Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Die heutige Sitzung habe ich gemäß Art. 39Abs. 3 des
Grundgesetzes in Verbindung mit § 21 Abs. 2 der Ge-
schäftsordnung auf Verlangen des Bundeskanzlers einbe-
rufen.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich
der Kollegin Christel Deichmann zu ihrem heutigen
60. Geburtstag im Namen des Hauses herzlich gratulie-
ren.
In der zurückliegenden sitzungsfreien Zeit feierten die
Kolleginnen Renate Blank und Uta Zapf sowie die Kol-
legen Hans Raidel und Georg Girisch ebenfalls ihren
60. Geburtstag und der Kollege Hansjürgen Doss seinen
65. Geburtstag. Nachträglich übermittle ich Ihnen die
herzlichen Glückwünsche des Hauses.
Sodann teile ich mit, dass Kollege Dr. Paul Krüger am
14. August 2001 auf seine Mitgliedschaft im Deutschen
Bundestag verzichtet hat. Als sein Nachfolger hat der Ab-
geordnete Werner Kuhn, der bereits in der letzten Wahl-
periode Mitglied des Hauses war, am 15.August 2001 die
Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Ich
begrüße ihn sehr herzlich.
Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Beratung des Antrags der Bundesregierung
Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte
an dem NATO-geführten Einsatz auf mazedo-
nischem Territorium zum Einsammeln und
Zerstören derWaffen, die durch die ethnisch al-
banischen bewaffneten Gruppen freiwillig ab-
gegeben werden
– Drucksache 14/6830 –
Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss mitberatend und gem. § 96 GOBT
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile Bundesminister
Joseph Fischer das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zehn Jahre ist
es mittlerweile her, dass Jugoslawien zerbrach und die
Reihe jugoslawischer Erbfolgekriege begann. Diese
vier blutigen Kriege haben unsägliches Leid über die
Menschen gebracht, Frieden und Stabilität gefährdet und
Südosteuropa in eine tiefe Krise gestürzt. Nur ein Nach-
folgestaat Jugoslawiens ist bisher von einem vergleich-
baren Schicksal verschont geblieben, nämlich Mazedo-
nien.
Nun steht auch dieses Land am Rande eines grausamen
Krieges und droht in dessen Gefolge zu zerbrechen. Bis-
her ist es dank erheblicher Anstrengungen gelungen, den
Ausbruch eines Bürgerkrieges zu verhindern. Aber allein
die große Zahl der Flüchtlinge zeigt, wie prekär die Lage
ist. Ohne äußere Hilfe, ohne den entschlossenen Einsatz
der Staatengemeinschaft wird der Frieden in Mazedonien
kaum eine Chance haben. Dabei kommt es in erster Linie
auf Europa und damit als Teil dieses wachsenden Europas
auch auf Deutschland an.
Von der heutigen Entscheidung des Deutschen Bun-
destages wird es daher mit abhängen, ob die Entwicklung
in Mazedonien in Richtung Krieg oder Frieden verläuft.
Wir müssen alles in unseren Kräften Stehende tun, um
diesmal rechtzeitig den Konflikt präventiv zu verhindern.
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184. Sitzung
Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Beginn: 9.00 Uhr
Ein Krieg wäre nicht nur eine Katastrophe für die Men-
schen in Mazedonien. Er könnte auch ein politisches
Erdbeben in seiner Umgebung auslösen und so die
Früchte jahrelanger internationaler Friedensbemühungen
zunichte machen. Ein Bürgerkrieg hätte zudem unabseh-
bare Auswirkungen auf die gesamte Region, auf Kosovo
und Albanien, auf die Bundesrepublik Jugoslawien und
Bosnien-Herzegowina, aber auch auf Bulgarien, Grie-
chenland und die Türkei und damit direkt auf die NATO
und die EU.
Seit Mazedonien 1991 unabhängig wurde, haben sich
Europa, Deutschland und die USA dort aktiv um Kon-
fliktprävention bemüht. Es ging dabei immer um eine
doppelte Herausforderung: Nach außen musste Maze-
donien seine von anderen infrage gestellte Existenz be-
haupten und verhindern, in den Strudel der Balkankriege
gerissen zu werden. Die Staatengemeinschaft hat ihre
Friedensbemühungen durch viele Maßnahmen – von der
Mission der Vereinten Nationen UNPREDEP und inter-
nationaler Wirtschaftshilfe bis zu den Aktivitäten der
OSZE und des Stabilitätspakts – unterstützt. Nicht ohne
Erfolg: Mazedonien ist heute eine funktionierende
Demokratie. Es ist international respektiert und hat mit
dem unterzeichneten Stabilitäts- und Assoziierungsab-
kommen bisher als einziges Land in der Region neben
Slowenien eine konkrete Perspektive für die Europäische
Union.
Im Innern ging es um eine gerechte und gleichberech-
tigte Teilhabe der beiden großen Volksgruppen an staat-
licher Gewalt. Deutschland hat sich dabei immer für eine
Ausweitung der Rechte und eine angemessene Repräsen-
tanz der albanischen Minderheit im mazedonischen Staat
eingesetzt im Rahmen der territorialen Integrität und des
multi-ethnischen Charakters des mazedonischen Staates.
Dieser innere Ausgleich gestaltete sich weitaus schwieri-
ger als die äußere Stabilisierung des Landes.
Seit dem Gewaltausbruch zu Anfang des Jahres hat
sich die Bundesregierung zusammen mit ihren Partnern
massiv für eine politische Lösung engagiert. Dabei war
von Anfang an klar: Entscheidend für den Frieden in Ma-
zedonien ist eine neue Grundlage des Zusammenlebens,
eine gerechtere demokratische Verfassung.
Dem EU-Sonderbeauftragten François Léotard ist es in
einer beispielhaft engen Zusammenarbeit mit dem ameri-
kanischen Botschafter Pardew sowie mit Javier Solana
und Lord Robertson gelungen, in äußerst schwierigen
Verhandlungen ein politisches Rahmendokument aus-
zuhandeln. Angesichts der bis zuletzt weit auseinander
liegenden Positionen grenzt dieses Ergebnis fast an ein
Wunder. Für diese bedeutende Leistung gebührt den Ver-
mittlern unser aller Dank und unsere Anerkennung.
Es müssen jetzt alle Anstrengungen unternommen wer-
den, um das Rahmenabkommen so schnell wie möglich
zu implementieren. Die zentrale Verantwortung liegt bei
den politischen Führern in Mazedonien, und zwar auf bei-
den Seiten. Aber auch eine Unterstützung von außen
bleibt unverzichtbar. Unsere Hauptaufgabe wird dabei
weiterhin im politischen Bereich liegen. Die Umsetzung
der Vereinbarungen erfordert jedoch auch eine militäri-
sche Komponente.
Beide Konfliktparteien haben auf einer von der NATO
durchgeführten Operation zur Entwaffnung der NLA-Re-
bellen bestanden. Die Einladung ging an die NATO, weil
diese seit 1995 auf dem Balkan engagiert ist und sich in
Mazedonien den Ruf einer unparteiischen, aber auch
durchsetzungswilligen Instanz erworben hat. In der ver-
gangenen Woche hat der NATO-Rat die Ausführungs-
weisung für die Operation „Essential Harvest“ erlassen.
Die Bundesregierung hat daraufhin die Beteiligung deut-
scher Streitkräfte im Rahmen eines französischen Batail-
lons beschlossen. Folgende Gründe sprechen unseres Er-
achtens dafür:
Die Operation „Essential Harvest“ ist nur ein – aller-
dings unverzichtbarer – Teil der politischen Gesamtstra-
tegie zur Verhinderung eines Bürgerkriegs in Mazedo-
nien. Die Bestimmungen des Abkommens von Ohrid
zur Waffenabgabe und zur Ratifizierung der Verfassungs-
änderungen greifen unauflösbar zeitlich ineinander.
Durch diese enge Verzahnung soll verhindert werden,
dass sich die eine oder andere Seite einseitig Vorteile ver-
schafft. Nur durch eine parallele Erfüllung beider Aufga-
ben hat der Frieden eine Chance. Entfällt oder scheitert
das Einsammeln der Waffen, dann bricht der mühsam er-
reichte politische Kompromiss zusammen. Die NATO
kann sich deshalb der Bitte der Konfliktparteien nicht ent-
ziehen, ohne Verantwortung für ein Scheitern des
Friedensprozesses zu übernehmen.
Die von uns und unseren Partnern geforderten Voraus-
setzungen für den Einsatz liegen heute vor: eine Grund-
satzvereinbarung über eine politische Lösung, eine Eini-
gung über den Waffenstillstand in Verbindung mit einer
Amnestie und eine Selbstverpflichtung der NLA zur frei-
willigen Waffenabgabe.
Für den Einsatz gibt es eine klare Rechtsgrundlage,
nämlich das Schreiben von Präsident Trajkowski, das von
allen Parteien der Koalitionsregierung gebilligt wurde.
Zusätzliche Unterstützung erhält er durch die Erklärung
des Vorsitzenden des VN-Sicherheitsrats vom 13.August,
die von allen seinen Mitgliedern mitgetragen wurde; ge-
rade die Einbindung Russlands ist dabei besonders wich-
tig. Die Friedensbemühungen in Mazedonien beruhen da-
mit auf einer geschlossenen Haltung der internationalen
Gemeinschaft, von EU, OSZE, NATO und Vereinten Na-
tionen.
Es wird nicht immer deutlich genug gesehen, dass sich
der Einsatz in Mazedonien grundsätzlich von anderen
NATO-Operationen, etwa in Bosnien oder im Kosovo,
unterscheidet. Anders als dort geht es in Mazedonien nicht
darum, einen voll entflammten Bürgerkrieg durch den
Einsatz von Friedenstruppen zu beenden, sondern es geht
darum, dessen Ausbruch präventiv zu verhindern. Präven-
tion, nicht Friedenssicherung, ist deshalb heute die Auf-
gabe in Mazedonien.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Bundesminister Joseph Fischer
18178
Hiermit hängt der besondere Charakter des Mandats
zusammen. Die NATO ist auf Einladung beider Parteien
präsent und zu strikter Neutralität verpflichtet. Sie kann
deshalb nur das tun, worum sie gebeten wird. Das Bünd-
nis handelt im Rahmen eines robusten Mandats, soweit
es den Selbstschutz der Soldaten und die Möglichkeit zur
Nothilfe zugunsten unserer Partner betrifft; ansonsten
wird die NATO nicht Konfliktpartei werden. Zu dem Prin-
zip der freiwilligen Waffenabgabe gibt es – bei allen Un-
zulänglichkeiten und Risiken des Mandats – gegenwärtig
allerdings keine sinnvolle Alternative.
Die kurze Frist von 30 Tagen soll Druck auf die Kon-
fliktparteien ausüben und einer schleichenden Auswei-
tung der Operation vorbeugen. Die Festlegungen des
Mandats, über das der Bundestag heute zu beschließen
hat, sind eindeutig und präzise. Einen „mission creep“
wird es nicht geben. Sollte eine Veränderung der Lage
eintreten, dann muss die NATO diese neu bewerten und
der Deutsche Bundestag würde gegebenenfalls konstitu-
tiv neu befasst. Sollte es gar zu einem Zusammenbruch
des Waffenstillstands kommen, so wäre eine zentrale
Voraussetzung für die Mission nicht mehr gegeben.
Der SACEUR – Oberbefehlshaber der NATO –, General
Ralston, hat eindeutig erklärt, er werde in einem solchen
Fall nicht zögern, dem NATO-Rat die Rückverlagerung
der Truppen zu empfehlen.
Der Einsatz der NATO ist nur ein Element aus einem
viel weiter reichenden Bündel von Maßnahmen zur poli-
tischen und ökonomischen Stabilisierung Mazedoniens.
Die Bundesregierung hat ein begleitendes präventives
Konzept entwickelt, das über die 30 Tage des NATO-Ein-
satzes hinausreicht. Dazu gehört die Fortführung der po-
litischen Vermittlung sowie eine ökonomische Unterfüt-
terung des Friedensprozesses. Nach einem erfolgreichen
Abschluss von „Essential Harvest“ und der Annahme der
Verfassungsänderungen sollte sofort eine internationale
Geberkonferenz für Mazedonien stattfinden.
Deutschland ist mittlerweile seit vielen Jahren auf dem
Balkan engagiert. Im Rückblick steht fest, dass die Staa-
tengemeinschaft in Bosnien und im Kosovo zu spät – in
Bosnien viel zu spät – gehandelt hat. Hunderttausende
Unschuldiger haben dies mit ihrem Leben bezahlt. Wir
wissen heute, dass die Probleme des Balkans letztendlich
nicht einzeln und auch nicht militärisch zu lösen sein wer-
den – weder in Bosnien noch im Kosovo oder in Maze-
donien –, sondern nur im Rahmen eines regionalen Ge-
samtansatzes. Mit dem Stabilitätspakt hat Deutschland
erstmals einen regionalen Handlungsrahmen formuliert,
den es heute in Richtung eines KSZE-ähnlichen regiona-
len Prozesses fortzuentwickeln gilt. Seine Elemente müs-
sen sein: Vertrauensbildung, Sicherheit, Abrüstung und
Rüstungskontrolle, wirtschaftliche Zusammenarbeit und
ein wirksamer Minderheitenschutz.
Entscheidend ist dabei allerdings eine Perspektive für
Europa. Die gesamte Region an das Europa der Integra-
tion heranzuführen wird ein langfristiges Engagement
der Europäer erfordern; aber es ist der einzige Ausweg
– man könnte auch sagen: die einzige Exit-Strategie – aus
dem Teufelskreis von ethnischem Hass und Bürgerkrieg.
In Mazedonien liegt die Hauptlast der politischen Lö-
sung wie auch der militärischen Komponente heute bei
den Europäern. Dabei geht es nicht um ein abstraktes So-
lidaritätsbekenntnis gegenüber unseren Partnern, sondern
ganz konkret um eine neue Rolle Europas in der entste-
henden Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Es
wäre deshalb höchst widersinnig, wenn sich gerade
Deutschland, das zusammen mit Frankreich immer der
Motor der europäischen Integration gewesen ist und in ei-
ner erweiterten Union auch bleiben muss, ausgerechnet
diesem für die Zukunft Europas besonders wichtigen Ein-
satz verwehren würde.
Der Einsatz, über den es heute zu beschließen gilt, ist
ganz gewiss nicht ohne Risiken und Gefahren, vor allen
Dingen für die eingesetzten Soldaten. Es gibt auch keine
Garantie für den Frieden. In der Abwägung überwiegen
jedoch eindeutig die Argumente für eine deutsche Betei-
ligung. Es geht um unsere Verantwortung für Frieden und
Stabilität auf dem Balkan und um die Solidarität mit un-
seren wichtigsten Partnern in der Europäischen Union
und im transatlantischen Bündnis.
Dieser Verantwortung darf sich das vereinte Deutsch-
land nicht entziehen. Deshalb, meine Damen und Herren,
bitte ich das Haus um eine breite Unterstützung für den
Antrag der Bundesregierung.
Ich erteile dem Kolle-
gen Volker Rühe, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Mit ihrem Antrag fordert die Bun-
desregierung den Deutschen Bundestag auf, der Entsen-
dung deutscher Soldaten zu einem NATO-Einsatz
zuzustimmen, der auf 30 Tage befristet das Einsammeln
und Zerstören von freiwillig abgegebenen Waffen vorsieht.
In Wirklichkeit geht es natürlich – das hat der Bundes-
außenminister deutlich gemacht – um sehr viel mehr: Wir
müssen einen vollen Ausbruch des Bürgerkriegs verhin-
dern. Denn dieser hat in Wahrheit schon begonnen, wes-
halb es mit der Prävention so eine Sache ist. Zudem geht
es um eine neue Statik des Staates Mazedonien und um ei-
nen Neuanfang, um ein Miteinander der Konfliktparteien
sowie um eine neue Verfassung. Deswegen müssen wir
als Erstes festhalten: Noch so viele Soldaten, die von
außen in dieses Land kommen, können keinen wirklichen
Frieden und Versöhnung im Inneren erzwingen. Das müs-
sen alle Beteiligten wissen.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Bundesminister Joseph Fischer
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Wir haben deswegen immer wieder gefordert – und es
wäre gut, wenn es so gekommen wäre –, dass vor unserer
Entscheidung das mazedonische Parlament berät. Einige
Wortführer sprechen immer wieder davon, die Verfas-
sungsänderung sei ein Diktat der Europäischen Union
und der NATO. Ich hätte mir deshalb gewünscht, dass
die Abgeordneten des mazedonischen Parlaments gesagt
hätten: Das ist unser Wille; wir selbst wollen diesen Neu-
anfang zwischen den Konfliktparteien in Mazedonien.
Eine solche Aussage ist nämlich die eigentliche Voraus-
setzung für einen Frieden in Mazedonien.
Umso wichtiger ist, dass das Friedensabkommen voll
umgesetzt und von der Mehrheit der Bevölkerung getra-
gen wird. Voraussetzung dafür ist, dass die politischen
Führer einer solchen Mehrheit offensiv, mit Mut und Kon-
sequenz, in ihrer eigenen Bevölkerung für diese Verein-
barung werben.
Leider herrscht bisher in der mazedonischen Bevölke-
rung der Eindruck, dass sich der Westen auf die Seite der
UCK geschlagen hat. Wenn die politischen Führungsper-
sönlichkeiten der Mazedonier dieses Bild, zu dem sie
selbst beigetragen haben, im jetzigen Prozess nicht korri-
gieren, dann werden die Vereinbarungen nicht lange hal-
ten.
Aber selbst wenn es ihnen gelingt, dann wird – das
müssen wir der Fairness halber einmal sagen und würdi-
gen – der slawo-mazedonischen Mehrheit der Bevölke-
rung eine gewaltige Umstellung abverlangt. Parlaments-
debatten auf Albanisch, nicht nur 6 Prozent, sondern
vielleicht 25 oder 30 Prozent albanische Polizisten – wenn
man fair ist, muss man sagen: Das wäre ein anderes Land.
Es erfordert viel Mut und Konsequenz, das umzusetzen.
All das muss man würdigen, aber zu diesem schwieri-
gen Weg gibt es keine Alternative. Dafür Akzeptanz zu
schaffen ist angesichts des Hasses, der in den letzten Mo-
naten entstanden ist und der geschürt wurde und wird,
eine schwierige, aber unverzichtbare Aufgabe, die nie-
mand den mazedonischen Politikern der verschiedenen
Lager abnehmen kann. EU und NATO können dabei nur
unterstützend tätig sein – auch durch gezielte politische
und wirtschaftliche Hilfe.
Wir wollen jedenfalls, dass ein friedliches, demokrati-
sches, die Minderheitenrechte wahrendes Mazedonien
Schritt für Schritt an die europäisch-atlantischen Struk-
turen herangeführt werden kann. Diese Perspektive zu
realisieren wird aber nur möglich sein, wenn die erzielten
Vereinbarungen eingehalten und voll umgesetzt werden.
Die NATO hat sich ein ungewöhnlich schwaches Man-
dat gegeben,
von dem möglicherweise kein wesentlicher Beitrag zur
Stabilisierung und Befriedung des Landes zu erwarten ist.
Diese Sorge spürt man ja auch.
Die täglichen Berichte aus Mazedonien über die ei-
gentlichen Absichten, die die Konfliktparteien mit der
Präsenz der NATO in Mazedonien verbinden, belegen,
dass das Mandat nicht ganz ehrlich ist und dass die Kon-
fliktparteien völlig unterschiedliche Vorstellungen haben.
Das müssen unsere Soldaten wissen.
Die slawo-mazedonische Seite will die NATO als Ent-
waffnungsarmee, aber nicht als einen Partner, der den
politischen Prozess begleitet. Die albanische Minderheit
will die NATO als eine Stabilisierungsarmee für den po-
litischen Prozess, die länger bleibt; „bis zu 100 Jahre“, hat
sie gesagt. Es sind völlig unterschiedliche Vorstellungen,
die mit dem Einsatz unserer Soldaten verbunden werden.
Darüber muss man im Übrigen auch kontrovers diskutie-
ren. Ich sage: Es ist keine Schande, dass in allen Fraktio-
nen kontrovers diskutiert wird; es wäre eher eine Schande,
wenn das nicht gemacht würde.
Hinzu kommt, dass die NATO in die Rolle eines
Schiedsrichters gelangt ist, der aber selbst – das muss
man sich einmal vorstellen – Interesse an einem be-
stimmten Spielausgang hat; denn es ist die NATO, die be-
stätigen muss, dass 30 Prozent, 60 Prozent, 100 Prozent
der Waffen abgegeben worden sind. Nur wenn sie das be-
stätigt, gibt es den politischen Prozess. Da sie ein gewal-
tiges Interesse an dem politischen Prozess hat, ist sie ein
Schiedsrichter, der Interessen in diesem Spiel hat. – Ich
will nicht auf die Einzelheiten eingehen; wir erleben ja die
Kontroverse um die Waffenabgabe.
Die Allianz ist schon in der Gefahr, wie die „Neue Zür-
cher Zeitung“ geschrieben hat, zu einer Geisel zu werden
in einem politischen Prozess, der vor Haken und Ösen nur
so strotzt. Wenn es bei diesem eher symbolischen Man-
dat bliebe und sich die NATO ohne eine entscheidende
Veränderung der militärischen Potenziale – das ist der
wahrscheinlichste Ausgang – wieder zurückzöge, dann
müsste man in Kauf nehmen, dass damit keine wirkliche
Verbesserung der Lage in Mazedonien erreicht wäre und
Ansehen und Autorität der NATO beschädigt würden
– das ist überigens für uns ganz wichtig: Ansehen und Au-
torität der NATO –, oder der Einsatz der NATO würde
härter und länger und unsere Soldaten würden in größerer
Zahl und längerfristig in Mazedonien gebunden sein.
Der NATO-Rat hat das Mandat beschlossen und der
Deutsche Bundestag wird es nicht mehr ändern können.
Aber das heißt nicht: Ende der Diskussion. Im Übrigen
müssen wir bei diesen neuen Aufgaben natürlich auch die
Chance wahrnehmen, über die Mandate zu diskutieren.
Wir müssen – das muss auch die Bundesregierung
heute, an diesem Tag tun – die Öffentlichkeit über alle
Eventualitäten in Kenntnis setzen.
Wir müssen ungeschminkt sagen, mit welcher Lage un-
sere Soldaten in Mazedonien konfrontiert werden. Wir
dürfen nicht leichtfertig – das zeigt unser Verhältnis zur
NATO – das Ansehen der NATO aufs Spiel setzen; des-
wegen die Diskussion über das Mandat. Die Autorität der
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Volker Rühe
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weltweit mächtigsten Militärorganisation ist ein hohes
Gut, das es zu schützen gilt.
Die Öffentlichkeit muss davon ausgehen können, dass
die NATO für den Fall eines Scheiterns der Operation
– natürlich muss man darüber nicht öffentlich sprechen –
einen überzeugenden Plan B hat und nicht ohne Kraft und
Konzept in einen Bürgerkrieg hineingezogen wird. Sie
muss vor allem Vorsorge dafür treffen, dass im Falle eines
längeren und härteren Einsatzes die Sicherheit unserer
Soldaten gewährleistet ist. Es ist nicht auszuschließen,
dass die NATO den Einsatz in der jetzigen Form schon
bald bedauern wird, wir zu weiteren Entscheidungen,
auch im Bundestag, kommen müssen und erkennen müs-
sen, dass es Frieden für Mazedonien – ich weiß, was für
eine schwierige Aufgabe das ist – möglicherweise nur
dann geben kann, wenn die UCK auch gegen ihren Wil-
len vollständig entwaffnet wird und der Waffennachschub
über die Grenze zum Kosovo energisch unterbunden
wird. Ebenso wird sich die Präsenz der NATO möglicher-
weise so lange als unverzichtbar erweisen, bis die Alba-
ner Vertrauen in die Bereitschaft der Slawo-Mazedonier
zu politischen Reformen gefunden haben.
Bündnissolidarität besteht für uns nicht in erster Linie
darin, 500 deutsche Soldaten mit diesem Mandat für
30 Tage nach Mazedonien zu schicken; Bündnissolida-
rität heißt, für die Durchhaltefähigkeit unserer Solda-
ten zu sorgen, damit sie sich dauerhaft mit den Verbünde-
ten an einer Friedensoperation beteiligen können.
Militärische Bündnisfähigkeit ist die wirkliche Vorausset-
zung für Bündnistreue. Wir haben von Anfang an die De-
fizite der Bundeswehr deutlich gemacht und auch klar
gemacht, dass wir uns einen Einstieg in Verbesserungen
wünschen.
Ich kann diejenigen Kritiker – auch bei uns – verste-
hen, die sagen: Das, was ihr erreicht habt, ist, gemessen
an den riesigen Defiziten der Bundeswehr, bitter wenig. –
Das ist richtig. Ich sage es noch einmal: Das, was wir er-
reicht haben, ist, gemessen an den riesigen Defiziten der
Bundeswehr, bitter wenig.
Aber eines sage ich Ihnen auch, vor allen Dingen dem
Bundeskanzler, und das ist in dieser Debatte vielleicht
deutlich geworden: Das Thema der drastischen Unterfi-
nanzierung der Bundeswehr bekommen Sie nicht mehr
von der Tagesordnung. Das ist nicht mehr eine Sache der
Spezialisten, sondern eine Sache der gesamten deutschen
Bevölkerung. Das ist in das Bewusstsein gedrungen; da-
mit werden Sie sich auseinander setzen müssen.
Es ist bitter wenig, wenn ich mir die gesamten Defizite
der Bundeswehr ansehe,
aber eine ganze Menge, wenn ich mir anschaue, was wir
für die Vorsorge für mögliche Einsätze erreicht haben. Die
Position der Bundesregierung, nicht nur des Bundesfi-
nanzministers, war ja: Wir finanzieren nur das, was in ei-
nem direkten Zusammenhang mit dem Einsatz steht. Wir
haben jetzt investiert in besonders geschützte Fahrzeuge
wie den Dingo, die erst in Monaten kommen, wie den
Marder, die erst in einem Jahr zur Verfügung stehen. Das
ist der Einstieg in eine bessere Vorsorge für die Sicher-
heit unserer Soldaten.
– Ich weiß nicht, ob Sie klug beraten sind, so darauf zu
reagieren. Ich will Ihnen das einmal schildern. Sie haben
jetzt erlebt, was mit dem Dingo passiert. Der Dingo ist ab-
solut notwendig für die Sicherheit unserer Soldaten im
Kosovo. Sie müssen ihnen jetzt diese Fahrzeuge nehmen,
um sie in Mazedonien einzusetzen. Das zeigt, dass hier
mangelhafte Vorsorge getroffen worden ist. Deswegen
müssen wir heute Entscheidungen für die Zukunft treffen.
– Kein Grund zur Aufregung?
Wir hatten weitere Forderungen im Zusammenhang
mit dem Materialerhalt. Um zu zeigen, was wir erreicht
haben, kann ich das ja noch einmal nachvollziehen. Ich
sehe Helmut Kohl, unseren Bundeskanzler.
Wenn ich als Verteidigungsminister damals in der Situa-
tion gewesen wäre, dass ich mich, auch unter dem Druck
des Finanzministers, mit einem geringeren Paket für die
Sicherheit unserer Soldaten beschieden hätte, und dann
der Oppositionsführer Scharping zum Bundeskanzler
Helmut Kohl gekommen wäre und erreicht hätte, dass
mehr Geld für die Sicherheit der Soldaten in diesem Ein-
satz ausgegeben wird, hätte ich mich als Verteidigungs-
minister nicht so verdammt wohl gefühlt. Deswegen sage
ich Ihnen: Was wir erreicht haben, ist schon etwas, aber
wir werden weiter kämpfen, was die strukturelle
Verbesserung der Bundeswehr angeht.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol-
legen, die Kontroverse muss sein, aber sie muss auch en-
den. Auch wenn wir nicht den Weg zu einer Zustimmung
gefunden hätten, wäre sie heute Abend zu Ende gewesen.
Das ist etwas, was wir in Deutschland möglicherweise
noch lernen müssen – hier können wir uns wirklich die
Amerikaner zum Vorbild nehmen –: Beginn des Einsat-
zes, Ende der politischen Debatte, Ende jeder Auseinan-
dersetzung.Ab heuteAbend wissen unsere Soldaten übri-
gens, dass alle Abgeordneten dieses Bundestages, egal,
wie sie abstimmen, hinter ihnen stehen. Mehr als
600 Abgeordnete werden hinter unseren Soldaten in
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Volker Rühe
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diesem Einsatz stehen. Das ist auch wichtig, neben dem
Geld, das wir ihnen für ihre Sicherheit mitgeben.
Vielen Dank.
Ich erteile das Wort
dem Abgeordneten Gernot Erler, SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kollegin-
nen und Kollegen! Herr Kollege Rühe, ich möchte mit
Genugtuung feststellen, dass Sie in Ihrer Rede wenigstens
partiell zu dem tatsächlichen Gegenstand und der ange-
messenen Behandlung dieses Gegenstandes zurückge-
kehrt sind.
Aber Sie konnten in dem anderen Teil Ihrer Rede nicht da-
rüber hinwegfahren, dass es ein Fehler, ganz persönlich
auch von Ihnen, war, diese internationale Frage für die
Bundesrepublik Deutschland mit Ihren persönlichen in-
nenpolitischen Zielen zu verbinden. Das war ein Irrweg.
Das ist ein Irrweg. Das wird auch einer bleiben.
Wenn Sie hier Ihre Erfolgsbilanz vorstellen – Sie sind
ja ausgeritten, umderBundesregierung500MillionenDM
abzutrotzenundhaben jetzt dasProblem,28MillionenDM
als einen Erfolg zu verkaufen –, dann ist doch eines klar:
DaswichtigsteKriteriumdafür,wieüberzeugendSie Ihren
Erfolg darstellen können, ist die Reaktion Ihrer eigenen
Fraktion. Es gab ein Abstimmungsergebnis von 94 zu 68.
Sie können also Ihre eigenen Leute nicht überzeugen. Da-
her werden Sie auch die Öffentlichkeit nicht davon über-
zeugen können, dass Sie hier einen großenErfolg errungen
haben.
Meine Damen und Herren, die SPD-Bundestagsfrak-
tion hat gestern Abend mit großer, mit über 90-prozenti-
ger Mehrheit beschlossen, dem Antrag der Bundesregie-
rung zuzustimmen, sich an der NATO-Mission „Essential
Harvest“ mit einem Kontingent der Bundeswehr zu betei-
ligen. Die SPD-Fraktion hat sich diese Zustimmung nicht
leicht gemacht. Es hat eine intensive Diskussion zur Ent-
wicklung der Lage in Mazedonien, zu den Chancen, mit
dieser Mission einen Bürgerkrieg in Mazedonien zu ver-
hindern, aber auch zu den Gefährdungen und zu den Risi-
ken gegeben. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen
mussten und müssen bei dieser Entscheidung ernst zu
nehmende Zweifel überwinden. Nicht alle Fragen können
befriedigend beantwortet werden. Letztlich musste jeder
eine Abwägung der Alternativen mit ihren jeweiligen Ri-
siken vornehmen. Ein Erfolg der militärisch kontrollier-
ten Waffeneinsammlung als Bedingung für die Ratifi-
zierung des Friedensabkommens vom 13. August
erscheint keineswegs gesichert, aber möglich. Eine Ver-
weigerung der Mithilfe bei dieser freiwilligen, aber kei-
neswegs preislosen Selbstentwaffnung würde dagegen
automatisch in den Bürgerkrieg führen.
Die SPD-Bundestagsfraktion sieht in „Essential Har-
vest“ einen integralen Bestandteil eines präventiven poli-
tischen Friedens- und Vermittlungsprozesses. Wir be-
grüßen es außerordentlich, dass es die Unterhändler der
EU, der Vereinigten Staaten und der NATO in enger Ab-
stimmung untereinander, aber auch mit den Vertretern der
Vereinten Nationen und der OSZE geschafft haben, dieses
Rahmenabkommen zu erreichen – mit der Unterschrift
der vier wichtigsten slawo-mazedonischen und albani-
schen Parteien und des mazedonischen Präsidenten. Im
Namen meiner Fraktion möchte ich allen an diesem Er-
folg beteiligten Vermittlern Dank und Anerkennung aus-
sprechen.
Jetzt hängt alles von der erfolgreichen Umsetzung des
Rahmenabkommens ab. Dieser Friedensplan hat die kon-
trollierte Selbstentwaffnung der UCK und die notwen-
dige Verfassungs- und Gesetzgebungsarbeit des mazedoni-
schen Parlaments quasi aneinander geschmiedet. Es läuft
in den nächsten 30 Tagen bis zum 27. September Zug um
Zug oder es läuft gar nicht. Das macht den politischen
Charakter der bereits angelaufenen NATO-Mission aus.
Hier wird nicht das Gleis von der Diplomatie zur militäri-
schen Intervention gewechselt. Vielmehr ist die mi-
litärisch abgesicherte Kontrolle der Waffenabgabe Vo-
raussetzung dafür, dass der Schlussstein der politischen
Konfliktschlichtung gesetzt wird.
In der Öffentlichkeit ist zu Recht auf das Ungewöhn-
liche der Szenerie und auch auf die Risiken der erfolgten
Friedensvermittlung hingewiesen worden: Im Februar
sind bewaffnete albanische Gruppen aufgetaucht und
haben mazedonische Ordnungskräfte angegriffen. Nach
wenigen Wochen sitzen sie plötzlich am Verhand-
lungstisch. – Das ist erklärungsbedürftig. Das könnte ja
auch eine Prämierung von Gewaltanwendung sein.
Der Hintergrund ist aber: Aus geographischen, politi-
schen und militärischen Gründen sind die mazedonischen
Ordnungskräfte nicht in der Lage, das zu tun, was eigentlich
normal gewesen wäre, nämlich diese Aktivitäten zu unter-
binden. Eine Verhandlungslösung zu suchen war die ein-
zige Möglichkeit, in Mazedonien ein dauerhaftes Blutver-
gießen, dessen Ende also nicht abzusehen gewesen wäre, zu
verhindern. Deswegen war dieses Vorgehen richtig.
Die Verhandlungslösung war nur möglich, weil es auf bei-
den Seiten besonnene Kräfte mit viel Mut gibt, die sich
gegen Populisten, Extremisten und Hardliner auf beiden
Seiten durchsetzen. Diese besonnenen Kräfte verdienen
unsere volle Unterstützung.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Volker Rühe
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Aber genauso deutlich appellieren wir an dieser Stelle
und in dieser Stunde an alle Mitglieder der UCK: Ihr habt
erklärt, dass eure politischen Ziele mit dem Rahmenabkom-
men jetzt erfüllt sind. Somit gibt es keinen Grund mehr, um
die Zahl der abzugebenden Waffen zu feilschen. Es ist eine
unabdingbare Voraussetzung, dass die Waffenabgabe trans-
parent, vollständig und verlässlich durchgeführt wird.
Ich gehe noch weiter: Wenn das Rahmenabkommen
umgesetzt ist, gibt es für bewaffnete albanische Verbände
in Mazedonien definitiv keinerlei Existenzberechtigung
mehr.
Sollten sie trotzdem auftauchen und aktiv werden – das
sage ich mit allem Nachdruck –, würde dies alles Er-
reichte infrage stellen und der albanischen Sache nicht nur
in Mazedonien einen kaum noch zu reparierenden Scha-
den zufügen. Ich hoffe, dass diese Botschaft bei allen, die
sie angeht, ankommt.
Auch auf slawo-mazedonischer Seite gibt es vernünf-
tige, realistische Kräfte und unbelehrbare Nationalisten,
die der Bevölkerung vorgaukeln, in Wirklichkeit sei der
Westen an der gesamten Problemlage schuld. Diejenigen,
die sich wie Präsident Trajkowski und unsere sozialde-
mokratischen Freunde ihnen entgegenstellen, brauchen
Mut. Sie haben es schwer und leben gefährlich. Sie ver-
dienen deshalb unsere Unterstützung.
Aber auch hier muss klar sein: Die unbelehrbaren
Scharfmacher gefährden die westliche Hilfsbereitschaft.
Angesichts der Tatsache, dass ein Jugendlicher mit tödli-
chen Folgen einen Betonbrocken auf ein Fahrzeug der
NATO-Mission geschleudert hat, verlangen wir, dass die
Scharfmacher, die Schreibtischtäter in den mazedoni-
schen Medien zur Rechenschaft gezogen werden und
endlich mit ihrer Hetze gegen den Westen aufhören.
Den Angehörigen des jungen Ian Collins aus Großbritan-
nien, der tragisches Opfer dieses Vorfalls wurde, sprechen
wir unsere tiefe Anteilnahme aus.
Gerade dieser Vorfall zeigt: „Essential Harvest“ birgt
nicht nur politische, sondern auch sehr praktische Risiken
für die zu entsendenden Soldaten. Die Bundesregierung
hat alles getan, um das deutsche Kontingent bestmöglich
und nach dem neuesten Stand der Technik zu schützen,
insbesondere auch durch die Gewährleistung des notwen-
digen Minenschutzes. Sie hat dies übrigens – das sage ich
an die Adresse des Kollegen Rühe – von sich aus und mit
voller Unterstützung der SPD-Bundestagsfraktion getan.
Einen Anstoß von außen hat es dafür nicht gebraucht.
Die Sicherheit der Bundeswehrsoldaten wird auch bei
der weiteren parlamentarischen Begleitung und Kontrolle
von „Essential Harvest“ die wichtigste Rolle spielen.
Die SPD-Fraktion hält im Übrigen an dem Parla-
mentsvorbehalt für militärische Auslandseinsätze fest.
Wir stehen für seine Abschaffung nicht zur Verfügung.
Wir stimmen heute über einen klar umrissenen Auftrag für
einen klar definierten Zeitraum ab. Wenn „Essential Har-
vest“ mehr Zeit braucht, muss sich der Bundestag mit ei-
nem Verlängerungsantrag der Bundesregierung erneut
konstitutiv befassen. Wenn der NATO-Rat den Auftrag
ändert, ist dies ebenfalls der Fall. Wenn sich herausstellt,
dass der Auftrag nicht erfüllbar ist oder sich schleichend
in eine andere Richtung entwickelt, wird der Bundestag
eingreifen. Die Verfassung gibt uns das Recht, das zu je-
dem Zeitpunkt zu tun.
„Essential Harvest“ soll einem Land, das sich an einem
Scheideweg befindet, Hilfestellung leisten. Mazedonien
kann als multi-ethnische Gesellschaft mit auch faktisch
gleichen Rechten für alle Bevölkerungsgruppen den Weg
des Friedensabkommens beschreiten. Mazedonien kann
aber auch aufgrund falscher Ratschläge – es gibt Ratge-
ber, die immer noch glauben, die Probleme seien mi-
litärisch lösbar – in Krieg und Zerstörung auseinander fal-
len. „Essential Harvest“ kann und soll die politische und
zivile Lösung des Konflikts absichern. Deshalb wird die
SPD-Bundestagsfraktion dem Antrag der Bundesregie-
rung zustimmen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Wolfgang Gerhardt, FDP-Fraktion.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Wir haben in den letzten Jah-
ren eine Reihe von Mandaten für deutsche Soldaten zur
Teilnahme an NATO-Operationen auf dem Boden des
früheren Jugoslawien erteilt. Keines dieser Mandate hat
bisher dort, wo Soldaten stationiert wurden, einen wirk-
lich entscheidenden Durchbruch für politische Lösungen
gebracht.
Ich spreche das zu Beginn der Debatte aus, weil wir
Mandate für militärische Einsätze nur erteilen, um am
Ende zu einer Bereitschaft für politische Konfliktlösun-
gen zu kommen. Wir stationieren dort ja nicht um des Sta-
tionierens willen. Deshalb, Herr Bundesaußenminister,
reicht mir und meiner Fraktion – auch wenn der Einsatz
aufgrund dieses Mandats am Ende erfolgreich sein
sollte – der politische Lösungsweg in Form einer Geber-
konferenz nicht aus. Es geht nicht nur darum, in dieser
Region Brücken und die Infrastruktur wieder aufzubauen
und die Elektrizitätsversorgung zu sichern. Es geht auch
darum, dass die Menschen endlich begreifen müssen:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Gernot Erler
18183
Wenn sie nach Europa wollen, müssen sie sich europäisch
verhalten. Das muss ihnen ganz klar gesagt werden.
Der Zeitpunkt ist gekommen, um nach den bisherigen
Mandaten und dem Vorentscheid über dieses Mandat ganz
klar zu sagen: Wir wollen eine Südosteuropa-Strategie,
die am Ende des Tunnels endlich einmal erkennen lässt,
welche eigenen Anstrengungen die entscheidenden Kräfte
vor Ort unternehmen können. Sie können nämlich nicht
nur Geberkonferenzen von uns erwarten. Ein Stück dieser
Mentalität steckt ja auch in dem Do-ut-des-Verfahren. Sie
müssen jetzt endlich begreifen, dass ein Mindestmaß eu-
ropäischen Verhaltens notwendig ist. Es müssen Streit-
schlichtungsmechanismen und Minderheitenrechte exis-
tieren und es muss Gewaltverzicht geübt werden. Das ist
unendlich wichtig.
Deshalb reicht meiner Fraktion dieses Mandat mit dem
Hinweis auf eine im Anschluss stattfindende Geberkonfe-
renz nicht aus.
Herr Bundeskanzler und Herr Bundesaußenminister,
ich fordere die Bundesregierung heute Morgen ausdrück-
lich auf, vertiefter und engagierter – auch in den interna-
tionalen Organisationen – auf eine Südosteuropa-Strate-
gie zu drängen, die den Namen verdient. Diese müssen
Sie dort auch vortragen. Sie dürfen den NATO-Botschaf-
ter nicht ohne Weisung in Bezug auf Entscheidungen da-
bei sitzen lassen. Die NATO sind nicht die anderen, son-
dern wir.
Die NATO-Länder entscheiden in diesem Bündnis.
Ich befürchte, dass es nicht ausreichend ist, wenn man
vor der Erteilung von Mandaten immer nur die Begrün-
dung „Bündnissolidarität“ anführt. Ein Bündnis legiti-
miert sich bei militärischen Schritten durch sein politi-
sches Konzept. Das Entscheidende an diesem Mandat
ist – deswegen wird die große Mehrheit meiner Fraktion
ihm zustimmen –, dass es zum ersten Mal mit präventiven
Maßnahmen, militärischen Komponenten und einem Mi-
nimum an Mitteln zu einem politischen Lösungsansatz
führt. Das ist eine Qualität, die – so denke ich – richtig ist,
sie befindet sich aber noch auf dünnem Eis. Das, glaube
ich, weiß jeder.
Das Do-ut-des-Prinzip – 30 Prozent der Waffen ein-
sammeln, dann tritt das mazedonische Parlament zur ers-
ten Lesung zusammen; 60 Prozent einsammeln, dann er-
folgen die weiteren Gesetzgebungsschritte – entspricht
nicht den Verhaltensweisen, die wir uns in Europa wün-
schen.
Es ist für uns nicht unbedingt die größte politische Glanz-
leistung, ein Land dazu anzuregen, ein Minimum an Men-
schenrechten zu respektieren und Gewaltverzicht zu
üben, dafür auch noch mit der Entsendung deutscher
Soldaten bezahlen zu müssen und das hinterher notfalls
mit einer Geberkonferenz zu unterfüttern. Ich meine, je-
der Staat, der nach Europa will, muss auch ohne Do-ut-
des-Prinzip ein Mindestmaß an demokratischer Ver-
fasstheit und Respekt vor Ethnien verwirklichen. Das
muss auch dort gesagt werden.
Ich will noch eine Bemerkung zu diesem Mandat, das
wir begrüßen und dem wir zustimmen werden, hinzufü-
gen: Die Zeit ist knapp bemessen. Der Deutsche Bundes-
tag, der heute entscheidet, sollte die deutsche Öffentlich-
keit nicht im Unklaren darüber lassen, dass viele
Abgeordnete, auch ich, Zweifel haben, ob 30 Tage ausrei-
chen werden – schon um politische Diskussionen zu ver-
meiden, wenn die Mission noch länger andauern wird.
Denn wir haben die Verhaltensweisen mazedonischer Ab-
geordneter nicht in der Hand, die die vereinbarten Fristen
für die Lesungen einhalten müssen. Wir haben es trotz der
Rahmenvereinbarung – sie selbst zeigt, wie unsicher sich
die Konfliktparteien noch gegenüberstehen – nicht in der
Hand, wie zügig das Waffeneinsammeln wirklich von-
statten geht. Deshalb muss man vorsichtigerweise sagen:
Es ist verständlich, dass das Mandat auf 30 Tage befristet
ist, um Druck zu machen; die Aufgabenerledigung kann
sich aber über 30 Tage hinaus erstrecken. Das muss offen
ausgesprochen werden. In einem solchen Falle ist der
Deutsche Bundestag wieder zu befassen. Wir werden uns
auch wieder damit befassen. Aber wir müssen eine solche
Situation ganz klar sehen.
Das Mandat ist deshalb bedeutsam, weil es zum ersten
Mal – nach all den anderen Mandaten – ein Stück europä-
ischer diplomatischer Verhandlungsleistung ist. Man
muss hervorheben: Es ist zum ersten Mal ein Stück
europäische Verhandlungskomponente neben die der
Vereinigten Staaten gesetzt worden. Das ist für das euro-
päische Selbstbewusstsein und für den Glauben in die ei-
genen Fähigkeiten wichtig. Dieses Mandat ist das aller-
erste Mandat – die anderen wurden zu spät erteilt –, das
wenigstens die Chance hat, präventiv Wirkung zu entfal-
ten. Das sind Gesichtspunkte, die meine Fraktion mit
überwiegender Mehrheit dazu bewegen, dem Mandat zu-
zustimmen.
Gleichzeitig verschweige ich nicht, dass wir sehr
wahrscheinlich mit 30 Tagen nicht auskommen werden
und dass wir auch noch keine Sicherheit haben, ob sich
die Konflikte in Mazedonien in diesem Zeitraum wirklich
so zurückentwickeln, wie das wünschenswert erscheint.
Die Menschen in dieser Region sind noch hasserfüllt. Sie
sind in vielen Bereichen, auch in den politischen Parteien,
noch nicht zu gegenseitigem Respekt bereit. Sie haben
noch nicht das Bewusstsein, das wir mühselig nach einer
großen Katastrophe erlangt haben, dass ohne Gewaltver-
zicht keine politische Lösung zustande kommt.
Es ist der erste europäische und der erste präventive
Versuch. Wir sollten ihn wagen, weil die Alternativen be-
trächtlich schlechter aussehen. Wir sollten uns aber klar
darüber sein, dass er auf dünnem Eis stattfindet und dass
er ein hohes Risiko trägt. Das muss der ganzen Öffent-
lichkeit bewusst werden.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Dr. Wolfgang Gerhardt
18184
Meine Fraktion wird zustimmen, weil wir der Über-
zeugung sind, dass wir dieses Risiko eingehen müssen, da
zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Alternative erkenn-
bar ist, die einen Lösungsbeitrag bringen könnte. Das ist
die Situation – nicht mehr und nicht weniger. Wenn es ge-
lingt, sollten wir uns freuen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Wolfgang Gehrcke, PDS-Fraktion.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, der Bundestag
muss in dieser Debatte zur Kernfrage, über die wir heute
zu entscheiden haben, zurückkehren. Sie lautet: Sollen
deutsche Soldaten nach Mazedonien geschickt werden,
oder soll dieser Einsatz verweigert werden? Das ist die
Entscheidung, die wir heute zu treffen haben. Dass wir als
PDS-Fraktion uns nicht daran beteiligen werden, deut-
sche Soldaten nach Mazedonien zu entsenden, und die
Zustimmung verweigern werden, werden Sie – zu Recht –
erwartet haben.
„Bedeutende Ernte“ nennt die NATO den Militärein-
satz. Abgesehen von dem Zynismus, der in der Sprache
zum Ausdruck kommt, muss man sich doch die Fragen
stellen, wer hier welche Ernte in die Scheuer bringen will
und welche Risiken, in weitere Militäraktionen hineinge-
zogen zu werden, damit verbunden sind. Lassen Sie uns
das näher untersuchen.
Die UCK will den NATO-Einsatz. Sie will für Maze-
donien das Modell Kosovo, weil das für sie eine Option
auf Macht oder zumindest auf Machtteilhabe ist. Die
UCK ist nicht die albanische Bevölkerung. Die NATO
würde hier mit einer extremistischen militärischen Orga-
nisation paktieren. Die UCK will die NATO im Land, und
das länger als 30 Tage.
Sie sieht in der NATO – das verschweigt sie gar nicht –
ihren Partner und erwartet sich – um im Bild zu bleiben –
reiche Ernte.
Ich will die Kolleginnen und Kollegen des Deutschen
Bundestages warnen und ihnen sagen: Der Schritt von
einer Mission zu einer Intervention in Mazedonien ist
ein ganz kleiner. Über dieses Risiko müssen wir uns hier
klar sein. Die mazedonische Regierung will die NATO
rasch wieder loswerden; die Signale kann man doch
nicht überhören. Sie spürt die Einschränkung ihrer Sou-
veränität und sieht die Gefahr, dass aus Mazedonien das
wird, was aus dem Kosovo geworden ist, nämlich ein
Protektorat.
Welche Interessen hat die NATO? Sie ist nicht der
selbstlose Helfer, als der sie sich darstellt und als der sie
dargestellt wird. Das wurde schon deutlich ausgeführt.
Die NATO hat die Vereinten Nationen erneut erfolgreich
ausgehebelt. Sie hat sich wieder selbst mandatiert. Darü-
ber kann nicht hinweggeredet werden.
Es gibt kein UNO-Mandat für die Militäraktion, auch
wenn so getan wird, als gäbe es ein solches; die NATO hat
dieses Mandat nicht gewollt. Herr Außenminister Fischer,
das wissen Sie doch! Sprechen Sie es hier im Bundestag
aus! Die Haltung der Bundesregierung war doch eine an-
dere. Die NATO hat ein Mandat der Vereinten Nationen
nicht gewollt. Es ist die NATO, die sich weiter als globale
Ordnungsmacht etablieren will und die die neue NATO-
Konzeption praktisch durchsetzt. Darüber kann man nicht
hinwegreden.
NATO und NATO-Mitglieder haben die UCK aufge-
baut, sie bewaffnet und kooperieren bis heute mit ihr. Die
NATO ist also nicht neutral. Ein großer Teil der Waffen,
die in Mazedonien eingesammelt werden sollen, sind vor-
her über NATO-Länder an die UCK verteilt worden. Man
war Kriegspartner der UCK und ist sozusagen unter Be-
kannten.
Geostrategisch ist Mazedonien wie der Kosovo von
größter Bedeutung. Der Weg in den kaspisch-kauka-
sischen Raum geht über den Balkan. Darin besteht das
geostrategische Interesse der NATO. Das sind die Interes-
sen, die eine Rolle spielen. Über diese Interessen muss
man reden und nachdenken. Ich finde, an diesem „Ernte-
einsatz“ sollten sich die Abgeordneten des Deutschen
Bundestages nicht beteiligen und sollten die Zustimmung
dazu verweigern.
In den letzten Wochen konnte man immer wieder das
Argument der Staatsräson, der staatspolitischen Verant-
wortung hören. Aus Staatsräson und staatspolitischer Ver-
antwortung sollten alle dazu gebracht werden, Ja zu sa-
gen. Seit wann ist es denn Kern der Staatsräson der
Bundesrepublik Deutschland, zu allem, was die NATO
beschließt, Ja sagen zu müssen? Wo bleibt die Souverä-
nität dieses Parlamentes, auch Nein sagen zu können? Aus
staatspolitischer Verantwortung – man darf dem Debakel
Kosovo nicht das Debakel Mazedonien folgen lassen –
werden viele Kolleginnen und Kollegen des Hauses zu
diesem Einsatz der Bundeswehr Nein sagen.
Es ist staatspolitische Verantwortung einer Opposition,
die Regierung daran zu hindern, weitere Fehler zu ma-
chen. Ich finde, wir alle sollten souverän genug sein, diese
staatspolitische Verantwortung, Nein zu sagen, wahrzu-
nehmen, egal welche kollektiven oder einzelnen Ausspra-
chen man als Kollege dieses Hauses in den letzten Tagen
über sich ergehen lassen musste.
Herzlichen Dank.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Dr. Wolfgang Gerhardt
18185
Ich erteile dem Kolle-
gen Gert Weisskirchen, SPD-Fraktion, das Wort.
Herr Präsi-
dent! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gerne
auf zwei Bemerkungen eingehen. Herr Gerhardt, Sie ha-
ben gesagt, dass mit den Missionen, die bislang im frühe-
ren Jugoslawien stattgefunden haben, kein politischer
Durchbruch gelungen sei. Wie wird das, was Sie gerade
eben gesagt haben, bei Rugova ankommen?
Rugova hat einen unglaublich harten Kampf gegen die
Rechtsnationalisten in seinem eigenen Land, im Kosovo,
bestanden. Er hat bei seinem Versuch, im Inneren ein
multi-ethnisches Kosovo herzustellen, mehr als dreimal
so viele Stimmen wie die Rechtsnationalisten bekommen,
nämlich 58 Prozent. Sie aber erklären hier, dies sei kein
politischer Durchbruch. Das ist der politische Durch-
bruch, um den es geht: Den gemäßigten Kräften im frühe-
ren Jugoslawien muss die Chance gegeben werden, von
innen und von unten zivile Gesellschaften aufzubauen.
Genau darum geht es bei diesem Einsatz.
Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen. Herr
Gehrcke, wir haben doch gemeinsam mit Kofi Annan ge-
sprochen.
Wie können Sie hier sagen, es habe ein vollständiges
Überrollen der UNO durch die Bundesrepublik Deutsch-
land gegeben?
Sie waren doch bei dem Gespräch selbst dabei, als uns
Kofi Annan gesagt hat, er wünsche sich, dass genau das,
was der Bundestag beschließt, durchgesetzt wird. Das hat
Kofi Annan Ihnen und mir in einem gemeinsamen Ge-
spräch persönlich gesagt.
Das ist nachher vom Sicherheitsrat der UNO be-
schlossen worden. Ich zitiere aus dem Beschluss des Si-
cherheitsrates:
Der Rat fordert die volle und unverzügliche Durch-
führung der Vereinbarung, die die friedliche und har-
monische Entwicklung der Zivilgesellschaft fördert
und dabei die ethnische Identität und die Interessen
aller mazedonischen Staatsbürger sichert.
Genau darum geht es. Das, was wir hier beschließen, ist
also genau das, wozu uns Kofi Annan auffordert.
Der Geburtshelfer des neuen Mazedonien war glückli-
cherweise nicht der Krieg. Zehn Jahre nach dem Anfang
vom Ende Jugoslawiens aber könnte die Gewalt des Krie-
ges das Land zwischen Albanien und Bulgarien, Serbien
und Griechenland zerstören.
Kollege Weisskirchen,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gehrcke?
Immer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Weisskirchen,
können Sie mir bestätigen, dass zwischen der Meinung
des Generalsekretärs der Vereinten Nationen bzw. einer
Erklärung des Sicherheitsrates und einem korrekten Man-
dat nach Art. 6 und 7 der Vereinten Nationen ein qualita-
tiver und quantitativer Unterschied besteht? Können Sie
gleichfalls bestätigen, dass uns der Außenminister unse-
res Landes öfter darüber informiert hat, dass es im Inte-
resse der Bundesregierung gelegen hätte – das hat sie lei-
der nicht erreicht, wie Fischer dargestellt hat –, ein
Mandat der Vereinten Nationen zu erhalten? Ist das kor-
rekt oder irre ich mich?
Herr Kollege
Gehrcke, Sie wissen doch ganz genau, dass der Beschluss,
der jetzt zu fassen sein wird, ohne Zweifel völkerrechtlich
berechtigt ist. Das wissen Sie sehr wohl; denn Sie waren
an allen Beratungen des Auswärtigen Ausschusses betei-
ligt. Ich möchte Sie darum bitten, Ihren Intellekt nicht aus
parteitaktischen Zwecken zu verschleudern.
Dies können wir nicht hinnehmen.
Nach langem Ringen und zähen Verhandlungen – wie
häufig drohten die Verhandlungen zu scheitern! – bietet
sich jetzt endlich eine kleine, aber realistische Chance.
Die Tür zu einer neuen Verständigung in Mazedonien
kann geöffnet werden. Der Schlüssel dazu ist das Rah-
menabkommen von Skopje. Wer diesen Schlüssel weg-
wirft, überlässt den Extremisten das Heft des Handelns,
Herr Kollege Gehrke. Ein Nein zum Antrag der Bundes-
regierung kann als ein Nein zum Rahmenabkommen ver-
standen werden, weil die Konfliktparteien das Waffenein-
sammeln zum archimedischen Prinzip ihres politischen
Prozesses gemacht haben. Wenn das Einsammeln der
Waffen nicht wie geplant durchgeführt werden kann,
könnten – wir alle haben das so verstanden – die politi-
schen Parteien im Parlament in Skopje dies zum Anlass
nehmen, den Prozess der Verständigung nicht weiter vo-
ranzutreiben. Deswegen ist es wichtig, dass die NATO
beim Einsammeln der Waffen genau die Rolle spielt, die
ihr nach dem Willen der Bundesregierung zukommen
soll. Daher werden wir zustimmen.
Aus welchen weiteren Gründen sollten wir zustimmen?
Es geht um Mazedonien, um 2 Millionen Menschen.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 200118186
Lange schon fühlt sich dieses Land hin und her gestoßen;
tief sitzen die Ängste der verschiedenen Volksgruppen, die
in diesem Land leben. Auf besonderen Druck Griechen-
lands – wir erinnern uns – hat die internationale Diplo-
matie einen künstlichen Namen für dieses Land erfunden.
Mazedonien heißt „ehemalige jugoslawische Republik
Mazedonien“. Dieses kleine geschundene Land ist das Er-
gebnis von endlos scheinenden Teilungen und ethnischen
Säuberungen eines alten historischen Balkanlandes.
Es ist, lieber Kollege Gehrke, nicht neu, dass Hass die
politische Kultur in diesem Lande leider mitbestimmt.
Dieses kleine Land ist von Trauma zu Trauma getrieben
worden, bis es 1991 seine jetzige Gestalt finden konnte.
Das Trauma hat sich in das historische Gedächtnis einge-
graben und es hat einen Namen: die Angst vor dem
Verlust der nationalen Existenz. Diese Angst kann – ins-
besondere in politischen Auseinandersetzungen – mobili-
siert werden; in Zeiten des politischen Kampfes kann sie
geschürt werden. Die Versuchung ist groß und viele erlie-
gen ihr.
Auch ein Zweites muss bedacht werden: Manche se-
hen mit nostalgischem Blick auf das, was Jugoslawien
bedeutet hat. Ein Rückblick auf die jugoslawische Ver-
fassung von 1974 zeigt, woher der heutige Nationalis-
mus seine Sprengkraft beziehen konnte. Lesen Sie ein-
mal das Buch von Branko Horvat, der Ende 1988 das
eigentliche innere Problem Jugoslawiens zusammenge-
fasst hat. In seinem Buch „Die Kosovo-Frage“ beschreibt
er, wie jeder politische Konflikt in diesem Land unaus-
weichlich Mittel zum nationalen Kampf werden musste.
1974 wurde Jugoslawien in einen Verbund nationaler Ge-
meinschaften umgewandelt. Das trieb den Paternalismus
voran. Soziale Interessen, der Streit um die Verteilung
von Arbeit und Wohnen sowie um die Macht im Staat
konnten nur noch ethnisch begründet werden. Diskrimi-
nierung und Willkür waren die eigentlichen Kennzeichen
des politischen Systems Jugoslawiens. Das verstand man
als etwas, das man nur noch im ethnischen Kampf durch-
setzen konnte. Das ist das innere Problem dieses Landes.
Ein krank machendes Erbe Titos ist der ethnisch begrün-
dete Nationalismus.
Milosevic war ein virtuoser Spieler oder glaubte, auf
dieser Klaviatur spielen zu können. Er gebärdete sich als
Retter nationaler Ideen und täuschte die Gefühle von
Menschen. Zunächst schien er Erfolg zu haben und dieser
Erfolg hatte sich wie eine Krankheit in der Region Jugo-
slawien festgesetzt. Diesem Muster versuchten viele an-
dere zu folgen. Mazedonien – so hofften viele von uns An-
fang der 90er-Jahre – schien von dieser Krankheit nicht
befallen zu sein. So blieb der junge Staat, trotz seiner in-
neren Unsicherheit und obwohl mancher nahe Nachbar
begehrlich oder skeptisch auf ihn blickte, davon ver-
schont.
Die internationale Staatengemeinschaft hat sich mit
UNPREDEP, der Mission der UNO, und unterschiedli-
chen präventiven Instrumenten für Mazedonien einge-
setzt. Unter den Regierungen von Helmut Kohl und
Gerhard Schröder ist von 1992 bis zum Jahre 2000 insge-
samt 1 Milliarde DM für präventive Mittel in das Land
Mazedonien geflossen. Es war eine große Leistung der in-
ternationalen Staatengemeinschaft und der Europäischen
Union, viel Geld ausschließlich für zivile Projekte bereit-
zustellen. Das Augenmerk, das wir auf Mazedonien ge-
richtet haben, macht doch deutlich, dass der Vorwurf, das
Militär komme jetzt, weil wir vorher überhaupt nicht be-
reit gewesen seien, in den Konflikt präventiv einzugrei-
fen, unberechtigt ist.
Dieses Land schien zunächst, bis in die ersten Wochen
dieses Jahres, gefestigt zu sein. Dann allerdings hat die
UCK versucht, ihre militärischen Mittel extremistisch
einzusetzen, um den ethnischen Nationalismus voranzu-
treiben. Die gemäßigten Kräfte – ich denke an die in den
Konfliktparteien und an diejenigen, die die großen Par-
teien im Parlament vertreten – müssen dafür sorgen – das
ist das eigentliche Problem dieses Landes –, dass der Ex-
tremismus auf beiden Seiten aus der Mitte der Demokra-
tie heraus überwunden wird.
Das ist das Ziel.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht um die Zu-
stimmung zu dem, was die Bundesregierung von uns ver-
langt und erhofft, weil ein Nein als ein Ja zum ethnischen
Nationalismus missgedeutet werden könnte. Über ein
Nein könnte sich die UCK am meisten freuen. Das dürfen
wir ihr nicht zubilligen.
Ich erteile dem Kolle-
gen Michael Glos, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler,
Sie und Ihre Minister reden in diesen Tagen sehr viel von
Bündnissolidarität, und zwar mit großer Gelassenheit.
– Es gibt Leute, die werden eigens dafür bezahlt, das Mi-
krofon entsprechend der Stimme des Sprechers einzustel-
len. Aber wenn Sie wollen, dann kann ich lauter reden.
Es ist noch nicht sehr lange her, dass Sie „Bündnisso-
lidarität“ ganz anders übersetzt haben. Ich erinnere daran,
wie Sie sich verhalten haben, als der Irak 1991 Kuwait
überfallen hat und als die internationale Staatengemein-
schaft – es handelte sich um ein UN-Mandat – unter
Führung der USA dem Opfer der Aggression geholfen
und die Invasoren hinausgeworfen hat.
Die Lage war völkerrechtlich eindeutig. Trotzdem haben
die damaligen Oppositionsparteien alles getan, in
Deutschland Hysterie zu schüren. Selbst Fasching und
Karneval sind auf deren Betreiben hin ausgefallen. Es gab
damals die Totschlagsparole „Kein Blut für Öl“ und die
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Gert Weisskirchen
18187
Demos gegen den Golfkrieg wurden von Rot und Grün
angeführt.
Ich erinnere mich an diese Zeiten deswegen sehr gut,
weil ich damals zum ersten Mal in meinem Leben eine De-
monstration mit organisiert und angeführt habe. Es han-
delte sich nämlich um eine Demonstration pro Amerika.
Demonstrationen dieser Art waren damals recht selten.
Auch 1995 – ich mache einen kleinen Sprung – haben
wir hier über Jugoslawien diskutiert. Damals haben wir
darüber debattiert, wie man dort helfen kann, damit es
nicht so weit kommt, wie es – ein Stück weit – leider doch
eingetreten ist. Damals haben Sie, Herr Fischer, gesagt
– ich zitiere Sie; Sie haben heute nicht als Bundesaußen-
minister, sondern, wie damals, als Sprecher der Grünen
gesprochen –:
Für uns wird damit der Verdacht bestätigt, dass es
hier nicht wirklich um einen Einsatz aus den Grün-
den geht, die Sie vorgegeben haben, sondern dass es
in der Linie Kambodscha, Somalia, jetzt Bosnien
dann weitergehen wird, um letztendlich die Selbst-
beschränkung deutscher Außenpolitik endgültig ad
acta zu legen.
Herr Scharping, der damals Vorsitzender der SPD-
Fraktion war, hat in den „Tagesthemen“ vom 26. Juni
1995 gesagt: Nichts, was die Verwicklung in Kampfhand-
lungen bedeuten könnte, wird von uns unterstützt. – So
viel zu Ihrer damaligen Auffassung von Bündnissolida-
rität.
Auch heute haben wir Bündnissolidarität erlebt. Ich
meine nämlich, dass man das, was Herr Gehrcke gesagt
hat und was die SPD tut, auch vor dem Hintergrund sehen
muss, dass die PDS Bündnispartner der SPD in Berlin ist.
Es bleibt nach wie vor bei dem alten Satz: Sage mir, mit
wem du umgehst und mit wem du verbündet bist, dann
sage ich dir, wer du bist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir dürfen
uns doch nicht wundern, warum für diesen Einsatz nicht
nur bei der Opposition, sondern in der gesamten deut-
schen Bevölkerung so wenig Zustimmung vorhanden ist.
Das kommt doch durch das arrogante, belehrende und
teilweise schnöselhafte Benehmen, mit dem Sie, Herr
Bundesaußenminister, in der Öffentlichkeit mit diesem
ernsten Thema umgegangen sind.
Was haben Sie, Herr Bundeskanzler, getan, um ernsthaft
für Zustimmung zu werben? Alle Argumente, die vorge-
tragen worden sind, waren
in erster Linie nach innen gerichtet, um die Zustimmung
in den eigenen Reihen zu gewinnen. Wenn man nur da-
rum kämpft, dann tut man sich ein ganzes Stück schwe-
rer, die breite deutsche Öffentlichkeit auf diesen Weg
mitzunehmen.
Als die Bundeswehr immer mehr zum Sparschwein der
Nation geworden ist, haben wir gewarnt, dass dann die
Zustimmung zurückgehen werde, wenn es darum geht,
dass die Bundeswehr in Einsätze geschickt werden muss,
weil die Sicherheit unserer Soldaten nicht mehr so ge-
währleistet ist. Diese Warnungen sind serienweise in den
Wind geschlagen worden.
Wenn wir schon über Bündnispartner reden, dann
möchte ich doch einmal den designierten amerikanischen
Botschafter in Deutschland, Dan Coats, zitieren, der ge-
sagt hat, Deutschland müsse mehr bieten als nur Rhetorik,
wenn es um Verteidigung geht. Er hat darauf hingewiesen,
dass „ein verringerter Verteidigungshaushalt die wichtige
Rolle gefährdet, die Deutschland spielen muss“. Wissen
Sie, das ist, wie wenn man einem Pferd die Vorderbeine
zusammenbindet, es dann auf die Rennbahn schickt und
sich beklagt, wenn es nicht den ersten Preis gemacht hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben die
Bundeswehr finanziell an den Krückstock gebracht.
Sie haben den Generalinspekteur der Bundeswehr zu
einem Aufschrei der Verzweiflung gebracht. Als Soldat
muss er sich heute fügen, aber vorher – noch im August –
hat er gesagt, die Bundeswehr sei weder finanziell noch
personell in der Lage, diesen Einsatz durchzuhalten.
Es fehlt – darüber hat heute schon Volker Rühe ge-
sprochen – an Realismus. Der Auftrag, Waffen einzusam-
meln, die freiwillig abgegeben werden, hört sich friedlich
an. Wahrscheinlich haben Sie das Mandat so formulieren
lassen, weil das die einzige Chance war, Ihre Genossinnen
und Genossen und auch die aus dem grünen Lager mitzu-
nehmen. „Schwerter zu Pflugscharen“ kann man ja noch
verklickern und „Ernte“ klingt natürlich auch gut. – Herr
Gehrcke, bei Ernte fällt mir ein, dass ich früher viele – wie
Sie es nannten – Produktionsgenossenschaften in der
DDR besichtigt habe. Dort hieß es immer: „Ohne Gott
und Sonnenschein bringen wir die Ernte ein.“
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Michael Glos
18188
Gerade mit diesen Begriffen haben Sie also große Erfah-
rungen.
Ich habe mehr Sorge davor, dass das Szenario, das
Stefan Kornelius in der „Süddeutschen Zeitung“ vom
22. August beschrieben hat, Wirklichkeit werden könnte.
Unter der Überschrift „Operation Sonnenschein“ schil-
dert er Situationen, die, wenn es zu bewaffneten Verwick-
lungen kommt, eintreten können. Wenn wir die NATO
einsatzfähig und angesehen halten wollen, müssen wir
aufpassen, dass sich – auch nicht in kleinerem Maße –
Szenarien wie in Srebrenica nicht wiederholen. Sie haben
auch auf meine damaligen Nachfragen hin nicht befriedi-
gend sagen können, wie Sie verhindern wollen, dass es zu
Gräueln an Zivilisten kommt, und wie sich dann die
NATO-Soldaten – und damit auch unsere Bundeswehr –
verhalten müssen.
Für die Autorität der NATO wäre eine solche Szene
katastrophal. Wir brauchen die NATO auch künftig für die
Verteidigung von Frieden und Freiheit – es ist nicht nur
ein Akt der Dankbarkeit, wenn wir die NATO unterstüt-
zen, weil die NATO unsere Wiedervereinigung ermög-
licht hat –; deswegen machen wir uns Sorgen, deswegen
wollten wir ein robustes Mandat und deswegen haben wir
gesagt: Dieses Mandat kann nicht aus der Portokasse fi-
nanziert werden. Wir haben eigentlich ein Stück weit die
Arbeit des Bundesverteidigungsministers gemacht, der
derzeit wohl an vielen Fronten gebunden ist,
indem wir dafür eingetreten sind, dass die Soldaten mehr
Geld erhalten. Wir haben für die Sicherheit unserer Sol-
datinnen und Soldaten gekämpft.
Jetzt können Sie die Frage stellen, warum wir trotz die-
ser Bedenken mehrheitlich zustimmen. – Ich habe für alle
bei uns Verständnis, die sagen: Unter diesen Umständen
können wir nicht zustimmen. – Wir stimmen zu, damit un-
sere Soldatinnen und Soldaten nicht das Gefühl haben,
wir ließen sie bei einem so gefährlichen Einsatz allein,
sondern sehen: Wir stehen hinter ihnen. – Das ist für uns
selbstverständlich.
Wir brauchen die Bündnissolidarität nicht zu bewei-
sen. Die Bündnissolidarität ist verlassen worden, als man
für den Finanzplanungszeitraum 20 Milliarden DM aus
dem Verteidigungshaushalt herausgestrichen hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn der
Deutsche Bundestag heute der Entsendung deutscher
Soldaten nach Mazedonien zustimmt – damit ist zu rech-
nen –, dann wünsche ich diesen Soldaten und ihren Fami-
lien, dass der Einsatz reibungslos verläuft und dass alle
Soldaten wieder wohlbehalten nach Hause kommen.
Vielen Dank.
Ich schließe die Aus-
sprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 14/6830 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Zu den Ausschussberatungen unterbreche ich jetzt die
Sitzung bis voraussichtlich 15 Uhr. Der Wiederbeginn der
Sitzung wird durch Klingelsignal rechtzeitig angekün-
digt.
Die Sitzung ist unterbrochen.
Die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe die Tagesordnungs-
punkte 2 a und 2 b auf:
2. a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte
an dem NATO-geführten Einsatz auf mazedo-
nischem Territorium zum Einsammeln und
Zerstören derWaffen, die durch die ethnisch al-
banischen bewaffneten Gruppen freiwillig ab-
gegeben werden
– Drucksachen 14/6830, 14/6835 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Gert Weisskirchen
Karl Lamers
Dr. Helmut Lippelt
Ulrich Irmer
Wolfgang Gehrcke
b) Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
– Drucksache 14/6836 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Adolf Roth
Dietrich Austermann
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Jürgen Koppelin
Dr. Uwe-Jens Rössel
Es liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktionen der
SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen sowie der Frak-
tion der CDU/CSU und der Fraktion der FDP vor.
Ich weise darauf hin, dass wir nach der Aussprache
über die Beschlussempfehlung zum Antrag der Bundesre-
gierung namentlich abstimmen werden.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Michael Glos
18189
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Bevor ich die Aussprache eröffne, erteile ich dem Vor-
sitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Uli Klose, das
Wort.
Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns bei den
Beratungen im Auswärtigen Ausschuss nicht nur mit
der Sache beschäftigt – das natürlich sehr intensiv ges-
tern im Wege der Selbstbefassung und heute formal nach
Überweisung. Wir mussten uns, ebenso wie die mitbera-
tenden Ausschüsse, auch mit einem formalen Problem
beschäftigen. Dieses formale Problem ergab sich daraus,
dass wir zwar nur über den Antrag zu entscheiden hatten
und hier zu entscheiden haben, dass aber in dem Antrag
der Bundesregierung auf den Beschluss der Bundesre-
gierung vom 23. August dieses Jahres Bezug genommen
wird.
In diesem Beschluss der Bundesregierung sind unter
Ziffer 11 die Kosten aufgeführt, und zwar die in der De-
batte wiederholt aufgetauchten 135 Millionen DM, wo-
von 120 Millionen DM für Einmalleistungen vorgesehen
waren. Diese Zahlen haben sich, wie auch schon gestern
deutlich geworden ist, verändert. Die richtigen Zahlen
lauten heute: 163,1 Millionen DM, wovon 148,1 Milli-
onen DM für Einmalausgaben vorgesehen sind.
Wir im Auswärtigen Ausschuss haben den anwesen-
den Außenminister gefragt, ob es zutreffend sei, dass die
Bundesregierung diese Zahlen korrigiert habe. Er hat das
bestätigt. Wir haben dann diese Veränderung zustimmend
zur Kenntnis genommen; wir waren und sind der Auffas-
sung, dass das formal genügt, weil der Antragstext nicht
unmittelbar berührt wird. Im Haushaltsausschuss aller-
dings, wo man genau mit Zahlen umgehen muss, war
man der Auffassung, das genüge nicht und es sei besser,
wenn man einen richtigen, formalen Kabinettsbeschluss
hätte. Dieser ist dann im Umlaufverfahren herbeigeführt
worden. Der Chef des Bundeskanzleramts hat mir das
formal mitgeteilt; ich lese es der guten Ordnung halber
vor:
... unter Bezugnahme auf das Schreiben des Vorsit-
zenden des Haushaltsausschusses des Deutschen
Bundestages vom heutigen Vormittag darf ich Ihnen
mitteilen, dass das Kabinett-Umlaufverfahren zum
Mazedonien-Einsatz abgeschlossen ist.
Damit sind die in Ziffer 11 des Entschließungs-
antrags genannten
Beträge von 120 Mio. DM auf 148,1 Mio. DM bzw.
von 135 Mio. DM auf 163,1 Mio. DM angepasst.
Damit dürfte nun auch formal alles bestens geregelt sein.
Ich danke sehr.
Ich eröffne die Aus-
sprache. Das Wort hat Kollege Peter Struck, SPD-Frak-
tion.
Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte
mich zunächst zu Beginn meiner Rede von dieser Stelle
aus an die Soldaten wenden, die die Mehrheit dieses Hau-
ses zu dem Einsatz nach Mazedonien schicken wird. Wir
wissen, dass die Mission nicht ohne Gefahren ist. Nie-
mand von uns hat sich die Entscheidung leicht gemacht.
Wir wissen um die Verantwortung, die wir dabei über-
nehmen. Deshalb versichere ich den Soldaten, dass die
Bundeswehr so sicher ausgerüstet wie nur möglich in die-
sen Einsatz gehen wird.
Vorweg auch noch eine Bemerkung in eigener, in par-
lamentarischer Sache: Es gab von einigen Kollegen der
Opposition den Vorschlag, auf den Parlamentsvorbehalt
zu verzichten und der Regierung allein die Entscheidung
über Bundeswehreinsätze zu überlassen.
Für mich und meine Fraktion sage ich ganz klar: Wir wer-
den uns diesen Vorschlag nicht zu Eigen machen.
Nicht trotz, sondern gerade wegen der engagierten De-
batten, in denen bei uns und auch in den anderen Fraktio-
nen um die Entscheidung gerungen wurde, bleiben wir bei
diesem Parlamentsvorbehalt. Wir nehmen diese Verant-
wortung wahr.
Bei dem Einsatz, über den wir heute entscheiden, geht
es darum, einen Bürgerkrieg in Mazedonien zu verhin-
dern.
Herr Kollege Struck,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schäuble?
Bitte.
Herr Kollege
Struck, auch wenn es vielleicht nicht das Hauptthema
heute ist: Sind Sie bereit, noch einmal zu überprüfen, dass
jedenfalls ich nicht eine Abschaffung der Beteiligung des
Parlaments bei den Entscheidungsprozessen gefordert
habe? Vielmehr habe ich gesagt, man müsse – gerade auch
im Licht der Erfahrungen dieser Tage, bis hin zu dem, was
der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses eben vor-
getragen hat – darüber nachdenken, ob die Abgrenzung in
der Verantwortung zwischen Regierung und Parlament
genau getroffen ist und ob wir nicht besser der Empfeh-
lung des Bundesverfassungsgerichts folgen sollten, das
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Präsident Wolfgang Thierse
18190
damals in seiner Entscheidung gesagt hat, man solle ein
Entsendegesetz schaffen, in dem man genauer und richti-
ger abgrenzt – nicht mehr und nicht weniger.
Herr Kollege Schäuble,
wenn Sie das jetzt so interpretieren – –
– Es gab andere Pressemeldungen über erste Äußerungen.
Es ist in der Tat ein Nebenaspekt; ich will diesen Punkt
nicht weiter vertiefen. Wenn wir uns einig sind, Herr Kol-
lege Schäuble, umso besser. Ich will nur feststellen: Die
Entscheidung darüber, ob deutsche Soldaten auf anderem
Gebiet als dem der Bundesrepublik Deutschland tätig
werden sollen, wird nach wie vor dieser Deutsche Bun-
destag zu treffen haben.
Bei dem Einsatz, über den wir heute sprechen, geht es
darum, im letzten Augenblick einen Bürgerkrieg in Ma-
zedonien unter Aufbringung aller diplomatischen An-
strengungen von Europäischer Union, NATO und OSZE
zu verhindern. Niemand hier kann ein Scheitern dieser
NATO-Mission ausschließen; aber jeder, der die Mög-
lichkeit des Scheiterns als Argument für eine Ablehnung
nimmt, muss wissen: Ohne die auf 30 Tage beschränkte
Einsammlung von Waffen ist der Friedensprozess in Ma-
zedonien schon jetzt gescheitert.
Der Einsatz ist vor allem auch eine Chance, um die uns,
wie ich hörte, die mazedonische Regierung, vertreten
durch den Verteidigungsminister, noch heute in Aus-
schüssen des Bundestages gebeten hat. Wir dürfen diese
Bitte nicht abschlagen, vor allem deswegen nicht, weil
Mazedonien seit dem Zerfall Jugoslawiens wertvolle
Dienste zur Stabilisierung der Region geleistet hat. Wir
sollten dabei insbesondere nicht vergessen, dass das Land
1998 und 1999 Hunderttausende von albanischen Flücht-
lingen aus dem Kosovo aufgenommen und damit eine
Hauptlast im Kampf gegen die Vertreibungspolitik
Milosevics getragen hat. Trotz der Schwäche dieses Lan-
des ist eine Zahl von albanischen Flüchtlingen dort auf-
genommen worden, die 15 Prozent der Bevölkerung Ma-
zedoniens entspricht. Übertragen auf unser Land würde
das bedeuten, wir hätten 12 Millionen Flüchtlinge auf-
nehmen müssen.
Im Frühjahr 1999 habe ich in den Flüchtlingslagern in
Mazedonien die Hilfsbereitschaft dieses Landes selbst
kennen gelernt. Ebenso wie viele andere aus diesem Haus
habe ich den mazedonischen Verantwortlichen damals ge-
sagt, dass Europa dies nicht vergessen und den Prozess
hin zu einem demokratischen Staatswesen unterstützen
wird. Auch an diese Versprechungen gilt es bei der heuti-
gen Entscheidung zu erinnern.
Wir entscheiden über einen wichtigen Bestandteil der
präventiven Kriegs- und Konfliktvermeidungsstrate-
gie der Europäischen Union gegenüber Mazedonien. Da-
bei kann nicht deutlich genug hervorgehoben werden,
dass die Europäische Union in diesem Fall in geradezu
klassischer und mustergültiger Form alle bekannten und
empfohlenen Mittel und Ansätze ziviler Präventionspoli-
tik eingesetzt hat, um einen Bürgerkrieg und eine daraus
möglicherweise folgende Destabilisierung der gesamten
Region zu vermeiden.
Unter der Führung der EU und unter gelungener Betei-
ligung der USA, der OSZE, des Europarates, des UNHCR
und der Weltbank ist es durch einen klugen Mix von poli-
tischen und ökonomischen Instrumenten gelungen, beide
Konfliktparteien zum Abschluss des politischen Rahmen-
abkommens vom 13. August zu bewegen. Damit ist ein
bedeutender Teilerfolg in der Befriedung und Konflikt-
beilegung in Mazedonien erreicht worden. Wir können
stolz auf diese hauptsächlich europäische Leistung sein
und bedanken uns bei all denen, die zu diesem Erfolg bei-
getragen haben.
Wer das Rahmenabkommen gelesen hat, weiß, dass
es sich dabei um einen Zug-um-Zug-Prozess handelt, bei
dem jede Seite ihren Verpflichtungen aus diesem Abkom-
men abwechselnd in drei Schritten in einem eng befriste-
ten Zeitrahmen nachkommen soll. Die Rolle der NATO
und ihr Mandat, darunter ihre Einsatzbefristung auf
30 Tage, ergeben sich aus den eng verflochtenen wech-
selseitigen Verpflichtungen des politischen Rahmenab-
kommens.
Die NATO-Operation „Essential Harvest“ ist unver-
zichtbarer Bestandteil dieses Abkommens und dient aus-
schließlich der Konfliktvermeidung und der Vertrauens-
bildung. Im Unterschied zu den Einsätzen in Bosnien und
im Kosovo, wo die NATO militärisch eingreifen musste,
um einen opferreichen schlimmen Bürgerkrieg und grau-
samste Vertreibung zu beenden, geht es in Mazedonien
darum, einen Bürgerkrieg zu verhindern.
Für das Abstimmungsverhalten heißt das nichts ande-
res, als dass diejenigen, die den NATO-Einsatz in Maze-
donien ablehnen, damit den gesamten Stabilisierungs-
und Friedensprozess in Mazedonien infrage stellen.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf
Folgendes hinweisen: Die NATO ist sowohl von der de-
mokratisch gewählten mazedonischen Regierung und
dem Präsidenten als auch von den Vertretern der albani-
schen Rebellengruppen gebeten worden, die Kriegswaf-
fen der UCK einzusammeln und zu vernichten. Damit ent-
spricht der NATO-Einsatz dem Völkerrecht. Das wird
auch durch die Erklärung des Sicherheitsrates der UN und
die Stellungnahme von UN-Generalsekretär Kofi Annan
unterstrichen.
In den Debatten der letzten Wochen um diese Opera-
tion ist von unterschiedlichen politischen Seiten häufig
der Vorwurf erhoben worden, das Mandat sei unehrlich
und gehe an den Gegebenheiten in Mazedonien vorbei.
Dabei wurde insbesondere angezweifelt, dass die
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Dr. Wolfgang Schäuble
18191
30-Tage-Frist einzuhalten sei, in der die albanischen Re-
bellengruppen ihre Waffen vollständig abliefern sollen.
Das mag so sein. Niemand von uns ist so naiv anzuneh-
men, dass jede Waffe, die es dort gibt, den NATO-Trup-
pen übergeben wird.
Viel wichtiger für den Gesamtprozess ist die politische
Bedeutung der Waffenabgabe durch die UCK. Mit ihrer
freiwilligen Entwaffnung erkennen die albanischen Re-
bellen die Abmachungen des Rahmenabkommens an und
übernehmen ihren Teil der Verantwortung für seine Um-
setzung. Ein betrügerisches Vorgehen der UCK in dieser
Frage würde dem Anliegen der albanischen Bevölke-
rung – ich meine die kulturelle und politische Gleich-
berechtigung, wie es in dem Rahmenabkommen vorgese-
hen ist – schwersten Schaden zufügen und die Chance auf
dessen Verwirklichung zunichte machen. Die UCK müss-
te dann die Verantwortung dafür übernehmen, dass die
albanischen Interessen verletzt werden. Ich halte es für
völlig ausgeschlossen, dass in einem solchen Fall die al-
banische Bevölkerung in Mazedonien dieser UCK noch
Toleranz und Sympathie entgegenbringt. Deswegen steht
für die UCK sehr viel auf dem Spiel, sollte sie dieses letzte
ihr entgegengebrachte Vertrauen verspielen.
Sowenig wie die Bundesregierung behauptet hat, der
NATO-Einsatz sei frei von Risiken und ohne Gefahren, so
wenig ist die Eingrenzung des NATO-Engagements in
Mazedonien auf 30 Tage eine Verschleierungstaktik, um
sich die schnelle Zustimmung dieses Hauses zu sichern.
Das enge Zeitfenster, das das Rahmenabkommen für das
Einsammeln der Waffen, das ja schon begonnen hat, und
die Verfassungsänderung vorsieht, ist ein notwendiges
Druckmittel, damit der günstige Augenblick der Frie-
densbereitschaft auf beiden Seiten genutzt wird und die
Stimmung in einem Spiel auf Zeit nicht wieder in Gewalt
umschlägt. Daher ist es völlig richtig, dass die NATO klar
zu verstehen gibt, dass der 30-Tage-Zeitraum für sie ver-
bindlich ist und eine Verlängerung nicht infrage kommt;
abgesehen von Verlängerungsnotwendigkeiten, die sich
möglicherweise durch tatsächliche Abläufe ergeben. Die
NATO verstärkt damit den Umsetzungsdruck auf die Ver-
tragsparteien. Jede andere Einlassung würde dem Rah-
menabkommen und dem Friedensprozess schaden und
möglicherweise zum Scheitern beitragen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, lassen Sie
mich an dieser Stelle ein Wort zum Verhalten der Opposi-
tionsfraktionen sagen.
Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Fraktionsführungen
von CDU/CSU und FDP ihren Abgeordneten die Zustim-
mung zu diesem Einsatz empfohlen haben. Es gibt eine
Fraktion, die sozusagen den Stein der Weisen offenbar ge-
funden hat.
Ich weiß aber, dass es in allen anderen Fraktionen dieses
Hauses – auch in meiner Fraktion – Abgeordnete gibt, die
nicht zustimmen werden. Das wird dem Ernst dieser Si-
tuation gerecht. Ich bedanke mich ausdrücklich bei den
Führungen der Oppositionsfraktionen, dass sie die Zu-
stimmung empfohlen haben; denn unsere Soldaten haben
ein Recht darauf, bei diesem schwierigen Einsatz die
breite Unterstützung des ganzen Parlaments zu haben.
Die Operation hat, wie wir wissen, begonnen. Wenn
wir uns heute nicht dazu entscheiden würden, an diesem
Einsatz teilzunehmen, würde die NATO ohne die Bun-
desrepublik Deutschland in Mazedonien agieren. Wir in
Deutschland dürfen nicht sagen, dass dieser Einsatz für
uns zu gefährlich ist, und gleichzeitig den Briten, Franzo-
sen, Niederländern und anderen, die dort die Waffen ein-
sammeln, diese Gefahr zumuten. Wir stehen auch in einer
Bündnisverpflichtung. Wenn wir so handeln würden,
müssten wir zu Recht den Vorwurf des Nationalismus und
des Bruchs der Bündnissolidarität in Kauf nehmen. Wir
wären isoliert und hätten keine Chance mehr, die gerade
von uns, von der Bundesrepublik Deutschland, von der
Bundesregierung, betriebenen Konzepte zur Stabilisie-
rung Südosteuropas mitverantwortlich zu gestalten, wenn
wir jetzt nicht dabei wären.
Das Mandat der NATO und der Antrag der Bundesregie-
rung sind eindeutig. Auftrag, Größenordnung, Ausstattung,
Kosten und Zeitrahmen sind unmissverständlich genannt.
Sollten sich die Lage und die Anforderungen für NATO und
Bundeswehr wie auch immer ändern, wird es ein neues
NATO-Mandat und eine neue konstitutive Beschlussfas-
sung dieses Deutschen Bundestages geben. Die Sorge, eine
Zustimmung zu dem Antrag heute würde ein schleichendes
Hineinlaufen in andere Mandate ermöglichen, ist unberech-
tigt. Unsere Verfassungslage ist klar: Gibt es einen anderen
Auftrag, muss der Bundestag neu darüber entscheiden. Ich
will daran gar keinen Zweifel lassen.
Ich bin fest überzeugt, dass es zu dem beschrittenen
Weg nur eine Alternative gibt: den Bürgerkrieg. Die Ge-
fahren, die von ihm ausgingen, könnten die Europäische
Union und die NATO sehr schnell vor Herausforderungen
stellen, deren Risiken ungleich höher sind als alle Risiken
jetzt. Um solche Entwicklungen zu bannen, ist nicht nur
die erfolgreiche Umsetzung des politischen Rahmenab-
kommens nötig, sondern auch die Ausarbeitung eines um-
fassenden Stabilisierungskonzeptes fürMazedonien im
Rahmen einer langfristig angelegten politischen und öko-
nomischen Gesamtstrategie für alle Balkanstaaten und
Südosteuropa.
Die Koalitionsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die
Grünen haben die Anregungen zahlreicher Abgeordneter
genau in dieser Richtung aufgegriffen. In einem Ihnen
vorliegenden Entschließungsantrag bitten wir die Bun-
desregierung, in der Europäischen Union die Fortsetzung
und Intensivierung entsprechender Maßnahmen einzufor-
dern. Gleichzeitig wird von der Bundesregierung erwar-
tet, dass der von ihr initiierte und mit großzügigen Mitteln
ausgestattete Stabilitätspakt für Südosteuropa über das
Jahr 2003 hinaus fortgeführt wird.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Dr. Peter Struck
18192
Insbesondere die Passage, bei der es darum geht, dass
wir die Bundesregierung – in diesem Fall eher den Bun-
desinnenminister als den Bundesaußenminister – darum
bitten, im Zusammenwirken mit den europäischen Amts-
kollegen die mafiaähnlichen Strukturen und die sich da-
raus ergebenden finanziellen Verbindungen nach Alba-
nien wirksam zu bekämpfen, nehmen wir sehr ernst. Wir
werden den Bundesinnenminister und die Bundesregie-
rung bei ihrem Kampf gegen diese Art der Geldbeschaf-
fung für die Albaner ganz intensiv unterstützen.
Meine Damen und Herren, die Alternative ist für mich
und die übergroße Mehrheit meiner Fraktion eindeutig:
Wenn wir heute diesem Antrag nicht zustimmen würden,
wenn andere NATO-Staaten sich so verhalten würden,
dann gäbe es nur die Alternative, dass in Mazedonien ein
Bürgerkrieg mit schrecklichen Folgen ausbrechen würde.
Ich appelliere an alle, die – auch moralische – Bedenken
haben, deutsche Soldaten durch diesen Beschluss des
Deutschen Bundestages in eine nicht ungefährliche Re-
gion zu entsenden: Sie möchten bedenken, dass wir auch
eine Verantwortung gegenüber den Menschen in Mazedo-
nien haben, die einen Anspruch auf den Schutz von Leib
und Leben haben.
Ich erteile das Wort
Kollegin Angela Merkel, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Schon lange nicht mehr muss-
ten die Abgeordneten in diesem Hause eine Entscheidung
treffen, bei der sich eine so große Kluft zwischen Hoff-
nung, vielleicht sogar Illusion über den Erfolg eines Ein-
satzes der NATO auf der einen Seite und Sorge über ein
mögliches Scheitern auf der anderen Seite auftat. Ich
glaube, wir sind uns einig, dass Politik niemals allein dem
Prinzip Hoffnung folgen sollte. Politik muss, wenn sie das
Vertrauen der Menschen gewinnen oder behalten will,
immer vorausdenken. Vorausdenken heißt, das Ziel zu
kennen und sich über den Weg im Klaren zu sein. Weg und
Ziel sind dabei eine Einheit.
Ich glaube, das Ziel des bevorstehenden Einsatzes der
NATO in Mazedonien ist gut und richtig. Es gilt, alles zu
tun, um einen fürchterlichen Bürgerkrieg zu verhindern.
Es gilt, Frieden, Freiheit und Demokratie auch in diesem
Lande in Europa Wirklichkeit werden zu lassen. Dieses
Ziel ist sehr anspruchsvoll; denn es geht um sehr viel mehr
als um das Einsammeln von Waffen. Es geht darum, ob es
mithilfe der NATO gelingt, eine Aussöhnung in Mazedo-
nien zu erzielen, Minderheitenrechte durchzusetzen und
dies in Politik und Verwaltung des Landes auch zum Aus-
druck zu bringen. Das ist viel mehr als nur eine militäri-
sche Aufgabe; es ist eine politische Aufgabe.
Dieses Ziel zeigt, dass sich die NATO gemeinsam mit
der Europäischen Union als Wertegemeinschaft ver-
steht. Das ist mehr als eine Militärgemeinschaft. Die
NATO hat sich immer als Wertegemeinschaft verstanden
und wir haben sie im Übrigen im Gegensatz zu vielen in
diesem Hause – Sozialdemokraten und Grünen –, die zu
Zeiten des NATO-Doppelbeschlusses auf ganz anderen
Seiten standen, immer als solche unterstützt.
Ich sage das ganz emotional; denn die Tatsache, dass wir
den NATO-Doppelbeschluss damals mitgetragen haben,
hat es ermöglicht, dass wir die deutsche Einheit haben und
dass ich heute hier stehen kann.
Wenn heute so getan wird, als ginge es um die Konti-
nuität der überparteilichen Zusammenarbeit, dann will
ich nur daran erinnern, dass im Jahre 1992, als der Golf-
krieg war, der niedersächsische Ministerpräsident und
heutige Bundeskanzler seinem Kultusminister ausdrück-
lich das Plazet gegeben hat, dass Schülerinnen und
Schüler während des Unterrichts auf die Straße gehen
konnten
und dass nicht dagegen eingeschritten wurde, weil er es
für einen Teil des Bildungsauftrages hielt, wenn man ge-
gen den Golfkrieg protestierte, der Israel erwiesener-
maßen vor der Vernichtung durch Giftgas bewahrt hat.
Das ist Geschichte und ich finde, wir alle sollten zu unse-
rer Geschichte stehen.
Die NATO ist und war immer eine Wertegemeinschaft.
Deshalb ist es unerlässlich, dass wir ihr Ansehen und ihre
Autorität durch klare Mandate stärken.
Die heutige Entscheidung verlangt uns allen sehr viel
ab. Die NATO verändert sich. Nie oder selten haben wir
über ein Mandat so intensiv diskutiert wie über dieses.
Wir als Opposition tun das aus zweierlei Blickwinkeln:
Wir haben zum Ersten diese Bundesregierung kritisch zu
begleiten und haben zum Zweiten aus unserem eigenen
Selbstverständnis heraus zu urteilen.
Die Entscheidung über das Mandat ist auf der einen
Seite unabwendbar. 19 Staaten haben im NATO-Rat eine
Entscheidung gefasst. Als eine Oppositionspartei in
Deutschland muss man schon sehr gut überlegen, ob man
sagen kann: Wir wissen, dass es anders gehen müsste.
Aber auf der anderen Seite müssen wir als kritische
Überwacherin der Bundesregierung
fragen, ob denn die deutsche Bundesregierung alles getan
hat, um das Mandat so auszugestalten, wie wir es für not-
wendig halten.
Ich habe den Eindruck, dass Sie von den Regierungsfrak-
tionen ziemlich viel Zeit darauf verwenden müssen,
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Dr. Peter Struck
18193
interne Schwierigkeiten zu bewältigen und Mehrheiten
zusammenzubekommen.
– Darüber kann man lange lachen.
Die Bundesregierung hat die Aufgabe, im NATO-Rat
die Position der Bundesrepublik Deutschland zu vertre-
ten. Ob ein Mandat mit Blick auf die Zustimmungsfähig-
keit im deutschen Parlament sozusagen immer mit einer
Handbremse beim Denken oder mit einer ganz klaren Un-
terstützung für Belastbarkeit und Robustheit verfasst
werden kann, weil man weiß, dass die Abgeordneten zu
100 Prozent hinter der NATO stehen, ist ein Unterschied.
Man wird es noch aussprechen dürfen: Ich persönlich
hatte in den letzten Tagen manchmal den Eindruck, dass
Sie sich für ein belastbares Mandat nicht ausreichend
einsetzen konnten, weil Ihre eigenen Leute gegenüber der
NATO nicht genug belastbar sind. Das ist für mich die
Wahrheit.
Hätte Deutschland mit mehr innerer Klarheit – das sage
ich ausdrücklich deshalb, weil ich zwar oft zugehört, aber
wenig davon vernommen habe – sein Gewicht in diese
Verhandlungen eingebracht, dann hätte man – davon bin
ich überzeugt – ein besseres Mandat erreichen können.
Aber es ist jetzt eine Entscheidung gefallen. Weil die
Aufgabe so ist, wie sie ist, kommt der Frage, in welchem
Zustand sich die Bundeswehr befindet, eine ganz beson-
dere Bedeutung zu. Deshalb haben wir von der Durchhal-
tefähigkeit gesprochen. Wir haben gesagt: Wir wissen
nicht, ob wir in diesem Zusammenhang noch einmal ent-
scheiden müssen; aber wir müssen dafür Vorsorge treffen,
dass die Bundeswehr zur Erfüllung ihrer Aufgaben in der
Lage ist.
Sie argumentieren so, als sei die Bundeswehr eine ge-
spaltene Bundeswehr: Zum einen gibt es eine Bundes-
wehr im Inland; bei ihr kann man sparen, so viel man will.
Dabei setzt man die Wehrpflicht aufs Spiel. Zum anderen
gibt es eine Bundeswehr für Auslandseinsätze. In diesem
Fall sagt man: Die Staatsräson erfordert es nun, dass alle
zustimmen. – Ich glaube, so geht es nicht.
Die Bundeswehr muss als Ganzes gesehen werden. Die
Bundeswehr ist in diesem Jahr um 3 Milliarden DM er-
wiesenermaßen unterfinanziert, und zwar in Bezug auf
unsere mittelfristige Finanzplanung. Sie war – das weiß
Volker Rühe – mit Sicherheit nicht üppig. Aber in Bezug
auf diese mittelfristige Finanzplanung ist die Bundeswehr
um 3 Milliarden DM unterfinanziert. Deshalb – das habe
ich gemerkt, als ich in Amerika war – sprechen unsere
Verbündeten offen darüber, dass sie sich um unsere Bun-
deswehr Sorgen machen. Ich finde, wir sollten diese Sor-
gen ernst nehmen und etwas tun.
Durchhaltefähigkeit ist für mich die Voraussetzung für
Bündnisfähigkeit und Bündnisfähigkeit ist die Vorausset-
zung für den Erfolg der NATO und damit auch für das
Vertrauen der Menschen. Deshalb darf nicht das Prinzip
Hoffnung regieren; wir müssen vielmehr Vorsorge treffen.
Das ist die Entscheidung, vor der wir heute stehen.
Wir sind uns dabei unserer Aufgabe als Opposition
sehr bewusst. Auf der einen Seite steht die kritische Frage:
Was können wir tun? Auf der anderen Seite steht die
Frage: Was ist unsere Haltung zur NATO? Wir haben un-
sere kritische Aufgabe den ganzen Sommer über sehr be-
wusst und sehr intensiv wahrgenommen. Dabei haben wir
Erfolge gehabt. Dazu sage ich: Diese Erfolge lasse ich
nicht kleinreden. Hier haben wir Wichtiges erreicht.
Wir haben – ich vermute, das passt Ihnen nicht – in der
deutschen Bevölkerung Aufmerksamkeit dafür geweckt,
dass die Bundeswehr in einem schlechten Zustand ist, und
zwar seit dem Jahre 1998, als Sie die Regierungsverant-
wortung übernommen haben.
Wir haben an zwei entscheidenden Stellen – zum einen
in Bezug auf diesen Einsatz und zum anderen in Bezug
auf die Panzerung von Marder-Fahrzeugen – wichtige
Verbesserungen für die Soldaten erreicht. Diese Punkte
sind uns wichtig gewesen.
Auf der anderen Seite müssen wir sagen, dass Pro-
bleme bleiben. Deshalb ist unsere Entscheidung das Er-
gebnis einer Abwägung, die wir in den letzten Wochen
bzw. Tagen – viele in den letzten Stunden – vorgenommen
haben, einer Abwägung zwischen dem, was am Zustand
der Bundeswehr zu kritisieren ist, und dem, was durch das
Mandat der Bundesregierung nicht erreicht wurde.
Eine Opposition, die sich immer als die Regierung von
morgen versteht, muss bei ihrer Abwägung berücksich-
tigen: Wie ist unser Verhältnis zur NATO in unserer his-
torischen Tradition zu sehen?
Vor diesem Hintergrund spreche ich mich als Ergebnis
eines solchen Abwägungsprozesses klar dafür aus, dem
Antrag zur Entsendung von Soldaten der Bundeswehr
nach Mazedonien zuzustimmen. Ich sage aber sehr deut-
lich: Unsere Entscheidung ist keine Zustimmung zu dem
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Dr. Angela Merkel
18194
Ergebnis, das die Bundesregierung im Prozess der Ver-
handlung des Mandats erreicht hat. Wir müssen in Zukunft
sehr viel mehr vorausschauend in Bezug auf Mazedonien
handeln. Unsere Zustimmung ist kein Freibrief dafür, die
Bundeswehr in finanzieller Hinsicht weiter so schlecht zu
behandeln.
Für mich zählt schlussendlich, dass wir als Union die
Bindungen, die Fäden, auch zur NATO von heute halten
sollten. Für mich zählt in ganz besonderer Weise in den
Stunden vor dem Einsatz vor allem eines: das Bekenntnis
zu unseren Soldaten, die trotz aller Schwierigkeiten, trotz
aller Unvollkommenheiten in diesem Einsatz die Bundes-
republik Deutschland vertreten werden. Wir wünschen
denen, die dort sein werden, viel Glück, vor allem aber
Erfolg und Gesundheit.
Herzlichen Dank.
Ich erteile der Kolle-
gin Kerstin Müller, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine
Fraktion wird heute mit sehr großer Mehrheit dem Antrag
der Bundesregierung zustimmen, da wir davon überzeugt
sind, dass die Beteiligung der Bundeswehr am Einsatz der
NATO in Mazedonien richtig und notwendig ist. Uns ist
– ich denke, wie allen hier im Deutschen Bundestag – be-
wusst: Wir übernehmen damit eine große Verantwortung
für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die
diese heikle Aufgabe erfüllen, vor allem weil wir wissen,
dass die Situation nach wie vor fragil und dies kein Ein-
satz ohne Risiko ist. Ich glaube, das ist uns allen klar.
Wir übernehmen mit diesem Einsatz aber auch und vor
allem Verantwortung für die Menschen in Mazedonien
und in der Balkanregion insgesamt. Deshalb bin ich froh,
dass sich inzwischen in diesem Hause eine breite Mehr-
heit für diesen Einsatz abzeichnet, da ich glaube, dass dies
nicht der Zeitpunkt für innenpolitische Profilierungsver-
suche ist. Hier und heute steht nicht der Wehretat zur Ab-
stimmung, sondern es geht um ganz andere, sehr ernst-
hafte Fragen.
Die Regierung und auch die Regierungsfraktionen ha-
ben von Anfang an unmissverständlich klargestellt: Was
für die Sicherheit der Soldaten für diesen Einsatz erfor-
derlich ist, muss und wird zur Verfügung gestellt werden.
In den Staaten des ehemaligen Jugoslawien haben wir
in den vergangen Jahren vier schreckliche Bürgerkriege
erlebt, die unermessliches Leid über die Menschen in der
Region gebracht haben. Jetzt gibt es erstmals die Chance,
den Ausbruch eines Bürgerkrieges rechtzeitig zu verhin-
dern. Erstmals haben die Europäische Union und die in-
ternationale Staatengemeinschaft durch ihr gemeinsames
und entschlossenes Vorgehen gegenüber den beiden
Konfliktparteien ein sehr weitgehendes politisches Ab-
kommen vermittelt und damit die Tür zum Frieden in
Mazedonien geöffnet, und zwar bevor sich die Situation
weiter verschärft. Es gibt jetzt eine große Chance auf
Frieden; aber es gibt dafür – das muss man sehr offen
sagen – keine Garantie.
Die Friedensvereinbarung vom 13. August ist für die
Menschen in Mazedonien wirklich ein gewaltiger Schritt
nach vorn, über den wir heute mit zu entscheiden haben.
Ich will das an zwei Beispielen deutlich machen:
Erstens. Früher waren die Albaner in Mazedonien
Bürger zweiter Klasse. Zukünftig werden sie durch Art. 8
der Verfassung „als Bürger mit gleichen Rechten“ aner-
kannt.
Zweitens. Früher war die Mazedonische Orthodoxe
Kirche Staatskirche. Zukünftig garantiert Art. 9 der Ver-
fassung Religionsfreiheit. Es heißt dort sehr klar:
Die Mazedonische Orthodoxe Kirche, die islami-
sche Religionsgemeinschaft, die katholische Kirche
und sonstige Religionsgemeinschaften und religiöse
Gruppen sind vom Staat getrennt und vor dem Gesetz
gleich.
Genau darum geht es heute. Wir stimmen heute über
die Frage ab, ob wir unseren Beitrag dazu leisten wollen,
dass der begonnene Friedensprozess fortgesetzt wird,
oder ob wir zulassen wollen, dass die Tür zum Frieden zu-
geschlagen wird.
Ich will hier auch auf die wichtigsten Argumente der
Kritiker eingehen. Der Einsatz der NATO und der Bun-
deswehr zur Einsammlung der Waffen ist nicht, wie man-
che sagen, eine militärische Lösung des Konflikts. Nein,
liebe Kolleginnen und Kollegen: Genau das Gegenteil ist
richtig! Dieser Einsatz ist ein Beitrag – sicherlich ein wich-
tiger –, aber doch nur ein Beitrag zur konfliktpräventiven
Politik der internationalen Staatengemeinschaft. Allen, die
sagen: „Ihr setzt doch nur auf die Stärke des Militärs“, ent-
gegne ich: Es war doch nicht das Militär, das das Rah-
menabkommen ermöglicht hat; es war die hervorragende
politische Arbeit von François Léotard, von James Pardew,
von Javier Solana und von Lord Robertson, denen wir für
diesen Einsatz zu sehr großem Dank verpflichtet sind.
Es wird und es darf auch nicht das Militär sein, das dau-
erhaft den Weg zum Frieden ebnet. Ob der Weg, den ich
mit dem Hinweis auf die beiden Artikel der Verfassung
eben beschrieben habe, fortgesetzt wird, ob der Friedens-
prozess letztlich tragfähig ist, das hängt zuallererst und
ganz entscheidend von den Konfliktparteien ab – sie müs-
sen den Frieden wirklich wollen – und davon, wie die
internationale Gemeinschaft den zivilen Prozess weiter
unterstützt. Dazu bedarf es eines politischen Gesamtkon-
zepts, wie wir es im vorliegenden Entschließungsantrag
deutlich gemacht haben.
Dazu bedarf es außerdem aller wichtigen internatio-
nalen Organisationen. Die OSZE und der Europarat müs-
sen und werden helfen. Gemeinsam mit allen ethnischen
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Dr. Angela Merkel
18195
Gemeinschaften muss die Demokratisierung vorangetrie-
ben werden. So wie es das Abkommen vorsieht, müssen
die Verfassungsänderungen Zug um Zug beschlossen
werden. Die Flüchtlinge müssen in Sicherheit zurückkeh-
ren können. Die Polizei muss reformiert und die lokale
Selbstverwaltung muss unter Beachtung der Minderhei-
tenrechte aufgebaut werden.
Die Menschen in Mazedonien brauchen auch eine
wirtschaftliche Perspektive; deshalb muss die Hilfe
zum wirtschaftlichen Aufbau schnell und gezielt kom-
men. Wir werden daher darauf drängen – das haben wir
deutlich gemacht –, dass das Versprechen der G-8-Staaten
eingelöst wird. Mazedonien braucht eine Geberkonfe-
renz. Es darf sich nicht nur um eine Konferenz handeln,
in der Versprechungen gemacht werden, sondern es müs-
sen auch Taten folgen, und zwar schnell. Da ist auch der
Deutsche Bundestag gefragt.
Der Stabilitätspakt muss ergänzt und erweitert werden.
Die Menschen müssen vor Ort konkret erfahren, dass wir
ihnen beim Aufbau helfen. Nur so gibt es eine Chance,
dass die Extremisten auf beiden Seiten Schritt für Schritt
isoliert werden. Sie dürfen in der breiten mazedonischen
Bevölkerung keinen Resonanzboden mehr finden; denn
genau das – davon bin ich überzeugt – wird letztlich da-
rüber entscheiden, ob dieser Friedensprozess erfolgreich
sein wird.
Natürlich werden die Extremisten auch weiterhin ver-
suchen, die friedliche Entwicklung zu torpedieren. Aber
wenn es gelingt, die Verfassungsänderungen Zug um Zug
vorzunehmen, die Minderheitenrechte zu verankern und
umzusetzen, dann haben Mazedonien und vielleicht auch
die Region eine Chance. Das zeigt mehr als deutlich, dass
es wirklich nicht um eine militärische Lösung geht, son-
dern um einen militärischen Beitrag zu einem zivilen
Friedensprozess – nicht mehr und nicht weniger.
Natürlich wäre es das Beste, wenn alle Waffen aus der
Region verschwinden. Aber wir wissen doch nur zu gut:
Diese Vorstellung ist nicht realistisch. Der Besitz von
Waffen ist auf dem Balkan leider fast eine Selbstver-
ständlichkeit. Wenn die UCK aber nun bereit ist, immer-
hin 3 300 Waffen freiwillig abzugeben, dann ist das zwar
keine vollständige Entwaffnung, aber doch zumindest ein
wichtiger Schritt zur Demilitarisierung und zur Stabili-
sierung der Region. Sollen wir da wirklich sagen, dass uns
das nicht reicht und dass wir es dann lieber ganz lassen?
Nein, meine Damen und Herren, das wäre das sofortige
Ende des Friedensprozesses. Denn dann würde der Pro-
zess der Zug-um-Zug-Umsetzung der Friedensvereinba-
rung gar nicht erst beginnen.
Herr Merz, Herr Rühe, man muss sich einmal klarma-
chen, was es heißt, wenn Sie sagen, es sei kein „ehrliches
Mandat“ und wir bräuchten ein robustes Mandat sowie
die vollständige Entwaffnung. Was heißt es denn, Herr
Rühe, wenn die NATO in dieser Situation sagen würde,
dass mit der Freiwilligkeit Schluss sei, und wenn sie die
Waffenabgabe erzwingen würde? Ich will es Ihnen sagen:
Es würde bedeuten, dass die NATO nicht mehr neutral
wäre; sie müsste nämlich Partei ergreifen – gegen die
UCK und für die mazedonische Regierung. Das wäre
dann genau das Gegenteil von konfliktpräventiver Politik;
darum wollen wir so etwas nicht.
Nun zur Debatte über die 30 Tage. Gut, möglicher-
weise wird sich herausstellen, dass man etwas mehr Zeit
braucht; das ist nicht auszuschließen. Dann haben wir in
diesem Hause gegebenenfalls über eine Verlängerung des
Einsatzes zu entscheiden. Weil das so ist, liegt die Befris-
tung aber doch gerade im Interesse von uns Abgeordne-
ten. Wir haben darüber zu entscheiden. Ich meine, das
sollte so bleiben. Vor allem aber stellen die 30 Tage den
Zeitrahmen dar, den die Konfliktparteien selbst bestimmt
haben. Da sollten wir sie doch beim Wort nehmen. Es
wäre jetzt völlig kontraproduktiv, wenn wir der UCK si-
gnalisieren würden, sie müsse die 30-Tage-Frist nicht so
ernst nehmen und könne sich ruhig mehr Zeit lassen. Das
wäre das falsche politische Signal. Deshalb bin ich über-
zeugt, dass die Befristung richtig und notwendig ist.
Es gibt eine Reihe von Kolleginnen und Kollegen, die
dem Einsatz ohne UN-Mandat nicht zustimmen wollen.
Sicher, auch ich halte ein UN-Mandat für absolut wün-
schenswert; auch wir wollen den Einfluss der UN wieder
stärken. Die deutsche Regierung hat sich ja auch um ein
Mandat bemüht. Aber die Deutschen standen mit dieser
Forderung völlig alleine. Weder die mazedonischen Kon-
fliktparteien noch die internationale Gemeinschaft halten,
weil in diesem konkreten Fall die Anfrage beider Kon-
fliktparteien an die NATO vorliegt und weil die völker-
rechtlichen Fragen damit eindeutig geklärt sind, ein UN-
Mandat für erforderlich.
Zudem hat die Erklärung des Sicherheitsrates doch
gezeigt, dass die UN das Rahmenabkommen vom 13.Au-
gust und damit – übrigens erstmals explizit mit den Stim-
men von Russland und China – auch den Einsatz der
NATO ausdrücklich unterstützen. In dieser Situation sol-
len wir nun sagen, der Einsatz sei zwar eigentlich richtig,
aber wir beteiligen uns daran nicht ohne UN-Mandat? Ich
glaube, das ließe sich nur noch schwer vermitteln; das
wäre nicht verantwortbar.
Bei allen Bedenken, bei aller Kritik an den Fehlern der
vergangenen Jahre und bei aller Skepsis aufgrund der un-
bestreitbaren Risiken müssen wir alle heute die Frage be-
antworten: Was passiert, wenn die NATO nicht bereit ist,
diesen Einsatz durchzuführen? Wir alle wissen, dass die
Konsequenzen verheerend wären; denn das wäre der Auf-
takt zu einem neuen, schrecklichen Bürgerkrieg, von dem
nicht nur Mazedonien betroffen wäre. Denn der Konflikt
würde mit Sicherheit auch auf die Nachbarstaaten über-
greifen, auf Kosovo und Bosnien, und vielleicht auch
Bulgarien und Griechenland berühren. Damit wäre die ge-
samte Region im Bemühen um Frieden und Stabilität weit
zurückgeworfen.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Kerstin Müller
18196
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch einmal
eindringlich Folgendes: Mazedonien ist auf einem guten
Weg. Es ist auf dem Weg, ein Staat all seiner Bürger zu
werden, in dem die Rechte von Minderheiten geachtet und
geschützt werden. Die Mazedonier haben uns auf diesem
Weg um unsere Unterstützung gebeten. Wollen wir sie ih-
nen verweigern? Ich meine, das könnten wir nicht verant-
worten. Deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmung.
Ich erteile dem Kolle-
gen Guido Westerwelle, FDP-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Freien De-
mokraten werden dem Antrag der Bundesregierung mit
klarer Mehrheit, aber nicht ohne Bedenken zustimmen.
Die Lage hat sich im Vergleich zum Frühsommer ver-
ändert. Mittlerweile gibt es Gott sei Dank einen weitest-
gehend tragfähigen Waffenstillstand und es gibt eine
Perspektive für eine politische Lösung in Form eines
Verfassungsprozesses, der die Minderheiten rechtlich
schützt. Der Minderheitenschutz und die Rechtsstaatlich-
keit sind die entscheidenden Voraussetzungen dafür, dass
es in einer ethnisch zerrütteten Region wieder eine
Chance auf Frieden gibt.
Deswegen ist es ungeheuer wichtig, darauf hinzuwei-
sen, dass wir eine politische Lösung brauchen, bei der das
Militär helfen kann, und nicht umgekehrt.
Das ist ein wesentlicher Unterschied zu mancher öffentli-
chen Diskussion.
Der Einsatz ist risikoreich, er ist sehr risikoreich. Eine
Zeit lang hatte man im Sommer den Eindruck, es geht um
eine Art Wald-und-Wiesen-Spaziergang, bei dem neben-
bei einige Waffen eingesammelt werden. Das war naiv.
Wenn es heute noch jemand ernsthaft glaubt, dann ist auch
das naiv.
Der Bundeskanzler hat mittlerweile selbst das Wort
vom robusten Mandat geprägt und verwendet. Aber da
fragen wir als Freie Demokraten: Warum wurde seitens
der Bundesregierung in Brüssel dann nicht auch in Rich-
tung eines robusten Mandats verhandelt?
Der Grund ist ein ganz einfacher: Die Bundesregierung
hat den ganzen Sommer über keine eigene Regierungs-
mehrheit in diesem Hause gehabt und hat sie möglicher-
weise auch heute nicht. Das ist nicht so sehr eine
innenpolitische Frage; es ist vielmehr eine außenpoliti-
sche Frage. Das hat nämlich ihren außenpolitischen
Handlungsradius, ihre Autorität, ihre Entschiedenheit im
Auftreten gelähmt. Das ist das Problem.
Herr Bundeskanzler, Sie waren sich Ihrer eigenen
Mehrheit in der Koalition nicht sicher und auch heute sind
Sie sich ihrer noch nicht sicher. Deswegen haben Sie in
Brüssel nicht verhandelt, sondern Sie haben gezögert, Sie
haben gezaudert und haben andere für sich machen lassen.
Die NATO ist aber nicht irgendeine fremde Institution.
Wir selbst sind die NATO. Die NATO handelt mit uns und
nicht gegen uns. Auch das muss im Bündnis klar sein.
Herr Außenminister, Sie haben das Mandat nicht ge-
prägt, sondern Sie und die Bundesregierung haben das
Mandat letzten Endes akzeptiert. Die Bundesregierung
war in der NATO überwiegend sprachlos. Wenn sie sich
geäußert hat, hat sie Fragen gestellt und Zweifel ange-
meldet. Das ist in Wahrheit die Art und Weise gewesen,
wie in Brüssel verhandelt worden ist. Deswegen geht es
an dieser Stelle auch nicht um Innenpolitik, wenn Ihnen
die Regierungsmehrheit fehlt; es geht ausschließlich da-
rum, dass Sie, weil Ihnen die eigene Mehrheit fehlt,
außenpolitisch nicht so handeln können, wie es im Inte-
resse Deutschlands geboten wäre.
Das wissen auch die Kolleginnen und Kollegen von
den Regierungsfraktionen. Sie haben es in den Ausschüs-
sen ja entsprechend gesagt. Man braucht sich nur die Nr. 7
des Antrags noch einmal vor Augen zu führen. Darin heißt
es wörtlich:
Den im Rahmen dieser Operation eingesetzten Kräf-
ten wird auch die Befugnis zur Wahrnehmung des
Rechts auf bewaffnete Nothilfe zugunsten von Sol-
daten und Zivilpersonal der internationalen Präsen-
zen und humanitären Hilfsorganisationen erteilt.
Meine Damen und Herren, den Soldaten, die dort hin-
gehen, muss es doch auch möglich sein, angegriffene
wehrlose Zivilpersonen zu schützen. Das müsste in die-
sem Mandat stehen.
Darin müsste doch auch stehen – das hat Ihnen der Aus-
schuss für Menschenrechte heute ins Stammbuch ge-
schrieben –, dass die rückkehrenden Flüchtlinge dann,
wenn wir als NATO nicht mehr da sind, Schutz, Sicher-
heit und vor allem auch das Recht auf körperliche Unver-
sehrtheit haben.
Es steht nicht in dem Mandat, weil Sie nicht verhandelt
haben. Jetzt kann der Bundestag, weil er nichts ändern
darf, ein bisschen an Sie appellieren, Sie mögen in dieser
Richtung weiterreden und -handeln. Das ist keine gute Po-
litik.
Es ist notwendig, Folgendes klarzustellen, weil hier so
manches – auch von interessierter Seite – hineingeheim-
nist worden ist: Wir Freien Demokraten unterstützen
heute nicht die Bundesregierung mit ihrer verfehlten
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Kerstin Müller
18197
Politik, sondern wir unterstützen den Friedensprozess und
unsere Soldaten in Mazedonien. Das ist ein kleiner, aber
ganz wichtiger Unterschied, und zwar nicht nur in Wor-
ten.
Es kann sich sehr schnell herausstellen, dass der Ein-
satz der NATO scheitert. Es kann sein, dass die NATO
nach 30 Tagen unverrichteter Dinge und unter Ansehens-
verlust wieder abziehen muss. Aber eines steht fest: Ge-
hen wir nach Mazedonien, gibt es eine kleine Chance auf
Frieden. Gehen wir nicht nach Mazedonien, gibt es gar
keine Chance auf Frieden.
Würden wir auch bei einem zufrieden stellenden Man-
dat einen Einsatz verweigern und würde die NATO des-
halb ihren Einsatz abbrechen, dann hätten wir zwei Tage
später einen großen Krieg und drei Tage später stünden
die ersten 50 000 Flüchtlinge vor unserer Tür und bäten zu
Recht um Schutz. Bricht in Mazedonien, also im Südosten
Europas, ein Krieg aus, dann stehen wir als Parlament ei-
nige Wochen später wieder vor einer Einsatzentschei-
dung. Aber dann ginge es nicht um 5 000 Soldaten, son-
dern um 50 000 Soldaten.
Deswegen muss man auch kenntlich machen, dass die-
ser Weg unter den schlechten Wegen, die wir in dieser
schwierigen Situation gehen können, immer noch der bes-
te Weg ist, der uns möglich ist.
Das ist der entscheidende Punkt. Niemand geht mit Hurra
dorthin, sondern jeder hat Zweifel und Skepsis. Es muss
erlaubt sein, diese Zweifel und diese Skepsis auch in ei-
ner solchen Sitzung anzumelden.
Ich möchte Ihnen sagen, dass in diesem Zusammen-
hang vor allen Dingen eine Perspektive gegeben werden
muss. Diese Perspektive ist aus unserer Sicht nicht ir-
gendeine Geberkonferenz. Die Perspektive, die wir im
Südosten Europas brauchen, ist eine politische Perspek-
tive. Wir brauchen einen Prozess der politischen Stabili-
sierung.Auch hier kommt von der Bundesregierung kon-
zeptionell rein gar nichts.
Wir brauchen eine dauerhafte Konfliktlösung. Als
Land, dessen Geschichte in besonderer Weise vom KSZE-
Prozess geprägt wurde, sollte Deutschland hier sowohl im
Rahmen der Europäischen Union als auch im Rahmen der
Vereinten Nationen die Initiative ergreifen. Gegenstand
dieser Initiative sollte die Einberufung einer Konferenz
für Sicherheit und Zusammenarbeit in Südosteuropa un-
ter der Schirmherrschaft der OSZE für den Aufbau einer
südosteuropäischen Sicherheitsarchitektur sein. Wir
sollten die bereits im Rahmen des KSZE-Prozesses
erfolgreichen Instrumente wie vertrauensbildende Maß-
nahmen, Streitschlichtung und regionale Zusammenarbeit
ebenso einsetzen wie die konkrete Perspektive einer
schrittweisen Annäherung der Betroffenen an die euro-at-
lantischen Strukturen.
Einen entsprechenden ausführlichen Entschließungsan-
trag haben wir Freien Demokraten heute vorgelegt. Ich ap-
pelliere an die Regierungsfraktionen, diesen Vorschlag
nicht nur einfach deshalb abzulehnen, weil er nicht aus den
Reihen der Regierungsparteien kommt. So wie wir hier zur
überparteilichen Zusammenarbeit bereit sind, sollten
aus unserer Sicht auch Sie bei diesem perspektivischen
strategischen Lösungsansatz dazu bereit sein.
Herr Bundeskanzler, Sie haben zugesagt, dass Sie im
Interesse der Sicherheit unserer Soldaten vor Ort keine
Deckelung bei den bisher eingesetzten Mitteln vorneh-
men werden. Wenn der Einsatz vor Ort und die Sicherheit
unserer Soldaten mehr finanzielle Mittel erfordern, dann
werden diese Mittel auch zur Verfügung gestellt. Allein
die Tatsache, dass man darüber sprechen muss, ist ein be-
merkenswerter Punkt.
Ich habe Ihnen, Herr Bundeskanzler, zugestimmt, als
Sie gesagt haben, die Außen- und Sicherheitspolitik sei
Staatsräson. Aber auch die Ausstattung und die Hand-
lungsfähigkeit der Bundeswehr ist Staatsräson.
Deswegen ist wirklich bemerkenswert, was Frau Müller
gleich zu Beginn ihrer Rede gesagt hat. Frau Kollegin, das
war wirklich eine freudsche Fehlleistung. Sie sagten, es
gehe nicht um die Ausstattung der Bundeswehr, sondern
um eine sehr ernste Frage. Wir finden, die Ausstattung der
Bundeswehr ist eine sehr ernste Frage.
Das ist genau das Problem. Deswegen sind wir in kei-
ner Weise bereit, uns für diese Regierungspolitik einzu-
setzen, sondern wir werden sie an jeder Stelle klar kriti-
sieren und unsere Kritik auch kenntlich machen. Es ist
nicht in Ordnung, dass der Außenminister trotz der Maze-
donien-Frage den ganzen Sommer weggetaucht ist, der
Verteidigungsminister schwimmt und die Bundeswehr
baden geht. Das ist nicht vernünftig, meine Damen und
Herren.
Weil zur Bündnispolitik und zur Staatsräson auch die
Handlungsfähigkeit der Bundeswehr zählt, sagen wir: Die
Themen Ausstattung der Bundeswehr und Handlungs-
fähigkeit der Bundeswehr im internationalen Bündnis
bleiben in jedem Fall eine Aufgabe und sie bleiben in der
Diskussion. Diese Diskussion wird Sie bis zur Bundes-
tagswahl nicht verlassen; dafür werden wir sorgen. Des-
wegen, Herr Bundeskanzler, helfen wir Ihnen heute mit
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Dr. Guido Westerwelle
18198
den Stimmen der FDP nicht aus der Patsche, sondern wir
helfen den Menschen in Mazedonien und geben Rücken-
deckung für unsere Soldaten vor Ort.
Nun hat Kollege
Gregor Gysi, PDS-Fraktion, das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Herr Westerwelle, dem Vorschlag der
FDP zur Einberufung einer Konferenz über Sicherheit
und Zusammenarbeit gerade für den Balkanraum, den es
ja auch schon früher von anderer Seite gab, werden wir
auf jeden Fall zustimmen, weil auch wir glauben, dass wir
endlich zu politischen, ökonomischen und sozialen Wohl-
fahrtslösungen in der Region kommen müssen, wenn wir
hier Stabilität erreichen wollen. Militärische Lösungen
wird es letztlich nicht geben.
Im Unterschied zu Ihnen werden wir allerdings dem
Antrag der Bundesregierung aus verschiedenen Gründen
nicht zustimmen können. Ich kann auch nicht akzeptieren,
Kollege Struck, wenn Sie sagen, es gebe nur die Mög-
lichkeit, entweder diesem Antrag zuzustimmen oder aber
sich mit dem Bürgerkrieg abzufinden. Ich glaube, dass
alle Kolleginnen und Kollegen im Hause, die gegen den
Antrag stimmen, nicht akzeptieren, dass sie deshalb indi-
rekt für einen Bürgerkrieg stimmen.
Es ist letztlich ja auch eine Frage der Zuständigkeit.
Deshalb ist die Frage des UN-Mandats keine Nebensache
und man kann das nicht so wegwischen. So gut wie kaum
jemand hat über die UNO gesprochen. Nach der Charta
der Vereinten Nationen ist dieser Fall von Entwaffnung,
von Verhinderung oder auch Beendigung von Bürgerkrieg
geradezu ein klassischer Fall für ein UNO-Mandat.
Der NATO-Vertrag sieht dergleichen nicht vor. Es ist eine
Verletzung des NATO-Vertrages, weil im NATO-Vertrag
als einzige Aufgabe für militärische Einsätze die Verteidi-
gung des Bündnisgebietes formuliert ist. Darüber setzt
man sich einfach hinweg. Es ist deshalb die Fortsetzung
der Verdrängung der UNO aus Europa, um hier selbst-
mandatiert, allein und ohne die UNO handeln zu können.
Diesen Weg gehen wir nicht mit.
In diesem Falle wäre nicht einmal die Inan-
spruchnahme eines Vetorechts zu befürchten gewesen.
Die Tatsache, dass die Streitseiten sich an die NATO ge-
wandt haben, ist überhaupt kein Argument. Darauf kann
man antworten: Zuständig ist die UNO; wir bitten Sie,
sich an die UNO zu wenden,
und wir werden Sie dort auch unterstützen. Aber genau
das haben Sie nicht getan, weil nämlich die USA, Frank-
reich und Großbritannien das nicht wollten. Die UNO hat
dem nicht zugestimmt.
Kollege Gysi, gestat-
ten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lippelt?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ja, bitte.
Herr Gysi, hat Ihnen Ihr Kollege, der Ihre Fraktion im Eu-
ropaausschuss vertreten hat, von der Antwort berichtet,
die der mazedonische Verteidigungsminister auf genau
diese Frage – warum habt ihr nicht die UNO gewollt? –
gegeben hat? Hat er Ihnen erzählt, warum sie sehr deut-
lich gesagt haben, weshalb sie die NATO gefragt haben?
Hat er Ihnen erzählt, dass er sehr genau weiß, dass der
UNO-Sicherheitsrat genau dieses bestätigt hat und dabei
ausdrücklich auch die NATO erwähnt hat? Hat er Ihnen
das nicht erzählt, sodass Sie hier so einen Unsinn reden
können?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Lieber Herr Lippelt, auch Sie
kennen den Unterschied zwischen einem Gespräch mit
Kofi Annan, einem Schreiben des Präsidenten des Weltsi-
cherheitsrates und einem Sicherheitsratsbeschluss, der ein
Mandat darstellt. Dazwischen liegen Welten. Das wissen
Sie ganz genau.
Sie haben dem mazedonischen Außenminister und dem
mazedonischen Verteidigungsminister schon so viel vor-
geschrieben, dass es überhaupt kein Problem gewesen
wäre, ihn an das zuständige Organ zu überweisen. Das
Problem ist doch in Wirklichkeit, dass die USA, Großbri-
tannien und Frankreich die UNO gar nicht eingeschaltet
sehen wollten, weil sie die NATO zum eigentlichen Ord-
nungsfaktor zumindest Europas erklären wollten. Das ist
unsere Kritik daran.
Gerade die Ausschaltung der UNO wurde beim Ju-
goslawienkrieg als große einmalige Ausnahme darge-
stellt. Ich habe – wie übrigens auch einige Abgeordnete
von SPD und Grünen, wie die Erklärungen zeigen – die
Befürchtung, dass es jetzt eben doch zur Regel wird, die
UNO auszuschalten. Ich sage immer: Man zerstört keine
Weltordnung, wenn man keine bessere anzubieten hat.
Eine unipolare Welt, in der allein eine Großmacht ent-
scheidet, ist eben nicht das, was wir anstreben.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Dr. Guido Westerwelle
18199
Sie argumentieren deshalb auch gar nicht erst mit dem
NATO-Vertrag, weil Sie wissen, dass das durch diesen
Vertrag nicht gedeckt ist.
Nun kommen wir zur NATO und damit zu den KFOR-
Truppen im Kosovo. Es gibt ja einen Sicherheitsratsbe-
schluss über die Aufgaben der KFOR-Truppen im Ko-
sovo. Warum erwähnt hier eigentlich niemand von den
Befürwortern das Scheitern bei der Erfüllung dieser Auf-
gabe in Bezug auf die UCK? Im Sicherheitsratsbeschluss
steht: Die UCK ist aufzulösen und zu entwaffnen. Bei der
Erfüllung dieser Aufgabe hat die NATO im Kosovo doch
eindeutig versagt; sonst hätten wir dieses Problem in Ma-
zedonien heute überhaupt nicht.
Damals wurde erklärt, die Aufgabe sei erfüllt. Das war
doch offensichtlich falsch. Die NATO und die KFOR-
Truppen hätten auch nie zulassen dürfen, dass so viele
UCK-Leute mit Waffen die Grenze zwischen dem Kosovo
und Mazedonien passieren.
Ich behaupte also: Die NATO ist schon einmal bei der
Realisierung eines Sicherheitsratsbeschlusses zur Ent-
waffnung der UCK gescheitert. Letztlich ist die UCK
stärker und besser bewaffnet aus diesem Vorgang hervor-
gegangen.
Deshalb ist es auch falsch, Frau Müller, wenn Sie sa-
gen, die NATO dürfe nicht Partei ergreifen und das täte
sie, wenn sie gegen den Willen von UCK-Leuten ent-
waffne. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass es der Auftrag
der KFOR-Truppen im Kosovo war, auch gegen den Wil-
len der betreffenden Seite zu entwaffnen.
Er ist nicht erfüllt worden. Weil die Waffen der UCK von
der NATO kommen und weil das Geld dafür zu einem
großen Teil aus Deutschland und der Schweiz kam, ist die
NATO ohnehin parteiisch.
Das wird sie in Bezug auf die UCK auch nicht mehr los.
Sie, Herr Außenminister, haben einmal erklärt, dass
Mazedonien ein ethnisch vorbildliches Land sei. Davon
kann ja nun, wie sich später herausgestellt hat, auch keine
Rede mehr sein. Jetzt erst geht es um die Durchsetzung
und den Schutz von Minderheitenrechten in Mazedonien.
Deshalb sage ich: Es wäre eine klassische Aufgabe der
UNO, auch was die Entwaffnung betrifft.
Aber wir haben auch Probleme mit dem Gegenstand.
Da ähneln sich natürlich gewisse Argumente aus den Rei-
hen der FDP oder anderer Oppositionsfraktionen. Was ist
denn nun die Aufgabe? Wenn es wirklich nur darum geht,
freiwillig abgegebene Waffen aufzusammeln, dann
stimmt dieser ganze Beschluss in sich nicht. Dann hätte
man nämlich mit der UCK auch vereinbaren können, dass
sie die Waffen an der Grenze zum Kosovo bei den KFOR-
Truppen abgibt. Dann hätte man nicht 3 500 Soldaten in
Mazedonien einmarschieren lassen müssen. Wenn es aber
doch darum ginge, auch Leute zu entwaffnen, die sich da-
gegen wehren, dann wäre der Auftrag ein völlig anderer.
Dann müsste man sich auch über einen völlig anderen
Auftrag verständigen und könnte nicht so tun, als ob das
Ganze in 30 Tagen zu erledigen wäre.
Deshalb ist auch das Mandat mit so vielen Fragezei-
chen verbunden; denn man weiß letztlich gar nicht, was
der eigentliche Gegenstand ist. Nur für das Einsammeln
von 3 300 Waffen – wie Sie, Frau Müller, sagen – brau-
chen Sie doch nicht 3 500 Soldaten. Das ist ja weniger als
eine Waffe pro Soldat.
Das stimmt doch vorne und hinten nicht. Die NATO
spricht von 6 000 Waffen. Die mazedonische Regierung
spricht von 60 000 bis 85 000 Waffen. Nicht einmal dies-
bezüglich herrscht Klarheit. Es wäre doch das Mindeste,
dass man wenigstens weiß, um wie viele Waffen es ei-
gentlich geht, die dort eingesammelt werden sollen. Inso-
fern ist auch inhaltlich, also was den Gegenstand des
Mandats betrifft, größte Kritik angebracht.
Wir sehen natürlich die Gefahr, dass daraus ein dauer-
hafter Einsatz wird, nach Bosnien-Herzegowina, nach
dem Kosovo ein neues Protektorat dann auch in Maze-
donien.
Ich weiß nicht und offensichtlich wissen auch Sie
nicht, wie es dann weitergehen soll. Wenn die UCK nicht
wirklich entwaffnet wird –
Ich erteile Bundes-
kanzler Gerhard Schröder das Wort.
ten Damen und Herren! Ich bin heute nicht an Polemik in-
teressiert.
Deswegen, Herr Westerwelle, will ich nicht nachzeich-
nen, wie sich der Entscheidungsprozess gestaltet hat, von
dem Sie gesprochen haben.
Ich bin und war immer an einem Ergebnis interessiert.
Das Ergebnis, an dem ich immer interessiert war, ist eine
möglichst breite Mehrheit im gesamten Deutschen
Bundestag für diesen Einsatz. Das war mein Interesse.
Ich denke, dass dieses Interesse verständlich ist. Wie es
aussieht, wird dieses Ergebnis auch erreicht werden. Des-
halb interessieren mich die unterschiedlichen Beiträge zu
diesem Ergebnis nur nachrangig. Sie sind unterschiedlich,
aber sie müssen nicht Gegenstand unserer Diskussion
sein, weil das Ergebnis, das erzielt werden wird, stimmt.
Das liegt im Interesse der Soldaten, die einen schwierigen
Einsatz vor sich haben, wofür sie die Unterstützung des
gesamten Hauses brauchen und im Übrigen – da bin ich
mir ganz sicher – auch wollen.
Sehr viele Menschen in Deutschland, weit über den
Kreis derjenigen hinaus, die hier versammelt sind und die
sich zu Recht für Fachfrauen und Fachmänner halten kön-
nen, stellen sich ein paar wesentliche Fragen, zunächst
folgende: Was tut ihr eigentlich auf dem Balkan? Was
wollt ihr da? Diese Fragen stellen sich zumal ältere Men-
schen, die den Zweiten Weltkrieg noch erlebt und Erinne-
rungen daran haben, anders als ich und andere meines Al-
ters sowie diejenigen, die jünger sind.
Sie fragen: Was tut ihr da? Auf diese Frage müssen wir ih-
nen eine Antwort geben. Wir müssen ihnen sagen: Wir
sind dort, weil wir als Deutsche daran interessiert sind,
dass in dieser Region Europas Stabilität herrscht. Stabi-
lität heißt, dass es eine Chance für Frieden und Wohl-
fahrt der Menschen in dieser Region gibt.
Es ist mir wichtig, dass das klar wird. Die Deutschen
sind auf dem Balkan, weil sie ein eigenes nationales Inte-
resse an der Stabilität in der Region haben;
denn Instabilität in der Region bedroht uns vielleicht nicht
unmittelbar und gegenwärtig, aber potenziell schon. Des-
wegen ist es so wichtig, dass wir den Menschen, die sich
nicht jeden Tag mit Politik beschäftigen können und wol-
len, klarmachen, dass es ein nationales Interesse
Deutschlands an der Stabilität in dieser Region gibt.
Das bedeutet zugleich, dass Investitionen für den Frie-
den, aber auch der Einsatz, um den es hier geht, keines-
wegs nur den Interessen der Mazedonier und der Men-
schen in der Region, sondern auch uns selbst dienen.
Leisteten wir diese Investitionen nicht, würde das früher
oder später sowohl politisch, aber – angesichts der Ver-
flochtenheit Europas – mit Sicherheit auch ökonomisch
auf Deutschland zurückwirken, und zwar negativ.
Die zweite Frage, die gestellt wird, ist: Warum dauert
die Herstellung vernünftiger politischer und ökonomi-
scher Strukturen so lange? Ich glaube, das fragen sich
ganz viele Leute. Die Antwort darauf findet man vielleicht
dann, wenn man sich – ganz kurz nur – mit jener Stabilität
beschäftigt, die vor dem Zerfall Gesamtjugoslawiens dort
herrschte. Wenn man sich die Geschichte anschaut, er-
kennt man, dass es sich dort zu großen Teilen zunächst um
eine Scheinstabilität handelte, die feudalistisch-autoritär
garantiert war, und später um eine Scheinstabilität, die
– jedenfalls nach unseren Wertmaßstäben –, diktatorisch
hergestellt war.
Jetzt geht es auf dem Balkan darum, politisch und ökono-
misch eine Stabilität herzustellen, die demokratisch orga-
nisiert ist.
Der Blick in die Geschichte, auch Westeuropas, unsere
eigene – von Mittel- und Osteuropa will ich in diesem Zu-
sammenhang erst gar nicht reden –, müsste einem klar-
machen – und einen ein bisschen bescheiden werden
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Dr. Gregor Gysi
18201
lassen –, dass es auch bei uns verdammt lange gedauert
hat, bis wir die demokratisch organisierte Stabilität als ei-
nen Normalfall unseres Zusammenlebens hergestellt hat-
ten.
Die Menschen werden sich fragen, was der Unter-
schied zwischen dem ist, was vorher auf dem Balkan ge-
tan werden musste, und dem, was jetzt in Mazedonien
möglich und notwendig ist. Der Unterschied ist: Damals
ging es – ich will es so ausdrücken – um die Beseitigung
der Diktatur von Milosevic, also jener Stabilität, die dik-
tatorisch hergestellt wurde, und den Neuaufbau demokra-
tisch legitimierter Stabilität. In Mazedonien – das müssen
sich all diejenigen sagen, die Schwierigkeiten mit der Zu-
stimmung haben – müssen wir nicht abwarten, bis wir neu
anfangen können. In Mazedonien gibt es noch – so muss
man sagen – die Chance, dass die Stabilität, die demokra-
tisch organisiert ist und die einzig dort – ich sehe jetzt von
Serbien, das einen Neuanfang macht, ab – noch existiert,
bewahrt und entwickelt wird. Das ist der positive Unter-
schied, und zwar sowohl in Bezug auf das, was von uns
verlangt wird, als auch bezüglich dessen, was wir leisten
können.
Damit bin ich bei dem nächsten Punkt, den ich erklä-
ren möchte: Wir dürfen nicht warten, bis wir wieder dort
angelangt sind, wo es um einen Neuanfang demokratisch
organisierter Stabilität geht. Wir haben jetzt noch eine
Chance – auch ich weiß nicht, ob wir sie realisieren kön-
nen; es hängt ja nicht allein von uns ab –, das vermeiden
zu helfen, was wir sonst in absehbarer Zeit tun müssten,
wenn das schief gehen sollte, was nach meiner Meinung
nicht schief gehen darf.
Das Bewahren und Entwickeln jener demokratisch or-
ganisierten Stabilität ist keineswegs vor allem eine mi-
litärische Aufgabe, weswegen – das ist wichtig – der mi-
litärische Teil nur ein Ausschnitt von dem ist, was wir dort
zu tun haben. Er ist – wenn ich das so sagen darf – eine
notwendige, aber keineswegs hinreichende Bedingung.
Wenn man politische Stabilität will, muss das weiterge-
führt werden, was hier als politische Lösung von allen an-
gedeutet wird. Ich werde dazu noch ein paar Bemerkun-
gen machen.
Die nächste Frage – mit der sich weniger die Menschen
draußen befasst haben, mit der man sich aber zu Recht
hier im Parlament beschäftigt hat – betrifft die Reichweite
des Mandats. Dabei geht es nicht darum, dass die
Bundesregierung sich nicht ein anderes, ein zeitlich an-
ders gestaltetes, ein anders ausgestattetes Mandat hätte
vorstellen können;
ich sage gleich etwas zu der Frage „robust oder nicht ro-
bust“. Vielmehr geht es einzig um die Frage: Welches
Mandat konnte man überhaupt bekommen? Wenn man
voraussetzte, dass dieses Mandat auf der Bitte des demo-
kratisch gewählten Präsidenten einerseits und der Zu-
stimmung der Konfliktparteien andererseits zu basieren
hatte, wenn das eine der notwendigen Bedingungen des
Mandats war, dann ist das, was erreichbar war, auch er-
reicht worden.
Im Übrigen war bei den Partnern selber der Wille zu ei-
nem anderen Mandat nicht vorhanden, weswegen in ihm
lediglich von hinreichenden Fähigkeiten zum Schutz der
eigenen Soldaten, aber auch von hinreichenden Fähig-
keiten zur Nothilfe die Rede ist. Diese Fähigkeiten sind
vorhanden. Darauf kann sich jeder verlassen. Zum ande-
ren müssen im Fall des Scheiterns der politischen Voraus-
setzungen des Mandats hinreichende Fähigkeiten zu ei-
nem Rückzug gegeben sein, wie SACEUR gesagt hat.
Beides ist erfüllt.
Deswegen führt es niemanden weiter, wenn wir jetzt
darüber diskutieren, ob man ein anderes Mandat ge-
braucht hätte. Es war kein anderes zu bekommen. Im
Übrigen verbinden diejenigen, die das fordern, mit dem
Begriff „robust“ wohl etwas, was sie in anderen Zusam-
menhängen häufig abgelehnt haben. Das kann man nicht
bestreiten. Man muss schon bei der Linie bleiben, die man
sich selber vorgestellt hat, wenn man ernst genommen
werden will.
Ich will auch auf das eingehen, was Herr Gysi gesagt
hat. Jetzt gestatte ich mir doch eine kleine Polemik. Bei
seinen juristischen Erörterungen hatte ich wirklich das
Gefühl, er glaube noch immer, dass die Weltgeschichte
ein Amtsgericht sei.
Aber, Herr Gysi, das ist wirklich nicht so. Das werden
auch Sie noch merken. Was war nämlich mit dem
VN-Mandat? Es geht um die Bitte eines demokratisch
gewählten Präsidenten und die Zustimmung der Kon-
fliktparteien. Beides war vorhanden. Deswegen brauch-
te man kein Mandat der Art, wie Sie es haben wollen.
Im Gegenteil, die Partner, diejenigen, die im Sicherheits-
rat und in den VN mehr als wir zu sagen haben, haben sehr
deutlich gemacht, dass sie es als einen Präzedenzfall an-
sehen würden, wenn man angesichts der klaren Situation
– Bitte des Präsidenten und Zustimmung der Konfliktpar-
teien – auf einem VN-Sicherheitsrats-Mandat bestehen
würde. Diesen Unterschied dürfen Sie wirklich nicht ju-
ristisch wegzudiskutieren versuchen.
– Lassen Sie mich einmal zu Ende reden. – Es geht dabei
um eine politische Frage. Deswegen ist die Zustimmung
des Sicherheitsrates mit der Aufforderung an die NATO,
das, was die Vermittler vereinbart haben, umsetzen zu hel-
fen, nun wirklich alles, was man in dieser historischen Si-
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Bundeskanzler Gerhard Schröder
18202
tuation sinnvollerweise von der UNO fordern und von ihr
erwarten kann. Diese Erwartung wurde auch erfüllt.
Ihnen, Herr Westerwelle, der Sie die Rolle Deutsch-
lands innerhalb der Partner sehr stark herausgestrichen
haben, und anderen, die kritisch über das diskutiert haben,
was man in diesen wie auch in anderen Fragen noch in al-
leiniger nationaler Verantwortung nicht nur tun will, son-
dern auch tun kann – ich habe in der letzten Zeit kräftig
mitdiskutieren müssen –, möchte ich Folgendes sagen:
Wir müssen in dem Maße, wie wir daran arbeiten, dass es
eine europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik
gibt, auch bereit sein, zu akzeptieren, dass man nicht auf
der einen Seite mehr Integration und auf der anderen Seite
weniger partnerschaftliches Verhalten fordern kann. Das
geht nicht, meine Damen und Herren.
Gerade wenn von Deutschland im Bereich der Europa-
politik verlangt wird – das unterstreichen wir –, Motor eu-
ropäischer Integration nicht nur auf ökonomischem, so-
zialem und ökologischem, sondern auch auf außen- und
verteidigungspolitischem Gebiet zu sein, dann hat das
Konsequenzen für das, was man in eigener nationaler Ver-
antwortung noch tun und wollen darf.
– Das heißt nicht, dass wir uns „verstecken“. Das ist die
logische Konsequenz der weiteren Integration Europas
und nichts anderes.
Man kann, um das mit einem englischen Sprichwort zu
sagen, den Kuchen nicht haben wollen und ihn zugleich
essen. So kam mir die Bemerkung vor. Das wird nicht
funktionieren.
Ich will abschließend sagen: Die Aufforderungen all
derjenigen, die an die Adresse der Bundesregierung ge-
richtet gesagt haben, sie müsse mehr für den politischen
Prozess der Stabilisierung der Region tun, sind unge-
rechtfertigt. Es war vor allem der Bundesaußenminister,
der während der Auseinandersetzung mit Serbien und
während der Auseinandersetzung mit Milosevic als Ers-
ter und lange Zeit als Einziger die Idee des Stabilitäts-
paktes den Partnern nahe gebracht und schließlich
auch durchgesetzt hat. Dieser Stabilitätspakt ist zu
Recht mit dem Namen des Bundesaußenministers ver-
bunden.
Seine Weiterführung, für die ich plädiere, wird nicht
das Ergebnis nur einer nationalen, einer deutschen An-
strengung sein. Ich muss darauf hinweisen: Dieser Stabi-
litätspakt ist noch nicht einmal von Europa alleine veran-
staltet worden und wird es auch in Zukunft nicht. Beim
Stabilitätspakt sind auch andere Länder, von Amerika bis
Japan, beteiligt. Die Bundesregierung wird sich aber auch
künftig massiv dafür einsetzen, diesen politischen Prozess
weiterzuführen.
Ich komme zu Ihrer Forderung nach einer Konferenz
für Sicherheit und Zusammenarbeit. Die Bundesregierung
hat mit einer solchen Konferenz weniger ein Problem. Ich
bitte Sie aber zu verstehen, dass es den einen oder anderen
Partner gibt, der die europäische Geschichte nicht völlig
aus dem Gedächtnis verloren hat; das muss ich nicht näher
ausführen. Diese Partnerländer sind deswegen bei dieser
Frage zurückhaltender als wir; denn sie fürchten vielleicht,
dass wir unsere enorme wirtschaftliche Stärke und den Be-
deutungszuwachs, den wir durch die Einheit in der Außen-
und Sicherheitspolitik ohne Zweifel bekommen haben,
nicht eingebunden in die europäische Partnerschaft nutzen
könnten. Es liegt zwar jedem in diesem Hohen Hause fern:
Aber es gibt Befürchtungen, dass die historischen und ge-
genwärtigen Empfindsamkeiten unserer Partner nicht rich-
tig bedacht werden. Das ist die Aufgabe, die wir haben und
die wir auch sehen.
Was bleibt mir? – Mir bleibt, Sie zu bitten – gleichgül-
tig welcher Fraktion dieses Hohen Hauses Sie angehören
– zuzustimmen. Ich glaube, dass man dies wirklich guten
Gewissens tun kann, auch wenn der eine oder andere
meint, militärischen Missionen gegenüber prinzipiell geg-
nerisch eingestellt zu sein. Hier kann man aus einem
Grund zustimmen: Es geht wirklich darum, Mazedonien,
einem Land, das zurzeit noch über demokratische Struk-
turen verfügt, dabei zu helfen, diese zu erhalten und ent-
wickeln zu können. Dieser Aufgabe sollte sich niemand
entziehen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile dem Kolle-
gen Friedrich Merz, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler,
Sie haben mit großem Nachdruck und fast schon beein-
druckend
auf die große gesamteuropäische Bedeutung dieses En-
gagements in Mazedonien hingewiesen. Wir teilen die
Bewertung. Offen geblieben ist für mich allerdings der
deutsche Anteil, den Sie daran haben, eine überzeugende
politische Konzeption für Südosteuropa zu formulieren.
Das ist bei dem, was Sie vorgetragen haben, im Dunkeln
geblieben.
Auch wir sagen: Es ist sicherlich grundsätzlich richtig
und nachhaltig zu begrüßen, dass die Europäische Union
und die NATO die Chance zum Frieden in Mazedonien
sehen und mithelfen wollen, einen weiteren Bürgerkrieg
auf dem Balkan zu verhindern; einen Bürgerkrieg, der
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Bundeskanzler Gerhard Schröder
18203
ganz ohne Zweifel unabsehbare Auswirkungen und Fol-
gen für die Stabilität nicht nur in der Region, sondern in
ganz Europa hätte. Von besonderem Wert ist dabei ohne
Zweifel, dass die NATO und die Europäische Union erst-
mals gemeinsam ein Friedenskonzept schlüssig ent-
wickelt und bis heute verwirklicht haben. Bis heute
konnte der Bürgerkrieg in Mazedonien dank des Einsat-
zes der Europäischen Union und der NATO vermieden
werden.
Die Bundesregierung aber hat einem NATO-Mandat
zugestimmt, das sie selbst ganz offensichtlich nicht für
glaubwürdig hält. Kaum jemand in der NATO, ge-
schweige denn die Konfliktparteien in Mazedonien selbst,
glauben wirklich, dass mit der Operation, die jetzt be-
ginnt, die Rebellen dauerhaft entwaffnet werden. Für die
Rebellen wird es auch nach den 30 Tagen aller Voraus-
sicht nach militärische Optionen geben.
Wir hoffen deshalb, dass wir nicht schon in wenigen
Tagen oder Wochen die Frage stellen müssen, was ange-
sichts einer Verschärfung und einem möglichen Zusam-
menbruch des Friedensprozesses zu tun ist. Die Devi-
se – Sie vermitteln sie mit dem, was Sie der Öffentlichkeit
sagen –, die Soldaten im Zweifel abzuziehen, wird dann
vermutlich niemand ernsthaft vorschlagen können. Der
Schaden für das Bündnis wäre nicht wieder gutzumachen.
Die Signalwirkung für Bosnien und den Kosovo wäre
verheerend.
Nun wissen wir alle, dass der Deutsche Bundestag ein
von der NATO beschlossenes Mandat nicht nachträglich
abändern kann. Gerade deshalb hätten wir erwartet, dass
die Bundesregierung ihr Gewicht in der NATO nutzt, um
ein besseres Mandat zu erreichen. Es ist nämlich eine
Frage der außen- und sicherheitspolitischen Führungs-
fähigkeit, ob ein Land von der Bedeutung der Bundesre-
publik Deutschland in der Lage ist, die eigenen Bedenken
nicht nur zu Hause zu formulieren, sondern auch die
Gründe für die Bedenken im Bündnis von vornherein zu
beseitigen.
Herr Bundeskanzler, die frühere unionsgeführte Bun-
desregierung hat diese Kraft immer wieder unter Beweis
gestellt. Sie hat Deutschlands Einfluss im Bündnis und in
der Europäischen Union – zum Teil gegen Ihren erbitter-
ten Widerstand – nachhaltig gestärkt.
Es sind die alte Bundesregierung und unsere Bundestags-
fraktion gewesen, die dafür gesorgt haben, dass solche
Auslandseinsätze der Bundeswehr überhaupt erst möglich
werden. Heute ist es nicht die Opposition, sondern es ist
die Politik der rot-grünen Bundesregierung, die die Zu-
verlässigkeit Deutschlands als Bündnispartner infrage
stellt.
Die Politik der rot-grünen Bundesregierung – das kam,
Herr Bundeskanzler, heute auch in Ihrem Beitrag zum
Ausdruck – ist voller Widersprüche. Ich will nur zwei
Beispiele nennen: Bei der informellen Truppenstellerkon-
ferenz der NATO Mitte Juli, als es um die Frage ging, wer
welche Kontingente für das zu beschließende Mandat
stellt, hat die Bundesrepublik Deutschland bis zum Frist-
ablauf nichts gemeldet. Zum selben Zeitpunkt haben Sie
in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ verkündet:
Deutschland darf nicht abseits stehen. – Warum machen
Sie so etwas? Markige Worte statt praktische Bündnisso-
lidarität ist unseren Bündnispartnern nicht zu vermitteln.
Ich will ein zweites Beispiel nennen: Als das NATO-
Konzept gebilligt wurde, erhob die Bundesregierung zu-
mindest keine Einwände. Wir wissen zwar nicht, was in
Brüssel besprochen worden ist; aber Einwände haben Sie
offenkundig nicht erhoben. Dafür haben Sie das Konzept
dann in Deutschland infrage gestellt. Sie sind es doch ge-
wesen – es war schon ein bemerkenswertes Stück, das Sie
abgeliefert haben –, der nach der Formulierung des Man-
dates von der Notwendigkeit eines robusteren Mandates
gesprochen hat. Das war doch nicht die Opposition im
Deutschen Bundestag, sondern es waren Sie selbst, Herr
Bundeskanzler, der diese Notwendigkeit formuliert hat.
Auch Ihr Verteidigungsminister hat noch am 16. Au-
gust – eine der wenigen politischen Aussagen, die man im
Sommer von ihm gehört hat – ein robusteres Mandat ver-
langt. Nun kann man ja darüber streiten, ob ein robusteres
Mandat notwendig gewesen wäre. Was ist eigentlich da-
runter zu verstehen? Wenn Sie hier sagen, ein robustes
Mandat sei jetzt in der Weise gegeben, dass die Truppen
die Fähigkeit haben, ohne fremde Hilfe den Rückzug an-
zutreten und sich selbst zu schützen, dann muss ich Ihnen
sagen: Das ist doch eine bare Selbstverständlichkeit, dass
man Truppen nur dann in den Einsatz schickt, wenn sie
sich selbst schützen können und die Kraft zum Rückzug
ohne fremde Hilfe besitzen.
Robuster wäre das Mandat vielleicht gewesen, wenn
ein unbegrenztes Nothilferecht auch für Dritte – das
heißt, nicht nur für Soldaten und für Hilfspersonen inter-
nationaler Hilfsorganisationen, sondern auch für betrof-
fene Bürger an Ort und Stelle – bezüglich Übergriffen und
möglichen Massakern formuliert worden wäre.
Was Sie im Laufe des heutigen Tages in den Ausschüssen
versucht haben, bezüglich der Taschenkarten der deut-
schen Soldaten nachzuholen, ist doch offenkundig nicht
von dem gedeckt, was in der NATO beschlossen worden
ist und was die Einsatzgrundsätze und die Belehrungen
der Soldaten ausmachen.
Das wäre ein robusteres Mandat gewesen, Herr Bundes-
kanzler.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Friedrich Merz
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Sie haben völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass die
militärische Lösung des Problems sicherlich nur ein klei-
ner Ausschnitt aus dem ist, was politisch notwendig ist,
um eine dauerhafte Friedensordnung für den Balkan zu
formulieren. Herr Bundeskanzler und Herr Außenminis-
ter, Sie haben heute Morgen in Ihren Beiträgen zu Recht
von der Geberkonferenz gesprochen, die im September
beginnen muss. Wenn es aber so wichtig ist, dass es eine
Geberkonferenz gibt: Warum kürzen Sie dann im Haus-
halt der Bundesrepublik Deutschland den Entwicklungs-
hilfeetat und warum kürzen Sie die Ausgaben für den Sta-
bilitätspakt auf dem Balkan auf Null, sodass kein einziges
neues Projekt begonnen werden kann? Darüber haben wir
uns zwar nicht heute zu unterhalten; aber in den Haus-
haltsberatungen im September und im November wird es
eine Rolle spielen müssen, Herr Bundeskanzler.
Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, dass die Lösung
des Problems auf dem Balkan sicherlich nicht darin be-
stehen kann, Frieden nur mit Waffen zu schaffen.
Herr Bundeskanzler, wir begrüßen, dass Sie bereit
sind, mehr Mittel für die Bundeswehr zur Verfügung zu
stellen, als Sie ursprünglich vorhatten. Unser Ziel war von
Anfang an, mehr Sicherheit für unsere Soldaten zu errei-
chen und die bei der Bundeswehr bestehenden Ausrüs-
tungsmängel wenigstens teilweise zu beseitigen. Statt
der von Ihnen und Ihrer Regierung zunächst geplanten
15 Millionen DM an reinen Stationierungs- und Aufent-
haltskosten stehen jetzt zusätzlich 148 Millionen DM zur
kurzfristigen Verbesserung der Ausrüstung zur Verfü-
gung.
– Entschuldigung, Sie selbst haben das doch heute im
Haushaltsausschuss mit beschlossen. Warum lachen Sie
darüber?
Wenn Sie das für unzureichend ansehen, dann machen Sie
Vorschläge für weitere Verbesserungen.
Was jetzt beschlossen worden ist, das ist doch eine we-
sentliche Verbesserung für die Soldaten der Bundeswehr.
Die Verbesserung beginnt sofort und nicht erst, wie ge-
plant, im Jahr 2003 mit der für den Schutz der Soldaten
notwendigen Nachrüstung der Marder-Panzer mit Minen-
schutz. Wir wissen aber gleichzeitig: Die Finanz- und
Ausrüstungskrise der Bundeswehr ist damit nicht über-
wunden. Aber eines ist zusätzlich erreicht worden: Die
dramatische Unterfinanzierung der Bundeswehr – eines
ihrer großen Probleme –, die die Bundesregierung unter
Ihrer Führung, Herr Bundeskanzler, zu verantworten hat
und die dazu führt, dass sie sich im Bündnis zunehmend
sehr kritischen Fragen ausgesetzt sieht, ist mit der Dis-
kussion in den vergangenen Wochen nachhaltig ins Be-
wusstsein der Öffentlichkeit in Deutschland gerückt wor-
den.
Herr Bundeskanzler, Ihre Zugeständnisse der letzten
Tage bestätigen, dass es Defizite bei der Ausstattung gibt,
die für Einsätze auf dem Balkan und für die Sicherheit un-
serer Soldaten von Bedeutung sind. Ganz konkret: Auf-
grund der heutigen Bundeswehrstruktur und des perso-
nellen Bedarfs auf dem Balkan werden manche Einheiten
und einzelne Soldaten, anders als von Ihnen und Ihrer Re-
gierung immer zugesagt, häufiger als alle zwei Jahre ein-
gesetzt. Das betrifft Ärzte, Fernmeldetechniker, Pioniere
und Feldjäger, also etwa ein Viertel der dort stationierten
Kräfte.
Auch und gerade deshalb bleiben wir dabei: Immer
mehr Einsätze und immer weniger Geld – das passt nicht
zusammen, Herr Bundeskanzler. Wir brauchen eine
grundlegende Verbesserung der mittelfristigen Finanzpla-
nung für die Bundeswehr. Nur so werden wir wirklich
wieder bündnis- und europafähig in dem Sinne, wie Sie es
auch in Ihrer Rede hier richtigerweise zum Ausdruck ge-
bracht haben.
Nur so können wir unseren Soldaten und den zivilen Mit-
arbeitern der Bundeswehr wieder bieten, worauf sie An-
spruch haben, nämlich eine gesicherte Lebensplanung
und eine bestmögliche Ausbildung und Ausrüstung.
Vor diesem Hintergrund haben wir uns die Entschei-
dung, die wir heute zu treffen haben und die wir in den
letzten Tagen und Wochen intensiv diskutiert haben,
wahrlich nicht leicht gemacht. Viel steht bei diesem Ein-
satz auf dem Spiel: zuerst die Sicherheit unserer Soldaten,
aber auch die Autorität und die Zukunft der Nordatlan-
tischen Allianz genauso wie ein hoffnungsvoll begonne-
ner Friedensprozess auf dem Balkan.
Es bleiben für uns schwerwiegende Bedenken.Gleich-
wohl haben wir unserer Fraktion empfohlen, heute dem
Einsatz der NATO und der Bundeswehr in Mazedonien
zuzustimmen. Es gehört zu der gerade von den Unions-
parteien maßgeblich mitgeprägten Sicherheits- und Au-
ßenpolitik – ja, es gehört für uns zur Kultur der Politik in
unserem Land –, dass Einsätze der Bundeswehr, wenn
irgendwie möglich, von einer breiten, parteiübergreifen-
den Mehrheit im Deutschen Bundestag getragen werden.
Das ist für die Soldaten, die aufmerksam zuhören, was wir
heute zu debattieren haben, von großer Bedeutung. Das ist
aber auch für den Wert deutscher Außen- und Sicher-
heitspolitik von großer Bedeutung.
Durch die finanziellen Zugeständnisse der Bundesre-
gierung sind für unsere Soldaten Sicherheitsrisiken jetzt
so weit wie möglich minimiert worden. Jetzt geht es um
die parlamentarische Rückendeckung für die Soldaten im
Einsatz. Wir können den Soldaten auch von dieser Stelle
aus guten Gewissens sagen, alles, was notwendig war, für
sie getan zu haben. Jetzt geht es um deutsche, nicht um
rot-grüne Solidarität im Bündnis.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Friedrich Merz
18205
Weil das so ist und weil wir auch in der Opposition Ver-
antwortung für das Ansehen und die Handlungsfähigkeit
unseres Landes empfinden, kann die Mehrheit unserer
Fraktion dem Antrag der Bundesregierung heute – wenn
auch nicht ohne Vorbehalte und Bedenken – zustimmen.
Ich bedanke mich.
Ich erteile dem Kolle-
gen Christian Sterzing, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber
Kollege Merz, es ist ganz sicher richtig, dass es für die
Soldaten in Mazedonien wichtig ist, zu wissen, dass eine
große Mehrheit in diesem Parlament hinter ihrem Einsatz
steht. Insofern wissen die Soldaten sicherlich zu würdi-
gen, was sich in den letzten Tagen an Diskussionen und
Entscheidungen abgespielt hat und abspielen wird. In
gleicher Weise finden die Soldaten es aber unangemessen,
wenn diese Debatte in einer solchen Art und Weise par-
teipolitisch ausgenutzt und missbraucht wird. Ich glaube,
dass sie das sicher nicht als Unterstützung für ihren Auf-
trag empfinden werden.
Die Hoffnungen und die Sorgen, die uns bei dieser Ent-
scheidung heute verbinden, kommen in den Meldungen
gerade der letzten Tage sehr deutlich zum Ausdruck.
Einerseits wurde gemeldet, 30 000 Flüchtlinge seien aus
dem Kosovo nach Mazedonien zurückgekehrt, es seien
UCK-Kämpfer aus Mazedonien an der Grenze zum
Kosovo festgenommen und entwaffnet worden und es
seien in den letzten Tagen die ersten Waffen eingesammelt
worden. Das alles gibt uns Hoffnung; das ist eine Ent-
wicklung, die wir mit unserem heutigen Entschluss unter-
stützen wollen. Andererseits gibt es aber auch die Mel-
dungen über den tragischen Tod eines britischen Soldaten
vorgestern oder über die noch immer ausstehende Eini-
gung über die Anzahl der einzusammelnden Waffen.
Ich glaube, anhand dieser aktuellen Meldungen wird
sehr deutlich, welche Chancen und welche Risiken mit
dem eingeleiteten Prozess in diesem Land verbunden
sind. Gerade in diesem Gesamtbild müssen wir die heu-
tige Entscheidung sehen. Es ist ein politisch fragiler Pro-
zess, der noch keineswegs einen sicheren Erfolg garantie-
ren kann. Es ist ein Prozess, in dem gerade der Einsatz der
NATO-Soldaten und damit der Bundeswehrsoldaten mit
Risiken verbunden ist. Nach den Gesprächen im Aus-
schuss und mit der militärischen Führung bin ich sicher,
dass alles getan worden ist, um unseren Soldaten die be-
ste Ausrüstung mit auf den Weg zu geben.
Zum Thema „robustes Mandat“: Ich glaube, dass es
selbstverständlich ist – es hat vielleicht deshalb kei-
nen Eingang in die Formulierung des Antragstextes ge-
funden –, dass die Soldaten nach Völkerrecht und nach
anderem internationalen Recht berechtigt sind, auch Zi-
vilisten Nothilfe zu leisten. Das ist nicht nur rechtlich
möglich; das ist auch moralisch geboten. Es hat natürlich
einen besonderen Grund, warum diese besagte Formulie-
rung in den Antrag hineingekommen ist. Sie bringt näm-
lich die besondere Verantwortung zum Ausdruck, die wir
auch gegenüber anderen internationalen Organisationen
und deren Vertreterinnen und Vertretern in der Region ha-
ben. Wir schicken nämlich unbewaffnete EU-Monitore
und OSZE-Angehörige nach Mazedonien. Die NATO-
Soldaten zu befähigen, Nothilfe zu leisten, ist daher si-
cherlich richtig und notwendig.
Es ist ein schwieriger Prozess. Wenn wir uns an-
schauen, worüber wir heute diskutieren und worüber wir
nachher entscheiden, dann stellen wir fest: Es ist ein ganz
kleiner Baustein in einem längerfristigen Prozess.
Was hat denn in den letzten Wochen in Mazedonien
stattgefunden? Was bedeutet dieses politische Rahmenab-
kommen? – Es bedeutet praktisch nichts anderes als eine
konstitutionelle Neugründung dieses Staates. Es geht
für Mazedonien darum, nicht mehr ein mazedonischer
Nationalstaat, sondern ein multi-ethnischer, ein multi-
religiöser Staat zu sein. Ein gewaltiger Schritt und ein völ-
lig neuer Modus Vivendi für das innerethnische Zusam-
menleben! Dass dieser Prozess natürlich auch in
Mazedonien erhebliche Diskussionen auslöst, können wir
nur verstehen, wenn wir uns dieser grundlegenden Verän-
derung bewusst werden. Erinnern wir uns daran, welche
Schwierigkeiten wir hier in der Diskussion haben,
Deutschland als Einwanderungsland anzuerkennen! Das
ist gar nichts im Vergleich zu dem, was sich an politischer
Veränderung, an konstitutioneller Veränderung in diesem
Abkommen für den mazedonischen Staat nun abzeichnet.
Was die albanische Seite angeht, so müssen wir ganz
deutlich sehen: Mit dem Rahmenabkommen ist die Aner-
kennung des Gewaltmonopols des mazedonischen Staa-
tes ausgesprochen. Es ist der Verzicht auf territoriale
Veränderungen und auf eigenstaatliche Ambitionen er-
klärt, und es ist die Anerkennung von demokratischen
Verfahren im Rahmen einer multi-ethnischen und multi-
religiösen Gesellschaft erklärt. Durch die beiden Ge-
meinschaften in Mazedonien sind also gewaltige Schritte
getan worden. Sie haben einen Veränderungsprozess in
Gang gesetzt, in dem sie nun unsere Hilfe, die Hilfe der
internationalen Gemeinschaft, erbitten.
Es ist zu berücksichtigen, dass es in diesem kompli-
zierten, sich über längere Zeit hinziehenden Umsetzungs-
prozess, der in dem Rahmenabkommen und seinen An-
nexen enthalten ist, nun zu einer internationalen
Unterstützung kommt. Sie ist notwendig; denn natürlich
ist das Verhältnis der beiden Gemeinschaften dort unten
noch immer von gegenseitigem Misstrauen getragen. Es
gibt auf beiden Seiten Extremisten. Es gibt die Nationalis-
ten, die mit der politischen Lösung dieses Konflikts noch
nicht übereinstimmen. Im Rahmen dieses politischen
Prozesses ist der militärische Teil ein Baustein, für den
unsere Hilfe notwendig ist. Darüber entscheiden wir.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Friedrich Merz
18206
Da wir von den Beteiligten dort unten gebeten worden
sind, das zu tun, und da die internationale Gemeinschaft
in Form des Beschlusses der Präsidentschaft des UN-Si-
cherheitsrates ihre eindeutige Unterstützung erklärt hat,
können wir es moralisch und politisch nicht verantworten,
diese Unterstützung zu versagen.
Die Veränderungsprozesse sind vielfältig, auch was die
EU anbelangt. Bedenken wir, was an unterschiedlicher
Politik und an unterschiedlichen Interessen vor zehn Jah-
ren von europäischen Staaten und anderen westlichen
Mächten auf dem Balkan betrieben bzw. verfolgt wurde,
welche Entwicklung in den letzten Jahren zu verzeichnen
war und welche Konvergenz es hinsichtlich der Anstren-
gungen im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Si-
cherheitspolitik der Europäischen Gemeinschaft gegeben
hat. Die EU in einer Vermittler- und Katalysatorrolle –
das ist es doch, was wir uns seit Jahren als Rolle der EU
auch in anderen Konfliktregionen dieser Welt wünschen.
Es ist ein Lernprozess, ein Veränderungsprozess, auch
in der Zusammenarbeit der internationalen Organisatio-
nen eingetreten. EU, NATO, Europarat und OSZE arbei-
ten hier zusammen. Es sind nicht mehr sich blockierende,
sondern in diesem Prozess kooperierende Institutionen.
Insofern gilt es auch, diesen Veränderungsprozess zu wür-
digen, anzuerkennen und zu unterstützen.
Es ist ein präventiver Prozess; darauf wurde schon
deutlich hingewiesen. Niemand behauptet, dass der mi-
litärische Einsatz die politischen Probleme löst. Er ist ein
kleiner Teil, eine Prävention, um Schlimmeres zu verhin-
dern. Er kommt spät, aber – so hoffen wir alle – nicht zu
spät. Insofern bringen wir mit dem Ja zu diesem Einsatz
auch unsere Unterstützung derjenigen Kräfte in der Re-
gion zum Ausdruck, die dialog- und verhandlungsbereit
sind. Diese sollten wir auf keinen Fall im Stich lassen.
Kollege Sterzing, Sie
haben Ihre Redezeit schon deutlich überschritten.
Schließlich machen wir mit unserer Unterstützung nicht
nur deutlich, dass wir bereit sind, unseren Anteil zu leis-
ten. Wir haben auch eine Verpflichtung hinsichtlich des
mittel- und langfristigen Stabilisierungsprozesses. Wir
werden uns in den nächsten Wochen und Monaten sowohl
auf nationaler als auch auf internationaler Ebene daran er-
innern lassen müssen, diese Verpflichtung, auch in der fi-
nanziellen und politischen Unterstützung des Stabi-
lisierungsprozesses, deutlich zum Ausdruck zu bringen.
Vielen Dank.
Ich erteile das Wort
dem Bundesminister Rudolf Scharping.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Wir sollten bei der Entscheidung, die wir treffen, zwei bit-
tere, für die Menschen schreckliche und für leider viel zu
viele tödliche Erfahrungen nicht vergessen: Das Mandat
der Vereinten Nationen in Bosnien-Herzegowina war zu
schwach ausgestattet. UNPROFOR ist eigentlich ge-
scheitert. Das hat viele Menschen das Leben gekostet. Die
verzweifelten Bemühungen der Verhandlung, der Diplo-
matie und der Prävention sind wegen Milosevic geschei-
tert. Dies hat ebenfalls militärisches Eingreifen erforder-
lich gemacht, aber auf einer ganz anderen Grundlage als
der Einsatz, über den wir heute sprechen. Denn heute
sprechen wir über einen präventiven Einsatz mit dem Ziel,
das Abrutschen Mazedoniens in den Bürgerkrieg zu ver-
hindern.
In dieser Debatte ist von einigen über die Risiken
gesprochen worden, die in diesem Prozess stecken.
Tatsächlich sind sie völlig unübersehbar: die unveränderte
Neigung zu Gewalt, Nationalismen auf der slawo-maze-
donischen Seite, terroristische Gewaltakte und die Zeit
selbst. Es ist unbestreitbar, dass es diese Risiken gibt. Eine
verantwortliche Abwägung aber wird nur gelingen, wenn
man diese Risiken in einer insgesamt sinnvollen und
chancenreichen Entwicklung gegen jene Risiken abwägt,
die eintreten können und mit einiger Sicherheit auch ein-
treten werden, wenn es nicht zu einem Engagement der in-
ternationalen Gemeinschaft oder zu einer deutschen Be-
teiligung käme.
Es ist ja leider ziemlich wahrscheinlich, dass Mazedo-
nien dann in den Bürgerkrieg rutschen würde; es geht aber
um noch mehr: Wir müssen uns schon verantwortlich die
Fragen beantworten: Wer wird ermuntert, wenn es zu ei-
nem Bürgerkrieg kommt, und zwar nicht nur in Mazedo-
nien, sondern auch in anderen Teilen Südosteuropas und
des Balkans? Welche Maßstäbe werden gesetzt? Was be-
deutet das – der Bundesaußenminister hat darauf auf-
merksam gemacht – für die gesamte Region und für die
dortigen Staaten?
Insofern, Herr Gysi, dreht sich die Frage genau um Fol-
gendes: Es geht nicht darum, dass jemand nur genug Ge-
walt anwenden muss, um als Verhandlungspartner akzep-
tiert zu werden. Vielmehr muss die Gewalt jetzt gestoppt
werden, damit Entwicklungen, die wir eindämmen konn-
ten – in Bosnien-Herzegowina, im Kosovo und andern-
orts –, nicht neuerlich aufbrechen und die dafür verant-
wortlichen Kräfte nicht neuerlich ermuntert werden.
Wenn man zu einer verantwortlichen Abwägung kom-
men möchte, muss man auch von den Chancen sprechen:
von dem Gesamtprozess, der stattgefunden hat und fort-
gesetzt werden soll, von dem Stabilitätspakt und von dem
Assoziierungs- und Stabilitätsabkommen zwischen der
Europäischen Union und Mazedonien, das diesem Land
eine Perspektive mit Blick auf die Europäische Union und
die europäische Zivilisation gibt. Man muss auch von den
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Christian Sterzing
18207
Maßnahmen der Abrüstung, der Vertrauensbildung, der
Geberkonferenz und vielem anderen reden.
Ich will hier einfügen, dass die Bundesregierung den
Auftrag des Entschließungsantrages der Koalitionsfrak-
tionen ernst nimmt, nicht nur, aber auch wegen des um-
fassenden Abrüstungskonzeptes für die gesamte Region
und wegen der Verpflichtung, wirksam gegen Waffenhan-
del in der gesamten Region vorzugehen.
In diesem Zusammenhang ist die Frage nach dem Man-
dat gestellt worden. Ich habe eine gewisse Schwierigkeit
mit der Wortwahl; denn wir reden hier eigentlich nicht
über ein Mandat in dem Sinne, wie es der Weltsicher-
heitsrat der Vereinten Nationen oder der Deutsche Bun-
destag in anderen Fällen erteilen müsste, sondern über
eine Vereinbarung zwischen der mazedonischen Regie-
rung und der NATO auf der Grundlage eines Rahmenab-
kommens zwischen den mazedonischen Parteien.
Das bedeutet aber, dass die Grenze der Handlungs-
möglichkeiten der NATO nicht etwa durch guten oder
schlechten, durch ausgeprägten oder weniger ausgeprägten
Willen gezogen wird. Die Grenze der Handlungsmöglich-
keiten der NATO wird gezogen durch den Brief des Prä-
sidenten Trajkovski mit dem Hilfeersuchen vom 14. Juni
und durch das Abkommen, das zwischen der mazedoni-
schen Regierung und der NATO in dieser Sache getroffen
worden ist. Das ist die eindeutige Grenze.
Jeder, der verlangt, man solle diese Grenze überschreiten,
verlangt eigentlich, die NATO möge Art. 51 der Charta
der Vereinten Nationen missachten. Das ist eine Argu-
mentation, vor der ich nur warnen kann, erst recht vor ei-
nem solchen Verhalten.
Herr Kollege Rühe, Sie sagen, die NATO sei Schieds-
richter, aber mit einem Ziel, und das sei eine problemati-
sche Rolle. Ich halte Ihnen entgegen: Es ist richtig, die
NATO ist Schiedsrichter mit einem Ziel. Aber das ist nicht
etwa eine problematische, sondern die einzig mögliche
und übrigens auch eine gute Rolle, die die NATO wahr-
nehmen kann; denn dieses Ziel ist nicht ein Ziel der
NATO, sondern das Ziel der vier Parteien und der Regie-
rung, die das Rahmenabkommen von Ohrid unterschrie-
ben haben.
Nun noch eine kurze Bemerkung im Zusammenhang
mit der Ausrüstung und Ausbildung der Soldaten. Herr
Kollege Westerwelle, ich stimme Ihnen ausdrücklich zu:
Es ist richtig, wenn Sie sagen, dass die Bundeswehr
unverzichtbarer Teil der Handlungsfähigkeit deutscher
Außen- und Sicherheitspolitik ist.
Herr Kollege
Scharping, Ihre angemeldete Redezeit ist überschritten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich komme zum Ende, Herr Präsident. – Deswegen wird
das Erforderliche getan, um die Ausbildung und Ausrüs-
tung der Soldaten entsprechend sicherzustellen. Ich
glaube aber, dass es ein Irrweg ist, zu meinen, die Dis-
kussion über die konsequente und verzugslose Umset-
zung der Beschlüsse der Bundesregierung im Zusammen-
hang mit der Reform der Bundeswehr, die wir zu führen
haben, mit dieser Debatte verbinden zu müssen und auf
diese Weise, zu Teilen jedenfalls, ein innenpolitisches
oder parteitaktisches Interesse mit einer schwerwiegen-
den und wichtigen außenpolitischen Entscheidung, die
wir hier zu treffen haben, zu verküpfen.
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Paul Breuer, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Noch vor wenigen Tagen habe ich in der
Öffentlichkeit erklärt, dass ich aus der damaligen Sicht
der Dinge dem Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien
nicht zustimmen könne.
Ich nehme es vorweg: Ich werde heute zustimmen und
möchte die Gelegenheit wahrnehmen, zu erklären, wie
mein Weg zu dieser Zustimmung ausgesehen hat.
Herr Kollege Struck, Sie haben in Ihrer Rede gesagt,
dass derjenige, der Interesse am Friedensprozess in Ma-
zedonien habe, dem Mandat zustimmen müsse. Ich
hatte zum damaligen Zeitpunkt sicher genauso viel In-
teresse am Friedensprozess in Mazedonien wie diejeni-
gen, die dem Mandat zustimmen wollten. Bei mir über-
wogen aber die Fragestellung, ob das Mandat ausreicht,
und die Befürchtung, dass aus diesem Einsatz in Maze-
donien – wenn er danebengeht – der dritte große Balkan-
einsatz der NATO und somit auch der Bundeswehr wer-
den könnte. Wir alle haben die Hoffnung, dass es gut
geht. Aber niemand hier kann die Befürchtung von sich
weisen, dass daraus der dritte große Einsatz entstehen
kann.
Damit in Verbindung stand für mich die Fragestellung,
ob denn unsere Bundeswehr überhaupt in der Lage ist, ei-
nen solchen dritten großen Einsatz zu bestehen. Da bin ich
skeptisch, vor allen Dingen deshalb, weil für die Mehrheit
dieses Hauses – das hat sich auch in der Rede von Frau
Kollegin Müller gezeigt – die Vorsorge der Bundeswehr
für derartige Einsätze in meinen Augen nicht ernst genug
genommen wird.
Wie auch Sie, Herr Bundeskanzler, gesagt haben, ist
die Verantwortung Deutschlands in der Außen- und Si-
cherheitspolitik gewachsen. Parallel zu diesem Prozess
des Wachsens der deutschen Verantwortung muss die
Bundesregierung und muss die sie tragende Koalition
erkennen, dass die Voraussetzungen für die Bundeswehr
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Bundesminister Rudolf Scharping
18208
ebenso wachsen müssen. Vor wenigen Jahren war es auf
manchen Bänken hier im Deutschen Bundestag noch
verpönt, von einer überlegenen Ausrüstung der Bun-
deswehr zu reden. Ich sage heute: Die Bundeswehr
muss überlegen ausgerüstet sein, damit wir die Verant-
wortung gegenüber unseren Soldaten wahrnehmen kön-
nen.
Ich bin meiner Fraktionsführung und der Parteiführung
dankbar, dass wir es erreicht haben, dass zumindest hin-
sichtlich der Ausrüstung der Einsatzkräfte für die nahe vor
uns liegende Zeit, also für die kommenden Jahre, eine
Verbesserung erzielt worden ist. Das ist für mich ein
Grund zu sagen: Ich stimme zu.
Es gibt für mich einen weiteren Grund. Die Tatsache,
dass die Bundeswehr schlecht ausgerüstet ist, schmälert
unseren Einfluss im Bündnis. Das ist so; das kann man
nicht wegdiskutieren.
Aber ich muss dagegenhalten, dass natürlich eine Nicht-
beteiligung am Mazedonien-Einsatz – bei allen Beden-
ken, die ich habe – den deutschen Einfluss im Bündnis si-
cherlich nicht gesteigert hätte.
Es gibt eine weitere Überlegung, die ich für wichtig
halte. Unsere Soldaten haben mir gesagt: Es ist gut, dass
ihr für eine bessere finanzielle Ausstattung der Bundes-
wehr kämpft. Sie haben mir aber auch gesagt: Es wäre je-
doch gut, wenn wir in der entscheidenden Sitzung im
Deutschen Bundestag, bei der Entscheidung heute, die
Unterstützung der Union für diesen Einsatz bekommen
würden.
Das alles zusammengenommen ist für mich die Be-
gründung dafür, dass ich zwar nichts von meinen Be-
fürchtungen und von meiner Skepsis zurücknehme –
dazu habe ich keinen Grund –, aber dennoch mit gutem
Gewissen zum heutigen Zeitpunkt – obwohl es mir
schwer fällt; das muss ich zugeben – diesem Einsatz der
Bundeswehr in Mazedonien zustimme. Ich stimme ihm
zu, weil ich hoffe, dass es gut geht. Ich finde aber auf
der anderen Seite, dass all diejenigen, die sich schwer
damit tun, bei dieser heutigen Entscheidung und bei der
damit verbundenen Debatte ernst genommen werden
müssen.
Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aus-
sprache.
Bevor wir zur Abstimmung kommen, möchte ich mit-
teilen, dass mir eine große Anzahl von Erklärungen zur
Abstimmung vorliegt. Es sind so viele, dass ich die Na-
men der Kolleginnen und Kollegen hier nicht verlese.
Man kann das im Protokoll nachlesen.
Wir kommen damit zur Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem
Antrag der Bundesregierung auf Drucksache 14/6835 zur
Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem
NATO-geführten Einsatz auf mazedonischem Territorium
zum Einsammeln und Zerstören der Waffen, die durch die
ethnisch albanischen bewaffneten Gruppen freiwillig ab-
gegeben werden. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag
auf Drucksache 14/6830 anzunehmen. Es ist namentliche
Abstimmung verlangt.
Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, bei der
Stimmabgabe sorgfältig darauf zu achten, dass die
Stimmkarten, die sie verwenden, den eigenen Namen tra-
gen. Ich bitte nunmehr die Schriftführerinnen und
Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen.
Sind alle Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne die
Abstimmung.
Zwischendurch möchte ich mitteilen, dass wir im An-
schluss an die namentliche Abstimmung über weitere An-
träge abstimmen werden.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist offensichtlich
nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung
zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen
später bekannt gegeben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, wieder
Platz zu nehmen, damit wir mit den Abstimmungen fort-
fahren können.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Ent-
schließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bünd-
nis 90/Die Grünen. Wer stimmt für den Ent-
schließungsantrag auf Drucksache 14/6837? – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungs-
antrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die
Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU, FDPund PDS
angenommen.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Ent-
schließungsanträge der Fraktion der CDU/CSU und der
Fraktion der FDP auf den Drucksachen 14/6839 und
14/6838 zur federführenden Beratung an den Auswärtigen
Ausschuss und zur Mitberatung an den Verteidigungsaus-
schuss, den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenar-
beit und Entwicklung, den Ausschuss für Menschenrechte,
den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union und an den Haushaltsausschuss zu überweisen. Gibt
es dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall.
Dann ist die Überweisung so beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bis zum Vorliegen
des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbre-
che ich die Sitzung.
Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Die unterbrochene Sitzung ist wieder
eröffnet.
Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-
führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-
mung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Paul Breuer
18209
Ausschusses zum Antrag der Bundesregierung zur Betei-
ligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem NATO-
geführten Einsatz bekannt: Abgegebene Stimmen 635.
Mit Ja haben gestimmt 497, mit Nein haben gestimmt
130, Enthaltungen 8.
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Präsident Wolfgang Thierse
18210
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 635;
davon
ja: 497
nein: 130
enthalten: 8
Ja
SPD
Brigitte Adler
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel
Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Rainer Brinkmann
Bernhard Brinkmann
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner
Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Peter Friedrich
Lilo Friedrich
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf
Angelika Graf
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Achim Großmann
Karl-Hermann Haack
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Klaus Hasenfratz
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung
Johannes Kahrs
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Siegrun Klemmer
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange
Detlev von Larcher
Waltraud Lehn
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Erika Lotz
Dieter Maaß
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller
Jutta Müller
Christian Müller
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann
Gerhard Neumann
Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Joachim Poß
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Dr. Edelbert Richter
Christel Riemann-
Hanewinckel
Reinhold Robbe
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth
Birgit Roth
Gerhard Rübenkönig
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Dagmar Schmidt
Wilhelm Schmidt
Dr. Frank Schmidt
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt
Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann
Brigitte Schulte
Reinhard Schultz
Volkmar Schultz
Ewald Schurer
Dietmar Schütz
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak
Simone Violka
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Wolfgang Weiermann
Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek
Helmut Wieczorek
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Dr. Joseph-Theodor Blank
Dr. Norbert Blüm
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Hartmut Büttner
Cajus Caesar
Peter H. Carstensen
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Renate Diemers
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Rainer Eppelmann
Anke Eymer
Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Ulf Fink
Ingrid Fischbach
Dr. Gerhard Friedrich
Dr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Michael Glos
Dr. Reinhard Göhner
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther
Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein
Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser
Hansgeorg Hauser
Ursula Heinen
Manfred Heise
Hans Jochen Henke
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Hubert Hüppe
Dr. Harald Kahl
Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn
Karl Lamers
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link
Dr. Klaus W. Lippold
Wolfgang Lohmann
Julius Louven
Dr. Michael Luther
Erwin Marschewski
Dr. Martin Mayer
Wolfgang Meckelburg
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Hans Michelbach
Bernward Müller
Elmar Müller
Bernd Neumann
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Peter Rauen
Katherina Reiche
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Dr. Heinz Riesenhuber
Hannelore Rönsch
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Adolf Roth
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Dr. Gerhard Scheu
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt
Andreas Schmidt
Hans Peter Schmitz
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt
Wolfgang Schulhoff
Diethard Schütze
Clemens Schwalbe
Dr. Christian Schwarz-
Schilling
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Dr. h. c. Rudolf Seiters
Bernd Siebert
Werner Siemann
Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Matthäus Strebl
Thomas Strobl
Michael Stübgen
Dr. Rita Süssmuth
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Gunnar Uldall
Arnold Vaatz
Angelika Volquartz
Andrea Voßhoff
Dr. Theodor Waigel
Peter Weiß
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Gila Altmann
Marieluise Beck
Volker Beck
Angelika Beer
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Dr. Thea Dückert
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Andrea Fischer
Joseph Fischer
Katrin Göring-Eckardt
Rita Grießhaber
Gerald Häfner
Antje Hermenau
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Dr. Angelika Köster-Loßack
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Oswald Metzger
Kerstin Müller
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Christine Scheel
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt
Werner Schulz
Christian Sterzing
Jürgen Trittin
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Helmut Wilhelm
Margareta Wolf
FDP
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Dr. Wolfgang Gerhardt
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Präsident Wolfgang Thierse
18211
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Carl-Ludwig Thiele
Dr. Dieter Thomae
Dr. Guido Westerwelle
Nein
SPD
Klaus Barthel
Peter Dreßen
Harald Friese
Konrad Gilges
Wolfgang Grotthaus
Christine Lehder
Götz-Peter Lohmann
Christa Lörcher
Dr. Christine Lucyga
Adolf Ostertag
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Gudrun Roos
René Röspel
Dr. Hansjörg Schäfer
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Rüdiger Veit
Dr. Konstanze Wegner
Waltraud Wolff
CDU/CSU
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Hans-Dirk Bierling
Peter Bleser
Friedrich Bohl
Sylvia Bonitz
Wolfgang Börnsen
Georg Brunnhuber
Dankward Buwitt
Manfred Carstens
Leo Dautzenberg
Thomas Dörflinger
Maria Eichhorn
Axel E. Fischer
Herbert Frankenhauser
Georg Girisch
Gottfried Haschke
Klaus-Jürgen Hedrich
Siegfried Helias
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Irmgard Karwatzki
Rudolf Kraus
Dr. Karl A. Lamers
Eduard Lintner
Dr. Manfred Lischewski
Erich Maaß
Dr. Michael Meister
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Franz Obermeier
Norbert Otto
Marlies Pretzlaff
Hans Raidel
Christa Reichard
Klaus Riegert
Franz Romer
Kurt J. Rossmanith
Anita Schäfer
Karl-Heinz Scherhag
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Michael von Schmude
Gerhard Schulz
Heinz Seiffert
Johannes Singhammer
Max Straubinger
Hans-Otto Wilhelm
Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Willy Wimmer
Aribert Wolf
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Annelie Buntenbach
Winfried Hermann
Christian Simmert
Hans-Christian Ströbele
Sylvia Voß
FDP
Gisela Frick
Rainer Funke
Joachim Günther
Dr. Werner Hoyer
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
PDS
Monika Balt
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Ruth Fuchs
Wolfgang Gehrcke
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Carsten Hübner
Ulla Jelpke
Gerhard Jüttemann
Dr. Evelyn Kenzler
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz
Heidi Lippmann
Ursula Lötzer
Dr. Christa Luft
Heidemarie Lüth
Pia Maier
Angela Marquardt
Manfred Müller
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Christine Ostrowski
Petra Pau
Dr. Uwe-Jens Rössel
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert
Dr. Winfried Wolf
Enthalten
CDU/CSU
Klaus Bühler
Helmut Heiderich
Susanne Jaffke
Bartholomäus Kalb
Gerald Weiß
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Steffi Lemke
Irmingard Schewe-Gerigk
FDP
Jürgen Türk
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 184. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 29. August 2001
Präsident Wolfgang Thierse
18212
Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord-
nung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages ein auf Dienstag, den 11. September 2001,
11 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.