Gesamtes Protokol
Liebe Kol-
leginnen und Kollegen, einen schönen guten Morgen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Der Ältestenrat hat vereinbart, dass in der Haus-
haltswoche vom 10. September 2001 keine Regierungs-
befragung, keine Fragestunden und keine Aktuellen
Stunden stattfinden sollen. Sind Sie damit einverstan-
den? Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so be-
schlossen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 11 auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Aus-
nisationsreform in der landwirtschaftlichen
Sozialversicherung
Drucksachen 14/5314, 14/5928, 14/6177,
14/6495, 14/6545
Berichterstattung:
Abgeordneter Klaus Brandner
Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? Das
ist nicht der Fall. Wird das Wort zu Erklärungen ge-
wünscht? Auch das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungsaus-
schuss hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsord-
nung beschlossen, dass im Deutschen Bundestag über die
Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Wer stimmt für
die Beschlussempfehlung auf Drucksache 14/6545? Ge-
genprobe! Enthaltungen? Die Beschlussempfehlung
ist mit den Stimmen des Hauses bei Enthaltung der Frak-
tion der PDS angenommen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 12 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, der
CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
und der F.D.P.
Effizienz in der landwirtschaftlichen Sozial-
versicherung verbessern Versichertennähe
stärken
Drucksache 14/6585
Interfraktionell ist vereinbart worden, dass eine Aus-
sprache nicht erfolgen soll. Das Haus ist damit einver-
standen.
Wir kommen also zur Abstimmung über den Antrag
auf Drucksache 14/6585. Wer stimmt dafür? Wer stimmt
dagegen? Enthaltungen? Der Antrag ist einstimmig
angenommen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 13 auf:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung
Aktuelle Entwicklung in Südosteuropa und
Lage in Mazedonien
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung
eine Stunde vorgesehen. Ich höre keinen Widerspruch.
Dann ist so beschlossen.
Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit wenigen
Tagen sitzt Slobodan Milosevic, der Brandstifter des ge-
fährlichsten europäischen Flächenbrandes seit dem Ende
des Zweiten Weltkriegs, in einer Haftzelle in Den Haag.
Milosevic wird sich in einem rechtsstaatlichen Verfahren
wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwor-
ten müssen. Dies ist ein Sieg des Rechts über die Gewalt
und ein in seiner Bedeutung kaum zu überschätzender
Fortschritt für Europa und die Welt.
Wir erwarten nunmehr auch die Festnahme weiterer Ge-
suchter, an erster Stelle die von Karadzic und Mladic.
Es begann mit der Unterdrückungspolitik im Kosovo
durch die Aufhebung des Autonomiestatuts 1989 und dem
18063
183. Sitzung
Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Beginn: 9.00 Uhr
Angriff auf Slowenien. Am Ende standen vier blutige Bal-
kankriege, Hunderttausende Tote und Millionen von Ver-
triebenen. Während sich Milosevic in Den Haag für seine
Taten verantworten muss, geht die Saat seiner verbreche-
rischen Politik auf dem Balkan an anderer Stelle weiter
auf. Seit einigen Monaten steht Mazedonien am Rande
eines Bürgerkriegs.
Viel zu lange waren die Europäer uneins und nicht be-
reit, die notwendigen Instrumente einzusetzen, um dem
entfesselten Nationalismus in Jugoslawien Einhalt zu ge-
bieten. Eigentlich erst nach der Tragödie von Srebrenica
haben die Europäer begriffen, dass der Balkan nicht eine
entlegene Weltregion mit ganz eigenen Gesetzen ist, son-
dern dass dort ihre eigene Sicherheit und ihre eigenen
Ideale auf dem Spiel stehen, dass der Balkan also ein un-
trennbarer Teil Europas und damit auch der europäischen
Sicherheit ist.
Es waren zwei Dinge, die die mörderische Strategie
Milosevics beendeten und in Südosteuropa eine grundle-
gende Wende zum Besseren auslösten: das entschlossene
Eingreifen der Staatengemeinschaft, zuerst in Bosnien
und dann im Kosovo, und die Bereitschaft Europas, den
Balkanstaaten eine europäische Perspektive, eine Per-
spektive für das Europa der Integration zu eröffnen. Wenn
Sie nach einer Exit-Strategie fragen: Exakt dies wird die
Exit-Strategie für unser Engagement auf dem Balkan sein;
eine andere Strategie wird es nicht geben.
Das ist auch der Kern des Stabilitätspakts. Darauf sind
alle Bemühungen zur Unterstützung der demokratischen
Kräfte in Exjugoslawien gerichtet.
Diese Politik war sehr erfolgreich. Heute sind das de-
mokratische Jugoslawien und das demokratische Kroa-
tien auf europäischem, auf demokratischem Kurs. In Al-
banien fanden am vorletzten Sonntag erneut freie,
demokratische Wahlen statt. Im Kosovo wird es Krieg
und massenweise Menschenrechtsverletzungen nicht
wieder geben, auch wenn das Zusammenleben der Volks-
gruppen ich erinnere an die Lage der Minderheit; es sind
in der Tat nach wie vor einzelne schwere Menschen-
rechtsverletzungen zu beklagen noch lange schwierig
bleiben wird. Das Gleiche gilt für Bosnien.
Auch der Stabilitätspakt greift. Dies zeigten die Eini-
gung von sieben Balkanstaaten, bis Ende 2002 eine Frei-
handelszone zu schaffen, und die beachtlichen Ergebnisse
der Geberkonferenz für Jugoslawien.
In Mazedonien ist der europäische Frieden heute wie-
der bedroht. Die Probleme dort sind anders gelagert als in
Bosnien oder im Kosovo. Aber eines ist klar: Wir haben
nicht gegen einen großserbischen Nationalismus und
seine Gewaltpolitik gekämpft, um nun einem anderen ex-
tremen Nationalismus nachzugeben.
Die angespannte Lage in Mazedonien, die fast
100 000 Menschen zu Flüchtlingen gemacht hat, gibt An-
lass zu großer Sorge. Wenn sich die Hardliner auf beiden
Seiten durchsetzen, dann ist eine gewaltsame Zuspitzung
bis hin zum Bürgerkrieg nicht auszuschließen. Entschei-
dend für den Frieden in Mazedonien ist eine neue Grund-
lage des Zusammenlebens, eine geänderte demokratische
Verfassung in einem einheitlichen Staat. Sie muss der
Kern einer politischen Lösung sein.
Alle Anstrengungen von außen darin sind sich Euro-
päische Union und NATO einig müssen auf eine solche
politische Lösung gerichtet sein. Die Mission François
Léotards in Skopje in enger Kooperation mit der NATO
und mit dem neuen US-Sondergesandten Pardew bietet
die Chance, den Verhandlungen einen neuen Impuls zu
geben. Die Bundesregierung hat diese Verhandlungen ak-
tiv und mit eigenen Vorschlägen begleitet. Diese Vor-
schläge haben breite Zustimmung gefunden.
Eine grundsätzliche Einigung über die politische Lö-
sung muss auf wesentlichen Grundprinzipien aufbauen,
die auch in den Friedensplänen beider Konfliktparteien
enthalten sind. Diese Prinzipien sind vor allem: die terri-
toriale Integrität Mazedoniens, kein Sonderstatus für
Teilgebiete und ein Bekenntnis zu Mazedonien als mul-
tiethnischem Staat.
Eine politische Lösung sollte darüber hinaus Maßnahmen
zur Vertrauensbildung und zur Integration der Ethnien so-
wie eine Einigung über Verfassungsfragen beinhalten.
Die strittigen Punkte dabei sind eine Änderung der
Präambel der heutigen mazedonischen Verfassung in
Richtung einer Bürgerverfassung, eine Säkularisierung
des Staates, das Recht zur Benutzung der albanischen
Sprache als eine der offiziellen Sprachen Mazedoniens
und Schutzklauseln zur Wahrung der Interessen der ethni-
schen Gemeinschaften in für sie existenziellen Fragen.
Die mazedonische Regierung hat mithilfe des Ver-
handlungsteams der internationalen Staatengemeinschaft
ein Rahmenpapier erarbeitet, das gegenwärtig noch abge-
stimmt wird. Es steckt die Bereiche für zukünftige Ver-
handlungen ab und soll bereits jetzt konkrete Verpflich-
tungen festlegen. Die Umsetzung einer politischen
Lösung wird dies muss allen klar sein eine entspre-
chende Absicherung durch die Staatengemeinschaft vo-
raussetzen. Diese zentrale Lektion der vergangenen vier
Balkankriege darf heute nicht in Vergessenheit geraten.
Präsident Trajkovski hat die NATO um Unterstützung
bei der freiwilligen Entwaffnung der NLA gebeten. Alle
Angehörigen der mazedonischen Regierung haben dem
zugestimmt. Die Bundesregierung ist bereit, im Rahmen
der NATO hieran mitzuwirken, wenn folgende Vorausset-
zungen gegeben sind: erstens eine belastbare Grundsatz-
vereinbarung zur politischen Lösung der Probleme in
Mazedonien und der Verzicht auf jede militärische Option
wir werden darauf hinwirken, dass die Weichen irrever-
sibel in Richtung eines dauerhaften Friedens gestellt wer-
den , zweitens eine Einigung über den Waffenstillstand
und seine Modalitäten und drittens eine Selbstverpflich-
tung der NLA zur freiwilligen Waffenabgabe.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Bundesminister Joseph Fischer
18064
Gestern haben die NLA und die mazedonische Regie-
rung in einseitigen Erklärungen eine Einstellung der
Kampfhandlungen für heute angekündigt. Wenn diese
Waffenruhe anhält, ist eine erste wichtige Voraussetzung
für den Frieden in Mazedonien geschaffen worden. Damit
ist aber wohlgemerkt erst eine der drei Voraussetzun-
gen für die Operation Essential Harvest der NATO
erfüllt. Erst wenn aber wirklich alle drei Voraussetzungen
erfüllt sind, kann die NATO eine sinnvolle Rolle spielen.
Jeder falsche und voreilige Schritt birgt die große Gefahr,
die ethnischen Siedlungsgrenzen faktisch zu zementieren.
Dies hätte negative Folgewirkungen für die gesamte Re-
gion.
Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, dann darf
und wird sich Deutschland seiner außenpolitischen Ver-
antwortung nicht entziehen.
Alles andere würde nicht nur die deutsche Bündnisfähig-
keit, sondern auch die europäische Handlungsfähigkeit
massiv beeinträchtigen.
Wir haben deshalb sichergestellt, dass die Vorbereitun-
gen für eine deutsche Beteiligung an der Operation Es-
sential Harvest in der Größenordnung von etwa zwei
Einsatzkompanien eingeleitet werden und dies in den lau-
fenden NATO-Planungen berücksichtigt wird. Die beiden
Kompanien sollen gemeinsam mit dem französischen
Kontingent zum Einsatz kommen, wenn die NATO nach
Vorliegen aller Voraussetzungen diesen Einsatz beschließt
und der Deutsche Bundestag ihrer Entsendung zustimmt.
Der Bundeswehr werden für den Fall ihrer Beteiligung die
nötigen materiellen Voraussetzungen zur Verfügung
stehen.
Politischer Wille und materielle Fähigkeiten gehören un-
trennbar zusammen. Auch das ist eine der Lehren, die Eu-
ropa aus den Krisen in Südosteuropa gezogen hat.
Lassen Sie mich noch einmal unterstreichen: Eine Be-
teiligung der Bundeswehr bei der Waffenabgabe ist nur
unter den genannten Voraussetzungen vorstellbar. Das
Schreiben Präsident Trajkovskis an NATO-Generalse-
kretär Robertson, das von allen Parteien der Koalitions-
regierung gebilligt wurde, ist nach Auffassung der Bun-
desregierung hierfür die eindeutige Rechtsgrundlage. Der
Bundeskanzler hat gestern den Fraktionsvorsitzenden zu-
gesagt, sie vor einer möglichen Beschlussfassung im Ka-
binett erneut zu unterrichten. In letzter Instanz ist es Sa-
che des Bundestages, über eine solche Beteiligung zu
entscheiden.
Der Realismus gebietet es, darauf hinzuweisen, dass
auch eine Verschlechterung der Lage in Mazedonien
denkbar ist, die eine andere Planung der NATO nach sich
ziehen könnte. In diesem Fall müssten wir die Umstände
auch mit Blick auf eine mögliche Beteiligung der Bun-
deswehr neu bewerten.
Meine Damen und Herren, die komplexen Probleme
Südosteuropas hängen weitgehend miteinander zusam-
men. Die Fragen um Bosnien-Herzegowina, um Monte-
negro, um den Kosovo oder um Mazedonien sind eng ver-
woben mit der Situation in den jeweiligen Nachbarstaaten
und -regionen. Ohne deren Einbindung wird ein Zusam-
menleben der Völker auf dem Balkan letztlich nicht dau-
erhaft friedlich geregelt werden können. Es ist daher von
verschiedener Seite vorgeschlagen worden, den Versuch
zu machen, eine Gesamtlösung für die Region zu finden.
Dabei ist eines entscheidend: Wenn wir über eine Ge-
samtlösung sprechen, dann müssen Substanzfragen ganz
ans Ende gerückt werden, weil diese Fragen unter den ge-
genwärtigen Bedingungen eben nicht friedlich lösbar
sind.
Am Anfang muss die Definition der Verfahren und
Grundregeln stehen. So verlief auch der KSZE-Prozess;
diese positive Erfahrung sollte auch die Grundlage für das
Vorgehen in Südosteuropa sein. Oberste Prinzipien müs-
sen Gewaltverzicht, die Achtung der Grenzen und der
Menschen- und Minderheitenrechte sein. Auf einer sol-
chen Grundlage könnte dann ein Konferenzprozess für
Sicherheit und Stabilität ins Auge gefasst werden; aber
nicht das unterstreiche ich in der Perspektive des
19. Jahrhunderts, also nicht in der Richtung, dass wieder
Großmächte über diese Region entscheiden, sondern
in der klaren Perspektive der Heranführung der gesam-
ten Region an das zusammenwachsende Europa der Inte-
gration.
Es sollte also eine Brüsseler, nicht eine Berliner Kon-
ferenz sein, Richtung Integration, nicht Richtung Neu-
zeichnung der Grenzen. Der Stabilitätspakt hat dazu die
Vorarbeiten geleistet.
Die entscheidende Lektion aus vier furchtbaren, bluti-
gen Kriegen in Südosteuropa lautet: Der Balkan ist ein
Teil von Europa. Es gibt keine geteilte Sicherheit auf un-
serem Kontinent; es gibt nur eine Sicherheit.
Deswegen ist die Zukunft dieser Region die zentrale
Frage der europäischen Sicherheit.
Da wir, meine Damen und Herren von der CDU/CSU,
uns gegenwärtig auch in der Entwicklung der europä-
ischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik befinden
und da sich herausstellt, dass diese Entwicklung eben
nicht in Konfrontation zur NATO stattfindet wenn wir
eine positive Erfahrung im letzten Jahr gemacht haben,
dann die, dass die Barrieren, auch die mentalen Barrieren,
zwischen NATO und Europäischer Union nahezu ver-
schwunden sind, dass es hier keine Konfrontation, kein
Gegeneinander gibt, sondern ein Miteinander, wie gerade
die Erfahrungen in Mazedonien beweisen , da wir also in
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Bundesminister Joseph Fischer
18065
dieser entscheidenden historischen Bildungs- und For-
mungsphase Europas sind, auch in der Sicherheits- und
Verteidigungspolitik, müssen Sie begreifen, was es hieße,
wenn sich Deutschland, obwohl alle unsere europäischen
Partner bereit sind, diese politische Lösung, wenn sie
möglich und durchsetzbar ist, abzusichern, daran nicht
beteiligen würde.
Der Balkan ist ein Teil von Europa, habe ich gesagt.
Seine Zukunft ist die zentrale Frage der europäischen Si-
cherheit und damit auch eine der zentralen Fragen der Zu-
kunft des europäischen Integrationsprozesses. In Ma-
zedonien haben wir diesmal die große Chance, einen
Bürgerkrieg präventiv zu verhindern. Wir müssen uns die-
ser Aufgabe mit all unseren Kräften stellen; sonst gefähr-
den wir alles, was in den vergangenen Jahren an Positi-
vem in dieser Region erreicht wurde.
Deutschland darf dabei nicht abseits stehen. Das ist un-
sere europäische Verantwortung. Das war bisher breiter
Konsens hier in diesem Haus. Es geht um den Frieden auf
dem Balkan, um die Zukunft Europas und damit auch um
die Glaubwürdigkeit der deutschen Außenpolitik.
Ich bedanke mich.
Ich eröffne
die Aussprache und gebe zunächst für die CDU/CSU-
Fraktion dem Kollegen Volker Rühe das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Wir haben die Regierungs-
erklärung gefordert, um mehr Klarheit in der Debatte zu
bekommen.
Was sind die Fakten, Herr Bundesaußenminister? Zu-
nächst hat die NATO im Auftrag der Mitgliedstaaten, auch
Deutschlands, einen 30-Tage-Einsatz zur Entwaffnung
der UCK-Rebellen vorbereitet. Die Bundesregierung
stimmte dem Einsatzplan zu, meldete jedoch im Unter-
schied zu anderen europäischen Partnern keinen einzigen
Soldaten für diese Operation an.
Nicht, weil Sie den Parlamentsvorbehalt hatten, sondern
Sie haben zu den Terminen immer einen Parlamentsvor-
behalt angemeldet; so haben wir das über die letzten
sechs, acht Jahre gehalten.
Der Bundeskanzler kritisiert parallel dazu dieses Man-
dat der NATO, indem er ein robusteres, ein ehrlicheres
Mandat fordert. Er selbst und der Fraktionsvorsitzende
der SPD, Herr Struck er nickt , sagen, dieses Mandat
sei unrealistisch. Ich stimme ihnen ausdrücklich zu. Es ist
eine Fiktion, vielleicht eine Falle für unsere Soldaten.
Ein robustes Mandat heißt: mehr Soldaten über eine
längere Zeit. Ich will gleich etwas dazu sagen. Aber es ist
jedenfalls der ehrlichere Weg, so über die Situation zu
sprechen. Die Frage ist: Warum hat die Bundesregierung
dann im NATO-Rat überhaupt diesem unrealistischen
30-Tage-Einsatz zugestimmt?
Wenn sie dieses Mandat für falsch hält, hätte sie in der
NATO eine konzeptionelle Diskussion über die richtige
Form dieses Einsatzes führen müssen.
Natürlich gibt es im Zusammenhang mit einem robus-
ten Mandat Fragen: Wollen wir nach dem Protektorat in
Bosnien und nach dem im Kosovo ein drittes Protektorat
in Mazedonien errichten? Wie verhindern wir eine Spal-
tung des Landes? Wir alle wissen inzwischen sehr genau,
dass Soldaten den Frieden nicht erzwingen können; das
sehen wir im Kosovo. Deshalb brauchen wir Klarheit über
den politischen Prozess, den die NATO in Mazedonien
militärisch absichern soll. Wie soll das Zusammenleben
der Bevölkerungsgruppen künftig aussehen und welchen
Beitrag sollen unsere Soldaten über welchen Zeitraum
leisten?
Man fragt sich, ob die Bundesregierung in der Lage ist,
einen militärischen Beitrag zu einem solchen ehrlicheren
Mandat der NATO zu leisten. Das ist wahrscheinlich der
Grund für die erneute Kehrtwende, dass man also zu ei-
nem 30-Tage-Einsatz zurückkehrt und eine eher symboli-
sche deutsche Beteiligung in Aussicht stellt. Diese Fragen
müssen gestellt und beantwortet werden, wenn man nicht
leichtfertig in einen Einsatz hineinschlittern und die Si-
cherheit unserer Soldaten nicht gefährden will.
Der Generalinspekteur der Bundeswehr ist der Kron-
zeuge dafür was er in der Welt am Sonntag zum Aus-
druck gebracht hat, das hat er zwei Tage vorher in der
Arbeitsgruppe Verteidigung der CDU/CSU-Bundes-
tagsfraktion wortwörtlich gesagt , dass ein solcher Ein-
satz die Möglichkeiten der Bundeswehr aufgrund ihrer
drastischen Unterfinanzierung übersteigen würde. Er hat
ganz nüchtern und verantwortungsbewusst das stammt
im Übrigen nicht von einem Oppositionspolitiker öf-
fentlich zu Protokoll gegeben, dass die Bundeswehr auf
dem Zahnfleisch geht und dass deshalb für einen weite-
ren Auslandseinsatz keine Durchhaltefähigkeit gegeben
ist. Ich möchte ihm im Übrigen für seine offenen Worte
danken. Das gibt den Soldaten das Gefühl, dass die oben
doch noch wissen, wie es unten in der Bundeswehr aus-
sieht.
Es gibt also einen unmittelbaren sachlichen und inne-
ren Zusammenhang zwischen der Unterfinanzierung
der Bundeswehr und der Möglichkeit, internationale
Einsätze durchzuführen. Wenn die Bundesregierung die
Bundeswehr in einen weiteren Auslandseinsatz schicken
will, muss sie diese finanziell deutlich besser ausstatten,
als das bisher der Fall ist. Alles andere wäre nicht ver-
antwortungsvoll.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Bundesminister Joseph Fischer
18066
Herr Bundesaußenminister, nicht wir kündigen also den
Konsens auf, der im Hinblick auf Auslandseinsätze be-
steht, sondern diejenigen, die die Bundeswehr durch eine
drastische Unterfinanzierung in eine existenzielle Krise
geführt haben.
Wir waren es, die in den 90er-Jahren gegen den erbit-
terten Widerstand aus Ihren Reihen Auslandseinsätze
überhaupt erst durchgesetzt und die Voraussetzungen
dafür geschaffen haben.
Ich sage dazu einmal ein persönliches Wort ich
schätze harte politische Debatten durchaus; aber alles
lasse ich mir von Ihnen, Herr Bundesaußenminister, nicht
gefallen : Ich habe noch sehr gut in Erinnerung, wie ich
als Bundesverteidigungsminister auch zusammen mit
dem Kollegen Kinkel anlässlich der Entscheidungen
über die ersten Auslandseinsätze in den Verteidigungs-
ausschuss und in das Parlament gekommen bin und mir
gedroht wurde: Wenn auch nur ein einziger deutscher Sol-
dat stirbt oder wenn auch nur ein einziger deutscher Sol-
dat einen anderen erschießt, dann fordern wir deinen
Rücktritt. Das war Ihre Solidarität in der Anfangsphase
der Auslandseinsätze, als es darum ging, diese Einsätze
überhaupt durchzusetzen.
Im Übrigen sage ich Ihnen: Sie werden mit dem Ver-
such, die Opposition in Washington, Paris, London und
wo auch immer in Misskredit zu bringen, scheitern. Wir
haben über viele Jahre ein Vertrauenskapital erarbeitet.
Da gibt es überhaupt nichts zu lachen. Sie müssen noch
sehr viel tun, um ein vergleichbares Vertrauenskapital zu
erreichen.
Die Bundeswehr braucht eine ausreichende materielle
und personelle Basis. Sie aber haben das Schwert, mit
dem Sie jetzt kämpfen wollen, stumpf gemacht. Wer die
Bundeswehr bündnisunfähig macht, darf anderen nicht
vorwerfen, sie würden die Bündnissolidarität verletzen.
Die Bundeswehr macht eine ideelle, personelle und
materielle Auszehrung durch, die zu kaum wieder gutzu-
machenden Langzeitschäden führt. Ich könnte viele Zitate
auch aus der SPD-Fraktion bringen, etwa des Kollegen
Opel.
Sie rufen: Bitte nicht! Das dürfen Sie ihm nun auch
nicht antun. Er hat mir als Verteidigungsminister ganz
schön zugesetzt. Wenn er jetzt bei Ihnen ebenfalls die
Wahrheit sagt, dann müssen Sie das zumindest ertragen.
Die Streitkräfte sind nur noch bedingt einsatzfähig.
Das hat der Generalinspekteur öffentlich bekannt gege-
ben. Als Schlusslicht in den Verteidigungsaufwendungen
im Bündnis gilt Deutschland mittlerweile als unzuverläs-
siger Risikofaktor und Trittbrettfahrer.
Deutschland ist mit den heutigen Haushaltsansätzen nicht
in der Lage, seine NATO- und EU-Verpflichtungen zu er-
füllen.
Die Bundesregierung das kann man spüren möchte
die Bundeswehr international einsetzen, um im Bündnis
bestehen zu können. Man kann aber unsere Soldaten nicht
in schwere Einsätze schicken, eine tief greifende Reform
auf den Weg bringen und dann den Soldaten den Geld-
hahn immer weiter zudrehen. Das passt einfach nicht zu-
sammen!
Der frühere Generalinspekteur Dieter Wellershoff,
weiß Gott ein Mann, der seine Worte wägt und der auch
uns in der Vorgängerregierung manches ins Stammbuch
geschrieben hat
deswegen ist es ein glaubwürdiger Zeuge, den Sie sehr
ernst nehmen sollten , hat es auf den Punkt gebracht, als
er sagte, dass Ihr Verhalten nicht nur ein Zeichen der Spar-
samkeit sei insofern hat der Kollege Eichel nicht an al-
lem Schuld , sondern ein Symptom für die innere Ferne
der politisch Verantwortlichen zu den Soldaten.
Er sprach wörtlich von der deswegen ist das nicht nur
eine Frage des Geldes : inneren Distanz, ja Feindschaft
in Teilen der Regierungskoalition gegen die Bundeswehr.
Ich finde, Sie sollten sich ernsthaft mit einem so nach-
denklichen Mann auseinander setzen, der weiß, worüber
er spricht, wenn er diese Worte an Sie richtet.
Ich habe im Übrigen im Zusammenhang mit dem Ko-
sovo-Krieg immer gewürdigt, dass Sie die Kraft gefunden
haben, in der Kontinuität zu bleiben. Da brauchen Sie
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Volker Rühe
18067
gar nicht zu lachen, Herr Fischer. Ich würdige das noch
einmal; denn ich weiß, dass das Kraft gekostet hat.
Der Bundeskanzler und der Außenminister haben die
Bundeswehr international als Instrument genutzt, um
deutsche Gleichberechtigung in der europäischen Poli-
tik deutlich zu machen. Zugleich aber haben sie die Streit-
kräfte fallen gelassen, indem sie ihr die dafür notwendige
finanzielle Ausstattung verweigern.
Das ist die Situation, in die Sie die Bundeswehr gebracht
haben.
Da ich sehe, dass der Bundeskanzler nun anwesend ist
und er von den unsicheren Kantonisten in der Opposi-
tion gesprochen hat, sage ich ihm: Herr Bundeskanzler,
es gibt viele Zitate. Ich nenne hier nur einmal eines, um
daran zu erinnern, wie Ihre Durchhaltefähigkeit in Bezug
auf Ihre Argumente ist. Schröder am 7. August 1993: Ich
bin gegen Kampfeinsätze der Bundeswehr. Selbst wenn
die Partei anders entscheide, werde er seinen Widerstand
nicht aufgeben. Schröder: Ich werde mir erlauben, meine
Meinung zu behalten. Sie sind ein großer Meinungsbe-
halter, Herr Bundeskanzler!
Wir sollten solche Worte wie unsichere Kantonisten
nicht verwenden. Die Koalition von CDU/CSU und
F.D.P. hat mit ihrer politischen Arbeit unter der Führung
von Helmut Kohl so viel internationales Vertrauenskapi-
tal erarbeitet, dass unsere Verbündeten wissen: Uns geht
es darum, die Bundeswehr zu stärken, damit wir unserer
internationalen Verantwortung besser gerecht werden
können.
Unser Verhalten zu einem möglichen Mazedonien-Ein-
satz wird von folgenden Bedingungen abhängen:
Erstens. Für eine deutsche Beteiligung an einem
NATO-Einsatz in Mazedonien brauchen wir klare politi-
sche Rahmenbedingungen.
Zweitens. Unsere Soldaten brauchen eine klar umris-
sene Aufgabe, die in einem überschaubaren Zeitrahmen
zu erfüllen ist.
Drittens. Voraussetzung für eine Beteiligung der Bun-
deswehr ist die Sicherstellung ihrer Durchhaltefähigkeit.
Das gilt auch für die Fiktion eines 30-Tage-Einsatzes.
Man darf keinen Einsatz beginnen, wenn man nicht auch
die Durchhaltefähigkeit hat, falls das eintritt, was der Kol-
lege Struck und andere gesagt haben.
Es geht also nicht darum um das gleich sehr präzise
zu sagen , der Bundeswehr für einen zusätzlichen Ein-
satz nur etwas mehr Geld zu geben. Was wir brauchen, ist
ein Einstieg in eine finanzielle Kehrtwende, damit die
Durchhaltefähigkeit der Bundeswehr für solche Ein-
sätze gestärkt wird. Die Struktur der Bundeswehr und ihre
Finanzierung müssen endlich wieder in Übereinstimmung
gebracht werden.
Das sind die Bedingungen, an denen wir uns orientie-
ren werden, wenn eine Entscheidung über einen Mazedo-
nien-Einsatz auf uns zukommt.
Ich danke Ihnen.
Ich erteile
nunmehr das Wort dem Kollegen Gernot Erler für die
Fraktion der SPD.
Herr Präsident! Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! Dies ist eine Debatte über inter-
nationale Politik. Leider, Herr Rühe, hat man das bei Ihrer
Rede eben nicht gemerkt.
Einmal mehr haben Sie Ihre parteipolitischen Vorstel-
lungen über den Bundeswehretat in den Mittelpunkt ge-
stellt. Sie haben eine internationale Frage auf die kleine
provinzielle Münze der Parteipolitik heruntergebrochen.
Das ist nicht angemessen.
Damit werden wir auch nicht das internationale Vertrau-
enskapital erweitern können, das Sie so häufig im Mund
geführt haben. Ich möchte deswegen anders anfangen als
Sie, Herr Rühe.
Zu reden ist nämlich zunächst einmal über ein kleines
Land, über ein armes Land. Ich weiß, in einer solchen De-
batte ist man schnell bei den großen Vokabeln von ge-
meinsamer Verantwortung, der Handlungsfähigkeit der
EU, der Bündnissolidarität. Das ist alles richtig. Trotzdem
möchte ich zuerst von Mazedonien reden, von einem
kleinen geschundenen Land mit 2 Millionen Einwohnern
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Volker Rühe
18068
Slawen, Albanern, Türken, Roma und anderen Minder-
heiten und einem Bruttosozialprodukt von 7,5 Milli-
arden DM, mit einer Arbeitslosigkeit von mehr als 32 Pro-
zent und einem Durchschnittseinkommen der Menschen
von 360 DM im Monat.
Dieses Land steht plötzlich im Rampenlicht der Tages-
nachrichten. Die Fernsehsprecher versuchen Ortsnamen
wie Aracinovo, Kumanovo, Tetovo, Tanusevci und andere
korrekt auszusprechen. Die Bilder von den Kämpfen in
diesen Orten riechen nach Krieg, eventuell nach dem
fünften Balkankrieg in zehn Jahren.
Das war nicht immer so. In den ersten zehn Jahren
seiner Unabhängigkeit, beginnend 1991, schien es in
Mazedonien besser zu laufen als ringsum, wo die vier ju-
goslawischen Auflösungskriege ihre Verwüstungen an-
richteten. Mazedonien hatte eine Verfassung mit Minder-
heitenrechten, die gelobt wurde. Mazedonien, da lebten
Slawen und Albaner offenbar friedlich nebeneinander und
miteinander. Es gibt ein Parlament. Es gibt Parteien. Es
gibt Wahlen, über die sich die Wahlbeobachter halbwegs
zufrieden äußern.
Anscheinend war Mazedonien also eine Nische der
Normalität inmitten einer brodelnden Nachbarschaft. Be-
obachter von außen sprachen sogar von Mazedonien
als Musterland, als Insel der Stabilität, ja sogar von der
Schweiz des Balkans. Vielleicht hat das nie ganz ge-
stimmt. Aber es ist auch etwas passiert, etwas Uner-
bittliches, bis zur Prominenz dieser Ortsnamen wie
Aracinovo und Tanusevci.
Die Embargos gegen Jugoslawien, und zwar das
Jugoslawien Milosevics, haben die Wirtschaft des
Landes zerrüttet. Mit dem Nachbarn Bulgarien gab es
einen nervenzehrenden Sprachenstreit. Das EU-Mitglied
Griechenland ließ sich von einem jahrelangen Boykott
wegen eines Streits um den Staatsnamen Mazedoniens
von niemandem abbringen. Zum Schluss überschritt die
Logik der Gewalt die Grenzen, sickerte ein über die
Grenzgebirge zum Kosovo aus dem Présovo-Tal. Diese
kriegsgeborene Logik der Waffen, deren Wirksamkeit die
kosovarischen UCK-Kämpfer als Lektion gelernt hatten,
und diese Erfahrung, dass man ohne eine Kalaschnikow
seine Rechte und Interessen nicht durchsetzen kann,
machten sich in diesem wirtschaftlich zerrütteten Land
mit seinen sozialen Spannungen breit, in einem Maze-
donien, in dem sich gerade deswegen kriminelle und ille-
gale Strukturen wuchernd ausgebreitet hatten. Das alles
fiel dort auf einen fruchtbaren Boden.
Niemand will hier die persönliche Verantwortung der
mazedonischen Politiker, der Slawen wie der Albaner, in
Abrede stellen. In der Gesamtentwicklung aber ist
Mazedonien ein verspätetes Opfer jenes blutigen Zerfalls-
prozesses der alten Ordnungen in Südosteuropa, eines
Zerfalls, den wir, den Westeuropa und die internationale
Gemeinschaft nicht aufhalten konnten.
Hier muss ich nun eines der großen Worte nennen: Ver-
antwortung. Längst haben Europa, Amerika und die inter-
nationale Gemeinschaft Einzelverantwortung übernom-
men: in Bosnien-Herzegowina mit der SFOR und mit den
milliardenschweren Aufbauprogrammen, im Kosovo mit
KFOR und der UNMIK der Vereinten Nationen. Darüber
hinaus haben wir mit dem Stabilitätspakt für Südost-
europa, mit der neuen Integrationspolitik der Stabilitäts-
und Assoziierungsabkommen und mit den Geberkonfe-
renzen für Einzelländer, zuletzt für das Jugoslawien ohne
Milosevic, auch regionale Gesamtverantwortung über-
nommen.
Was wir in der Nachbarschaft nicht verhindern konn-
ten, das hat das scheinbar so stabile Mazedonien schwach
und anfällig gemacht für den wohl bekannten Virus der
Gewaltanwendung in ethnischem Gewand. Deswegen
haben wir keine Wahl, sondern nur eine Pflicht.
Deswegen kann es nicht darum gehen, ob wir etwas tun,
sondern nur darum, wie wir es tun. Deswegen wünschen
wir uns so dringend einen Erfolg für alle Botschafter, Son-
dergesandten und Verfassungsspezialisten, die in Skopje
jetzt für eine politische Lösung kämpfen. Wir danken So-
lana, Léotard, Robertson, Eiff, Feith, Pardew, Badinter
und vielleicht bald auch Roman Herzog für ihren Einsatz.
Wir können uns nicht verweigern, wenn wir um Hilfe ge-
beten werden, den Schlussstein für eine politische Lösung
zu setzen, die Waffen der UCK kontrolliert aus dem Ver-
kehr zu ziehen und Prävention zu betreiben, um die
schlimmere Variante, einen Bürgerkrieg, zu verhindern.
Politisch gesehen können wir uns aus all den Gründen,
die ich genannt habe, diesem mazedonischen Wunsch
nicht verweigern. Dann, aber erst dann, kommen noch an-
dere Gründe hinzu; ich nenne das Stichwort der Glaub-
würdigkeit der in Entwicklung begriffenen Gemeinsamen
Außen- und Sicherheitspolitik der EU und das Stichwort
der gemeinsamen Übernahme von Pflichten im Bündnis,
die man häufig auch Bündnissolidarität nennt.
Diese Pflicht darf aber nicht blind machen. Es gibt ge-
nug Erfahrungen mit militärischen Missionen auf dem
Balkan und damit, wohin sie sich entwickeln und wie
lange sie dauern. Deshalb können wir uns an der Opera-
tion Essential Harvest nur beteiligen, wenn die poli-
tischen Voraussetzungen, wie die NATO sie formuliert
hat, erfüllt sind, wenn es ein ehrliches Mandat gibt, das
sich auf alle Eventualitäten und Risiken sorgfältig vorbe-
reitet,
und wenn wir auf diese Weise in der Lage sind, Herr Kol-
lege, die Gefahr für diejenigen, die wir in diese Operation
schicken, also für die Soldaten der Bundeswehr, soweit
wie irgend möglich zu reduzieren. Nur dann können wir
einer solchen Operation und unserer Beteiligung daran
zustimmen.
In diesem Zusammenhang möchte ich das Wort an Sie,
an die Kollegen von der CDU/CSU, richten. Ich appel-
liere an Sie: Nehmen Sie diese notwendige und wichtige
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Gernot Erler
18069
Prüfung aller Voraussetzungen und Bedingungen zusam-
men mit uns vor. Ketten Sie sich nicht länger an das von
Herrn Rühe eben nochmals vorgetragene unmögliche
Junktim, mit dem Sie Ihr Ja zu einer internationalen Ver-
pflichtung Deutschlands von der Durchsetzung Ihrer Vor-
stellungen über den Bundeswehretat abhängig machen.
Befreien Sie sich davon und kommen Sie aus dieser Sack-
gasse heraus.
Wir sind uns darin einig, dass Essential Harvest al-
lein nicht die Lösung sein kann. Dieser sehr begrenzte
Einsatz gehört zu einem optimistischen Szenario und
kann nur Teil einer politischen Lösung sein; er kann nur
ein Baustein bei dem Ziel sein, Mazedonien als multi-
ethnisches demokratisches Gemeinwesen zu erhalten.
Wenn das nicht gelingt, wissen wir, dass all diese enormen
Bemühungen der ganzen Weltgemeinschaft in Südost-
europa zunichte sind, dass sie kaputtgemacht werden.
Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Wort an den
Kollegen Lamers richten: Sie haben am letzten Freitag ein
Papier vorgelegt, in dem Sie eine Idee entwickeln, wie Sie
sich den politischen Rahmen vorstellen. Sie formulieren
darin die Idee einer südosteuropäischen Union als Balkan-
ersatzveranstaltung für die EU. Ich muss Ihnen sagen: Ich
war über dieses Papier erschrocken. Ich weiß nicht, ob Sie
über die Wirkung Ihrer Idee in Südosteuropa nachgedacht
haben. Viele werden dort sagen: Jetzt wissen wir endlich,
dass uns die Westeuropäer nicht in den Klub der EU rein-
lassen wollen,
dass sie in Wirklichkeit einen Sonderweg für uns vorge-
sehen haben.
Glauben Sie denn ernsthaft, Herr Kollege Lamers, dass
sich die Griechen, die schon in der EU sind, und die
Ungarn und Slowenen, die unmittelbar vor der Tür stehen,
jetzt auf eine Sonder-EU für Südosteuropa abschieben
lassen? Das ist völlig unrealistisch. Nein, es gibt keine
Alternative zu dem Tandem von ökonomischem Aufbau
und europäischer Integrationsperspektive. Über den Tag
hinaus die Situation zu stabilisieren setzt voraus, dass die
Maßnahmen wirksam sind. Deswegen habe ich auch die
soziale und ökonomische Situation in Mazedonien in den
Vordergrund gestellt. Ich bitte Sie, Herr Kollege: Denken
Sie noch einmal Sie haben in Ihrem Papier sehr gute
Analysen gemacht über die Konsequenzen nach und las-
sen Sie uns gemeinsam über dieses Problem nachdenken.
Ich möchte mit einem weiteren Appell schließen: Der
außenpolitische Grundkonsens gehört zur politischen
Kultur der Bundesrepublik Deutschland. Ich bitte Sie:
Kündigen Sie ihn nicht auf, nicht in ruhigen Zeiten, aber
schon gar nicht in dieser Situation, in der wir international
gemeinsam gefordert sind.
Vielen Dank.
Zu einer
Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Karl Lamers das
Wort. Wenn Herr Kollege Erler möchte, kann er darauf
antworten.
Herr Präsident! Die Be-
hauptung des Kollegen Erler, die Vorstellung, die Peter
Hintze, Klaus-Jürgen Hedrich und ich für eine regionale
Lösung der Probleme auf dem Balkan vorgelegt haben,
bedeute eine Ersatzveranstaltung für die Europäische
Union, ist nachweislich falsch.
Wir haben ausdrücklich festgehalten, dass die Einzel-
mitgliedschaft eines jeden Mitglieds dieser Balkanföde-
ration in der Europäischen Union möglich ist. Wir haben
erläutert, dass die Vorstellung von einer regionalen Föde-
ration den Weg in die Europäische Union beschleunigt.
Das, was wir diesen Ländern dagegen jetzt sagen, ist doch
eine ferne, vage und insofern völlig illusionäre Perspek-
tive. Aber das ist nicht der Punkt.
Der Punkt ist, Herr Kollege Erler: Wir sagen, wir kön-
nen die Probleme nicht Fall für Fall lösen, sondern nur in
einem regionalen Zusammenhang. Sind wir in diesem
Punkt wirklich auseinander? Überhaupt nicht! Das Pro-
blem nicht nur dieser Bundesregierung, sondern der
westlichen Gemeinschaft insgesamt , ist doch, dass seit
Beginn dieses Konfliktes keine Perspektive einer regio-
nalen, das heißt einer Gesamtlösung im Sinne einer wirk-
lich realistischen Lösung entwickelt worden ist. Das ist
das Problem. Das habe ich ungezählte Male gesagt und
habe von Ihrer Seite immer nur Zustimmung erfahren,
aber keinen Beitrag zur Verbesserung der Lage.
Ich appelliere deshalb vor diesem Bundestag in der-
selben Weise, wie ich das im Ausschuss getan habe an
Sie und an die Regierung: Sie müssen schon einen Schritt
tun, um uns in der Region wirklich einsatzfähig zu ma-
chen. Es ist doch wahrlich nicht unsere Erfindung, dass
die Bundeswehr dazu immer weniger in der Lage ist.
Wenn wir ein robusteres, das heißt längeres und sehr viel
umfangreicheres, Mandat brauchen und davon müssen
wir ausgehen die Amerikaner sich daran nicht beteili-
gen, dann sind viele, aber in erster Linie die Bundeswehr
dazu einfach nicht in der Lage.
Sie wissen, wie schwer wir nicht nur ich persönlich
uns tun angesichts der Vorstellung, dass sich unsere Part-
ner, die eine solche Notwendigkeit vielleicht nicht sehen,
engagieren, während wir das nicht machen. Diese Be-
fürchtung haben wirklich alle in meiner Fraktion. Sie wis-
sen aber, dass die Forderung nach einer besseren Ausstat-
tung der Bundeswehr eine sachlich unbedingt notwendige
Begründung ist. Ich habe es auch dem Außenminister, so-
gar persönlich, gesagt: Ihr müsst uns entgegenkommen.
Und ich bleibe dabei: Das ist eine absolut gerechtfertigte
Forderung und keine taktische, innenpolitisch motivierte
Vorstellung. Bitte tun Sie das!
Zur Erwi-
derung erhält der Kollege Erler das Wort.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Gernot Erler
18070
Herr Kollege Lamers, Ihre Vor-
stellungen über ein regionales politisches Gesamtkonzept
sind vom Ansatz her richtig; das habe ich auch gesagt. Wir
brauchen eine Einbettung eines jeden einzelnen Engage-
ments in ein Gesamtkonzept. Aber ich bleibe dabei und
weiß mich darin einig mit einigen in dieser Region sehr
engagierten Vertretern Ihrer Fraktion : Zum jetzigen
Zeitpunkt ist die Botschaft, von einer Südost-EU zu spre-
chen, kontraproduktiv. Das wird automatisch falsch ver-
standen. Deswegen erneuere ich mein Angebot: Lassen
Sie uns über die Thematik reden, auch über die Grenzen
der Fraktionen hinaus! Sie haben mit Ihrem Papier eine,
wie ich finde, hervorragende Analyse vorgenommen, die
ich weitgehend teile, aber am Ende gefährliche jeden-
falls für den Moment gefährliche Schlussfolgerungen
gezogen. Darüber möchten wir gerne reden.
Jetzt noch einmal zu dem anderen Thema. Der Bun-
deskanzler hat gestern mit den Fraktionsvorsitzenden
über die Ausstattung der Bundeswehr geredet. Ich
glaube, er hat sehr deutlich gemacht: Es wird bei einem
möglichen Einsatz der Bundeswehr der ja limitiert sein
wird eine hinreichende Ausstattung und Absicherung
geben. Das bedeutet, diesbezüglich wird es völlige Si-
cherheit geben, und das ist das Entscheidende.
Das Problem ist, dass Sie grundsätzliche andere Vor-
stellungen hinsichtlich des Gesamtetats des Einzelplans 14
haben
und dies immer mit der Thematik, über die wir heute re-
den, verbinden.
Damit zielen Sie auch auf ein anderes Ministerium, auf
den Konsolidierungskurs insgesamt. Das wissen wir und
das weiß auch jeder in der Öffentlichkeit. Dass Sie das
miteinander verbinden, Herr Lamers, ist sehr problema-
tisch. Und Sie wissen das! Das versteht draußen auch nie-
mand. Stellen Sie sich einmal vor, wie in der jetzigen Si-
tuation die Rede Ihres Kollegen Rühe international
aufgenommen werden kann. Was sollen die Leute denn
denken, worüber wir in Deutschland diskutieren?
Deshalb appelliere ich noch einmal an Sie: Verlassen
Sie in der Herausforderung, in der wir uns befinden, nicht
den Grundkonsens! Dieser Konsens ist Teil unserer poli-
tischen Kultur in dieser Republik. Wir sollten alle unseren
Beitrag dazu leisten, dass er erhalten bleibt.
Ja, alle.
Als nächster
Redner spricht der Kollege Dr. Wolfgang Gerhardt für die
Fraktion der F.D.P..
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, dass wir uns
gegenseitig über die außenpolitische Bedeutung der Ent-
scheidung, die möglicherweise auf uns zukommt, über die
Bündnissolidarität und die Bewertung der Lage in einer
konfliktreichen Region unterrichten müssen. Jedem Kol-
legen und jeder Kollegin auch dem Kollegen Rühe, der
vor mir gesprochen hat ist klar, dass wir dort einen Teil
unserer europäischen Sicherheit mitgestalten müssen.
Niemand verweigert sich Entscheidungen.
Wenn wir aber ein ehrliches Mandat erteilen wollen,
müssen wir auch ehrlich diskutieren: Das ehrliche Man-
dat hat zwei Seiten. Erstens muss es ehrlich gegenüber
deutschen Soldaten sein und darf ihnen nicht eine 30-
Tage-Frist vorgaukeln,
die möglicherweise, um mich vorsichtig auszudrücken,
nicht ausreicht. Es darf ihnen auch nicht eine Situation
verschweigen, die qualitativ ein ganz anderes Mandat be-
deutete. Letzteres sage ich mit Blick darauf, dass hier der
Bundesaußenminister davon gesprochen hat, es könne not-
wendigsein,dorteinenBürgerkriegpräventivzuverhindern.
Zweitens muss dieses Mandat ehrlich in Bezug auf die
politischen Umstände sein: Wer heute Morgen wenige
Stunden nach einem Waffenstillstand, der auch Brüchig-
keiten aufweist, dessen Stabilität jedenfalls heute früh um
10 Uhr noch nicht abschließend zu bewerten ist, schon ge-
nau weiß, wie ein ehrliches Mandat aussieht, der soll uns
dies von dieser Stelle aus präzise begründen. Ich sehe
mich dazu heute Morgen außerstande; dazu sieht sich
auch die gesamte F.D.P.-Fraktion nicht in der Lage.
Dafür haben wir überzeugende Gründe, die ich Ihnen
jetzt vortrage. Wir haben Soldaten stationiert und wissen
alle, dass es dort lange noch Jahre dauern wird, bis ein
Minimum an Verträglichkeiten, Respekt vor ethnischen
Gruppen, Akzeptanz von Gewaltverzicht zur Lösung po-
litischer Probleme und Verfassungs- und Verhaltensnor-
men entstehen, wie wir in Mitteleuropa sie im Konsens als
unsere zivilisatorischen Errungenschaften ansehen. Nie-
mand aus der Freien Demokratischen Fraktion streitet da-
rüber, dass wir der Bundeswehr, den deutschen Soldaten,
sagen müssen, dass es noch lange, jedenfalls länger, als
wir ursprünglich annahmen, dauern werde. Die Soldaten
haben aber ebenso wie die deutsche Öffentlichkeit einen
Anspruch darauf, dass wir ihnen sagen, worin am Ende
der politische Sinn ihres militärischen Beitrags besteht.
Das müssen wir denen sagen, die schon dort sind, und
ebenso denen, die in der Annahme einer bestimmten Si-
tuation nach Mazedonien entsandt werden sollen.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001 18071
Lassen Sie mich dies doch zum Ausdruck bringen, weil
es bisher so deutlich nicht ausgedrückt worden ist. Auch
die letzte Mandatierung im Kosovo hatte keinen ausrei-
chenden politischen Background. Ich möchte die zu Ma-
zedonien aufgeworfene Frage nicht beantworten, ohne
Sicherheit zu haben, ob der Waffenstillstand trägt und ob
dort ein Verfassungsprozess mit realer Aussicht auf Im-
plementierung und Akzeptanz in den ethnischen Gruppen
in Gang gesetzt wird. Ich möchte auch wissen, ob die
UCK diesen Waffenstillstand voll und ganz mitträgt.
Mich interessiert nicht nur die Unterschrift eines Kom-
mandeurs, mich interessiert die Durchsetzungsfähigkeit
in den Konfliktparteien.
Deshalb kommt ja die Bundesregierung heute nicht mit
einem Beschluss und einem Antrag. Dies wird der ent-
scheidende Beobachtungsprozess der nächsten Tage und
Wochen sein, wenn wir wirklich über ein ehrliches Mandat
entscheiden wollen. Erforderlich ist also ein nachdrückli-
cher und am Konfliktherd klar erkennbarer Waffenstill-
stand, der bei den Konfliktparteien auch durchsetzbar ist,
nicht nur ein unterschriebenes Papier. Erforderlich ist des
Weiteren, einen Verfassungsgebungsprozess im Rahmen
der territorialen Integrität dieses Staates in Gang zu setzen,
bei dem erkennbar ist, wann er zu einem Abschluss kommt
und dass die Kräfte ihn tragen. Nur dann könnte über ein
Mandat diskutiert werden, das ich aber auf Dauer mit einer
Frist von 30 Tagen nicht für ausreichend beschrieben halte.
Wir ich spreche hier für jeden Kollegen und jede Kolle-
gin möchten auch nicht in eine Situation kommen, dass
wir gleich beim ersten Dominostein, der durch Vorgänge im
alten Jugoslawien ausgelöst wird, scheibchenweise wieder
in einen Fehlschlag für die NATO und das europäische En-
gagement hineinkommen. Wer Interesse an einem ehrli-
chen Mandat hat, muss eine ungeschminkte Lagebewer-
tung vornehmen. Diese ist aber heute Morgen so nicht
vorzunehmen.
Dritter Gesichtspunkt: Selbst wenn wir in der Lage
wären, später mit zuverlässigem politischen Hintergrund
über ein Mandat zu entscheiden, müssen wir auch darüber
diskutieren, dass die Lösung für Mazedonien nicht das
Einzige ist, was im Zusammenhang mit einer Mandatie-
rung zu erörtern ist.
Im Kosovo finden im November Wahlen statt. Auch die
dortige Stationierung muss irgendwann einmal stärker
durch einen zielführenden politischen Prozess zur Lösung
der Probleme in diesem Konfliktbereich unterstützt werden.
Ich glaube, dass die Akzeptanz in der deutschen Öffentlich-
keit an ihr Ende kommt, wenn die politische Perspektive
von Begleitmaßnahmen der militärischen Stationierung
unklar bleibt. Das ist eine ganz entscheidende Frage.
Diese Akzeptanz bezieht sich nicht nur auf die Sicherheit
von Soldaten, auf den Schutz ihres Lebens und darauf,
wie robust man sie bewaffnet. Lassen Sie mich das einmal
ganz unmilitärisch ausdrücken. Sie ist eine Kernfrage der
deutschen Politik, weil dieses Land wie kein anderes Er-
fahrungen gemacht hat, die uns dazu bringen, immer da-
rauf zu achten, dass die Lösung solcher Probleme nie in
der Stationierung von Militär liegen kann. Es ist mir ein
sehr wichtiges Anliegen, bei dieser Debatte für meine
Kollegen und für mich auf diesen Aspekt hinzuweisen.
Der Bundesregierung sage ich: Ein ehrliches Mandat
schließt eine ehrliche Lagebewertung ein. Diese kann sie
heute nicht abschließend geben, kann sie aber auch nicht
durch den überdeckenden Hinweis ersetzen, es handle
sich nur um eine Frage der Bündnissolidarität. Ein Bünd-
nis ist nur in dem Maße solidarisch, in dem es fähig ist,
durch seinen Einsatz Probleme zu lösen. Daran entschei-
det sich diese Frage.
Deshalb kann ich heute keine abschließende Antwort
geben.
Warum sind Sie denn so aufgeregt?
Sie sind so aufgeregt, weil ich Ihnen die Kriterien von
Entscheidungsfindung erläutere, die zum fairen Umgang
zwischen Gesprächspartnern gehören.
Wenn die Bundesregierung zu einer Entscheidung
kommt, möge sie bitte ein ehrliches Mandat erteilen und
eine ehrliche Lagebewertung dann vornehmen, wenn die
Entscheidung heranreift. Dann kann sie gegenüber den
Fraktionen informieren. Der heutige Vormittag kann nur
nicht nach dem Motto bewältigt werden: Wer heute Kritik
äußert, ist nicht ausreichend bündnisfähig und hat nicht
das rechte außenpolitische Bewusstsein. Diese Fragen
wollen wir doch gleich aus der Debatte nehmen! Von
Außenpolitik versteht die F.D.P.-Fraktion mindestens so
viel wie die jetzt vorhandene politisch-parlamentarische
Mehrheit.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich gebe das
Wort dem Kollegen Dr. Helmut Lippelt für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von der Op-
position wird hier viel über ein ehrliches Mandat ge-
sprochen. Ich habe den Eindruck, Sie verstehen Unter-
schiedliches darunter. Herr Rühe versteht unter ehrlichem
Mandat offensichtlich den Einsatz einer Bundeswehr zur
Friedenserzwingung, wovon die Regierung überhaupt
nicht spricht und was heute nicht Gegenstand der Diskus-
sion ist.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Dr. Wolfgang Gerhardt
18072
Herr Gerhardt spricht darüber, dass heute noch keine Ent-
scheidungsfähigkeit gegeben ist. Diese ist auch gar nicht
gefordert. Er spricht davon, dass er die Situation nicht
richtig durchschauen kann, aber er soll heute auch nicht
entscheiden.
Ich möchte über das sprechen, was heute erkennbar ist,
über die Erkenntnisse, die heute vorliegen. Ich sage das in
aller Demut: Ich denke, wir haben Anlass zu großen Hoff-
nungen. Vor einer Woche wurde Milosevic nach Den
Haag geschickt. Gestern Mittag wurde ein Waffenstill-
stand bekannt, der von Ali Ahmeti unterzeichnet wurde.
Bei aller Kenntnis oder Nichtkenntnis, Herr Gerhardt: Ali
Ahmeti ist der unbestrittene Chef des ganzen Haufens. Er
ist nicht irgendein Kommandeur. Nein, der Chef des Hau-
fens hat unterschrieben. Was seine Unterschrift wert ist,
werden wir in 14 Tagen wissen.
Ja, natürlich, weil die Entscheidung erst in 14 Tagen an-
steht. Folgen Sie doch den Argumenten, mit denen ich
mich auseinander setze.
Weiter: Gestern Abend konnten Sie hören, dass der Mi-
nisterpräsident der Republica Srpska die Überstellung
von Karadzic und Mladic nach Den Haag angekündigt
hat. Das war eine überraschende Mitteilung. Niemand
hatte damit gerechnet. Das bedeutet: Der großserbische
Traum ist ausgeträumt, wie zuvor auch schon der groß-
kroatische. Jetzt beerdigen die Desperados der UCK ihre
großalbanischen Ambitionen. Nicht nur Hass zeugt sich
fort, sondern auch Frieden kann ansteckend sein.
Kollege Erler hat zu Recht gesagt: Wir sprechen heute
von nichts anderem als dem aktuellen Stand der Dinge.
Nichts anderes verlangt diese Regierung im Moment. Wir
sprechen über den jetzigen Status und über eine begrenzte
Mission. Wenn diese ausgeweitet werden soll, werden wir
darüber sprechen, wenn es so weit ist. Aber jetzt wird über
das debattiert, was heute erforderlich ist.
Vor diesem Hintergrund denke ich, dass wir ohne vor-
schnelle Lobpreisungen auszusprechen Javier Solana,
Léotard, dem US-Diplomaten Pardew und den Soldaten vor
Ort sehr dafür zu danken haben, dass es zu diesem Ergebnis
gekommen ist. Auch der Außenminister mit seinen EU-
Kollegen hat wesentlich dazu beigetragen, dass es in diese
gute Richtung ging. Auch ihm wollen wir dafür danken.
Herr Lamers, erst vor anderthalb Monaten, vor sechs
Wochen ich habe Ihre Rede nachgelesen , haben Sie im
Zusammenhang mit der Mandatsverlängerung und der
Mandatserweiterung die Zustimmung Ihrer Fraktion mit
dem zentralen Satz begründet:
Gleichzeitig sind wir allerdings davon überzeugt,
dass wir die gleichen Rechte und Pflichten wie un-
sere Verbündeten haben. So sehen es übrigens auch
unsere Soldaten ...
Aber mit einer Sache waren Sie überhaupt nicht zufrie-
den: Ihnen passte der Antrag nicht:
Er passt mir hinsichtlich der Veränderungen, die die
Grünen vorgenommen haben, auch nicht. Sie wissen,
wir können den Antrag der Bundesregierung nicht
verändern, egal, ob er uns passt oder nicht passt ...
Danach haben Sie mit der großen Mehrheit Ihrer Fraktion
zugestimmt.
Nun will ich für alle, bis zu denen es sich vielleicht
noch nicht herumgesprochen hat, sagen, welche Verände-
rungen entsprechend dem Wunsch der Grünen vorgenom-
men worden sind. Was hatten die Grünen, die Newcomer,
verändert, was Ihnen als altem Fahrensmann nicht passte?
Erstens. Wir hatten den ursprünglichen Entwurf, der
eine Erweiterung des Mandats zur besseren Kontrolle der
Grenzen und der grenznahen Räume Südserbiens und
Mazedoniens beinhaltete, auf Südserbien begrenzt. Wir
haben das Mandat auf die Ground Safety Zone begrenzt,
weil uns die Vorgänge in Mazedonien damals noch nicht
übersichtlich genug waren, so wie sie dem Kollegen
Gerhardt noch heute nicht übersichtlich genug sind.
Zweitens. Wir wollten zugunsten einer politischen Lö-
sung Druck ausüben: nicht nur auf die NATO und die EU-
Regierungen, sondern vor allem auf die Parteien in Ma-
zedonien selbst, die sich so sehr im Clinch befinden, dass
sie einen Dritten und damit niemand anderen als die
NATO brauchen, um aus dieser Krise herauszufinden. Die
NATO soll nicht für sie kämpfen, sondern soll als Dritter
die Waffenabgabe überwachen. Das ist der Punkt.
Ich möchte ganz klar zu Ihnen von der Opposition sa-
gen: Sie hätten doch am liebsten Karl Lamers hat das da-
mals so gesagt schon vor einem Monat dem erweiterten
Mandat zugestimmt. Ich hätte gern Herrn Rühe gesehen,
um zu wissen, ob er damals den Dissidenten gespielt und
nicht mit seiner Fraktion zugestimmt hätte. Wenn Sie
ganz klar zugestimmt hätten, dann hätten wir heute diese
ganze Debatte nicht. Dann wären wir heute an der
Grenzsicherung Mazedoniens voll beteiligt und hätten
diese Diskussion nicht nötig.
hat sein Fraktionsvorsitzender damals in einer Erklärung
zur Abstimmung ebenso gravitätisch wie mit Nachdruck
erklärt, einer erneuten Verlängerung des Mandats werde
die CDU/CSU wegen der von ihr behaupteten
Unterfinanzierung der Bundeswehr nicht zustimmen.
Wenn ich mich recht erinnere, hat er sogar erwähnt, dass
die CDU dieses den Botschaftern der NATO-Staaten feier-
lich mitgeteilt habe. Diplomatische Großmacht CDU!
Von Volker Rühe konnte man vor einer Woche in der
Zeit nachlesen, er habe diese ablehnende Position
diese bezog sich plötzlich auf den bevorstehenden An-
trag der Bundesregierung, obwohl es damals nur um eine
Verlängerung um ein Jahr ging; Sie ziehen jetzt alles nach
vorne sorgfältig vorbereitet. Herr Rühe, so werden Sie
in der Zeit zitiert. Ich halte dies für eine völlig unzu-
lässige Vermischung unterschiedlicher Fragen aus
schlecht verhüllten innenpolitischen Motiven.
Wie immer wir über Bundeswehrreform, Modernisie-
rungskosten und deren Finanzierung streiten mögen: Die-
ser Grundsatzstreit hat doch wirklich wenig damit zu tun,
dass die Bundesregierung die Sonderkosten dieses Ein-
satzes selbstverständlich aus allgemeinen Haushaltsmit-
teln finanzieren muss. Warten wir also doch die Regie-
rungsvorlage ab!
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Dr. Helmut Lippelt
18074
Sie haben vor sechs Wochen Ihr Nein zur Verlängerung
um ein Jahr begründet. Die Versuchung ist offensichtlich
sehr groß zu groß geworden, die Außenpolitik jetzt zu
innenpolitischen Zwecken zu missbrauchen. Ich möchte
Sie wirklich dringend auffordern, zu einer gemeinsamen
Außenpolitik zurückzukehren.
Für die
Fraktion der PDS spricht der Kollege Wolfgang Gehrcke.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich zu Beginn mei-
ner Rede an den Kollegen Erler wenden. Sie haben hier
sehr ernst und ernsthaft gesprochen. Die taktische Absicht
Ihrer Rede, gemünzt auf Ihre eigene Fraktion und auf die
CDU/CSU-Fraktion, war unverkennbar. Aber lassen wir
das. Ich finde, Sie haben einen ganz schlimmen Satz aus-
gesprochen, den ich Ihnen vorhalten will. Sie haben ge-
sagt, dass wir keine Wahl, sondern eine Pflicht hätten.
Wenn die Politik keine Wahl mehr hat, dann ist sie ge-
scheitert.
Das Wesen von Politik ist geradezu die Auswahl.
Ihr Angebot zum Dialog und zum Reden miteinander
hörte sich so an: Reden wir einmal miteinander; aber wir
entscheiden.
Das Reden hat aber nur einen Sinn, wenn man selber be-
reit ist, auf Argumente anderer tatsächlich einzugehen und
nicht nur die eigene Meinung zu exekutieren.
Letzteres aber ist Ihre feste Absicht und entspricht auch
dem Gestus, mit dem Sie hier aufgetreten sind.
Es ist der Fluch der bösen Tat, dass sie immerfort Bö-
ses muss gebären. Es ist der Fluch der falschen Politik,
dass sie immerfort falsche Schritte nach sich zieht, wenn
sie nicht korrigiert wird. Wir sollten gemeinsam über Eck-
punkte einer anderen Balkanpolitik nachdenken, die ich
als Schritte eines Prozesses hin zu einem Frieden folgen-
dermaßen beschreiben würde:
Erstens gehört für mich dazu ein klares und deutliches
Nein zu allen Forderungen nach Veränderung der Grenzen
auf dem Balkan, ohne dass dort Grauzonen bleiben.
Zweitens würde dazu gehören eine klare Einordnung
der UCK als terroristische Organisation, die Entwaffnung
der UCK, die Auflösung ihrer Strukturen und die Unter-
bindung des Waffen- und Geldnachflusses für die UCK
auch aus Deutschland.
Drittens würde dazu gehören eine deutliche Vertretung
der Rechte aller Minderheiten auf dem Balkan, seien es
Serben, Albaner, Roma oder andere Minderheiten. Alle
Minderheiten auf dem Balkan verdienen unsere Solida-
rität.
Viertens würde dazu gehören, die Federführung des ge-
samten Balkanprozesses bei den Vereinten Nationen und
bei der OSZE anzusiedeln. Dort sind sie auch von ihrer
Natur her am besten aufgehoben. Es ist notwendig, gerade
die UNO in diesen Prozess einzubeziehen.
Fünftens denke ich darüber nach, Herr Außenminister,
ob nicht doch eine Chance besteht, den Stabilitätspakt als
Grundlage einer Konferenz über Sicherheit und Zusam-
menarbeit auf dem Balkan weiterzuentwickeln, und ob
nicht der Stabilitätspakt den Rahmen für den politischen
Ausgleich hergibt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen uns hier
ein paar Fragen stellen die Regierung hat sich über die
eigentlichen Fragen wahrlich ausgeschwiegen; das war
die Botschaft, die Außenminister Fischer hier vorgetragen
hat : Warum bemüht sich die Bundesregierung nicht
deutlicher und öffentlicher um ein Mandat der Vereinten
Nationen für den geplanten Einsatz?
Warum nicht, Herr Außenminister? Wir wissen doch, dass
England und Frankreich das nicht für nötig halten. Was ist
mit der deutschen Regierung? Halten Sie es für nötig oder
halten Sie es nicht für nötig? Gesagt haben Sie dazu
nichts. Ein Mandat, auch wenn es völkerrechtlich für die
Gesamtheit des Einsatzes vielleicht nicht nötig wäre, wäre
allemal politisch sinnvoll und vernünftig; wünschenswert
wäre es auch. Warum machen Sie es nicht?
Müssen wir uns nicht die Frage stellen, warum von
30 Tagen Waffen einsammeln gesprochen wird? Jeder
weiß, dass die 30 Tage der Einstieg zu einem längeren mi-
litärischen Engagement sind. Warum soll man in Maze-
donien mit 3 000 Soldaten in 30 Tagen das leisten, was im
Kosovo mit 50 000 Soldaten nicht geleistet worden ist,
nämlich die Entwaffnung der UCK?
Warum? Dahinter steckt doch eine Taktik. Jeder kann oder
könnte wissen, dass die UCK Kind und Kriegspartner der
NATO gewesen ist. Die NATO-Staaten haben die UCK
partnerschaftlich ausgebildet, bewaffnet, trainiert. Ihre
Soldaten standen mit Ex-US-Offizieren zusammen vor
Skopje. Wie ist denn jetzt das Verhältnis zur UCK? Wird
hier einmal deutlich angesagt, dass die UCK nicht Partner
deutscher Politik sein kann? Sie bewegen sich hier in ei-
ner Grauzone, die geklärt werden muss.
Warum argumentieren Sie jetzt nicht in der Sache
selbst, sondern Ihre taktische Absicht ist mir klar be-
schwören die Bündnistreue in der NATO? Das ist doch Ihr
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Dr. Helmut Lippelt
18075
Argument, mit dem Sie die CDU/CSU und die F.D.P.
knacken wollen. Sie reden nicht mehr über den Sinn des
Einsatzes, nicht mehr über die politische Konzeption,
sondern sagen: Die Bündnistreue in der NATO ist in Ge-
fahr. Diese Absicht ist zu erkennen.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Staatspolitische
Verantwortung wäre es, ein wirkliches politisches Kon-
zept für Stabilität, Frieden und Ausgleich auf dem Balkan
zu entwickeln, statt tagespolitische Gschaftlhuberei zu
betreiben, über die dann die ideologische Soße der Men-
schenrechte gegossen wird und bei der tatsächlich keine
Politik mehr betrieben wird. Das ist die Verantwortung
dieser Regierung.
Der Kollege
Christian Schmidt spricht für die CDU/CSU-
Fraktion.
Herr Präsi-
dent! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen!
Das ist schon Chuzpe, was der Kollege Lippelt in einer
etwas verquasten und Sie erlauben den Begriff diffu-
sen Rede rüberzubringen versucht hat, nämlich hier werde
von uns die Bündnissolidarität aufgekündigt, wir gäben
den alten Konsens auf und was weiß ich. Ich will Sie ein-
fach einmal mit einigen Stichwörtern an ein paar Sachen
erinnern, Herr Lippelt von den Grünen.
Bürgerrechtler: Als Sie nicht im Bundestag waren, in
der 12. Legislaturperiode, als die Grünen noch berechtig-
terweise das Wort Bündnis 90 in ihrem Namen geführt
haben, als Konrad Weiß noch bei den Grünen gewesen ist,
als Gerd Poppe noch im Bundestag war und nicht ins Aus-
wärtige Amt abgeschoben worden war, da haben die Bür-
gerrechtler zugestimmt. Frau Vollmer musste in der
nächsten Legislaturperiode sie zur Räson bringen, damit
sie nicht das, was zu dieser Zeit grüne Ideologie war, ad
absurdum führten, nämlich den Begriff, den Frau Beer ge-
prägt hatte: Interventionsarmee hieß es damals, wenn
man sich bei einer multilateralen Aktion der NATO betei-
ligen wollte.
Also kommen Sie mir bitte nicht mit der Vorstellung ge-
rade Sie, Herr Lippelt, nun überhaupt nicht Sie hätten zu
diesem Punkt irgendetwas an Glaubwürdigkeit, das Sie in
die Diskussion einbringen könnten.
Die Situation der Bundeswehr: Die Semantiker sind
bei den Sozialisten immer besonders stark vertreten. Ich
erinnere mich noch gut daran, dass Horst Ehmke nach der
Wende 1982 damals waren weder ich noch Sie im Bun-
destag von kaputtsparen gesprochen hat. Er benutzte
diesen Terminus, als es darum ging, den Staat in Ordnung
zu bringen. Wenn Horst Ehmkes Wort kaputtsparen je-
mals seine Richtigkeit gehabt hat, dann in Bezug auf das,
was momentan mit der Bundeswehr passiert. Weil Sie
kein Interesse an der Bundeswehr haben, sparen Sie sie
kaputt.
Die Regierungserklärung des Außenministers war gar
nicht schlecht. Wer in der Lage ist, zu verstehen, was je-
mand sozusagen zwischen den Zeilen sagt, der konnte die
von mir geäußerte Skepsis heraushören. Ich denke, dass
er selbst diese Skepsis zum Ausdruck bringen wollte und
dass die entsprechenden Punkte nicht nur deswegen in
seinem Manuskript standen, weil besonnene Skeptiker
aus dem Außenministerium sie hineingeschrieben haben.
Der Außenminister hat gesagt:
Politischer Wille und materielle Fähigkeiten gehören
untrennbar zusammen.
Sehr wahr!
Wenn die materiellen Fähigkeiten allerdings nicht
mehr vorhanden sind und aufgrund eines fehlenden poli-
tischen Willens nicht mehr zur Verfügung gestellt werden,
dann geht auch die außenpolitische Rechnung nicht mehr
auf. Herr Außenminister, Sie haben am Schluss Ihrer Rede
Gefahren bei der Ausdehnung des Mandats angedeutet.
Wir nehmen das sehr ernst.
An dieser Stelle kommt das Wort Nachhaltigkeit,
das die Grünen in vielerlei Hinsicht immer gern pflegen,
ins Spiel. Nachhaltigkeit heißt, wenn man es im Hin-
blick auf die Belange der Bundeswehr übersetzt, Durch-
haltevermögen. Können wir mit unserem Parlaments-
vorbehalt wirklich so umgehen, dass wir gerade einmal
eine Art Camouflage beschließen, indem wir zunächst
von 30 Tagen, dann wenn das nicht reicht von 60 Ta-
gen und dann wenn das wiederum nicht reicht von
120 Tagen sprechen? Müssen wir uns nicht vorher über
die Grundsatzfrage abgestimmt haben? Müssen wir nicht
wissen, ob die Nachhaltigkeit erbracht werden kann?
Lord Robertson, der bekanntermaßen kein Mitglied der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist, hat von Papiertiger
gesprochen. Der NATO-Generalsekretär wirft den Eu-
ropäern vor, Papiertiger zu sein. Wenn die Herren von
der Regierungsbank bei ihren feierlichen Erklärungen
nach Helsinki ihre headline goals mit Fußnoten verse-
hen, dann werden sie die Hosen herunterlassen müssen.
Es wird sich herausstellen: Siehe da, der Kaiser hatte
keine Kleider an, er war nackt. Wir wollen uns den An-
blick ersparen.
Ich dachte, der Bundeskanzler sitzt noch auf der Regie-
rungsbank.
Ich sage in aller Ernsthaftigkeit: Der Bundeskanzler
muss im November 18 000 Soldaten zur Teilnahme an der
schnellen Eingreiftruppe designieren, die die Europäer in
Helsinki zu Recht vereinbart haben. In Brüssel sitzt ein
deutscher General mit einigen belgischen Hauptgefreiten
und bisher ist noch nichts passiert. So sieht die Bündnis-
solidarität aus, die infrage steht.
Ein Vertreter der Koalition es gibt ein vielfältiges
Echo hat gesagt, dass sich die Botschafter in den USA
und anderswo etwas mokiert hätten. Herr Lippelt, ich ma-
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Wolfgang Gehrcke
18076
che Ihnen einen Vorschlag: Wir beide Sie von den Grü-
nen und ich von der CSU gehen zu einem Bundeswehr-
bataillon, das in Kürze zu einem KFOR-Einsatz muss.
Anschließend machen wir einen Test, um festzustellen,
wo Vertrauen und Glaubwürdigkeit vorhanden sind. Da-
nach fliegen wir beide gemeinsam nach Washington, um
auch dort herauszufinden, wo Vertrauen und Glaubwür-
digkeit vorhanden sind.
Wir bauen Brücken und wir machen Angebote. Ich
schlage vor: Betrachten Sie diese Angebote als ernsthaft
und versuchen Sie Ihrerseits, an dem Konsens festzuhal-
ten, der unsererseits nie infrage gestellt worden ist!
Ich gebe
nunmehr dem Bundesminister der Verteidigung, Rudolf
Scharping, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundes-
außenminister und der Kollege Erler haben jeweils mit ei-
ner, wie ich finde, wichtigen Argumentation darauf auf-
merksam gemacht, dass wir auf dem Balkan eine Reihe
von Fortschritten erreicht haben: den demokratischen
Wechsel in Serbien, die relative Stabilisierung im Ko-
sovo, den demokratischen Wechsel in Kroatien, die Funk-
tionsfähigkeit des Stabilitätspaktes und manches andere.
Dies alles sind Elemente, die zeigen, dass das enge Zu-
sammenwirken von NATO und Europäischer Union, zu
dem die Bundesregierung beigetragen hat, diesem Teil
Europas eine Perspektive zu Frieden, Stabilität und zu ei-
ner auch ökonomisch sicheren Entwicklung eröffnet hat.
Wir wissen, dass das in Gefahr ist, weil nicht jeder in Ser-
bien, in Bosnien, im Kosovo und jetzt besonders stark in
Mazedonien ein Interesse daran hat, dass diese Perspek-
tive Wirklichkeit wird.
Wir stehen vor der Entscheidung, ob wir den politi-
schen Vertreterinnen und Vertretern der überwältigenden
Mehrheit der Menschen, die dort leben, beim Verwirkli-
chen der Perspektive behilflich sein wollen oder ob wir
die Entwicklung den Gewalttätigen und den Extremisten,
also denjenigen, die nie etwas anderes als Gewaltanwen-
dung gelernt und praktiziert haben, überlassen wollen.
Das ist die entscheidende Frage.
Bei diesem Wettlauf in Mazedonien zwischen Bürger-
krieg und Chaos einerseits und einer stabilen und friedli-
chen Entwicklung andererseits hat es in den letzten Tagen
eine Reihe von ermutigenden Zeichen gegeben. Ich sage
das bewusst so, weil wir noch nicht davon sprechen kön-
nen, dass der Weg wirklich sicher ist. Die Ereignisse der
letzten wenigen Stunden zeigen, dass wir wieder vor der-
selben Frage stehen: Wollen wir jenen hilfreich zur Seite
stehen, die an einer stabilen und friedlichen Entwicklung
interessiert sind, oder wollen wir die Entwicklung in die
Hände derjenigen zurückfallen lassen, die das Gegenteil
wollen? Das machen auch die Ereignisse der letzten Stun-
den in Mazedonien überdeutlich.
Ich möchte jetzt nicht das wiederholen, was Gernot
Erler in beeindruckender Weise gesagt hat. Dem Gesag-
ten füge ich aber noch eines hinzu: Wir haben gegenüber
Mazedonien aus vielen Gründen eine besondere Ver-
pflichtung. Einer dieser Gründe ist die Tatsache, dass die-
ses Land uns in einer erstaunlichen und seine Kräfte oft
genug überfordernden Weise während der Auseinander-
setzungen im Kosovo durch die Aufnahme von Flücht-
lingen, deren Zahl mehr als 15 Prozent der Ursprungsbe-
völkerung Mazedoniens betrug, geholfen hat. Das war
eine enorme Leistung, für die wir nicht nur dankbar zu
sein haben, sondern die auch signalisiert, dass man bereit
ist, eine gegenseitige Verantwortung wahrzunehmen.
Natürlich müssen in Mazedonien bestimmte Vorausset-
zungen geschaffen werden; diese sind genannt worden.
Allerdings müssen wir wie bisher dabei mithelfen, dass
diese Voraussetzungen geschaffen werden.
Da wir jetzt über die Politik und das Verhalten
Deutschlands reden, möchte ich Ihnen sagen: Dass NATO
und Europäische Union, dass Amerikaner und Europäer,
dass Lord Robertson und Javier Solana und manche an-
dere so eng zusammenwirken, ist eine der Lektionen, die
wir aus den Erfahrungen der letzten Jahre gelernt haben.
Nun stellt sich die Frage, ob für einen Einsatz in Ma-
zedonien klare, verlässliche und realistische Grundlagen
vorhanden sind. Die NATO hat beschlossen, unter be-
stimmten Voraussetzungen, die ich hier nicht wiederholen
muss, behilflich zu sein. Dieser Einsatz ist auf 30 Tage be-
fristet. Wenn man aber nur das erwähnt, sagt man die
halbe Wahrheit. Die ganze Wahrheit ist, dass die NATO in
ihrem Operationsplan von vornherein die Möglichkeit
und, wie ich vermute, auch die Notwendigkeit einer Ver-
längerung dieses Einsatzes über die geplanten 30 Tage hi-
naus ausdrücklich einkalkuliert.
Das Zweite ist, dass niemand davon hat der Bundes-
außenminister ja gesprochen wirklich sagen kann, ob
unbeschadet des Willens der mazedonischen Regierung,
der Parteien in Mazedonien und auch der so genannten
NLA sich jeder an das hält, was die Staatsführung, die po-
litischen Parteien und die politische Führung der NLA
wollen. Dann wird die Frage auftauchen, ob wir sagen,
dass wir in dem Fall, dass Regierung, Parteien und politi-
sche Führung der so genannten NLA das zwar wollen,
sich aber nicht jeder daran hält, nicht behilflich sind, weil
nicht jeder Knallkopp, um es einmal grob zu sagen, an
diesem konstruktiven Prozess mitwirkt.
Damit sind wir dann bei der Frage der Robustheit eines
Mandates. Von vornherein davon auszugehen, dass es
nur um das Einsammeln von Waffen gehe, nicht aber auch
um ihre Sicherstellung, ihren Abtransport und den Schutz
der eingesetzten Soldaten, auch in kritischen Situationen,
wäre unrealistisch und daran wollten und werden wir uns
nicht beteiligen.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Christian Schmidt
18077
Ich sage das in aller Deutlichkeit deshalb, weil die
NATO in ihrem Operationsplan von vornherein darauf
haben wir Wert gelegt und das haben wir den Fraktions-
vorsitzenden auch ausführlich erläutert die Möglichkeit
eingebaut hat, diesen Operationsplan je nach Lage gege-
benenfalls zu ergänzen und anzupassen.
Nach der gestrigen Vereinbarung wird der NATO-
Oberkommandierende in diesen Stunden beantragen, die
Vorausverlegung von Logistikkräften, Fernmeldekräften
und anderen freizugeben. Das geschieht in der Hoffnung,
dass sich der politische Prozess in Mazedonien stabilisie-
ren wird und die im NATO-Beschluss genannten Bedin-
gungen eintreten werden. Treten sie ein, werden wir in
Deutschland sehr schnell am Ende der nächsten, im Lau-
fe der übernächsten Woche vor der Notwendigkeit ste-
hen, im Parlament das zu debattieren, was die Bundesre-
gierung nun tut, nämlich mit Frankreich und, wie ich
denke, auch Spanien einen gemeinsamen Verband zu ent-
wickeln, der sich an dieser NATO-Operation beteiligen
kann und, wenn der Bundestag zustimmt, auch beteiligen
wird.
Herr
Bundesverteidigungsminister, gestatten Sie eine Zwi-
schenfrage der Kollegin Heidi Lippmann?
Im Augenblick nicht.
Das alles ist ernst, es bedarf einer völlig klaren, realis-
tischen Einschätzung, nicht irgendeiner naiven Haltung.
Das ist der politischen Kohärenz des Bündnisses, der eu-
ropäischen Handlungsfähigkeit, der Unterstützung der
politischen Ziele, die die Europäische Union von Anfang
an und sehr konsequent und auch erfolgreich verfolgt hat,
und übrigens auch den Angehörigen der Streitkräfte und
ihrer Sicherheit geschuldet.
Vor diesem Hintergrund ist genauso klar das sage ich
an die Adresse der Opposition , dass die Bundesregie-
rung die notwendigen Mittel damit meine ich Ausrüs-
tung und finanzielle Mittel zur Bewältigung eines sol-
chen Einsatzes in meiner Einschätzung werden das nicht
30 Tage sein zur Verfügung stellen wird. Das ist der Tat-
sache geschuldet, dass wir mittlerweile eine politische
ich sage ausdrücklich: politische Garantenstellung für
die gesamte Entwicklung auf dem Balkan und seiner ein-
zelnen Staaten haben, ob wir es mögen oder nicht.
Die Frage ist nur, wie wir mit dieser Garantenstellung um-
gehen.
Vor diesem Hintergrund möchte ich einige wenige ab-
schließende Hinweise geben. Der eine ist: Wir sollten
nicht übersehen niemand, auch die Opposition nicht ,
dass wir bisher sowohl in der Bundeswehr wie auch in der
Bevölkerung eine breite, überwältigend große Akzeptanz
für dieses deutsche Engagement haben. Das sollte nie-
mand zerreden.
Das Zweite ist, dass wir mit Blick auf die Forderun-
gen, die die Union gestellt hat, zu fragen haben ich for-
muliere das ausdrücklich als Frage : Glauben Sie im
Ernst, dass Sie auf einer Grundlage, die klar, realistisch
und verlässlich ist, zu einem gemeinsamen französisch-
deutschen Vorgehen im Rahmen der Europäischen
Union und der NATO am Ende Nein sagen können? Ha-
ben Sie nicht auch das Gefühl, dass Sie sich aus sehr
kurzatmigen und nicht wirklich zu Ende gedachten
innenpolitischen Erwägungen in eine Ecke hineinmanö-
vrieren?
Ich wünsche Ihnen viel Glück und Erfolg, aus dieser Ecke
herauszukommen.
Haben Sie im Übrigen nicht auch den Eindruck, dass
wir vor dem Hintergrund dieser ernsthaften Fragen
die Aufrechnerei wenigstens eine Zeitlang zurückstellen
sollten?
Wenn wir dies nicht tun würden, kämen wir sehr schnell
in die Situation, zu fragen: Wer hat eigentlich den Zustand
der Bundeswehr, den wir vorfanden, zu verantworten?
Wie war insbesondere das Verhalten des früheren Ver-
teidigungsministers im Vorfeld des Einsatzes im Ko-
sovo? Hat er nicht noch zum Zeitpunkt des noch nicht
vollzogenen Abzuges der unbewaffneten OSZE-Beob-
achter den sofortigen Rückzug der Bundeswehr aus Ma-
zedonien verlangt, was ganz und gar unverantwortlich
war?
Wie gesagt, ich will heute auf all dies nicht eingehen.
Entschuldigung, Sie können doch nicht erwarten, dass
die Rede eines früheren Verteidigungsministers, die auf
einige Minuten angesetzt war und sich zu 95 Prozent in-
nenpolitischen und parteitaktischen Fragen widmete, völ-
lig unbeantwortet bleibt. Das können Sie wirklich nicht
erwarten.
Etwas anderes ist mir aber viel wichtiger: Ich hoffe,
dass es gelingt, auf einer sehr realistischen Grundlage das
zu tun, was im Interesse unseres früheren Engagements,
seiner Konsequenz und Glaubwürdigkeit in Mazedonien
sinnvollerweise geleistet werden kann, damit dieses Land
und mit ihm der gesamte Balkan die friedliche und stabile
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Bundesminister Rudolf Scharping
18078
Perspektive erhalten werden, die die Menschen dort ver-
dienen.
Zu einer
Kurzintervention gebe ich der Kollegin Heidi Lippmann
das Wort.
Herr Minister Scharping, der
Ausflug, den Sie soeben in die Vergangenheit, in die Zeit
der Regierungsverantwortung von Schwarz-Gelb, ge-
macht haben, ist durchaus berechtigt. Aber nachdem Sie
persönlich gemeinsam mit Ihrem grünen Koalitionspart-
ner in den vergangenen drei Jahren alle Positionen, die Sie
bis 1998 vertreten haben, aufgegeben haben, sollten Sie
sich bei Ihrem rückwärts gewandten Blick etwas zurück-
halten.
Ihre Äußerungen, dass Mazedonien unsere ganze Un-
terstützung benötigt, kann ich voll unterstützen. Doch was
haben Sie bisher über den Rahmen der kleinkarierten Pro-
jektförderung des Stabilitätspaktes und der militärischen
Ausrüstungshilfe hinaus getan, um nicht nur für Mazedo-
nien, sondern für alle anderen Staaten in dieser Region
tatsächlich eine politische Vision zu entwickeln?
Sie sprachen gerade davon, dass man Mazedonien
friedliche und stabile Perspektiven geben müsse. In der
vergangenen Woche haben wir lange darüber beraten, in-
wieweit Friedenspläne, die vorgeschlagen und eingefor-
dert worden sind auch von Herrn Putin wurden Frie-
denspläne vorgelegt , überhaupt durchsetzbar und
gewollt sind. Sie und auch der Außenminister bzw. sein
Staatssekretär haben ganz deutlich gesagt, dass es der
falsche Zeitpunkt sei, über Friedenspläne zu sprechen.
Meinen Sie nicht, dass Sie heute vor dem Scheitern Ihrer
NATO-Politik stehen? Meinen Sie nicht, dass es aller-
höchste Zeit ist, Friedenspläne einzufordern und auch
voranzutreiben und nicht länger in der politischen Ausei-
nandersetzung ausschließlich auf militärische Optionen
zu setzen?
Schauen wir uns die Situation der Bundeswehr an. Es
ist nicht nur die CDU, die sagt, die Bundeswehr sei nicht
in der Lage, weitere militärische Einsätze zu leisten. Das
sagen vielmehr auch alle hochrangigen Vertreter aus den
Reihen der Bundeswehr selbst, der Vorsitzende des Bun-
deswehrverbandes, General Opel aus Ihren eigenen Rei-
hen oder viele andere mehr.
Frau Kolle-
gin, ich habe Ihnen das Wort zu einer Kurzintervention
gegeben. Kommen Sie jetzt bitte zum Schluss!
Ja, ich komme zum Schluss.
Ich sage Ihnen deutlich: Nehmen Sie Abstand von die-
ser Farce, dass ein Mandat auf 30 oder 60 Tage begrenzt
werden kann! Ziehen Sie die NATO-Truppen zurück! Set-
zen Sie sich für ein UN-Mandat ein und nehmen Sie end-
lich Abstand davon, jegliche politische Krisensituation
ausschließlich mit militärischen Mitteln lösen zu wollen.
Ich geben
nunmehr als letztem Redner in dieser Debatte dem Kolle-
gen Paul Breuer das Wort. Er spricht für die CDU/CSU-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Ich möchte mich direkt an Ver-
teidigungsminister Scharping wenden. Herr Minister
Scharping, glauben Sie wirklich, dass Sie mit dem, was
Sie eben in dieser Debatte gesagt haben, auch nur einen
einzigen Soldaten der Bundeswehr erreichen?
Die Fragestellungen der Soldaten der Bundeswehr sind
diejenigen,
die der Generalinspekteur, General Kujat, thematisiert
hat: dass die Bundeswehr für einen größeren Einsatz kei-
ne Ressourcen, keine Durchhaltefähigkeit mehr besitzt,
und zwar sowohl personell wie materiell. Ich finde es un-
glaublich, dass Sie in dieser Debatte auftreten und den Ge-
neralinspekteur mit keiner Silbe erwähnen.
Ansonsten gibt es gar nichts Bemerkenswertes an Ihrer
Rede. Ich sage Ihnen: Sie sind ein großer Lavierer. Ges-
tern las ich eine dpa-Meldung. Sie hörte sich mannhaft an,
Herr Scharping.
Da werden Sie mit den Worten zitiert: Ich werde keinen
Soldaten nach Mazedonien schicken, wenn es nicht mehr
Geld gibt. Heute haben Sie in dieser Debatte eine
Chance gehabt. Und was war, Herr Minister Scharping?
Fehlanzeige!
Dieses Lavieren des Ministers ist der Grund dafür, dass
die Bundeswehr in diese jämmerliche Situation,
die Handlungsunfähigkeit in der deutschen Außenpolitik
zur Folge hat, hineingekommen ist.
Wenn Außenminister Fischer
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Bundesminister Rudolf Scharping
18079
heute deutsche Glaubwürdigkeit in der Außen- und Si-
cherheitspolitik angemahnt hat, dann ist das in Ordnung.
Aber deutsche Glaubwürdigkeit in der Außen- und Si-
cherheitspolitik ist auch eine Frage der militärischen
Handlungsfähigkeit. Deutsche Glaubwürdigkeit erweist
sich nicht nur in Bundestagsbeschlüssen für Einsätze der
Bundeswehr
auf Sie komme ich gleich noch zurück ,
sondern sie erweist sich im Alltag; sie erweist sich dann,
wenn in Haushaltsplänen festgestellt werden muss, wel-
che finanzielle Ausstattung der Bundeswehr gegeben
werden soll.
Sie haben in den letzten drei Jahren Ihrer Regierungs-
verantwortung immer wieder vollmundig festgestellt: Die
Bundeswehr braucht weniger Geld, sie braucht weniger
Ausstattung. Sie fahren sie herunter und stellen heute
fest Sie sind damit in der Sackgasse , dass die Politik,
die Sie in den letzten Jahren betrieben haben,
mittlerweile deutsche Glaubwürdigkeit in der Außen- und
Sicherheitspolitik beschädigt.
Ich stelle darüber hinaus fest, dass Sie sich in eine
Sackgasse manövriert haben.
Deutschland hatte diesem Mandat für einen leichten
Einsatz zeitlich limitiert auf 30 Tage, personell limitiert
auf 3 000 Soldaten im NATO-Rat zugestimmt. Einen
solchen Einsatz haben Herr Schröder und andere als un-
ehrlich bezeichnet.
Ich habe heute festgestellt, dass Vertreter der Regie-
rungskoalition nach wie vor von solchen Einsätzen reden.
Andere sagen, das gehe nicht. Der Bundeskanzler hat ein
robustes Mandat, ein ehrliches Mandat gefordert. Der
Generalinspekteur hat gesagt, dass die Bundeswehr unter
den gegenwärtigen Voraussetzungen nicht fähig sei, ein
solches Mandat wahrzunehmen.
Frau Beer ich habe die Pressemeldung eben bekom-
men redet davon, dass sie einem leichten Mandat nicht
zustimmen werde.
Welche Verwirrung findet hier eigentlich statt? Glau-
ben Sie ernsthaft, dass Ihnen irgendein Bürger in diesem
Lande Ihre Behauptung abnimmt, die CDU/CSU oder
auch die F.D.P. sei für Ihre Verwirrung verantwortlich?
Sie haben in den letzten Wochen so ziemlich alles ver-
kehrt gemacht, was man verkehrt machen kann.
Ihnen glaubt in der NATO niemand mehr und Ihnen
glaubt auch in Deutschland niemand mehr.
Ich will Ihnen ein Letztes für Ihre Überlegungen in den
nächsten Tagen mitgeben.
Die eigentliche Problematik bei dieser Bundesregie-
rung besteht darin, dass sie sich ständig nur an den tages-
politischen Notwendigkeiten orientiert
und lediglich bereit ist, Korrekturen an der Fassade vor-
zunehmen.
In der Außen- und Sicherheitspolitik ist das sträflich. Sie
haben, was Ihre mittel- und langfristige Orientierung in
der Frage angeht, wie die Bundeswehr der Zukunft aus-
sieht und welche finanziellen Möglichkeiten sie erhält,
geglaubt, Sie könnten mit der an der tagespolitischen Ak-
tualität orientierten Aussage, es sei kein wichtiges
Thema, über die Runden kommen. Jetzt, liebe Kollegin-
nen und Kollegen der rot-grünen Koalition, sind Sie er-
tappt.
Sie werden mit dieser Art, durch die Sie im Übrigen
durchaus in die Lage kommen könnten, das Leben deut-
scher Soldaten zu gefährden, im Deutschen Bundestag
nicht aus der Tür kommen.
Ich schließe
die Aussprache.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 20 a und b auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen
der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Ge-
setzes zur Familienförderung
Drucksache 14/6160
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Paul Breuer
18080
Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten
Gesetzes zur Familienförderung
Drucksachen 14/6411, 14/6452
aa) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanz-
ausschusses
Drucksache 14/6582
Berichterstattung:
Abgeordnete Nicolette Kressl
Elke Wülfing
Gisela Frick
Dr. Barbara Höll
Drucksache 14/6572
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans Jochen Henke
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Jürgen Koppelin
Dr. Uwe-Jens Rössel
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Finanzausschusses
zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara
Höll, Rosel Neuhäuser, Monika Balt, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der PDS
Gerechte Chancen am Start Kinderarmut
bekämpfen
zu dem Antrag der Abgeordneten Ina Lenke,
Carl-Ludwig Thiele, Klaus Haupt, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.
Verbesserung der Familienförderung
Drucksachen 14/6173, 14/6372, 14/6582
Berichterstattung:
Abgeordnete Nicolette Kressl
Elke Wülfing
Gisela Frick
Dr. Barbara Höll
Zum Gesetzentwurf zur Familienförderung liegen ein
Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. und zwei Ände-
rungsanträge der Fraktion der PDS sowie je ein Ent-
schließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU und der
Fraktion der PDS vor.
Über den Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. und
einen Änderungsantrag der Fraktion der PDS werden wir
namentlich abstimmen. Da nach einer interfraktionellen
Vereinbarung das Haus ist damit einverstanden für die
Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen sind, wer-
den die beiden namentlichen Abstimmungen etwa um
12.15 Uhr stattfinden. Ich bitte die Kolleginnen und Kol-
legen, sich darauf einzustellen.
Ich eröffne die Aussprache und gebe als erster Red-
nerin der Kollegin Lydia Westrich für die Fraktion der
SPD das Wort.
Lydia Westrich (von Abgeordneten der SPD
mit Beifall begrüßt): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Nach der vorangegangenen Debatte ist es
etwas schwierig, jetzt mit dem Familienförderungsgesetz
weiterzumachen. Aber es beschreibt die Zukunft unserer
Republik. Deswegen ist es gut, dass wir darüber reden.
Mit dem Familienförderungsgesetz schreiben die Re-
gierungsfraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die
Grünen ihre Familienpolitik ein gutes Stück weiter.
Das Gesetz ist gelungen. Ich möchte besonders meiner
Kollegin Nicolette Kressl und ihrer Arbeitsgruppe sowie
den betreffenden Mitarbeitern aus dem Ministerium, die
sich besonders um dieses Gesetz bemüht haben, ganz
herzlich danken.
Nach 16 Jahren katastrophaler Familienpolitik der al-
ten Bundesregierung haben wir es allein in dieser Legis-
laturperiode geschafft, das Kindergeld um 80 DM auf
300 DM monatlich zu erhöhen. Gleichzeitig haben wir
mit diesem Gesetz einen Einstieg in die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf gefunden.
Plötzlich entdecken Sie, Kolleginnen und Kollegen der
Opposition, Ihr Herz für Familien und Kinder.
Nichts ist Ihnen gut genug. Das ist nicht gerade glaubhaft,
nachdem Sie so viele Jahre Zeit hatten.
Das Bundesverfassungsgericht musste Sie förmlich vor
sich hertreiben.
Es ist gut, dass das jetzige Urteil des Bundesverfassungs-
gerichts in unserer Regierungszeit gefällt worden ist, ob-
wohl es Ihre Regierungszeit betroffen hat. Ich möchte
nämlich nicht wissen, was Sie daraus gemacht hätten.
Wir haben es nach Aussagen aller Fachleute verfas-
sungsgemäß umgesetzt. Wir lassen den Haushaltsfrei-
betrag nicht gleich entfallen, sondern schmelzen ihn
schrittweise ab.
Wir haben die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts
so umgesetzt vielleicht zu Ihrem Nachteil , dass die
Schere zwischen gut und weniger gut verdienenden
Familien nicht noch weiter auseinander strebt.
Wir hätten uns auch das wäre Ihnen vielleicht lieber
gewesen, Frau Lenke mit einer reinen Freibetragslösung
zufrieden geben können. Stattdessen haben wir das Urteil
zum Anlass genommen, eine neue Familienförderung zu
entwickeln, die allen Familien zugute kommt. Wir haben
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters
18081
damit endlich eine verfassungsgemäße Besteuerung von
Familien geschaffen.
Mit dem neuen integrierten Freibetragsmodell, in
dem die Freibeträge für Betreuung, Erziehung und Aus-
bildung zusammengefasst sind, haben wir ein Stück Le-
benswirklichkeit nachgebildet. Jedem ist wohl einsichtig,
dass bei 15-Jährigen wohl kaum noch Betreuungsbedarf,
wohl aber Erziehungsbedarf vorhanden ist. Zusammen-
gerechnet wird der Freibetrag für den sächlichen Exis-
tenzbedarf für jedes Kind
von 6 912 DM auf 7 128 DM erhöht. Das haben wir mit
dem Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsfreibetrag
von 4 212 DM aufgestockt.
Die bislang geltende Altersgrenze für den pauschalen
Betreuungsfreibetrag wird von 16 auf 27 Jahre erhöht.
Das ist eine ganz deutliche Erhöhung. Offenbar ist dies
aber noch immer nicht bei allen Kolleginnen und Kolle-
gen der Opposition angekommen. Für jedes Kind gibt es
von Geburt an bis zum 27. Lebensjahr den integrierten
Freibetrag von 4 212 DM,
der dem Freibetrag von 7 128 DM hinzugerechnet wird.
Frau Kol-
legin Westrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kol-
legen Dr. Ilja Seifert?
Ja.
Frau Kollegin, Sie sprachen ge-
rade davon, dass bei einem 15-Jährigen normalerweise
kein Betreuungsbedarf mehr, wohl aber Erziehungsbedarf
gegeben sei. Sie geben mir doch sicherlich Recht, dass
zum Beispiel bei geistig schwer behinderten Menschen
auch dann noch, wenn sie schon älter als 27 Jahre alt sind,
ein erheblicher Betreuungsbedarf besteht. Heißt das also,
dass Sie unserem Änderungsantrag zustimmen werden,
dass für im Haushalt der Eltern lebende, unverheiratete
Menschen, die wie Kinder sind, zum Beispiel geistig Be-
hinderte, die gleiche Anrechnung wie für Kinder gilt, so-
dass den Menschen tatsächlich etwas von der Erhöhung
des Kindergeldes bleibt? Würden Sie unserem Antrag zu-
stimmen, damit für diese wirklich etwas übrig bleibt?
Nach Ihrem Vorschlag würde diesen nämlich wieder alles
entzogen.
Nein, das ist nicht korrekt,
Herr Seifert, weil der Betreuungsfreibetrag natürlich auch
für behinderte Kinder gilt. Diese kommen genauso in den
Genuss des Freibetrages wie zum Beispiel jemand, der in
Ausbildung ist.
Wir haben zusätzlich noch einen extra Ausbildungs-
freibetrag in Höhe von 1 800 DM für auswärtig unterge-
brachte Kinder in Ausbildung geschaffen. Somit haben
wir eine jährliche Entlastung pro Kind in Höhe von
11 340 DM, bei Kindern in Ausbildung in Höhe von
13 140 DM.
Das Kindergeld für das erste und zweite Kind haben
wir um 30 Mark pro Monat angehoben. Weil wir wissen,
dass Betreuungskosten bei aushäusiger Betreuung hoch
sein können, haben wir uns entschlossen, zusätzlich zum
pauschalen Betreuungsfreibetrag dieser gilt unabhängig
von der Betreuungsform, das heißt Betreuung zu Hause
oder außerhalb, eigene Betreuung oder durch Dritte da-
rüber hinausgehende erwerbsbedingte Betreuungskosten
bis zu 3 000 DM steuerlich absetzbar zu machen.
Wir wollen und können keiner Familie vorschreiben,
wie sie ihre Kinder zu betreuen hat. Wir wollen aber je-
dem Elternteil die Möglichkeit geben, einer Erwerbstätig-
keit nachzugehen, ohne dass das Einkommen durch die
zwangsläufig entstehenden Betreuungskosten aufgezehrt
wird. Deshalb können künftig durch Erwerbstätigkeit
beider Eltern entstehende zusätzliche Betreuungskosten
abgesetzt werden.
Meistens sind es die Frauen, die weniger verdienen und
nach der Geburt eines Kindes häufig Teilzeit arbeiten. Ih-
nen wollen wir mit diesen Maßnahmen die Möglichkeit
bieten, wieder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, ohne
ihren Lohn zum großen Teil in Betreuungskosten inves-
tieren zu müssen. Familien überlegen sich, ob es sich un-
ter dem Strich lohnt, wenn beide arbeiten gehen, zumal
die Einverdienerehe durch den Splittingvorteil sowieso
bevorzugt ist. Das ist eine Tatsache, die ich hier schlicht
feststelle, ohne sie zu werten.
Wir wollen Männern wie Frauen die Möglichkeit ge-
ben, sowohl eine Familie zu gründen und Kinder zu be-
kommen als auch berufstätig zu sein. Es kann nicht sein,
dass Familiengründung das Aus für die Berufstätigkeit
gut ausgebildeter Frauen bedeutet. Auch für Alleinerzie-
hende ist diese Möglichkeit ein großer Fortschritt.
Natürlich wissen wir, dass eine finanzielle Förderung
allein nicht ausreicht. Sicher müssen die Betreuungs-
möglichkeiten verbessert werden. Wir wissen aber auch,
dass das vorwiegend Ländersache ist. Rheinland-Pfalz
zum Beispiel testet gerade ein Ganztagsschulmodell.
Auch in Bayern ist Herr Stoiber offensichtlich endlich
aufgewacht und hat festgestellt, dass die Betreuungs-
möglichkeiten in seinem Land durchaus noch verbesser-
bar sind.
Frau Kol-
legin Westrich, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kol-
legin Dr. Barbara Höll?
Ja.
Sehr geehrte Frau Kressl,
ich habe in dieser Woche schon zwei Reden gehalten.
Da kann man bestimmt nicht sagen, wir könnten in un-
serer kleinen Fraktion den Redebedarf nicht genug ab-
decken.
Liebe Kollegin Westrich, Sie haben eben den Betreu-
ungsfreibetrag und die steuerliche Absetzbarkeit als zwei-
ten Schritt herausgehoben. Darf ich Sie fragen, ob Sie
dann unserem Änderungsantrag zustimmen werden, der
vorsieht, dass bereits die erste Mark real entstehender Be-
treuungskosten steuerlich absetzbar ist? Das wäre wenigs-
tens ein Mittel, um die reale Schlechterstellung
von allein erziehenden Menschen mit Kindern zumindest
teilweise aufzuheben.
Frau Kollegin Höll, Sie selbst
haben viele Berechnungsbeispiele angefordert. Eine
Schlechterstellung von Alleinerziehenden gibt es nicht.
Trotzdem ist zu betonen: Wir haben einen großen
Schuldenberg, den wir nicht auf die Schultern der
Kinder verlagern wollen. Wir wollen eine Politik der
Generationengerechtigkeit machen. Dazu gehört auch,
mit dem Geld zu haushalten und maßvoll zu handeln.
Wir werden den Betreuungsfreibetrag ab 3 001 DM ein-
setzen.
Was wir als Regierungskoalition auf Bundesebene tun
können, um Familien zu fördern und die Vereinbarkeit
von Familie und Beruf zu unterstützen, tun wir nicht erst
mit der Vorlage dieses Entwurfs. Wir tun es, seit wir an der
Regierung sind, und dieser Weg wird fortgesetzt. Dank
unserer Politik hat ein verheirateter Arbeitnehmer mit
zwei Kindern bei einem Jahresbruttolohn von 60 000 DM
in diesem Jahr gegenüber 1998 insgesamt 1 730 DM we-
niger Steuern zu zahlen.
Diese Beispielfamilie hat heute schon 145 DM mehr
pro Monat. Im Jahr 2005 hat dieselbe Familie 4 056 DM
weniger Steuern zu zahlen als 1998, als Sie noch an der
Regierung waren.
Warten Sie es doch einmal ab, Frau Lenke. Es ist übri-
gens schön, dass Sie uns attestieren, 2005 mit Rot-Grün
weiter regieren zu können.
Das Beste ist: Die Verbesserungen für die Familien
sind solide finanziert. Das kann man von den Vorschlä-
gen, die von CDU/CSU, F.D.P. und PDS kommen, wahr-
haftig nicht behaupten.
Dort werden ganz großzügig Milliardenbeträge verteilt,
ohne darüber nachzudenken, woher die Mittel kommen
sollen.
Die von Ihnen hinterlassenen Schulden lasten sowieso als
riesige Hypothek auf den Schultern der Kinder. Sie tun
ihnen für die Zukunft wirklich nichts Gutes, wenn Sie den
Schuldenberg noch weiter erhöhen. Glauben Sie im Ernst,
die Menschen im Lande sind so gutgläubig, dass sie Ihren
populistischen Forderungen Glauben schenken? Sie wis-
sen doch, dass man gute Reformen nicht auf Pump ma-
chen kann; das zahlt sich wirklich nicht aus.
Frau Kolle-
gin Westrich, eine weitere Kollegin möchte Ihnen eine
Frage stellen. Die Zeit wird auf Ihre Redezeit nicht ange-
rechnet; aber es ist Ihre Entscheidung.
Sie haben die Uhr aber nicht
angehalten.
Das werde
ich in dem Augenblick tun, zu dem Sie die Zwischenfrage
zulassen. Bitte schön.
Frau Westrich, die Verschuldung
ist mit der Einheit gekommen. Dass Sie das jetzt wieder
in einer solchen Familiendebatte hochholen, finde ich un-
verschämt. Ich habe das schon im Ausschuss gesagt, wo
von Ihnen genau das Gleiche kam. Sind Sie gegen die
deutsche Einheit? Schröder hat ja gesagt, die sollten sich
hinten anstellen.
Wir, die F.D.P.-Fraktion, sind für die deutsche Einheit. Mit
der deutschen Einheit ist die Verschuldung gekommen.
Sehen Sie das genauso wie ich?
Frau Lenke, wir reden von
Generationengerechtigkeit. Es ist unsinnig, im Zuge einer
Politik für die Familien das Kindergeld und den Kinder-
freibetrag zu erhöhen und gleichzeitig denselben Kindern
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001 18083
aufzulasten, in der Zukunft einen riesigen Schuldenberg
abzutragen und damit gewissermaßen ihr eigenes Kinder-
geld zurückzahlen.
Das ist eine Politik, die jeglicher Generationengerechtig-
keit widerspricht.
Ich möchte mich noch mit ein paar Worten zu den
hauswirtschaftlichen Beschäftigungsverhältnissen äu-
ßern. Die Beibehaltung deren Absetzbarkeit scheint den
Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und F.D.P. sehr
am Herzen zu liegen. Sie wissen selbst, dass es eine aktu-
elle Studie des DIW vom März dieses Jahres gibt, die ganz
eindeutig belegt, dass die beschäftigungsstimulierenden
Effekte, die man sich von dem Freibetrag erhoffte, bisher
ausgeblieben sind. Vielmehr habe so die Studie wörtlich
die Regelung in hohem Maße zu Mitnahmeeffekten bei
gut verdienenden Haushalten geführt. Diese abzubauen
ist ebenfalls ein Schritt in Richtung auf Generationen-
gerechtigkeit.
Ganz offenbar wurde doch das Ziel, dadurch mehr Men-
schen in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhält-
nisse zu bringen, nicht erreicht.
Wie oft muss man Ihnen das Versagen dieses Instruments
noch deutlich machen, damit Sie nicht mehr darauf beste-
hen, dieses offenbar untaugliche Verfahren beizubehal-
ten?
Frau Kressl und ich wir haben schon 1997 zusammen
mit Herrn Merz überlegt, Frau Böhmer, wie wir Dienst-
leistungsagenturen fördern können, beispielsweise im
Wege einer steuerlichen oder einer Zulagenförderung.
Herr Merz hat das damals ausdrücklich abgelehnt mit der
Begründung, das werde eine viel zu subventionsintensive
Förderung; das können wir uns nicht leisten.
Wir müssen das biete ich Ihnen ausdrücklich an daher
gemeinsam Modelle entwickeln, wie wir Dienst-
leistungsagenturen effektiv unterstützen können.
Dieses Vorhaben hat viele Aspekte: Wir müssen daran
arbeiten, Abgrenzungen zu finden, um das Handwerk
nicht zu benachteiligen dies will ja nun wirklich nie-
mand ; wir müssen zum Beispiel überlegen, wie wir
hauswirtschaftliche Beschäftigungsverhältnisse in einen
Qualifizierungsweg bekommen;
vor allem aber müssen wir mithelfen, dass Familien mit
vielen Kindern tatsächlich von dem Angebot der Dienst-
leistungsagenturen Gebrauch machen können und nicht
nur gut verdienende Ehepaare ohne Kinder, die das Steu-
erprivileg als Mitnahmeeffekt nutzen. Das wird, so denke
ich, eine spannende Sache und lohnt, Überlegungen und
Kraft hineinzustecken.
Die Förderung der Familien ist dauernde Aufgabe für
jede Regierung. Die rot-grüne Bundesregierung mit den
Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Grüne hat die He-
rausforderung angenommen, aus einer verkorksten, ver-
fassungswidrigen Familienpolitik heraus einen Weg zu
beschreiten, der die Familien endlich wieder dort hin-
rückt, wo sie hingehören, nämlich in den Mittelpunkt der
Gesellschaft.
Wir unterstützen sie bei dieser verantwortungsvollen Auf-
gabe, ohne die Zukunft der Kinder durch einen riesigen
Schuldenberg zu belasten. Familien fördern heißt die Zu-
kunft sichern. Das ist uns mit diesem Familienförder-
gesetz ein gutes Stück gelungen.
Vielen Dank.
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Elke Wülfing.
Sehr geehrte Frau Präsi-
dentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin
Westrich, wir haben es alle mitbekommen: Zum wieder-
holten Male erleben wir mit diesem so genannten Famili-
enförderungsgesetz etwas,
was alle Gesetzgebungsverfahren dieser Regierung kenn-
zeichnet: Erst streitet man sich wochen- und monatelang
intern, dann kommt Knall auf Fall ein Gesetzentwurf auf
den Tisch, der hier im Plenum nicht ordentlich beraten,
sondern durchgepeitscht wird. Die Folge dieses Verfah-
rens war, dass Sachverständige, die wir gern gehört hät-
ten, wegen der kurzen Ladungsfristen überhaupt nicht
kommen konnten. Aber das war insofern nicht so
schlimm, als die vielen anderen anwesenden Sachver-
ständigen deutliche Kritik an diesem Gesetzentwurf, dem
so genannten zweiten Familienförderungsgesetz, geäu-
ßert haben.
Allerdings müssen sich die Koalitionsfraktionen da-
rüber auch nicht wundern. Die Einlassungen des Bundes-
finanzministeriums nach dem Bundesverfassungs-
gerichtsurteil vom November 1998 lauteten: Mein Gott,
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Lydia Westrich
18084
das wird uns 22 Milliarden DM kosten. Was ist davon in
diesem Gesetz übrig geblieben? Genau 5 Milliarden DM!
40 Prozent des Entlastungsvolumens werden nämlich von
den Familien selbst finanziert: Ausbildungsfreibetrag,
Haushaltsfreibetrag, Absetzbarkeit von Haushaltshilfen
wurden stark eingeschränkt oder ganz gestrichen.
Die engagierten Familienpolitiker bei der SPD und den
Grünen haben ebenso wie alle Familien in ganz Deutsch-
land einen gemeinsamen Feind. Er heißt Eichel und sitzt
hier auf der Regierungsbank.
Der Bundesfinanzminister hat dafür gesorgt seine
Staatssekretärin, Frau Hendricks, hat ihm im Ausschuss
dabei geholfen , dass das Bundesverfassungsgerichts-
urteil nur in einer Minimallösung umgesetzt wird. Von
Förderung kann hier keine Rede sein;
denn die Umsetzung dieses Gesetzes wird zu einer deut-
lichen Senkung des Förderanteils beim Kindergeld
führen.
Das wissen Sie ganz genau. Um das Fördervolumen
beim Kindergeld aufrechtzuerhalten, hätte man Geld ge-
braucht, das Ihnen aber der Herr Eichel nicht gegeben hat.
Wenn man den Freibetrag erhöht und zugleich das Kin-
dergeld nur wesentlich geringer erhöht, dann bedeutet
das, dass Familien mit einem Jahreseinkommen von we-
nigstens 80 000 DM keinerlei Förderung mehr erfahren,
sondern nur noch eine Steuerrückerstattung erhalten.
Diese Grenze lag 1999 noch bei 170 000 DM. Demge-
genüber muss man heute eindeutig feststellen, dass das
Kindergeld für Familien mit mittlerem Einkommen kei-
nerlei Förderanteil mehr enthält. Reine Steuerrückerstat-
tung ist keine Familienförderung, liebe Kolleginnen und
Kollegen.
Außerdem reichen die 30 DM das wissen Sie auch
gerade eben aus, um die höhere Inflationsrate von 3,5 Pro-
zent auszugleichen, die uns diese Regierung mit Öko-
steuer und steigenden Importpreisen beschert hat.
Frau Kollegin
Wülfing, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Bitte, Frau Kressl.
Sehr geehrte Frau Kollegin
Wülfing, können Sie, nachdem Sie jetzt so auf einer Er-
höhung des Kindergeldes bestehen und verlangen, es
müsse noch viel mehr sein, erklären, warum in Ihrer Re-
gierungszeit die damalige CDU/CSU-F.D.P.-Regierung
über den Bundesrat gezwungen werden musste, die Kür-
zung des Kindergeldes von 220 DM auf 200 DM, die in
Ihrem Gesetz stand, zurückzunehmen?
Frau Kressl, ich will es Ih-
nen wohl erklären.
Ich sage es Ihnen so, wie es wirklich war. Ich wäre nach-
her noch darauf zu sprechen gekommen, aber jetzt habe
ich ein bisschen mehr Redezeit für andere Dinge.
Die Bundesregierung von CDU/CSU und F.D.P. hat in
ihrer Regierungszeit das wissen Sie ganz genau das
Kindergeld von 50 auf 220 DM erhöht.
Sie hat den Erziehungsurlaub und das Erziehungsgeld, die
Kindererziehungsrente und den Anspruch auf einen Kin-
dergartenplatz ab dem dritten Lebensjahr durchgesetzt.
Insgesamt haben wir die Familienleistungen
für alle Kinder auch für dritte und vierte Kinder in un-
serer Regierungszeit verdreifacht.
Seit 1996 haben wir ein anderes System das wissen Sie
ganz genau , das System des Optionsmodells, wie es
auch künftig gelten soll.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, es
ist wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, in welcher
Art und Weise wir dieses Zweite Gesetz zur Familienför-
derung beurteilen. Sie wissen auch, dass die Verlierer da-
bei die Alleinerziehenden, die Familien mit auswärtig
ausgebildeten Kindern und diejenigen Familien sind, die
Kinderbetreuung für mehr als sechs Stunden in der Woche
benötigen. Das sind eigentlich alle Familien mit Kindern,
vor allem die Familien mit mehreren Kindern, von de-
nen ich eben gesprochen habe.
Ich komme gleich noch darauf zurück.
Gerade für diese Gruppe hat sich das Kindergeld für
das dritte und vierte Kind von 1998, seitdem diese Bun-
desregierung im Amt ist, überhaupt nicht mehr erhöht.
Das führt dazu, dass das verfügbare Einkommen einer Fa-
milie mit einem Jahreseinkommen von 60 000 DM und
drei Kindern um 4 590 DM jährlich unter dem steuerli-
chen Existenzminimum liegt. Bei einer Familie mit vier
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Elke Wülfing
18085
Kindern liegt es genau 10 000 DM darunter. Da ist es nicht
verwunderlich, dass der Bericht der Nationalen Armuts-
konferenz davor warnt, Mehrkinderfamilien liefen in ein
erhebliches finanzielles Risiko.
Wir haben sehr bedauert, dass Sie unserem Antrag, die
Erhöhung des Kindergeldes um 30 DM auch für das dritte
und vierte Kind zu gewähren, nicht zugestimmt haben.
Angesichts der Situation in der Bundesrepublik, ange-
sichts des demographischen Wandels, angesichts des
sozialen Wandels, angesichts der Zukunft der Sozialversi-
cherungen, angesichts der Entwicklung unserer Steuer-
kraft und der Entwicklung unseres Arbeitskräftepoten-
zials wäre es ganz wichtig gewesen, die ökonomische
Basis von Familien deutlicher zu stärken, als Sie das tun.
Das Bundesverfassungsgericht hat Wert darauf gelegt,
den Erziehungs- und Betreuungsbedarf generell anzuer-
kennen ich habe es im Ausschuss auch schon gesagt; Sie
wollten es nicht hören , unabhängig davon, ob im Hause
betreut wird oder ob erwerbstätige Eltern sich dazu Hilfe
holen oder ob das Kind in eine Einrichtung kommt.
Genau das intendierte das Urteil des Bundesverfassungs-
gerichts. Unabhängig davon finden wir in diesem Gesetz
wirklich zu wenig Anerkennung für die Leistungen, die
innerhalb der Familie erbracht werden.
Die steuerliche Absetzbarkeit von Haushaltshilfen ha-
ben Sie ganz gestrichen, statt diese auszuweiten und da-
mit denjenigen ein Betätigungsfeld zu eröffnen, die Ar-
beitslosenhilfe bzw. Sozialhilfe beziehen
und in Dienstleistungszentren beschäftigt sind. Das wäre
richtig gewesen.
Jetzt komme ich noch einmal auf das, was Sie vorhin
hinsichtlich der sechs Stunden Betreuung moniert haben.
Ihr pauschalierter Kinderbetreuungsfreibetrag reicht
bei 20 DM Stundenlohn gerade einmal für drei Stunden
Betreuung in der Woche.
Das haben Sie doch ins Gesetz geschrieben. Also, bei
aller Liebe!
Wenn beide Eltern berufstätig sind, dann dürfen sie noch
einmal drei Stunden wöchentlich in Anspruch nehmen,
mehr aber auch nicht.
Bei Mehrkinderfamilien, auf die wir großen Wert le-
gen, ergibt sich zum Beispiel in der Regel eine bei weitem
längere Berufspause von Familienmüttern. Das wissen
Sie auch ganz genau. Darauf müssen wir wirklich Rück-
sicht nehmen. Das bedeutet Einkommensverzicht und zu-
sätzliche Kosten. Die Kosten für die Betreuung, die in-
nerhalb der Familie geleistet wird, sind wesentlich höher
als das zu veranschlagen, was Sie ins Gesetz geschrieben
haben.
Deswegen ist es dringend notwendig, dass wir eine
wirkliche Familienoffensive hier in diesem Bundestag
in Gang setzen, und zwar so, wie sie die CDU/CSU-Bun-
destagsfraktion entwickelt hat und für die nächste Le-
gislaturperiode auf den Weg bringen wird. Schon in der
Vergangenheit hat die CDU/CSU mit wichtigen familien-
politischen Leistungen einiges für die Familien getan. Das
habe ich schon vorhin in der Antwort auf Ihre Frage deut-
lich gemacht. Wir erinnern uns noch sehr gut an Herrn
Geißler und Frau Süssmuth, die die Kindererziehung bei
der Rente sehr viel stärker angerechnet haben, als das
früher jemals der Fall war. Ich denke, das war eine gute
Sache. Auch beim Kindergeld sind wir vorangekommen.
Aber ich will ehrlich sagen: Man kann natürlich der
Ansicht sein, dass dies alles noch nicht genug gewesen ist.
Deswegen legen wir eine neue Offensive auf den Tisch.
Im Gegensatz zu dem, was uns die SPD immer unterstellt,
fangen wir in diesem Konzept mit dem Thema Verein-
barkeit von Familie und Beruf an.
Wenn wir in unserem Familienkonzept 1 200 DM für die
ersten Lebensjahre des Kindes bereitstellen wollen, un-
terstellen Sie uns immer, wir wollten die Frauen zurück an
den Herd und zu den Kindern schicken. Nein, unser Kon-
zept beginnt mit dem Thema Vereinbarkeit von Familie
und Beruf. Das ist wichtig; denn auf Dauer werden wir
nicht ohne Ganztagsbetreuung auskommen, zum Bei-
spiel auch in den Schulen.
Ich muss ehrlich sagen: Dem Antrag, den die CDU-
Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen Anfang Juni ge-
stellt hat, sollte man wirklich zustimmen. Er sollte auch in
allen anderen Bundesländern Schule machen.
Ich glaube, dass wir von traditionell in unserem Land
herrschenden Halbtagsschulen langsam, aber sicher zu
Ganztagsschulen kommen werden; denn wir müssen die
Bildungsreserven, die bei unseren Kindern vorhanden
sind, noch besser ausschöpfen. Wir müssen aber nicht nur
die Bildungsreserven der Kinder stärker ausschöpfen,
sondern wir stellen fest, dass in den Ländern, in denen
Kinder ganztags betreut werden, erstens mehr Kinder ge-
boren werden
und zweitens das Erwerbspersonenpotenzial von Vätern
und Müttern besser ausgeschöpft wird.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Elke Wülfing
18086
Hier sind wir auf dem richtigen Weg. Mit unserem An-
satz zu Kindergeld und der Familienoffensive werden wir
Ihnen gegenübertreten. Wir werden uns im Wahlkampf
wiedersehen. Sie haben mit diesem nicht ausreichenden
Familienfördergesetz, das seinen Titel nicht verdient, et-
was auf den Tisch gelegt, das den Familien nicht viel wei-
terhilft. Auch höre ich, dass Sie auf dem Bundesparteitag
jetzt das Ehegattensplitting antasten wollen. So habe ich
es jedenfalls in der Zeitung gelesen. Dies ist nicht unsere
Meinung. Wir kommen mit unserem Familienkonzept auf
Sie zu. Sie können das mit uns gemeinsam machen oder
wir mit Ihnen. Aber dann muss es etwas mehr sein, als in
diesem Gesetz steht.
Frau Kollegin,
bitte denken Sie an Ihre Redezeit.
Ich bin bei meinem letz-
ten Satz.
Wir werden Ihnen trotzdem nicht den Gefallen tun,
dieses Gesetz abzulehnen; denn ich bin es leid, mir von
Ihnen anhören zu müssen, wir hätten 30 DM mehr Kin-
dergeld abgelehnt. Deswegen stimmen wir dieser Mini-
mallösung schweren Herzens zu.
Vielen Dank.
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Christine Scheel.
Verehrte Präsidentin! Liebe Kollegen und Kolleginnen!
Herzlichen Glückwunsch, Frau Wülfing, dass Sie endlich
die Einsicht gewonnen haben, dass Familie und Beruf
miteinander vereinbar sein müssen. Klasse!
Beim Vergleich mit den Ländern stellen wir schnell
fest, wo es fehlt.
Gerade diejenigen, die in den letzten Wochen und Mona-
ten beim Thema Familienpolitik den Mund am weitesten
aufgemacht haben, wie beispielsweise das Land Bayern
und andere Südländer, haben beim Betreuungsangebot
den schlechtesten Standard und die schlechteste Ausrüs-
tung.
Nun zu diesem Gesetz. Das Kindergeld ist innerhalb
von vier Jahren, das nächste Jahr eingerechnet, von dieser
Regierung von 220 DM auf 300 DM erhöht worden. Das
bedeutet, dass wir den Familien durch die Erhöhung des
Kindergeldes für das erste und zweite Kind insgesamt
960 DM pro Jahr mehr zur Verfügung stellen. Das bedeu-
tet auch, dass im Jahr 2002 insgesamt 66 Milliarden DM
für das Kindergeld ausgegeben werden. Ich möchte an
dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen: Man darf das
Kindergeld als familienpolitische Leistung nicht isoliert
sehen. Man muss auch die anderen familienpolitischen
Leistungen der Bundesregierung berücksichtigen. Wenn
man das tut, wird man feststellen, dass die gesamten Aus-
gaben für die familienpolitischen Leistungen im Jahr
2002 die Grenze von 100 Milliarden DM überschreiten
werden.
Das sind rund 20 Milliarden DM mehr als 1998, als wir
die Regierungsverantwortung übernommen haben. Das
ist sogar etwas mehr als ein Fünftel des gesamten Bun-
deshaushaltes. Auch das muss man einmal zur Kenntnis
nehmen.
Wer mehr fordert
viele, die das tun, kann ich gut verstehen , muss wis-
sen, dass durch eine weitere Erhöhung der Ausgaben für
familienpolitische Leistungen die Verschuldung nach
oben getrieben wird, dass dann die Zinsausgaben steigen
werden und dass dadurch weniger Investitionen in Bil-
dung und andere Leistungen für Familien getätigt werden
können. Deswegen meine ich, dass wir eine sehr ehrliche
Finanzpolitik machen.
Es klingt zwar gut, wenn die CDU/CSU ein Familiengeld
von 1 200 DM pro Kind und Monat fordert. Aber Sie wis-
sen ganz genau, dass das nicht finanzierbar ist und dass
Sie sich deswegen gegenüber den Familien sehr unehrlich
verhalten.
Die rot-grüne Regierungskoalition wollte ihren
Schwerpunkt auf die Familienpolitik setzen. Das haben
wir realisiert. Auch die Grünen haben ihre Wahlverspre-
chen erfüllt. Wichtig ist, dass die anderen Leistungsver-
besserungen für Kinder und Jugendliche nicht vergessen
werden: Beim Erziehungsgeld wurden die Einkommens-
grenzen für Alleinerziehende um 11,4 Prozent erhöht.
Die Regelungen bezüglich des Elternurlaubs wurden
geändert Väter und Mütter können nun gleichzeitig El-
ternurlaub nehmen;
es hat lange Jahre gedauert, bis das gesetzlich umgesetzt
wurde , um bessere Rahmenbedingungen für die Verein-
barkeit von Beruf und Familie zu schaffen und die Arbeit
der Betreuung von Kindern fairer aufzuteilen.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Elke Wülfing
18087
Beim BAföG gelten seit 1. April dieses Jahres höhere
Fördersätze für Studierende und höhere Einkommens-
grenzen für Eltern. Das Familienförderungsgesetz bringt
im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf den Studenten
bei auswärtiger Unterbringung einen zusätzlichen Frei-
betrag von rund 1 800 DM.
Rot-Grün konsolidiert somit nicht nur den Bundeshaus-
halt, sondern investiert auch an den richtigen Stellen in
unsere Kinder.
Die Einkommensteuerreform das ist schon ange-
sprochen worden bringt gerade den Familien mit durch-
schnittlichem Einkommen eine drastische Senkung ihrer
Steuerbelastung. Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen,
dass die Familien durch das Zweite Gesetz zur Familien-
förderung ab dem Jahr 2002 insgesamt 4,6 Milliarden DM
mehr in den Taschen haben werden. Ich finde, dass diese
Summe, um die die verfügbaren Einkommen erhöht wer-
den, auch einen Beitrag zur Verbesserung der konjunktu-
rellen Entwicklung darstellt.
Ein Problem das möchte ich gerne zugeben ist mit
dem vorliegenden Gesetzentwurf unzureichend gelöst.
Für die Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Fami-
lie, egal, ob es sich um Verheiratete, Unverheiratete oder
Alleinerziehende handelt, ist es wichtig, dass die steuer-
liche Absetzbarkeit erwerbsbedingter Kinderbetreu-
ungskosten ab der ersten D-Mark möglich ist. Das müs-
sen wir ins Visier nehmen. Durch die Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts, die im Zweiten Familienför-
derungsgesetz berücksichtigt wurden, wird sich die Situa-
tion der Alleinerziehenden in den Jahren 2003 und 2005
verschlechtern. Weil wir es leider nicht geschafft haben,
mit den Ländern darüber zu verhandeln die Länder waren
nicht bereit, das gesamte Familienpaket noch einmal auf-
zuschnüren, ohne es in seiner Gesamtheit zu gefährden ,
haben wir den jetzigen Entwurf eingebracht. Aber wir
werden für die Alleinerziehenden noch eine Lösung aus-
arbeiten die Grünen haben einen Vorschlag gemacht ,
damit diese in den Jahren 2003 bis 2005 von negativen
Auswirkungen verschont bleiben.
Mit der jetzigen Reform der Familienförderung ist ein
wesentlicher Schritt der Kinderförderung verwirklicht.
Im nächsten Schritt das wünschen wir uns wird es um
ein Kindergrundsicherungsmodell gehen, durch das
Kindern, die in prekären Einkommensverhältnissen le-
ben, mit Kindergeldzuschlägen geholfen werden soll.
Wir werden auch darüber zu reden haben, inwieweit
das Ehegattensplitting mit dem Kriterium der Kinder-
förderpolitik gesellschaftspolitisch akzeptiert werden
kann; denn Familie ist für uns überall da, wo Kinder le-
ben. Die Ehe ohne Kinder ist kein Grund zur Steuerbe-
günstigung. Darüber müssen wir einen gesellschaftlichen
Konsens herbeiführen. Ich hoffe, dass wir dies schaffen
das Ehegattensplitting nicht abzuschaffen, aber einzu-
schränken und dass wir die steuerlichen Einnahmen, die
wir dann haben werden, zugunsten von Kindern und
zwar vor allem von Kindern, die sich in schwierigen Le-
benssituationen befinden ausgeben können, indem wir
Familien mit mehreren Kindern oder auch Alleinerzie-
hende mit geringem Einkommen unterstützen.
Danke schön.
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Ina Lenke.
Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Frau Scheel hat damit geendet, dass sie ver-
sprochen hat, Alleinerziehende und Familien mit mehre-
ren Kindern stärker zu unterstützen. Gerade in dem Ge-
setz, das uns hier vorliegt, sind diese Familien die
Verlierer der Politik von SPD und Grünen. Das muss man
ganz deutlich sagen.
30 DM mehr Kindergeld: Das ist der Lichtblick im
Gesetz von Rot-Grün. Die F.D.P. begrüßt grundsätzlich
diese Erhöhung; sie ist aber bedauerlicherweise zu gering
ausgefallen.
Natürlich ist sie zu gering ausgefallen! Das sagen Sie in
Pressemitteilungen doch selber. Sie begründen das nur an-
ders: Mit der deutschen Einheit begründen Sie das das
ist wunderbar.
Herr Eichel, ich komme noch auf Sie zurück. Sie brau-
chen nicht dazwischenzureden.
Bis zu dieser Entscheidung war der Weg sehr be-
schwerlich. Wie schwer, liebe Kollegen und Kolleginnen,
wurde bei Rot-Grün um diese 30 DM mehr Kindergeld
monatlich gerungen! Der sozialdemokratische Finanzmi-
nister machte die Erhöhung des Kindergeldes von der
Steuerschätzung abhängig.
Das haben wir noch nie gemacht.
Nun hören Sie mir doch einmal ganz in Ruhe zu. Sie müs-
sen sich auch einmal etwas anhören, was Ihnen nicht passt.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Christine Scheel
18088
Wie groß war die Freude, als er schweren Herzens zu-
stimmte. Eichels Devise laut klagen, still kassieren ist
auch bei diesem zweiten Familienfördergesetz durchge-
setzt worden. Schaut man einmal hinter die Kulissen und
rechnet die Finanzierung durch, dann merkt man, dass
Eichel die Familien mit Kindern an der Finanzierung zu
37 Prozent beteiligt. Das ist die Umfinanzierung, Frau
Scheel, von der einen Familie hin zur anderen Familie.
Natürlich ist das so. Auch wenn Sie dreimal den Kopf
schütteln, wird das nicht besser;
denn Sie haben mit diesem Gesetz Vergünstigungen von
insgesamt 2,8 Milliarden DM bei den Familien einge-
sammelt.
Das steht doch in Ihrem Gesetzentwurf. Ich kann ja noch
lesen.
Beim zusätzlichen Kindergeld von 30 DM finanzieren
die Familien wenn ich das so berechne 11 DM selbst.
Eichel gibt also nicht 30 DM, Eichel gibt 20 DM.
Diese Taschenspielertricks muss die Opposition auf-
decken.
Als Oppositionspolitikerin von der F.D.P. habe ich nicht
die Aufgabe, Ihnen hier im Parlament bei jedem Mist zu-
zustimmen.
Vielmehr muss ich schauen, wo die Defizite liegen. Das ist
meine Aufgabe als Oppositionspolitikerin: Gesetze von
Trägern politischer Mehrheiten nüchtern zu prüfen und
natürlich auch eigene Vorschläge zu machen. Der Antrag
der F.D.P. mit sieben Vorschlagspunkten liegt Ihnen vor.
Ich komme auf die Familienverbände zurück. Die Fa-
milienverbände haben Taschenspielertricks benannt und
haben gesagt, das rot-grüne Gesetz sei nur Kosmetik.
Ich stelle also fest: Erstens. Die Erhöhung des Kinder-
geldes um 30 DM finanzieren die Familien mit. Zweitens.
Die Familien erhalten für das dritte und vierte Kind keine
Kindergelderhöhung.
Drittens. Die Zielgruppen, die SPD und Grüne fördern
wollten, sind am meisten gebeutelt. Das sind die Allein-
erziehenden und die Familien mit vielen Kindern.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, was ist an Ihrem Ge-
setzentwurf des Weiteren grundsätzlich zu loben? Zu lo-
ben ist der Einstieg in die steuerliche Absetzbarkeit der
Kinderbetreuungskosten, Frau Westrich. Vielleicht kön-
nen Sie sich noch an unseren Antrag von 1999 erinnern.
Ich bin erst seit 1998 familienpolitische Sprecherin der
F.D.P. Was wollen Sie eigentlich? Ich mache die Vor-
schläge und meine Fraktion hat ihnen zugestimmt. Von
daher ist es halt ein Wechsel in der Familienpolitik auch
bei uns.
Sie wollen, dass bis zu 3 000 DM Kindergartenge-
bühren abgesetzt werden können, aber es fängt erst ab der
3 025. Mark an. Auch das müssen Sie den Leuten sagen,
Frau Westrich. Das haben Sie in Ihrem Vortrag vergessen.
Ich will Ihnen ein praktisches Beispiel geben: Eine
Frau will wieder in den Beruf zurück. Ein Ganztagsplatz
kostet in Hamburg für Doppelverdiener so sage ich ein-
mal monatlich bis zu 750 DM. Wenn ich dann die
Neidkampagne Ihrer Gewerkschaftler und anderer höre,
nämlich dass es für solche Zwei-Verdiener-Familien kein
Kindergeld geben soll, dann fasse ich mich wirklich an
den Kopf.
Bei mir im Landkreis bezahlt eine Sozialhilfeempfänge-
rin null Kindergartengebühren. Wenn die Frau wieder
arbeiten geht, wird sie dafür bestraft, weil sie dann im-
mer mehr Kindergartengebühren bezahlen muss. Frau
Westrich, ich hoffe, dass gerade Sie diese Neidkampagne
der Gewerkschaften nicht weiter mittragen.
Notwendig ist ein Stück Ehrlichkeit in der Steuerpoli-
tik. Die Bürger wissen das nicht, weil sie nicht Steuerbe-
rater sind, weil sie nicht Steuerfachangestellte sind. Das
wissen nur wir, die wir uns mit diesem Gesetz beschäftigt
haben.
Die Entlastung beträgt bei einem persönlichen Steuer-
satz von 30 Prozent lediglich 75 DM im Monat. Setzen
Sie das einmal zu den 750 DM ins Verhältnis, die man in
Hamburg für einen Kindergartenplatz zahlen muss! Dann
sehen die Zahlen ganz anders aus. Auch wir sind dafür,
dass Frauen arbeiten gehen, aber sie sollten bei höherem
Einkommen nicht die Last höherer Kindergartengebühren
tragen.
Wir werden uns für diese Klientel einsetzen; denn sonst
das wissen Sie ganz genau lohnt es sich für eine Frau gar
nicht, arbeiten zu gehen.
Wir wollen, dass Kinderbetreuungskosten bei Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmern als Werbungskosten
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Ina Lenke
18089
und bei Selbstständigen als Betriebsausgaben abzusetzen
sind. Jede Frau weiß: Wenn ich mein Kind nicht unter-
bringe, kann ich nicht arbeiten. Und Sie fangen jetzt mit
den lächerlichen 3 000 DM an. Die Leute werden bei der
Einkommensteuererklärung im nächsten Jahr schon se-
hen, was sie davon haben.
Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Dazu darf ich
wiederholen: Auch diese Entlastung von 3 000 DM zah-
len wegen Ihrer Umschichtungskultur zu 37 Prozent die
Familien.
Als ich mir gestern Abend zu dieser Rede Gedanken
gemacht habe,
habe ich wirklich bedauert, dass ich im Bundestag keine
positive Bewertung des rot-grünen Gesetzentwurfs abge-
ben kann.
Und das ist auch gut so.
Meine Damen und Herren, ich komme jetzt auf die Al-
leinerziehenden zu sprechen, die von Ihnen ganz beson-
ders gebeutelt werden. Bisher hatten Alleinerziehende ei-
nen jährlichen Haushaltsfreibetrag von 5 616 DM.
Zusätzlich konnten Alleinerziehende mit einem Kind bis
zu 4 000 DM Kinderbetreuungskosten absetzen, also ins-
gesamt circa 10 000 DM. Wenn Sie nun sagen, Sie täten
auch für die Alleinerziehenden etwas, dann frage ich
mich, wo diese Entlastung ist. Rot-Grün kürzt nämlich
diesen Haushaltsfreibetrag bis zum Jahre 2005 auf null.
Es war schon eine abenteuerliche Variante von Begrün-
dung, die eine SPD-Kollegin am Mittwoch im Bundes-
tagsausschuss nannte, nämlich: Wir tun etwas für die Al-
leinerziehenden; wir kürzen den Haushaltsfreibetrag nicht
sofort auf null, sondern wir kürzen ihn stufenweise. Das
können sich die Alleinerziehenden hinter den Spiegel
stecken. Die werden sich freuen!
Meine Damen und Herren, ich möchte gern noch etwas
zu dem von Ihnen so gescholtenen Dienstmädchenprivi-
leg sagen. Das sind Sie wissen es sozialversiche-
rungspflichtige Haushaltshilfen. Ich begrüße es immer,
wenn in einem Haushalt nicht Schwarzarbeit gemacht
wird, wenn nicht 630-Mark-Arbeitsverhältnisse geschaf-
fen werden, sondern wenn ordentliche Arbeitsplätze ein-
gerichtet werden.
Aber Sie haben dieses kleine Pflänzchen kaputtgemacht
und Sie werden das in Ihrer Regierungszeit wahrschein-
lich auch nicht mehr erhöhen.
Der Ausbildungsfreibetrag da haben Sie, Frau
Westrich, auch etwas verschleiert beträgt bis jetzt
4 200 DM jährlich. Ich habe einen Sohn, der studierte. Wir
waren sehr froh darüber, dass wir diese 4 200 DM steuer-
mindernd absetzen konnten; denn wir mussten alles selbst
zahlen. Das ist auch in Ordnung. Aber was ist jetzt? Ein
jährlicher Freibetrag von 1 800 DM bedeutet bei 30 Pro-
zent persönlichem Steuersatz 50 DM im Monat. Das ist
doch wirklich ein Klacks. Mit diesem Betrag kann
man wahrscheinlich noch nicht einmal eine Fahrkarte be-
zahlen.
Wir verlangen eine namentliche Abstimmung.
Ich muss noch kurz auf den Antrag, den unsere Frak-
tion in den Bundestag eingebracht hat Sie sind darauf
eingegangen, allerdings in anderer Weise als wir ,
zurückkommen. Die F.D.P.-Bundestagsfraktion fordert in
diesem Antrag, dass die Kinderbetreuungskosten als
Werbungskosten oder als Betriebsausgaben von der Ein-
kommen- und Lohnsteuer abzusetzen sind. Wir wollen
das Existenzminimum des Kindes und die Freibeträge für
Betreuung und Erziehung der allgemeinen Entwicklung
anpassen.
Das ist gerade vor dem Hintergrund der hohen Kosten, die
die Familien zu tragen haben, wichtig.
Außerdem fordern wir wir sind die einzige Fraktion,
die dazu einen wirklich guten Vorschlag macht ein
Bund-Länder-Programm zur Förderung der Kinderbe-
treuungseinrichtungen.
Wir wollen, dass Bund und Länder dieses Programm fünf
Jahre lang mit jeweils 1 Milliarde DM unterstützen. Als
F.D.P.-Bundestagsabgeordnete sage ich: Das Wichtigste
ist die Vielfalt von Kinderbetreuungseinrichtungen. Ohne
diese Einrichtungen werden wir den Frauen den Einstieg
in den Beruf nicht erleichtern.
Ich komme zum Schluss.
SPD und Grüne haben die Chance nicht genutzt, eine um-
fassende, gut durchdachte Familienförderung auf den
Weg zu bringen. Man hat auf der einen Seite einmal mehr
und auf der anderen Seite einmal weniger verändert. Ins-
gesamt bekommen die Familien zwar etwas mehr; aber
das reicht nicht.
Ich komme zum Anfang meiner Rede zurück.
Warten Sie doch einmal! Was ich jetzt sage, das ist doch
etwas Nettes.
Nein, Frau Kol-
legin. Das können Sie jetzt nicht mehr. Sie sind wirklich
weit über die Zeit.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Ina Lenke
18090
Die Kindergelderhöhung durch
dieses Gesetz ist richtig. Deshalb wird meine Fraktion
diesem Gesetzentwurf zustimmen. Alles andere ist
Schrott.
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Gregor Gysi.
Dr. Gregor Gysi (von der PDS mit Beifall be-
grüßt): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle-
gen! Bei solchen Debatten geht es immer auch um die
Stellung der Kinder in der Gesellschaft.
Das ist ein antifeministischer Vorhalt. Wenn Ihr Rollen-
verständnis so ist, dass Männer zu Kindern keine Bezie-
hung haben dürfen und zu diesem Thema nicht reden sol-
len, dann verstehe ich Sie nicht.
Ich war viele Jahre allein erziehend und glaube bei diesem
Thema mitreden zu können.
Es geht um die Stellung von Kindern in der Gesell-
schaft. Ich finde, dass ein jahrzehntelanger Fehlprozess
überwunden werden muss. Ich glaube, dass das allmäh-
lich geschieht. Wir müssen Kinder viel mehr als Subjekte,
als Trägerinnen und Träger eigener Rechte und weniger
als Objekte, wie es in früherer Zeit der Fall war, wahr-
nehmen.
Interessant ist, dass alle Parteien Familienförderung in
ihren Programmen immer groß schreiben. Egal, welche
Regierung gerade an der Macht ist: Man macht Gesetze,
die beim Bundesverfassungsgericht sozusagen durch-
fallen, weil sie sich gerade hinsichtlich der Familienför-
derung als grundgesetzwidrig erweisen. Bundestag und
auch Bundesregierung tun weniger für Familien und Kin-
der als das Bundesverfassungsgericht, das in dieser Hin-
sicht die führende Rolle in der Bundesrepublik Deutsch-
land spielt. Das ist einfach so.
Wahr ist das ist hier mehrfach gesagt worden , dass
wir in die Perspektive von Kindern und Jugendlichen zu
investieren haben. Meine Generation mag das Recht ha-
ben, an sich selbst zu sparen. Wir müssen uns immer wie-
der vor Augen führen: Wir haben nicht das Recht, an der
Zukunft der nächsten Generation zu sparen.
Um das zu verhindern, bedarf es einer ausreichenden
Zahl von Freizeiteinrichtungen für Jugendliche. Es ist
schon bedauerlich, dass in den ersten Jahren nach der
Wende gerade in den neuen Bundesländern viele der vor-
handenen Freizeiteinrichtungen für Jugendliche geschlos-
sen worden sind, obwohl man sie hätte ausbauen können.
Das ist einfach eine Tatsache.
Ich sprach von Freizeiteinrichtungen. Mir ist immer
wieder erklärt worden, diese Einrichtungen seien zu teuer.
Ich kann nur sagen: Jugendstrafvollzug ist wesentlich
teurer.
Lassen Sie uns in Perspektive statt in Folgekosten von
ausgebliebenen Maßnahmen investieren!
Ich komme nun darauf zu sprechen, worauf ich eigent-
lich eingehen wollte: auf den Gesetzentwurf. Es geht
natürlich in Ordnung, dass Sie zum dritten Mal in die-
ser Legislaturperiode das Kindergeld erhöhen. Es ist
klar, dass sich meine Fraktion wünscht, dass es stärker er-
höht wird. Ebenso klar ist, dass wir auf der anderen Seite
jede Erhöhung mittragen.
Insgesamt hat dieser Gesetzentwurf aber beachtliche
Mängel, die man hätte vermeiden können. Lassen Sie
mich auf drei hinweisen.
Erster Mangel. So wie Sie den Gesetzentwurf ein-
schließlich der steuerrechtlichen Regelungen angelegt ha-
ben, kann ein Besserverdienender und erst recht ein Spit-
zenverdiener einen Kinderfreibetrag von monatlich
etwa 459 DM geltend machen. Das Kindergeld für dieje-
nigen, die einen solchen Freibetrag nicht geltend machen
können, beträgt dann 300 DM. Ist denn die Erwartung so
absurd, dass eine sozialdemokratisch geführte Bundesre-
gierung hier eine Korrektur vornimmt, den Kinderfreibe-
trag reduziert und das Kindergeld erhöht
und jede und jeder für jedes Kind 410 DM bekommt? Das
wäre doch gerecht.
Dass die soziale Lage bei uns Erwachsenen so unter-
schiedlich ist, ist halt so. Kinder sollten uns aber alle
gleich viel wert sein.
Zweiter Hinweis. Alleinerziehende werden nun wirk-
lich benachteiligt. Das Bundesverfassungsgericht hat
gerügt, dass der Haushaltsfreibetrag nur für Alleinerzie-
hende gewährt würde, nicht für Verheiratete. Wie kann
man Gerechtigkeit herstellen? Entweder dadurch, dass
man ihn für Verheiratete einführt das machen Sie
nicht , oder dadurch, dass man ihn für Alleinerziehende
streicht. Diesen zweiten Weg sind Sie gegangen.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001 18091
Hören Sie doch einfach einmal zu! Sie sind so aufgeregt,
weil Sie natürlich wissen, dass Ihr Gesetz ganz beachtli-
che Mängel hat;
sonst verhielten Sie sich viel ruhiger und souveräner.
Ich sage Ihnen noch etwas: Die Folge davon ist, dass
eine Alleinerziehende im Jahre 2005 mit einem monatli-
chen Bruttoeinkommen von 2 000 DM trotz Kindergeld-
erhöhung real 50 DM weniger im Monat hat; bei einem
Bruttoeinkommen von 4 000 DM hat sie real 130 DM we-
niger. Das hätte doch wenigstens kompensiert werden
müssen.
Deshalb haben wir den Antrag gestellt, dass real entste-
hende Kinderbetreuungskosten von der ersten Mark an
steuerlich berücksichtigt werden. Damit hätte es eine
Kompensation gegeben.
Sie haben heute noch die Möglichkeit, diesem Antrag zu-
zustimmen.
Drittes Problem. 1 Million Kinder in Deutschland le-
ben von Sozialhilfe und damit in Armut. Hier ergibt
sich dasselbe Problem wie bei Ihrer ersten Kindergeld-
erhöhung, nämlich dass sie von der Sozialhilfe abgezo-
gen wird. Das heißt, für diese 1 Million Kinder bleibt
real nicht eine einzige Mark mehr übrig. Wer Armut
wirksam bekämpfen will, muss das als ungerecht emp-
finden. Deshalb sage ich hierzu: Wer hat Sie denn daran
gehindert, den Weg zu gehen, den Sie bei der zweiten
Kindergelderhöhung gegangen sind, als nämlich, nach-
dem ich bei Frau Christiansen auf diesen Umstand hin-
wies und mich mit Kerstin Müller darüber stritt, Frau
Müller versprach, dass das korrigiert werde? Ihre Ko-
alition hat das dann tatsächlich korrigiert. Warum
können wir diesmal nicht auch den Weg gehen und
dafür sorgen, dass die Kindergelderhöhung nicht auf
die Sozialhilfe angerechnet wird, damit gerade auch
diese Kinder in den Nutzen der Kindergelderhöhung
kommen?
Mit Gesetzen dieser Art bringen Sie die Opposition in
ernsthafte Schwierigkeiten bei der Abstimmung. Sagen
wir nämlich Nein, stehen wir als Leute da, die der Kin-
dergelderhöhung nicht zustimmen. Das ist natürlich nicht
der Fall. Sagen wir Ja, sagen wir auch zu diesem Quark
Ja. Das fällt ungeheuer schwer. Enthalten wir uns, hat man
den Eindruck, wir hätten gar keine Meinung dazu. Das
geht natürlich auch nicht. Wir werden deswegen zumin-
dest mehrheitlich der Kindergelderhöhung letztlich zu-
stimmen. Aber wir haben noch eine Hoffnung, nämlich
den Bundesrat. Wir hoffen, dass der Bundesrat dafür
sorgt, dass das Gesetz wenigstens in den Vermittlungs-
ausschuss kommt.
Wenn dann die größten Ungerechtigkeiten beseitigt wer-
den und das Gesetz wieder dem Bundestag vorgelegt
wird, dann können wir noch mit viel größerer Leiden-
schaft Ja sagen.
Lassen Sie uns wirklich einem Grundsatz folgen: Bei
den Erwachsenen sind die sozialen Unterschiede in un-
serer Gesellschaft ungeheuer groß. Sorgen wir dafür,
dass wenigstens Kinder chancengleich aufwachsen kön-
nen: durch gleichen Zugang zur Bildung, gleichen Zu-
gang zu Kinderbetreuungseinrichtungen, gleichen Zu-
gang zur Kultur. Dieser entscheidet über die Chancen
von benachteiligten Kindern, ob diese Benachteiligun-
gen wenigstens wieder ausgeglichen werden können.
Dazu gehört ein Signal. Es muss lauten: Alle Kinder
sind uns nach der Geburt erst einmal hinsichtlich finan-
zieller Zuwendung gleich viel wert. Da unterscheiden
wir nicht nach dem Einkommen der Eltern. Aber
genau das geschieht. Ich aber will Chancengleich-
heit für Kinder. Das ist nicht zu viel verlangt von einer
von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gestellten Regie-
rung.
Danke.
Das Wort hat
jetzt der Herr Bundesfinanzminister Hans Eichel.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Prä-
sidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich
habe einmal zusammengerechnet, was die vorige und
diese Parlamentswoche ungefähr gekostet hätten, hätten
wir den Anträgen der Opposition zugestimmt.
Am Ende der vergangenen Woche waren es schlappe
80 Milliarden DM.
Wie ich Ihre Forderungen hinsichtlich der Bundeswehr
heute Vormittag beziffern soll, weiß ich nicht genau; viel-
leicht wären Sie mit 5 Milliarden DM zufrieden. In Ihrem
Antrag bezüglich des Kindergeldes, der jetzt vorliegt, sind
es 5,6 Milliarden DM. Kurzum: Würden Ihre Anträge der
beiden letzten Parlamentswochen beschlossen, hätten wir
im nächsten Jahr 90 Milliarden DM weniger an Einnah-
men im Staatshaushalt.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Dr. Gregor Gysi
18092
Das ist nicht Polemik, sondern es geht um die Frage, wie
ernst man das, was Sie hier vortragen, überhaupt nehmen
darf.
Herr Bundesmi-
nister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin
Höll?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein, ich
möchte gerne der verehrten Opposition vorführen, was sie
hier so treibt.
Es ist die Wahrheit, dass das Bundesverfassungsgericht
in Ihrer Regierungszeit festgestellt hat, dass Sie das lag
in Ihrer Verantwortung das Existenzminimum in verfas-
sungswidriger Weise besteuern.
Daraus haben wir bei der Steuerreform die Konsequenz
gezogen, das steuerfreie Existenzminimum immer
weiter heraufzusetzen, während Sie bei der ganzen
Steuerreformdebatte nur ein einziges Wort kannten:
Spitzensteuersatz, Spitzensteuersatz, Spitzensteuer-
satz!
Sind Sie aufgeregt!
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur verfas-
sungswidrigen Schlechterstellung der Familien im Steu-
errecht bezieht sich auf 16 Jahre Regierungszeit von
CDU/CSU und F.D.P. Wir arbeiten das ab.
Nein, gar nicht, ich habe eine wunderbare Bilanz.
In unserer Regierungszeit, in dieser Wahlperiode, stei-
gen die Familienleistungen von unter 80 Milliarden DM
auf über 100 Milliarden DM. Das ist eine Erhöhung um
mehr als 25 Prozent. So etwas haben Sie nie zuwege ge-
bracht.
Damit komme ich zu dem ganz konkreten Sachverhalt,
mit dem wir es heute zu tun haben. Der größte Feind der
Familien heißt nicht Eichel. Die größten Freunde unserer
Kinder sind diese Bundesregierung und die sie tragende
Koalition.
Das, was Sie vorschlagen, heißt konkret, dass die Kinder,
denen Sie angeblich etwas Gutes tun wollen, das hinter-
her selber bezahlen. Das nämlich heißt Kindergeld auf
Pump.
Herr Bundesmi-
nister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin
Lenke?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich be-
kenne mich ganz ausdrücklich dazu, dass ich gesagt habe,
über die Höhe des Kindergeldes könnten wir erst ent-
scheiden
ich komme auch dazu , wenn wir die Steuerschätzung
kennen. Wenn Sie jemals hingeschaut hätten, wie viel
Geld Sie in der Kasse haben, als Sie Ihre Ausgabenbe-
schlüsse gefasst haben, säßen wir nicht auf einem solchen
Schuldenberg.
Wie machen wir unsere Konsolidierungspolitik? Zur
gleichen Zeit, zu der wir hart an die Konsolidierung he-
rangehen, um den nächsten Generationen nicht einen sol-
chen Schuldenberg zu hinterlassen, erhöhen wir das
Wohngeld. Das haben Sie seit 1991 nicht mehr angepackt.
Zur selben Zeit erhöhen wir das Erziehungsgeld in diesem
Haushalt. Das haben Sie ebenfalls lange nicht mehr ange-
packt.
Zur selben Zeit erhöhen wir das BAföG. Sie haben ganz
Recht mit dem Hinweis, wie schlimm es für unser Land
ist, dass nur so wenige junge Leute studieren. Sie haben
uns das doch eingebrockt.
Mein verehrter Vorvorgänger im Amte hat das BAföG
als Sparkasse benutzt, indem er die Beträge immer gleich
gelassen hat und auf diese Weise Jahr für Jahr immer we-
niger ausgeben konnte. Das ist die Wahrheit über Ihre
Haushaltspolitik.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Bundesminister Hans Eichel
18093
Deswegen sage ich ganz ausdrücklich in dem Punkte
hat der Kollege Gysi Recht, er argumentiert nur falsch :
Wir wollen gleiches Kindergeld für alle.
Jetzt wird es ganz spannend. Das Erste ist: Wer hat
heute das höchste Kindergeld? Das sind zwei Gruppen:
die Gruppe am unteren Ende und die Gruppe am oberen
Ende der Einkommensskala. Das höchste Kindergeld ha-
ben wir in der Sozialhilfe und bei den Hochverdienern,
weil es dort über den Steuerfreibetrag zustande kommt.
Übrigens, Sie haben soeben eine merkwürdige Rech-
nung aufgestellt. Schön, dass die CDU/CSU jetzt an das
Kindergeld denkt, das sie früher nie gewollt hat.
Sie sollten einmal Ihre eigene Dialektik betrachten jetzt
wird es schön : Sie haben gesagt, die Familienförderung
über den Freibetrag sei gar nicht mehr so hoch. Diese För-
derung werde inzwischen immer mehr durch die Höhe des
Kindergeldes eingeholt. Das ist doch logisch. Der
Grund ist die Steuersenkung.
Herr Bundesmi-
nister, ich muss Sie nun einmal konkret fragen: Es besteht
der dritte Wunsch nach einer Zwischenfrage. Lassen Sie
gar keine Zwischenfrage zu?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Richtig.
Ich bin überhaupt nicht nervös.
Der schöne Witz der Veranstaltung ist, dass der Wert
der Freibeträge natürlich geringer wird, wenn wir die
Steuern insgesamt senken. Das haben doch auch Sie ge-
wollt. Dann muss man auch die entsprechenden Konse-
quenzen ziehen. Da zeigt sich, dass der Weg über das Kin-
dergeld der allein richtige ist.
Herr Kollege Gysi, auf den Bundesrat würde ich an Ih-
rer Stelle eher nicht setzen.
Inzwischen sind ja alle hier vertretenen Parteien in ir-
gendeinem Bundesland an der Regierung beteiligt. Auf
den Antrag aus Mecklenburg-Vorpommern, das Kinder-
geld nicht auf die Sozialhilfe anzurechnen, warte ich
noch. Das wird Ihr Test. Den müssen Sie dann bestehen.
Dieser Antrag kommt nämlich von überhaupt keiner Lan-
desregierung; damit wir uns richtig verstehen. Da ist man
sich mit der CDU/CSU vollständig einig.
Zum Schluss möchte ich feststellen: Der Bundeshaus-
halt und gerade unser Konsolidierungsprogramm das
will ich mit aller Klarheit sagen sind auf mehr Zukunfts-
investitionen ausgerichtet. Eine entscheidende Zukunfts-
investition ist die in die Familien. In unserer Legisla-
turperiode gab es eine Aufstockung der Mittel für die
Familienförderung um mehr als 25 Prozent. Das ist in der
Tat eine große Leistung.
Nun sage ich Ihnen noch eines: Das Kindergeld und die
Freibeträge sind nicht alles. Es war wunderbar, von Frau
Wülfing zu hören, dass auch die CDU/CSU jetzt gemerkt
hat, dass Kinderbetreuung wichtig ist.
Wenn man sich die Situation in vergleichbaren Staaten in
der Welt ansieht, kann man feststellen: Kein Land ist darin
so schlecht wie Deutschland. In Deutschland ist es nir-
gendwo so schlecht wie dort, wo die CDU und vor allem
die CSU seit langem regieren.
Ach, Ihre Kämpfe gegen die Ganztagsschule, die Sie
noch bis vor ganz wenigen Jahren geführt haben und in
denen Sie argumentierten, man nehme den Familien die
Kinder weg, kenne ich in- und auswendig.
Schade, dass es hier keine gemeinsamen Tagungen von
Bundestag und Bundesrat gibt. Dann könnten wir Ihnen
nämlich einmal vorhalten, was CDU-Leute in den Land-
tagen alles zu Ganztagsschulen gesagt haben. Dann wer-
den Sie sich wundern.
Ich stelle also fest: Die Familie steht bei uns ganz oben.
Aber eine Familienförderung über zusätzliche Schulden,
die unsere Kinder zu bezahlen haben, wollen wir nicht.
Zu einer Kurz-
intervention erhält die Kollegin Höll das Wort.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Bundesminister Hans Eichel
18094
Sehr geehrter Herr Minister!
Ich finde es ein bisschen bedauerlich, dass Sie sich leider
nicht immer die Zeit nehmen, zwischen den Anträgen der
Opposition zu unterscheiden, und dass Sie hier versucht
haben, ein Bild dahin gehend zu malen, als stelle die Op-
position insgesamt unfinanzierbare Anträge.
Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die PDS-Frak-
tion einen Antrag mit dem Titel Gerechte Chancen am
Start Kinderarmut bekämpfen eingebracht hat. Wir ha-
ben in unserem Antrag aufgezeigt, dass es sehr wohl
machbar und finanzierbar ist, zum 1. Januar 2002 für
alle Kinder ein einheitliches Kindergeld von 410 DM zu
zahlen.
Nebenbei bemerkt führen wir damit das fort, was Sie,
solange Sie in der Opposition waren, immer gefordert ha-
ben: die Ablösung der Kinderfreibeträge und die Um-
wandlung in ein einheitliches Kindergeld. Nun an der Re-
gierung, haben Sie sich davon leider verabschiedet.
Wir gehen in unserem Antrag noch weiter, indem wir
vorschlagen, darüber hinaus für die Kinder, deren Fami-
lien sehr wenig Geld haben, also einkommensabhängig,
Zuschläge zu zahlen, sodass das Kindergeld zumindest
für diese Kinder, bei denen es besonders nötig ist, tatsäch-
lich den Status der Existenzsicherung erfüllt.
Ich bitte doch, einfach zur Kenntnis zu nehmen, dass
Ihr Vorwurf, es seien unfinanzierbare Forderungen, genau
hier nicht stimmt. Es ist nachgewiesen, dass es machbar
und finanzierbar ist.
Möchten Sie
antworten? Bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich weise
erstens darauf hin, dass es verfassungsrechtlich nicht
möglich ist, die Freibeträge abzuschaffen. Insofern ist Ihr
Antrag verfassungswidrig.
Zweitens weise ich darauf hin, dass 410 DM einheitli-
ches Kindergeld gegenüber dem jetzigen Zustand eine
Zusatzbelastung von 28 Milliarden DM bedeuten würden.
Die finanzieren Sie durch nichts.
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Ilse Falk.
Frau Präsidentin! Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! Herr Minister Eichel, wenn Sie von
Gedächtnis reden, dann will ich Ihrem Gedächtnis auch
auf die Sprünge helfen, zumal es offensichtlich verbreitet
ist, sich an vieles nicht mehr zu erinnern.
Ich will Sie an die Zahlen erinnern und damit deutlich
machen, was im Jahre 1998 für Familien ausgegeben
wurde. In der Zeit der CDU/CSU/F.D.P.-geführten Bundes-
regierung sind die Leistungen für Familien von 27,5 Milli-
arden auf 78,5 Milliarden DM verdreifacht worden.
Dabei ging es um die Wiedereinführung eines steuerli-
chen Kinderfreibetrages, den Sie völlig abgeschafft hat-
ten, um die mehrfache Anhebung des Kindergeldes,
die Einführung und den Ausbau eines Erziehungsgeldes,
die Anerkennung von Erziehungsjahren in der gesetzli-
chen Rentenversicherung, die Anhebung der Kinderkom-
ponente bei der Eigenheimförderung. Das bedeutete in
Zahlen: Kindergeld 50 Milliarden DM, Erziehungsgeld
7 Milliarden DM, Kinderkomponente bei der Eigenheim-
förderung 4 Milliarden DM, Haushaltsfreibetrag 1,8 Mil-
liarden DM, Ausbildungsfreibeträge 1,3 Milliarden DM,
Unterhaltsfreibetrag 1,2 Milliarden DM. Ich sage dies nur
zu Ihrer Erinnerung. Sie haben nicht bei null angefangen,
sondern Sie haben teilweise das weiterentwickelt, was wir
auf den Weg gebracht haben.
Damit komme ich zu dem Punkt, mit dem ich eigent-
lich anfangen wollte. Bei aller Kritikwürdigkeit des vor-
gelegten Gesetzentwurfs ist es zu begrüßen und nur des-
wegen stimmen wir ihm zu; das ist hier schon vielfach von
anderen begründet worden , dass das Kindergeld zum
1. Januar nächsten Jahres um 30 DM erhöht werden soll.
Das ist gut für die Familien. Damit sind in der Tat in die-
ser Legislaturperiode für die Familien 80 DM Kindergeld
für das erste und zweite Kind dazugekommen.
Alle Eltern von einem Kind oder zwei Kindern werden
sich sicherlich beim Vernehmen dieser Botschaft richtig
freuen, allerdings nur so lange, bis sie durchschauen, dass
sie mehr als ein Drittel durch Umschichtung der Leistun-
gen selber finanzieren.
So sind am Ende die 30 DM nur noch ungefähr 19 DM
wert.
Als ich meine Rede zur ersten Lesung so ähnlich an-
gefangen habe, habe ich noch gehofft, dass wir zu besse-
ren Lösungen kommen würden.
Aber auch in allen anderen Punkten hat sich nichts be-
wegt. Schade!
Nach wie vor stellt sich die Frage, was eigentlich mit
den Eltern von mehr als zwei Kindern ist.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001 18095
Zum zweiten Mal in dieser Legislaturperiode lassen Sie
sie im Regen stehen. Wieder gibt es keinen Pfennig mehr
für die weiteren Kinder. Oder, anders gerechnet wenn
Sie es so nicht verstehen, dann legen Sie es doch einmal
um : Eltern von drei Kindern bekommen pro Kind statt
80 DM ich nehme einmal die kompletten 80 DM nur
noch 53,33 DM, Eltern von vier Kindern gar nur noch
40 DM, Eltern von fünf Kindern nur 32 DM pro Kind. Soll
ich weitermachen? Eltern von zehn Kindern haben ein zu-
sätzliches Kindergeld von 16 DM pro Kind
es gibt auch Eltern mit zehn Kindern , und das trotz
Ökosteuer und, wie wir gerade in den neuesten Presse-
meldungen gelesen haben, trotz sinkender Reallöhne.
Hatten Sie sich nicht einmal die Besserstellung aller
Familien auf die Fahnen geschrieben und lautstark einge-
fordert, jedes Kind müsse dem Staat gleich viel wert sein?
Dass Sie dann auch noch die Alleinerziehenden in die
Umverteilung einbeziehen, löste auch bei dem kleineren
Koalitionspartner erhebliches Unbehagen aus. So sagten
Sie, Frau Kollegin Deligöz, in der Anhörung ich zi-
tiere :
... zwar kristallisiert sich ja jetzt in der aktuellen De-
batte ... heraus, dass gerade die Interessen von Al-
leinerziehenden und Kleinverdienerfamilien nicht
genügend berücksichtigt sind.
Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten in der Koalition mehr
Durchsetzungsvermögen gehabt. Dieser Einschätzung
kann man nämlich nur zustimmen. Die stufenweise Ab-
schmelzung des Haushaltsfreibetrages trifft alle etwas
besser verdienenden Alleinerziehenden. Nur dann, wenn
sie relativ hohe Betreuungskosten haben, kommt ihnen
die verbesserte Absetzbarkeit dieser Kosten zugute.
Auch die Erhöhung des Kindergeldes kommt bei mehr
als 30 Prozent der Alleinerziehenden nicht an, weil sie mit
der Sozialhilfe verrechnet wird, und das, obwohl aus dem
Armutsbericht hervorgeht, dass Einelternfamilien die am
stärksten von Armut betroffene Bevölkerungsgruppe
sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will einen weite-
ren Punkt ansprechen, der bei uns auf völliges Unver-
ständnis stößt und der deshalb zu einer Forderung in un-
serem Entschließungsantrag geführt hat. Auch das ist
heute schon angesprochen worden. Aber ich glaube, man
kann Ihnen das nicht oft genug sagen. Sie streichen die
Absetzbarkeit von hauswirtschaftlichen Beschäfti-
gungsverhältnissen, weil sie diese für ich zitiere
verteilungs- und arbeitsmarktpolitisch fragwürdig
halten.
Dabei hat sich die bisherige Regelung als eine ausge-
zeichnete Hilfe für Familien mit Kindern und/oder pflege-
und betreuungsbedürftigen Familienmitgliedern ebenso
bewährt wie für die Familien, in denen beide Eltern be-
rufstätig sein wollen, oder aber auch für ältere Menschen,
die Unterstützung im Haushalt brauchen.
Ich sage Ihnen das gleich.
Frau Kollegin
Falk, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein, dieAntwort kommt gleich.
Ich weiß, was Sie fragen wollten.
Warum soll im Haushalt eigentlich nicht möglich sein,
was im Betrieb völlig selbstverständlich ist, nämlich die
Kosten einer sozialversicherungspflichtig beschäftigten
Mitarbeiterin als Ausgaben in Abzug zu bringen?
Fast 40 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte
in privaten Haushalten haben davon profitiert. Die Dienst-
leistenden selbst haben oft aus Arbeitslosigkeit und So-
zialhilfe heraus gerade in privaten Haushalten ein sozial-
versicherungspflichtig abgesichertes Arbeitsverhältnis
gefunden.
Sie kritisieren gerne das wird Ihre Frage gewesen
sein , dass dadurch nur wenige neue Stellen entstanden
seien. Auch wir sagen, dass es viel mehr sein könnten.
Deswegen sollten wir prüfen, wo es Schwachstellen bei
der Umsetzung gibt,
anstatt gleich das Kind mit dem Bade auszuschütten.
Oft ist es Uninformiertheit, häufig zu viel Bürokratie.
Ein Punkt kommt hinzu, den Sie, glaube ich, noch gar
nicht ins Auge gefasst haben: Oft sind auch fehlende
Fachkräfte ein Grund dafür, dass keine Haushaltskräfte
eingestellt werden. Hier sollten wir ansetzen. Wir sollten
junge Frauen und vielleicht auch Männer motivieren, eine
hauswirtschaftliche Ausbildung zu machen, und ihnen zu-
gleich diese Arbeitschancen eröffnen. Das, was Sie so
gerne mit dem Begriff des Dienstmädchens oder des
Dienstboten herabsetzen, ist heute alles andere als ein er-
niedrigender Beruf und die Nachfrage nach gut ausgebil-
deten Fachkräften steigt.
Auch der Bundesrat hat sich in seiner Stellungnahme
zu dem Gesetzentwurf dafür ausgesprochen, die Strei-
chung der steuerlichen Absetzbarkeit von Haushaltshilfen
nochmals zu prüfen.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Ilse Falk
18096
Er hat sogar angeregt, die Absetzbarkeit auf Dienstleis-
tungszentren, auf die Leistungen, die man von dort be-
zieht, auszudehnen. Damit gäben wir auch den Haushal-
ten eine Chance, die sich keine eigene Haushaltshilfe
leisten können oder wollen, aber durchaus Bedarf an stun-
denweiser Hilfe haben. Dienstleistungszentren in der An-
laufphase als Modellprojekte zu fördern war richtig und
wichtig. Jetzt bewähren sie sich. Viele Vollzeitarbeits-
plätze konnten geschaffen werden. Wir sollten diesen
Weg weitergehen und den Nutzern steuerliche Abzugs-
möglichkeiten geben; denn die Zentren müssen mit
schwarzen Stundenlöhnen von circa 15 DM konkurrieren.
Es ist sicherlich möglich, die Absetzbarkeit auf hauswirt-
schaftliche Tätigkeiten zu beschränken.
Apropos Haushalt: Alles, was mit Haushalt zu tun hat,
scheint bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, hef-
tige Schreckensvorstellungen auszulösen.
Oder wie sonst kann ich mir erklären, dass das Stichwort
Familiengeld wir haben das in diesen Tagen in den
Diskussionen oft erlebt als unsere Antwort für Familien
bei Ihnen schlagartig die Assoziation mit Küche und Herd
auslöst und damit Ihrer Ansicht nach von Übel und abzu-
lehnen ist?
Ich glaube, ich sollte Ihnen unser Familienkonzept
doch noch einmal erklären, damit Sie ruhiger in die Som-
merpause gehen können:
Der entscheidende Unterschied zu Ihnen ist, dass wir
den Menschen gerade nicht vorschreiben wollen, wie sie
zu leben haben,
sondern wir möchten Anreize geben und Rahmenbedin-
gungen schaffen, damit Menschen ihren Wunsch nach
Familie wirklich leben können.
Dazu gehört als erste Säule die bessere Vereinbarkeit
von Familien- und Erwerbsarbeit das haben wir nun
wirklich nicht erst jetzt erfunden
mit unter anderem einem deutlich bedarfsgerechteren Be-
treuungsangebot und einer familiengerechteren Arbeits-
welt. Dazu gehört als zweite Säule die Stärkung der Er-
ziehungskompetenz, aber als dritte Säule eben auch eine
deutlich bessere finanzielle Förderung der Familien, die
zu mehr Gerechtigkeit zwischen Erziehenden und Kin-
derlosen beitragen soll. Dazu wollen wir das wissen
Sie stufenweise ein umfassendes Familiengeld ein-
führen, das die Familien deutlich entlastet:
in den ersten drei Lebensjahren 1 200 DM, von vier bis
18 Jahren 600 DM und danach circa 300 DM.
Das ist der wesentliche Punkt: Das Familiengeld soll
unabhängig vom Umfang der Erwerbstätigkeit oder dem
Einkommen geleistet werden, ist steuer- und sozialabga-
benfrei und muss dynamisiert werden. Andere staatliche
Leistungen für Familien bleiben erhalten. Es gibt also
keinerlei Veranlassung zu der Vermutung, die CDU/CSU
habe das Familiengeld nur als Mittel erfunden, um Frauen
zurück an den Herd zu holen.
Das Familiengeld wird auch bei Erwerbstätigkeit beider
Eltern gezahlt und hilft gerade, die Betreuung der Kinder
und eine möglicherweise notwendige Entlastung im
Haushalt zu realisieren. So können Eltern selbst entschei-
den, wie sie die Aufgaben innerhalb der Familie verteilen,
ob untereinander oder auch auf bezahlte Hilfen.
Mit dem dynamisierten Familiengeld wollen wir zu-
gleich sicherstellen, dass künftig niemand mehr auf So-
zialhilfe angewiesen ist, nur weil er Kinder hat.
Kein Kind wird mehr von Sozialhilfe abhängig sein. Das
hat den zusätzlichen positiven Effekt, dass sich die Auf-
nahme einer Beschäftigung für Sozialhilfeempfänger be-
reits viel früher lohnt.
Leider läuft die Uhr schon rückwärts, sodass ich zur
Finanzierung des Familiengelds an dieser Stelle nichts sa-
gen kann. Dazu werden wir aber in den zukünftigen Dis-
kussionen kommen.
Ich will noch etwas zu den Prioritäten sagen: Priorität
haben bei uns die Familien. Darin unterscheiden wir uns
ganz deutlich von Ihnen, denn die Diskussion im Vorfeld
um die Anhebung des Kindergeldes um 30 DM war be-
schämend für die Familien.
Frau Kollegin
Falk, Sie dürfen nicht mehr argumentieren.
Ein letzter Satz: Nach Vorlie-
gen der Steuerschätzung so hieß es aus dem Hause
Eichel und auch eben aus des Ministers Mund wolle
man nach Berücksichtigung aller anderen Ausgaben se-
hen, ob noch genügend für die Familien übrig bleibe.
Frau Kollegin
Falk, bitte.
Familien als Almosenempfän-
ger? So nicht, Herr Eichel! Familien gehören an die
erste Stelle.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Ilse Falk
18097
Jetzt hat die
Frau Bundesministerin Christine Bergmann das Wort.
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete!
Derzeit wird viel über Familienförderung geredet. Das
wäre natürlich richtig, wichtig und auch gut so, wenn es
denn ein Wettstreit um die besten Lösungen für die Fami-
lienförderung wäre. Aber das, was wir vonseiten der Op-
position auf den Tisch bekommen, hat wenig mit Serio-
sität zu tun.
Das hat auch sehr wenig damit zu tun, was Familien wirk-
lich brauchen. Es ist angesichts der Tatsache, dass wir ei-
nen Teil der Leistungen im Familienförderungsgesetz
deshalb erbringen müssen, weil wir die von Ihnen hinter-
lassenen Erblasten abarbeiten müssen, auch nicht beson-
ders überzeugend. Zu den einzelnen Punkten sage ich
noch etwas.
Wenn man Familien wirklich unterstützen will, muss
man vielfältige Wege gehen. Genau das tun wir. Wir ha-
ben in der Kinder- und Familienpolitik eine Wende einge-
leitet. Wir haben ein vernünftiges Familienkonzept, das
auf mehreren Säulen ruht. Wir reden nicht nur über Kin-
dergeld, sondern über Gesamtleistungen für Familien.
Ich will die Säulen unseres Konzeptes nennen: Es geht
zum einen darum, die finanziellen Leistungen auszu-
bauen. Es geht darum, die Rahmenbedingungen zur Ver-
einbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern das
Thema ist jetzt sogar schon bei der CDU/CSU angekom-
men , und es geht darum, Eltern in ihrer Erziehungs-
kompetenz zu unterstützen und Kinderrechte auszubauen.
Das sind Themen, die ich in der heutigen Debatte, in der
es um Familienpolitik geht, vermisst habe.
Zu den einzelnen Punkten sage ich später noch etwas.
Zunächst zu den finanziellen Leistungen, die wir mit
dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Familienförde-
rung auf dem Tisch haben. Ich sage noch einmal ganz
klar: Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts
betreffen erstens Altlasten; zweitens sind es Beschlüsse,
die wir mit einer reinen Steuerfreibetragsregelung hätten
umsetzen können. Die Beschlüsse sind so angelegt; das
wissen Sie alle in diesem Haus.
Wir wollen eine reine Steuerfreibetragsregelung aber
nicht, weil sie sozial nicht gerecht ist; denn wir wissen,
wie unterschiedlich die Entlastungswirkung einer Freibe-
tragsregelung ist. Deshalb legen wir unsere Priorität ganz
klar auf die Position: Freibeträge nur so viel, wie unbe-
dingt nötig, und Kindergeld so viel wie möglich. Das ist
ein vernünftiges Prinzip, über das wir uns, so glaube ich,
verständigen können.
Wir haben dieses Prinzip umgesetzt und werden es
weiter umsetzen. Wir wissen ich sage das auch noch
einmal , dass es immer noch eine Schere zwischen dem
Kindergeld und der Entlastungswirkung durch Freibe-
träge gibt. Es existiert aber eine entsprechende Vorgabe
des Bundesverfassungsgerichts. Deshalb kann man auf
die Freibetragsregelung leider nicht verzichten.
Frau Ministerin,
gestatten Sie Zwischenfragen? Es haben sich die Kollegin
Lenke und der Kollege Seifert gemeldet.
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Sie wissen, ich bin
immer dazu bereit, aber heute einmal nicht.
Ich komme nun auf einen zweiten Punkt, der über das
hinausgeht, was von uns verlangt wird, nämlich die steu-
erliche Absetzbarkeit von real auftretenden Kinderbe-
treuungskosten über den Freibetrag für alle hinaus. Was
habe ich dazu nicht alles in den letzten Tagen und Wochen
gelesen! Heute sind wir immerhin schon ein Stück weiter;
es kommen konkrete Vorschläge. Die einen sagen, es sei
nicht genug, wir würden uns mehr wünschen. Die ande-
ren sagen, es müsse auf eine größere Gruppe ausgeweitet
werden. Nun frage ich mich: Warum sind Sie zu Ihrer Re-
gierungszeit dieses Thema ist doch schon lange in der
Diskussion diesen Punkt nie angegangen?
Man kann viel über die Vereinbarkeit von Beruf und
Familie reden. Zum Schwur kommt es erst, wenn man
sich ansieht, was konkret dafür getan wurde. Mit unseren
Maßnahmen haben wir etwas zur Verbesserung der Ver-
einbarkeit von Beruf und Familie getan, insbesondere für
allein erziehende Mütter. Wir wissen natürlich, dass es
durch die Abschmelzung des Haushaltsfreibetrages zu
einer Mehrbelastung kommt. Es stimmt aber nicht, dass
die Alleinerziehenden schlechter dastehen. Wir haben
diese Regelung das ist enorm wichtig in gleicher
Weise für Eltern getroffen.
Sie argumentieren, wir würden die Vorteile nur den Fa-
milien gewähren, bei denen beide Elternteile erwerbstätig
sind. Ich will dazu sagen: Wir haben ein Steuersplitting,
das weitestgehend Einverdienerfamilien begünstigt, egal,
ob sie Kinder erziehen oder nicht. Alleinerziehende haben
davon nichts.
Wenn wir eine Regelung allein auf diesen Punkt begren-
zen, halte ich das für durchaus vernünftig.
Ich will noch etwas zu dem so genannten Dienst-
mädchenprivileg sagen, weil Sie, Frau Falk, dies eben
angesprochen haben.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 200118098
Ja, die Haushaltshilfen. Sie wissen es doch alle; wir
haben es heute wieder gehört. Warum erzählen Sie uns
dann immer wieder Dinge, die nicht stimmen? Das
Dienstmädchenprivileg war als Arbeitsmarktinstrument
gedacht. Wir alle haben gehofft, in den Haushalten
Arbeitsplätze schaffen zu können. Sie wissen genau, dass
es nichts gebracht hat; es ist ein reiner Mitnahmeeffekt
entstanden.
Auch ich würde mir wünschen, in den Haushalten gute
und ordentliche Arbeitsverhältnisse zu schaffen. Aber auf
diesem Weg hat es offensichtlich nicht funktioniert.
Wir haben bei all unseren Reformvorhaben, die wir auf
den Tisch gelegt haben, die Familien berücksichtigt: Die
Steuerreform entlastet ganz erheblich auch die Familien;
beim BAföG, beim Wohngeld, bei der Rentenreform, bei
der Novelle des Erziehungsgeldgesetzes überall sind fa-
milienfreundliche Komponenten enthalten. Das heißt, Fa-
milien haben heute sehr viel mehr Geld im Geldbeutel als
noch vor drei Jahren.
Frau Falk, da Sie gerade Rechnungen angestellt haben,
will auch ich das tun: Die in Rede stehenden Leistungen
sind in dieser Legislaturperiode von 78 Milliarden auf
mehr als 100 Milliarden DM gestiegen. Wir haben natür-
lich nicht bei Null angefangen; das haben wir aber auch
nicht gesagt. Während Ihrer Regierungszeit diese dau-
erte immerhin 16 Jahre stiegen diese Leistungen um
50 Milliarden DM. Selbst wenn man nicht ganz genau,
sondern recht großzügig zu Ihren Gunsten rechnet, sind
wir mit den Verbesserungen immer noch doppelt so
schnell.
Aber ich habe doch noch Zeit, oder?
Ich wollte nur
um etwas mehr Ruhe bitten.
Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Das wäre in der Tat
ganz gut. Wenn man Familienpolitik für ein wichtiges
Thema hält, dann sollte man auch einmal einen Moment
zuhören können.
Wir werden unseren Weg der Entlastung der Familien
ganz konsequent fortsetzen. Unser Ziel ist, die Kinder aus
der Sozialhilfe herauszuholen bzw. zu verhindern, dass sie
überhaupt von Sozialhilfe abhängig sind. Dazu haben wir
einige Vorschläge auf dem Tisch liegen. Wir werden be-
strebt sein, die Schere zwischen der Entlastungswirkung
des Freibetrags und dem Kindergeld weiter zu schließen.
Sie wissen, welche Vorschläge es gibt ja eine ganze
Menge dazu in der Diskussion sind.
Klar ist jedenfalls, dass kein Weg an der Vereinbarkeit
von Familie und Beruf vorbeiführt.
Gut, dass Sie mich an dieses Thema erinnern; das hätte
ich fast vergessen.
Rechnen wir also auch einmal Ihren Vorschlag zum
Familiengeld durch auch wenn wir dies nicht zum ers-
ten Mal machen : Das Erziehungsgeld beträgt jetzt
600 DM; wenn man es auf ein Jahr budgetiert, sogar
900 DM. Dazu gibt es ein Kindergeld von 300 DM. Nun
frage ich Sie einmal: Inwiefern sollte eigentlich die
Gruppe der Bezieher geringerer Einkommen, die derzeit
das Erziehungsgeld bekommen, von Ihrem Familiengeld
profitieren? Überhaupt nicht!
Mit diesem Vorschlag setzen Sie die Leistung wieder voll-
kommen unkontrolliert dort an, wo sie nicht unbedingt
hingehört.
Ich habe noch die Stimme meines Ministerkollegen im
Ohr, als ich selbst noch Landesministerin war, der in der
Diskussion über das Familiengeld immer gesagt hat: Das
ist ja prima, dann brauchen wir nicht mehr so viele
Kinderbetreuungseinrichtungen, dann können wir ja an
dieser Ecke sparen. Natürlich wird nach Ihrem Modell
der Effekt eintreten, dass die Frauen vom Arbeitsmarkt
fern gehalten werden, ob Sie das nun wollen oder nicht.
Ich will kurz auf zwei weitere Punkte eingehen. Wenn
wir über Familienförderung reden, reicht es nicht, nur
über Geld zu reden. Wir haben die Rahmenbedingungen
auch dadurch verbessert, dass wir das Erziehungsgeldge-
setz geändert haben. Die Möglichkeiten der Vereinbarkeit
von Familie und Beruf sind durch den Rechtsanspruch
auf Teilzeitarbeit wesentlich ausgeweitet worden. Wir
wollen damit natürlich erreichen, dass sich mehr Väter an
der Erziehungsarbeit beteiligen. Niemand kann etwas da-
gegen haben, wenn in einer Familiendebatte auch Väter
reden. Deswegen hätte ich mich gefreut, wenn Herr Gysi
er ist leider nicht mehr da in seinem Beitrag auch ein-
mal als Vater geredet und anerkannt hätte: Jetzt sind
weitere Möglichkeiten geschaffen worden, die Väter
stärker an der Familienarbeit zu beteiligen. Denn auch
das gehört für mich zu einer vernünftigen Familien-
politik.
Wir begleiten den zur Beratung anstehenden Gesetz-
entwurf mit einer Väterkampagne. Lassen Sie mich da-
her einmal über meine Erfahrungen damit berichten: Ich
war die letzte Zeit in vielen Unternehmen unterwegs.
Denn wir wollen schließlich, dass Unternehmen bei die-
sem Thema mitziehen, familienfreundliche Arbeitsbedin-
gungen schaffen, Möglichkeiten der Teilzeitarbeit schaf-
fen usw. und dabei nicht immer nur die Mütter im Blick
haben. Familienfreundliche Arbeitsbedingungen sind
nicht nur etwas für Mütter; sie sind auch etwas für Väter.
Ich habe gesehen: Es ist unwahrscheinlich viel möglich,
wenn all diese Fragen Führungsaufgaben und Teilzeit,
Elternseminare zur Unternehmenskultur gehören. Wir
ziehen da mit!
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Bundesministerin Dr. Christine Bergmann
18099
Alle diese Regelungen haben Sie abgelehnt.
Dies sollte man festhalten, um Ihre Familienfreundlich-
keit zu dokumentieren.
Sie haben das Erziehungsgeldgesetz abgelehnt, Sie haben
das Teilzeitgesetz abgelehnt obwohl all dies dazu
beiträgt, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu ver-
bessern.
Wir haben es vernünftig gemacht.
Ein letzter Punkt: Natürlich brauchen wir zusätzliche
Kinderbetreuungseinrichtungen. Da sind das wissen
wir alle die Länder und die Kommunen in der Pflicht.
Wenn man sich den Versorgungsgrad der Null- bis Drei-
jährigen anschaut, so muss man feststellen: Am schlech-
testen sieht es in Bayern und Baden-Württemberg aus.
Aber dort kann man ja jetzt aufholen. Denn wir haben in
diesem Familienfördergesetz festgelegt, dass der Bund ei-
nen höheren Anteil beim Kindergeld übernimmt, unter der
Voraussetzung, dass die Länder den finanziellen Spiel-
raum zum Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen
nutzen. Nun sollen sie das bitte schön auch einmal tun.
Ein Allerletztes: Ich habe über Erziehungskompetenz
geredet. Sie haben das auch getan, Frau Falk das hat
mich sehr gefreut ; Sie haben nur nicht gesagt, was Sie
machen wollen. Wenn wir über Familie reden, reden wir
über Kinderrechte und Erziehungskompetenz. Wir haben
einen Gesetzentwurf zur gewaltfreien Erziehung von Kin-
dern gegen Ihren Widerstand auf den Weg gebracht. Dass
Sie auch dies nicht wollten, muss man in einer solchen
familienpolitischen Bilanz auch erwähnen.
Wir unterstützen Familien bei ihrer Erziehungsauf-
gabe. Die Familien in diesem Land wissen, dass sie in uns
eine wichtige Stütze haben. Wir betreiben auf der Basis
unseres familienpolitischen Konzeptes in allen relevanten
Bereichen eine konsequente Familienförderung.
Danke.
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Norbert Barthle.
Verehrte Frau Präsi-
dentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen
Sie mich eine Vorbemerkung machen. Wir haben jetzt
zur Familienförderung verschiedene Reden gehört. Mir
fiel schon auf, dass von den Regierungsfraktionen aus-
schließlich Frauen zu Wort kamen. Mir drängt sich die
Frage auf, ob es hier um Familienförderung oder um Frau-
enförderung geht.
Ach richtig, der Herr Eichel durfte ja auch reden. Aber
er tat dies in seiner Funktion als Bundesfinanzminister.
Welche Botschaft hat er uns übermittelt? Mehr gibt es
nicht! Ansonsten haben wir eine von parteipolitischer Po-
lemik geprägte Rede gehört, auf die meines Erachtens ein
Finanzminister nicht stolz sein kann.
Wir von der CDU/CSU-Fraktion sind jedenfalls der
Auffassung, dass auch Männer mitzureden haben, wenn
es um Familienförderung geht. Deswegen spreche ich hier
als Familienvater.
Lieber Herr Eichel, wir sind es bei Ihren Gesetzen ja
schon gewohnt, dass man zwischen der radikalpopulis-
tischen Lyrik und dem, was tatsächlich im Gesetz steht,
genau unterscheiden muss. Deswegen muss man hier ein-
fach darauf hinweisen, dass der richtige Titel für Ihr Ge-
setz der folgende wäre: Gesetz zur minimalen Umset-
zung bundesverfassungsgerichtlicher Vorgaben mittels
Umverteilung familienpolitischer Leistungen. Ein sol-
cher Titel würde die Menschen nicht hinters Licht führen.
Herr Eichel, Ihr Steuerentlastungsgesetz entlastet die
Bürger ja nicht wirklich, und das Steuersenkungsgesetz
führt zu Mehrbelastungen. Angesichts dessen wundert es
niemanden, dass auch das Familienförderungsgesetz die
Familie nur unzureichend fördert und in manchen Fällen
die Situation für Familien sogar noch verschlechtert.
Wenn wir dennoch dieser Reform zustimmen, dann
verweise ich auf die Begründungen meiner Vorrednerin-
nen; darauf will ich nicht mehr eingehen. Festzuhalten
bleibt aber: Ihre halbherzige Reform ist bei weitem nicht
das, was Familien von der Politik, vor allem von einer
Bundesregierung, erwarten dürfen.
Glaubt man der Shell-Jugendstudie, wird der traditio-
nelle Familienbegriff von der Mehrzahl der jungen Men-
schen immer noch hoch gehalten. Die Ehe wird als die
selbstverständlich eingegangene Lebensform von Mann
und Frau betrachtet, die zusammen mit den Kindern und
eventuell mit den Großeltern eine Familie bildet, die für-
einander einsteht. Natürlich sind auch neue Formen des
Zusammenlebens entstanden; Familie findet heute auf
vielfältige Art und Weise statt, sodass sich junge Men-
schen mehr denn je aktiv und ganz bewusst für Familie
und Ehe entscheiden müssen. Sie tun es Gott sei Dank
noch häufig.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Bundesministerin Dr. Christine Bergmann
18100
Erlauben Sie mir dazu noch eine Randbemerkung: Wenn
der berühmt gewordene Satz des Regierenden Bürger-
meisters bei einem Sachverhalt gerechtfertigt ist, dann für
diesen.
Ohne Familie geht es nicht. Sie genießt zu Recht den
besonderen Schutz unseres Grundgesetzes. Familie ist das
Bollwerk in unserer Gesellschaft. CDU und CSU als die
Familienparteien Deutschlands
haben, solange sie regiert haben das wissen wir alle ,
nicht alles Wünschenswerte geleistet; auch bei uns gab es
einen Finanzminister. Aber die grundlegenden, mutigen
und weitreichenden Entscheidungen wurden in dieser
Zeit getroffen: Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub, die
Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der Rente,
die Entwicklung des Familienleistungsausgleichs usw.
wurden eingeführt. Sie wissen ganz genau, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, dass die
grundlegenden familienpolitischen Entscheidungen von
uns gemeinsam mit der F.D.P., aber eben nicht von der
SPD getroffen wurden. Das wurmt Sie.
Erlauben Sie mir eine zweite Bemerkung. Schauen Sie
doch in die Bundesländer, in denen CDU oder CSU re-
gieren! Dort findet ein höherer Transfer statt. Dort haben
wir höhere Geburtenraten. In Baden-Württemberg gibt es
ein Landeserziehungsgeld.
Wie sieht denn nun Ihr großer Wurf aus? Sie erhöhen
das Kindergeld um 31 DM. Das daraus resultierende Vo-
lumen von insgesamt 5,9 Milliarden DM wirkt bei iso-
lierter Betrachtung recht gut, auch wenn mehr angekün-
digt war. Aber meine Vorrednerinnen haben darauf
hingewiesen was ist mit den Familien, die drei, vier oder
noch mehr Kinder haben?
Vor allem werden es Ihnen die Familien im Supermarkt
danken, wenn sie feststellen, dass ihr Kaufkraftverlust
durch die rot-grüne Geldentwertungspolitik ein Mehrfa-
ches der Kindergelderhöhung beträgt.
Ein normaler Haushalt hat laut Statistischem Bundes-
amt Aufwendungen für den privaten Verbrauch in Höhe
von durchschnittlich 4 031 DM pro Monat.
Bei der derzeitigen Inflationsrate verliert dieser Haushalt
Monat für Monat 141 DM an Kaufkraft. Was heißt das?
Sie geben den Familien nicht annähernd das zurück, was
Sie ihnen vorher durch Ihre falsche Wirtschafts- und Steu-
erpolitik nehmen.
Nebenbei muss man nochmals den grundsätzlichen
Widerspruch anmerken, der auf ein einseitig ideologi-
sches Gesellschaftsbild zurückgeht. Sie haben nur die be-
rufstätigen Mütter bzw. Eltern, die beide berufstätig sind,
im Blick. Damit wiederholen Sie genau den Fehler, den
das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil angepran-
gert hat. Sie grenzen die Freiheit der familiären Lebens-
gestaltung in eklatanter Weise ein,
indem Sie die Familien benachteiligen, in denen ein Ehe-
partner die gemeinsamen Kinder erzieht und auf ein eige-
nes Einkommen verzichtet oder was Sie sich vielleicht
nicht vorstellen können eventuell auch verzichten muss.
Deshalb wurden wir aufgefordert, hierfür eine gerechtere
Lösung zu finden. An dieser Aufgabe sind Sie gescheitert.
Wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, haben mit
unserem Vorschlag für ein Familiengeld ein stimmiges
Konzept vorgelegt. Wir haben auch einen Entschlie-
ßungsantrag vorgelegt, der Ihrem Gesetzentwurf die we-
sentlichsten Giftzähne zieht.
Dem können Sie zustimmen.
Jedenfalls vermisse ich bei Rot-Grün ein stimmiges,
ein geschlossenes Konzept. Ich höre, man arbeite daran.
Festzuhalten bleibt aber: Dieses Gesetz ist erneut Stück-
werk; es wird mit der rechten Hand gegeben, was zuvor
mit der linken genommen worden ist. Das nenne ich nicht
Politik der ruhigen Hand; das ist Politik der gierigen
Hand.
Wenn das, was gemunkelt wird, zutrifft und der neue
Wahlslogan der SPD Sicherheit im Wandel lauten wird,
dann können bei Rot-Grün die Familien leider sicher sein,
dass sich nicht viel zum Besseren wandelt. Wir haben die
besseren Konzepte.
Danke.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Norbert Barthle
18101
Es gibt noch
eine letzte Rednerin in dieser Debatte. Ich bitte darum,
den Geräuschpegel insgesamt etwas zu senken, weil es
sonst für die Rednerin sehr schwer ist. Das galt auch
schon für die letzten Redner.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Ekin Deligöz.
Frau
Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr ge-
ehrter Herr Kollege Barthle, Sie reden von besseren Kon-
zepten. Ich möchte einmal sagen: Sie haben ein kurzes
Gedächtnis. Aber das ist auch das Einzige, was Sie haben.
Es erfordert wahrhaftig ein nicht allzu gutes Gedächt-
nis, um sich an die Entwicklung des Kindergeldes zu er-
innern. Im Jahre 1995 lag das Kindergeld bei 70 DM für
das erste und 130 DM für das zweite Kind. Dann kam es
bis 1998 zu einer Erhöhung des Kindergeldes auf
220 DM. Der einzige Grund, warum dieser Betrag von
220 DM durchgesetzt wurde, war, dass sich die rot-grü-
nen Länder, die in der Länderkammer die Mehrheit hat-
ten, im Vermittlungsverfahren durchsetzen konnten, als es
darum ging, Ihren Haushalt zu verabschieden. Um nichts
anderes ging es.
Jetzt erklären Sie hier: Das haben wir durchgesetzt.
Hierzu möchte ich sagen: Frischen Sie Ihr Gedächtnis ein-
mal ein bisschen auf!
Ab dem 1. Januar 2002 wird das Kindergeld bei
300 DM liegen. Das ist das, was wir durchgesetzt haben.
Damit kann sich unsere rot-grüne Zwischenbilanz in der
Familienpolitik durchaus sehen lassen.
Aber wir bleiben nicht bei diesem Punkt stehen. Wir re-
den von viel mehr, so etwa über die Absetzbarkeit von rea-
len Betreuungskosten. Doch für uns ist die Familienpo-
litik nicht nur mit den Finanzen verbunden. So kurzsichtig
sind wir nicht. Für uns gehört ein fairer Familienlasten-
ausgleich genauso wie die Vereinbarkeit von Beruf und
Familie dazu.
Ein anderes Thema sind hierbei die ökologischen
Rechte der Kinder und auch der Schutz der Kinder vor
Gewalt. Dazu haben wir schon vier Gesetzentwürfe vor-
gelegt. Sie haben bisher gegen all diese Gesetzentwürfe
gestimmt. Ich erinnere nur an das Recht auf eine gewalt-
freie Erziehung.
Die PDS redet von subjektiven Kinderrechten. Fami-
lien zu stärken, ihnen in Krisenzeiten, in schwierigen Si-
tuationen Hilfe zu bieten heißt auch, Kinder stark zu ma-
chen für die Herausforderungen des Lebens. Genau das
machen wir. Für uns sind Kinder eigenständige Per-
sönlichkeiten. Sie haben ein eigenes Recht auf Entfaltung.
Für uns ist Kinder- und Familienpolitik nicht nur ein
Thema von Sonntagsreden. Für uns besteht diese Politik
nicht aus solchen Vorschlägen, wie sie von der CDU/CSU
kommen, die sich das Ziel von 60 Milliarden DM für die
Familienpolitik gesetzt haben und diese Summe irgend-
wann einmal in ferner Zukunft erreichen wollen. Dies
geht aber an der Realität völlig vorbei. Das ist für uns kein
schlüssiges Konzept. Für uns gehört sehr viel mehr dazu.
Ich fand es etwas seltsam, dass gerade Sie damit ko-
kettieren, Vater von Kindern zu sein. Hier gibt es erstens
mehrere Väter und zweitens mehrere Mütter. Diese ko-
kettieren aber nicht damit. Das sollte hier einmal erwähnt
werden.
Wenn wir über die Problematik der Kinderbetreuung
reden, dann reden wir immer noch über ein Thema, das
vor allem Frauen betrifft. Es sind immer noch zuerst die
Frauen, die auf den Job und damit auf die Karriere ver-
zichten müssen. Wenn wir über die Betreuung reden, dann
müssen wir auch über eine in sich stimmige Frauenpolitik
reden.
Ein Thema bleibt noch übrig. Das ist das, was uns der
Armuts- und Reichtumsbericht aufgezeigt hat. Armut
in Deutschland hat immer noch ein sehr junges Gesicht.
Sie betrifft vor allem Kinder. 10 Prozent der Kinder und
Jugendlichen leben tatsächlich in sehr prekären Verhält-
nissen. Noch einmal ungefähr die gleiche Zahl von Kin-
dern lebt von der Sozialhilfe. Hier wollen wir Grünen
bedarfs- und zielorientiert mit einem finanzierbaren Kon-
zept vorangehen. Wir haben dazu ein Konzept zur Kin-
dergrundsicherung vorgelegt. Meine Kollegin Christine
Scheel ist schon darauf eingegangen.
Wir wollen nicht, dass Kinder von Sozialhilfe leben
müssen, sondern wir wollen ihnen zu einem besseren Le-
ben verhelfen. Wir wollen, dass der Fallbeileffekt in der
Sozialhilfe überwunden wird, dass es sich rentiert, Leis-
tung zu erbringen. Wir wollen ganz gezielt und bedarfs-
orientiert und nicht nach dem Gießkannenprinzip vorge-
hen, wie dies von mehreren Seiten vorgeschlagen wurde.
Wir haben ein Gegenfinanzierungsmodell eingebracht,
das die Umwandlung des Ehegattensplittings in ein Real-
splitting vorsieht. Dadurch stehen uns Mittel zur Refi-
nanzierung einer Kindergrundsicherung zur Verfügung.
Zu dem Vorwurf der PDS, dass die Höhe der durch
diese Umwandlung erzielten Mittel erst einmal berechnet
und konkrete Zahlen vorgelegt werden müssten, sage ich
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 200118102
deshalb: Das brauchen wir gar nicht mehr. Das DIW hat
erst vor einer Woche ein Gutachten zu dem von den Grü-
nen vorgeschlagenen Konzept vorgelegt. Außerdem gibt
es Berechnungen von verschiedenen Verbänden und Ver-
einigungen angefangen vom Paritätischen Wohlfahrts-
verband bis hin zum Deutschen Kinderschutzbund , die
belegen, dass unser Kindergrundsicherungsmodell auf
diese Weise finanzierbar ist. Wir brauchen also keine Zah-
len mehr, sondern politische Entscheidungen.
Unsere Zielrichtung ist klar: Wir wollen nicht weniger,
sondern mehr Freiheit für die Paare, die sich für Kinder
entscheiden wollen. Aber wir wollen keinen moralischen
Zwang auf Paare ausüben, Kinder zu bekommen. Es muss
die persönliche Entscheidung von Frau und Mann sein, ob
sie Kinder haben wollen oder nicht, wie sie ihre Kinder
aufziehen wollen und für welche Lebensform sie sich ent-
scheiden. Deshalb müssen wir bessere Rahmenbedingun-
gen für Eltern, für das Aufwachsen der Kinder und für das
Zusammenleben mit Kindern schaffen. Wer sich für Kin-
der entscheiden will, soll sich das auch leisten können und
deshalb die maximale Unterstützung vonseiten der Politik
bekommen.
Danke schön.
Danke schön.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen. Die Abgeordnete
Dr. Barbara Höll und weitere 15 Mitglieder der Fraktion
der PDS möchten eine Erklärung zur Abstimmung abge-
ben.1) Diese soll zu Protokoll gegeben werden. Sind Sie
damit einverstanden? Das ist der Fall.
Wir kommen nun zur Abstimmung über die von den
Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen
sowie von der Bundesregierung eingebrachten Entwürfe
eines Zweiten Gesetzes zur Familienförderung. Der
Finanzausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 14/6582, die Gesetzentwürfe
auf den Drucksachen 14/6160 und 14/6411 in der Aus-
schussfassung anzunehmen.
Es liegen ein Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P.
und zwei Änderungsanträge der Fraktion der PDS vor.
Über den Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. und
über einen Änderungsantrag der Fraktion der PDS stim-
men wir namentlich ab.
Aus gegebenem Anlass möchte ich Sie darauf hinwei-
sen es sind ja die letzten Abstimmungen vor der Som-
merpause , dass nach den namentlichen Abstimmungen
strittige Abstimmungen folgen. Ich bitte Sie deshalb, bis
zur letzten Abstimmung anwesend zu sein, damit wir zu
sauberen Abstimmungen kommen können.
Ebenfalls aus gegebenem Anlass bitte ich alle Kolle-
ginnen und Kollegen, bei den namentlichen Abstimmun-
gen sorgfältig darauf zu achten, dass die Stimmkarten den
eigenen Namen und nicht einen anderen tragen. Bitte
überprüfen Sie Ihre Stimmkarte, bevor Sie sie in die Urne
werfen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ände-
rungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksa-
che 14/6596. Die Fraktion der F.D.P. verlangt namentliche
Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schrift-
führer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle
Urnen besetzt? Das ist der Fall. Dann eröffne ich jetzt
die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimmkarte in diesem Wahlgang nicht abgegeben hat?
Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich hier-
mit die Abstimmung.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit
der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen
später bekannt gegeben. Wir setzen die Abstimmungen
fort.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Ände-
rungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache
14/6589. Die Fraktion der PDS verlangt ebenfalls na-
mentliche Abstimmung. Dies ist jetzt die zweite nament-
liche Abstimmung. Danach ich wiederhole es gibt es
weitere strittige Abstimmungen.
Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die
vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Wahlurnen
besetzt? Das scheint der Fall zu sein. Ich eröffne die Ab-
stimmung.
Obwohl ich die Abstimmung schon eröffnet habe,
scheint eine Urne nicht doppelt besetzt zu sein. Deswegen
ist sie auch nicht geöffnet. Wir schicken jetzt einen Saal-
diener hin, sodass dann auch dort abgestimmt werden
kann. Ich schließe den zweiten Wahlgang noch nicht. Es
tut mir Leid, dass ich das nicht habe sehen können.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das in die-
ser zweiten namentlichen Abstimmung noch nicht abge-
stimmt hat? Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die
zweite namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftfüh-
rerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekannt gegeben.
Ich bitte Sie, die Plätze einzunehmen, um mir einen et-
was besseren Überblick zu ermöglichen. Wir müssen
noch eine Reihe von Abstimmungen und auch die Schluss-
abstimmung durchführen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungs-
antrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/6588.
Wer stimmt für diesen Änderungsantrag der PDS? Ge-
genstimmen? Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist
mit den Stimmen des ganzen Hauses gegen die Stimmen
der PDS, die zugestimmt hat, abgelehnt worden.
Ich kann jetzt schon das von den Schriftführerinnen
und Schriftführern ermittelte Ergebnis der ersten na-
mentlichen Abstimmung, über den Änderungsantrag der
F.D.P. zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Famili-
enförderung bekannt geben: Abgegebene Stimmen 570.
Mit Ja haben gestimmt 218, mit Nein haben gestimmt
352, Enthaltungen keine.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Ekin Deligöz
18103
1) Anlage 3
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
18104
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 568;
davon
ja: 219
nein: 349
Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Dr. Joseph-Theodor Blank
Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Sylvia Bonitz
Wolfgang Börnsen
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Georg Brunnhuber
Hartmut Büttner
Dankward Buwitt
Cajus Caesar
Peter H. Carstensen
Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Ilse Falk
Albrecht Feibel
Ulf Fink
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer
Herbert Frankenhauser
Dr. Gerhard Friedrich
Dr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Michael Glos
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther
Gottfried Haschke
Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser
Hansgeorg Hauser
Helmut Heiderich
Manfred Heise
Siegfried Helias
Hans Jochen Henke
Ernst Hinsken
Martin Hohmann
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Bartholomäus Kalb
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Dr. Martina Krogmann
Dr. Paul Krüger
Dr. Hermann Kues
Karl Lamers
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann
Dr. Michael Luther
Erich Maaß
Erwin Marschewski
Dr. Martin Mayer
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Elmar Müller
Bernd Neumann
Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Norbert Otto
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Christa Reichard
Katherina Reiche
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Hannelore Rönsch
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Anita Schäfer
Heinz Schemken
Dr. Gerhard Scheu
Bernd Schmidbauer
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt
Michael von Schmude
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt
Gerhard Schulz
Clemens Schwalbe
Dr. Christian Schwarz-
Schilling
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Dr. h. c. Rudolf Seiters
Bernd Siebert
Werner Siemann
Johannes Singhammer
Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Wolfgang Steiger
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl
Michael Stübgen
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Gunnar Uldall
Arnold Vaatz
Angelika Volquartz
Andrea Voßhoff
Peter Weiß
Gerald Weiß
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese
Hans-Otto Wilhelm
Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Aribert Wolf
Elke Wülfing
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
F.D.P.
Hildebrecht Braun
Rainer Brüderle
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Gisela Frick
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
Nein
SPD
Brigitte Adler
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel
Klaus Barthel
Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
18105
Willi Brase
Rainer Brinkmann
Bernhard Brinkmann
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner
Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Lilo Friedrich
Harald Friese
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Iris Gleicke
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf
Angelika Graf
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl-Hermann Haack
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Alfred Hartenbach
Klaus Hasenfratz
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Volker Jung
Johannes Kahrs
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Siegrun Klemmer
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange
Detlev von Larcher
Christine Lehder
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller
Jutta Müller
Christian Müller
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann
Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Joachim Poß
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Christel Riemann-
Hanewinckel
Reinhold Robbe
Gudrun Roos
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth
Birgit Roth
Gerhard Rübenkönig
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Dagmar Schmidt
Wilhelm Schmidt
Dr. Frank Schmidt
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt
Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann
Brigitte Schulte
Volkmar Schultz
Ewald Schurer
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak
Rüdiger Veit
Simone Violka
Ute Vogt
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis
Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek
Helmut Wieczorek
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Brigitte Wimmer
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Hanna Wolf
Waltraud Wolff
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Gila Altmann
Marieluise Beck
Volker Beck
Angelika Beer
Grietje Bettin
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Andrea Fischer
Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt worden.
Bevor wir fortfahren, muss das Ergebnis der zweiten
namentlichen Abstimmung vorliegen. Deshalb muss ich
die Sitzung jetzt für kurze Zeit unterbrechen.
Die unterbro-
chene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der
PDS zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Familien-
förderung, Drucksache 14/6589, bekannt. Abgegebene
Stimmen 567.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
18106
Katrin Göring-Eckardt
Gerald Häfner
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Oswald Metzger
Kerstin Müller
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt
Werner Schulz
Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm
Margareta Wolf
PDS
Monika Balt
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Ruth Fuchs
Wolfgang Gehrcke
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Carsten Hübner
Ulla Jelpke
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Dr. Evelyn Kenzler
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz
Heidi Lippmann
Ursula Lötzer
Dr. Christa Luft
Heidemarie Lüth
Pia Maier
Angela Marquardt
Manfred Müller
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Christine Ostrowski
Petra Pau
Dr. Uwe-Jens Rössel
Christina Schenk
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert
Dr. Winfried Wolf
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 566;
davon
ja: 37
nein: 529
Ja
PDS
Monika Balt
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Ruth Fuchs
Wolfgang Gehrcke
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Carsten Hübner
Ulla Jelpke
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Dr. Evelyn Kenzler
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz
Heidi Lippmann
Ursula Lötzer
Dr. Christa Luft
Heidemarie Lüth
Pia Maier
Angela Marquardt
Manfred Müller
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Christine Ostrowski
Petra Pau
Dr. Uwe-Jens Rössel
Christina Schenk
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert
Dr. Winfried Wolf
Nein
SPD
Brigitte Adler
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel
Klaus Barthel
Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Willi Brase
Rainer Brinkmann
Bernhard Brinkmann
Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner
Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Lilo Friedrich
Harald Friese
Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Iris Gleicke
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf
Angelika Graf
Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl-Hermann Haack
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
18107
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Alfred Hartenbach
Klaus Hasenfratz
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Volker Jung
Johannes Kahrs
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Siegrun Klemmer
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange
Detlev von Larcher
Christine Lehder
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann
Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß
Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer
Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller
Jutta Müller
Christian Müller
Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann
Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Joachim Poß
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Christel Riemann-
Hanewinckel
Reinhold Robbe
Gudrun Roos
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth
Birgit Roth
Gerhard Rübenkönig
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Dagmar Schmidt
Wilhelm Schmidt
Dr. Frank Schmidt
Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt
Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann
Brigitte Schulte
Volkmar Schultz
Ewald Schurer
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl
Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak
Rüdiger Veit
Simone Violka
Ute Vogt
Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis
Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker
Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek
Helmut Wieczorek
Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Brigitte Wimmer
Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Hanna Wolf
Waltraud Wolff
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
CDU/CSU
Ulrich Adam
Peter Altmaier
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Dr. Joseph-Theodor Blank
Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Sylvia Bonitz
Wolfgang Börnsen
Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Georg Brunnhuber
Hartmut Büttner
Dankward Buwitt
Cajus Caesar
Peter H. Carstensen
Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Ilse Falk
Albrecht Feibel
Ulf Fink
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer
Herbert Frankenhauser
Dr. Gerhard Friedrich
Dr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Michael Glos
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther
Gottfried Haschke
Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser
Mit Ja haben gestimmt 37, mit Nein haben gestimmt
530, Enthaltungen keine. Der Änderungsantrag ist damit
abgelehnt.
Ich bitte nun diejenigen, die dem Entwurf eines Zwei-
ten Gesetzes zur Familienförderung in der Ausschus-
sfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. Ge-
genstimmen? Enthaltungen? Der Gesetzentwurf ist
damit in zweiter Beratung mit den Stimmen fast des
ganzen Hauses bei einigen Enthaltungen der PDS ange-
nommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
18108
Hansgeorg Hauser
Helmut Heiderich
Manfred Heise
Siegfried Helias
Hans Jochen Henke
Ernst Hinsken
Martin Hohmann
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Bartholomäus Kalb
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Dr. Martina Krogmann
Dr. Paul Krüger
Dr. Hermann Kues
Karl Lamers
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold
Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann
Dr. Michael Luther
Erich Maaß
Erwin Marschewski
Dr. Martin Mayer
Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Elmar Müller
Bernd Neumann
Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Norbert Otto
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Christa Reichard
Katherina Reiche
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Hannelore Rönsch
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Anita Schäfer
Heinz Schemken
Dr. Gerhard Scheu
Bernd Schmidbauer
Dr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt
Michael von Schmude
Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von
Schorlemer
Dr. Erika Schuchardt
Gerhard Schulz
Clemens Schwalbe
Dr. Christian Schwarz-
Schilling
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Dr. h. c. Rudolf Seiters
Bernd Siebert
Werner Siemann
Johannes Singhammer
Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Wolfgang Steiger
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl
Michael Stübgen
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Gunnar Uldall
Arnold Vaatz
Angelika Volquartz
Andrea Voßhoff
Peter Weiß
Gerald Weiß
Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese
Hans-Otto Wilhelm
Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Aribert Wolf
Elke Wülfing
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Gila Altmann
Marieluise Beck
Volker Beck
Angelika Beer
Grietje Bettin
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Andrea Fischer
Katrin Göring-Eckardt
Gerald Häfner
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Oswald Metzger
Kerstin Müller
Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt
Werner Schulz
Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm
Margareta Wolf
F.D.P.
Hildebrecht Braun
Rainer Brüderle
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Gisela Frick
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich
Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
stimmt dagegen? Enthaltungen? Der Gesetzentwurf
ist damit in dritter Lesung von der überwiegenden Mehr-
heit des Hauses bei einigen Enthaltungen aus der PDS-
Fraktion angenommen worden.
Abstimmung über den Entschließungsantrag der Frak-
tion der CDU/CSU auf Drucksache 14/6586. Wer stimmt
für diesen Entschließungsantrag? Gegenstimmen? Ent-
haltungen? Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen und der PDS gegen die Stimmen
von CDU/CSU bei Enthaltung der F.D.P. abgelehnt worden.
Abstimmung über den Entschließungsantrag der Frak-
tion der PDS auf Drucksache 14/6587. Wer stimmt für
diesen Entschließungsantrag? Gegenstimmen? Ent-
haltungen? Der Entschließungsantrag ist mit den Stim-
men von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und
F.D.P. gegen die Stimmen der PDS abgelehnt worden.
Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Finanz-
ausschusses auf Drucksache 14/6582 zurück. Der Aus-
schuss empfiehlt unter Nr. 2 die Ablehnung des Antrags der
Fraktion der PDS auf Drucksache 14/6173 mit dem Titel
Gerechte Chancen am Start Kinderarmut bekämpfen.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Gegen-
stimmen? Enthaltungen? Die Beschlussempfehlung
ist mit den Stimmen des ganzen Hauses gegen die Stim-
men der PDS angenommen worden.
Schließlich empfiehlt der Finanzausschuss unter Nr. 3
die Ablehnung des Antrags der Fraktion der F.D.P. auf
Drucksache 14/6372 mit dem Titel Verbesserung der Fa-
milienförderung.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung des Aus-
schusses? Gegenstimmen? Enthaltungen? Die Be-
schlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen und der PDS gegen die Stimmen der F.D.P. bei
Enthaltung der CDU/CSU angenommen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 21 a und 21 b sowie
Zusatzpunkt 14 auf:
21 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Birgit
Schnieber-Jastram, Karl-Josef Laumann, Brigitte
Baumeister, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSU
Im Bündnis für Arbeit, Ausbildung und
Wettbewerbsfähigkeit bei wichtigen Fragen des
Arbeitsmarktes endlich handeln
Drucksache 14/5758
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung
Beschäftigungspolitischer Aktionsplan der
Bundesrepublik Deutschland 2001
Drucksache 14/5513
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Tourismus
ZP 14 Erste Beratung des von den Abgeordneten
der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs ei-
nes Gesetzes zur Sicherung betrieblicher Bünd-
nisse für Arbeit
Drucksache 14/6548
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder
Es wird gebeten, die Reden zu Protokoll geben zu kön-
nen, und zwar von den Abgeordneten Nahles, Schnieber-
Jastram, Schemken, Dückert, Kolb, Grehn und der Parla-
mentarischen Staatssekretärin Ulrike Mascher.1) Sind Sie
damit einverstanden?
Dann verfahren wir so.
Wir kommen zur Abstimmung. Interfraktionell wird
Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 14/5758,
14/5513 und 14/6548 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? Das ist der Fall. Dann sind die Überwei-
sungen so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 22 a bis 22 d sowie
Zusatzpunkt 15 auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen
der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Neuregelung der Krankenkassenwahlrechte
Drucksache 14/5957
Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Neuregelung der Krankenkassenwahl-
rechte
Drucksache 14/6409
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Gesundheit
Drucksache 14/6568
Berichterstattung:
Abgeordneter Aribert Wolf
b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen
der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
18109
1) Anlage 6
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ein-
führung des Wohnortprinzips bei Honorarver-
einbarungen für Ärzte und Zahnärzte
Drucksache 14/5960
Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Einführung des Wohnortprinzips bei Ho-
norarvereinbarungen für Ärzte und Zahnärzte
Drucksachen 14/6410, 14/6450
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion
der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes zur Einführung des Wohnortprinzips bei
den Vereinbarungen über die ärztliche Gesamt-
vergütung
Drucksache 14/5694
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-
neten Dr. Dieter Thomae, Detlef Parr, Dr. Irmgard
Schwaetzer, weiteren Abgeordneten und der Frak-
tion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Versorgungsangleichung in der ge-
Drucksache 14/6054
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Gesundheit
Drucksachen 14/6566, 14/6595
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Dieter Thomae
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Größere Verteilungsgerechtigkeit bei kas-
senärztlichen Honoraren
Drucksachen 14/4891, 14/6566
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Dieter Thomae
d) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen
der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Anpassung der Regelungen über die Festsetzung
von Festbeträgen für Arzneimittel in der gesetzli-
Drucksache 14/6041
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Anpassung der Regelungen über die Festset-
zung von Festbeträgen für Arzneimittel in der ge-
Drucksachen 14/6408, 14/6451
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Gesundheit
Drucksache 14/6567
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Wolf Bauer
ZP 15 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dieter
Thomae, Detlef Parr, Dr. Irmgard Schwaetzer,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.
Zur Abschaffung der Liste verordnungsfähiger
Arzneimittel
Drucksache 14/6571
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirt-
schaft
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik-
folgenabschätzung
Zum Gesetzentwurf zur Einführung des Wohnortprin-
zips bei Honorarvereinbarungen für Ärzte und Zahnärzte
liegen drei Änderungsanträge der Fraktion der PDS vor.
Zum Gesetzentwurf zur Einführung des Wohnortprinzips
bei den Vereinbarungen über die ärztliche Gesamtvergü-
tung liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU vor. Zum Entwurf eines Festbetrags-Anpas-
sungsgesetzes liegt ein Entschließungsantrag der Fraktio-
nen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen vor.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. Es gibt keinen Wi-
derspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst die
Frau Bundesministerin Ulla Schmidt.
Frau
Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich
mir die öffentlichen Debatten über die Gesundheitspolitik
anhöre bzw. anschaue, habe ich manchmal das Gefühl,
dass die eigentlich wichtigste Gruppe, die es in diesem
System gibt, nämlich die Patientinnen und Patienten, eine
etwas untergeordnete Rolle spielt.
Ich glaube, deshalb ist es wichtig, noch einmal darauf hin-
zuweisen: Bei der Diskussion über die Gesundheitspolitik
geht es nicht primär um die Honorare der Ärztinnen und
Ärzte oder um Krankenhäuser und auch nicht um die Ge-
winnstrategien der Pharmaindustrie, der Apotheker oder
des Großhandels. Es geht auch nicht um abstrakte Inter-
essen der Krankenkassen.
Unabhängig von der Bedeutung all dieser Gruppen im
Gesundheitswesen müssen sie sich alle einem unterord-
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
18110
nen, nämlich der besten Versorgung der Patientinnen und
Patienten. Denn sie alle sind nur Akteure im Gesund-
heitswesen; sie werden nur dann tätig, wenn ein Mensch
krank wird, von Krankheit bedroht wird oder wenn es um
humanes Sterben geht. Ich glaube, es ist an der Zeit, da-
rauf hinzuweisen, dass unsere Gesundheitspolitik genau
diesen Punkt berücksichtigt.
Ich wünsche mir, dass im Mittelpunkt der politischen
Debatte auf der einen Seite die bessere Qualität der Ver-
sorgung der Menschen vor allen Dingen der chronisch
Kranken und auf der anderen Seite eine Diskussion
steht, wie Einsparmöglichkeiten und Wirtschaftlichkeits-
reserven in unserem Gesundheitssystem genutzt werden
können,
damit das Gesundheitswesen bezahlbar bleibt und akzep-
tiert wird.
Ich darf sagen, dass wir in der kurzen Zeit unserer po-
litischen Verantwortung schon mehr geleistet haben als
die Regierung Kohl in 16 Jahren .
Wir werden auch in Zukunft dafür sorgen, dass das medi-
zinisch Notwendige solidarisch finanziert wird; denn nie-
mand kann sagen, wann er aus welchem Grund medizini-
sche Hilfe braucht. Es gibt ein unschlagbares Argument
dafür, dabei zu bleiben: Rund 70 Millionen Frauen und
Männer mit ihren Kindern vertrauen auf diese solidari-
sche Finanzierung, denn sie sind Mitglieder der gesetzli-
chen Krankenversicherung.
Deshalb, Herr Kollege Lohmann, bleibt es dabei: Wir
müssen handeln,
weil die Patientinnen und Patienten im Mittelpunkt stehen.
Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt: Hätten Sie uns
ein funktionierendes Gesundheitswesen hinterlassen, dann
hätten wir heute nicht die Probleme, die wir nun haben
und angesichts deren man Zeit braucht, um Reformen
auch im Hinblick auf Qualitätssicherung durchzusetzen.
Wir haben auch damit angefangen.
Wir müssen gemeinsam dafür sorgen ich komme gleich
noch auf Ihre unseriösen Anträge von heute zu sprechen ,
dass die Menschen auch in Zukunft an den Innovationen
in der Medizin teilhaben können, auch an Innovationen
im medikamentösen Bereich.
Ich sage hier ganz klar für die, die uns draußen
zuhören: Wenn die Menschen wollen, dass sie, wenn sie
krank sind, an allen Innovationen teilhaben können, um
ihre Krankheit zu bekämpfen, dann müssen sie gemein-
sam mit uns den Weg gehen, dass die Krankenkassen in
all den Fällen, in denen es kostengünstigere Alternativen
gibt, auch nur diese kostengünstigen Alternativen, auch
im Medikamentenbereich, bezahlen.
Mit geht es darum, die Ursachen von Ineffizienz und
Fehlanreizen zu finden und mehr Qualität sowie eine stär-
kere Orientierung am Krankheitsgeschehen durchzuset-
zen. Daran setzen unsere aktuellen Gesetzentwürfe an.
Ich nenne als Beispiel den Risikostrukturausgleich.
Ich will gar nicht auf die Fehler eingehen, die auch in die-
sem Bereich gemacht worden sind, und zwar, wie ich fest-
gestellt habe, schon bei der Gestaltung.
Wir müssen langfristig dahin kommen, dass bei den
Ausgleichszahlungen die Unterschiedlichkeiten in der
Zusammensetzung des Versichertenkreises aus gesun-
den und kranken Menschen stärker berücksichtigt wer-
den. Das, was wir heute auf den Weg bringen wollen, ist
ein Element eines Programms zur besseren Behandlung
von bestimmten Volkskrankheiten. Ich nenne hier Dia-
betes, Bluthochdruck und Brustkrebserkrankungen.
Durch unser Gesetz erhalten die Krankenkassen Geld,
damit sie ihren Versicherten, die an diesen Programmen
teilnehmen, eine qualitativ bessere, ja, eine optimale
Behandlung bieten können, statt, wie es zurzeit der
Fall ist, bestraft zu werden, wenn sie besondere Pro-
gramme zur Behandlung chronisch kranker Menschen
einführen.
Wenn Sie mit uns diesen Weg gehen wollen, dann stim-
men Sie dem vorliegenden Gesetzentwurf zu;
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Bundesministerin Ulla Schmidt
18111
denn es werden sofort nach Einführung des Gesetzes min-
destens 1,8 Millionen chronisch kranke Menschen von
diesen Maßnahmen profitieren können.
Sie können den Weg mitgehen, dass Krankenkassen
den Wettbewerb um die bestmögliche Versorgung von
kranken Menschen führen und Schluss damit machen,
dass der Wettbewerb um junge Gesunde stattfindet und
die Kranken außen vor bleiben oder immer höhere
Beiträge zahlen müssen.
Eine der Voraussetzungen dafür ist die Änderung des
Kassenwahlrechts, die wir heute vornehmen, damit sich
nicht immer alles auf einen Tag, den 30. September, kon-
zentriert. Gleichzeitig, Herr Kollege Lohmann, stärken
wir mit diesem Gesetzentwurf die Position der Versicher-
ten,
indem sie zukünftig nicht nur einmal im Jahr zu einem be-
stimmten Stichtag kündigen können, sondern jeweils zum
Ende des übernächsten Monats.
Ich kann Ihnen auch sagen, welche Philosophie dahin-
ter steht: Ich möchte, dass die Menschen durch die Mög-
lichkeit, immer kündigen zu können, vielleicht mehr Be-
ratung in Anspruch nehmen, dass sie mit ihrer Kasse
sprechen und fragen: Was bieten Sie mir denn für meinen
Beitrag auch wenn Sie vielleicht 1 Prozent teurer sind
und was bietet mir eine andere Kasse dafür? Damit kön-
nen wir vielleicht den Druck beseitigen, der aus der Tat-
sache entsteht, dass man nur zum 30. September kündigen
kann und dass eine Kündigung dann so schnell nicht mehr
möglich ist. In Bezug auf den Wechsel der Krankenkassen
schaffen wir es damit, dass die Menschen in Ruhe und Be-
sonnenheit und mit genauso viel Beratung, wie sie es zum
Beispiel erwarten, wenn sie einen Handyvertrag abschlie-
ßen, entscheiden können. Ich denke, die Gesundheit ist
mehr wert.
Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn
Sie es mit Ihrer Sorge um die Beitragssatzentwicklung
ernst meinen,
dann unterstützen Sie bitte das Festbetrags-Anpassungs-
gesetz, das wir heute im Bundestag verabschieden wollen.
Das Ziel ist, Einsparpotenziale zu nutzen. Bisher liegen
die Einsparbeträge bei 3,2 Milliarden DM. Die bisherige
Praxis des Festbetragsetzung ist durch Rechtsunsicher-
heiten belastet und steht auf dem Prüfstand. Deshalb wol-
len wir hier den Weg gehen, dass das Bundesministerium
für Gesundheit für eine begrenzte Zeit die Festbeträge be-
stimmt. Es geht dabei für die Krankenkassen, die Bei-
tragszahler und die Versicherten um jährliche Einsparun-
gen in Höhe von immerhin etwa 750 Millionen DM.
Herr Kollege Lohmann, Sie haben gemeinsam mit
Herrn Seehofer einen Brief geschrieben, in dem steht: Wir
machen mit, wenn Sie für mehr Transparenz sorgen.
Wir setzen das um; wir legen die Verordnungszahlen vor.
Außerdem haben wir die so genannte Drittelregelung
gestrichen. Diese war früher für Sie ein Argument, nicht
mitzumachen. Jetzt bin ich neugierig, wie Sie nachher er-
klären werden, warum Sie nicht mitmachen und warum
Sie eher dafür sind denn das bedeutet Ihr Nein , dass
die Kassen Monat für Monat auf rund 60 Millionen DM
Einsparungen verzichten sollen.
Ein weiterer Punkt, der heute ansteht, ist: Uns geht es
um die Angleichung der Gesundheitsversorgung und
der Vergütungsniveaus in Ost und West. Der Finanz-
kraftausgleich, der bundesweite Risikostrukturausgleich
und unser Entwurf eines Gesetzes zum Wohnortprinzip
sind hierfür wichtige Schritte.
Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zum
Wohnortprinzip erreichen wir, dass das Geld dorthin
fließt, wo die Menschen zu ihren Ärztinnen und Ärzten
gehen.
Das bedeutet nicht nur eine gerechtere Verteilung der Ho-
norare zwischen Ost und West, sondern beinhaltet auch
eine bessere patientengerechte Versorgung, weil in den
Vertragsverhandlungen vor Ort auf die jeweiligen Bedin-
gungen eingegangen werden kann und die spezifischen
gesundheitspolitischen Angebote berücksichtigt werden
können.
Die Entscheidungen werden endlich dort getroffen, wo sie
getroffen werden müssen. Dass das schon lange hätte pas-
sieren müssen, ist eine andere Sache.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Bundesministerin Ulla Schmidt
18112
Herr Kollege Lohmann, unsere Vorlage bedeutet auch,
dass das zur Honorierung der Ärztinnen und Ärzte vor-
handene Finanzvolumen um mehr als 100 Millionen DM
angehoben wird.
Angesichts der schwierigen Situation der Kassen ist dies
eine gewaltige Menge Geld. Im Moment ist nicht mehr
möglich.
Sie wollen mit Ihrem Änderungsantrag die Honorar-
situation der Ärztinnen und Ärzte um 600 Millionen DM
anheben.
Das ist nicht nur unseriös, sondern auch widersprüchlich:
Beitragssatzstabilität zu fordern und 600 Millionen DM
mehr für die Honorare von Ärztinnen und Ärzte auszuge-
ben, das passt nicht zusammen.
Rechnen Sie einmal nach, was Sie hier vorgelegt haben.
Deshalb wird es Zeit, hier zu handeln. Sie aber sollten
wissen, was Sie wollen. Entweder geht es Ihnen darum,
dass wir gemeinsam eine Gesundheitsreform machen, die
den Interessen der Patientinnen und Patienten dient
und die an dem orientiert ist, was kranke Menschen in un-
serem Lande eigentlich benötigen, oder aber es geht Ihnen
weiter nur darum, pure Opposition zu machen und un-
abhängig davon, was von dem, was Sie fordern im Rah-
men der Gesundheitsreform aufgegriffen wird Nein zu
sagen, wie auch immer Sie das begründen. Es wird Zeit,
dass Sie Ihre Blockadehaltung gegen eine Beitragsstabi-
lität und gegen eine optimale Versorgung von Patientin-
nen und Patienten aufgeben und dass Sie mitmachen.
Ansonsten wünsche ich Ihnen, weil heute der letzte Sit-
zungstag ist, trotz allem und auch schon vom Präventi-
onsgedanken her eine schöne, erholsame Sommerpause.
Denn alle in diesem Hause haben sie, wie ich weiß, unab-
hängig von politischen Differenzen verdient.
Vielen Dank.
Als
nächster Redner hat Herr Kollege Dr. Wolf Bauer von der
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine
Damen! Meine Herren! Wir haben heute drei wichtige
Gesetze zu verabschieden. Ich möchte gleich am Anfang
feststellen: Bei zwei dieser Gesetzesvorhaben haben Sie,
meine Damen und Herren von der Koalition, die Chance
verpasst, etwas Vernünftiges für die Versicherten in Ost
und West zu tun.
Nun haben wir eben einen hochinteressanten Vortrag
gehört: Die wichtigste Gruppe sind die Patienten.
Ob Rede oder Vortrag, das ist mir doch wurschtegal!
Nun frage ich Sie ernsthaft: Wenn Sie die Eigenverant-
wortung stärken wollen, wenn Sie die Versicherten mit-
gestalten lassen wollen, warum haben Sie dann die Kos-
tenerstattung abgeschafft,
warum haben Sie die Selbstbehalte abgeschafft, warum
haben Sie die Beitragsrückgewähr abgeschafft? Das sind
doch alles Elemente, die die SPD nicht will. Und dann
sagt die Ministerin in diesem Hause: Die wichtigste
Gruppe sind für uns die Patienten.
Das lässt sich noch weiter ausbreiten: Nehmen Sie die
Kassenwahlrechte! Die Neuregelung der Kassenwahl-
rechte ist doch nicht für die Versicherten gemacht! Das ist
rein deswegen geschehen, um einen Schutzzaun um die
Krankenkassen zu errichten!
Das ist Sinn und Zweck dieser Verordnung.
Ich muss an dieser Stelle eines sagen: Wenn Sie wirk-
lich die Patienten als die wichtigste Gruppe ansehen, dann
lassen Sie doch die individuellen Bedürfnisse etwas mehr
in den Vordergrund treten. Das Kanzleramt hat es Ihnen
vorgemacht, wie das mit Wahlen und Wahlrechten geht.
Es gibt ja ein Papier, aber angeblich gibt es kein Papier.
Auf jeden Fall ist das die richtige Politik! Dann greifen
Sie es endlich auf und tun wenigstens das, was Ihnen Ihr
eigener Kanzler sagt.
Die Gesundheitsministerin sagt zu dem Ganzen, es
bestehe kein Handlungsbedarf. Ich glaube, sie ist davon
überzeugt, dass sie immer noch mit der Parole bis zum
Wahltermin nur lächeln über die Runden kommt. Aber
diese Vogel-Strauß-Politik werden wir nicht akzep-
tieren.
Wir werden immer wieder ein Konzept von Ihnen fordern.
Wir lassen uns nicht sagen, wir müssten handeln. Nein,
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Bundesministerin Ulla Schmidt
18113
Sie müssen handeln, Sie müssen das Konzept auf den
Tisch legen.
Herr Kol-
lege Bauer, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Kirschner?
Immer, gern.
Herr
Kirschner, bitte schön.
Herr Kollege Bauer, habe
ich Sie richtig verstanden, dass Sie sagen, Sie setzen mehr
Eigenverantwortung des Patienten mit höherer Zuzahlung
gleich?
Ach, Herr Kirschner,
das ist ja eine wunderbare Frage! Wissen Sie, was Sie
gemacht haben? Sie haben ein Wahlversprechen ein-
gelöst und die Arzneimittelzuzahlung um eine Mark
reduziert. Was haben Sie damit erreicht? Rationierung,
Budgetierung! Jetzt bekommen die Leute nicht
mehr das, was sie brauchen. Jetzt müssen sie es selber
kaufen.
Das ist eine unsoziale Politik, die Sie betrieben haben. Sie
haben auf die Menschen mit geringen Einkommen über-
haupt keine Rücksicht genommen.
Das kann es doch nicht sein, Herr Kollege Kirschner! Da
müssen wir uns schon etwas anderes einfallen lassen.
Ich möchte aber lieber das aufgreifen, was immer wie-
der durch dieses Haus geistert. Da ist die Rede von der
Erblast. Das ist ja etwas Wunderbares!
Wir haben in den gesetzlichen Krankenkassen 1997 und
1998 über 1 Milliarde DM Überschuss gehabt. In dem
Jahr davor haben wir 6 Milliarden DM Defizit abgebaut.
Und, Herr Kirschner er hört gerade nicht zu , falls die
Frage nach den Beitragssatzerhöhungen kommt: Es gab
eben keine Beitragssatzerhöhungen in dieser Zeit! Um
0,1 Prozentpunkte sind die Beiträge erhöht worden.
Da können Sie doch nicht permanent von Erblast spre-
chen!
Wenn es hier eine Erblast gibt, dann ist das wirklich nur
ein Überschuss, den Sie abgewirtschaftet haben.
Das Ergebnis ist das, was uns jetzt vorliegt: Kosten-
erhöhung, Rationierung, Budgetierung und die Zweiklas-
senmedizin. Es ist traurig genug!
Aber das ist kein Wunder. Denn die Gesundheitspolitik
dieser Bundesregierung ist kopflos und chaotisch. Ein
Scherbenhaufen ist das Ergebnis.
Ich komme ja noch darauf.
Das Schlimmste daran ist, dass Sie nicht über Ihren
Schatten springen können. Wenn Sie endlich zugeben
könnten, dass die Politik von Horst Seehofer gar nicht so
schlecht war, und auf seinen Erfahrungen aufbauen wür-
den, dann hätten wir die meisten Probleme vom Tisch,
und Sie hätten uns auf Ihrer Seite, wenn wir die neue Ge-
sundheitspolitik gestalten wollen.
Herr Kol-
lege Bauer, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Schmidbauer?
Ja.
Herr Kollege
Dr. Bauer, im Hinblick auf den 2-Milliarden-Überschuss,
den die Kassen beim Regierungswechsel angeblich hat-
ten, frage ich Sie: Haben Sie zur Kenntnis genommen,
dass 30 Prozent der Menschen, die in dem Jahr auf Zahn-
ersatz hofften, keinen Zahnersatz bekamen und dass ein
Mehrfaches dieser 2 Milliarden im Nachhinein ausge-
geben worden ist, weil von der Möglichkeit zum Zahn-
ersatz, den die Menschen aufgrund der Änderungen bei
der Kostenerstattung nicht in Anspruch genommen haben,
nachträglich Gebrauch gemacht worden ist, sodass aus
diesem Grunde gar nicht von einem Überschuss gespro-
chen werden kann?
Herr Schmidbauer, ich
habe das selbstverständlich zur Kenntnis genommen.
Natürlich war das auch mit einigen unangenehmen Fol-
geerscheinungen verbunden. Aber ich sage Ihnen glau-
ben Sie mir das; ich erinnere Sie noch einmal an das Pa-
pier Ihres Kanzlers : Sie werden nichts anderes machen
können, wenn Sie aus dieser Misere herauskommen wol-
len. Es führt kein Weg daran vorbei.
Ich habe gesagt, dass wir uns über all diese Probleme
offen unterhalten können.
Aber das Konzept muss auf den Tisch. Darauf warten wir
noch immer.
Ich wollte noch etwas zu den Krankenkassenwahl-
rechten sagen, weil wir das Sonderkündigungsrecht das
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Dr. Wolf Bauer
18114
war Ihre ursprüngliche Absicht; Sie haben das, nachdem
Sie es zunächst zurückgenommen haben, wieder einge-
führt natürlich mittragen. Aber die Sofortregelung hal-
ten wir für eine Frechheit und die 18-monatige Kündi-
gungsfrist für äußerst verbraucherfeindlich.
Ich habe gesagt, dass Sie heute eine Chance vertan ha-
ben. In diesem Zusammenhang möchte ich auf das Wohn-
ortprinzip hinweisen. Dazu wird mein Kollege Ulf Fink
gleich Näheres sagen.
Ich möchte noch auf das Festbetrags-Anpassungs-
gesetz zu sprechen kommen. Die Koalitionsfraktionen
haben in letzter Minute einen Änderungsantrag einge-
bracht. Dadurch wird deutlich, dass sie eingesehen haben,
dass vor allem die Transparenz im Berechnungsverfahren
sichergestellt sein muss. Allerdings bleibt für mich immer
noch die Frage unbeantwortet, wie es kommt, dass der
zwischen pharmazeutischer Industrie und den Kranken-
kassen ausgearbeitete Kompromiss 650 Millionen DM
vorsah, dass es dann aber auf einmal wie durch ein Wun-
der 750 Millionen DM waren. Das muss noch erklärt
werden. Das hat auch etwas mit Transparenz zu tun.
Ich möchte Ihnen auch sagen, warum wir gegen dieses
Gesetz sind. Uns gefällt die Vorgehensweise einfach
nicht. Warum haben Sie es abgelehnt, den Bundesrat, un-
sere Bundesländer einzubeziehen? Es hätte dadurch nach-
weislich keine allzu große terminliche Verzögerung ge-
geben.
Daher war es gar nicht nötig, die Bundesländer außen vor
zu lassen.
Ein Wort noch zu dem Entschließungsantrag von SPD
und Grünen: Zu begrüßen ist, dass beide Fraktionen
nachträglich einem von unserer Fraktion längst formu-
lierten Anliegen zustimmen, nämlich dass durch die
Orientierung an den Marktverhältnissen und die Fest-
betragsfreiheit für patentgeschützte Arzneimittel ein An-
reiz für die Entwicklung von Innovationen besteht.
Interessant ist allerdings, dass Sie zu der Erkenntnis
gekommen sind, dass das deutsche Gesundheitswesen
staatsfern ist und dass es bei diesem bewährten Zuschnitt
bleiben soll. Ich bitte wirklich darum, dass Sie diese Er-
kenntnis auch in praktische Politik umsetzen. Das wäre
das Vernünftigste, was man machen kann. Es nur da hi-
neinzuschreiben, das bringt nicht all zuviel.
Wir werden dem Entschließungsantrag also zustim-
men, das Gesetz insgesamt allerdings ablehnen.
Da wir gerade bei Arzneimitteln sind, möchte ich zum
Schluss die Frage stellen, was der Unterschied zwischen
einem Placebo und der Gesundheitspolitik dieser Bun-
desregierung ist: Ein Placebo ist ein Arzneiträger ohne
Wirkstoff; die Gesundheitspolitik dieser Bundesregierung
ist ein Politikträger ohne Wirkung.
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Katrin Göring-Eckardt
von Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
legen! Ich bin froh darüber, dass wir am letzten Tag vor
der Sommerpause eine Reihe von weiteren Reformschrit-
ten in der Gesundheitspolitik beschließen.
Wenn wir nachher abstimmen, dann werden Sie viel-
leicht am Abstimmungsprozedere merken, dass von
Untätigkeit wirklich keine Rede sein kann: Festbetrags-
Neuordnungsgesetz, Gesetz zu den Kassenwahlrechten,
Gesetz zum Wohnortprinzip, das alles sind Beiträge für
weitere Reformschritte in der Gesundheitspolitik.
Ulla Schmidt hat diese Schritte hier vorgestellt.
Herr Bauer, ich habe auch nach Ihrer Rede immer noch
nicht verstanden, weshalb Sie Ihre Zustimmung gerade zu
den Festbeträgen wir haben in der letzten Woche sehr
intensiv über die Beitragssätze bei den gesetzlichen Kran-
kenversicherungen gesprochen verweigern. Es geht um
Einsparungen in Höhe von 750 Millionen DM. Sie müs-
sen sich wirklich fragen lassen, warum Sie diesem ver-
nünftigen Schritt zur Sicherung der Beitragssätze nicht
zustimmen und ausscheren.
Zweiter Punkt: das Kassenwahlrecht. Es ist interes-
sant, dass sich jetzt ausgerechnet die Union zum Hort des
Verbraucherschutzes entwickelt hat. Wir sind darüber
natürlich sehr erfreut. Man muss aber genau betrachten,
wie dieses System organisiert ist. Natürlich gibt es die In-
teressen der Versicherten und der Patienten auf der einen
und die Verbraucherinteressen auf der anderen Seite. Ich
bin der festen Überzeugung, dass durch den Gesetz-
entwurf so, wie er heute vorliegt, ein vernünftiger Aus-
gleich zwischen beiden Seiten gelingt. Manchmal vertritt
auch eine Person beide Seiten. So ist zum Beispiel eine
Person gleichzeitig Versicherter und Verbraucher und ir-
gendwann vielleicht auch noch Patient. Hier geht es um
einen vernünftigen Ausgleich. Es geht um die längere
Bindung an die Kasse.
Es geht darum, dass die Kasse jederzeit gewechselt wer-
den kann, und um die Beibehaltung des Sonderkün-
digungsrechtes. Mit diesem vernünftigen Ausgleich ma-
chen wir einen Schritt nach vorn, auch in Richtung eines
Finanzausgleichs zwischen den Krankenkassen, den wir
für die nächsten sieben Jahre planen.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Dr. Wolf Bauer
18115
Dritter Punkt: das Wohnortprinzip. Auch darüber ist
hier gesprochen worden. Natürlich hätten sich gerade die
ostdeutschen Abgeordneten sowohl bei der SPD als auch
in unseren Reihen einen finanziell größeren Ausgleich ge-
wünscht.
Das ist unbestritten, da muss man sich auch nicht gegen-
seitig etwas vormachen. Aber Sie haben mit keinem Satz
gesagt, woher Sie die 600 Millionen DM nehmen wollen,
die Sie anbieten.
Das halte ich für unseriös. Sie machen Versprechen trotz
leerem Geldbeutel. Sie machen Versprechen, die am Ende
genau diejenigen bezahlen müssen, denen Sie etwas
schenken wollen, nämlich die Beitragszahler.
Da können wir nicht mitmachen. Da können wir nur einen
Kompromiss schließen, so schwer er uns in diesem Fall
auch fällt.
Von Untätigkeit kann also keine Rede sein.
Nun reden aber alle und insbesondere Sie davon, dass
wir jetzt eine große Gesundheitsreform brauchen. Dazu
möchte ich Ihnen zwei Dinge sagen: Ich glaube, dass es
ganz wichtig ist, zunächst einmal das, was wir haben,
nämlich die Gesundheitsreform 2000, weiter umzu-
setzen.
Es gibt tatsächlich noch viele Dinge, die umgesetzt wer-
den müssen. Alle reden davon, dass wir eine bessere Zu-
sammenarbeit zwischen ambulanter und stationärer Be-
handlung brauchen. Alle finden das vernünftig. Wir
wissen natürlich auch, dass dies Einsparmöglichkeiten
bringt, weil eine doppelte Behandlung verhindert und
echte Zusammenarbeit gewährleistet wird. Hieran müs-
sen wir intensiv weiterarbeiten. Es muss dazu kommen,
dass diese Reform tatsächlich umgesetzt wird.
Ein weiterer Punkt, den ich Ihnen auch heute nicht er-
sparen kann, ist der Krankenhausbereich. Sie haben die
Reform im Krankenhausbereich, die wir angehen woll-
ten, im Bundesrat bewusst blockiert, haben dafür gesorgt,
dass hinsichtlich des größten Postens, der im Gesund-
heitssystem ausgegeben wird 84 Milliarden DM , eben
keine oder nur sehr kleine Reformen stattfinden können.
Es gibt nur eines, was Sie zu den Themen Kassen-
wahlrechte, Festbeträge und Gesundheitsreform beige-
tragen haben, nämlich Blockade. Die Regierung handelt,
die Opposition blockiert. Es gibt also nichts Neues, auch
nicht unter der Sommersonne.
Nun haben Sie von der Union hier monatelang nächste
große Reformschritte verlangt und uns ein Papier vorge-
legt. Darin ging es um Wahl- und Pflichtleistungen.
Herr Bauer hat eben noch einmal deutlich gemacht, dass
er das für einen guten Vorschlag hält. Heute vernehmen
wir nun mit Erstaunen: Kommando zurück, es war alles
nicht so gemeint. Ergebnis: Die Union fordert eine große
Gesundheitsreform,
aber irgendeine Vorstellung darüber, wie sie aussehen
könnte, existiert nicht.
Interessant sind auch die Gründe dafür: Horst Seehofer
hat heute Morgen gesagt, er halte ein System von Wahl-
und Grundleistungen für nicht durchsetzbar.
Herr Lohmann, jetzt hören Sie einmal zu, wenn ich Ihnen
sage, welches die Gründe dafür sind. Ich finde das ziem-
lich interessant. Die Gründe dafür sind nämlich nicht etwa
mögliche Abgrenzungsprobleme, beispielsweise zwi-
schen sinnvollen Sportarten und Risikosportarten. Der
Grund dafür ist auch nicht, dass wir eine Zweiklassenme-
dizin bekommen. Wir wissen ja, dass es dann in der Re-
gel die Ärmsten treffen wird. Der Grund dafür ist ganz
einfach; Herr Seehofer spricht es aus:
Sie stoßen sofort auf den Widerstand der Lobby im
Gesundheitswesen
Ich finde, damit haben Sie die Katze aus dem Sack gelas-
sen, worum es Ihnen in der Gesundheitspolitik eigentlich
geht: Es geht Ihnen offensichtlich um die Lobby im Ge-
sundheitswesen. Ich finde gut, dass wir und auch die
Wählerinnen und Wähler das jetzt wissen.
Hier sind Sie jetzt auf besondere Art und Weise entlarvt
worden das erinnert uns auch gleich wieder an die Zeit,
als Sie die Regierung stellten : Es geht Ihnen nämlich
nicht um Versicherte und Patienten. Ich halte es für ganz
zentral, dass die Gesundheitsministerin nach der Debatte,
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Katrin Göring-Eckardt
18116
die wir in den letzten Tagen hatten, hier noch einmal dar-
gestellt hat, dass es Ihnen nicht um die Versicherten und
Patienten geht, sondern um die Lobby von Pharmaindus-
trie und Ärzteschaft.
Das wird mit uns nicht zu machen sein. Diese Regierung
stellt die Versicherten und die Patienten in den Mittel-
punkt. Dabei bleibt es nach den Äußerungen von heute
auch noch lange.
Trotzdem sollten wir uns die reale Situation anschauen.
Ein Beispiel sind die Arzneimittelausgaben. Die GKV
gibt heute 34 Milliarden DM für Arzneimittel aus. Versi-
cherte und Patienten legen aus ihrer eigenen Tasche und
aus guten Gründen noch einmal 15 Milliarden DM drauf;
so viel bringen die Haushalte in der Bundesrepublik auf.
Hier entscheiden Versicherte und Patienten längst, dass sie
für ihre eigene Gesundheit auch aus dem eigenen Porte-
monnaie etwas bezahlen wollen. Genau deshalb müssen wir
über den Leistungskatalog reden. Es geht nicht um eine
Unterscheidung in Wahl- und Pflichtleistungen, aber es
muss natürlich die Frage gestellt werden, was vom Alten
bewährt ist und wo es Neues gibt, was Altes ersetzen
kann,
für das nicht immer nur mehr bezahlt werden muss.
Bei einer so gearteten Wahlfreiheit geht es aus meiner
Sicht um zwei Dinge: Es besteht zum einen die Notwen-
digkeit, dass für die Versicherten das System und vor al-
len Dingen für die Patientinnen und Patienten die Art und
Weise der Behandlung transparenter wird. Das fließt auch
in den zweiten Punkt ein. Patientinnen und Patienten müs-
sen wissen, was los ist und welche Möglichkeiten es gibt.
Deshalb brauchen wir eine qualifizierte, kompetente und
unabhängige Patientenberatung, wie wir sie mit der Ge-
sundheitsreform angestoßen haben. Außerdem muss sie
flächendeckend vorhanden sein.
Zum anderen muss endlich allen Patientinnen und Pa-
tienten eine Behandlungsquittung ausgestellt werden.
Wahlfreiheit heißt dann nicht, medizinisch Notwendiges
zu versagen, wie Sie es bis gestern ja vorgeschlagen ha-
ben wir wissen, es würde die Ärmeren unter den Pati-
enten treffen , sondern heißt, die Souveränität der Versi-
cherten und Patienten zu erhöhen. Eigenbeteiligung geht
dann nicht mit neuen Zuzahlungen einher, sondern ver-
langt eigene Entscheidungen. Das ist ein qualitativer
Unterschied.
Wenn wir weitere Reformen, die im System notwendig
sind, auf den Weg gebracht haben, müssen wir auch über
die Einnahmeseite sprechen. Da bin ich mir ganz sicher.
Wir können aber nicht den zweiten Schritt vor dem ersten
tun. Erst müssen durch Reformen die Einsparmöglich-
keiten im System genutzt werden, bevor wir über die
Frage reden können, ob wir dem System mehr Geld zur
Verfügung stellen.
Wir werden da natürlich über die Beitragsbemessungs-
grenze und über die versicherungsfremden Leistungen zu
sprechen haben, die wir bei der Rente schon aus der soli-
darischen Versicherung herausgenommen haben.
Abschließend lassen Sie mich noch zwei Dinge sagen:
Ja, weitere Reformschritte sind nötig. Wir sind auf dem
Weg. Es bleibt ein zentrales Projekt dieser Regierung,
dass die Krankenkassenbeiträge nicht weiter ansteigen.
Hören Sie, insbesondere Herr Bauer, mit einer Ver-
unsicherungsstrategie auf, wenn Sie kein eigenes Konzept
haben. Von der F.D.P. haben wir das nicht anders erwar-
tet. Inzwischen wissen wir aber, dass es das auch bei der
Union nicht gibt. Die Gesundheitspolitik ist bei Rot-Grün
in guten Händen.
Wir stellen eine Lobby für Versicherte und Patienten dar.
So soll es auch bleiben.
Als
nächster Redner hat der Kollege Detlef Parr von der
F.D.P.-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Frau Göring-Eckardt, deswegen ist auch
schon eine Ministerin gegangen.
Parlamentarische Abende, meine Damen und Herren,
haben ja oft etwas Erhellendes an sich. Der Verband For-
schender Arzneimittelhersteller hatte sein Sommerfest
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Katrin Göring-Eckardt
18117
unter das Motto Wir nehmen unsere Dichter ernst ge-
stellt und sich damit auf ein Zitat Lessings bezogen. Er
hätte sich vielleicht auch an ein Wort des Dichters meiner
Heimatstadt Düsseldorf, Heinrich Heine, erinnern und in
aktueller Verfremdung formulieren können: Denk ich an
Deutschlands Gesundheitspolitik in der Nacht, dann bin
ich um den Schlaf gebracht.
Der Präsident dieses Verbandes, Patrick Schwarz-
Schütte, ist nicht so weit gegangen. Er hat aber in seinem
Grußwort eine innovative Therapie für die Gesundheits-
politik gefordert. Eine innovative Therapie bedarf nach
meiner Überzeugung grundsätzlich eines ganzheitlichen
Ansatzes. Der Tagesordnungspunkt, den wir gerade bera-
ten, beweist jedoch genau das Gegenteil: Wir diskutieren
über Versatzstücke; der ganzheitliche Ansatz fehlt. Es
gibt kein schlüssiges Gesamtkonzept dieser Bundesre-
gierung.
Im Schnellschussverfahren wird ein Gesetz nach dem an-
deren über die Bühne gebracht, ohne dass ordnungspoli-
tisch erkennbar wäre, wohin die Reise gehen soll.
Beispiel eins. Das Gesetz zur Neuregelung der Kran-
kenkassenwahlrechte ist und bleibt ein Gesetz zur Be-
hinderung der Wahlfreiheiten für die Versicherten: kein
Sonderkündigungsrecht bei Beitragssatzerhöhungen in
diesem Jahr, eine überzogene Bindung an die Kranken-
kasse von 18 Monaten, also eineinhalb Jahren,
und die nächste Ausstiegsmöglichkeit nicht, wie bisher,
zum 1. Januar des nächsten Jahres, sondern erst drei Mo-
nate später. Das kritisieren zu Recht auch die Verbrau-
cherverbände. Das ist gelebte Missachtung der Verbrau-
cherrechte.
Beispiel zwei. Beim Wohnortprinzip bietet sich das
gleiche Bild des gut Gemeinten, aber nicht gut Gemach-
ten. Die F.D.P. hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, Frau
Fuchs, der in der Fachwelt hohe Anerkennung gefunden
hat. Wir wollen den Fremdkassenausgleich wieder auf
seinen ursprünglichen Zweck reduzieren, für Patienten,
die ausnahmsweise außerhalb ihres Lebensbereiches ei-
nen Arzt aufsuchen müssen. Wir wollen die Vergütung
im ärztlichen Bereich jetzt müssen Sie ganz genau zuhö-
ren, Frau Schmidt-Zadel auf feste Punktwerte umstel-
len und damit endlich Planungssicherheit im System
schaffen.
Wie jeder andere Freiberufler auch muss ein Arzt doch vor
seiner Leistung, also vor der Behandlung eines Patienten,
wissen, was er dafür in D-Mark oder Euro erhält. Das ist
heute nicht der Fall.
Wir wollen gezielt in Stufen von drei Jahren die ärztli-
che Vergütung im Osten verbessern, ohne dass die Ärz-
tinnen und Ärzte im Westen zusätzlich belastet werden.
Ich frage mich: Warum können Sie sich eigentlich nicht
überwinden, diesen Eckpunkten zuzustimmen, statt skla-
visch an Ihrem Entwurf festzuhalten?
Es kann Ihnen doch nicht gleichgültig sein, dass sich die
ohnehin großen Probleme bei der Gesundheitsversorgung
in den neuen Bundesländern deutlich verschärfen. Schon
heute ist es in einigen ländlichen Gebieten nahezu un-
möglich, frei werdende Vertragsarztsitze neu zu besetzen.
Das ist, so denke ich, eine nicht hinnehmbare Entwick-
lung. Wir schulden der Bevölkerung dort eine ange-
messene flächendeckende Versorgung.
Beispiel drei: das Festbetrags-Anpassungsgesetz. Wir
hätten angesichts der Rechtslage schon ganz gerne ge-
wusst, wie sich diese Bundesregierung langfristig die Zu-
kunft der Festbeträge vorstellt. Stattdessen werden wir
in einem blumigen Entschließungsantrag über die angeb-
lichen Vorteile eines solchen Instrumentes belehrt. Nicht
einmal die Übergangslösung ist sonderlich gelungen:
Dem ursprünglichen Kompromiss zwischen der Pharma-
industrie und den Spitzenverbänden der Krankenkassen
mit einem Einsparvolumen von 650 Millionen DM stehen
jetzt 750 Millionen DM gegenüber.
Ich habe schon in der Anhörung eine Frage dazu gestellt;
denn wir wussten, dass es nicht bei dem ursprünglichen
Betrag bleiben, sondern dass sich dieser erhöhen würde.
Vielleicht ist die Differenz für diese Bundesregierung an-
gesichts der zu erwartenden Haushaltslöcher eine zu ver-
nachlässigende Größe; für die betroffenen Unternehmen
ist eine Abweichung von immerhin gut 15 Prozent nicht
unerheblich.
Was noch wesentlich problematischer ist: Arzneimit-
tel zum Beispiel zur Behandlung von Depressionen;
man könnte auch andere Beispiele nennen werden
zukünftig nicht mehr in ausreichender Anzahl zum Fest-
betrag zu haben sein. Das bedeutet: Die Patienten zahlen
die Differenz aus eigener Tasche, und das bei Arzneimit-
teln, die nicht einmal die Damen und Herren der Koalition
als umstritten einordnen würden.
Das ist wieder ein Beispiel dafür, dass zwar von Patien-
tenschutz geredet wird; gehandelt wird aber gegen die In-
teressen der Patienten.
Lassen Sie mich zu einem ganz heiklen Punkt kom-
men, der in Ihnen immer noch Hoffnungen schürt und
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Detlef Parr
18118
von dem Sie glauben, das sei das Heil der Welt: die
Positivliste. Wir haben heute einen Antrag eingebracht,
in dem wir verdeutlicht haben, warum sich diese Hoff-
nungen überhaupt nicht erfüllen können. Die Positivlis-
te ist im Hinblick auf die bald abgeschlossenen Nach-
zulassungsverfahren beim Institut für Arzneimittel und
Medizinprodukte auch bezüglich der Qualitätsüberle-
gungen vollkommen überflüssig. Sie stellt für die
Arzneimittelforschung und die Innovation neuer Pro-
dukte eine eklatante Gefährdung dar. Eine zweite Zu-
lassungshürde ist nicht akzeptabel, meine Damen und
Herren.
Die Positivliste verursacht einen immensen bürokra-
tischen Aufwand, dem kein entsprechender Nutzen ge-
genübersteht. Ihnen macht es aber wahrscheinlich noch
Spaß, in Ihren Gesetzentwürfen einen solchen Aufwand
immer wieder zu provozieren. Sie gefährdet die Thera-
piefreiheit im Bereich der Arzneimittel und belastet das
Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Sie führt
zu sozialen Härten, weil ausgegrenzte Arzneimittel von
den Patienten zu 100 Prozent aus der eigenen Tasche be-
zahlt werden müssen.
Das ist soziale Gerechtigkeit à la Rot-Grün.
Sie führt nicht zu den erwarteten Einsparungen im Arz-
neimittelbereich. Immer noch träumen Sie davon, Sie
könnten die Positivliste einsetzen, um im System Ein-
sparungen zu erzielen. Das ist ein Irrtum. Sie brauchen
nur über die Grenzen zu schauen: Es gibt nirgendwo den
Beweis dafür, dass eine Positivliste zu Einsparungen
führt.
Herr Kol-
lege Parr, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Kirschner?
Gerne, Herr Präsident.
Herr
Kirschner.
Herr Kollege Parr, sind Sie
mit mir der Meinung,
dass nach wie vor das Parlament zuständig ist, um Gesetze
aufzuheben, und könnten Sie dem Parlament einmal er-
klären, was die entsprechende Formulierung in Ihrem An-
trag bedeutet? Es heißt dort nämlich:
Die Bundesregierung wird deshalb aufgefordert,
§ 33 a SGB V in der Fassung vom 22.12.1999 auf-
zuheben, ...
Heißt dies, dass Sie das Parlament in Urlaub schicken
wollen, wenn es um die Änderung von Gesetzen geht?
Herr Kollege Kirschner, nobody
is perfect. Sie haben unseren Antrag sehr genau gelesen;
das freut mich. Noch wichtiger wäre mir allerdings, dass
Sie aus seinem Inhalt mehr lernten, als dass Sie auf diesen
formalen Fehler hinweisen.
Eine letzte Bemerkung mache ich zu den weiteren Ein-
schränkungen bei Naturheilmitteln. Es besteht über-
haupt kein Zweifel, dass die Nachfrage nach Naturheil-
mitteln immer weiter steigt. Auch das wird durch die
Positivliste infrage gestellt. Sie regulieren diesen Markt
sozusagen fast schon weg.
Deswegen fordere ich Sie auf, dafür zu sorgen, dass
diese Positivliste nicht das Licht der Welt erblickt, übri-
gens auch die Vorbereitungsliste nicht, die das Arznei-
mittelinstitut jetzt herausbringen will, damit wir nicht auf
diesem Schleichwege de facto eine Positivliste einführen.
Wir wollen keine Listenmedizin nach willkürlichen Ent-
scheidungen und mit gängelnder Wirkung, sondern wir
wollen die Therapiefreiheit und die Freiheit der Entschei-
dung von Arzt und Patient in der Praxis erhalten.
Abschließend bitte ich im Namen des Berichterstatters
Dr. Dieter Thomae, noch Folgendes zur Kenntnis zu neh-
men: In dem Antrag der CDU/CSU zum Wohnortprinzip
ist versäumt worden, in die Einführungsklausel den Pas-
sus Nichtzustimmung des Bundesrates aufzunehmen.
Das sollte bitte noch geändert werden. Wie gesagt, Herr
Kirschner, nobody is perfect. Aber wir arbeiten inhaltlich
zusammen und hoffentlich auch gemeinsam zum Nutzen
der Patientinnen und Patienten.
Bei diesem Ziel sind wir immer gerne bereit, mit Ihnen
zusammenzuarbeiten. Ich bin einmal gespannt, wann Sie
das verstehen, was wir Ihnen hier vorgetragen haben.
Herzlichen Dank.
Das Wort
hat jetzt die Kollegin Dr. Ruth Fuchs von der PDS-Frak-
tion.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Eigentlich ist es fast eine Zumutung, in fünf
Minuten zu drei Gesetzentwürfen reden zu müssen, die
nicht unwesentlichen Einfluss auf das Funktionieren der
gesetzlichen Krankenversicherung haben. Ich muss es
gleichwohl tun und beginne mit einem Gesetz, das für uns
als PDS am einfachsten ist, nämlich mit dem Gesetz zur
Neuregelung der Krankenkassenwahlrechte.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Detlef Parr
18119
Im Vorgriff auf die dringend notwendige Reform des
RSA ist es das Ziel dieses Gesetzentwurfes, den immer
mehr zunehmenden Entsolidarisierungsprozess in der
GKV zu stoppen.
Auch wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU/
CSU und F.D.P., dazu eine ganz andere Meinung haben:
Für uns hat das Solidarprinzip in der gesetzlichen Kran-
kenversicherung oberste Priorität.
Wer dieses Prinzip wirklich erhalten will, darf in diesem
Fall das Recht des Einzelnen nicht höher bewerten. Pro-
fessor Pfaff hat das bereits zum Ausdruck gebracht: Es ist
eine klare Güterabwägung, der wir uns stellen. Wir wer-
den diesem Gesetzentwurf zustimmen.
Mit dem Festbetrags-Anpassungsgesetz ist es etwas
komplizierter. Richtig ist, dass die Ministerin zügig ge-
handelt und die Festbeträge auf eine andere Rechtsgrund-
lage gestellt hat. Damit werden auch in den folgenden Jah-
ren Einsparungen bei Arzneimitteln möglich.
Es bleibt kritisch festzuhalten, dass die als Kompro-
miss ausgehandelten 650 Millionen DM deutlich hinter
dem zurückbleiben, was die Krankenkassen zu Recht for-
derten. Nach genauer Berechnung hat man festgestellt,
dass doch noch irgendwie 100 Millionen DM eingespart
werden können. Für die Kassen war das ein Trost, wenn
auch ein kleiner; für die Pharmaindustrie mit ihren Milli-
ardenumsätzen waren es eigentlich Peanuts.
Doch verlorene Peanuts sind für die Pharmaindustrie
anscheinend verlorene Macht. Drohungen ihrerseits, wie-
der Probleme zu bereiten, wenn nicht zum vereinbarten
Betrag zurückgekehrt wird, taten leider ihre Wirkung. In
dieser Auseinandersetzung, werte Frau Kollegin Göring-
Eckardt, hat auch die Regierung nicht gerade Stärke ge-
zeigt. Nur so ist es für uns erklärbar, dass es offenbar zu
den künftigen Optionen gehört, die Festbetragsregelung
generell infrage zu stellen. Wir hoffen, dass das niemals
der Fall sein wird.
Für den ausgehandelten Kompromiss kann die Regie-
rung unsere Zustimmung jedenfalls nicht erwarten. Auch
wenn der Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen
hinsichtlich seiner Grundaussagen von uns begrüßt wird,
fehlt eine klare Feststellung, dass die Festbetragsregelung
erhalten bleibt. Wir werden uns bei der Abstimmung da-
rüber der Stimme enthalten.
Ich komme nun zu dem Gesetzentwurf zur Einführung
des Wohnortprinzips. Auch wenn das Wohnortprinzip nur
noch für die so genannten Erstreckungskassen einge-
führt wird, bleibt es ein Schritt in die richtige Richtung.
Insbesondere in Ostdeutschland bringt es für viele Ärzte
nicht nur mehr Honorargerechtigkeit und um Honorar-
gerechtigkeit geht es , sondern auch geringfügige Ein-
nahmeverbesserungen.
Doch darum allein geht es nicht. Es geht um die
prekäre Situation im ambulanten Sektor. Eine Verbesse-
rung dieses Zustandes erreicht Ihr Gesetzentwurf leider
auch nicht. Umso unverständlicher ist, dass die Koaliti-
onsfraktionen diese minimalen Anhebungen und Verbes-
serungen mit ihren Änderungsanträgen noch verwässern.
Sie bleiben damit weit hinter den Vorschlägen des Bun-
desrates zurück. Dieser Vorgang zeugt unserer Meinung
nach von unglaublicher Ignoranz gegenüber der Entwick-
lung der medizinischen Versorgung in Ostdeutschland.
Ich frage mich, wie die Regierung das gegenüber den Ärz-
ten und vor allem, Frau Ministerin, vor den Menschen
dort vertreten will.
Folgende Forderungen müssen unseres Erachtens un-
bedingt erfüllt werden sie sind Inhalt unserer Ände-
rungsanträge :
Erstens. Wenn die Kopfpauschalen schon, wie das
jetzt vorgesehen ist, weiterhin getrennt nach Ost und West
ermittelt werden, dann ist eine gesetzliche Mindestsiche-
rung des Vergütungsniveaus in den neuen Ländern uner-
lässlich. Darauf zielt unser erster Änderungsantrag.
Zweitens. Mit der Regelung zum Wohnortprinzip muss
der Gesetzgeber den Vertragspartnern in der Selbstver-
waltung neue Spielräume eröffnen. Dabei geht es darum,
ihnen eine weiter gehende schrittweise Anhebung der Ge-
samtvergütung für die Ärzte in Ostdeutschland zu ermög-
lichen. Ein wirklich realistischer Maßstab dafür kann die
Relation sein, die bei der BAT-Regelung für angestellte
Ärzte gegenwärtig erreicht wird.
Mit dem zweiten und dritten Änderungsantrag schla-
gen wir vor, dass unterdurchschnittliche Kopfpauschalen
mindestens auf das durchschnittliche Vergütungsniveau
der jeweiligen Kassenart im Osten angehoben werden.
Zugleich ermöglichen wir eine Anhebung der Gesamtver-
gütung in den Jahren 2002 und 2003 um jeweils bis zu
3 Prozentpunkte. Unsere Vorschläge sind keine Fantasie-
gebilde und nicht unseriös; denn sie knüpfen an Be-
schlüsse des Bundesrates an. Noch wird dem Bundesrat
wohl nicht unterstellt, dass er PDS-Politik betreibt.
Meine Damen und Herren von der Koalition und in der
Regierung, Sie sollten das, was dort gesagt wurde, ernst
nehmen. Auch wenn unsere Vorschläge einen kleinen
Schritt weitergehen, so halten wir ihre Umsetzung für un-
bedingt notwendig, um die Gefährdung der medizini-
schen Versorgung der Bevölkerung in Ostdeutschland ab-
zuwenden. Das ist unser Hauptziel.
Im Interesse der medizinischen Versorgung der Bevöl-
kerung bitten wir Sie, unseren Anträgen zuzustimmen.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Dr. Ruth Fuchs
18120
Wenn Sie das tun, werden wir auch dem Gesetz zur Ein-
führung des Wohnortprinzips zustimmen; anderenfalls
müssen wir uns der Stimme enthalten, auch wenn dieses
Gesetz ein Schritt in die richtige Richtung ist. Sie werden
sich diesen Problemen in den neuen Bundesländern ir-
gendwann stellen müssen. Ich hoffe in diesem Zusam-
menhang auf die Kraft des Bundesrates.
Das Wort
hat nun die bayerische Staatsministerin für Arbeit und So-
zialordnung, Familie und Frauen, Christa Stewens.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich
mit einem Bild anfangen: Was hat die Gesundheitspolitik
der Bundesregierung mit einem Formel-1-Rennen ge-
meinsam?
Zu stark auf die Bremse zu treten bedeutet in beiden Fäl-
len, aus der Kurve zu fliegen, vielleicht sogar mit schwe-
ren Blessuren. Die Bundesregierung ist mit ihrer plan-
wirtschaftlichen Gesundheitspolitik
relativ unsanft im Aus gelandet. Insbesondere die Budge-
tierungspolitik war nach meiner Auffassung ein völlig
untauglicher Bremsversuch.
Die Versicherten haben häufig nicht einmal die notwen-
digen Arzneimittel erhalten. Innovative Arzneimittel ver-
schwanden aus Kostendruck ohnedies von den Rezept-
blöcken der Ärzte.
Zwangsläufige Folge der Budgetierungspolitik war
eine zunehmende Unterversorgung der Versicherten, ob-
wohl die Patienten im Vordergrund stehen sollen.
Dies hat die Bundesregierung letztendlich zugegeben,
und zwar öffentlich in Form eines Gesetzes. Das ist mit
Sicherheit eine respektable Art der Selbstkritik. Mit der
Aufhebung des Arzneimittelbudgets hat die Bundesre-
gierung leider Gottes nur teilweise den Fuß von der plan-
wirtschaftlichen Bremse genommen.
Dadurch aber wird der medizinische Bedarf der Patienten
offensichtlich. Steigende Arzneimittelausgaben sind
zwangsläufig die Folge dieses Nachholprozesses. Ich
halte es schlichtweg für unseriös, diese Kostensteigerung
ausschließlich den Ärzten anzulasten.
Damit Sie mich richtig verstehen: Ich habe nichts ge-
gen gezielte und gesicherte Bremsvorgänge, soweit sie
denn notwendig sind. So hätte beispielsweise das Fest-
betrags-Anpassungsgesetz durchaus die Zustimmung
Bayerns finden können, Frau Schmidt. Allerdings halte
ich es für völlig verfehlt, die Länder außen vor zu lassen.
Dies gilt vor allen Dingen angesichts der wirtschaftlichen
Bedeutung einer Rechtsverordnung zur Festlegung der
Festbeträge. Aus diesem Grunde wird Bayern das Fest-
betrags-Anpassungsgesetz nicht mittragen.
Was ist wirklich notwendig, um in der Gesundheits-
politik den richtigen Kurs zu steuern?
Frau
Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Schmidbauer?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein.
Eine umfassende Strukturreform in der gesetzlichen
Krankenversicherung wäre exakt die richtige Antwort auf
die bisherigen Fehlgriffe. Verschiebebahnhöfe müssen
rückgängig gemacht werden. Ich denke zum Beispiel an
die Belastung der Krankenkassen durch Änderungen bei
der Rentenversicherung und der Arbeitslosenversiche-
rung. Die Budgetierung muss auch bei den Leistungser-
bringern abgeschafft und die zu starke finanzielle Belas-
tung der Westkassen zurückgefahren werden.
Doch das Stückwerk geht einfach weiter. Das Gesetz
zur Neuregelung der Krankenkassenwahlrechte greift le-
diglich Randaspekte aus einer dringend notwendigen Re-
form zur Neugestaltung des Risikostrukturausgleichs
heraus. Diese wenigen Aspekte sind leider Gottes noch
unausgegoren. So können wir insbesondere die über-
fallartige Streichung des diesjährigen Kündigungstermins
nicht mittragen.
Zum Risikopool in Höhe von 40 000 DM: Letztendlich
werden dann die Kosten in den stationären Bereich ver-
schoben.DamithabenwirwiedereinenVerschiebebahnhof.
Ich wiederhole: Eine politisch glaubwürdige Reform er-
fordert eine Gesamtkonzeption für eine Strukturreform.
Bruchstückhafte Einzelgesetze haben im Stil einer
Salamitaktik das Ziel, eine politische Diskussion um Ge-
samtkonzepte zu verhindern und die eigentlichen politi-
schen Ziele zu verschleiern.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Dr. Ruth Fuchs
18121
Es gibt viele Probleme, die dringend gelöst werden
müssen und die ein Gesamtkonzept in der Gesundheits-
politik erforderlich machen. Das Bundeskanzleramt hat
in seinem Arbeitspapier eine ganz realistische Analyse
der Situation der gesetzlichen Krankenversicherung
vorgelegt. Es geht davon aus, dass ohne durchgreifende
Reformen in absehbarer Zeit mit Beitragssätzen von 20
bis 24 Prozent, langfristig man höre und staune so-
gar mit einem Beitragssatz von 31 Prozent zu rechnen
ist. Danach sind mindestens ein Drittel oder sogar
50 Prozent der Leistungen der GKV mit den jetzigen
Beitragssätzen jedenfalls längerfristig nicht mehr zu
finanzieren.
Die gegenwärtige Finanzlage der Krankenkassen ist
also desolat. Zahlreiche Ortskrankenkassen mussten be-
reits in diesem Jahr ihre Beitragssätze anheben. Auch die
großen Ersatzkassen werden die finanzielle Durststrecke
wir alle wissen das nicht mehr länger durchhalten
können. Die Unzufriedenheit bei den Leistungserbrin-
gern wächst. Die Versicherten und die Patienten, Frau
Kollegin Schmidt, werden zu Zuschauern degradiert.
Die hehren Worte der Bundesregierung zur Gesund-
heitspolitik entpuppen sich letztendlich als Sprech-
blasen.
Deshalb fordere ich die Bundesregierung an dieser
Stelle auf: Machen Sie mit ihren verbremsten Auf-
wärmrunden Schluss! Die Zuschauer wollen den Start
für eine echte Gesundheitsreform sehen, für eine Re-
form, die die Versicherten stärkt, sie aber auch stärker
in die Verantwortung nimmt, die die Leistungserbringer
fordert und die die Krankenkassen entlastet. Entschei-
dend für eine solch grundlegende Reform sind fünf
Eckpunkte eigentlich sind es noch mehr; aber mit
Rücksicht auf meine Redezeit möchte ich nicht mehr
nennen :
Erstens. Die Eigenverantwortung der Bürger ist zu
stärken. Ein diesbezüglicher Bewusstseinswandel ist zu
unterstützen. Dafür können positive und negative Anreize
gesetzt werden.
Frau
Minister, darf ich Sie einen Moment unterbrechen? Ihre
Redezeit ist abgelaufen. Wenn Sie weiter sprechen wollen
das dürfen Sie , dann geht das auf Kosten der Redezeit
Ihres Kollegen Ulf Fink.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich
werde die übrigen Punkte nur kurz anreißen.
Zweitens. Verantwortlichkeiten liegen auch bei den
Leistungserbringern. Auch hier sind weitere Effizienz-
steigerungen und Qualitätsverbesserungen möglich.
Drittens. Die Systeme der Krankenversicherung sind
zu regionalisieren und in selbststeuernde Systeme umzu-
wandeln.
Viertens. Die dezentralen marktwirtschaftlichen Ele-
mente im Gesundheitswesen sind zu stärken. Das jetzige
Gesundheitssystem ist zu zentralistisch, undurchschaubar
und zu bürokratisch. Es ist schlicht und einfach über-
reglementiert. Man kann viele Regelungen abschaffen.
Fünftens. Der Risikostrukturausgleich ist unverzüglich
auf andere Beine zu stellen. Der Finanzausgleich der
Krankenkassen darf nicht zementiert oder sogar verkom-
pliziert werden.
Nur mit einer an diesen Eckpunkten orientierten Ge-
sundheitsreform lässt sich die Ziellinie um beim An-
fangsbild zu bleiben erfolgreich passieren.
Danke schön.
Das Wort
hat jetzt die Kollegin Dr. Carola Reimann von der SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Sehr ge-
ehrte Damen und Herren! Die vorgebliche Untätigkeit der
deutschen Gesundheitspolitik ist dieser Tage gerade von
Ihrer Seite lautstark bejammert worden. Heute bekommen
Sie aber gleich dreimal die Gelegenheit, Gesetze zu un-
terstützen, die notwendige und richtige Verbesserungen
im Gesundheitswesen bewirken werden. Das ist zwar we-
niger spektakulär, liebe Kolleginnen und Kollegen von
der Opposition, als zu kritisieren und zu jammern.
Wenn Sie es aber wirklich ernst meinen mit Ihrer Forde-
rung nach mehr Qualität und mehr Selbstbestimmung für
die Patienten im Gesundheitswesen, dann verzichten Sie
heute auf Ihr Verweigerungsritual.
Drei Gesetze liegen Ihnen heute zur Abstimmung vor:
die Neuregelung des Krankenkassenwahlrechts, die Ein-
führung des Wohnortprinzips und das Festbetrags-Anpas-
sungsgesetz.
Mit dem Gesetzentwurf zur Neuregelung des Kran-
kenkassenwahlrechts werden die Kassenwahlmöglichkei-
ten für Versicherungspflichtige und freiwillig Versicherte
einheitlich geregelt. Danach können auch Pflichtmitglieder
jederzeit zum Ende des übernächsten Monats ihre Kran-
kenkasse wechseln.
Damit entfällt die bisherige Beschränkung auf die Stich-
tagsregelung mit all ihren Wüstenrot-Effekten. Alle
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Staatsministerin Christa Stewens
18122
Mitglieder können sich nunmehr frei von den Stich-
tagsregelungen für eine andere Krankenkasse entscheiden.
Die Bindungsfrist von 18 Monaten wahrt sowohl die Be-
lange des Verbraucherschutzes als auch die der Kranken-
kasse im Hinblick auf Planungssicherheit.
Sie sorgt damit für Flexibilität und Stabilität.
Das Sonderkündigungsrecht bleibt erhalten. Wenn also
eine Krankenkasse ihre Beiträge erhöht, kann der Versi-
cherte, auch wenn er weniger als 18 Monate bei der Kasse
versichert ist, diese Kasse verlassen. Damit erweitert
diese Neuregelung des Kassenwahlrechts eindeutig die
Selbstbestimmungsmöglichkeiten und das Wahlrecht der
Patienten im Gesundheitswesen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, wenn Sie
es mit den Freiheiten für die Patientinnen und Patienten
wirklich ernst meinen, dann unterstützen auch Sie unser
Gesetzesvorhaben.
Mit der Einführung des Wohnortprinzips werden die
Leistungen endlich dort vergütet, wo sie auch erbracht
werden. Damit folgt in Zukunft auch da das Geld der Leis-
tung. Durch den zunehmenden Wettbewerb und die Öff-
nung der Krankenkassen haben viele Kassen neue Mit-
glieder gewonnen, die nicht in der Region oder in dem
Bundesland wohnen, wo die Kasse ihren Sitz hat. Dies gilt
in besonderem Maße für die neuen Länder. Etliche BKKs
haben dort in den letzten Jahren eine große Anzahl von
Mitgliedern hinzugewonnen. Während die Mitglieder der
AOK zu 95 Prozent in den KV-Bezirken wohnen, in de-
nen die Kasse auch die Vergütung verhandelt, gibt es un-
ter den Versicherten der Betriebskrankenkassen gerade
in den neuen Ländern circa 90 Prozent so genannte ein-
strahlende Mitglieder. Das heißt, die Versicherten wohnen
in den neuen Bundesländern und sind Mitglieder von Be-
triebskrankenkassen, die ihren Kassensitz im Westen
haben.
Die Gesamtvergütung auch das ist bekannt wird in
Form von Kopfpauschalen berechnet; die Krankenkassen
zahlen diese an die KVen. Dabei gibt es zwei unter-
schiedliche Regelungen zur Vereinbarung der Gesamt-
vergütung für die vertragsärztliche Versorgung:
Die Verbände der Ersatzkassen auf der Landesebene
vereinbaren die Gesamtvergütung regional mit all denje-
nigen Kassenärztlichen Vereinigungen, in deren Zustän-
digkeitsbereich Versicherte wohnen, die der Ersatzkasse
angehören, also nach dem Wohnortprinzip. Die Gesamt-
vergütung fließt dabei der KV zu, deren Ärzte die Versi-
cherten behandeln. Das Geld folgt hier der Leistung.
Bei den überregionalen Betriebs- und Innungskran-
kenkassen hingegen schließt bislang nur derjenige Lan-
desverband einen Gesamtvertrag mit der KV ab, in deren
Zuständigkeitsbereich die Betriebs- oder Innungskran-
kenkasse ihren Sitz hat; das ist das alte Kassensitz-
prinzip. Damit zahlt die Betriebs- und Innungskranken-
kasse die komplette Gesamtvergütung, also die gesamten
Kopfpauschalen, für all ihre Versicherten an die KV in
diesem Bezirk. Die meisten BKKs das habe ich gerade
gesagt haben ihren Sitz nicht im Osten, sondern im
Westen.
Die Kosten der vertragsärztlichen Behandlung der Ver-
sicherten, die von Ärzten versorgt worden sind, die nicht
der KV des Kassensitzes angehören, werden in einem sehr
komplizierten, gesonderten Verfahren, dem so genannten
Fremdkassen-Zahlungsausgleich, zwischen den beteilig-
ten Kassenärztlichen Vereinigungen abgerechnet. Dabei
wird aber eben in der Regel nur ein Teil rückfinanziert. Der
Fremdkassenzahlungsausgleich er ist kompliziert und
umständlich ist ursprünglich nur für Ausnahmefälle,
zum Beispiel für die medizinische Versorgung im Urlaub,
vorgesehen worden. Dies soll in Zukunft wieder so sein.
Mit Einführung des Wohnortprinzips auch für die Be-
triebskrankenkassen fließen die Kopfpauschalen an die
KV, in deren Zuständigkeitsbereich die Versicherten woh-
nen und die dort ansässigen Ärzte die Leistungen erbrin-
gen. Deshalb wird mit Einführung des Wohnortprinzips
das Geld auch wieder der Leistung folgen.
Die Kopfpauschalen Ost und West das wissen wir
divergieren sehr stark. Um diese Schieflage zu beseitigen,
werden die niedrigen Ost-Kopfpauschalen der Betriebs-
krankenkassen an die höheren Kopfpauschalen der Orts-
und Ersatzkrankenkassen in den neuen Ländern ange-
passt. Damit werden auch die noch bestehenden Vergü-
tungsunterschiede zwischen den Krankenkassenarten in
den neuen Bundesländern weitgehend ausgeglichen. Mit
dieser Regelung das will ich hier nicht verschweigen
werden 100 Millionen DM bis 110 Millionen DM zuguns-
ten der neuen Länder mobilisiert.
Meine Damen und Herren von der Opposition, die von
Ihnen geforderte Ausweitung der Gesamtvergütung um
5 Prozent über die Steigerung der Grundlohnsumme hi-
naus schießt weit über das Ziel hinaus. Sie gefährdet die
Beitragsstabilität und ist deshalb unverantwortbar.
Wenn es Ihnen mit Ihrem Bekenntnis zu Beitragsstabilität
und Verteilungsgerechtigkeit Ernst ist, dann dazu for-
dere ich Sie auf stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Dr. Carola Reimann
18123
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir schon über
Beitragsstabilität reden: Gerade von Ihnen ist in den letz-
ten Wochen immer wieder die Entwicklung im Arznei-
mittelbereich thematisiert worden. Ich gebe Ihnen Recht
darin, dass der Arzneimittelmarkt von besonderer Be-
deutung für unser Gesundheitssystem ist; denn wir reden
beim Arzneimittelgesamtmarkt über ein Finanzvolumen
von rund 37 Milliarden DM jährlich mit rund 780 Milli-
onen Verordnungen.
Damit ist klar, dass die Entwicklung dieses Marktes
einen starken Einfluss auf die Kostensituation der Kran-
kenkassen hat. Wir erleben gegenwärtig, wie fundamen-
tal die Frage der Stabilisierung der Kosten für Arzneimit-
tel ist.
Die Ausgaben für Medikamente haben sich in den letzten
Wochen enorm erhöht. Kaum wurde nämlich eine Locke-
rung des Arzneimittelbudgets angekündigt, war jede
Selbstdisziplin bei den Verordnungen dahin. Bezahlen
müssen das die Kassen und damit letztlich die Beitrags-
zahler.
Wir begrüßen deshalb die Initiative der AOK Berlin
und der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin, die Qualität
und Wirtschaftlichkeit derArzneimittelversorgung zu ver-
bessern. Dieses gute Beispiel sollte möglichst schnell und
umfassend Schule machen.
In der Vergangenheit hat das System der Festbeträge
eine Begrenzung der Arzneimittelausgaben ermöglicht.
So konnten Beitragszahler und Kassen entlastet werden
und das bei einer Arzneimittelversorgung auf hohem Ni-
veau. Wir alle wissen aber auch, dass das Bundessozial-
gericht das bisherige Festbetragsmodell als verfassungs-
widrig eingeschätzt hat. Darüber hinaus gibt es kartell-
rechtliche Bedenken. Gerade in dieser Woche hat der Kar-
tellsenat in Karlsruhe die vorliegende Klage an den Euro-
päischen Gerichtshof in Luxemburg weitergeleitet. Eine
endgültige Entscheidung ist nicht vor Ablauf von zwei
Jahren zu erwarten. Deshalb brauchen wir für die Über-
gangszeit eine rechtssichere Lösung.
Der vorliegende Entwurf für das Festbetrags-Anpas-
sungsgesetz sieht deshalb eine einmalige allgemeine An-
passungsrunde der Festbeträge per Rechtsverordnung
vor.
Die Kriterien für die Bestimmung der Festbeträge orien-
tieren sich an den bisher bewährten Prinzipien und wur-
den im Konsens mit allen Beteiligten, den Spitzenverbän-
den der Krankenkassen und den Verbänden der pharma-
zeutischen Industrie, vereinbart.
Das Gesetz erlaubt es das haben wir schon gehört ,
die vorhandenen Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöp-
fen. Wir erwarten nach detaillierterer Kalkulation ein
Einsparvolumen von 750 Millionen DM jährlich auf Ba-
sis der vereinbarten Kriterien.
Deshalb gibt es auch keinen Grund, zu glauben, dies sei
nicht mehr im Sinne des Konsenses, der zwischen den
schon erwähnten Vertragspartnern vereinbart worden ist.
Ich habe deshalb auch nicht verstanden so wie die Kol-
legin Göring-Eckardt , warum Sie im Ausschuss Ihre Zu-
stimmung verweigert haben.
Wir wollen keine Staatsmedizin, Frau Stewens.
Die staatliche Festsetzung der Festbeträge für Arznei-
mittel ist eine reine Übergangslösung.
Ich lese sie, und ich lese jetzt auch noch einen Teil da-
raus vor. Dies ergibt sich vor allem aus folgenden Re-
gelungen: Die Rechtsverordnung geht von den geltenden
Festbeträgen und von den Festbetragsgruppen aus. Neue
Gruppen und Festbeträge sollen grundsätzlich nicht ge-
bildet werden. Herr Kollege, es wird auch keine Festbe-
tragsbehörde installiert. Das Gesetz ist mit einem Ver-
fallsdatum versehen,
und zwar dem 31. Dezember 2003.
Wir brauchen eine ordnungspolitische Weiterentwick-
lung des Arzneimittelsektors, die über die derzeitige Pra-
xis weit hinausgeht. Dazu müssen sich aber alle Akteure
in einer vorurteilsfreien Diskussion zusammenfinden
können.
Ich möchte Sie dringend auffordern auch wenn Sie ge-
rade keine große Kooperationsbereitschaft zeigen , da-
ran teilzunehmen.
Der vorliegende Gesetzentwurf bietet eine rechtssi-
chere Übergangslösung und den nötigen Freiraum, sämt-
liche Möglichkeiten auszuschöpfen, um der Selbstver-
waltung wieder die Kompetenz für die Festsetzung von
Festbeträgen einzuräumen. Das geschieht mit dem erklär-
ten Ziel, eine umfassend abgewogene, aber auch auf
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Dr. Carola Reimann
18124
Dauer rechtssichere und staatsferne Lösung herbeizu-
führen, die auch die künftige Rechtsprechung berücksich-
tigen wird. Dabei sind rechtliche Rahmenbedingungen
des europäischen Binnenmarktes und die technischen
Entwicklungen, also Internet, E-Commerce, elektroni-
sches Rezept, daraufhin zu prüfen, welche Chancen und
Möglichkeiten sich für die Preisentwicklung und für die
Distribution in Sachen Arzneimittel ergeben. Ich wieder-
hole: Das erfordert eine vorurteilsfreie Diskussion aller
Beteiligten.
Wenn es Ihnen um die Sache, um die Verbesserung der
Selbstbestimmungsrechte und um die Versorgung der Pa-
tientinnen und Patienten geht,
dann stimmen Sie den vorliegenden Gesetzentwürfen
bitte zu.
Vielen Dank.
Das Wort
hat jetzt der Kollege Ulf Fink von der CDU/CSU-Frak-
tion.
Herr Präsident! Meine sehr ver-
ehrten Damen und Herren! Die Reden der Vertreter der
Regierungskoalition können doch über eines nicht hin-
wegtäuschen: Sie sind mit dem Versprechen angetreten,
für eine gute medizinische Versorgung zu tragbaren Prei-
sen zu sorgen. Die Wahrheit ist: Sie haben die Menschen
auf das Schwerste enttäuscht.
Unter Ihrer Regierungsverantwortung ist es dazu ge-
kommen, dass viele Menschen nicht mehr die notwendi-
gen Medikamente bekommen haben. Zum ersten Mal ist
es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland im
Zuge der Budgetierung zu einer Zweiklassenmedizin ge-
kommen.
Dennoch steigen die Beitragssätze derzeit drastisch an.
Sie haben die Beitragsseite überhaupt nicht im Griff. Ich
gebe meinem verehrten Kollegen Professor Pfaff völlig
Recht, wenn er sagt: Man muss dringend etwas tun, um
drastische Beitragssatzsteigerungen in der gesetzlichen
Krankenversicherung zu verhindern.
Aus dem Lager der Regierungskoalition sind in einer
geradezu panischen, hektischen Art und Weise Vorschläge
zu hören, wobei ein Vorschlag dem nächsten widerspricht.
Einer Zeitung von heute ist zu entnehmen, dass sich die
SPD-Fraktionsspitze mit der Bundesgesundheitsministe-
rin zusammengesetzt hat, woraufhin man zu folgendem
Ergebnis gekommen ist: Sie wissen nun, dass Sie keine
Grund- und Wahlleistung wollen. Wir haben bisher nicht
erfahren, was Sie wollen. Sie wissen nur, was Sie nicht
wollen.
Das erinnert mich an einen Spruch, den ich vor einiger
Zeit in dem Buch Die Abenteuer Tom Sawyers gelesen
habe: Als sie das Ziel aus den Augen verloren hatten, ver-
doppelten sie die Geschwindigkeit. So kommt mir Ihre
Gesundheitspolitik vor.
Heute sprechen wir über die Versorgungssituation in
Ostdeutschland. Die Situation in der ambulanten medi-
zinischen Versorgung in Ostdeutschland nimmt zuneh-
mend dramatische Züge an.
Tatsache ist: Es gelingt kaum mehr, Arztpraxen in ländli-
chen Regionen neu zu besetzen.
Dazu zwei Beispiele aus Brandenburg: In Forst waren
zwei Hausarztstellen
hören Sie sich das einmal an! fast zwei Jahre lang aus-
geschrieben, ohne Erfolg. Die beiden Praxen mussten
mittlerweile geschlossen werden. In Luckau sind seit ei-
nem Dreivierteljahr zwei Stellen ausgeschrieben, bisher
ohne Erfolg. Ich könnte Ihnen für die anderen neuen Bun-
desländer beliebig weitere Beispiele nennen.
Diese Beispiele beweisen: Es handelt sich keinesfalls
mehr nur um ein theoretisches Problem, sondern um die
harte Wirklichkeit. Der ambulanten medizinischen Ver-
sorgung in Ostdeutschland droht, wenn nicht Entschei-
dendes geschieht, der Kollaps.
Wo liegen die Gründe? Obwohl die niedergelassenen
ostdeutschen Kassenärzte aufgrund der höheren Krank-
heitshäufigkeit in den neuen Ländern mehr arbeiten müs-
sen als ihre Kollegen in Westdeutschland, erhalten sie nur
77 Prozent des Westhonorars. Dagegen erhalten zum Bei-
spiel die Krankenhausärzte in Ostdeutschland, die ja nach
BAT bezahlt werden, bereits jetzt 88,5 Prozent und ab
dem nächsten Jahr 90 Prozent des Westhonorars.
Vor diesem Hintergrund ist es nur ein Tropfen auf den
heißen Stein, dass die Regierungskoalition bereit ist, dem
Osten Deutschlands die für die medizinische Versorgung
der Bevölkerung vorhandenen Mittel insbesondere bei
den Betriebskrankenkassen durch die Einführung des
Wohnortprinzips nicht länger vorzuenthalten. Im Zuge
des Gesetzgebungsverfahrens ist übrigens aus diesem
Tropfen auf den heißen Stein ein Tröpfchen geworden.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Dr. Carola Reimann
18125
Die getroffenen Regelungen haben zur Folge, dass die
Mittel für die ostdeutschen Praxen um nicht einmal 1 Pro-
zent steigen.
Meine Fraktion stellt deshalb den Antrag, eine zusätzli-
cheAnhebung der ostdeutschenArzthonorare um jeweils
5 Prozent für dieses und das nächste Jahr vorzunehmen.
Auch dabei stünden den niedergelassenen Ärzten in Ost-
deutschland noch weniger als ihren westdeutschen Kolle-
gen und auch weniger als ihren in Krankenhäusern ange-
stellten ostdeutschen Kollegen zur Verfügung.
Meine Damen und Herren, Sie nennen das Kosten-
argument. Sie halten es bei den Kassen für vertretbar, dass
die westdeutschen Ärzte 100 Prozent erhalten. Sie halten
es ebenso für vertretbar, dass die angestellten Ärzte in
Ostdeutschland 88,5 Prozent und ab dem nächsten Jahr
90 Prozent erhalten. Zu den niedergelassenen Ärzten, die
das höchste Risiko zu tragen haben, sagen Sie, Sie hätten
kein Geld mehr. Das nenne ich eine Logik.
Eines will ich Ihnen an dieser Stelle ganz deutlich sagen:
Bei der Probeabstimmung in der SPD-Fraktion haben die
ostdeutschen SPD-Abgeordneten gegen Ihre Vorschläge
gestimmt und gesagt, es müsse etwas getan werden.
Ich fordere nun die ostdeutschen Kollegen bei den Grü-
nen und bei der SPD auf: Beweisen Sie Mut und nehmen
Sie sich ein Herz! Tun Sie etwas dafür, dass die Versor-
gung in den ambulanten Praxen in Ostdeutschland keinen
Kollaps erleidet! Setzen Sie Ihren Mut vor die Parteidis-
ziplin!
Ich
schließe die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen.
Tagesordnungspunkt 22 a: Abstimmung über den von
den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grü-
nen eingebrachten Gesetzentwurf zur Neuregelung der
Krankenkassenwahlrechte auf Drucksache 14/5957. Der
Ausschuss für Gesundheit empfiehlt unter Nr. 1 seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 14/6568, den Ge-
setzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen.
Gegenstimmen? Enthaltungen? Der Gesetzentwurf ist
damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koali-
tionsfraktionen und der PDS gegen die Stimmen der
CDU/CSU und der F.D.P. angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Ge-
genstimmen? Enthaltungen? Der Gesetzentwurf ist
damit mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie soeben
angenommen.
Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 14/6568 empfiehlt der Ausschuss für Gesundheit,
den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung
der Krankenkassenwahlrechte auf Drucksache 14/6409
für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Be-
schlussempfehlung? Gegenstimmen? Enthaltungen?
Die Beschlussempfehlung ist damit einstimmig ange-
nommen.
Tagesordnungspunkt 22 b: Abstimmung über den von
den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grü-
nen eingebrachten Gesetzentwurf zur Einführung des
Wohnortprinzips bei Honorarvereinbarungen für Ärzte
und Zahnärzte auf Drucksache 14/5960. Der Ausschuss
für Gesundheit empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 14/6566, den Gesetzentwurf
in der Ausschussfassung anzunehmen. Es liegen drei
Änderungsanträge der Fraktion der PDS vor, über die wir
zuerst abstimmen.
Änderungsantrag auf Drucksache 14/6600. Wer stimmt
dafür? Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? Der
Änderungsantrag ist damit mit den Stimmen der Koaliti-
onsfraktionen und der F.D.P. gegen die Stimmen der PDS
bei Enthaltung der CDU/CSU abgelehnt.
Änderungsantrag auf Drucksache 14/6601. Wer stimmt
dafür? Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? Der
Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis
abgelehnt.
Änderungsantrag auf Drucksache 14/6602. Wer stimmt
dafür? Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? Auch
dieser Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmen-
verhältnis abgelehnt.
Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
chen. Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? Der
Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stim-
men der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen von CDU/
CSU und F.D.P. und Enthaltung der PDS angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Ge-
genstimmen? Enthaltungen? Der Gesetzentwurf ist
mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen.
Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 14/6566 empfiehlt der Ausschuss für Gesundheit, den
Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung des
Wohnortprinzips bei Honorarvereinbarungen für Ärzte
und Zahnärzte auf Drucksache 14/6410 für erledigt
zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich? Die
Beschlussempfehlung ist damit einstimmig angenommen.
Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der
CDU/CSU zur Einführung des Wohnortprinzips bei den
Vereinbarungen über die ärztliche Gesamtvergütung auf
Drucksache 14/5694. Der Ausschuss für Gesundheit emp-
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Ulf Fink
18126
fiehlt unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 14/6566, den Gesetzentwurf abzulehnen.
Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/
CSU vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für
den Änderungsantrag auf Drucksache 14/6608? Wer
stimmt dagegen? Wer enthält sich? Der Änderungsan-
trag ist damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. bei Enthal-
tung der PDS abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen
wollen, um das Handzeichen. Gegenstimmen? Ent-
haltungen? Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der
PDS abgelehnt worden.
Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die wei-
tere Beratung.
Abstimmung über den Entwurf eines Versorgungsan-
gleichungsgesetzes der Fraktion der F.D.P. auf Drucksa-
che 14/6054. Der Ausschuss für Gesundheit empfiehlt un-
ter Nr. 4 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache
14/6566, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte dieje-
nigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das
Handzeichen. Gegenstimmen? Enthaltungen? Der
Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von
CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der PDS abgelehnt.
Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die wei-
tere Beratung.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 22 c: Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für Gesundheit zu dem An-
trag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die
Grünen mit dem Titel Größere Verteilungsgerechtigkeit
bei kassenärztlichen Honoraren. Der Ausschuss emp-
fiehlt unter Nr. 5 seiner Beschlussempfehlung auf Druck-
sache 14/6566, den Antrag auf Drucksache 14/4891 für
erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussemp-
fehlung? Wer stimmt dagegen? Enthaltungen?
Die Beschlussempfehlung ist damit einstimmig ange-
nommen.
Tagesordnungspunkt 22 d: Abstimmung über den von
den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grü-
nen eingebrachten Entwurf eines Festbetrags-Anpas-
sungsgesetzes auf Drucksache 14/6041. Der Ausschuss für
Gesundheit empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussemp-
fehlung auf Drucksache 14/6567 die Annahme des Ge-
setzentwurfes in der Ausschussfassung. Ich bitte diejeni-
gen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung
zustimmen wollen, um das Handzeichen. Gegenstim-
men? Enthaltungen? Der Gesetzentwurf ist damit in
zweiter Lesung mit den Stimmen der Koalitionsfrak-
tionen gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. bei
Enthaltung der PDS angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Ge-
genstimmen? Enthaltungen? Der Gesetzentwurf ist
damit mit gleichem Stimmenverhältnis angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktionen der SPD und des Bünd-
nisses 90/Die Grünen auf Drucksache 14/6579. Wer
stimmt für diesen Entschließungsantrag? Wer stimmt
dagegen? Wer enthält sich? Der Entschließungsantrag
ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der
CDU/CSU bei Gegenstimmen der F.D.P. und Enthaltung
der PDS angenommen.
Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 14/6567 empfiehlt der Ausschuss für Gesundheit, den
Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksa-
che 14/6408 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? Wer stimmt dagegen? Wer ent-
hält sich? Die Beschlussempfehlung ist einstimmig an-
genommen.
Zusatzpunkt 15: Interfraktionell wird Überweisung der
Vorlage auf Drucksache 14/6571 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie
damit einverstanden? Ich höre keinen Widerspruch.
Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 23 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Rainer
Brüderle, Dr. Hermann Otto Solms, Hildebrecht
Braun , weiteren Abgeordneten und
der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs ei-
nes Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuer-
gesetzes
Drucksache 14/5331
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen, wobei die
F.D.P. sieben Minuten erhalten soll. Gibt es dazu Wider-
spruch? Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen.
Bevor ich die Aussprache eröffne, bitte ich die Ge-
sundheitspolitiker, die nun den Raum verlassen wollen,
dies auch umgehend zu tun und ihre Gespräche außerhalb
des Plenarsaals fortzuführen.
Sie können natürlich gerne bleiben. Das ist nicht nur Ihr
Recht, sondern auch beinahe Ihre Pflicht.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der
Kollege Dieter Grasedieck von der SPD-Fraktion das
Wort.
Auch ich wundere mich etwas. Ich glaube, ich muss die
Reihenfolge der Redner ändern.
Entschuldigen Sie, Herr Grasedieck, eigentlich hat der
Antragsteller das Recht, als Erster zu sprechen. Deswegen
müssen wir die Reihenfolge ändern.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
18127
Nun hat zur Begründung des Antrages der Kollege
Rainer Brüderle von der F.D.P.-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Wir unterbreiten Ihnen heute einen Vor-
schlag zum Abbau überflüssiger Bürokratie und zur
gleichzeitigen Entlastung von Unternehmen und staat-
licher Verwaltung. Um das zu erreichen, müssen wir den
Zeitraum für die Voranmeldung zur Umsatzsteuer ge-
nerell von einem auf drei Monate verlängern. Damit spa-
ren wir pro Jahr rund 12 Millionen Voranmeldeformulare.
Das führt nach konservativer Schätzung bei Unternehmen
und Finanzverwaltungen zu einer Bürokratieentlastung
von rund 1 Milliarde DM.
Was die Hand- und Spanndienste im Mittelalter waren,
sind heute die Bürokratiedienste der mittelständischen
Wirtschaft für den Staat.
Das Mittelalter ist längst vorbei;
also muss der Staat auf diese Gratisdienste der Unter-
nehmen jetzt soweit wie möglich verzichten. Für Sie
nicht. Sie sind immer noch im Mittelalter. Das ist klar:
Öffentliche Verwaltungen lassen sich jeden Handschlag
von den Bürgern und Unternehmen bezahlen. Wir alle
kennen die Gebühren für die Ausstellung eines Personal-
ausweises, Führerscheins, Gewerbescheins usw. Dagegen
sind Unternehmen gesetzlich verpflichtet, Verwaltungs-
arbeiten für den Staat unentgeltlich zu übernehmen. Dazu
zählen das Berechnen von Steuern und Abgaben, das Aus-
füllen von Formularen, das Erheben im staatlichen Auf-
trag. Allein das Lohnsteuerabzugsverfahren belastet nach
Berechnungen des Instituts für Steuern und Finanzen die
Unternehmen jährlich mit rund 10 Milliarden DM.
Zu diesen Gratisdiensten zählen weiter, verschiedene
Bescheinigungen auszustellen, Statistiken zu führen, amt-
liche Formulare auszufüllen. Die Belastungen durch
Bürokratiekosten belaufen sich jährlich auf über 60 Mil-
liarden DM, Tendenz: steigend.
Gerade die grün-rote Bundesregierung hat sich als
Bürokratieweltmeister entpuppt. Ich nenne nur drei Bei-
spiele: die Neuregelung der 630-Mark-Jobs, das Schein-
selbstständigengesetz und die Ökosteuer mit ihren Aus-
nahmen. Diese drei unsinnigen Regelungen haben eines
gemeinsam: Sie produzieren einen ungeheuren Bürokra-
tiewust.
Die zunehmenden Dienstverpflichtungen rauben ins-
besondere kleinen und mittleren Unternehmen immer
mehr die Luft zum Atmen. 96 Prozent der Bürokratiekos-
ten entfallen auf den Mittelstand. Die monatlichen Um-
satzsteuervoranmeldungen müssen auch schon Unterneh-
men abgeben, die weniger als 100 000 DM Jahresumsatz
haben. Keiner in diesem Hause wird so vermessen sein,
ein solches Unternehmen als groß zu bezeichnen.
Die Verlängerung des Zeitraums für die Umsatzsteuer-
voranmeldung von einem Monat auf drei Monate ist
deshalb ein konkreter Schritt zur Verringerung von Belas-
tungen.
Er ist zudem ein konkreter Vorschlag, den Mittelstand in
Deutschland zu entlasten.
Wir wären mit dieser Vereinfachung des Umsatzsteu-
errechts noch nicht einmal Pionier in Europa. Andere Län-
der, wie Dänemark, Österreich oder Großbritannien, ha-
ben bereits den vierteljährlichen Voranmeldezeitraum
eingeführt. Meine Damen und Herren von Grün-Rot,
trauen Sie sich und gehen Sie mit uns gemeinsam den
Schritt zum Abbau überflüssiger Belastungen!
Es wäre ein Signal an die Menschen im Lande, dass der
Deutsche Bundestag bereit ist, Bürokratie abzubauen. Es
wäre ein Signal, dass der Staat bereit ist, die Handlungs-
freiheit der Unternehmen nicht übermäßig zu beschrän-
ken, und es wäre ein Signal des echten Willens, alte, über-
kommene Zöpfe abzuschneiden.
Noch ein paar Worte an Etatisten und Kleinkrämer:
Den öffentlichen Haushalten gehen keine Einnahmen ver-
loren.
Ich werde es Ihnen noch belegen. Hören Sie einmal zu,
Frau Scheel!
Wir schlagen lediglich eine Neuorganisation der Erhe-
bung einer Jahressteuer vor. Das ist keine Änderung mit
wesentlicher Wirkung und eine Änderung ohne wesentli-
che Einnahmeausfälle für den Staat.
Erbsenzähler können mir vielleicht noch vorrechnen,
dass der Staat mit der Verlängerung des Vorauszahlungs-
zeitraums Zinsverluste erleidet. Dazu sage ich Ihnen Fol-
gendes:
Erstens werden solche Zinsverluste minimal sein, je
nachdem, wie man den Vorauszahlungszeitpunkt festlegt.
Man hat ja in dem Vierteljahr einen Spielraum.
Zweitens. Selbst wenn die Vorauszahlung am Ende des
Quartals erfolgt man könnte sie auch in die Mitte le-
gen , werden sich die Zinsverluste bei großzügiger Rech-
nung im oberen Bereich auf einen zweistelligen Millio-
nenbetrag belaufen. Dann müssen Sie aber die
volkswirtschaftlichen Gewinne gegenrechnen: Einem
Zinsverlust im öffentlichen Sektor steht der Zinsgewinn
im Privatsektor gegenüber. Damit neutralisieren sich die
Zinseffekte.
Dagegen stehen deutliche Entlastungen bei Unternehmen
und Finanzverwaltung. Ich behaupte hier: Die Entlastung
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
18128
durch den um 12 Millionen Formulare verringerten Ar-
beitsaufwand ist aufseiten der öffentlichen Verwaltung
deutlich größer als dieser Zinseffekt.
Sie sehen: Es gibt keinen vernünftigen Grund noch nicht
einmal buchhalterische Gründe einer Vereinfachung des
Umsatzsteuergesetzes nicht zuzustimmen.
Gerade in einer Zeit, in der sich die volkswirtschaftli-
chen Eckdaten im Sturzflug befinden und die Regierung
ihre Ratlosigkeit hinter der Floskel der ruhigen Hand ver-
birgt, ergeben sich einmalige Chancen, wenigstens in die-
sem Bereich Handlungsfähigkeit zu beweisen. Nutzen Sie
die Chance, etwas für den deutschen Mittelstand zu tun.
Tun Sie etwas für den Wirtschaftsstandort Deutschland.
Setzen Sie ein längst überfälliges Zeichen dafür, dass
diese Regierung noch nicht in den Schlaf der Selbst-
gerechten versunken ist.
Stimmen Sie diesem Gesetz zur Vereinfachung zu. Es
wäre ein Stück Hoffnung für diejenigen im Land, die all-
mählich daran verzweifeln, dass nichts einfacher wird.
Alles das, was im Zusammenhang mit der Steuerreform
diskutiert wurde, bezog sich nicht auf die Vereinfachung
im Steuerrecht. Denken Sie einmal an diejenigen, die es
nicht so gut haben, im Bundestag zu sitzen, sondern mo-
natlich all den bürokratischen Gulasch ausfüllen müssen,
aber auch an diejenigen in der Verwaltung, die das auch
noch kontrollieren müssen.
Nehmen Sie einmal die Jahresumsatzsteuererklärung.
Die können Sie sofort streichen, weil die deutschen Fi-
nanzämter zumindest dank der Taschenrechner in der
Lage sind, zwölf Zahlen zu addieren. Haben Sie den Mut,
wenigstens ein Schrittchen in Richtung Vereinfachung
und Handlungsfähigkeit zu tun, und lassen Sie die Men-
schen an diesem Staat nicht völlig verzweifeln.
Vielen Dank.
Jetzt hat
der Kollege Dieter Grasedieck für die SPD-Fraktion das
Wort.
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Brüderle, durch
dieses Gesetz bringen Sie keine Hoffnung, sondern Sie
bremsen die Unternehmen aus. Das Anmeldeverfahren
für Umsatzsteuern haben CDU/CSU und F.D.P. damals
eingeführt. Sie dürfen nicht alles verteufeln, was Sie einst
beschlossen haben.
Viele Gesetze der Altregierung waren schlecht. Das ist
richtig, gar keine Frage. Aber einige Dinge waren doch
richtig und gut. Dazu gehört unter anderem dieses Gesetz.
Herr Brüderle, wenn man einmal mit Vertretern des
Handwerks oder der Industrie spricht, so erfährt man, dass
sie diese monatliche Abrechnung begrüßen und sie für
ausgesprochen wichtig und gut halten.
Sie warnen vor einer Änderung. Man muss sich jetzt wirk-
lich fragen, welche Gründe diese Unternehmer, diese Ver-
treter der Industrie haben.
Nach Aussagen der Existenzgründer brauchen sie ge-
rade in den ersten Monaten das Geld möglichst sofort.
Deshalb ist es falsch, das zu verschieben. Ich will einmal
einige Beispiele anführen.
Ein junger Autohändler kauft im ersten Monat seines
Unternehmens für 75 000 DM Gebrauchtwagen auf, um
sie danach zu verkaufen. Er muss natürlich Umsatz-
steuer das sind nach Adam Riese 12 000 DM bezah-
len. Diese 12 000 DM bekommt er aber genau nach einem
Monat zurück. Durch Ihren Vorschlag würde das verzö-
gert. Warum bremsen Sie diese neuen Existenzen, diese
Jungunternehmer an dieser Stelle eigentlich aus?
Ich will ein weiteres Beispiel anführen. Ein junger
IT-Ingenieur will ein Büro einrichten. Er gibt im ersten
Monat für seine Büroeinrichtung 35 000 DM und für die
Computerausstattung in einem ersten Schritt 25 000 DM
aus. Er bekommt exakt nach einem Monat die Um-
satzsteuer in Höhe von 9 600 DM zurück. Sie wollen es
verzögern. Ihr Gesetz ist eigentlich unternehmerfeind-
lich.
Jetzt sagen Sie, Herr Brüderle, dass der Vorschlag doch
enorme Vorteile mit sich bringt, weil dadurch Bürokratie
sowohl in den Unternehmen als auch in den Finanzämtern
vermieden wird. Ich muss Ihnen sagen: Gehen Sie einmal
in die Betriebe und sprechen Sie mit den Finanzämtern.
Die werden Ihnen etwas anderes erzählen. Sie führen un-
ter anderem aus, dass durch das Gesetz die kriminelle
Kreativität gefördert wird, weil mit der Neuregelung eine
größere Zeitverzögerung verbunden ist. Das ist ein sehr
wichtiges Problem. Ich will Ihnen dazu ein Beispiel
nennen.
An der holländischen Grenze wird eine GmbH, eine
Scheinfirma natürlich, mit zwei Zielen gegründet: Erstens
möchten sie die Umsatzsteuer kassieren und zweitens die
Mehrwertsteuer in Holland umgehen. Das machen die
ganz einfach: Sie starten das Unternehmen ganz gezielt
nur für zweieinhalb Monate. Während dieser Zeit rechne-
ten sie alles ab. Sie kauften in Deutschland teures Mar-
kenporzellan. Hier bei uns in Deutschland ist die Umsatz-
steuer in Höhe von 200 000 DM pro Monat zwei Monate
lang kassiert worden.
Dann ist es aufgefallen. Die Waren sind in Holland ver-
kauft worden. Natürlich sind in Holland die 19 Prozent
Mehrwertsteuer nicht gezahlt worden. Das ist gar keine
Frage. Diesen Betrag hat die Scheinfirma einkassiert.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Rainer Brüderle
18129
Der deutsche und der holländische Staat sind betrogen
worden.
Herr Brüderle, auf Ihren Einwand, dass die Steuer täglich
erhoben werden solle, gehe ich gleich ein.
Durch die von Ihnen gewollte Verlängerung, Herr
Brüderle, besteht jedenfalls die Gefahr des Steuerbe-
trugs. Ich sage sogar: Diese Gefahr potenziert sich.
Herr Brüderle, Sie wissen, dass im Umsatzsteuerbereich
ein Betrug in einem Umfang von 23 Milliarden DM ein-
kalkuliert wird. So sprechen viele Experten.
Sie sprechen doch so häufig von jungen Bauunterneh-
mungen. Diese haben das Problem, dass erstens die Ka-
pitaldecke sehr kurz ist und dass zweitens die Kunden
darüber haben wir uns immer wieder unterhalten sehr
viel später zahlen. Der Geldrückfluss erfolgt nicht so
schnell. Jetzt kommt noch Ihre Vorsteuer hinzu, die erst
drei Monate später wieder ausgezahlt wird. Warum planen
Sie eigentlich solch ein unternehmensfeindliches Gesetz?
Im internationalen Wettbewerb spielen die Jungunter-
nehmen insbesondere bei neuen Technologien eine ent-
scheidende Rolle. Die Zukunftsberufe werden gefördert.
Wir haben Möglichkeiten, neue IT-Berufe zu kreieren.
Wir haben die Möglichkeit, neue Elektroniker auszubil-
den. Diese positive Entwicklung bremsen Sie mit Ihrem
Gesetzentwurf aus.
Die Bundesregierung fördert Jungunternehmer. Wir
fördern unter anderem 1 000 Jungunternehmer in Kombi-
nation mit der KfW mit 1,3 Milliarden DM. Das ist ein
Beispiel.
Ein zweites Beispiel: In Nordrhein-Westfalen, speziell
im Revier, also in meinem Wahlkreis, werden in Kombi-
nation mit dem Strukturfonds 4 Milliarden DM investiert,
um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Dies war immer ein
Ziel unserer Finanzpolitik. 17 000 neue Unternehmens-
gründungen sind eingeplant. 200 000 neue und moderne
Arbeitsplätze
in den verschiedensten Bereichen im Maschinenbau-,
im Elektronik- und im IT-Bereich sind geschaffen wor-
den. In den letzten Jahren sind viele neue Firmen gegrün-
det worden.
Herr Kol-
lege Grasedieck, erlauben Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Brüderle?
Ja, bitte.
Bitte
schön, Herr Brüderle.
Herr Kollege, Ihnen ist
doch sicherlich bekannt, dass diese Vorauszahlung ein
Saldobetrag ist. Über 90 Prozent aller Betriebe, die Um-
satzsteuer zahlen, zahlen die Umsatzsteuer per Saldo ein,
sodass sie bei unserem Verfahren entlastet würden. Sie ar-
gumentieren mit einer ganz kleinen Teilmenge.
Nein, Herr Brüderle, das
ist nicht der Fall. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen: Um
zu verhindern, dass alle Unternehmen ihr Geld schon nach
sehr kurzer Zeit zurückbekommen, geht das bei uns in
Nordrhein-Westfalen einschließlich über Onlineverbin-
dungen. Man bekommt die Vorsteuer nur dann sofort
zurück, wenn man möglichst schnell reagieren kann. Man
kann aber nur dann sehr schnell reagieren, wenn eine
Onlineverbindung zwischen Finanzamt und Unterneh-
men besteht. Das ist bei jungen IT-Unternehmen natürlich
der Fall. Diese sind schnell bei der Hand, wenn es darum
geht, eine solche Onlineverbindung aufzubauen. Diese
haben dann den großen Vorteil, dass sie das Geld schon
nach einer Woche zurückbekommen. Das sind in man-
chen Städten in Nordrhein-Westfalen 20 Prozent der jun-
gen Unternehmen. Ich meine, diese positive Entwicklung
muss man herausstellen. Ihr Gesetzentwurf bewirkt genau
das Gegenteil.
Der F.D.P.-Gesetzentwurf bremst diese positive Ent-
wicklung einfach aus. Zusätzlich wird diese positive Ent-
wicklung auch dadurch ausgebremst, dass Sie von Rezes-
sion sprechen, obwohl Sie ganz genau wissen, dass man
bei einem Wirtschaftswachstum 2000 von 3 Prozent nun
wirklich nicht von Rezession sprechen kann.
Sie hätten heute das Handelsblatt lesen sollen. Auf
der ersten Seite wird aufgeführt, dass der DIHT 2 Prozent
Wachstum erwartet. Das ist positiv. Der Export steigt.
Ja, es geht hier doch um die wichtige Angelegenheit,
Jungunternehmer zu fördern, Herr Brüderle. Vorausset-
zung dafür, dass Jungunternehmer erfolgreich sein kön-
nen, ist Wachstum.
Sie bremsen die Entwicklung dadurch, dass Sie die Re-
zession ansprechen. Das ist eine wichtige Frage für mich,
aber vor allem für Leute, die neu starten. Sie träumten
doch zu Ihrer Regierungszeit von Werten wie 3 Prozent
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Dieter Grasedieck
18130
oder, wie das Handelsblatt heute schreibt, von 2 Prozent
Wachstum.
Sie träumten davon! Sie hatten von 1991 bis 1998 im
Durchschnitt 1,3 Prozent Wachstum. Nicht mehr.
Der Export steigt in diesem Jahr noch um 7 Prozent, so
schreibt das Handelsblatt.
Sie sollten sich diese Seite einmal etwas genauer ansehen.
In diesem Jahr haben wir auch noch eine positive Ent-
wicklung im Bereich des Maschinenbaus, nämlich ein
Wachstum von 5 Prozent. Wir haben eine sehr positive
Entwicklung im Elektronikbereich, nämlich 7 Prozent.
Natürlich machen wir uns Sorgen über den Bausektor;
aber die Situation dort geht auf Ihre Politik der vergange-
nen Jahre zurück. Die Leerstände haben in der Hauptsa-
che Sie verschuldet.
In diesem Zusammenhang fordern Sie, Herr Brüderle,
bzw. Sie von der CDU/CSU auch noch ein Konjunktur-
programm. Sie sprechen davon, obwohl Sie genau wis-
sen, dass man so etwas nur über Schulden finanzieren kann.
Eine andere Möglichkeit gibt es da nicht. 1,5 Billionen DM
Schulden haben Sie uns hinterlassen, das ist genug.
Wir sehen einen besseren Weg. Auch wir haben ein Kon-
junkturprogramm;
das haben wir schon vor Jahren aufgelegt, nämlich unsere
Steuerreform. Sie werden total überrascht sein, aber trotz
einer Steuererleichterung in Höhe von 100 Milliarden DM
in den Jahren von 1999 bis 2005 senken wir den Schul-
denstand. Keine Aufregung!
Das sind Fakten; die müssen Sie doch einmal anerkennen;
das ist doch schön. Wir senken im Gegensatz zu Ihnen den
Schuldenstand. Sie haben ihn seit 1982 immer weiter an-
steigen lassen. Das wollen wir in der nächsten Zeit ver-
hindern.
Folgendes muss man bezüglich des von Ihnen gefor-
derten Konjunkturprogramms festhalten: Punkt eins: Es
handelt sich um eine unseriöse Diskussion. Punkt zwei.
Sie glauben selber nicht daran.
Wir stellen uns wirklich die Frage jetzt komme ich
zum Gesetzentwurf zurück , wie die Umsatzsteuerab-
rechnung verbessert werden kann. Ich habe da schon ein
Beispiel aufgeführt. Es ist für uns auch kein Problem, dass
wir durch die Verkürzung der Frist um zwei Monate Zin-
sen verlieren, Herr Brüderle. Das war für uns nie eine
Frage. Wir wollen Jungunternehmer unterstützen. Des-
halb sagen wir, dass es wichtig ist, dass die jungen IT-In-
genieure, die sich selbstständig machen wollen, die Mög-
lichkeit bekommen, online die Umsatzsteuerabrechnung
vorzunehmen, um die Umsatzsteuer dann direkt zurück-
zubekommen. Dieses Geld benötigt der Jungunternehmer
ganz einfach. Das wird gerade auch in der Zukunft wich-
tig sein. Wir wollen das auch weiter fördern. Handwerk,
Industriebetriebe und unsere Koalition unterstützen die
monatliche Umsatzsteuerabrechnung und die Online-Ab-
rechnung.
In den letzten Jahren sind in Deutschland viele neue
Firmen gegründet worden. Diese positive Entwicklung
muss weitergehen. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
Das Wort
hat jetzt der Kollege Jochen-Konrad Fromme von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsi-
dent! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege
Grasedieck, Sie müssen mir einmal den Handwerker zei-
gen, der lieber Formulare ausfüllt, als seine Arbeit zu
machen.
Sie von der Koalition argumentieren immer mit den
Durchschnittswerten. Das möchte ich Ihnen einmal
bildlich schildern: Wenn Sie auf einer glühenden Herd-
platte sitzen und die Füße in Eiswasser halten, haben Sie
eine gute Durchschnittstemperatur. Nur, Sie fühlen sich
nicht besonders gut.
Die Menschen fühlen, dass es im Augenblick abwärts
geht. Das ist der Punkt.
Herr Kollege Grasedieck, die F.D.P. hat mit dem An-
trag den Finger in eine offene Wunde gelegt. Es geht um
die Bürokratie, die Leistungen, die für den Staat erbracht
werden müssen. Seit kurzem sind das nicht nur die Be-
triebe, sondern auch die Vereine. Denn seit es das 630-
Mark-Gesetz gibt,
muss für jede Mark der Sozialversicherung gegenüber
eine monatliche Erklärung abgegeben werden, während
früher im Rahmen der Lohnsteuer lediglich eine monatli-
che, vierteljährliche oder jährliche Meldung abgegeben
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Dieter Grasedieck
18131
werden musste, je nach dem, wie hoch das zu erwartende
Steueraufkommen war. Und das war gut so.
Der Antrag der F.D.P. bewegt sich in der Tat dies
haben Sie richtig gesagt im Spannungsfeld zwischen
Bürokratieabbau und Bekämpfung des Umsatzsteuer-
missbrauches.
Deswegen müssen wir uns das, was wir machen, gut über-
legen.
Sie, Herr Kollege Grasedieck, sprachen die Existenz-
gründer als Beispiel für jene an, die die Vorsteuer schnell
zurückhaben müssen. Leider haben Sie zwei Dinge über-
sehen: Erstens schlagen Sie anderweitig gerade vor, diese
Rückerstattung im Hinblick auf den Missbrauch bei der
Umsatzsteuer zu streichen, und zweitens sieht der F.D.P.-
Antrag überhaupt nicht vor, das Wahlrecht eines jeden
Unternehmers auf Abgabe einer monatlichen Erklärung
zu streichen. Jeder, der seine Erklärung monatlich abge-
ben will, weil er zu der kleinen Gruppe derjenigen gehört,
die etwas zurückbekommen, kann dies nach wie vor tun,
auch wenn der F.D.P.-Antrag beschlossen ist.
Sie wollen wieder einmal das Kind mit dem Bade aus-
schütten. Ich meine, man muss die Meldepflichten nach
dem Umfang der zu erwartenden Steueraufkommen staf-
feln, wie das auch bei der Lohnsteuer der Fall ist.
Herr Kol-
lege Fromme, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kol-
legen Brüderle?
Bitte.
Bitte
schön, Herr Brüderle.
Herr Kollege, stimmen Sie
mir zu, dass Herr Kollege Grasedieck das System über-
haupt nicht verstanden hat?
Denn Existenzgründer fallen gar nicht unter seine Darle-
gungen. Wer gerade ein Unternehmen gründet, muss, weil
er zunächst gar keine Umsätze hat, im Folgejahr eine Jah-
resumsatzsteuererklärung abgeben. Der Fall, dass eine
monatliche Erklärung abgegeben werden muss, tritt gar
nicht ein.
Bei einer Umsatzsteuerlast von weniger als 12 000 DM
hat man bereits heute die vierteljährliche Umsatzsteuer-
meldung. Das Minisegment, auf das Sie abgestellt haben
Sie haben sowieso weitgehend von etwas anderem
gesprochen, weil Ihnen dieses Thema offensichtlich
peinlich ist , kommt also gar nicht vor. Der Existenz-
gründer fertigt im ersten Jahr eine Jahresumsatzsteuer-
erklärung.
Sie können das im Gesetzestext nachsehen, auch wenn es
Ihnen peinlich ist, dass Sie so viel Unkenntnis demons-
trieren.
Denn bei einer Umsatzsteuerlast unter 12 000 DM gibt es
schon heute die vierteljährliche Umsatzsteuervoranmel-
dung, was gerade Existenzgründer betrifft.
Herr Kol-
lege Brüderle, ob der Herr Kollege Grasedieck das ver-
standen hat oder nicht, darüber kann ich mir kein Urteil
erlauben.
Aber nach seinen Äußerungen zu urteilen, liegt er völlig
neben der Sache. Insofern spricht einiges dafür, was Sie
eben gesagt haben.
Meine Damen und Herren, es geht um den Zinsvorteil.
Bei einem Umsatz von bis zu 75 000 DM beläuft sich der
Zinsvorteil auf maximal 120 DM. Diesem Betrag müssen
Sie einmal den Verwaltungsaufwand gegenrechnen, und
zwar nicht nur den beim Betrieb, sondern auch den beim
Fiskus. Denn Letzterer ist ja in jedem einzelnen Fall für
die Überwachung zuständig. Wird eine Monatsmeldung
abgegeben, muss der Fiskus auch monatlich kon-
trollieren, ob die Zahlung eingegangen ist. Angesichts
dessen muss man feststellen, dass der Kostennachteil
beim Staat sehr schnell größer ist als der Zinsvorteil.
Deswegen sollten wir uns mit solchen Vorschlägen sehr
eindringlich befassen und schauen, wo wir unnötige Mel-
dungen vermeiden können.
Ich sage es noch einmal: Es gibt viel gravierendere
Fälle, wo der Verwaltungsaufwand in einem noch kras-
seren Missverhältnis zu dem Zinsvorteil steht; das ist
nämlich beim 630-Mark-Gesetz der Fall. Dort muss etwa
für 50 DM eine Erklärung abgegeben werden. Der Zins-
vorteil beträgt dann Sie müssen das ja immer noch auf
den Monat umrechnen 1 DM oder 2 DM, bei einem rie-
sigen Verwaltungsaufwand. Deswegen sollten wir uns
auch bei der Umsatzsteuer mit gestaffelten Meldepflich-
ten, wie das übrigens schon bei der Lohnsteuer der Fall ist,
befassen.
Wir haben ja schon einmal eine schriftliche Frage zu
diesem Thema gestellt. Sie waren damals der Meinung,
Sie könnten bei der Sozialversicherung nicht auf die Mo-
natsmeldung verzichten, weil ansonsten die Finanzierung
der Sozialversicherung gefährdet sei. Bei gestaffelten
Melde- und Zahlungspflichten kann das überhaupt nicht
passieren. Vielmehr sparen wir Bürokratieaufwand und
Ärger bei den Betrieben und den Bürgern. Deswegen soll-
ten wir so verfahren.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Jochen-Konrad Fromme
18132
Wenn wir uns aber schon über Meldepflichten unter-
halten, dann empfehle ich Ihnen, sich einmal mit einem
ganz anderen Fall auseinander zu setzen. Was passiert,
wenn ein Betrieb seiner Erstanmeldungspflicht nicht
nachkommt? Ich habe gerade einen entsprechenden Fall
in meinem Wahlkreis gehabt: Auf der EXPO hat eine
Firma Personal beschäftigt und sich zur Erledigung der
Lohnbuchhaltung eines Steuerberaters bedient. Sie hat
dem Steuerberater aber nicht die Unterlagen gegeben,
sondern gesagt, er müsse noch ein bisschen warten, weil
noch neue Arbeitsverträge abgeschlossen werden sollten.
Der Betrieb ist dann mit der Folge Konkurs gegangen,
dass die Bediensteten nicht zur Konkursausfallskasse an-
gemeldet und, obwohl sie sozialversicherungspflichtige
Arbeit geleistet haben, nicht versichert waren. Auf den
Strafantrag hin hat die Staatsanwaltschaft erklärt, das Ver-
fahren müsse eingestellt werden, denn der Unternehmer
habe sich auf den Steuerberater verlassen können und für
Steuerberater seien Fristen von sechs bis acht Wochen üb-
lich.
Meine Damen und Herren, um Fälle wie diesen müssen
wir uns wirklich einmal kümmern, denn hier werden die
Menschen um berechtigte Ansprüche gebracht. Was wäre
denn passiert, wenn jemand in der Zeit der Beschäftigung
einen Betriebsunfall gehabt hätte oder schwer krank ge-
worden wäre? Er hätte keinen Schutz gehabt. Es wäre an-
gebracht, sich darum zu kümmern, anstatt das, was hier
beantragt ist, in Bausch und Bogen abzulehnen und wie-
der einmal das Kind mit dem Bade auszuschütten.
Meine Damen und Herren, Sie sollten sich einmal um
die Frage der wirtschaftlichen Entwicklung insgesamt
und nicht um bürokratische Kleinigkeiten kümmern. Sie
haben uns kritisiert, weil wir angeblich ein Konjunktur-
programm vorgelegt hätten. Sie haben natürlich den Un-
terschied überhaupt nicht begriffen. Ein Konjunkturpro-
gramm bedeutet, Kredite aufzunehmen, um Geld in den
Wirtschaftskreislauf zu pumpen, und die Kredite aus den
Steuereinnahmen aus diesen neuen wirtschaftlichen Akti-
vitäten zurückzuzahlen. Genau das wollen wir nicht, son-
dern wir wollen Strukturveränderungen vorziehen, die
ohnehin anstehen. Das ist etwas anderes, um kreditfinan-
ziert die Konjunktur anzukurbeln. Wir sind uns doch alle
darin einig, dass die keynessche Wirtschaftstheorie aus-
gedient hat.
Sie haben mit Ihren Maßnahmen die Inflation ange-
heizt, was zur Folge hat, dass jetzt zum Beispiel die
Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sagt, sie wolle in ihre
neuen Lohnforderungen drei Komponenten einbauen: ers-
tens den Ausgleich der Inflationsrate das sind zurzeit im-
merhin noch 3 Prozent , zweitens das Aufholen von
Lohnverzicht aus der Vergangenheit und drittens die Teil-
habe am Produktivitätsfortschritt. Wenn diese Forderun-
gen kommen das ist ja zu erwarten , dann wird es Ta-
rifverhandlungen mit ganz anderen Lohnabschlüssen als
in der Vergangenheit geben, was die Inflation zusätzlich
anheizen wird. Dies wird nicht nur den Wirtschaftsauf-
schwung behindern, sondern auch den kleinen Menschen
in die Tasche greifen; denn Inflation, meine Damen und
Herren, ist Diebstahl am kleinen Mann und nichts anderes.
Sie verkünden die Wirtschaftspolitik der ruhigen Hand.
Ich habe eher den Eindruck, dass Sie eingeschlafen sind
und gar nichts tun. Aber falls Sie einmal die Hand suchen,
um in der Konjunkturpolitik etwas zu tun, dann sollten Sie
sie in den Taschen der Bürger suchen. Darin stecken Ihre
Hände ganz tief, um die Bürger abzukassieren, anstatt
dass Sie ihnen helfen würden.
Dieser Zwischenruf qualifiziert sich von alleine.
Wer die Konjunktur beflügeln will, muss bei den am
Wirtschaftsleben Beteiligten Vertrauen erwecken. Was
ist aber mit Ihrer Steuerpolitik?
Ich nehme mir dasselbe Recht wie Herr Grasedieck, und
rede zu den Themen, zu denen ich sprechen will.
Sie haben gesagt, Sie wollten die Unternehmensver-
käufe steuerfrei stellen. Nachdem die Menschen darauf
vertraut und disponiert haben, nachdem sie sogar Unter-
nehmensverkäufe und -veränderungen über den geplan-
ten Zeitpunkt hinausgeschoben haben, soll es bei der Ge-
werbesteuer plötzlich nicht mehr gelten. Das haben Sie
zwar wieder dementiert. Aber so kann man doch kein
Vertrauen bei den an der Wirtschaft Beteiligten schaffen.
Es kann doch nicht mit einem Heute hüh, morgen hott
gehen.
Das nächste Drama bahnt sich doch bei den Abschrei-
bungen an. Dieses unselige Thema haben wir hier lange
erörtert.
Jetzt ist übrigens ganz im Gegensatz zu dem, was uns
die Staatssekretärin im Ausschuss gesagt hat der Tages-
presse zu entnehmen, dass Sie die Veränderungen bei den
Branchentabellen aussetzen wollen. Worum geht es?
Es geht darum, dass Sie die Abschreibungszeiten verlän-
gern wollen. Das heißt, dass Sie am Anfang mehr Steuern
einnehmen wollen. Das ist innovationsfeindlich.
Wenn Sie dies jetzt zurücknehmen, was ja richtig wäre,
dann schafften Sie eine neue Schieflage zulasten des Mit-
telstandes.
Der Mittelstand ist ja von den allgemeinen Tabellen be-
troffen, bei denen Sie die Erhöhung schon durchgezogen
haben, während Sie es jetzt für andere zurücknehmen
wollen. Das ist keine Wirtschaftspolitik, mit der man Ver-
trauen schaffen und die Konjunktur ankurbeln kann. Wir
können es jeden Tag am Arbeitsmarkt ablesen: Wir haben
keine sinkende, sondern eine steigende Arbeitslosigkeit.
Das sind doch die Früchte Ihrer Politik.
Sie lassen sich immer als diejenigen feiern, die durch
eine Steuerreform die Wirtschaft beflügeln wollen. Herr
Grasedieck hat das ja auch getan. Die Wahrheit ist, dass
die Steuerquote gestiegen und nicht gesunken ist. Die
Wahrheit ist, dass Sie heimlich bereits neue Steuererhö-
hungen planen. So sollen gemäß Steueränderungsgesetz
2001 die Lebensversicherung anders bewertet werden.
Das bedeutet im Ergebnis höhere statt niedrigere Steuern.
So kann man die Wirtschaft nicht ankurbeln.
Die Wirtschaft kann man ankurbeln, indem man Büro-
kratie abbaut, in den Unternehmen Energien freisetzt, die
sie in ihre eigentliche Tätigkeit stecken können, um wirt-
schaftliche Aktivitäten zu entwickeln. Das brauchen wir.
Deshalb kann ich nur sagen: Setzen wir uns positiv mit
dem Antrag auseinander. Er wird vielen Betrieben, Verei-
nen und Verbänden helfen.
Danke schön.
Zu einer
Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Dieter
Grasedieck von der SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Lasst uns positiv in die
Zukunft sehen, so sagte Herr Fromme vorhin, wenn er es
auch mit anderen Worten ausdrückte. Genau das meinen
wir auch; das haben wir in der Vergangenheit gemacht.
Deshalb muss ich einiges von dem, was Sie, Herr
Fromme, aufgeführt haben, verbessern.
Es ist offensichtlich falsch, wenn sie sagen, die Ar-
beitslosigkeit sei angestiegen. Schauen Sie sich das doch
einmal genauer an. Sie hatten uns 4,7 Millionen Arbeits-
lose hinterlassen. Wissen Sie, wie viele Arbeitslose wir im
Moment haben? 3,7 Millionen.
Insofern zeigt diese Entwicklung eine positive Richtung
auf.
Ich will weiter ein Wort zum Mittelstand sagen. Sicher
werden Sie das auch wissen, denn Sie haben vorhin auf-
gezeigt, dass bei der Umsatzsteuerabrechnung insgesamt
wirklich nach einem Jahr eine Schätzung durchgeführt
wird; danach wird festgelegt, ob die Jungunternehmer
vierteljährlich oder monatlich abzurechnen haben. Wenn
sie über 12 000 DM Umsatzsteuer liegen, müssen sie
diese Anmeldung monatlich abgeben; liegen sie unter die-
sem Betrag, müssen sie sie vierteljährlich einreichen.
Dies wollen wir durch unser Onlinesystem erleichtern.
Das ist modern; das wird die Zukunft sein. Wir wollen
auch an dieser Stelle positiv in die Zukunft blicken: Das
ist das richtige System, das in der Zukunft weiter einge-
baut werden muss.
Herr Fromme, Sie haben von Konjunkturprogramm
gesprochen.
Das habe ich da vorn ganz deutlich gehört.
Sie können Ihr Konjunkturprogramm nur über Schul-
den oder über eine Steuererhöhung finanzieren. Das ha-
ben Sie von 1981 bis zum Jahre 1998 teilweise gemacht.
Die Schulden haben sich nicht allein im Zeitraum von
1990 bis 1998 erhöht. Die Schulden müssen ein Ende ha-
ben, Herr Fromme. Das müssen Sie sich merken. Deshalb
haben wir unser Konjunkturprogramm mit unserem Steu-
erprogramm verbunden. Dadurch haben wir den Bürgern
viel Geld zurückgegeben. Damit werden wir auch hin-
sichtlich des Arbeitsmarktes erfolgreich sein.
Herr
Fromme, wollen Sie erwidern? Sie wollen nicht erwi-
dern. Vielen Dank.
Jetzt hat die Kollegin Christine Scheel von Bünd-
nis 90/Die Grünen das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr
Fromme, scheinbar ist es so, dass Ihnen zu dem Thema,
über das wir hier beraten, nicht genug eingefallen ist, so-
dass Sie auf alle möglichen Themen ausweichen mussten,
die wir bereits in den letzten Sitzungen abgehandelt hat-
ten. Aber es ist immer ganz nett, wenn man eine Zusam-
menfassung hört
und als Ergebnis vernimmt, dass die CDU/CSU der Auf-
fassung ist, man solle die Staatsverschuldung weiter nach
oben treiben. Vielen Dank für die Auskünfte.
Ich will zum Thema reden.
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Jochen-Konrad Fromme
18134
Die F.D.P. fordert in ihrem Gesetzentwurf, die Pflicht
zu monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen abzu-
schaffen. Bisher war es so Herr Grasedieck hat soeben
darauf hingewiesen , dass nur Unternehmen, die im Vor-
jahr mehr als 12 000 DM Umsatzsteuer gezahlt haben, zu
solchen monatlichen Anmeldungen verpflichtet sind. Alle
anderen müssen ihre Umsatzsteuervoranmeldungen vier-
teljährlich abgeben und die entsprechende Umsatzsteuer
demgemäß abführen.
Das ist der Sachverhalt, wie er derzeit gegeben ist.
Diese Beschränkung der monatlichen Anmeldung auf
die umsatzstärkeren Unternehmen wurde übrigens erst
1996 eingeführt. Die Neuregelung hat sich bewährt; denn
gerade bei den kleinen und mittleren Unternehmen fallen
pro Jahr acht Umsatzsteuervoranmeldungen weg. Wenn
man das auf die gesamte Bundesrepublik Deutschland
umrechnet, dann trifft dies jeden zweiten Unternehmer
und jede zweite Unternehmerin. Dementsprechend gerin-
ger ist auch der Aufwand. Das ist vollkommen klar. Da-
rüber müssen wir nicht reden.
Mir ist die Idee sympathisch, auch der anderen Hälfte
der Unternehmerschaft diesen Verwaltungsaufwand zu
ersparen. Ich kann Herrn Grasedieck nur vollständig darin
zustimmen, dass wir beim heutigen Stand der Technologie
und ihrer Fortentwicklung die Probleme, die es noch vor
Jahren gegeben hat, selbstverständlich so nicht mehr ha-
ben. Man kann nicht eine alte Technologie von vor drei
oder vier Jahren mit dem vergleichen, was heute möglich
ist und was es in der Perspektive an Abrechnungsmög-
lichkeiten geben wird.
Herr Brüderle, ich möchte Ihnen eines sagen: Es gilt
hier zwischen Vor- und Nachteilen abzuwägen. Ich finde,
dass der Vorschlag der F.D.P. die ganzen Anstrengungen
von Bund und Ländern konterkariert, gegen den Umsatz-
steuerbetrug durch kriminelle Organisationen verstärkt
vorzugehen.
Frau Kol-
legin Scheel, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kol-
legen Brüderle?
Ich mag ihn jetzt nicht. Ich habe ihn schon gehört.
Ich bin wirklich sehr überrascht: Wir machen uns in
diesem Hause schon seit längerer Zeit gemeinsam Ge-
danken darüber, wie wir den Umsatzsteuerbetrug eini-
germaßen in den Griff bekommen. Sie hingegen machen
genau das Gegenteil und wollen diesen Betrügern die
Arbeit noch erleichtern. Das ist wieder einmal typische
F.D.P.-Politik. Klasse!
Wir wollen nach der Sommerpause ein ganzes Paket
beraten, mit dem wir die Steuerhinterziehung bei der Um-
satzsteuer eindämmen. Beispielsweise ist geplant, dass
Unternehmensgründer und -gründerinnen im Jahr der
Gründung und im ersten Folgejahr unabhängig von den
tatsächlich erzielten Umsätzen ihre Umsatzsteuervor-
anmeldungen monatlich abgeben. Herr Grasedieck hat
gerade darauf hingewiesen, dass dies technisch kein Pro-
blem ist.
Die Finanzämter das ist das Wesentliche an dieser
ganzen Überlegung kommen dadurch schneller an In-
formationen über neue Unternehmen und können somit
eher eine Steuerhinterziehung aufdecken. Das ist das, was
wir erreichen wollen; denn angesichts der sehr kurzen Le-
bensdauer von manchen kriminellen Organisationen, die
an solchen Karussellbetrugsgeschäften beteiligt sind,
können zwei Monate einen enormen Informationsvor-
sprung ausmachen. Deswegen wollen wir diese Regelung
ins Auge fassen.
Diese Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung bringen
zwar für manchen ehrlich zahlenden Unternehmer etwas
mehr Verwaltungsaufwand mit sich. Das ist richtig. Auf
der anderen Seite fehlen den öffentlichen Haushalten
aufgrund dieser betrügerischen Geschäfte erhebliche Steu-
ereinnahmen. Die Schätzungen gehen bis zu einer zwei-
stelligen Milliardensumme. Geschätzt sind es 20 Milli-
arden DM, auf die wir jedes Jahr leider verzichten
müssen,
weil wir diese Betrügereien bislang nicht in den Griff
bekommen haben. Während Ihrer Regierungszeit gab es
wenig Bestrebungen, dies zu tun.
Seit ich heute Ihren Ausführungen gefolgt bin, wundert es
mich nicht mehr, dass das so war. Jedenfalls war das kon-
traproduktiv.
Wir wissen das ist der letzte Punkt, den ich zu diesem
Thema anmerken möchte , dass es darüber hinaus natür-
lich zu einem Kassenausfall führte, auch wenn Sie dies
bestreiten. Wir hätten einen Kassenausfall von rund
30 Milliarden DM zu verkraften. Das Geld kommt zwar
im Folgejahr wieder in die öffentlichen Kassen, aber das
Rechnungsjahr ist nun einmal nicht das Kalenderjahr.
Darüber hinaus haben wir Zinsausfälle und Zinsverluste.
Diese entstehenden Kosten müssten gegenfinanziert
werden.
Sie fordern immer Steuererleichterungen. Aber wo
dann die Investitionen hergenommen werden sollen, sa-
gen Sie nicht. Ich möchte Sie bitten: Kehren Sie endlich
zu einer ehrlichen Politik zurück! Hören Sie auf, perma-
nent Forderungen nach Vergünstigungen zu stellen, ohne
den Bürgern zu sagen, dass Sie damit die Staatsverschul-
dung nach oben treiben würden, dass dementsprechend
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Christine Scheel
18135
mehr Zinsen zu zahlen wären und dass damit in Wahrheit
keine Konjunkturprogramme mehr machbar wären.
Danke schön.
Die Ab-
lehnung der Zwischenfrage hat natürlich eine erneute
Kurzintervention provoziert. Ich mache darauf aufmerk-
sam, dass die nächste Kurzintervention die letzte ist, die
ich zulasse.
Ich erteile dem Kollegen Rainer Brüderle das Wort zu
einer Kurzintervention.
Frau Kollegin Scheel, Sie
haben eben die ungeheuerliche Aussage gemacht, dass
wir mit der von uns vorgeschlagenen Vereinfachung der
Bürokratie quasi die Kriminalität fördern würden.
Hören Sie zu, Herr Ströbele. Sie sind ja Spezialist für
Kriminalität.
Wenn Sie unterstellen, dass wir durch eine Bürokratie-
vereinfachung Wirtschaftsverbrechen begünstigen, dann
beschimpfen Sie auch weite Teile unserer Wirtschaft und
des Mittelstands.
Glauben Sie etwa, dass Großbritannien, Österreich
oder Dänemark, die eine entsprechende Bürokratie-
vereinfachung durchgeführt haben, Kriminalitätsförder-
programme installiert haben?
Mit dem Ansatz, den Sie gewählt haben das gilt auch
für Herrn Grasedieck , wollen Sie nur vom eigentlichen
Problem ablenken.
Das, was Sie über die Existenzgründer gesagt haben das
war Ihr Kernpunkt , trifft überhaupt nicht zu.
Es geht doch um die Abschaffung der Pflicht zur monat-
lichen Umsatzsteueranmeldung. Wenn Sie es verstanden
hätten, dann müsste Ihnen eigentlich klar sein, dass Ihre
ganze Argumentation völlig abwegig ist. Wenn Sie argu-
mentieren, dass dadurch die Möglichkeit der monatlichen
Umsatzsteuerzahlung genommen wird, dann widerspre-
chen Sie sich sogar selbst.
Es geht doch, wie gesagt, um die Abschaffung der
Pflicht zur monatlichen Umsatzsteueranmeldung. Wer es
freiwillig machen möchte, kann es machen. Wahrschein-
lich werden die Vorschläge, weil sie von der Opposition
und nicht von Ihnen stammen, verteufelt und mit allge-
meinen Sprüchen über Staatsverschuldung und Konjunk-
turprogramme bedacht. Damit wird vom Thema abge-
lenkt.
Zur Erwi-
derung gebe ich das Wort Christine Scheel.
Herr Brüderle, ich habe nicht davon gesprochen, dass die
Wirtschaft kriminell ist. Ihre Behauptung ist völliger
Unsinn.
Ich habe davon gesprochen, dass es in unserer Gesell-
schaft leider ich betone: leider Leute gibt, die aufgrund
von kriminellen Machenschaften keine Steuern zahlen.
Dadurch entstehen Steuerausfälle in Höhe von etwa
20 Milliarden DM. Ich bin der Auffassung, dass es Auf-
gabe der Politik ist, der Allgemeinheit der Steuerzahler
durch das Schaffen von entsprechenden Rahmenbedin-
gungen und Prüfungsmechanismen diese Steuerausfälle
zu ersparen. Nur dann können wir die Steuern für alle
gemeinsam senken.
Als letzte
Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt hat nun das
Wort die Kollegin Heidi Ehlert von der PDS-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Man möchte ja glauben, dass es tatsäch-
lich um das geht, was hier behauptet wird, nämlich um
den Abbau von Bürokratie. Es wäre schön, wenn es
tatsächlich so wäre. Aber mir fehlen Aussagen darüber, zu
welchen Ergebnissen die Änderung des Umsatzsteuer-
gesetzes von 1996 geführt hat. Damals wurde die Grenze,
ab der eine monatliche Umsatzsteuervoranmeldung erfol-
gen muss, von 6 000 auf 12 000 DM angehoben. Welche
Erleichterungen das sowohl für die Finanzbehörden als
auch für die Unternehmen gebracht hat, haben Sie nicht
gesagt.
Ich möchte klipp und klar sagen, worum es in dem
heute vorliegenden Antrag der F.D.P.-Fraktion geht: Bei
einer ersatzlosen Streichung dieser Grenze kommen all
diejenigen, die mehr als 12 000 DM Steuern zahlen, in
den Genuss des Voranmeldezeitraums von einem Vier-
teljahr, können das Geld also länger behalten. Das be-
trifft nicht etwa nur kleine und mittelständische Unter-
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Christine Scheel
18136
nehmen, wie Sie behaupten. Sie sollten ehrlich sein und
zugeben, dass Sie eigentlich andere schützen wollen.
Diejenigen, die im Rahmen der Vorsteuer etwas vom
Fiskus zurückbekommen, sollen ihre Umsatzsteueran-
meldung natürlich monatlich abgeben können. Das heißt
also, der Staat wird von denjenigen, die es sich eigent-
lich leisten könnten, Umsatzsteuer zu zahlen, als
Kreditinstitut missbraucht. Das können wir nicht mit-
machen.
Ihre Bemerkung ist ein bisschen platt. Wenn feststeht,
was die Anhebung der Grenze von 6 000 auf 12 000 DM
gebracht hat, können wir einmal schauen, ob die jetzige
Grenze noch gerecht ist.
Die Vorsteuer wollen Sie monatlich zahlen lassen und
die Umsatzsteuer quartalsweise. Das hat nicht nur Zins-
ausfälle für den Staat zur Folge. Da müssen Sie schon sa-
gen, wie Sie die Lücke, die Sie entstehen lassen, wieder
schließen wollen.
Es bleibt uns noch viel Zeit, im Ausschuss darüber zu
diskutieren. Mit Abbau von Bürokratie hat dieser Antrag
aber nichts zu tun; vielmehr soll der Staat zum Kredit-
institut werden. Das können wir nicht mittragen.
Ich
schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetz-
entwurfs auf Drucksache 14/5331 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie
damit einverstanden? Das ist der Fall. Dann ist die Über-
weisung so beschlossen.
Ich rufe Zusatztagesordnungspunkt 16 auf:
ZP 16 Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
... Gesetzes zur Änderung der Strafprozess-
ordnung
Drucksache 14/5166
Zweite und dritte Beratung des von den Ab-
geordneten Jörg van Essen, Rainer Funke,
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig, weiteren Abgeord-
neten und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten
Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der
Pressefreiheit
Drucksache 14/1602
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechts-
ausschusses
Drucksache 14/6576
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Jürgen Meyer
Ronald Pofalla
Hans-Christian Ströbele
Jörg van Essen
Dr. Evelyn Kenzler
Interfraktionell ist vereinbart worden, dass die Rede-
beiträge zu Protokoll gegeben werden. Ich darf die Namen
der Redner verlesen, deren Reden zu Protokoll genom-
men werden: Professor Jürgen Meyer von der SPD-Frak-
tion, Ronald Pofalla von der CDU/CSU-Fraktion, Hans-
Christian Ströbele vom Bündnis 90/Die Grünen, Jörg van
Essen von der F.D.P., Angela Marquardt von der PDS und
für die Bundesregierung der Parlamentarische Staatsse-
kretär Professor Eckhart Pick.1) Sind Sie damit einver-
standen? Das ist der Fall. Dann ist es so beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Än-
derung der Strafprozessordnung auf Drucksache 14/5166.
Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 14/6576, den Ge-
setzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich
bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen.
Gegenstimmen? Enthaltungen? Dann ist der Gesetz-
entwurf in zweiter Beratung mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der CDU/CSU
und der F.D.P. bei Enthaltung der PDS angenommen.
Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer
stimmt dagegen? Wer enthält sich? Der Gesetzentwurf
ist mit gleichem Stimmverhältnis angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf
der Fraktion der F.D.P. zur Sicherung der Pressefreiheit
auf Drucksache 14/1602. Der Rechtsausschuss empfiehlt
unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 14/6576, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich
bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wol-
len, um das Handzeichen. Gegenstimmen? Enthaltun-
gen? Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen und der CDU/CSU ge-
gen die Stimmen von F.D.P. und PDS abgelehnt. Damit
entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Be-
ratung.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 auf:
a) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten
Elmar Müller , Renate Blank,
Wolfgang Börnsen , weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion der CDU/CSU
Aktuelle Wettbewerbssituation in der Telekom-
munikation
Drucksachen 14/5167, 14/5915
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Heidemarie Ehlert
18137
1) Anlage 10
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Klaus
Barthel , Thomas Sauer, Dr. Axel Berg,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
sowie der Abgeordneten Michaele Hustedt, Grietje
Bettin, Andrea Fischer , weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE
GRÜNEN
Wettbewerb und Regulierung im Telekommu-
nikationssektor
Drucksache 14/5693
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft
Ausschuss für Kultur und Medien
Auch bei diesem Tagesordnungspunkt ist vorgesehen,
dass die Reden zu Protokoll genommen werden. Es han-
delt sich um die Reden der Kollegen Ulrich Kelber und
Klaus Barthel von der SPD-Fraktion, Dr. Martin Mayer
und Elmar Müller von der CDU/CSU, Michaele Hustedt
vom Bündnis 90/Die Grünen, Rainer Funke von der
F.D.P. und Gerhard Jüttemann von der PDS.2) Sind Sie da-
mit einverstanden? Das ist der Fall. Dann ist es so be-
schlossen.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 14/5693 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen
der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Drucksache 14/6310
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenaus-
schusses
Drucksache 14/6573
Berichterstattung:
Abgeordnete Günter Graf
Hartmut Koschyk
Marieluise Beck
Dr. Max Stadler
Ulla Jelpke
Auch zu diesem Tagesordnungspunkt ist vorgesehen,
die Reden zu Protokoll zu nehmen. Es handelt sich um die
Reden der Kollegen Günter Graf, SPD, Hartmut Koschyk,
CDU/CSU, Marieluise Beck, Bündnis 90/Die Grünen,
Dr. Max Stadler, F.D.P., Petra Pau, PDS, und des Aus-
siedlerbeauftragten Jochen Welt.1) Sind Sie damit einver-
standen? Das ist der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den von den Frak-
tionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen ein-
gebrachten Gesetzentwurf zur Klarstellung des Spätaus-
siedlerstatus. Der Innenausschuss empfiehlt unter Nr. 1
seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 14/6573,
den von ihm verabschiedeten Teil des Gesetzentwurfs auf
Drucksache 14/6310 in der Ausschussfassung anzu-
nehmen. Ich bitte diejenigen, die diesem Teil des Gesetz-
entwurfs in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um
das Handzeichen. Gegenstimmen? Enthaltungen?
Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen und der CDU/CSU ge-
gen die Stimmen von F.D.P. und PDS angenommen.
Wir kommen jetzt zur
dritten Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die diesem
Teil des Gesetzentwurfs in der Ausschussfassung zustim-
men wollen, sich zu erheben. Gegenstimmen? Ent-
haltungen? Dieser Teil des Gesetzentwurfs ist in der
Ausschussfassung mit dem gleichen Stimmenergebnis
angenommen.
Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksa-
che 14/6573 empfiehlt der Innenausschuss, den übrigen
Teil des Gesetzentwurfs auf Drucksache 14/6310 einer
späteren Beschlussfassung vorzubehalten.
Jetzt rufe ich die Tagesordnungspunkte 28 a bis 28 d
auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Carsten
Hübner, Eva Bulling-Schröter, Ursula Lötzer, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der PDS
Reform der Hermesbürgschaften nach ökolo-
gischen, sozialen und entwicklungspolitischen
Kriterien
Drucksache 14/6373
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Techno-
logie zu dem Antrag der Abgeord-
neten Dr. Winfried Wolf, Eva Bulling-Schröter,
Carsten Hübner, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der PDS
Keine Hermesbürgschaften für den Ilisu-Stau-
damm in der Türkei
Drucksachen 14/2336, 14/4072
Berichterstattung:
Abgeordneter Rolf Hempelmann
c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Tech-
nologie zu dem Antrag der Ab-
geordneten Rainer Brüderle, Paul K. Friedhoff,
Deutscher Bundestag 14. Wahlperiode 183. Sitzung. Berlin, Freitag, den 6. Juli 2001
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
18138
1) Anlage 7
2) Anlage 8
Dr. Günter Rexrodt, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der F.D.P.
Für ein effizientes und transparentes Ausfuhr-
gewährleistungssystem
Drucksachen 14/5334, 14/6182
Berichterstattung:
Abgeordneter Erich G. Fritz
d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Techno-
logie zu dem Antrag der Abgeord-
neten Erich G. Fritz, Gunnar Uldall, Wolfgang
Börnsen , weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU
Für den Erhalt von Hermes als Instrument der
Außenwirtschaftsförderung und eine Reform
des Hermesinstruments im internationalen
Rahmen
Drucksachen 14/5749, 14/6186
Berichterstattung:
Abgeordneter Rolf Hempelmann
Auch in diesem Fall sollen dSie Reden zu Protokoll
genommen werden. Es handelt sich um die Reden der
Kollegen Rolf Hempelmann, SPD-Fraktion, Siegfried
Helias, CDU/CSU, Angelika Köster-Loßack, Bünd-
nis 90/Die Grünen, Gudrun Kopp, F.D.P., Carsten Hübner,
PDS, und des Parlamentarischen Staatssekretärs Siegmar
Mosdorf.2) Sind Sie damit einverstanden? Das ist der
Fall.
Tagesordnungspunkt 28 a: Interfraktionell wird Über-
weisung der Vorlage aus Drucksache 14/6373 an die in der
Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.
Sind Sie damit einverstanden? Das ist der Fall. Dann ist
die Überweisung so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 28 b: Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Wirtschaft und Technologie auf Druck-
sache 14/4072. Der Ausschuss empfiehlt die Ablehnung
des Antrags der Fraktion der PDS auf Drucksa-
che 14/2336 mit dem Titel Keine Hermesbürgschaften
für den Ilisu-Staudamm in der Türkei. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? Wer stimmt dagegen?
Wer enthält sich? Die Beschlussempfehlung ist damit
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der
CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen der PDS an-
genommen.
Tagesordnungspunkt 28 c: Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Wirtschaft und Technologie auf Druck-
sache 14/6182. Der Ausschuss empfiehlt die Ablehnung
des Antrags der Fraktion der F.D.P. auf Drucksa-
che 14/5334 mit dem Titel Für ein effizientes und trans-
parentes Ausfuhrgewährleistungssystem. Wer stimmt für
diese Beschlussempfehlung? Wer stimmt dagegen?
Wer enthält sich? Die Beschlussempfehlung ist damit
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der PDS
gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. ange-
nommen.
Tagesordnungspunkt 28 d: Beschlussempfehlung des
Ausschusses für Wirtschaft und Technologie auf Druck-
sache 14/6186. Der Ausschuss empfiehlt die Ablehnung
des Antrags der Fraktion der CDU/CSU auf Druck-
sache 14/5749 mit dem Titel Für den Erhalt von Hermes
als Instrument der Außenwirtschaftsförderung und eine
Reform des Hermesinstruments im internationalen Rah-
men. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? Wer
stimmt dagegen? Wer enthält sich? Die Beschluss-
empfehlung ist damit mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen und der PDS gegen die Stimmen von CDU/
CSU und F.D.P. angenommen.
Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung.
Ich wünsche Ihnen gute Erholung, schöne Ferien und
dass Sie mit neuer Schaffenskraft zurückkommen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf Dienstag, den 11. September 2001, 11 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.