Gesamtes Protokol
Schönen
guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung
ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur Re-
form des Betriebsverfassungsgesetzes. Das Wort für
den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundes-
minister für Arbeit und Sozialordnung, Walter Riester.
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Da-
men und Herren! Bei der Reform der Betriebsverfassung
geht es im Kern um die Modernisierung der Mitbestim-
mung in den Betrieben. Dafür haben wir zwei große Kom-
plexe gewählt. Der erste Komplex ist der organisatorische
Bereich.
Erster Punkt: Wir stellen mit dem Gesetzentwurf si-
cher, dass zukünftig sehr flexibel differenzierte Mitbe-
stimmungsregelungen für den Betrieb entwickelt werden
können. Nach Möglichkeit soll dies im Rahmen des Ta-
rifvertrages geschehen. Wo dieser nicht gilt, sollen Rege-
lungen im Rahmen der Betriebsvereinbarung erfolgen.
Zweiter Punkt: Wir haben das Wahlverfahren für die
Kleinbetriebe vereinfacht und kostengünstig gestaltet, so-
dass auch dort das Wahlverfahren unproblematisch erfol-
gen kann. In der Vergangenheit gab es gerade hier erheb-
liche Probleme.
Dritter Punkt: Die Sachausstattung der Betriebsräte
soll so erfolgen, dass sie ihre Aufgaben sachgerecht und
mit der notwendigen Unterstützung für die Belegschaft
erfüllen können.
Vierter Punkt: Die Zahl der Betriebsräte und die Frei-
stellungsmöglichkeiten für diese werden entsprechend
den heutigen Anforderungen etwas erhöht.
Fünfter Punkt: Wir werden in das Betriebsverfassungs-
gesetz neu aufnehmen, dass die Belegschaftsvertretungen
ihre Rechte auch an Arbeitsgruppen delegieren können,
wenn dies erforderlich und sachgerecht ist. Hier sind bei-
spielsweise die Gestaltung der Arbeitszeit und die der Ur-
laubsregelung zu nennen. Diese Delegation kann jedoch
jederzeit wieder zurückgenommen werden.
Der zweite Komplex der Betriebsverfassung ist die in-
haltliche Erneuerung. Die inhaltliche Erneuerung betrifft
die Qualifizierung, die Beschäftigungssicherung sowie
neue Formen der Arbeitsorganisation.
Zuerst zur Qualifizierung: Wir sehen vor, dass dann,
wenn durch betriebliche Veränderungen, Investitionen,
eine neue Arbeitsorganisation oder neue Aufgabenstel-
lungen eine vorhandene Qualifikation nicht mehr aus-
reicht und dadurch für Mitarbeiter die Gefahr droht, ihren
Arbeitsplatz zu verlieren, ein Mitbestimmungsrecht zur
beruflichen Weiterbildung besteht. Bei solchen Angele-
genheiten kann der Betriebsrat initiativ werden.
Der zweite Punkt ist die Beschäftigungssicherung: Wir
geben den Betriebsräten ein Initiativrecht, um Vorschläge
zur Beschäftigungssicherung einzubringen. Diese Vor-
schläge müssen beraten werden. In Betrieben mit über
100 Beschäftigten muss dann, wenn es zu einer Ableh-
nung kommt, eine schriftliche Begründung erfolgen. Es
ist uns sehr wichtig, dass die Frage der Beschäftigungssi-
cherung in die Betriebsverfassung Eingang findet.
Der letzte Punkt befasst sich mit den neuen Formen der
Arbeitsorganisation, insbesondere der Gruppenarbeit.
Wenn Gruppenarbeit eingeführt wird, soll zukünftig auch
die Belegschaftsvertretung über ihre Ausgestaltung und
Ausrichtung mitbestimmen.
Dies sind die wesentlichen Komplexe zur Erneuerung
und Modernisierung der betrieblichen Mitbestimmung.
Ich danke
Ihnen, Herr Bundesminister.
Wir treten in die Befragung ein. Ich gebe zunächst dem
Kollegen Laumann das Wort.
Herr Bundesminis-
ter, Sie wissen genauso gut wie ich, dass das Betriebsver-
fassungsgesetz die soziale Partnerschaft in den Betrieben
14751
151. Sitzung
Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Beginn: 13.00 Uhr
regelt. Auch wissen wir beide, dass die soziale Partner-
schaft in den Betrieben davon lebt, dass es nicht zu Kon-
frontationen kommt, sondern dass ein Vertrauensverhält-
nis herrscht.
Es gibt ja nun eine anhaltende Diskussion über die Re-
form des Betriebsverfassungsgesetzes. Meine Frage lau-
tet: Warum hat die Bundesregierung das Thema „Be-
triebsverfassungsgesetz“ nicht in die im Rahmen des
Bündnisses für Arbeit geführten Gespräche aufgenom-
men? Ich frage mich manchmal, welche Gesetzespläne
sich stärker als die Modernisierung des Betriebsverfas-
sungsgesetzes eignen würden, in diesem Kreis, der von
der Regierung im Allgemeinen als wichtig angesehen
wird, besprochen zu werden. Ich hätte gerne von der Bun-
desregierung die Gründe dafür gewusst, warum dies nicht
in diesem Kreis besprochen worden ist.
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Herr Laumann, es ging zunächst einmal da-
rum, im Vorfeld Überlegungen zu entwickeln. Zu diesem
Zweck sind natürlich sowohl die Vertreter der Wirtschaft
als auch die Vertreter der Gewerkschaften einbezogen
worden. Die Entscheidungen über die Gesetzesänderung
fallen aber – das wissen Sie genauso gut wie ich – zuerst
im Kabinett und dann im Parlament, nicht jedoch im
Bündnis für Arbeit.
Das soll aber nicht heißen, dass nicht Teilbereiche des
Gesamtvorhabens im Bündnis für Arbeit erörtert werden.
Über diese Frage wird man sprechen müssen. Sie haben
Recht, dass man sich über dieses Thema offen unterhalten
muss; wenn aber in Teilbereichen Auffassungen strittig
bleiben, wird darüber der Gesetzgeber entscheiden müs-
sen. Das ist letztlich seine Aufgabe.
Kann ich noch
eine Nachfrage stellen?
Als erstem
Fragesteller gebe ich Ihnen die Möglichkeit zu einer kur-
zen Nachfrage.
Bedeutet das,
was Sie eben gesagt haben, dass die Bundesregierung die-
ses Thema im Bündnis für Arbeit besprechen wird, bevor
darüber im Parlament entschieden wird?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Bevor darüber im Parlament entschieden
wird, wird es weitere Besprechungen – nicht nur formelle
Anhörungen – mit den beiden Sozialpartnern geben. Ob
das Thema konkret im Bündnis für Arbeit besprochen
wird, wird bei dem Treffen am 4. März erörtert werden.
Eine Frage
des Kollegen Brandner.
Herr Minister, das Institut
der deutschen Wirtschaft hat in einer Umfrage unter Ar-
beitgebern ermittelt, dass 70 Prozent der befragten Ar-
beitgeber dem System der betrieblichen Mitbestimmung
die Noten „gut“ bis „sehr gut“ geben. Zudem ist bekannt,
dass wir im Vergleich zu anderen Ländern die wenigsten
Streiktage haben und Konflikte auf der betrieblichen
Ebene ganz selten zu Verfahren vor Arbeitsgerichten oder
vor Einigungsstellen führen.
Können Sie sich erklären, warum die Arbeitgeber dem
Konzept der betrieblichen Mitbestimmung trotzdem eine
so deutliche Absage erteilt haben?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Ich kann es mir dadurch erklären, dass teil-
weise keine betriebliche Mitbestimmung vorhanden ist.
Wenn man sich vor Augen führt, dass man in Teilberei-
chen über die betriebliche Mitbestimmung zu wenig weiß
und gerade in Kleinbetrieben die Wahl von Betriebsräten
der Ausnahmefall ist, kann man darin eine der Ursachen
sehen. Ich baue sehr darauf, dass wir die Fragen der Mit-
wirkung, der Information und der Mitbestimmung – ich
möchte alle drei Komplexe ausdrücklich betonen –
zukünftig auch in Klein- und Mittelbetrieben vorteilhaft
und effizient beantworten können.
Eine Frage
der Kollegin Kumpf.
Herr Minister, im Vorfeld der Aus-
einandersetzung um die Neufassung des Betriebsverfas-
sungsgesetzes wurden im Hinblick auf die Frauenförde-
rung durch die Betriebsverfassung sehr kritische Stimmen
laut. Wie sehen Ihre konkreten Überlegungen und Pläne
aus, Gleichstellungspolitik auch in der Betriebsverfas-
sung zu verankern, um den Frauen damit eine Chance zu
geben, ihren Platz in der Gesellschaft und im Beruf zu fin-
den?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Wir sehen in dem Gesetzentwurf erstmals
vor, dass nicht nur eine Soll-, sondern eine Mussbestim-
mung sicherstellt, dass die beiden Geschlechter entspre-
chend ihrer Stärke in den Belegschaften in den Betriebs-
räten vertreten sind. Ich meine persönlich, dass der
Schritt, den wir in dieser Frage gehen, ein sehr mutiger ist.
Wir sehen darüber hinaus durch Sollvorschriften vor,
dass beide Geschlechter bei der Besetzung von Gesamt-
betriebsrat und Konzernbetriebsrat entsprechend ver-
treten werden. Ich denke, dadurch werden wir eine we-
sentlich stärkere Vertretung von Frauen, die bisher unter-
repräsentiert sind, im Betriebsrat haben.
Eine Frage
des Kollegen Kolb.
Herr Minister Riester,es gab in den letzten Tagen nicht wenige Stimmen, dieäußerten, der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf sei mit-telstandsfeindlich. Der Wirtschaftsminister Ihrer Regie-
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Karl-Josef Laumann14752
rung hat sich diese Meinung zu Eigen gemacht und in26 Punkten nachhaltig auf Änderung gedrungen. KönnenSie kurz darstellen, in welchen Punkten Sie auf den Wirt-schaftsminister zugegangen sind und weshalb Sie glau-ben, dass der Vorwurf der Mittelstandsfeindlichkeit jetztentkräftet ist?Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und Sozial-ordnung: Zuerst einmal muss man sich kritisch damit aus-einander setzen, ob der generelle Vorwurf der Mittel-standsfeindlichkeit berechtigt ist. Ich weiß natürlich, dassdie Kostenfrage differenziert betrachtet werden muss. Des-wegen möchte ich Ihnen an einigen Punkten aufzeigen, in-wiefern wir den Einwänden entgegengekommen sind.Erster Punkt. Wir sind der Meinung, dass Sachverstän-dige bei Änderungen im Betrieb – es geht insbesondereum Betriebsschließungen, Teilbetriebsschließungen undVerlagerungen – nur in Betrieben mit über 300 Beschäf-tigten hinzugezogen werden sollen, weil dies Kosten ver-ursacht. Das ist ein wichtiger Punkt.Zweiter Punkt. Die ursprünglich im Referentenentwurfvorgesehene Bildung von Ausschüssen, unabhängig vonder Größe der Betriebe, haben wir auf Betriebe mit über100 Beschäftigten begrenzt. Auch dies wird sich kosten-mäßig sofort auswirken.Dritter Punkt. Wir haben die Freistellungsansprücheneu geregelt. Wir haben zwar die im Referentenentwurfvorgesehene Regelung, Mitglieder von Betriebsräten inBetrieben mit mehr als 200 Beschäftigten freizustellen,beibehalten. Aber wir haben die Freistellungsgrenze aufBetriebe mit bis zu 2 000 Beschäftigten gestreckt. Auchdadurch werden die Betriebe geringer belastet werden.Das waren beispielhaft drei Punkte, in denen wir aufdie Einwände eingegangen sind.
Eine Frage
des Kollegen Dr. Grehn.
Herr Minister, in der Presse-
konferenz wurde gesagt, dass die Verfahren bei den Eini-
gungsstellen beschleunigt werden sollen. Das ist von
enormer Bedeutung; denn wenn die Frist abläuft, endet
auch das Verfahren. Mich interessiert, wie das Verfahren
beschleunigt werden soll.
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Es geht nicht nur um eine Beschleunigung.
Wir möchten auch dafür sorgen, dass die Verfahren bei
den Einigungsstellen mit geringeren Kosten durchgeführt
werden. Dazu wird die Regierung die Sozialpartner einla-
den und mit ihnen über ihre Vorstellungen diskutieren.
Wir wollen auch erreichen, dass die gerichtlichen Bestel-
lungsverfahren abgekürzt werden und dass versucht wird,
die Kosten der Einigungsstellen zu verringern – eine
Überlegung, über die schon Jahre, wenn nicht sogar Jahr-
zehnte diskutiert wird. Leider ist in dieser Frage bisher
nichts erreicht worden. Wir werden die Lösung dieses
Problems zügig angehen.
Eine Frage
der Kollegin Dr. Dückert.
Herr Minister, können Sie noch einmal genau erläutern,
wie die Mitbestimmung hinsichtlich der Änderung von
Arbeitsabläufen und Arbeitsplätzen, die in § 91 des
Betriebsverfassungsgesetzes geregelt ist, künftig ausse-
hen wird?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: § 91 sieht vor, dass der Betriebsrat dann,
wenn Änderungen der Arbeitsorganisation oder der
Arbeitsplätze erfolgen und gegen gesicherte arbeitswis-
senschaftliche Erkenntnisse verstoßen, sodass diese Än-
derungen die Beschäftigten in besonderer Weise belasten,
das Recht hat, Maßnahmen zum Ausgleich dieser Belas-
tungen zu verlangen.
Wir haben ursprünglich die in § 91 vorhandenen Be-
griffe „in besonderer Weise“ und „offensichtlich“ heraus-
genommen. Das hat insbesondere bei der Wirtschaft zu
der Sorge geführt, dass den Betriebsräten damit eine Mög-
lichkeit zur ständigen Intervention gegen Investitionsent-
scheidungen gegeben wird. Ich habe diese Einschätzung
nie geteilt. Ich bin auch nicht der Auffassung, dass die Be-
griffe „in besonderer Weise“ und „offensichtlich“ eine
solche Kernbedeutung haben. Dies haben wir trotzdem
korrigiert, um die zumindest aus meiner Sicht missver-
ständliche und ungerechtfertigte Kritik an den Betriebsrä-
ten zu entkräften.
Eine Frage
des Kollegen Hinsken.
Herr Präsident, wennSie gestatten, frage ich Herrn Minister Müller, der heutean der Entscheidung des Kabinetts beteiligt war und si-cherlich ebenfalls zu Wort kommen möchte.Herr Bundesminister Müller, konnten Sie heute Mor-gen in den Spiegel schauen?
Sie sind doch der große Verlierer. Sie haben vollmundig26 verschiedene Punkte angekündigt und müssen heutekleinlaut beigeben, denn Sie konnten nur einen Bruchteildieser Punkte umsetzen. Ihre Aussagen bei der jüngstenPressekonferenz zeigen,
dass Sie nur vermelden können, ganz wenige Verände-rungen erreicht zu haben. Es bleibt doch dabei, dass ers-tens die Schwelle für die Freistellung von Betriebsrätenwie geplant sinkt
und zweitens die Zahl der Betriebsräte und weiterer Gre-mien gerade in kleineren Betrieben steigt.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Dr. Heinrich L. Kolb14753
Herr Kol-
lege Hinsken, ich bitte Sie, auf die anderen Kollegen, die
noch fragen wollen, Rücksicht zu nehmen. Ich glaube, Sie
haben eine klare Frage gestellt, und nun hat der Herr Bun-
desminister das Wort zur Beantwortung.
Deshalb nochmals: Was
haben Sie von dem, was Sie versprochen hatten, im Sinne
der Wirtschaft wirklich erreicht?
Herr Bun-
desminister, bitte.
Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Lieber Herr Hinsken, die erste Frage
kann ich ganz einfach beantworten: Ich habe mich heute
Morgen wohlgemut im Spiegel gesehen.
Muss ich die zweite Frage auch beantworten?
Bitte sehr.
Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Ihre zweite Frage, Herr Hinsken, beant-
worte ich sehr gerne. Der wichtigste Punkt für BDA, BDI
und die anderen Verbände der Wirtschaft war die Ände-
rung des § 91. Herr Kollege Riester hat gerade gesagt,
dass die zunächst geplanten Änderungen nicht stattfin-
den; § 91 bleibt in der alten Fassung bestehen.
Für größere Unternehmen war die zwangsweise Bil-
dung eines Konzernbetriebsrates störend; ich kann das
nachvollziehen. Es bleibt bei der alten Regelung: Ein
Konzernbetriebsrat wird nur fakultativ gebildet. Es ist
also eine Kannbestimmung nach dem alten Recht.
Dann war ein konzerninterner Wirtschaftsausschuss
vorgesehen. Dessen Einführung ist jetzt nicht mehr ge-
plant. Etliche Regelungen, die insbesondere für mittel-
ständische Betriebe von 100 bis 300 Beschäftigten
störend sind, weil dort nicht unbedingt schon ein Perso-
naldirektor arbeitet, gelten künftig erst für Betriebe über
100 bzw. 300 Beschäftigte. – So könnte ich Ihnen noch ei-
nige Punkte mehr nennen.
Ich bitte Sie, freundlicherweise nicht davon auszuge-
hen, dass der Wirtschaftsminister der Meinung war, er
könne alle 26 teils nicht so wichtigen, teils wichtigeren
Punkte durchsetzen. Aber das, was aus meiner Sicht im
Interesse der Wirtschaft zu berücksichtigen war, ist
berücksichtigt worden. Deswegen komme ich auf die
erste Frage zurück: Ich kann wohlgemut in den Spiegel
schauen. – Das wird sich, Herr Hinsken, auch in Ihrem
Betrieb positiv bemerkbar machen.
Eine zweite
Frage des Kollegen Brandner.
Ich habe noch eine Frage an
Bundesarbeitsminister Riester: Ich entnehme Pressemit-
teilungen, dass große Unternehmen das geltende Be-
triebsverfassungsgesetz loben. Insbesondere weisen sie
darauf hin, dass technologische Veränderungen mithilfe
von Betriebsräten schneller umgesetzt und mit einer
größeren Akzeptanz durchgesetzt werden können. In klei-
neren Unternehmen – Sie haben selbst darauf hingewie-
sen – fehlen die Erfahrungen mit der Betriebsverfassung.
Ist es unter diesem Gesichtspunkt nicht sinnvoll, dass die
Bundesregierung ein öffentlich gefördertes Informations-
und Qualifizierungsprogramm zur Aufklärung über Mit-
bestimmung und deren Wirkung in Gang setzt, damit
diese positiven Wirkungen der Betriebsverfassung in der
Fläche eine größere Wirkung erlangen?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Darüber muss man nachdenken. Ich erinnere
in diesem Zusammenhang an das Programm zur Humani-
sierung der Arbeitswelt. Ein ähnliches Programm könnte
man auch hier vorsehen. Allerdings sollte die Information
über Mitbestimmung und Zusammenarbeit natürlich nicht
nur von der Bundesregierung, sondern auch von den So-
zialparteien, die dafür ja unmittelbar zuständig sind, in
entsprechendem Maße angegangen werden. Gleichwohl
nehme ich Ihre Anregung gerne auf.
Eine Frage
des Kollegen Koppelin.
Ich mache auf Folgendes aufmerksam: Ich verstehe
den Wunsch nach Zusatzfragen. Man muss nur wissen,
dass nicht mehr alle Kollegen an die Reihe kommen kön-
nen. Eine Zusatzfrage aus derselben Fraktion geht zulas-
ten eines anderen Fragestellers. Das muss die Fraktion
dann aber selbst klären.
Das Wort hat Herr Koppelin.
Meine Frage richtet sichebenfalls an den Wirtschaftsminister Müller. Herr Minis-ter, haben Sie nach der getroffenen Entscheidung schoneinmal durchrechnen lassen, in welcher GrößenordnungMehrbelastungen auf die Betriebe zukommen? Schließ-lich haben Sie immer verkündet, dass Sie die Belastungender Betriebe, vor allem die Personalkosten, senken wol-len; jetzt kommen wieder höhere Kosten auf die Betriebezu. Müsste es Sie nicht auch nachdenklich stimmen, dassbei dieser Befragung der Bundesregierung vonseiten derSPD nur Gewerkschaftssekretäre und keine Vertreter an-derer Gruppierungen Fragen stellen?
– Ich höre gerade, dass es keine anderen bei der SPD gibt.Okay, dann muss ich das akzeptieren.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 200114754
Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaftund Technologie: Zu Ihrer letzten Frage kann ich nichtssagen, weil ich bisher noch keine Qualitätsunterschiedehabe feststellen können, die etwas damit zu tun hatten, objemand ein Gewerkschaftsbuch hat oder nicht.
Zu der vielleicht etwas wichtigeren Frage: Das Institutder deutschen Wirtschaft hat die Größenordnung der Kos-ten, die durch die Reform des Mitbestimmungsgesetzes inder zunächst beabsichtigten Form eventuell entstehen, er-mittelt. Dieser Wert mag – Pi mal Daumen – stimmen, im-mer unter der Voraussetzung, dass sich die Zahl der Be-triebe mit Betriebsräten deutlich erhöht; diese Annahmeist aber noch nicht gesichert.Wenn Sie diese Kostenrechnung betrachten, dannwerden Sie feststellen, dass die Position „Freistellungen“mit den höchsten Kosten verbunden ist. Vor dem Hinter-grund, dass eine Entscheidung darüber zu treffen war, obwir den von Herrn Riester geplanten Anstieg der Be-triebsratsgrößen plus den von Herrn Riester geplantenUmfang der Freistellungen akzeptieren – beides zusam-men hätte meiner Meinung nach zu viel Belastung be-deutet –, haben wir uns darauf verständigt, das zu verrin-gern, was wirklich Kosten verursacht. Deswegen wird,wie Herr Riester gerade sagte, die Zahl der Freistellun-gen in Betrieben mit 200 bis 2 000 Beschäftigten nichtviel anders als heute sein; allerdings wird die Unter-grenze bei 200 liegen.Das Institut der deutschen Wirtschaft hat für diesenFall deutlich gemacht, dass hierbei nicht die vollen Kos-ten anfallen, weil ein Betriebsrat in einem solchen Betriebdurch das bestehende Betriebsverfassungsgesetz mindes-tens zur Hälfte implizit freigestellt ist. Wenn man diesenganzen Kostenblock aus den Berechnungen herausnimmt,dann zeigt sich, dass nicht mehr sehr viel an Mehrkostenbleibt.Am 7. Februar habe ich in diesem Hause gesagt: AmEnde wird etwas herauskommen, was eine gewisse Zu-satzbelastung der Wirtschaft darstellt; diese Zusatzbelas-tung muss aus meiner Sicht zumutbar sein. Was bei denKostenrechnungen nie beachtet wird, ist der Gewinn aufder anderen Seite; denn die Mitbestimmung führt auch zuunmittelbar besseren Betriebsergebnissen.
– Aber Herr Kolb, darüber kann man doch nicht ernsthaftdiskutieren. Unser Land hat in der Welt die geringstenStreiktage; das muss doch seinen Grund haben. Wir sindein Land, das ohne jeden ernsten gesellschaftspolitischenDisput die Anpassung an die Globalisierung bewältigt.
Ich möchte erleben, wie die deutsche Wirtschaft in diesemLand Geschäfte macht, wenn es hier gesellschaftspoli-tisch bedingte Unruhen gäbe. Solche Unruhen haben wirnicht. In Friedenszeiten lassen sich sehr schön Geschäftemachen. Bewerten Sie das einmal! Bewerten Sie einmal,dass 70 Prozent der Unternehmen sagen: Wir sind mit derMitbestimmung sehr zufrieden. Das wird leider nie inMark und Pfennig ausgedrückt.
Eine Frage
des Kollegen Gerald Weiß.
Gerald Weiß (CDU/CSU): Herr
Riester, ich habe eine Frage zu der skandalösen Verlet-
zung des Minderheitenschutzes in Ihrem Gesetzentwurf.
Im Rahmen des vereinfachten Wahlverfahrens – Über-
gang zum Mehrheitswahlsystem in kleinen Betrieben –
kann es geschehen, dass 49,9 Prozent der Arbeitnehme-
rinnen und Arbeitnehmer qua Wahl nicht im Betriebsrat
vertreten sind, sondern dass dieser von einer Gruppe ein-
seitig beherrscht wird. Es kann sein, dass eine Abstim-
mungsmehrheit von 51 Prozent dazu führt, dass eine
Gruppierung 100 Prozent der Betriebsausschussmandate
erhält. Dasselbe gilt für die zu Recht als wichtig bezeich-
neten Freistellungen.
Wie können Sie es verantworten, dass durch solch ei-
nen Gesetzentwurf die Rechte von kleineren Gewerk-
schaftsgruppierungen und unabhängigen Betriebsräten
elementar verletzt werden?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Herr Kollege Weiß, ich kann Sie bezüglich
des von Ihnen angesprochenen Mehrheitswahlrechts
sehr leicht beruhigen: Bei Kleinbetrieben mit bis zu
50 Beschäftigten wird all das nicht auftreten, was Sie ge-
sagt haben. Da gibt es weder Ausschüsse noch Freistel-
lungen.
Jetzt schauen wir uns einmal das Mehrheitswahlrecht
an: Es handelt sich dabei um ein Persönlichkeitswahl-
recht. Ich gehe davon aus, dass diejenigen, die im Betrieb
die Mehrheit bekommen, dann auch als Persönlichkeiten
gewählt werden. Ich bin nicht interessiert daran, dass wir
Proporzverteilungen vornehmen. Damit haben wir Erfah-
rungen gemacht.
Ich kann Sie deshalb völlig beruhigen: Bei Betrieben
bis zu 50 Beschäftigten gibt es ausschließlich das Mehr-
heitswahlrecht und dort tritt all das, was Sie gesagt ha-
ben, überhaupt nicht auf und kann auch nicht auftreten,
weil es dort keine Ausschüsse und keine Freistellungen
gibt.
Eine Frage
des Kollegen Staffelt.
Herr Minister Müller, ichdarf Sie bitten, mir zuzuhören. Ich kann zwar verstehen,dass Sie gerne mit Frau Künast reden, möchte aber Ihr
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001 14755
Gespräch trotzdem ganz kurz unterbrechen und Sie fra-gen, ob Sie vor dem Hintergrund des Beschlusses desKabinetts zum Betriebsverfassungsgesetz irgendwelcheEinschränkungen für den Investitionsstandort Deutsch-land sehen. Diesbezüglich hat es ja vielfältige Spekula-tionen gegeben. Gibt es irgendwelche substanziellenVeränderungen, die darauf hinweisen, dass etwa Investi-tionen, die in Deutschland realisiert werden sollten, vordem Hintergrund dieser Maßnahmen nicht getätigt wer-den?Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaftund Technologie: Herr Kollege Staffelt, zunächst freueich mich, dass gerade Sie Verständnis dafür haben, dassich gerne mit Frau Künast rede.
Auf Ihre Frage kann ich Ihnen zwei Antworten geben:Das Ausland sieht in der Tat die deutsche Form der Mit-bestimmung manchmal kritisch. Das ändert sich sofort,wenn Sie mit ausländischen Investoren reden, die schonzwei oder drei Jahre in diesem Lande tätig sind. Diesewissen das dann zu schätzen. Ich sagte ja, es gab in demEntwurf einige kritische Punkte, die mir insbesondere vonder Deutsch-Amerikanischen Handelskammer und derHandelskammer Deutschland-Schweiz mitgeteilt wur-den. Das wurde berücksichtigt. Ich erwarte keine negati-ven Auswirkungen auf den Investitionsstandort Deutsch-land.
Bezüglich
des zeitlichen Ablaufes würde ich vorschlagen, dass ich
noch zwei Fragen aus den Reihen der CDU/CSU, zwei
aus den Reihen der SPD und jeweils eine Frage vonseiten
der PDS und der F.D.P. zulasse. Falls die Grünen noch
eine Frage stellen wollen, so ist auch das möglich. – Gut,
Frau Dückert. Danach beende ich die Befragung der Bun-
desregierung.
Jetzt Herr Kollege Dr. Grehn, bitte.
Herr Minister Riester, wel-
chen zusätzlichen Sachaufwand können Betriebsräte für
ihre Arbeit nach dem jetzt vorliegenden Referentenent-
wurf geltend machen? Inwieweit hat die Rechtsprechung
schon zugunsten dieses Mehraufwandes entschieden?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Das bezieht sich insbesondere auf die tech-
nischen Geräte. Wir hatten häufig das Problem, dass den
Betriebsräten entsprechende Informations- und Kommu-
nikationsmittel sowie Software nicht zur Verfügung ge-
stellt wurden. Das schließt aber Fortschritte in diesem Be-
reich nicht aus. Wichtig ist für uns, dass der Betriebsrat
die Ausstattung bekommt, die für die Durchführung sei-
ner Arbeit wichtig ist. Wir möchten dafür sorgen, dass die
Dinge, die – darauf weisen Sie zu Recht hin – häufig in
der Rechtsprechung streitig waren, künftig problemlos
bewilligt werden.
Eine Frage
der Kollegin Baumeister.
Herr Minister
Müller, stimmt es Sie eigentlich fröhlich, wenn Ihnen Ihr
Ministerkollege Riester sagt, über die Kosten könne man
nur spekulieren, man bewege sich da auf dünnem Eis?
Können Sie mir speziell sagen, wie hoch Sie die Kosten
schätzen, die auf den Mittelstand zukommen, und wie
hoch Sie umgekehrt die Vorteile für den Mittelstand
einschätzen?
Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Es handelt sich hier nicht um so klare
Sachverhalte wie bei der Aufstellung von Kassen-
büchern. Das sind spekulative Größenordnungen. Ich
habe doch gesagt, das Institut der deutschen Wirtschaft
unterstellt einfach, es gebe 50 Prozent mehr Betriebsräte
bezogen auf alle Betriebe. Auf einer solchen Basis
kommt man zu einer Schätzung der durch das neue
Gesetz verursachten Kosten, die irgendwo bei 2 Milliar-
den DM liegen. Aber es ist die Frage, ob sich die Zahl der
Betriebsräte tatsächlich in dem Umfang erhöht. Ich kann
nur anhand des Gesetzes vorgehen, wie es jetzt vorliegt.
Da könnte ich viele Dinge anführen. Ich will aber nur
ein Beispiel nennen, weil Herr Riester schon etliche
Dinge gesagt hat – ich auch –, die für Betriebe mit
100 bis 300 Beschäftigten nicht gelten.
Ich nehme nur einmal den Punkt, dass der Betriebsrat
– das ist sinnvoll – Vorschläge zur Beschäftigungssiche-
rung machen soll. Da gibt es nun eine Beratungspflicht.
Wenn der Arbeitgeber die Vorschläge ablehnt, dann soll er
das schriftlich begründen. Das gilt aber nicht für Betriebe
mit weniger als 100 Beschäftigten. Da entfällt dieser Kos-
tenblock und die Notwendigkeit, einen Schriftsatz zu fer-
tigen etc. Es sind Betriebe mit weniger als 100 oder mit
weniger als 300 Beschäftigten von vielen Bestimmungen
ausgenommen.
Deswegen wage ich die These: Ich sehe in diesem Ge-
setz – mit einer Ausnahme, nämlich dass die Zahl der Ar-
beitnehmer, die maßgeblich für eine Freistellung ist, von
300 auf 200 herabgesetzt wird; dafür ist in etwa ein hal-
bes Gehalt anzusetzen – nichts, was sich auf den Mittel-
stand, wenn ich ihn einmal bei 250 bis 300 Beschäftigten
ansetze, besonders kostenbelastend auswirkt. Sonst hätte
ich mit Herrn Riester noch länger verhandelt. Wir haben
uns so verständigt, dass meine Bedenken, die teilweise
nicht von der Hand zu weisen waren, wirklich berück-
sichtigt worden sind.
Eine Frage
des Kollegen von Larcher.
Ich habe eine Frage anHerrn Minister Riester. Herr Minister, können Sie sichund vielleicht auch mir erklären, warum der Führer dergrößten Oppositionspartei heute in einem Rundfunkinter-view einerseits sagte, dass seine Fraktion unseren Gesetz-entwurf ablehnen werde, andererseits aber sagte, dass die
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Dr. Ditmar Staffelt14756
Betriebsverfassung natürlich reformiert und modernisiertwerden müsse, allerdings auf mehrfache Nachfragen kei-nen einzigen Punkt nennen konnte, den er reformierenmöchte?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-zialordnung: Herr Kollege Larcher, ich kann die Fragenicht beantworten. Aber es wird noch Gelegenheit geben,den Oppositionsführer zu fragen.
Eine Frage
des Kollegen Brüderle.
Herr Minister Riester, Sie
haben eben die Formulierung gewählt – ich habe es mir
notiert –, dass Sie den Vorstellungen von Herrn Bundes-
minister Müller entgegengetreten sind. Das ist auch mein
Eindruck. Herr Müller hat, nachdem er immer wieder de-
montiert wurde – das letzte Mal durch die Wegnahme der
Zuständigkeit für die Verbraucherpolitik –, eine Art ord-
nungspolitische Torschlusspanik gehabt und seine 26 Es-
sentials über die Presse veröffentlicht. Kann ich Ihre Aus-
führungen so verstehen, dass er in dreien seiner 26 Punkte
ein Stückchen Erfolg hatte?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Nein, das können Sie nicht so interpretieren.
Wenn Sie mir zugehört hätten, dann wüssten Sie, dass ich
wesentlich mehr aufgeführt habe. Ich kann es Ihnen, wenn
das für Sie wichtig ist, auch von der Quantität her sagen.
Wir haben uns nicht nur in elf Punkten, in denen wir un-
terschiedlicher Auffassung waren, auf einen Kompromiss
verständigt, sondern haben in anderen Punkten kreativ
eine Verbesserung entwickelt, beispielsweise was das
verkürzte Wahlverfahren angeht, von dem ich sage, dass
das jetzt Entwickelte der Sache wesentlich gerechter wird.
Es können die Vorwürfe, die immer wieder öffentlich er-
hoben worden sind, nämlich es wäre ein Hauruck-Verfah-
ren, eigentlich nicht mehr angeführt werden. Ich kann nur
sagen: Es war eine sehr konstruktive Debatte, die wir ge-
meinsam geführt haben. Der Gesetzentwurf, der uns jetzt
vorliegt, ist besser als der Referentenentwurf. Das war das
Ziel.
Eine Frage
der Kollegin Dückert.
Herr Minister Riester, können Sie uns eine Einschätzung
darüber geben, wie sich dieses neue Gesetz auf die Ent-
wicklung und auf die Durchsetzung des betrieblichen
Umweltschutzes in der deutschen Wirtschaft auswirken
wird?
Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Es wird sich insofern auswirken, als dass
der betriebliche Umweltschutz ein Thema ist, über das
nicht nur der Betriebsrat – das ist schon jetzt in vielen Be-
trieben die selbstverständliche Praxis – informiert wird,
sondern worüber auch im Wirtschaftsausschuss gespro-
chen wird. Der Wirtschaftsausschuss ist das Gremium in
Unternehmen mit über 100 Beschäftigten, in dem über
wirtschaftliche Fragen des Unternehmens und auch über
Fragen des betrieblichen Umweltschutzes gesprochen
wird.
Ursprünglich sollte, was die Zuständigkeit des
Wirtschaftsausschusses betrifft, der Umweltschutz allge-
mein aufgenommen werden. Wir haben das korrigiert, um
Missverständnissen entgegenzutreten. Es geht jetzt um
den betrieblichen Umweltschutz, der in den Betrieben
natürlich eine große Bedeutung hat. Die Information der
Betriebsräte im Zusammenhang mit dem betrieblichen
Umweltschutz muss der Bedeutung dieses Themas ange-
messen sein.
Eine Frage
der Kollegin Wöhrl.
Herr Minister, ein Ge-setz, das auf Konsens angelegt sein sollte – so war es bis-her immer –, wird im Dissens verabschiedet.
Sie wissen genau, dass die vertrauensvolle Zusam-menarbeit immer ein wichtiges Fundament in diesem Be-reich gewesen ist. Es wäre für Notsituationen, die immerwieder auftreten können – beispielsweise drohende Insol-venzen –, wichtig gewesen, flexible Regelungen zu schaf-fen,
die es den Betrieben ermöglichen zu überleben und damitdie Arbeitsplätze zu sichern.Es gibt in den Betrieben schon zahlreiche Beispiele fürdiese Handhabung. Aber die Praxis steht nicht immer mitdem geltenden Recht oder mit den tarifvertraglichen Ver-einbarungen im Einklang. Warum wurde bei der Novellie-rung des Betriebsverfassungsgesetzes nicht eine Rege-lung geschaffen, mit der man derartige betrieblicheBündnisse auf eine einwandfreie rechtliche Grundlagehätte stellen können? Herr Minister Müller scheint sich indiesem Punkt nicht durchgesetzt zu haben.Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-zialordnung: Ich will zunächst auf Ihre Bemerkung ein-gehen und dann Ihre Frage beantworten.Mit Ihrer Bemerkung, dass das Betriebsverfassungsge-setz in seinem Kern auf Konsens angelegt ist, haben Sievöllig Recht. Wenn Ihre Bemerkung darauf abzielt, uns
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Detlev von Larcher14757
ein Angebot zu unterbreiten, dieses Gesetz im Konsens imParlament zu verabschieden, dann lade ich Sie gerne dazuein. Mich hat aber die Erklärung der Opposition – nochbevor wir das Gesetz eingebracht haben –, dagegen stim-men zu wollen, etwas irritiert.Zu Ihrer Frage, Frau Kollegin Wöhrl. Die Mitbestim-mung hat nicht nur in Einzelfällen, sondern in Zehntau-senden Fällen gegen drohende Insolvenz gewirkt. Mit derArbeit der Betriebsräte kann einer drohenden Insolvenzentgegengewirkt werden. Die Arbeit für Beschäftigungs-sicherung und für die Abwehr von Insolvenzen mittelsmehr Information im Vorfeld zu verbessern – ich habevorhin ausgeführt, um was es geht: um Qualifikation – istein Bestandteil dieses Gesetzes.Ich habe Ihnen darüber hinaus aufgezeigt, welche sehrkrisenhaften Entwicklungen gerade in den 90er-Jahrendurch eine intensive Zusammenarbeit zwischen Beleg-schaftsvertretungen und Geschäftsleitungen abgewehrtwerden konnten. Das Betriebsverfassungsgesetz ist diewichtige Grundlage, um die von Ihnen zu Recht aufge-führten Punkte zu erfüllen.Ich vermute, dass Sie mit Ihrer Frage auf tarifliche Lö-sungen abgezielt haben.
– Dann ist die Frage damit beantwortet.
Zum Ab-
schluss eine Frage des Kollegen Scholz.
Ich möchte den Minister Müller
fragen: Glauben Sie, dass mit der verstärkten Beschäfti-
gung der Betriebsparteien mit der betrieblichen Berufs-
bildung eine deutliche Stärkung des Wirtschaftsstandorts
Deutschland einhergehen wird?
Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Ich glaube, dass man diese Frage ein-
deutig bejahen kann.
Wenn ich richtig informiert bin, Herr Scholz, dann ist
es ja so, dass die CDU unlängst – ich glaube, es war ges-
tern – eigene Vorstellungen zum Betriebsverfassungsge-
setz entwickelt hat. Eine Reform ist nach Aussage der
CDU notwendig. Es ist bemerkenswert, dass die CDU
auch einen Punkt aufgreift, den die Wirtschaft gar nicht
so gerne sieht, und zwar die wirkliche, qualifizierte Mit-
bestimmung bei den Themen der beruflichen Fortbil-
dung.
Das heißt, dieses Thema ist überparteilich als eine der
notwendigen Maßnahmen zur Zukunftssicherung der Be-
triebe anerkannt.
Ich glaube auch, dass das so ist. Deswegen möchte ich
Ihre Frage tatsächlich rundum bejahen.
Ich danke
den Fragestellern und den Kollegen der Bundesregierung
und beende die Regierungsbefragung.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksachen 14/5269, 14/5308 –
Wir kommen zunächst zu den dringlichen Fragen. Sie
beziehen sich auf den Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes. Zur Beantwortung der Fragen ist Staatsminister
Dr. Ludger Volmer anwesend.
Ich rufe die dringliche Frage 1 des Kollegen Eckart von
Klaeden auf:
Wer hat die Reise finanziert, mit der der heutige Bundesmi-nister des Auswärtigen, Joseph Fischer, entgegen seiner bisheri-gen Aussage nach Angaben des ARD-Magazins „Report“ 1969 in Algerien an einer gegen Israel gerichtetenPropagandakonferenz der PLO teilgenommen hat, auf der Paläs-tinenserführer Yassir Arafat zum Kampf gegen Israel bis zum„Endsieg“ aufrief?
D
Herr Kollege Klaeden, es handelte sich damals um
eine Reise des SDS. Über die Finanzierung ist nichts be-
kannt.
Eine Zu-
satzfrage.
Zunächst einmalmöchte ich meine weiteren Fragen und auch die Zusatz-fragen mit der Erwartung verbinden, dass uns, wenn sichdas Erinnerungsvermögen beim Außenminister wiedereinstellt oder die Bundesregierung eine neue Erkenntnisgewinnt, schriftlich auf die Fragen geantwortet wird. FallsSie also die Gelegenheit haben, den Herrn Außenministerzu fragen, ob er sich an die Finanzierung erinnern kann,erwarte ich, dass uns, falls eine entsprechende Antwortvon ihm kommt, vernünftig geantwortet wird.Meine erste Zusatzfrage bezieht sich auf das „Spie-gel“-Interview mit Außenminister Fischer, das in der Aus-gabe vom 8. Januar dieses Jahres erschienen ist. Darin hater auf die Frage nach einem Aufenthalt 1970 in einemPLO-Camp in Jordanien geantwortet:Oh, ja! Sonst noch was? Ich war 1966 auf einer völ-lig unpolitischen Tramp-Tour im Nahen Osten. Erstin den Neunzigerjahren bin ich wieder nach Israelund in die arabischen Länder gekommen: als Außen-minister.
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Bundesminister Walter Riester14758
Meine Frage ist: Warum hat Herr BundesministerFischer nicht seinen Aufenthalt in Algerien erwähnt undfür wie beschädigt hält die Bundesregierung das Erinne-rungsvermögen des Außenministers?
D
Zu Ihrer Eingangsbemerkung, Herr von Klaeden:
Ich habe gerade selber noch mit dem Außenminister da-
rüber sprechen können. Er erinnert sich in der Tat nicht an
die Finanzierung. Sollte sie noch bekannt werden, be-
kommen Sie das schriftlich nachgereicht.
Zu dem „Spiegel“-Zitat. Nicht zum Duktus der Ant-
wort, aber zum Gehalt des Gesprächs und zum Kern der
Frage des „Spiegel“, nämlich ob Herr Fischer in dem
PLO-Trainingscamp gewesen sei, kann ich eindeutig sa-
gen: Nein.
Sie wissen doch, wie „Spiegel“-Gespräche verlaufen. Da
zählt manchmal auch die Unterhaltsamkeit.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Ich schlage vor,
dass man der Wahrheit den Vorzug vor der Unterhaltung
gibt.
Ich darf aber trotzdem eine weitere Frage stellen. Sie
wissen, dass auf dieser Konferenz, an die sich der Außen-
minister neuerdings erinnern kann, eine Resolution ver-
abschiedet wurde. In der Resolution heißt es:
Die Versammlung vertraut darauf, dass der Endsieg
dem palästinensischen Volk gehören wird und es ihm
gelingen wird, ganz Palästina zu befreien.
Meine Frage ist: Hat der heutige Außenminister damals
dieser Resolution zugestimmt?
D
Nein, der Außenminister hat diese Veranstaltung
nach circa einer Stunde verlassen, weil sie ihm zu lang-
weilig war.
Seine politische Haltung zur Nahostpolitik ist ja wohl völ-
lig eindeutig. Eindeutiger könnte sie nicht sein, wie sich
auch an der heutigen Politik des Außenministers erweist.
Die Grundlinie des Außenministers gegenüber Israel
und in Bezug auf die Nahost-Politik lautet:
Erstens. Deutschland hat wegen der historischen Be-
lastung im Zusammenhang mit dem Holocaust eine dau-
erhafte Verantwortung.
Zweitens. Deutschland übernimmt Mitgarantien für
das Existenzrecht Israels.
Drittens. Deutschland beteiligt sich daran, dass zwi-
schen Israel und Palästina ein Frieden auf der Basis von
Verständigung entsteht. Dafür steht Joschka Fischer – wer
ihn kennt, weiß das – seit mindestens 20 Jahren und auch
heute als Außenminister.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Lippelt.
Herr Staatsminister, da Sie früher einmal mit mir zusam-
men im Vorstand derselben Partei waren und wir zu vie-
len Parteikongressen Gäste aus aller Welt eingeladen ha-
ben und CDU und F.D.P. und andere Parteien es genauso
gemacht haben: Ist Ihnen irgendein Fall bekannt, in dem
ein geladener Gast mit dem Unsinn identifiziert wurde,
den die Delegierten einer Partei beschlossen?
So haben wir beispielsweise auch bei Veranstaltungen der
CDU gesessen und ich denke, wir haben uns nicht mit
dem identifiziert, was die CDU damals beschlossen hat.
D
Herr Kollege Lippelt, es werden ständig Resolutio-
nen verabschiedet, bei denen man 20 Jahre später kaum
noch nachvollziehen kann, inwiefern sie triftig gewesen
sein sollen.
Seitdem Joschka Fischer als politischer Akteur auf der
Bundesebene tätig ist, ist seine Haltung so eindeutig, wie
man dies nur bei wenigen Kolleginnen und Kollegen fin-
den wird.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Koppelin.
Herr Präsident, ich darf
zuvor zur Geschäftsordnung fragen: Da der Staatsminis-
ter zwei dringliche Fragen beantwortet hat, gehe ich da-
von aus, dass ich auch zweimal die Möglichkeit habe zu
fragen.
Die Frage 2des Kollegen von Klaeden ist noch nicht aufgerufen. Beidieser Frage können Sie eine Zusatzfrage stellen.
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Eckart von Klaeden14759
Herr Staatsminister, kön-
nen Sie sich vorstellen, dass man ganz nachdenklich wird,
wenn man weiß, dass der jetzige Außenminister damals zu
dieser Tagung – mit diesen Beschlüssen – in Algerien
gewesen ist, und zur Kenntnis nehmen muss, dass sich
Minister Fischer heute zu den Hinrichtungen in Palästina
in keiner Weise geäußert hat, obwohl wir doch auch in
diesem Hause alle immer der Auffassung gewesen sind,
dass wir uns gegen Todesstrafe und Hinrichtungen aus-
sprechen, und obwohl sich auch das Außenministerium
bei vielen Gelegenheiten dankenswerterweise geäußert
hat? Nun äußert es sich erstaunlicherweise bei dieser
Frage überhaupt nicht.
D
Herr Koppelin, Sie sprechen ein grundsätzliches
Problem an, nämlich in welcher Tonlage und in welcher
Form die Menschenrechtsverletzungen, die im Nahost-
Prozess von verschiedenen Seiten begangen wurden, an-
gesprochen werden sollen. Ich kann Ihnen versichern,
dass alle diese schrecklichen Ereignisse in Gesprächen,
die wir mit beiden Seiten auf unterschiedlichsten Ebenen
führen, sehr deutlich angesprochen werden. Im Moment
ist es aber nicht der richtige Stil, große öffentliche Er-
klärungen seitens der Bundesregierung abzugeben.
Im Übrigen möchte ich darauf hinweisen, dass wir ge-
nau dieses Thema heute Morgen im Auswärtigen Aus-
schuss intensiv besprochen haben. Ich kann mich nicht er-
innern, dass ein F.D.P.-Abgeordneter dort das Wort
ergriffen hat.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Schockenhoff.
Herr
Staatsminister, Bundesminister Fischer hat als Delegati-
onsmitglied des Sozialistischen Deutschen Hochschul-
bundes – –
– Sozialistischer Deutscher Studentenbund. Sie kennen
sich in einschlägigen Kreisen besser aus, Herr Stiegler.
Ich möchte die Frage aber gerne dem Herrn Staatsminis-
ter stellen.
Nachdem es dem Bundesminister nach einer Stunde zu
langweilig geworden ist, wurde eine Resolution verab-
schiedet, die zum „Endsieg gegen Israel“ auffordert.
Hat sich denn der Bundesminister im Nachhinein von die-
ser nationalsozialistischen Wortwahl distanziert oder was
hat er unternommen, um diesen Sprachgebrauch zu ver-
hindern?
D
Sehen Sie, die Diskussion verläuft immer nach der-
selben Methode: Der Außenminister wird in einen Topf
geworfen, in den er nicht hineingehört, und dann wird von
ihm gefordert, sich zu distanzieren.
Der Außenminister hat sowohl in seiner formellen
Funktion als auch früher als Privatmann nicht die gerings-
te Tendenz gezeigt, das Existenzrecht Israels in Zweifel
zu ziehen.
Diese Reisen hat er damals übrigens zusammen mit sei-
nem engsten Freund Daniel Cohn-Bendit gemacht,
der, wie Sie wissen, jüdischer Herkunft ist, weshalb wohl
auszuschließen ist, dass dort ein prinzipiell antiisraeli-
scher Duktus vertreten wurde.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Weisskirchen.
Herr Staats-
minister, würden Sie bitte einmal kommentieren, was ge-
schehen würde, wenn wir hier oder etwa die Kollegen im
Bayerischen Landtag an den Herrn Ministerpräsidenten
Stoiber die Frage stellen würden, was er in jener Zeit, zum
Beispiel in den 60er-Jahren, als er Franz Josef Strauß di-
rekt zugearbeitet hat und Franz Josef Strauß enge Kon-
takte zu bestimmten Rechtsdiktatoren gepflegt hat,
getan hat. Ist es sinnvoll, solche Fragen heute in unseren
Parlamenten zu debattieren?
D
Herr Weisskirchen, Sie haben jetzt einen Extremtypder Kooperation genannt, der in früherer Zeit gang undgäbe war. Sicherlich ist es sinnvoll, auch dies historischaufzuarbeiten.Bezogen auf die arabische Welt kann man allerdingssagen, dass wir damals und auch heute vor der schwieri-gen Aufgabe stehen, unsere besondere Verantwortung, diewir Israel gegenüber haben, mit den berechtigten Inte-
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ressen, die wir gegenüber dem arabischen Raum habenund die dieser uns gegenüber hat, auszubalancieren. Dasist eine nicht immer ganz einfach zu gestaltende Politik.Deshalb läuft das meiste davon nicht öffentlich und in lau-ten Tonlagen ab.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Hauser.
Herr Staatsmi-
nister, meine Frage stelle ich vor dem Hintergrund, dass
ich gerade vom Kollegen Lippelt lernen konnte, dass er
sich in Zukunft problemlos auch von der NPD einladen
lassen darf,
da er sich, wenn er einer solchen Einladung folgt, nicht
unbedingt mit den Inhalten der NPD identifizieren muss.
So hat Herr Lippelt es gerade ausgedrückt. Meine Damen
und Herren, Sie werden dies dem Protokoll entnehmen
können.
Angesichts dessen, dass hier gesagt wird: „Wenn ich ir-
gendwohin eingeladen bin, gehe ich da zwar hin, identifi-
ziere mich aber nicht mit den Inhalten“ – das war die Aus-
sage des Kollegen Lippelt, die mich zu dieser Nachfrage
veranlasst hat –,
frage ich Sie, Herr Staatsminister, ob Sie die Einschätzung
teilen können, dass man sich, wenn man zu einer Veran-
staltung geht, von der man erwarten muss, dass dabei et-
was herauskommt – zum Beispiel, dass eine Resolution
verabschiedet wird,
in der es wörtlich heißt, Frau Kollegin: „Die Versamm-
lung vertraut darauf, dass der Endsieg dem palästinensi-
schen Volk gehören wird und es ihm gelingen wird, ganz
Palästina zu befreien“ –, auch Gedanken darüber machen
muss, wer einlädt, welcher Einladung man folgt und zu
welchen möglichen Ergebnissen eine Veranstaltung führt.
D
Herr Hauser, wir sprechen über Ereignisse, die vor
32 Jahren stattgefunden haben. Damals hat die gesamte
deutsche Politik darum gerungen, ihr Verhältnis zu Israel
richtig zu gestalten und das Dreiecksverhältnis zu Israel
und zur arabischen Welt auszutarieren. Dabei wurde vie-
les experimentell durchgespielt. Es wurden zahlreiche
Gespräche geführt. Ich erinnere mich zum Beispiel leb-
haft an die vielen Reisen des Abgeordneten Möllemann in
diese Region.
Aus all dem hat sich ein Verständnis von Nahostpolitik
geformt, das heute sehr genau definierbar ist, das im eu-
ropäischen Kontext angesehen ist und für das der Außen-
minister mit seiner ganzen Persönlichkeit einsteht. Das ist
überhaupt nicht zweifelhaft.
Noch eine
Zusatzfrage und dann kommen wir zur zweiten dringli-
chen Frage. – Frau Kollegin Bonitz, bitte.
Herr Staatsminister, ich
möchte auf das Zitat zurückkommen, das der Kollege von
Klaeden dem „Spiegel“ vom Januar entnommen hat.
Stimmen Sie mir zu, dass zwischen dem Zitat – ich nenne
es hier noch einmal –:
Fischer: Ich war 1966 auf einer völlig unpolitischen
Tramp-Tour im Nahen Osten. Erst in den Neunziger-
jahren bin ich wieder nach Israel und in die arabi-
schen Länder gekommen: als Außenminister
und dem späteren Eingeständnis des Außenministers, dass
er 1969 in Algerien doch an einer PLO-Konferenz teilge-
nommen hat, ein Widerspruch liegt, den man gemeinhin
so deuten würde, dass der Außenminister in dem „Spie-
gel“-Interview die Unwahrheit gesagt hat?
D
Frau Bonitz, ich weiß nicht, ob der „Spiegel“ Sie
schon jemals zu einem Redaktionsgespräch eingeladen
hat.
Sonst wüssten Sie, dass man dort nicht die Möglichkeit
hat, den „Spiegel“-Redakteuren die eigene Lebensge-
schichte zu erzählen, sondern dass der „Spiegel“ das
Gesagte anschließend unter den Aspekten des Wahr-
heitsgehalts, aber auch der griffigen und prägnanten
Formulierung zusammenfasst.
Ich rufe
nunmehr die dringliche Frage 2 des Kollegen von
Klaeden auf:
Kann Bundesminister Joseph Fischer ausschließen, dass er in
dieser Zeit die damalige militante und für ihre Flugzeugent-
führungen berüchtigte Organisation PFLP des Arztes Dr. G. H. zu-
mindest verbal unterstützt hat?
Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.
D
Da die Bundesregierung nicht über Wortprotokolleaus den Jugendjahren von Bundesminister Fischer verfügt
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Staatsminister Dr. Ludger Volmer14761
und Fragen wie diese nicht ernsthaft auf die tatsächlicheHaltung von Bundesminister Fischer zu Israel und Paläs-tina zielen, wie ich gerade erläutert habe, kann die Bun-desregierung dazu keine Stellung nehmen.Im Übrigen, wenn ich mir die Frage noch einmal genauanschaue, sehe ich: Es gibt darin einen inhaltlichen Wi-derspruch zu den Vorwürfen, die Sie gerade erhoben ha-ben. Sie können Herrn Fischer unterstellen, er habe ent-weden mit der PLO oder aber mit Habasch sympathisiert.Beides gleichzeitig geht aber nicht, da sie untereinandererheblich verfeindet waren.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen von Klaeden.
Herr Staatsminis-
ter, da ich zunächst keine Vorwürfe erhebe, sondern Fra-
gen stelle und Sie gerade mitgeteilt haben, dass die Tatsa-
che, dass Daniel Cohn-Bendit 1969 an einer PLO-
Konferenz teilgenommen hat, dazu geführt haben muss,
dass es auf dieser Konferenz keine antiisraelischen oder
antizionistischen Äußerungen gab, würde ich sagen: Es ist
bei der Logik, die Sie anwenden, durchaus angebracht,
auch diese zweite Frage gestellt zu haben.
Jetzt zu meiner Zusatzfrage. Ist Ihnen bekannt oder
kann sich der Außenminister noch daran erinnern, wie die
damaligen Veranstalter dieser PLO-Unterstützerkonfe-
renz in Algier auf den Namen des heutigen Bundesminis-
ters Joseph Fischer gekommen sind und wie damals die
Ansprache und die Organisation der Reise erfolgten?
D
Es war, wie gesagt, eine Reise des SDS. Der SDS
hat die Delegation zusammengestellt. Wie das Prozedere
war, weiß ich nicht. Ich weiß im Moment übrigens auch
nicht, wer außer Fischer dabei war. Cohn-Bendit habe ich
vorhin als Indiz dafür genannt, dass Fischer, der damals
schon mit Cohn-Bendit befreundet war, mit Sicherheit
nicht antijüdisch eingestellt war. Ob Cohn-Bendit an die-
ser Reise teilgenommen hat, entzieht sich im Moment
meiner Kenntnis.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Es wird immer
verwirrender. Trotzdem will ich die zweite Frage stellen:
Herr Staatsminister, gab es nach der Unterstützungskon-
ferenz in Algier Kontakte des heutigen Bundesministers
des Auswärtigen, Joseph Fischer, zu palästinensischen
Organisationen, die zum bewaffneten Kampf gegen Israel
aufgerufen oder ihn durchgeführt haben? Oder gab es
Kontakte zu Personen, die solchen Organisationen an-
gehört haben? Und wie waren diese Kontakte gestaltet?
D
Die Frage, welche Kontakte Joschka Fischer da-
mals, in seiner Jugend, hatte, kann ich Ihnen nicht präzise
beantworten. Ich kann Ihnen nur sagen, dass fast alle, die
damals an den Universitäten oppositionelle Politik betrie-
ben und sich dabei insbesondere um internationale Soli-
darität bemühten, engste Kontakte sowohl zu jüdischen
als auch zu palästinensischen Bürgern und Organisatio-
nen hatten. Aus diesen Kontakten, die teilweise heute
noch bestehen, erwuchsen fruchtbare Dialoge, die in eine
Politik der Bundesregierung einmündeten, die heute von
allen Seiten als konstruktiv empfunden wird.
Eine Frage
des Kollegen Koppelin.
Herr Staatsminister, da
hier verschiedene Beschlüsse angesprochen wurden, die
damals in Algerien gefasst wurden, und Sie immer wieder
ausweichen und sagen, das seien Jugendsünden – so will
ich es einmal formulieren –, möchte ich fragen: Wie er-
klären Sie sich, dass jemand vom Bundesaußenminister
im Planungsstab des Auswärtigen Amtes eingestellt
wurde, nämlich Joscha Schmierer – „Joscha“ ist wohl ein
erfundener Vorname –,
der erst 1997 in der berühmten Zeitschrift „Kommune“,
die Ihnen nicht unbekannt sein sollte, zu Kambodscha und
Pol Pot sagte: Pol Pot kann sich sagen, dass die Vorsicht
noch lange nicht ausreichend war; Hun Sen – das ist der
jetzige Präsident in Kambodscha – und seine Anhänger
hätten unschädlich gemacht werden müssen? – Finden Sie
das richtig? Das passt doch zu dieser Geisteshaltung. Fin-
den Sie es richtig, dass solche Leute erst vor zwei Jahren
im Auswärtigen Amt eingestellt wurden?
D
Herr Koppelin, Sie haben genau zu diesem Komplexzwei ordentliche Fragen gestellt. Jetzt weiß ich nicht, obich das als Zusatzfrage zu dieser Frage auffassen oder imZusammenhang mit dem eigentlichen Komplex beant-worten soll.
In der Tat: Im Auswärtigen Amt – das ist die Antwortauf Ihre Frage 41 – wurde Hans-Gerhart Schmierer ein-gestellt. Dieser ist als Europaexperte im Auswärtigen Amtaktiv und sehr angesehen.
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Staatsminister Dr. Ludger Volmer14762
Wenn der Außenminister in Frankreich als Europäer desJahres geehrt wird und der außenpolitische Sprecher derCDU/CSU-Fraktion, Karl Lamers, die Fairness und denAnstand besitzt, dem Außenminister dafür öffentlich zugratulieren, dann erstreckt sich diese Gratulation auch aufHerrn Schmierer, der zum großen Teil die theoretischeKonzeption erarbeitet hat.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Schockenhoff.
Herr
Staatsminister, Sie haben auf die erste Frage des Kollegen
von Klaeden geantwortet, es sei bekannt, dass Bundesmi-
nister Fischer mit seinem Freund Cohn-Bendit zu dieser
Konferenz gefahren sei. Auf die zweite Frage haben Sie
geantwortet, es entziehe sich Ihrer Kenntnis, ob er mit sei-
nem Freund Cohn-Bendit gereist sei. Welche von Ihren
beiden Antworten war richtig und welche falsch? Können
Sie ausschließen, dass Bundesminister Fischer auf dieser
Konferenz das Wort ergriffen hat? Was hat er dort gesagt?
Können Sie ausschließen, dass sich Bundesminister
Fischer nicht daran erinnern kann, wer die anderen Teil-
nehmer in der Delegation des Sozialistischen Deutschen
Studentenbundes waren?
Ich bitte da-
rum, dass jetzt wirklich kurze Fragen gestellt werden.
D
Ich habe vorhin versucht, deutlich zu machen, dass
zu dem Zeitpunkt, zu dem die Reise stattfand, Joschka
Fischer bereits mit Daniel Cohn-Bendit befreundet war
und aufgrund der ständigen Diskussionen mit Cohn-Bendit,
der jüdischer Herkunft ist, nie in die Gefahr geriet, sich
grundsätzlich antijüdisch oder antiisraelisch zu po-
sitionieren. Ob Cohn-Bendit bei dieser Reise dabei war,
weiß ich nicht. Ich kann das nicht ausschließen. Ich werde
nachfragen und zu recherchieren versuchen, wer sonst
noch bei dieser SDS-Reise dabei war.
Ansonsten gibt es über die Diskussion meines Wissens
keine Protokolle. Wir jedenfalls haben keine Protokolle
darüber, wie palästinensische Kongresse 1969 im Einzel-
nen diskutierten.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen van Essen.
Herr Staatsminister, könn-
ten Sie, nachdem Sie bisher die klaren Fragen 41 und 42
des Kollegen Koppelin nicht beantwortet haben, bitte so
freundlich sein, das jetzt zu tun?
D
Herr van Essen, wenn der Herr Präsident diese Fra-
gen aufruft, werde ich sie sofort beantworten.
Es liegt im
Ermessen des Staatsministers, ob er eine nicht als dring-
lich bezeichnete Frage jetzt oder später beantwortet. Der
Staatsminister hat darauf geantwortet.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Uhl, und dann müssen
wir gleich zu der Beantwortung der regulären Fragen
überleiten.
– Ich kann es nicht ändern, aber wir müssen auch Rück-
sicht auf die anderen Kollegen nehmen. Auch sie haben
ein Anrecht darauf, hier noch zu Wort zu kommen.
Ich lasse noch eine Frage zu: Kollege Uhl.
– Kollege Uhl zieht seine Frage zurück. Dann kann Kol-
lege Ramsauer noch eine Frage stellen. Das ist dann der
Schlusspunkt, es sei denn, jemand aus der sozialdemo-
kratischen Fraktion möchte noch eine Frage stellen.
Herr Staatsminis-
ter, Sie haben gesagt, dass Fischer die Konferenz nach ei-
ner Stunde verlassen hat.
Können Sie ausschließen, dass Fischer in der einen
Stunde, die er teilgenommen hat – wenn auch vielleicht
gelangweilt –,
selbst das Wort ergriffen hat?
D
Nach dem, was ich in Erfahrung gebracht habe, hat
Fischer mit einigen Freunden des SDS diese Sitzung we-
gen erwiesener Langweiligkeit verlassen und sich statt-
dessen Algier angeschaut.
Damit ver-lassen wir den Komplex der dringlichen Fragen und da-mit zunächst auch Ihren Geschäftsbereich, Herr Staatsmi-nister. Ich danke Ihnen.Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung steht dieParlamentarische Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walchzur Verfügung.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Staatsminister Dr. Ludger Volmer14763
Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Dr. Ilja Seifert auf:
G
Vor der Entscheidung
über gesetzliche Regelungen in diesem Bereich sollte nach
Auffassung der Bundesregierung die begonnene Debatte
über die Fortpflanzungsmedizin und damit auch über die
Präimplantationsdiagnostik nunmehr im Bundestag inten-
siv fortgesetzt werden.
Die Bundesregierung geht davon aus, dass der Diskus-
sionsprozess interdisziplinär und fraktionsübergreifend
erfolgt und angesichts der grundlegenden Bedeutung der
zu treffenden Entscheidung für verschiedene Grund-
rechtspositionen der Betroffenen, wie zum Beispiel den
Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit,
Menschenwürde und Freiheit der Forschung, aber auch
für die Gesellschaft insgesamt eine sorgfältige und einge-
hende Diskussion geboten ist. Die Bundesregierung will
den Ergebnissen dieser Diskussion nicht vorgreifen.
Die Einbringung eines Gesetzentwurfs kann erst am
Ende dieser Diskussion stehen. Mit dieser Form des Ar-
beitens haben wir auch beim Transplantationsgesetz sehr
gute Erfahrungen gemacht.
Eine Zu-
satzfrage.
Frau Staatssekretärin, ich gehe
davon aus, dass auch der Bundesregierung nicht entgan-
gen ist, dass die Diskussion zu diesen Themen seit langem
in vollem Gange ist. Insofern verstehe ich nicht ganz, wa-
rum Sie jetzt eine Diskussion beginnen wollen.
Aber erlauben Sie mir doch bitte eine präzise Nach-
frage zu meiner Frage: Sind nicht auch Sie der Meinung,
dass bestimmte Äußerungen von Ihnen oder von der Mi-
nisterin – gerade dann, wenn sie neu ins Amt gekommen
ist – eine Richtung vorgeben, nämlich dahin gehend, wie
Sie die Debatte gern führen würden und mit welchem Er-
gebnis Sie gern herausgingen?
G
Es gibt dazu bis
jetzt keine abgeschlossene Haltung der Bundesregierung.
Ich hatte Ihnen gesagt, dass die Regierung der Überzeu-
gung ist, dass diese Debatte breiter geführt werden
müsste, als dies im Augenblick der Fall ist.
Wir hatten zwar einen Kongress seitens des
Bundesgesundheitsministeriums, dieser jedoch hatte ein-
leitenden Charakter. Die Diskussion sollte breiter geführt
werden und auch über die eingerichtete Enquete-Kom-
mission hinausreichen. Zudem sollten, bevor ein Gesetz-
entwurf erarbeitet wird, die Diskussionen und die Aus-
wertung der Arbeit der Enquete-Kommission abgewartet
werden. Erst dann, glaube ich, wird es die Möglichkeit ei-
ner Bewertung geben, und wird Einigung darüber zu er-
zielen sein, mit welchen Elementen, mit welch einem An-
satz eines Gesetzentwurfes man starten kann und ob ein
solcher Gesetzentwurf überhaupt notwendig wird.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ich finde
es sehr erfreulich, dass Sie dies ausführlich und breit dis-
kutieren wollen. Sie haben leider nicht darauf geantwor-
tet, ob auch Sie es als eine gewisse Präjudizierung werten,
wenn der nahezu erste Satz der Gesundheitsministerin in
ihrem neuen Amt lautet, sie könne sich vorstellen, dass
Gentests im Rahmen der Präimplantationsdiagnostik zu-
gelassen werden können.
Ich möchte noch einmal auf die von Ihnen angespro-
chene Breite der Diskussionen eingehen und nachfragen:
Dass Sie diesen Kongress zur Fortpflanzungsmedizin als
Start betrachten, ist akzeptabel, wenngleich ich der Mei-
nung bin, dass es schon lange vorher etwas gab. Welche
Formen wollen Sie finanziell, personell und auch struktu-
rell ausbilden, damit es zu einer – wie Sie sagen – so brei-
ten Diskussion kommt, dass sie weit über die Regierung,
die Enquete-Kommission des Bundestages und sonstige,
bereits jetzt involvierte Menschen hinausgeht?
G
Die Bundesregie-rung geht davon aus – wie ich vorhin schon ausgeführthabe –, dass es jetzt zu Diskussionsprozessen kommt, dieüber mehrere Ausschüsse und die Fraktionen hinwegrei-chen. Ich erinnere mich, dass der Diskussionsprozess zumTransplantationsgesetz seinerzeit nahezu über zwei Le-gislaturperioden ging. An seinem Ende stand die Klärungeiniger grundsätzlicher Positionen. Schließlich konntendie Abgeordneten frei entscheiden, welcher Lösung siezum Beispiel hinsichtlich der Frage, wann das Leben ei-nes Menschen endet, wann der Tod eingetreten ist, folgenwollten. Hierüber wurde sehr kontrovers diskutiert und inunterschiedlichen Anträgen abgestimmt.Einen derartigen Prozess stellen wir uns auch zu dieserFrage vor. Wir wollen ihn seitens der Bundesregierung be-gleiten, glauben aber, dass der Prozess der Meinungsbil-dung in erster Linie im Parlament, unter den Repräsen-tanten unserer Gesellschaft stattfinden muss. Wir sehen
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters14764
auch, dass bereits jetzt ein breiter Diskussionsprozess anden verschiedenen Stellen im Gange ist, dem sich natür-lich die Parlamentarier und auch die Bundesregierungstellen werden.
Eine weitere
Zusatzfrage des Kollegen Seifert.
Es freut mich, Frau Staatssekre-
tärin, dass Sie dem Parlament und den Querschnittaufgaben
in diesem Zusammenhang eine so hohe Bedeutung bei-
messen. Aber dennoch: Die Gesellschaft ist doch mehr als
dieses Parlament. Meine Frage zielte darauf ab, wie Sie den
außerhalb des Parlaments stattfindenden gesellschaftlichen
Diskussionsprozess in Kooperation mit uns Parlamenta-
riern unterstützen wollen. Ich habe in meiner zweiten Frage
ausdrücklich auf eine sehr deutliche Stellungnahme des
Deutschen Behindertenrates Bezug genommen – immerhin
ein Gremium, das nur einstimmige Beschlüsse fassen
kann –, der sehr deutlich gesagt hat, welche Befürchtungen
damit verbunden sind. Wenn Sie den Diskussionsprozess
dort fördern wollten, könnten Sie dies im Wege von finan-
zieller oder sonstiger Unterstützung tun.
G
Darüber, in welcher
Form wir mit all diesen Gruppen, die es über den Behin-
dertenrat hinaus gibt, diskutieren werden, haben wir noch
keine endgültige Entscheidung getroffen.
Zu einer Zu-
satzfrage hat der Kollege Aribert Wolf das Wort.
Frau Staatssekretärin, Ihre
Ausführungen, dass Sie einen Diskussionsprozess abwar-
ten wollen und derzeit noch keine abgeschlossene Mei-
nung zu diesem Themenfeld haben, veranlassen mich zu
einer Nachfrage: Heute gibt es eine Agenturmeldung des
Inhalts, dass geplant sei, in der nächsten Legislaturperiode
eine radikale Gesundheitsreform durchzuführen. Wir
führen hier im Parlament bereits seit zwei Jahren Diskus-
sionen über eine Gesundheitsreform; dieser Prozess wäre
jetzt eigentlich entscheidungsreif. Wenn Sie schon bei der
Präimplantationsdiagnostik erst einen Diskussionsprozess
abwarten wollen, könnten Sie jetzt als neue Staatssekretä-
rin doch wenigstens sagen, ob Sie in den Fragen der Ge-
sundheitspolitik entscheidungsfähig sind oder ob das, was
der Bundeskanzler nach diesen „Stern“-Vorabmeldungen
sagt, stimmt, nämlich dass es erst in der nächsten Legisla-
turperiode eine radikale Gesundheitsreform geben soll.
Die Entfer-
nung von dem eigentlichen Thema ist deutlich erkennbar.
Möchten Sie, Frau Staatssekretärin, dennoch darauf ant-
worten?
G
Ich habe kein drin-
gendes Bedürfnis, darauf zu antworten.
Ich danke
Ihnen, Frau Staatssekretärin. Wir sind damit am Ende die-
ses Geschäftsbereiches.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur
Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin
Simone Probst zur Verfügung.
Die Frage 3 der Kollegin Vera Lengsfeld wird schrift-
lich beantwortet.
Ich rufe die Frage 4 der Kollegin Annette Widmann-
Mauz auf:
Welche inhaltliche und gestalterische Verbindung sieht dieBundesregierung zwischen ihrem neuen Klimaschutzprogrammund den Darstellungen auf der Seite 16 sowie der Seite 28 der Bro-schüre „Damit weniger in die Luft geht“, herausgegeben vomBundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicher-heit vom Dezember 2000?
S
Sehr geehrte Kollegin, ich beantworte Ihre Frage wie
folgt: Ziel der vom Bundesumweltministerium herausge-
gebenen Broschüre mit dem Titel „Damit weniger in die
Luft geht“ ist es, auf verständliche und ansprechende
Weise über das Klimaschutzprogramm der Bundesregie-
rung vom 18. Oktober 2000 zu informieren, zugleich aber
auch den europäischen und internationalen Kontext zu er-
läutern, der durch die 6. Weltklimakonferenz vom No-
vember 2000 in Den Haag eine besondere Aktualität er-
langte.
Die Broschüre möchte aufzeigen, dass die Klimaziele
der Bundesregierung realistisch sind, dass Klimaschutz
nicht nur der Katastrophenabwehr dient, sondern eine
chancenreiche Zukunftsaufgabe ist, und soll die Leserin-
nen und Leser für aktives Mitmachen gewinnen.
Eine Zu-
satzfrage der Kollegin Widmann-Mauz.
Frau Staats-
sekretärin, nachdem Sie bislang ausschließlich auf die
Frage des Inhalts dieser Broschüre geantwortet haben,
aber den Bezug zu den gestalterischen Elementen dieser
Broschüre noch nicht dargelegt haben, möchte ich Sie
konkret fragen, welche Aussage das Ministerium mit die-
ser doppelseitigen Darstellung des Hinterns einer nach
vorne gebeugten Frau zum Thema internationale und eu-
ropäische Dimension des Klimaschutzes treffen wollte.
Könnten Sie dazu ein paar konkrete Aussagen machen?
S
Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, wie Sie auf demBild erkennen können, handelt es sich um eine Frau, diesich, auf der Ladefläche eines typisch amerikanischenPick-ups stehend, nach vorne beugt. Grundsätzlich gehtes uns darum, neue gestalterische Wege zu beschreiten,die zum einen die Phantasie wecken und zum anderenzum Nachdenken anregen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Parl. Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch14765
Vor allen Dingen aber soll das Foto zuversichtlich stim-men.Mit diesem Bild soll die Weite Amerikas und damit dieinternationale Dimension assoziiert werden. Es verweistauf die Schlüsselrolle des Menschen in den Industriena-tionen für den Klimaschutz vor allen Dingen auf dieSchlüsselrolle der Vereinigten Staaten. Zudem orientiertes sich sehr stark an dem nachfolgenden Text.Ich denke, dass gerade die Haltung dieser Frau, wennSie sie genau betrachten, zum Ausdruck bringt: Ich suchemir meinen eigenen Weg. Das Foto strahlt Selbstbewusst-sein und Optimismus aus. Damit personifiziert die Frau ingewisser Weise – auch nach dem Scheitern der Verhand-lungen zum Klimagipfel in Den Haag – die deutsche Po-sition zum Klimaschutz.Deutschland wird beim Klimaschutz weiterhin Vorrei-ter bleiben und seine anspruchsvollen Reduktionszielebeharrlich und mit dem Pioniergeist, der aus diesem Fotospricht, durch nationale Maßnahmen verwirklichen.Ich kann Ihnen sagen: Mir gefällt das Foto. Ich habemich sehr dafür eingesetzt, dass es in der BroschüreBerücksichtigung findet.
Ich schlage
vor, dass Sie das Foto gleich dem Präsidium zur Verfü-
gung stellen.
Ich gebe nun der Kollegin Widmann-Mauz das Wort zu
einer zweiten Zusatzfrage.
Herr Präsi-
dent, das werde ich im Anschluss an die Fragestunde
gerne tun.
Fr
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Darf ich dieses
Bild dann als einen aktiven Beitrag zu Gender Mainstrea-
ming in der Bundesregierung – unter frauenspezifischen
Aspekten – auffassen? Wie viele Steuergelder sind denn
für diese Broschüre mit den sehr einschlägigen Darstel-
lungen von Frauen verwendet worden?
S
Das Umweltministerium bemüht sich, bei den Darstellun-
gen in den Broschüren und überhaupt in unseren gesam-
ten Publikationen auf ein ausgewogenes Verhältnis der
Geschlechter zu achten.
Wenn ich Ihre Frage dahin gehend verstehe, dass Sie in
unseren Broschüren einen höheren Anteil attraktiver
Männer vermissen, werde ich dies gerne als Anregung
aufnehmen und versuchen, Abhilfe zu schaffen.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Weiß.
Frau
Staatssekretärin, in dieser Broschüre findet sich unter an-
derem auch ein Foto, das das Dekolleté zweier Teenage-
rinnen zeigt.
Das Foto
hätten wir auch gerne.
Herr Präsi-
dent! Es geht mir bei meiner Frage weniger um das De-
kolleté der Teenagerinnen als vielmehr darum, zu wel-
chem Zweck diese Abbildung erfolgt ist, nämlich, in-
wiefern es dazu dient, die Erfolge des Klimaschutzes zu
demonstrieren.
Deshalb ist meine Frage: Ist Ihnen die angewandte
Messtechnik, die Erfolge des Klimaschutzes anhand des
Dekolletés der beiden Teenagerinnen zu beweisen, von
wissenschaftlicher Seite empfohlen worden?
S
Herr Kollege, ich glaube, dass Sie den Zusammenhang,
mit gestalterischen Elementen in der Werbung Inhalte zu
vermitteln, etwas unterschätzen. Wenn Sie die Unter-
schrift auf diesem Bild „Perspektive 2020 – langfristiger
Klimaschutz bringt messbaren Erfolg“ sehen, werden Sie
erkennen, dass die dargestellte Badeszene im Meer ein
Bild weiter Perspektive vermitteln will.
Mir gefällt das Foto daher noch besser als das erste, da es
eine Faszination intakter Natur vermitteln will. Ich denke,
dass die Unterschrift des Bildes „Perspektive 2020 – lang-
fristiger Klimaschutz bringt messbaren Erfolg“ einen en-
gen Zusammenhang zu der Zukunftsaufgabe der Mensch-
heit, eine intakte Natur auch für künftige Generationen zu
bewahren, bildet. Wenn man das Bild im Zusammenhang
mit dem Klimaschutz sieht, wird man nachvollziehen
können, dass, sollte der Meeresspiegel durch unterlasse-
nen Klimaschutz weiter steigen, nicht nur Überflutungen
drohen, sondern ein Großteil der weltweit attraktivsten
Badestrände verloren geht.
Insofern glaube ich, dass das ein gutes Bild in der rich-
tigen Broschüre ist.
Eine weitereZusatzfrage des Kollegen Barthle.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Parl. Staatssekretärin Simone Probst14766
Frau Staatssekretärin,
da Sie sich gerade über die Wirksamkeit von Werbebot-
schaften geäußert haben und die Frage, wie viel diese Bro-
schüre gekostet hat, noch unbeantwortet blieb, möchte ich
Sie jetzt fragen: Können Sie uns wenigstens sagen, wel-
che Werbeagentur diese Broschüre verfasst hat? Handelte
es sich dabei zufällig um dieselbe Werbeagentur, die die
baden-württembergischen Grünen bei ihrer Postkartenak-
tion – Stichwort: „Grün fickt besser“ – beraten hat?
S
Ich habe die Zahlen über die Kosten der Kampagne zur-
zeit nicht vorliegen. Insofern kann ich auch nicht sagen,
wie viel diese Broschüre gekostet hat. Ich werde Ihnen die
Antwort dazu gerne nachreichen.
Ich kann Ihnen nur sagen, dass uns die starke – vor al-
len Dingen internationale – Resonanz auf die neueren Ver-
öffentlichungen des Bundesumweltministeriums im Rah-
men unserer Öffentlichkeitsarbeit ermutigt und uns ge-
zeigt hat, dass gerade eine gelockerte, ansprechende und
zur Diskussion anregende Darstellung dazu beiträgt, eine
inhaltliche Auseinandersetzung mit den behandelten The-
men zu unterstützen und vor allen Dingen in konstruktive
Bahnen zu lenken. Es wird daher weiter das Anliegen des
Umweltministeriums sein, sich darum zu bemühen, In-
formationen über umweltpolitische Ziele in seiner Öf-
fentlichkeitsarbeit mit einer Bild- und Sprachenwelt, die
gerade die jüngere Generation anspricht, zu vermitteln.
Ich denke, die gute Resonanz auf die Broschüre be-
stätigt uns darin, die Frage des Klimaschutzes auf diese
Art und Weise in der Öffentlichkeit zu diskutieren.
Eine Frage
der Kollegin Kopp.
Frau Staatssekretärin, Sie ha-
ben eben gesagt, Sie hätten das entsprechende Zahlenma-
terial im Augenblick nicht zur Hand. Eine Bilanz über die
Wirksamkeit kann man jedoch erst ziehen, wenn man dem
Nutzen die Kosten gegenüberstellen kann. Von daher bitte
ich Sie – Sie haben es eben nur zart angedeutet –, uns die
Zahlen auf jeden Fall nachzuliefern.
S
Frau Kollegin, Sie wissen, dass wir als Bundesregierung
nichts „zart andeuten“, sondern das, was wir sagen, auch
in die Tat umsetzen. Deshalb hätte es Ihrer Nachfrage
nicht bedurft. Sie können sicher sein, dass ich tun werde,
was ich andeute.
Eine letzte
Zusatzfrage des Kollegen Hohmann.
Frau Staatssekretärin,
nachdem wir jetzt von Ihnen erfahren haben, dass Sie
durch starken persönlichen Einsatz dafür gesorgt haben,
dass die dargestellten Fotos ausgewählt wurden, und
nachdem Sie sich diesbezüglich geradezu enthusiastisch
geäußert haben: Könnten Sie sich vorstellen, dass dem-
nächst auch Staatssekretärinnen als Models auftreten?
S
Wohl weniger. Das ist auch nicht Sache der Bundesregie-
rung. Das Einzige, was ich als Anregung aus der in der
Fragestunde geäußerten Kritik mitnehme, ist, dass uns at-
traktive Männer bei der jetzt angestoßenen Diskussion
vielleicht auch helfen könnten. Mein Wunsch ist, dass
sich auch die Männer um den Klimaschutz kümmern. Ich
hatte zu Beginn meiner Antworten darauf hingewiesen,
dass die vorliegende Broschüre nicht nur Phantasie
wecken und zum Nachdenken anregen, sondern auch zum
Mitmachen animieren soll. Vielleicht müssen wir die
Zielgruppe „Männer“ noch etwas stärker ansprechen.
Frau Staats-
sekretärin, ich danke Ihnen.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwor-
tung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Wolf-
Michael Catenhusen zur Verfügung.
Ich rufe Frage 5 der Kollegin Angelika Volquartz auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, dass durch die Regelung des
§ 57 c Abs. 2 Hochschulrahmengesetz, der eine längstmögliche
Befristung von Arbeitsverträgen bestimmter Gruppierungen des
Hochschulpersonals von fünf Jahren vorsieht, viele Forschungs-
einrichtungen gezwungen sind, bei Ablauf dieser Frist für For-
schungsprojekte nach fünf Jahren neues Personal einzustellen,
auch wenn das entsprechende Forschungsprojekt noch nicht ab-
geschlossen ist, und beabsichtigt die Bundesregierung eine Ver-
änderung dieser Vorschrift zum Beispiel im Rahmen der Hoch-
schuldienstrechtsreform?
W
Ichfrage mich natürlich, ob ich für das Thema „attraktiveMänner“ stehe.
– Richtig, das ist das Selbstbewusstsein der Bundesregie-rung.Frau Kollegin Volquartz, auf Ihre Frage möchte ichIhnen Folgendes antworten: Die Zeitvertragsregelungendes Hochschulrahmengesetzes verfolgen zum einen dasZiel, die Leistungsfähigkeit der Hochschulen und der au-ßeruniversitären Forschungseinrichtungen zu stärken undihnen die unentbehrliche personelle Erneuerungsfähigkeitzu sichern. Zum anderen zielen die Befristungsregelungendarauf ab, die Chancen des wissenschaftlichen Nachwuch-ses, für eine begrenzte Zeit im Hochschul- bzw. For-schungsbereich tätig zu sein, zu wahren. Insgesamt sind dieRegelungen das Ergebnis einer Abwägung zwischen denAnforderungen, die sich aus der verfassungsrechtlichenPflicht des Staates zur Bereitstellung funktionsfähiger Ein-richtungen für den freien Wissenschaftsbetrieb einerseitsund aus dem Sozialstaatsgebot andererseits ergeben.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001 14767
Die nach § 57 c des Hochschulrahmengesetzes beste-henden Höchstgrenzen sollen dabei verhindern, dass einewissenschaftliche Nachwuchskraft zu lange in befristetenArbeitsverhältnissen beschäftigt wird. Zeitverträge sindinsbesondere nicht dazu da, „wissenschaftliche Projekt-karrieren“ mit erhöhter beruflicher und sozialer Unsi-cherheit dauerhaft zu ermöglichen. Eine befristete Be-schäftigung soll vielmehr grundsätzlich nur so langeerfolgen, bis eine abschließende Beurteilung der Qualifi-kation möglich ist. Gleichzeitig soll die zeitliche Begren-zung dieser Qualifizierungsphase einen Wechsel in an-dere Bereiche, insbesondere in die Wirtschaft, ge-währleisten und nicht daran scheitern lassen, dass er imHinblick auf das Lebensalter der Betroffenen zu langehinausgezögert wird.Die bislang geltenden Befristungsregelungen habensich jedoch als für die Praxis bisweilen sehr schwer hand-habbar und zu wenig flexibel erwiesen. Die Bundesregie-rung beabsichtigt daher im Rahmen der Hochschuldienst-rechtsreform, die für Hochschulen sowie für staatlicheund institutionell geförderte Forschungseinrichtungengeltenden Zeitvertragsregelungen grundlegend neu zu ge-stalten.
Eine Zu-
satzfrage.
Die Dienstrechts-
reformkommission – Sie haben eben darauf hingewie-
sen – wird sich mit möglichen Änderungen des bisherigen
Regelungsrahmens befassen. Wie sollen nach Meinung
der Bundesregierung bzw. Ihres Ministeriums die Befris-
tungsregelungen geändert werden?
W
Wir ar-
beiten noch daran. Wir hielten nach den von der Dienst-
rechtsreformkommission vorgelegten Ergebnissen ein
Rechtsgutachten für notwendig, weil sich die Kommis-
sion mit diesen Fragen nicht in der für die Vorbereitung
einer gesetzlichen Neuregelung notwendigen Tiefe und
Intensität befasst hatte. Bei der vorgesehenen Neufassung
der §§ 57 a bis 57 f gehen wir davon aus, dass für einen
bestimmten, eng begrenzten Zeitraum aufgrund des ver-
fassungsrechtlichen Erfordernisses der Sicherung der
Funktions- und Innovationsfähigkeit der Hochschulen
und insbesondere der Förderung des wissenschaftlichen
Nachwuchses befristete Arbeitsverträge das gebotene ver-
tragliche Gestaltungsmittel sind. Grundprinzip der beab-
sichtigten Neuregelung ist, dass die Befristungslegitima-
tion künftig nicht mehr über einzelne Sachgründe erfolgt,
sondern über Befristungsgrenzen, denen die Vorstellung
von einer „typisierten Qualifikationsphase“, die für viele
zutrifft, zugrunde liegt.
Die zukünftigen Befristungsgrenzen sollen sich an den
für die Juniorprofessur vorgesehenen Zeitraum von maxi-
mal zwölf Jahren anlehnen, also drei plus drei Jahre Juni-
orprofessur im Anschluss an maximal sechs Jahre Promo-
tions- und Post-Doc-Phase. Dementsprechend soll die
Befristung der Verträge von wissenschaftlichen Mitarbei-
terinnen und Mitarbeitern sowie von wissenschaftlichen
Hilfskräften künftig ohne Promotion bis zu sechs Jahren
möglich sein. Nach abgeschlossener Promotion kann eine
weitere Befristung bis zu sechs Jahren erfolgen. Wurde
der Zeitraum in der ersten Phase nicht ausgeschöpft, kön-
nen die nicht genutzten Zeiten an die zweite Phase ange-
hängt werden. Die Möglichkeit, Nachwuchskräfte im
Rahmen von befristeten Zeitverträgen bis zu zwölf Jahren
im Hochschulbereich arbeiten zu lassen, stellt aus unserer
Sicht eine angemessene Regelung und einen erheblichen
Fortschritt im Vergleich zu den jetzigen starreren Fristen-
regelungen dar.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Ist damit die mir
bekannte Überlegung vom Tisch, dass ein Eingangsver-
trag mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren und dann
ein Post-Doc-Vertrag mit einer Laufzeit von bis zu fünf
Jahren geschlossen werden sollten sowie eventuell eine
Anschlussbeschäftigung nach dem Beschäftigungsförde-
rungsgesetz von bis zu zwei Jahren erfolgen sollte?
W
Ich
weiß nicht, von welchem Tisch Sie sprechen. Auf unse-
rem Tisch lag das nicht. Ich kann Ihnen daher nur den jet-
zigen Stand der Überlegungen der Bundesregierung vor-
tragen.
– Ich kann Sie, wie gesagt, nur über den heutigen Bera-
tungsstand informieren.
Es ist allerdings richtig, dass nach Vorlage der Ergeb-
nisse der Reformkommission unsere sehr intensiven Be-
ratungen dazu geführt haben, dass wir Rechtsgutachten
erstellen lassen, weil wir eine abgesicherte Position fin-
den wollen. Wir haben nach ersten Gesprächen den Ein-
druck, dass das, was ich Ihnen heute vorgetragen habe, so-
wohl von der Hochschulseite als auch – so hoffen wir –
von der Gewerkschaftsseite als Fortschritt gegenüber dem
jetzigen Status betrachtet wird.
Keine wei-teren Zusatzfragen. Dann danke ich Ihnen, Herr Staatsse-kretär.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriumsdes Innern auf.Wir kommen zunächst zur Frage 6 der Kollegin GudrunKopp:Hat die Bundesregierung Kenntnis von einer Aufforderung derEuropäischen Kommission aus dem Jahr 2000, ihr wissenschaft-liches Beweismaterial vorzulegen, das ihrer Ansicht nach ein Ein-fuhrverbot für Staffordshire Bullterrier, Pitbull Terrier und Ame-rican Staffordshire Terrier rechtfertigen könnte, und wenn ja, inwelcher Weise ist die Bundesregierung dieser Aufforderung nach-gekommen?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Parl. StaatssekretärWolf-Michael Catenhusen14768
Die Frage beantwortet der Parlamentarische Staatsse-kretär Fritz Rudolf Körper.F
Frau Kollegin Kopp, ich beant-
worte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung hat den
Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher
Kampfhunde im Rahmen des üblichen Verfahrens nach
der Richtlinie 98/34/EG der Europäischen Kommission
notifiziert. Innerhalb der dort vorgesehenen dreimonati-
gen Stillhaltefrist hat die Kommission keinerlei Bemer-
kungen zu dem Gesetzentwurf abgegeben. Mit Schrei-
ben vom 29. Dezember 2000 – darauf beziehen Sie sich
wohl – und mit inhaltsgleichem Schreiben vom 8. Januar
2001 hat die Kommission darum gebeten, ihr die wissen-
schaftlichen Unterlagen zukommen zu lassen, die dem
Einfuhr- und Verbringungsverbot der in Art. 1 § 1 des no-
tifizierten Entwurfs genannten Hunderassen zugrunde lie-
gen. Diese Unterlagen werden in Kürze der Kommission
zugeleitet.
Eine Zu-
satzfrage.
Herr Staatssekretär, rechnen
Sie damit, dass möglicherweise ein Vertragsverletzungs-
verfahren seitens der EU angestrengt werden könnte?
F
Frau Kollegin Kopp, es wäre spe-
kulativ, darauf zu antworten. Ich kann mich nur an den
Text der Briefe vom 29. Dezember 2000 und vom 8. Ja-
nuar 2001 halten. Anhand dieser Unterlagen lässt sich Ihre
Frage nicht beantworten.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Ist Ihnen bewusst, Herr Staats-
sekretär, dass sich, legt man die Rasseliste des Bundes und
die Rasselisten der Länder über so genannte Kampfhunde
zugrunde, bis zu 50 verschiedene Hunderassen auf der so
genannten Liste der gefährlichen Hunde befinden und hal-
ten Sie dies für verhältnismäßig?
F
Frau Kollegin Kopp, Ihre Frage
zielte in erster Linie darauf ab, wie sich die Kommission
zu unserem Gesetzentwurf und den mit ihm verbundenen
Folgewirkungen verhält. Derzeit kann ich Ihnen darauf
nur antworten, dass dies im Zuge des Verfahrens – ich
denke hier etwa an eine Reaktion der Kommission inner-
halb der so genannten Stillhaltefrist – nicht thematisiert
wurde. Nicht mehr, aber auch nicht weniger kann ich Ih-
nen zu diesem Thema mitteilen.
Dann rufe
ich die Frage 7 der Kollegin Kopp auf:
Trifft es zu, dass die Europäische Kommission darüber hinaus
die Bundesregierung darum gebeten hat, nach dem Vorbild von
Frankreich und Großbritannien die Annahme von weniger drasti-
schen Maßnahmen – als beispielsweise ein Einfuhrverbot – zu er-
wägen?
F
Frau Kollegin Kopp, diese Frage
kann ich mit einem klaren Nein beantworten. Die der Bun-
desregierung vorliegenden Schreiben der Kommission
vom 29. Dezember 2000 und vom 8. Januar 2001 enthal-
ten keinerlei Hinweis darauf. Es liegen auch keine sonsti-
gen Schreiben dieses Inhalts vor.
Eine Zu-
satzfrage.
Ich habe auf meine persönli-
che Frage an EU-Kommissar Byrne die Antwort bekom-
men, dass die Bundesregierung gebeten wurde, zu
klären, ob es im Rahmen der bestehenden Gesetzgebung
möglich sei, weniger drastische Maßnahmen zu verhän-
gen. Dazu gehören das Importverbot und natürlich auch
die zuletzt im Grundgesetz vorgenommene Einschrän-
kung des Rechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung.
Von Herrn Byrne wird das als eine unverhältnismäßige
Maßnahme eingestuft. Er bittet auch in dieser Angele-
genheit die Bundesregierung um Stellungnahme. Es
handelt sich also um keine Bagatelle; vielmehr hat es
schon eine bestimmte Qualität. Wie steht die Bundesre-
gierung dazu?
F
Liebe Frau Kollegin Kopp, ich
kann mich nur an das halten, was uns von dem zuständi-
gen EU-Kommissar zugeleitet worden ist. Es gibt – das
habe ich Ihnen mitgeteilt – die beiden Schreiben aus zwei
Bereichen. Im Übrigen stelle ich Ihnen diese Schreiben
gern zur Verfügung; das ist alles andere als ein Geheim-
akt. Das, was diesen Briefen zu entnehmen ist, ist nicht
ganz deckungsgleich mit dem, was Sie aus dem Gespräch
mit dem EU-Kommissar zitiert haben. In diesen Schrei-
ben geht es im Wesentlichen darum, dass man diese Un-
terlagen von uns noch fordert. Dieser Bitte werden wir
nachkommen. Diese Unterlagen werden in unserem Haus
zurzeit zusammengestellt und dann entsprechend weiter-
geleitet.
Eine zweite
Zusatzfrage.
Die angebotenen Kopien die-ser Schreiben möchte ich gerne haben. Für die Zur-Verfü-gung-Stellung bedanke ich mich vorab.Herr Staatssekretär, finden Sie nicht auch, dass eineExpertenanhörung zu diesem Thema angesichts dieserMaßnahmen und dessen, was im Bundestag und im Bun-desrat zuletzt entschieden wurde, die Sachlage völlig ge-klärt hätte und die Fragen, die die EU-Kommission derBundesregierung stellt, eigentlich überflüssig gemacht
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters14769
hätte? Können Sie sich erklären, warum die Bundesregie-rung eine Expertenanhörung gescheut hat?F
Ich weiß nicht, ob man irgend-
etwas gescheut hat; das Ganze ist kein Thema, bei dem
man mit irgendetwas hinter dem Berg halten sollte. Sie
wissen, dass uns dieses Thema noch vor wenigen Tagen
im Vermittlungsausschuss beschäftigt hat. Herr Kollege
van Essen war dabei und hat sich zu diesem Thema ver-
halten.
Ich glaube, mehr darf ich dazu nicht sagen. Das täte auch
nichts zur Sache.
An diesem Beispiel wird deutlich, dass der Diskussions-
prozess schwierig ist.
Frau Kollegin Kopp, ich will Ihre Frage zum Anlass
nehmen, um auf Folgendes hinzuweisen: Einer „Spiegel“-
Meldung vom 12. Februar konnte man entnehmen, dass
uns der zuständige EU-Kommissar angeblich aufgefor-
dert habe, nach dem Vorbild von Frankreich und Großbri-
tannien die Annahme von weniger drastischen Maßnah-
men zu erwägen. Ich muss Ihnen ganz offen sagen: Dies
konnte ich den Unterlagen nicht entnehmen. Es gibt mit
bestimmten Verbänden wohl einen Briefwechsel über die-
ses Thema. Ich kann Ihnen nur mit aller Klarheit sagen:
Dem Briefwechsel zwischen der Kommission und der
Bundesregierung ist das nicht zu entnehmen.
Es gibt
keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr
Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums der Finanzen.
Die Fragen 8 und 9 des Kollegen Michelbach werden
schriftlich beantwortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen
steht die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte
Schulte zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 10 des Kollegen Rossmanith auf:
Welches Ergebnis brachte die „Nachbereitung des Entwurfs“ –Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerium derVerteidigung, Walter Kolbow, am 30. Januar 2001 in der „Augs-burger Allgemeinen“ – über die Feinausplanung und Stationierungder Bundeswehr für die Standorte in Bayern und im Besonderen imRegierungsbezirk Schwaben?
B
Herr Präsident! Das lang-
jährige Haushaltsausschussmitglied des Deutschen Bun-
destages fragt diesmal nicht nach Geld, sondern nach den
Gesprächen, die der Bundesminister Scharping mit den
Ministerpräsidenten der Länder führt. Es ist so, dass er sie
führt, Herr Kollege. Er beabsichtigt, nach diesen Ge-
sprächen die abschließende Entscheidung über die künf-
tigen Standorte der Bundeswehr zu treffen. Der bayeri-
sche Ministerpräsident Stoiber wird im Gegensatz zu den
meisten seiner Kollegen allerdings erst morgen mit dem
Bundesverteidigungsminister in Berlin zusammentreffen.
Verehrte Frau
Staatssekretärin, da ich Sie sehr schätze, würde ich jetzt
die sonst eigentlich angebrachte Bemerkung, dass Sie mit
Ihren Ausführungen meine Frage natürlich nicht beant-
wortet haben, gerne unterlassen. Stattdessen frage ich Sie
jetzt noch einmal: Steht fest, dass am Freitag der angebli-
che Entwurf der Feinausplanung ein völlig anderes Aus-
sehen haben wird als – –
– Nein, ich habe gefragt, wie das aussieht. Ich erläutere es
Ihnen, liebe Frau Kollegin Kastner, gerne noch einmal.
Also: Wird die Feinausplanung, die uns am 29. Januar
im Verteidigungsausschuss und dann anschließend auch
der Öffentlichkeit vorgestellt worden ist, am kommenden
Freitag, wenn der Herr Bundesminister Scharping das
endgültige Konzept vorstellt, ein völlig anderes Gesicht
haben?
B
Dass sie ein völlig anderes Ge-
sicht haben wird, habe ich nirgendwo gehört und das auch
nicht Ihrer Frage entnommen. Ich habe Ihnen nur erklärt,
dass über die Feinausplanung, die der Bundesverteidi-
gungsminister, wie Sie wissen, erst dem Verteidigungs-
ausschuss und dann parallel den Ministerpräsidenten vor-
gestellt hat, Gespräche mit den Ministerpräsidenten
geführt werden sollten, in denen diese ihre Einwände vor-
bringen konnten. Ich führe aber, wie die meisten anderen
Mitglieder unseres Kollegiums und des Ministeriums,
zurzeit auch Gespräche mit den Kommunen, deren Ver-
treter zu uns kommen, um ihre Argumente vorzutragen.
Bundesminister Scharping, der die Verantwortung für
dieses Konzept trägt, will nach den Gesprächen mit den
Ministerpräsidenten, den Abgeordneten und dem morgi-
gen Gespräch mit Herrn Stoiber die künftige Ausgestal-
tung der Stationierung der Bundeswehr abschließend am
Donnerstagabend festlegen. Er wird sie am Freitagmor-
gen der Öffentlichkeit und vor allen Dingen den Abge-
ordneten zur Kenntnis geben. Morgen hat der bayerische
Ministerpräsident noch einmal die Gelegenheit, die Be-
denken des Landes Bayern natürlich auch bezüglich der
Feinausplanung im Bereich der Standorte im Regierungs-
bezirk Schwaben vorzutragen. Ich wundere mich, dass er
diese Gelegenheit nicht schon vorher wahrgenommen hat.
Ist Ihnen, FrauStaatssekretärin, bekannt, dass der Bundesminister derVerteidigung, Rudolf Scharping, es nicht für notwendigerachtet hat, vor der Vorstellung seiner Feinausplanung,die die Schließung von annähernd 100 Standorten vor-sieht – 59 ganz und fast die gleiche Anzahl, bei denen es
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Gudrun Kopp14770
sich um eine De-facto-Schließung handelt –, mit denkommunalen Mandatsträgern oder den Verantwortlichenvor Ort zu sprechen, und dass der bayerische Ministerprä-sident, Edmund Stoiber, dies in der relativ kurzen Zeit vom29. Januar bis heute gemacht hat, weil er es für erforder-lich hielt, um mit dem Bundesminister der Verteidigung,Rudolf Scharping, am Donnerstagabend das endgültigeGespräch in der Erwartung zu führen, dass „das Endkon-zept eindeutig anders aussehen wird“, wie es der Parla-mentarische Staatssekretär Walter Kolbow am 30. Januarin der „Augsburger Allgemeinen“ behauptet hat?B
Ich selbst weiß ebenso wie der
Kollege Kolbow und Minister Scharping, dass diese Vor-
schläge, die natürlich keiner der betroffenen Gemeinden
und Landesregierungen besonders gefallen – das ist doch
völlig klar –, unter dem Gesichtspunkt einer Modernisie-
rung der Bundeswehr erarbeitet wurden. In einigen Be-
reichen wurden Vorschläge und Alternativen benannt, die
natürlich von den dadurch betroffenen anderen Minister-
präsidenten sofort abgelehnt wurden. Deswegen wage ich
vorauszusagen, dass die Standorteplanung bezüglich
Schließung und Reduzierung – man kann nun wirklich
nicht von einer De-facto-Schließung sprechen, wenn von
über 4 000 Dienstposten 1 300 entfallen sollen – sich nicht
groß ändern wird. Wir alle sind uns ja darüber einig und
kommen im weiteren Verlauf der Fragestunde darauf zu
sprechen, dass der Umfang der bisherigen Strukturen
nicht mehr beibehalten werden kann. Auf der einen Seite
hat zwar jede betroffene Kommune Argumente vorgetra-
gen, warum gerade ihr Standort erhalten bleiben muss, auf
der anderen Seite muss aber die Grundlage für die Ent-
scheidungen des Verteidigungsministers eine leistungs-
fähige und einsatzfähige Bundeswehr sein.
Wieweit es da Veränderungen geben wird, wage ich,
selbst nachdem ich die Argumentationen sämtlicher Mi-
nisterpräsidenten gelesen habe, sie natürlich auch in der
Öffentlichkeit vorgetragen habe, heute nicht zu prognos-
tizieren. Aber dass eine große, totale Veränderung kom-
men wird, glaube ich nicht.
Eine Zu-
satzfrage der Kollegin Lenke.
Frau Staatssekretärin, da Sie ge-
sagt haben, am Donnerstagabend werde das Konzept vor-
gestellt, frage ich Sie, ob auch über die Schließung oder
den Erhalt der Kaserne in Dörverden im Landkreis Ver-
den, Niedersachsen, entschieden werden wird.
Wenn ich gleich eine zweite Frage anschließen darf.
Eigentlich
dürfen Sie das nicht, Frau Kollegin.
Darf ich nicht. Gut, dann stelle ich
das zurück.
B
In Bezug auf Dörverden wird,
nachdem das Land Niedersachsen seine Bedenken vorge-
tragen hat, wie bei allen anderen Punkten noch einmal
eine Abwägung durchgeführt werden. Aber der Bundes-
verteidigungsminister wird nicht mehr Standorte erhalten
können. Er muss die wirtschaftliche Entwicklung berück-
sichtigen. Sie wissen, Dörverden ist einer jener Standorte,
die in Alternative zu dem nordrhein-westfälischen Stand-
ort Lippstadt stehen.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen Adam.
Frau Staatssekretärin, Sie
sprachen eben die Kontakte zwischen dem Bundesminis-
ter der Verteidigung, Scharping, und den Ministerpräsi-
denten an. Wie erklären Sie sich, dass erwiesenermaßen
die SPD-Kollegen schon am 28. Januar, also einen Tag
vor der Sitzung des Verteidigungsausschusses, über die
geplanten Schließungen informiert wurden, aber der
SPD-Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern
nach seiner Aussage erst am 29. Januar dieses Jahres in-
formiert worden ist? Worin liegen Ihrer Ansicht nach die
Ursachen?
B
Worin die Ursache liegt, kann
ich deshalb nicht sagen, weil wir als erstes am Montag-
morgen in einer Sondersitzung – Herr Kollege Adam, ich
glaube, Sie sind da gewesen – den Verteidigungsaus-
schuss als den für uns zuständigen Ausschuss unterrichtet
haben. Zeitgleich sind die Ministerpräsidenten davon un-
terrichtet worden. Minister Scharping hat im Vorfeld Ge-
spräche mit den Ländern geführt und ihnen gesagt, was er
vorhat, nach welchen Kriterien er dabei vorgeht und dass
sich alle darauf einzustellen haben, dass bestimmte Stand-
orte in der zuvor bestehenden Größenordnung nicht mehr
da sein werden.
Ich konnte zur Kenntnis nehmen, dass Herr Stoiber,
Herr Ringstorff, Herr Gabriel und alle anderen dies zwar
damals wahrgenommen haben und dass sie zwar die Auf-
fassung von Minister Scharping hinsichtlich der Notwen-
digkeit, die Bundeswehr zu reformieren, akzeptiert haben,
jeder aber im konkreten Fall natürlich in seinem eigenen
Land Beschwernisse hat.
Wir sind, wie gesagt, so vorgegangen, dass wir am
29. Januar morgens den Verteidigungsausschuss unter-
richtet haben.
Eine Zu-
satzfrage des Kollegen van Essen.
Frau Staatssekretärin, nach-dem Minister Scharping erklärt hat, er wolle wegen derSchließung des Standortes Dörverden mit Abgeordnetenüber diese Schließung sprechen, und dies jedenfalls bis-her mit der Kollegin Lenke nicht geschehen ist, frage ichSie: Können Sie mir eine Auskunft dazu geben, ob ein sol-ches Gespräch noch gesucht wird, bevor die endgültigeEntscheidung über Dörverden getroffen wird?
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Kurt J. Rossmanith14771
B
Herr Kollege, das ist sehr un-
terschiedlich gehandhabt worden. Es gab Standorte, bei
denen Bundestagskollegen, nachdem erst einmal bekannt
war, welche geschlossen werden sollten – bei der beab-
sichtigten Auflösung von acht der zehn Transportge-
schwader konnte man sich denken, bei welchen das der
Fall sein würde –, gemeinsam ihre Bedenken vorgetragen
haben. Auch die Gemeinde Dörverden hat ihre Bedenken
übrigens vorher vorgetragen. Ich bin zu einem Besuch
dort gewesen. Sie hat sie auch bei anderen Anlässen vor-
getragen.
Ich kann Ihnen nur sagen, dass das natürlich auch eine
Frage der Kollegen selbst ist. Der Bundesverteidigungs-
minister hat Gespräche angeboten.
Ich pflege sie ständig. Ich werde anschließend mit der
Stadt Bayreuth reden. Ich kann mich nicht erinnern, dass
die Frau Kollegin Lenke sich gemeldet hat und gesagt hat,
sie möchte mit uns ein Gespräch führen.
– Frau Lenke, ich muss Ihnen sagen: Das ist entweder eine
Panne gewesen oder – ich habe das mit der Gemeinde ver-
abredet – ich habe das nicht wirklich wahrgenommen. Ich
pflege das eigentlich zu tun; das muss ich wirklich sagen.
Ich rufe die
Frage 11 des Kollegen Rossmanith auf:
Verbleibt das Jagdbombergeschwader 34 „Allgäu“ am Stand-ort Memmingerberg, und falls nein, für welchen Zeitrahmen istdie Auflösung vorgesehen?
B
Herr Kollege Rossmanith, es
ist beabsichtigt, das Jagdbombergeschwader 34 in Mem-
mingen aufzulösen. Der zeitliche Rahmen für die Rea-
lisierung dieser Entscheidung wird derzeit untersucht. In
Bayern bleiben aber noch immer drei fliegende Geschwa-
der, nämlich die Tornadogeschwader in Lechfeld und in
Neuburg sowie das Transportgeschwader in Landsberg,
und fünf andere große Luftwaffenstandorte, nämlich
Fürstenfeldbruck, Kaufbeuren, Erding, Manching und
Leipheim, erhalten.
Eine Zu-
satzfrage.
Frau Staatssekre-
tärin, ist damit der Tagesbefehl des Inspekteurs der Luft-
waffe, General Portz, vom 29. Januar außer Kraft gesetzt,
in dem er expressis verbis zum Ausdruck bringt, dass mit
der Auflösung des Jagdbombergeschwaders 34 „Allgäu“
noch im Jahr 2001 zu beginnen und die Auflösung im
Jahre 2003 zu beenden sei?
B
Ich habe diese Nachfrage ver-
mutet. Sie betrifft die Vorstellung des Inspekteurs der
Luftwaffe, der den Personalbestand, den Materialeinsatz
und das Funktionieren der logistischen Bereiche sicher-
stellen muss. Wir werden sehen, ob es gelingt, beginnend
mit dem Jahr 2001, diese Auflösung zu erreichen. Sie
hängt davon ab, wie aufnahmefähig die anderen Standorte
sind und wie viele Maschinen wir für kommende Einsätze
behalten werden.
Zweite Zu-
satzfrage.
Frau Staatssekre-
tärin, es geht doch um die Auflösung und nicht um die
Verschiebung des Jagdbombergeschwaders an einen an-
deren Standort.
B
Herr Kollege, Ihre Frage passt
gut in diesen Zusammenhang. Die Zahl der Maschinen,
die wir vorgefunden haben, war nur auf dem Papier groß.
Die Bundesrepublik Deutschland war nämlich 1999 im
Kosovo nur in der Lage, sich mit 14 Flugzeugen an die-
sem internationalen Einsatz zu beteiligen, weil die ande-
ren Flugzeuge weder hinsichtlich ihrer elektronischen
Ausstattung noch hinsichtlich der vorhandenen Waffen-
systeme für diesen Einsatz geeignet waren.
Wir finden also in der Luftwaffe wie in vielen anderen
Bereichen sozusagen hohle Strukturen vor. Die Fragen
des Kollegen Nolting befassen sich mit der Personalsitua-
tion; ich werde dann auf diesen Punkt noch näher einge-
hen. Ich kann aber schon jetzt sagen, dass keiner der Zeit-
und Berufssoldaten seinen Arbeitsplatz verliert. Die be-
treffenden Soldatinnen und Soldaten werden an anderer
Stelle dringend gebraucht. Ich gehe davon aus, dass wir
für die zivilen Mitarbeiter, die auf den Truppenübungs-
plätzen und auf den Fliegerhorsten eine große Rolle spie-
len, eine angemessene anderweitige Verwendung finden.
Ich rufe die
Frage 12 des Kollegen Wolfgang Dehnel auf:
Welche Alternativen sieht die Bundesregierung zur angekün-
digten Schließung des Bundeswehrstandortes Schneeberg in
Sachsen vor dem Hintergrund, dass aufgrund von Wismutaltlasten
diese EU-Grenzregion besonders hart betroffen ist und seit 1990
circa 110 Millionen DM in die Infrastruktur des Standortes inves-
tiert worden sind?
B
Herr Kollege Dehnel, derBundesminister der Verteidigung hat im Anschluss an dieVorstellung des Entwurfs des Ressortkonzepts zur grund-legenden Neustrukturierung der Bundeswehr angekün-digt, dass er alle Alternativen für Standorte sorgfältig prü-fen wird. Dies gilt natürlich auch für Schneeberg. – Die
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 200114772
Beantwortung der nächsten Frage würde gut in diesen Zu-sammenhang passen.
Ich rufe also
auch noch die Frage 13 des Kollegen Wolfgang Dehnel
auf:
Sieht die Bundesregierung eine Alternative, aus dem Standort
Leipzig, wo noch circa 3 000 Soldaten stationiert bleiben sollen,
der aber ein wesentlich besseres wirtschaftliches Umfeld als die
Region um Schneeberg aufweist, circa 1 000 Soldaten im Stand-
ort Schneeberg zu stationieren, damit der für die Region Süd-
westsachsen wichtige Standort erhalten bleibt?
B
Die Verlegung von Truppen-
teilen aus Leipzig nach Schneeberg ist nicht zweckmäßig.
Das Stabsfernmeldebataillon 701 sollte in räumlicher
Nähe zum Kommando der 13. Panzergrenadierdivision
stationiert bleiben. Auch das Verteidigungsbezirks-
kommando und die in Leipzig stationierten Feldjäger-
kräfte sind durch ihre Aufgaben an den Standort Leipzig
gebunden, so die Aussage der Militärs.
Herr Kol-
lege Dehnel, Sie haben jetzt vier Zusatzfragen.
Frau Staatssekretä-
rin, ich verstehe ja, dass die Bundesregierung an einer
Strukturreform arbeitet, um die Zukunft der Bundeswehr
zu sichern. Aber es muss auch an die Zukunft der betref-
fenden Region gedacht werden. Vor diesem Hintergrund
möchte ich meine erste Zusatzfrage stellen.
In den Standort Schneeberg wurden in den letzten zehn
Jahren circa 110 Millionen DM investiert. Es wurden sie-
ben Kompaniegebäude saniert. Vor kurzem wurde eine
Großküche eingeweiht. Es gibt ein Feldwebelwohnheim
mit etwa 50 Zimmern, zwei Kfz-Werkstätten und einen
Saal mit gastronomischen Einrichtungen. Wie stellen Sie
sich vor, diese Immobilien in der Zukunft für die Region
bereitzustellen, wenn Sie jetzt den Standort schließen
wollen?
B
Ich kenne den Standort. Ich
war im Mai 1998 da und habe mich gefragt, warum die
alte Bundesregierung dort ausgerechnet ein Gebirgsjäger-
bataillon aufgestellt hat.
– Da fallen mir auch das Sauerland oder das Weserberg-
land ein, Herr Kollege Breuer.
Ich muss Ihnen wirklich sagen: Wir haben die drei Ge-
birgsjägerbataillone in Bad Reichenhall, Mittenwald und
Bischofswiesen, die auch schon damals da waren. Dann
sind, aus mir völlig unverständlichen Gründen, in Schnee-
berg Gebirgsjäger stationiert worden. Dass der Standort
erhalten werden soll, ist mir verständlich, aber die Statio-
nierung damals war meines Erachtens ein Fehler.
Ich sage Ihnen – das sage ich auch im Westen –: Mir tut
jeder Standort in den neuen Bundesländern Leid, der ge-
schlossen werden soll
– darauf kommen wir noch; dazu gibt es auch eine Frage –,
weil ich meine, dass da die Identifikation mit der Bundes-
wehr erfolgt ist. Aber wir brauchen nur drei Gebirgsjäger-
bataillone und die sind – da können Sie Ihre bayerischen
Kollegen fragen – aufgrund ihres Übungsprofils in den Al-
pen besser aufgehoben.
Sie haben gerade die
Gebirgsjägerbataillone angesprochen und gesagt, dass Sie
für das in Schneeberg keine Verwendung haben. Ich habe
aber nach Alternativen gefragt. Sieht denn die Bundes-
regierung keine Möglichkeit, von einem anderen Standort
entsprechende Leute bereitzustellen, die dort stationiert
werden? Es ist ja verständlich, dass sich der Oberbürger-
meister von München, Herr Ude, am Montag in einem In-
terview im Deutschlandfunk glücklich gepriesen und ge-
sagt hat, er freue sich, dass zum Beispiel der Standort
Schneeberg geschlossen werde, weil er selber dann ent-
sprechend investieren könne. Es ist verständlich, dass in
München die Freude groß ist. Aber die Schließung des
Standortes Schneeberg betrifft eine ganze Region und hat,
glaube ich, einschneidende Wirkungen. Vielleicht wäre es
möglich, dass Leute von einem anderen Standort nach
Schneeberg kommen.
B
Wir sind aber in der Situation,dass wir fast nur Gemeinden treffen – natürlich noch stär-ker in den neuen Bundesländern –, bei denen sowohl dieIdentifikation zwischen der Bundeswehr und der Bevöl-kerung als auch die wirtschaftliche Bedeutung der Bun-deswehr für die jeweilige Region groß ist. Wenn wir dieStandorte erhalten, sind wir jedoch nicht in der Lage, eineleistungsfähige Bundeswehr zu schaffen. Wir müssen dieStrukturen auf den Einsatz hin orientiert organisieren. Dasist unser Problem. Es nützt uns nichts, hohle Strukturen zuhaben.Ich wünschte mir, für Schneeberg hätten wir eine Al-ternative. Ich habe Ihnen schon vorgetragen, dass wirLeipzig geprüft haben. Sie sehen an der Frage, die mir amAnfang gestellt wurde, bezüglich der Bereitschaft zu Al-ternativen: Jeder möchte gern etwas aus einem anderenBundesland haben; aber keiner ist bereit, aus seinem ei-genen Bundesland etwas abzugeben.
– Das wollen wir auch.
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Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte14773
Ich sage das vor
dem Hintergrund, dass Sachsen hinsichtlich der Standorte
besonders benachteiligt ist. In Sachsen werden nur
8 000 Soldaten stationiert. In Schleswig-Holstein zum
Beispiel sind es 39 000, und zwar bei einer viel geringe-
ren Bevölkerungszahl, in Rheinland-Pfalz sind es circa
36 000, obwohl Rheinland-Pfalz ungefähr die gleiche Be-
völkerungszahl wie Sachsen hat. Deshalb ist meine Frage:
Werden Sie, wenn die Schließung wirklich beschlossen
werden sollte – was ich noch immer nicht glaube –, die
Region und die Kommunen bei der Vermarktung der Im-
mobilien unterstützen und Unterstützung auch von ande-
ren Ministerien einfordern, die für Ersatzstandorte – ich
denke zum Beispiel an Zoll, Bundesgrenzschutz – sorgen
können?
B
Sie wissen doch, welche Dis-
kussionen wir in den letzten Jahren um den Bundesgrenz-
schutz und die Schließung von Kasernen gehabt haben.
Das ist vielleicht bei Ihnen im Grenzbereich noch eine an-
dere Situation.
Behilflich sein wollen wir auf jeden Fall. Aber ich ver-
mute, dass man, wenn man 1991 in Schneeberg eine Al-
ternative zum Beispiel durch den Bundesgrenzschutz ge-
habt hätte, diese wahrgenommen hätte. Mich tröstet nur
eines, Herr Dehnel: Wenn mehr Leute aus Westdeutsch-
land wüssten, wie schön das Erzgebirge ist,
und wenn sie wüssten, welch eine Lebensqualität es hat
– ich habe damals in Aue gewohnt –, dann würden wir die-
sen Standort vielleicht relativ bald für Tourismus und
Weiterbildungsmaßnahmen nutzen können.
– Nicht überall ist es aber in hohem Maße zutreffend, lie-
ber Herr Kollege. In Bayern sind Sie natürlich der glei-
chen Meinung. Aber das Erzgebirge ist in der Tat ein at-
traktives Gebiet. Ich habe bei meinem Besuch dort
allerdings nur relativ wenige Touristen aus Bayern und re-
lativ viele aus Nordrhein-Westfalen getroffen. Wenn wir
vielleicht noch ein paar Leute mehr aus dem Westen ge-
winnen könnten, auch diese Region zu besuchen, wäre es
leichter.
Ich sage Ihnen: Es tut mir sehr Leid. – Aus dem Einzel-
plan 14 sind wir natürlich mitnichten in der Lage – wir
wollen ja auch noch bei Betrieb und Unterhalt zusätzlich
Geld sparen –, die Kommunen und die Länder zu unter-
stützen.
Eine Frage noch. Bei
der letzten Debatte hat mir der SPD-Sprecher, Herr
Zumkley, geantwortet, dass noch eine Alternative be-
stünde. Wenn der Ministerpräsident von Sachsen, Herr
Biedenkopf, einen entsprechenden Vorschlag machte,
könnten Sie sich möglicherweise erkenntlich zeigen. Se-
hen Sie Chancen oder sind die Messen für Schneeberg
schon gelesen?
B
Das werden wir morgen Abend
sehen. Herr Biedenkopf war auch letzte Woche schon bei
Herrn Scharping und hat ihm die Probleme noch einmal
mit großer Dringlichkeit geschildert. Er hat, wie ich er-
fahren habe, auch ausdrücklich auf das Ungleichgewicht
der Stationierung in Ost und in West aufmerksam ge-
macht.
Der Kollege Rossmanith hat vergessen, dass wir ja
noch an 47 Standorten einen Abbau aufgrund vorange-
gangener Planungen überwiegend in den neuen Bundes-
ländern durchzuführen haben und die Begeisterung auch
diesbezüglich nicht sonderlich ausgeprägt ist.
Ich kann Ihnen nur sagen: Es wird schwierig werden. – Zu
meinem großen Bedauern sehe ich gerade, dass der Kol-
lege Nolting nicht anwesend ist. Ich hätte nämlich noch et-
was zu den Zahlen, also darüber, wie viele Soldaten uns
zur Verfügung stehen, sagen können.
Zu Frage 13 möchte
jetzt der Kollege Adam eine Frage stellen. – Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin, Sie
haben in Ihren Darlegungen unter anderem festgestellt,
dass die Standortschließungen für die neuen Länder be-
sonders schwer sind. Ich weiß aus gemeinsamen Reisen,
dass Sie die Situation vor Ort sehr gut kennen. Wie er-
klären Sie es sich dann, dass der Minister der Verteidi-
gung Kriterien aufgestellt hat, die, wenn man sie genau
nimmt, dazu geführt hätten, dass bei den Vorschlägen zur
Schließung von Standorten die neuen Bundesländer
außen vor geblieben wären? Warum ist es dazu nicht ge-
kommen?
B
Weil die Bataillone oder dieFlugabwehrregimenter in dieser Form für eine neue, amEinsatz orientierte Bundeswehr zum Teil wirklich nichtmehr notwendig waren. Unser Problem besteht darin,dass man zum Beispiel Feldjäger in Leipzig hat, dass mansie dort aber auch für vielfältige Aufgaben und mehr alsin Schneeberg braucht. Man müsste sie sonst ständig he-rantransportieren, um sie dort für entsprechende Aufga-ben einzusetzen. Herr Kollege Adam, vielleicht hatten wiram Anfang der Stationierung – 1991 – alle nicht den Mut,mehr Verbände in den Osten zu legen. Es gab allerdingsdamals auch das Ansinnen der früheren Warschauer-Pakt-Staaten, die das damals eher noch als eine Bedrohung an-gesehen hätten. Wäre es uns damals gelungen, mehr Sol-daten in die neuen Bundesländer zu verlegen und das
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 200114774
Geschrei der westdeutschen Bundesländer zu ertragen,wäre heute manches leichter. Wir lösen Verbände auf, diewir für die Zukunft im Grunde nicht brauchen.
Eine weitere Zusatz-
frage, Kollege Janovsky.
Frau Staatssekretärin,
ich habe zu Schneeberg noch eine Zusatzfrage. Sie hatten
sinngemäß geantwortet, dass aus militärischen Überle-
gungen heraus eine Verlegung von Leipzig nach Schnee-
berg nicht infrage komme. Halten Sie es aus strukturpoli-
tischen Überlegungen heraus für möglich, eine solche
Entscheidung zu treffen? Aus strukturpolitischen Überle-
gungen heraus muss ja manchmal etwas gegen die Ver-
nunft entschieden werden, um auch in Grenznähe oder in
strukturschwachen Regionen Einrichtungen anzusiedeln.
B
Aber das Leid ist, dass wir
diesen Bedarf dort wirklich nicht haben. Denn die Ge-
birgsjägerbataillone haben natürlich Kontakt zu Bad Rei-
chenhall, zu der Gebirgsjägerbrigade. Unser Nachbarland
dort ist unser Partner im Bündnis. Die Tschechische Re-
publik ist Mitglied der NATO, also hat in diesem Fall die
Grenzregion nur eine Bedeutung, indem man sich aus-
tauscht und zusammenarbeitet. Im Moment haben wir
– es geht uns ja in einigen Teilen so – einfach keinen Be-
darf für die Nutzung dieser Kasernenanlagen. Die Wirt-
schaftlichkeit ganz außer Acht zu lassen ist nicht im Inte-
resse der Soldaten. Dies ist entscheidend, wenn sie sagen
sollen: Jawohl, wir sind mit der militärischen Dislozie-
rung einverstanden.
Zu einigen weiteren Standorten haben die Militärs an-
dere Empfehlungen gegeben. Wir haben dazu gesagt:
Nein, so viele Soldaten können wir nicht verlegen. Nach
deren Vorschlägen hätten wir fast die Hälfte der Verbände
in den neuen Bundesländern wieder verlegen müssen. Das
kam nicht infrage.
Wir sind noch bei
Frage 13. Eine Zusatzfrage hat jetzt der Kollege
Rossmanith. Bitte sehr.
Frau Staatssekretä-
rin, trifft es zu, dass es sich bei den von Ihnen soeben ins
Gespräch gebrachten 47 Standorten, nach denen nicht ge-
fragt wurde und die gemäß der letzten Reform von Ihnen
noch geschlossen werden sollen, um Abwicklungen han-
delt und dass an diesen Standorten nur noch die Soldaten
vorhanden sind, die diese Endabwicklung vornehmen
müssen?
B
Das sind ganz gravierende Be-
reiche. Zum Beispiel werden aus Oldenburg umfangreiche
Verbände nach Bad Sülze verlegt. Aus Wunstorf bei
Hannover wird als Letztes das Transportgeschwader in die
Nähe von Berlin verlegt. Das wurde damals beschlossen
und ist bis jetzt nicht geschehen. Wir haben im Rahmen
dieser Abwicklung gesagt: Wir werden keine Transallma-
schinen mehr verlegen, sondern werden das neue Trans-
portflugzeug der Zukunft dort hinverlegen. Das wird dann
als Letztes geschehen.
Dazu, dass dies bisher nicht geschehen ist, haben sach-
liche Fragen geführt. Zum Beispiel war die erforderliche
Infrastruktur noch nicht vorhanden. Vielleicht wäre es
besser gewesen, sie zuerst an dieser Stelle und nicht an
vielen anderen Orten aufzubauen. Es bleibt natürlich die
Tatsache bestehen, dass wir all das, was jetzt im Bereich
der Bundeswehr existiert, nicht mehr brauchen. Das, was
gebraucht wird, wird im Rahmen der Notwendigkeiten
verlegt.
– Ja, natürlich. Aber das wirkt sich auf die Soldaten dort
aus.
Die Fragen 14 und 15
werden schriftlich beantwort.
Nun rufe ich die Frage 16 der Abgeordneten Irmgard
Karwatzki auf:
Aus welchen Gründen werden die im November 2000 noch in
Erarbeitung befindlichen Verteilungskriterien und die Prioritäten-
liste für die Ausgabe der eingeplanten 1Milliarde DM Mehrerlöse
im Haushalt des Bundesministeriums der Verteidigung
nicht dem Deutschen Bundestag vorgelegt?
Frau Staatssekretärin, bitte.
B
Frau Kollegin Karwatzki, über
die Verwendung der sich aus Einsparungen im Betrieb der
Bundeswehr ergebenden Verstärkungsmöglichkeiten für
den Einzelplan 14 – zum Beispiel aus Effizienzgewinnen,
Wechsel der Finanzierungsart und Mehreinnahmen aus
der Verwertung von beweglichem und unbeweglichem
Vermögen – werden der Verteidigungsausschuss und der
Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vom
Bundesminister der Verteidigung informiert werden.
Ihre Zusatzfrage,
Frau Kollegin.
Unabhängig von der
Tatsache, dass wir diese Antwort im Ausschuss schon ei-
nige Male gehört haben, frage ich: Gibt es denn zum jetzi-
gen Zeitpunkt zumindest in Ansätzen ein Einsparpotenzial?
B
Es gibt eine ganze Reihe vonMöglichkeiten, bei denen Einsparpotenziale bestehen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte14775
– Dies können wir im Moment aus guten Gründen nichttun. Stellen Sie sich einmal vor, was passieren würde,wenn wir aufschreiben würden, welche Erwartungs-haltung wir gegenüber einer bestimmten Liegenschaft ha-ben. Dann würden die Gemeinden alles tun, Ideen zu ent-wickeln, warum sie für die Zahlungen nicht aufkommenmüssen.Die Modernisierung hängt davon ab, Frau KolleginKarwatzki, wie parallel zur Feinstruktur der Verbände dieAusrüstung der Verbände ist. Darauf werde ich in meinerAntwort auf Frage 17 näher eingehen. Zum jetzigen Zeit-punkt gibt es eine ganze Reihe von Überlegungen, was wirin diesem Zusammenhang tun können. Aber eine Realisie-rung ist am 14. Februar 2001 nicht ernsthaft zu leisten.
Ihre zweite Zusatz-
frage, Frau Kollegin.
Frau Staatssekretä-
rin, irgendwann einmal muss ja ein Anfang gemacht wer-
den. Sie vertrösten uns nun schon seit mehreren Monaten.
Nennen Sie einmal ein konkretes Beispiel einer Veräuße-
rung, von dem Sie bereits jetzt sagen können: Das ist der
Weg.
B
Wir haben in den letzten Mona-
ten einige Veräußerungen durchgeführt. Wenn Sie mich da-
nach gefragt hätten, hätte ich die entsprechenden Daten
mitgebracht. Umfangreiche Sparmaßnahmen werden durch
Modernisierungsprozesse in der öffentlichen Verwaltung,
durch die Entscheidung über ein Ausrüstungskonzept
und durch die Veräußerung verschiedener Liegenschaften
durchgeführt. Eine Reihe von Liegenschaften haben wir
schon klassifiziert, auch untersuchen lassen. Aber Details
dazu werde ich hier nicht vorab nennen. Deswegen sprach
ich vorhin vom Haushaltsausschuss.
Ich habe den Einzelplan 14 des Bundeshaushaltes 2001
in der Hand. Hier steht, dass wir den Haushaltsausschuss
informieren werden. Der Bundesverteidigungsminister
hat hinzugefügt, dass er, wenn er den Haushaltsausschuss
informiert, auch den Verteidigungsausschuss informieren
wird. Hier steht nicht, dass wir öffentliche Debatten über
Immobiliengeschäfte zu führen haben.
Nun rufe ich die
Frage 17 der Kollegin Irmgard Kawatzki auf.
Ist es zutreffend, dass aufgrund der mangelnden Finanzaus-
stattung des Haushalts des BMVg im laufenden Haushaltsjahr
keine neuen Beschaffungsvorlagen, so genannten 50-Millionen-
Vorlagen, dem Deutschen Bundestag mehr vorgelegt werden kön-
nen und damit dringend notwendige neue Beschaffungsprojekte
zur Modernisierung der Bundeswehr im laufenden Haushaltsjahr
nicht finanziert werden können?
Frau Staatssekretärin.
B
Frau Kollegin, der Entschei-
dungsprozess, welche Beschaffungsvorhaben der Bun-
deswehr mit Volumina von über 50 Millionen DM den
Ausschüssen vorgelegt werden, ist im Bundesministe-
rium der Verteidigung noch nicht abgeschlossen. Wir ha-
ben eine ganze Liste von Vorhaben, aber wir wollen
zunächst ein Ausrüstungskonzept haben, auf dem wir
dann aufbauen und entscheiden. Was wir an Beschaffun-
gen bzw. an Verkäufen – auch damit kann man Erlöse er-
zielen – vorhaben, werden wir in der Öffentlichkeit nicht
vorab darstellen.
Eine Zusatzfrage,
Frau Kollegin, bitte sehr.
Frau Vizepräsiden-
tin, Sie sind ja unsere Anwältin. Ich habe auch schon in
anderer Funktion hier gestanden. Dann haben die amtie-
renden Präsidenten aber zumindest den Fragestellern, also
uns, den Abgeordneten, die Chance eingeräumt, eine Ant-
wort zu erhalten.
Wir haben ja das Frageinstrument. Ich bin der Meinung,
dass die Frau Kollegin uns zumindest in Ansätzen etwas
sagen muss. Wir argumentieren doch in den Wind hinein.
Ich verfolge mit
Spannung die Debatte und kann eigentlich nur sagen: Ich
folge der Linie der Staatssekretärin, die sagt, das könne
man nicht in der Öffentlichkeit diskutieren, das gehöre in
die Ausschüsse. Deswegen habe ich nicht interveniert.
Aber Sie haben jetzt eine Zusatzfrage.
Nein, ich bedanke
mich.
Nun rufe ich die
Frage 18 des Abgeordneten Werner Siemann auf.
Treffen Medienberichte, zuletzt im „Spiegel“ vom 5. Febru-
ar 2001, zu, wonach sich aus einer Vorlage der Haushaltsabteilung
des Bundesministeriums der Verteidigung ergebe, dass
der Haushalt des BMVg für das Jahr 2001 mit so genannten Über-
kippern und wegen unbezahlter Rechnungen aus dem Haushalts-
jahr 2000 in Höhe bis circa 800 Millionen DM vorbelastet sei,
falls nein, wie hoch sind die Vorbelastungen aus dem Haushalts-
jahr 2000 für den laufenden Verteidigungsetat tatsächlich?
Frau Staatssekretärin.
B
Herr Kollege Siemann, eineVorlage der Haushaltsabteilung des Bundesministeriumsder Verteidigung mit dem von Ihnen vorbezeichneten In-halt gibt es nicht.Zur Vorbelastung in Form von so genannten Rech-nungsüberkippern habe ich übrigens bereits in der Frage-stunde des Deutschen Bundestages am 24. Januar 2001geantwortet. Ich kann Ihnen das Plenarprotokoll nennen.Soweit unter Vorbelastung ein nicht veranschlagterHaushaltsmittelbedarf zu Beginn eines Haushaltsjahres
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte14776
verstanden wird, zu dessen Deckung bei anderen Haus-haltsstellen eingespart werden muss, sind zurzeit rund455 Millionen DM aufgrund nicht veranschlagter Lohn-und Gehaltsverbesserungen verifizierbar und absetzbar.Wir haben von der alten Regierung das Instrument über-nommen, dass wir diese Lohn- und Gehaltsverbesserun-gen nicht etatisieren dürfen.
Zusatzfrage, Herr
Kollege, bitte.
Frau Staatssekretärin,
wollen Sie uns dann sagen, dass Sie zum gegenwärtigen
Zeitpunkt als Staatssekretärin im Bundesverteidigungs-
ministerium keine Kenntnis davon haben, in welcher
Höhe, in welcher Form und in welchen Bereichen so ge-
nannte Überkipper aus dem Haushalt 2000 vorhanden
sind?
B
Herr Kollege Siemann, ich
weiß nur, dass wir das Thema der so genannten Überkip-
per seit 1981 behandeln.
Die erste Aufgabe, die wir hatten, als wir in das Bundes-
ministerium der Verteidigung kamen, war, zu schauen, in-
wieweit wir Überkipper von der alten Regierung, die nicht
abgearbeitet waren, zu übernehmen hatten.
Dabei gab es zwei Dinge. Wir haben immer einen In-
vestitionsbedarf für Instandsetzungen. Diese Instandset-
zungen verschieben sich in das nächste Jahr oder werden
– auch das gehört zu dem Konzept, das wir überprüfen –
zum Teil in der Zukunft nicht mehr ausgeführt werden.
Wenn wir nicht mehr so viel Gerät brauchen, uns von Gerät
trennen und wenn wir auch nicht mehr die Langzeitlage-
rung haben, werden geringere Kosten entstehen. Daher
kenne ich diese Debatte, wie Sie sich gut vorstellen kön-
nen. Ich lese auch die Zeitung und höre das Gewispere da-
rum, dass sich dies im Moment im Rahmen hält – trotz
aller anders lautender Behauptungen in der Öffentlichkeit.
Eine weitere Zusatz-
frage, bitte sehr.
Frau Staatssekretärin,
ist denn die Zahl – die ich in meiner Frage genannt habe –
von 800 Millionen DM aus der Luft gegriffen, halten Sie
sie für aus der Luft gegriffen und nicht realistisch?
B
Als anständige Kollegin habe
ich Ihnen das verifiziert, was ich heute sagen kann, weil
es die Berechnungen nach den Tariferhöhungen und den
Verbesserungen bei den Beamten darstellt. Dies ist die
Zahl, die ich Ihnen nennen kann. Aber wir haben im letz-
ten Jahr diese Steigerung bei Löhnen und Gehältern und
bei den Beamteneinkommen auch einsparen müssen.
Nun kommen wir zur
Frage 19 des Kollegen Siemann:
Wie wirken sich die Vorbelastungen aus dem Haushaltsjahr2000 im laufenden Haushalt des BMVg 2001 auf Vorhaben in derMaterialverantwortung der Inspekteure des Heeres, der Luft-waffe, Marine und der Streitkräftebasis aus?
Frau Staatssekretärin.
B
Herr Kollege, die Erwirt-
schaftung der Mittel für Vorbelastungen ist Aufgabe des
Haushaltsvollzugs des gesamten Haushaltsjahres 2001. In-
wieweit sich Auswirkungen auf einzelne Vorhaben ergeben
können, lässt sich erst im Verlauf des Haushaltsjahres fest-
stellen.
Zusatzfrage, Herr
Kollege.
Frau Staatssekretärin,
trifft es zu, dass die Mittel für die dringend notwendigen
Bedarfsinstandsetzungen für dieses Jahr bereits ausgege-
ben sind und dass in diesem Bereich jetzt schon – nach an-
derthalb Monaten – ein Loch von 80 Millionen DM bis
130Millionen DM besteht, die dringend benötigt werden,
um diese Bedarfsinstandsetzungen durchzuführen?
B
Ich habe natürlich die ganze
Zeit darauf gewartet, dass Sie diese Frage stellen. Es trifft
in dieser Form nicht zu. Es trifft zu, dass wir eine ganze
Reihe von Rechnungen aus dem letzten Jahr – wie jedes
Jahr – zu Beginn dieses Jahres bezahlen müssen. Es gibt
bei bestimmten Instandsetzungs- und Modernisierungs-
maßnahmen auch Preissteigerungsraten.
Uns fehlt zurzeit aber ein Plan, was in Zukunft wirk-
lich instand gesetzt werden muss und was wir vordring-
lich brauchen. Diesen fordern wir in der politischen Lei-
tung von den Teilstreitkräften über den Generalinspekteur
und über Herrn Staatssekretär Dr. Stützle an. Dann wer-
den wir damit ins Parlament kommen.
Ich sage Ihnen: Ein Haushalt in einer Größenordnung
von 47Milliarden DM erfährt im Laufe eines Jahres immer
wieder Änderungen. Das werden Sie sehen, wenn Sie die
Haushaltsrechnung des Jahres 2000 vorgelegt bekommen.
Nun rufe ich die
Frage 20 des Kollegen Paul Breuer auf:
Ist es zutreffend, dass die vom Bundesminister der Verteidi-gung, Rudolf Scharping, behauptete Mehrausgabemöglichkeit imHaushalt des BMVg 1999 in Höhe von 1Milliarde DM hauptsäch-lich aus den beschlossenen Verstärkungen aus dem Einzelplan 60für den Einsatz der Bundeswehr im ehemaligen Jugoslawien sowieaus den schon von der ehemaligen Bundesregierung beschlossenenEinnahmevermerken im Kapitel 14 12 und 14 15, zum BeispielEinnahmen aus Verkäufen von Liegenschaften und Rüstungsmate-rial, für die Jahre 1998 und die Folgejahre bestehen?
Frau Staatssekretärin, bitte.
B
Herr Kollege Breuer, der
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Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte14777
Verteidigungshaushalt 1999 schloss mit Mehrausgaben inHöhe von rund 1,022 Milliarden DM ab. Diese warendurch Einnahmen aus Veräußerung, Vermietung und Ver-pachtung in Höhe von 250 Millionen DM, die Verstär-kung im Zusammenhang mit internationalen Einsätzen inHöhe von 666 Millionen DM und sonstige Einnahmenund Verstärkungen in Höhe von rund 106 Millionen DMgedeckt.
Zusatzfrage Nummer
eins, bitte.
Frau Staatssekretärin, in
welcher Höhe sind die Mehrausgabemöglichkeiten, wie
vom Bundesminister der Verteidigung behauptet, tat-
sächlich in Investitionen und die Modernisierung der
Bundeswehr geflossen und nicht nur in die Begleichung
von laufenden Betriebsausgaben?
B
Herr Kollege, das habe ich
sehr sauber dargestellt. Am 17. November 2000 hat es
mit der Drucksache 14/4863 eine Darstellung der Ein-
nahmen im Einzelplan 14 zur Verstärkung von Ausgaben
im Haushaltsjahr 1999 gegeben. Es wurde untergliedert
in Einnahmen aus Veräußerung, Vermietung und Ver-
pachtung, in Verstärkung im Zusammenhang mit
internationalen Einsätzen und sonstige Einnahmen/Ver-
stärkungen. Auf der Ausgabenseite gab es eine entspre-
chende Aufstellung. Manches verändert sich bei einem
so großen Haushaltsvolumen im Laufe eines jeden
Jahres. Am Ende kommt dann die Summe von
1 021 598 927,25 DM zustande.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, ich
habe die Liste dabei.
Sind Sie bereit und in der Lage
– das ist im Übrigen so, Herr Kollege, Sie sollten sich et-
was mehr darum kümmern –, deutlich zu machen und zu
belegen – das muss nicht heute sein –, für welche Investi-
tionsgüter, also für welche Großgeräte und Infrastruktur
zur Modernisierung der Bundeswehr, die Mehreinnah-
memöglichkeiten eingesetzt wurden? Denn das ergibt
sich aus der Drucksache, die Sie soeben angesprochen ha-
ben, natürlich nicht. Ich verlange das von Ihnen nicht am
heutigen Tag, sondern ich verlange, dass Sie sich bereit er-
klären, das grundsätzlich zu tun.
B
Ich bin ausdrücklich bereit, Ih-
nen das noch stärker aufzuschlüsseln. Ich biete Ihnen so-
gar ein entsprechendes Gespräch darüber an. Ich fand
aber, dass wir es außerordentlich sorgfältig dargestellt ha-
ben. Das muss ich ehrlich gestehen.
Ich wollte damals die Transparenz mit hineinnehmen,
damit das Parlament darüber Bescheid weiß. Wir haben
das geprüft. Dass wir die Beschaffung oder Bezahlung
von verschiedenem Gerät nicht noch stärker differenzie-
ren, ist doch natürlich, das gehört nicht in eine öffentliche
Darstellung.
Haben Sie noch eine
Zusatzfrage, Herr Kollege? Sonst kommt die Frage 21.
– Ist gut, dann können Sie noch eine Frage stellen, weil
die Pfennigbeträge nicht ganz deutlich ausgewiesen wor-
den sind.
Frau Präsidentin, da bitte
ich um Verzeihung. Man sollte normalerweise den Präsi-
denten oder die Präsidentin hier nicht rügen, aber ich muss
deutlich sagen, dass ich diese Bemerkung für eine Unver-
schämtheit halte.
Das ist eine Wertung, Frau Präsidentin.
Sie sind dabei, eine
Zusatzfrage zu stellen.
Hier geht es um den
Verteidigungsetat, und hier geht es um die Fragestellung,
ob denn die Auskünfte des Bundesministers der Verteidi-
gung der Wahrheit entsprechen.
Jetzt stelle ich eine weitere Frage, die Sie mir dan-
kenswerterweise zugestanden haben. Frau Staatssekretä-
rin, können Sie denn ausschließen, – –
– Frau Präsidentin, ist das eigentlich zulässig, was der
Kollege hier macht?
Im Moment wollteich Ihnen eigentlich die Gelegenheit zu einer Zusatzfragegeben und ich wollte das ein bisschen entspannen.
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Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte14778
Ich bedanke mich für die
Gelegenheit, würde aber darum bitten, dass diese Störun-
gen hier unterbleiben.
Jetzt lassen Sie uns
nicht in einen Dialog eintreten. Zwischenrufe sind auch
während einer Fragestunde gestattet. Nun stellen Sie bitte
Ihre weitere Zusatzfrage.
Da müssen Sie sich jetzt mit Ihrer Stimme durchsetzen.
Bitte sehr, Sie haben jetzt das Wort zu einer Zusatzfrage
zur Frage 20.
Frau Staatssekretärin, wie
kann ich der Aufstellung vom November 2000, die Sie
eben ansprachen, entnehmen, ob die dort dargestellten
Zweckbestimmungen nicht aus dem allgemeinen Vertei-
digungshaushalt, sondern aus den Mehrerlösen, von de-
nen Sie hier gesprochen haben, finanziert sind?
Ich denke, das ist hier die grundsätzliche Frage. Ich
habe den Eindruck, dass von Mehrerlösen gesprochen
wird, die den Investitionshaushalt verstärken sollen, aber
die Finanzierung nicht aus den Mehrerlösen stammt, son-
dern aus dem allgemeinen Haushalt und insofern auch
keine Verstärkung der Investitionsmittel erfolgt.
B
Jetzt muss ich sagen, das ist ein
tolles Ding, Herr Kollege.
Den Haushalt 1997 – 1997 war das letzte Jahr Ihrer
Regierungsverantwortung – haben wir mit 46,244 Milli-
arden DM abgeschlossen; jetzt lasse ich die Pfennigbe-
träge einmal beiseite. Den Haushalt 1998, den wir über-
nommen haben, haben wir mit 46,8 Milliarden DM
abgeschlossen und den Haushalt 1999 mit 47,046 Milli-
arden DM.
Dabei haben wir Folgendes getan. Es ist uns im Haus-
halt 1999 das erste Mal gelungen, für die internationalen
Einsätze Geld zur Verfügung zu stellen. Auch das können
Sie daraus erkennen. Jetzt komme ich nämlich wieder zur
Drucksache 14/4863, in der zum Beispiel steht, dass wir
für die Gemeinschaftsverpflegung 6 Millionen DM und
für den Unterhalt von Grundstücken und die großen Neu-
baumaßnahmen 65 Millionen DM mehr brauchten.
Aber, Herr Kollege Breuer, wir haben 44,6 Milli-
onen DM für Beschaffung von Fahrzeugen der Streit-
kräfte, rund 19,8 Millionen DM für die Beschaffung von
Quartiermaterial bereitgestellt. Es geht weiter mit der Be-
schaffung von Schiffen und von Kampffahrzeugen. Das
sind überplanmäßige Titel über die Einsätze hinaus, sonst
würden sie hier nicht auftauchen; denn das Parlament ist
verpflichtet, über überplanmäßige Ausgaben zu befinden.
Allerdings haben wir auch 665 Millionen DM – oder,
genauer gesagt: 666 Millionen DM – für die internationa-
len Einsätze gehabt, die wir früher immer erwirtschaften
mussten. Da wurden auch Investitionen getätigt. Die an-
deren Verstärkungsmittel kommen hinzu.
Ich sage Ihnen zu, dass wir Ihnen die Investitionsaus-
gaben zusammentragen, damit Sie ersehen, was aus dem
laufenden Haushalt und was mit zusätzlichem Geld fi-
nanziert wird.
Nun rufe ich Frage 21
des Kollegen Paul Breuer auf.
Aus welchen Gründen legt der Bundesminister der Verteidi-
gung, Rudolf Scharping, die von ihm zugesagte und über den nor-
malen Abschlussbericht zum Haushalt des BMVg 2000 hinausge-
hende Erläuterung zur von ihm auch für das Haushaltsjahr 2000
behaupteten 1 Milliarde DM Mehrausgabemöglichkeit für den
Haushalt des BMVg 2000 nicht vor?
Frau Staatssekretärin, bitte.
B
Herr Kollege Breuer, die Un-
terrichtung des Bundestages über den Abschluss des
Haushaltes 2000 erfolgt in Form der Haushaltsrechnung,
die das Bundesministerium der Finanzen für den gesam-
ten Bundeshaushalt vorlegen wird.
Im Vorgriff darauf kann ich Ihnen heute mitteilen, dass
im Haushaltsjahr 2000 Einnahmen und sonstige Verstär-
kungsmöglichkeiten in Höhe von insgesamt rund
232 Millionen DM für zusätzliche Aufgaben des Ver-
teidigungshaushaltes genutzt wurden. Der Einzelplan 14
schließt mit rund 45,56 Milliarden DM ab. Darüber hi-
naus wurden die im Einzelplan 60 für Einsätze der Bun-
deswehr in Südosteuropa bereitgestellten Mittel in Höhe
von 2 Milliarden DM verausgabt. Unter Einschluss dieser
Mittel standen der Bundeswehr insgesamt 47,56 Milliar-
den DM zur Verfügung.
Zusatzfrage, Herr
Kollege.
Frau Staatssekretärin, kön-
nen Sie ausschließen, dass die von Ihnen eben bezifferten
Mittel lediglich zur Deckung von Betriebsausgaben aus-
gegeben werden und nicht – so wie es eigentlich von der
Zweckbestimmung her vorgesehen ist – für Investitions-
güter?
B
Unser Problem, welches wirimmer noch haben und womit wir uns auch in diesem Jahrwieder herumplagen, sind Entscheidungen früherer Re-gierungen dahin gehend, dass wir die Haushaltsmittel, diewir zum Beispiel für den Ausgleich von Tarifsteigerungenund ähnlichem brauchen, nicht etatisieren. In früherenZeiten wurden diese Mittel am Ende aus dem Einzel-plan 60 des Bundesfinanzministers zur Verfügung ge-stellt. Das haben wir nicht mehr. Deswegen werden wirauch für das Jahr 2000 überplanmäßige Ausgaben für dietariflichen Verbesserungen haben.Ansonsten haben wir eine große Zahl von Beschaf-fungsmaßnahmen durchgeführt, von denen nicht wenige
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auch für internationale Einsätze zur Verfügung standen.Hier rede ich von den 2 Milliarden DM. Die Erläuterun-gen dazu werden Sie bekommen, wenn wir so weit sind.Wenn der Finanzminister uns dies vorgelegt hat, wird esdem Parlament vorgelegt werden. Ich kenne ja die Zei-tungen und die Spekulationen. Lassen Sie uns dies ganzgelassen abwarten, denn es muss auf jeden Fall mit demHaushaltsrecht vereinbar sein.
Nun rufe ich Frage 22
des Kollegen Dr. Müller auf:
Welches Standortfolgekonzept für die Nutzung der Liegen-schaft in Sonthofen und neue Investitionen hat die Bundesregie-rung nach der Verlegung der Schule für Feldjäger und Stabsdiens-te aus der Generaloberst-Beck-Kaserne Sonthofen nachHannover?
Frau Staatssekretärin, bitte.
B
Herr Kollege Müller, in der
Fragestunde vom 7. Februar 2001, also vor einer Woche,
habe ich versucht, zu verdeutlichen, dass alle Vorschläge
für Alternativen zu Standorten sorgfältig geprüft werden.
Diese generelle Verfahrensweise gilt auch für Sonthofen.
Nach dem derzeitigen Planungsstand wird die Jägerka-
serne in Sonthofen künftig weiter genutzt.
Wenn Sie wollen, kann ich gern auch die nächste Frage
beantworten, ehe Zusatzfragen gestellt werden, da sie in
direktem Zusammenhang zur ersten steht.
Gut. Herr Kollege
Müller, dann können Sie gleich vier Zusatzfragen stellen.
Ich rufe also auch die Frage 23 des Kollegen Dr. Müller
auf:
Hat die Bundesregierung zwischenzeitlich das vorgelegteEinsparkonzept zur Reduzierung der geplanten Infrastrukturkos-ten von 75 Millionen auf 40 Millionen DM zur Kenntnis genom-men, und besteht auf dieser Basis eine Chance, die Entscheidungder Verlegung der Feldjäger und Stabsdienste von Sonthofen nachHannover zu revidieren?
Frau Staatssekretärin, bitte sehr.
B
Wie auch bereits in der letzten
Woche ausgeführt, würden umfangreiche Sanierungs-
maßnahmen in Sonthofen den Ausbildungsbetrieb über
einen langen Zeitraum einschränken. Dies gilt auch, wenn
die Infrastrukturkosten von 75 Millionen auf 40 Milli-
onen DM abgesenkt würden.
Zusatzfrage eins.
Frau Staatssekretärin,
sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass beim der-
zeitigen Lehrgangsbetrieb in Sonthofen für die Lehrgangs-
teilnehmer hervorragende Bedingungen herrschen und
dass eine mögliche zusätzliche Umbaumaßnahme, womit
Sie erhebliche Schwierigkeiten begründen, überhaupt
nicht notwendig ist, da durch den zukünftigen Abzug des
ABC-Abwehr-Lehrbataillons aus der Grünten-Kaserne
Lehrgangsgebäude und Unterkünfte frei werden? Ihre Ar-
gumentation ist deshalb faktisch falsch.
B
Es ist manchmal gut, die Re-
gion, über die man spricht, zu kennen. Ich bin dort gewe-
sen. Das Haus hatte mir sogar empfohlen, zu sagen, dass
sie so sehr dezentral liegen. Deshalb sollte man die Feld-
jägerausbildung, die jetzt über die ganze Bundesrepublik
verteilt ist, nicht dorthin legen. Ich habe gesagt: Das
werde ich hier nicht erklären, denn dann hätte es keinen
Grund gegeben, die Offiziersschule von Hannover nach
Dresden zu verlegen. Die Verkehrsanbindungen dort sind
wahrscheinlich in weiten Teilen ungleich schwieriger.
Wir haben ausdrücklich gesagt: Wir wollen uns von
Kosten trennen. Wir haben zu viele schulische Einrich-
tungen – das wird nachher auch noch eine Rolle spielen –
und zu viel Infrastruktur. Wir haben in Hannover eine
komplett ausgestattete Offiziersschule des Heeres, die in
den 70er-Jahren gebaut worden ist. Sonthofen ist eine
Einrichtung, die mit großem Aufwand zurzeit des Natio-
nalsozialismus gebaut worden ist. Dies würde mich nicht
stören, weil im Moment dort die demokratische Bundes-
wehr untergebracht ist. Sie ist aber in den Kosten zu hoch,
was auch in der Vergangenheit schon viele gesagt haben.
Kollege Müller, dies ist der Hauptgrund dafür, dass man
gesagt hat: Sonthofen ist als Schule für Feldjäger der ge-
samten Bundesrepublik zu weit und zu teuer in der Un-
terhaltung.
Zusatzfrage zwei.
Frau Staatssekretärin,
ist Ihnen bekannt, dass die militärische Führung der Feld-
jäger in Deutschland diese Einschätzung nicht teilt und mit
dem Standort Sonthofen hochzufrieden ist? Sie hat sich für
den Erhalt des Standortes ausgesprochen. Können Sie mir
auf der Basis der wirtschaftlichen Kriterien begründen, ob
diese bei diesem Standort im südlichsten Teil Deutsch-
lands überhaupt eine Rolle gespielt haben? Bei diesem
Standort in peripherer Lage handelt es sich um eine denk-
malgeschützte Kaserne, die erhebliche Folgekosten nach
sich ziehen wird. Sie können sie nicht als Kaserne stehen
lassen. Wie soll Ihr Konzept, die Schule für Feldjäger aus
der denkmalgeschützten Ruine in Sonthofen nach Hanno-
ver zu verlegen, an einen Standort in einer boomenden
Wirtschaftsregion, wirtschaftlich, betriebswirtschaftlich
aufgehen?
B
Natürlich geht es auf. Die Ge-neraloberst-Beck-Kaserne ist wahrscheinlich von derbayerischen Landesregierung unter Denkmalschutz ge-stellt worden. Das fällt nicht in den Zuständigkeitsbereichder Bundesregierung. Die Landesregierung wird sich jetztdarum kümmern müssen, dass für diese denkmalge-schützte Kasernenanlage eine sinnvolle Nutzung gefundenwird.Ich habe übrigens noch Kostenberechnungen in Höhevon 100Millionen DM vorliegen. Diese werde ich jedoch
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genauso wie Ihre 40 Millionen DM infrage stellen. Des-wegen habe ich wahrscheinlich die 70 Millionen DM, diein der Mitte liegen, akzeptiert.Für die verbleibenden vier ABC-Abwehrbataillone be-stehen gute Voraussetzungen für eine flächendeckendeZusammenarbeit mit anderen Truppengattungen. Alsowird ein ABC-Abwehrbataillon aufgelöst. Der StandortSonthofen bleibt aber als ABC-Schule erhalten. Damitbehält er eine wichtige Aufgabe. Dies halte ich für richtig.Ihr Argument hinsichtlich der guten Infrastruktur, dieder Bundeswehr natürlich sehr willkommen ist – darinstimme ich Ihnen ausdrücklich zu; das gilt auch für Sont-hofen –, scheitert wie jedes andere Argument an der Tat-sache, dass wir einen solchen Umfang an Infrastrukturund Liegenschaften nicht mehr brauchen. Wir haben prin-zipiell nichts dagegen. Auch will ich nicht bestreiten, dasses viele Menschen gibt, die dort ihre Ausbildung gemachthaben – in meinem Büro arbeiten einige davon –, die vonder Schule sehr angetan waren und die, als die Schließungbevorstand, spontan gesagt haben: Das kann nicht sein.Aber mein Regierungsdirektor, der für die Finanzen zu-ständig ist, hat erklärt, dass die Aufwendungen hierfürsehr hoch seien.Jetzt ist die Entscheidung gefallen. Sie wird vom In-spekteur des Heeres und den Teilstreitkräften insgesamtmitgetragen. Herr Stoiber müsste schon gute Argumenteanführen, damit eine entsprechende Alternative realisiertwird.
Ihre Zusatzfrage drei.
Frau Staatssekretärin,
ich bin nach wie vor der Meinung, dass nicht die richtigen
betriebswirtschaftlichen Zahlen genannt wurden, und be-
daure sehr, dass es mit dem Verteidigungsminister zu kei-
nem Gespräch zur Erörterung dieser Fragen kam. Sont-
hofen ist ein Sonderfall. Es geht nicht um Truppen-
reduzierungen, sondern es ist eine rein politische Ent-
scheidung, die bestehenden Strukturen von Sonthofen in
ein leeres Gebäude in Hannover zu verlagern, das man
wirtschaftlich auch anders hätte nutzen können.
Ich habe die konkrete Frage an Sie: Wären Sie bereit,
den Vorschlag zu prüfen, den Frau Anker, Stadträtin, in
Vertretung des Oberbürgermeisters von München, vor-
gestern beim Bundeswehrempfang in München in die
Diskussion gebracht hat, die Sanitätsakademie in Mün-
chen nach Sonthofen zu verlagern? Sie hat wörtlich ge-
sagt: Eine Großstadt wie München ist auf die Bundeswehr
nicht angewiesen. Im Gegenteil: Wir können die Grund-
stücke zur Wohnungsbebauung gut gebrauchen. – Sie
würden München, möglicherweise dem dortigen Ober-
bürgermeister und vor allem uns, den Menschen in der
Region Sonthofen, nutzen.
B
Ich habe nachgeschaut. Die
Kasernenanlage ist zwischen 1934 und 1942 gebaut wor-
den. Sie wurde damals zum Großstandort gemacht. Ich
brauche Ihnen nicht zu sagen, wer dafür verantwortlich
war. Die Burgsiedlung, die sich dort befindet, wird in je-
dem Fall – egal, welche Einrichtung dort sein wird – für
die Bundesrepublik Deutschland ein hoher Kostenfaktor
sein. Dafür ist die Bundeswehr nicht verantwortlich,
schon gar nicht, wenn es sich um ein solches Denkmal
handelt. Aber auch wenn es um die Geschichte der De-
mokratie in Bayern gegangen wäre, wäre es nicht möglich
gewesen.
Hinsichtlich der Sanitätsakademie in München war es
der ausdrückliche Wunsch, dass sie in München bleibt.
Man hätte 1991 fragen können – das lag damals nahe –,
warum sie nicht nach Berlin verlagert wird, zumal das Ge-
bäude in Berlin noch steht, in dem sich früher die Sanitäts-
akademie befand. Kollege Müller, ich verstehe Sie gut.
Als Abgeordneter dieser Region ist es Ihre Aufgabe, sich
für sie einzusetzen. Aber wir schaffen es nicht, diese Lie-
genschaft weiter zu nutzen.
Zusatzfrage vier.
Frau Staatssekretärin,
ich kämpfe aus wirtschaftlichen und traditionellen, aber
auch aus historischen Gründen für den Erhalt des Stand-
ortes. Die Kaserne ist mit dem Namen von General-
oberst Beck, einem der großen Männer des deutschen
Widerstandes – Stichwort 20. Juli –, verbunden. Sie sa-
gen, das habe mit der Entscheidung über den Bun-
deswehrstandort nichts zu tun. Ich stelle die Frage an
Sie – nach der Entscheidung, die Bundeswehr teilweise
aus dieser Liegenschaft mit dem traditionsgebundenen
Namen abzuziehen –: Welches Standortkonzept haben
Sie zur weiteren Verwendung dieser Kaserne, die den
Namen eines großen Mannes des deutschen Widerstan-
des trägt? Mit welchen Investitionen und welchem
Folgekonzept kann die Region rechnen?
B
Die Region kann nicht mit
Bundesmitteln aus dem Verteidigungshaushalt rechnen.
Die Bundeswehr hat in den letzten zehn Jahren mehrfach
ihre Friedensdividende erbracht und muss nun endlich
eine Struktur bekommen, mit der sie die Aufgaben der in-
ternationalen Sicherheit leisten kann. Wir sind dabei, ihr
diese Struktur zu geben, und deswegen haben wir diese
schmerzlichen und notwendigen Eingriffe vorgenommen.
Im Hinblick auf die Möglichkeiten einer anderen Ver-
wendung der Liegenschaft ist jetzt die bayerische Lan-
desregierung gefragt. Ich teile Ihre Meinung, dass die Re-
gion Sonthofen alleine überfordert ist.
Nun hat Kollege
Rossmanith eine Zusatzfrage. Danach haben wir das Ende
der Fragestunde erreicht.
Frau Staatssekre-tärin, nachdem Sie den finanziellen Aspekt hinsichtlichder Investitionen so in den Vordergrund gestellt haben,muss ich Sie fragen: Haben Sie, das heißt hat Ihr Haus,Überlegungen dahin gehend angestellt, das Gelände inHannover, auf das die Feldjägerschule verlegt werden
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Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte14781
soll, zu veräußern? Denn mit dieser Veräußerung würdenSie mit Sicherheit einen höheren Erlös erzielen als anInvestitionen in Sonthofen erforderlich wäre.B
Die Stadt Hannover hat in den
vergangenen Jahren im militärischen Bereich einen erheb-
lichen Abbau erlebt und ist daran interessiert, die Bun-
deswehr in der Stadt zu halten. Sie hat sich damals –, an-
ders als andere; ich erinnere an die Sanitätsakademie –
bereit erklärt, die Offiziersschule, wenn auch schweren
Herzens, als Leistung für die neuen Bundesländer herzu-
geben. Die Liegenschaft in Hannover ist vorhanden, wir
können sie nutzen und die Bundeswehr würde sie gerne
nutzen. Ich glaube, es gibt für die Ansiedlung einer solchen
Einrichtung kaum eine zentralere Stadt als Hannover.
Sie haben nur eine
Zusatzfrage.
– Sie haben Recht. Sie haben noch eine Zusatzfrage, bitte
sehr.
Frau Staatssekre-
tärin, können Sie ausschließen, dass die Schüler der
Schule für Feldjäger und Stabsdienste im zivilen Bereich
üben sollen, sprich: die Verlegung deshalb erfolgt, um den
Soldaten praktische Übungseinheiten bei den Chaostagen
in Hannover zu ermöglichen?
B
Diese Frage ist – Entschuldi-
gung, Frau Präsidentin – unter Ihrem Niveau.
Ich danke der Frau
Staatssekretärin für die Beantwortung der Fragen. Ich
finde, Sie hat das ausführlich und gut gemacht.
Wenn sie im Einzelfall Fragen nicht beantwortet hat, so
mag das Gründe haben. Ich glaube, es war richtig, nicht
einzuschreiten.
Damit ist die Fragestunde beendet. – Frau Kollegin, Sie
blicken irritiert, weil Sie mit der nächsten Frage an der
Reihe wären. Ich muss die Geschäftsordnung beachten
und entsprechend der Geschäftsordnung ist die Zeit für
die Fragestunde abgelaufen.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der SPD
Bundespolitische Auswirkungen neu bekannt
gewordener Verstöße gegen das Parteiengesetz
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin
Christine Lambrecht für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin!Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Mitte letz-ten Jahres möchte uns die CDU-Führung glauben ma-chen, dass die Skandale der schwarzen Kassen, derSchweizer Konten, der regierungsamtlichen Lügen desNoch-Ministerpräsidenten Koch und der vorgeschobenenEhrenwörter ausgestanden seien.
Es sei alles aufgeklärt, tönt es aus der CDU. Alles anderesei eine miese Kampagne der Linken. Dass dem nicht soist, haben die jüngsten Vorfälle in Berlin wieder einmalgezeigt. Ausgerechnet die Berliner CDU, die immer sogetan hat, als hätte sie mit alledem nichts zu tun, mussnoch Stück für Stück zugeben, dass sich ihre Finanzprak-tiken nicht wesentlich von denen der restlichen CDU un-terscheiden.
Auch in Berlin gibt es eine bislang unzertrennliche poli-tische Männerfreundschaft. Eberhard Diepgen undKlaus-Rüdiger Landowsky haben gemeinsam Jura stu-diert, haben sich in schlagenden Studentenverbindungenherumgetrieben,
haben gemeinsam die Junge Union dominiert und habennun seit 18 Jahren die Berliner CDU fest im Griff.
Der eine, Diepgen, ist der Regierungschef, der andere„nur“ Fraktionschef. In Wirklichkeit ist er der große Strip-penzieher.Jener Klaus-Rüdiger Landowsky ist der Inbegriff desFilzes in Berlin, immer mit den richtigen Leuten zusam-men und immer mit der richtigen Nebenbeschäftigung, obim Lotto-Stiftungsrat, wovon schon einmal der eigeneTennisklub im Grunewald profitiert, oder auf den Chef-sesseln landeseigener Bankgesellschaften.Wie in Hessen so wurden auch in Berlin erste Meldun-gen über nicht verbuchte Barspenden und Schwarzgeld-konten als Kampagne der Linken gegen einen verdientenEhrenmann der Berliner Gesellschaft abqualifiziert.
Als dann nichts mehr zu verheimlichen war, wurdescheibchenweise zugegeben, was andere längst herausge-funden hatten. Auch die Sprachregelung entspricht denbundespolitischen und hessischen Vorbildern. Der Berli-ner CDU-Generalsekretär Ingo Schmitt möchte nicht voneinem Schwarzkonto sprechen, sondern von einem Konto„außerhalb des offiziellen Rechenwerks der Berliner
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Kurt J. Rossmanith14782
CDU“. Diese Umschreibung muss man sich wirklich ein-mal auf der Zunge zergehen lassen.
Ich möchte noch ein paar andere Zusammenhänge auf-zeigen. In Hessen zahlte die Firma Ferrero großzügigSpenden in eine schwarze Kasse der CDU. Rein zufällignahm es der CDU-Bürgermeister Vollmer in Stadtallen-dorf – das ist der Sitz von Ferrero – dann auch mit derFestlegung der Gewerbesteuervorauszahlung nicht so ge-nau. Das strafrechtliche Verfahren gegen ihn wurde gegenZahlung einer Geldbuße eingestellt. Wunschgemäß hatdie örtliche CDU dem Sohn des Geschäftsführers vonFerrero neben seiner Villa in Neu-Isenburg ein Baugebietfür Normalverdiener in der Nachbarschaft erspart. EinSchelm, der Schlechtes dabei denkt!In Berlin verhält es sich kaum anders. Herr Landowskyerhält von zwei Vertretern der Baubranche, beide CDU-Mitglieder und nicht gerade wegen ihrer Seriosität be-kannt, 40 000 DM in bar diskret in Kuverts. Zufällig,natürlich rein zufällig, entscheidet Herr Landowsky in derChefetage der Berlin Hyp gerade zu dieser Zeit über einenKredit in dreistelliger Millionenhöhe an die Firma dieserHerren. Jetzt möchte man der Öffentlichkeit weismachen,dass das alles nicht miteinander zusammenhängt. Warum,frage ich Sie, hat dann Herr Landowsky seinen Job bei derBerlin Hyp am letzten Montag an den Nagel hängen müs-sen?Nach hessischem Vorbild wurden die 40000 DM nichtder offiziellen Parteikasse zugeführt, sondern landetennach Abzügen durch Gratifizierung nach eigenem Gutdün-ken über den Kollegen Buwitt auf einem Schwarzkonto,von dem aus dann die Anschaffung von Computern finan-ziert wurden. Um ganz korrekt zu sein: Von den 40000DMsind immerhin 679,10 DM dann tatsächlich in der Partei-kasse gelandet. Wie in Hessen hat natürlich niemand etwasgewusst –, Herr Diepgen nicht, der seit 18 Jahren Vor-sitzender der Berliner CDU ist, Herr Landowsky nicht, deransonsten seine Partei absolut im Griff hat. Wird die Berli-ner CDU also auch von ahnungslosen Stümpern regiert?
Das Schema ist immer das gleiche, ob bei der Bundes-CDU, der CDU Hessen oder der Berliner CDU: Barspen-den werden nach Gutsherrenart an den Parteimitgliedern,den Rechenschaftsberichten und dem Fiskus vorbeige-schmuggelt. Schwarze Konten werden eingerichtet undniemand will etwas gewusst haben. Wer ernsthaft glaubt,dass dies Zufall ist, und wer ernsthaft glaubt, dass das, wasin Berlin jetzt herausgekommen ist, ein Einzelfall gewesenist, der muss schon sehr naiv sein. Wir werden sehen, wasdie Zeitungen morgen zu berichten haben und ob der Lan-desverband der CDU dann auch betroffen sein wird.Meine Damen und Herren, es gibt aber doch einen ge-wichtigen Unterschied zwischen Hessen und Berlin: InHessen stützt sich die CDU-Regierung auf eine kleine, anihren Posten klebende F.D.P. In Berlin regiert seit überzehn Jahren eine Koalition aus CDU und SPD,
auch wenn diese bei der Bevölkerung – um es vorsichtigzu formulieren –, wenig Begeisterung auslöst. Ich möchtehier die Genossinnen und Genossen der Berliner SPDherzlich bitten, sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, ei-nem Koalitionspartner die Stange zu halten, der nicht al-les daransetzt, die dubiosen Finanzmachenschaften in sei-nen eigenen Reihen rückhaltlos aufzuklären. Macht denehrenwerten Herren Dampf!Vielen Dank.
Ich erteile dem Kolle-
gen Professor Dr. Rupert Scholz, CDU/CSU-Fraktion,
das Wort.
Frau Präsidentin!Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über welchenSachverhalt reden wir? Einen Sachverhalt aus dem Jahr1995, der in der Tat
einige Probleme aufwirft, zu denen auch Gesetzesver-stöße gehören.
Aber wir wollen uns zunächst einmal ansehen, was wirk-lich passiert ist.Es gab zwei Barspenden über jeweils 20 000 DM, ge-geben von CDU-Mitgliedern, die nur in dieser Form – dieCDU ist hier einmalig
mit ihren internen Richtlinien – –
– Herr Stiegler, würden Sie mich reden lassen?
– Das ist sehr liebenswürdig.Ich sagte einmalig; denn bei uns sind Barspenden über1 000 DM unstatthaft. Dagegen ist verstoßen worden. Wirhaben solche Richtlinien. Weiterhin ist zugegebener-maßen in der Rechnungsführung ebenfalls nicht richtigverfahren worden.Aber sofort nachdem der Sachverhalt bekannt gewor-den ist, hat der Landesvorsitzende, der Regierende Bür-germeister Eberhard Diepgen, einen unabhängigen
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Christine Lambrecht14783
Rechtsanwalt und Notar beauftragt, den Sachverhalt auf-zuklären. Der Bericht liegt vor. Danach ergibt sich klarund lückenlos: Kein Pfennig des Geldes ist für Zweckeaußerhalb der Partei ausgegeben worden.
Das ist ganz entscheidend. Alle weiter gehenden Speku-lationen liegen neben der Sache. Dazu gehört vor allemdas, was Sie, Frau Lambrecht, hier angedeutet haben, dassnämlich ein Zusammenhang mit einer Darlehensentschei-dung der Berliner Hyp-Bank bestehen könnte. Das ist aus-geschlossen und geklärt.
Würden Sie die Strukturen der Berliner Bankgesellschaftkennen, wüssten Sie, das dies gar nicht möglich ist, selbstwenn es jemand gewollt hätte.Meine Damen und Herren, es ist nach Auskunft allerBeteiligten klar festgestellt worden, dass weitere Bar-spenden von den beiden Spender nicht gegeben wordensind. Im Rahmen der Aufklärung ist hinzugekommen,dass beide Spender 1995 noch Beträge in Höhe von1 650 DM und 2 800 DM im ordnungsgemäßen Verfahrenan ihre Kreisverbände gegeben haben, was dazu führt
– das räume ich hier offen ein: diese Beträge müssen mitden 20 000 DM addiert werden –, dass die Deklarie-rungspflicht insofern nicht eingehalten worden ist. Auchdies gilt es zu reparieren und auch dies wird geschehen.
Im Übrigen liegt kein strafrechtlich relevantes Verhal-ten vor. Es ist allein gegen innerparteiliche und parteien-gesetzliche Vorschriften verstoßen worden.
Das möchte ich Ihnen hier sehr deutlich sagen, meine Da-men und Herren.Nun schauen wir einmal etwas weiter: Sie interessierensich ja liebenswürdigerweise für Berlin. Das finde ichschön. Auch nehme ich an, dass sich der Untersuchungs-ausschuss mit dieser Frage befassen wird. Das mag er tun.Aber der Auftrag des Untersuchungsausschusses reichtweiter: Ich warte darauf, dass Sie sich einmal mit der Ber-liner SPD befassen.
Was ist denn 1998/99 in Zehlendorf passiert? 86 000 DMsind veruntreut worden, ein Schaden von 50 000DM ist ent-standen. 200 Fehlbuchungen sind bis heute festgestellt wor-den. Da haben sich Funktionäre der SPD Quittungen fürSpenden, die sie sich selber gegeben haben, selbst erteilt.
– Das ist ein Sachverhalt, Herr Staffelt, der vor den Un-tersuchungsausschuss gehört,
wie überhaupt das Verhalten der SPD vor diesen Untersu-chungsausschuss gehört. Nach wie vor warten wir darauf,dass endlich jene nebulösen Manöver mit Ihren Unter-nehmensbeteiligungen und Ihren merkwürdigen Verrech-nungspraktiken, die illegal sind, von diesem Untersu-chungsausschuss untersucht werden.Es geht um alle Parteien. Jeder hat bei sich für Ordnungzu sorgen.
– Abwarten und Tee trinken! –
Verstöße gegen das Parteiengesetz sind bei keiner Parteizu tolerieren. Darüber besteht Konsens.
Wo Verstöße sind, ist ohne Ansehen der Person und vor al-lem ohne Ansehen der betroffenen Partei zu untersuchenund aufzuklären. Das gilt vor allem für Sie, meine Damenund Herren von Grün-Rot.
Ich erteile jetzt demKollegen Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen, dasWort.
legen! Herr Scholz, Gesetzesverstöße sind schlimm ge-nug. Verstöße gegen Richtlinien der CDU sind auchschlimm. Aber viel schlimmer sind die Verstöße gegendas Grundgesetz.
Art. 21 des Grundgesetzes – das müssten Sie als Verfas-sungsrechtler wissen –, verpflichtet die Parteien –, auchdie in Berlin –, gegenüber den Bürgern die Herkunft ihrerGelder offen zu legen.
Das haben weder Herr Landowsky noch Herr Buwitt ge-tan.Wir beschäftigen uns seit mehr als einem Jahr mit derCDU-Spendenaffäre. Wir hören immer wieder die Be-kenntnisse, es solle aufgeklärt werden.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Dr. Rupert Scholz14784
Ich frage mich, was der Kollege Buwitt wohl gedacht hat,als Herr Schäuble oder Frau Merkel von diesem Podiumaus im letzten Jahr angekündigt haben, es werde umfas-send und schonungslos aufgeklärt. Der Kollege Buwitt istnicht an dieses Rednerpult getreten –, was er eigentlichhätte tun sollen –, um zu sagen: Auch ich bin vom StammeNimm; auch ich habe von Herrn Landowsky 25 000 DMgenommen, die ich nicht in die Parteikasse getan habe– dies hat uns Herr Landowsky erzählt –, sondern damithabe ich mich zunächst einmal gegenüber meiner Mitar-beiterin ehrlich gemacht; ich habe erst einmal 4 000 DMan sie gezahlt, weil sie mich im Wahlkampf unterstütztund mir meine Termine geordnet hat; dann habe ich dasübrig gebliebene Geld nicht in die offizielle Parteikasse,sondern in eine Schwarzgeldkasse getan, durch dieCDU-Bedürfnisse – wir hören von immer neuen Ver-brauchszwecken – befriedigt worden sind.
Derselbe, der diese 40 000 DM in Empfang genommenhat, hat im Abgeordnetenhaus von Berlin vollmundig er-klärt:Dort, wo Verwahrlosung herrscht, ist Gesindel. Dasmuss in der Stadt beseitigt werden.In der Zeit, als er das sagte, hat dieser Herr die40 000 DM entgegengenommen, womit er erst einmalHerrn Kauffmann, seinen Wahlkampfhelfer in der CDU,bezahlt hat, bevor er das Geld an seine Parteikollegenweiterverteilt hat.
Ist das die Offenlegung der Herkunft, die nach demGrundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vorge-schrieben ist? Das ist das Gegenteil davon. Wir haben indem Untersuchungsausschuss, der sich mit diesem Themabeschäftigen muss, die bundespolitischen Konsequenzenzu klären. In diesen Berliner Skandal sind die CDU-Poli-tiker Neuling – ehemaliger Kollege im Deutschen Bun-destag – und Buwitt – noch Kollege im Deutschen Bun-destag – verwickelt.Der Rechenschaftsbericht der Bundes-CDU ist falschund muss korrigiert werden. Das wird für die CDU auchfinanzielle Konsequenzen haben müssen. Ein Verstoß ge-gen das Parteiengesetz und gegen das Grundgesetz liegtvor.Auch vom Untersuchungsausschuss müssen die not-wendigen Konsequenzen gezogen werden. Wir müssenalles wissen, etwa wer eigentlich Max Schwendke ist, deran die CDU ebenfalls 10 000 DM gespendet haben soll.
Als man nachgesehen hat, hat man festgestellt, dass dort,wo er eigentlich wohnen soll, ein leeres Haus steht. Aberdas Grundstück, auf dem nur ein leeres Haus steht, sollden Kollegen Neuling und Wienhold gehören; diese wie-derum sind Geschäftsführer von Aubis.Nun wehrt sich der Herr Scholz dagegen, dass wir be-haupten, da gebe es einen Zusammenhang. Herr Scholz,was würden Sie denn als Richter – zu Ihnen passt viel-leicht besser die Rolle des Staatsanwaltes –
sagen, wenn Sie erfahren, dass jemand, der einen Kreditvon über 600 Millionen DM haben will, den Kredit an-mahnt und sagt: „Wann kommt ihr endlich damit rüber?“,der Kredit aber nicht bereitgestellt wird,
er dann 40 000 DM gibt und in denselben Vermerk, mitdem er die Auszahlung des Kredits forcieren will, von40 000 DM schreibt, die K. L. gegeben werden sollen?Wenn dann die 40 000 DM gegeben werden und der Kre-dit fließt, liegt da nicht,
Herr Scholz, ein dringender Verdacht nahe? Ich denke,dem kann man sich nicht entziehen.Ich will Ihnen abschließend etwas sagen: Zurzeit dis-kutieren wir ja sehr viel über die 68er. 1968 haben wirdurch Analysen weitgehend theoretisch herausbekom-men, dass es einen Zusammenhang zwischen dem großenKapital, den Waffenunternehmen, den großen Energie-unternehmen und der Politik in der BundesrepublikDeutschland gibt. So banal, wie Sie uns den Zusammen-hang jetzt erklären, haben wir uns das Funktionieren desKapitalismus nicht vorgestellt, nämlich dass da ein aus-gewachsener Bundeskanzler im Bundeskanzleramt sitzt,
Herr Kollege, denken
Sie bitte an die Redezeit.
tion als Regierungschef unterschreibt, die andere Hand
aber aufhält und dicke Pakete von der Industrie annimmt.
Herr Kollege, Sie
müssen bitte zum Schluss kommen.
Landowsky praktiziert. Das muss ein Ende haben. Des-
halb gibt es uns im Bundestag und im Untersuchungs-
ausschuss des Deutschen Bundestages.
Ich darf noch einmaldarauf hinweisen, dass wir uns in einer Aktuellen Stundebefinden und die Redezeit fünf Minuten beträgt.Das Wort hat für die F.D.P. Dr. Max Stadler. Bitte sehr.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Hans-Christian Ströbele14785
Frau Präsidentin! Meinesehr geehrten Damen und Herren! Es war natürlich zu er-warten, dass insbesondere der Kollege Ströbele diese Vor-lage ausnutzen würde, um den Vorgang Landowsky hierim Bundestag und im Untersuchungsausschuss zur Spra-che zu bringen. Es ist aber in erster Linie Aufgabe der Ber-liner Politik und des Berliner Abgeordnetenhauses, dieseAngelegenheit aufzuklären.
Natürlich ist es formal in Ordnung, zu konstatieren,dass es einen gewissen Bezug zur Bundespolitik gibt.
Dem wird man nichts entgegnen können. Ich habe nureine Sorge: Unser Untersuchungsausschuss hat noch densehr komplizierten und umfangreichen Komplex Leuna/Minol aufzuklären. Ich bin der Meinung, dass sich derUntersuchungsausschuss des Bundestages endlich dieserMaterie zuwenden sollte,
damit die Zeitschiene eingehalten, also bis zum Jahres-ende die umfängliche Beweisaufnahme abgeschlossenwerden kann. Denn nach meiner Meinung sollte im nächs-ten Jahr der Wettbewerb der Parteien um die besserenKonzepte zur Bewältigung der wirklichen Probleme un-seres Landes im Vordergrund stehen: Sicherung des Stand-ortes Deutschland, Sicherung der sozialen Sicherungs-systeme und dergleichen mehr. Ich meine, dass wir mitdiesen Themen allmählich zu einem Ende kommen müs-sen. Parteipolitischer Vorteil kann aus solchen Sachen oh-nehin nur sehr begrenzt gezogen werden.Ich habe es mir genauso vorgestellt: Erst gibt es hiereine Attacke gegen die CDU – die Kollegen von der CDUmachen es einem ja auch schwer; ihre Verstöße gegen dasParteiengesetz nehmen kein Ende, weil immer wieder et-was Neues auftaucht –;
dann gibt es eine Gegenattacke vom Kollegen ProfessorScholz.
Ich fürchte, dass dies insgesamt zu einem Ansehensver-lust aller Parteien führt, auch derer, die gar nicht betroffensind. Das ist die Gefahr dabei.
Meine Damen und Herren, das heißt nicht, dass dieVorgänge nicht aufgeklärt werden müssen. Wir sollten unsaber auf die zwei Grundprobleme konzentrieren, um diees eigentlich geht und die auch am Vorgang Landowskyjetzt wieder sichtbar werden: den Filz,
der immer wieder zutage tritt, und die Frage, wie die Par-teienfinanzierung künftig aussehen soll.Als Nichtberliner möchte ich mich jetzt nicht zu sehrüber den sprichwörtlichen Berliner Filz auslassen. Aberich sage – ausdrücklich auch im Namen und auf Bittenmeines Berliner Kollegen Günter Rexrodt, der leider ver-hindert ist, an der heutigen Debatte teilzunehmen –: Es istschon so, dass gerade durch die langjährige große Koali-tion das eingetreten ist, was bei großen Koalitionen immerdie Folge ist:
Verfilzung auf allen Ebenen.
Der Fall Landowsky hat seine Dimension darin, dass eseine Interessensverquickung von Politik und Wirtschaftgibt. Es mag der konkrete Vorgang, die Kreditvergabe, da-mit nichts zu tun zu haben. Aber der Anschein ist dochschon ziemlich deutlich.Nicht nur große Koalitionen sind der Nährboden dafür,sondern natürlich auch absolute Mehrheiten – jetzt spre-che ich aus eigener Kenntnis – , wie man es in Bayern ge-sehen hat, wo wir längst unsere Amigo-Affäre gehabt ha-ben.
Das zweite Grundproblem, um das es geht, liegt darin,zu klären, wie die Parteienfinanzierung künftig aussehensoll. Es ist offenkundig, dass der derzeitige Zustand un-befriedigend ist. Aber wir stoßen bei den Veränderungs-möglichkeiten auch rasch an Grenzen; denn es bestehtdoch weithin Einigkeit darüber, dass die drei Säulen derFinanzierung der Parteien bestehen bleiben sollen, undzwar die Finanzierung über Mitgliedsbeiträge, über Spen-den und über staatliche Parteienfinanzierung.
Nun ist man bei den Spenden in der schwierigen Ab-grenzungssituation, dass es offenkundig erlaubt seinmuss, mit Spenden die allgemeine politische Richtung ei-ner Partei zu fördern, dass es aber nicht angehen kann,dass konkrete politische Entscheidungen – ich sage es sodeutlich – gekauft oder belohnt werden. Hier das richtigeAbgrenzungskriterium zu finden, das scheint mir einerecht schwierige Aufgabe zu sein. Wahrscheinlich führtkein Weg daran vorbei, eine Lösung über noch mehrTransparenz bei der Parteienfinanzierung zu suchen, da-mit die Bürgerinnen und Bürger sich selbst ein Urteil bil-den können.
Die F.D.P. wird, sobald die Kommission, die beimBundespräsidenten angesiedelt ist, ihre Vorschläge vorge-legt hat, was in etwa zwei Monaten der Fall sein soll, ei-gene Reformvorschläge dazu vorlegen. Ich glaube, dabeisollten wir auch aus dem Fall Landowsky Lehren ziehen.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 200114786
Für die PDS-Fraktion
spricht nun die Kollegin Petra Pau.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! 1997 erschien bei Knaur ein Buch. Ich emp-
fehle es allen, nicht nur den Mitgliedern des Untersu-
chungsausschusses, die sich zur jüngsten Spendenaffäre der
CDU, diesmal der Berliner, äußern wollen. Der Titel des Bu-
ches lautet: „Berlin, Hauptstadt von Filz und Korruption“.
Dort wird auf 300 Seiten sehr plastisch und übrigens nicht
nur für Krimileser durchaus gruselig beschrieben, wie – ich
zitiere – „eine Clique von Funktionären, Parteifreunden und
Geschäftsleuten die Hauptstadt mit einem Netz persönlicher
Beziehungen überzogen hat“. Es ging durchweg um die
CDU, wobei der Autor anmerkte, was den Filz betrifft, sei
die Berliner SPD keineswegs blütenrein.
In einem Punkt allerdings irrte der Autor in seiner Ein-
schätzung mit Gewissheit. Sie erinnern sich vielleicht:
Mitte der 80er-Jahre gab es die Berliner Antes-Affäre. Sie
galt als bislang größter politischer Skandal im einstigen
West-Berlin. Seither, so schrieb der Autor, habe sich „be-
sonders die CDU als lernfähig gezeigt“ und „die direkte
Annahme von Umschlägen voller Geldscheine von dank-
baren Unternehmern abgeschafft“.
Heute wissen wir: Selbst dieses Lob war fehl am
Platze. Die CDU war nicht lernfähig, offensichtlich auch
nicht die Berliner.
Es wurden Kuverts gehandelt, Gelder verteilt und es
wurde ein Schwarzkonto eingerichtet. Zumindest so viel
ist bisher bekannt. Ob es sich nun um 40 000, 45 000 DM
oder noch andere regelwidrige Summen handelt, wird
sich zeigen.
Nach Lage der Dinge ist die zweite Seite des Berliner
CDU-Skandals ohnehin umfassender; denn es geht ja
nicht nur um Parteispenden. Es geht auch um zweifelhafte
Kreditgeschäfte der Berliner Hyp unter CDU-Freunden.
Dabei geht es möglicherweise um Milliardenverluste und
damit auch um Steuerverluste für das Land Berlin, und
das in Zeiten, in denen Schulen darben, Kultureinrichtun-
gen austrocknen und – wie der Kollege Thierse zu Recht
meint – der Osten auf der Kippe steht. Das sind keine Pea-
nuts.
Auch das wird mit dem Namen Landowsky und mit der
Berliner CDU verbunden.
Ich empfehle Ihnen, allein die Ereignisse der letzten
Woche nachzuvollziehen. Nachdem bis zum Wochenende
offenbar wurde, dass auch die Berliner CDU mit dem Par-
teiengesetz auf Kriegsfuß stand, wurde am Montag zur
Krisensitzung geblasen. Danach folgten Pressekonferen-
zen. Berlins Regierender Bürgermeister, Eberhard
Diepgen, bekräftigte „einmütige Solidarität“ mit seinem
Weggefährten Landowsky. Landowsky räumte zwar
Stockfehler ein. Er erklärte sich aber selbstverständlich
für „unschuldig“. Berlins CDU-Sprecher Kaufmann
setzte noch eins drauf: Er pries Landowsky als „lobens-
wert“; schließlich habe er doch Spenden heimgeholt. Wis-
sen Sie, wonach das alles klingt? – Nach dem, was wir
hier seit über einem Jahr hören, nämlich nach „brutalst-
möglicher Aufklärung“.
Landowsky kündigte dann an, er wolle Ende Mai sei-
nen Chefposten räumen – aber nicht etwa den Fraktions-
Chefposten. Dass er überhaupt die Doppelrolle „Fraktion
und Bank“ spielen konnte, ist übrigens ein Ding aus dem
Tollhaus Berlin.
Aber eine Lex Landowsky der großen CDU-SPD-Koali-
tion macht dies möglich.
Nun fragt man sich natürlich: Warum gibt Landowsky
den lukrativen Bankjob und nicht den Fraktionsvorsitz auf?
Richtig ist sicher, dass die Bank sehr unruhig wurde; sie ist
ins Trudeln geraten. Die anhaltenden Negativschlagzeilen
über Landowsky sind nun einmal geschäftsschädigend. So
weit, so schlecht. Ich frage mich allerdings, wie jemand, der
für das Bankgeschäft nicht mehr vertrauenswürdig ist, für
das CDU-Politikgeschäft, wie in „einmütiger Solidarität“
gesagt wird, in lobenswerter Weise tätig werden kann. Das
müssen Sie mir einmal erklären.
Zum Schluss möchte ich noch einmal unmittelbar auf
die Parteispendenaffäre zu sprechen kommen. Vor Jahres-
frist wurden Klaus-Rüdiger Landowsky und Eberhard
Diepgen im Berliner Abgeordnetenhaus aus nahe liegen-
dem Anlass – Hessen – gefragt, ob auch die Berliner CDU
Spendenleichen im Keller habe. Diepgen sagte damals
vorsichtig: „Nach meiner Kenntnis nicht.“ Landowsky
sagte seinerzeit forsch: „Ich ziehe kein Jackett an, das mir
nicht passt.“ Nunmehr meint Diepgen, er sei so über-
rascht, als habe ihn ein Pferd getreten. Landowsky äußert,
CDU-Parteisachen seien nicht sein Ding; dafür gebe es
zuständige Schatzmeister und Geschäftsführer.
Fällt Ihnen eigentlich auf, dass der CDU-Landesvor-
sitzende Diepgen entweder nichts weiß oder überrascht
getreten wird? Fällt Ihnen nicht ferner auf, dass selbst sein
Fraktionschef Landowsky Erinnerungslücken hat? Denn
in seiner Aufzählung vermeintlich Zuständiger fallen ihm
viele ein, nur einer nicht: der Landesvorsitzende der Ber-
liner CDU, der zugleich Regierender Bürgermeister, also
sozusagen Ministerpräsident von Berlin ist.
Es geht somit nicht um einen mehr oder weniger
großen Fehler von Landowsky.
Frau Kollegin, Sie
müssen bitte zum Schluss kommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es geht auch nicht allein darum, was
Diepgen weniger wusste, als er hätte wissen sollen. Es
geht vielmehr darum, dass das System des Filzes, das Sys-
tem Westberlins, nun endlich, wenn auch zehn Jahre ver-
spätet, zu Grabe getragen werden muss.
Frau Kollegin, bittebeenden Sie Ihre Rede.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001 14787
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es hätte schon 1990 im Zuge der
Wiedervereinigung auf dem Müllhaufen der Geschichte
landen müssen.
Jetzt hat das Wort die
Kollegin Siegrun Klemmer, SPD-Fraktion.
Verehrte Frau Präsidentin!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon erwähntworden: Auf dem Höhepunkt der Spendenaffäre der Bun-des-CDU vor gut einem Jahr, als täglich neue Ungereimt-heiten über Konten im In- und Ausland, über erlogeneVermächtnisse und widersprüchliche Reisetätigkeitenzwar bekannt, aber bis heute keineswegs aufgeklärt wur-den, brüstete sich ein CDU-Landesverband ganz beson-ders seiner weißen Weste und seiner tadellosen Kon-toführung. Es war der Landesverband der Berliner CDU.Die Berliner CDU legte größten Wert darauf, nicht mit derMutterpartei in Zusammenhang gebracht zu werden, umkeinen Imageschaden zu erleiden. Klaus Landowsky töntedamals vollmundig: Wir gucken von außen in den Ring.Nun ist Klaus Landowsky auf der Matte gelandet.15 Jahre ist der Bauskandal um den korrupten Charlot-tenburger Baustadtrat Wolfgang Antes her. Er hätte derBerliner CDU wahrlich in warnender Erinnerung bleibensollen.
Aber offensichtlich hat der damalige schwere Absturz alsLehrstück nicht ausgereicht,
obwohl sowohl Klaus Landowsky als auch der Regie-rende Bürgermeister Eberhard Diepgen schon damals imZentrum politischer Entscheidungen in Berlin standen.
Von einem Politprofi wie Klaus Landowsky musste nachdieser Affäre, die 1986 monatelang die Stadt innerhalbund außerhalb der Politik beherrschte, erwartet werden,dass bei ihm sämtliche Alarmglocken klingeln, wenn Kre-ditnehmer der Bank, deren Vorstandssprecher er ist unddie seine engen Parteifreunde sind, eine Parteispende über40 000 DM in bar bei ihm abliefern.Doch weder die rechtlichen noch die moralischenAspekte fochten Klaus Landowsky an. Heute zögert ernicht, dreist zu begründen: „Aber das waren 1995 doch un-problematische Zeiten.“ Welches verquere Verständnis po-litischer Möglichkeiten verbirgt sich hinter dieser Aussage!
Das soll doch wohl heißen: Man musste es 1995 gar nichtso genau mit Spenden und ihrem Nachweis nehmen.
In diesem Zusammenhang, werter Herr KollegeScholz, entpuppen sich die so genannten politischenSelbstverpflichtungen der Berliner CDU zum Umgangmit Spenden schnell als reine Luftnummern. Mandatsträ-ger durften danach keine Barspenden über 1 000 DM an-nehmen. Spenden über 5 000 DM, wo immer sie anka-men, waren nach Ihren eigenen Selbstverpflichtungenumgehend an die Landesebene weiterzureichen.
Besonders pikant: In Zeiten, da jede Omi über einKonto für ihre Mindestrente verfügt, übernimmt derBankvorstand in den Räumen seiner Bank Bares, bestelltden Schatzmeister ein, um Bares weiterzureichen, undsieht seine Aufgabe damit als erledigt an.Verehrter Herr Kollege Scholz, der Hinweis auf dieZehlendorfer SPD, der doch wohl nur als Ablenkungs-manöver zu verstehen ist, zieht hier natürlich überhauptnicht.
Die Zehlendorfer Unregelmäßigkeiten sind von der Zeh-lendorfer SPD selber sofort nach Aufdecken aufgeklärtworden
– natürlich –, bis auf den letzten Pfennig.
Alle Konsequenzen sind gezogen worden.
Die veruntreuten 5 000 DM sind zurückerstattet worden,der Kassierer hat seine Konsequenzen gezogen.
In den Zusammenhang, gegen das Parteiengesetz ver-stoßen zu haben, passt dieser Vergleich vorne und hintennicht.
Das Wichtigste, was die Berliner CDU jetzt leistenmuss, ist nicht nur, um die hessische Vokabel zu benutzen,„brutalstmögliche“, sondern auch schnellstmögliche Auf-klärung. Denn hier ist die Berliner CDU ganz dicht bei ih-rer Mutter-CDU, nach dem Motto: Zugegeben wird nur,was sich sowieso nicht mehr verheimlichen lässt.
Das hat fatale Auswirkungen im Hinblick auf die poli-tische Glaubwürdigkeit allgemein. Daher ist es natürlichnicht akzeptabel, wenn die Berliner CDU-Führung mitdem Hinweis, es handele sich nur um Fehlbuchungen desLandesgeschäftsführers, versucht, sich aus der politischenVerantwortung zu stehlen.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 200114788
Selbstverständlich sind die schwarzen Kassen und dieaußerhalb des Parteiengesetzes vollzogene Art, nach derBarspenden in Berlin an verdiente Nahestehende verteiltwerden und daher die Partei im vorgeschriebenen Sinnegar nicht erreichen, ein originäres Problem der CDU.Doch neben dem finanziellen Schaden, der den Bürgerin-nen und Bürgern Berlins durch die schief gelaufenen Kre-dit- und Immobiliengeschäfte der Bankgesellschaft, zudenen Finanzsenator Kurth zur Stunde vor dem Bundes-aufsichtsamt für das Kreditwesen Rede und Antwort ste-hen muss, entstanden ist, besteht die Gefahr, dass derStadt nach der Melodie „Berlin bleibt doch Berlin“ – indiesem Fall Westberlin – nachhaltiger Ansehensverlustentsteht. Das ist ganz besonders gefährlich.
Frau Kollegin, den-
ken Sie bitte an Ihre Redezeit! Sie ist überschritten.
Ja. – Auch aus diesem
Grund und in seiner Verantwortung als erster Repräsen-
tant der Stadt hat Eberhard Diepgen sofort offen zu legen,
was er weiß,
und hat als Landesvorsitzender der Berliner CDU alles
zur Transparenz und Aufklärung beizutragen, damit er
und Klaus Landowsky für Berlin nicht das werden, was
Kanther und Prinz Wittgenstein für Hessen sind.
Da sich nach der mangelhaften Beantwortung der Fra-
gen und aufgrund der noch vielen offenen Fragen mit Si-
cherheit ein Untersuchungsausschuss im Berliner Abge-
ordnetenhaus damit beschäftigen wird,
wird natürlich auch die Frage nach möglichen Verbin-
dungen zur Bundes-CDU, die der Untersuchungsaus-
schuss des Bundestages zu stellen hat, von Ihnen zu be-
antworten sein.
Sie müssen mir zuge-
stehen, dass ich diese letzten Sätze, die immer so lang
sind, schlecht unterbrechen kann. – Ich weise nochmals
darauf hin, dass wir uns in der Aktuellen Stunde befinden,
und erteile nun für die CDU/CSU-Fraktion dem Abge-
ordneten Andreas Schmidt das Wort.
Frau Prä-sidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! HerrStröbele, Sie sind vom Bundesgerichtshof wegen Unter-stützung einer terroristischen Vereinigung rechtskräftigverurteilt worden.
Sie sind der Letzte, der hier über Gesetzestreue undGrundgesetz reden und lamentieren sollte, der Allerletzte!
Meine Damen und Herren, die CDU Berlin wird die of-fenen Fragen, die sich stellen, schnell aufklären.
Wir erwarten die vollständige Aufklärung. Ich bin sicher,dass die Union alles tun wird, um diese offenen Fragenschnell zu beantworten.
Meine Damen und Herren, das Ziel der SPD und der Grü-nen in dieser Debatte ist es nicht, einen objektiven Sach-verhalt aufzuklären. Sie verfolgen mit dieser Debatte zweiZiele. Das erste Ziel: Einige von Ihnen sind unterwegs,um in Berlin eine andere Regierung zu installieren, um diePDS in Berlin in die Regierung zu holen, und diesesThema soll als Vehikel für dieses Ziel dienen.
Das zweite Ziel, das Sie mit dieser Debatte verfolgen,ist ein großes Ablenkungsmanöver, meine Damen undHerren. Sie wollen mit dieser Debatte von Ihrem rot-grü-nen Desaster im Untersuchungsausschuss ablenken.
Diese Debatte ist nichts anderes als eine Bankrott-erklärung für Ihre Verleumdungs- und Diffamierungsstra-tegie im Untersuchungsausschuss.
Meine Damen und Herren, Sie wollen davon ablenken,dass Sie jetzt im Untersuchungsausschuss zugestehenmüssen,
dass es keinen einzigen Beleg dafür gibt, dass Entschei-dungen der Regierung Helmut Kohl käuflich gewesen sind.
Sie wollen davon ablenken, meine Damen und Herren,dass der Ausschussvorsitzende, Herr Neumann, ein Sozi-aldemokrat, bestätigt hat, dass es kein Indiz und keinenBeweis dafür gibt, dass die Regierung Helmut Kohl käuf-lich gewesen ist.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Siegrun Klemmer14789
– Meine Damen und Herren von der SPD, hören Sie zu!
Sie wollen davon ablenken, dass die Büroräume des Ob-manns der SPD-Fraktion im Untersuchungsausschuss vonder Staatsanwaltschaft München
mit Zustimmung des Bundestagspräsidenten durchsuchtworden sind, und zwar wegen des Verdachts, dass Sie ge-heime Unterlagen an die Presse gegeben haben.
– Nein, Herr Hofmann, es ist richtig! Es sind IhreBüroräume, die untersucht worden sind. Deswegen mussteder Bundestagspräsident zustimmen, und er hat zuge-stimmt. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie heute ans Redner-pult treten. Offensichtlich hat man Sie von der Rednerlistegenommen, um Sie aus dem Verkehr zu ziehen.
Wir treten Ihnen fünf Minuten Redezeit ab. Gehen Sie ansRednerpult und klären Sie den Verdacht auf! Denn Sietragen die politische Verantwortung, und es ist schäbig,diesen Verdacht auf einen Mitarbeiter abzuschieben.
Meine Damen und Herren, Sie wollen mit dieser De-batte von offenen Fragen ablenken, die wir an die Bundes-justizministerin haben. Frau Herta Däubler-Gmelin hatals Abgeordnete in den Jahren 1998 und 1999 angeblichan die SPD eine Summe von 178 521 DM gespendet.
Ich halte diese Summe, wenn ich sehe, wie hoch die Diä-ten sind, für lebensfremd. Ich habe Zweifel, ob dies zu-treffend ist.
Der objektive Verstoß gegen das Parteiengesetz – da-rüber wollen wir ja sprechen – ist auch gegeben, meineDamen und Herren. Der objektive Verstoß liegt vor, weildiese Spende im Rechenschaftsbericht des Jahres 1998nicht aufgeführt war. Sie hätte dort ausgewiesen sein müs-sen. Es ist objektiv gegen das Parteiengesetz verstoßenworden. Auch hier erwarten wir Aufklärung.
Deswegen haben wir beantragt, dass Frau Däubler-Gmelin als Zeugin im Untersuchungsausschuss Rede undAntwort stehen wird.
Meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten,Sie wollen davon ablenken,
dass Sie über Jahrzehnte vor der deutschen Öffentlichkeitein riesiges Finanz- und Beteiligungsvermögen verschlei-ert haben
und dass Sie damit die deutsche Öffentlichkeit über Ihrewahre Vermögenslage bewusst und vorsätzlich getäuschthaben.
Die SPD verfügt nach Angaben von Frau Wettig-Danielmeier über ein Beteiligungsvermögen von 750 Mil-lionen DM. Es gibt Fachleute, die dieses Vermögen aufmindestens 1 Milliarde DM schätzen.
Aber wenn man im Rechenschaftsbericht der SPD nach-liest, dann stellt man fest, dass dort lediglich eine Summevon 245 Millionen DM steht.Das ist das Gegenteil von Transparenz. Das ist Täu-schen, Tricksen und Verschleiern. Deswegen sind Sie auf-gefordert, von der Doppelmoral, immer nur auf die ande-ren zu zeigen, wegzugehen. Kehren Sie vor der eigenenHaustür und klären Sie Ihre eigenen Unregelmäßigkeitenauf!
Ich finde es schon wirklich mutig von Ihnen, FrauKlemmer, die CDU in Berlin ins Visier zu nehmen undkein Wort über die Probleme der SPD in Berlin zu sagen.
Frau Klemmer, das ist wirklich schon tollkühn. DiesenPunkt muss man hier einmal zur Sprache bringen. Sie ha-ben – der Kollege Scholz hat es schon angesprochen – ineinem internen Finanzbericht festgestellt, dass es zu200 Falschbuchungen gekommen ist. Sie haben für Man-datsträger Spendenquittungen ausgestellt, obwohl diesesGeld nie an die Partei geflossen ist, sondern auf ein ille-gales Konto. Auch dies muss aufgeklärt werden.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Andreas Schmidt
14790
Hören Sie auf mit der Doppelmoral, immer nur auf uns zuzeigen! Herr Böger hat gesagt: Was dort bei der SPD pas-siert ist, ist ein Tollhaus. – Wer im Tollhaus sitzt, soll nichtmit Steinen werfen, schon gar nicht auf andere Fraktionen.Vielen Dank.
Herr Kollege Dreßen,dass Sie in einem Zuruf das Wort „Lügner“ verwendet ha-ben, wollen wir im Moment nicht weiterverfolgen.
Trotz der Lebhaftigkeit der Debatte sollten wir aber einbisschen an die Spielregeln denken.Herr Schmidt, ich möchte auf Folgendes hinweisen:Auch wenn die CDU/CSU auf einen Redner verzichtet,kann sie diesen nicht der SPD in dieser Aktuellen Stundeandienen. Wenn eine Fraktion einen Redner weniger mel-det, heißt das nicht, dass eine andere Fraktion einen Red-ner mehr sprechen lassen kann.
Aber Ihr Angebot war wohl auch nicht ganz ernst gemeint.Nun hat für das Bündnis 90/Die Grünen die KolleginFranziska Eichstädt-Bohlig das Wort.
und Kollegen! Sehr geehrte Kollegen von der CDU/CSU– es sind überwiegend Herren anwesend; ich sehe nur eineKollegin –,
Ihre Art der Politik des Weißwaschens, die Sie hier be-treiben, raubt mir regelrecht den Atem. Sie meinen stän-dig, Sie müssten Mitglieder der Regierungskoalition kri-minalisieren. Dies haben Sie bei Fischer, Trittin undSchröder versucht. Jetzt versuchen Sie es bei Ströbele undbei der SPD insgesamt. Sie kriminalisieren und kümmernsich nicht um die eigenen Probleme, um den Dreck, denSie vor Ihrer Tür haben. Das finde ich unmöglich.
Herr Scholz und Herr Schmidt haben soeben eine Redein diesem Sinne gehalten. Laurenz Meyer hat eine Pres-seerklärung abgegeben, in der er zum Ausdruck gebrachthat, dass er sich nicht mehr in der Lage sieht, die Rechen-schaftsberichte seiner Kreisverbände unter Kontrolle zuhalten. Ich muss schon fragen: Was ist eigentlich in derCDU los? Sie sollten sich wirklich einmal mit den eige-nen Problemen befassen.
Ich möchte ein paar Takte zu Berlin sagen; denn ichglaube, dass das Problem tiefer geht. Die Berliner Lan-despolitik hat – auch nach der Wende – zu lange im eige-nen Saft geschmort. Die Verflechtung, die Verfilzung derPolitik gerade mit der Immobilienwirtschaft ist in Berlinzu stark kultiviert worden.Eines möchte ich hinzufügen – das erwähne ich, umauch den allgemein-politischen Bereich anzusprechen –:Ein wesentlicher Nährboden ist das Berlinförderungs-gesetz, das von der CDU-Regierung – ich bin mir in die-sem Fall nicht ganz sicher; möglicherweise war es auchdie SPD –
beschlossen worden ist. Die unangemessenen Steuervor-teile, die es früher im Rahmen des Berlinförderungsgeset-zes und die es dann in ganz irrsinniger und aberwitzigerForm im Rahmen der Sonderabschreibungen Ost gegebenhat, sind ein wesentlicher Nährboden für die Verfilzungvon Politik und Wirtschaftskreisen. Sie haben zu wirklichzweifelhaften Investitionen geführt. Sie verderben teil-weise die Wirtschaft und die politische Kultur. Deswegenfinde ich es wichtig, dass wir darüber ernsthaft diskutierenund dass hier nicht nur ein Pingpongspiel stattfindet.Wir sollten aus der Geschichte um Landowsky dieLehre ziehen: Eine Bank hat nach parteipolitischen Er-wägungen Kredite vergeben und dabei immobilien-wirtschaftliche Risiken grob missachtet. Die wirtschaftli-che Pleite haben wir, die Aubis-Pleite. Frau Kollegin Pauhat es schon gesagt: Das Ergebnis ist eine Pleite, dieMillionen von Steuergeldern kostet.
Das allein ist schon ein ziemlicher Schaden.Das Kernproblem aber, das wir heute diskutieren, ist,dass der Politiker Landowsky als Banker dafür das Bak-schisch kassiert hat, und zwar nach nunmehr für die CDUsattsam bekannten Regeln:
Das Erste ist: Man nimmt das Geld per Briefumschlag undHandschlag, als ob ein Banker nicht wüsste, was einÜberweisungsträger ist. Das haben wir von Ihrer Parteischon sehr oft gehört. Ihr Briefumschlagvorrat muss wirk-lich unermesslich sein.
Das Zweite ist: Die Sache wird nicht korrekt verbucht,sondern gleich per Handschlag weitergeleitet. Der „Tages-spiegel“ hat heute eine große Grafik veröffentlicht, um unsbeizubringen, wie die 25 000 DM umverteilt worden sind.Das Dritte ist: Auf einmal weiß man, dass es doch Kon-ten gibt, und überweist das Geld auf ein Schwarzkonto.Danach wird die Methode angewandt, die Spuren zu ver-wischen, die Sache zu vertuschen. Das Bündnis aus Spen-dern, die ganz genau wissen, warum sie keinen Steuer-bescheid und keine Quittung für dieses gegebene Geldhaben wollen, und Empfängern, die ebenso gut wissen,warum sie keine Quittung und keinen Steuerbeleg dafür
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Andreas Schmidt
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geben wollen, weil sie das Geld entsprechend weiterver-teilen wollen, funktioniert offenbar immer wieder. Lastbut not least wird nur das zugegeben, was in der Zeitungsteht, und die Angelegenheit schöngeredet, was auchheute hier getan wird.Das Dreisteste kommt vom Regierenden Bürgermeister,der das quasi als Kavaliersdelikt abgetan und behauptethat, das sei eben nur eine Dummheit. So kann es nicht ge-hen! Von daher, so meine ich, ist es der nächste großeSkandal, dass Herr Landowsky nun zwar sein Amt alsBanker niederlegt, weil er offenbar für die Bank nichtmehr zumutbar ist, aber als Politiker meint das Thema aus-sitzen zu können. Dass er uns sowie den Wählern und Bür-gern in diesem Land das zumutet, ist eine so unerträgliche,zynische Missachtung von politischer Moral und politi-schen Grundregeln, dass es wirklich schlimmer nicht geht.
Mit dieser Haltung schadet Landowsky erstens sichselbst, zweitens der CDU und drittens unserer Hauptstadt.Er schadet der Glaubwürdigkeit von Politik allgemein, unddies, nachdem das Vertrauen der Bürger in die Politik oh-nehin schon erschüttert ist. Deswegen meine ich, dass diesnicht nur ein Thema für den Parteienstreit ist, sondern ei-nes, das uns alle angeht. Die Bürger Berlins und auch dieBundesbürger haben ein Recht auf glaubwürdige und un-bestechliche Politiker und auf klare politische Maßstäbe.Deswegen müssten Konsequenzen gezogen werden:Erstens. Herr Landowsky ist als Politiker und Frakti-onsvorsitzender der größten Fraktion der Hauptstadtwirklich nicht mehr tragbar. Er sollte schnell zurücktre-ten, damit er nicht noch mehr Schaden anrichtet.Zweitens. Der Herr Regierende Bürgermeister mussentweder dafür sorgen, dass die große Koalition wirklichnach moralischen Maßstäben weiter regiert, oder er istauch selbst nicht mehr tragbar.Die SPD, bitte ich, sich darum zu kümmern, dass sienicht in diese Auseinandersetzung hineingezogen wird.
Das Wort hat nun der
Kollege Dr. Peter Danckert, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meinesehr verehrten Damen und Herren! Ehe ich zu dem ei-gentlichen Thema der Aktuellen Stunde Stellung nehme,möchte ich mich kurz an die Damen und Herren von derPDS wenden. Ich finde es etwas merkwürdig, dass Siesich über Dinge erregen, die sich in den 80er-Jahren er-eignet haben. Sie sollten erst einmal vor Ihrer eigenen Türkehren. Ich möchte nicht wissen, was in Ost-Berlin in den80er-Jahren an krummen Geschäften, verantwortet durchIhre Partei, gelaufen ist. Klären Sie das erst einmal auf,dann können Sie sich an dieser Debatte beteiligen!
Ich verstehe die Erregung der CDU völlig. HerrLandowsky ist der stärkste Mann, er hat über 20 Jahre diePolitik der CDU in Berlin mitbestimmt, er hat den Regie-renden Bürgermeister aus allen kritischen Situationen ge-rettet und die innerparteilichen Kritiker ruhig gehalten.Der ist nun, nachdem er vor einem Jahr vollmundig erklärthat, er sehe sich von außen die Sache im Ring an, auf ein-mal angezählt, ja, man könnte fast sagen, k. o. gegangen.So ist die Situation heute. Wenn er sagt, er ziehe sich dieseJacke nicht an, ist ganz offensichtlich diese Jacke für ihninzwischen zu einer Zwangsjacke geworden, und dieseJacke passt. Er kommt aus der Geschichte nicht mehr raus.Diejenigen, die in Berlin gelebt haben, wissen, dass wirin den 80er-Jahren – das ist schon von Frau Klemmer an-gesprochen worden – die Antes-Affäre hatten. Wer die De-tails darüber ein bisschen näher kennt, weiß, dass die CDUdamals an komplizierten Untersuchungen vorbeigeschlid-dert oder – ich könnte auch sagen – vorbeigeschreddert ist.Wir wissen doch alle, was sich am Vorabend und in derNacht, bevor die Soko Lietze tätig wurde, im CDU-Partei-haus in der Lietzenburger Straße abgespielt hat. Die habeneinen Tipp bekommen und erst einmal kräftig Akten ver-nichtet. Um Aktenvernichtung geht es übrigens auch imaktuellen Untersuchungsausschuss.
Im Antes-Komplex ging es um Bargeld und im daraufeingesetzten Untersuchungsausschuss wurde bekannt,dass der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgenvon einem Unternehmer der Stadt dreimal 25 000 DM inbar erhalten hat. Auch dies taucht hier wieder auf. – Alldas hatten wir schon einmal. Das Déjà-vu ist ganz ein-deutig.Nun befinden wir uns in der Situation, dass Sie – oderbesser gesagt: Herr Landowsky – uns weismachen wol-len, das alles hätte mit seinem Amt als Banker überhauptnichts zu tun. Für wie blöd hält man eigentlich die Öf-fentlichkeit? Da sind zwei Parteifreunde – die kommendoch nicht zufällig zusammen –, die zur gleichen Zeit Ge-schäftsführer der Firma Aubis sind, die einen Bankkreditbraucht. Sie braucht keinen kleinen Gründungskredit über50 000 DM oder 100 000 DM, nein, es soll sich richtiglohnen, sie braucht 600 Millionen DM.
Und in dieser Bank bekommt der Vorstandsvorsitzende derBerlin Hyp zwei Umschläge mit Bargeld – 40 000 DM –in die Hand gedrückt. Da soll noch jemand an einen Zu-fall glauben? Wem will man das denn plausibel machen?
Wenn sie sich irgendwo in einer Kneipe getroffen hätten,aber sie haben sich ausgerechnet in der Bank getroffen,für die er verantwortlich ist.Außerdem geht es immer wieder um das Thema Bar-geld. Die CDU sollte endlich bereit sein, hier in vollem
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Franziska Eichstädt-Bohlig14792
Umfang, auch in Berlin – das geht immer nur scheib-chenweise –, die Hose herunterzulassen und zu sagen: Wirhaben aus der Antes-Affäre, aus dieser Korruption, nichtsgelernt. Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung.
– Das Bild von der runtergelassenen Hose gefällt euch, ja?Ich möchte jetzt auf das Parteiengesetz und denUntersuchungsausschuss zurückkommen. Wir müssenendlich einmal klarstellen, wann Bargeld eine ordentlicheSpende und wann Bargeld eine Schmiergeldzahlung ist.Um diese Abgrenzung geht es doch. Solange uns HerrKohl und Herr Landowsky in dieser Sache nicht weiter-helfen und alles nur bestritten wird, bis die Wahrheit anden Tag kommt, haben wir ein echtes Problem und vor al-len Dingen kommen Sie an dieser Stelle nicht weiter.Ich meine, dass sich Kohl und Landowsky, die beideBargeld in Empfang genommen haben
und uns den Zweck dieser Bargeldzahlung nicht plausibelmachen können, nicht wundern müssen, wenn wir an die-ser Stelle Fragen stellen und uns um Aufklärungbemühen; denn solange diese Fragen nicht beantwortetsind, ist der Fall nicht geklärt. Fragen werden wir dochwohl noch stellen dürfen. Das ist mit der Unschuldsver-mutung noch vereinbar,
die Sie, Herr Kollege Schmidt, in wirklich dramatischerWeise verletzt haben.
Über Herrn Kohl, der für die Veruntreuung von 2 Mil-lionen DM ein lächerliches Bußgeld in Höhe von300 000DM zahlen muss, verlieren Sie kein Wort, aber je-manden, der vor 20 Jahren zu einer Strafe verurteilt wor-den ist, zerren Sie hier vors Podium. Das ist wirklich eineganz seltene Art von Rechtsstaatlichkeit und Gerechtig-keit.Vielen Dank.
Jetzt hat das Wort der
Kollege Detlef Dzembritzki.
Frau Präsidentin! Kolle-ginnen und Kollegen! Was mich am Anfang am meisten er-staunt hat, war die Überraschung bei allen, dass sich dasModell der Doppelkonstellation Fraktionsvorsitzender derCDU und Vorstandschef der Berlin Hyp, verkörpert durchHerrn Landowsky, so lange halten konnte. Die enge Ver-bindung von parlamentarischem Mandat und Bankjob be-gleitet die Karriere von Herrn Landowsky seit den späten70er-Jahren und ist zumindest den Kennern der BerlinerPolitszene als strukturelles Problem bekannt. Fraktions-vorsitzender und Bankenchef einer Quasi-Landesbank –bei dieser Konstruktion stellt sich folgende Frage vonselbst: Wer kontrolliert hier wen?Mich verwundert, dass ein Mann wie Landowsky esnicht als eine Zumutung erachtet hat, dass im Aufsichts-rat der Berlin Hyp auch der Finanzsenator saß, der in sei-ner politischen Funktion, wie wir alle wissen, doch vomFraktionsvorsitzenden abhängig ist. Wie kann der Finanz-senator also im Aufsichtsrat frei und objektiv seine Funk-tion ausüben, wenn der mächtige Fraktionsvorsitzende– das war Landowsky bislang ja – dort seinen eigenenFinanzsenator kontrolliert?
Eine solche Konstellation ist ausschließlich der Machtund nicht den politischen, den demokratischen Spielre-geln geschuldet.Es kommt noch besser: Es wurde sogar eine LexLandowsky geschaffen. Damit er sein Parlamentsmandatbehalten konnte, wurde die Konstruktion geschaffen, dassdas Land Berlin an der Berlin Hyp weniger als 50 Prozentbesaß, nämlich genau 49,9 Prozent. 0,1 Prozent mehr under hätte sein Mandat niederlegen müssen.
Eine solche Konstruktion entsteht aber nicht aus demNichts, Herr Kollege Scholz. Hier kommt die Rolle desRegierenden Bürgermeisters Diepgen ins Spiel. Er hatdiese Konstruktion nicht nur gewollt, sondern er hat sieabgesegnet. Seine momentan zur Schau gestellte Ah-nungslosigkeit nimmt ihm keiner ab.
Allerdings – das verwundert uns ja nicht mehr – scheintes bei der CDU ein beliebtes und wiederkehrendes Mus-ter zu sein, dass der CDU-Vorsitzende von den Machen-schaften unter ihm nichts mehr weiß.
Wie bei Kohl und Koch sind es immer ein paar böse Bu-ben, die ohne Wissen des allmächtigen Vorsitzenden ir-gendwelche Gelder annehmen und in irgendwelchendunklen Kanälen verschwinden lassen. Diese Ausflüchtesind nicht mehr lachhaft; sie sind nur noch bitter zurKenntnis zu nehmen. Die Art von politischer Verantwor-tung, die Vorsitzende aufgrund ihrer Funktion nun einmalzu übernehmen haben, scheint der CDU allerdings kom-plett abhanden gekommen zu sein.Wenn wir schon von der CDU reden: Mir drängt sichdie Ähnlichkeit der Mentalität von Herrn Landowsky undvon Helmut Kohl auf. Sie ist von einer mangelnden Sen-sibilität und einer fast majestätischen Selbstherrlichkeitgeprägt, die es scheinbar erlaubt, sich nach eigenem Gut-dünken über geltendes Recht hinwegzusetzen und Geldernach Gutsherrenart zu verteilen.Herr Kollege Schmidt, ich muss Sie hier mit einbezie-hen. Sie haben heute wieder ein Beispiel für die brutalst-mögliche Aufklärung geliefert, das geradezu faszinierend
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 2001
Dr. Peter Danckert14793
ist. Über Pfahls, der auf der Flucht ist, über Kohl, der300 000DM zahlt, um einer Verurteilung zu entgehen, fielnicht ein einziges Wort. Sie sprechen hier Probleme, dieintern von der SPD in Berlin geklärt worden sind, die auf-gearbeitet worden sind, die öffentlich sind, an und ver-gleichen sie mit diesen Machenschaften. Es ist schonskandalös, wie Sie in diese Diskussion einsteigen.
Es geht um die Art und Weise, die eigene politischeMacht mit allen Mitteln und vor allem mit Geld zu ver-teidigen. Das ist in diesem Fall auch in Berlin passiert. DieTransparenz, die in der Politik und – das will ich einmalhinzufügen – auch in öffentlichen Banken notwendig ist,wurde ad absurdum geführt.
Meine Damen und Herren, Herr Landowsky, HerrKohl und Herr Koch und alle anderen haben geglaubt,dass ihre Machenschaften nie herauskommen oder – wasmich noch mehr irritiert – dass das ja alles nicht soschlimm sei und dass man darum überhaupt kein Aufhe-bens machen solle.Lieber Kollege Danckert, ich habe nicht den Eindruck,dass Landowsky jetzt außerhalb des Ringes steht. Ich habevielmehr den Eindruck, dass er mitten im Ring steht unddass wir Fragen zu stellen haben: Was kommt noch im Zu-sammenhang mit der Vergabe des Kredites von 600 Milli-onen DM an die Aubis und mit Schwarzkonten heraus?Was ist noch alles im Hintergrund? Gab es wirklich nureine Spende? Gab es tatsächlich nur ein Schwarzkonto?Muss die Rolle des ehemaligen Kollegen Neuling in die-sem Zusammenhang neu bewertet werden? Wie alle altge-dienten Kollegen wissen, war er einmal Vorsitzender desUnterausschusses Treuhandanstalt. – All das sind Fragen,die hier diskutiert werden müssen. Aber die Wahrheit wirdbei der CDU nur scheibchenweise ans Licht kommen.Die Presse liest sich heute schon wie ein Nachruf aufHerrn Landowsky. Die Spender und KreditnehmerWienhold und Neuling distanzierten sich bereits amMontag von ihm, und die Jungen der Berliner CDU – dasist ja nicht verwunderlich – stehen schon in den Start-löchern. Für Herrn Landowsky wird es eng; aber auch derRegierende Bürgermeister steht immer mehr in Er-klärungsnot.Meine Damen und Herren, erneut wurde und wird diepolitische Kultur beschädigt, egal, ob im Bund, im Landoder in den Kommunen. Menschen wie Herr Landowsky,wie Kohl, Kiep, Koch und wie sie alle heißen, untergra-ben mit ihrer Vetternwirtschaft die Glaubwürdigkeit inunserem Gemeinwesen, –
Herr Kollege, denken
Sie bitte an die Redezeit.
– und das nur wegen ihres
eigenen Machtanspruchs. Dies verbittert mich, weil die-
ser Stil den Bürgerinnen und Bürgern das Vertrauen in De-
mokratie und Rechtsstaat nimmt.
Daher mein Appell an die CDU: Sorgen Sie nicht für
eine brutalstmögliche Aufklärung, – davon haben wir die
Nase voll –, sondern sorgen Sie für eine transparente Auf-
klärung! Machen Sie klar Schiff!
Damit ist uns allen geholfen. Damit können wir es mögli-
cherweise schaffen, Glaubwürdigkeit in der Politik
zurückzugewinnen.
Vielen Dank.
Ich erteile dem Kolle-
gen Eckart von Klaeden das Wort.
Frau Präsidentin!Meine Damen und Herren Kollegen! Ich glaube, trotz allder Aufregung gibt uns diese Aktuelle Stunde auch dieGelegenheit, eine Zwischenbilanz der Arbeit des Unter-suchungsausschusses zu ziehen.
Die bisherige Beweisaufnahme des Untersuchungs-ausschusses zu den CDU-Parteifinanzen hat bestätigt,dass die CDU alles in ihrer Macht Stehende unternommenhat, um Verstöße gegen das Parteiengesetz in den eigenenReihen aufzuklären.
Die CDU hat mithilfe von Wirtschaftsprüfern intensiv er-mittelt und die dabei gewonnenen Erkenntnisse sind demUntersuchungsausschuss und den ermittelnden Staatsan-waltschaften zur Verfügung gestellt worden.
Selbst der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses,Herr Neumann, hat mittlerweile festgestellt, dass in demeinzigen bisher vollständig behandelten Komplex, näm-lich der Panzerlieferung nach Saudi-Arabien, keinerleipolitische Käuflichkeit vorgelegen hat,
sondern allein außen- und sicherheitspolitische Gesichts-punkte eine Rolle gespielt haben. Der Arme ist jetzt aller-dings kaum noch mit einer heilen Anzughose ausgestattet,weil sich die Terrier aus den eigenen Reihen ständig in sei-nen Waden verbeißen.
Der Kollege Hofmann darf noch nicht einmal mehrhier im Parlament sprechen. Unser großzügiges Angebot,
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Detlef Dzembritzki14794
ihm interfraktionell Redezeit von uns zur Verfügung zustellen, wird von der SPD zurückgewiesen. Derweil er-mittelt die Staatsanwaltschaft wegen Geheimnisverrat inder SPD-Bundestagsfraktion.Und von dem Kollegen Ströbele werden uns hier vul-gär-marxistische Schauergeschichten
über den bösen Zusammenhang zwischen Wirtschaft, Po-litik und Kapital erzählt. Herr Ströbele, vielleicht habenwir Sie ja mit Ihrem zugegebenermaßen etwas verquerenWeltbild an unserer Seite, wenn es jetzt darum geht,tatsächlich Konsequenzen aus der Parteispendenaffäreder CDU, aber auch aus dem von der SPD betriebenenSystem der Vermögensverschleierung zu ziehen. Viel-leicht ist die Tatsache, dass sich dort mittlerweile eine Ar-beiterpartei ihr Kapital und sich das Kapital eine eigeneArbeiterpartei hält, etwas, was in Ihr vulgär-marxistischesWeltbild passt.
– Das war ein abgewandeltes Tucholsky-Zitat, Herr Kol-lege Stiegler, das Sie vielleicht kennen mögen.Lassen Sie uns einmal die Vorschläge, die wir als CDUvorgelegt haben und von denen wir hoffen, dass sie viel-leicht auch Ihre Unterstützung finden, gemeinsam durch-gehen. Da ist zunächst die Durchsetzung einer klaren undnachvollziehbaren Rechnungslegung, unter anderem dasVerbot der Quersaldierung, die unbestreitbar gegen dasTransparenzgebot des Grundgesetzes verstößt und nachnahezu einhelliger Auffassung schon heute nicht mit denRegeln des Parteiengesetzes vereinbar ist. Leisten Sie ei-nen Beitrag dazu, damit es dazu nicht mehr kommt, auchwenn Ihre Bundesgeschäftsstelle auf diese Weise finan-ziert worden ist! Sorgen Sie mit einer Änderung im Par-teiengesetz dafür, dass Vermögenswerte der Parteien nichtmit dem Buchwert, sondern mit dem Verkehrswert ange-geben werden müssen.
Dann ist eine wundersame Geldvermehrung wie die beider sozialdemokratischen Partei, wo sich in weniger alseinem Jahrzehnt das Vermögen um 50 Prozent, nämlichvon 500 Millionen auf über 750 Millionen DM erhöht ha-ben soll,
vielleicht auch in den Rechenschaftsberichten nachvoll-ziehbar dargelegt.Sorgen Sie dafür, dass im Parteiengesetz endlich dasVerbot des Besitzes, des Betreibens und der Beteiligung anerwerbswirtschaftlichen Tendenzbetrieben festgeschrie-ben wird! Denn das wirtschaftliche Engagement von Par-teien in Tendenzbetrieben, insbesondere in Medienunter-nehmen, eröffnet die Möglichkeit, indirekt und vomWähler und politischen Gegner unbemerkt auf die politi-sche Willensbildung und auch auf die Medienstruktur inunserem Land Einfluss zu nehmen. Sie haben doch inIhren Reihen einen ähnlichen Fall, nämlich den des NDR-Intendanten Plog, der über die Aufsichtsratstätigkeit in Ih-rer Beteiligungsgesellschaft seine privaten Konkurrenten,Medienunternehmen in Niedersachsen, kontrolliert.
Sorgen Sie mit uns für ein Verbot der Annahme von Di-rektspenden! Lassen Sie uns das Abgeordnetengesetz inentsprechender Weise ändern.
Sorgen Sie schließlich dafür, dass die Berichte, die demBundestagspräsidenten vorgelegt werden, von Wirt-schaftsprüfern verfasst werden, die tatsächlich unabhän-gig sind!
Wie wäre es denn, wenn die Partei, die von einem Wirt-schaftsprüfungsunternehmen kontrolliert wird, an diesemWirtschaftsprüfungsunternehmen nicht beteiligt sein darf?
Das alles sind Dinge, bei denen wir auf die Unterstüt-zung und Zusammenarbeit der Sozialdemokraten hoffen.Der Kollege Wend als ehemaliger Geschäftsführer einessozialdemokratischen Unternehmens wird dazu gleichvielleicht einige Vorschläge machen können.
Liebe Kolleginnenund Kollegen, ich möchte uns alle darauf aufmerksammachen, dass das Thema der Aktuellen Stunde lautet:„Bundespolitische Auswirkungen neu bekannt geworde-ner Verstöße gegen das Parteiengesetz“.
Ich sage das deswegen, weil ich als Präsidentin nach § 36der Geschäftsordnung den Redner, „der vom Verhand-lungsgegenstand abschweift“ – so heißt es dort –, „zur Sa-che verweisen“ kann. Das habe ich nicht getan. Aber ichmöchte allen sagen: In einer Aktuellen Stunde sollten wirbei dem Verhandlungsgegenstand bleiben.
Jetzt hat der Kollege Dr. Rainer Wend für die SPD-Fraktion das Wort.
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Eckart von Klaeden14795
Frau Präsidentin! Meinesehr geehrten Damen und Herren! Herr Schmidt, Sie ha-ben zunächst das Beteiligungsvermögen der SPD ange-sprochen und das mit der Parteispendenaffäre und denVorgängen bei der CDU verglichen.
Das Parteivermögen der SPD entstand durch die Arbeite-rinnen und Arbeiter, die sich seit über 100 Jahren für unseinsetzen. Dies ist eine Tradition, auf die wir Sozialde-mokraten stolz sind.
Wenn Sie die Geschichte des Vermögens der SPD damitvergleichen, dass Herr Kiep in der Schweiz von HerrnSchreiber 1 Million DM in bar auf dem Parkplatz einesEinkaufszentrums erhalten hat, dann ist das infam. Dasweisen wir an dieser Stelle mit Empörung zurück.
Herr von Klaeden, ich habe Sie verstanden. Sie habenein begehrliches Auge auf die Verlagsbeteiligungen derSozialdemokraten geworfen.
Ich sage Ihnen mit allem Ernst und Nachdruck: Das ersteMal waren es die Nazis, die uns enteignet haben.
Dann waren es die Kommunisten, die uns alles genom-men haben. Aber dieser Rechtsstaat wird dafür sorgen,dass die Verlagsbeteiligungen im Eigentum der sozialde-mokratischen Partei verbleiben. Auch Sie werden dasnicht ändern können!
Lassen Sie mich noch etwas zu einem Punkt sagen,Herr Schmidt, den Sie genannt haben.
Sie sprachen unseren Obmann Frank Hofmann an.Wahrheitswidrig haben Sie hier erklärt, seine Räumeseien durchsucht worden.
Sie gehen nach dem Motto vor: Ich stelle irgendeine Be-hauptung auf, irgendetwas wird schon hängen bleiben. –Wir stehen hinter unserem Obmann und sind stolz darauf,dass er unser Obmann ist. Er wird selbstverständlich indieser Funktion bleiben.
Sie haben heute angeboten, unserem Obmann fünf Mi-nuten von Ihrer Redezeit zu überlassen. Dazu will ich Ih-nen Folgendes sagen: Sie haben doch unter Ihren245 Bundestagsabgeordneten keinen vierten Redner ge-funden, der auf Ihrem Niveau hier am Rednerpult spre-chen will. Deswegen machen Sie uns dieses Angebot.
Ich will zu dem kommen, was in Berlin passiert ist. HerrProfessor Scholz meinte, in Berlin sei nur gegen innerpar-teiliche Richtlinien verstoßen worden. Was ist passiert?Ein Kredit von gut 600 Millionen DM wurde gewährt. Ineinem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang – vonKausalität kann ich nicht sprechen – ist an die Entschei-dungsperson Landowsky eine CDU-Spende über40 000 DM geflossen.
Fazit: In einem engen zeitlichen Zusammenhang hat der-jenige Geld gespendet, der durch eine politische Ent-scheidung begünstigt wurde.
Herr Schmidt, kommt uns beiden das nach den letzten ein-einviertel Jahren im Untersuchungsausschuss nicht ver-dammt bekannt vor?
Wie war es denn mit der Panzerlieferung nach Saudi-Ara-bien?
In direktem zeitlichen Zusammenhang mit der Entschei-dung über die Lieferung der Spürpanzer bekam nicht nurder CDU-Staatssekretär 3,8 Millionen DM, sondern ausden Schmiergeldern von Thyssen für diesen Deal ging aufdem eben von mir erwähnten Parkplatz des Einkaufszen-trums 1 Million DM in bar an die CDU.Oder wie war es bei der Privatisierung der Eisen-bahnerwohnungen? Es flossen 5,9 Millionen DM in un-mittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Ent-scheidung, dass die Spender die Eisenbahnerwohnungenbekommen sollten. – Deswegen ist Berlin typisch fürdas, was sich in den letzten eineinviertel Jahren offen-bart hat.
Ich komme zu Helmut Kohl: Ich verstehe jetzt auch,warum Helmut Kohl schweigt bzw. sich weigert, die Na-men der Spender zu nennen. Ich weiß genau, warum erdas tut. Wenn er nämlich die Geldgeber – wenn es sie denngibt –
nennen würde, wüsste die Öffentlichkeit, dass auch in die-sem Fall, ebenso wie in den anderen Fällen, ein unmittel-barer zeitlicher Zusammenhang zwischen Geldgaben undgroßzügigen politischen Entscheidungen zugunsten derGeldgeber vorhanden war. Diese Tatsache zu vertuschen
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 151. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 14. Februar 200114796
ist der wahre und bittere Grund, warum Helmut Kohlheute noch die Namen der Spender verschweigt.
Ich sage Ihnen eines zum Abschluss:
Solange Frau Merkel und Herr Merz nicht jede Chance– einschließlich der Inanspruchnahme von Gerichten –nutzen, von Kohl die Namen der Geldgeber zu erfahren,so lange wird der Geruch der politischen Korruption inden Kleidern der CDU hängen bleiben. Befreien Sie sichdavon!
Herr von Klaeden,
natürlich wiederhole ich an dieser Stelle meine Aus-
führungen bezüglich des Abschweifens vom Verhand-
lungsgegenstand, damit Sie nicht meinen, ich würde in
dieser Frage einseitig urteilen.
Die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf morgen, Donnerstag, den 15. Februar 2001,
9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.