen Gewebearten Stammzellen ge-
wonnen werden, zum Beispiel aus Knochenmark, aus
Fettgewebe und – dieser viel versprechende Ansatz ist in
den letzten Tagen bekannt geworden – aus der Haut.

Sie werden sich jetzt vielleicht wundern, dass ich nicht
ein einziges Mal das Wort Embryo benutzt habe. Das liegt
daran, dass ich bisher nur über die Möglichkeiten der For-
schung an adulten Stammzellen gesprochen habe, näm-
lich solcher Zellen, die sich aus dem Gewebe erwachse-
ner Menschen gewinnen lassen. Wenngleich man für
embryonale Stammzellen sicherlich eine ähnlich impo-
nierende Liste erarbeiten könnte, unterscheiden sich die
adulten, die erwachsenen Stammzellen von den embryo-
nalen Stammzellen in zwei wesentlichen Punkten: in der
Gewinnung und in der Verwendung zu therapeutischen
Zwecken.

Erstens: die Gewinnung. Adulte Stammzellen lassen
sich ethisch unproblematisch aus dem Gewebe bereits
geborener Menschen isolieren. Um embryonale Stamm-
zellen zu erhalten, muss ein Embryo zerstört werden.
Auch wenn bereits existierende Zelllinien importiert wer-
den, setzt das immer voraus, dass ein Embryo zerstört
worden ist, dass im Ausland das gemacht worden ist, was
in Deutschland verboten ist.

Der zweite Unterschied ist die Verwendung zu thera-
peutischen Zwecken. Entgegen dem Eindruck, der in der
Öffentlichkeit erweckt wurde, gibt es bei embryonalen
Stammzellen bisher keine therapeutische Anwendung.
Das beruht bisher nur auf Spekulationen. Bei adulten
Stammzellen hingegen gibt es schon seit langem thera-
peutische Anwendungen. Seit 1959, also seit über 40 Jah-
ren, wissen die meisten Menschen in diesem Land, dass
mit Knochenmark Leukämie bekämpft werden kann, und
zwar sehr erfolgreich. Seit 1995 laufen Therapieversuche
bei Autoimmunerkrankungen wie zum Beispiel Diabetes
und Multipler Sklerose.

Wenn Sie erlauben, möchte ich bei dieser Gelegenheit
etwas klarstellen: Selbst wenn es gelänge, adulte oder em-
bryonale Stammzellen herzustellen, die in das Hirn an
Multipler Sklerose Erkrankten gepflanzt werden könnten,
würde damit nicht die Ursache dieser Krankheit be-
kämpft; denn es ist eine Autoimmunerkrankung. Diese

Stammzellen würden vom eigenen Immunsystem des
Körpers genauso wie alle anderen und auch die ursprüng-
lichen Zellen bekämpft und zerstört. Das heißt, die Lö-
sung des Problems, die Bekämpfung der Krankheit, ist
auch hier nicht mit Stammzellen zu erreichen. Das Glei-
che gilt für Diabetes. Im Klartext: Wer heute auf den
Import embryonaler Stammzellen verzichtet, verzichtet
nicht auf Therapie. Das will ich deutlich machen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei der PDS)


Die zentralen Fragen sind also: Sind die Möglichkeiten
adulter Stammzellen wirklich ausgereizt? Befinden wir
uns heute an einem Zeitpunkt, an dem wir unausweichlich
importierte embryonale Stammzellen zum Erkenntnis-
gewinn oder zu therapeutischen Zwecken haben müssen?
Ich sage: Nein.

Ich erkenne das Bemühen derer an, die hoffen, dass ein
beschränkter Import – Hans-Josef Fell hat das gerade gesagt
– die Zerstörung weiterer Embryonen zur Gewinnung von
Stammzelllinien verhindern kann. Ausdrücklich begrüße
und unterstütze ich den Absatz im Antrag derer, die den Im-
port beschränken möchten – ich erlaube mir ein Zitat –:

Die Wahrung der Werteordnung des Grundgesetzes
ist uns von der Verfassung aufgegeben. Sie würde ge-
fährdet, wenn durch die Zulassung des Importes eine
Ausweitung der Nachfrage nach neuen Stammzell-
linien hervorgerufen würde mit der Folge der Tötung
weiterer Embryonen.

Der beschränkte Import wird in diesem Antrag an be-
stimmte Kriterien wie Alternativlosigkeit der Forschung
und Hochrangigkeit der Forschung geknüpft. Es wird
auch ein Stichtag eingeführt. Aus meiner Sicht sind diese
Kriterien nicht wirksam. Alternativlosigkeit und Hoch-
rangigkeit lassen sich von jedem guten Forscher immer
begründen und für jedes Forschungsprojekt formulieren.
Der Stichtag wird bedeuten: Forscher in Deutschland sol-
len nur noch Stammzelllinien importieren können, die bis
zum heutigen Tage gewonnen worden sind.

In den USAgibt es eine ähnliche Regelung; ich glaube,
an dieser Stelle zeigt sich ein zentraler Knackpunkt der
Regelung. Bis heute wissen wir – die Stimmen aus den
Labors werden immer lauter –, dass die zur Verfügung ste-
henden Zelllinien wahrscheinlich nicht ausreichen wer-
den oder sogar ungeeignet sind. Am 9. August des letzten
Jahres hat Präsident Bush in den USAverfügt, dass die an
diesem Stichtag vorhandenen 72 Zelllinien beforscht und
mit öffentlichen Mitteln versehen werden dürfen. Inzwi-
schen gibt die US-Regierung bekannt, dass es wahr-
scheinlich nicht 72, sondern nur 24 Zelllinien sind. Es
wird immer deutlicher, dass die bereits bestehenden Zell-
linien, weil sie auf Mäusezellen gewachsen sind, wahr-
scheinlich nicht genutzt werden können. Das heißt, die
Forderung nach neuen, frischen Zelllinien wird nicht nur
in der übrigen Welt, sondern auch in Deutschland schnell
erhoben werden. Ich frage Sie: Sollen deutsche Forscher
ab morgen an den schlechten, älteren Zelllinien forschen,
weil es bei uns den Stichtag gibt, während die amerika-
nischen bald frische erhalten? Wie wollen Sie das den




René Röspel

21229


(C)



(D)



(A)



(B)


deutschen Forschern erklären? Wie lange können Sie das
durchhalten?

Lässt man den Import einmal zu, so wird er sich mei-
ner Auffassung nach nicht lange beschränken lassen. Der
Druck, mit frischen Zelllinien zu arbeiten, wird zuneh-
men. Ihr und unser Ziel, die Werteordnung zu wahren,
wie Sie das in dem Importbeschränkungsantrag formu-
liert haben, würde verloren gehen. Die Forderung, die
Doppelmoral zu beenden und auch in Deutschland Em-
bryonen zu Forschungszwecken zu verwenden, käme
zwangsläufig. Ein heutiges „Nein, aber“ – so ehrenwert
es sein mag und so sehr ich es respektiere – ist nichts
anderes als ein „Ja, aber später“.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der PDS)


Ein „Nein, aber“ halte ich auch nicht für konsequent. Ich
glaube, die Forderung, Embryonen auch hierzulande ver-
wenden zu können, bereits heute zu erheben, wäre konse-
quenter. Deshalb wäre es meiner Ansicht insgesamt kon-
sequenter, wenn man entweder deutlich Ja oder Nein sagt.

Es ist noch nicht der Zeitpunkt gekommen, einen Im-
port zuzulassen. Die Forschung an adulten Stammzellen
ist noch lange nicht ausgereizt. Die Forschung an Nabel-
schnurstammzellen befindet sich noch am Anfang. Alter-
native Untersuchungen an Affenzellen, wie sie bei-
spielsweise am Uniklinikum in Essen durchgeführt
werden sollten, haben noch nicht begonnen. In diesem
Zusammenhang möchte ich ausdrücklich die Initiative
der nordrhein-westfälischen Landesregierung heraus-
heben, die solche Projekte unterstützt.


(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Wodarg [SPD])


Es ist häufig gefragt worden: Werden wir eigentlich
den Einfluss verlieren, wenn wir uns nicht beteiligen?
Auch das glaube ich nicht. Ich habe ein anderes Modell:
In dem Moment, in dem wir zeigen, dass wir ohne em-
bryonale Stammzellen und mit Fokussierung auf die adul-
ten Stammzellen den Weg des Erfolgs gehen können, wer-
den wir auch ein gutes und positives Beispiel für die
anderen Länder sein, ohne den ethisch umstrittenen Weg
beschritten zu haben.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der PDS)


Wir müssen Weltmeister in der Forschung an adulten
Stammzellen werden, hat der Präsident der Bundesärzte-
kammer, Hoppe, gesagt.

Als ich vor drei Jahren in den Bundestag gewählt
wurde, habe ich mir vorgenommen, Entscheidungen so zu
treffen, dass sie rückholbar sind. Das bin ich künftigen
Generationen schuldig und das bin ich auch mir schuldig.
Die Zustimmung zu einem Import wird einen Prozess in
Gang setzen, der nicht mehr rückholbar ist. Dieser Preis
ist mir – noch – zu hoch. Deswegen werde ich gegen den
Import stimmen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421406900
Es spricht
der Kollege Jörg Tauss.


Jörg Tauss (Plos):
Rede ID: ID1421407000
Herr Präsident! Liebe Kollegin-
nen! Liebe Kollegen! Als Forschungspolitiker hätte ich
mir durchaus viele Punkte vorstellen können, in denen ich
mit den Kolleginnen Reiche, Flach oder anderen zu einer
gemeinsamen Auffassung gekommen wäre. Ich bin auch
in dem Dialog mit vielen in diesem Hause und auch über
Parteigrenzen hinweg immer wieder auf andere zugegan-
gen und habe mich bemüht, zu einem Kompromiss – auch
für mich selbst – zu kommen. Diesen Kompromiss finde
ich im Antrag der Abgeordneten von Renesse, Böhmer
und Catenhusen, der eine gute Grundlage für die heutige
Entscheidung bildet. Denn Kompromisse sind in dieser
Frage nicht nur möglich, Herr Kollege Wodarg, sondern
auch nötig. Das möchte ich deutlich hervorheben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Kein Problem wird mit einem kompromisslosen Nein

gelöst, selbst wenn es hierfür heute eine Mehrheit gäbe.
Kein Problem wird dadurch gelöst – nicht national und
erst recht nicht international. Aus diesem Grunde stimme
ich Ihnen, Kollegin Flach, auch in dem, was Sie eingangs
bemerkt haben, nicht zu, nämlich dass sich die Antrag-
stellerin von Renesse und andere um den Problemkreis
herumgemogelt hätten. – Nein, der Antrag enthält eine
klare Aussage: Wir verbieten den Import, aber wir for-
mulieren den Erlaubnisvorbehalt mit strengen Aufla-
gen. Das kennen wir auch aus anderen rechtlichen Rege-
lungen, die wir – übrigens auch in diesem Hause –
getroffen haben. Ich erinnere an den § 218, Herr Kollege
Hüppe.

Für mich stehen zwei Fragen im Vordergrund: Bildet
die Biomedizin einen besonderen Bereich der Wissen-
schaft, der auch besonderer Regelungen bedarf? – Ja.
Auch das wollen wir mit unserem Antrag erreichen. Die
Forschung bestärkt uns sogar darin. Ich zitiere aus einem
Schreiben der sechs Nobelpreisträger an uns:

Die Verfassung räumt Forschung und Lehre ein Pri-
vileg ein. Für uns Wissenschaftler bedeutet dies, mit
dem Privileg selbstverständlich auch sorgsam umzu-
gehen. Das ist eine Pflicht, die wir ernst nehmen.

Frau Kollegin Nickels, ich kann darin nichts von Schran-
kenlosigkeit der Wissenschaft erkennen. Davon kann
nicht die Rede sein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich habe auch keinen Grund, an diesen Aussagen zu zwei-
feln.

Wir sind übrigens immer sehr stolz auf unsere Nobel-
preisträger und meinen, dass deren Leistungen stärker ge-
würdigt werden müssten. All diejenigen, die dies immer
wieder sagen, sollten wenigstens in diesen Fragen auch
einmal auf sie hören. Ich bemühe mich darum.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, natürlich stellt sich
die Frage nach Alternativen. Die gibt es auch. Aber diese
Alternativen schließen die Grundlagenforschung nicht
aus und dürfen sie auch nicht ausschließen. Wir sollten




René Röspel
21230


(C)



(D)



(A)



(B)


keinen Gegensatz zwischen adulten und embryonalen
Stammzellen aufbauen. Wir wissen nicht, welche Wege
erfolgreich sind, aber selbstverständlich setzen wir in ge-
nau dem Bereich, der hier eingefordert wird, Schwer-
punkte. Das ist auch in unserem Antrag enthalten. Wir ge-
ben allein für diesen Bereich 100 Millionen Euro aus.
Kein anderes Land in Europa tut mehr dafür. Wir wollen
diesen Weg noch ausbauen. Das schließt aber den anderen
Weg nicht aus.

Wir dürfen auch andere Optionen nicht ausschließen
– weder die adulten Stammzellen noch die Nabelschnur
und den Tierversuch –, auch darin sind wir uns sicherlich
einig. Es ist zwar davon heute nicht die Rede gewesen: Es
muss auch da ethische Begrenzungen geben. Wir dürfen
aber, wie gesagt, die embryonalen Stammzellen nicht aus-
schließen.

Im Übrigen können wir nach Art. 5 des Grundgesetzes
auch nicht vorschreiben, welche Wege beschritten werden
können, und wir dürfen auch nicht politisch festlegen,
welche Wege die erfolgreichen sind. Ich habe den Ein-
druck, dass es bei einigen nicht so recht angekommen ist,
was in Art. 5 des Grundgesetzes geregelt ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben zwei widersprüchliche Argumente gehört.

Die einen wollen wegen der überzogenen Heilserwar-
tungen nicht zustimmen. Andere wiederum sind der Mei-
nung, dass die Heilserwartungen nicht erfüllt werden kön-
nen. Das ist tatsächlich ein Widerspruch. Nein, wir wissen
nicht, was dabei herauskommt. Aber genau das soll
schließlich erforscht werden.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Unser Ziel ist es, herauszubekommen, welcher Weg er-

folgreich sein wird. Ich hoffe, dass es ein Weg sein wird,
der ethisch vertretbar ist und dem entspricht, was die deut-
schen Wissenschaftsorganisationen in ihrem Schreiben an
uns ausgeführt haben. In Abwägung der verfassungs-
rechtlich geschützten Güter – Lebensschutz und Schutz
der Freiheit der Forschung – und nicht zuletzt, um den Er-
wartungen der kranken und hilfsbedürftigen Menschen
Rechnung zu tragen, erhoffen wir uns für die Wissen-
schaft eine verantwortungsvolle Entscheidung des Deut-
schen Bundestags. Unser Antrag greift dies auf, liebe Kol-
leginnen und Kollegen. Ich bitte Sie sehr herzlich um Ihre
Zustimmung.

Wir wollen keinen Weg verbauen, sondern jeden ver-
tretbaren Weg öffnen. Aber wir wollen jeden Weg verant-
wortungsbewusst gestalten.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421407100
Es spricht
die Kollegin Antje Vollmer.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1421407200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Vor-
feld dieser Debatte ist sehr viel vor Fundamentalismus
und moralischem Rigorismus gewarnt worden. Ich bin

sehr froh darüber, dass es diese fundamentalistischen
Stimmen, die Hitzigkeit apokalyptischer Gefahrenbe-
schwörungen in dieser Debatte nicht gegeben hat. Das
gibt dieser Debatte eine gewisse Ruhe, aber es gibt ihr
auch eine große Qualität, gewährleistet letztlich die Frei-
heit der Entscheidung. Das spricht für dieses Parlament.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der PDS)


Ich möchte deswegen über zwei andere Begriffe spre-
chen, nämlich über Aufklärung und über Freiheit. Es ist
das Recht dieses Parlaments, von denen, die besonders
betroffen sind und die besonders große Anforderungen an
uns gestellt haben, nämlich von den Wissenschaftlern, zu
verlangen, sich ebenfalls einer Debatte der Aufklärung
zu stellen. Ich habe manchmal den Eindruck, als ob es im
Kern des wissenschaftlichen Wollens so etwas gibt wie ei-
nen unaufgeklärten Rest, eine Zone, über die man nicht
diskutiert und über die man sich keine Klarheit verschafft.
Ich sage das auch deshalb, weil ich selber lange Zeit auf
einer Station der Spitzenmedizin gearbeitet habe.

Der Punkt, der mir unaufgeklärt erscheint, ist der des
Mehr bei der Forschung an embryonalen Stammzellen
gegenüber der Forschung an adulten Stammzellen. In Be-
zug auf die Forschung an adulten Stammzellen gibt es bis
heute keine feststellbare Grenze. Wenn es keine feststell-
bare Grenze gibt, besteht meines Erachtens kein Grund,
darüber hinauszugehen und zu sagen, dass man unbedingt
embryonale Stammzellen braucht, jedenfalls nicht, ohne
Auskunft über das qualitative Mehr der embryonalen
Stammzellen zu geben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der PDS)


Mir kommt es manchmal so vor, als ob das – ich will
diesen Eindruck mit einfachen Worten wiedergeben – ein
magisches Mehr ist, als ob es darum geht, an die Grund-
substanz der Schöpfung heranzukommen, der man die-
ses Mehr zutraut. Da, finde ich, kann man Wissenschaft-
lern zumuten, den mühseligeren Weg zu gehen, an den
adulten Stammzellen das zu erforschen, was sie noch
nicht ausgeforscht haben.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der PDS)


Eine Aufklärungsdebatte müssen wir, finde ich, ange-
sichts der Möglichkeiten der Moderne auch über unsere
eigenen Wünsche nach Heilung, aber auch über die Gren-
zen von Heilungsmöglichkeiten führen. Viele Debatten
in der modernen Medizin haben damit zu tun.

Aufklären müssen wir uns auch über das, was dem
Staat erlaubt ist. Wir haben in der Debatte über die Organ-
transplantation zum ersten Mal einen kleinen Raum des
Noch-Lebens vom Schutz des Staates freigestellt. Wir
sind jetzt dabei, einen solchen freien Raum am anderen
Ende des Lebens, am Anfang, zuzulassen. Wie weit
dürfen wir noch gehen? Das ist die Frage, die uns allen




Jörg Tauss

21231


(C)



(D)



(A)



(B)


gestellt wird und zu der wir selbst einen Präzedenzfall ge-
schaffen haben.

Ich will aber auch über die Freiheit reden. Wir brau-
chen und wir haben heute die Freiheit der Wahl. Alle die
haben nicht Recht, die heute vor allem von den Gesetzen
des nationalen Wissenschaftsraums Deutschland ge-
sprochen haben. In der globalisierten Welt gibt es diese
nationale Sphäre des wissenschaftlichen Forschens nicht
mehr. Aber rund um uns herum, in den USA, in Großbri-
tannien, an vielen Orten, existiert diese Forschung an den
embryonalen Stammzellen. Welches Signal bedeutete es,
wenn von einem Land wie unserem, das ebenfalls Spit-
zenforschung betreibt, gesagt würde: „Wir wollen heute
vor allem an adulten Stammzellen forschen.“?

Es ist – ich glaube, vom Herrn Bundeskanzler – gesagt
worden, es werde einen Export von Wissenschaftlern ge-
ben. Ich meine dagegen: Eine solche Entscheidung dieses
Hauses stellte eine riesengroße Einladung an die Wissen-
schaftler dar, die an den adulten Stammzellen forschen
wollen. Ich bitte Sie alle, diesen Wissenschaftlern, aber
auch uns selbst diesen Raum der Freiheit zu geben.

Wir können wählen. Im Wissen der Menschheit ist ver-
ankert, dass es stets genügend Möglichkeiten gab, den je-
weils anderen Weg zu gehen. Es gibt aber auch die Erfah-
rung, dass ein Weg gelegentlich in eine Sackgasse führt.
Wir können heute noch Nein sagen. Bitte unterstützen Sie
das und ermöglichen Sie so eine Alternative.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421407300
Ich bitte
nunmehr auch noch für die drei letzten Redner um Ihre
Aufmerksamkeit. Jeder Redner spricht für einen der drei
Anträge. Ich gebe zunächst dem Kollegen Wolfgang
Schäuble das Wort.


Dr. Wolfgang Schäuble (CDU):
Rede ID: ID1421407400
Herr Präsi-
dent! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Viele
haben in dieser Debatte vor allem einen Gegensatz zwi-
schen der Menschenwürde und der Forschungsfreiheit
herausgearbeitet. Ich beurteile das anders. Die Unantast-
barkeit derMenschenwürde ist doch wohl Ausdruck der
Einzigartigkeit des Menschen gegenüber jeder anderen
Form von Leben. Diese Einzigartigkeit des Menschen ge-
genüber jeder anderen Form von Leben ist, soweit ich es
verstanden habe, naturwissenschaftlich nicht eindeutig zu
begründen, sondern eine religiös begründete oder ethi-
sche Normsetzung. Die Entschlüsselung des menschli-
chen Genoms kann die Einzigartigkeit menschlichen Le-
bens nicht begründen. Nur wenige Gene unterscheiden
uns von anderen Lebewesen. Auch die Evolutionsbiologie
kann den Punkt, an dem sich diese Einzigartigkeit des
Menschen festmacht, nicht genau definieren. Es ist also
eine religiös begründete oder ethische Normsetzung.

Eines aber scheint klar zu sein: Neugier, Lernbereit-
schaft, der Drang nach immer mehr und immer neuer Er-
kenntnis ist beim Menschen einzigartig. Wenn also For-
schung und Drang nach mehr Wissen das Besondere und

Unverwechselbare des Menschen mit begründen, dann
muss Forschungsfreiheit für mich eher Bestandteil der
Unantastbarkeit der Menschenwürde sein, als dass sie zu
ihr im Widerspruch stünde.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der PDS)


Im Übrigen hat in der Geschichte die Auffassung, was
die Unantastbarkeit der Menschenwürde konkret bedeu-
tet, immer sehr viel mit dem jeweiligen Stand von For-
schung und Erkenntnis zu tun gehabt. Dies gilt auch für
diese Debatte. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion,
Friedrich Merz, hat aus heutiger Sicht Nein gesagt. Wie
aber wollen wir die morgige Sicht finden, wenn wir heute
nicht forschen dürfen?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der PDS – Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir können doch forschen!)


Meine Kolleginnen und Kollegen, in der Geschichte
sind anatomische Forschungen an Leichen lange als Ver-
stoß gegen die Menschenwürde gewertet worden. Heute
sehen wir das zweifelsfrei anders. Auch die Entschlüsse-
lung des menschlichen Genoms oder die Organtransplan-
tation werden kaum noch als Verstoß gegen die Würde des
Menschen gewertet. Das heißt, der jeweilige Forschungs-
stand beeinflusst offenbar das Verständnis dessen, was
Menschenwürde im Einzelnen bedeutet.

In dieser Debatte geht es für mich eigentlich auch nicht
um den Beginn des menschlichen Lebens. Das ist – wie
das Sterben – doch wohl eher ein Prozess, als dass man es
an einem Punkt, an einer Sekunde festmachen könnte. Die
Unantastbarkeit der Menschenwürde entfaltet übrigens
Schutzwirkung auch über Anfang und Ende des individu-
ellen menschlichen Lebens hinaus. Beim Umgang mit
Verstorbenen und menschlichen Leichen wissen wir das.
Umgekehrt treten auch diejenigen, die den Beginn
menschlichen Lebens mit der Verschmelzung von Ei und
Samenzelle definieren, nicht dafür ein, dass man zuvor,
also mit den noch nicht verschmolzenen Zellen, unter dem
Gesichtspunkt der Menschenwürde beliebig verfahren
könnte. Also geht die Menschenwürde über Anfang und
Ende des individuellen Lebens hinaus.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich kann mir menschliches Leben in seiner Einzigar-
tigkeit nicht ohne die Mutter denken; ich will es auch gar
nicht. Weil der Mensch viel mehr ist als die Summe sei-
ner Gene, ist das Einzigartige des Menschen eben mehr
als nur die genetische Definition des Individuums.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der PDS)


Dies sage ich in dem Wissen, dass bei katholischen und
evangelischen Theologen, aber auch in den großen mono-
theistischen Weltreligionen die Meinungen darüber ge-
teilt sind. Unsere bürgerliche Rechtsordnung hat übrigens
bislang keinen Zweifel daran gelassen, dass die Frau, die
ein Kind zur Welt bringt, auch die Mutter dieses Kindes
ist. Das sollte man nicht gering schätzen, denn unser Bür-




Dr. Antje Vollmer
21232


(C)



(D)



(A)



(B)


gerliches Gesetzbuch ist auch zu Gesetz geronnene kultu-
relle Erfahrung.

Der Hinweis auf andere Religionen, in denen das an-
ders gesehen wird, bringt mich zu dem dritten Argument,
das ich Ihnen bei Ihrer Entscheidung zu bedenken gebe.
Aus der Unantastbarkeit der Menschenwürde folgt, dass
jeder Mensch Träger unveräußerlicher Menschen-
rechte ist, unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder
auch religiöser Überzeugung. Freiheit, Toleranz und Plu-
ralismus folgen also zwingend aus diesem Verständnis.

Vor diesem Hintergrund, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, kann uns eben nicht unberührt lassen, was andere Ge-
sellschaften, Kulturen und Rechtsordnungen in Bezug auf
diese Frage denken. Wenn andere Staaten in Europa oder
auf anderen Kontinenten hinsichtlich der Forschung an
Stammzellen zu anderen Ergebnissen kommen, sollten
wir zurückhaltend sein, dies als Verstoß gegen die Unan-
tastbarkeit der Menschenwürde zu bewerten.

Frau Kollegin Knoche, Sie haben gesagt, andere Völ-
ker in Europa wären froh, wenn ihre Verfassungen den
Schutz der Menschenwürde enthielten. In der Grund-
rechte-Charta der Europäischen Union ist der Satz von der
Unantastbarkeit der Menschenwürde mit dem ersten Satz
des Art. 1 Abs. 1 unseres Grundgesetzes identisch. Wir
sollten also darauf achten, dass wir nicht andere aus dem
Kreis derer hinaus argumentieren, die für den Schutz der
Unantastbarkeit der Menschenwürde stehen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, FDP und der PDS)


Natürlich wird niemand durch den Hinweis auf Entschei-
dungen anderer von der Notwendigkeit entbunden, selbst
eine Entscheidung zu fällen. Aber vielleicht legt das doch
nahe, nicht nur einen Standpunkt kategorisch für den al-
lein richtigen zu halten.

Im Übrigen gibt es kaum einen Zweifel – das ist schon
zu Beginn von Kollegin von Renesse gesagt worden –,
dass wir Erkenntnisse, die andere aufgrund anderer Ent-
scheidungen gewinnen sollten, in der Zukunft gegebe-
nenfalls auch für uns nutzen werden. Auch das sollte uns
im Hinblick darauf, was wir mit welcher Entschiedenheit
rechtlich regeln wollen, eher zurückhaltend machen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich zitiere Ernst-
Wolfgang Böckenförde: Aufgabe des Rechts ist es nicht,
eine „Tugend- oder Wahrheitsordnung“ zu sein, sondern
Aufgabe des Rechts ist es, auf der Grundlage der Unan-
tastbarkeit der Menschenwürde und der unveräußerlichen
und unverletzlichen Rechte jedes einzelnen Menschen
eine „Ordnung des Friedens und der Freiheit“ zu ermög-
lichen. Wenn das die Aufgabe der Rechtsordnung ist, dann
erfordert das, Raum für unterschiedliche kulturelle und
religiöse Überzeugungen zu lassen. Anderenfalls wird das
Recht seines Frieden stiftenden Charakters eher entklei-
det. Aus all diesen Gründen plädiere ich dafür, die Frei-
heit der Forschung im Zweifel möglichst nicht durch ge-
setzliche Einzelregelungen zu beschränken.

Auch ich bin dafür, dass man – wer immer das zu ent-
scheiden hat – der Forschung an adulten Stammzellen den
Vorrang einräumt. Das ist überhaupt nicht strittig. Aber

sollen wir darüber als Gesetzgeber entscheiden? Ich
meine: nein. Ich sage: Im Zweifel sollten wir die Freiheit
der Forschung nicht durch gesetzliche Einzelregelungen
reglementieren, sondern eher auf die gewissensstärkende
Kraft eines ethischen Diskurses setzen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421407500
Es spricht
der Kollege Wolf-Michael Catenhusen.


Wolf-Michael Catenhusen (SPD):
Rede ID: ID1421407600
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Tagen hat
ein Essener Biologe von seiner Forschung an adulten
Stammzellen gesprochen; denn es gelang ihm, aus Kno-
chenmarkstammzellen Leberzellen herzustellen. Dieser
Wissenschaftler hat bei der Präsentation seiner Ergebnisse
die Mitteilung über seine Erfolge in der adulten Stamm-
zellforschung mit der klaren Aussage verbunden, dass
auch nach seiner Auffassung angesichts des geringen
Fortschritts der Stammzellforschung insgesamt und ange-
sichts der zentralen Bedeutung, die ein besseres Verständ-
nis der Differenzierung des Zellgewebes von Menschen
hat – wie differenziert sich eine Stammzelle in bis zu
250 unterschiedliche Zelltypen –, auch die Einbeziehung
der embryonalen Stammzellen in ein strategisches Kon-
zept für die Stammzellforschung unverzichtbar sei.

Ich verstehe die Argumente derjenigen, die eine eher
wertorientierte Entscheidung mit wissenschaftlichen Ar-
gumenten untermauern wollen. Ich rate allerdings drin-
gend davon ab, dass wir Parlamentarier – gar durch ein
Gesetz – der Wissenschaft vorschreiben, was Erfolg ver-
sprechende und was weniger Erfolg versprechende Wege
der Wissenschaft auf diesem schwierigen Gebiet sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Die Debatte ist heute auch – so werden das viele sehen,
die in späteren Jahren über unsere Debatte nachdenken –
ein Maßstab für die Kultur des Umgangs zwischen Wis-
senschaft und Gesellschaft in Deutschland, einer Ge-
sellschaft, die immer mehr zu einer Wissenschaftsgesell-
schaft wird und in der die Frage grundsätzlich geklärt
werden muss, wie wir mit einer Entwicklung, mit einer
Perspektive umgehen, deren Kennzeichen es ist, dass wir
als vernunftbegabte Wesen immer mehr wissen wollen
und immer mehr wissen werden. Uns ist das Schicksal
mitgegeben, vernunftbegabt zu sein. Der Glaube, uns
durch Nicht-mehr-wissen-Wollen sozusagen ethische
Grenzen zu setzen, ist der falsche Ansatz.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Das will ja keiner!)


Wir sind als Menschen dazu verurteilt, Maßstäbe für ei-
nen verantwortlichen Umgang mit dem, was die Wissen-
schaft an erwarteten und an unerwarteten Ergebnissen
hervorruft, zu entwickeln, oder wir versagen als Men-
schen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der PDS)





Dr. Wolfgang Schäuble

21233


(C)



(D)



(A)



(B)


Genossinnen und Genossen! – Entschuldigung.

(Heiterkeit)


– Meine Damen und Herren, Sie auf der rechten Seite ha-
ben es in Ihren Fraktionen leichter, da Sie die Anrede
„Liebe Freundinnen und Freunde“ benutzen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Wissenschaft war
immer mit Tabubrüchen verbunden. Ich stimme dem Kol-
legen Schäuble zu: Die Öffnung von Leichen im späten
Mittelalter – Christen sind zu diesem Zweck in muslimi-
sche Gebiete ausgewichen – war ein unerhörter Tabu-
bruch. Die Vorstellung der christlichen Kirchen über den
Beginn des menschlichen Lebens hat sich Mitte des
19. Jahrhunderts dadurch dramatisch geändert, dass man
sich erstmals über die Bedeutung der Eizelle klar wurde.
Bis dahin gingen die christlichen Kirchen von einem Kon-
zept der schrittweisen Beseelung des Menschen im Laufe
seiner Entwicklung aus. Unsere Vorstellungen vom
menschlichen Leben sind untrennbar mit den neuen Fra-
gen und mit den neuen Ergebnissen der Wissenschaft ver-
bunden.

Die Stammzellforschung ist ein strategisch wichtiges
Feld. Allerdings stehen wir vor dem Dilemma, dass zur
Erzeugung embryonaler Stammzellen Embryonen, also
menschliches Leben, verbraucht worden sind. Dieses Par-
lament wird das, was geschehen ist, durch seine heutige
Entscheidung nicht rückgängig machen können.

In dem Kompromissantrag von Frau von Renesse, Frau
Böhmer und anderen Abgeordneten, den ich nachhaltig
unterstütze, wird versucht, durch Regulierung der For-
schung pragmatische Ziele zu setzen:

Erstens. Es soll kein zusätzlicher Bedarf an neuen
Stammzelllinien von deutschen Forschern erzeugt wer-
den.

Zweitens. Es soll in jedem Einzelfall geprüft werden,
ob es andere Wege als den der Forschung an embryonalen
Stammzellen gibt, um das Forschungsziel zu erreichen.
Das ist ein pragmatischer Weg, um die Hochrangigkeit
der Forschung sicherzustellen.

Drittens. Wir wollen – das ist wichtig – mit unserm An-
trag auch sicherstellen, dass in Deutschland nicht dieselbe
schizophrene Situation wie in den USA entsteht, wo es
eine unterschiedliche Ethik für öffentlich finanzierte For-
schung und für von privaten Unternehmen finanzierte
Forschung gibt. Eine solche Schizophrenie der Ethik darf
nicht zum Modell deutscher Politik werden.

Ich sehe in der heutigen Entscheidung aber auch ein
grundsätzliches Problem. In dem Nein-Antrag wird ver-
sucht, eine ethisch ehrenwerte Position zu beschreiben. Es
werden aber auch Taten gefordert: Die Bundesregierung
wird in Kenntnis des grundsätzlichen verfassungsrechtli-
chen Problems aufgefordert, die Freiheit der Forschung,
die grundgesetzlich garantiert ist, durch das Verbot der
Forschung an embryonalen Stammzellen einzuschrän-
ken, obwohl diese keine Embryonen sind und obwohl aus
ihnen kein Mensch entstehen kann. Sie unterliegen also
nicht unmittelbar dem Schutz des Grundgesetzes. Wollen
Sie dieses Problem nur der Bundesregierung zuschieben?

Nein, wir müssen das heute in unserer Verantwortung be-
werten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb werden diejenigen, die wie ich den Antrag von

Frau von Renesse, Frau Böhmer und anderen Abgeordne-
ten unterstützen, selbst die Initiative ergreifen und nach
einer entsprechenden Entscheidung des Deutschen Bun-
destages möglichst noch in der nächsten Sitzungswoche
einen Gesetzentwurf in erster Lesung einbringen, der der
Wissenschaft drei Dinge klar machen soll: Der ethische
Abwägungsprozess soll nach Kriterien erfolgen, die für
die Wissenschaft klar und berechenbar sind. Es soll nach
Verfahren erfolgen, die für die Wissenschaft kalkulierbar
bleiben. Wir dürfen uns nicht in die Gefahr bringen las-
sen, heute mutige Entscheidungen zu treffen und an-
schließend der Wissenschaft mitteilen zu müssen: Viel-
leicht wissen wir erst in der nächsten Legislaturperiode,
ob und wie sich das Nein durchsetzen lässt oder wie der
kontrollierte Umgang mit embryonalen Stammzellen
auch praktisch möglich ist.

Ich denke, mit der Zustimmung zu dem Antrag, den ich
unterstütze, kann das Parlament seine Verantwortung für die
Gestaltung der Rahmenbedingungen der Verwendung von
embryonalen Stammzellen in Deutschland wahrnehmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421407700
Als letzter
Redner spricht der Genosse Norbert Lammert.


(Heiterkeit)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1421407800
Herr Präsident!
Unser ausgesprochen gutes persönliches Verhältnis wird
durch diese Gemeinheit nicht ernstlich getrübt werden.


(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Je mehr ich in den vergangenen Monaten über
das Thema, über das wir heute diskutieren, gehört und ge-
lesen habe und je mehr ich glaubte, davon verstanden zu
haben, desto unsicherer bin ich in meiner Beurteilung vie-
ler Aspekte der Genomforschung und der Biomedizin ge-
worden. Drei Einschätzungen sind mir allerdings ganz
persönlich bei meinem jedenfalls sehr ernsthaften
Bemühen um sorgfältige Behandlung dieses Themas zur
Gewissheit geworden:

Erstens. Es gibt keine Entscheidung, die ethisch voll-
kommen aufgeht, die über alle Zweifel erhaben ist, weil
sie allen ethischen Ansprüchen genügt.

Zweitens. Es gibt keine Möglichkeit, das grundsätzli-
che Verbot der Forschung an menschlichen Embryonen
gleichzeitig mit der Erlaubnis der Forschung unter be-
stimmten Bedingungen zu verbinden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)





Wolf-Michael Catenhusen
21234


(C)



(D)



(A)



(B)


Wenn Forschung an Embryonen und ihre Tötung unter
festgelegten Voraussetzungen überhaupt erlaubt ist, dann
wird aus genau denselben Gründen auch die Herstellung
von Embryonen zu Heilungs- und Forschungszwecken
erlaubt werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Der gesamte Gang der Menschheitsgeschichte ist eine
unübersehbare Demonstration der Eigendynamik solcher
Entwicklungen. Deshalb kann die Genehmigung des Im-
ports von embryonalen Stammzellen – trotz aller guten
Motive, die einer solchen Entscheidung zugrunde liegen
mögen und die ich keinen Augenblick in Abrede stelle –
ganz gewiss nicht die Brandmauer zum Schutz menschli-
chen Lebens und der Würde des Menschen sein, als die sie
in dieser Diskussion immer wieder ausgegeben wird.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Drittens. Soweit uns die Fortschritte der Biogenetik
Heilungschancen für bislang nicht therapierbare, schwere
Krankheiten eröffnen, bieten sie zugleich höchst zweifel-
hafte Aussichten auf eine genetische Programmierung
noch nicht geborener Menschen.

In Frankreich gibt es nach Auskunft des Vorsitzenden
des Nationalen Ethikrates gegenwärtig vier Fälle, in de-
nen Kinder genetisch so „optimiert“ werden sollen, dass
man aus ihren Körpern später Zellen gewinnen kann, mit
denen ihre kranken Geschwister geheilt werden. Liebe
Kolleginnen und Kollegen, schon ihre Geburt verfolgt ei-
nen anderen Zweck als sie selbst.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)


Genau dies, die Nutzung von Embryonen, ist die Ver-
dinglichung werdenden menschlichen Lebens. Dies ist für
mich der Anfang vom Ende einer glasklaren Unterschei-
dung zwischen Person und Sache.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Genau deswegen geht es bei den heute zu treffenden
Entscheidungen eben nicht nur um den Umgang unserer
Gesellschaft mit Wissenschaft und Technik, sondern auch
um den Umgang unserer Gesellschaft mit ihren grund-
legenden Wertüberzeugungen. Aldous Huxleys „Schöne
Neue Welt“ mit dem nach mathematisch-naturwissen-
schaftlichen Gesetzen perfekt funktionierenden Men-
schen wäre bestenfalls eine neue, ganz gewiss aber keine
schöne Welt.

Der Mensch hat sich, so wie er geschaffen ist und sich
entwickelt hat, nie mit den Defiziten seiner Existenz ab-
finden wollen – am wenigsten mit der Schicksalhaftigkeit
von Anfang und Ende seines Lebens. Er hat immer wie-
der vorgefundene Grenzen bekämpft, bis sie überwunden,
mindestens aber verschoben waren. So ist das Maß des

Möglichen immer mehr zum Maßstab des Erlaubten ge-
worden. Und wenn am Ende alles möglich ist, soll dann
auch alles erlaubt sein? Die Politik – dieses Parlament –
hat nicht zu klären, was wissenschaftlich, technisch oder
medizinisch möglich ist, sondern es hat zu entscheiden,
was in unserer Gesellschaft erlaubt sein soll und was nicht
zugelassen werden darf.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS sowie des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP])


Dies ist unsere ureigene Aufgabe.
Vor gut zehn Jahren – darauf ist in dieser Debatte mehr-

fach hingewiesen worden – hat der Bundestag das Em-
bryonenschutzgesetz beschlossen. Damals wollte er das
Entstehen menschlichen Lebens auch außerhalb des Mut-
terleibes möglich machen. Zugleich wollte er jede Mani-
pulation menschlichen Erbguts unterbinden. Wie ernst ha-
ben wir das Verbot der Forschung an menschlichen
Embryonen und embryonalen Stammzellen eigentlich ge-
meint, wenn es fallen soll, sobald Wissenschaft und Me-
dizin die Möglichkeiten dafür eröffnen?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Wie unantastbar sind der Schutz des Lebens und die
Würde des Menschen von seinem Entstehen an, wenn sie
– über den unlösbaren Konflikt „Leben gegen Leben“ hi-
naus – der Abwägung mit anderen Interessen zum Opfer
fallen können?

Liebe Kolleginnen und Kollegen, den Anfängen zu
wehren, ist es längst zu spät. Aber es ist nie zu spät, Ent-
wicklungen, deren Folgen unabsehbar sind, anzuhalten
oder mindestens aufzuhalten – wenn wir nur den Mut ha-
ben, Nein zu sagen, solange dies – hoffentlich – noch
möglich ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421407900
Ich schließe
die Aussprache.

Es liegen eine Reihe von Erklärungen nach § 31 der Ge-
schäftsordnung vor. Sie werden zu Protokoll genommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen zur Ab-
stimmung über die drei Gruppenanträge. Sie benötigen
den blauen Stimmzettel. Ich bitte Sie, den Namen und die
Fraktion einzutragen. Stimmzettel, die mehr als ein Kreuz
aufweisen, kein Kreuz aufweisen oder keinen lesbaren
Namen enthalten, sind ungültig. Sie benötigen neben dem
blauen Stimmzettel auch noch die weiße Stimmkarte aus
Ihrem Stimmkartenfach in der Lobby.

Bekannt ist, dass im ersten Abstimmungsgang der An-
trag angenommen ist, der die einfache Mehrheit erhält,
das heißt, mehr Ja-Stimmen als alle anderen Anträge zu-




Dr. Norbert Lammert

21235


(C)



(D)



(A)



(B)


sammen zuzüglich der Nein-Stimmen; sonst wird ein
zweiter Wahlgang erforderlich.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind alle Urnen be-
setzt? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, benutzen Sie bitte
auch die Urnen an den Ausgängen. Dort ist nicht ein sol-
cher Andrang wie hier vorne; dann geht es schneller.

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich
schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen
und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Bis
zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstim-
mung unterbreche ich die Sitzung.


(Unterbrechung von 17.42 bis 18.02 Uhr)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421408000
Liebe Kol-
leginnen und Kollegen, ich bitte um Geduld. Ich kann das
Ergebnis noch nicht bekannt geben, weil mir das Abstim-
mungsprotokoll noch nicht vorliegt. – Die Stimmzettel für
die nächste Abstimmung werden schon verteilt, Sie müs-
sen aber noch einen Augenblick warten, bis wir das Pro-
tokoll offiziell verlesen haben.

Ich darf schon jetzt darum bitten, bei der zweiten Ab-
stimmung darauf zu achten, den Namen auf den Stimm-
zettel zu schreiben. Bei der ersten Abstimmung waren
18 Stimmzettel – ich glaube, das kann ich schon jetzt
sagen – ungültig, weil kein Name verzeichnet war. Des-
wegen bitte ich um Verständnis, dass ich, bevor ich den
zweiten Abstimmungsgang aufrufe, noch einmal deutlich
machen werde, wann ein fehlerhaft angekreuzter Stimm-
zettel zur Ungültigkeit führt.

Ich darf die Gelegenheit nutzen, die Parlamentarischen
Geschäftsführer zu fragen, ob entgegen der ursprüngli-
chen Absicht auf eine Abstimmungspause verzichtet wer-
den kann.


(Zurufe: Ja!)

– Sobald das Protokoll verlesen wurde, lasse ich also mit
der zweiten Abstimmung beginnen.


(Unterbrechung von 18.04 bis 18.07 Uhr)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421408100
Die unter-
brochene Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-
führern ermittelte Ergebnis der ersten Abstimmung be-
kannt. Abgegebene Stimmen 617. Ungültige Stimmen –
darauf habe ich hingewiesen – 18, gültige Stimmen 599.
Mit Nein haben gestimmt 2, Enthaltungen 2. Es entfielen
auf die Drucksache 14/8101 – Dr. Wodarg und andere –
263 Stimmen, auf die Drucksache 14/8102 – Dr. Böhmer
und andere – 226 Stimmen, auf die Drucksache 14/8103
– Frau Flach und andere – 106 Stimmen.1)

Ein Antrag ist angenommen, wenn er mehr Stimmen
als die beiden anderen Anträge zusammen zuzüglich der
Neinstimmen erhalten hat. Keiner der Anträge hat bei der
ersten Abstimmung diese erforderliche Mehrheit erreicht.
Der Antrag auf Drucksache 14/8103, auf den die gering-
ste Zahl der Stimmen entfiel, scheidet für das weitere Ab-
stimmungsverfahren aus. Die beiden bestplatzierten An-
träge 14/8101 und 14/8102 kommen in den zweiten
Abstimmungsgang.

Für diese Abstimmung benötigen Sie jetzt den gelben
Stimmzettel und wieder den weißen Stimmausweis. Ich
bitte herzlich darum, dass alle ihren Namen eventuell mit
Ortszusatz und ihre Fraktion eintragen, und zwar leser-
lich. Wir haben wieder nur die Möglichkeit, ein Kreuz auf
dem Stimmzettel zu machen. Sie können für einen der bei-
den verbliebenen Anträge, für Nein oder für Enthaltung
stimmen. Auch hier gilt: Stimmzettel, die mehr als ein
Kreuz, gar kein Kreuz oder keinen lesbaren Namen auf-
weisen, sind ungültig.

Ein Antrag ist in diesem Abstimmungsgang dann an-
genommen, wenn er mehr Stimmen als der andere Antrag
zuzüglich der Neinstimmen enthält. Ich weise ferner da-
rauf hin, dass es nicht auszuschließen ist, dass sich ein
dritter Wahlgang anschließt.

Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Ich sehe, dass alle
Urnen besetzt sind. Ich eröffne die Abstimmung.

Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimme ab-
gegeben? – Das ist der Fall. Ich schließe die Abstimmung
und bitte, mit der Auszählung zu beginnen.

Bis zum Vorliegen des Ergebnisses unterbreche ich er-
neut die Sitzung.


(Unterbrechung von 18.15 bis 18.30 Uhr)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1421408200
Liebe Kol-
leginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wie-
der eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der zweiten Abstim-
mung über die Anträge zur Stammzellforschung bekannt.
Abgegebene Stimmen 618. Ungültig eine Stimme. Gül-
tige Stimmen 617. Mit Nein haben gestimmt 10, Enthal-
tungen zwei.

Auf die Drucksache 14/8101, den Antrag des Abge-
ordneten Wodarg und anderer, entfielen 265 Stimmen, auf
die Drucksache 14/8102, den Antrag der Abgeordneten
Frau Dr. Böhmer und anderer, entfielen 340 Stimmen.2)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/ CSU und der PDS)


Ein Antrag ist angenommen, wenn er zuzüglich der Nein-
stimmen mehr Stimmen erhält als der andere Antrag. Das
heißt, der Antrag der Abgeordneten Dr. Maria Böhmer,
Margot von Renesse, Andrea Fischer, Horst Seehofer und
anderer auf Drucksache 14/8102 mit dem Titel „Keine




Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
21236


(C)



(D)



(A)



(B)


1) Endgültiges Ergebnis und Namensliste siehe Seite 21239 (Liste 1) 2) Endgültiges Ergebnis und Namensliste siehe Seite 21250 (Liste 2)

verbrauchende Embryonenforschung – Import humaner
embryonaler Stammzellen grundsätzlich verbieten und
nur unter engen Voraussetzungen zulassen“ hat im zwei-
ten Abstimmungsgang die erforderliche Mehrheit erhal-
ten und ist damit angenommen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages ein auf morgen, Donnerstag, den 31. Januar,
9.00 Uhr.

Die Sitzung ist geschlossen.