Gesamtes Protokol
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Guten Tag, liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heuten Kabi-
nettssitzung mitgeteilt: Fairer Wettbewerb in der ge-
setzlichen Krankenversicherung.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Parlamentarische Staatssekretärin, Gudrun
Schaich-Walch.
Es liegt ein Antrag zur Geschäftsordnung vor. Zu die-
sem erteile ich zunächst dem Parlamentarischen Ge-
schäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Eckart von
Klaeden, das Wort.
Frau Präsidentin!
Ich möchte im Namen meiner Fraktion beantragen, die
Regierungsbefragung abzusetzen und gleich mit der
Fragestunde zu beginnen.
Von der Absicht, das Thema der Befragung zu ändern,
hat die Fraktion um 12.20 Uhr erfahren, der schriftliche
Antrag dazu hat sie erst um 12.49 Uhr, also vor zwölf Mi-
nuten, erreicht. Uns war angekündigt worden, dass die
Regierungsbefragung zum Thema Länderfinanzaus-
gleich, Maßstäbegesetz usw. durchgeführt wird.
Angekündigt war, dass uns der Finanzminister zur Beant-
wortung der Fragen zur Verfügung stehen würde.
Dieses Vorgehen reiht sich in das Chaos Ihrer Gesund-
heitspolitik ein. Wir sind der Regierung entgegenge-
kommen, indem wir die Aktuelle Stunde zur Ge-
sundheitspolitik, die für heute vorgesehen war, auf
morgen verlegt haben, damit die Gesundheitsministerin
daran teilnehmen kann. Jetzt aber müssen wir erleben,
dass dieses Thema bereits heute kurzfristig zum Ge-
genstand der Regierungsbefragung gemacht werden soll.
Die Ministerin und die Fachpolitiker können nicht an-
wesend sein, da gleichzeitig eine Anhörung des Gesund-
heitsausschusses im Roten Rathaus stattfindet. Das An-
hörungsrecht ist eines der wenigen Minderheitenrechte,
die wir kennen. Deshalb haben wir entschieden – auch um
das Gesetzgebungsverfahren nicht zu verzögern –, an der
Anhörung teilzunehmen und sie nicht platzen zu lassen.
Wir müssen dann aber auch auf ein Mindestmaß an Fair-
ness bei der Regierungsbefragung drängen. Deswegen
stellen wir den Antrag, mit der Fragestunde gleich zu be-
ginnen und die Regierungsbefragung auszusetzen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bevor ich über diesen
Antrag abstimmen lasse, erteile ich dem Parlamentari-
schen Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Wilhelm
Schmidt, das Wort.
Frau Präsiden-
tin! Meine Damen und Herren! Ich wundere mich sehr da-
rüber, dass sich die Opposition ihrer eigenen Rechte be-
gibt. Gerade die Befragung der Bundesregierung ist ein
Instrument, das sie nutzen könnte und sollte. Ich habe
nichts dagegen, in dieser Weise zu verfahren.
– Nun bleiben Sie doch einmal ganz ruhig!
Ich will aber darauf hinweisen, dass ich Ihre Aussage,
wir hätten ein Chaos in der Gesundheitspolitik, überhaupt
nicht nachvollziehen kann,
und zwar, weil wir Ihnen sowohl heute als auch morgen
sowie in den nächsten Tagen und Wochen immer wieder
Gelegenheit geben und geben werden, mit uns über dieses
Thema zu sprechen. Insofern kann von einem Chaos über-
haupt nicht die Rede sein.
17507
178. Sitzung
Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2001
Beginn: 13.00 Uhr
Wir stimmen dem Antrag zu, wenn es denn von allen
Seiten so gewollt wird.
Vielen Dank.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich lasse trotz der
außergewöhnlichen Situation formell über den Antrag ab-
stimmen: Wer dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion zu-
stimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstim-
men? – Enthaltungen? – Der Antrag ist einstimmig
angenommen.
Ich rufe nun Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Fragestunde
– Drucksache 14/6387 –
Zu Beginn der Fragestunde kommen wir gemäß Zif-
fer 11 der Richtlinien für die Fragestunde zu den Fra-
gen 28 bis 31 der Fragestunde vom 20. Juni 2001,
Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes, auf Drucksa-
che 14/6272. Alle diese Fragen werden auf Bitten der Fra-
gestellerinnen und Fragesteller schriftlich beantwortet.
Wir kommen nun zu den Fragen der heutigen Frage-
stunde auf Drucksache 14/6387, die ich in der üblichen
Reihenfolge aufrufe.
Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bundes-
kanzleramtes auf. Die dazu vorliegenden Fragen 1 und 2
werden schriftlich beantwortet.
Dann gehen wir zum Geschäftsbereich des Auswärti-
gen Amtes über. Da im Augenblick kein Vertreter des Aus-
wärtigen Amtes zur Verfügung steht, schlage ich Ihnen
vor, aufgrund der außergewöhnlichen Situation die
Behandlung dieses Bereichs zu verschieben. Ich gehe da-
von aus, dass Staatsminister Dr. Ludger Volmer im An-
marsch ist. Er konnte nicht wissen, dass die Regie-
rungsbefragung gestrichen wurde. – Ich sehe, dass im
gesamten Hause Einverständnis herrscht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schlage vor, die
Sitzung so lange zu unterbrechen, bis die Staatssekretä-
rinnen und Staatssekretäre, die jetzt anwesend sein müss-
ten, hier sind. Haben Sie dafür bitte Verständnis. Es wird
sich sicherlich nur um wenige Minuten handeln.
Die Sitzung ist unterbrochen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe jetzt im Rahmen der Fragestunde den Ge-
schäftsbereich des Auswärtigen Amts auf. Zur Beantwor-
tung steht Staatsminister Dr. Ludger Volmer zur Verfü-
gung.
Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Dirk Niebel zum
Themenbereich „Besuch des syrischen Staatspräsidenten
Baschar al-Assad“ auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, beim Besuch des syrischen
Präsidenten Baschar al-Assad antisemitische Äußerungen beim
arabischen Gipfel in Amman persönlich anzusprechen, die im Zu-
sammenhang mit Israel und den Juden anlässlich des Papstbe-
suches stehen, vor dem Hintergrund der Äußerung des Bundes-
ministers des Äußeren, Joseph Fischer, bei der Einweihung der
israelischen Botschaft in Berlin, dass die Bundesregierung die
Aufrufe zu weiterem Terror verärgert zur Kenntnis genommen hat
und diese Haltung auf das Schärfste verurteilt?
D
Herr Kollege Niebel, Bundesminister Fischer hat
anlässlich der Eröffnung der neuen israelischen Botschaft
die Äußerungen des syrischen Staatspräsidenten Baschar
al-Assad beim Gipfel der Arabischen Liga und im Rah-
men des Papstbesuchs in Syrien scharf kritisiert. Der deut-
sche Botschafter in Damaskus hat am 10. Mai gegenüber
dem syrischen Vizeaußenminister ebenfalls Protest erho-
ben.
Auch anlässlich des bevorstehenden Besuches Assads
in Deutschland wird die Haltung der Bundesregierung ge-
genüber dem syrischen Staatspräsidenten eindeutig sein.
In ihren Gesprächen wie auch in ihren öffentlichen Äuße-
rungen tritt die Bundesregierung seit jeher für die Sicher-
heit und das Existenzrecht Israels in gesicherten Grenzen
ein. Diese Haltung ist und bleibt Grundpfeiler der deut-
schen Außenpolitik.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Niebel,
eine erste Nachfrage, bitte.
Vielen Dank, Herr Staatsminis-
ter. Ich habe bei der Eröffnung der israelischen Botschaft
die klaren Worte des Außenministers gehört und freue
mich sehr, dass sie auch gegenüber dem syrischen Präsi-
denten persönlich geäußert werden sollen.
Mich interessiert: Werden denn auch Äußerungen an-
derer Mitglieder der syrischen Regierung ebenso deutlich
angesprochen werden, zum Beispiel die Äußerung des sy-
rischen Verteidigungsministers Moustafa Tlas anlässlich
des Papstbesuches, als er gegenüber dem Fernsehsender
LBC 6 erklärte:
Ich möchte auf der Stelle stehen und den Juden töten,
der mir gegenübersteht. Wenn jeder Araber einen Ju-
den tötet, dann werden überhaupt keine Juden mehr
übrig bleiben. Wir werden kämpfen, wie die His-
bollah sie im Südlibanon bekämpft. Natürlich von
der Golan-Front aus ... an allen Fronten, an denen sie
– die Juden –
sich aufstellen.
Wird auch hierzu eine klare Äußerung des Bundesaußen-
ministers gegenüber dem syrischen Präsidenten zu erwar-
ten sein?
D
Ja, Herr Niebel. Solche Töne aus manchen Kreisen
der syrischen Politik halten wir für völlig inakzeptabel.
Sie stehen dem Friedensprozess im Nahen Osten, den wir
unterstützen, entgegen.
Vielen Dank.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2001
Wilhelm Schmidt
17508
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bevor ich die nächste
Frage aufrufe, möchte ich bekannt geben, dass die Frage-
stunde aufgrund der Vielzahl schriftlich zu beantwortender
Fragen voraussichtlich nicht so lange wie üblich dauern
wird. Wir haben uns mit den Parlamentarischen Geschäfts-
führerinnen und Geschäftsführern interfraktionell darauf
verständigt, dass die Aktuelle Stunde vorfristig gegen
15 Uhr aufgerufen werden soll. Ich bitte, dies an die Kolle-
ginnen und Kollegen in den Fraktionen weiterzuleiten.
Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Andreas
Schmidt auf:
Hat der saarländische Geschäftsmann D. H., der am 21. Juni
2001 als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss des Deutschen
Bundestages geladen war, an einer Auslandsreise von Bundes-
kanzler Gerhard Schröder nach China teilgenommen und, falls ja,
auf wessen Veranlassung?
D
Herr Kollege Schmidt, der genannte Zeuge gehörte
den Delegationen, die den Bundeskanzler auf seiner Reise
nach China begleitet haben, nicht an.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Schmidt
zu einer Nachfrage.
Herr
Staatsminister, ist Ihnen bekannt, ob die vorgenannte Per-
son, der Geschäftsmann aus dem Saarland, Herrn Bun-
deskanzler Schröder auf seiner Reise durch China getrof-
fen hat?
D
Die benannte Person gehörte weder der offiziellen
noch der inoffiziellen Delegation an. Es gab auch kein
Gespräch zwischen dem Bundeskanzler und dieser Per-
son. Dass sich diese Person aus eigenem Antrieb in der
Nähe der Delegation – vielleicht im gleichen Hotel – auf-
gehalten hat, mag sein. Aber das hat mit der Politik der
Bundesregierung nichts zu tun.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine zweite Nach-
frage? – Bitte, Herr Kollege Schmidt.
Herr
Staatsminister, habe ich Sie richtig verstanden, dass es bei
dieser Reise eine offizielle und eine inoffizielle Delega-
tion gab?
D
In der Regel ist es so, dass es eine offizielle Delega-
tion und begleitende Personen gibt, die als inoffizielle De-
legation bezeichnet werden. Die von Ihnen benannte Per-
son gehörte weder der einen noch der anderen Delegation
an.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Fragen 5 und 6
aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft sowie
die Fragen 7 und 8 aus dem Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Gesundheit werden schriftlich beant-
wortet.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Par-
lamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Ver-
fügung.
Die Fragen 9 bis 14 betreffen die Ausschreitungen, die
im Zusammenhang mit dem EU-Gipfel in Göteborg statt-
fanden.
Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Wolfgang
Zeitlmann auf:
Welche deutschen Organisatoren haben nach Informationen
der Bundesregierung im Vorfeld des EU-Gipfels im Internet zur
Fahrt nach Göteborg und zur Beteiligung an Aktionen des „zivi-
len Ungehorsams“ aufgerufen?
F
Herr Kollege Zeitlmann, ich be-
antworte Ihre Frage wie folgt: Im Vorfeld des EU-Gipfels
wurden seitens der deutschen Sicherheitsbehörden fort-
laufend Internetrecherchen durchgeführt. Dabei konnten
allgemein gehaltene Aufrufe zur Beteiligung deutscher
Globalisierungsgegner an Demonstrationen in Göteborg
festgestellt werden. Konkrete Aufrufe zur Beteiligung an
Straftaten fanden sich darunter jedoch nicht.
Die Internetrecherche hat folgende Angebote, nach
Göteborg mitzufahren, ergeben: Auf der Homepage der
„Sozialistischen Alternative Voran“ wurde angeboten, in
einem Bus der „Sozialistischen Alternative Voran“ und
der „Freien Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Union –
Internationale Arbeiter Association“, FAU-IAA, nach Gö-
teborg mitzufahren. Ein weiteres Angebot befand sich auf
der Szene-Homepage www.de.indymedia.org unter der
Rubrik „Kommentar“: „Ankündigung einer Busfahrt für
den 15.06.2001 nach Göteborg“ durch einen unbekann-
ten Benutzer der Homepage. Die im Namen der Internet-
recherche ermittelten Ergebnisse wurden den schwedi-
schen Sicherheitsbehörden im Rahmen des fortlaufenden
Informationsaustausches zum EU-Gipfel zeitnah über-
mittelt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Zeitlmann, haben Sie eine Nachfrage? – Nein.
Der Kollege Eckart von Klaeden hat eine Nachfrage
dazu. Bitte.
Herr Staatsse-
kretär, ich möchte Sie konkret nach einer Meldung im
„Focus“ fragen, in der es heißt, dass der PDS-nahe Ju-
gendverband Solid durch das Herstellen von Internetver-
bindungen die Attacken gegen den EU-Gipfel von Göte-
borg unterstützt habe. Ist Ihnen das bekannt?
F
Nach meinem derzeitigen Kennt-nisstand über Internetaktivitäten kann ich diese Meldungnicht bestätigen. Ich gehe dem aber gerne nach.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2001 17509
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Nachfragen
dazu gibt es nicht.
Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Zeitlmann – sie be-
zieht sich auf denselben Themenkomplex – auf:
Welche Hinweise hat die Bundesregierung, dass unter den
Drahtziehern der Krawalle von Göteborg auch deutsche Auto-
nome waren?
F
Herr Kollege Zeitlmann, der Bun-
desregierung liegen dazu bislang keine konkreten Er-
kenntnisse vor. So können insbesondere bezüglich der
sieben Deutschen, die sich nach Angaben der schwedi-
schen Behörden an gewalttätigen Auseinandersetzungen
beteiligt haben, nach dem bisherigem Stand der in Schwe-
den anhängigen Ermittlungsverfahren noch keine An-
gaben über eine konkrete Tatbeteiligung und über mögli-
che ideologische Tathintergründe gemacht werden. Das
Bundeskriminalamt hat zwei Verbindungsbeamte in die
örtliche Einsatzzentrale nach Göteborg entsandt, um die
ermittelnden Behörden bei der Identifizierung von ge-
waltbereiten Aktivisten aus Deutschland zu unterstützen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Nachfrage des
Kollegen Eckart von Klaeden.
Meine Nachfrage
steht im Zusammenhang mit der ersten Frage des Kolle-
gen Zeitlmann; es handelt sich um einen einzigen Kom-
plex. Welche Maßnahmen – ich beziehe mich auf eine der
Fragen des Kollegen Ramsauer – ergreift die Bundesre-
gierung, um dem Gewalttourismus in Form der zuneh-
menden Mobilisierung gewaltbereiter Demonstranten
durch das Internet entgegenzuwirken?
F
Herr Kollege von Klaeden, ich
werde nachher darauf eingehen, was wir diesbezüglich
bei der Vorbereitung dieser Ereignisse im Einzelnen ge-
macht haben. Was das Internet anbetrifft: Sie wissen ge-
nauso gut wie ich, dass es sehr schwierig ist, in diesem Be-
reich aktiv zu werden. Unsere derzeitige Haupttätigkeit ist
die Beobachtung. Der Kenntnisstand darüber, wie das In-
ternet genutzt und wozu es missbraucht wird, ist relativ
gut. Das war auch im Vorfeld so.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Fragen 11 und 12
werden schriftlich beantwortet. Ich mache darauf auf-
merksam, dass die Frage 12 im Prinzip schon mündlich
beantwortet worden ist. Der Kollege Ramsauer kann viel-
leicht einschätzen, ob er noch eine schriftliche Antwort
bekommen möchte.
Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Dr. Hans-Peter
Uhl – es geht um die Ausschreitungen im Dresdner Stadt-
teil Neustadt – auf:
den Ausschreitungen im Dresdner Stadtteil Neustadt auch Randa-
lierer vom EU-Gipfel in Göteborg beteiligt waren?
F
Herr Kollege Uhl, wenn Sie es
mir gestatten, beantworte ich Ihre beiden Fragen im Zu-
sammenhang.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist kein Problem;
anschließend darf der Kollege vier Nachfragen stellen.
Ich rufe also auch die Frage 14 des Abgeordneten
Dr. Hans-Peter Uhl auf:
Welche Hinweise auf Verbindungen zwischen den Krawall-
machern in Dresden zu politischen Organisationen in Sachsen hat
die Bundesregierung?
F
Herr Kollege Uhl, wegen des un-
mittelbaren Sachzusammenhangs möchte ich Ihre Fragen,
wie gesagt, gemeinsam beantworten.
Im Zusammenhang mit den Ausschreitungen im
Dresdner Stadtteil Neustadt wurden laut Bericht der ört-
lich zuständigen Landespolizeidienststellen 35 Personen
in Gewahrsam genommen. In 29 weiteren Fällen erfolg-
ten Festnahmen. Die beim Bundeskriminalamt vorge-
nommene Abgleichung der in Dresden erhobenen Perso-
naldaten ergab keine Übereinstimmung mit den in
Göteborg ermittelten deutschen Störern. Erkenntnisse
über Verbindungen der in Dresden ermittelten Personen
zu politischen Organisationen in Sachsen – auch danach
haben Sie gefragt – liegen uns ebenfalls nicht vor.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Uhl ist
mit der Antwort bereits zufrieden.
Ich rufe die Frage 15 der Kollegin Heidi Lippmann auf:
Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse liegen der
Bundesregierung über die Unterstützung der in Mazedonien ope-
rierenden UCK durch die albanische Diaspora in der Bundesre-
publik Deutschland vor?
F
Frau Kollegin Lippmann, die ex-tremistische Volksbewegung im Kosovo – nach unsererAbkürzung: LPK – hat nach dem Kosovo-Krieg wieder-holt erklärt, dass sie den Schwerpunkt ihrer Aktivitätennunmehr in Mazedonien sehe. Dementsprechend rekru-tieren sich nach vorliegenden Erkenntnissen die Führerder in Mazedonien operierenden nationalen Befreiungsar-mee – sie verwendet das Kürzel UCK und somit das glei-che Kürzel wie die ehemalige Befreiungsarmee Kosovo –vornehmlich aus Anhängern dieser von mir soeben ge-nannten LPK. Diese organisiert – so, wie während desKosovo-Krieges – wiederum Spendenaktionen primär fürdie UCK in Mazedonien. Von Deutschland aus kann dieLPK wegen ihrer im Vergleich zu den vergangenen Jah-ren reduzierten Anhängerschaft, die das gleiche Ziel ver-folgt, allerdings nur begrenzt tätig werden. Bei Veranstal-tungen von Exil-Albanern wirbt sie zum Beispiel umSpenden für den „Hilfsfonds Mazedonien“. Wie und fürwelche Zwecke diese Gelder im Einzelnen verteilt und obdamit auch Waffenkäufe finanziert werden, ist derzeitGegenstand von Ermittlungen der Sicherheitsbehörden.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 200117510
Nach neueren Erkenntnissen haben sich in Deutsch-land ansässige Albaner für den Kampf in Mazedonien zurVerfügung gestellt. Anders als während des Kosovo-Krie-ges konnte eine systematische Rekrutierungskampagneder UCK von uns bisher jedoch nicht festgestellt werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt eine Nach-
frage der Kollegin Lippmann. Bitte.
Inwieweit wird darüber
nachgedacht, die entsprechenden Organisationen mit ei-
nem Verbot der politischen Betätigung in Deutschland zu
belegen?
F
Ich bin mir nicht sicher, ob es
richtig wäre, momentan eine solche Verbotsfrage zu stel-
len. Die Sicherheitsbehörden – das habe ich auch in mei-
ner Antwort gesagt – sind derzeit dabei, zu ermitteln. Ich
kann natürlich nicht in die laufenden Ermittlungen ein-
greifen und entsprechende Informationen kundtun. Wenn
die Ergebnisse vorliegen, werden wir über die weiteren
Schritte diskutieren.
Die Schweiz benennt Zah-
len, wonach man davon ausgehen muss, dass 200 000 Per-
sonen albanischer Abstammung die UCK unterstützen.
Können Sie sagen, ob es Wanderungsbewegungen aus der
Schweiz in die Bundesrepublik gibt? Wie wird die Zah-
lensituation in der Bundesrepublik eingeschätzt?
F
Die Zahlen, die die Schweiz be-
nennt, sind nicht unrealistisch. Es ist jedoch sehr schwie-
rig, solche zu schätzen. Von einer Wanderungsbewegung
von der Schweiz nach Deutschland ist uns derzeit nichts
bekannt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 16
der Kollegin Heidi Lippmann auf:
Welche Möglichkeiten bestehen aus der Sicht der Bundesre-
gierung, um die finanzielle Unterstützung der mazedonisch-alba-
nischen „Freischärler“ aus der Bundesrepublik Deutschland zu
unterbinden?
F
Frau Lippmann, wenn in Deutsch-
land extremistische Gruppen ausländische Mutterorgani-
sationen finanziell unterstützen, können die Bundesländer
dagegen grundsätzlich auf der Basis ihrer Sammlungsge-
setze, aber auch mit individuellen politischen Betäti-
gungsverboten – Rechtsgrundlage hierfür ist § 37 Abs. 1
Nr. 1 und 2 des Ausländergesetzes – einschreiten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Nachfrage der
Kollegin Lippmann. Bitte.
Vor gut zweieinhalb Jahren
hat es immer wieder Anfragen bzw. Berichterstattungen
bezüglich der Geldtransfers aus der Bundesrepublik in
den Kosovo gegeben. Welche Erkenntnisse liegen Ihnen
diesbezüglich heute vor?
F
Ich habe ja gerade gesagt, dass wir
dabei sind zu ermitteln. Diese Ermittlungen beziehen sich
auch auf das, was mit dem Vorwurf der Sammlung und
Käufe von Waffen zusammenhängt. Die Schwierigkeit
heute ist, dass ich an dieser Stelle nicht in laufende Ermitt-
lungsverfahren eingreifen kann. Das findet, wie ich glaube,
auch Ihr Verständnis. Das muss abgewartet werden.
Sie hatten mich in Ihrer Frage nach den gesetzlichen
Möglichkeiten gefragt. Deswegen lautete meine Antwort:
Die gesetzlichen Möglichkeiten sind unter den Gegeben-
heiten vorhanden, wie ich sie Ihnen geschildert habe.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Noch eine zweite
Nachfrage der Kollegin Lippmann.
Sind denn rückwirkend
Erkenntnisse gesammelt und in der Zwischenzeit veröffent-
licht worden, die von der damaligen Aussage des Innenmi-
nisters Schily ausgegangen sind, wonach die Geldflüsse der
UCK in den Kosovo hinein ganz verstärkt überprüft werden
müssen? Oder bezieht sich Ihre Aussage jetzt auf aktuelle
– eventuell auch rückwirkend angestellte – Ermittlungen?
F
Nein. Dass wir überprüfen, wurde
ja in meiner Antwort deutlich. Die Ermittlungsverfahren
laufen. Ich denke, das liegt in Kontinuität zu dem, was
auch in der Vergangenheit beobachtet wurde.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Hierzu gibt es eine
Nachfrage des Kollegen Jürgen Koppelin.
Herr Staatssekretär, teilen
Sie meine Auffassung, dass diese Zahlungen zwar ärger-
lich sind, aber – so ist mein Eindruck – von den Betroffe-
nen freiwillig, also nicht unter Zwang, geleistet werden?
Ich sage noch einmal: Ärgerlich sind diese Zahlungen und
ich kann sie nicht billigen. Meine Erkenntnis ist aber, dass
die Betroffenen diese Zahlungen freiwillig vornehmen.
F
Also, Herr Kollege Koppelin, wir
untersuchen und ermitteln ja in dem gesamten Komplex.
Zumindest ein bestimmter Teil der Zahlungen – das haben
Sie richtig wiedergegeben – ist freiwilliger Natur. Das hat
natürlich eine andere Qualität, als wenn es sich, so sage
ich es jetzt einmal, um erpresstes Geld handeln würde.
Auch das muss natürlich berücksichtigt werden. Insofern
bin ich Ihnen sogar dankbar für diese Frage; so konnte ich
das noch einmal klarstellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe jetzt den Ge-schäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2001
Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper17511
Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatsse-kretärin Dr. Barbara Hendricks zur Verfügung.Ich rufe die Frage 17 des Kollegen Ernst Burgbacherauf:Wie hat das Bundesministerium der Finanzen die geschätztenSteuermindereinnahmen in Höhe von rund 300 Millionen DM imZusammenhang mit dem gemäß § 3 Nr. 51 Einkommensteuerge-setz gewährten Freibetrag in Höhe von 2 400 DM für Trinkgelder,die dem Arbeitnehmer von Dritten bezahlt werden, ohne dass einRechtsanspruch darauf besteht, ermittelt?D
Frau Präsidentin! Herr
Kollege Burgbacher, steuerstatistische Angaben hierüber
liegen dem Bundesministerium der Finanzen nicht vor. In
Dienstleistungsbereichen, in denen typischerweise Trink-
gelder gezahlt werden, sind über 600 000 Personen be-
schäftigt. Unterstellt man, dass 500 000 der infrage kom-
menden Personen den Freibetrag lediglich in Höhe von
2 000 DM steuerwirksam in Anspruch nehmen, führt dies
bei einem unterstellten Grenzsteuersatz von 30 Prozent zu
Mindereinnahmen von rund 300 Millionen DM.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Burgbacher hat eine erste Nachfrage.
Frau Staatssekretärin, ist
Ihnen das Gutachten der NGG bekannt, in dem wirklich
plausibel nachgewiesen wird, dass die Zahl der Trinkgeld-
empfänger viel geringer ist? Man geht dort von 100 000
Trinkgeldempfängern aus. Wenn ich das mit dem Freibe-
trag multipliziere, komme ich auf insgesamt 240 Milli-
onen DM. Dieses Geld ist nun nach dem entsprechenden
Steuersatz zu versteuern. Ihre Angaben, die Sie ja eigent-
lich nicht begründen können, sind also viel zu hoch. Die
NGG geht bei Wegfall der Trinkgeldbesteuerung von ei-
nem Gesamtsteuerausfall von 10 Millionen DM aus.
D
Herr Kollege Burgbacher,
wir gehen offenbar natürlich von unterschiedlichen An-
nahmen aus. Ich habe auch deutlich gemacht, dass ich bei
der Berechnung von Annahmen ausgehen muss. So hat die
NGG in ihrem Bereich auch nicht alle diejenigen organi-
siert, die infrage kommen bzw. in Dienstleistungsbranchen
arbeiten, in denen üblicherweise Trinkgelder bezahlt wer-
den. Nur das Gastronomiegewerbe liegt im Organisations-
bereich der NGG. Es gehören aber zum Beispiel auch das
Friseurhandwerk, Körperpflegedienste, Reiseservice so-
wie Bus-, Taxi- und Mietwagengewerbe usw. dazu, über
die die NGG keine vertieften Kenntnisse haben wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine zweite Nach-
frage, bitte, Herr Kollege Burgbacher.
Frau Staatssekretärin, ist
Ihnen bekannt, dass eigentlich nur im Hotel- und Gast-
stättengewerbe kontrolliert wird? Die Zahl zur Höhe des
Steuerausfalls, die Sie genannt haben, ist also völlig rea-
litätsfern.
D
Herr Kollege Burgbacher,
ich habe gesagt, von welchen Annahmen wir ausgehen. Ich
habe die Annahmen niedrig angesetzt. Über 600 000 Perso-
nen arbeiten in den Bereichen, in denen üblicherweise
Trinkgelder anfallen können – aber natürlich müssen diese
nicht unbedingt gegeben werden: Es gibt Menschen, die
sind großzügiger dabei, und es gibt Menschen, die weniger
großzügig sind. Deshalb habe ich gesagt, dass von den
600 000, die in diesen Bereichen arbeiten, etwa 500 000 in
den Genuss von Trinkgeldern kommen. Indem ich weiter-
hin davon ausgegangen bin, dass diese im Schnitt nicht
mehr als 2 000DM im Jahr bekommen, also den Freibetrag
noch nicht einmal vollständig ausschöpfen, habe ich auch
hier die Annahme niedrig angesetzt. Insofern können wir
uns über die Annahmen streiten. Wir können natürlich nie
sicher sein, weil wir keine steuerstatistischen Aufzeichnun-
gen haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe die Frage 18 des
Kollegen Burgbacher zum gleichen Themenkomplex auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung vor dem Hintergrund ver-
schiedener parlamentarischer Initiativen der Opposition zur Ab-
schaffung der Trinkgeldbesteuerung, Informationen über die
tatsächliche Höhe der Steuereinnahmen aus Trinkgeldern von den
Ländern einzufordern?
D
Eine neue statistische Er-
fassung von Trinkgeldern ist wegen des erforderlichen
hohen Aufwands für Wirtschaft und Verwaltung nicht be-
absichtigt. Die Arbeitgeber müssten bei ihren Arbeitneh-
mern die Trinkgelder umfassend abfragen und gesondert
auf der Lohnsteuerkarte angeben. Die Finanzverwaltung
wäre bei der Bearbeitung der Einkommensteuer zusätz-
lich belastet, weil die Angaben für Trinkgelder stärker als
bisher zu überprüfen wären und gesondert in einem Ein-
gabefeld erfasst werden müssten. Hinzu käme der not-
wendige Zusatzaufwand bei den statistischen Ämtern von
Bund und Ländern. Aus diesem Grunde beabsichtigten
wir nicht, eine neue statistische Erfassung einzuführen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Erste Nachfrage bitte,
Herr Kollege.
Ich stimme Ihnen völlig
zu. Wir wollen das auch nicht. Ich habe aber noch eine
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ist Ihnen bekannt, dass außer
in Deutschland in kaum einem anderen Land Europas in
der Praxis Trinkgelder besteuert werden?
D
Herr Kollege Burgbacher,das kann ich nicht bestätigen. Die Trinkgelder sind Teildes Lohnes.
Trinkgelder werden ja nicht, was fälschlicherweise häufigbehauptet wird, speziell besteuert; erzielte Einkünftemüssen eben versteuert werden. Die Trinkgelder haben
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2001
Vizepräsidentin Petra Bläss17512
den Vorteil, dass für sie ein spezieller Freibetrag gewährtwird. In der öffentlichen Debatte wird meist genau dasGegenteil behauptet. Es wird der Eindruck erweckt, alswürde Trinkgeld über Gebühr besteuert. Das Gegenteil istder Fall: Für Trinkgelder gibt es noch den speziellen Frei-betrag in Höhe von 2 400 DM im Jahr. Das ist aus Ver-einfachungsgründen und natürlich auch unter sozialenAspekten vertretbar. Darüber hinausgehende Freibeträgewürden aber in der Tat die Frage nach der Gleichmäßig-keit der Besteuerung und damit ein verfassungsrecht-liches Problem aufwerfen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Fragen 19 und 20
des Kollegen Hans Michelbach werden schriftlich beant-
wortet.
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Wirtschaft und Technologie auf. Zur Beant-
wortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin
Margareta Wolf zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Albrecht Feibel
auf:
Welche Ergebnisse kann die vom Bundesministerium für
Wirtschaft und Technologie und der Kreditanstalt für Wiederauf-
bau im letzten Jahr gegründete Deutsche Energie-Agentur
bis heute vorweisen?
M
Sehr geehrte
Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Feibel, Sie haben ge-
fragt, welche Ergebnisse die vom BMWi und der KfW im
letzten Jahr gegründete Deutsche Energie-Agentur bis
heute vorzuweisen hat.
Sie wissen, dass die Energie-Agentur im Herbst 2000
gegründet wurde und am 1. Januar 2001 ihre operative
Tätigkeit aufgenommen hat. Verschiedene Programm-
punkte aus dem Ihnen wahrscheinlich bekannten
Aufgabenkatalog hat die DEnAbereits umgesetzt. Es gibt
eine beachtliche Zahl an Projekten, die bereits in Angriff
genommen wurden. Ihrem Wunsch entsprechend möchte
ich diese Aktivitäten kurz darstellen:
Die DEnA führt seit März 2001 ein Projekt zur
Energieeinsparung bei Druckluftanlagen bei Gewerbe-
und Industriepartnern mit verschiedenen Kooperations-
partnern durch.
Die DEnA hat sich mit einem schriftlichen Vorschlag
in die Diskussion über die weitere Förderung der KWK-
Anlagen beratend eingeschaltet. Sie wissen, dass eine ent-
sprechende KWK-Vereinbarung am vergangenen Montag
von Bundesregierung und Stromwirtschaft unterzeichnet
werden konnte.
– Ja, Herr Kollege, paraphiert!
Die DEnA hat darüber hinaus nach einer erfolgreich
abgeschlossenen Test- und Vorbereitungsphase im April
2001 in Leipzig ein Callcenter eingerichtet, das sich mit
Fragen der rationellen Energienutzung und der regenera-
tiven Energiequellen beschäftigt.
Ferner hat die DEnA im Mai dieses Jahres in Zusam-
menarbeit unter anderem mit regionalen Energieagentu-
ren eine Veranstaltungsreihe zur neuen Energieeinspar-
verordnung in Berlin aufgenommen. Diese Veranstaltung
wird in den nächsten Monaten in sieben weiteren Städten
fortgeführt.
Zum Einsatz von Wasserstoff im Verkehrsbereich hat
die DEnA in Kooperation mit acht Firmen aus der Auto-
mobil- und Erdölwirtschaft einen Projektvorschlag er-
arbeitet, der auch in den Beratungen der Staatssekretärs-
runde „Nachhaltigkeit“ seinen Niederschlag findet.
Darüber hinaus hat sie weitere Projektvorschläge zum sta-
tionären Einsatz von Brennstoffzellen und zur Koor-
dination der Offshore-Windplanungen vorgelegt.
Einige weitere Punkte möchte ich noch ansprechen:
Die DEnA bereitet eine bundesweite Informationskam-
pagne zur Minderung energieverbrauchsrelevanter Stand-
by-Verluste bei Geräten der Unterhaltungs-, Informati-
ons- und Kommunikationstechnik vor, die in Kooperation
mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt durchgeführt
werden soll.
Beim Projektantrag für sechs europäische Partner für
Vorhaben „Bankable Energy Efficiency Projects“ hat die
DEnA die Federführung.
In Kooperation mit dem Energieministerium der Rus-
sischen Föderation erarbeitet die DEnA einen Vorschlag
zur deutsch-russischen Zusammenarbeit im Kontext der
rationellen Energienutzung und zum Einsatz von regene-
rativen Energiequellen.
Für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit wird die DEnA die Klimakampa-
gne weiterentwickeln und eine Umsetzungskonzeption
entwerfen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Feibel, bitte
Ihre erste Nachfrage.
Was Sie aufgezählt ha-
ben, klingt natürlich so, als sei der Aufgabenbereich sehr
vielfältig. Aber vieles geschieht in Kooperation mit ande-
ren, bereits bestehenden Einrichtungen. Meine Frage ist
eigentlich darauf gerichtet, was das Ergebnis des Wirkens
von DEnAwar und ob es tatsächlich notwendig war, eine
solche Agentur, die ja viele Millionen kostet, einzurich-
ten. Deshalb meine erste Nachfrage: Was ist denn nun
konkret daraus geworden, das heißt, welche Energieein-
sparungen – darum geht es ja – sind bisher erzielt worden?
Lässt sich das in irgendeiner Zahl ausdrücken, entweder
in Geld oder in Mengen? Denn das Ergebnis dieser Agen-
tur muss doch irgendwo gemessen werden.
M
Herr KollegeFeibel, ich habe Ihnen hier umfänglich ganz konkrete Pro-jekte und Aktivitäten der DEnA vorgestellt. Aber ichkönnte in diesem Zusammenhang Ihre zweite Frage be-antworten.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2001
Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks17513
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dann rufe ich
Frage 22 des Abgeordneten Albrecht Feibel auf:
Welche Personal- und Sachkosten sind bisher entstanden, ins-
besondere im Hinblick auf die bisherigen Kosten für die Ge-
schäftsführung der DEnA?
M
Die Ausgaben
der DEnA belaufen sich bis heute auf insgesamt
1 102 000 DM. Davon sind 447 000 DM Sachausgaben
und 655 000 DM Personalausgaben. Sie werden verste-
hen, dass ich Ihnen nicht in Zahlen darstellen kann, wie
sich die Tätigkeit der Agentur auf die Emissionsminde-
rungen ausgewirkt hat. Aber ich recherchiere gerne, ob es
weitergehendes Material gibt. Dann würde ich Ihnen das
schriftlich zur Verfügung stellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ihre zweite Frage
bitte, Herr Kollege Feibel.
Wird die Deutsche
Energie-Agentur auch darauf hinwirken oder wird ihr
Wirken dazu führen, dass künftig keine Ökosteuer mehr
auf regenerative Energie erhoben wird?
M
Ich habe keine
Kenntnis darüber, ob die DEnA darauf hinwirken wird
oder nicht. Aber sicherlich wird sie die Bundesregierung
bei einer weiteren Ausgestaltung der Ökosteuer beraten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ihre Zusatzfrage bitte,
Herr Feibel.
Auf welchen Zeitraum
beziehen sich die Kosten, die Sie erwähnt haben? Gilt das
für die Zeit seit der Gründung von DEnA oder erstrecken
sich die Kosten zum Beispiel auf ein Jahr? Können Sie
diesen Zeitraum, für den die Personalkosten und die Sach-
kosten entstanden sind, präzisieren?
M
Die Kosten be-
laufen sich seit dem Beginn der Arbeit der Agentur, also
seit dem 1. Januar 2001, auf, wie dargestellt, insgesamt
1 102 000 DM. Hiervon entfallen – wie ich glaube, vor-
hin schon gesagt zu haben – 447 000 DM auf Sachausga-
ben und der Rest von 655 000 DM auf Personalausgaben.
In den Personalausgaben sind die Aufwendungen für die
Geschäftsführung enthalten. Ich bitte, zu verstehen, dass
ich von einer gesonderten Angabe des Personalaufwandes
für den Geschäftsführer, Herrn Kohler, absehen muss, da
personenbezogene Daten, wie Sie sicherlich wissen, der
Vertraulichkeit unterliegen.
Das verstehe ich ei-
gentlich nicht so ganz; denn jeder Bundesbürger kann bei-
spielsweise nachvollziehen, welche Diäten die Abgeord-
neten beziehen und welche sonstigen Einkünfte sie haben.
Insofern ist mir das ein bisschen fremd. Aber wenn Sie sa-
gen, es gebe eine rechtliche Begründung dafür, nehme ich
Ihnen das mal so ab.
Trotzdem noch eine Nachfrage: Wie viele Personen
sind denn inzwischen dort beschäftigt, a) wie viele Ge-
schäftsführer und b) an sonstigem Personal?
M
Der Status von
Herrn Kohler ist, glaube ich, nicht vergleichbar mit dem
eines Abgeordneten, der dem deutschen Volk verantwort-
lich ist, Herr Feibel.
– Das stimmt.
Bei der DEnA ist derzeit ein Geschäftsführer beschäf-
tigt. Wie Sie wissen, ist beabsichtigt, eine zweite Ge-
schäftsführerin zum 15. Juli einzustellen. Darüber hinaus
sind bisher zehn Personen beschäftigt. Es ist beabsichtigt,
das Personalkontingent auf 15 Personen zu erweitern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jetzt noch eine Nach-
frage des Kollegen Hirche.
Frau Staatssekretärin, können
Sie mir einmal erläutern, was eigentlich dagegen spricht,
dass das BMWi die Aufgabe selbst wahrnimmt?
M
Sie wissen, dass
das BMWi zusammen mit Vertretern der Privatwirtschaft
– wie Herrn Breuer, dem Vorstandssprecher der Deut-
schen Bank sowie Vertretern der KfW – einen Energiebe-
raterkreis initiiert hat. Die Beratung dieses Kreises ist ab-
geschlossen. Man hat sich in der Beratung darauf
verständigt, eine Energie-Agentur unter Federführung des
BMWi einzurichten. – Ich glaube, dass das Ihre Frage hin-
länglich beantwortet.
– Nein, Herr Kollege. Sie wissen alle, dass nicht zuletzt
vor dem Hintergrund der Klimaschutzproblematik – Er-
füllung des Kioto-Protokolls – das Thema Energiepolitik
ganz oben auf der Agenda dieser Bundesregierung steht.
Die Bundesregierung und die uns beratenden Institutionen
hielten es aus politischen und übergeordneten Gründen für
durchaus notwendig, eine Agentur einzurichten, die dieses
umfangreiche Paket an Aufgaben und Projekten, das ich
Ihnen vorgestellt habe, wahrnimmt. Ich finde, dass das mit
einem relativ geringen Personalaufwand geschieht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt eine weitereNachfrage, und zwar der Kollegin Dr. Barbara Höll.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 200117514
Ich möchte gern zur Struktur
der Agentur nachfragen. Geplant sind also 15 Beschäf-
tigte inklusive zwei Geschäftsführer. Dass zwei Ge-
schäftsführer bei insgesamt 15 Beschäftigten notwendig
sein sollen – das ist dann für sechs bzw. sieben Be-
schäftigte ein Geschäftsführer –, erscheint mir bemer-
kenswert. Ich halte das für ein überaus günstiges Verhält-
nis.
Mich würde interessieren, wie die Struktur in der
Agentur ist: Wie viele von den restlichen 13 Beschäftig-
ten sind beispielsweise mit Aufgaben befasst, die sich auf
Büroarbeiten beschränken? Wie viele der Mitarbeiter sind
vergleichsweise im höheren, mittleren und einfachen
Dienst?
M
Verehrte Frau Kol-
legin Höll, es ist so, dass zehn Mitarbeiterinnen im Rah-
men von Projekten beschäftigt sind. Ich habe vorhin
versucht, darzustellen, dass die Energie-Agentur auch
„Energietage“ organisiert, wie sie kürzlich in Berlin statt-
gefunden haben, wo sie die Projekte präsentiert. Das
macht der Geschäftsführer. Ich gehe davon aus, dass der
Aufsichtsrat, der aus Bundeswirtschaftsminister Werner
Müller, Herrn Reich von der KfW, Herrn Bodewig, Herrn
Trittin und Herrn Leinberger, ebenfalls Vorstandsmitglied
der KfW sowie dem schon erwähnten Herrn Breuer be-
steht, seine Gründe hat, eine zweite Geschäftsführerin
einzustellen. Ich gehe davon aus, dass das etwas mit dem
Arbeitsanfall, den Verantwortlichkeiten und Anforderun-
gen an die Agentur zu tun hat.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jetzt kommen wir zur
Frage 23 des Kollegen Klaus Hofbauer.
Für welche Einzelprojekte bzw. Projektschwerpunkte und in
welchem finanziellen Umfang sind bisher Genehmigungsbe-
M
Sehr geehrter Herr
Kollege Hofbauer, die EU-Kommission hat noch kein
Interreg-III-Programm mit deutscher Beteiligung geneh-
migt. Daher konnten noch keine Projekte bewilligt wer-
den. Die Bundesregierung bedauert es außerordentlich,
dass gerade im Bereich der transeuropäischen Zusam-
menarbeit inzwischen – um es einmal so zu formulieren –
ein „Förderloch“ von anderthalb Jahren entstanden ist.
Wir haben von der EU-Kommission wiederholt eine
schnelle Bearbeitung der vorgelegten Programmentwürfe
gefordert. Die Kommission hat angekündigt, dass die ers-
ten Programme noch im Juni genehmigt werden. Herr
Kollege, Sie wissen, die Kommission ist hier Herrin des
Verfahrens. Die Mitgliedstaaten sind quasi machtlos.
Sie hat Genehmigungen für folgende Länder in fol-
genden Zeiträumen in Aussicht gestellt: für Sachsen/
Tschechien Ende Juni, für Sachsen/Polen Ende Juni, für
Bayern/Tschechien Ende Juli, für Bayern/Österreich
Ende Juli, für Mecklenburg-Vorpommern/Polen Juli.
Da ich davon ausgehe, dass im Zentrum Ihres Interes-
ses die Förderung an der bayerisch-tschechischen Grenze
liegt, kann ich Ihnen mitteilen, dass in diesen Bereich EU-
Mittel in der Größenordnung von 60,1 Millionen Euro
fließen werden und dass in der Vorperiode von 1994 bis
1999 16,8 Millionen ECU geflossen sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gehe ich recht in der
Annahme, dass Ihr Beitrag bereits die Beantwortung der
Frage 24 beinhaltete?
M
Nein.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein? – Dann kommt
jetzt die erste Nachfrage des Kollegen Hofbauer.
Frau Staatssekretärin,
teilen Sie meine Auffassung, dass es schon ein äußerst
problematischer Vorgang ist, wenn in einem Programm,
das von uns allen groß angekündigt wurde und auf das
sich die Kommunen – die Maßnahmenträger – eingestellt
haben, jetzt, nach eineinhalb Jahren, die Genehmigungen
noch nicht vorliegen?
Meine Frage lautet: Was möchte bzw. was kann die
Bundesregierung konkret tun, um hier eine Beschleuni-
gung herbeizuführen? Denn dieser Bürokratismus be-
wirkt natürlich nicht gerade, dass die Stimmung gegen-
über der EU positiv ist.
M
Herr Kollege
Hofbauer, ich teile Ihre Sorge. Sie wissen, dass die Kom-
mission die Leitlinien erst am 23. Mai 2000 veröffentlicht
hat. Wir haben alle deutschen Programme fristgemäß ein-
gereicht. Die Kommission hat sich für die Prüfung fünf
Monate Zeit eingeräumt und aufgrund von Arbeits-
überlastung, von langwierigen kommissionsinternen Ab-
stimmungsprozessen und – wie ich finde – überaus peni-
bler Prüfung die Frist nicht einhalten können.
Darauf, dass wir das bedauern, habe ich hingewiesen.
Wir haben die Kommission mehrfach um eine schnellere
Bearbeitung gebeten, und ich bin froh, dass nunmehr die
Genehmigungen für jene Zeiträume, die ich Ihnen vor-
gestellt habe, in Aussicht gestellt worden sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Hofbauer, Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage.
Dann rufe ich jetzt die Frage 24 des Kollegen Hofbauer
auf:
Wie erfolgt in der Praxis die Abstimmung der grenzüber-
schreitenden Projekte im Rahmen von Interreg III?
M
Herr Kollege
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2001 17515
Hofbauer, bei dem Programm erfolgt die Abstimmung derProjekte an den Binnengrenzen der EU in gemeinsamenLenkungsausschüssen, in denen in der Regel einver-nehmlich entschieden wird. An den Außengrenzen derEU, an denen unterschiedliche Programme – Interreg IIIund SPHARE-CBS – zum Einsatz kommen, haben sichdie Partner auf Verfahren geeinigt, die innerhalb der Mög-lichkeiten beider Programme ein möglichst intensives Zu-sammenwirken bei der Umsetzung des Programms undder Auswahl der Projekte zulassen. Einzelheiten regelndie jeweiligen Geschäftsordnungen der Lenkungsaus-schüsse, die nach Genehmigung der Programme von denPartnern beschlossen werden.Auch hier ist die Bundesregierung sehr daran interes-siert, dass sich diese Prozesse etwas mehr beschleunigen,gerade auch vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterungund ihrer Akzeptanz in den Grenzregionen.
Frau Präsidentin, wenn
ich meine beiden Fragen gemeinsam stellen darf: Mich
würde interessieren, in welchem Stadium bzw. in wel-
chem Umfang die Kommunen und die unteren Ebenen
– oder zum Beispiel auch die Euregios – in diesen Pro-
zess mit eingeschaltet werden, weil sich gerade die Eure-
gios in besonderem Maße um die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit bemühen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gibt es Probleme bei der Abstimmung dieser grenzüber-
schreitenden Projekte? Denn die Herausforderungen sind
ja auf deutscher Seite vielleicht anders als auf tschechi-
scher oder polnischer Seite. Theoretisch könnte es so sein,
dass auf bayerischer Seite ein Umweltthema im Vorder-
grund steht, während die tschechische Seite eine Straßen-
baumaßnahme durchführen will. Sind der Bundesregie-
rung in dieser Hinsicht Probleme bekannt? Möchte man
dies alles sehr großzügig handhaben, um nicht Verzöge-
rungen zu verursachen?
M
Herr Kollege
Hofbauer, an den Binnengrenzen stehen auf beiden Seiten
Interreg-Mittel zur Verfügung. Die Finanzierung an den
Außengrenzen der EU erfolgt auf MOE-Seite mit Inter-
reg-Mitteln und aufseiten der Drittländer mit einem Hilfs-
programm der EU, dessen Abwicklung und Finanzie-
rungsregeln sich fundamental – und dies ist ein Problem –
von den Interreg-Regeln unterscheiden. Dennoch ist es
uns gelungen, an der polnischen und tschechischen Gren-
ze grenzüberschreitende Programme zu erarbeiten, in de-
nen die Projektauswahl gemeinsam, die Finanzierung
aber weiterhin getrennt erfolgt.
Mehr kann ich zu der von Ihnen gestellten Frage nicht
sagen. Ich hoffe aber, sie beantwortet zu haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Damit sind wir am
Ende des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Technologie. Ich danke Ihnen, Frau Staats-
sekretärin.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Verteidigung auf. Sämtliche Fragen, also die Fragen
25 bis 30, werden schriftlich beantwortet.
Daher kommen wir nun zur mündlichen Beantwortung
der Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeri-
ums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur Beant-
wortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär
Stephan Hilsberg zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 31 des Kollegen Dr. Klaus Rose
auf – –
– Das ist mir nicht bekannt gewesen. Ich verkünde also
hiermit offiziell, dass die Fragen 31 und 32 schriftlich be-
antwortet werden.
Ich sehe den Kollegen Hartmut Koschyk im Saal und
rufe daher die Frage 33 auf:
Ist die Bundesregierung bereit, sich gegenüber der Deutschen
Bahn AG dafür einsetzen, dass die der DB AG zur Mo-
dernisierung von Bahnstrecken zur Verfügung gestellten Mittel
aus UMTS-Erlösen auch für die technische Instandsetzung von
Nebenstrecken, wie zum Beispiel der Bahnstrecke Bayreuth–War-
mensteinach–Weidenberg, verwendet werden, damit die DB AG
ihrem auch auf dieser Strecke geltenden Infrastrukturauftrag
nachkommt?
S
Sehr ge-
ehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Kollege
Koschyk, die Bundesregierung hat mit Mitteln aus den
Zinsersparnissen der UMTS-Funkfrequenzversteigerung
das Zukunftsinvestitionsprogramm für Schienenwege-
investitionen der Eisenbahnen des Bundes, ZIP, aufgelegt
und wird damit das bestehende Schienennetz entspre-
chend den Anforderungen der Bürgerinnen und Bürger
und der Wirtschaft sanieren und modernisieren helfen.
Die Eigentümerin der Bundesschienenwege, die Deut-
sche Bahn AG, setzt die im Rahmen des ZIP zur Verfü-
gung gestellten Mittel in Wahrnehmung ihrer unterneh-
merischen Aufgaben an den Stellen des Bestandsnetzes
ein, an denen sie regional und bundesweit die größten Ef-
fekte unter anderem hinsichtlich der zu verbessernden
Pünktlichkeit oder der Schnelligkeit des Bahnverkehrs
entfalten, sodass die Leistungsfähigkeit des Verkehrsträ-
gers Schiene insbesondere durch Modernisierung der
Leit- und Sicherungstechnik, Beseitigung von Langsam-
fahrstellen und Einrichtung von elektronischen Stellwer-
ken nachhaltig gesteigert wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Koschykzu einer Zusatzfrage, bitte.
– Ich schlage vor, dass wir trotz des Stromausfalls mit derSitzung fortfahren, da die Mikrofone nach wie vor funk-tionieren.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2001
Parl. Staatssekretärin Margareta Wolf17516
Meine erste Nach-
frage: Herr Kollege Schmidt vom Bündnis 90/Die Grünen
hat in seiner Funktion als Mitglied des Aufsichtsrats der
Deutschen Bahn AG vor kurzem bei einem Besuch in Hof
ausweislich von Presseberichten darauf hingewiesen,
dass 800 Millionen DM für die Regionalnetze in Bayern
vorgesehen seien und dass die Strecke Bayreuth–
Warmensteinach nach seiner Ansicht in den noch auszu-
verhandelnden Bereich der Region Hof einzubeziehen
sei. Meine Frage: Wie wird denn die Verteilung der
UMTS-Mittel in dem Bahnbereich erfolgen, den Sie ge-
rade angesprochen haben; wie sieht die Absprache mit
den Ländern aus, wie sind die Länder – in diesem Falle
der Freistaat Bayern – in die Verteilung dieser Mittel ein-
gebunden und wie wird das Ganze durch den Verkehrs-
ausschuss des Deutschen Bundestages begleitet werden?
S
Sehr ge-
ehrter Herr Kollege Koschyk, die Bahn hat diese Mittel
zur Wahrnehmung ihrer eigenverantwortlichen Tätigkeit,
also der Sanierung und Instandhaltung des Bestandsnet-
zes, bekommen und setzt sie in dieser Weise ein. Sie ist
mit den Ländern in ständigem Kontakt darüber, an wel-
chen Stellen der jeweiligen Regionalnetze Investitionen
erforderlich sind, um eine Optimierung des gesamten
Fahrbetriebes zu erreichen.
Die Entscheidung über die Verwendung der Mittel trifft
die Bahn jedoch selbstständig. Das Parlament ist im Rah-
men der ständigen Haushaltsberatungen einbezogen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Koschyk
zu einer zweiten Nachfrage, bitte.
Trifft es dann zu,
Herr Staatssekretär – ich beziehe mich noch einmal auf
die Aussage des Kollegen Schmidt in seiner Funktion als
Mitglied des Aufsichtsrats der Deutschen Bahn AG –,
dass in diesem Fall der Freistaat Bayern eine Berücksich-
tigung dieser Nebenstrecke aus dem Segment Regional-
netze beantragen müsste?
Es ist nicht die Aufgabe der Bundesregierung, die
Wortmeldungen von Kollegen aus dem Parlament zu
kommentieren. Die Antwort auf die Frage im Hinblick auf
die Mittelbereitstellung für die Regionalnetze Bayerns,
müsste ich Ihnen nachreichen.
– Ja.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt noch weitere
Nachfragen. Zunächst Herr Dr. Friedrich, bitte.
Herr
Staatssekretär, wie beurteilen Sie die Tatsache, dass die
Deutsche Bahn AG die Strecke nach Warmensteinach
stillgelegt hat, ohne das Eisenbahnbundesamt zu betei-
ligen?
S
Nach
meiner Kenntnis hat die Deutsche Bahn AG das mit ihr
abgesprochene Streckenstilllegungsverfahren, das zur
Anwendung kommen soll, ordentlich durchgeführt. Das
Verfahren ist allerdings noch nicht abgeschlossen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Hofbauer, auch Sie haben eine Nachfrage.
Herr Staatssekretär,
sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen die
Bahn verpflichtet wurde, bei solchen sanierungsbe-
dürftigen Strecken, die stillgelegt wurden, ohne dass das
Eisenbahnbundesamt eingeschaltet wurde, eine Sanie-
rung vorzunehmen?
S
Es gibt
eine klare Verordnung bzw. eine Richtlinie, die festlegt,
wie in Fällen, in denen sich die Wirtschaftlichkeit einzel-
ner Strecken als nicht mehr gegeben herausstellt, vorzu-
gehen ist. Dazu gehört erstens der Versuch, die Kosten auf
dieser Strecke zu senken. Zweitens gehört dazu die Suche
nach entsprechenden Kooperationspartnern und drittens
der Versuch, einen Partner zu finden, der die Strecke über-
nimmt und in eigener Verantwortung weiterführt. Erst
dann wird sie stillgelegt. Dieses Verfahren ist abge-
sprochen, und es wird regelmäßig bei allen Strecken, die
möglicherweise zur Stilllegung anstehen, durchgeführt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe jetzt die
Frage 34 des Abgeordneten Hartmut Koschyk auf:
Welche Konsequenzen wird die Bundesregierung aus den Er-
gebnissen der am vergangenen Montag in Wunsiedel vorgestell-
ten Machbarkeitsstudie für eine Ost-West-Verbindung zwischen
der Bundesautobahn A 9 und der deutsch-tschechischen Grenze
ziehen, und welche konkreten Maßnahmen wird die Bundesregie-
rung zur Realisierung dieser Maßnahme ergreifen?
S
Herr Ab-geordneter Koschyk, die Bundesregierung wird den vonder Bayerischen Staatsregierung aus den Ergebnissen derverkehrswirtschaftlichen Untersuchung und aus denen deram 25. Juni in Wunsiedel vorgestellten und von mir bereitserwähnten Machbarkeitsstudie unter Berücksichtigung derihr vorliegenden Stellungnahmen aus der Region abgelei-teten Vorschlag für eine vierstreifige B 303 neu bewerten.Weitere Entscheidungen zum Projekt – zum Beispiel dieAufnahme in den Bundesverkehrswegeplan – sind vondiesem Bewertungsergebnis abhängig.Über die Aufnahme in den künftigen Bedarfsplan fürdie Bundesfernstraßen entscheidet abschließend derDeutsche Bundestag im Rahmen der Novellierung desFernstraßenausbaugesetzes. Über konkrete Maßnahmenzur Realisierung des Projektes – beispielsweise ob zwei-oder vierstreifig – wird die Bundesregierung entspre-chend den Aussagen des künftigen Bedarfsplanes für dieBundesfernstraßen zu gegebener Zeit entscheiden.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2001 17517
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Nachfrage des
Kollegen Koschyk, bitte.
Herr Staatssekretär,
Sie sind ausweislich eines Artikels in der „Frankenpost“
vom 23. Juni dieses Jahres mit der Sache insofern befasst
gewesen, als Sie Vertreter der Bürgerinitiative, die sich
gegen dieses Straßenprojekt wendet, empfangen haben.
Sie sollen gesagt haben, dass die schlechte Finanz-
situation des Bundes und die nur herbeigeredete Notwen-
digkeit für die Fichtelgebirgsautobahn genau genommen
bedeuten würden, dass eine Realisierung dieses Projekts
in nächster Zukunft nicht zu erwarten sei. Ihr Gespräch
mit der Bürgerinitiative ist so wiedergegeben worden.
Fühlen Sie sich von der Presse richtig zitiert? Denn mich
wundert, dass die Bürgerinitiative durchs Land zieht und
aufgrund des Gespräches mit Ihnen eine Realisierbarkeit
dieser Strecke bezweifelt.
S
Herr
Koschyk, wir alle werden gelegentlich mit scheinbar in
Gesprächen gemachten mündlichen Aussagen konfron-
tiert, die man gegenüber den Betreffenden gar nicht
getätigt hat.
Ich kann dazu nur sagen: Es ist meine Aufgabe, mich
mit sämtlichen Facetten eines Verkehrsproblems von er-
heblicher Tragweite – dabei handelt es sich bei dieser
Straße – zu beschäftigen, um die Essenz der vorgetra-
genen Argumente zu prüfen. Eine abschließende Ent-
scheidung zu Fragen, die die B 303 neu betreffen, ist nicht
gefällt worden. Umweltrechtliche Belange müssen
selbstverständlich geprüft werden. Natürlich werden bei
der Entscheidung im Zusammenhang mit der B 303 neu
auch die zur Verfügung stehenden Finanzmittel berück-
sichtigt werden müssen. Aber eine Vorentscheidung – ich
betone das noch einmal – wird es und kann es nicht geben.
Die wirtschaftlichen Argumente, insbesondere das Argu-
ment der verkehrlichen Entlastung der Region, sind min-
destens genauso bedeutend – wenn nicht sogar höher ein-
zuschätzen – wie die Frage der Umweltprüfung.
Insofern stelle ich noch einmal fest: Diese Gespräche
sind notwendig. Sie führen zu entsprechenden Konse-
quenzen. Außerdem ist man nicht für all das verantwort-
lich, was in Zitaten betreffend die eigene Person ausge-
führt wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Koschyk hat
noch eine zweite Nachfrage.
Herr Staatssekretär,
meine Frage lautet: Wenn die Bundesregierung die An-
meldung für die Fortschreibung des Bundesverkehrs-
wegeplanes betreffend diese Strecke in Bayern auf den
Tisch bekommen hat, wird dann die Bundesregierung die-
ses Projekt neben dem üblichen prozeduralen Vorgehen in
der Art und Weise, wie Sie es mir vorhin deutlich gemacht
haben, vorsorglich – um hier nichts zu versäumen – auch
im Hinblick auf die mögliche Gewährung europäischer
Mittel anmelden? In der vorigen Woche hat ja Frau Staats-
sekretärin Mertens in der Fragestunde ausgeführt, dass die
Bundesregierung als Ergebnis der Beratungen von Nizza
bei der Europäischen Union Eisenbahn- und Straßenver-
kehrsprojekte im Rahmen des Aktionsprogramms für die
Grenzregionen angemeldet hat. Frau Staatssekretärin
Mertens hat einzelne Straßenbauprojekte genannt. Diese
Strecke in Bayern war nicht dabei. Wird die Bundesregie-
rung im Hinblick auf eine Förderung durch die EU diese
Strecke im Rahmen dieses Aktionsprogramms für die
Grenzregionen nachmelden?
S
Am
Sachstand dieser Problematik hat sich im Laufe der letz-
ten Woche nichts geändert, sodass ich den Antworten von
Frau Mertens nichts hinzufügen kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jetzt gibt es zwei wei-
tere Nachfragen der Kollegen Dr. Friedrich und Heinz
Wiese.
Herr
Staatssekretär, es hat am Montag in Wunsiedel einige Ir-
ritationen gegeben, weil die Bayerische Staatsregierung
die bayerische oberste Baubehörde vor einigen Wochen
darauf hingewiesen hat, dass am 30. Juni dieses Jahres
alle Projektdaten für die Anmeldung zum Bundesver-
kehrswegeplan, also zum Beispiel diese Ost-West-Ver-
bindung betreffend, in Berlin vorliegen müssen und dass
diese Fristsetzung aus Ihrem Hause erfolgt sei. Eine in
diesem Zusammenhang bestehende Bürgerinitiative hat
auf einer am Montag stattgefundenen Veranstaltung
mitgeteilt, aus dem Gespräch mit Ihnen habe sich ergeben,
dass es eine solche Frist nicht gebe. Könnten Sie diesen
Widerspruch bitte freundlicherweise aufklären?
S
Es gibt
ein ganz normales Regularium zur Feststellung eines
neuen Bundesverkehrswegeplanes, der ein ganz erhebli-
ches Projekt ist. Ich kann das, was mir die Bürgerinitiative
da in den Mund gelegt hat, nicht kommentieren. Was die
Frage des 30. Juni betrifft, muss ich Konkretes nachrei-
chen, weil ich dieses Datum so nicht bestätigen kann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Wiese,
bitte Ihre Nachfrage.
Herr Staatsse-kretär, was, so glauben Sie, kann Ihr Haus unternehmen,um gerade die vorher erwähnten Verkehrsprojekte imRahmen der europäischen Osterweiterung voranzutrei-ben, und zwar einerseits bezüglich der Schiene, und an-dererseits der Autobahnprojekte im süddeutschen Raum,vor allem das Projekt im Rahmen der genannten Ost-West-Verbindung?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 200117518
S
Herr
Wiese, in erster Linie sind wir dafür verantwortlich, dass,
was die Bundesverkehrswege betrifft, genügend Vorkeh-
rungen getroffen werden, um das zu erwartendende Ver-
kehrswachstum bewältigen zu können. Nach unseren Pro-
gnosen und Schätzungen wird es ein Wachstum von im
Durchschnitt 50 Prozent und in einzelnen Spitzenfällen
von bis zu 70 Prozent geben. Das ist nicht wenig. Aber es
ist keinesfalls so, dass der Zustand der Verkehrsinfra-
struktur nicht in weitesten Fällen bereits so ist, dass dies
bewältigt werden kann.
Unsere Bemühungen gegenüber der Europäischen
Union betreffen nicht unsere Verpflichtung, dafür zu sor-
gen, dass die Verkehrsinfrastruktur dieses Wachstum be-
wältigen kann. Es geht um die Verpflichtung, uns darum
zu bemühen, dass die Europäische Union gleichzeitig
Mitverantwortung für diese Verkehrsprojekte übernimmt.
Insofern spielt das für das Projekt der B 303 neu nur eine
untergeordnete Rolle.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir kommen jetzt zur
Frage 35 der Kollegin Christine Ostrowski:
Werden die von der Bundesregierung angekündigten 300 Mil-
lionen DM für ein Stadtumbauprogramm als eigener Titel zusätz-
lich in den Bundeshaushalt 2002 eingestellt oder wird dieses Pro-
gramm durch Umschichtungen aus anderen Haushaltstiteln
gespeist werden?
Für deren Beantwortung steht der Parlamentarische
Staatssekretär Achim Großmann zur Verfügung.
A
Frau
Kollegin Ostrowski, die für das Programm „Stadtumbau
Ost“ vorgesehenen 300 Millionen DM sind in dem Ent-
wurf des Haushalts 2002 der Bundesregierung als Ver-
pflichtungsrahmen bei Kap. 1225 Tit. 882 17 „Zuweisun-
gen zur Förderung städtebaulicher Maßnahmen in den
neuen Ländern “ ausge-
bracht worden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Kollegin
Ostrowski zu einer ersten Nachfrage, bitte.
Herr Staatssekretär,
können Sie meine mir vorliegenden Informationen be-
stätigen, dass sich diese 300 Millionen DM aus 100 Mil-
lionen DM aus dem Städtebauförderungsprogramm Ost,
aus 100 Millionen DM aus der Gemeinschaftsaufgabe
und aus 100 Millionen DM aus allgemeinen Haushalts-
mitteln zusammensetzen?
A
Frau
Kollegin Ostrowski, das kann ich so nicht bestätigen. Ich
weiß, dass wir dieses Programm mit 100 Millionen DM
aus dem Etat unseres Hauses, und zwar aus dem Städte-
bauförderungsprogramm Ost finanzieren. Das hängt da-
mit zusammen, dass wir im laufenden Jahr bereits Um-
bau- und Rückbaumaßnahmen, die mit Abriss und mit
Wohnumfeldverbesserungen zu tun haben, aus diesen
Mitteln finanzieren. Es ergibt jedoch keinen Sinn, zwei
Töpfe für die gleiche Aufgabe zu haben. Deshalb haben
wir gesagt: 100 Millionen DM schichten wir um.
Die zusätzlichen 200 Millionen DM kommen neu in
unseren Etat. Das ist Geld, das wir nicht aus unserem Etat
gegenfinanzieren. Die Verantwortung für die Mittelver-
teilung innerhalb der Bundesregierung hat natürlich das
Finanzministerium, sodass ich Ihnen weder bestätigen
noch dementieren kann, ob das, was Sie gerade gesagt ha-
ben, zutrifft. Es fällt in die Verantwortung des BMF.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Ostrowski hat
noch eine zweite Frage, bitte.
Sei es, wie es sei. Es ste-
hen im Jahr also 300 Millionen DM zur Verfügung, und
das für drei Jahre, wenn ich es richtig verstanden habe.
Könnten Sie noch etwas zur Mitfinanzierung durch die
Länder und Kommunen und dazu sagen, ob die dann vor-
handene Summe ausreicht, um die von der Expertenkom-
mission Wohnungsleerstand angegebene Zahl von
350 000 abzureißenden Wohnungen zu finanzieren?
A
Diese
300Millionen DM sollen ungefähr hälftig – das kann man
vorab nie genau wissen, wenn einem nicht bekannt ist,
wie viele Anträge zum Abrissprogramm und wie viele
Anträge zum Wohnumfeldprogramm kommen – in diese
beiden Programmteile einfließen. Mit den Ländern ist
besprochen worden, dass das Geld, das in das Abrisspro-
gramm fließt, zu 50 Prozent vom Bund und zu 50 Prozent
vom Land finanziert wird. Die andere Hälfte finanziert
sich in Anlehnung an die normale Städtebauförderung.
Insgesamt ist das eine Drittelfinanzierung. Das wiederum
würde bedeuten, dass wir mit den 300 Millionen DM an
Bundesmitteln insgesamt 750 Millionen DM pro Jahr ge-
nerieren, und das wiederum hätte zur Folge, dass wir in
den drei Jahren auf 2,25 Milliarden DM kämen.
Sie wissen, dass die Leerstandskommission – über den
Daumen gepeilt – die Summe von 3 Milliarden DM ge-
nannt hatte. Aber das, was ich Ihnen jetzt gesagt habe, be-
trifft nur das Programm bis zum Jahre 2004, das heißt, es
ist der Einstieg. Sicherlich wird man, wenn man die Er-
gebnisse der Solidarpakt-II-Beratungen in den nächsten
Tagen Revue passieren lässt, sehen, dass die Länder genü-
gend Möglichkeiten haben, dieses Programm auch in Zu-
kunft zu finanzieren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Liebe Kolleginnenund Kollegen, wir haben nun die seltene Situation, dassalle unsere Fragen schon beantwortet worden sind. Inter-fraktionell war vereinbart worden, dass wir jetzt einePause machen. Die Sitzung ist bis 15 Uhr unterbrochen.Dann rufe ich die Aktuelle Stunde auf.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2001 17519
Liebe Kol-
leginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wie-
der eröffnet.
Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der PDS
Haltung der Bundesregierung zur drohenden
Auszehrung der Bahnindustrie in Deutschland
vor dem Hintergrund einer existenziellen Ge-
fährdung der Adtranz/Hennigsdorf
Für die Antragstellerin gebe ich zunächst dem Kolle-
gen Dr. Winfried Wolf das Wort.
Liebe Kolleginnen! LiebeKollegen! Sehr geehrter Herr Präsident! Wir hatten ges-tern in Hennigsdorf eine Belegschaftsversammlung, dieam heutigen Tag fortgesetzt wird.
– Wir, die Allgemeinheit.Am heutigen Tag sind der SPD-MinisterpräsidentStolpe, der PDS-Fraktionschef Christoffers und der PDS-Europaparlamentarier Marcov bei der Belegschaftsver-sammlung in Hennigsdorf.
Wir im Bundestag diskutieren heute über das ThemaAdtranz/Hennigsdorf. Ich glaube, dieses Thema ist eswert, dass wir darüber in der Form, ohne uns lächerlich zumachen, diskutieren.
Wir hören momentan jeden Tag Schreckensmeldungenvon der Bahn. Vor einigen Tagen, am 10. Juni, haben wirden massiven Interregio-Abbau erlebt. Wir haben heute er-fahren, dass die Bahninstandhaltung erheblich reduziertwird. Wir haben es gestern erlebt und erleben es heute, dassin Hennigsdorf bzw. in der gesamten Region 10 000 Jobsbedroht sind.Es ist festzustellen, dass die neuen Bundesländer da-bei in besonderem Maße betroffen sind. Seit dem10. Juni zum Beispiel sind Rostock und Magdeburg vomInterregio, vom Bahnfernverkehr abgehängt. Mit demKahlschlag bei der Instandhaltung der Bahn inLeipzig-Engelsdorf, Neustrelitz, Delitzsch, Chemnitzund Zwickau werden 4 000 industrielle Jobs zerstört. ImFalle Hennigsdorf handelt es sich, wie einige wissen, umden größten Industriestandort im Berliner Umfeld, dereine sehr große Tradition gerade im Bereich Bahn-technik aufweist.Ich möchte gerade als PDS-Abgeordneter dazu zweiZitate aus dem Jahre 1989 anführen. Erstes Zitat:Die Waggon-Industrie in der DDR ist in der Weltführend.Zweites Zitat:Das Werk VEB Lokomotivbau in Hennigsdorf beiBerlin steht mit der Auslieferung der 500. elektri-schen Serienlokomotive der Baureihe 243 an derSpitze im europäischen Lokomotivbau.Die beiden Zitate stammen nicht aus der FDJ-Zeitung„Junge Welt“ oder einer Bezirkszeitung der SED. Daserste Zitat stammt aus der „Frankfurter Allgemeinen Zei-tung“, das zweite aus der Zeitung „Blickpunkt“ der Bun-desbahn aus dem Jahre 1989.Seitdem hat sich viel getan. Das Werk ist sehr viel mo-derner geworden. Ich möchte auch ganz klar sagen, dasseine wichtige Mitgift eingebracht wurde, die droht, ver-spielt zu werden.Ich glaube, dass die Misere bei der Bahn in wirklichkrassem Widerspruch zu der offiziell bekundeten Politiksteht, und zwar der von allen Parteien hier im DeutschenBundestag, das heißt der Politik, wie sie von den HerrenKrause, Wissmann, Müntefering, Klimmt und Bodewigvertreten wird. Sie sagen zwar, dass wir mit Blick auf dieKlimakatastrophe unbedingt eine Verkehrswende reali-sieren müssen, dass die Schiene unbedingt im Zentrumstehen und Vorrang haben müsse.
Die wirkliche Entwicklung aber sieht so aus – das wis-sen wir alle –, dass die Anteile der Schiene in den letztenzehn Jahren zurückgegangen sind. Wir wissen, dass die Be-legschaft bei der Bahn in den letzten zehn Jahren um250 000 abgebaut worden ist. Wir wissen, dass die Bahnin-dustrie allein in den letzten neun Jahren auf ein Drittel ge-schrumpft ist. Wir hatten im Jahre 1990 noch 100 000 Be-schäftigte in der gesamtdeutschen Bahnindustrie. Heutesind es noch ungefähr 35 000. Die Zahl der Beschäftigtenim Hennigsdorfer Werk wurde von 8 000 im Jahre 1990auf jetzt noch 2 500 abgebaut.Wir glauben, geschichtlich aufzeigen zu können, dassein enger Zusammenhang zwischen einer funktionieren-den Bahntechnik und einem funktionierenden Schienen-verkehr besteht. Man könnte es, wenn genügend Zeit vor-handen wäre, am Beispiel der USA und Großbritanniensbelegen. In diesen Ländern wurde die Bahntechnik vordem Niedergang des Schienenverkehrs abgebaut. Deswe-gen müssen die Bundesregierung und die Länder dieBahntechnik als eine Schlüsselindustrie begreifen, wennsie wirklich die Zukunft der Schiene im Blick haben.Wir stellen stattdessen fest, dass gerade im Bereichder Bahntechnik eine extreme Kapitalkonzentration aufSiemens und Bombardier stattgefunden hat, internationalauf Siemens, Alstom und Bombardier. Wir glauben, dasshierin – auch wenn man nicht Sozialist ist, sondern reinmarktwirtschaftlich diskutiert – eine unheimliche Gefähr-dung des Wettbewerbs liegt. Dabei spielen noch erhebli-che
fremde Interessen hinein. Beispiel: Bombardier ist welt-weit der größte Regionalflugzeughersteller und gleichzei-tig weltweit der größte Hersteller von Bahntechnik.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 200117520
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte zumSchluss sagen: Wir glauben, dass Land und Bund gefor-dert sind, und zwar der Bund als Eigentümer der Deut-schen Bahn AG, über die Regionalisierungsmittel, in Be-zug auf Art. 87 e des Grundgesetzes und in Bezug auf diekonkrete Bestellpolitik. Wir glauben, dass bei einer über-zeugenden Politik für die Schiene alle Standorte in derBahntechnik gesichert werden können.Mein Wahlkreis ist Mannheim. Ich bin mit Betriebsrä-ten im Mannheimer Adtranz-Werk eng befreundet. DieAdtranz-Kollegen in Mannheim wollen für den Erhaltaller Standorte innerhalb der Bundesrepublik Deutsch-land kämpfen und glauben, dass eine richtige Bahnpolitikdas auch ermöglichen würde.
Ich erteile
das Wort dem Kollegen Dr. Ditmar Staffelt für die Frak-
tion der SPD.
Herr Präsident! Meine sehrverehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchteich auf das Thema der Gefährdung des Standortes Hen-nigsdorf eingehen. Ich will hier nichts herunterspielen.Aber ich möchte doch zunächst einmal festhalten, dass esjedenfalls nach unserem Erkenntnisstand keinerlei unmit-telbare Entscheidung in Bezug auf Hennigsdorf gibt. Dasswir es bei Adtranz mit einem Unternehmen zu tun haben,das in den letzten Jahren leider eine sehr schwierigeGeschichte aufweist, steht fest: von der AEG-Zeit überdie Zeit mit Daimler-Benz und ABB bis heute mitBombardier. Viele Fördermittel sind gerade im östlichenDeutschland in Anspruch genommen worden. Dass wirden Prozess, der im Moment innerhalb des Unternehmensstattfindet, begleiten sollten, gegebenenfalls auch kri-tisch, steht außer Frage.Ich bin aber sehr dagegen, hier von einer Krise zu spre-chen, die jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt aus meinerSicht keine ist.
– Ich sage das nach Gesprächen mit Betriebsräten, mitdem Unternehmen und mit Kundigen in dieser Frage. Ichweiß sehr wohl, dass – wenn die Zahlen richtig sind –Bombardier, europaweit und weltweit aufgestellt, im Mo-ment ein Benchmarking innerhalb des Unternehmensdurchführt, das Ergebnisse zeitigen muss, weil es in einerganzen Reihe von Betrieben Produktüberschneidungengibt: Wagenkastenrohbau, Innenausbau, Achsgestelle.Davon sind verschiedenste Unternehmensbereiche vonAdtranz in Deutschland betroffen, auch Hennigsdorf.Ich bin mit Ihnen durchaus einer Meinung, dass wir allesMögliche dafür tun wollen, um möglichst alle Standorteund viele Arbeitsplätze zu erhalten. Zu Hennigsdorf kannich nur sagen: Die brandenburgische Landesregierungmuss darüber nachdenken, was sie tun kann, um diesemStandort zusätzliche Attraktivität zu verleihen. Da ist vonder bekannten Bahnteststrecke die Rede; ob das ausrei-chend sein wird oder nicht, vermag ich nicht zu beurtei-len. Aber die brandenburgische Landesregierung kannhier sicher etwas unternehmen.Sehr wichtig erscheint mir, dass wir Meldungen zu-folge ein Problem im Konzern Bombardier in Deutsch-land haben, dass nämlich der Umsatz je Mitarbeiterbei 162 000 Euro liegt, während er beim KonkurrentenSiemens offenbar bei 276 000 Euro pro Mitarbeiter oderMitarbeiterin liegt. Dass das betriebswirtschaftliche Maß-nahmen auslöst, um wettbewerbsfähig zu bleiben, liegtauf der Hand. Aber die Beantwortung der Frage, ob dasimmer nur über den Abbau von Beschäftigung möglich istoder ob es nicht auch andere Formen der Rationalisierunggibt, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zusteigern, müssen wir dem unternehmerischen Feld über-lassen. Solche Entscheidungen können wir als Politikernur schwerlich unmittelbar beeinflussen.Auf der gestrigen Sitzung des Wirtschaftsausschussesbei der Deutschen BahnAG hat Herr Mehdorn – das habeich selber gehört – ausdrücklich gesagt: Es ist Ziel der Un-ternehmenspolitik der Deutsche Bahn AG, insbesonderein neue Bahnen und neue Waggons sowohl für den Nah-und Regionalverkehr als auch für den ICE-Verkehr zu in-vestieren. Auf meine Frage, was das für Adtranz und diejetzige Diskussion bedeute, hat er uns ausdrücklich ge-sagt, dass jedenfalls die Deutsche Bahn AG Adtranz sehrviele Aufträge erteilt habe und dass deren Auftragsbücher,so seine Einschätzung, allein aufgrund der Aufträge derBahn für die nächsten zwei bis drei Jahre gefüllt seien. Ichvermag nicht zu beurteilen, wie Bombardier Aufträge in-nerhalb des Gesamtunternehmens verteilt. Natürlich wirddies auch nach Kostengesichtspunkten geschehen. Dasliegt auf der Hand; denn auch die Auftraggeber haben einInteresse daran, ein wettbewerbsfähiges, kostengünstigesProdukt zu erhalten.Deshalb, glaube ich, sollten wir mit Augenmaß Ge-spräche mit den Kolleginnen und Kollegen an allen Stand-orten von Bombardier in Deutschland führen und solltenden Prozess begleiten. Allerdings sollten wir keine Panik-mache betreiben. Ich gehe davon aus, dass diejenigen, diewie Ministerpräsident Stolpe heute vor Ort sind, einenWeg finden werden, um mit der Belegschaft und der Un-ternehmensleitung im Dialog zu bleiben, die, soweit ichweiß, in zwei bis drei Monaten erste Entscheidungen tref-fen möchte. Ich meine, erst dann sollten wir weiterdisku-tieren.Wir müssen auch gegenüber der Unternehmensleitungimmer wieder darauf hinweisen, dass gerade die ostdeut-schen Standorte aus unserer politischen Sicht eine beson-dere Priorität genießen müssen, weil dort die wenigen in-dustriellen Kerne nicht auf dem Spiel stehen dürfen, unddass viele Subventionen des Staates in den dort getätigtenInvestitionen stecken. Ich glaube also, es gibt hier eineVerpflichtung über das rein Unternehmerische hinaus.Schönen Dank.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2001
Dr. Winfried Wolf17521
Für die
CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege Ulrich Klinkert.
Herr Präsident! MeineDamen und Herren! Die Probleme von Adtranz und derDeutschen Bahn fallen in eine Zeit von Inflation, Stagna-tion und steigender Arbeitslosigkeit insbesondere in denneuen Bundesländern. Es vergeht kein Tag, an dem dieWirtschaftsprognosen nicht gesenkt werden müssen oderan dem man nicht von weiteren Betriebsschließungen le-sen muss. Erstmals seit der Wiedervereinigung gibt es imersten Halbjahr 2001 mehr Firmenpleiten als Firmenneu-gründungen in den neuen Bundesländern. Dies ist keinZufall. Dies ist das Ergebnis Ihrer Politik.
Es ist auch kein Zufall, dass es die meisten Firmen-pleiten in den rot-rot regierten Bundesländern Mecklen-burg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt gibt,
in denen das von der SPD favorisierte Modell für Berlinoder für ganz Deutschland schon seit Jahren – aus IhrerSicht: erfolgreich – praktiziert wird. In diese Zeit desAbschwungs Ost platzt dann die Meldung, dass 2 500 Ar-beitsplätze bei Adtranz in Hennigsdorf und weitere 5 000bei Zulieferern gefährdet sind. Wenige Tage später gibtder Chef der Deutschen Bahn, Herr Mehdorn, die Schlie-ßung von acht seiner 18 Instandhaltungswerke bekannt,wodurch insgesamt 5 900 Arbeitskräfte freigesetzt werden.
– Um auf Ihren Zwischenruf, Herr Staffelt, einzugehen:Ich habe Herrn Mehdorn gestern Abend gefragt, wie er be-gründet, dass die Mehrzahl der Schließungen in den neuenBundesländern zu verzeichnen ist. Er hat dort nicht dievolle Wahrheit gesagt. Er hat zum Beispiel nicht gesagt– das verwundert und empört mich am meisten –, dass allevier Standorte in Sachsen geschlossen werden. Ich glaube,wir sollten uns dies – das gilt fraktionsübergreifend –nicht weiter gefallen lassen.
Von den 5 900 Arbeitskräftefreisetzungen werden allein2 300 in Sachsen erfolgen.Was mich dabei besonders verwundert, ist die Tatsache,dass im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn mehrere Staatsse-kretäre der Bundesregierung und immerhin auch ein Abge-ordneter der Grünen sitzen. So sehe ich in der Verabschie-dung der Deutschen Bahn aus Sachsen und aus den neuenBundesländern insgesamt durchaus keinen Zufall, sondernpolitischen Willen. Wenn der Bundeskanzler im Sommerwieder durch die neuen Bundesländer tourt, dann sollte manihn schonungslos mit den Ergebnissen seiner verfehltenWirtschaftspolitik konfrontieren. Man muss dem Bundes-kanzler sagen: Dieser Abschwung Ost ist sein Abschwung.
Zwar sitzt kein Mitglied der Bundesregierung im Auf-sichtsrat von Adtranz; dennoch ist die Krise dieses Unter-nehmens als ein Ergebnis der rot-grünen Wirtschaftspo-litik anzusehen.Worum geht es? Wie wir wissen, ist Adtranz in auslän-dischem Besitz. Diese Bundesregierung tut alles, um aus-ländische Investoren aus Deutschland zu vergraulen.
Die Bundesregierung hat zum Beispiel als Gegengeschenkfür die Wahlkampfhilfe der Gewerkschaften für die SPD inHöhe von 8 Millionen DM ein aufgeblähtes Betriebsver-fassungsgesetz verabschiedet, das insbesondere ausländi-sche Investoren von deutschen Standorten abschreckt.
Als Entgegenkommen an die Grünen werden die Geneh-migungsverfahren bis zur Unmöglichkeit verkompliziert.Meine Damen und Herren von der SPD, ich kann verste-hen, dass Sie das innerlich aufwühlt. Aber Sie müssendiese Wahrheiten ertragen; denn Sie haben sie schließlichverursacht und zu verantworten.
Sie treiben die Energiepreise in astronomische Höhen.Wie wir bei einer Anhörung heute von einigen Sachver-ständigen erfahren haben, sind weitere Preissteigerungenim Bereich der Energie zu erwarten, nicht zuletzt durchdie KWK-Pläne, die die rot-grüne Bundesregierungverabschiedet hat. Dies könnte zu weiteren Firmen-schließungen, insbesondere bei energieintensiven Betrie-ben, zum Beispiel in der Aluminiumindustrie, führen.Zurück zu Hennigsdorf. Wir sehen dennoch Chancenfür diesen Standort. Der brandenburgische Wirtschaftsmi-nister Fürniß hat die finanzielle Unterstützung für den Baueiner Teststrecke angekündigt. Ich glaube, dadurch würdeder Standort aufgewertet werden und kurze Wege zwi-schen Forschung, Erprobung und Produktion wären ge-währleistet. Aber auch die Bundesregierung ist aufgefor-dert, sich für den Erhalt von Hennigsdorf einzusetzen. Wasden Beschäftigten im hessischen Betrieb Holzmann rechtist, muss den ostdeutschen Mitarbeitern von Adtranz billigsein.
Ich fordere die Bundesregierung auf, zu erklären, dasssich die von ihr entsandten Mitglieder des Aufsichtsratesder Deutschen Bahn gegen die Pläne von Herrn Mehdorn,gegen den Kahlschlag Ost stellen und ihm nicht zustim-men werden.Vielen Dank.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 200117522
Für dieFraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht der KollegeAlbert Schmidt.Albert Schmidt (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol-legen! Die allermeisten von uns in diesem Haus warensich 1993 und 1994 einig, dass mit der Organisationspri-vatisierung des Systems Deutsche Bahn Aktiengesell-schaft, zusammengeführt aus der ehemaligen Bundes-bahn und der ehemaligen Reichsbahn, mehr als nur eineUmorganisation, eine Umstrukturierung verbunden ist;man ging davon aus, dass damit vielmehr der Auftrag undder Wille des allergrößten Teils dieses Hauses einhergeht,dieses System auf dem Markt konkurrenzfähig zu ma-chen, es unternehmerisch zu führen und produktiver zuwerden.In den letzten Jahren haben sowohl die Vorstände, undzwar alle, als auch die Arbeitnehmervertretungen, die Be-triebsräte, die Gewerkschaften, eindrucksvoll bewiesen,dass sie sehr wohl in der Lage sind, durch die Mischungvon Konflikt und Kooperation, die nun einmal zum Zu-sammenwirken der Tarifpartner gehören, ungeheure Pro-duktivitätsfortschritte zu erzielen und dabei schwierigeEinschnitte sozialverträglich und ohne betriebsbedingteKündigungen vorzunehmen.Ich glaube, wir sind uns trotzdem einig, dass der Bundauch heute noch eine doppelte Verantwortung für dieMarktchancen der Bahn hat: zum einen eine verkehrs-politische Verantwortung durch die Gestaltung der ver-kehrspolitischen Rahmenbedingungen,
die sich natürlich mittelbar auf die Unternehmen auswir-ken, und zum anderen eine besondere Verantwortung alsEigentümer des Unternehmens Deutsche Bahn Aktienge-sellschaft. Infolgedessen finde ich es angemessen, dasswir über diese Frage heute diskutieren. Diese Diskussionmüssen wir in unserer mittelbaren Verantwortung für dieBahnindustrie führen, denn die Auftragslage hängt natür-lich auch ein Stück weit von dem ab, was wir hier tun odernicht tun.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ichmöchte noch einmal die Situation der letzten Jahre in Er-innerung rufen. Von Jahr zu Jahr – ich habe dies sehr ge-nau in Erinnerung – wurden weniger neue Züge bestelltund von Jahr zu Jahr wurden Bestelloptionen zurückge-nommen, weil die DB als Unternehmen das Geld nichtmehr hatte, um die neuen Züge zu bestellen und zu kaufen.
– Herr Kollege Grund, es ist besser, das ist kein Witz. –Zum ersten Mal seit langem hat die Bahn jetzt ihre be-absichtigten Bestellungen für neue Züge um 2 Milli-arden DM auf 8,5 Milliarden DM in den nächsten fünfJahren gesteigert. Mit einer Zusage der Bundesregierungvon 27 Milliarden DM bestehen zum ersten Mal seit lan-gem solide Investitionsgrundlagen für die nächsten dreiJahre. Dies haben wir im Bundestag beschlossen und sowird es auch im Haushaltsplan verankert werden. Wir ha-ben die Regionalisierungsmittel zur Bestellung von Nah-verkehrszügen durch die Länder auf 13,5 Milliarden DMgesteigert und wir haben von 1994 bis einschließlich 2002über 20 Milliarden DM für die soziale Abfederung – auchvon Personalanpassungen inklusive der aktuellen Verlän-gerung der Vorruhestandsregelung – eingesetzt. Hier wur-de ein großes Stück Verantwortung wahrgenommen, unddas ist gut so.Was können und müssen wir im Gegenzug vom Unter-nehmen Deutsche Bahn erwarten? Wenn wir als Gesetz-geber sehr viel Geld zur Verfügung stellen, müssen wirauch Erwartungen an das Unternehmen formulieren.Wir erwarten erstens – ich sage das ganz deutlich –,dass die Aussagen der Verkehrsminister – das gilt fürMüntefering, für Klimmt und für Bodewig – ernst ge-nommen werden, die besagten, dass keine betriebs-bedingten Kündigungen in die Arbeitslosigkeit erfolgensollen.Wir erwarten zweitens, dass sämtliche Auszubildendenihre Ausbildung ordnungsgemäß abschließen können undvom Unternehmen übernommen werden.Wir erwarten drittens, dass diejenigen zwei Drittel derArbeitnehmer, die von den drohenden Werksschließungenbetroffen sind, einen tarifvertraglichen Anspruch aufgleichwertige Beschäftigung im Unternehmen haben. Siemüssen diese Beschäftigungsmöglichkeit wirklich erhal-ten. Auch für das restliche Drittel der Arbeitnehmer müs-sen Ersatzarbeitsplätze – auch durch Anstrengungen derDeutschen Bahn AG – geschaffen werden.
Zu den einzuholenden Arbeitsangeboten gehören auchqualifizierende, beschäftigungsfördernde Maßnahmen,die das Unternehmen in der jeweiligen Region unterstüt-zen muss.Wir erwarten viertens, dass die Bundesregierung dasStandortkonzept, das im Raum steht, mit aller Verantwor-tung prüft. Ich spreche in diesem Zusammenhang auchdas Bundeskanzleramt an. Bei einem Vorgang dieser Grö-ßenordnung muss es sich um ein Chefthema handeln undim Bundeskanzleramt entsprechend geprüft werden. Einaktives Standortmanagement in den betroffenen Regio-nen – ob in Nürnberg, Sachsen oder sonst wo – ist nun imZusammenwirken zwischen der Landesebene, der kom-munalen Ebene, dem Unternehmen selbst und auch derBundespolitik gefragt.
Ich habe es eingangs gesagt: Gefordert sind jetzt in ers-ter Linie der Vorstand des Unternehmens und die Arbeit-nehmervertretungen, nämlich die Betriebsräte und dieGewerkschaften. Wir haben allen Anlass, ihnen zuzu-trauen, dass diese mit der Situation sinnvoll und verant-wortungsbewusst umgehen.Ich sehe noch eine Menge offener Punkte und möchteeinen letzten nennen: Bei diesem Standortkonzept ist un-terstellt worden, dass lediglich 3 Prozent aller Aufträge als
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2001 17523
Fremdaufträge von außen in die Werke kommen. Das isteine völlig verfehlte Annahme angesichts dessen, dass wirzunehmend mehr Verkehr von NE-Bahnen – nicht staat-lichen Bahnen – haben. In den entsprechenden Fuhrparkswird es – zum Teil besteht er schon – zu einem Restau-rationsbedarf kommen.Es gibt also noch eine Menge zu diskutieren. Wir soll-ten hier nicht mit klugen politischen Ratschlägen und par-teipolitischem Gezänk vorgehen. Wir sollten unsere Ver-antwortung – also die des Bundes – ernst nehmen. Dafürwerden wir uns einsetzen.
Das Wort
hat der Kollege Horst Friedrich für die Fraktion der F.D.P.
Herr Präsident!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich hätte ich ge-dacht, wir hätten eine Aktuelle Stunde zur problemati-schen Situation in Hennigsdorf. Bisher, gerade in der letz-ten Rede, habe ich eigentlich mehr über die Problematikder Ausbesserungswerke der DB gehört. Diese habenvielleicht auch ein wenig etwas damit zu tun, aber mitHennigsdorf nur ganz am Rande.Ich schlage vor, uns auf Hennigsdorf zu konzentrieren.Hiermit hängt grundlegend eine gewisse Problemstellungzusammen, die der Kollege Schmidt schon angesprochenhat, nämlich die Privatisierung der Bahn. Wie ist denndie Situation? Wir hatten und wir haben im Wesentlicheneinen Nachfrager für Dienstleistungen und Fahrzeuge derBahnindustrie. Das ist nach wie vor die Deutsche Bahn.Vorher war es im Westen die Deutsche Bundesbahn undim Osten die Deutsche Reichsbahn; ihr arbeitete die Deut-sche Waggonbau zu.Mit der Privatisierung der Bahn 1994 hatte Herr Dürrals Vorstandsvorsitzender seine Rechte genutzt, die Ab-schaffung des Umwegs und eine Umstellung bei Bestel-lungen von Fahrzeugen durchzusetzen. Er hat nicht mehrin Abstimmung mit den ehemaligen Bundesbahn-Zen-tralämtern definiert, wie eine Lokomotive oder ein Wag-gon auszusehen haben – die Preise waren zufälligerweiseimmer genau die, die man vorher angesetzt hatte –, son-dern er hatte sich im Wege des Verhandlungsverfahrensauch aus dem europäischen Raum Angebote machen las-sen und hat die Unternehmen teilweise – Schuld daranwaren die selber – dazu gezwungen, zu Preisen unter denGestehungskosten abzuliefern, damit sie überhaupt imGeschäft waren.Es gab Siemens, Adtranz – vormals AEG –, Talbot,Linke-Hofmann-Busch und kleinere Firmen wie Graf;hinzu kam mit der Einigung die Deutsche Waggonbau.Dann kam Bombardier aus Kanada und hat zunächst Tal-bot aufgekauft, sich bei der Deutschen Waggonbau enga-giert und hat nun einen weiteren Konkurrenten durch Auf-kauf vom Markt genommen, nämlich Adtranz. Dass dasKonsequenzen haben musste, war gerade im Hinblick aufAdtranz eigentlich klar zu erkennen, denn Adtranz hattevorher schon in Nürnberg Werke geschlossen, ohne dassdeswegen der große Aufschrei durch die Republik gegan-gen wäre,
obwohl in Nürnberg durch Probleme bei Grundig und an-deren Firmen ebenfalls eine relativ schwierige Situationam Arbeitsmarkt herrscht.Wo liegt eine Lösung des Problems? Die Bahn hatheute erklärt, wenn ich der Wirtschaftsseite der „Welt“glauben darf, dass Herr Mehdorn als Ausgleich für dieSchließung der Ausbesserungswerke für 8,5 Milliar-den DM neue Fahrzeuge bestellt.
Das wäre ja eigentlich ein Signal an die Bahnindustrie zusagen: Donnerwetter, 8,5 Milliarden DM – daran könnenwir uns ja beteiligen.
Man höre sich einmal in Deutschland um: Jetzige Wett-bewerber der Deutschen Bahn sagen, sie würden mehr aufdie Schiene setzen und mehr anbieten. Es gibt Firmen, dieschon am Markt sind: Bei Düsseldorf zum Beispiel hatteein Unternehmen eine Strecke übernommen, auf der800 Personen befördert wurden. Mittlerweile sind es12 800 Fahrgäste. Dieses Unternehmen würde gerne dasAngebot noch weiter ausweiten, das Problem ist bloß,dass sie keine Wagen und keine Lokomotiven bekommen,weil die deutsche Waggonbauindustrie Lieferzeiten hat.
Bei mir vor Ort ist der neue Pendolino – Baureihe 612, ge-baut von Adtranz – mit über einem Jahr Verspätung auf-grund von Lieferschwierigkeiten bei Adtranz, offensicht-lich wegen Kapazitätsproblemen, ausgeliefert worden.Das steht eigentlich in krassem Widerspruch zu den jetztaufgestellten Behauptungen, es gäbe keine Aufträge.Das Problem werden wir auf Dauer nicht politisch lö-sen, zumindest nicht so, indem wir fordern, dass Hen-nigsdorf oder welcher Standort auch immer auf jeden Fallerhalten bleiben müsse. In Bezug auf das, was nötig ist,sind wir auf unserer Seite allerdings ziemlich eindeutig:Wir brauchen eine moderne Eisenbahnpolitik,
wir brauchen die Trennung von Netz und Betrieb,
wir brauchen mehr Wettbewerb auf der Schiene,
dann gibt es wieder mehr Nachfrage nach entsprechendenLeistungen, und wir brauchen, liebe Freunde von Rot undGrün, endlich eine Standortpolitik, die die Lohnkosten
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2001
Albert Schmidt
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und damit die Fertigungskosten in Deutschland so ab-senkt, dass deutsche Werke im Benchmarking, wie es soschön neudeutsch heißt, gegenüber Anbietern außerhalbDeutschlands – GEC Alstom und wie sie alle heißen mö-gen – konkurrenzfähig sind.
Da setzt politisch verantwortliches Handeln an. Darüberhinaus muss man sich über bestimmte andere Punkte ei-nigen.Ich glaube nicht, dass es bei allem Engagement letzt-endlich gelingt – ich unterstütze jedes Engagement, dashilft –, den Kollegen und den Arbeitern in Hennigsdorfeine Chance auf Weiterarbeit zu geben. Wir müssen aberlosgelöst von der Ad-hoc-Debatte, der aktuellen Problem-lage und der gegenseitigen Schuldzuweisungen schonversuchen, eine Grundlage dafür zu schaffen, dass Ar-beitsplätze in der Bahnindustrie langfristig und sinnvollerhalten bleiben können. Man muss da ansetzen, wo ichgeendet habe. Mit dem verbalkosmetischen Austausch,den Sie vornehmen, kommen wir nicht weiter.Danke sehr.
Für die Bun-
desregierung spricht der Parlamentarische Staatssekretär
im Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungs-
wesen, der Kollege Stephan Hilsberg.
S
Sehr ge-ehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!Mein erstes Wort gilt den Hennigsdorfern. Die Proteste,die sich aus den Sorgen um den Standort und die Arbeits-plätze herleiten, sind nicht nur verständlich, sondern inmeinen Augen auch berechtigt. Sorgen um den eigenenStandort und um den Arbeitsplatz sind immer auch Sor-gen um die persönliche und regionale Existenz. Da istes nur allzu richtig – in unserer Mediendemokratie erstrecht – wenn man mit öffentlichen Kundgebungen aufdiesen Umstand aufmerksam macht, um deutlich zu ma-chen: Wir werden uns mit der Situation nicht abfinden.Wir wollen, dass Politik und Wirtschaft sich um uns küm-mern, damit für uns eine gute Existenzperspektive bleibt.
Natürlich – da hat Herr Staffelt völlig Recht – gibt esüberhaupt keinen Grund zur Panikmache, gerade weilAngst der schlechteste aller Ratgeber ist. Man hat auchnichts davon, wenn man Leute sozusagen wild macht.Aber das tun die Hennigsdorfer auch nicht. Im Übrigensind die Schwierigkeiten in Hennigsdorf, von denen wirschon lange wissen und die wir schon eine Weile beglei-ten – auch das ist deutlich geworden; Herr Friedrich, gut,dass Sie das so angesprochen haben –, keineswegs einSymbol für einen vermeintlichen Abschwung in Ost-deutschland. Die übrigen Zahlen der wirtschaftlichen Ent-wicklung gerade im verarbeitenden Gewerbe in Ost-deutschland sind besser als die in den alten Bundeslän-dern. Das muss man hier auch einmal sagen.
– Sie brauchen den entsprechenden Informationen ausden eigenen Wirtschaftsforschungsinstituten bis hin zudem aus Halle, die auf diese Perspektiven hinweisen, kei-nen Glauben zu schenken; aber das sind schlicht und ein-fach Fakten.
Wie Sie damit politisch umgehen, steht in Ihrer Verant-wortung. Aber was vor Ort wirtschaftlich passiert,
das hat man zur Kenntnis zu nehmen, übrigens gerade inVerantwortung für die regionale Perspektive in vielenLändern Ostdeutschlands.In Henningsdorf werden wir Zeuge eines Konsolidie-rungsprozesses in der Bahnindustrie, der nicht erst in die-sem Jahr angefangen hat, sondern der schon eine ganzeWeile zurückgreift. Dieser Konsolidierungsprozess führtzu schwierigen Entscheidungen und natürlich zu sozialenHärten. Weil er zu sozialen Härten führt, ist er nicht alleineine Frage der Wirtschaft, sondern hat eine enorme poli-tische Dimension. Das ist ein politischer Vorgang und wiralle müssten hier so darüber diskutieren, dass deutlichwird, dass wir uns der politischen Verantwortung für die-sen Vorgang bewusst werden, und zwar in einer Art undWeise, dass die Leute vor Ort uns verstehen und dass siedas Gefühl haben, wir nehmen sie ernst.Wir brauchen geeignete politische Instrumente, mitdenen die Situation vor Ort gelindert werden kann, mitdenen dort, wo es möglich ist, eine Perspektive wiederhergestellt werden kann. Und wir brauchen begleitendeMaßnahmen.
In Bezug auf den Standort Hennigsdorf ist zum Beispieldarüber zu reden, dass mit der Teststrecke ein gutes An-gebot unterbreitet worden ist. Die Teststrecke kann dieZukunft dieses Standortes mit garantieren. Das Unterneh-men muss selbst entscheiden, ob es diese Option anneh-men will. Wir machen dieses Angebot und ich kann hiervonseiten der Bundesregierung sagen: Wir haben nachPrüfung der Fördermöglichkeiten grünes Licht für die In-frastruktur der Teststrecke gegeben und es ist Sache desLandes Brandenburg und des Unternehmens, die entspre-chenden Mittel dafür einzusetzen. Die GA-Mittel für dieFinanzierung solcher Fördermöglichkeiten werden zurHälfte vom Bund gegeben; daran liegt es nicht. In punctoTeststrecke kann man eine Menge machen. Außerdem ver-folgen wir noch eine ganze Reihe weiterer Möglichkeiten.Wir haben die Situation, dass die Deutsche Bahn selbstein Problemfall ist, der saniert werden muss; darüber
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2001
Horst Friedrich
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haben wir heute lange geredet. Aber ohne die Bereitstel-lung zusätzlicher Mittel für die Netzertüchtigung wird dasnicht gehen. Wir haben für die Sanierung und Instandset-zung Mittel zur Verfügung gestellt: 2 Milliarden DM indiesem Jahr, insgesamt 6 Milliarden DM in den nächstendrei Jahren. Damit schaffen wir die Möglichkeit, dass zu-sätzliches Material in höheren Geschwindigkeiten fahrenkann.Die Bahn hat einen großen Bedarf an Hightech-Pro-dukten bei Waggons, Triebwagen usw. Vor diesem Hin-tergrund gibt es keinen Anlass, sich auf Dauer um die Zu-kunft der Bahnindustrie Sorgen zu machen.
Es sind aber auch andere Prozesse zu berücksichtigen,insbesondere auf dem Weltmarkt in diesem Bereich.Wenn sich die Bahn nicht nur auf Anbieter in Deutschlandbeschränkt, sondern sich auf Anbieter in Europa und inanderen Teilen der Welt umorientiert, muss sich auch dieBahnindustrie auf andere Kunden umorientieren. Sie darfsich nicht auf die DB AG und nicht auf die im Bundesbe-sitz befindlichen Bahnen in Deutschland beschränken,sondern muss sich auf Bahnunternehmen in anderen Län-dern umorientieren.Vor diesem Hintergrund sind auch die neuen wirt-schaftlichen Verbindungen zu sehen. Es ist ja schließlichnicht nur Bombardier, das sich um deutsche Unternehmenbemüht. Eine Sache muss ich Ihnen, nicht nur vor demHintergrund unseres Binnenmarktes, ganz klar sagen: Wirbekennen uns zu einer internationalen Wirtschaft. Anderslassen sich unsere Probleme doch gar nicht lösen.
Sie können hier doch nicht versuchen, nationale Ressen-timents zu mobilisieren, wenn wir gleichzeitig fürDeutschland als Wirtschaftsstandort für Investitionen ausvielen anderen Ländern werben. Wer so mit dem Problemumgeht, der macht den Wirtschaftsstandort Deutschlandschlecht. Das, meine ich, kann sich nicht einmal eineCDU leisten.
Ich will noch einige weitere Punkte nennen. Wir sinduns auch bewusst, dass es nicht nur um den Standort Hen-nigsdorf geht; es gibt viele andere Standorte, die sichebenfalls Sorgen machen. Wir haben auch Sorge dafür zutragen, dass die wirtschaftliche Entwicklung vor Ort in ei-ner Art und Weise stattfinden kann, dass diese Regionenihre Zukunft behalten. Es wird darauf ankommen, ausdiesen Bedingungen insgesamt eine optimale Entschei-dung zu treffen. Dass so etwas möglich ist, zeigt bei-spielsweise die Perspektive des AusbesserungswerkesStendal, wo es offenbar gelingen kann, eine Lösung zufinden, die zum Erhalt dieses Standortes führt. So sehe ichMöglichkeiten auch in verschiedenen anderen Bereichen.Natürlich reicht es nicht aus, als Bundesregierung vordem Parlament Stellung zu nehmen. Es ist nötig und rich-tig, dass wir uns darüber unterhalten; aber ich werde mirpersönlich vor Ort ein Bild von der Lage machen und mitden betroffenen Mitarbeitern, dem Betriebsrat und derGeschäftsführung darüber reden, was man zusätzlich tunkann.
– Wir haben uns noch nie zurückgehalten, wenn es um dieSorgen einzelner Standorte ging. Das werden Sie unsnicht vorwerfen können, Herr Klinkert.
Wir werden überall dort vor Ort sein, wo es nötig ist,wo diskutiert werden kann, wo Chancen bestehen und womit politischen Maßnahmen geholfen werden kann. Diesist keine Frage des Standorts. Wir sind für alle Standortezuständig und für die gesamte Bahnindustrie gleichzeitigmitverantwortlich.
Aber es gibt noch einen anderen Punkt. Das sage ichganz bewusst an die Hennigsdorfer gerichtet: Ich wün-sche Ihnen bei Ihren Bemühungen um den Standort vielGlück; diese Bemühungen sind nicht falsch.
Aber ich wünsche Ihnen auch das notwendige Augenmaßdafür, dass Sie die richtigen Maßnahmen treffen. LassenSie sich nicht politisch instrumentalisieren! Es gibt ver-schiedene Akteure, die das Problem Hennigsdorf/Adtranz/Bombardier mit ihren eigenen politischen Wünschen auf-laden; aber das Schicksal der anderen ist ihnen an dieserStelle gleichgültig. Lassen Sie sich nicht instrumentalisie-ren! Wir wissen, wie die politischen Geschicke vor Ort ge-legentlich behandelt werden.Wir haben ein Augenmerk auf den Standort Hennigs-dorf wie auf die gesamte Situation in der Bahnindustrie.Wir werden uns für eine verantwortbare Handlungsweiseentscheiden. Ich habe dafür bereits einige Beispiele ge-nannt.
Das, was für die Vergangenheit gilt, wird an dieser Stelleauch für die Zukunft gelten.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich erteile
nunmehr dem Kollegen Friedhelm Ost das Wort; er
spricht für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! LiebeKolleginnen und Kollegen! Staatssekretär Hilsbergwünscht den Menschen in Hennigsdorf viel Glück. Das istschon viel wert; aber Sie haben uns nicht verraten, was Sie
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2001
Parl. Staatssekretär Stephan Hilsberg17526
diesen Menschen bei der Ortsbesichtigung konkret anbie-ten wollen.
Natürlich haben wir alle – deswegen sprechen wir hierund heute darüber – Verständnis für die Sorgen der Men-schen in Hennigsdorf. Es genügt allerdings nicht, seitensder Bundesregierung zu erklären, dass sie sich nicht damitabfinden wird, wie Sie es getan haben. Das ist, glaube ich,zu wenig. Auch der Besuch alleine bringt es nicht. Über-legen Sie sich vorher, was Sie da wirklich konkret tunkönnen, damit Sie nicht nur einen Informationsbesuchmachen und vielleicht noch liebe Verwandte treffen, wiedas andere machen, das Ganze dann zur Chefsache erklärtwird und die Sache damit erledigt ist.
– Lieber Herr Kollege Staffelt, ich bin ja mit Ihnen ein-verstanden, dass es hier in der Tat auch um eine Frage desBenchmarking geht. Da müssen Standortfaktoren hart ge-prüft werden; es dürfen nicht nur irgendwelche gutenWünsche seitens der Bundesregierung ausgesprochenwerden. Wenn Sie mit Unternehmensleitungen und auchausländischen Investoren sprechen, die den Sprung mitKapital in die neuen Bundesländer gewagt haben, stellenSie fest, dass sie übereinstimmend sagen, dass sich dieBedingungen in den letzten zwei Jahren deutlich ver-schlechtert und nicht verbessert haben.Es ist schon darauf hingewiesen worden: Sie habeneine große Wachstumspolitik angekündigt. Hier werdenauch bezüglich der Bahn – das Aufsichtsratsmitglied hatja vorhin großartige Zahlen genannt – große Dinge ver-kündet; aber sie werden nicht eingehalten. Sie sehen dasbeim gesamtwirtschaftlichen Wachstum. Sie sind mit derErwartung von rund 3 Prozent gestartet. Sie sind jetzt – wirhaben Mitte des Jahres – bei 1,2 Prozent angelangt und amEnde landen Sie in der Stagflation.Wenn hier gesagt wird, auch von Herrn Hilsberg, dasproduzierende Gewerbe floriere geradezu in den neuenBundesländern, dann ist das auch nur ein Teil der Wahr-heit. Zum einen ist der Anteil viel zu klein, um die neuenBundesländer wirklich im Wachstum voranzubringen.Zum anderen tun Sie alles, damit auch das verarbeitendeGewerbe sozusagen Schwung verliert.Sie werden am Ende eine Stagflation haben. Sie habenheute gelesen: Die Zahl der Pleiten erreicht neue Rekorde.So ist aus dem Kanzler des Aufschwungs, den er für sichreklamiert hat, der Kanzler des Abschwungs, der Pleiten,der Arbeitslosigkeit, der hohen Inflation geworden.
Natürlich hängt das alles auch mit Hennigsdorf zu-sammen. Sie haben die Standortfaktoren überhaupt nichtverbessert. Der Kollege Staffelt hat ja Recht: Es geht umBenchmarking; es geht darum, zu schauen, mit welchenFaktoren, vor allen Dingen mit welchen KostenfaktorenProdukte optimal hergestellt werden können. Das giltauch für Hennigsdorf.Natürlich müssen wir auch gemeinsam überlegen, wasgetan werden kann. Wir haben Ihnen ja konkrete Vor-schläge gemacht, die Sie teilweise als Konjunkturpro-gramm, als Schnellschuss abtun. Schauen Sie sich diePunkte genau an, insbesondere auch hinsichtlich der Aus-wirkungen auf die neuen Bundesländer, auf Firmen, diedort investiert haben, die dort noch investieren. Ich halteüberhaupt nichts davon, wenn wir hier zusammenkommenund das Totenglöcklein läuten und schon von sozial ver-träglichen Lösungen sprechen. Erstens sind sie teuer undzweitens bringen sie für die Menschen keine Perspektive.Sie geben ihnen vielleicht ein Stück Gewissheit, dass sieeinige Wochen oder Monate finanziell über die Rundenkommen; aber dann landen sie in der Arbeitslosigkeit.In der Verkehrspolitik des Bundes gab es nur beimWechsel der Verkehrsminister Tempo. Auf allen anderenFeldern gab es überhaupt kein Tempo, keine vernünftigeVeränderung.
Beim Adtranz-Werk handelt es sich um eine typischeWachstumstechnologie.
– Vielleicht hören Sie mal zu; Sie können gut davon ler-nen.
Sie lernen doch schon in der Schule, dass Sie nur etwassagen sollen, wenn Sie gefragt werden.
Sie haben mit der Bahnindustrie eine deutsche Zu-kunftsindustrie begraben. Selbst die modernste Technolo-gie, Transrapid, haben Sie begraben.
Jetzt müssen wir aufpassen, dass wir dank Ihrer Politiknicht auch noch die Reste beerdigen. Deshalb sollten wirin der Verkehrspolitik, in der Wirtschaftspolitik, in der Fi-nanz- und in der Steuerpolitik die Weichen neu stellen,besser jedenfalls, als Sie das tun.Herzlichen Dank.
Der Kollege
Reinhard Weis spricht nun für die SPD.
Herr Präsident!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Fokus-sierung auf den Adtranz-Standort Hennigsdorf, die unsdurch den Titel der Aktuellen Stunde von der PDS vorge-geben wurde, etwas aufbrechen.
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Friedhelm Ost17527
Meine Vorredner, der Kollege Staffelt und auch HerrStaatssekretär Hilsberg, haben beschrieben, wie begrenztdie Handlungsoptionen der Bundespolitik in das Unter-nehmen Adtranz/Bombardier hinein sind. Das ist andersals bei einem anderen Problem, das gestern und heuteauch die Zeitungen bestimmt, bei dem wir tatsächlichbundespolitisch einen direkten Bezug zwischen unsererEigentümerrolle und Standortfragen haben.Ich will deshalb auf den gestrigen Vorstandsbeschlussder Bahn AG eingehen, der ja auch Werksschließungenbetrifft, der vor Ort ähnlich wie im Fall HennigsdorfSchrecken bei Belegschaften und bei den Kommunenausgelöst hat. Da ich aus einem Ort komme, in dem auchein Werk zur Disposition steht, für das ich mich in derVergangenheit eingesetzt habe, weiß ich, wovon ich rede.Ich weiß deshalb aber auch, dass der gestrige Beschlussnicht aus heiterem Himmel fiel. Er hat eine Vorgeschichte.Eigentlich sollte er schon am Ende des vergangenen Jah-res wirksam sein. Die Bundesregierung und betroffeneLandesregierungen hatten einen Aufschub erwirkt, umsich den Beschluss der BahnAG besser belegen zu lassenund Alternativen zur Standorterhaltung zu prüfen und um-zusetzen. Tatsächlich konnten in der Zwischenzeit – zumBeispiel an drei Standorten in Sachsen-Anhalt – Perspek-tiven gesichert werden.Aber irgendwann ist bei Problemen eine Entscheidungfällig. Wir dürfen an dieser Stelle nicht vergessen, dassnicht zuletzt durch den parlamentarischen Willen bei derGesetzgebung zur Bahnreform der Bahnvorstand den Auf-trag erhalten hat, das Unternehmen BahnAG wirtschaftlichzu führen und zu sanieren. Diese Aufgabe unterstützt derBund in seiner Rolle als Eigentümer. Auch wir wissen: Nurmit einer wirtschaftlich gesunden und leistungsfähigenBahnAG wird der Verkehrsträger Schiene eine Zukunft ha-ben und damit indirekt auch die Bahnindustrie als Auftrag-nehmer dieses „main operators“ in Deutschland.Aber der Bund – ich beziehe hier uns als Bundestagund speziell meine Fraktion ausdrücklich ein – fühlt sichnatürlich auch für die Beschäftigten und für die struktur-politischen Auswirkungen des Sanierungskonzepts ver-antwortlich. Für die soziale Abfederung der notwendigenPersonalanpassungen stellt der Bund der Bahn AG biszum Jahre 2002 20,6 Milliarden DM zur Verfügung. Wirerwarten deshalb von der BahnAG – und können dies vonihr auch erwarten – ein sozial verträgliches Vorgehen beider Umsetzung der notwendigen Maßnahmen. Das um-fasst auch die Einbeziehung der Tarifpartner in Verhand-lungen über die Ausgestaltung der Sanierungsschritte unddie Einhaltung des Tarifvertrags.
Deshalb unterstützen wir die Forderung von Bundes-minister Bodewig, dass alle Auszubildenden ihre Ausbil-dung beenden können und von der DB AG übernommenwerden, dass der tarifvertragliche Anspruch von zweiDritteln der Belegschaft auf Weiterbeschäftigung im Kon-zern eingehalten wird und dass den übrigen BeschäftigtenErsatzarbeitsplätze angeboten werden.
Dazu hat die Bahn AG mit Unternehmen in den Re-gionen Kontakt aufzunehmen und notwendige Qualifizie-rungsmaßnahmen sowie Mobilitätsanforderungen auchfinanziell zu unterstützen.
Die Bundesregierung hat außerdem zugesagt, das Kon-zept der Bahn AG auch unter strukturpolitischen Ge-sichtspunkten zu prüfen. Das erwarten wir auch. Wo esChancen zum Erhalt eines Standorts zum Beispiel überPrivatisierungsverhandlungen gibt, müssen diese Ver-handlungen zielorientiert und auch mit organisatorischer,finanzieller und Know-how-Unterstützung durch dieBahn AG geführt werden.Ich habe eingangs gesagt, dass es aus dem zurücklie-genden halben Jahr drei praktische Beispiele gibt, in de-nen dies funktioniert, und ich als Stendaler habe natürlichdie Hoffnung, dass die laufenden Privatisierungsver-handlungen dazu führen, den Standort Stendal zu erhaltenund dass ebenso für die verbleibenden acht Werke Stand-ortsicherungsmöglichkeiten gefunden werden.Wenn wir also unter verkehrspolitischen Aspekten denSchienenverkehr entwickeln wollen, dann müssen wirdafür sorgen, dass der Hauptschienenverkehrsanbieterwirtschaftlich stark wird. Ich bin davon überzeugt, dassdas mit der oben genannten Begleitung auch verantwort-lich umzusetzen ist.Danke.
Ich gebe dem
Kollegen Roland Claus für die Fraktion der PDS das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr ver-ehrten Damen und Herren! Die Beschäftigten von Bom-bardier in Hennigsdorf erwarten von uns, den verschiede-nen Fraktionen im Deutschen Bundestag – wie ich finde,zu Recht –, dass wir uns für den Erhalt ihrer Arbeitsplätzeeinsetzen.
Ich finde es bemerkenswert, dass das in dieser AktuellenStunde durchaus möglich ist, dass das von allen Fraktio-nen mitgetragen wird – und dies, obwohl die AktuelleStunde von der PDS-Fraktion beantragt wurde. Das ist einNovum, meine Damen und Herren; das muss hier einmalfestgestellt werden.
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Reinhard Weis
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Wenn Herr Hilsberg feststellt, dass es in dieser Gesell-schaft womöglich auch Kräfte gibt, denen das Schicksalder Beschäftigten in Hennigsdorf egal ist, die auf der Wutder Beschäftigten ihr politisches Süppchen kochen wol-len, so kann er nicht Kräfte meinen, die in diesem Bun-destag zu finden sind. Das ist meine Annahme hierbei.
Deshalb unterstützen wir alle Anstrengungen, die es gibt,beispielsweise die des brandenburgischen Ministerpräsi-denten Stolpe. Das eigentliche Problem aber, das wir ha-ben, liegt darin, dass wir immer nur nachsorgende Maß-nahmen betreiben können und Sie uns heute ja erneutgesagt haben: Nein, nein, eine Krise ist das nicht; wir sindauf dem richtigen Weg.Wir haben dazu eine andere Auffassung: Wir brauchenein anderes Verkehrskonzept. Gegenwärtig aber erlebenwir eine Kaputtsanierung der Bahn, die so nicht hinge-nommen werden kann.
Wir fordern ja nichts Unmögliches, wenn wir Wettbe-werbsgleichheit von Straße und Schiene wollen. Sie wis-sen doch selbst, dass sehr viele Wählerinnen und Wähler1998 Hoffnungen auf Rot-Grün gesetzt haben, weil sieauch auf eine Verkehrswende gesetzt haben. Diese Hoff-nungen, meine Damen und Herren von der Koalition, ha-ben Sie leider enttäuscht. Herr Kollege Schmidt von dergrünen Fraktion bekommt das sehr wohl mit. Deshalb re-det er hier in einer Aktuellen Stunde ganz anders als dann,wenn ein Antrag vorliegt, über den wir anschließend ab-stimmen müssen. Heute hat er uns sozusagen den Schmidtvon früher gegeben; das muss man beachten.
Deswegen sagen wir erneut: Es war eine krasse Fehl-entscheidung, den Interregio schrittweise vom Netz zunehmen. Wir haben im April mit einer Konferenz bei derBahn dagegen protestiert und die Unterstützung vonTransnet gefunden.Wir hoffen, dass es in dieser schwierigen Frage zu ei-nem Zusammengehen aller Bundesländer kommt undnicht die Standortkonkurrenz die Bundesländer auseinan-der treibt. Ich sage das nach vielen Begegnungen mit Ar-beitnehmern und konkreter Kenntnis eines Bombardier-Betriebs in meinem Wahlkreis, dem Waggonbau in Halle.Dasselbe trifft natürlich auch für den Erhalt der Bahnbe-triebswerke zu.Nun neigen Sie gerade dann, wenn unsere Fraktionsolche wirtschaftspolitischen Themen hier anspricht, mit-unter zu Belehrungen in Sachen Marktwirtschaft. Dahermache ich zu dem in Rede stehenden Thema die Rech-nung auf: Siemens und Bombardier sind im Produktions-profil in der Tat nicht so einfach zu vergleichen, wie Siees hier getan haben. Ich habe mir die Zahlen genau ange-schaut. Es gibt nur einen Umsatzunterschied pro Be-schäftigten in Höhe von 18 000 Euro. Nimmt man hinzu,wie verschieden die Produktionsprofile sind – Siemensmacht im Hightechbereich sehr viel mehr Umsatz –, dannspricht das nicht gegen, sondern für Bombardier, undzwar auch in Hennigsdorf.
– Ich freue mich doch auch darüber, dass wir viel mehrGemeinsamkeiten als Unterschiede haben. Nur auf diesenGrundkonflikt wollte ich aufmerksam machen.Was hat es mit Marktwirtschaft zu tun, mit Regulierungdes Wirtschaftsgeschehens über Angebot und Nachfrage,wenn Bombardier inzwischen als absoluter Monopolistagiert? Hier gibt es keine Auswahl, keinen Markt. Dahermüssen an manchen Stellen marktwirtschaftliche Verhält-nisse wieder herbeigeführt werden.Sie sagten, wir hätten es nicht mit einer aktuellen Ent-scheidung zu tun. Angesichts dessen unterstütze ich diebetroffene Belegschaft. Sollen sich denn diejenigen, dievon solchen Entscheidungen betroffen sind und derenArbeitsplätze in Gefahr sind, immer erst dann in der Öf-fentlichkeit zu Wort melden, wenn es zu spät ist? Ich freuemich, dass unsere Auffassung hier im Bundestag überFraktionsgrenzen hinweg eine andere ist und dass wir unsdafür einsetzen wollen, dass diese Arbeitsplätze erhaltenwerden.
Für dieFraktion des Bündnisses 90/Die Grünen spricht der Kol-lege Helmut Wilhelm.Helmut Wilhelm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Es ist wohl selbstverständlich, dass der Bundesregierung,der SPD und den Grünen das Schicksal von Arbeitsplät-zen am Herzen liegt. Populismus ist das gute Recht derOpposition, verehrte Kolleginnen und Kollegen von derPDS, verehrter Herr Kollege Klinkert; aber er hilft unshier wohl nicht sehr viel weiter.
Faktum ist – das ist auch der PDS bekannt –, dass sämt-liche Unternehmen der Bahnindustrie private Unterneh-men sind. Das war immer so und das ist auch heute nochso. Ergo hat der Bund wirklich keine Möglichkeit der Ein-flussnahme:
nicht in Hennigsdorf, nicht in Nürnberg, in der Nähe mei-ner Heimat, und auch sonst nirgendwo. In Nürnberg hättees übrigens einen privaten Übernahmeinteressenten ge-geben. Der Freistaat Bayern wollte ihn unterstützen. InNürnberg sollte nämlich der Zug „Integral“ weitergebautwerden. Bombardier, der heutige Konzerneigner vonAdtranz, sagte jedenfalls bisher aber Nein, und das war’s.Das wissen Sie doch selbst nur allzu gut, liebe Kolle-ginnen und Kollegen von der PDS-Fraktion. Obendreinist das Thema auch so nicht richtig. Richtig ist: Es gab eine
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Roland Claus17529
Flaute in der Bahnindustrie. Es ist aber zwischenzeitlichdeutlich frischer Wind hineingekommen. Die spanischeBahn hat ICEs bestellt, ein britisches Unternehmen einegroße Serie von Nahverkehrstriebwagen des Typs „Lind“,und nicht zuletzt bestellt die DB AG bis zum Jahr 2005neue Fahrzeuge im Wert von 8,5 Milliarden DM.
– Das hat auch er gesagt, und das wissen Sie auch.Sollten Sie sich vielleicht in der Wahl des Themas Hen-nigsdorf geirrt haben und sollte vielmehr die angekündigteWerkeschließung der DB AG gemeint sein? Hierzu ist ei-gentlich schon genügend gesagt. In einer ebenfalls von Ih-nen beantragten Aktuellen Stunde am 27. Oktober 2000habe ich hierzu bereits Ausführungen gemacht, die Sie imInteresse der zeitlichen Kürze nachlesen können. Ich erhaltedas von mir Gesagte jedenfalls inhaltlich voll aufrecht.Die Bundesregierung hat bereits gehandelt. Sie wissen,dass Herr Minister Bodewig bereits gestern die DB AG zusozial- und raumordnungspolitisch verantwortlichemHandeln aufgefordert hat. Er hat angemahnt, keine be-triebsbedingten Kündigungen durchzuführen sowie dieAusbildung von Lehrlingen und qualifizierende Beschäf-tigungsförderungen zu verstärken.
Allerdings möchte auch ich Herrn Mehdorn eine etwasoffensivere Geschäftspolitik als immer nur Konzepte na-mens „MORA“ empfehlen, was im Lateinischen übrigensRückschritt und Stillstand heißt. Ich weiß nicht, ob HerrMehdorn das weiß. Vielleicht sollte er einmal daran denken.Zwar wird sich die Bundesregierung weiterhin für dieBahnindustrie einsetzen, aber es gilt der Grundsatz derBahnreform. Unternehmerische Entscheidungen sollenim Interesse einer betriebswirtschaftlich sinnvollen Tätig-keit allein dem Unternehmen überlassen werden.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, das haben Sie doch damals bei der Bahnreform1994 selber so gewollt. Warum wollen Sie das nun weg-wischen?
Die Finanzausstattung haben Sie damals dramatisch he-runtergefahren. Das haben wir korrigiert: Die Investiti-onsmittel wurden deutlich erhöht.
Die Regionalisierungsmittel wurden erhöht, wodurch dieLänder in die Lage versetzt worden sind, neue Fahrzeugezu kaufen. Das wird so lange so bleiben, solange wir hier-für die Verantwortung tragen.Danke schön.
Ich erteile
dem Kollegen Ulf Fink von der CDU/CSU-Fraktion das
Wort.
Herr Präsident! Meine sehr ver-ehrten Damen und Herren! Ich komme gerade von einemTreffen mit dem Bürgermeister von Hennigsdorf, demMinisterpräsidenten und vielen anderen, darunter die Kol-legen Wobst und Graffenberger. Sie alle haben großeHoffnung auf die heutige Aktuelle Stunde gesetzt. Ichmuss sagen: Die Kolleginnen und Kollegen müssen vondieser Debatte und den Äußerungen der Regierungskoali-tion zutiefst enttäuscht sein.
Herr Staffelt sagt, es bestehe keine unmittelbare Ge-fahr. Es gebe auch noch viele andere Standorte;
wir müssten alles bedenken, mal schauen. Herr Schmidtvon der Fraktion der Grünen sagt, der Betriebsrat und dieGeschäftsleitung sollten sich Mühe geben, um die Dingesozusagen zusammenzubekommen.
Nun wünscht der zuständige Parlamentarische Staats-sekretär, der auch noch Brandenburger Abgeordneter ist,Herr Hilsberger,
den Leuten sage und schreibe: Viel Glück! – Meine Da-men und Herren, Hilfestellung brauchen die Menschen inHennigsdorf,
aber keine Glückwünsche. Das ist doch eine unmöglicheHaltung!
In Hennigsdorf ist eine der bedeutendsten und wich-tigsten der im Osten Deutschlands verbliebenen Schlüs-seltechnologien. Es geht nicht darum zu sagen, manmüsse denen etwas geben, weil sie sonst nicht allein exis-tieren könnten. Die Menschen in Hennigsdorf haben einehervorragende Systemkompetenz. Was die Menschendort leisten, ist allerbeste Klasse. Woran es ihnen mangelt,ist, dass ihnen die notwendige Unterstützung zuteil wird.Wer vergibt denn die Aufträge an die Bahnindustrie? Dergrößte Auftraggeber ist nun einmal die Deutsche Bahn.
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Helmut Wilhelm
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Wer ist denn Eigentümer der Deutschen Bahn? Das istnun einmal der Bund. Er ist der Eigentümer der DeutschenBahn. Deshalb können die Menschen in Hennigsdorfdoch erwarten, dass die Bundesregierung, wenn eine sol-che Bedrohung besteht, klar, eindeutig und unmissver-ständlich sagt: Ja, wir stehen ohne Wenn und Aber zumStandort Hennigsdorf. Wann kommt diese Aussage vonIhnen?
In diesem Zusammenhang muss man feststellen: 2 500wichtige Arbeitsplätze sind betroffen. Etwa 10 000 wei-tere Arbeitsplätze hängen von dem Werk in Hennigsdorfab. Dies betrifft vier weitere Zulieferunternehmen und er-streckt sich bis hin zu den Universitäten in Berlin, demkompetenten Regionalverkehr Berlin-Brandenburg undder großen Messe Innotrans. All diese Bereiche hängendoch davon ab, dass der Hennigsdorfer Standort erhaltenbleibt.An den Menschen und an dem, was dort geleistet wird,liegt es nicht. Zur Frage des Standortvorteils gehört viel-mehr, wie eine verantwortliche Regierung zu dem jewei-ligen Standort steht. Die Probleme in Hennigsdorf sinddoch nicht zuletzt deshalb entstanden. Die Schweiz bei-spielsweise hat klar erklärt: Der ICN, der in Hennigsdorfgebaut werden soll, wird nur dann in Auftrag gegeben,wenn die Werke in der Schweiz erhalten bleiben. Ichnenne das Stichwort „local content“; jeder weiß, worüberwir sprechen. Dort wird so gehandelt.Aber was sagt unsere Bundesregierung? Der wichtigs-te Standortvorteil, den man im Bereich der Bahnindustriehaben kann, ist eine verantwortliche Regierung. Wenn un-sere Regierung hier keine klare und deutliche Position be-zieht und nur die anderen dies tun, dann braucht man sichnicht zu wundern, warum es in Hennigsdorf einen sehrgroßen Standortnachteil gibt, nämlich den, dass wir einesolche Bundesregierung haben.
Zum Schluss möchte ich noch eines sagen: Man stellesich einmal vor, wir hätten eine andere Regierungskoali-tion und Sie wären nicht an der Regierung.
Was würden Sie denn dann sagen, Herr Staffelt und HerrSchmidt, wenn vor dem Hintergrund des großen Pro-blems, dass der Osten Deutschlands in Gefahr steht, nichtmehr mitzukommen, eine solche Situation entstandenwäre? Wenn dann eine solche Tartarennachricht hinzu-kommt, dann muss man doch mit allem Nachdruck sagen:Wenn hier nicht Entscheidendes getan wird und nicht klarFlagge gezeigt wird, dann droht einer der letzten Leucht-türme im Osten Deutschlands auszugehen. Deshalb sageich Ihnen: Ermannen Sie sich! Tun Sie etwas und lassenSie die Menschen nicht allein!
Für die
SPD-Fraktion spricht die Kollegin Dr. Margrit Wetzel.
Herr Präsident! Liebe Kol-leginnen und Kollegen! Die Ängste der Beschäftigten inHennigsdorf sind absolut real und verständlich, weil sie inder Vergangenheit, in den letzten Jahren einen dramati-schen Personalabbau erleben mussten. Viele der Hennigs-dorfer sind von diesen Umstrukturierungen, die sich überJahre hingezogen haben, ganz konkret betroffen gewesen.Dass sie deshalb vor jeder Veränderung, die den Standortbedroht, Angst haben, ist völlig klar.
Wir müssen uns auch fragen, ob es von der „FAZ“ ver-antwortlich war, den diesbezüglichen Bericht zu veröf-fentlichen. Denn alle unsere Recherchen haben keine derdort aufgestellten Behauptungen bestätigt. Insofern mussman an dieser Stelle auch einmal die Verantwortung derMedien hinterfragen,
manchmal auch die Art und Weise der parteipolitischenDiskussion, nämlich ob hier nicht auch ein Stück weit dieÄngste der Betroffenen instrumentalisiert werden. Daswäre absolut unredlich.
– Ich habe das Wort, Herr Fink, und Sie halten jetzt bitteden Mund.
Wir nehmen die Sorgen der Betroffenen absolut ernst.Wir wollen nicht, dass mit ihnen gespielt wird. Deshalb istes außerordentlich beruhigend, dass der Geschäftsführervon Bombardier sofort auf die von den Betroffenen ge-äußerten Sorgen reagiert und bestätigt hat, dass zurzeitkeinerlei Entscheidungen getroffen werden. Ich kann nurdaran erinnern – Herr Kutzmutz,
komisch, dass Sie nicht reden durften; Herr Staffelt, Siewissen es auch –: Wir haben in Montreal mit derGeschäftsführung von Bombardier über den Kauf vonAdtranz diskutiert und die haben uns klargemacht, was siewollen. Sie wollen, dass der Sitz ihrer Europaaktivitätenin Berlin liegt, und zwar deshalb, weil Berlin gerade nachder Osterweiterung – die gucken ja nun wirklich über den
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Ulf Fink17531
Tellerrand hinaus – das Herz Europas ist. Sie wollen diesegeographische Präsenz. Sie wollen die neue Antriebstech-nik nicht mehr kaufen, sondern sie wollen sie hier selbstproduzieren. Sie haben also ein nachdrückliches Interessedaran, den Markt von hier aus zu erobern, Marktanteile zugewinnen. Kostenreduzierungen beabsichtigen sie nicht,sind nicht ihr erstes Ziel gewesen. Das ist uns mehrfachbestätigt worden.Die Zukunft der Schienentechnik liegt in Europa.Wir wissen, dass die Weltauslandsmärkte – Asien, Aus-tralien – hochinteressante Exportmärkte sind, die vonBombardier sehr wohl gesehen werden.Deshalb glaube ich, dass wir uns diese Perspektive an-schauen und vor allem diese Aktuelle Stunde als Chancenutzen sollten, den Kanadiern zu zeigen, wie stark derStandort Hennigsdorf ist. Das wäre ein positives Signal.
Wie engagiert der Betriebsrat ist – die Kanadier sind in derLage, mit Mitarbeitern zusammenzuarbeiten, zusammenzu planen, wie sie uns überzeugend klargemacht haben –,wie motiviert die Belegschaft ist, die zu Recht für ihre In-teressen auf die Straße geht, das, denke ich, wird die Ka-nadier überzeugen. Sie sehen auch die deutliche politischeUnterstützung.
Alle Namen sind komischerweise schon von jeder Par-tei erwähnt worden. Gestatten Sie bitte, dass ich erwähne,dass zurzeit an Ort und Stelle neben Herrn Stolpe die ört-liche Wahlkreisabgeordnete der SPD, Frau Krüger-Leißner, weilt.
– Machen Sie sich doch nicht lustig darüber. Ich denke, esist wichtig, diese politische Überzeugung zu dokumentie-ren, die von Ihnen doch eingefordert worden ist.Die Kanadier können mit ihrer Neuerwerbung zufrie-den sein. Die Umstrukturierung hat mit erheblichen In-vestitionen ein hochmodernes Werk geschaffen. Es gibtdort vollständige Wertschöpfungsketten mit hoher Effek-tivität. Berlin-Brandenburg hat dort ein für die neuenBundesländer außerordentlich wichtiges Kompetenzzen-trum für Schienenverkehrstechnik entwickelt und dieBahnindustrie mit ihren Zulieferern und Dienstleistungenist für die nördlichen neuen Bundesländer unverzichtbar.
Wenn wir uns die Auftragslage bei Adtranz und geradein Hennigsdorf anschauen, dann sehen wir, dass sie fürzwei Jahre komplett ausgelastet sind. Sie arbeiten jetztnoch die Großaufträge der DB ab, die dazu führen, dassdie DB ihre Werkstätten schließt, weil sie Neubauaufträgeplatziert hat. Also auch hier ist die Aufforderung an dieBahn eigentlich überflüssig; denn sie investiert seit Mitteder 90er-Jahre mehr als 17 Milliarden DM für Schienen-fahrzeuge und viele weitere Milliarden sind in der mittel-fristigen Finanzplanung vorgesehen.Bei Konzernen dieser Größenordnung, wie wir sie beiBombardier haben – noch dazu, weil dieses Unternehmenaus dem Flugzeugbau kommt –, müssen wir selbstver-ständlich davon ausgehen, dass bei Neubauaufträgen Ar-beitspakete zwischen Standorten ausgehandelt werden.Es wird in Zukunft nicht mehr so sein – das kennen wiraus dem Flugzeugbau –, dass ein kompletter Auftrag aneinen Standort geht. Verschiedene Standorte in der Bun-desrepublik kann man vielmehr nur halten, wenn man sichauch über Arbeitspakete verständigt. Das wird die Zu-kunft sein. Damit muss man sich abfinden. Aber das istauch eine Perspektive. Es gibt nicht nur die DB als Auf-traggeber, sondern durch die Regionalisierung auch neueNachfrager. Diese neuen Nachfrager müssen eingewor-ben werden.Wir sollten mit dieser Debatte klarstellen, dass Bom-bardier sicher sein kann, in Hennigsdorf einen ganz star-ken Standort mit großer politischer Unterstützung zu ha-ben. Ich hoffe, dass dieses Signal von dieser AktuellenStunde ausgeht.
Die Kolle-
gin Renate Blank spricht nun für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! MeineDamen und Herren! Ich hoffe nicht, dass der Besuch derKollegin Wetzel und des Kollegen Kutzmutz der FirmaBombardier die Freude genommen hat, in Hennigsdorf zuinvestieren. Der Verkehrsminister scheint beim Bundes-kanzler sehr schlechte Karten zu haben; denn wenn ichhöre, Herr Staatssekretär Hilsberg, dass Sie in Hennigs-dorf nur „Viel Glück!“ wünschen und nicht, wie beiPhilipp Holzmann, etwas Geld auf den Tisch legen,
dann kann ich mich nur wundern über diese schlechtenKarten, die der Verkehrsminister hat.
Wir haben für Hennigsdorf Kompetenz aus Nürnbergabgegeben, um Hennigsdorf zu stützen und weiter auszu-bauen. Nürnberg hat das gut verkraftet, weil wir in Bay-ern eine CSU-Regierung haben.
Deswegen ist bei uns in andere Bereiche investiert wor-den, während in Brandenburg vielleicht weniger inves-tiert wird.Kollegen von der PDS: Ihnen sollte der KollegeSchmidt von den Grünen sagen, dass Herr Mehdorn be-absichtigt, 8,5 Milliarden DM in das rollende Material zustecken. Wenn Sie davon gewusst hätten, hätten Sie IhreAktuelle Stunde vielleicht gar nicht beantragt, denn
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2001
Dr. Margrit Wetzel17532
mit diesem Betrag kann im Grunde genommen auchHennigsdorf – unter Umständen auch andere Bereiche derBahnindustrie – ausgelastet werden. Allerdings meintHerr Mehdorn, es sei besser, weniger Ausbesserungs-werke in Deutschland zu haben. Diese Meinung ist ausunserer Sicht falsch, denn es ist ein wichtiges Argument,dass auch neue Fahrzeuge mit längeren Laufzeiten aufihre Sicherheit überprüft werden müssen.Lassen Sie mich einige Anmerkungen zur Schließungder Ausbesserungswerke in Bayern machen. Die betroffe-nen Mitarbeiter und die Politiker sind von dem Beschlussdes Bahnvorstands und von Herrn Mehdorn total über-rascht worden.
– Nein, Herr Kollege Schmidt, in Nürnberg und Münchensind alle von den Schließungen überrascht worden.
Ich höre, es gebe keine Kündigungen, da vereinbartwurde, betriebsbedingte Kündigungen bis zum Jahre 2004auszuschließen. Was machen wir dann zum Beispiel mitden Mitarbeitern, die jünger als 43 Jahre sind, vielleichtdrei Jahre in einer Auffang- oder Transfergesellschaft be-schäftigt worden sind und danach arbeitslos werden? Esist doch Heuchelei, wenn Sie sich zum Thema Arbeits-plätze äußern.Der Stilllegungsbeschluss ist aus meiner Sicht das Pro-dukt rot-grüner Kungelei und eine unerträgliche Benach-teiligung von Bayern und Sachsen. Sollen vielleicht dieCDU- oder CSU-geführten Länder ein bisschen benach-teiligt werden? Liegt eine solche Absicht in Ihrer Politik?
Der Verkehrsminister drängt in seinem Schreiben nurauf Sozialpläne. Ich glaube, er hat darüber hinaus zu die-sem Thema keine Meinung. Im Übrigen wird er zwischenden Stühlen von Schröder und Mehdorn total aufgerieben;wir merken das auch in allen anderen Bereichen.
Die Schließung des Werks in Nürnberg ist ein Skandal,weil über Tausend Arbeitsplätze in Bayern betroffen wer-den. Außerdem geht in Nürnberg – ein alter Eisen-bahnknotenpunkt; zur Erinnerung: erste EisenbahnNürnberg–Fürth 1835; vielleicht haben Sie das schonvergessen – das Know-how verloren. Es sind auch enga-gierte Mitarbeiter betroffen, die nach dem Bahnunglückvon Eschede bei den notwendigen Kontrollen, nicht zu-letzt durch Überstunden, hervorragende Leistungen er-bracht haben.Das Werk Nürnberg ist bis Ende 2002 ausgelastet underwirtschaftet, auch nach Aussagen von Herrn Mehdorn,seine Kosten, sogar ein bisschen mehr. Das sind die Tat-sachen, die meine Aussage untermauern, dass sowohl derBahnchef als auch die Bundesregierung Politik gegen denSüden machen.
Es gibt kein weiteres Ausbesserungswerk mehr im Süden,weder in Bayern noch in Baden-Württemberg und auchnicht in Sachsen, obwohl von Bayern und Baden-Württemberg circa 28 Prozent des bundesdeutschenSchienenpersonennahverkehrs gestellt werden. MerkenSie sich das bitte.Jetzt kommt noch ein kleines Bonmot: Neben denSchließungen gibt es auch eine interessante Erweiterungeines Ausbesserungswerkes. Ausgerechnet in Kassel wirdein Werk erweitert. Wenn man sich vor Augen führt, dassKassel die Heimat des Bundesfinanzministers ist, ist dieseTatsache durchaus interessant.
Ein letztes Wort zur SPD: Warum behandeln Sie in Ih-rer Fraktion die Abgeordneten aus Bayern eigentlich soschlecht? Sie stellen sich hin und sagen, Sie seien überden Beschluss traurig, dass in Bayern Ausbesserungs-werke geschlossen würden. Sie kommen Ihren Kollegenaus Bayern überhaupt nicht entgegen. Ich finde, esist schon ein bisschen beschämend, dass Sie die SPD inBayern im Regen stehen lassen.
Ich wiederhole: Es ist ein strammer Kurs gegen Bayernund Sachsen, der zur Benachteiligung von Bayern undSachsen führt.
Als letzter
Redner dieser Aktuellen Stunde erhält der Kollege
Werner Labsch für die SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Da-men und Herren! Lokomotivbau Hennigsdorf, Schienen-technik Hennigsdorf – nach der Wende eine Geschichte derUngewissheit, aber auch eine Geschichte des High-tech,des weltweit führenden Know-hows. Wir sprechen heutenicht über diese beiden Dinge, aber über den Standort.
Sie können davon ausgehen, dass sich die Bundesregie-rung, vor allem aber die betroffenen Länder Berlin undBrandenburg sehr wohl der Bedeutung und der Tragweitedes bestehenden Problems Hennigsdorf bewusst sind.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2001
Renate Blank17533
Sie sind sich dessen nicht nur bewusst, sondern sind auchaktiv und tun etwas. Ich komme darauf noch zurück.
Eine öffentliche Debatte zu führen, halte ich persönlichnicht immer für ratsam. Was kommt am Ende meistensheraus? Herzliche Ratlosigkeit oder heiße Luft sowie– dies habe ich nicht nur heute, aber heute in besondererWeise festgestellt – hässliche Verleumdungen, Falschdar-stellungen, Panikmache.
Ich will diese Aktuelle Stunde nutzen, um von diesemPult aus der Belegschaft in Hennigsdorf die Solidarität derSPD-Bundestagsfraktion und die Unterstützung bei derSicherung ihrer Arbeitsplätze auszusprechen.
Ich möchte Ihnen kurz die augenblickliche Lage, wieich sie kenne, darlegen.
– Ich komme noch darauf zurück. – Wir haben zurzeit eineunbefriedigende und sorgenvolle Situation. In der Ge-werkschaft ist Kampf angesagt, aber keine Panik. Dieverbreiten Sie hier; dafür sind Sie zuständig.
Bei der Genehmigung durch die Europäische Kom-mission zur Übernahme von Adtranz durch Bombardierhat Bombardier umfangreiche Zusagen abgegeben. Da-runter sind zwei wesentliche Zusagen – damit werdenweniger wir uns, sondern mehr die handelnden Personensich befassen müssen –, nämlich die Veräußerung vonAnteilen aus dem Gesamtgeschäft sowie die Abnah-megarantien für die Zulieferer. Die Zusagen sind ins-besondere gegenüber der Firma Stadler gemacht worden.Sie sind für den Standort Hennigsdorf von großer Bedeu-tung. Betroffen sind die beiden Produktionslinien Regio-shuttle, also die Gelenktriebwagen, und Variotram, diebeide an Stadler gehen. Mit der Abgabe wird wahrschein-lich ein Stück Zukunftstechnologie von Hennigsdorfweggehen. Das bedauern wir sehr.
Bisher hat sich Bombardier nicht zur Zukunft derdeutschen Standorte, also auch nicht zu Hennigsdorfgeäußert. In einem Gespräch mit dem brandenburgischenWirtschaftsminister Dr. Fürniß hat der Präsident vonBombardier Transportation, Herr Lortie, jedoch betont,dass das Werk Hennigsdorf nicht geschlossen werde, weildas dort vorhandene Know-how für das Unternehmenunverzichtbar sei. Recht hat er. An welchen Standortenallerdings und in welchem Umfang die Produktions-kapazitäten aufrechterhalten werden, werde er im zweitenQuartal verkünden.
Das zweite Quartal dauert noch knapp eine Woche. Ausdiesem Grund hat die Belegschaft Recht, wenn sie sichmeldet und diese Entscheidung einklagt. Das ist legitimund richtig. Wenn der Betriebsrat verlangt, dass sie dasgleiche Recht wie Aachen und auch eine Standortgarantiehaben möchten, dann ist das in Ordnung.
Das Unternehmen hat weiterhin mitgeteilt, dass esweltweit unter dem Namen „Bombardier Transportation“agieren werde, und zwar in sieben Geschäftsbereichen mitklar definierter geographischer und produktionsbezo-gener Gliederung. Der Hauptsitz von Bombardier Trans-portation sei nach wie vor Montreal; die Europazentraleallerdings werde in Berlin sein.
– Ich sage das, um Ihren chaotischen Zustand endlich zubeheben. Dass Bombardier Zukunft hat, dafür setzen wiruns ein.
Nun könnten wir wie Sie in Spekulationen verfallen.Ich tue das nicht. Richtig ist, dass sich in erster Linie diebrandenburgische Landesregierung um den Erhalt derArbeitsplätze bemüht. Es ist sichtbar, dass neben dem Mi-nisterpräsidenten Stolpe und Wirtschaftsminister Fürnißauch unsere Kollegin Leisler Kiep – –
– Angelika Krüger-Leißner. Ein Trauma!
Ich gebe
Ihnen eine Minute länger.
Herr Fink, jetzt werde ichkonkret. Ich habe nämlich zwei Funksprüche empfangen:Herr Fink ist überhaupt nicht gesehen worden und HerrEppelmann hat eine traurige Rede gehalten, die nur Wi-derwillen erzeugt hat.
Der Ministerpräsident Brandenburgs hat ein Angebotgemacht. Wenn Sie da gewesen wären, wie Sie behaupten,dann hätten Sie das gehört. Er hat vor 1 000 Mitarbeiterndas Angebot gemacht, dass das Land Brandenburg – es isteigentlich arm genug – zum Erhalt des Standortes und zur
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 178. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 27. Juni 2001
Werner Labsch17534
Fortführung der Produktion an diesem Standort denTestring – –
– Den Testring bezahlen! Das darf doch nicht wahr sein.
Herr Kol-
lege, Sie müssen jetzt aber langsam zum Ende Ihrer Rede
kommen.
Dies, Herr Fink, ist prakti-
zierte Hilfe. Dies ist tätige Solidarität.
Die Entscheidungen allerdings – das wissen auch Sie –
werden letztlich im Unternehmen getroffen. Wir mahnen
mit der Belegschaft die Entscheidungen an, die in diesem
Quartal zu treffen der Präsident von Bombardier sich
selbst verpflichtet hat.
Ich wiederhole, Herr Fink, für Sie: Die Brandenburger
Regierung finanziert den Testring. Das ist eine konkrete
Aussage – wahrscheinlich zu hoch für Sie.
Mit diesem
Beitrag ist die Aktuelle Stunde beendet. Es war fast ein
doppelter Beitrag; aber Sie waren ja durch die Opposition
herausgefordert.
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf morgen, Donnerstag, den 28. Juni, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.