Gesamtes Protokol
Guten
Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist
eröffnet.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, muss eine
Änderung bei der Besetzung des Vermittlungsausschusses
vorgenommen werden. Die Fraktion der CDU/CSU hat
mitgeteilt, dass der Kollege Karl-Josef Laumann als or-
dentliches Mitglied aus dem Vermittlungsausschuss aus-
scheidet und dafür der Kollege Hans Peter Schmitz
wieder eintritt. Sind Sie damit einverstan-
den? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist der Kollege
Hans Peter Schmitz als ordentliches Mit-
glied im Vermittlungsausschuss bestimmt.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen
Kabinettssitzung mitgeteilt: Fünfter Bericht des Ar-
beitsstabes Europäische Wirtschafts- und Währungs-
union: „Die Einführung des Euro in Gesetzgebung
und öffentlicher Verwaltung“.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Bundesminister der Finanzen, Hans Eichel.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Prä-
sident! Meine Damen und Herren! Das Kabinett hat heute
den fünften und letzten Bericht des Arbeitsstabes Europä-
ische Wirtschafts- und Währungsunion zur Kenntnis ge-
nommen. Ich will hier über die Schwerpunkte berichten.
Erstens. In zahlreichen Euro-Einführungsgesetzen hat
der deutsche Gesetzgeber die rechtlichen Rahmenbedin-
gungen für die Einführung des Euro geschaffen. Das deut-
sche Recht wurde für den Euro geöffnet, D-Mark-Beträge
wurden im Wege der Rechtsbereinigung auf den Euro um-
gestellt. Eindeutiges Fazit des Berichts: Die öffentliche
Hand ist gut vorbereitet, der Euro kann kommen.
Mit dem Übergang zum Euro werden die Bürger steu-
erlich entlastet. Wir können natürlich nicht alles nach un-
ten abrunden, sonst haben wir Ausfälle in Milliardenhöhe.
Insgesamt haben wir Ausfälle – darauf hat sich der Ge-
setzgeber verständigt – von 358 Millionen DM. Ein Bei-
spiel für die Glättung nach unten ist der Arbeitnehmer-
pauschbetrag. Hier kommt es zu einem Steuerausfall von
210 Millionen DM. Ein anderes Beispiel sind die
Verpflegungsmehraufwendungen. Hier betragen die Ent-
lastungen 75Millionen DM. Auch bei den Aufwendungen
für das häusliche Arbeitszimmer oder beim Sparerfreibe-
trag kommt es zu einer Steuerentlastung von jeweils
10 Millionen DM.
Zweitens. Ich bin überzeugt: Wenn sich der Handel bei
der Umstellung genauso verhält, dann wird dies ein guter
Beitrag dazu sein, dass der Euro akzeptiert wird. Die im
Hauptverband des Deutschen Einzelhandels zusammen-
geschlossenen Unternehmen erkennen ausdrücklich an,
dass Preistransparenz und Preisstabilität Schlüsselfakto-
ren für den erfolgreichen Übergang zum Euro darstellen.
Sie betonen zu Recht, dass die Preise im Zusammenhang
mit der Euro-Umstellung korrekt umgerechnet und nicht
erhöht werden sollen. Die Selbstverpflichtung des Einzel-
handels zur doppelten Preisauszeichnung gibt den Kon-
sumenten bereits jetzt die Gelegenheit, einen Eindruck
von den neuen Euro-Preisen zu gewinnen und damit die
neuen Euro-Preise mit den bisherigen D-Mark-Preisen
vergleichen zu können.
Mit dem Euro kann der Verbraucher Angebote – auch
über das Internet – europaweit vergleichen. Es gilt: Mehr
Transparenz und ein hohes Preisbewusstsein werden den
Wettbewerb stärken und damit für insgesamt stabile
Preise sorgen; denn dann werden wir nur noch eine ein-
zige Währung haben. Das macht es wesentlich leichter.
Verkaufspsychologische Überlegungen in Verbindung
mit einem harten Wettbewerb sprechen jedenfalls bei Din-
gen des täglichen Bedarfs sogar eher für Preisanpassun-
gen nach unten. Es kann also durchaus sein, dass bei wich-
tigen Signal- und Schwellenpreisen nicht centgenau
umgerechnet wird. Ein Beispiel: Alles, was im Super-
markt 1,99 DM kostet, entspräche nach einer genauen
Umrechnung 1,02 Euro. Es spricht einiges dafür, dass es
nicht zu einer solchen Festsetzung kommt, sondern der
Preis eher auf 99 Cent festgelegt wird.
17179
175. Sitzung
Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 2001
Beginn: 13.00 Uhr
Aber es wird andere Dinge geben, Herr Kollege
Koppelin, bei denen man sehr genau wird hingucken müs-
sen. Bei größeren Anschaffungen, die man einmalig tätigt,
ist davon auszugehen, dass es eher eine andere Tendenz
geben wird. Da müssen die Verbraucher dann sehr genau
hinschauen. Jedenfalls hat der Verbraucher alle Möglich-
keiten, sich gegen rein umrechnungsbedingte Preis-
erhöhungen zu schützen und die Vorteile der neuen
Währung zu nutzen. Als Steuerzahler wird er – ich wie-
derhole: 358 Millionen DM Steuerausfall im Jahr – auf
jeden Fall von der neuen Währung profitieren.
Drittens. Auch die Einführung des Euro-Bargeldes
liegt voll im Plan. Das gilt sowohl für die Banknoten als
auch für die von den Regierungen – in diesem Falle vom
Bundesfinanzministerium – zu verantwortenden Münzen.
Ab diesem Monat können die Kreditinstitute das notwen-
dige Euro-Bargeld ordern. Die Auslieferung erfolgt dann
ab September. Ab dem 17. Dezember dieses Jahres kann
jedermann Münzhaushaltsmischungen, „Starterkits“, bei
den Kreditinstituten erwerben. Es handelt sich dabei um
Beutel mit 20 Euro-Münzen im Gegenwert von 20 DM
oder 10,23 Euro. Ab dem 1. Januar 2002 ist der Euro dann
gesetzliches Zahlungsmittel in Deutschland und in den elf
anderen Ländern des Euro-Währungsgebietes. Um den
anfänglichen Umtauschbedarf möglichst gering zu halten,
werden die Bargeldautomaten mit kleinen Banknoten-
werten bestückt. Ich bin zuversichtlich, dass sich der Bar-
geldumlauf innerhalb weniger Tage vollständig normali-
siert haben wird.
Aber keiner muss sofort und ausschließlich in Euro
zahlen. Der Handel und die Kreditwirtschaft haben sich
verpflichtet, bis Ende Februar 2002 D-Mark-Bargeld an-
zunehmen. Dies soll auch genutzt werden, um den Ein-
zahlungs- und Umtauschbedarf bei den Kreditinstituten
zu reduzieren. Im Übrigen könnte jemand, der sehr viel
Bargeld zu Hause liegen hat, es besser bereits jetzt oder
irgendwann im Herbst auf sein Konto einzahlen. Dann
wird es automatisch umgestellt.
Mit dem Euro erhält die europäische Integration ein für
jedermann im wörtlichen Sinn erfassbares, einheitliches
Symbol. Ich bin überzeugt: Von der einheitlichen
Währung werden eindeutig positive Impulse ausgehen.
So viel als Einführungsbericht meinerseits zu diesem
Bericht, den heute das Kabinett zur Kenntnis genommen
hat.
Vielen
Dank, Herr Bundesminister.
Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu
stellen, der eben angesprochen worden ist. – Als erster hat
der Kollege Hans Michelbach von der CDU/CSU-Frak-
tion das Wort.
Herr Präsident! Sehr
geehrter Herr Bundesfinanzminister! Wir haben heute auf
der Titelseite der „FAZ“ die Meldung:
Nur stabiles Geld ist gutes Geld. Geld kann seine
Funktion, als allgemein akzeptiertes Tauschmedium
den Handel zu erleichtern, nicht erfüllen, wenn die
Bürger dem Wertversprechen ihrer Währung nicht
trauen. Vertrauen aber wächst langsam.
Bei Umfragen unter den Bürgern und der Wirtschaft
hat sich durch die Inflationsrate und den Wachstumsein-
bruch im Ergebnis ein Verlust an Vertrauen in den Euro
ergeben. Durch die fehlenden strukturellen Reformen ha-
ben wir eine Euro-Schwäche. Die Europäische Zentral-
bank handelt intransparent; die Frage nach der Stabilitäts-
verpflichtung stellt sich.
Was gedenken Sie gegen den zunehmenden Verlust an
Vertrauen in den Euro bei der Bevölkerung und der Wirt-
schaft zu tun? Was wird gegen die anhaltende Euro-
Schwäche, die steigende Inflationsrate, das Abschwächen
der Konjunktur getan? Bedarf es nicht struktureller Ver-
änderungen, um den Euro nachhaltig zu stärken? Müssen
nicht Wettbewerbshemmnisse aufgehoben und die Ar-
beitsmärkte stärker flexibilisiert werden? Ist dies nicht
dringend erforderlich, um die Produktivität und das
Wachstumstempo wieder deutlich zu steigern?
Bitte
schön, Herr Bundesminister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Prä-sident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich esrichtig verstanden habe, gäbe das, was Sie soeben in eineBandwurmfrage gekleidet haben, die Grundlage für einemehrstündige Debatte.Weil wir über die Einführung des Euro-Bargeldes re-den – den Euro haben wir ja bereits –, will ich zunächstnur auf ein paar Dinge hinweisen:Erstens. Das Wachstum in der Euro-Zone ist, wenn essich auch zurzeit außerordentlich abflacht – das ist garkeine Frage –, in den letzten drei Jahren deutlich höher ge-wesen als in den Jahren zuvor. Seit wir den Euro haben,haben wir in der Euro-Zone ein höheres Wachstum als imDurchschnitt der 90er-Jahre.Zweitens. Die Inflationsrate in der Euro-Zone ist nied-riger. Seit der Einführung des Euro lag sie durchschnitt-lich bei 1,9 Prozent. Es ist zwar richtig, dass sie im Mo-ment ein Stück gestiegen ist. Aber von 1970 bis 1999, alsoin Zeiten der D-Mark, betrug die durchschnittliche Infla-tionsrate 3,3 Prozent. Das bedeutet, dass die gegenwärtigeInflationsrate zwar nicht erfreulich ist, sich aber im Rah-men dessen bewegt, was von 1970 bis 1999 üblich war.
– Richtig, das war Helmut Schmidt. In dem 30-jährigenZeitraum, den ich eben angesprochen habe, haben Sie16 Jahre regiert.
– Wenn ich mir das Außenverhältnis der D-Mark an-schaue – das ist ganz spannend; ich weiß, dass Sie dasnicht gerne hören –, dann stelle ich fest, dass der Wert derD-Mark gegenüber 1 Dollar zwischen 3,47 DM – das war1985 – und 1,36 DM schwankte. Gegenwärtig beträgt der
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 2001
Bundesminister Hans Eichel17180
Wert 1 Dollars 2,25 DM. Ich weise darauf hin, dass derEuro nicht besonders, jedenfalls nicht negativ von demabweicht, was in den Zeiten der D-Mark üblich war. ImGegenteil: In den letzten drei Jahren gab es eher positiveAbweichungen.Alle Beteiligten, auch die Europäische Zentralbank,gehen davon aus, dass die gegenwärtige hohe Infla-tionsrate zwei Sonderentwicklungen geschuldet ist.Erstens. Der hohe Ölpreis macht sich erst jetzt bemerkbar,weil die Heizkostenabrechnungen, die überwiegend imApril gekommen sind, nun den großen Teil der Verbrau-cher erreicht haben. Zweitens. Der Gaspreis steigt auf-grund der vertraglichen Bindung an den Heizölpreis miteinem halben Jahr Verspätung an. Des Weiteren sind dieNahrungsmittelpreise als Folge von BSE- und Maul- undKlauenseuchenkrise kurzfristig angestiegen. Die Verbrau-cher sind auf andere Produkte als Rindfleisch ausgewi-chen, was die Preise steigen ließ. Aber der Höhepunkt istbereits überschritten und die Preisentwicklung ist rück-läufig.Auf die Frage, wie die Einführung des Euro-Bargeldesim nächsten Jahr gestaltet werden soll und wie Vertrauenin den Euro geschaffen werden kann, antworte ich, dasskeine negativen, sondern eher positive Abweichungenseit der Einführung des Euro am 1. Januar 1999 im Ver-gleich zu den Zeiten der D-Mark zu verzeichnen sind. Eswäre gut – da der Euro von einer Regierung eingeführtworden ist, die Sie gestellt haben; wir haben das ja nichtkritisiert, sondern, wie Sie wissen, dem zugestimmt –,wenn sich alle in der Verantwortung fühlten und sich fürdie Akzeptanz der gemeinsamen europäischen Währungeinsetzten.Ich möchte Ihnen noch einen schlichten Grundsatz sa-gen. Manches in der Debatte ist ein bisschen merkwürdig.Wir haben im 19. Jahrhundert eine ähnliche Entwicklungerlebt, als die deutsche Kleinstaaterei aufgegeben wurdeund die deutsche Einheit mit einer gemeinsamenWährung hergestellt wurde. Nichts anderes erleben wiram Anfang des 21. Jahrhunderts in Europa. Deswegenrate ich dazu, die künftigen Herausforderungen vor demHintergrund dieser historischen Entwicklung anzugehenund das, was ökonomisch vernünftig ist, auch umzu-setzen.
Möchten
Sie eine weitere Frage stellen, Herr Michelbach? – Bitte
schön.
Herr Bundesminis-
ter, hinkt Ihr Vergleich mit den 90er-Jahren nicht sehr und
ist die damalige Situation mit der derzeitigen schwierigen
wirtschaftlichen Situation, in der sich die Preisstei-
gerungsraten nach oben entwickeln, überhaupt ver-
gleichbar? Es ist zwar richtig, dass das Wachstum in den
90er-Jahren niedriger war. Aber damals herrschte
gewissermaßen Preisstabilität; denn die Inflationsrate lag
bei nur 0,6 Prozent. Bestand damals nicht tiefes Vertrauen
in die D-Mark? Muss nicht zunächst das Vertrauen der
Bevölkerung und der Wirtschaft in den Euro gestärkt wer-
den? Gehen Sie in der Stabilitätsfrage im Hinblick auf die
Vorbildfunktion nicht zu offensiv vor, wenn Sie den Son-
derausgabenpauschbetrag im Steuer-Euroglättungsgesetz
von 108 DM auf letztlich 70,41 DM kürzen, wodurch die
Arbeitnehmer mit 115 Millionen DM belastet werden?
Das heißt, in diesem Punkt haben Sie nicht das Vertrau-
enssignal gesetzt, das Sie vom Handel gerade heute ein-
gefordert haben. Wie wollen Sie insgesamt Vertrauen
schaffen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr
Michelbach, es tut mir Leid, Sie fragen zu müssen, ob Sie
nicht gehört haben, was ich vorgetragen habe.
Übrigens: Da Sie an der Gesetzgebung mitgewirkt haben,
konnten auch Sie Änderungsanträge stellen.
Der Übergang zum Euro bedeutet für Bund, Länder
und Gemeinden Steuereinnahmeausfälle in Höhe von
358 Millionen DM. Mir ist nicht bekannt, dass jemand
mehr beantragt hat. Ich darf insbesondere darauf hinwei-
sen, dass die Länder nicht bereit gewesen sind, höhere
Einnahmeausfälle in Kauf zu nehmen. Wir haben den
Übergang für den Staat nicht aufkommensneutral gestal-
tet. Wenn wir nur nach unten abgerundet hätten, dann
hätte das für den Staat Einnahmeausfälle in Höhe von
mehreren Milliarden DM bedeutet. Das hätte in der Tat
kein öffentlicher Haushalt verkraften können und kein
Land wollte das.
Bei der Umrechnung haben wir Einnahmeausfälle in
Höhe von 358 Millionen DM ausdrücklich in Kauf ge-
nommen. Wenn sich der Handel so verhalten würde, wie
sich der Staat verhalten hat, dann wäre das insgesamt ein
Geschäft zugunsten der Verbraucher und der Steuerzahler.
Im Einzelfall geht es an der einen Stelle ein Stück herauf
und an einer anderen Stelle ein Stück herunter. Unbe-
streitbar ist aber, dass die Bürger im Ergebnis 358 Milli-
onen DM weniger zahlen.
Nächster
Fragesteller ist der Kollege Jochen-Konrad Fromme von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Minis-ter, aus Ihrer Antwort schließe ich, dass Sie in der augen-blicklichen Situation keine vertrauensbildenden Maßnah-men für erforderlich halten. Meinen Sie nicht, dass Siediese Haltung überdenken müssen? Denn der Bürgerdenkt nicht in Zehnjahresabschnitten; vielmehr richtetsich sein Empfinden auf die Gegenwart. Erst jetzt, da derEuro sozusagen physisch greifbar wird, befasst sich derBürger mit diesem Thema. Gerade jetzt ist der Wechsel-kurs extrem niedrig und die Inflationsrate relativ hoch.Der Wirtschaftsminister hat gestern von „Nullwachstum“gesprochen. Man kann also nicht von einer langfristigdurchschnittlich guten Wachstumsrate ausgehen. GlaubenSie nicht, dass vor diesem aktuellen Hintergrund eine Än-derung Ihres Vorgehens notwendig ist?
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 2001
Bundesminister Hans Eichel17181
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir ha-
ben all das, was Sie einfordern, getan. Wir haben zum
1. Januar dieses Jahres eine Steuerreform in Kraft gesetzt,
die Einnahmeausfälle in Höhe von 45 Milliarden DM mit
sich bringt. Sie wissen ganz genau, dass kein Land wei-
tere Einnahmeausfälle verkraften kann. Diese Steuerre-
form erstreckt sich auf zwei Wahlperioden und beinhaltet
drei Steuersenkungsstufen. An dieser Stelle hat der Staat
also alles getan, was er überhaupt tun konnte.
Eine wesentliche Voraussetzung für Preisstabilität in
diesem Land ist darüber hinaus, dass der Staat seinen
Konsolidierungskurs konsequent fortführt, um – das ist
der andere Teil dessen, was wir tun – aus der Schulden-
falle herauszukommen. Die vorliegenden Daten – zu Ih-
rer Regierungszeit gab es wesentlich schlechtere – sind
nicht negativ. Aber es ist in der Tat so, dass das Wirt-
schaftswachstum dieses Jahres deutlich schwächer als das
des vorigen Jahres ist. Das ist unbestreitbar.
Eine wei-
tere Frage des Kollegen Fromme.
Herr Minis-
ter, ich sage noch einmal: Es kommt nicht darauf an, was
im langfristigen Durchschnitt in der Vergangenheit ge-
schehen ist; vielmehr geht es um die jetzige Situation. Hat
die Bundesregierung im Hinblick auf das, was für den
Bürger besonders wichtig ist, zum Beispiel die Entfer-
nungspauschale, vorgesehen, eine Rundung zugunsten
des Bürgers vorzunehmen? Durch die Ökosteuer und
durch die gestiegenen Benzinpreise gibt es gerade an die-
ser Stelle besondere Probleme. Hier zugunsten des Bür-
gers zu runden hätte im besonderen Maße eine vertrau-
ensbildende Maßnahme sein können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Mir ist
nicht bekannt, dass Sie einen entsprechenden Antrag ein-
gebracht haben. Die Einnahmeausfälle, die durch ein sol-
ches Vorgehen zusätzlich entstanden wären, hätte, wenn
ich es richtig sehe, keiner in Kauf nehmen wollen.
Außerdem weise ich darauf hin, dass wir mit Wirkung
ab 1. Januar 2001 die Entfernungspauschale erhöht haben.
Darüber hinaus gewähren wir aufgrund der überpropor-
tional gestiegenen Heizölkosten – Ökosteuer ist in diesem
Bereich nicht zu zahlen – einkommensschwächeren
Haushalten eine Pauschale.
Herr Minis-
ter, Sie fragen immer wieder nach Anträgen der Opposi-
tion. Haben Sie nicht das Gefühl, dass die Regierung aus
eigenem Antrieb an denjenigen Stellen tätig werden muss,
wo es den Bürger besonders kneift?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das hat
die Regierung ja getan. Sie hat die Entfernungspauschale
zum 1. Januar 2001 erhöht.
Wir kom-
men zur Frage der Kollegin Ursula Heinen.
Herr Minister, wir alle
hier sind uns sicherlich darüber einig, dass die Euro-Bar-
geldeinführung zum 1. Januar 2002 möglichst bürger-
freundlich erfolgen soll. Das heißt, dass es für die Bürge-
rinnen und Bürger einfach sein soll, ihre D-Mark in Euro
umzutauschen.
Sie erwähnten ja im Zusammenhang mit dem Handel
bereits die doppelte Preisauszeichnung und den Versuch,
auf glatte Beträge zu kommen. Wissen Sie denn, wie es
zurzeit in den Kommunen aussieht? Wie weit sind die
Kommunen mit den Vorarbeiten zur Euro-Einführung?
Wie weit sind sie mit der Umrüstung ihrer Automaten und
Ähnlichem, zum Beispiel bei den öffentlichen Verkehrs-
betrieben? Sind dort im Zuge der Umstellung auf den
Euro Preiserhöhungstendenzen zu erwarten?
Darüber hinaus würde mich interessieren, wie Sie die
Tatsache beurteilen, dass die Bürgerinnen und Bürger vor
der Euro-Umstellung nur sehr wenig Zeit haben werden,
Euro-Beträge am Geldautomaten abzuheben. Es wird
wohl geplant, einen Teil der Geldautomaten schon vor der
Nacht des Jahreswechsels umzustellen. Auf diese Weise
könnte es im Vorfeld schwierig werden, entweder an
D-Mark oder an Euro zu kommen, weil das Netz der
Geldautomaten nicht in vollem Umfang zur Verfügung
steht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Be-
richt, den ich gegeben habe, schließt die Kommunen aus-
drücklich ein. Über die Preisgestaltung bei Verkehrsbe-
trieben oder Versorgungsbetrieben der Kommunen kann
ich keine Aussage machen – ich habe eine Feststellung für
den Bund getroffen –, weil das nicht Gegenstand der Be-
ratung der Arbeitsgruppe ist. Ich kann aber nur appellie-
ren, das zu tun, was der Bundesgesetzgeber bei der
Steuergesetzgebung gemacht hat und wozu sich auch der
Einzelhandel in einer Selbstverpflichtung ausdrücklich
bekannt hat.
Zu Ihrer Frage hinsichtlich der Geldautomaten: Es
kann sein, dass es in der Nacht des Jahreswechsels bzw.
zwei Tage vor oder nach diesem Zeitpunkt da und dort ein
Versorgungsproblem gibt. Aber nach wenigen Tagen wer-
den wir den vollen Geldumlauf haben; das ist gesichert.
Es war der ausdrückliche Wunsch des Handels, den Zeit-
punkt der Bargeldeinführung nicht vorzuziehen, um es im
Weihnachtsgeschäft nicht zu einer chaotischen Situation
kommen zu lassen. Deswegen halte ich übrigens auch
nichts von den wiederholten Vorstößen seitens des Euro-
päischen Parlaments, den Zeitplan infrage zu stellen. Das
macht überhaupt keinen Sinn.
Als
Nächster hat der Kollege Jürgen Koppelin von der F.D.P.-
Fraktion eine Frage.
Herr Minister, Sie habendie Empfehlung ausgesprochen, größere Bargeldbeträge,die man zu Hause hat, zu einem bestimmten Zeitpunktumzutauschen. Gibt es Schätzungen der Bundesregie-rung, wie hoch die Bargeldbeträge von Privatpersonen in
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 200117182
Deutschland sind und wie hoch die Summe der DM-Bar-beträge, die im Ausland vorhanden sind, ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich muss
Ihnen zugeben, dass mir dazu im Augenblick die entspre-
chenden Zahlen fehlen. Ich müsste Ihnen diese Frage
schriftlich beantworten.
Einverstanden. – Jetzt
komme ich auf einen Punkt, der nicht ganz unwichtig
ist: Nehmen wir an, jemand hat im Laufe vieler Jahre
30 000 DM angespart, die er zu Hause verwahrt. Ich halte
so etwas zwar nicht für richtig, weil ich es für besser halte,
das Geld zur Bank zu geben, aber man liest immer wie-
der, dass es solche Fälle gibt. Wie ist der konkrete Ablauf,
wenn der Betroffene mit seinem Geld zur Bank kommt
und nicht nachweisen kann, woher er es hat? Es könnte
sich dabei um eine Oma handeln, die das Geld in ihrem
Sparstrumpf hatte. Wie geht die Bank mit einem solchen
Fall um?
In diesem Zusammenhang muss ich auch das Thema
DM-Schwarzgeld, das im Ausland liegt, ansprechen. Ha-
ben Sie Überlegungen angestellt, dem Personenkreis, der
solche Bestände hat, zum Beispiel bei einer Selbstan-
zeige, auf irgendeine Weise entgegenzukommen, um auf
diesem Wege nachträglich Einnahmen realisieren zu kön-
nen? Welche Möglichkeiten sehen Sie als Finanzminister
bei diesem Problem?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir ha-
ben das Geldwäschegesetz, das bei Bareinzahlungen von
mehr als 30 000 DM eine Identifizierungspflicht vor-
schreibt. Wenn es sich um Omas Bargeld handelt, wird
kein Problem auftreten; ich denke, ein derart seltener Fall
wird ohne Schwierigkeiten zu regeln sein. Wenn es sich
nicht um Omas Bargeld handelt, könnte ein Problem auf-
treten. Ich vermute, dass es deswegen, ebenso wie auch in
der Vergangenheit, viele Versuche geben wird, um dieses
Problem herumzukommen. Die gesetzlichen Regelungen
werden aber deswegen nicht verändert. Das heißt: Wir ge-
hen natürlich gegen Geldwäsche vor und es gibt anläss-
lich der Währungsumstellung keine Amnestie. Einen sol-
chen Weg würde ich für das Rechtsempfinden als extrem
schädlich ansehen.
– Nein, auch dafür nicht. Aber es gibt eine Möglichkeit:
Das Steuerrecht sieht – Sie wissen das – bei Selbstanzeige
Straffreiheit vor. Dies hat nur die unangenehme Konse-
quenz, dass man nicht nur ab diesem Zeitpunkt Steuern
zahlen muss, sondern auch die in der Vergangenheit nicht
entrichteten Steuern nachentrichten muss.
Ich sehe aber nicht, wie man davon jemanden ausneh-
men kann. Wenn Sie es versuchten – das ist ja das ei-
gentliche Thema, nicht die Amnestie –, setzten Sie eine
Prämie auf lange, erfolgreiche Steuerhinterziehung aus.
Jeder kann sich vorstellen, was dies für das Rechtsbe-
wusstsein der Steuer zahlenden Bürgerinnen und Bürger
bedeutete. Daher sage ich: Diese Menschen müssen mit
dem Risiko leben, entdeckt zu werden. Wir verschärfen
international den Kampf gegen die Geldwäsche durch die
Zusammenarbeit der Staaten in der OECD ganz massiv.
Ich hoffe, dass wir dabei einen ordentlichen Schritt vor-
ankommen.
Eine wei-
tere Frage, Herr Kollege?
Ja, bitte. – Können Sie
mich noch darüber aufklären, ob ich die Herkunft des Gel-
des auch dann nachweisen muss, wenn ich im Ausland
– etwa bei einer Bank in Dänemark – 30 000 DM ein-
zahle?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es
kommt darauf an, wie die Richtlinien gegen die Geldwä-
sche dort aussehen. Im Prinzip dürften die Regelungen
dort aber ähnlich scharf wie bei uns sein.
Der
nächste Fragesteller ist der Kollege Bernd Protzner von
der CDU/CSU.
Herr Bundesminis-
ter, Sie haben mit großer Selbstsicherheit erklärt, dass Sie
bei der Euro-Bargeldeinführung im Plan lägen. Derzeit
haben wir aber – darauf haben die Kollegen schon hinge-
wiesen – sehr hohe Inflationsraten, also eine beträchtliche
Entwertung des Euro. Liegen Sie auch hier in Ihrem Plan?
Immerhin sind Sie so selbstverständlich und kurz darüber
hinweggegangen. Spekulieren Sie gar auf heimliche
Steuererhöhungen, indem durch eine hohe Inflationsrate
die Bemessungsgrundlage für Ihre Steuerschöpfung ver-
breitert wird? Wollen Sie schließlich zur Kenntnis neh-
men, dass Sie zu den hohen Inflationsraten vor allem
durch administrative Preise beigetragen haben, nämlich
durch Ihre Steuererhöhungen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist ja
nicht richtig. Wir haben eine Steuersenkung massiver Art.
Ich akzeptiere Ihr Argument, dass wir im Zusammenhang
mit der Ökosteuer eine Steuererhöhung hatten; sie macht
5 Milliarden DM aus. Die Steuerentlastung über die Steu-
erreform zum 1. Januar dieses Jahres macht aber 45 Mil-
liarden DM aus. Im Übrigen werden die 5Milliarden DM,
die über die Ökosteuer hereinkommen, über die Senkung
der Lohnnebenkosten, der Rentenversicherungsbeiträge,
vollständig zurückgegeben, sodass sich aus dieser Opera-
tion per saldo keine Belastung für die Gesamtheit der
Bürgerinnen und Bürger – natürlich gibt es Umschichtun-
gen – ergibt und mit der Steuerreform eine massive Ent-
lastung der privaten Haushalte wie der Unternehmen er-
folgt. So sieht der Sachverhalt aus, mit dem wir es zu tun
haben.
Eine wei-tere Frage, Kollege Protzner.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 2001
Jürgen Koppelin17183
Herr Bundesminis-
ter, als Leser der von Ihnen monatlich veröffentlichten
Kassenberichte kann ich nicht feststellen, dass eine Steu-
erentlastung in dem von Ihnen vorhergesagten Umfange
eingetreten ist. Sie ist wesentlich geringer und bewegt
sich allenfalls im einstelligen Milliardenbereich. Es tut
mir Leid, Ihre Kassenzahlen weisen das Gegenteil dessen
aus, was Sie sagen. Sind Sie bereit, zuzugeben, dass Ihre
Steuerentlastung hoch- und schöngerechnet ist?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Alles,
was Sie sagen, ist falsch. Die Steuerreform hat sich in den
ersten Monaten noch nicht so ausgewirkt. Im April und
– wachsend – im Mai liegen wir deutlich unter den Steuer-
einnahmen des vergangenen Jahres. Im Moment sind wir
genau in den Planzahlen. Sie müssen sehen, dass das Steu-
eraufkommen von einem höheren Bruttoinlandsprodukt
kommt.
Was das Thema „heimliche Steuererhöhungen“ angeht,
sage ich Ihnen: Wir haben jetzt zum ersten Mal eine Si-
tuation, in der im Laufe von sieben Jahren, nämlich von
1998, als wir Ihr Steuerrecht vorgefunden hatten, bis
2005, die Lohnsteuerbelastung der Bevölkerung deutlich
zurückgeht. Das heißt, dass die heimliche Steuererhöhung
und die kalte Progression, die wir mehr als 50 Jahre ge-
habt haben – davon haben Sie 35 Jahre lang den Bundes-
finanzminister gestellt –, in diesen sieben Jahren und da-
rüber hinaus nicht wirksam werden, weil wir die Lohn-
und Einkommensteuer so massiv gesenkt haben, wie es
vorher nie der Fall gewesen ist.
Nächste
Frage, Kollege Hans Michelbach.
Herr Bundesminis-
ter, zeigt nicht der Konjunktureinbruch in aller Deutlich-
keit, dass Ihre Steuerreform verpufft ist, was im Übrigen
darauf hindeutet, dass die Euro-Schwäche zum Teil haus-
gemacht ist? Warum wollen Sie nicht angesichts der Tat-
sache, dass die reale Kaufkraft von Löhnen, Gehältern
und Sparguthaben durch die hohe Inflationsrate sinkt, die
Steuerreformstufen 2003 und 2005 vorziehen und so für
eine bessere konjunkturelle Entwicklung sorgen? Können
Sie die aus der Inflation resultierenden Mehreinnahmen,
also die heimlichen Steuererhöhungen, nicht dafür ver-
wenden?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich ver-
füge über keine Steuermehreinnahmen. Vielmehr habe
ich im Mai gegenüber dem Vorjahr Steuermindereinnah-
men von etwa 10 Prozent gehabt. Wir liegen bei den Ein-
nahmen genau innerhalb der Schätzung – hoffentlich
bleibt es dabei –, die wir der Steuerreform zugrunde ge-
legt haben.
Im Übrigen, Herr Kollege Michelbach, rate ich Ihnen,
sich einmal bei Ihrem bayerischen Parteifreund und dor-
tigen Finanzminister zu erkundigen, ob er denn ein Vor-
ziehen der Steuerreformstufen, die für die Jahre 2003 oder
2005 vorgesehen sind, mit seinem Etat vereinbaren kann.
Ich weiß nur, dass der bayerische Ministerpräsident bei
mir über die Finanzlage des Freistaats Bayern sehr ge-
klagt hat.
Das drückt sich übrigens auch in den wesentlich gerin-
geren Einzahlungen Bayerns in den Länderfinanzaus-
gleich aus. Ich glaube nicht, dass Sie in Deutschland ein
einziges Bundesland finden werden, das einem solchen
Antrag zustimmen würde. Nebenbei gesagt, kann es auch
der Bundeshaushalt nicht verkraften.
Im Übrigen können Sie über den öffentlichen Haushalt
keine Konjunktursteuerung betreiben. Das ist in der Zeit
der offenen Märkte nicht mehr möglich. Das konnte
in den 60er- und vielleicht noch in den 70er-Jahren ge-
lingen.
Wer ein schönes Beispiel dafür haben will, was pas-
siert, wenn der Staat versucht, Konjunktursteuerung – so-
gar mit umfangreichen Programmen – vorzunehmen, der
sollte nach Japan sehen, wo das nun seit fünf oder sechs
Jahren mit riesigen Summen versucht wird. Der Erfolg ist:
Japan ist in der Rezession; seine Staatsverschuldung ist
zweieinhalbmal so hoch wie bei uns. Es hat keinen Sinn,
mit Rezepten, die vielleicht vor Jahrzehnten funktioniert
haben, heute noch Politik machen zu wollen.
Letzte
Frage, Kollege Jochen-Konrad Fromme.
Herr Minis-
ter, Sie haben eben gesagt, die Mehreinnahmen der Öko-
steuer würden vollständig zur Absenkung der Renten-
beiträge eingesetzt werden. Sie erzeugen damit den
Eindruck, dass das eins zu eins erfolge. Können Sie mir
vor diesem Hintergrund erklären, warum der Rentenbei-
trag nur um 0,1 Prozent gesenkt wird, obwohl die 8 Mil-
liarden DM doch für wesentlich mehr ausreichen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Erstenssind es nicht 8 Milliarden DM, sondern 5 Milliarden DM.Zweitens haben wir auch die Situation, dass wegendes Alterungsprozesses die Kosten ständig steigen. Siehaben übrigens – wenn ich Sie diesbezüglich an die Ge-schichte Ihrer eigenen Regierung erinnern darf – 16 Mil-liarden DM Einnahmen aus der Mehrwertsteuer in dieRentenversicherung gepumpt; Sie haben – mit unsererZustimmung – 1998 die Mehrwertsteuer um einen ganzenProzentpunkt erhöht. Sie haben damit bei der Rentenver-sicherung nichts abgesenkt, sondern gerade einmal er-reicht, dass der Rentenversicherungsbeitrag stabil bei20,3 Prozent blieb. Weil dies hier dieselbe Geschichte ist,rate ich Ihnen, diese Debatte nicht in der Form weiter-zuführen. Der Unterschied besteht nur darin, dass Sie dieRentenversicherung aus der Mehrwertsteuer, also auseiner allgemeinen Verbrauchsteuer, bedient haben und wirsie aus der Mineralöl- und Stromsteuer bedienen, dasheißt aus einer speziellen Verbrauchsteuer. Über diesen
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 200117184
Unterschied können Sie trefflich streiten; dagegen habeich nichts. Darauf reduziert sich der Unterschied, mit demwir es zu tun haben.
– Der Bürger bekommt das vollständig zurück, dennanderenfalls müssten wir eine Erhöhung des Rentenver-sicherungsbeitrags um 0,2 oder 0,3 Punkte zusätzlichmachen.
Vielen
Dank. – Ich beende nun die Befragung zum Themenbe-
reich der heutigen Kabinettssitzung. Gibt es noch Fragen
zu anderen Themen? – Das ist nicht der Fall. Dann beende
ich die Befragung der Bundesregierung. Ich bedanke
mich bei Ihnen, Herr Bundesminister Eichel.
Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksache 14/6272 –
Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Justiz. Zur Beantwortung steht der Par-
lamentarische Staatssekretär Professor Dr. Eckhart Pick
zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 1 des Abgeordneten Andreas
Schmidt von der CDU/CSU-Fraktion:
Kann die Bundesregierung Vermutungen bestätigen, dass
SPD-Parteispenden der Bundesministerin der Justiz, Professor
Dr. Herta Däubler-Gmelin, über circa 63 000 DM und
104 000 DM , aus ihrem Verdienst als
Anwältin der Berliner Kanzlei Knauthe, Riebschläger herrühren,
und steht dieser Verdienst im Zusammenhang mit einem Honorar
dieser Kanzlei in Höhe von rund 890 000 DM für ein Treuhän-
dermandat für den sanierungsbedürftigen Aubis-Konzern und eine
Herr Professor Pick, bitte schön.
D
Herr Kollege, die Frage ist mit Nein
zu beantworten. Die Bundesregierung kann Ihre Vermu-
tungen nicht bestätigen.
Zusatz-
frage, Kollege Schmidt.
Herr Kol-
lege Pick, soll ich daraus schließen, die Regierung habe
positive Kenntnisse, dass es keinen Zusammenhang zwi-
schen der Spende der Bundesjustizministerin an die SPD
und ihren Verdienst in der Kanzlei gibt?
D
Die Bundesregierung hat dafür
keine Anhaltspunkte.
Eine wei-
tere Zusatzfrage.
Hat
die Bundesregierung Kenntnis, ob es gegen Herrn
Riebschläger, der ebenfalls Sozius dieser Kanzlei ist, ein
Ermittlungsverfahren wegen angeblichen Parteiverrats
gibt?
D
Die Bundesregierung hat davon
keine Kenntnis.
Eine Zu-
satzfrage von Herrn Friedrich, bitte schön.
Herr
Staatssekretär, Frau Ministerin Däubler-Gmelin hat 1998
nachgemeldet, 104 000 DM für die SPD gespendet zu ha-
ben. Ich unterstelle einmal, dass dieses Geld nicht aus
anonymen Spenden kommt, sondern dass es aus ihrem ei-
genen Einkommen stammt. Wir können das nicht nach-
prüfen, weil im Untersuchungsausschuss alle Anträge
dazu von der rot-grünen Mehrheit als unzulässig abge-
lehnt worden sind. Die Ministerin hat das damit begrün-
det, dass sie 1998 hohe Einkommen aus ihrer Kanz-
leitätigkeit hatte. Sie hat aber 1999, also in der Zeit, als sie
bereits Ministerin war, ebenfalls wieder gespendet, und
zwar nachgemeldet 63 000 DM. Muss man daraus
schließen, dass sie auch 1999 noch Einkünfte aus ihrer
Kanzleitätigkeit hatte?
D
Herr Kollege, die Bundes-
ministerin der Justiz hat, wie es den Vorgaben des Bundes-
ministergesetzes und übrigens auch der Bundesrechts-
anwaltsordnung entspricht, ihre Tätigkeit in dieser
Kanzlei mit Ernennung zur Bundesministerin der Justiz
eingestellt.
Eine wei-
tere Frage des Kollegen Fromme.
Herr Staats-
sekretär, da Sie ja auf die erste Frage einfach nur mit Nein
geantwortet haben, möchte ich fragen: Hat die Bundesre-
gierung wenigstens darüber Kenntnis, ob die Kanzlei, in
der die Ministerin gearbeitet hat, das Mandat zugunsten
des Aubis-Konzerns wahrgenommen hat, oder hat sie
auch darüber keine Kenntnisse?
D
Die Bundesregierung hat darüberKenntnis, dass die Frau Bundesministerin nie in Sachender Firma Aubis tätig geworden ist. Mit anderen Worten:Sie hatte nie ein Mandat.
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Bundesminister Hans Eichel17185
Aber die
Kanzlei hatte ein Mandat?
D
Das möchte ich nicht ausschließen.
Ich habe aber keine positive Kenntnis davon, ob und in
welcher Form das so war.
Eine wei-
tere Frage, diesmal des Kollegen Siemann.
Herr Staatssekretär,
Sie haben vorgetragen, Frau Däubler-Gmelin sei mit Er-
nennung zur Ministerin aus der Kanzlei ausgetreten. Wie
beurteilen Sie dann den Sachverhalt, dass sie nach wie vor
im Briefbogen der Kanzlei als Sozia aufgeführt ist? Vor-
hin haben Sie auf das Standesrecht hingewiesen. Bedeu-
tet die Aufnahme in den Briefbogen nicht, dass sie
tatsächlich noch für diese Kanzlei tätig ist oder zumindest
noch Werbung für sie macht?
D
Ich denke, es ist nicht unzulässig
– auch nicht nach den standesrechtlichen Vorschriften –,
weiterhin in der entsprechenden Kanzlei genannt zu wer-
den. Es gibt auch Vorgängerinnen und Vorgänger der Mi-
nisterin, bei denen das so war. Jeder weiß, dass die Frau
Bundesministerin – aus den genannten gesetzlichen
Gründen – nicht mehr für diese Kanzlei tätig ist.
Vielen
Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beant-
wortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
Siegmar Mosdorf zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Dr. Klaus Grehn
auf:
War der Bundesregierung bei der durch den Staatsminister
beim Bundeskanzler, Rolf Schwanitz, vorgetragenen Position zur
Chemnitz zur Konjunkturentwicklung bekannt und wie bewertet
sie die Unterschiede zwischen beiden Einschätzungen?
S
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Frage
wie folgt beantworten: Das innerhalb der Bundesregie-
rung für das Handwerk zuständige Bundesministerium
für Wirtschaft und Technologie wertet die Berichte und
Stellungnahmen der Handwerkskammern aus. Das trifft
auch für die Konjunkturumfrage der Handwerkskammer
Chemnitz für das erste Quartal 2001 zu. Der
Bundesregierung ist damit die Einschätzung der Hand-
werkskammer Chemnitz zur wirtschaftlichen Lage des
Handwerks in dieser Region bekannt. Sie beruht auf einer
Umfrage bei 4 500 Handwerksbetrieben im Kammerbe-
zirk. Nach den Umfrageergebnissen hat sich die Ge-
schäftslage des Chemnitzer Handwerks gegenüber dem
Vorjahreszeitraum verschlechtert. Auch die Erwartungen
für das zweite Quartal 2001 im Vergleich zu denen des
Jahres 2000 sind in der Umfrage pessimistischer.
Staatsminister Schwanitz hat in seiner Rede vor dem
Deutschen Bundestag am 13. Mai 2001 eine gesamtwirt-
schaftliche Betrachtung für alle neuen Bundesländer vor-
genommen. Dabei hat er ausdrücklich auf die differen-
zierte Entwicklung der Wirtschaft in den neuen
Bundesländern hingewiesen und dies einerseits an der
starken Dynamik des verarbeitenden Gewerbes und an-
dererseits am Schrumpfungsprozess der Bauwirtschaft
deutlich gemacht.
Die Bundesregierung hält es generell nicht für sinn-
voll, gesamtwirtschaftliche Aussagen mit Entwicklungen
eines Sektors in einer ausgewählten Region zu verglei-
chen. Im konkreten Fall bestätigt der Vergleich aber die
von Herrn Staatsminister Schwanitz herausgestellte Dif-
ferenzierung zwischen dem verarbeitenden Gewerbe auf
der einen Seite und vor allem der Bauwirtschaft auf der
anderen Seite. Handwerk und Industrie sind unterschied-
liche Sektoren, in denen unterschiedliche Unternehmen
tätig sind, die unterschiedlichen Einflüssen unterliegen.
So erklärt sich auch das von Herrn Staatsminister
Schwanitz grundsätzlich aufgegriffene Phänomen, dass
sich die Industrie in den neuen Bundesländern günstig
entwickelt – im Übrigen auch in der Region Chemnitz –
und sich das Handwerk in den neuen Bundesländern
gleichzeitig in einer verhältnismäßig schwierigen Situ-
ation befindet.
Eine Zu-
satzfrage des Herrn Kollegen Grehn.
Herr Staatssekretär, Herr
Schwanitz hat sich ja – Sie haben darauf Bezug genom-
men – auf die Information des Ifo-Instituts bezogen. Sie
haben die 13 Prozent noch einmal genannt und auf die
gesamtwirtschaftliche Entwicklung verwiesen.
Ich habe die Handwerkskammer nur als ein Beispiel
genannt. In derselben Information steht, dass der Ge-
schäftsklimaindex erneut gesunken ist, und darin steht
auch, dass die Umfrageteilnehmer der Gesamtentwick-
lung in den nächsten sechs Monaten erstmals seit Oktober
1999 wieder mit Skepsis entgegensehen. Was bedeutet
das für die Gesamteinschätzung und für das Produktions-
wachstum, wenn Sie dann noch den gegenwärtigen und
weiter vorhergesagten Konjunktureinbruch in die Be-
trachtung einbeziehen?
S
Herr Kollege,ich darf Sie darauf hinweisen, dass es sich bei dem Ifo-In-dex stets um makroökonomische Betrachtungen handeltund dass es bei der Umfrage, die die Handwerkskammerdurchgeführt hat, um eine spezielle Betrachtung desHandwerks in der Region Chemnitz geht.Gerade weil Sie die Frage in Bezug auf Chemnitz stel-len, möchte ich noch einmal ausdrücklich sagen – daskann Ihnen auch die Kollegin Jelena Hoffmann, die aus
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Chemnitz kommt, bestätigen –: Chemnitz hat, was dieIndustrie angeht, eine außergewöhnlich positive Entwick-lung genommen. Das kann man an einzelnen Unterneh-men – zum Beispiel auch Unternehmen des traditionellenWerkzeugmaschinenbaus – nachvollziehen, die sehr guteDaten aufweisen und die – übrigens auch international –sehr gut dastehen. Chemnitz hat als Region eine Export-rate von 33 Prozent. Das ist für die neuen Bundesländersehr, sehr hoch. Das heißt, Sie müssen diese Differenzie-rung zwischen den speziellen Entwicklungen vor allem inder Bauwirtschaft und denen in den industriellen Berei-chen vornehmen.Die Kollegen waren gerade heute Morgen mit mir zu-sammen im Wirtschaftsausschuss, um die wirtschaftlicheSituation in den neuen Bundesländern mit Experten zu be-trachten. In der Baubranche haben wir eine deutlicheÜberkapazität, die leider zu lange hochgehalten wurdeund jetzt langsam abgesenkt wird. Deswegen stellt sichjetzt natürlich ein Basiseffekt ein, der auch positive Ent-wicklungen, die es zum Beispiel beim verarbeitenden Ge-werbe und in der Industrie gibt, in der makroökonomi-schen Gesamtwirkung verdrängt. Deshalb muss manzwischen den Branchen sehr genau differenzieren, wennman eine zielgenaue Einschätzung finden will. Darauf be-zog sich das, was Herr Staatsminister Schwanitz gesagthat.
Eine wei-
tere Zusatzfrage? – Bitte schön, Herr Grehn.
Herr Staatssekretär, so ist das
eben. Ich habe wohlweislich die Region Chemnitz ge-
nommen, wissend, dass dies eine Region ist, die auf den
vorderen Rängen der Entwicklung liegt, um mir nicht vor-
werfen zu lassen, eine schlechte Region ausgewählt und
damit einen gesamtwirtschaftlichen Vergleich angestellt
zu haben. Ich hätte genauso gut – und auch viel lieber –
meinen eigenen Wahlkreis nehmen können, Hoyers-
werda-Riesa-Großenhain-Kamenz; dann wäre der Ver-
gleich sicherlich schlechter ausgefallen. Dies nur als Vor-
bemerkung. Wir sind also darin einer Meinung, dass
Chemnitz angesichts der schlechten Entwicklung eigent-
lich ein positives Beispiel ist.
Daran knüpft nun meine Frage an: Herr Staatsminister
Schwanitz hat in seiner damaligen Rede angemahnt, die
Entwicklung in den neuen Bundesländern differenziert zu
sehen. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass seine Aus-
führungen die von ihm erhobenen Forderungen nicht
berücksichtigen? Ich meine Ihren Aussagen entnehmen zu
können, dass Sie versucht haben, in diesem Punkt zu
differenzieren.
S
Ich habe nicht
mehr jedes Detail im Kopf; ich weiß aber, dass wir damals
die Debatte gemeinsam geführt haben. Ich meine mich da-
ran zu erinnern, dass er, ausgehend von seiner makroöko-
nomischen Betrachtung, für die einzelnen Branchen eine
Detaillierung vorgenommen hat. Er hat sehr wohl bei-
spielsweise zwischen der Entwicklung der Bauwirtschaft
in den neuen Bundesländern und der Entwicklung im ver-
arbeitenden Gewerbe unterschieden.
Es hilft uns nicht weiter, wenn versucht wird, aus der
gegebenen Situation, in der wir Kapazitäten reduzieren
und gleichzeitig diese Reduktion durch besondere An-
strengungen im Bereich der Wachstumskerne kompensie-
ren, politisch Kapital zu schlagen
Wir kom-
men zur Frage 3 des Kollegen Dr. Klaus Grehn:
Ist der Bundesregierung bewusst, dass auch in anderen Regie-
rungsbezirken der neuen Bundesländer die Konjunktureinschät-
zungen ähnlich wie in Chemnitz ausfallen, und welche Schluss-
folgerungen zieht sie daraus?
S
Der Bundesre-
gierung ist bewusst, dass die Konjunkturumfragen anderer
Handwerkskammern in den neuen Bundesländern ähnlich
wie in Chemnitz ausfallen. Sie zieht daraus die Schluss-
folgerung, dass die wirtschaftliche Lage des Handwerks in
den neuen Bundesländern derzeit insgesamt als schlecht
bewertet werden muss. Das trifft insbesondere auf die
Bauwirtschaft zu. Dies beruht überwiegend auf der anhal-
tenden Strukturanpassung in der Bauwirtschaft, die einen
sehr hohen Anteil am Handwerk in den neuen Bundeslän-
dern hat.
In den anderen Gewerken ist die wirtschaftliche Lage
im Vergleich zu der Bauwirtschaft deutlich günstiger. Auf
die gute Entwicklung der ostdeutschen Industrie habe ich
bereits hingewiesen.
Zusatz-
frage, Kollege Grehn?
Herr Staatssekretär, liegen
der Bundesregierung genauere Angaben zu den Insolven-
zen in den neuen Bundesländern, getrennt nach Industrie-
bereichen und Gewerken im Bereich des Handwerks, vor?
Liegen Angaben über Wandlungsprozesse innerhalb der
verschiedenen Bereiche vor? Es ist beispielsweise nicht
allein der Baubereich – über diesen Kernbereich haben
Sie schon gesprochen –, sondern es sind auch andere
Branchen betroffen, was durch die schlechte Einschät-
zung der Handwerkskammer bestätigt wird, sodass man
sie auf die gesamte Industrie in den neuen Bundesländern
ausdehnen kann.
S
Nein, solche Da-
ten liegen uns nicht vor.
Gibt eseine weitere Zusatzfrage? – Das ist nicht der Fall. VielenDank, Herr Staatssekretär Mosdorf.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-teriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirt-schaft. Zur Beantwortung steht der ParlamentarischeStaatssekretär Matthias Berninger zur Verfügung.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 2001
Parl. Staatssekretär Siegmar Mosdorf17187
Wir kommen zur Frage 4 der Kollegin Gudrun Koppvon der F.D.P.-Fraktion:Ist es zutreffend, dass in den Kantinen der Bundesministerien,insbesondere derjenigen des Bundesministeriums für Verbrau-cherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, trotz der bereits im Ja-nuar 2001 angekündigten und geforderten so genannten Agrar-wende und des damit verbundenen Leitbilds des organischenLandbaus bislang keine Produkte dieser Anbauform angebotenwerden?Ma
Es trifft nicht zu, dass im Rahmen der
Agrarwende, was die Umstellung der Kantinen angeht,
ein halbes Jahr geschlafen wurde, im Gegenteil: Es wur-
den innerhalb der gesamten Bundesregierung verstärkte
Anstrengungen unternommen, die Kantinenbewirt-
schaftung so umzustellen, dass die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter die Möglichkeit haben, auch ökologische Pro-
dukte auf ihrem Speiseplan zu finden. Des Weiteren
wurde im Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft eine ganze Reihe von Maßnahmen er-
griffen, etwa die Umstellung im gesamten Catering-Be-
reich, beispielsweise bei Getränken, die bei Konferenzen
angeboten werden.
Dieser Prozess ist jetzt angelaufen. Wir haben ihn von
Anfang an, also gleich in den ersten Wochen, in Gang ge-
setzt. Man muss dabei natürlich berücksichtigen, dass es
eine Reihe langfristiger Liefer- und Pachtverträge gibt.
Ich denke, dass dies als Beispiel für andere Kantinen die-
nen kann.
Bei der Frage von ökologischen Produkten oder Pro-
dukten aus ökologischem Anbau ist festzustellen, dass
nicht nur im Einzelhandelsbereich ein großes Defizit exis-
tiert, sondern auch im Bereich der Kantinen und der
Gastronomie. Die Bundesregierung wird hier weitere An-
strengungen unternehmen, um das Ziel zu erreichen, den
Anteil ökologischen Landbaus in den nächsten fünf Jah-
ren auf 10 Prozent und in den nächsten zehn Jahren auf
20 Prozent zu erhöhen.
Zusatz-
frage, Frau Kollegin Kopp?
Herr Staatssekretär, es gibt
keinen Grund, nervös zu reagieren und zu sagen, das Mi-
nisterium habe nicht geschlafen. Das habe ich nicht un-
terstellt. Meine Frage habe ich vor dem Hintergrund ge-
stellt, wieweit Sie auch im eigenen Umfeld diese Produkte
anbieten. Das ist eine sehr wichtige Frage
Sie haben gesagt, dass Sie den Einstieg jetzt vorberei-
ten. Geben Sie denn auch gleichzeitig Informationsmate-
rial heraus? Darüber hinaus haben Sie gesagt, dass das
auch ein Beispiel für andere Kantinen sein soll. Wissen
Sie, ob zumindest in Berlin, zum Beispiel in Mensen von
Universitäten oder in Kindergärten und anderen Einrich-
tungen, ähnliche Informationen herausgegeben werden?
Wie ist dort der Sachstand?
Mat
Frau Kollegin, mir liegen in Bezug auf
die Mensen in Berlin keine Erkenntnisse vor. Ich weiß
aber aufgrund meiner früheren Tätigkeit, dass im Hoch-
schulbereich einige Studentenwerke Vorreiter sind. Ich
habe Informationen in Bezug auf die Bundesressorts. Ich
möchte ein Beispiel nennen: Das Auswärtige Amt bietet
in Berlin schon seit längerer Zeit ein Ökoessen an. Auch
Kindertagesstätten von Bundesbehörden werden kom-
plett mit Produkten des ökologischen Landbaus versorgt.
Das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernäh-
rung und Landwirtschaft hat ja keine eigene Kantine in
Berlin, sodass wir dort keine Umstellung vornehmen kön-
nen. Wir haben aber in Bonn sehr schnell damit angefan-
gen. Das erste Produkt, weil das sehr einfach war, war die
Kartoffel. Nun bieten wir dort komplette Essen an. Im
Rahmen von Aktionstagen wird natürlich geprüft, was auf
der Nachfragerseite gewünscht ist. Es ist völlig klar, dass
auch die ökologischen Produkte im Wettbewerb mit an-
deren Essen stehen, und das ist auch gut so.
Gibt es
eine weitere Zusatzfrage?
Ich habe noch eine Zusatz-
frage.
Das sind sehr gute Ansätze. Stimmen Sie mit mir über-
ein, Herr Staatssekretär, dass ein Quotenanteil von Bio-
produkten an den Nahrungsmitteln eher einer planwirt-
schaftlichen Vorgabe entspricht und dass es sinnvoller
wäre, mit mehr Marktvertrauen heranzugehen und zu sa-
gen, dass Sie die Strukturen schaffen, vorbereiten, dass
aber die letzte Entscheidung beim Verbraucher und damit
beim Markt bleibt? Warum setzen Sie so wenig auf die
marktwirtschaftlichen Kräfte, die in Deutschland schon
einige positive Beispiele hervorgebracht haben?
Ma
Frau Kollegin, ich kann nicht erkennen,dass wir hier auf planwirtschaftliche Instrumente setzen.Richtig ist, dass die Bundesregierung klare Ziele hat. Eserschien uns nicht einsichtig, dass das, was in anderenLändern schon längst gängig ist, nämlich dass die Ver-braucherinnen und Verbraucher eine Auswahl an Biopro-dukten haben, in Deutschland nicht stattfinden sollte.Deutschland ist vergleichbar mit Österreich, hat aberhöchstens ein Fünftel der Ökoprodukte im Angebot. Ichglaube, dass der Markt hier nicht ausreichend funktionierthat und die Verbraucher keine ausreichende Wahlfreiheithatten. Das Gleiche trifft im Alltag für die meisten Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen zu, die ihrMittagessen in Kantinen zu sich nehmen. Wir werden eineganze Reihe von Maßnahmen ergreifen, die Attraktivitätzu steigern. Die letzten Monate haben gezeigt, dass dieAgrarwende längst begonnen hat. Es gibt sehr vieleUnternehmen, die im Begriff sind, umzustellen oder diebereits umgestellt haben. Es gibt eine Reihe von Verbän-den, mit denen gemeinsam wir dieses Thema angehen unddie nötige Beratung bereitstellen. In unserem Zuständig-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 2001
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms17188
keitsbereich ist das beispielsweise die Deutsche Gesell-schaft für Ernährung, die ein Kooperationspartner ist.Aber auch die Verbände für ökologischen Landbau habenein großes Know-how und sind sicherlich gute Ansprech-partner.
Vielen
Dank, Herr Staatssekretär Berninger.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
der Verteidigung auf. Die Fragen 5 und 6 des Abgeordne-
ten Günther Friedrich Nolting sollen schriftlich beant-
wortet werden.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf. Die Fra-
gen 7 und 8 der Abgeordneten Ina Lenke sollen ebenfalls
schriftlich beantwortet werden.
Jetzt rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
auf. Die Frage 9 des Abgeordneten Ernst Hinsken soll
schriftlich beantwortet werden.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums des Innern.
Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Werner
Siemann auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, dass die Hu-
manistische Union eine Gruppe von Personen mit dem Fritz-
Bauer-Preis auszeichnete, die 1999 während der NATO-Luft-
schläge im Kosovo-Konflikt die Angehörigen der Bundeswehr in
einer halbseitigen Anzeige in der Tageszeitung „taz“ dazu auffor-
derten, die Einsatzbefehle zu verweigern, sich von der Truppe zu
entfernen und sich gegen diesen „Krieg“ aufzulehnen, vor dem
Hintergrund, dass die Bundesministerin für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast, und die Bundes-
ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,
Heidemarie Wieczorek-Zeul, im Beirat der HU und die Bundes-
ministerin der Justiz, Professor Dr. Herta Däubler-Gmelin, einfa-
ches Mitglied der HU sind und die Ministerin Heidemarie
Wieczorek-Zeul sowie die Ministerin Professor Dr. Herta
Däubler-Gmelin sowohl der Entsendung deutscher Soldaten in
das Kosovo am 16. Oktober 1998 als
auch der „Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der interna-
tionalen Sicherheitspräsenz im Kosovo“ am 1. Juli 2001 zuge-
stimmt und alle drei genannten Ministerinnen die so genannte
Mandatsverlängerung im Bundeskabinett am 9. Mai 2001 mitge-
tragen haben?
Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatsse-
kretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung.
F
Herr Kollege Siemann, ich beant-
worte Ihnen die Frage wie folgt: Die drei genannten Bun-
desministerinnen gehören der Humanistischen Union
nicht in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Bundesregie-
rung an. Vor diesem Hintergrund sieht die Bundesregie-
rung keinen Anlass, die Aktivitäten der Humanistischen
Union zu bewerten.
Eine Zu-
satzfrage, Kollege Siemann.
Halten Sie es für
möglich, dass man gerade bei der Mitgliedschaft in sol-
chen Vereinigungen die natürliche Person von dem Kabi-
nettsmitglied trennen kann?
F
Herr Kollege Siemann, das kann
man tun. Deswegen habe ich Ihnen diese Antwort gege-
ben. Im Übrigen glaube ich, dass sich die Mitgliedschaf-
ten auf einen Zeitraum erstrecken, als die Betroffenen
noch nicht daran gedacht haben, Mitglieder der Bundes-
regierung zu werden.
Weitere
Zusatzfrage, Herr Kollege Siemann?
Aber die Preisverlei-
hung ist ja erst jetzt geschehen, wo sie schon Mitglied der
Bundesregierung sind. Hätten Sie es nicht für vernünftig
gehalten, wenn man Einfluss darauf genommen hätte, dass
ein solches Verhalten gerade nicht als auszeichnungswür-
dig angesehen wird?
F
Das ist eine Frage, die jedes Mit-
glied in diesem Zusammenhang selbst zu entscheiden hat.
Deswegen habe ich auch die Unterscheidung vorgenom-
men, wie ich sie Ihnen in unserer Antwort gegeben habe.
Ich glaube, das ist auch richtig und gut so.
Vielen
Dank, Herr Staatssekretär Körper.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht die Parla-
mentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks zur
Verfügung.
Ich rufe zunächst die Frage 11 des Abgeordneten
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr auf:
Warum hat die Bundesregierung in einer Stellungnahme vom
25. Juli 2000 meine Vorschläge bezüglich der Regelung und Be-
standteile eines Übernahmegesetzes sowohl auf nationaler wie
auch auf europäischer Ebene abgelehnt, obwohl sie diese Inhalte
zu diesem Zeitpunkt noch ohne Probleme in der EU hätte durch-
setzen können, heute aber genau meine damaligen Vorschläge zur
Begründung ihrer Ablehnung der EU-Übernahmerichtlinie an-
führt?
D
Herr Kollege Ronsöhr, dieBundesregierung hat sich stets für die Schaffung eines„level playing fields“ im Übernahmerecht auf internatio-naler Ebene eingesetzt. Ein Bestandteil dieses Konzeptssind einheitliche Spielregeln bei Unternehmensübernah-men. Auf europäischer Ebene werden diese für den Be-reich des Kapitalmarktrechts durch die Übernahmericht-linie geregelt.In den Monaten nach Verabschiedung des Gemeinsa-men Standpunktes zur Übernahmerichtlinie im Juni 2000bzw. auch nach Ihrem Schreiben im Juli 2000 an denBundesminister für Wirtschaft und Technologie hatsich jedoch gezeigt, dass andere Mitgliedstaaten weiter-hin an Regelungen zu Stimmrechtsbegrenzungen und
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 2001
Parl. Staatssekretär Matthias Berninger17189
Mehrstimmrechten auf dem Gebiet des Gesellschafts-rechts festhalten und deutsche Unternehmen im interna-tionalen Vergleich dadurch benachteiligt werden. DieBundesregierung hat sich deshalb bei den weiteren Ver-handlungen auf europäischer Ebene für Abwehrmöglich-keiten des Managements einer Gesellschaft eingesetzt.Auf nationaler Ebene wird die Bundesregierung dieVorgaben der Richtlinie durch das Wertpapiererwerbs-und Übernahmegesetz umsetzen und dabei die ihr von derRichtlinie eingeräumten Spielräume im Hinblick auf dieVerhaltenspflichten der Leitungsorgane der Zielgesell-schaft – einschließlich der Möglichkeiten von Vorratsbe-schlüssen – nutzen.
Zusatz-
frage, Kollege Ronsöhr.
Frau
Staatssekretärin, können Sie mir bestätigen, dass die Bun-
desregierung im letzten Jahr zur europäischen Richtlinie,
was die Übernahme von Unternehmen anbetrifft, eine
ganz andere Stellungnahme abgegeben hat, als sie das
jetzt tut? Die Bundesregierung hat mir durch Herrn
Mosdorf geschrieben:
Sowohl die europäische Richtlinie wie auch der
Referentenentwurf sind grundsätzlich neutrale Re-
gelungen, die feindliche Übernahmen weder fördern
noch behindern sollen.
Jetzt hat der Bundeskanzler eine ganz andere Stellung
bezogen. Können Sie begründen, warum Sie im letzten
Jahr den Standpunkt eingenommen haben, wie er in der
Antwort von Herrn Mosdorf zum Ausdruck kommt?
D
Ich habe Sie ja in meiner
Antwort schon darauf hingewiesen, dass sich in der Tat
nach der Erarbeitung der ersten Vorentwürfe auch unseres
Gesetzentwurfes – natürlich war die europäische Richtli-
nie zu der Zeit im Entwurf schon bekannt – mehr und
mehr herausgestellt hat, dass zwar, wie ich Ihnen schon
sagte, im Bereich des Kapitalmarktrechts in den anderen
europäischen Ländern alle Hindernisse abgebaut werden
sollen, aber im Bereich des Gesellschaftsrechts Hinder-
nisse bestehen, was zu einer gleichen Startposition bei
Unternehmensübernahmen innerhalb der Europäischen
Union nicht beiträgt.
Weil sich herausgestellt hat, dass solche gesellschafts-
rechtlichen Beschränkungen in anderen wesentlichen
Mitgliedstaaten der Europäischen Union weiterhin beste-
hen, hat die Bundesregierung in der Tat ihre Auffassung
geändert. Deswegen kommt es dazu, dass die Auffassung
vom Juli des vergangenen Jahres und die jetzt vertretene
unterschiedlich sind. Es ist ja nicht vorzuwerfen, dass die
Bundesregierung innerhalb eines Jahres aufgrund neuer,
sich verstärkender Erkenntnisse eine Position bezieht, die
Sie vielleicht schon im vergangenen Jahr für richtig ge-
halten haben. Freuen Sie sich doch darüber, dass die Bun-
desregierung jetzt Ihre Auffassung teilt.
Weitere
Zusatzfrage, Kollege Ronsöhr.
Frau
Staatssekretärin, können Sie sich vorstellen, dass meine
Freude nicht allzu groß ist, weil die europäische Richtli-
nie von einer anderen Übernahmeregelung ausgeht, als
ich sie damals gefordert habe?
Können Sie mir bestätigen, dass sich die Bundesregie-
rung zu spät mit den Vorstellungen der europäischen
Richtlinie auseinander gesetzt hat, die im Grunde genom-
men eine feindliche Übernahme von Unternehmen gera-
dezu befördern?
D
Herr Kollege Ronsöhr,
zum einen kann ich den Umfang Ihrer nicht ausreichen-
den Freude nicht beurteilen.
Zum anderen kann ich mir nicht vorstellen, dass sich die
Bundesregierung zu spät eingeschaltet hat.
Damit
kommen wir zur Frage 12 des Kollegen Peter Weiß
:
Trifft es zu, dass das für die beiden Bundesabteilungen der
Oberfinanzdirektion Karlsruhe zuständige Service-Center in
Freiburg geschlossen und nach Saarbrücken verlegt werden soll?
D
Herr Kollege Weiß, im
Rahmen des Projektes „Strukturentwicklung Bundesfi-
nanzverwaltung“ gibt sich die Bundesfinanzverwaltung
derzeit eine neue, gestraffte und zukunftsfähige Struktur.
Sie bereitet sich damit auf die Aufgabenänderungen ins-
besondere durch die EU-Osterweiterung vor und leistet
dadurch gleichzeitig einen spürbaren Beitrag zur Haus-
haltskonsolidierung. Die grundsätzlichen Entscheidun-
gen zur Strukturreform sind im vergangenen Jahr in einem
umfassenden Abstimmungsprozess vorbereitet und im
Januar dieses Jahres veröffentlicht worden. Teil der
seinerzeitigen Organisationsentscheidungen ist eine Ver-
ringerung der Zahl der Service-Center von acht auf vier
sowie unter anderem die Verlagerung der Aufgaben des
Service-Centers Freiburg nach Saarbrücken.
Zusatz-
frage, Kollege Weiß.
FrauStaatssekretärin, trifft es zu, dass die Verlagerung des fürdie OFD Karlsruhe zuständigen Service-Centers in derAußenstelle Freiburg nach Saarbrücken ursprünglich fürdie Jahre 2004/2005 vorgesehen war und Sie jetzt eineschnellere Umsetzung planen, möglicherweise die Ver-wirklichung dieser Verlagerung schon im kommendenJahr?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 2001
Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks17190
D
Herr Weiß, ich bin über-
fragt, wann die Verlagerung stattfinden soll. Ich kann Ih-
nen allerdings versichern, dass es zu einer sozialverträg-
lichen Verlagerung kommen wird und dass nach jetzigem
Kenntnisstand eine Versetzung von Bediensteten des Ser-
vice-Centers mit Sitz in Freiburg nach Saarbrücken nicht
notwendig sein wird.
Zusatz-
frage, Kollege Weiß.
Frau
Staatssekretärin, was hat denn angesichts der räumlichen
Zuständigkeit dieses Service-Centers für eine Verlage-
rung nach Saarbrücken und gegen eine Konzentration der
Service-Center am Standort Freiburg gesprochen?
D
Herr Kollege Weiß, die
räumliche Zuständigkeit ist angesichts der Aufgabenstel-
lung relativ irrelevant. Diese Service-Center sind insbe-
sondere für die internen dienstlichen Belange der Mitar-
beiter der Bundesfinanzverwaltung zuständig, wie zum
Beispiel Beihilfeabrechnungen, Dienstreiseabrechnungen
und Ähnliches. Dieses läuft natürlich auf dem schrift-
lichen oder elektronischen Wege. Deswegen ist es völlig
irrelevant, an welchem Ort die Aufgaben erledigt werden.
Natürlich hat die Bundesregierung in gewisser Weise
auch immer strukturelle Gründe zu beachten. Im Lande
Saarbrücken ist dies die dann neben einem Hauptzollamt
einzig noch verbleibende – ich formuliere einmal so –
Einheit der Bundesfinanzverwaltung von nennenswertem
Gewicht.
Wir kom-
Werden mit der Verlagerung des Service-Centers bereits Vor-
entscheidungen getroffen, dass die beiden für das gesamte Land
Baden-Württemberg zuständigen Bundesabteilungen der Oberfi-
falls aufgehoben und verlegt werden?
Frau Staatssekretärin.
D
Service-Center müssen
nicht am Standort der jeweiligen Zoll- und Verbrauch-
steuerabteilung angesiedelt sein. So befinden sich drei der
bisherigen acht Service-Center nicht am Standort der
Zoll- und Verbrauchsteuerabteilung, darunter auch das
Service-Center Saarbrücken. Die dazugehörige Oberfi-
nanzdirektion befindet sich in Koblenz. Eine Vorentschei-
dung für eine weitere Straffung der Zoll- und Verbrauch-
steuerabteilungen, die derzeit ohnehin nicht beabsichtigt
ist, kann den Standortentscheidungen für die Service-
Center daher nicht entnommen werden.
Zusatz-
frage, Kollege Weiß.
Frau
Staatssekretärin, da bei den ersten Überlegungen Ihrer
Bundesregierung zu einer Strukturreform im Bereich der
Finanz- und Zollverwaltungen auch zur Diskussion stand,
die Zoll- und Verbrauchsteuerabteilungen an den Ober-
finanzdirektionen möglicherweise ebenfalls auf bundes-
weit vier Standorte zu konzentrieren, sie aber zunächst da-
von Abstand genommen hat, liegt doch die Vermutung
nahe, dass die Konzentration auf vier Service-Center ir-
gendwann auch die Konzentration auf vier Standorte für
Zoll- und Verbrauchsteuerabteilungen nach sich zieht.
Bedeutet Ihre Aussage, dass von der Bundesregierung
eine Konzentration der Zoll- und Verbrauchsteuerabtei-
lungen auf weniger als die bisher acht Standorte nicht
mehr weiterverfolgt wird?
D
Eine weitere Konzentra-
tion der Zoll- und Verbrauchsteuerabteilungen von derzeit
acht auf vier wird zurzeit nicht weiterverfolgt, sondern es
wird erst der Prozess der EU-Osterweiterung mit den da-
mit verbundenen Umstrukturierungen im Zollaufgaben-
bereich abgewartet werden. Aber nach vollzogener EU-
Osterweiterung und damit einem neuen Zuschnitt der
Zollaufgaben wird dieses Thema wieder auf die Tages-
ordnung kommen.
Eine wei-
tere Zusatzfrage des Kollegen Weiß.
Frau
Staatssekretärin, in der letzten Legislaturperiode des
Deutschen Bundestages, also unter der Verantwortung
Ihrer Vorgängerregierung, ist die Entscheidung gefällt
worden, die Bundesvermögensabteilungen und die Zoll-
und Verbrauchsteuerabteilungen mit Zuständigkeit für
das gesamte Land Baden-Württemberg am Standort
Freiburg zu konzentrieren, weil auch die bisher in Karlsruhe
und Freiburg angesiedelten Oberfinanzdirektionen zu-
sammengelegt werden sollten. Zusätzlich ist vereinbart
worden, dass der Sitz der Oberfinanzdirektion in Karlsruhe
ist, aber die beiden Bundesabteilungen in Freiburg ange-
siedelt werden. Nachdem damals Grundlage der Ent-
scheidungen war, Freiburg auch künftig als Standort von
Abteilungen von Oberfinanzdirektionen beizubehalten
und zu sichern, möchte ich Sie fragen, ob die derzeitige
Bundesregierung aus diesen Entscheidungen eine Be-
standsgarantie für diese beiden Bundesabteilungen am
Standort Freiburg ableitet oder ob sie den Standort even-
tuell infrage stellt.
D
Herr Kollege Weiß, ichbitte, meine Antwort jetzt nicht auf den Standort Frei-burg zu beziehen; aber es wäre nicht redlich, wenn ichfür irgendeinen Standort eine Bestandsgarantie gebenwürde. Wie, auf welche Art und Weise und bis in welcheZukunft sollte denn die Bundesregierung solche Garan-tien geben können? Sie wissen genau, dass Garantien bisin alle Ewigkeit durch keine Bundesregierung und auchdurch keinen Haushaltsgesetzgeber gegeben werden
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 2001 17191
können. Selbstverständlich ist es so, dass, wenn wir nachder EU-Osterweiterung nicht mehr acht Standorte vonZoll- und Verbrauchsteuerabteilungen, sondern nur nochvier haben werden, naturgemäß vier Standorte wegfal-len. Welche das dann sein werden, weiß ich noch nicht;das kann ich noch nicht sagen. Insofern kann ich fürüberhaupt keinen der Standorte eine Bestandsgarantiegeben.
Wir kom-
men zur Frage 14 des Kollegen Werner Siemann:
Gibt es Bestrebungen, die Leistungen, die die Soldaten im
Rahmen der freien Heilfürsorge erhalten, künftig als geldwerte
Vorteile von den Soldaten versteuern zu lassen?
D
Herr Kollege Siemann,
derzeit sind für Angehörige der Bundeswehr einschließ-
lich der Wehrpflichtigen die Vorteile steuerfrei, die sich
aus der nach gesetzlichen Vorschriften gewährten
Heilfürsorge ergeben. Basis sind § 3 Nr. 4 d und § 3 Nr. 5
des Einkommensteuergesetzes. Die Bundesregierung be-
absichtigt nicht, diese Rechtslage zu ändern.
Zusatz-
frage, Herr Kollege Siemann?
Frau Staatssekretärin,
gibt es denn Bestrebungen, unabhängig von einer Ver-
steuerung, die Sie jetzt verneint haben, irgendwelche Än-
derungen an diesen Regelungen vorzunehmen?
D
Sie haben mich aber doch
gerade nach der Versteuerung gefragt. An welche anderen
Änderungen denken Sie?
Ich möchte wissen,
ob generelle Änderungen im Rahmen der freien Heilfür-
sorge für Soldaten beabsichtigt sind.
D
Da bin ich, ehrlich gesagt,
überfragt, denn das ist eine ganz andere Frage als die, die
vorher an mich gerichtet worden ist. Aber vielleicht kann
ich sie an Frau Kollegin Schulte weitergeben.
Frau Kollegin Schulte, ich habe Verständnis dafür, dass
Sie sich jetzt nicht konzentriert hatten. Die Frage lautet,
ob es beabsichtigt ist, am Prinzip der freien Heilfürsorge
für Soldaten etwas zu ändern. Dass wir in Richtung
Besteuerung nichts ändern wollen, habe ich dem Herrn
Kollegen schon gesagt.
Frau
Staatssekretärin Schulte, bitte.
B
Herr Kollege Siemann, Sie und
ich wollen ausdrücklich an der freien Heilfürsorge fest-
halten. Sie wissen, dass es natürlich unter den Soldaten,
besonders den Berufssoldaten, in der Vergangenheit im-
mer den Wunsch gab, eine andere Regelung zu finden, die
ihnen auch die Möglichkeit einer privaten Versicherung
für sie und ihre Familien gibt. Aber wir haben aufgrund
der langen Erfahrung festgestellt, dass es sinnvoll ist – ich
denke, Sie als Vertreter der großen Oppositionspartei
stimmen mit mir überein –, das auf keinen Fall zu verän-
dern. Dass der Finanzminister keine bösen Taten vorhat,
ist sehr schön.
Dann
kommen wir zur Frage 15 des Abgeordneten Eckart von
Klaeden:
Treffen Ankündigungen bzw. „Signale“ aus der Bundesregie-
rung zu, dass die Bundesregierung „unter Umständen“ zu finan-
ziellen Hilfen für Berlin bereit ist, vorausgesetzt, dass nach dem
Ende der großen Koalition ein Bündnis der SPD mit anderen
Fraktionen zustande kommt, vergleiche „Berliner Morgenpost“
vom 13. Juni 2001?
D
Herr Kollege von Klaeden,
Berlin erhält derzeit bereits finanzielle Hilfen in erheb-
lichem Umfang. Im Jahr 2000 beliefen sich die Leistun-
gen des Bundes für Berlin auf knapp 8 Milliarden DM. Im
Einzelnen waren dies insbesondere:
Leistungen für Hochschulbau, Verbesserung regio-
naler Wirtschaftsstruktur, Wissenschaft und Forschung,
kommunaler Straßenbau, Städtebau, sozialer Wohnungs-
bau usw.: rund 1,7 Milliarden DM.
Hilfen im Rahmen des Solidarpakts, Fehlbetrags-
Bundesergänzungszuweisungen, Sonderbedarfs-Bundes-
ergänzungszuweisungen, Bundesergänzungszuweisungen
für Kosten politischer Führung: insgesamt rund 5 Mil-
liarden DM.
Im Zusammenhang mit der Sonderstellung als Haupt-
stadt fließen Berlin jährlich 664Millionen DM zu. Außer-
dem wird Berlin durch den soeben unterzeichneten
Hauptstadt-Kulturvertrag jährlich zusätzlich unterstützt.
Abgesehen hiervon gibt der Umzug der Bundesregie-
rung nach Berlin der Stadt dauerhaft starke wirtschaft-
liche Impulse; derzeit wird von 40 000 zusätzlichen Ar-
beitplätzen in der Hauptstadt ausgegangen.
In den jetzigen Verhandlungen zum Finanzausgleich
vertritt der Bund die Position, den finanziellen Status quo
der Stadt zu wahren. Es gibt für die Bundesregierung da-
her keinen Grund, anzunehmen, dass das Land Berlin
seine aktuellen Finanzprobleme nicht mithilfe des bereits
hohen Niveaus der Leistungen des Bundes und der Län-
der bewältigen wird.
Zusatz-frage des Kollegen von Klaeden.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 2001
Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks17192
Kann ich davon
ausgehen, Frau Staatssekretärin, dass die Bundesregie-
rung die Anregung des sachsen-anhaltinischen Minister-
präsidenten Höppner, Berlin weitere Forschungsmittel
zur Verfügung zu stellen, nicht unterstützt? Das geht aus
einer dpa-Meldung von vorgestern hervor.
D
Herr Kollege von Klaeden,
ich kann dies nicht abschließend beurteilen, weil mir diese
dpa-Meldung nicht bekannt war. Allerdings beabsichtigt
die Bundesregierung ganz allgemein, ihre Forschungsför-
derung in den neuen Bundesländern zu konzentrieren
bzw. zu intensivieren, weil dies zu Impulsen für die wirt-
schaftliche Entwicklung führt. Insofern wird Berlin wie
die anderen fünf neuen Bundesländer behandelt. Bitte le-
gen Sie mich jetzt nicht auf Zahlen fest.
Eine wei-
tere Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.
Frau Staatssekre-
tärin, Sie selbst haben schon den Hauptstadt-Kulturver-
trag angesprochen. Der Staatsminister für Kultur beim
Bundeskanzler, Herr Nida-Rümelin, hat angekündigt, er
wolle die Berliner Stiftung Preußischer Kulturbesitz, zu-
mindest aber den Wiederaufbau der Museumsinsel, vom
Bund finanzieren lassen. Die Kosten liegen bei etwa
1 Milliarde DM, die über den Hauptstadt-Kulturvertrag
hinausgehen. Wie stehen Sie zu dieser Ankündigung von
Herrn Nida-Rümelin?
D
Die Ankündigung ist selbst-
verständlich mit Herrn Bundesfinanzminister Eichel ab-
gesprochen worden. Bisher ist es so, dass in die Renovie-
rung der Museumsinsel jährlich 100 Millionen DM vom
Bund und 100 Millionen DM von Berlin fließen sollen.
Soweit ich weiß, hatte Berlin bereits vor der aktuellen Fi-
nanzkrise seine Zahlungen ausgesetzt oder zumindest ein-
geschränkt, sodass die 100 Millionen DM vom Land nicht
zur Verfügung standen.
Am ehesten ist bei der Stiftung Preußischer Kultur-
besitz festzustellen, dass es im Sinne der Kulturförderung
eine besondere Aufgabe des Bundes sein mag, gerade hier
tätig zu werden. Bedauerlicherweise beteiligen sich nicht
alle Länder an den Kosten der Stiftung Preußischer Kul-
turbesitz. Das Land Bayern weigert sich bis heute, seinen
Beitrag zu zahlen.
Vielen
Dank, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beant-
wortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Gerd
Andres zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 16 des Kollegen Jürgen Koppelin
von der F.D.P.-Fraktion auf:
Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob Veröffent-
lichungen zutreffen, dass in Hamburg ABM-Kräfte des „Vereins
zur Betreuung von Arbeitslosen“ nicht nur für politische Aktionen
missbraucht wurden, sondern auch ein Ferienheim des Deut-
G
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach einer von
der Bundesregierung eingeholten Stellungnahme waren
dem Arbeitsamt Hamburg die Vorwürfe hinsichtlich eines
zeitweilig maßnahmefremden Einsatzes von ABM-Kräf-
ten bereits bekannt und Gegenstand von Ermittlungen des
Arbeitsamtes. Die Ermittlungen führten zu einer Rück-
forderung in Höhe von 31 500 DM, die inzwischen von
dem Verein beglichen wurden.
Zusatz-
frage des Kollegen Koppelin.
Herr Staatssekretär, ist der
Bundesregierung bekannt, dass dieser Betrag selbst von
der Hamburger Sozialbehörde als viel zu niedrig angese-
hen wird? Können Sie uns bei dieser Gelegenheit auch
sagen, wie hoch der Zuschuss insgesamt war, der vom Ar-
beitsamt an diesen Verein geflossen ist? Der Geschäfts-
führer dieses Vereins war schon einmal wegen Untreue
vorbestraft und ist jetzt beurlaubt worden.
G
Nein, dies ist der
Bundesregierung nicht bekannt. Zum zweiten Teil Ihrer
Frage: Nach Stellungnahme der Bundesanstalt für Arbeit
hat der Verein seit 1998 eine Reihe von unterschiedlichen
Fördermaßnahmen erhalten. Es handelt sich dabei um Zu-
schüsse zu den Lohnkosten bei Arbeitsbeschaffungs-
maßnahmen in Höhe von insgesamt 2,7 Millionen DM,
um Zuschüsse zu den Strukturanpassungsmaßnahmen in
Höhe von etwa 100 000 DM und Zuschüsse zu Einglie-
derungshilfen in Höhe von rund 150 000 DM.
Eine wei-
tere Zusatzfrage des Kollegen Koppelin.
Herr Staatssekretär, ist Ih-nen aufgefallen, dass Sie meine Frage überhaupt nicht be-antwortet haben? Ich lese sie Ihnen deswegen noch ein-mal vor. Meine Frage lautet:Hat die Bundesregierung Kenntnis darüber, ob Ver-öffentlichungen zutreffen, dass in Hamburg ABM-Kräfte des „Vereins zur Betreuung von Arbeitslosen“nicht nur für politische Aktionen missbraucht wur-den, sondern auch ein Ferienheim des DeutschenGewerkschaftsbundes renovieren mussten?Auf diese Frage haben Sie bisher keine Antwort gegeben.Da Sie, wie ich merke, ausweichen, darf ich Sie in die-sem Zusammenhang dann fragen, ob man die Tatsache,dass dieser Verein im selben Haus wie der DGB sitzt, dassführende Leute dieses Vereins und des DGB in Gremiendes Arbeitsamtes sitzen und der Hamburger Senat von alldiesen Vorgängen wusste, als Filz bezeichnen darf?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 2001 17193
G
Wenn ich das rich-
tig verstanden habe, waren das ungefähr zehn Fragen in
einer.
Da Sie der Meinung waren, ich hätte Ihre Frage nicht be-
antwortet,
beantworte ich sie erneut wie folgt:
Nach einer von der Bundesregierung eingeholten Stel-
lungnahme waren dem Arbeitsamt Hamburg die Vorwürfe
hinsichtlich eines zeitweiligen maßnahmefremden Ein-
satzes von ABM-Arbeitnehmern bereits bekannt und
Gegenstand von Ermittlungen des Arbeitsamtes. Die Er-
mittlungen führten zu einer Rückforderung in Höhe von
31 500 DM, die inzwischen von dem Verein beglichen
wurde.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Dirk Niebel.
Herr Staatssekretär, ich habe
mich frühzeitig gemeldet, da mir klar war, dass Sie die
Frage nicht würden beantworten wollen. Die Klemmtech-
nik, die Sie angewendet haben, kennen wir alle. Deswe-
gen möchte ich die Frage des Kollegen Koppelin gerne
noch einmal wiederholen.
Können Sie unter den Voraussetzungen, dass der Deut-
sche Gewerkschaftsbund nicht nur Nutznießer dieser
rechtswidrig eingesetzten Mittel der Bundesanstalt für Ar-
beit war, sondern auch noch den Selbstverwaltungsorganen
des Arbeitsamtes, unter anderem auch dem ABM-Aus-
schuss, angehört und dass der DGB-Kreisvorsitzende da-
rüber hinaus auch noch Abgeordneter der Hamburgischen
Bürgerschaft für die SPD-Fraktion ist, davon ausgehen,
dass es sich hier um Filz oder etwas Ähnliches handelt?
G
Herr Abgeordneter, Ih-
nen ist sicherlich bekannt, dass Ihre Fraktion eine Kleine
Anfrage mit insgesamt 19 Fragen eingereicht hat.
Da die Bundesregierung dazu verpflichtet ist, nach bes-
tem Wissen und Gewissen und dem Sachstand, der ihr
vorliegt, zu antworten, bemühe ich mich genau um diesen
Tatbestand. Wir als zuständige Behörde haben die
Bundesanstalt für Arbeit gebeten, alle Fragen, die in die-
sem Zusammenhang stehen, zu beantworten. Soweit ich
dazu in der Lage bin, antworte ich auf der Grundlage die-
ses Sachstandes.
Auf alle Spekulationen – wie Sie was bezeichnen, wer
wo in welchen Gremien saß – gehe ich in diesem Zu-
sammenhang nicht ein. Spekulationen überlasse ich gerne
Ihnen.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Rainer Brüderle.
Herr Staatssekretär, es
ist doch ein ungeheuerlicher Vorgang, dass hier
ABM-Mittel eingesetzt werden, um Lachsbrötchen für
Gewerkschaftsfunktionäre anzufertigen oder um De-
monstrationen für den DGB und die SPD in Hamburg
durchzuführen. Da wäre es schon angemessen, wenn die
Bundesregierung, auch wenn es unangenehm ist, dazu
klare Worte fände.
Es ist ein ungeheurer Schaden für die Politik insge-
samt, aber auch für Instrumente der Arbeitsmarktpolitik
entstanden, über den Sie mit einer läppischen, formellen
Beantwortung von derartigen Fragen hinweggehen.
Sie erwecken den Eindruck, als ob es in Deutschland nor-
mal wäre, dass Arbeitslose mithilfe staatlicher Subven-
tionen zur Bewirtung von Gewerkschaftsfunktionären
oder zur Durchführung von Parteiveranstaltungen und
Demonstrationen eingesetzt werden. Dies ist doch keine
Bananenrepublik. Haben Sie nicht wenigstens die Fähig-
keit – –
– Die kommt schon, auch wenn es Ihnen unangenehm ist.
Ich formuliere die Fragen, wie ich will.
– Noch können wir hier im Parlament frei reden.
Ich werde mir nicht von Ihnen vorschreiben lassen, wie
wir nach Ihren Gewerkschaftsbrötchen zu fragen haben.
Wo sind wir denn hier? Noch können wir in diesem Land
frei reden. Sie schreiben uns nicht vor, was wir fragen.
Herr Kol-
lege Brüderle, kommen Sie bitte zur Frage!
Die Frage an den HerrnStaatssekretär: Müssen Sie als Vertreter der Bundesregie-rung dazu nicht klare Worte finden, wenn solcher Miss-brauch in Deutschland stattfindet, anstatt sich formell hin-ter einem Satz zu verschanzen?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 200117194
G
Herr Brüderle, Sie ha-
ben in Ihrer Frage gesagt, es seien Lachsbrötchen serviert
worden. Darüber ist mir nichts bekannt.
– Entschuldigen Sie, darf ich das noch einmal beantwor-
ten? Ich halte das für einen schwierigen Vorgang. Die
Bundesregierung ist nicht dazu da, Presseartikel zu kom-
mentieren, zu bestätigen oder zurückzuweisen.
Herr Koppelin, ich sage Ihnen und auch Herrn
Brüderle noch einmal: Wenn Sie eine Kleine Anfrage stel-
len, werden Ihre Fragen präzise und vor dem Hintergrund
von Recherchen der Bundesregierung ordentlich beant-
wortet.
Die Vorgänge in Zusammenhang mit den Lieferungen
des Partyservice standen das erste Mal am 11. Juni in den
Zeitungen. Ich wiederhole: am 11. Juni. Sowohl die Bun-
desanstalt für Arbeit und das Arbeitsamt Hamburg als
auch die Staatsanwaltschaft gehen diesen Vorgängen
nach. Wenn mir dazu sach- und fachgerechte Informatio-
nen vorliegen, werde ich Ihre Fragen beantworten. Aber
ich werde Ihnen nicht den Gefallen tun, Zeitungsartikel zu
kommentieren. Die erste Frage, die Sie mir gestellt haben,
habe ich gemäß meinem Informationsstand beantwortet.
Ich weise ansonsten alle Verdächtigungen, die Sie mir
gegenüber geäußert haben, entschieden zurück. Das, was
ich weiß, habe ich Ihnen gesagt. Die von Ihnen in der Klei-
nen Anfrage gestellten 19 Fragen werden fristgerecht bis
Freitag beantwortet sein. Auch Ihre Fragen, die Sie zu den
Vorgängen gestellt haben, die am 11. Juni bekannt gewor-
den sind, wird die Bundesregierung sach- und fachgerecht
beantworten. Ich betone das, damit das völlig klar ist.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen von Klaeden.
Herr Staatssekre-
tär, da Sie sich trotz der auch von Ihnen bestätigten Fak-
ten, die in den Zeitungsartikeln erwähnt werden, standhaft
weigern, von Filz zu sprechen und unsere Fragen zu
beantworten, möchte ich die aus Hamburg stammende
Staatssekretärin Mertens fragen, ob sie in dieser Angele-
genheit zu einer anderen Einschätzung kommt. Vielleicht
ist sie über die Vorgänge, über die Sie, Herr Andres, of-
fenbar nicht Bescheid wissen, besser informiert.
A
Herr
von Klaeden, ich beantworte alle Fragen, die meinen Be-
reich betreffen. Aber ich beantworte Ihnen nicht die
Frage, die Sie eben gestellt haben, weil ich als Vertreterin
des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Woh-
nungswesen dafür nicht zuständig bin. Mit dieser Frage
werden Sie bei mir nicht landen können.
Zur Ge-
schäftsordnung, Herr Koppelin.
Herr Präsident, da der
Parlamentarische Staatssekretär nur ausweichend antwor-
tet oder überhaupt keine Antworten gibt und da es zu Aus-
fällen des Kollegen Geschäftsführers der SPD-Fraktion
gegenüber meinem Kollegen Brüderle gekommen ist, be-
antrage ich die Herbeirufung des Arbeitsministers.
Über die-
sen Antrag muss abgestimmt werden.
Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zustimmen wol-
len, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Die Mehrheit – das ist angesichts der we-
nigen anwesenden Abgeordneten leicht festzustellen –
befürwortet die Herbeirufung.
Deswegen bitte ich, den Herrn Bundesminister herbeizu-
rufen, und unterbreche die Sitzung.
Wir set-zen die unterbrochene Sitzung fort. Ich begrüße zunächstHerrn Bundesminister Walter Riester.
Wie Sie wahrscheinlich gehört haben, Herr Minister, be-finden wir uns in der Fragestunde bei der Beantwortungder Frage 16 des Herrn Abgeordneten Koppelin. DieseFrage ist neben einigen Zusatzfragen noch nicht endgül-tig beantwortet worden; es gibt noch weitere Wortmel-dungen zu Zusatzfragen.Deswegen gebe ich jetzt dem Kollegen Dr. Grehn dasWort.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 2001 17195
Ich richte meine Frage an
den Herrn Staatssekretär.
Herr Kol-
lege Grehn, darf ich Sie darüber informieren, dass es
Sache der Bundesregierung ist, wer diese Frage beant-
wortet?
Okay, ja; ich habe es
verstanden.
Also, ich überlasse es selbstverständlich der Bundesre-
gierung. Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, dass
ich meine Frage ebenso gut an den Staatssekretär hätte
richten können.
Meine Frage ist schlicht und einfach – es ist eine Sach-
frage –: Ist das Verfahren bereits abgeschlossen oder re-
den wir über Dinge, die noch im Verfahren sind, über die
wir noch gar nicht richtig Bescheid wissen?
G
Der erste Teil ist – das
habe ich in der Antwort auf die Frage von Herrn Koppelin
schon ausgeführt – insoweit abgeschlossen, als eine
Nachforderung des Arbeitsamtes von etwas über
31 000 DM erfolgte. Dies geschah zum einen wegen der
Gewährung so genannter Arbeitszeitverkürzungstage, die
tarifvertraglich nicht vereinbart waren, und zum anderen
wegen der Teilnahme an Demonstrationen.
Was jetzt neu in der Diskussion ist und nach dem
11. Juni bekannt geworden ist, hat dazu geführt, dass das
Arbeitsamt erneut ermittelt, dass die Staatsanwaltschaft
eingeschaltet worden ist und dass es eine Reihe von Fol-
gen gibt, die jetzt erneut untersucht werden.
Das Verfahren ist insofern also nicht abgeschlossen.
Einige
weitere Kollegen haben sich inzwischen zu Wort gemel-
det. Zunächst geht das Fragerecht an Frau Kollegin
Schnieber-Jastram.
Herr Minis-
ter, wir haben es hier mit einem seltenen Fall von Perso-
nenidentität – auch Filz genannt – zu tun.
Ich würde gerne von Ihnen wissen: Beabsichtigt die Bun-
desregierung nach den Erfahrungen aus diesem Hambur-
ger Fall, bei der angekündigten Novellierung des SGB III
auch Regelungen einzuführen, die in Zukunft verhindern,
dass eine Person sowohl im Verwaltungsrat als auch in
dem Ausschuss, der die Mittel vergibt, sitzt und gleich-
zeitig Empfänger dieser Mittel ist?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Nein, das beabsichtigen wir bisher nicht. Sie
wissen, dass wir dieser Tage die Eckpunkte vorgelegt ha-
ben. Gerade ist gesagt worden, dass das Verfahren noch
nicht abgeschlossen wurde. Ich möchte, dass es insgesamt
bewertet werden kann. Wenn sich daraus die Konsequenz
ergeben sollte, notwendige Entscheidungen zu treffen,
werde ich mich für eine solche Regelung auch innerhalb
des SGB III einsetzen.
Das Fra-
gerecht geht an den Kollegen Funke von der F.D.P.-Frak-
tion.
Herr Minister, es geht hier um
Vorgänge aus den Jahren 1998 und 1999. Wie kommt es,
dass man zwei bzw. drei Jahre benötigt, um Ermittlungen
durchzuführen und somit der Aufsichtspflicht nachzu-
kommen?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Wir haben die Bundesanstalt für Arbeit so-
fort aufgefordert zu ermitteln. Der Staatssekretär hat
schon in seiner Antwort darauf hingewiesen, dass das Ar-
beitsamt Hamburg von sich aus ermittelt und erste Kon-
sequenzen eingefordert hat.
Ich kann Ihnen zusichern, dass wir unmittelbar handeln,
wenn uns entsprechende Sachverhalte bekannt werden.
Eine wei-
tere Frage des Kollegen Schockenhoff.
– Ich kann es nicht ändern. Sie haben nur eine Frage.
HerrMinister, nach Darstellung in der Presse wurden die ausIhrem Etat über ABM finanzierten Kräfte nicht nur zurDurchführung politischer Demonstrationen von DGB undSPD, sondern auch zu hausinternen ÖTV-Umzügen ein-gesetzt. Ich berufe mich noch einmal auf die Darstellungin der Presse: Dazu habe der Verein Rechnungen gestelltund im Gegenzug Spenden von den Gewerkschaften er-halten. Ist Ihnen bekannt, ob für diese Spenden Spenden-bescheinigungen ausgestellt wurden?Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-zialordnung: Nein, das ist mir nicht bekannt. Ich kom-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 200117196
mentiere auch keine Pressemeldungen. Wenn die Ermitt-lungen zu der Erkenntnis führen – sie sind noch nicht ab-geschlossen –, dass es Unregelmäßigkeiten gab, werdeich mich dafür einsetzen, dass diese Dinge geklärt undentsprechende Konsequenzen gezogen werden.
Eine wei-
tere Frage des Kollegen Uldall.
Herr Minister, wie beur-
teilt die Bundesregierung die Tatsache, dass es hier eine
sehr enge personelle Verflechtung zwischen dem Vorsitz
des Vereins, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der
führenden politischen Kraft
– der derzeit führenden Kraft – in Hamburg gegeben hat?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Zuerst einmal spricht nichts dagegen, dass
Personen mehrere Funktionen einnehmen. Es spricht nur
etwas dagegen, wenn sich daraus Unregelmäßigkeiten
oder auch strafrechtliche Handlungen ergeben. Genau das
wird geklärt.
Wir kom-
men zur Frage 17 des Kollegen Jürgen Koppelin:
Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, ob Veröffent-
lichungen zutreffen, dass ABM-Kräfte des Hamburger „Vereins
zur Betreuung von Arbeitslosen“ in der vereinseigenen Küche
Verpflegung für Gewerkschaftsfunktionäre zubereiten mussten
und im „Arbeitslosencafé“ des Vereins Gewerkschafter Feste
gefeiert haben, sodass das „Arbeitslosencafé“ für diesen Zweck
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Die genannten Vorwürfe sind dem Arbeits-
amt Hamburg erst durch Presseveröffentlichungen vom
11. Juni 2001 bekannt geworden. Eine Aussage dazu, in-
wieweit die Vorwürfe zutreffen, ist erst nach einer Prü-
fung durch das Arbeitsamt Hamburg möglich, die unver-
züglich eingeleitet wurde.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Koppelin.
Herr Minister, zum Vor-
wurf des Filzes in Hamburg: Wie ist es möglich, dass le-
diglich 31 000 DM zurückgefordert werden, obwohl nach
Pressedarstellung – Sie werden konkrete Zahlen haben,
die Sie uns sicherlich nennen können – dieser Verein im
Zusammenhang mit ABM-Kräften mit 660 000 DM ge-
fördert wurde? Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass der
Hamburger Senat, dessen Sozialsenatorin eine ehemalige
DGB-Chefin ist, sämtliche Mittel für den Verein gestri-
chen hat? Welche Konsequenzen haben Sie daraus bis
jetzt gezogen?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Ich habe schon vorhin gesagt, dass ich Pres-
seberichte nicht bewerte und dazu auch keine Stellung-
nahmen abgebe.
Für mich – ich nehme an, auch für Sie – ist wichtig, was
in dem noch nicht abgeschlossenen Verfahren tatsächlich
herauskommt. Anschließend werden die Konsequenzen
gezogen. Dass die Senatorin in Hamburg sofort gehandelt
hat, halte ich für richtig.
Der Kol-
lege Koppelin stellt seine zweite Zusatzfrage.
Da ich merke, dass Sieausweichen – –
– Herr Minister, Sie weichen immer auf das Verfahrenaus. – Herr Präsident, ich bitte, dafür zu sorgen, dass beiden Sozialdemokraten etwas Ruhe eintritt; aufgrund desThemas und des Filzes kann ich ja die Unruhe verstehen.
Herr Minister, wenn aus dem Parlament heraus Fragendieser Art gestellt werden, dann werden – Sie sagen, esgibt nur Presseberichte – Sie sich doch wahrscheinlichvorher in Hamburg bei der Sozialsenatorin kundig ge-macht haben. Oder wollen Sie mir erzählen, dass Sie sichbei diesen wirklich markanten Dingen, die es in Hamburggibt, bei der Sozialsenatorin Roth – sie war bis 1998DGB-Chefin – nicht kundig gemacht haben?
Ich möchte wissen, ob Sie sich zur Beantwortung meinerFragen in Hamburg kundig gemacht haben oder ob Siedas einfach haben laufen lassen?Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-zialordnung: Ich sage Ihnen noch einmal: Wir warten ab,bis der Sachverhalt geklärt ist. Vorher werden wir keineWertungen vornehmen. Anschließend werden wir Ihnenjede Frage beantworten. Ich werde nicht aufgrund vonPresseberichten Bewertungen vornehmen.
Ich habe Ihnen schon gesagt, dass dieses Thema nochnicht abgeschlossen ist. Wenn die Sachverhalte vorliegen,werden wir eine entsprechende Konsequenz ziehen undSie auch informieren.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 2001
Bundesminister Walter Riester17197
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Niebel.
Herr Arbeitsminister, die Sozial-
senatorin in Hamburg hat die Mittel offenkundig gestri-
chen. Vermutlich handelt es sich hier um eine Kofinan-
zierung des Landes Hamburg und der Bundesanstalt für
Arbeit. Hat die Bundesanstalt für Arbeit entsprechende
Konsequenzen aus dem Streichen der Kofinanzierung des
Landes Hamburg gezogen, und wenn nicht, wann ist da-
mit zu rechnen?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Sie wird Konsequenzen dann ziehen, wenn
der Sachverhalt klar ist. Ich sage noch einmal: Der Sach-
verhalt ist noch nicht abschließend geklärt. Wir haben der
Bundesanstalt den Auftrag gegeben, dies abzuklären. Das
Arbeitsamt Hamburg ist unmittelbar tätig geworden. Der
Sachverhalt ist noch nicht ganz geklärt. Die Bundesanstalt
wird aber die notwendigen Konsequenzen ziehen.
Eine Zu-
satzfrage der Kollegin Schnieber-Jastram.
Herr Minis-
ter, halten Sie es wirklich für möglich, dass die zuständige
Senatorin im Hamburger Senat, die jahrelang DGB-Vor-
sitzende in Norddeutschland gewesen ist, über diesen Fall
nicht informiert war? Der Kollege Uldall hat vorhin ge-
schildert, dass dieser Fall Jahre alt ist, bereits im letzten
Jahr durch die Presse gegangen ist und sie nicht gehandelt
hat. Halten Sie es für möglich, dass die zuständige Sena-
torin wirklich nicht informiert war?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Frau Schnieber-Jastram, ich bewerte nicht,
was möglich oder nicht möglich ist. Das müssten Sie im
Zweifelsfall die Kollegin Roth fragen. Ich kann nicht be-
urteilen, inwieweit der Sachverhalt bekannt war oder
nicht.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Uldall.
Herr Minister, auch
wenn Sie noch weiter zuwarten wollen, bis irgendwelche
weiteren Sachverhalte noch klarer sind, stellt sich doch
die Frage, ob es nicht klüger wäre, um ähnliche Skandale
zu verhindern, wenn bereits heute vonseiten der zuständi-
gen Stellen darauf geachtet würde, dass bei der Ge-
währung von entsprechenden Mitteln eine personelle Ver-
flechtung nicht vorliegt.
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Herr Uldall, ich sage noch einmal: Wir ha-
ben nicht erst heute, sondern unmittelbar gehandelt, in-
dem wir unmittelbar die Bundesanstalt für Arbeit beauf-
tragt haben, eine Klärung herbeizuführen.
Das Arbeitsamt Hamburg hat schon vorher ermittelt.
Wir sind also nicht im Zeitverzug, sondern wir haben un-
mittelbar gehandelt.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Brüderle.
Herr Minister, Sie werden
mir sicherlich zustimmen, dass die angesprochenen Ver-
öffentlichungen in der Presse in absolut seriösen Zeitun-
gen erfolgt sind. Wenn sich jetzt herausstellt, dass die
Veröffentlichungen in den Zeitungen der Wahrheit ent-
sprechen – das hat eine hohe Wahrscheinlichkeit, weil
das Organe sind, die nicht etwas frei erfinden –, werden
Sie dann Konsequenzen im Regelwerk ziehen, damit
zukünftig solche Verfilzungen, wie sie in Hamburg
augenscheinlich geworden sind, nicht mehr stattfinden
können?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Wenn das über eine Veränderung des Regel-
werks möglich ist, werden wir das tun.
– Entschuldigung! Das habe ich nicht gesagt. Ich habe ge-
nau gesagt, dass wir die Sache abwarten.
– Nein, Entschuldigung! Das werde ich Ihnen auch gleich
beantworten.
– Dann lesen Sie es anschließend nach!
Eine Zu-
satzfrage der Kollegin Hartnagel.
Herr Minister, ich bin mit Ih-nen der Meinung, dass aus der Presse nicht unbedingt im-mer die Wahrheit hervorgeht.Meine Frage geht dahin: Gehen alle Vorkommnisse ausdem gesamten Bundesgebiet, die möglicherweise nichtganz korrekt abgelaufen sind, über Ihren Schreibtisch?Das würde mich etwas wundern, und deshalb wundertmich natürlich auch die Aufregung hier bei der CDU, diesals Wahlkampfthema in den Bundestag zu bringen. An-ders kann ich das ja wohl nicht sehen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 200117198
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-zialordnung: Ihre Frage war, ob alle diese Maßnahmenüber meinen Schreibtisch gehen. Sie gehen in der Tatnicht alle über meinen Schreibtisch,
weil es auch nicht meine Aufgabe ist, sie unmittelbar zubearbeiten. Dafür haben wir Fachbeamte, die das aber,wenn solche Dinge auftreten, sofort bereinigen. Nicht allediese Dinge haben allerdings die Publizität, die wir imMoment im Parlament bei dieser Frage haben.
Eine wei-
tere Zusatzfrage des Kollegen Funke.
Herr Minister, das Arbeitsamt
hat ja inzwischen einen Rückforderungsbescheid erlas-
sen, also einen Verwaltungsakt vorgenommen. Gehen Sie
davon aus, dass das Arbeitsamt einen Verwaltungsakt vor-
nimmt, nachdem die Vorwürfe geprüft worden sind? Und
wie erklären Sie sich, dass Sie jetzt gerade gesagt haben,
der Vorgang müsse noch geprüft werden? Da scheint mir
doch ein gewisser Widerspruch zu sein.
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Weil er offensichtlich noch nicht abge-
schlossen ist. Darauf hat Staatssekretär Andres schon ge-
antwortet. Wenn er abgeschlossen ist, werden wir zu
entsprechenden Schlüssen kommen.
Ich greife nochmals auf, was gerade angesprochen
worden ist: Wenn sich im Regelwerk etwas ändern lässt,
um dem vorzubeugen, werden wir auch im Regelwerk
Veränderungen vornehmen.
Eine Zu-
satzfrage der Kollegin Barnett.
Herr Minister, mit Sicherheit
gibt es ziemlich viele Maßnahmen, die die BA im Laufe
des Jahres in allen Bundesländern durchführt. Davon gehe
ich aus. Haben Sie eine Übersicht darüber, wie viele Maß-
nahmen das sind? Haben Sie eine Übersicht darüber, bei
wie vielen Maßnahmen es möglicherweise zu Rückforde-
rungen kommt, weil es vielleicht nicht ganz so zugeht,
wie das Gesetz es vorschreibt?
In wie vielen dieser Fälle sind Sie persönlich auch davon
betroffen, und haben Sie die selbst aufzuklären?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Zunächst einmal kann ich nicht die Zahl der
einzelnen Maßnahmen nennen. Aber ich kann Ihnen sa-
gen: Für die aktive Arbeitsmarktpolitik setzen wir in die-
sem Jahr fast 43Milliarden DM ein. Das mag Ihnen etwas
aufzeigen, in welchem Umfang wir Maßnahmen durch-
führen.
Wenn Missstände auftreten – es treten immer wieder
einzelne Missstände auf –, dann gehen die nicht alle über
meinen Schreibtisch. Die kann ich also nicht im Einzel-
nen beantworten.
– Entschuldigung! „So viele waren das?“ Das ist ein ei-
genartiger Vorwurf. Ich habe nicht gesagt, dass es viele
sind. – Aber wenn einzelne Vorwürfe kommen, dann wer-
den sie unmittelbar bearbeitet.
Ich würde
Ihnen gern das Wort geben, aber die Geschäftsordnung
lässt das nicht zu. Deswegen gebe ich jetzt das Wort zu ei-
ner Zusatzfrage dem Kollegen von Klaeden.
Zunächst darf ich
mich bei der Kollegin von der SPD für ihre Zwischenfra-
gen bedanken, weil sie zeigen, wie es um das Auf-
klärungsinteresse der SPD tatsächlich bestellt ist.
Jetzt meine Frage an den Herrn Minister.
Bitte stel-
len Sie Ihre Frage.
Herr Minister, Siehaben festgestellt, dass die Sozialbehörde in Hamburg dieZahlung der Mittel eingestellt hat, und haben gleichzeitiggesagt, dass Sie, weil der Sachverhalt noch nicht aufge-klärt sei, eine entsprechende Maßnahme der Bundesan-stalt für Arbeit noch nicht eingeleitet haben.Daraus leite ich die Frage ab: Haben Sie es unterlassen,die Sozialbehörde bei der Aufklärung um Amtshilfe zubitten – nur daraus würde sich erklären, dass es einen un-terschiedlichen Aufklärungsstand gibt –, oder bewertenSie die Entscheidung der Hamburger Sozialbehörde, vordem Hintergrund eines nicht aufgeklärten Sachverhaltsdie Zahlung der Mittel einzustellen, als rechtswidrig?Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-zialordnung: Nein, ich bewerte das nicht als rechtswidrig.Wir haben gesagt, dass dieser gesamte Vorgang noch wei-ter geklärt wird. Er ist in sich noch nicht abgeschlossen,und diesen Abschluss möchte ich abwarten.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 2001 17199
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Polenz.
Müssen wir aus die-
ser Antwort schließen, dass die Bundesanstalt für Arbeit
bis auf weiteres weiter zahlt und dass die Rückforderun-
gen dann möglicherweise recht schwierig einzutreiben
sein könnten?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Nein, das müssen Sie nicht daraus schließen.
Eine Zu-
satzfrage der Kollegin Rennebach.
Herr Minister, sind Sie
mit mir einer Meinung, dass wir überall dort, wo in dieser
Republik Fehlverhalten auftaucht, aufklären müssen und
dafür sorgen müssen, dass so etwas nicht mehr vor-
kommt? Finden Sie es, zweitens, nicht sehr gut, dass wir
in dieser Demokratie eine Teilung der Aufgaben zwischen
Ländern und Bund haben – dies spiegelt sich auch bei der
Bundesanstalt für Arbeit wider – und dass alle Vorkomm-
nisse, die die Bundesanstalt für Arbeit betreffen, von
Herrn Jagoda aufgeklärt werden müssen? Und sind Sie
mit mir der Meinung,
dass man im laufenden Vermittlungsverfahren mit Speku-
lationen mehr Schaden anrichten kann, als man helfen
kann, Schaden richtig aufzuklären?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Ich teile Ihre Auffassung völlig. Sie haben an
meiner Beantwortung gewiss gesehen, dass ich nicht auf
Dinge eingehe und diese bewerte, bevor sie – und zwar
nicht allein durch die Presse vermittelt und bewertet, son-
dern aus den Sachverhalten heraus – klar und richtig da-
stehen. Ich kann Ihnen aber auch sagen: Allen Einzelfäl-
len muss nachgegangen werden. Das wird auch in Zu-
kunft der Fall sein. Ich wünsche mir durchaus, dass wir in
spektakulären Einzelfällen einmal eine parlamentarische
Debatte führen, allerdings nicht nur im Vorfeld von Wahl-
kämpfen.
Eine Zu-
satzfrage der Kollegin Homburger.
Herr Minister, Sie beto-
nen fortlaufend, dass die Klärung des Sachverhaltes noch
nicht abgeschlossen sei. Gleichzeitig haben Sie der Fest-
stellung mehrerer Kollegen hier, dass das Arbeitsamt
Hamburg die Zahlungen eingestellt und damit einen Ver-
waltungsakt erlassen habe, nicht widersprochen. Ich frage
Sie deshalb: Können Sie sich vorstellen, dass das Arbeits-
amt Hamburg vor Klärung der gesamten Sachlage, also
bevor das alles klar war, einen solchen Verwaltungsakt er-
lässt?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Das kann ich mir vorstellen.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Schockenhoff.
Herr
Minister, Sie haben gerade gesagt, sobald Sie Kenntnis
von dem Verdacht bekämen, Gelder aus Ihrem Haushalt
seien rechtswidrig verwendet worden, würden Sie das un-
mittelbar bearbeiten und aufklären. Nun liegt genau zu
dem Sachverhalt, über den wir heute reden, eine schriftli-
che Kleine Anfrage mit Datum 9. Juni 2000 an die Ham-
burger Bürgerschaft vor. Das ist mehr als ein Jahr her.
Wann haben Sie die Bundesanstalt für Arbeit beauftragt,
das unmittelbar und sofort aufzuklären? Und haben Sie,
etwa nach Ablauf eines Jahres, einmal nachgefragt, ob das
denn aufgeklärt sei?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Wir haben Ihnen schon mitgeteilt, dass es ei-
nen Rückforderungsbescheid der Bundesanstalt für Arbeit
über 31 500 DM gegeben hat.
– Ich sage Ihnen ja, 31 500 DM sind zurückgefordert wor-
den.
Herr Kol-lege Schockenhoff, es ist einfach so, dass Kollegen, diekeine Fragen für die Fragestunde gestellt haben, bei einerFrage immer nur eine Zusatzfrage haben. Man muss sichalso schon ein bisschen verständigen, und vielleicht eineKollegin oder einen Kollegen bitten, mit seiner Frage zukommen.
– Aber der amtierende Präsident hat nicht das Recht, Fra-gen und Antworten zu bewerten.Deswegen gebe ich das Wort zu einer Zusatzfrage jetztdem Kollegen Laumann.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 200117200
Herr Minister,
welche Maßnahmen haben Sie denn bis jetzt ergriffen, um
den Regressanspruch, den die Bundesanstalt für Arbeit
gegen diesen Verein möglicherweise hat, zu sichern?
Können Sie sich darüber hinaus auch vorstellen, dass Sie
zur Regresssicherung auch die Nutznießer dieses Vereins,
nämlich die SPD und den DGB, mit heranziehen?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Wir haben entsprechend der Zuständigkeit
und Verantwortung zuerst einmal die Bundesanstalt für
Arbeit beauftragt,
unmittelbar Klärung herbeizuführen, und wir haben Ihnen
mitgeteilt, dass das Arbeitsamt Hamburg 31 500 DM ein-
gefordert hat. So ist auch die Verteilung der Zuständig-
keiten.
Ich habe Ihnen gesagt: Wir werden abwarten, bis die voll-
ständige Information vorliegt. Dann werden wir im Lichte
der vorliegenden Information die Entscheidungen treffen.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Dr. Friedrich.
Herr
Minister, es gab wohl vor einiger Zeit in Hamburg schon
einen ähnlichen Fall. Damals wurden ABM-Kräfte für die
Renovierung von Privathäusern eingesetzt. Der Drahtzie-
her dieser Aktion war der SPD-Kreisvorsitzende Pape.
Meine Frage: War Ihnen das bekannt und fürchten Sie
nicht, dass wir es hier mit der Spitze eines Eisberges von
Genossenfilz in Hamburg zu tun haben?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Was Sie jetzt bringen, ist eine Information,
die Sie offensichtlich aus der Zeitung haben. Mir persön-
lich ist dieser Vorgang nicht bekannt.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Dr. Protzner.
Herr Minister,
der Sachverhalt ist in der Hamburger Bürgerschaft am
9. Juni 2000 bekannt geworden. Wir haben heute den
20. Juni 2001. Wenden Sie immer die Jahresfrist an, be-
vor Sie mit der Aufklärung von so schwierigen Sachver-
halten beginnen?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Es sind zwei unterschiedliche Tatbestände,
die Sie hier zitieren.
– Doch.
Es gibt
keine weiteren Zusatzfragen.
Die Fragen 18 und 19 der Kollegin Schnieber-Jastram
werden schriftlich beantwortet.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich
danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf. Zur Beant-
wortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin
Angelika Mertens zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 20 des Kollegen Hartmut
Koschyk:
Welche verkehrspolitischen Konsequenzen zieht die Bundes-
regierung aus der Ankündigung der Tschechischen Republik, bis
zum Jahre 2006 eine vierspurige Straßenverbindung von Prag
über Karlsbad und Eger bis zur deutsch-tschechischen Grenze fer-
tig zu stellen?
A
Herr
Kollege Koschyk, bereits im Rahmen des 1999 abge-
schlossenen TINA-Prozesses – TINA ist die Ermittlung
des wirtschaftlich notwendigen Verkehrsinfrastrukturbe-
darfes in den assoziierten Staaten – zwischen den Mit-
gliedstaaten der EU und den zehn assoziierten Staaten zur
Erweiterung der transeuropäischen Netze hat sich die
Bundesregierung bereit erklärt, bei der Überarbeitung des
Bundesverkehrswegeplans zu prüfen, ob im Falle eines
vierstreifigen autobahnähnlichen Ausbaus der E 48 in
Tschechien zwischen Prag und der deutschen Grenze
westlich Eger auf deutscher Seite anstelle der vorgesehe-
nen zweistreifigen B 303 n der Bedarf für eine vierstrei-
fige Autobahnverbindung bis zur A 9 nachgewiesen wer-
den kann. In diesem Fall könnte eine durchgehende
grenzüberschreitende Autobahnverbindung Bestandteil
eines künftigen transeuropäischen Straßennetzes werden.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Koschyk.
Frau Staatssekretä-rin, hat es denn im Hinblick auf diese Verkehrsmaßnahmevon tschechischer Seite einen bilateralen Abstimmungs-prozess mit der Bundesregierung gegeben und hat die
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 2001 17201
Bundesregierung unabhängig von Maßnahmen auf derEbene der Europäischen Union auch eine bilateraledeutsch-tschechische Verkehrskonzeption für diesenGrenzraum entwickelt und wie sieht die aus?A
Ich
kann Ihnen auf jeden Fall sagen, dass die Voraussetzung
für eine Aufnahme in ein künftiges transeuropäisches
Straßennetz das Vorliegen eines Konzeptes einer durch-
gehenden grenzüberschreitenden Autobahn mit An-
schluss an das deutsche Autobahnnetz sein muss. Die
Bundesregierung hat zugesagt, im Rahmen der Überar-
beitung des Bundesverkehrswegeplanes zu prüfen, ob der
Bedarf für eine solche Autobahnverbindung bis zur A 9
existiert. Ich kann Ihnen – das beantwortet vielleicht
schon die nächste Frage – über den Stand der Arbeiten be-
richten.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretä-
rin, liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über das
von tschechischer Seite prognostizierte Verkehrsaufkom-
men auf der Strecke von Prag über Karlsbad und Eger vor,
damit die Bundesregierung abschätzen kann, welches
Verkehrsaufkommen sich bei einer Weiterführung der
Strecke ab der tschechisch-deutschen Grenze in Deutsch-
land ergibt?
A
Ich
gehe davon aus – ich habe diese Zahlen nicht vorliegen –,
dass das, was uns die Tschechen mitgeteilt haben, zu un-
seren Bewertungen geführt hat. Ich kann Ihnen vielleicht
sagen, dass die Tschechen ihren Zeithorizont ein wenig
erweitert haben, indem sie davon ausgehen, dass die
durchgehende Fertigstellung dieser Strecke nicht im
Jahre 2006, sondern wahrscheinlich erst Mitte des fol-
genden Jahrzehnts, also ungefähr 2015, erfolgt sein wird.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Dr. Friedrich.
Frau
Staatssekretärin, ich bin über Ihre Antwort etwas über-
rascht; denn der tschechische Verkehrsminister hat erst
vor wenigen Wochen verlauten lassen, dass 2006 weiter-
hin als Ziel der Fertigstellung gilt.
Meine Frage ist: Hält es die Bundesregierung, wenn
diese vierspurige Verkehrsverbindung von Prag nach Eger
an die deutsche Landesgrenze gebaut wird – ich knüpfe an
Ihre allererste Antwort an –, dann für sinnvoll, den Ver-
kehr gebündelt weiterzuführen? Oder gibt es Überlegun-
gen, den Verkehr im Fichtelgebirge zerfleddern zu lassen?
A
Ich
kann Ihnen zum Stand der Arbeiten sagen, dass die Er-
gebnisse der 1998 – übrigens mit maßgeblicher finanziel-
ler Beteiligung des Bundes – in Auftrag gegebenen ver-
kehrswirtschaftlichen Untersuchung jetzt vorliegen.
Danach bietet eine vierstreifige Lösung für die B 303 n
verkehrliche und raumordnerische Vorteile gegenüber ei-
ner zweistreifigen Lösung.
Die Ergebnisse der zusätzlich in Auftrag gegebenen
Machbarkeitsstudie werden am 25. Juni dieses Jahres,
also in einigen Tagen, in Wunsiedel den Mandatsträgern
und den Trägern öffentlicher Belange vorgestellt. Unver-
züglich im Anschluss daran erhält dann der BMVBW die
entsprechenden zur Bewertung erforderlichen Projektun-
terlagen. Ich hoffe, dass ich Ihnen damit eine gute Mittei-
lung mache.
Herr Kol-
lege Protzner.
Wie will das
Bundesverkehrsministerium, Frau Staatssekretärin, auf
die Beschlüsse von Göteborg reagieren, nach denen den
Nachbarstaaten, also auch der Tschechoslowakei, der Bei-
tritt bis 2004 angeboten worden ist? Es dauert doch sehr
lange, wenn erst 2015 mit dem Straßenbau begonnen wer-
den sollte. Die europäische Einigung soll doch vorwärts
gehen und nicht aufgehalten werden.
A
Ich
stimme Ihnen zu, dass die europäische Einigung vorwärts
gehen soll. Wir haben am 15. Juni 2001 eine Anfrage an
das tschechische Verkehrsministerium gestellt und nach
dem Konzept des vierstreifigen Ausbaus der E 48 gefragt.
Dieser wurde uns bestätigt. Uns wurde aber gesagt, dass
der Zeithorizont für die durchgehende Fertigstellung eben
nicht das Jahr 2006, sondern wahrscheinlich das
Jahr 2015 ist. Dies haben nicht wir zu bestimmen, sondern
das ist das, was uns das tschechische Verkehrsministerium
übermittelt hat.
Ich rufe die
Frage 21 des Kollegen Hartmut Koschyk auf:
Welche Planungen sind für den Lückenschluss zwischen der
Bundesautobahn A 93 und der A 9 vorgesehen, die der tatsächli-
chen Verkehrsentwicklung der letzten Jahre und der Prognosen für
Güter- und Pendlerströme Rechnung tragen?
A
Der
geltende Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen sieht mit
Abschnitten unterschiedlicher Dringlichkeit den durch-
gehenden zweistreifigen Neubau der B 303 n zwischen
der deutsch-tschechischen Grenze östlich Schirnding und
der A 9 vor. Davon ist bereits seit Ende 1995 die Umge-
hung Schirnding in Verkehr.
Ich glaube, ich habe eben schon dokumentiert, wie
auch wir uns das vorstellen könnten.
Zusatzfrage.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 2001
Hartmut Koschyk17202
Frau Staatssekretä-
rin, das verkehrswirtschaftliche Gutachten, das dankens-
werterweise mit finanzieller Unterstützung der Bundesre-
gierung zustande gekommen ist, liegt doch schon länger
vor. Ist die Bundesregierung bereit, aus diesem Gutach-
ten, das einen vierstreifigen Ausbau in einem bestimmten
Korridor empfiehlt, im Hinblick auf ihre weitere Ver-
kehrsplanung die Konsequenz zu ziehen, von einer höhe-
ren Dringlichkeitsstufe des Bedarfs für diese Strecke aus-
zugehen, als es im aktuellen Verkehrswegeplan der Fall
ist?
A
Wir
können uns im Moment nur auf den geltenden Verkehrs-
wegeplan und den geltenden Bedarfsplan beziehen. Also
werden wir die Entscheidungen erst treffen können, wenn
der neue Bundesverkehrswegeplan vorliegt. Dann wird
das Parlament entscheiden.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretä-
rin, ich möchte noch einmal auf das zu sprechen kommen,
was der Kollege Protzner zu Recht gesagt hat: Auch durch
Mitwirkung der Bundesregierung hat der EU-Rat in Göte-
borg der Beitrittsperspektive für Tschechien eine zeitliche
Bestimmung gegeben. Von tschechischer Seite bestehen
konkrete Planungen für die Strecke Prag–Karlsbad–Eger.
Müssen Sie nicht im Hinblick darauf – eventuell durch ein
Sonderprogramm – dafür Sorge tragen, dass die Schaf-
fung einer Anschlussstrecke auf deutscher Seite mit höhe-
rer Dringlichkeit verfolgt wird?
A
Ich
habe nachher die Möglichkeit, darauf einzugehen, weil
eine der nächsten Fragen genau darauf abzielt. Ich denke,
dass Sie das abwarten sollten.
Dann gebe
ich das Wort zu einer Zusatzfrage dem Kollegen
Dr. Friedrich.
Frau
Staatssekretärin, am Montag hat die „Frankfurter Allge-
meine Zeitung“ über einen Vortrag der EU-Verkehrskom-
missarin, Frau de Palacio, berichtet. Darin heißt es, man
wolle eine stärkere Verlagerung des Güterverkehrs von
der Straße auf die Schiene. Ein Punkt in diesem Vortrag
war, dass wir die Schweiz als Vorbild für den Stra-
ßenverkehr nehmen sollten, die sehr viel mit Tunnellö-
sungen arbeitet. Würden Sie bei Straßenbauten gerade
durch Mittelgebirge, die ökologisch sehr sensibel sind,
Tunnellösungen grundsätzlich ausschließen, auch für das
Fichtelgebirge? Oder wäre das eine denkbare Lösung?
A
Sie
wissen, dass Tunnellösungen immer sehr problematisch
und sehr teuer sind. Insofern kann man das weder aus-
schließen, noch könnte man die Forderung begrüßen, be-
sonders viele Tunnel zu bauen. Das wird immer davon ab-
hängen, welche Alternativen es gibt. Man wird sehen, ob
eine Maßnahme nur durch einen Tunnel zu verwirklichen
ist, oder ob es nicht auch Alternativen gibt, die sich preis-
lich besser darstellen, die aber auch einen hohen verkehr-
lichen Nutzen haben.
Sie können
gleich stehen bleiben, Herr Kollege Friedrich. Denn jetzt
kommen wir zu Ihrer Frage 22:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die im Vor-
dringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans vorgesehene
vierspurige Verbindung Schirnding/Landesgrenze zur Bundes-
autobahn A 93 unverzüglich in Angriff genommen werden
muss?
Auch da geht es um den Bundesverkehrswegeplan. – Frau
Staatssekretärin.
A
Der
geltende Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen enthält
die B 303 n zwischen der deutsch-tschechischen Grenze
und der A 93 als zwei zweistreifige Projekte mit insge-
samt rund elf Kilometern Länge, und zwar die „Ortsum-
gehung Schirnding“ und die „Verlegung zwischen west-
lich Schirnding und der A 93“, im Vordringlichen
Bedarf.
Mit der seit Ende 1995 in Verkehr befindlichen Umge-
hung Schirnding ist die vorhandene B 303 ortsdurch-
fahrtsfrei. Die Belastung der B 303 weist zwar einen über-
proportional hohen LKW-Anteil auf, liegt jedoch mit rund
7 500 Kfz innerhalb von 24 Stunden deutlich unterhalb
der durchschnittlichen Belastung von Bundesstraßen in
Höhe von rund 10 000 Kfz in 24 Stunden.
Zusatzfrage.
FrauStaatssekretärin, wir haben momentan in Schirnding eineverkehrlich sehr gefährliche Situation, weil es vor demGrenzübergang kilometerlange Staus auf dieser zweistrei-figen Bundesstraße gibt. Die PKW-Fahrer, die an LKWsvorbeifahren wollen, müssen sozusagen immer auf Lückefahren. Das ist vor allem in der Nacht außerordentlich ge-fährlich. Es ist im Grunde nur eine Frage der Zeit, wanndort ein schwerer Verkehrsunfall passieren wird.Nun hat das Straßenbauamt die Lösung in Erwägunggezogen, die bisherige zweistreifige Straße vor dem Grenz-übergang auf vier Streifen auszubauen und die Kosten füreinen solchen Ausbau auf 700 000 DM geschätzt. Gleich-zeitig stehen dem Zoll über die Oberfinanzdirektionen– das ist ein anderer Titel des Bundeshaushalts – Gelderzur Verfügung, um am Grenzübergang eventuell einenParkplatz als Ausweichmöglichkeit für die wartendenLKWs anzulegen. Die Frage, die sich nun stellt, ist: Se-hen Sie eine Möglichkeit, dass man die Straße von zwei
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 2001 17203
auf vier Streifen für 700 000 DM ausbaut, anstatt 2 Milli-onen DM für einen Parkplatz auszugeben?A
Das
kann ich jetzt von hier aus nicht beurteilen. Wir sollten
noch einmal darüber sprechen. Autohöfe sind sehr wich-
tig. Nach meinen Informationen wird die Straße unter-
schiedlich stark belastet, mal mehr und mal weniger. Ein
vierstreifiger Ausbau der B 303 n bietet – darauf habe ich
in meiner Antwort schon hingewiesen – verkehrliche und
raumordnerische Vorteile gegenüber einer zweistreifigen
Lösung. Vielleicht sollte man sich das noch einmal genau
anschauen.
Ich rufe die
Frage 23 des Kollegen Dr. Hans-Peter Friedrich auf:
Welche Maßnahmen sind vorgesehen, um den Verkehrsträger
Schiene im West-Verkehr nach der EU-Osterweiterung insbeson-
dere von Prag, Karlsbad, Eger in Richtung Nürnberg, Schwein-
furt, Würzburg und Frankfurt zu ertüchtigen?
A
Die
Bundesregierung beabsichtigt, der Europäischen Kom-
mission im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung
vorzuschlagen, Fördermittel für den Ausbau der Strecke
von Nürnberg über Marktredwitz bis zur deutsch-tsche-
chischen Grenze bereitzustellen. Gefördert werden sollen
die Anpassung der Strecke für Neigetechnikfahrzeuge
und die Elektrifizierung des Abschnittes Marktredwitz bis
zur deutsch-tschechischen Grenze.
Eine Zu-
satzfrage.
Frau
Staatssekretärin, ich möchte an den vorhin zitierten Arti-
kel von Frau de Palacio anknüpfen, in dem sie festgestellt
hat, dass sich der LKW-Verkehr in Europa in den nächs-
ten zehn Jahren verdoppeln werde. Der Verkehrsfluss
wird sich in besonderem Maße dort verstärken, wo durch
die EU-Osterweiterung eine völlig neue Wirtschafts- und
Verkehrssituation geschaffen werden wird, wie eben im
Bereich entlang der Grenze zwischen Tschechien und
Deutschland.
Meine Frage ist: Wäre es nicht sinnvoll, angesichts der
bevorstehenden EU-Osterweiterung und der Tatsache,
dass die dortigen Straßen aufgrund des lange bestehenden
Eisernen Vorhangs noch etwas unterentwickelt sind, im
Sinne von Frau de Palacio ein Vorzeigeprojekt, ein Pilot-
projekt, zwischen Marktredwitz und Nürnberg auf die
Beine zu stellen, sodass mehr Güter zwischen Prag und
Frankfurt auf die Schiene gebracht werden können?
A
Sie
nehmen die Frage des neben Ihnen sitzenden Kollegen
Dr. Protzner quasi vorweg. Ich werde darauf später zu
sprechen kommen.
Die von Ihnen angesprochene Strecke ist sicherlich
ganz wichtig. Aber wir haben festgestellt, dass weder der
gänzliche noch der teilweise Neubau der Strecke, um sie
an die Erfordernisse des Hochgeschwindigkeitsverkehrs
anzupassen, wirtschaftlich ist. Trotzdem muss die Fahr-
zeit schrittweise reduziert werden. Dafür müssen entspre-
chende Gelder bereitgestellt werden. Für die Elek-
trifizierung des Abschnittes von Marktredwitz bis zur
deutsch-tschechischen Grenze stehen 15 Millionen DM
zur Verfügung. Tschechien beteiligt sich mit 85 Milli-
onen DM.
Angesichts der Tatsache, dass die Elektrifizierung sehr
teuer ist und dass auf der Strecke Nürnberg–Hof zahlrei-
che Tunnel und Querungen notwendig wären, gehen wir
davon aus, dass Fahrzeuge mit Neigetechnik im Diesel-
betrieb eingesetzt werden und dass dadurch die Fahrzeit
von Nürnberg nach Prag um 1 Stunde und 21 Minuten auf
3 Stunden und 46 Minuten reduziert werden kann.
Eine letzte
Zusatzfrage.
Haben
Sie schon einmal geprüft, ob es möglicherweise Privatun-
ternehmer gibt, die bereit sind, in Prag, in Marktredwitz,
in Nürnberg oder in Frankfurt KV-Terminals selbst zu
finanzieren und zu betreiben?
A
Ich
kann Ihnen diese Frage nicht im Detail beantworten. Ich
werde gerne überprüfen lassen, ob ein Privatunternehmer
schon Interesse an einem KV-Terminal geäußert hat oder
ob sich in dieser Hinsicht etwas machen lässt. Ich kann
nur sagen: Wir unterstützen alle KV-Vorhaben, sofern sie
förderungswürdig sind. Ich möchte darauf verweisen,
dass wir in diesem Jahr die finanziellen Mittel zur
KV-Förderung von 90 Millionen DM auf 120 Milli-
onen DM erhöht haben.
Ich rufe die
Frage 24 des Kollegen Dr. Protzner auf:
Wird die Bundesregierung im Hinblick auf die EU-Osterwei-
terung ein darauf ausgerichtetes, umfassendes Verkehrskonzept
vorlegen?
A
Die
Bundesregierung hat in ihrem Konzept einer integrierten
Verkehrspolitik, das mit dem Verkehrsbericht 2000 vor-
gestellt wurde, ein auch auf die EU-Osterweiterung aus-
gerichtetes, umfassendes Verkehrskonzept vorgelegt.
Frau Staatssekretä-rin, es gibt eine interministerielle Arbeitsgruppe, die einErgebnispapier erstellt hat. Bislang war in diesem Papier
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 2001
Dr. Hans-Peter Friedrich
17204
die Europastraße 48 nicht enthalten. Was dieses Papier an-geht, ist das Bundeswirtschaftsministerium federführend.Ist dieses Papier, das etwa vier Wochen alt ist, aufgrundIhrer Aussagen mittlerweile überholt?A
Das
muss ich prüfen lassen. Ich will dem Bundeswirtschafts-
ministerium nicht zuvorkommen.
Ich rufe die
Frage 25 des Kollegen Protzner auf:
Gibt es Pläne der Bundesregierung, vergleichbar dem Ver-
kehrsprojekt „Deutsche Einheit“ im Zuge der deutschen Wieder-
vereinigung, gesonderte Infrastrukturmittel für Verkehrsprojekte
„Europäische Osterweiterung“ im Bundeshaushalt vorzusehen?
A
Ich habe eigentlich damit gerechnet, dass Sie eine Nach-
frage zu möglichen Plänen zur Aufnahme von Verkehrs-
wegeprojekten in Grenzförderprogramme stellen. Es ist
schade, dass Sie das nicht getan haben. Eine solche Frage
hätte ich gerne beantwortet.
Herr Protzner, die für die Bewältigung der prognosti-
zierten Verkehrsentwicklung wichtigen Verkehrsprojekte
im Eisenbahn-, im Bundesfernstraßen- und im Bundes-
wasserstraßengesetz sind im Investitionsprogramm 1999
bis 2002, im EFRE-Bundesprogramm 2000 bis 2006 und
im Zukunftsinvestitionsprogramm enthalten.
Frau Staatssekretä-
rin, die E 48 ist in keinem dieser Programme enthalten.
Beabsichtigt die Bundesregierung, den Lückenschluss der
Europastraße Würzburg–Prag in ein weiteres Programm
aufzunehmen?
A
Diese Frage kann ich Ihnen im Moment nicht beantwor-
ten. Vielleicht werden sich entsprechende Pläne im neuen
Bundesverkehrswegeplan wiederfinden. Auch im Hin-
blick auf das, worauf sich Ihre vorherige Frage bezog
– anscheinend ist das Wirtschaftsministerium involviert –,
will ich mich gerne erkundigen, ob es entsprechende Pla-
nungen gibt. In meinen Unterlagen liegt jetzt nichts vor.
Frau Staatssekretä-
rin, Sie verweisen immer auf den Bundesverkehrswege-
plan von 1992. Nach dem Bundesfernstraßengesetz gibt
es die Möglichkeit der ausnahmsweisen Aufnahme von
Verkehrsprojekten in das Bauprogramm. Will die Bun-
desregierung im Hinblick auf die Europastraße 48 in die-
sem Fall davon Gebrauch machen?
A
Eine
solche Frage richtet sich immer an das Parlament und
nicht an die Regierung.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Dr. Friedrich.
Frau Staatssekretärin, derzeit überqueren jährlich
470 000 LKWs den Grenzübergang Schirnding. Sie kom-
men von Tschechien und fahren auf einer zweispurigen
Bundesstraße über das Fichtelgebirge.
Herr Kol-
lege Friedrich, stellen Sie bitte eine Frage.
Uns
liegt die Prognose der dortigen Polizei vor, dass sich die-
ser Verkehr in den nächsten zehn Jahren verdoppeln wird.
Uns liegt auch die Prognose vor, dass nach der EU-Ost-
erweiterung die Pendlerströme in den bayerischen Grenz-
raum einen Umfang von 50 000 Personen haben werden.
Frage: Liegen Ihnen ähnliche Prognosen vor oder haben
Sie aktuellere Prognosen, die Sie uns dazu nennen
können?
A
Ins-
gesamt – das steht auch im Verkehrsbericht 2000 – gehen
wir davon aus, dass in dieser Republik bis 2015 der Gü-
terverkehr um 64 Prozent und der Personenverkehr um
20 Prozent zunehmen werden. Wir müssen aber sehen,
dass der Verkehrsumfang an den Grenzen durchschnitt-
lich eher geringer ist; dort ist von einem niedrigeren Ni-
veau auszugehen. Wahrscheinlich wird es zu einer Ver-
dreifachung kommen; das ist schon eine ganze Menge.
Insofern haben wir logischerweise bei allen Planungen
die grenzüberschreitenden Projekte im Kopf.
Nur muss ich sagen: Wir würden gerne mehr finanzie-
ren, wenn es um die Finanzen besser bestellt wäre. Wir ha-
ben es nicht zu verantworten, dass in den letzten Jahren
– vor allem in Ihrer Regierungszeit – sicherlich sinnvolle
Projekte begonnen wurden, deren Fertigstellung sich dah-
inschleppt. Wir müssen die Versäumnisse zuerst einmal
aufarbeiten. Sie wissen aber, dass wir alle Probleme hin-
sichtlich grenzüberschreitender Projekte, sei es bei der
Straße, der Schiene oder der Wasserstraße, mit besonderer
Aufmerksamkeit betrachten werden. Das Verkehrsaufkom-
men bei den einzelnen Projekten muss dabei aber so stark
sein, dass es sich rechnet, dort viel Geld zu investieren.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Koschyk.
Frau Staatssekretä-rin, welche Maßnahmen hat die Bundesregierung im Hin-blick auf die Tatsache, dass vor allem die Grenzräume zu
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 20. Juni 2001
Dr. Bernd Protzner17205
den Beitrittstaaten im Zuge der Erweiterung die Haupt-verkehrslast in Deutschland zu tragen haben werden,unternommen, um für den Ausbau der Verkehrswege indiesen Grenzbereichen zu den Erweiterungsländern euro-päische Mittel zu bekommen, und mit welchem Erfolg istdie Bundesregierung gegenüber der Europäischen Unionhier tätig geworden?A
Ich
danke Ihnen für diese Frage, weil ich nun endlich meine
Ausführungen anbringen kann. Als Ergebnis der Beratun-
gen von Nizza im Dezember 2000 erwarten wir, dass die
EU-Kommission nach der Analyse der Auswirkungen der
EU-Erweiterung auf die Grenzregionen ein Aktionspro-
gramm für die betroffenen Mitgliedstaaten vorlegen wird
und dass es dabei unter anderem auch um zusätzliche För-
dermittel für ausgewählte Verkehrsprojekte gehen wird,
die wir angemeldet und begründet haben. Das sind bei den
Schienenprojekten die Ausbaustrecke Berlin–Frankfurt
mit einer Förderung von 395 Millionen DM,
die Ausbaustrecke Knappenrode–Horka – also Grenze
Deutschland-Polen – mit einer Förderung von 170 Milli-
onen DM und die ABS Nürnberg–Marktredwitz–Grenze
mit einer Förderung von 20 Millionen DM. Bei den
Straßenprojekten sind es die A 11 von Berlin nach Stettin,
die A 6/D 5 von Nürnberg nach Prag, der Neubau der
B 178 von der A 4 bei Weißenberg bis zur Grenze und der
Ausbau der Bundesstraßen im Zusammenhang mit
Grenzübergangsstellen.
Die
Frage 26 des Kollegen Dietrich Austermann wird schrift-
lich beantwortet.
Ich rufe die Frage 27 des Kollegen Eckart von Klaeden
auf:
Haben Mitglieder der Bundesregierung, zum Beispiel der Par-
lamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen, Stephan Hilsberg, den Aufruf des
SPD-Gesprächskreises „Neue Mitte“ gegen ein Bündnis der Ber-
liner Sozialdemokraten mit der PDS unterstützt, und wenn ja, ist
dies geschehen, weil die PDS nach Ansicht der Mitglieder der
„Neuen Mitte“ kein Bekenntnis zum Grundgesetz abgegeben und
sich bis heute nicht konsequent mit der DDR-Vergangenheit aus-
einander gesetzt habe?
A
Die
Bundesregierung hat keine Veranlassung, Informationen
darüber einzuholen, welche Positionen ihre Mitglieder
gegenüber Erklärungen und Aufrufen von Gruppierungen
innerhalb der einzelnen Parteien einnehmen.
Zusatz-
frage?
Frau Staatssekre-
tärin, teilt die Bundesregierung die Ansicht von General-
sekretär Müntefering, die SPD respektiere die PDS als
eine Partei, die in dieser Demokratie angekommen sei,
oder ist sie der Ansicht, dass die PDS bislang kein ver-
nünftiges Bekenntnis zum Grundgesetz abgegeben habe,
wie es zum Beispiel der Kollege Robbe sagte und wie es
auch im Verfassungsschutzbericht zum Ausdruck kommt?
A
Ich
kommentiere auch nicht die Aussagen einzelner Politiker.
Mit dieser Antwort müssen Sie sich begnügen.
Eine zweite
Zusatzfrage?
Frau Staatssekre-
tärin, ist Ihnen bekannt, dass es sich beim Bundesrat um
ein föderales Bundesorgan handelt, und sind Sie daher der
Ansicht, dass eine Zusammenarbeit mit der PDS in die-
sem Gremium eine Zusammenarbeit auf Bundesebene
bedeutet?
A
Der
Bundesrat ist ebenso autonom wie auch die Wähler auto-
nom sind. Insofern können Sie Ihre Frage leicht selbst be-
antworten. Ich verstehe bei allem Respekt nicht, wie sich
Ihre Frage beantworten lässt.
Wir sind am
Ende der Fragen zu diesem Geschäftsbereich angelangt.
Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes
auf. Staatsminister Dr. Volmer war anwesend. Die Frak-
tionen haben sich darauf verständigt, zu akzeptieren, dass
er aus Termingründen jetzt nicht mehr da sein kann. Wir
machen also von der Geschäftsordnung Gebrauch, sodass
die Fragen, die zu diesem Geschäftsbereich gestellt wer-
den, in der nächsten Sitzungswoche zu Beginn der Frage-
stunde aufgerufen werden.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord-
nung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 21. Juni 2001,
9.00 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.