Protokoll:
14142

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 142

  • date_rangeDatum: 17. Januar 2001

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 13:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 15:58 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Dritter Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland – Alter und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 13885 A Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13885 B Gerald Weiß (Groß-Gerau) CDU/CSU . . . . . 13886 C Erwin Anton Jordan, Staatssekretär BMG . . . 13886 C Gerald Weiß (Groß-Gerau) CDU/CSU . . . . . 13886 D Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13886 D Arne Fuhrmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13887 A Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13887 A Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 13887 C Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13887 D Kerstin Griese SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13888 D Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13889 A Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13889 B Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13889 C Andreas Storm CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 13889 D Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13889 D Christa Lörcher SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13890 A Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13890 B Klaus Haupt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13890 C Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13890 C Dirk Niebel F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13891 A Ulrike Mascher, Parl. Staatssekretärin BMA 13891 B Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksachen 14/5065, 14/5077) . . . . . . . 13891 D Eventuelle Begegnung des Außenministers Joseph Fischer mit dem Terroristen Carlos DringlAnfr 1 Eckart von Klaeden CDU/CSU Antw BMin Joseph Fischer AA . . . . . . . . . . . 13891 D ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . 13893 B Äußerungen von Außenminister Joseph Fischer zu Gewalttaten und Waffengebrauch DringlAnfr 2 Sylvia Bonitz CDU/CSU Antw BMin Joseph Fischer AA . . . . . . . . . . . 13894 B ZusFr Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . 13894 C ZusFr Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13895 C ZusFr Martin Hohmann CDU/CSU . . . . . . . . 13896 A ZusFr Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . . 13896 B ZusFr Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13897 C ZusFr Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . 13897 D Plenarprotokoll 14/142 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 142. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2001 I n h a l t : Beteiligung von Joseph Fischer an einer mili- tanten Demonstration mit Einsatz von Brandsät- zen am 10. Mai 1976 in Frankfurt/Main MdlAnfr 13, 14 Volker Kauder CDU/CSU Antw BMin Joseph Fischer AA . . . . . 13898 B,13902 A ZusFr Volker Kauder CDU/CSU . . . . . . . . . . 13898 B ZusFr Sylvia Bonitz CDU/CSU . . . . . . . . . . . 13899 B ZusFr Martin Hohmann CDU/CSU . . . . . . . . 13899 D ZusFr Hans-Otto Wilhelm (Mainz) CDU/CSU 13900 A ZusFr Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13900 D ZusFr Werner Siemann CDU/CSU . . . . . . . . 13901 A ZusFr Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13901 B ZusFr Vera Lengsfeld CDU/CSU . . . . . . . . . . 13902 B Aktuelle Stunde Wolfgang Bosbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 13902 D Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13904 A Dr. Wolfgang Gerhardt F.D.P. . . . . . . . . . . . . 13904 D Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13906 A Dr. Heidi Knake-Werner PDS . . . . . . . . . . . . 13906 D Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13908 A Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 13909 B Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 13910 C Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 13911 D Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13913 A Dr. Friedbert Pflüger CDU/CSU . . . . . . . . . . 13914 A Ludwig Stiegler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13915 B Dr. Hans-Peter Uhl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 13916 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13917 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 13919 A Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Eckhart Lewering (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion F.D.P. zu der zweiten Beratung des Entwurfs des Haushalts- gesetzes 2001 – Drucksache 14/4806 (Tages- ordnungspunkt III; Einzelplan 11 – Bundesmi- nisterium für Arbeit und Sozialordnung) . . . . 13919 C Anlage 3 Neuabdruck, aus technischen Gründen, der Er- klärung der Abgeordneten Konrad Gilges und Dr. Axel Berg (beide SPD) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Innenaus- schusses: Erkenntnisse der Verfassungsschutz- behörden von Bund und Ländern zur Verfas- sungswidrigkeit der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“. Hier: Entscheidung des Deutschen Bundestages über die Einleitung eines Verfahrens zur Feststel- lung der Verfassungswidrigkeit der „Nationalde- mokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) gemäß Art. 21 Abs. 2 Grundgesetz i. V. m. § 13 Nr. 2, §§ 43 ff. Bundesverfassungsgerichtsgesetz – Drucksache 14/4923 (141. Sitzung, Tagesord- nungspunkt 20 a am 8. Dezember 2000) . . . . . . 13919 D Anlage 4 Reform des „Meister-BAföG“ und des Auf- stiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFHG) MdlAnfr 1, 2 Werner Lensing CDU/CSU Antw PStSekr Siegmar Mosdorf BMWi . . . . 13920 A Anlage 5 Trassenvariationen der Elbquerung der A 20 westlich von Hamburg; Zeitpunkt der Fertig- stellung MdlAnfr 3 Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU Antw PStSekr Stephan Hilsberg BMVBW 13920 C Anlage 6 Schieneninfrastruktur und Schienenpersonen- fernverkehr nach Art. 87 e in Ostbayern; Planun- gen der Bundesregierung für die Fertigstellung der A 6 zwischen Amberg-Ost und Waidhaus MdlAnfr 4, 5 Georg Girisch CDU/CSU Antw PStSekr Stephan Hilsberg BMVBW 13920 D Anlage 7 Höhe der Aufwendungen der Bundesregierung für Anzeigenwerbung seit 1998, u. a. in Medien, an denen die SPD wirtschaftlich beteiligt ist MdlAnfr 7, 8 Klaus-PeterWillsch CDU/CSU Antw StSekr Uwe-Karsten Heye BPA . . . . . . 13921 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2001II Anlage 8 Ausführungen des Staatssekretärs Heye am 17. Mai 2000 über einen Zusammenhang zwi- schen dem Theaterstück „Glatzer oder der hek- tische Stillstand“ und der Versetzung des Ver- fassers; Nichtveröffentlichung einer Gegendar- stellung im „Stern“ MdlAnfr 9, 10 Uwe Hiksch PDS Antw StSekr Uwe-Karsten Heye BPA . . . . . . 13922 B Anlage 9 Kontakte des Bundeskanzlers zum Staatssi- cherheitsdienst der ehemaligen DDR in den 80er-Jahren MdlAnfr 11 Sylvia Bonitz CDU/CSU Antw StMin Hans Martin Bury BK . . . . . . . . 13922 C Anlage 10 Übergangsfristen für die Freizügigkeit von Arbeitnehmern bei der EU-Osterweiterung MdlAnfr 26, 27 Klaus Hofbauer CDU/CSU Antw BMin Joseph Fischer AA . . . . . . . . . . . 13922 D Anlage 11 Verlust von Akten über die militante Vergan- genheit von Außenminister Fischer MdlAnfr 28 Martin Hohmann CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 13923 A Anlage 12 Erkenntnisse der Bundesverfassungsschutz- behörden über Bundesminister Fischer und seine militante Vergangenheit MdlAnfr 29 Norbert Geis CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 13923 B Anlage 13 Erkenntnisse der Bundesregierung über eine linksextremistische oder militante Vergangen- heit von Ministerinnen/Ministern der derzeiti- gen Bundesregierung MdlAnfr 30, 31 Elke Wülfing CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 13923 B Anlage 14 Engagement zum Abbau von Fremdenfeind- lichkeit und Rassismus von exponierten Perso- nen der bundesunmittelbaren Verwaltungen in der Öffentlichkeit MdlAnfr 32 Dirk Niebel F.D.P. Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 13923 C Anlage 15 Baumaßnahmen am Fort- und Ausbildungszen- trum des Bundesgrenzschutzes in Eschwege vor dem Hintergrund der eventuellen Schließung des Standortes MdlAnfr 34, 35 Helmut Heiderich CDU/CSU Antw PStSekr Fritz Rudolf Körper BMI . . . . 13923 D Anlage 16 Reform des Urhebervertragsrechts MdlAnfr 38 Hans-Joachim Otto (Frankfurt) F.D.P. Antw PStSekr Dr. Eckhart Pick BMJ . . . . . . . 13924 A Anlage 17 Heizölkosten für Gartenbaubetriebe im Hin- blick auf die holländische Konkurrenz MdlAnfr 39 Ernst Hinsken CDU/CSU Antw PStSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . . 13924 B Anlage 18 Verlängerung der durchschnittlichen Nutzungs- dauer der Wirtschaftsgüter in den AfA-Tabel- len; Auswirkungen auf die Wirtschaft MdlAnfr 40, 41 Hans Michelbach CDU/CSU Antw PStSekr Karl Diller BMF . . . . . . . . . . . 13925 A Anlage 19 Wettbewerbsbenachteiligung des deutschen Un- terglasgartenbaus auf dem europäischen Bin- nenmarkt MdlAnfr 42 Gerald Weiß (Groß-Gerau) CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Gerald Thalheim BMVEL 13925 B Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2001 III Anlage 20 Definition eines industriell geführten landwirt- schaftlichen Betriebes sowie Anzahl dieser Be- triebe in Deutschland MdlAnfr 43, 44 Reinhard Freiherr von Schorlemer CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Gerald Thalheim BMVEL 13925 D Anlage 21 Verlängerung der Geltung der Zuckermarkt- ordnung um fünf Jahre MdlAnfr 45 Ernst Hinsken CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Gerald Thalheim BMVEL 13926 A Anlage 22 Kosten für die Sanierung der Stabsgebäude und für feste Unterkünfte für kranke Soldaten in Prizren MdlAnfr 46 Dirk Niebel F.D.P. Antw PStSekr Walter Kolbow BMVg . . . . . . 13926 A Anlage 23 Gesundheitsrisiken für Bundeswehrangehörige im Auslandseinsatz; Entscheidung über Bun- deswehrstandorte MdlAnfr 47, 48 Günther Friedrich Nolting F.D.P. Antw PStSekr Walter Kolbow BMVg . . . . . . 13926 B Anlage 24 Gefährdung der im Kosovo und in Bosnien ein- gesetzten Soldaten und zivilen Kräfte durch mit Uran abgereicherte Munition MdlAnfr 49 Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU Antw PStSekr Walter Kolbow BMVg . . . . . . 13926 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2001IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2001 Dr. Hans-Peter Uhl 13917 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2001 13919 (C) (D) (A) (B) Behrendt, Wolfgang SPD 17.01.01** Bindig, Rudolf SPD 17.01.01* Dr. Blank, CDU/CSU 17.01.01 Joseph-Theodor Friedrich (Altenburg), SPD 17.01.01 Peter Dr. Fuchs, Ruth PDS 17.01.01 Gehrcke, Wolfgang PDS 17.01.01 Dr. Geißler, Heiner CDU/CSU 17.01.01 Gradistanac, Renate SPD 17.01.01 Dr. Gysi, Gregor PDS 17.01.01 Hanewinckel, Christel SPD 17.01.01 Haschke (Großhenners- CDU/CSU 17.01.01 dorf), Gottfried Helias, Siegfried CDU/CSU 17.01.01 Dr. Hendricks, Barbara SPD 17.01.01 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 17.01.01 DIE GRÜNEN Irber, Brunhilde SPD 17.01.01 Klappert, Marianne SPD 17.01.01 Dr. Luft, Christa PDS 17.01.01 Nahles, Andrea SPD 17.01.01 Nickels, Christa BÜNDNIS 90/ 17.01.01 DIE GRÜNEN Opel, Manfred SPD 17.01.01 Ost, Friedhelm CDU/CSU 17.01.01 Dr. Pfaff, Martin SPD 17.01.01 Pflug, Johannes SPD 17.01.01 Rübenkönig, Gerhard SPD 17.01.01 Steiger, Wolfgang CDU/CSU 17.01.01 Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ 17.01.01 DIE GRÜNEN Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 17.01.01 Welt, Jochen SPD 17.01.01 Wohlleben, Verena SPD 17.01.01 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärung des Abgeordneten Eckhart Lewering (SPD) zur namentlichen Abstimmung über den Ände- rungsantrag der Fraktion F.D.P. zu der zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 2001 – Drucksache 14/4806 – (Tagesordnungs- punkt III; Einzelplan 11 – Bundesministerium fürArbeit und Sozialordnung) Mein Name ist in der Abstimmungsliste nicht aufge- führt. Ich erkläre, dass ich an der Abstimmung teilge- nommen habe. Mein Votum lautet „Nein“. Anlage 3 Neuabdruck, aus technischen Gründen, der Er- klärung der Abgeordneten Konrad Gilges und Dr. Axel Berg (beide SPD) zurAbstimmung über die Beschlussempfehlung des Innenausschusses: Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern zur Verfassungswidrig- keit der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“. Hier: Entscheidung des Deutschen Bundestages über die Einleitung eines Verfahrens zur Fest- stellung der Verfassungswidrigkeit der „Natio- naldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) gemäß Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz i.V.m. § 13 Nr. 2, §§ 43 ff Bundesverfassungsgerichtsge- setz – Drucksache 14/4923 (141. Sitzung, Tages- ordnungspunkt 20 a am 8. Dezember 2000) Wir stimmen – trotz erheblicher Bedenken – dem An- trag auf Verbot der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) zu. Unsere Bedenken beruhen auf unserem Verfassungs- verständnis, nach dem es kein Parteienverbot in einem demokratischen Rechtsstaat geben sollte. Entsprechend entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht sind wir grundsätzlich gegen das Verbot der NPD heute und gegen das Verbot anderer Parteien in der Vergangen- heit. Unserem Demokratieverständnis nach muss eine poli- tische Auseinandersetzung politisch geführt werden. Par- teienverbote sind ein Zeichen der Schwäche, besonders in der Demokratie. Dort, wo Politik in kriminelle Bereiche übergeht, ist das Strafrecht zuständig. Seine Möglichkei- ten müssen allerdings von den für die Strafverfolgung zu- ständigen Behörden ausgeschöpft werden. Würden wir jedoch mit Nein stimmen, führte dies zu Missverständnissen bei der extremen Rechten, besonders bei den Nationaldemokraten, der Deutschen Volksunion und den „Republikanern“. Demokratinnen und Demokra- ten dürfen der extremen Rechten keinen Anlass zu Miss- verständnissen geben. Wir möchten jedoch ausdrücklich betonen, dass es in der NPD Kräfte gibt, die kriminell im strafrechtlichen Sinne sind. Aufgabe der Bürgerinnen und Bürger unserer Republik ist es, eine politische Auseinandersetzung mit der extre- men Rechten auch mit dem Wahlzettel zu führen. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Siegmar Mosdorf auf die Fragen des Abgeordneten Werner Lensing (CDU/CSU) (Druck- sache 14/5065, Fragen 1 und 2): Ist die Trennung der Zuständigkeiten für die Aufstiegsfortbil- dungsförderung innerhalb der Bundesregierung der primäre Grund dafür, dass die notwendige und seit einem Jahr überfällige Reform des so genannten „Meister-BAföG“ ausbleibt? Stimmt es, dass die Bundesregierung beabsichtigt, eine Re- form des Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetzes (AFBG) erst im November 2001 in Kraft treten zu lassen (Handelsblatt vom 27. November 2000)? Zu Frage 1: Wie bereits in meiner Antwort am 6. Dezember 2000 auf eine ähnliche Frage von Ihnen dargelegt, setzt die Bundesregierung seit ihrem Amtsantritt verstärkt auf neue Existenzgründungen im Mittelstand, um zusätzliche Aus- bildungs- und Arbeitsplätze schaffen zu können. Deshalb plant sie als Konsequenz aus dem Erfahrungsbericht der Bundesregierung von 1999 mit dem Aufstiegsfortbil- dungsförderungsgesetz die dort genannten Defizite und handwerklichen Mängel des Gesetzes der alten Bundes- regierung mit einer Novelle zu beseitigen. Über die Eck- punkte der Novelle hat eine Abstimmung zwischen den beiden betroffenen Häusern, dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung am 6. Dezember 2000 stattge- funden. Zurzeit laufen noch Gespräche hinsichtlich der Finanzierung in den Folgejahren ab 2002. Die finanz- technische Bereinigung der Einzelpläne im Bundeshaus- halt 1999, die zu einer Zusammenlegung der bis dahin beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und beim Bundesministerium für Bildung und Forschung veranschlagten Haushaltsmittel im Einzelplan 09 geführt haben, ist für die Frage der Finanzierung unerheblich. Zu Frage 2: Das In-Kraft-Treten der Novelle ist vom Fortgang der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung und des sich anschließenden parlamentarischen Verfahrens abhängig. Insofern bitte ich um Verständnis, dass zum gegenwär- tigen Zeitpunkt dazu keine Aussagen gemacht werden können. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass die Re- form in 2001 in Kraft treten wird. Ich bitte dabei aber auch zu bedenken, dass dies ein zustimmungsbedürftiges Ge- setz ist, sodass die Beteiligung der Länder allein zeitlich noch einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen wird. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Stephan Hilsberg auf die Frage des Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) (Drucksache 14/5065, Frage 3): Mit welcher Zielsetzung untersucht die Bundesregierung der- zeit die drei Trassenvariationen einer gegenüber der Hansestadt Hamburg westlichen Elbquerung der A 20 und welchen Zeithori- zont für die Fertigstellung hat die Bundesregierung geplant? Im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen ist die Bun- desautobahn A 20, Nordwestumfahrung Hamburg, vor- dringlich eingestuft. Der Bundesverkehrswegeplan wird überarbeitet. Die Länder Niedersachsen und Schleswig- Holstein haben insgesamt fünf Varianten der Nordwest- umfahrung Hamburg zur Bewertung angemeldet. Die von dieser Bewertung ausgehende Entscheidung der Bundes- regierung für den neuen Bundesverkehrswegeplan sowie die Entscheidung des Deutschen Bundestages hinsichtlich der Dringlichkeit von Einzelprojekten in einem neuen Bedarfsplan im Rahmen der Novellierung des Fern- straßenausbaugesetzes bleiben abzuwarten, bevor eine Aussage über den Zeithorizont der Fertigstellung dieser Maßnahme möglich ist. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Stephan Hilsberg auf die Fragen des Abgeordneten Georg Girisch (CDU/CSU) (Drucksa- che 14/5065, Fragen 4 und 5): Wie beabsichtigt die Bundesregierung im Bereich Ostbayern ihren Verpflichtungen für die Schieneninfrastruktur und den Schienenpersonenfernverkehr nach Artikel 87 e Grundgesetz nach- zukommen, sodass eine Abkoppelung einer Region mit über 3 Millionen Bundesbürgern vom Schienenfernverkehr ausge- schlossen werden kann? Wie sehen die konkreten Planungen der Bundesregierung (nach Haushaltsjahren und Teilstücken aufgeschlüsselt) für die Fertigstellung der Bundesautobahn A6 zwischen Amberg/Ost und Waidhaus aus, damit die Finanzierung des von Bundeskanzler Gerhard Schröder am 18. Dezember 2000 in Weiden zugesagten Lückenschlusses bis zu den Jahren 2008/2009 gewährleistet wer- den kann? Zu Frage 4: Der Gewährleistungsauftrag des Bundes nach Arti- kel 87 e Absatz 4 GG erstreckt sich auf die Infrastruktur Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 200113920 (C) (D) (A) (B) und ein dem Wohl der Allgemeinheit dienendes Verkehrs- angebot (ausgenommen Schienenpersonennahverkehr) der Eisenbahnen des Bundes. Der Bund nimmt diese Ver- antwortung grundsätzlich für beide Bereiche wahr, indem er – entsprechend dem Verkehrsbedarf und im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel – Investitio- nen in die Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes finanziert. Im Jahr 2000 wurden hierfür zinslose Darlehen und Baukostenzuschüsse in Höhe von rund 6,8 Milliar- den DM bereitgestellt. In den kommenden Jahren wird der Bund sein finanzielles Engagement für den Erhalt und Ausbau des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes noch weiter verstärken (6 Milliarden DM zusätzlich im Rahmen des Zukunftsinvestitionsprogramms der Bundes- regierung). Es ist grundsätzlich sinnvoller, mittels Inves- titionen in die Infrastruktur zur Verkürzung der Fahrzei- ten den Eisenbahnverkehrsunternehmen die Möglichkeit zur Aktivierung von Nachfragepotenzialen zu bieten, als auf dem Verkehrsmarkt nicht konkurrenzfähige Angebote zu subventionieren. Ob das Fernverkehrsangebot dem Wohl der Allge- meinheit – insbesondere den Verkehrsbedürfnissen – ent- spricht oder nicht, kann nur im konkreten Einzelfall nach gründlicher Analyse und Prüfung bewertet werden. Dabei kommt es nicht darauf an, möglichst viele Zugkilometer zu fahren, sondern möglichst viele Fahrgäste dann zu be- fördern, wenn diese das Angebot nachfragen. Dies bedeu- tet für das Angebot im Schienenpersonennahverkehr, dass das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die Verkehrs- bedürfnisse nicht tangiert werden, wenn die Nachfrage nach dem Verkehrsmittel Schiene so gering ist, dass das Verkehrsbedürfnis vertretbar und besser anderweitig be- friedigt werden kann. In die Beurteilung der Vertretbar- keit ist auch der Umfang der zur Verfügung stehenden Steuermittel und das Ziel, mit diesen Mitteln wirtschaft- lich umzugehen, einzubeziehen. Zu Frage 5: Die rund 55 km lange, ab 2001 noch mit rund 640 Mil- lionen DM zu finanzierende Gesamtstrecke der A 6 Amberg/Ost–Waidhaus gliedert sich in die Teilstrecken „West“ Amberg/Ost–Pfreimd (A 93) mit einer Länge von rund 20 km und mit Kosten von rund 300 Millionen DM und „Ost“ Pfreimd (A93) – Waidhaus mit einer Länge von rund 35 km und mit Kosten von 340 Millionen DM. Auf- grund der Zusagen, die tschechische, von Prag kommende Autobahn D 8 baldmöglichst mit dem deutschen Auto- bahnnetz zu verknüpfen, hat die aus vier Abschnitten be- stehende Teilstrecke „Ost“ Priorität. Hierfür gilt folgende Disposition: Der westliche Ab- schnitt „Pfreimd–Woppenhof“ ist in Bau und soll bis 2004 fertig gestellt werden, der östliche Abschnitt „Lohma–Waidhaus“ ist bereits seit 1992 in Verkehr. Die beiden Zwischenabschnitte „Kaltenbaum–Lohma“ und „Woppenhof–Kaltenbaum“ sollen – der Baureife entspre- chend – in diesem und im kommenden Jahr in Bau gehen. Die Teilstrecke Ost soll 2005 durchgängig fertig gestellt sein. Möglichst noch 2005 soll mit dem Bau der derzeit noch beklagten Teilstrecke „West“, das heißt mit dem Lückenschluss Amberg/Ost–Pfreimd begonnen werden und die A 6 dann 2008, spätestens 2009 durchgängig fer- tig gestellt sein. Dieses Ziel hat Bundeskanzler Schröder bei seinem Besuch am 18. Dezember 2000 in Weiden ge- nannt. Dies wird bei der Fortschreibung aller Baupro- gramme berücksichtigt. Anlage 7 Antwort des Staatssekretärs Uwe-Karsten Heye auf die Fragen des Abgeordneten Klaus-Peter Willisch (CDU/CSU) (Druck- sache 14/5065, Fragen 7 und 8) Welche Beträge hat die Bundesregierung seit Amtsantritt im Oktober 1998 für Anzeigenwerbung in Zeitungen und Zeitschrif- ten, aufgeschlüsselt nach Ressorts, aufgewendet? Wie hoch war dabei der Anteil der Aufwendungen, der für An- zeigen in Medien, an denen die Deutsche Druck- und Verlagsge- sellschaft mbH (DDVG) mindestens 10¼ % Eigentumsanteil hält oder eine sonstige wirtschaftliche Beteiligung der SPD mittelbar oder unmittelbar besteht? Zu Frage 7: Von Oktober 1998 bis zum Jahresende 2000 hat die Bun- desregierung für Anzeigenwerbung im Rahmen der Öffent- lichkeitsarbeit, für Fachinformationen und für Nachwuchs- werbung der Bundeswehr folgende Beträge, aufgeschlüsselt nach Ressorts, aufgewendet: Ressort Summe (DM) Auswärtiges Amt – BM des Innern 2 693 846,20 BM der Justiz 30 217,00 BM der Finanzen 11 519 910,69 BM für Wirtschaft und Technologie 3 418 308,40 BM für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 360 000,00 BM für Arbeit und Sozialordnung 22 664 500,28 BM für Verteidigung – Anzeigen für Nachwuchswerbung – 3 363 599,38 BM für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2 666 915,40 BM für Gesundheit 293 200,00 BM für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen 324 000,00 BM für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 2 087 564,49 BM für Bildung und Forschung 243 537,10 BM für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – Bundeskanzleramt – Beauftragte der BR für Angelegenheiten der Kultur und der Medien – BPA (siehe gesonderte Anlage) 35 008 213,00 Summe 84 673 811,94 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2001 13921 (C) (D) (A) (B) Zu Frage 8: Die Bundesregierung setzt das Kommunikationsin- strument der Anzeige zielgruppenspezifisch ein. Folglich orientieren sich Mediapläne, also die Streupläne für An- zeigen, streng daran, mit welchen Printmedien aufgrund des zur Verfügung stehenden Budgets ein höchstmögli- cher Abdeckungsgrad der Zielgruppe(n) am wirkungs- vollsten und wirtschaftlichsten erreichbar ist. Mediapläne werden von den mit der Anzeigenschaltung und -gestal- tung beauftragten fachkompetenten Agenturen erarbeitet. Diese buchen dann ihrerseits die Anzeigenplätze bei den Zeitungen und Zeitschriften. Maßgeblich für die Zusam- menstellung des Medienmixes ist allein sein Wirkungs- grad. Andere Kriterien, wie z. B. Verlage und deren Ei- gentumsverhältnisse, spielen keine Rolle. Insofern knüpft die Bundesregierung an die Maßstäbe der Vorgängerre- gierung an. Lassen sie mich dies am Beispiel der laufenden IT-Kampagne des BPA zur Stützung des IT-Aktionspro- gramms der Bundesregierung verdeutlichen: Die Ziel- gruppe Meinungsbildner, junge Menschen, Frauen, Semi- User und User wird mit einem Budget von rund 2,8 Millionen Mark (im Jahr 2000) am wirkungsvollsten durch Anzeigenschaltung in Focus, Spiegel, Stern, Super- illu, TV-Movie, TV-Spielfilm, Hörzu und Brigitte er- reicht. Anlage 8 Antwort des Staatssekretärs Uwe-Karsten Heye auf die Fragen des Abgeordneten Uwe Hiksch (PDS) (Drucksache 14/5065, Fragen 9 und 10): Wie erklärt sich die Bundesregierung die Tatsache, dass der Leiter ihres Presse- und Informationsamtes, Staatssekretär Uwe- Karsten Heye, in der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 17. Mai 2000, Plenarprotokoll 14/104, Seite 9743 D, auf meine Nachfrage, ob zwischen dem Theaterstück „Glatzer oder der hek- tische Stillstand“ bzw. den damit verbundenen Veröffentlichungen und der Versetzung des Verfassers, sowie ehemaligen Mitarbeiters und früheren Abgeordneten ein Zusammenhang bestehe, Folgen- des ausführte: „Das kann ich mitnichten bestätigen, weil hier kein innerer und sachlicher Zusammenhang besteht.“, obwohl die An- wälte des Presse- und Informationsamtes vor dem Verwaltungs- gericht keine anderen Argumente vorgetragen haben? Mit welcher Begründung hat die Chefredaktion des „Stern“ sich geweigert, den Leserbrief von Staatssekretär Uwe-Karsten Heye abzudrucken, der sich auf den Artikel vom 25. Mai 2000 (Überschrift „Schwindelanfall“) bezog, in dem der „Stern“ be- hauptete, dass der Staatssekretär zum Fall des Theaterstückes „Glatzer oder der hektische Stillstand“ vor dem Parlament auf meine Fragen „forsch gelogen“ hätte? Zu Frage 9: Ihre Frage suggeriert, es bestünde ein Widerspruch zwischen meiner Beantwortung Ihrer Frage am 17. Mai 2000 und dem Vortrag meines Amtes in dem Verwal- tungsprozess. Allerdings lässt Ihre Frage nicht erkennen, worin dieser Widerspruch bestehen sollte – und in der Tat gibt es einen solchen Widerspruch auch nicht. Die Bun- desregierung kann hierzu folglich auch nichts erklären. Zu Frage 10: Der „stern“ hat mir auf mein Schreiben vom 24. Mai 2000 durch Telefax vom 26. Mai 2000 geantwortet. Dabei ging es nicht um die Frage des Abdrucks meines Briefes, sodass ich auch eine entsprechende Weigerung des „stern“ nicht bestätigen kann. Schließlich habe ich selbst keine Veröffentlichung erbeten. Anlage 9 Antwort des Staatsministers Hans Martin Bury auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Bonitz (CDU/CSU) (Drucksache 14/5065, Frage 11): Ist es zutreffend, dass sich der heutige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), wie der „Focus“ in seiner Ausgabe Nr. 50/2000 vom 11. Dezember 2000 berichtet, in den 80er-Jahren mit dem Führungsoffizier des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR F. K. getroffen haben soll, und falls ja, welcher Art waren diese Kontakte? Der Bundeskanzler hat keine Erinnerung an ein von Ih- nen beschriebenes Gespräch. Im Übrigen gab es seit der Normalisierung der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten in den 70er-Jahren Kontakte von Ab- geordneten aller Parteien zu Mitarbeitern der Ständigen Vertretung der DDR in Bonn. Daraus für einen Politiker die Schlussfolgerung zu ziehen, er habe Stasi-Kontakte unterhalten, ist schlichtweg unverantwortlich. Anlage 10 Antwort des Bundesministers Joseph Fischer auf die Fragen des Abgeordneten Klaus Hofbauer (CDU/CSU) (Druck- sache 14/5065, Fragen 26 und 27): Für welche europäische Regelung der Übergangsfristen wird sich die Bundesregierung im Rahmen der EU-Osterweiterung ein- setzen, um einerseits das Wohlstandsgefälle zwischen den EU-Län- dern und den Beitrittsländern (Polen, Tschechien) für die Arbeit- nehmer, das Handwerk, kleine Service-Betriebe, die Landwirtschaft sowie für mittelständische Baubetriebe abzufedern und andererseits dem Konkurrenzdruck aus den benachbarten Billiglohnländern standhalten zu können? Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, bereits vor der Osterweiterung regional unterschiedliche Kontingente von Ar- beitnehmern zuzulassen, die in Abstimmung zwischen Arbeits- verwaltung und den Kammern festgelegt werden? Zu Frage 26: Der Bundeskanzler hat in seiner Rede in Weiden am 18. Dezember letzten Jahres die Grundzüge der von uns angestrebten Regelung vorgestellt. Danach streben wir an: eine angemessene Übergansfrist mit einer Beschrän- kung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für sieben Jahre. Ein flexibles Modell, das die Verkürzung der Übergangsfrist für einzelne Beitrittsländer zulässt. Hierzu sind Pflicht- überprüfungen nach fünf Jahren erforderlich. Auf Antrag könnte bei geeigneten Kandidaten, wenn die Vorausset- zungen vorliegen, bereits vorher eine Aufhebung der Be- schränkungen erfolgen. Bei allgemeinem und fachlichem Arbeitskräftemangel in den alten Mitgliedstaaten können Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 200113922 (C) (D) (A) (B) diese gemäß nationalem Recht bereits während der Über- gangszeit kontrollierte Zugangsmöglichkeiten schaffen. Parallel brauchen wir schließlich für die Dauer der Über- gangsfrist in Teilbereichen eine Einschränkung der Dienst- leistungsfreiheit, insbesondere in der Bauwirtschaft und im Handwerk. Dies ist sinnvoll, um zu verhindern, dass oben genannte Übergansregelungen bei der Arbeitnehmer- freizügigkeit umgangen werden. Zu Frage 27: Ein gewisser Zugang zum Arbeitsmarkt besteht schon heute durch Werkvertragsarbeitnehmer und Saisonarbei- ter. Die neue Regelung für IT-Kräfte kommt auch Arbeit- nehmern aus MOE zugute. Darüber hinaus ist derzeit keine Regelung vorgesehen. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Frage des Abgeordneten Martin Hohmann (CDU/CSU) (Druck- sache 14/5065, Frage 28): Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Frankfurter Staats- schutzabteilung heute Unterlagen, Akten über die militante Ver- gangenheit des Bundesministers des Auswärtigen, Joseph Fischer, vermisst, die 1985 von der damaligen rot-grünen hessischen Lan- desregierung angefordert und der Staatskanzlei ausgehändigt wur- den und seitdem verschollen sind (vgl. „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 9. Januar 2001)? Fragen, die den Zuständigkeitsbereich des Landes Hes- sen betreffen, kann Ihnen die Bundesregierung nicht be- antworten. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Frage des Abgeordneten Norbert Geis (CDU/CSU) (Drucksa- che 14/5065, Frage 29): Liegen Bundesverfassungsschutzbehörden Erkenntnisse über den Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, und seine militante Vergangenheit vor, und wenn ja, welche? Die Übermittlungsvorschriften nach dem Bundesver- fassungsschutzgesetz (BVerfSchG) stehen einer Beant- wortung ihrer Frage entgegen. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Fra- gen der Abgeordneten Elke Wülfing (CDU/CSU) (Druck- sache 14/5065, Fragen 30 und 31): Welche konkreten Erkenntnisse hat die Bundesregierung, dass (frühere) Minister/Ministerinnen der von Bundeskanzler Gerhard Schröder geführten Bundesregierung eine linksextremistische oder militante Vergangenheit haben, und um welche Mitglieder handelt es sich? Seit wann hat die Bundesregierung diese Erkenntnisse, und was hat sie jeweils veranlasst? Zu Frage 30: Über personenbezogene Erkenntnisse, die das Bundes- amt für Verfassungsschutz gewonnen hat, darf Ihnen die Bundesregierung keine Auskünfte geben, da die Über- mittlungsvorschriften des Bundesverfassungsschutzge- setzes dies nicht zulassen. Zu Frage 31: Auf die Antwort zu Frage 30 wird verwiesen. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Frage des Abgeordneten Dirk Niebel (F.D.P.) (Drucksache 14/5065, Frage 32): Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass ihr Engagement zum Abbau von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus auch von expo- nierten Personen der bundesunmittelbaren Verwaltungen öffent- lich deutlich gemacht werden sollte? Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass zum Abbau von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus die ge- samte Gesellschaft beitragen muss. Dies schließt auch ein entsprechendes Engagement exponierter Personen der Bundesveraltung ein. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Fritz Rudolf Körper auf die Fra- gen des Abgeordneten Helmut Heiderich (CDU/CSU) (Drucksache 14/5065, Fragen 34 und 35): Welche Um- und Ausbaumaßnahmen wird die Bundesregie- rung am Fort- und Ausbildungszentrum des Bundesgrenzschutzes in Eschwege im Haushaltsjahr 2001 und in den Folgejahren der Finanzplanung in quantitativer und qualitativer Sicht vornehmen? Welche Absicht verfolgt die Bundesregierung mit ihrer Er- klärung, am Standort Eschwege „nur begonnene Baumaßnahmen abzuschließen oder zwingend notwendige Baumaßnahmen durch- zuführen“ vor dem Hintergrund der Forderung des Bundesrech- nungshofs, den Standort Eschwege aufzugeben, und folgt die Bundesregierung damit dessen Aufforderung, am Standort Esch- wege vorläufig keine weiteren Baumaßnahmen durchzuführen? Zu Frage 34: In der Liegenschaft war bis zum Eintritt der Neuorgani- sation des Bundesgrenzschutzes am 1. Januar 1998 eine Einsatzabteilung untergebracht. Die Nutzung als Aus- und Fortbildungszentrum (AFZ) erfordert schwerpunktmäßig den Rückbau der übergroßen Mehrbettzimmer in Ein- und Zweibettzimmer mit einer Nasszelle nach neuem BGS- Standard für 371 Unterzubringende, die Herrichtung des Lehrsaalbereiches und der Dienstzimmer für die Fach- lehrer sowie die Anpassung der vorhandenen Raum- schießanlage an die aktuellen Bedürfnisse des BGS. Bei Bestätigung des Standortes durch den Rechnungsprü- fungsausschuss des Deutschen Bundestages, die ab- schließende Erörterung soll am 26. Januar 2001 stattfinden, kann noch im Haushaltsjahr 2001 mit der Herrichtung des Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2001 13923 (C) (D) (A) (B) Unterkunftswohngebäudes Nr. 7, für das eine baufachlich genehmigte und haushaltsmäßig anerkannte Haushaltsun- terlage-Bau vorliegt (Baukosten rund 5,5 Millionen DM), begonnen werden. Zu Frage 35: Der mehrfach erhobenen Forderung des Bundesrech- nungshofes, das AFZ Eschwege aufzulösen, hat das Bun- desministerium des Innern in verschiedenen Stellungnah- men widersprochen. Um gleichwohl kein Präjudiz zu schaffen und Fehlplanungen zu vermeiden, wurden alle Baumaßnahmen, mit Ausnahme der für den Erhalt der Liegenschaft erforderlichen substanzerhaltenden Maßnah- men, zurückgestellt, zumal auch der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages in den Beratungen zum Haus- halt 2000 gebeten hatte, Baumaßnahmen in der Liegen- schaft erst nach seiner ausdrücklichen Zustimmung vor- zunehmen. Vor weiteren Investitionen muss daher das Ergebnis der Beratung zu der hierzu einschlägigen Prüf- bemerkung des Bundesrechnungshofs im Rechnungsprü- fungsausschuss am 26. Januar diesen Jahres abgewartet werden. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Eckhart Pick auf die Frage des Abgeordneten Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (F.D.P.) (Drucksache 14/5065, Frage 38): Welcher Zeitplan besteht hinsichtlich des weiteren Gesetzge- bungsverfahrens in Bezug auf die Reform des Urheberver- tragsrechts, also wann ist mit ihrer ersten parlamentarischen Be- ratung zu rechnen? Nach der Vorstellung des so genannten „Professoren- Entwurfs“ vom Frühjahr 2000 haben die Bundesministe- rin der Justiz Prof. Dr. Däubler-Gmelin und ihre Mitarbei- ter zahlreiche Gespräche mit den beteiligten Kreisen über die Inhalte einer Novellierung des Urhebervertragsrechts geführt. Diese Gespräche mit Vertretern der Verwerter werden voraussichtlich noch eine Weile andauern. Ihre Er- gebnisse werden alsdann in die Fassung des Referenten- entwurfs einfließen, den das Bundesministerium der Justiz nach Abschluss der Gespräche vorlegen wird. Eine Festle- gung hinsichtlich des Zeitpunkts der ersten parlamentari- schen Beratung ist daher derzeit noch nicht möglich. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Frage des Ab- geordneten Ernst Hinsken (CDU/CSU) (Drucksache 14/5065, Frage 39): Was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu unternehmen, dass die heimische Gartenbaubranche durch die immens gestiegenen Heizölpreise – unter anderem infolge der Ökosteuer – derart in Be- drängnis gerät, dass sie gegen die staatlich subventionierte holländi- sche Konkurrenz, die etwa nur ein Drittel der deutschen Heizölpreise zahlen muss, auf Dauer nicht bestehen kann und deshalb schon jetzt viele mittelständische Gartenbaubetriebe ihr Sortiment verkleinern und mittelfristig womöglich ihren Betrieb sogar ganz einstellen müs- sen? Der Anstieg des Heizölpreises Ende letzten Jahres war nicht auf die Ökosteuer zurückzuführen, sondern wurde ausschließlich von der Entwicklung auf den internationa- len Rohölmärkten und dem Dollarkurs bestimmt. Die Bundesregierung hat die Mineralölsteuer für Heizöl bis- her lediglich einmal – nämlich zum 1. April 1999 – mit dem „Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerre- form“ maßvoll um 4 Pfennig je Liter angehoben. Das Auf- kommen aus dieser und den nachfolgenden Stufen der Ökosteuer wird in vollem Umfang für die Senkung der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung verwendet. Inzwischen ist der Rohöl-Weltmarktpreis von seinem Höchststand von 35 Dollar/barrel (Preismittel North sea brent/Arabian light) im September 2000 auf das Niveau gesunken, das er zu Beginn des Jahres 2000 hatte und liegt gegenwärtig bei etwa 25 Dollar/barrel. Noch stärker ist der Preis für Heizöl zurückgegangen: von über 90 Pfennig/Liter – ohne Mehrwertsteuer – im September 2000 auf nunmehr 65 Pfennig/Liter. Diese Angaben stam- men übrigens aus einer gewerblichen Website im Internet und beruhen auf den aktuellen Rohölpreisen auf dem Rot- terdamer Markt sowie aktuellen Lieferpreisen von ver- schiedenen Brennstoffhändlern in ganz Deutschland. Es ist auch nicht richtig, dass niederländische Gartenbauun- ternehmen für Heizöl nur ein Drittel des deutschen Heiz- ölpreises zahlen. Niederländische Gartenbauunterneh- men profitieren jedoch von einem stark ermäßigten Gasbezugspreis, der auf eine Vereinbarung zwischen dem niederländischen Gartenbauverband und dem niederlän- dischen Gaslieferanten GASUNI zurückgeht. Die Bundesregierung hat bereits verschiedene Maß- nahmen eingeleitet, um die bestehenden Belastungen für den Unterglasanbau abzufedern. Dies reicht von der Öff- nung des Sonderkreditprogramms der Landwirtschaftli- chen Rentenbank hin zur Innovationsförderung aus dem Zweckvermögen des Bundes bei der Landwirtschaftli- chen Rentenbank. Ferner werden in den Jahren 2001 und 2002 die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ um jeweils 15 Millionen DM aufgestockt und im Rahmen der Agrar- investitionsförderung gezielt dazu verwendet, energiespa- rende Investitionen der Landwirtschaft – insbesondere im Unterglasanbau – zu fördern. Für ein Programm zur Si- cherung der Liquidität werden im Bundeshaushalt für die Jahre 2001 und 2002 jeweils 10 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Das Programm soll von den Ländern durchgeführt werden und hälftig von Bund und Ländern finanziert werden. Entsprechend der problematischen Liquiditätslage der Unternehmen setzt die angebotene Hilfe bei der Beschaffung von Betriebsmittelkrediten an. Der Zinssatz für diese Kredite wird um 5 Prozentpunkte verbilligt. Mit beiden Maßnahmen – die allerdings noch der Genehmigung durch die Europäische Kommission bedürfen – stehen dem Gartenbau in diesem und dem kommenden Jahr insgesamt 50 Millionen DM an Bundes- mitteln zur Verfügung. Schließlich hat die Bundesregierung die Unterschiede der Energiepreise für Landwirtschaft und Gartenbau beim Agrarrat am 23. Oktober 2000 angesprochen und an die EU-Kommission appelliert, sich auch im Hinblick auf die EU-Osterweiterung für gleiche Wettbewerbsbedingungen einzusetzen. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 200113924 (C) (D) (A) (B) Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen des Abgeordneten Hans Michelbach (CDU/CSU) (Druck- sache 14/5065, Fragen 40 und 41) Warum wurde in den amtlichen AfA-Tabellen (AfA: Abset- zung für Abnutzung) die durchschnittliche Nutzungsdauer der Wirtschaftsgüter nicht um 10 von Hundert, sondern um circa 28 von Hundert erhöht? Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die prognos- tizierten rund 3,5 Milliarden DM Mehrbelastung für die Wirtschaft auch bei einer Erhöhung der Nutzungsdauern in den amtlichen AfA-Tabellen um 28 von Hundert nicht überschritten wird? Zu Frage 40: Zurzeit gibt es 101 Abschreibungstabellen. Davon wurde zum 1. Januar 2001 eine, nämlich die für die allge- mein verwendbaren Anlagegüter, in Kraft gesetzt und ver- öffentlicht. Bei dieser Tabelle verlängern sich die Nut- zungsdauern um durchschnittlich 20 von Hundert. Dieses Ergebnis beruht darauf, dass sich die Neugestaltung an festgestellten tatsächlichen Nutzungsdauern orientiert. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich jetzt bei der Überar- beitung der Branchentabellen die gleiche Verlängerungs- relation ergibt. Zu Frage 41: Die Bundesregierung beabsichtigt, das Steuermehrauf- kommen durch die Anpassung aller Abschreibungstabel- len auf eine Größenordnung von 3,5 Milliarden DM im Entstehungsjahr zu begrenzen. Diese Mehreinnahmen sind als Teil der Finanzierung der im Steuersenkungsge- setz beschlossenen Reform der Unternehmensbesteuerung unverzichtbar. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerald Thalheim auf die Frage des Abgeordneten Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/ CSU) (Drucksache 14/5065, Frage 42): Was hat die Bundesregierung unternommen, um die existenz- gefährdende Wettbewerbsbenachteiligung des deutschen Unter- glasgartenbaus auf dem europäischen Binnenmarkt – aufgrund der Preisverzerrungen zahlen deutsche Gartenbaubetriebe das Dreifache für die gleiche Energiemenge – zu beseitigen? Der Unterglasgartenbau befindet sich aufgrund des er- heblichen Energiepreisanstiegs in einer wirtschaftlich sehr schwierigen Situation. Die Preisverzerrungen beste- hen aber bereits seit längerer Zeit. Die Wettbewerbssitua- tion zu den wesentlichen europäischen Konkurrenten lässt es nicht zu, die gestiegenen Kosten auf die Produkt- preise zu überwälzen. Die Hauptmitbewerber in den Nie- derlanden zahlen für Energie aufgrund einer besonderen privatrechtlichen langfristigen Vereinbarung mit einem niederländischen Gasversorger derzeit nur die Hälfte des Preises, die der deutsche Gartenbau zahlen muss. Gärtner in den anderen Nachbarländern stehen vor einer ähnlichen Situation. Die Bundesregierung hat verschiedene Maß- nahmen eingeleitet, um die hervorgerufenen Belastungen abzufedern. Dies reicht von der Öffnung des Sonderkre- ditprogramms der Landwirtschaftlichen Rentenbank bis hin zur Innovationsförderung aus dem Zweckvermögen des Bundes bei der Landwirtschaftlichen Rentenbank. Ferner werden in den Jahren 2001 und 2002 die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) um jeweils 15 Millionen DM aufgestockt. Diese Mittel werden im Rahmen des Agrarinvestitionsförderungsprogramms gezielt dazu ver- wendet, energiesparende Investitionen in der Landwirt- schaft, insbesondere im Unterglasgartenbau, zu fördern. Damit kann die Abhängigkeit von hohen Energiepreisen mittelfristig verringert werden. Für ein Programm zur Sicherung der Liquidität wurden im Bundeshaushalt jeweils 10 Millionen DM für die Jahre 2001 und 2002 zur Verfügung gestellt. Das Programm soll von den Ländern durchgeführt und hälftig von Bund und Ländern finanziert werden. Entsprechend der problemati- schen Liquiditätslage der Unternehmen setzt die angebo- tene Hilfe bei der Beschaffung von Betriebsmittelkrediten an. Der Zinssatz für diese Kredite wird um 5 Prozent ver- billigt. Sowohl die Investitionsförderung als auch das Li- quiditätssicherungsprogramm bedürfen noch der Geneh- migung durch die Dienststellen der Europäischen Kommission. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerald Thalheim auf die Fragen des Abgeordneten Reinhard Freiherr von Schorlemer (CDU/CSU) (Drucksache 14/5065, Fragen 43 und 44): Wie definiert die Bundesregierung einen landwirtschaftlichen Betrieb in Deutschland, der industriell geführt wird? Wie viele dieser Betriebe gibt es davon, nach Bundesländern aufgeteilt, in Deutschland? Zu Frage 43: In der durch die BSE-Fälle ausgelösten Diskussion über eine Neuausrichtung der Landwirtschaftspolitik sind auch Begriffe wie industriell geführte Landwirtschaft, Agrarfabriken oder Massentierhaltung verwendet worden. Die Bundesregierung hält es nicht für erforderlich, diese Begriffe offiziell zu definieren. Auch der bäuerliche Fa- milienbetrieb hat nie eine offizielle Definition erfahren, obwohl er immer wieder als Zielgröße der Politik verwen- det worden ist. Die Bundesregierung wird im Zuge der an- gekündigten Neuausrichtung der Agrar- und Verbraucher- politik in Kürze ihre Vorstellungen konkretisieren. Zu Frage 44: Die Beantwortung dieser Frage erübrigt sich. Da eine Definition industriell geführter, landwirtschaftlicher Be- triebe nicht existiert, können hierzu auch keine Daten er- hoben werden. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2001 13925 (C) (D) (A) (B) Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerald Thalheim auf die Frage des Abgeordneten Ernst Hinsken (CDU/ CSU) (Drucksache 14/5065, Frage 45) Ist der Bundeskanzler Gerhard Schröder bereit, sich persön- lich für die Verlängerung der Zuckermarktordnung auf fünf Jahre im Sinne unserer betroffenen Landwirte einzusetzen, nachdem laut Presse-Berichten (vgl. „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom 30. Dezember 2000) bekannt ist, dass der Bundesminister der Fi- nanzen sowie auch der Bundesminister für Wirtschaft und Tech- nologie nur für eine zweijährige Verlängerung eintreten wollen? Die Frage zur Zuckermarktordnung wurde Ihnen bereits mit meiner Antwort auf Ihre schriftlichen Fragen 1/7 und 1/8 für den Monat Januar beantwortet. Ich hatte Ihnen darin mitgeteilt, dass innerhalb der Bundesregierung die Bera- tungen über den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Verlängerung der Zuckermarktverordnung – auch un- ter Berücksichtigung der eingetretenen Veränderungen in- nerhalb der Bundesregierung – noch nicht abgeschlossen sind. An dieser Situation hat sich nichts geändert. Ent- scheidungen über die künftige Zuckermarktverordnung sind erst im Frühjahr 2001 möglich, wenn das Europäische Parlament Stellung genommen hat. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Walter Kolbow auf die Frage des Abgeordneten Dirk Niebel (F.D.P.) (Drucksache 14/5065, Frage 46) Wie viel Geld wurde bzw. wird für die Sanierung der Stabsge- bäude in Prizren investiert, und welche Investitionskosten müssten für feste Unterkünfte für kranke Soldaten aufgebracht werden? Die Investitionskosten (reinen Baukosten) für die Funktionsertüchtigung der vorhandenen und durch den Krieg zerstörten Gebäude 2 und 3 im Feldlager VJ-Ka- serne in Prizren zur Unterbringung des Stabes Multina- tionale Brigade Süd (MNB (S)) werden voraussichtlich circa 5,1 Millionen DM betragen. Die geplanten Investi- tionskosten (reinen Baukosten) für die Unterbringung der Bettenstation des Feldlazaretts und des zentralen Sa- nitätsbereiches in einem Neubau werden auf circa 1,5 Millionen DM geschätzt. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Walter Kolbow auf die Fragen des Abgeordneten Günther Friedrich Nolting (F.D.P.) (Drucksache 14/5065, Fragen 47 und 48) Welche über das allgemeine Maß hinausgehenden Gesundheits- risiken (zum Beispiel durch Munition, Infektionen, Stäube etc. her- vorgerufen) bestehen für Bundeswehrangehörige im Auslandsein- satz, und welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung zu deren Vermeidung getroffen? Wann kann die Öffentlichkeit mit einem Entscheidungsstand hinsichtlich der Bundeswehr-Standorte rechnen, und wodurch stellt die Bundesregierung eine vorherige Beteiligung des Parla- mentes sicher? Zu Frage 47: Zusätzliche gesundheitliche Risiken im Auslandsein- satz durch Munition, zum Beispiel Minen, durch Infek- tionen, zum Beispiel Hepatitis A und B und durch ge- sundheitsgefährdende Stäube werden durch militärische Ausbildung, zum Beispiel in Hammelburg, durch präventivmedizinische Maßnahmen, zum Beispiel Imp- fungen, und durch gezielte Schutzmaßnahmen, zum Bei- spiel Staubmasken minimiert oder sogar ausgeschlossen. Im Einsatz gelten Vorschriften, Richtlinien und rechtliche Vorgaben, die der Unfallverhütung und der Sicherheit un- serer Soldaten dienen, unverändert fort. Dies gilt natürlich auch für den Gesundheitsschutz. Die im Einsatz verfüg- baren Fachkräfte aus dem Bereich des ABC-Schutzes, des Arbeitsschutzes, der Betriebsmedizin, der Umwelt- medizin und -hygiene, der Präventivmedizin, der Lebensmittelüberwachung, der Trinkwasseraufbereitung und -kontrolle stellen sicher, dass mögliche zusätzliche Risiken erkannt und vermieden werden können. Die um- fassende Sanitätsdienstliche Versorgung im Einsatz steht für die Maxime der sanitätsdienstlichen Auftragserfül- lung, den Soldaten im Falle einer Erkrankung, eines Un- falls oder einer Verwundung eine medizinische Versor- gung zuteil werden zu lassen, die im Ergebnis dem fachlichen Standard in Deutschland entspricht. Zu Frage 48: Am 11. Oktober 2000 hat Bundesminister Scharping die Ergebnisse und Entscheidungen zur Grobplanung dem Deutschen Bundestag und der Öffentlichkeit vorgestellt und in der Sitzung des Bundestages am 12. Oktober hierzu eingehend Stellung genommen. Der darin veröf- fentlichte Zeitplan für die Neuausrichtung der Bundes- wehr sieht unter anderem vor, dass die Feinausplanung der Personalumfänge und Strukturen bis zum Ende des Jahres 2000 vorliegt und darauf aufbauend im 1. Quartal des Jahres 2001 die Erarbeitung des Stationierungskon- zeptes sowie die Abstimmung mit den Abgeordneten des Deutschen Bundestages und den Länderregierungen er- folgt. Im Anschluss daran ist die Verabschiedung des Sta- tionierungskonzeptes im 2. Quartal 2001 vorgesehen. An diesem Zeitplan wird festgehalten. Die mit der Bearbei- tung befassten Abteilungen und Stäbe im Hause werden die Entscheidungsvorschläge zur Stationierung zeitge- recht vorlegen. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Walter Kolbow auf die Frage des Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/ CSU) (Drucksache 14/5065, Frage 49): Was hat die Bundesregierung zum Schutz ihrer bisher 60 000 Sol- daten im Kosovo und in Bosnien und für die eingesetzten zivilen Kräfte, von denen auch viele aus dem Bundeswehrstandort Schleswig stammen, sowie für die Zivilbevölkerung im Hinblick darauf unternommen, dass die USA während des Bosnienkrieges mit uranabgereicherter Munition die Zerstörung von Panzern praktiziert und damit alle Betroffenen einem erhöhten Krebsrisiko durch Strahlen ausgesetzt haben, was nach Angaben aus spa- nischen Regierungskreisen zu zwei Todesfällen und insgesamt sieben Krebserkrankungen nach dem Bosnieneinsatz geführt hat Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 200113926 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2001 13927 (C)(A) und nach Hinweis der italienischen Regierung dort zu sechs krebs-toten Soldaten, deren Ursache nach Auffassung einer Exper- tenkommission uranabgereicherte Munition sein soll, vor dem Hintergrund, dass vor dem Einsatz dieser Munition Bundeskanzler Gerhard Schröder jetzt erst eindringlich warnt, die Bündnisgrünen jetzt ein Verbot von Uran-Munition fordern und die Vorsitzende der Ethikkommission, die Abgeordnete Margot von Renesse, sogar die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses für not- wendig hält, und was konnte die Bundesregierung nicht un- ternehmen, bedingt durch die Eigenständigkeit der US-Streit- kräfte? Die Bundeswehr hat für den Umgang mit von DU-Mu- nition getroffenen Fahrzeugen bzw. DU-Munitionsfunden bereits 1996 grundsätzliche Regelungen zum Schutz der Soldaten in den Balkanoperationen getroffen. Direkt nach- dem konkrete Informationen über den Einsatz von DU-Mu- nition im Kosovo im BMVg vorlagen, wurde das deutsche Kontingent darüber unterrichtet und angewiesen, die ent- sprechenden Schutzmaßnahmen zu treffen. Parallel hat auch das KFOR-Hauptquartier allen Brigaden der multi- nationalen KFOR-Truppe den Einsatz von DU-Munition während des vorangegangenen Luftkriegs angezeigt. Im deutschen Verantwortungsbereich bei KFOR wurden zu Beginn des Einsatzes 15 Verdachtsorte gefunden und überprüft. Dabei wurden zwei Flächen als kontaminierte Flächen identifiziert und bei drei Panzerwracks eine Strahlenspur festgestellt. Die betreffenden Gebiete wur- den abgesperrt und durch Warnschilder markiert. Darüber hinaus wurden die zivilen Organisationen und Nichtre- gierungsorganisationen, die ihre Einsätze im deutschen Verantwortungsbereich mit der multinationalen Brigade Süd abstimmten, im Rahmen der regelmäßigen, von der Brigade abgehaltenen „Runden Tische“ informiert. Zu- sätzlich zu den bestehenden Schutzmaßnahmen für den Umgang mit Munitionsresten wurde, seit Juli 1999 einge- leitet, eine gesundheitliche Überwachung von eingesetz- ten Soldaten einschließlich eines Biomonitoring durchge- führt. Zusätzliche Informationen sind der Internet-Seite der Bundeswehr (www.bundeswehr.de) zu entnehmen. Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414200000
Guten Tag, liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

Da dies die erste Zusammenkunft nach dem Jahres-
wechsel ist, wünsche ich allen Anwesenden ganz herzlich
ein gutes neues Jahr.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Danke, gleichfalls!)


Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Dritter Bericht zur Lage der
älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland:
Alter und Gesellschaft.

Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend, Frau Dr. Christine Bergmann.

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute
im Kabinett den Dritten Altenbericht mit einer Stellung-
nahme der Bundesregierung verabschiedet; er wird im
Parlament eine größere Rolle spielen.

Der Dritte Altenbericht ist ein umfassender Bericht
über die Lebenssituation der älteren Menschen in Deutsch-
land. Es ist ein Bericht, der uns sehr viel Auskunft darüber
gibt, wie sich die Entwicklung nach der Einheit unseres
Landes vollzogen hat. Ich danke der Sachverständigen-
kommission dafür, dass sie einen sehr detaillierten, enga-
gierten und umfassenden Bericht vorgelegt hat, der sich
mit der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Lage älte-
rer Menschen, ihren sozialen und familiären Beziehungen
sowie ihren Wohn- und Wohnumfeldbedingungen befasst.

Die Sachverständigenkommission legt sehr viel Wert
auf die Feststellung, dass die Situation der älteren Men-
schen in der Gesellschaft je nach ihren individuellen Res-
sourcen und ihrem Gesundheitszustand sehr differenziert
zu betrachten ist. Wir müssen noch mehr als in anderen
Altersgruppen der Bevölkerung differenzieren. Auch legt

die Kommission sehr viel Wert auf die Feststellung, dass
es hier sowohl um individuelle Ressourcen, die ältere
Menschen für das weitere Leben mitbringen, als auch um
gesellschaftliche Ressourcen geht, also um die Frage: Was
finden ältere Menschen in der Gesellschaft vor, damit sie
selbstbestimmt und selbstständig ihr Leben im Alter
führen können?

Ich will einmal kurz die aktuellen demographischen
Daten nennen, damit wir wissen, vor welchem Hinter-
grund wir diskutieren. Ich beziehe mich auf die Zahlen
des Statistischen Bundesamtes. Die Bevölkerungsentwick-
lung sieht folgendermaßen aus: Bis zum Jahr 2050 wird
sich der Anteil der Jüngeren, der unter 20-Jährigen, von
derzeit 21 Prozent auf 16 Prozent verringern. Der Anteil
der über 60-Jährigen wird von jetzt rund 22 Prozent auf
etwa 37 Prozent steigen. Das bedeutet, dass wir innerhalb
von 100 Jahren eine umgekehrte Entwicklung haben:
Im Gegensatz zu 1950, als wir etwa doppelt so viele un-
ter 20-Jährige wie über 60-Jährige hatten, werden wir im
Jahr 2050 doppelt so viele über 60-Jährige wie unter
20-Jährige haben. Darauf muss sich eine Gesellschaft und
damit auch die Politik natürlich einstellen. Ich will noch
eine Zahl nennen: Die Zahl der Hochbetagten, also der
über 80-Jährigen, steigt sehr deutlich an. Ihr Anteil liegt
im Moment bei 4 Prozent. Er wird nach Prognosen bis
zum Jahr 2050 auf 12 Prozent steigen.

Was bedeutet das nun für die einzelnen Felder, die ich
schon genannt habe? Ich komme zu einigen Daten aus
dem Bereich der Gesundheitsversorgung. Wir können da-
von ausgehen, dass die älteren Menschen heutzutage sehr
viel gesünder als früher sind. Das heißt, 80 Prozent der
Menschen über 70 Jahre führen ein weitgehend selbst-
ständiges Leben ohne fremde Hilfe. 95 Prozent dieser
Menschen leben in ihren eigenen vier Wänden. Auch das
muss man wissen. Das hat natürlich Auswirkungen auf die
Zusammensetzung der Gruppen derjenigen, die in Hei-
men leben: Vor allen Dingen die über 80-Jährigen sind
multimorbid. Unter ihnen befinden sich auch viele De-
menzkranke.

Wir stellen uns auf diese Situation durch sehr unter-
schiedliche gesetzliche Vorhaben und Projekte ein. Ich
will an die Verbesserungen im Bereich der Pflege erinnern

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(C)



(D)



(A)



(B)


142. Sitzung

Berlin, Mittwoch, den 17. Januar 2001

Beginn: 13.00 Uhr

und die Stichworte bundeseinheitliche Altenpflegeausbil-
dung, Heimgesetz und Pflegequalitätssicherungsgesetz
nennen. Dies alles sind Maßnahmen, mit denen auf die ge-
nannte Entwicklung Einfluss genommen wird. Wir haben
ein Modellprojekt „Altenhilfestrukturen der Zukunft“,
durch das wir versuchen, wie es uns die Kommission
empfiehlt, die einzelnen Hilfeangebote zusammenzu-
führen. Es geht um die Themen Rehabilitation, Therapie
und Versorgungsleistungen im entsprechenden Umfeld.
Das Ziel muss sein, dass zum einen ältere Menschen aus
einer Hand beraten werden können und zum anderen nicht
jeder Anbieter von Hilfeleistungen für sich arbeitet.

Ich will noch auf die ökonomischen Ressourcen im Al-
ter eingehen. Die Kommission legt uns Zahlen vor, die be-
legen, dass sich die älteren Menschen durchschnittlich in
einer guten materiellen Lage befinden. Das kann man zum
Beispiel an den Durchschnittseinkommen dieser Haus-
halte ablesen. Wichtig dabei ist die Höhe der Rente, aber
hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen Ost und
West. 81 Prozent der ostdeutschen Älteren bestreiten ihr
Leben ausschließlich mit der gesetzlichen Rente, während
es in den alten Bundesländern nur 65 Prozent sind. Ich will
aber ganz klar sagen: Wenn man sich die Lebenssituation
der älteren Menschen ansieht, muss man feststellen, dass
wir in den neuen Bundesländern in den letzten Jahren eine
unwahrscheinliche Verbesserung erreicht haben.

Ältere Menschen verfügen auch in größerem Umfang
über Wohneigentum. In den alten Bundesländern haben
51 Prozent der Älteren Wohneigentum – das ist mehr als
der Durchschnitt der Bevölkerung –, in den neuen Bun-
desländern liegt der Anteil niedriger, ich glaube, bei
28 Prozent. Allerdings ist dort der Anteil Älterer mit
Wohneigentum niedriger als der Anteil Jüngerer mit
Wohneigentum. Daran kann man ablesen, dass sich auch
in den neuen Ländern Wohneigentum aufbaut.

Als Letztes will ich noch etwas zu den sozialen Res-
sourcen sagen. Die Diskussion wird manchmal in einer
Weise geführt, als ob die Generationen nicht miteinander
klarkämen. Wir haben eindeutige Daten vorliegen, die
aufzeigen, wie eng die Bindungen innerhalb der Familien
sind. Man lebt nicht mehr unbedingt in einem Haushalt
zusammen, aber immerhin hat ein sehr hoher Anteil älte-
rer Menschen an dem Ort, an dem sie leben, auch Kinder.
Zum Teil leben sie sogar in einem Haus zusammen. Die
materielle und finanzielle Transferleistung der Älteren an
die Jüngeren ist sehr groß und es gibt sehr viele Hilfeleis-
tungen der Jüngeren gegenüber den Älteren. Dies ist ganz
wichtig für den Zusammenhalt in der Gesellschaft.

Die Hilfeleistungen erstrecken sich nicht nur auf die
Familien. Ältere sind auch – wir haben nun das Interna-
tionale Jahr der Freiwilligen – im bürgerschaftlichen Be-
reich sehr engagiert: Die unter 70-Jährigen sind zu einem
Drittel in einem Ehrenamt tätig, bei den über 70-Jährigen
nimmt der Anteil aus verständlichen Gründen ab. Hieraus
wird deutlich, welche Ressource die älteren Menschen für
die Gesellschaft sind.

Ich will es dabei bewenden lassen. Ich denke, wir ha-
ben noch Gelegenheit, darüber zu diskutieren.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414200100
Danke schön. – Ich
bitte zunächst darum, Fragen zu dem Themenbereich zu
stellen, über den soeben berichtet wurde. Ich erteile als
Erstem dem Kollegen Gerald Weiß, CDU/CSU-Fraktion,
das Wort.

Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU): Frau Minis-
terin, Sie erwähnten unter anderem die pflegerische Ver-
sorgung altersverwirrter, demenzkranker Personen. Auf
diesem Feld hat es seitens Ihrer Regierung eine Vielzahl
von Versprechungen und Ankündigungen gegeben. Wann
wird Ihre Regierung konkret mit einem Entwurf zur Än-
derung im Bereich der Pflegeversicherung vorstellig, mit
dem die Versorgung Altersdementer im Hinblick auf das
Leistungsangebot auf eine neue Grundlage gestellt wird?


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414200200
Bitte schön, Herr
Staatssekretär.

E
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1414200300
Sie haben sich auf die Ankündi-
gung der ehemaligen Ministerin Frau Fischer bezogen,
dass Leistungen für Demenzerkrankte im Rahmen der
Pflegeversicherung verbessert werden sollen. Es handelte
sich zum einen um ein verbessertes Tagespflegeangebot
für die betroffene Personengruppe und zum anderen um
die Förderung von Initiativen durch ein so genanntes Bau-
kastensystem, zum Beispiel im Bereich von Betreuungs-
gruppen.

Sie haben ja sicherlich mitbekommen, dass es einen
Wechsel an der Spitze des Hauses gegeben hat. Die neue
Ministerin wird diese fast bis zur Gesetzesreife gelangten
Arbeiten prüfen und bewerten und dann zu entscheiden ha-
ben, ob sie sich diese Initiative in unveränderter Form zu
Eigen macht oder nicht. Ich rechne damit, dass in Kürze
eine entsprechende Entscheidung getroffen werden wird.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414200400
Zusatzfrage, bitte
schön.

Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU): Ich stelle
fest: Die Frage nach dem Wann können Sie nicht, zumin-
dest nicht präzise, beantworten.

Ich möchte eine weitere Frage stellen: Was werden Sie,
Frau Ministerin, tun, um dem Grundsatz „Rehabilitation
vor Pflege“ in der Praxis stärkeres Gewicht zu verleihen?


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414200500
Bitte schön.

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: In dem vorliegenden
Bericht sind sehr ausführliche Aussagen zu den Themen
Rehabilitation und Prävention gemacht worden. Ich denke,
dass das, was im entsprechenden Sozialgesetzbuch als
Richtschnur festgelegt ist, nämlich dass Rehabilitation
eine wichtige Möglichkeit ist, um spätere Pflegebedürf-
tigkeit ein Stück weit zu verhindern, nach wie vor gilt.
Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir im Rahmen der




Bundesministerin Dr. Christine Bergmann
13886


(C)



(D)



(A)



(B)


Gesundheitsreform 2000 wieder Möglichkeiten einge-
räumt, entsprechende Maßnahmen in stärkerem Maße bei
den Krankenkassen abzurechnen. Es ist eine gute Richt-
schnur für politisches Handeln, wenn man sowohl die
Prävention als auch die Rehabilitation in diesem Bereich
stärker ausbaut. Hier gibt es durchaus Handlungs- und
Verhandlungsbedarf. Daran möchte ich keinen Zweifel
lassen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414200600
Das Wort zur nächs-
ten Frage erteile ich dem Kollegen Arne Fuhrmann.


Arne Fuhrmann (SPD):
Rede ID: ID1414200700
Frau Ministerin, wenn man
sich die demographische Entwicklung, die Sie vorhin an-
gesprochen haben, anschaut und sich das Schlagwort vom
lebenslangen Lernen in Erinnerung ruft, dann stellt man
fest, dass die nachberufliche Phase immer länger wird und
deswegen eine völlig andere Bedeutung bekommt. Inwie-
weit sind neue Aktivitäten im Bereich der Weiterbil-
dungsmaßnahmen gerade für Ältere in Planung und stim-
men sich die Ressorts in diesem Bereich ab?


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414200800
Frau Ministerin.

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Es geht um zwei
Dinge. Sie haben gesagt, dass es eine lange Phase des
nachberuflichen Lebens gibt, die für die meisten Men-
schen eine aktive Phase ist. Ich erlebe immer wieder, dass
die Älteren sehr bildungshungrig sind. Vor diesem Hin-
tergrund kann ich die Entwicklung bei den Senio-
renakademien nur als sehr positiv bezeichnen. Die Zahl
der Seniorenakademien hat sich vergrößert. Entspre-
chende Abstimmungen werden vorgenommen. Die Bil-
dungsministerin unterstützt diese Entwicklung. Wir ver-
suchen zum Beispiel, durch Internetcafés das Thema
„Senioren und Internet“ voranzubringen. Es ist erstaun-
lich, wie gut manche Älteren im Internet surfen können.
Sie können mit ihren Enkeln mittlerweile ganz gut mit-
halten. Alle Angebote, die wir den Älteren in diesem Be-
reich machen, werden genutzt. Deshalb möchte ich die
Bitte äußern, solche Initiativen auf der kommunalen
Ebene mit zu unterstützen. Wir bieten auch eine Daten-
bank an, in der sich die Kommunen informieren können,
welche Aktivitäten sie den Seniorinnen und Senioren
noch anbieten können.

Die Sachverständigenkommission hat aber noch auf ei-
nen weiteren Punkt hingewiesen, der nach meiner Mei-
nung sehr wichtig ist. Sie hat noch einmal darauf hinge-
wiesen, dass es eine große Diskrepanz zwischen der
demographischen Entwicklung – das heißt, wir werden
immer älter – und der Tatsache gibt, dass wir immer weni-
ger über 50-Jährige im Arbeitsmarkt vorfinden, obwohl
wir wissen, dass die über 50-Jährigen noch voll in der Ma-
terie sind und in den Unternehmen durchaus wichtig sind.
Das heißt, bei Rationalisierungen, bei Personalabbau ist
diese Altersgruppe diejenige, die sehr gerne zuerst geht,
im Unterschied zu der Situation, wie wir sie aus den
neuen Ländern kennen, wo sehr viele unfreiwillig und
sehr früh aus dem Erwerbsleben ausscheiden mussten.

Wir wissen jedoch, dass wir – noch nicht im Jahre 2001
oder 2002, aber auf längere Sicht – stärker auf ältere Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer angewiesen sein wer-
den. Daher müssen wir unserer Ansicht nach darauf ach-
ten – das ist ein Stück weit ein Ergebnis der Arbeit der
Kommission –, dass die Weiterbildungsprozesse – wir re-
den alle über lebenslanges Lernen – in den Unternehmen
und außerhalb der Unternehmen so gestaltet werden, dass
die Älteren miteinbezogen werden. Es darf nicht bei den
40-Jährigen Schluss sein nach dem Motto: Es lohnt sich
nicht mehr, weil sie eh nicht mehr lange da sind. Ich
glaube, es ist bei der Planung von Personalmaßnahmen,
von Weiterbildung, von lebenslangem Lernen unter Ein-
beziehung der älteren Gruppe eine ganz andere Richtung
notwendig.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414200900
Kollegin Eichhorn,
bitte.


Maria Eichhorn (CSU):
Rede ID: ID1414201000
Frau Ministerin, in
dem Bericht wird zu der viel gepriesenen Altenpflege
nach dem neuen Gesetz festgestellt, dass von einer De-
professionalisierung gesprochen werden kann. Tatsache
ist, dass die Ausbildungsstandards gesenkt wurden.
Außerdem ist festzustellen, dass die Umsetzung des Ge-
setzes äußerst problematisch ist. Tatsache ist auch, dass
wir zu wenig Pflegekräfte haben. Ich frage Sie: Was ge-
denken Sie zu tun, damit mehr Menschen als bisher den
Beruf des Altenpflegers bzw. der Altenpflegerin ergrei-
fen?

Zweite Frage. Die Sachverständigen konstatieren auch
eine drohende zunehmende Altersarmut. Sie stellen dazu
in dem Altenbericht lediglich fest, dass der Anteil der So-
zialhilfeempfänger bei älteren Menschen geringer ist als
im Durchschnitt der Bevölkerung. Ich denke, das ist zu
billig; denn auch bei der Rentenreform haben die Fach-
leute ständig festgestellt, dass eine zunehmende Alters-
armut droht. Sie haben im Zuge der Änderung des Ren-
tenreformgesetzes zwar viele Vorschläge gemacht, aber
bezüglich der sozialen Sicherung der Frauen substanziell
überhaupt nichts verbessert. Was gedenken Sie insbeson-
dere im Bereich der Hinterbliebenenrente zu tun, damit
Frauen nicht noch mehr in Altersarmut fallen?


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414201100
Frau Ministerin.

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Sie haben zwei
Punkte angesprochen, deren Darstellung nicht ganz dem
Sachverhalt entsprach.

Ich fange mit dem ersten Punkt an. Dabei geht es um
die bundeseinheitliche Altenpflegerausbildung. Ich weiß
nicht, wie Sie auf die Idee kommen, dass hier deprofes-
sionalisiert wird oder dass es einen Abbau gibt. Die Aus-
bildungs- und Prüfungsverordnung ist noch in Arbeit. Es
wäre gut, wenn sich alle kräftig daran beteiligen würden.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So ist es!)





Bundesministerin Dr. Christine Bergmann

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(C)



(D)



(A)



(B)


Sie haben den Pflegenotstand angesprochen. Ich kann
Ihnen sagen, woher dieser Pflegenotstand auch kommt,
nämlich daher, dass wir keine bundeseinheitliche Ausbil-
dung haben und es Länder – unter anderem Bayern – gibt,
die keine Ausbildungsvergütung bezahlen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das wird sich zum 1. August dieses Jahres ändern. Wir
wollen eine Ausbildungsvergütung für alle und bundes-
weit die Erstausbildung in diesem Bereich. Wir haben hier
berufliche Aufstiegsmöglichkeiten geschaffen. Das heißt,
es gibt eine Aufwertung in diesem Beruf, was dazu führen
wird – davon gehe ich aus –, dass sich junge Leute für die-
sen Beruf entscheiden, sodass das, was an Pflegepersonal
benötigt wird, nicht nur durch Umschulung gewonnen
wird.

Ich sehe darin einen ganz wesentlichen Fortschritt. Das
sehen übrigens auch die Pflegeverbände in Bayern so. Sie
selbst haben in Bayern ja auch festgestellt, dass das mit
der zweijährigen Ausbildung wohl nicht mehr so ganz das
Wahre ist.

Dass wir das auf eine ordentliche Basis stellen, durch
eine bundeseinheitliche dreijährige Ausbildung und eine
Ausbildungsvergütung und die Erarbeitung einer ordent-
lichen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung, halte ich
für eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass wir in die-
sem Bereich wieder Nachwuchs bekommen, Nachwuchs,
der auch eine Aufstiegschance hat, und dass auch in der
Gesellschaft klar wird, dass das eine wichtige Arbeit ist,
die man nicht einfach so nebenher macht, weil man viel-
leicht schon einmal Erfahrungen bei der Pflege in der Fa-
milie gesammelt hat, sondern für die man entsprechende
medizinische Kenntnisse braucht. Wir könnten noch eine
halbe Stunde darüber reden. Es handelt sich um ein altes
Streitthema zwischen uns.

Ich bin froh, dass wir nach zehn Jahren endlich so weit
sind, dass wir diesen Beruf – wie wir wissen, ist er in der
Regel ein Frauenberuf – aufwerten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414201200
Eine Nachfrage der
Kollegin Eichhorn.


Maria Eichhorn (CSU):
Rede ID: ID1414201300
Frau Ministerin, ich
darf feststellen, dass der Standard der Altenpflegeausbil-
dung in Bayern sehr hoch ist. Gerade die Fachverbände
stellen fest, dass die bundeseinheitliche Altenpflege, wie
sie jetzt konzipiert ist, aufgrund der veränderten Ausbil-
dungsbedingungen nicht dazu anregt, dass sich mehr
Menschen für die Altenpflege entscheiden. Darum stelle
ich noch einmal die Frage: Was gedenken Sie zu tun, da-
mit sich mehr Menschen für die Altenpflege entscheiden?
Offensichtlich reicht das, was durch das Gesetz getan
wird, nicht. Im Gegenteil: Es ist kontraproduktiv.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414201400
Frau Ministerin.

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Das behaupten Sie.
Ich will dazu nur Folgendes sagen: Ich war vor nicht allzu
langer Zeit beim Altenpflegetag in Bayern. Dort hat der
Staatssekretär des zuständigen Ministeriums erklärt, dass
die zweijährige Ausbildung keine Zukunft habe. Man
wolle zwar keine bundeseinheitliche, aber eine drei-
jährige Ausbildung. Es scheint in Bayern gewisse Zweifel
daran zu geben, ob das, was man dort im Moment macht,
der Stein der Weisen ist. Aber ich möchte aus der Angele-
genheit keine Auseinandersetzung zwischen Bayern und
dem Bund machen.

Ich möchte deutlich sagen: Unserem Vorhaben haben
die Länder und die Verbände ihre Zustimmung gegeben.
Das Gesetz ist noch nicht in Kraft; es wird erst im August
in Kraft treten. Wir brauchen – das sage ich noch einmal –
die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung. Ich gehe da-
von aus, dass wir unter den veränderten Bedingungen
mehr Menschen finden werden, die in diesem Beruf ar-
beiten. Es ist zum Beispiel ein Unding, wenn man keine
Ausbildungsvergütung zahlt. Wie sollen Frauen – das
muss mir einmal jemand erklären – während der drei-
jährigen Ausbildung ihren Lebensunterhalt verdienen?
Ich gehe davon aus, dass wir die Bedingungen dafür ge-
schaffen haben.

Sie haben das Thema Rente angesprochen. Ihre Wahr-
nehmung ist selektiv. In diesem Rentenpaket sind eine
ganze Menge Punkte enthalten, mit denen die Situation
der Frauen stark verbessert wird. Das Problem der Alters-
armut fällt in den Bereich der jetzt anstehenden Renten-
reform. Ich nehme Ihnen ab, dass Ihnen das Thema am
Herzen liegt. Wir wollen, dass diejenigen, denen eigent-
lich ergänzende Sozialhilfe zusteht – ich erinnere an die
verschämte Altersarmut –, diese über die Rentenzahlung
beziehen. Außerdem dürfen die Vermögensverhältnisse
der Kinder bei der Berechnung nicht herangezogen wer-
den. Das sind die Gründe, weswegen viele alte Menschen
keine ergänzende Sozialhilfe beantragen. Ich gehe einmal
davon aus, dass Sie uns in diesen Punkten zustimmen.

Wir haben die Kinderberücksichtigungszeiten ausge-
baut. Wir haben etwas für die Frauen getan, die Teilzeit ar-
beiten. Darüber hinaus haben wir die Situation der
Frauen, die zwei Kinder und mehr erziehen und deshalb
nicht erwerbstätig sind, verbessert. Dadurch, dass die
Kinderberücksichtigungszeiten bis zum zehnten Lebens-
jahr des jüngsten Kindes gelten, werden Beiträge aufge-
stockt und wird eine eigenständige Alterssicherung ein
Stück weit aufgebaut. Wenn das – neben der sozialen Ab-
sicherung – kein Vorteil für die Frauen in der Rentenver-
sicherung ist, dann weiß ich nicht, was wirklich ein Vor-
teil ist.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414201500
Zur nächsten Frage
erteile ich der Kollegin Kerstin Griese das Wort.


Kerstin Griese (SPD):
Rede ID: ID1414201600
Frau Ministerin, Sie haben uns
die Auswirkungen der demographischen Entwicklung,
wie sie der Sachverständigenbericht darstellt, geschildert.
Dort steht, dass der Anteil Älterer in der Bevölkerung in
Zukunft etwa 37 Prozent betragen wird. Als Jugendpoliti-




Bundesministerin Dr. Christine Bergmann
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(C)



(D)



(A)



(B)


kerin frage ich: Welche Auswirkungen hat das Ihrer Mei-
nung nach auf das Verhältnis der Generationen zueinan-
der? Welchen Stellenwert, welche Bedeutung wird die äl-
tere Generation in der Gesellschaft haben? Wenn dem-
nächst in unserer Gesellschaft doppelt so viele über
60-Jährige wie unter 20-Jährige leben, dann können beide
Großeltern mit dem Enkel surfen. Das bietet gewisse
Chancen für das Verhältnis der Generationen zueinander.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414201700
Frau Ministerin.

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Abgeordnete
Griese, ich hatte schon ganz kurz angesprochen, dass die
in dem Bericht genannten Daten über das Generationen-
verhältnis – die Kommission hat sie vorgestellt – sehr er-
freulich sind. Das Generationenverhältnis ist zurzeit gut.
Man lebt zwar nicht immer in einer Wohnung; aber es ist
trotz äußerer Distanz eine sehr große innere Nähe da. Das
sagen die Sachverständigen. Die Jüngeren helfen den Äl-
teren dort, wo es notwendig ist. Umgekehrt fließt die eine
oder andere Mark von den Eltern in den Haushalt der Kin-
der. Vor allen Dingen zwischen Enkeln und Großeltern
besteht eine sehr enge Beziehung, die für eine Kultur des
Aufwachsens und für einen vernünftigen Umgang der Ge-
nerationen miteinander nötig ist. Auch das, was wir in an-
deren Bereichen tun – wir haben gerade die Rente ange-
sprochen –, macht klar, dass wir den Lebensstandard der
Älteren sichern, aber zugleich die Jüngeren nicht über Ge-
bühr belasten.

Wenn jetzt die Einkommenssituation der Älteren gut
ist, was wir ja sicherlich alle als sehr erfreulich empfin-
den, dann müssen wir auf der anderen Seite natürlich der
Frage nachgehen, wo es Probleme in der Generation der
Jugendlichen gibt. Das, was wir im Rahmen von JUMP,
dem Sofortprogramm zur Bekämpfung von Jugend-
arbeitslosigkeit, tun, ist ja nicht nur ein Signal, sondern es
schafft Chancen für Jugendliche, einen Ausbildungsplatz
zu bekommen, damit sie in den Arbeitsmarkt integriert
werden können. Wenn im Moment relativ viele Ältere
aufgrund der Altersteilzeit früher aus dem Erwerbsleben
ausscheiden, dann bedeutet dies auch ein Stück Genera-
tionensolidarität: Sie machen Arbeitsvolumen frei, weil
sie wissen, dass es eine Generation gibt, die Probleme hat,
in den Arbeitsmarkt hineinzukommen.

Wir sollten an diese gute Kultur, die wir zurzeit im
Lande haben, anknüpfen und dies nicht immer kaputtre-
den. Beim Lesen mancher Veröffentlichungen gewinnt
man ja den Eindruck, wir bekriegten uns untereinander.
Ich erlebe das in meinem Umfeld nicht, Sie hoffentlich
auch nicht. Daran müssen wir in unserem politischen,
aber auch gesellschaftlichen Handeln anknüpfen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414201800
Zur nächsten Frage
erteile ich Kollegin Schewe-Gerigk das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

gewiesen, dass der Bericht ausgewiesen hat, dass ältere

Menschen ein hohes Maß an Familienarbeit und bürger-
schaftlichem Engagement leisten. Sind Sie der Meinung,
dass das auch politisch unterstützt werden müsste, und
wie müsste das unterstützt werden?

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Dazu kann ich ganz
klar Ja sagen. Jedes bürgerschaftliche Engagement unter-
stützen wir politisch und, wo es geht, natürlich auch ma-
teriell. Im Bereich der Älteren setzen wir mit einem Pro-
jekt, das wir gerade begonnen haben, ein wichtiges
Signal. Wir suchen und schulen Multiplikatorinnen und
Multiplikatoren, damit deren Erfahrungswissen viel mehr
als bisher in der Gesellschaft nutzbar gemacht wird. Sie
kommen aus unterschiedlichen Bereichen – der Wirt-
schaft, der Kultur, der Politik – und können in unter-
schiedlichen Bereichen ihr Wissen zur Verfügung stellen,
nachdem sie von uns noch ein Stück Qualifizierung dazu
bekommen haben. Wir wissen ja, dass viele Ehrenamtli-
che sich mit Leidenschaft engagieren, aber zuvor um Qua-
lifizierung bitten, weil sie möchten, dass es mit ihnen
noch weitergeht. Auch müssen wir immer wieder deutlich
machen – dies versuchen wir auch mit unserer Kampagne
zum Internationalen Jahr der Freiwilligen –, dass das, was
man kann, unbezahlbar ist.

Ein solches Engagement erbringen die Älteren vielfach
gerade bei Jüngeren. Damit sind wir wieder beim Thema
Generationensolidarität. Wenn Ältere in Schulen gehen,
sich an der Berufsberatung beteiligen und dadurch die
Schüler in diesem schwierigen Prozess begleiten, dann ist
das eine tolle Sache, die zur Generationensolidarität
beiträgt. Wir müssen noch viel mehr herausstellen, wie
gut das in der Gesellschaft funktioniert und dass wir ohne
diesen Zusammenhalt eigentlich gar nicht vernünftig mit-
einander umgehen können.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414201900
Zur nächsten Frage
erteile ich dem Kollegen Andreas Storm das Wort.


Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1414202000
Frau Ministerin, ich
möchte auf die Beschäftigungschancen älterer Arbeitneh-
mer zurückkommen. Wir beurteilt die Bundesregierung
die Tatsache, dass die Erwerbstätigenquote in der Alters-
gruppe zwischen 55 und 64 Jahren in Deutschland im
internationalen Vergleich besonders niedrig liegt? Sie
liegt bei etwa 39 Prozent, während sie in Norwegen oder
der Schweiz bei rund 70 Prozent liegt, also etwa doppelt
so hoch ist. Worauf führen Sie es zurück, dass in diesen
Ländern – auch in anderen skandinavischen Ländern wie
Dänemark – ein wesentlich höherer Anteil älterer Men-
schen erwerbstätig ist?


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das sind die Auswirkungen der Frühverrentungsprogramme der alten Bundesregierung, Herr Storm!)


Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich werde diesen
Zwischenruf gleich aufgreifen. – Ich habe schon gesagt,




Kerstin Griese

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(C)



(D)



(A)



(B)


wie die Arbeitsmarktsituation ist. Ich komme aus einem
der neuen Länder und war lange Arbeitssenatorin. Ich
weiß daher genau, was zum Beispiel in Berlin und seinem
Umland abgelaufen ist.

Wir haben eine schwierige Arbeitsmarktsituation. Aber
wir haben ganz gezielt versucht – hier hat es Generatio-
nensolidarität gegeben –, den Einstieg von Jugendlichen
in den Arbeitsmarkt an die oberste Stelle zu setzen. Des-
wegen ist das System der Altersteilzeit von uns ausgebaut
worden; denn das ist ein vernünftiges Modell.

Sie hätten natürlich in den Jahren davor mehr dazu bei-
tragen können, dass die Arbeitsmarktsituation in diesem
Land insgesamt besser geworden wäre. In dem Moment,
da wir mehr Arbeitskräfte brauchen, verändert sich natür-
lich auch die Situation für Ältere. Das ist, denke ich, klar.
Wenn Sie diese Situation mit der in den Ländern verglei-
chen, die ganz andere Arbeitsmarktzahlen haben, dann
liegt die Antwort doch auf der Hand. Sie kennen doch die
Antwort.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414202100
Als nächster Rednerin
erteile ich Kollegin Christa Lörcher zu einer Frage das
Wort.


Christa Lörcher (SPD):
Rede ID: ID1414202200
Frau Ministerin, ich hätte Sie
gern nach der Weiterentwicklung der Pflegeberufe ge-
fragt. Aber da die Zeit sehr knapp ist, möchte ich eine ganz
andere Frage stellen, die überhaupt noch nicht angespro-
chen worden ist. Sie betrifft ältere Menschen mit Migra-
tionshintergrund. Das ist die am stärksten wachsende
Gruppe in unserer Gesellschaft. Da sich auch dort die Fa-
milienstrukturen ändern, wird sicherlich ambulante oder
stationäre Hilfe nötig sein. Haben sich die Kommission
oder die Regierung oder beide schon Gedanken gemacht,
welche Anforderungen diese Situation mit sich bringt?

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Lörcher, wir ha-
ben gerade eine Studie in Auftrag gegeben, die sich mit
der Situation der nichtdeutschen Frauen in unserem
Lande beschäftigt. Wir haben nämlich sehr wenig Daten-
material. Wir wissen, dass sich einiges verändert hat: Im-
mer mehr Frauen, die zu uns kommen, sind erwerbstätig.
Damit werden bestimmte Leistungen, die vorher in der
Familie erbracht wurden, wie Pflege, auf Einrichtungen
nach außen verlagert.

Dem tragen wir durch Modellprojekte Rechnung, zum
Beispiel durch Wohnprojekte oder durch Heimprojekte
für ältere Menschen. Es gibt vermehrt Beratungsange-
bote. Das ist noch ein sehr offenes Feld. Wir müssen ja
auch beachten, wie wir die Menschen mit den Angeboten
erreichen, damit sie entsprechend genutzt werden. Das
betrifft sowohl den Bereich der Pflege als auch den Be-
reich der gesamten Gesundheitserziehung.

Wir werden natürlich auch Daten aus dem Familienbe-
richt dem politischen Handeln zugrunde legen. Ich denke,
wir bereiten uns auf die Situation vor und wir sind gerüs-

tet. Wir müssen das Geschehen insgesamt besser kennen
lernen, weil wir zum Beispiel über die Remigration, also
über die Frage, wer in welchem Umfang wieder zurück-
geht, noch viel zu wenig wissen. Aber wir sind darauf ein-
gestellt.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414202300
Kollege Klaus Haupt,
bitte.


Klaus Haupt (FDP):
Rede ID: ID1414202400
Frau Ministerin, Sie betonten
vorhin, dass Sie aus einem der neuen Länder kommen.
Gestatten Sie mir als jemandem, der auch aus einem der
neuen Länder kommt, eine ganz spezifische Frage. Der
Bericht geht ja darauf ein, dass die materielle Situation der
Senioren, der Rentner in den neuen Bundesländern eine
andere ist. Das bezieht sich auf die Alterseinkommen aus
der gesetzlichen Rente. Das Ganze wird noch durch die
Tatsache verschärft, dass die Rentner in den neuen Bun-
desländern aufgrund der vier Jahrzehnte DDR-Vergan-
genheit nicht über Kapitaleinkünfte oder über Eigentum
verfügen können.

Welche konkreten Schlussfolgerungen ziehen Sie in
Ihrem Haus oder ressortübergreifend angesichts dieser
differenzierten materiellen Situation, die in dem Bericht
dargestellt ist – auch vor dem Hintergrund der Tatsache,
dass die ältere Generation eine nicht zu unterschätzende
Wirtschaftskraft darstellt?

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Herr Abgeordneter
Haupt, wenn Sie sich die Zahlen genau ansehen, dann
stellen Sie fest – ich habe es genannt –: In den neuen Bun-
desländern kommen 81 Prozent des Einkommens aus der
gesetzlichen Rente. In den alten Bundesländern sind es
weniger, nämlich 65 Prozent; dort kommen noch andere
Einkommensarten hinzu.

Bei den Rentenzahlbeträgen müssen wir natürlich fest-
halten, dass die Zahlbeträge heute sowohl bei Männern als
auch bei Frauen in den neuen Ländern höher sind als in
den alten. Das hat etwas mit den unterschiedlichen Er-
werbsbiografien zu tun. Man war früher und länger er-
werbstätig; das gilt insbesondere für Frauen. Diese Zahl
müssen wir auch beachten.

Wenn wir uns die Zahlen der Sozialhilfeempfänger an-
schauen, dann stellen wir auch fest, dass es weniger Men-
schen in den neuen Bundesländern gibt, die ergänzende
Sozialhilfe beziehen. Die Einkommenssituation – das sa-
gen die Rentner ja auch; auch Sie wissen das aus Ihren Ge-
sprächen mit Rentnerinnen und Rentnern – hat sich ganz
drastisch verbessert. Die Situation hat sich auch im Be-
reich der Pflege verbessert. Wir beide haben uns intensiv
damit beschäftigt und wissen, wie Altersheime in der
DDR aussahen: Das war wirklich eine Schande. Was in
den letzten zehn Jahren in diesem Bereich geleistet wurde,
ist ganz erstaunlich. Ich denke zum Beispiel an Formen
des betreuten Wohnens.

Selbstverständlich kann man innerhalb von zehn Jah-
ren nicht alle Unterschiede beseitigen. Diese bestehen
zum Beispiel im Bereich des Wohneigentums. Aber




Bundesministerin Dr. Christine Bergmann
13890


(C)



(D)



(A)



(B)


daran, dass bei der jüngeren Bevölkerungsgruppe ein
höherer Anteil als bei den Älteren Wohneigentum hat, se-
hen Sie, dass es Entwicklungen auf diesem Gebiet gibt.
Die gesetzlichen Regelungen, die wir in diesem Bereich
auf den Weg bringen und umsetzen, werden dieser Situa-
tion durchaus gerecht.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414202500
Es verbleiben jetzt
noch knapp drei Minuten. Deshalb möchte ich nun allge-
meine Fragen zulassen, die bereits zu Anfang der Frage-
stunde angemeldet wurden.

Kollege Dirk Niebel, bitte.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1414202600
Der „Bild“-Zeitung von heute
kann ich entnehmen, dass die Bundesregierung vor eini-
ger Zeit eine Werbekampagne für ihr Rentenkonzept so-
wohl mit großformatigen Anzeigen in den Zeitungen als
auch durch Herausgabe einer Rentenbroschüre, in der
als Kernstück der Rentenreform der so genannte
Ausgleichsfaktor beworben wurde, gestartet hat. Nun
wurde das Rentenkonzept wieder verändert. Der Aus-
gleichsfaktor als Kernstück ist in dem neuen Entwurf so
nicht mehr vorhanden. In der „Bild“-Zeitung steht, dass
300 000 dieser Broschüren für 129 000 DM gedruckt wur-
den und die Restbestände nun eingestampft werden
müssen. Nachdem die Gesetze zu den 630-Mark-Jobs
fünfmal und die Regelungen zur so genannten Schein-
selbstständigkeit dreimal verändert wurden, können wir
wohl feststellen, dass die Bundesregierung öfter ihre Vor-
lagen verändert. Mich würde interessieren, ob die Öffent-
lichkeitsarbeit der Bundesregierung in Zukunft weiter so
wie bisher durchgeführt werden soll


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Flexibel!)


oder ob Sie in Zukunft erst dann Konzepte bewerben wol-
len, wenn sie beschlossen wurden.


(Jörg Tauss [SPD]: Das war ein Niebel!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414202700
Frau Staatssekretärin,
bitte.

U
Ulrike Mascher (SPD):
Rede ID: ID1414202800
Herr Niebel, Ihre
Annahme, dass der zentrale Punkt unseres Rentenreform-
konzeptes und des Altersvermögensgesetzes der Aus-
gleichsfaktor ist, ist so nicht richtig.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: So steht es in der Broschüre geschrieben!)


Die entscheidende Weichenstellung besteht vielmehr
darin, dass wir die Vorsorgemaßnahmen für zusätzliches
Alterseinkommen massiv fördern. Wir sorgen damit für
einen Aufbau von Vermögen, das im Alter zur Verfügung
steht, wodurch die Rente von Alten besser gesichert wird
und sie zugleich für die Jungen bezahlbar bleibt. An die-
sem Altersvorsorgekonzept durch Vermögensaufbau hat
sich nichts geändert.

Darüber hinaus ist ein wichtiger Punkt unserer Reform
der Aufbau einer eigenständigen Alterssicherung von
Frauen. Wir unternehmen ganz erhebliche Anstrengun-
gen, um Frauen die Möglichkeit zu geben, zusätzliche
Rentenanwartschaften zu erwerben, auch wenn sie nur ein
unterdurchschnittliches Einkommen haben.

Ein ganz wesentlicher Bestandteil unseres Rentenre-
formkonzepts – das ist der letzte Punkt – ist der Aufbau
einer sozialen Grundsicherung, um verschämte Armut im
Alter zu vermeiden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Alle diese Punkte sind nach wie vor Bestandteil unse-

res Konzeptes und nach wie vor richtig. Diese Broschüre
bezieht sich also nicht nur auf den Ausgleichsfaktor. Sie
haben aber Recht, dass wir die Broschüre, da ein Teil-
bereich nicht mehr aktuell ist, in der 51. Kalenderwoche
zurückgezogen haben.

Im Übrigen haben wir genauso gehandelt wie auch die
alte Bundesregierung, indem wir nach einem Kabinetts-
beschluss unser Konzept veröffentlicht haben. Bei dieser
Praxis werden wir auch in Zukunft bleiben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414202900
Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Damit sind wir am Ende der Befragung der
Bundesregierung. Die vorgesehene Zeit ist vorbei.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksachen 14/5065, 14/5077 –

Zum Ablauf der Fragestunde möchte ich folgende ge-
schäftsleitende Hinweise geben: Wir kommen zunächst
zu den beiden eingereichten dringlichen Fragen aus dem
Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Nach den
Richtlinien für die Fragestunde werden im Anschluss da-
ran die eingebrachten Fragen zum selben Themenkom-
plex aus den Geschäftsbereichen des Auswärtigen Amtes,
des Bundeskanzleramtes, des Bundesministeriums des In-
nern und des Bundesministeriums der Justiz aufgerufen.
Danach fahren wir, soweit wir noch Zeit haben, mit den
weiteren Fragen in der Reihenfolge fort, wie sie in der
Drucksache zu dieser Fragestunde stehen.

Ich rufe zunächst die dringliche Frage des Abgeordne-
ten von Klaeden auf.

Ist der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer,
während seiner militanten Tätigkeit dem inzwischen verurteilten
Topterroristen Ilich Ramirez Sanchez, genannt Carlos, der Scha-

(vergleiche Interview mit Carlos in der „Welt“ vom 16. Januar 2001)


Bitte schön, Herr Minister.


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414203000

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Präsi-
dent, gestatten Sie mir, dass ich zu Beginn eine etwas
ausführlichere Antwort gebe, da alle Fragen in einem




Bundesministerin Dr. Christine Bergmann

13891


(C)



(D)



(A)



(B)


Sachzusammenhang stehen. Danach werde ich die einzel-
nen Fragen im Detail beantworten.

Herr Abgeordneter von Klaeden: ein definitives Nein.
Ich möchte, da dies eine Situation ist, in der fast täglich
neue, absurde Vorwürfe erhoben werden, hinzufügen – –


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

– Ich komme gleich darauf zu sprechen. Wenn Sie ein In-
teresse an Unterrichtung haben, dann hören Sie sich das
an. Alles andere können wir nachher in der Aktuellen
Stunde debattieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist ein Ton! Wir sind nicht in Frankfurt auf der Straße!)


Ich habe weder Waffenlager eingerichtet noch unter-
halten, noch Waffen transportiert, noch wurden mit mei-
ner Kenntnis irgendwelche Waffen mit meinem Auto
transportiert. Das weiß die Union übrigens seit 1985, als
ich zum ersten Mal Umweltminister wurde. Damals
wurde Franz Josef Jung, der Ihnen mittlerweile geläufig
ist, nach Karlsruhe zur Akteneinsicht bei der Bundesan-
waltschaft geschickt. Er war über alles unterrichtet. Den-
noch wurde ich von Ihnen in jedem Wahlkampf zum
Karry-Mörder erklärt, wider besseres Wissen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Michael Glos [CDU/CSU]: Wer schreit, hat Unrecht!)


Auch habe ich weder in meiner Wohnung noch in an-
deren Wohnungen mit Daniel Cohn-Bendit Waffen, egal
von wem, oder Sprengstoff verborgen. Wir hatten – in die-
sem Zusammenhang habe ich das klipp und klar zu sa-
gen – auch nicht die Funktion von Herbergsvätern für Ter-
roristen, egal welcher Gruppe sie zugehörig waren. – Dies
sind alles klare und eindeutige Aussagen.

Ich habe niemals Molotowcocktails geworfen und ich
habe auch nicht dazu aufgerufen, Molotowcocktails zu
werfen. Auch dies ist eine klare Aussage.

Was ich getan habe, will ich Ihnen auch klipp und klar
sagen. Ich war militant, ich habe mit Steinen geworfen,


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Zurufe von der SPD, an die CDU/CSU gerichtet: Heuchler! – Schwarzgeld gesammelt!)


ich war in Prügeleien mit Polizeibeamten verwickelt.

(Zurufe von der SPD und der CDU/CSU – Glocke des Präsidenten)

Ich wurde geprügelt, aber ich habe auch Polizeibeamte
geschlagen. Das habe ich jetzt nicht zum ersten Mal ge-
sagt und dazu stehe ich. Ich stehe zu meiner Verantwor-
tung. Das heißt aber noch lange nicht, dass ich das jetzt
rechtfertige.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich habe bereits 1977 erkannt, dass der Weg der Gewalt,
und sei es nur der limitierten Gewalt mit Prügeln gegen
Polizeibeamte und mit Steinewerfen, falsch ist, ein Weg,
der auch in seinen moralisch guten Motiven ins Gegenteil

verkehrt wird, der die eigenen Gesichtszüge verzerrt. Ich
war damals kein Demokrat, sondern Revolutionär, aber
mit dem Freiheitsanspruch, dass der – –


(Widerspruch bei der CDU/CSU – Michael Glos [CDU/CSU]: Freiheit gegen Willy Brandt!)


– Machen Sie nur so weiter! Ich will Ihnen meine Position
klipp und klar erläutern. Darauf haben Sie einen An-
spruch.

Ich habe damals – das ist für mich die eigentliche Tren-
nung – erkannt, wie Gewalt die eigenen Gesichtszüge ver-
zerrt, selbst wenn man meint, diese Gewalt aus guten
Gründen einsetzen zu können. Das war für mich die ent-
scheidende Erfahrung, die dazu geführt hat, dass ich mich
abgewandt habe, innerlich und auch in den politischen
Konsequenzen.

Ich habe damals Unrecht getan und ich habe mich dafür
bei allen, die davon betroffen waren, zu entschuldigen.
Dies habe ich getan und tue es heute wieder.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich stehe seitdem für einen Lebensweg, der auch die Inte-
gration jener Teile der Bevölkerung bedeutete, die damals
jung waren. Ich rede hier nicht von Jugendsünden. Das
haben andere getan. Ich war damals bereits im Erwachse-
nenalter. Ich stehe seitdem für eine Politik, die nicht nur
Gewaltfreiheit propagiert und durchsetzt, sondern die vor
allen Dingen auch die Hineinentwicklung in die demo-
kratische Grundordnung beinhaltet. Ich weiß, was dieses
bedeutet; denn im Gegensatz zu all den Gerechten musste
ich mich erst dort hineinentwickeln, und zwar aus Grün-
den, die ich in dieser Antwort nicht darstellen will. Aber
ich habe mich wirklich aus Überzeugung zum Demokra-
ten gewandelt. Dies entspricht meinem politischen Le-
bensweg und dem Weg meiner Partei.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Meine Partei hat es nicht nötig, sich, von wem auch im-
mer, zur Gewaltfreiheit aufrufen zu lassen. Denn der
Schritt zu den Grünen war für mich ganz entscheidend
auch durch das Bekenntnis zur Demokratie und zur Ge-
waltfreiheit bedingt.


(Zurufe von der F.D.P.)

Was ich in den letzten Tagen erlebe – Herr Präsident,

das möchte ich hier nochmals klipp und klar ansprechen –,
ist, dass mit viel Geld versucht wird, Leute dazu zu ver-
anlassen, aus nichts als ihrer Erinnerung heraus nach über
20 Jahren Behauptungen aufzustellen, nach Möglichkeit
diese dann durch eine eidesstattliche Versicherung zu un-
termauern und mich in die Situation zu bringen, dass ich
mich dazu verhalten und etwas dazu sagen soll.

Es wird also gefragt: Was hast du vor 25 Jahren bei die-
ser und jener Diskussion gesagt? Ich verstehe ja Ihre po-
litische Interessenlage. Aber versuchen Sie selbst einmal,
ob es Ihnen gelingt, sich auch nur an wichtige Diskussi-
onen zu erinnern und zu sagen, was Sie wo vor 22 oder
25 Jahren gesagt haben.


(Unruhe bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Schäuble und Frau Baumeister können das!)





Bundesminister Joseph Fischer
13892


(C)



(D)



(A)



(B)


Es wäre für mich ein Wunder, wenn Sie das könnten. Ich
habe in den letzten 14 Tagen versucht, mich an Einzelhei-
ten aus dieser Zeit zu erinnern. Dabei habe ich mein Ge-
dächtnis bis an die Grenze der Erinnerungsfähigkeit ge-
fordert.

Herr Präsident, ich möchte noch folgenden Punkt aus-
führen dürfen. Mir liegt mittlerweile ein Briefwechsel
vor, der zeigt, wie man mit viel Geld die Sache angeht.
Einem Zeugen, der Entlastendes aussagte, wurden
16 000 DM angeboten. Es wurde ihm gesagt: Denk noch
einmal nach! Wenn du nicht den passenden Täter und den
passenden Tathergang schilderst, dann wird das nichts mit
dem Geld.


(Zuruf von der CDU/CSU: Von wem ist der Brief? – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Diese Erkenntnisse liegen mir vor.

(Zurufe von der CDU/CSU – Walter Hirche [F.D.P.]: Das sind die alten Methoden!)


– Das sind nicht die alten Methoden.
Für solche Informationen wurden über 1 Million DM

verlangt. Ich erwähne diese Tatsache nur, damit Sie die
Aussagen richtig einordnen können.

Herr von Klaeden, ich habe damit Ihre Frage und alle
anderen mich betreffenden Fragen klipp und klar für das
Protokoll beantwortet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414203100
Ich bitte um Verständ-
nis, dass der Minister, wie er es angekündigt hat, etwas
ausführlicher auf die erste Frage eingegangen ist. Ich
denke, dies ist nach der Vorgeschichte verständlich. Ich
bitte aber darum, dass die Beantwortung der weiteren Fra-
gen in kürzerer Form erfolgt.

Wollen Sie eine Zusatzfrage stellen, Kollege von
Klaeden?


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1414203200
Herr Präsident,
vielleicht ist es für die Öffentlichkeit interessant, zu er-
fahren, dass diese weitschweifige Apologie des Herrn
Außenministers auf eine Frage erfolgte, die lediglich zum
Inhalt hat, ob er – wie es in der „Welt“ und in einigen an-
deren internationalen Zeitungen zu lesen war –


(Zurufe von der SPD: Oh!)

dem Terroristen Carlos begegnet ist.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Frau Kollegin, wir bestimmen immer noch selber, was
uns interessiert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Da Sie, Herr Minister, erklärt haben, Sie hätten sich

1977 vom Terrorismus und seiner ideologischen Unter-
stützung abgewandt, darf ich Sie fragen:


(Peter Dreßen [SPD]: Das ist falsch, was Sie sagen!)


Ist das Zitat richtig, das in dem Buch von Christian
Schmidt „Wir sind die Wahnsinnigen“ zu finden ist?
Demnach haben Sie noch 1978 in der Zeitschrift „Pflas-
terstrand“ nach der Ermordung von Generalbundesanwalt
Buback, des Bankies Ponto und Hanns-Martin Schleyers
durch die RAF Folgendes erklärt – ich zitiere –:

Bei den drei hohen Herren mag in mir keine rechte
Trauer aufkommen, das sag ich ganz offen, für mich.

Wenn Sie dieses Zitat dementieren sollten, dann möchte
ich Sie jetzt schon fragen, warum Sie gegen diese Be-
hauptung keine juristischen Schritte eingeleitet haben;
denn dieses Buch werden Sie sicherlich gelesen haben.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414203300
Herr Minister.


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414203400

Ich will Ihnen gerne auf diese Frage antworten. Die Be-
hauptung, ich hätte mich 1977 von dem Terrorismus und
seiner ideologischen Unterstützung losgesagt, ist schlicht
falsch.


(Peter Dreßen [SPD]: Einfach was unterstellt!)

Ich musste mich von dem Terrorismus und seiner ideolo-
gischen Unterstützung nicht lossagen.

Wenn Sie nicht nur ein parteipolitisches Interesse an
dieser Sache haben – das ist aber durchaus legitim –, son-
dern für meine Situation etwas Verständnis aufbringen,
dann ist dieser Aspekt wichtig: Wir, Daniel Cohn-Bendit
und ich, waren damals die entschiedensten Gegner des
Wegs in den Terrorismus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir waren diejenigen, die andere daran gehindert haben,
in den revolutionären Untergrund zu gehen.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

– Ich merke, dass Sie kein Interesse an einer Aufklärung
haben.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wir haben ein großes Interesse, Herr Minister!)


Ich muss Ihnen sagen, dass Sie dieses Zitat aus dem
Zusammenhang gerissen haben. Bei der Debatte 1978
ging es um eine grundsätzlich andere Orientierung, die
auf den Rückzug abstellte. Sie haben das Zitat völlig aus
dem Zusammenhang gerissen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Stimmt das Zitat?)

Für mich waren die schockierendsten Erfahrungen

nach Entebbe die Ermordung von Hanns-Martin Schleyer
und die Sprache in dem damaligen so genannten Kom-
mando-Kommunique, das den Mord dargestellt hat. Das
war für mich die völlige Verkehrung. Es war die Sprache
der Unmenschen, die kalte, zynische Sprache der Nazis.

Das war meine damalige Position. Diese habe ich an
verschiedenen Stellen artikuliert und klar zum Ausdruck
gebracht. Insofern kann ich nur sagen: Sie versuchen hier
ein Zerrbild des damaligen Joschka Fischer darzustellen,


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)





Bundesminister Joseph Fischer

13893


(C)



(D)



(A)



(B)


das nichts mit dem zu tun hat, wie ich damals gedacht
habe.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414203500
Eine zweite Zusatz-
frage des Kollegen von Klaeden.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1414203600
Herr Minister, ich
will Sie noch einmal fragen: Erstens. Stimmt dieses Zitat
oder stimmt es nicht? Zweitens. Darf ich Sie um die Er-
läuterung des Zusammenhangs bitten, in dem dieses Zitat
einen Sinn macht?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)



Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414203700

Es tut mir Leid, Herr Kollege von Klaeden, ich müsste
dieses Zitat im Zusammenhang des ganzen Artikels se-
hen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Sie sprechen von einem Zusammenhang, aus dem das Zitat gerissen ist! Dann müssen Sie ihn doch kennen!)


– Entschuldigung, ich habe Ihnen meine Position erläutert
und ich bin gerne bereit, gemeinsam mit Ihnen den ganzen
Artikel durchzugehen. Dann unterhalten wir uns noch ein-
mal.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414203800
Wir kommen zur
dringlichen Frage 2 der Kollegin Sylvia Bonitz:

Wie erklärt der Bundesminister des Auswärtigen und Vize-kanzler, Joseph Fischer, seine Äußerung im Prozess „Ich habe ge-sagt: „Geht weg von den Bomben (...) greift wieder zu den Stei-nen“ vor dem Hintergrund seiner Interviews im „Spiegel“ vom 8. Januar 2001 und im „Stern“ vom 4. Januar 2001, in denen erzumindest den Eindruck erweckt hat, nicht Anstifter zu Gewaltta-ten gewesen zu sein und selbst keine Waffen genutzt zu haben?
Bitte schön, Herr Minister.


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414203900

Frau Kollegin Bonitz, wie ich gehört habe, waren Sie ges-
tern bei dem Prozess anwesend. Das zeigt ein großes In-
teresse an meiner Zeugenvernehmung.


(Susanne Kastner [SPD]: Du lieber Gott! Alle, die was werden wollen!)


Bei der von Ihnen hier angeführten Äußerung handelt
es sich nicht um eine Äußerung anlässlich meiner Zeu-
genaussage vom 16. Januar, sondern um ein Zitat aus ei-
ner Rede, die ich, Herr Kollege Klaeden, im Jahre 1976
gehalten habe und über das wir am 16. Januar gesprochen
haben. In meiner Rede 1976 anlässlich des Pfingstkon-
gresses auf dem Römerberg ging es um das genaue Ge-
genteil eines Aufrufs zur Gewalt. Es war der Appell an
jene, die in den Untergrund gegangen waren oder ab-
zugleiten drohten, die Waffen niederzulegen, mit dem
Bomben aufzuhören und zurückzukehren. Es ging 1976

darum, diese noch zu erreichen und anzusprechen, mit
diesem mörderischen Irrsinn Schluss zu machen.

Diese Römerberg-Rede ist für jedermann in ihrer
vollen Länge nachlesbar. Sie werden auch darin sicher
den einen oder anderen Satz finden, bei dem Sie sagen
können: „Aha!“, aber dann wäre das völlig sinnentstellt.

Das war 1976 und darauf habe ich mich bezogen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414204000
Bitte, Ihre Zusatz-
frage, Frau Kollegin Bonitz.


Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1414204100
Meine erste Zusatzfrage
lautet: Wie erklären Sie sich, Herr Minister, dann den Wi-
derspruch zu Ihrer gestrigen Prozessaussage in Frankfurt?
Gestern haben Sie gesagt, dass die Spontis damals nie-
mals absichtlich Menschen verletzen oder gar töten woll-
ten. Aber gleichzeitig haben Sie damals – durchaus in dem
Kontext, der mir bekannt ist – zum Steinewerfen aufgeru-
fen. Das Steinewerfen beinhaltet doch ein erhebliches
Verletzungsrisiko, das, wie ich denke, auch Ihnen bekannt
ist. Das heißt, dass Sie damit die Schädigung von Perso-
nen und auch von Sachen gebilligt oder zumindest in Kauf
genommen, wenn nicht sogar dazu angestiftet haben, und
zwar immerhin als „Comandante“ – das ist der Begriff,
der immer wieder auftaucht – der Putzgruppe, die in der
Szene damals den Spitznamen „Proletarische Union für
Terror und Zerstörung“ hatte. Vielleicht können Sie in Ih-
rer Antwort freundlicherweise auch auf diese Namens-
gebung eingehen.


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414204200

Den Begriff „Proletarische Union für Terror und Zer-
störung“ höre ich jetzt zum ersten Mal.


(Lachen bei der CDU/CSU)

– Es tut mir Leid. Ich habe in den vergangenen Tagen
manches zum ersten Mal gehört.

Das ist interessant, weil der Begriff nicht „Proletari-
sche Union für Terror und Zerstörung“ war. Wer ein biss-
chen Südhessisch kann, weiß genau, woher der „Putz“
kommt. Wenn Sie dann noch den italienischen Ursprung,
nämlich „Casino“, nehmen, dann haben Sie es. Allein
„proletarische Union“ ist eine spontiwidrige Vorstellung.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sie scheinen uns mit der ML zu verwechseln, Frau Kol-
legin.

Im Übrigen sehe ich da überhaupt keinen Widerspruch.
Ich will es einmal zugespitzt sagen: Hätte mein Aufruf
„Legt die Waffen nieder, lasst das Bomben sein, nehmt die
Steine wieder in die Hand“ – der nicht nur in meinem Na-
men erfolgt ist, aber ich habe ihn gemacht und verant-
worte ihn – doch damals Erfolg gehabt! Wäre es damals,
1976, so gekommen, dann wäre uns viel mörderischer Irr-
sinn erspart geblieben. Dann wären viele, die ermordet
wurden, noch am Leben. Deswegen sehe ich in meiner
damaligen Haltung überhaupt keinen Widerspruch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)





Bundesminister Joseph Fischer
13894


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414204300
Eine zweite Zusatz-
frage der Kollegin Bonitz.


Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1414204400
Gestatten Sie ganz kurz,
dass ich erläutere, wer diesen Namen überhaupt verwandt
hat: Es war Christian Schmidt in seinem Buch „Wir sind
die Wahnsinnigen“. Dieser Begriff ist daneben immer
wieder in Pressepublikationen aufgetreten.


(Zurufe von der SPD: Neue Bibel! – Pflichtlektüre!)


– Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß nicht, warum
Sie dieses Thema so aufregt und Sie so viele Zurufe ma-
chen. Wir wollen diesen Fragenkomplex sachlich abar-
beiten.


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine zweite Frage bezieht sich darauf, dass Sie unter
dem Wort „Hinlangen“ offensichtlich auch das Steine-
werfen verstehen. Den Begriff „Hinlangen“ verwenden
Sie in einer im Grunde genommen banalisierenden Art
und Weise. Im Terroristenprozess vor dem Frankfurter
Landgericht und in verschiedenen Interviews haben Sie
gesagt: „Wir haben auch kräftig hingelangt“. Was heißt
das eigentlich konkret? Was zählen Sie zu diesem „Hin-
langen“? Das Schlagen von Personen, das Treten von Per-
sonen, das Werfen mit Steinen


(Jörg Tauss [SPD]: Geld kassieren!)

oder vielleicht auch das Werfen von Brandsätzen? Wo ist
die Grenze dieses Hinlangens? Ist es das Prügeln?

Ich frage das auch in folgendem Zusammenhang: Wel-
ches Maß an Gewalt hielten Sie damals und auch heute in
welchen Situationen für tolerabel?


(Dr. Peter Struck [SPD]: Jetzt ist aber bald genug!)


Ich denke zum Beispiel daran, dass Sie noch in den
90er-Jahren anlässlich von Castor-Transporten Gewalt
nicht abgelehnt haben.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Duden gibt Auskunft über das Wort „hinlangen“!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414204500
Frau Kollegin Bonitz,
das ist eine ganze Serie von Fragen. Jetzt müssen Sie dem
Herrn Minister die Chance geben zu antworten.


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414204600

Frau Kollegin Bonitz, ich habe in den 90er-Jahren anläss-
lich von Castor-Transporten nicht zu Gewalt aufgerufen.
Ich erinnere mich sehr gut daran, dass das Gegenteil der
Fall war.

Damit ich nicht missverstanden werde: Wenn ich die
Position des damaligen Joschka Fischer bezogen auf das
Steinewerfen, wozu ich mich bekenne, benannt habe,
dann nicht affirmativ-bestätigend, sondern unter dem
Gesichtspunkt, dass dies falsch war, dass es aus meiner
Sicht eine enorme Gefahr bedeutet, Gerechtigkeit und

Recht, beginnend im Kopf, zu trennen. Ich will mein da-
maliges Vorgehen nicht rechtfertigen. Ich stehe dazu, weil
es meine Geschichte ist, aber nicht in dem Sinne: Das war
toll. – Das war Teil meiner Erfahrungen. Es gab damals
ohne jeden Zweifel auch gewaltfreie Teile, zu denen ich
nicht gehörte.

In meiner Antwort zur ersten dringlichen Frage bin ich
sehr präzise – mir wurde ja soeben vorgeworfen, dass ich
weitschweifig war – auf alle anderen Punkte eingegangen.
Ich habe dargelegt, was ich getan habe und was ich nicht
getan habe. Ich habe mich mit Polizisten geprügelt. Ich
wurde von ihnen verprügelt und dann und wann habe auch
ich einen Polizisten verprügelt. Aber ich habe nie auf am
Boden Liegende getreten. – Wenn anderes behauptet
wird, weise ich dies zurück. Wer mich kennt, weiß, dass
ich das aus guten Gründen zurückweisen kann. – Das soll-
ten Sie akzeptieren.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das macht es nicht wesentlich besser!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414204700
Das Wort zu einer Zu-
satzfrage erteile ich dem Kollegen Helmut Lippelt.


Dr. Helmut Lippelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414204800

Herr Minister, stimmen Sie mir darin zu, dass es für eine
so große Fraktion wie die CDU/CSU, die hier sehr stark
vertreten ist und deren Mitglieder die „FAZ“ bekanntlich
sehr gründlich lesen – hinter der „FAZ“ stecken ja kluge
Köpfe –, ein Armutszeugnis ist, dass sie sich mit Ihrem
Verhältnis zur Gewalt beschäftigt, ohne die reichhaltige
Dokumentation, die in der „FAZ“ abgedruckt wurde und
die Ihren grundsätzlichen Artikel von 1976, in dem Sie
sich mit den damaligen Geschehnissen auseinander setz-
ten, enthält – dieser Artikel liegt vor und ist nachlesbar;
Sie haben sich auf ihn bezogen –, zur Kenntnis zu neh-
men?


(Zuruf von der CDU/CSU: Wie ist die Frage?)

– Ich frage, ob der Minister Ihr Verhalten nicht auch für
politisch sehr begründet, inhaltlich aber wirklich für ein
Armutszeugnis hält. Es werden 16 Fragen gestellt, ohne
die Dokumente der grundsätzlichen Auseinandersetzung
des Außenministers in seiner Jugend mit dem Problem der
Gewalt zur Kenntnis zu nehmen. Ich meine die Artikel
von 1976 und von 1978.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414204900
Herr Minister, Sie ha-
ben das Wort.


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414205000

Herr Kollege Lippelt, als Beantwortung Ihrer Frage: Ich
begreife dies nicht als einen Prozess der Wahrheitsfin-
dung, sondern als eine völlig legitime politische Ausei-
nandersetzung, und so findet sie auch hier statt.


(Dr. Peter Struck [SPD]: So ist das nicht legitim! Das ist eine Schmutzkampagne!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414205100
Herr Kollege
Hohmann, eine Zusatzfrage.






(C)



(D)



(A)



(B)



Martin Hohmann (AfD):
Rede ID: ID1414205200
Herr Minister, Sie
haben soeben zugestanden, dass Sie Steine geworfen ha-
ben. Können Sie ausschließen, dass Sie mit Ihren Stein-
würfen Menschen getroffen und verletzt haben?


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414205300

Nach meinen Erkenntnissen ja.


Martin Hohmann (AfD):
Rede ID: ID1414205400
Sie können also aus-
schließen, dass Sie Menschen bei den Steinwürfen getrof-
fen und verletzt haben?


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414205500

Mir ist davon nichts bekannt. Es müsste mir bekannt sein,
wenn ich es bejahen sollte.


Martin Hohmann (AfD):
Rede ID: ID1414205600
Warum haben Sie
denn dann die Steine geworfen?


(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Haben Sie die einfach in die Luft geworfen?

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wissen Sie, warum? Damit er Ihre dämliche Frage nicht mit Ja beantworten muss!)



Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414205700

Ich habe die Steine einfach in die Luft geworfen, ja.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Uwe Hiksch [PDS])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414205800
Das Wort zu einer
weiteren Zusatzfrage erteile ich Herrn Kollegen Pflüger.


Dr. Friedbert Pflüger (CDU):
Rede ID: ID1414205900
Herr Bundesmi-
nister, ich möchte Sie fragen, wann Sie aufhören wollen,
uns Gewalt gegen Polizisten, das Verprügeln von Polizis-
ten und das Treten nach Polizisten als Gegengewalt gegen
Polizisten, die prügeln, darzustellen.

Ich möchte Sie zweitens fragen: Wo beginnt für Sie ei-
gentlich genau Terrorismus? Wo beginnt für Sie – –


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie können gar nicht „zweitens“ fragen!)


– Dann stelle ich eine Zusatzfrage und warte, bis ich die
nächste stellen kann.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414206000
Herr Minister, bitte.


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414206100

Herr Kollege Pflüger, ich bin permanent in der Situation,
etwas erklären zu sollen, ohne es zu rechtfertigen. Aber
ich muss es erklären, wenn wir über das damalige Verhal-
ten sprechen. Das werden gerade Sie verstehen. Ich
möchte jetzt nicht noch einmal die ganze Situation vor

Ihren Augen entstehen lassen, was es bedeutet, wenn man
selbst einmal Opfer eines Übermaßes an staatlicher Ge-
walt geworden ist.


(Zuruf von der F.D.P.: Wir haben das nie erfahren!)


– Entschuldigung, es mag sein, dass Sie das nie erfahren
haben.

Ich möchte jetzt nicht den ehemaligen Polizeipräsiden-
ten von Frankfurt, Müller, der damals für uns eine – ich
sage es nochmals – Hassfigur war – im Rückblick auch
dies eine Verblendung –, zitieren. Ich könnte jetzt zitieren,
wie er gegenüber AP die damalige Situation dargestellt
hat. Nur geht es mir nicht darum, das zu rechtfertigen. Aus
heutiger Sicht oder schon aus der Sicht nach 1977 war
dies etwas, was wir nicht hätten tun sollen und tun dürfen.
Insofern müssen Sie nicht annehmen, mich an diesem
Punkt mit dem Nachgang von fast 30 Jahren noch auf den
Pfad der Gewaltfreiheit bringen zu müssen. Ich meine,
das hat mein bisheriges politisches Leben klargemacht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Herr Kollege Pflüger, wenn ich in Kommentaren se-
riöser Blätter lese, dass 1968 und der Frankfurter Häuser-
kampf, bei dem es um den Erhalt des Westends ging, mit
der Noltedebatte oder gar mit dem Nationalsozialismus
vergleichbar seien, muss ich Ihnen allerdings sagen: Hier
scheinen die Proportionen völlig verloren gegangen zu
sein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Bei allem, was wir falsch gemacht haben, bei allem, wofür
wir Verantwortung zu übernehmen haben, wofür wir uns
zu entschuldigen haben und wovon wir uns zu trennen
hatten, war es doch letztendlich eine Freiheitsrevolte mit
Elementen totalitärer Gewalt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/ CSU)


An diesem Punkt, Herr Kollege Pflüger, bin ich dann an-
derer Meinung. Es hatte totalitäre Elemente, es hatte ge-
walttätige Elemente, zu denen ich persönlich auch zu ste-
hen habe; aber 1968 und das Folgende hat zu mehr
Freiheit und nicht zu weniger Freiheit in diesem Lande
geführt. Das ist meine Haltung bis heute.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Uwe Hiksch [PDS])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414206200
Kollege Pflüger, ich
erlaube Ihnen noch eine Zusatzfrage.


Dr. Friedbert Pflüger (CDU):
Rede ID: ID1414206300
Herr Bundesmi-
nister, Sie haben eben gesagt, dass Sie sich vom Terroris-
mus nicht nur distanziert, sondern ihn immer bekämpft
haben. Ich zweifle gar nicht daran, dass Sie Leute aufge-
fordert haben, nicht Terroristen zu werden. Herr Kollege
Lippelt hat eben von der Dokumentation in der „FAZ“ ge-






(C)



(D)



(A)



(B)


sprochen. Dort wird folgende Äußerung von Joschka
Fischer auf dem Pfingstkongress des Sozialistischen
Büros aus dem Jahr 1976 zitiert:

Gerade weil unsere Solidarität den Genossen im
Untergrund gehört, weil wir uns so eng mit ihnen
verbunden fühlen, fordern wir sie auf, Schluss zu
machen, die Bomben wegzulegen und die Steine
wieder aufzunehmen. Aber wir können uns nicht ein-
fach von der Stadtguerilla distanzieren, weil wir un-
ter demselben Widerspruch leiden.

War die Distanzierung vom Terrorismus eine grundsätzli-
che oder war sie nicht vielmehr eine taktische,


(Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Eine waffentechnische!)


weil die revolutionäre Situation für den Terrorismus nicht
reif gewesen ist?


(Widerspruch bei der SPD)



Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414206400

Kollege Pflüger, ich will hier zu der Frage, ob eine revo-
lutionäre Situation da gewesen ist, eine sehr ernste, nach-
denkliche Antwort versuchen, auch wenn ich weiß, dass
auch das wieder entsprechende Reaktionen mit sich brin-
gen wird: Ja, Teile der neuen Linken damals haben eine
revolutionäre – das heißt auch: eine gewalttätige, eine
nicht demokratische – Politik nicht grundsätzlich ausge-
schlossen. Das war der eigentliche politische Fehler, den
ich mir selbst vorwerfe. Das ist der eigentliche Kern. Als
ich die Schriften etwa von Manès Sperber oder
Solschenizyn Anfang der 70er-Jahre zum ersten Mal in
den Händen hatte, habe ich sie sofort wieder weggelegt
– ab Mitte der 70er-Jahre habe ich sie verschlungen –; das
ist der eigentliche politische Vorwurf, den ich mir selbst
mache, bis heute. Daraus ist das entstanden. Ich bin gerne
bereit, darüber sehr ernsthaft zu diskutieren. Ich sage das
hier in aller Offenheit.

Aber was Sie ansprechen, ist etwas völlig anderes:
Diese Rede ist sehr genau überlegt worden. Es war der
Versuch, Leute daran zu hindern, in den Untergrund zu
gehen, und es war der Versuch, die im Untergrund zu
überzeugen. Dass sie teilweise darüber gelacht haben, ist
das eine; dass andere darüber diskutiert haben, ob man
Cohn-Bendit und Fischer nicht eliminieren muss, habe ich
vor einer Woche erfahren.


(Zuruf von der F.D.P.)

– Nein, ich werde nicht zum Opfer. – Gerade in dieser
Antwort habe ich versucht, klar zu machen, wo ich den
Kernfehler sehe: in der Entscheidung – nicht nur meiner,
sondern der politischen Entscheidung –, auf Gewalt zu
setzen unter dem Signum der Revolution, gegen die ent-
stehende Demokratie der Bundesrepublik Deutschland.
Ich stelle mich zu dieser Verantwortung, weil das für mich
bis heute den Kern des Problems ausmacht. Das hat nichts
mit einer Rechtfertigung zu tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Uwe Hiksch [PDS])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414206500
Das Wort zu einer Zu-
satzfrage erteile ich Kollegin Antje Vollmer.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414206600

Herr Minister, da ich – wie auch Sie – finde, dass der, der
zu den 68ern gehörte, auch die Pflicht und die Verantwor-
tung hatte, sich mit Terrorismus und dieser Form der Ge-
walt auseinander zu setzen: Darf ich Sie daran erinnern,
dass es aus unserer Fraktion heraus einen Versuch ge-
geben hat, den Terrorismus zu beenden – der im Übrigen
erfolgreich war –, der darin bestand, den Dialog mit Ter-
roristen zu führen? Auch ich persönlich habe viele Ge-
spräche mit denen geführt und habe für diese Gespräche
auch andere Personen aus unserer Fraktion angeboten. Es
war so, dass den Terroristen zwei Namen am verhasstes-
ten waren, nämlich Dany Cohn-Bendit und Joschka
Fischer, und zwar genau wegen dieser Absage während
der Römerberg-Gespräche. Ist Ihnen das noch in Erinne-
rung?


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414206700

Mir ist das im Detail in Erinnerung. Ich hätte mir ge-
wünscht, dass ähnlich wie in Italien die Bemühungen,
diesen sinnlosen, mörderischen Terrorismus, den wir
noch zu Beginn unserer parteipolitischen Existenzen als
parlamentarische Fraktion mitbekommen haben, zu be-
enden, früher erfolgreich gewesen wären. Im Übrigen
habe ich dazu aus meiner Sicht schon alles gesagt.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414206800
Eine letzte Zusatz-
frage zu dieser Frage, Herr Kollege von Klaeden.


Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1414206900
Ich möchte die
Frage der Kollegin Vollmer zum Anlass nehmen, zunächst
einmal festzustellen, dass an meiner Aussage, Sie hätten
dem Terrorismus eine Absage erteilt, wohl so viel nicht
falsch gewesen sein kann, wenn, wie ich gerade gehört
habe, das dazu geführt hat, dass Sie so verhasst gewesen
seien.

Weil die Initiative der Fraktion zur Bekämpfung des
Terrorismus angesprochen worden ist, will ich Sie etwas
fragen: Ihr Freund Daniel Cohn-Bendit hat gestern in n-tv
gesagt, dass er den Terroristen Hans-Joachim Klein bei
seiner Flucht und in seinem Versteck finanziell unterstützt
hat.

Ich frage Sie erstens, ob auch Sie eine solche oder an-
dere Unterstützung geleistet haben, und zweitens: Wuss-
ten Sie, dass Daniel Cohn-Bendit diese Unterstützung leis-
tet, und haben Sie von dem Aufenthaltsort Kleins
gewusst?


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414207000

Ich habe gestern vor Gericht diesbezüglich – wie Ihnen
Ihre dort anwesende Kollegin sicherlich berichtet hat –
klar und eindeutig, ohne danach gefragt worden zu sein,
Stellung genommen. Ich will dies aber auch für Sie hier
tun: Nein, an mich wurde nicht herangetreten. Insofern
habe ich auch nichts davon gewusst. Allerdings, wäre
man an mich herangetreten – diese Frage haben Sie nicht




Dr. Friedbert Pflüger

13897


(C)



(D)



(A)



(B)


gestellt, ich beantworte sie dennoch –, hätte ich ihm auch
geholfen, aus der Terrorszene auszusteigen.

Ich nehme an, Sie wissen, dass Dany Cohn-Bendit in
Absprache mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz al-
les versucht hat, Herrn Klein dazu zu bringen, dass er sich
stellt. Ihm werden schwerste Taten vorgeworfen. Dafür
wird er ein Urteil bekommen, das er akzeptieren muss. Es
ist aber etwas völlig anderes, sich dann von dem Men-
schen zu distanzieren, nicht von dem, was er getan hat,
sondern von dem Menschen, der auch nach dem Urteil ei-
nen Anspruch auf Achtung seiner Menschlichkeit hat.
Dies gilt vor allen Dingen dann, wenn es darum geht, dass
er aussteigt.

Von der damaligen Situation Ende der 70er-Jahre weiß
ich: Dany Cohn-Bendit wurde teilweise physisch ange-
griffen. Der „Pflasterstrand“, den Sie heute zitieren,
wurde unter anderem wegen bestimmter Artikel direkt an-
gegriffen. Dany Cohn-Bendit – ein politischer Freund,
dem ich sehr viel verdanke, weil ich nicht weiß, wo ich,
der junge Joschka Fischer, und viele andere in Frankfurt
ohne ihn gelandet wären – hat weiß Gott unter anderem
auch durch das, was er für Hans-Joachim Klein gemacht
hat, viel dazu beigetragen, diesen mörderischen Irrsinn
wirklich zu beenden. Dass er am Ende nicht erfolgreich
war, ist eine Tragödie, die er mit sich selbst herumträgt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Uwe Hiksch [PDS])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414207100
Wir kommen damit
zur Frage 13 des Abgeordneten Volker Kauder:

In welcher konkreten Art und Weise war der Bundesminister
des Auswärtigen und Stellvertreter des Bundeskanzlers, Joseph
Fischer, an der Vorbereitung und Ausführung einer militanten De-
monstration am 10. Mai 1976 in Frankfurt am Main beteiligt, bei
der ein gezielt geworfener Brandsatz den Polizeibeamten J. W. in
seinem Einsatzfahrzeug am Rossmarkt entflammte, und trifft es
zu, dass der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph Fischer, sich
am Vorabend dieser „Schlacht“ für den Einsatz von Brandsätzen
ausgesprochen hat (vgl. „Der Spiegel“ vom 8. Januar 2001)?


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414207200

Herr Kollege Kauder, nein, ich habe damals weder ein
Strategietreffen geleitet noch hatte ich die von Ihnen un-
terstellte Einstellung.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414207300
Zusatzfrage.


Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1414207400
Herr Außenminister, ha-
ben Sie an diesem Treffen am 9. Mai 1976, am Vorabend
dieser Großdemonstration, bei der die Molotowcocktails
geflogen sind, teilgenommen, wenn Sie jetzt schon be-
haupten, Sie hätten die Sitzung nicht geleitet?


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414207500

Aus meiner Erinnerung habe ich daran teilgenommen.
Aber ich habe eine völlig andere Erinnerung an dieses
Treffen, als das, was 1998 dargestellt wurde. Insofern
muss ich das entschieden zurückweisen.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414207600
Eine zweite Zusatz-
frage.


Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1414207700
Ich habe nicht behaup-
tet, dass Sie dabei waren. Ich habe auch nichts zum Inhalt
gesagt.


(Joseph Fischer, Bundesminister: Oh, Herr Kauder!)


Ich habe Sie in meiner Zusatzfrage nur gefragt, ob Sie an
diesem Treffen teilgenommen haben,


(Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das hat er gesagt!)


in dem nach Auskünften von Teilnehmern über den Ein-
satz von Molotowcocktails gesprochen wurde.

Aber nun zu meiner zweiten Zusatzfrage: Herr Außen-
minister, ist es richtig, dass in den 90er-Jahren in der Frak-
tion Bündnis 90/Grüne eine Gewaltdebatte im Zusam-
menhang mit Castortransporten geführt worden ist und
dass Sie sich zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich auch für
den Einsatz von Gewalt in der Demokratie ausgesprochen
haben?


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?)



Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414207800

Herr Kollege Kauder, man bekommt ja einiges mit. Wir
sind eine offene Gesellschaft, ein offenes Parlament und
offene Fraktionen. Dass sich die Informantin nicht traut,
diese Frage im Angesicht ihrer ehemaligen Fraktions-
kollegen selbst zu stellen, sondern Sie vorschickt, finde
ich traurig.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Zur Sache kann ich Ihnen nur sagen, dass ich es von der
politischen Haltung her erbärmlich finde. Die Grünen ha-
ben der CDU/CSU keine Rechenschaft abzulegen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/ CSU)


Ich muss Ihnen sagen, dass ich mich wirklich sehr
zurückhalten muss.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Psychische Gewalt!)


Meine Damen und Herren von der Union, wir reden nicht
über das, was ich mir aus meiner Vergangenheit in den
70er-Jahren zu Recht vorhalten lassen muss, sondern wir
reden ganz offensichtlich über eine Information einer ehe-
maligen Kollegin, die Ihnen zugespielt wurde. Diese In-
formation ist schlicht falsch. Die Kollegin hat wohl nicht
den Mut, selbst zu fragen.

Sie verdächtigen meine Fraktion, dass wir uns damals,
als ich noch Fraktionsvorsitzender war, für Gewalt einge-
setzt haben. Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Das gilt we-
der für mich noch für meine Fraktion. Es ist erbärmlich,




Bundesminister Joseph Fischer
13898


(C)



(D)



(A)



(B)


was Sie hier machen, Herr Kollege Kauder. Das ist doch
das Allerletzte!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Abg. Volker Kauder [CDU/ CSU] meldet sich zu einer weiteren Zusatzfrage)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414207900
Kollege Kauder, nach
der Geschäftsordnung hat jeder Fragesteller zwei Zusatz-
fragen, die Sie schon verbraucht haben.


Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1414208000
Herr Präsident – –


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414208100
Herr Kauder, schil-
dern Sie uns ganz kurz, warum Sie noch eine dritte Frage
haben wollen.


Volker Kauder (CDU):
Rede ID: ID1414208200
Ich wollte nur sagen:
Die Art und Weise, wie der Herr Außenminister versucht,
nicht auf Fragen einzugehen, ist unerträglich.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414208300
Kollege Kauder, was
Sie gemacht haben, ist außerhalb der Geschäftsordnung.
Sie können in einer politischen Debatte jeden Kommen-
tar abgeben, aber in der Fragestunde muss man sich an das
Frage-und-Antwort-Spiel halten. Das heißt, der Antwor-
tende hat das Recht, so zu antworten, wie er es für richtig
hält. Sie können kommentieren, wo immer Sie wollen,
aber nicht in einer neuen Frage.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Eine Zusatzfrage der Kollegin Bonitz.


Sylvia Bonitz (CDU):
Rede ID: ID1414208400
Herr Minister, aus der Er-
regung bei Ihrer Antwort schließe ich, dass Sie fürchten,
Ihnen könnte heute ein immer noch nicht ganz differen-
ziertes Verhältnis zur Gewalt unterstellt werden, wie es in
Ihrem Amt erforderlich ist.

Um dies zu verdeutlichen, werde ich dazu eine kon-
krete Frage stellen, die sich auf die jüngste Zeit bezieht.
Es geht nicht nur um Vorgänge von vor 25 oder 30 Jahren.
Ist es zutreffend, wie in der „Welt am Sonntag“ vom
vergangenen Wochenende zu lesen war, dass Sie noch
1998, und zwar in einem Interview am 4. März 1998, Fol-
gendes gesagt haben:

Ich war nie gewaltfrei. Ich bin es heute noch nicht in
meinen Überzeugungen. Ich war nie gewaltfrei und
in dieser Zeit schon gar nicht.

Haben Sie dies so gesagt?


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414208500

Als Nächstes kommt sicherlich die Frage: Schlagen Sie
Ihre Frau?

Ich muss Ihnen sagen: Meine Position habe ich mehr
als sehr klar erläutert. Ich habe gesagt: Für mich ist auf-
grund meiner Erfahrung Gewalt verabscheuungswürdig.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Gewalt gegen Sachen oder Personen?)


– Gewalt im Allgemeinen. Die Differenzierung zwischen
Sachen oder Personen ist mit mir nicht zu machen. Ich bin
gegen Gewalt.


(Zuruf von der CDU/CSU: 1998!)

– Ich komme gleich auf 1998 zu sprechen.

Ich bin aufgrund meiner Erfahrungen ein überzeugter
Anhänger des staatlichen Gewaltmonopols geworden,
weil ich erlebt habe, wohin nicht staatliche Gewalt führen
kann und was es bei der eigenen Person bewirken kann.

Ich komme jetzt auf das Jahr 1998 zu sprechen. Wenn
nichts mehr hilft, kann ich allerdings Gewalt als allerletz-
tes Mittel nicht ausschließen; denn sonst hätte ich doch
zurücktreten müssen,


(Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)

bevor der Kosovo-Einsatz – –


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Staatsgewalt!)


– Ja, ich habe mich auf die Staatsgewalt bezogen. Sie kön-
nen mir vieles unterstellen, aber doch nicht, dass ich 1998
gesagt habe: Eigentlich bin ich dafür, dass man ordentlich
draufhauen sollte, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Das
mag bei der CDU/CSU die Sicht von Fischer sein. Aber
das ist doch grotesk und das wissen Sie ganz genau.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Gerade bei Frau Merkel wundert mich das: Wir haben
am 9. November doch zusammen demonstriert, wo es
sehr eng wurde.


(Zuruf von der CDU/CSU: Nicht gehauen!)

– Nicht gehauen, sondern ganz im Gegenteil: aneinander
gehangen!


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414208600
Eine Zusatzfrage des
Kollegen Hohmann.


Martin Hohmann (AfD):
Rede ID: ID1414208700
Herr Minister, Sie ha-
ben eben gesagt, dass Sie an dem bewussten Treffen am
9. Mai,


(Peter Dreßen [SPD]: Welches Jahr?)

bei dem es darum ging, ob Brandflaschen eingesetzt wer-
den sollten oder nicht, zumindest dabei gewesen sind. Ich
möchte konkret fragen: Haben Sie jemals Brandflaschen
hergestellt oder waren Sie an der Herstellung von Brand-
flaschen beteiligt?


(Susanne Kastner [SPD]: Das ist ja so dumm! Solche dummen Fragen!)





Bundesminister Joseph Fischer

13899


(C)



(D)



(A)



(B)



Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414208800

Ich verweise auf meine Antwort zu Frage 1. Ich habe das
klar und definitiv verneint.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414208900
Eine Zusatzfrage des
Kollegen Wilhelm.


Hans-Otto Wilhelm (CDU):
Rede ID: ID1414209000
Herr
Minister, Christian Schmidt hat in seinem Buch zu der
Frage Ihres Einsatzes an diesem Abend eine andere Dar-
stellung als Sie gegeben. Er hat ausgeführt, dass Sie ve-
hement für die – wie er formuliert – „Wunderwaffe“ plä-
diert hätten. Nur einer kann Recht haben: er oder Sie.

Wenn er Unrecht hat, warum sind Sie dann gegen die
Behauptungen in seinem Buch nicht gerichtlich vorge-
gangen? Beabsichtigen Sie, vor dem Hintergrund der ak-
tuellen Diskussion dies noch zu tun?


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414209100

Ich bin auch nicht gerichtlich gegen die Behauptungen der
hessischen CDU und anderer, ich wäre der Karry-Mörder,
vorgegangen. Andere behaupten, ich wäre ein Polizeispit-
zel gewesen. Die Tatsache, dass ich nicht dem Haftrichter
vorgeführt wurde, wird ja mitnichten als entlastend inter-
pretiert. Es wurde gefragt: Warum wurde der nicht dem
Haftrichter vorgeführt? Eine Antwort könnte sein, dass
nichts Gewichtiges gegen mich vorlag. Der damals ver-
antwortliche Polizeipräsident hat dies vor zwei Tagen ge-
nau so gesagt. Es wird behauptet, es fehlten Akten beim
Staatsschutz, und dabei wird sofort unterstellt, Fischers
langer Arm hätte die Akten verschwinden lassen. Es wird
behauptet, ich wäre ein Polizeispitzel gewesen, weil ich
beim Staatsschutz in die Mangel genommen wurde und
dann ausgepackt hätte. Deswegen seien auch die Akten
verschwunden. Ich habe das zum ersten Mal gehört und
werde auch dagegen nicht vorgehen.

Heute habe ich auf dem Wege hierher einen Anruf be-
kommen, in dem mir mitgeteilt wurde, dass behauptet
wird, westliche Geheimdienste hätten noch Akten über
mich, nach denen ich mit ihnen kooperiert hätte. Die
nächste Stufe werden östliche Geheimdienste sein.


(Lachen bei der SPD)

Gegen all das werde ich nicht vorgehen, weil das Spiel
völlig klar ist: Es werden Behauptungen aufgestellt, die
sich auf Erinnerungen gründen. Herr Schmidt hat solche
Behauptungen 1998 – also 22 Jahre nach den Vorfällen –
zum ersten Mal formuliert. Es werden Behauptungen aus
dem Gedächtnis aufgestellt und wir erleben doch gegen-
wärtig im Zusammenhang mit Herrn Schäuble und Frau
Baumeister, was Behauptungen aus dem Gedächtnis be-
wirken.

Soweit ich es mitbekomme, ist es doch in der hessi-
schen CDU schwierig, sich an die vergangenen Wochen
oder Monate zu erinnern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Tun Sie doch nicht so, als ob das bei Ihnen eine Chorkna-
ben- oder Chormädchenveranstaltung wäre. Wenn ich mir
in diesem Zusammenhang die Gedächtnislücken bzw. Ge-
dächtnisleistungen ansehe, muss ich Ihnen sagen: Ich
habe Ihnen hier klipp und klar Antwort gegeben. Im Übri-
gen können Sie im „Spiegel“ schon wieder eine andere
Version lesen.

Jetzt werden Sie mich gleich wieder fragen: Haben Sie
gesagt: „Sei es drum“? Ich werde also 25 Jahre danach ge-
fragt, ob ich „Sei es drum“ gesagt hätte. Herr Wilhelm:
Was haben Sie vor 5 Jahren auf einer CDU-Kreisver-
sammlung gesagt? Es wird behauptet, ich hätte die Ver-
sammlung geleitet. Die meisten Sponti-Versammlungen
wurden überhaupt nicht geleitet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Uwe Hiksch [PDS])


Es gibt über mich einen Artikel, den Sie gerne nachlesen
können. Darin wird ausgeführt, dass ich, als ich 1983 zum
ersten Mal in den Bundestag gewählt wurde, über das for-
melle Sitzungsgebaren kulturell schockiert war, weil ich
das überhaupt nicht gewöhnt war. Es wird weitergehen
und plötzlich behauptet werden: „Herr Carlos: Cohn-
Bendit und Fischer waren unser Waffendepot.“ Was wird
der nächste Vorwurf sein?


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414209200
Das Wort zu einer Zu-
satzfrage erteile ich der Kollegin Vollmer.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414209300

Herr Minister, Sie haben mir schon teilweise das Stich-
wort geliefert. Im Hinblick auf das besagte Treffen am
9. Mai möchte ich Sie fragen: Könnte es schlichtweg sein,
dass die Kollegen von der CDU/CSU – das kann man mi-
lieu- und altersmäßig sehr gut verstehen – einfach keine
Ahnung haben, wie ein Sponti-Treffen aussah,


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, bei der SPD sowie des Abg. Uwe Hiksch [PDS])


dass sie sich ein Sponti-Treffen ungefähr wie eine Partei-
versammlung mit Vorsitz, Tagesordnung, Wortführern
und Beschlussfassung am Ende vorstellen?


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414209400
Herr Minister.


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414209500

Frau Kollegin Vollmer, Sie haben ja weiß Gott erlebt, wel-
che Schwierigkeiten ich in der Anfangsphase der Grünen
mit dem formellen Sitzungsgebaren, der Geschäftsord-
nung, den Geschäftsordnungsanträgen, der Sitzungslei-
tung und Ähnlichem hatte.


(Zuruf: Das hat sich geändert!)

– Ja, auch das hat sich geändert. – Sie haben Recht: Mit
solchen Dingen habe ich generell ein Problem. Das gebe
ich ganz offen zu.

Politisch und intentional ist der Sinn der Fragen nach
meiner Vergangenheit klar. Das habe ich nicht zu kritisie-






(C)



(D)



(A)



(B)


ren. Aber man kann die damalige Situation nicht wirklich
bewerten, wenn man sie nicht konkret kennt.


(Walter Hirche [F.D.P.]: Haben wir auch gelesen! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.)


– Darum geht es doch gar nicht. Ich habe hier nun weiß
Gott klargemacht, ab wann es in meiner Position zur Ge-
walt einen Bruch gab, ich mich von der Gewalt distanziert
habe. Wie oft soll ich es noch wiederholen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414209600
Zu einer Zusatzfrage
erteile ich dem Kollegen Siemann das Wort.


Werner Siemann (CDU):
Rede ID: ID1414209700
Herr Minister, Sie ha-
ben eingeräumt, militant gewesen zu sein und sich straf-
rechtlich relevant verhalten zu haben. Sie haben sich dafür
entschuldigt und erwecken hier den Eindruck, dass es da-
mit für Sie erledigt sei. Billigen Sie die gleichen Entlas-
tungs- und Bagatellisierungsmöglichkeiten den Tätern zu,
die sich, links- und rechtsextremistisch motiviert, heute
genauso verhalten wie Sie damals?


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414209800

Ich muss zurückweisen, dass ich hier irgendetwas baga-
tellisiert habe. Das muss ich klar sagen.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Ich habe – Sie haben das angesprochen – es immer für

verachtenswert gefunden – ich finde das bis heute so –,
Schwächere zu schlagen und zu treten. Wir haben uns da-
mals nicht gegen die Bewohnerinnen und Bewohner, die
teilweise auf übelste Art und Weise malträtiert und trak-
tiert wurden, gewandt. Wir haben damals versucht, Fami-
lien von so genannten Gastarbeitern und Arbeitsemi-
granten zu beschützen.


(Widerspruch bei der CDU/CSU – Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Vor wem?)


– Oh ja! Das kann ich Ihnen sagen: zum Beispiel vor
Trupps, die versuchten, Häuser auf illegale Art und Weise
mieterfrei zu bekommen, weil sie im Sanierungsgebiet la-
gen und abgerissen werden sollten. Das rechtfertigt
nicht – ich sage das ausdrücklich, damit ich gleich nicht
wieder missverstanden werde – den Schritt zur Gewalt.
Aber Sie müssen den Unterschied zwischen heute und da-
mals sehen. Darauf lege ich sehr großen Wert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414209900
Ich erteile der Kolle-
gin Buntenbach das Wort zur letzten Zusatzfrage zu die-
ser Frage.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

riges Zeugnis von mangelnder Auseinandersetzung mit

der neueren und neuesten Geschichte und der politischen
Kultur, wenn man sich wie die CDU/CSU so sehr in lieb
gewonnene Ideologien verbissen hat, dass man trotz all
der erschreckenden Bilder von rassistischer und rechtex-
tremer Gewalt den Rechtsextremismus mit dem Linksex-
tremismus gleichsetzt und jetzt die Lücke, die mangels
aktueller Bilder von linksextremer Gewalt entstanden ist,
mit einem historischen Rückgriff füllt, weil einem alte
und falsche Ideologien wichtiger sind als die gesell-
schaftliche Realität, und teilen Sie die Auffassung, dass
eine solche Gleichsetzung nicht nur sachlich völlig ver-
fehlt ist, sondern allzu oft auch dem Zweck dient, sich aus
der Verantwortung für die Bekämpfung des Rechtsextre-
mismus zu stehlen?


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: „Linker Mord ist besser als rechter Mord!“)



Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414210000

Frau Kollegin Buntenbach, was den Zwischenruf „Linker
Mord ist besser als rechter Mord“ betrifft, so sehe ich im
wiedervereinigten Deutschland einen Riesenfortschritt.
Dieser besteht darin, dass das – hoffentlich – in unserer
Geschichte, und zwar hauptsächlich die Linken und nicht
die Rechten betreffend, nie wieder eine Rolle spielt. Ich
denke, das ist einer der ganz großen Fortschritte. Dazu
haben namhafte Christdemokraten – ich darf an Richard
von Weizsäcker mit seiner Rede 1985, aber auch an
Helmut Kohl mit seiner Europapolitik und andere er-
innern – wesentlich beigetragen.


(Zurufe von der CDU/CSU: Heuchlerisch!)

Ich möchte an Sie appellieren, dass wir das Denken

„Linker Mord ist besser als rechter Mord“ oder „Rechter
Mord ist besser als linker Mord“


(Unruhe bei der CDU/CSU)

– lassen Sie mich das einmal erläutern – lassen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will Ihnen auch an dieser Stelle noch einmal sagen:
Das, was Linke in den 70er-Jahren getan haben, nämlich
Menschen zu Schweinen zu erklären und zu meinen, sie
ermorden zu dürfen, und dieses als revolutionäre Tat zu
feiern, ist das Schlimmste, was sich die Linke, die damals
zur Gewalt gegriffen hat, die terroristische Linke, vorzu-
werfen hat. Ich verabscheue dies.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Aber genauso sollten wir das auch für rechts gelten lassen.

(Beifall bei der SPD)


Wenn ich eine Konsequenz zu ziehen habe, dann ist es
folgende – ich sage das nochmals –: Ich werde in be-
stimmten Situationen – nicht in rechtsstaatlichen Situa-
tionen, aber dort, wo Menschen unterdrückt werden und
wo sie keine andere Alternative haben, als sich spontan zu
wehren – immer auf der Seite der Unterdrückten stehen,
die sich wehren. Ich habe dies schon gemeinsam mit
CDU- und CSU-Abgeordneten erlebt: Als damals der




Bundesminister Joseph Fischer

13901


(C)



(D)



(A)



(B)


Putsch in Moskau war, waren wir im Landtag gemeinsam
froh, als die Putschisten gewaltsam niedergeschlagen
wurden und Jelzin auf dem Panzer schließlich gesiegt hat.

Aber jenseits der Fälle, in denen Gewalt als letztes Mit-
tel für Freiheit und Leben eingesetzt wird, ist sie kein Mit-
tel der Politik. Ich bitte Sie, dabei nicht wieder zwischen
links und rechts zu unterscheiden; vielmehr muss die
Konsequenz sein, dass dies ausgeschlossen ist


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


und dass diejenigen, die die Mehrheit haben – ob es die
Linken oder die Rechten sind –, nie wieder so die Ohren
verschließen sollten, wie das unter anderem Ende der
60er-Jahre historisch bedingt gegenüber der jüngeren Ge-
neration der Fall war. Auch das sollte man nicht tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414210100
Wir kommen damit
zur Frage 14 des Kollegen Kauder:

Wenn nein, hatte der Bundesminister des Auswärtigen, Joseph
Fischer, positive Kenntnis – zum Beispiel durch seine Leitung des
„Strategietreffens“ am Vorabend der Demonstration –, dass andere
Teilnehmer im Vorfeld Brandsätze hergestellt und zum gezielten
Werfen auf Polizeibeamte aufgerufen haben?

Bitte sehr, Herr Minister.


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414210200

Herr Abgeordneter Kauder, die Frage bezieht sich im
Grunde genommen auf all das, was hier über Spontitref-
fen schon gesagt worden ist. Ich habe damals weder ein
Strategietreffen geleitet noch hatte ich die von Ihnen un-
terstellten Erkenntnisse.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414210300
Gibt es dazu
Zusatzfragen? – Kollegin Lengsfeld, bitte.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Jetzt kommt die ganz Gerechte! – Zurufe bei der SPD: Oh! – Gegenruf von der CDU/CSU: Was seid ihr tolerant, das ist ja unglaublich!)



Vera Wollenberger (CDU):
Rede ID: ID1414210400
Herr Minister, möchten
Sie erstens bitte zur Kenntnis nehmen, dass die Frage, die
der Kollege Kauder vorhin gestellt hat, nicht mit mir
abgestimmt war und dass ich auch nicht dahinter stand?

Herr Minister, möchten Sie als Zweites zur Kenntnis
nehmen,


(Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Zusatzfrage!)

dass ich mich, weil Sie bei meinem Parteiübertritt von den
Grünen zur CDU sehr fair gewesen sind, was man nicht
von allen Kollegen aus der grünen Partei, besonders den
Thüringern, sagen kann, nicht in der Öffentlichkeit gegen
Sie äußern wollte?

Ich möchte aber über den Sachverhalt sprechen, den
ich in einer Fraktionsvorstandssitzung mitgeteilt hatte.

War es nicht so, dass in einer Diskussion der grünen Bun-
destagsfraktion anlässlich der Blockade der Castor-
transporte von mir und anderen Kollegen aus der Fraktion
gefordert wurde, dass sich die grüne Fraktion von den ge-
waltsamen Vorgängen während des Castortransports dis-
tanziert, und war es nicht so, dass Sie als Fraktionsvorsit-
zender damals verhindert haben, dass dieser Antrag oder
diese Bitte der Fraktionskollegen von der Fraktion über-
nommen worden ist?


(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)



Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414210500

Gar nicht „Hört! Hört!“ – es war nicht so!


(Zuruf von der CDU/CSU)

– Nicht „lebhafte Änderungen“. – Ich sage Ihnen, Frau
Kollegin Lengsfeld: Es war nicht so! Im Gegenteil, Sie
werden öffentliche Äußerungen von mir in der damaligen
Situation finden, die definitiv und klar besagen: friedli-
cher Protest – ja! Verkehrsblockaden, Transportgefähr-
dungen etc. – nein! Das können Sie nachlesen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Nein!)


– Sicherlich können Sie das nachlesen.
Frau Kollegin Lengsfeld, ich muss ganz ehrlich sagen

– seien Sie mir nicht böse –: Ich habe von dem, was ich
vorhin gesagt habe, wirklich gar nichts wegzulassen. Ich
bin heute um eine menschliche Enttäuschung reicher ge-
worden. Das muss ich Ihnen sagen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Erst heute?)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414210600
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, mir ist mitgeteilt worden, dass die weiteren
Fragen zu diesem Themenkomplex nicht und die Fragen
zu den übrigen Geschäftsbereichen schriftlich beant-
wortet werden sollen.1)

Gemäß Nr. 1 b der Richtlinien in Anlage 5 unserer Ge-
schäftsordnung hat die Fraktion der CDU/CSU eine Ak-
tuelle Stunde beantragt.

Ich rufe auf:
Aktuelle Stunde

Ich erteile als Erstem dem Kollegen Bosbach,
CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1414210700
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister
Fischer, um es gleich auf den Punkt zu bringen: Sie waren
in den Jahren und Jahrzehnten, über die wir heute
sprechen, nicht Opfer, sondern Täter.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)





Bundesminister Joseph Fischer
13902


(C)



(D)



(A)



(B)


1) Nicht beantwortet bzw. zurückgezogen: Fragen 6, 12, 15 bis 25, 33,
36 und 37.

Sie mussten sich nicht gegen eine brutale, repressive
Staatsmacht zur Wehr setzen. Sie wollten diesen Staat
– die parlamentarische Demokratie und die freiheitlichste
Verfassung, die wir jemals hatten – angreifen. Sie wollten
unschuldige Menschen angreifen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Sie haben angegriffen und sich nicht, wie Sie hier glauben
machen wollen, verteidigt. Sie haben in einer Antwort
heute lapidar gesagt, Sie hätten Steine motivlos in die Luft
geworfen. Das ist nicht lustig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wer hat denn gesagt, dass das lustig ist, Herr Bosbach? Das ist doch Unsinn!)


Frau Kollegin Vollmer, bei allem Respekt vor Ihrem
Amt und Ihrer persönlichen Leistung: Wenn Sie hier in
einer persönlichen Bewertung ein Spontitreffen vom
9. Mai 1976 als eine Art Karnevalsveranstaltung


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit Karneval kennen Sie sich aus! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Herr Bosbach, Sie machen sich schon wieder lächerlich!)


mit politischem Touch charakterisieren – wohl wissend,
dass am nächsten Tag ein Polizeibeamter fast zu Tode ge-
kommen ist –, dann ist das in jeder Hinsicht inakzeptabel.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Ihre Vergangenheit, Herr Minister, ist heute einmal

mehr nicht zuletzt deshalb Thema, weil Sie Ihre – im
wahrsten Sinne des Wortes – fragwürdige Vergangenheit
nicht einfach wie eine alte Jeans oder einen Motorradhelm
entsorgen können. Auch mit staatsmännischer Attitüde
können Sie Ihre Vergangenheit und Ihre heutige Haltung
zu Ihrem damaligen Treiben nicht vergessen machen. Sie
wollen sich mit dem Hinweis rechtfertigen, Sie stünden zu
Ihren Taten, sie seien schließlich Bestandteil Ihrer Bio-
grafie. – Die Tat eines jeden Täters ist Bestandteil seiner
Biografie! Was soll sie anderes sein?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Karl Lamers [CDU/CSU]: Eine Leerformel!)


Sie haben bis zur Stunde ohnehin nur das zugegeben,
was man Ihnen längst nachgewiesen hat und was Sie
ernsthaft nicht bestreiten können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ihre Rechtfertigungsversuche machen die Sache nicht
besser, eher schlimmer.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie haben überhaupt nichts verstanden!)


Ihre Verteidiger sagen: Es handelt sich um Jugendsünden.
Wollen Sie ernsthaft den Angriff eines 25-Jährigen auf ei-
nen Polizeibeamten mit der Schwarzfahrt eines 15-Jähri-
gen vergleichen? Es ist doch albern, überhaupt eine sol-
che Erklärung abzugeben!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Originalzitat unseres Außenministers:
Ich habe nie bestritten, dass ich fast zehn Jahre lang
auch unter Einsatz von Gewalt die verfassungs-
mäßige Ordnung in der Bundesrepublik umstürzen
wollte. ... Wir haben uns nicht an die Regeln des
Strafgesetzbuches gehalten.

Wie sollen die Menschen folgenden Satz aus Ihrem
„Stern“-Interview verstehen?

Zuerst wurde man geschlagen, dann hat man sich
gewehrt und zurückgeschlagen. Dann begann auch
die Faszination revolutionärer Gewalt.

Wollen Sie den Menschen ernsthaft einreden,

(Jörg Tauss [SPD]: Lauter Blackouts in der CDU!)

Sie seien selber völlig schuldlos von Polizeibeamten
grundlos niedergeknüppelt worden und hätten sich dann
zehn Jahre lang in einer Art Notwehrsituation gegen die-
sen Staat verteidigen müssen?

Ihre Argumentation passt zu Ihrer neuen Hoffnungsträ-
gerin Claudia Roth – dieses Zitat muss man sich auf der
Zunge zergehen lassen –, die in N-TV Folgendes gesagt
hat:

Der Staat hat damals Fehler gemacht, war hoch
gerüstet, es gab systematische Entrechtung, Berufs-
verbote, viel Hysterie.

(Beifall bei der PDS – Carsten Hübner [PDS]: Recht hat sie!)

Vielleicht hätte es keine RAF gegeben und Ulrike
Meinhof wäre Familienministerin geworden, wenn
der Staat anders reagiert hätte.

(Zurufe der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Im Klartext: Nicht Herr Fischer oder die RAF-Terroris-

ten tragen Schuld, sondern der angeblich hoch gerüstete
Staat. Schuld am Terror waren nicht die Terroristen,
schuld am Terror war der Staat.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Nach der Ursache fragen Sie sowieso nie!)


Schuld waren nicht die Täter, schuld waren die Umstände.
Wie oft haben wir das schon von anderen gehört!


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ja, von Herrn Kohl zum Beispiel!)


Wo bleibt eigentlich, liebe Kolleginnen und Kollegen,
die flächendeckende Empörung bei der SPD angesichts
dieser Geschichtsfälschung? Gemeint ist doch der Staat
von Helmut Schmidt und Willy Brandt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Alle Attacken, die hier gefahren werden, richten sich im
Kern gegen die damalige Bundesregierung. Willy Brandt
hatte seinerzeit gesagt: „Wir wollen mehr Demokratie wa-
gen.“




Wolfgang Bosbach

13903


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414210800
Kollege Bosbach, Sie
haben Ihre Redezeit überschritten.


Wolfgang Bosbach (CDU):
Rede ID: ID1414210900
Ich komme gleich
zum Schluss.

Wenn Frau Künast sagt, Joschka Fischer repräsentiere
das Schicksal einer ganzen Generation, dann zeigt dies
das Ausmaß der Verblendung und Anmaßung und es ist
eine Beleidigung dieser Generation.


(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414211000
Ich erteile dem Kolle-
gen Peter Struck, SPD-Fraktion, das Wort.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Jetzt wird es intellektuell brillant!)



Dr. Peter Struck (SPD):
Rede ID: ID1414211100
Sehr verehrter Herr Präsi-
dent! Meine Damen und Herren! Die Beiträge, die ich
eben in der Fragestunde von den Kolleginnen und Kolle-
gen aus der Unionsfraktion gehört habe, lassen mich zu
dem Ergebnis kommen: Ihnen geht es nicht um die Sache,
sondern Ihnen geht es darum, einen Menschen wegen
seiner politischen Vergangenheit zu vernichten, ihn poli-
tisch zu beschädigen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich sage Ihnen klipp und klar: Wir lassen das nicht zu. Der
Außenminister der Bundesrepublik Deutschland hat die
volle Solidarität der SPD-Bundestagsfraktion.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Oh, das ist gefährlich!)


Sie wollen nur davon ablenken, dass Sie keine inhalt-
lichen Alternativen zu unserer Politik haben, und deshalb
versuchen Sie es über die Person.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Was Sie machen, ist unanständig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ CSU)


Es wird jemand aus der Fraktion als Prozessbeobachter
geschickt, um aufzupassen, was der Zeuge sagt. Offenbar
ist Ihre ganze Fraktion verpflichtet worden, ein Buch von
jemandem zu kaufen, der Joschka Fischers Vergangenheit
diskriminieren will. Was ist das denn für eine Art und
Weise der politischen Auseinandersetzung? Das hat doch
mit Seriosität nichts mehr zu tun!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist Schmutz! – Zuruf von der CDU/CSU: Bücher zu kaufen ist besser, als Bücher zu stehlen!)


Viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten hal-
ten den Weg, den Joschka Fischer gegangen ist, nicht für
richtig.


(Zuruf von der CDU/CSU: Was?)

– Ich habe es nicht für richtig gehalten – viele meiner
Parteifreundinnen und Parteifreunde auch nicht –, mit Ge-
walt gegen Menschen oder Sachen diesen Staat bekämp-
fen zu wollen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja ganz neu!)


Das, was Joschka Fischer und seine politischen
Freunde damals aus ihrer politischen Situation heraus ge-
macht und zu verantworten haben, war eine Folge ihrer al-
leinigen Entscheidung. Wenn der Außenminister der Bun-
desrepublik Deutschland heute sagt, dass er diese
Entscheidung bedauert, und sich für das, was er getan hat,
entschuldigt,


(Zuruf von der CDU/CSU: Aber das nur auf Druck!)


dann sollten Sie so viel Anstand haben, das anzuerkennen,
und ihm daraus nicht einen Strick drehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Jeder hat seine Vergangenheit und jeder hat Brüche in
seiner Vergangenheit. Kollege Merz hat ja auch von sei-
ner eigenen Vergangenheit gesprochen. Da gibt es offen-
bar ebenfalls einige Brüche.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Er hat Briefmarken geklaut! – Lachen bei der CDU/CSU)


Er hat sich mit tapferen Taten als Motorradfahrer gebrüs-
tet und so weiter – darüber will ich gar nicht reden. Ich
finde nur: Sie sollten sich nicht zum Handlanger von Pres-
sekonzernen machen, die versuchen wollen, diese Regie-
rung auf so unanständige Weise aus dem Amt zu bringen.
Das wird Ihnen nicht gelingen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414211200
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Wolfgang Gerhardt, F.D.P.-Fraktion.


Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP):
Rede ID: ID1414211300
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Ich kann mich über manches
Gelächter bei dieser Debatte nur sehr wundern. Es gibt
bestimmte Grundsätze, die wir nicht bereit sind, irgend-
einem Amüsierbetrieb preiszugeben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Um gleich darauf zu sprechen zu kommen: Egal, ob im
Zusammenhang oder aus dem Zusammenhang – Herr
Bundesaußenminister, ich beziehe mich auf Ihre Rück-
frage zum Kollegen von Klaeden, man möge Ihnen den






(C)



(D)



(A)



(B)


Zusammenhang darstellen und Sie seien bereit, den ge-
samten Artikel im „Pflasterstrand“ nachzulesen –; auch
ein Zusammenhang legitimiert nicht den Gedankengang,
nach der Ermordung von Ponto, Buback und Schleyer zu
sagen: Bei den drei hohen Herren mag bei mir keine
rechte Trauer aufkommen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Ich sage das ganz offen. Das rechtfertigt kein Zusammen-
hang; dafür gibt es keinen Grund. Ein Demokrat darf nicht
einmal in die Nähe eines solchen Gedankenganges kom-
men.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Zum zweiten Sachverhalt. Ihre Entschuldigungen sind

in so manche Koketterie mit Ihrer Biografie eingestreut.

(Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das ist schon wie der eine Unverschämtheit!)

Es handelt sich nicht um Jugendsünden. Der Mann war in
der zweiten Hälfte seiner 20er-Jahre; er war voll ge-
schäftsfähig.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat er überhaupt nicht bestritten!)


Das war kein 15- oder 16-Jähriger. Wie nett ist es, dass er
hier zugibt, er habe niemals auf einen am Boden liegen-
den Polizisten eingeprügelt! Das sagt mir gar nichts. Mit
Gewalt auf einen Polizisten so einzuschlagen, wie es das
Bild zeigt – er steht mit der Mehrheit einem Einzelnen ge-
genüber –, ist unakzeptabel. Darüber muss man nicht wei-
ter reden.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Herr Kollege Fischer, Sie sind ja nicht jemand, der ei-

nen politischen Gegner je mit Glacéhandschuhen ange-
fasst hätte. Deshalb darf ich mir schon erlauben, einiges
deutlich zu sagen. Ich weiß, was Sie gegenüber Kollegen
gesagt haben, die in Untersuchungsausschüssen sagten,
sie könnten sich nicht mehr so erinnern.


(Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)

Sie sind mit massivem öffentlichem Getöse auf diese ein-
gestiegen. Deshalb darf ich Ihnen heute sagen: Ich res-
pektiere Ihre Erinnerungslücken nur sehr begrenzt; denn
sie treten an ganz entscheidenden Stellen auf, die für Sie
wichtig sind.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

Denn wenn diese nicht da wären und Sie sich erinnern
könnten, müssten Sie das hier debattieren und Sie hätten
keine Gelegenheit, eine feinsinnige Unterscheidung zwi-
schen Gewalt und Gewalt zu machen. Sagen Sie ja nicht
– ich will Ihnen auf die Sprünge helfen –, das sei irgend-
wann beendet gewesen. Ich habe hier eine Meldung der
Associated Press, die bestätigt, was ich mit „kokettieren“
meine. Sie sind dabei nicht klar zu fassen, aber ich trage
sie hier trotzdem vor. 1997 sagte Ihre Kollegin Kerstin
Müller zu den Castortransporten, sie werde sich an Aktio-
nen in Gorleben wohl beteiligen. Daraufhin sagten Sie, es
sei noch offen, ob Sie dorthin reisten oder ob Sie in Frank-
furt Bahnschienen blockieren würden. Das ist diese Fein-

sinnigkeit, die unakzeptabel ist. Sie ist eine Koketterie mit
Verletzung des Rechts.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Den Sozialdemokraten sage ich: So einfach entkom-

men Sie nicht!

(Jörg Tauss [SPD]: Ich bin erschrocken! – Weitere Zurufe von der SPD: Oh!)

Ihr Bundeskanzler Helmut Schmidt hat sehr genau ge-
wusst, was er 1975 im Deutschen Bundestag gesagt hat.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Waren Sie da in der Koalition? – Zuruf der Abg. Anke Fuchs [Köln] [SPD])


Damals ging es um diese ganzen feinsinnigen Kreise, die
sich zum Teil mit dem Terror nicht identifizierten, sondern
gegen ihn kämpften, indem sie sagten: Schmeißt keine
Molotowcocktails, werft lieber Steine! So möchte ich das
einmal vereinfachend darstellen.


(Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Stimmt doch nicht!)


Helmut Schmidt hat noch klar gewusst, wo Grenzen zu
ziehen sind. Er hat erklärt:

Dies muss auch denjenigen gesagt werden, die es ja
auch gibt – es sind nicht ganz so viele Menschen in
unserem Lande –, die immer noch glauben, dass die
Terroristen eigentlich einen politischen Anspruch er-
heben könnten. Dass sie nur leider die falschen Mit-
tel wählten. Es muss Schluss sein mit solcher Art von
versteckter Sympathie. Wer da liebäugelt, macht sich
mitschuldig.

Ich habe dem gar nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Ja und? – Weitere Zurufe von der SPD)


Wenn wir über Zeitumstände reden, dann über die da-
maligen Zeitumstände. Es handelte sich um den einzigar-
tigen Versuch, die Freiheit im Namen der Freiheit groß-
flächig zu bekämpfen, diesen Staat in einen anderen Staat
zu verwandeln. Wer dabei in diesem Abschnitt seines Le-
bens Gewalt angewandt hat, der darf damit heute nicht
noch kokettieren, kleinere Entschuldigungen streuen und
uns größere Erinnerungslücken auftischen. Das ist nicht
akzeptabel, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Dr. Peter Struck [SPD]: Macht er doch nicht!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414211400
Kollege Gerhardt,
Ihre Redezeit ist überschritten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP):
Rede ID: ID1414211500
Es genügt auch völ-
lig, was ich hier vorgetragen habe.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)





Dr. Wolfgang Gerhardt

13905


(C)



(D)



(A)



(B)


Mir geht es nicht um eine kleinkarierte Kritik,

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Peter Struck [SPD]: Worum denn sonst?)


mir geht es darum, nicht zuzulassen, dass sich der Bun-
desaußenminister heute, anders gekleidet, seiner eigenen
Biografie mit Koketterie entledigt. In dieser Biografie
steckt ein Stück Überschreiten jeglicher Grenzen eines
demokratischen Rechtstaates. Das muss hier offen be-
sprochen werden.


(Lebhafter Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414211600
Ich erteile dem Kolle-
gen Rezzo Schlauch, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.


Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414211700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich
während der Fragestunde, ihres frühzeitigen Abbruchs
und des Übergangs in die Aktuelle Stunde gefragt, um was
es Ihnen eigentlich geht.


(Jörg Tauss [SPD]: Heuchelei! – Weiterer Zuruf von der SPD: Neid!)


Wenn Sie die Antworten des Außenministers in den letz-
ten zwei Wochen in den Printmedien, im Fernsehen, ges-
tern im Zeugenstand und heute hier nicht zur Kenntnis
nehmen wollen, dann kann ich nur feststellen: Es geht Ih-
nen offensichtlich nur noch darum, ein verlorenes Feind-
bild neu aufleben zu lassen, weil Sie keines mehr haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Es geht nicht nur um den Außenminister Fischer, sondern
es geht darum,


(Zuruf von der CDU/CSU: Wahrheit!)

dass Sie einer ganzen politischen Generation den Prozess
machen und sie auf die Anklagebank setzen wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


Es handelt sich um eine Generation, die den Staat in sei-
ner damaligen Verfasstheit zugegebenermaßen mit Ge-
walt bekämpfen wollte. Man sprach damals von der for-
malen Demokratie. Es ist richtig: Gewaltanwendung war
weit verbreitet, nicht nur unmittelbare Gewaltanwendung.
Gewalt ist tausendfach von vielen von uns auch öffentlich
gerechtfertigt worden. Das war so und das war falsch.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Sie sind auf dem gleichen Niveau!)


Die Gewalt ist uns aber nicht in die Wiege gelegt wor-
den und uns nicht in unseren Elternhäusern anerzogen
worden und ist nicht in der Schule gelehrt worden. An die-
sem Punkt blenden Sie einen gesamten Part der Ge-
schichte vollständig aus. Sie tun so, Herr Gerhardt, als ob

wir schon damals ein liberales, ein weltoffenes, ein tole-
rantes Land gewesen seien. Das war mitnichten so.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS – Widerspruch bei der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Gerhardt [F.D.P.]: Das waren die Bundeskanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt!)


– War es liberal, war es tolerant, wenn ein Senatsrat Prill
gesagt hat: „Die Demonstranten sollen nur kommen, dann
kriegen sie eins mit dem Knüppel auf den Kopf; das ist ein
gutes Übungsfeld für unsere Polizeibeamten.“?

An diesem Punkt verstehe ich die Debatte nicht. Wir
reden hier gemeinsam über eine demokratische Erfolgs-
geschichte, über die Geschichte des Erfolges unserer De-
mokratie,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und bei der F.D.P. – Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Der Gewalt!)


an dem Sie Ihren Anteil hatten, an dem aber auch wir un-
seren Anteil hatten. Damals war von keinem Polizeipräsi-
denten bei einer Demonstration der Begriff der Deeskala-
tion angewendet worden. Sie wird heute im Vorfeld jeder
Demonstration angewendet. Lesen Sie die Ausführungen
des damaligen Frankfurter Polizeipräsidenten nach, der
gesagt hat: Auch das, was wir zum Teil gemacht haben,
auf am Boden liegende Demonstranten einzuprügeln, war
nicht richtig. – Das müssen Sie doch einmal gegeneinan-
der halten.

Wir haben die Möglichkeit, über die Anteile an der Er-
folgsgeschichte der deutschen Demokratie zu diskutieren,
und das sollten wir auch tun. Sie haben einen Anteil und
wir haben einen Anteil. Meine Damen und Herren Kolle-
gen, Sie haben dabei wiederum zwei Möglichkeiten. Sie
können sich Ihren Anteil offensiv aneignen. Dann gehen
wir wieder in die politische Diskussion zurück und dann
führen Sie die Opposition. Sie haben aber auch die Mög-
lichkeit, Ihren Anteil sozusagen zu verleugnen und virtu-
ell in die Zeit vor 1968 zurückzukehren nach dem Motto:
Wer hat denn Recht gehabt? Wir werden die vergangenen
Schlachten mit Ihnen jedenfalls nicht schlagen. Wir sind
unseren Weg gegangen. Wir haben uns in diesem Land de-
mokratisch engagiert, zum Wohle dieses Landes. Das
werden wir fortsetzen. Sie haben die Möglichkeit, sich da-
ran zu beteiligen oder in eine Uropposition von vor 1968
zurückzufallen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Siegfried Hornung [CDU/ CSU]: Es ist bloß noch die Heiligsprechung notwendig! – Walter Hirche [F.D.P.]: Jetzt fehlt nur noch, dass sich alle, die damals nicht zur Gewalt gegriffen haben, entschuldigen sollen!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414211800
Ich erteile der Kolle-
gin Heidi Knake-Werner, PDS-Fraktion, das Wort.


Dr. Heidi Knake-Werner (PDS):
Rede ID: ID1414211900
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Steine, Knüppel,




Dr. Wolfgang Gerhardt
13906


(C)



(D)



(A)



(B)


Fußtritte gegen Menschen habe ich früher ebenso
abgelehnt wie heute, auch und vor allem als Mittel der
politischen Auseinandersetzung.


(Beifall des Abg. Dirk Niebel [F.D.P.])

Dies sage ich zu Anfang ausdrücklich, weil ich, liebe Kol-
leginnen und Kollegen von den Konservativen, einen
Verdacht nicht loswerde: Der CDU und allen, die in den
vergangenen beiden Wochen so etwas wie eine öffentliche
Empörung über ein Jugendfoto des Außenministers orga-
nisiert haben,


(Zuruf von der CDU/CSU: Diese Sprüche zählen nicht mehr!)


geht es zuallererst nicht um den Nachweis einer Gewalt-
straftat oder um den Außenminister persönlich; es geht ih-
nen in der Tat vielmehr um die nachträgliche Krimi-
nalisierung einer ganzen Bewegung.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es interessiert sie zwar auch, ob Minister Fischer eine
strafbare Handlung nachzuweisen ist. Aber es geht ihnen
besonders darum, dass er nach ihrer Meinung politisch
sträflichen Haltungen und Überzeugungen anhing.

Thomas Schmid brachte es am 5. Januar in der „FAZ“
auf den Punkt. Er schrieb:

Der Joschka Fischer, der heute Außenminister ist, hat
auf dem Weg dahin buchstäblich alle Überzeugungen
ablegen müssen,

(Walter Hirche [F.D.P.]: Hatte er je welche?)


die ihn einst zum politischen Tier machten.
Ich wiederhole: „Überzeugungen..., die ihn einst zum po-
litischen Tier machten“. Wenn also jemand in der Sache
auf die Anklagebank gesetzt werden soll, dann ist es nicht
der inzwischen zum Minister gewordene Hausbesetzer
Joschka Fischer, sondern dann sind es die politischen Hal-
tungen und Überzeugungen der 68er-Bewegung insge-
samt.


(Beifall bei der PDS)

Wir debattieren heute nicht über irgendeine im Frank-

furter Häuserkampf begangene Jugendsünde. Diese
Debatte dient vielmehr der Geschichtsinterpretation: Es
sollen Überzeugungen und Ideale der Protestbewegung
entsorgt werden. Mich macht besonders betroffen – auch
das will ich offen sagen –, dass viele der damals Aktiven
selbst zur Entsorgung und zur Geschichtsklitterung ihrer
eigenen politischen Vergangenheit beitragen.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es ist absurd: Da wird nachgekartet und uminterpre-
tiert und da werden die abenteuerlichsten Vergleiche ge-
zogen, um die 68er-Bewegung auf eine Stufe mit ihrer
faschistischen Vätergeneration zu stellen. Ich weiß nicht,
was an den Parallelen, die in den vergangenen Tagen
gezogen wurden, unappetitlicher ist: die Verharmlosung

des Faschismus oder die Verteufelung der 68er-Bewe-
gung.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mir scheint beides für das politische Klima in diesem
Land bedrohlich zu sein.


(V o r s i t z: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


Als eine, die sich der 68er-Bewegung zurechnet und
dort entscheidende politische Schritte gemacht hat, will
ich deutlich sagen – ich habe es eingangs schon betont –,
dass Gewaltfreiheit zu meiner damaligen wie auch zu
meiner heutigen Überzeugung gehört. Ich sage aber auch
genauso deutlich, dass diese Überzeugung weder kon-
fliktfrei noch leicht in meiner politischen Biografie durch-
zuhalten war: weder in der Anti-Notstands-Kampagne
noch in den Rote-Punkt-Aktionen, noch bei den Demons-
trationen gegen den Vietnamkrieg oder gegen die Berufs-
verbote.

Ohnmächtige Wut hat viele von uns ergriffen ange-
sichts der demonstrativ zur Schau gestellten staatlichen
Gewaltbereitschaft. Die Todesschüsse auf Benno Ohnesorg
haben bittere Spuren hinterlassen.


(Beifall der Abg. Monika Ganseforth [SPD])

Wer hat sich eigentlich jemals dafür entschuldigt? Es war
Heinrich Albertz als Privatmann.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dafür gebührt ihm auch heute noch Respekt.
Das Klima von Hetze und Hass, von politischem Muff

und von Intellektuellenfeindlichkeit sieht man auf den
Bildern von damals. Welche Wechselwirkungen damals
bestanden haben, haben Sie bis heute nicht begriffen. Ich
glaube, Sie werden es auch nicht begreifen.


(Beifall bei der PDS – Zuruf von der CDU/ CSU: Sie begreifen auch vieles nicht!)


Die PDS-Fraktion beschäftigt nicht vorrangig die Ver-
gangenheit von Joschka Fischer.


(Zuruf von der CDU/CSU: Die eigene! Da habt ihr viel zu tun!)


Es ist die Vergangenheit einer sehr unterschiedlich rebel-
lischen Generation. Sie darf weder von Joseph Fischer
noch von seinen politischen Gegnern insgesamt in Haf-
tung genommen werden. Es ist die Aufgabe vieler in die-
sem Parlament, diese Vergangenheit endlich einmal diffe-
renziert aufzuarbeiten.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Juristisch ist das alles verjährt!)


Dabei dürfen die Anstöße der 68er-Protestbewegung
für die demokratische Entwicklung in diesem Land, für
Emanzipation und für ein friedliches Zusammenleben der
Völker nicht der Auseinandersetzung um Steinewerfer,
um Molotowcocktails und um Militanz zum Opfer fallen.


(Beifall bei der PDS)





Dr. Heidi Knake-Werner

13907


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich sage ausdrücklich: Die PDS ist weit mehr um die Ge-
genwart als um die Vergangenheit von Joschka Fischer be-
sorgt. Sein heutiges Bekenntnis zur Gewaltfreiheit ist un-
glaubwürdig, solange von ihm Krieg als Mittel der Politik
nicht nur akzeptiert, sondern auch aktiv eingesetzt wird.


(Beifall bei der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1414212000
Frau Kol-
legin Knake-Werner, kommen Sie bitte zum Schluss.


Dr. Heidi Knake-Werner (PDS):
Rede ID: ID1414212100
Ich hatte leider
keine Uhr, Herr Präsident. – Durch die Zustimmung zu ei-
nem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, zu den Bomben
im Kosovo und zur Gewalt gegen die Zivilbevölkerung
hat Außenminister Joschka Fischer sich endgültig von sei-
ner Vergangenheit verabschiedet.


(Beifall bei der PDS – Zuruf von der CDU/CSU: So einfach ist das!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1414212200
Als
nächster Redner hat der Kollege Gernot Erler von der
SPD-Fraktion das Wort.


Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1414212300
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Die Außenpolitik ist ein Erfolgsthema der
rot-grünen Regierung. Der Mann Joschka Fischer und
seine Politik haben in der Öffentlichkeit Popularitäts-
werte, von denen Sie nur träumen können, und das wird
auch so bleiben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja das Problem!)


Jetzt wird eine Geschichte ausgegraben – keine neue,
sondern eine, mit der sich Joseph Fischer längst intensiv
und schmerzlich auseinander gesetzt hat –, die Sie über-
haupt nicht interessiert. Sie interessiert weder die Frage
von Gewalt in den 70er-Jahren noch das Wechselverhält-
nis von Provokation und Eskalation. Selbst die Opfer in-
teressieren Sie nicht, die es übrigens auf beiden Seiten, bei
den Polizisten, aber auch bei den Demonstranten und bei
unbeteiligten Passanten, gegeben hat. Das alles interes-
siert Sie überhaupt nicht.


(Beifall des Abg. Detlev von Larcher [SPD])

Sie interessiert nur, wie Sie bestimmte Bilder, die Sie mit
bestimmten falschen Konnotationen in die Öffentlichkeit
bringen, politisch ausnutzen und instrumentalisieren kön-
nen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Einen Wehrlosen auf den Rücken geschlagen!)


Sie sind auf Beute aus. Auf der rechten Seite des
Hauses sitzt eine ehrenwerte Jagdgesellschaft. Sie haben
vergessen, die Jagdhörner mitzubringen; aber hier drin-
nen und auch draußen kann man ihren Klang hören.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Sie können die Wahrheit nicht vertragen!)


Dabei werden Sie keinen Erfolg haben, denn Sie machen
das alles zu offensichtlich. Ihre Treibjagd ist durchschaut;
das Publikum ist nicht so blöd, wie Sie denken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ihre Methode ist, gegen die real existierende Biografie
des Außenministers eine hypothetische Biografie zu set-
zen.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

– Das ist die Logik. – Sie argumentieren: Was ist das ei-
gentlich für ein etablierter Politiker, der in seinem Leben
einen Abschnitt hat, in dem er sich eingemischt hat, in
dem er sich aufgeregt hat, in dem er auf die Straße gegan-
gen ist, in dem er polemisch geworden ist, in dem er radi-
kal geworden ist, in dem er sich geirrt hat, in dem er sich
geprügelt hat, in dem er sich dann mit den eigenen Leuten
angelegt hat und schließlich aus dem eigenen Ausstieg
ausgestiegen ist? Sie fragen sich: Was ist das überhaupt
für ein Leben? Wo bleibt da die Übersicht? Warum ist er
nicht in die Jugendorganisation einer etablierten Partei, in
die Junge Union oder wenigstens bei den Jungsozialisten,
eingetreten?


(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Hat er überhaupt gedient? Warum hat er nicht irgendwann
einmal einen Dr. jur. oder Dr. rer. pol. gemacht, damit er
etwas in seinem Briefkopf hat? Wann hat er überhaupt sei-
nen ersten Briefkopf gehabt?

Das alles fragen Sie hier und setzen damit die schein-
bare Normalität eines Politikerlebens gegen diese real
existierende Biografie. Sie merken aber nicht, dass die
Öffentlichkeit dabei gar nicht Beifall klatscht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Es haben noch viel mehr Menschen eine eigene Lebens-
erfahrung, eine andere als Sie.

Ich möchte Ihnen einmal eine Situation schildern, bei
der ich selber beteiligt war. 1975 wurde am Kaiserstuhl
der Bauplatz für ein Atomkraftwerk besetzt.


(Zuruf von der F.D.P.: Sie waren dabei?)

– Ich war dabei, jawohl. – Da waren Bauern, Winzer, ganz
normale Bürger, die es als Gewalt empfunden haben, dass
vor ihre Nase, in ihre Lebenswelt ein Kernkraftwerk ge-
setzt werden sollte. Wissen Sie, was die Landesregierung
gemacht hat? – Sie hat von weit her Polizisten geholt und
gesagt, den Bauplatz hätten Spontis besetzt. Dann haben
die Polizisten auf die Bauern und auf die Winzer draufge-
hauen.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Mit Geld sind sie angekarrt worden!)


– Sie sind von weit her angekarrt worden, damit sie nicht
wissen, was da los ist.




Dr. Heidi Knake-Werner
13908


(C)



(D)



(A)



(B)


Das sind Erfahrungen, die wir gemacht haben. Was
meinen Sie, welche Diskussion es da gegeben hat! Die
Bauern und Winzer waren auf der Kippe, selber Gewalt
anzuwenden. Das hätte anders ausgesehen, als wenn ein
Sponti einen Stein wirft. Sie hätten ihre schweren Geräte
eingesetzt. Diese Diskussionen sind geführt worden, und
zwar nicht nur dort, sondern an vielen Orten dieser Repu-
blik. Wer davon nichts weiß, der sollte hier über diese
Jahre nichts sagen, der hat keine Ahnung.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Deswegen sage ich Ihnen voraus: Ihre Treibjagd ist so
durchschaubar, dass sie keinen Erfolg haben wird. Denn
die deutsche Gesellschaft des Jahres 2001 ist eine mün-
dige Gesellschaft. Die Gesellschaft durchschaut Ihre
Taktik, Ihre Nichtbetroffenheit und Ihr artifizielles Kes-
seltreiben. Unser bester Verbündeter in dieser Auseinan-
dersetzung ist der mündige Bürger, die mündige Ge-
sellschaft, die eine eigene reiche Lebenserfahrung hat, die
sie nicht nachträglich aufregender machen muss, als sie
ist.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1414212400
Als
nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Dr. Angela
Merkel von der CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Angela Merkel (CDU/CSU) (von der CDU/CSU
mit Beifall begrüßt): Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Je länger diese Debatte dauert, umso mehr ver-
stärkt sich mein Eindruck, dass wir wieder einmal die
Grundzüge unserer Demokratie miteinander besprechen
sollten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir selber gemacht!)


In unserem Lande ist das Gewaltmonopol des Staates – und
das seit Existenz des Grundgesetzes – aus gutem Grunde
ein fest verankertes Prinzip. Das ist gut so!


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Phantomdiskussion! – Zuruf von der SPD: Wer zweifelt das denn an?)


Der Herr Bundesaußenminister hat in einem Interview
im „Stern“ den Journalisten gefragt: „Sind Sie sicher, dass
Sie noch nie einen Stein geworfen haben?“ Dieser ant-
wortete: „Ja.“ Daraufhin stellte der Bundesaußenminister
fest: Dann fragen Sie einmal im Deutschen Bundestag
und in Ihrer Redaktion herum. – Auf diese Art und Weise
macht der Bundesaußenminister sein Verhalten zu einem
ganz normalen Vorgang. Ich sage Ihnen: Die Mehrheit
dieses Landes hat weder 1949 noch 1959, noch 1969,
noch 1979 mit Steinen geworfen. Das ist die Realität.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Herr Schlauch, es geht doch nicht darum, einer ganzen
politischen Generation den Garaus zu machen, sondern es
geht um die Frage, ob die damalige Republik, die von
Bundeskanzler Willy Brandt regiert wurde, ein liberales
Land war oder ob sie eine Diktatur war. Ich sage: Sie war
ein liberales Land, obwohl wir nicht regiert haben. Für die
Regierungszeit von Helmut Schmidt gilt das Gleiche.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Jörg Tauss [SPD]: Obwohl!)


Wenn ich es recht verstanden habe, dann waren der
Herr Bundesaußenminister und der Herr Bundeskanzler
unglaublich stolz darauf, dass vor wenigen Wochen ein
Platz in Warschau nach Willy Brandt benannt wurde.
Denn Willy Brandt stand für Aussöhnung und hat damals
gesagt: Deutsche, ihr könnt stolz auf euer Land sein. – Das
ist die Wahrheit und zu der haben wir alle miteinander
heute zu stehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Uwe Hiksch [PDS]: Die CDU war gegen die Aussöhnung!)


Ich bin aber nicht bereit – und darum geht es –, zu kon-
zedieren, dass diejenigen, die Steine geworfen haben, und
diejenigen, die zu den RAF-Terroristen gehörten, einen
Beitrag zur Freiheit in der Bundesrepublik Deutschland
geleistet haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Herr Vizekanzler, ich erwarte von Ihnen nicht nur, dass

Sie sich für das Werfen von Steinen auf einen konkreten
Menschen entschuldigen. Ich erwarte von Ihnen viel mehr
auch, dass Sie sagen: Ich hatte in der damaligen Zeit eine
total verquere Sicht von der Bundesrepublik Deutschland.


(Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das hat er doch schon gesagt!)


Ich habe mich geirrt. Ich habe eine falsche Sicht gehabt.
Dies war nicht die richtige Sicht und ich habe deshalb
Buße zu tun und das anzuerkennen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das hat er doch schon getan!)


– Nein. Er hat sich nur für das Steinewerfen entschuldigt
und ist der Meinung, die 68er hätten einen Beitrag zur Be-
freiung geleistet.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Darin hat er sich selbst gleich mit eingeschlossen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Herr Bundeskanzler, dass Ihr Vizekanzler das nicht tut,

ist deshalb so schlimm – nicht, weil er eine verquere Ge-
schichtssicht hat; das könnte uns allen egal sein –,


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gott sei Dank, dass bei euch alles so stromlinienförmig ist!)


weil wir es heute wieder mit Gewalt von Jugendlichen zu
tun haben, mit politisch und nicht politisch motivierter
Gewalt. Wenn wir glaubwürdig gegen diese Gewalt




Gernot Erler

13909


(C)



(D)



(A)



(B)


vorgehen wollen – das wollen und das müssen wir ge-
meinsam tun –, müssen wir sagen: Gewalt war zu keiner
Zeit gerechtfertigt und unsere Sicht auf die Geschichte
war falsch;


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das hat er doch dreimal gesagt!)


es gab zu keiner Zeit in der Bundesrepublik Deutschland
die Notwendigkeit, den Staat so zu verändern, dass man
Gewalt gebrauchen musste. –


(Zurufe von der SPD: Das hat er doch gesagt!)

Nur so lässt sich das legitimieren.

Deshalb ist das nicht richtig, was Ihre zukünftige Par-
teivorsitzende sagt: „Der Staat hat damals den Fehler ge-
macht...“ Nicht der Staat hat den Fehler gemacht, sondern
diejenigen, die Gewalt angewendet haben, haben den
Fehler gemacht! Das ist der Unterschied.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der, der Benno Ohnesorg erschossen hat!)


Wenn Fehler im Rechtsstaat gemacht werden – das gilt für
Polizisten heute und das galt für Polizisten damals –, hat
sich der Rechtsstaat mit diesen Fehlern auseinander zu
setzen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat er aber nicht gemacht!)


Aber generell zu sagen, der Staat habe Fehler gemacht
und Ulrike Meinhof wäre Familienministerin, wenn der
Staat nicht Fehler gemacht hätte, zeigt eine falsche Sicht.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat nicht die Claudia Roth, das hat Herr Herold gesagt! Prüfen Sie Ihre Zitate!)


– Das hat Claudia Roth in N-TV gesagt. Und jetzt lassen
Sie mich zum Schluss kommen und schreien Sie nicht so!


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat Herr Herold gesagt, falls der Ihnen ein Begriff ist!)


Meine Damen und Herren, wir haben vor zehn Jahren
eine Veränderung in Deutschland erlebt. Damals sind die
Menschen in einer Diktatur friedlich auf die Straße ge-
gangen. Damals haben wir mit Kerzen friedlich demons-
triert und haben es geschafft, eine Diktatur zum Einsturz
zu bringen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wenn Brüche im Leben von Menschen dazu beitragen

sollen, dass sie Vorbilder für Jugendliche werden, möchte
ich, dass dies Menschen betrifft, die eine Veränderung
friedlich herbeigeführt haben. Auf diese Teile der deut-
schen Geschichte können wir stolz sein. Alle anderen
müssen kritisiert werden. Unser Staat, die Bundesrepublik
Deutschland, ist seit 1949 ununterbrochen eine freiheitli-
che, solidarische, weltoffene Republik, auf die wir stolz
sein können. Mit dieser Sicht können wir gemeinsam wei-

ter arbeiten, aber nicht mit Ihrem Geschichtsbild. Das ist
die Wahrheit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben im Tal der Ahnungslosen gelebt!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414212500
Das Wort hat jetzt der
Bundeskanzler Gerhard Schröder.


Gerhard Schröder (SPD):
Rede ID: ID1414212600
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Merkel,
ich weiß nicht, was größer ist, Ihre Selbstgerechtigkeit
oder Ihr Jagdfieber.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Sie haben Willy Brandt erwähnt – und vor allem aus die-
sem Grunde habe ich das Wort genommen – und Sie sind
Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Union. Sie
haben in dieser Erwähnung Bezug auf die Ostpolitik
Willy Brandts und die damit verbundene Aussöhnung ge-
nommen.

Ich werfe Ihnen nicht vor, dass Sie damals nicht dabei
sein konnten, als die Auseinandersetzung im Deutschen
Bundestag stattfand;


(Zuruf von der CDU/CSU: Das fehlte auch noch!)


niemand kann Ihnen das vorwerfen. Aber ich muss Ihnen
vorwerfen, dass Sie sich mit der Historie Ihrer Partei nicht
zureichend auseinander gesetzt haben.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Viele von uns – Frau Merkel, hören Sie einmal einen Mo-
ment zu – waren Zeitzeugen und haben noch im Ohr, mit
welcher Unversöhnlichkeit Sie diese Ostpolitik bekämpft
haben und in welcher hämischen Art und Weise Sie Willy
Brandt bekämpft haben. Sie können sich nicht auf ihn be-
rufen!


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Wir Sozialdemokraten haben genau im Ohr, mit welch
hämischer Zustimmung der äußersten Rechten dieses
Landes – es gab durchaus Verbindungen hinein in Ihre da-
malige Partei –, mit welch hämischer Unversöhnlichkeit
dieser Kampf geführt worden ist. Dies ging bis hin zu
Leuten, die – man mag es ja gar nicht wiederholen: das
waren nicht Unionspolitiker, jedenfalls nicht Unionspoli-
tiker aus dem Deutschen Bundestag – diese verräterischen
Sätze sagten wie „Brandt an die Wand!“ Wir haben das nie
vergessen.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das ist unglaublich! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


– Wo stehen Sie denn historisch?

(Hartmut Büttner [Schönebeck] [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich!)





Dr. Angela Merkel
13910


(C)



(D)



(A)



(B)


In dieser Auseinandersetzung hat die Union keinerlei
Recht, sich auf Willy Brandt zu berufen. Das kann nicht
gestattet werden.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS – Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Sie verteidigen das noch, was der Fischer gemacht hat!)


Jetzt reden wir einmal über das, was hier wirklich los
ist. In dieser Auseinandersetzung, die Sie angefangen ha-
ben, meine Damen und Herren,


(Zuruf von der CDU/CSU: Die Medien haben sie angefangen!)


ist doch auch die Frage nach der Qualität unserer Gesell-
schaft zu beantworten: Was für eine Gesellschaft wollen
wir eigentlich? Man könnte dies auch auf die heutige
junge Generation beziehen. Wollen wir eine Gesellschaft,
die gegenüber politischen Irrtümern – sie waren schwer-
wiegend genug und sie werden ja auch zugestanden – er-
barmungslos ist,


(Wolfgang Bosbach [CDU/CSU]: Darum geht es nicht!)


oder wollen wir eine Gesellschaft, die politische Irrtümer
diskutiert und die daraus resultierenden Konsequenzen,
die in einem langen Werdegang beschrieben sind, akzep-
tiert?


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Angesichts einiger Reden, die hier heute gehalten wur-
den, ist für mich nur der Schluss nahe liegend: Sie wollen
nicht urteilen – wozu Sie ein Recht haben; auch Sie wol-
len das nicht, Herr Gerhardt –, sondern verdammen.


(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Sie wollen damit nicht einen politischen Irrtum kenn-
zeichnen – den der Bundesaußenminister zugegeben
hat –, sondern seine politische Existenz vernichten. Das
ist Ihr Ziel. Nur: Sie werden es nicht erreichen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Ich fand das, was Sie, Frau Knake-Werner, gesagt ha-
ben – bis auf den Schluss Ihrer Rede –, genauso wie das,
was Sie, Herr Erler, gesagt haben, bemerkenswert, wich-
tig und richtig: Hier spielt auch eine Rolle, dass Sie eine
ganze Generation, nämlich die, die man „68er“ nennt
– ich kann das sagen, weil ich das miterlebt habe –, pau-
schal verdammen wollen. Sie wollen doch gar nicht ein-
zelne politische Irrtümer – und seien sie noch so schwer-
wiegend – diskutieren.


(Walter Hirche [F.D.P.]: Es geht um politische Gewalt!)


Sonst hätten Sie hier anders geredet. Nein, Sie wollen die
Generation, die einen politischen Aufbruch wollte, die in
dieser Gesellschaft etwas bewegt hat – auch diejenigen,
die sich nicht die geringste, gar strafrechtlich zurechen-

bare, Schuld haben zukommen lassen –, diffamieren. Das
geht doch nicht.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Meine Damen und Herren von der Opposition, im
Grunde ist das, was Sie hier versuchen, ebenso lächerlich
wie erfolglos.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Was Sie nämlich versuchen, ist, einen Politikbegriff zu
definieren, der so verengt ist wie Ihrer, und diesen für alle
verbindlich zu machen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie versuchen, eine Politikergeneration wie die Ihre als
beispielhaft hinzustellen – die mit Ihrem Werdegang und
mit Ihrem politischen Scharfsinn ausgestattet ist. Auch
das will die Mehrheit der Deutschen nicht. Sie will schon
eine plurale Gesellschaft.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


In einer pluralen Gesellschaft müssen auch unterschiedli-
che Biografien akzeptiert werden.

Wenn diese Art von Selbstgerechtigkeit, von unhistori-
schem Umgang mit unserer eigenen jüngeren Vergangen-
heit hier wirklich Platz greift, wenn diese Art von Erbar-
mungslosigkeit in Bezug auf politische Irrtümer


(Walter Hirche [F.D.P.]: Reden Sie nicht immer von sich selber!)


die Basis unseres politischen Verhaltens wird, weiß ich
nicht mehr, wie man national und international erklären
soll, dass zur Zivilisation und zu zivilisierten Gesell-
schaften auch immer gehört,


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Steine zu werfen!)

dass man Integration erlaubt, nachdem jemand Irrtümer
eingestanden hat. Dieses Fähigkeit zur Integration macht
die Qualität einer freien, einer offenen Gesellschaft aus.
Seien Sie sicher: Diese Qualität einer offenen Gesell-
schaft werden wir gegen Ihre Versuche, hier ein vorder-
gründiges Spiel zu spielen, nicht wirklich etwas zu klären,
sondern den Bundesaußenminister zu diffamieren, vertei-
digen, und dies – da seien Sie ganz beruhigt – mit großem
Erfolg.


(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall bei der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1414212700
Als
nächster Redner hat der Fraktionsvorsitzende der
CDU/CSU-Fraktion, Friedrich Merz, das Wort.

Friedrich Merz (CDU/CSU) (von der CDU/CSU mit
Beifall begrüßt): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da-
men und Herren! Herr Bundeskanzler, die Zeit einer sol-
chen Aktuellen Stunde reicht nicht aus, um die gesamten
60er- und 70er-Jahre angemessen zu besprechen. Aber




Bundeskanzler Gerhard Schröder

13911


(C)



(D)



(A)



(B)


eine Feststellung möchte ich zu Beginn treffen. In den
70er-Jahren hat es in Deutschland eine harte Auseinan-
dersetzung um die Ostpolitik von Willy Brandt gegeben.
Ich bin in dieser Zeit in die CDU eingetreten, weil ich
diese Politik für falsch gehalten habe. Aber ich bin in eine
Partei eingetreten, in der nicht ein einziger maßgeblicher
Repräsentant gegen die für falsch gehaltene Politik in die-
sem Land Steine geworfen hat. Darum geht es.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Gernot Erler [SPD]: Rufmord ist viel schlimmer!)


Herr Bundeskanzler, Sie müssen sich natürlich vor
Ihren Außenminister stellen. Ich möchte deswegen noch
einmal feststellen: Nicht eine Initiative der Opposition,
sondern ein Interview des Bundesaußenministers, in dem
er versucht hat, seine Vergangenheit zu erklären, ist der
Auslöser einer lang anhaltenden Debatte in Deutschland
gewesen,


(Jörg Tauss [SPD]: Filbinger! Todesurteile! Entschuldigen Sie die mal!)


ein Interview des Betroffenen selbst.
Nun maße ich mir kein Urteil darüber an, was damals

war. Ich bin in der Zeit, als Sie, Herr Fischer, politisch so-
zialisiert worden sind,


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Moped gefahren! dafür zu jung gewesen. Es geht um die Frage, wie Sie heute dazu stehen und wie Sie heute mit Ihrer eigenen Biografie umgehen. Deswegen will ich Ihnen noch einmal in aller Klarheit sagen: Niemand von uns bestreitet Ihnen oder irgendeinem anderen in diesem Hause das Recht auf Irrtum. Aber Sie sind heute einer der maßgeblichen Repräsentanten dieses Landes. Deswegen müssen Sie sich, ob Sie wollen oder nicht, die Frage gefallen lassen, wie Sie es heute mit den Grundentscheidungen unserer Verfassung halten (Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Das hat er doch gesagt!)


und wie Sie heute zur Anwendung von politischer Gewalt
stehen.

Dazu will ich Ihnen zwei Dinge nennen, die mit Ihrem
Amt unvereinbar sind: In keiner einzigen Ihrer Aus-
führungen – wenn ich sie richtig und vollständig nach-
verfolgt habe –, auch nicht in dieser Debatte heute, ist ein
klares und unmissverständliches Bekenntnis zum Gewalt-
monopol des Staates über Ihre Lippen gekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Außenminister, Sie haben sich immer, Sie haben

sich zu jedem Zeitpunkt ein Hintertürchen offen gehalten,
um dann, wenn es die politische Opportunität erlaubt,
eben doch wieder Gewalt anzuwenden. Das widerspricht
zutiefst dem, was eine Demokratie ausmacht. Eine De-
mokratie verträgt nicht die von eigener Moral geprägte
Anwendung von Gewalt


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verleumdung!)


gegen demokratisch zustande gekommene Entscheidun-
gen. Das ist der entscheidende Punkt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Dutzend Mal hat er das gesagt!)


Ich nenne einen zweiten Punkt. Sie mögen aufgrund Ih-
rer tiefen und festen Freundschaft zu Daniel Cohn-Bendit
darauf vertrauen, dass es vieles gibt, was niemals ans
Licht der Öffentlichkeit gelangt. Ich glaube Ihnen nicht,
dass Sie bei dieser tiefen persönlichen Freundschaft nicht
wussten, dass Ihr damaliger enger Freund und Wegbe-
gleiter Hans-Joachim Klein durch Ihren engsten persönli-
chen Freund in Frankreich der deutschen Strafverfolgung
über eine lange Zeit entzogen worden ist. Ich glaube Ih-
nen nicht, Herr Fischer, dass das so war.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Peter Struck [SPD]: Sie sind ein unanständiger Verleumder! – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das halten wir aus!)


Es widerspricht jeder Lebenserfahrung, Herr Fischer,
dass Sie bei einer so engen Freundschaft zwischen Ihnen
und Herrn Cohn-Bendit diesen Sachverhalt nicht kannten.
Sie müssen es mir schon zugestehen, dass ich Ihnen sage:
Das glauben wir nicht. Aber dies ist eine subjektive Beur-
teilung.

Eine wirkliche Distanzierung von dem, was Sie poli-
tisch zu verantworten haben, ist bis jetzt nicht über Ihre
Lippen gekommen. Deswegen will ich Ihnen vortragen,
was vor wenigen Tagen wirklich distanziert zu dem, was
war, in einer großen Zeitung geschrieben worden ist, die
uns nicht nahe steht und uns oft kritisiert. Joachim Kaiser
schreibt in der „Süddeutschen Zeitung“:

In Wahrheit – so kommt es mir beim Betrachten der
Fotos wieder hoch – ist der damalige APO-Fanatis-
mus kaum ein von der Geschichte, gar dem „Weltge-
richt“ beglaubigter, idealischer Kampf gewesen,
sondern in seiner exzessiven Form ein Verrat an dem,
was wir nach 1945 endlich und endgültig begriffen
zu haben glaubten: nämlich: dass der parlamentari-

(er kann nervtötend, stupide, öde sein)


– Sie haben das selbst so zum Ausdruck gebracht –
jene politische Zivilisation darstellt, die Deutschland
endlich hätte lernen, verinnerlichen können und
müssen.

Diese Worte haben Sie nicht zum Ausdruck gebracht.
In Ihrer Biografie, lieber Herr Fischer, sind wesentlich
weniger Brüche, als Sie versuchen darzustellen,


(Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sie können nicht zuhören!)


und ist wesentlich mehr Kontinuität, als Sie selbst offen-
sichtlich glauben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Dr. Peter Struck [SPD]: Unanständig! – Weiterer Zuruf von der SPD: Ein mieser Stil!)





Friedrich Merz
13912


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1414212800
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Antje Vollmer von
Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1414212900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe
Frau Merkel, lieber Herr Merz, ich glaube, wenn es um
Auseinandersetzungen mit Joschka Fischer geht, kann ich
es fast mit jedem in diesem Saal aufnehmen.


(Hans-Werner Bertl [SPD]: Die nicht!)

Wir haben immer um Sachverhalte und Einschätzun-

gen gestritten. Wir haben auch oft um politische Positio-
nen gestritten. Im Übrigen ist die Auseinandersetzung um
die Militanz bei den 68ern eine ungeschriebene Ge-
schichte. Aber gerade weil ich weiß, dass vieles auch über
68 zu diskutieren ist, frage ich mich zunehmend irritiert,
worum es jetzt hier geht.

Es geht nicht um die Professionalität des Außenminis-
ters, nicht um Versagen im Amt, nicht um Missbrauch im
Amt und auch nicht um Untaten, die nicht bekannt wären.
Es geht auch nicht nur um 68. Vielmehr geht es um einen
hochmoralisch aufgeladenen Kulturkampf. Deswegen er-
innert mich in dieser Diskussion, obwohl es um ganz an-
dere Sujets geht, vieles an die Clinton-Debatte in den
USA.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

– Genau daran erinnert es mich.

Es scheint eine Generationendebatte zu sein, aber im
Kern ist es eine Auseinandersetzung um das, was Politik
ist und was Politiker sind. Da sage ich: Vorsicht vor Pha-
risäertum, Vorsicht vor Puritanismus!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Politiker haben Politik zu betreiben und die Kirchen sind
für die Moral zuständig. Das ist ein feiner und sehr wich-
tiger Unterschied.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wehe, wenn wir nur Politiker nach dem Bild puritanischer
und pharisäischer Debatten bekommen. Wir hätten in die-
sem Land keinen Theodor Heuss, keinen Herbert Wehner
und keinen Willy Brandt gehabt. Wir hätten übrigens auch
Franz Josef Strauß nicht länger als ein paar Monate ge-
habt. Das müssen Sie sich ganz genau überlegen.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Aber alle haben keine Steine geworfen!)


Nun will ich auch etwas zu 68 sagen. 68 ist ein Mythos.
Ich finde, es ist sehr wichtig und interessant, über diesen
Mythos zu reden, und zwar nicht nur über seine heroische,
sondern auch über seine belastende Seite. 68 war für die
damals politisch Verantwortlichen – das gehört zur Tragö-
die dieses Landes – tatsächlich ein unglaublicher Schock.
Dieser Schock hielt noch länger an: 68 ist eine Bleilast für
die Generationen, die nach uns gekommen sind; das weiß

ich wohl. Deswegen ist es vielleicht wichtig, 68 ein klei-
nes bisschen vom Sockel zu heben.


(Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sehr richtig!)

Allerdings: Nicht zu begreifen, was 68 war, und kein In-
teresse dafür zu entwickeln, ist bodenlos naiv, und zwar
naiver, als Politiker sein dürfen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


Wenn ich in diesem Land etwas hasse, dann sind das zu
späte Siege, die gefeiert werden, wenn die Kämpfe sehr
billig werden. Auch in diesem Punkt gibt es eine unselige
Tradition.


(Zustimmung beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS)


Sie sollten sich die damaligen Gegner zum Vorbild neh-
men. Zum Beispiel hat Herr Boenisch, der sich 68 wirk-
lich fürchten musste, in der „Bild“-Zeitung mit großem
Respekt von diesen Auseinandersetzungen gesprochen
und gesagt, sie hätten auch ihn verändert. Horst Herold
– Claudia Roth hat das Zitat gebracht – war es, der gefragt
hat, ob Ulrike Meinhof nicht unter anderen Umständen
hätte Gesundheitspolitikerin werden können. Horst
Herold war einer, der damals um sein Leben fürchten
musste.

Ich möchte Hans-Jochen Vogel – damals auch ein Geg-
ner – zitieren. Er hat Folgendes gesagt – ich bitte Sie, die
Tonlage dieses Zitates zur Kenntnis zu nehmen und viel-
leicht ein bisschen in Ihre Herzen aufzunehmen –:

Was bedeutet die Causa Fischer für unsere Demo-
kratie und unser Gemeinwesen insgesamt? Stärkt er
oder schwächt er sie?

– Das ist doch die entscheidende Frage. –
Ich meine, er stellt beiden ein gutes Zeugnis aus und
stärkt sie deshalb.

Er stärkt beide: sowohl Demokratie als auch Gemeinwe-
sen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Liebe Frau Merkel und lieber Herr von Klaeden, Sie
können sich an 68 abarbeiten, aber Sie sollten ziemlich
froh sein, dass es uns gegeben hat. Die Republik sähe
nämlich anders aus,


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Jetzt kommt doch die Rechtfertigung!)


wenn dieses Kapitel deutscher Geschichte ausgefallen
wäre. Frau Merkel, wenn wir schon über die Grundlagen
der Demokratie reden, muss ich Ihnen sagen: Zu den
Grundlagen der Demokratie gehören nicht nur Regeln
und Institutionen, sondern immer auch die unverwechsel-
bare Geschichte dieser Demokratie.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS – Martin Hohmann [CDU/CSU]: Was sagen Sie denn heute dazu?)







(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1414213000
Als
nächster Redner hat der Kollege Dr. Friedbert Pflüger von
der CDU/CSU-Fraktion das Wort.


(Jörg Tauss [SPD]: Jetzt kommt der Oberpharisäer!)



Dr. Friedbert Pflüger (CDU):
Rede ID: ID1414213100
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin
Vollmer, es geht nicht um selbstgerechtes Feiern später
Triumphe und Siege.


(Zurufe von der SPD: Doch!)

Es geht darum, eine Klärung herbeizuführen.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Gesellschaft hat es schon geklärt! Dazu brauchen wir euch nicht mehr!)


Es geht darum, eine Klärung über die politische Vergan-
genheit und über die Art und Weise, wie heute mit dieser
Vergangenheit umgegangen wird, herbeizuführen.

Es gibt einen Außenminister, der Steine geworfen hat
und der erklärt – so zumindest die „Welt“ –, das sei ihm
aber nicht unangenehm. Ich kann nur sagen: Wer sich so
disstanziert, wer sagt, er stehe zu dem, was er gemacht
habe und es sei ihm nicht unangenehm, das gehöre zur Bi-
ografie des Joschka Fischer, muss sich wirklich fragen, ob
er an dem Platz, an den er gesetzt ist, für unser Land
richtig ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Der Herr Bundeskanzler hat gesagt, die Demokratie
freue sich über jeden, der in ihren Schoß zurückkehre. Es
ist klar, dass wir darum werben. Es ist auch richtig, was in
der Bibel steht: Über einen, der Sünder ist und umkehrt,
freut sich der Himmel mehr als über 99 Gerechte. Aber es
steht nicht in der Bibel, dass derjenige auch gleich Vize-
kanzler eines Landes werden muss.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der SPD – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber er ist es!)


Sie sollten daran denken, was einer der Weggefährten
von Joschka Fischer, Thomas Schmid, gesagt hat:

Trotz seiner Entschuldigung spricht Fischer über
seine militante Vergangenheit in einer Mischung aus
nachdenklicher Zerknirschtheit und geheimem
Stolz.

(Dr. Peter Struck [SPD]: Haben Sie das Buch auch gekauft?)

Genau diesen geheimen Stolz, den Sie, Herr Bundesmi-
nister, eben auch in der Regierungsbefragung wieder ge-
zeigt haben, nehme ich Ihnen übel. Sie haben zwar zuge-
geben: „Die Gewalt war falsch.“, aber letztlich diente sie
der Erreichung eines heroischen Zieles, nämlich des Zie-
les, diese Republik endlich liberal zu machen. Wenn Ihre
Haltung zu den damaligen Geschehnissen so aussieht,
dass es 1969 und danach notwendig war, Steine zu wer-

fen, um diese Republik zu reformieren, dass diese Ein-
stellung zumindest verständlich ist, dann kann ich Ihnen
nur sagen, dass Sie in der Tat nichts von dem, was damals
vorgegangen ist, verarbeitet haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie auch nicht!)


Sie machen Folgendes: Einerseits entschuldigen Sie
sich. Sie wissen, dass Sie das machen müssen, um in Ih-
rer jetzigen Position bleiben zu können und Anerkennung
zu bekommen.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Sie können offenbar ins Innere schauen!)


Andererseits tun Sie alles, um Ihren früheren Weggefähr-
ten zu signalisieren: Ich stehe zu meiner Biografie. Da-
mals schlug man zurück. So war das. Ich sage Ihnen
– auch Sie dürften die ersten Kommentare in den interna-
tionalen Medien zur Kenntnis genommen haben –: Wenn
Sie in einem so wichtigen Amt wie dem des Außenminis-
ters bleiben wollen, dann kommen Sie mit dieser Wi-
schiwaschiposition nicht durch. Sie müssen entweder sa-
gen: Ich stehe zu den Sachen, oder: Ich bereue diese
Sachen. Beides zusammen geht nicht, Herr Kollege
Fischer.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


1973 bin ich in den RCDS eingetreten,

(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herzlichen Glückwunsch! Eine Erfolgsstory! – Jörg Tauss [SPD]: Oh!)


also zu der Zeit, als Fischer mit seiner Putzgruppe begann,
radikal und gewalttätig zu werden. Wir sind damals aus-
gegrenzt, isoliert und manchmal sogar verprügelt worden.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: RCDS ausgegrenzt?)


Wir haben unter der manifesten Gewalt von Teilen der
Studentenbewegung bzw. der Ausläufer der Studenten-
bewegung gelitten.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Pflüger, das Opfer!)


Damals ist abgestimmt worden, Herr Kollege Schlauch,
ob wir vom RCDS überhaupt reden dürfen. Ich bin aus der
Universität Bremen mit der Begründung herausgetragen
worden, Faschisten hätten hier nichts zu suchen. Ich
möchte Ihnen, Herr Kollege Schlauch, sagen: In dieser
Zeit haben wir vom RCDS erkannt, dass Faschismus nicht
nur von rechts, sondern auch von links kommen kann.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wenn Sie uns jetzt Herrn Fischer als einen Gewinn für

die Republik präsentieren – es sei doch schön, wenn je-
mand Brüche in seiner Biografie habe; denn das zeige,
dass er sich weiterentwickelt habe, dass er sich nach ei-
nem langen selbstquälerischen Prozess zur Demokratie
bekannt habe –, dann sage ich Ihnen: Ich freue mich und
bin stolz darauf, dass ich auf meinem Weg in den Bun-






(C)



(D)



(A)



(B)


destag und in die politische Verantwortung keine Poli-
zisten verprügelt habe.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Dr. Peter Struck [SPD]: Es ist ja schon peinlich, was Sie hier sagen!)


Natürlich gab es damals den „Muff unter den Talaren“.
Natürlich gab es Strukturen, die verändert und moderni-
siert werden mussten. Wer wollte das bestreiten? Natür-
lich hat auch die Studentenbewegung viel in diesem Land
bewirkt. Die Frage ist nur, ob es in den 70er-Jahren not-
wendig war, Gewalt anzuwenden, nachdem es schon ei-
nen Regierungswechsel in der Bundesrepublik gegeben
hatte und Willy Brandt am Warschauer Mahnmal nieder-
gekniet war. Fraglich ist auch, ob dies in den 60er-Jahren
notwendig war. Sicher, die Studentenbewegung hat auch
manches in diesem Lande bewirkt, aber nicht die Gewalt-
täter. Ich muss den SDS und große Teile der Studentenbe-
wegung vor dieser Art der nachträglichen Gewaltrecht-
fertigung in Schutz nehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Zurufe von der SPD: Oh!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1414213200
Kommen Sie bitte
zum Schluss, Herr Kollege.


Dr. Friedbert Pflüger (CDU):
Rede ID: ID1414213300
Joschka Fischer
selbst ist es, der hohe moralische Messlatten an alle an-
legt, der immer wieder großartig Rücktritte gefordert hat,
der sich aufgrund seiner angeblichen Tugendhaftigkeit
immer wieder das Recht herausnimmt, andere zu zensie-
ren, und der sich immer wieder in einer entsprechenden
Pose präsentiert. Das fällt jetzt auf Sie, Herr Kollege
Fischer, ein bisschen zurück. Auch wenn Sie in Ihrem Amt
bleiben sollten,


(Dr. Peter Struck [SPD]: Bleibt er! Davon müssen Sie ausgehen!)


sollten Sie in Zukunft ein bisschen demütiger im Umgang
mit dem politischen Gegner werden und nicht mehr diese
unerträgliche Arroganz an den Tag legen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1414213400
Als
nächster Redner hat der Kollege Ludwig Stiegler von der
SPD-Fraktion das Wort.


(Jörg Tauss [SPD]: Ludwig, bitte Demut!)



Ludwig Stiegler (SPD):
Rede ID: ID1414213500
Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Der Kollege Pflüger hat eben die Bibel
zitiert. Darin steht auch der Satz: Oh Herr, wie danke ich
dir, dass ich nicht so bin wie diese. – Ich glaube, das war
die Stelle vom Pharisäer.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Herzlichen Glückwunsch!

Ich spreche hier für die Sozialdemokratie. Die Ge-
schichte unserer Partei ist die Geschichte der friedlichen
Reformen vom ersten Tag an, der Auseinandersetzungen
ohne Gewalt und der Erreichung ihrer Ziele mit friedli-
chen Mitteln von 1863 an. Wir haben deshalb keine Ver-
anlassung, das, was war, irgendwo zu rechtfertigen. wir
haben vielmehr Veranlassung, dankbar zu sein, dass je-
mand vom Weg der Gewalt zum Weg der friedlichen Re-
formen gefunden hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich kann das von Konservativen und Liberalen in
Deutschland nicht immer sagen. Ich erinnere an die So-
zialistengesetze, als sie ungeniert zur Gewalt gegriffen
haben. Ich erinnere daran, dass sie eines Tages Hitler er-
mächtigt und damit auch die Gewalt dieser Banden un-
terstützt haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)


– Ja, 1933 haben Konservative und Liberale Hitler zur
Mehrheit für das Ermächtigungsgesetz verholfen. Ich
bitte Sie: Schauen Sie sich Ihre eigene Geschichte an.
Schauen Sie sich das an, was Sie alles gemacht haben.


(Martin Hohmann [CDU/CSU]: Es spricht der Oberpharisäer!)


Zweitens. Sie tragen ja das hohe C vor. Gehen Sie einmal
die Kirchengeschichte durch. Ich empfehle Augustinus’
„Confessiones“ und viele andere. Da werden Sie sehen,
was Heilige in ihrer Jugendzeit alles angestellt haben, um
endlich ans Ziel zu gelangen.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS – Zurufe von der CDU/CSU)


– Man muss das einmal deutlich sagen. Ich spreche den
Außenminister nicht heilig; damit da keine Missverständ-
nisse entstehen. Aber ich sage: Die Unbarmherzigkeit, mit
der Sie Bekenntnis, Reue und Veränderung verurteilen, ist
zutiefst unchristlich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


So wie sich Herr Merz hier hingestellt hat, ist er mir
vorgekommen wie der Großinquisitor in „Der Name der
Rose“. Er hat vorher immer schon das Feuer brennen se-
hen. Der Betreffende konnte sagen, was er wollte; kein
Argument zählte. Wer Herrn Fischer zugehört hat, kann
nicht so reden wie Sie, Herr Merz, wenn er nicht die Oh-
ren verstopft hat oder ein vorgefertigtes Urteil hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wer so auf Fischer zeigt, auf den – so sagte Gustav
Heinemann – zeigen drei Finger zurück. Dies veranlasst
mich, einmal daran zu erinnern, woher denn der ganze
Protest kam, was eine ganze Generation in den Protest
trieb: Das war das, was wir 68er CDU-Staat nannten.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)





Dr. Friedbert Pflüger

13915


(C)



(D)



(A)



(B)


Das waren die alten Nazis, ob Globke oder Oberländer.
Das waren die getarnten Braunen an den Universitäten.
Das war die Sympathie von Strauß für Salazar, für die
griechischen Obristen und für Franco. Das war die Situa-
tion.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Das war der Umgang mit den Intellektuellen. Ich erinnere
daran, wie Intellektuelle als „Pinscher“ und „Ratten“ be-
zeichnet worden sind. Das war Ihre Auseinandersetzung
mit der Vergangenheit. Davon ist das gekommen.

Dann kam Willy Brandt mit Walter Scheel und hat
diese Generation mit dem Wort „Mehr Demokratie wa-
gen“ wieder geholt für diesen demokratischen Staat.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Ich war damals Student und habe in Bonn miterlebt,
wie Sie von der CDU/CSU sich alle über den Satz: „Wir
sind nicht am Ende der Demokratie, wir fangen erst an.“
aufgeregt haben. So hat es begonnen: Sie haben gegen den
Marsch der Linken durch die Institutionen gehetzt. Sie
wollten die anderen aussperren. Das war Ihre Reaktion.
Während Brandt und Scheel damals um jede Seele
gekämpft haben, haben Sie diejenigen, die sich, wie Frau
Vollmer oder andere, um die Verirrten gekümmert haben,
als „Sympathisanten“ beschimpft. So war die Situation.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Uwe Hiksch [PDS])


Ich verurteile die Art und Weise, wie Sie hier versu-
chen, von Ihrer eigenen Geschichte abzulenken. Ihre Vor-
gänger sind eine der Hauptursachen für die entstandenen
Probleme. Wir können dafür dankbar sein, dass wir es ge-
meinsam geschafft haben, in dieser offenen Demokratie
leben zu können.

Ich schließe mit der Bibel. Dort heißt es, dass im Hause
des Vaters über einen reuigen Sünder mehr Freude als
über 100 Gerechte besteht.


(Michael Glos [CDU/CSU]: 99!)

Von Freude ist da die Rede; deshalb kann Herr Fischer
Außenminister sein. Im Himmel herrscht Missvergnügen
über Selbstgerechte, Scheinheilige, Pharisäer. Lassen Sie
sich das gesagt sein!


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1414213600
Als
nächster Redner hat der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl von
der CDU/CSU-Fraktion das Wort.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Hans, gib es dem Bibelfälscher!)



Dr. Hans-Peter Uhl (CSU):
Rede ID: ID1414213700
Herr Präsident!
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir haben
heute den Versuch Joschka Fischers erlebt, sich als ge-

reifter Überzeugungstäter von einst staatstragend in
Szene zu setzen. Doch, Herr Außenminister, dieser Ver-
such ist Ihnen gründlich misslungen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


Fabelhaft staatsmännisch, in saturierter Bonhomie,
fein angezogen im Dreiteiler von Luxusschneiderhand –
so zeigt er sich uns. Ich zitiere hierbei die „Süddeutsche
Zeitung“. Heute putzt er sich nicht mehr mit einer Putz-
truppe auf den Straßen Frankfurts, sondern mit einem fei-
nen Siegelring am Finger.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Herr Fischer, so geht es nicht.


(Hans-Werner Bertl [SPD]: Schon wieder gelogen, Herr Kollege!)


Sie machen es sich zu leicht, wenn Sie heute – ich habe
Ihnen zugehört – mit frivolem Pathos hier erklären: Ich
war ein Revolutionär mit Freiheitsanspruch. Herr Fischer,
Sie machen sich mit solchen Äußerungen doch lächerlich.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dann faselt er noch weiter: Es sei eine Freiheitsrevolte

gewesen, an der er sich beteiligt habe. Herr Fischer, was
für ein groteskes Zerrbild vom damaligen Deutschland
haben Sie? Glauben Sie, Sie könnten uns alle hier für
dumm verkaufen? Wir sind doch fast alle Zeitzeugen die-
ses Deutschlands gewesen. Wo war das Terrorregime, in
dem wir angeblich gelebt haben? In welchem Unter-
drückungsstaat sollen wir gelebt haben? Sie reden wirres
Zeug, wenn Sie behaupten, dass Sie sich als Freiheitsre-
volutionär haben aufspielen müssen. Das ist doch uner-
träglich!

Wir wollen wissen, ob sich Ihre Überzeugung gewan-
delt hat. Wir wissen, Ihre Taten waren keine Jugendsün-
den. Sie waren weder jung noch sündig; sie waren krimi-
nell und erwachsen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


In Wahrheit war der APO-Fanatismus kein Kampf von
Idealisten. Es war ein Verrat an der Demokratie. Sie wa-
ren ein Feind der Demokratie.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Oh!)


– Ja, das war er. – Die erste deutsche Demokratie wurde
von den Nazis vernichtet. Der Reichstag wurde von
Goebbels als „Quasselbude“ bezeichnet. Sie und Ihre Ge-
nossen sind mit der gleichen Impertinenz und mit der
gleichen verwerflichen Gesinnung ans Werk gegangen.
Sie und die APO wollten die zweite deutsche Demokratie,
die Nachkriegsdemokratie, vernichten.


(Jörg Tauss [SPD]: Das ist ja unglaublich!)

Die Parallelen sind unverkennbar. Der gewalttätige po-

litische Straßenkampf findet immer nach den gleichen
Spielregeln statt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)





Ludwig Stiegler
13916


(C)



(D)



(A)



(B)


Die Spielregeln der SA sind uns bekannt:. Die SA als
Sturmabteilung der NSDAP hat sich in Saalschlachten
und in Straßenschlachten hervorgetan.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Das muss einer aus München sagen!)


Die SA war ein Machtinstrument der Nazis. Ihr Macht-
instrument, Herr Fischer, war Ihre Putztruppe.


(Hans-Werner Bertl [SPD]: Das ist ja nicht auszuhalten!)


Sie hatten mit Ihrer Putztruppe natürlich nicht denselben
militanten Erfolg wie die SA-Schläger, aber Sie wünsch-
ten sich einen ähnlichen Erfolg. Daran sehen wir, dass die
Franzosen mit dem Wort „Les extrêmes se touchent“
Recht haben: Die Linksextremen und die Rechtsextremen
bedienen sich immer derselben Instrumentarien.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Siehe Mahler!)

Fischer war ein wortgewaltiger Agitator, er war ein

Scharfmacher, er war ein Anstifter, er war ein Rädelsfüh-
rer.


(Gernot Erler [SPD]: Sie waren nichts von allem?)


Jetzt wollen Sie nichts mehr davon wissen.
Was ist es eigentlich für eine Entschuldigung, wenn

man einen Polizisten zusammenschlägt und dann 25 Jahre
verstreichen lässt, bis man unter massivem politischen
Druck ein Telefongespräch führt? Herr Fischer, das ist
doch unerträglich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Nein, wir wollen wissen, ob sich Ihre Gesinnung wirk-

lich geändert hat.

(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: CDU-Gesinnungs-TÜV! Das hättet ihr gerne! Geprüft und für demokratisch befunden!)


Wir werden hier nicht nachgeben. Man kann nicht oft
genug wiederholen, dass Sie nach der Ermordung von
Buback, Ponto und Schleyer nicht in Rage, sondern
schriftlich geäußert haben:

Bei den drei hohen Herren mag mir keine rechte
Trauer aufkommen.

Das ist das Gedankengut der Sympathisanten der Terro-
risten.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Heinrich Böll! Ein Literaturnobelpreisträger! Interessant!)


Dieses Gedankengut ist Ihr Gedankengut gewesen.
Dazu fällt Ihnen nur ein, dass Sie den Artikel einmal im

Zusammenhang sehen wollten, weil Sie sich nicht an al-
les erinnern könnten. Dabei halten Sie uns vor, ob wir uns
an jede Kreisvorstandssitzung erinnern könnten. Das ist
doch eine Frechheit. Die damalige Situation nach dem
Selbstmord von Ulrike Meinhof in der Zelle, nachdem ein
Schock durch Ihre Szene ging und nachdem Sie bei einer
Demonstration eine führende Rolle eingenommen haben,
vergleichen Sie mit einer Kreisvorstandssitzung einer
Partei. Und Sie können sich an nichts mehr erinnern, ob-
wohl Sie immer dabei waren!


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wir werden Ihnen helfen, sich zu erinnern, Herr

Fischer,

(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN]: Weil Sie dabei waren?)

weil wir wissen – Sie wissen es auch –, dass der Terroris-
mus in Deutschland ohne diese Sympathisantenszene nie-
mals möglich gewesen wäre.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Zuruf von der SPD: Sie sind heute noch Überzeugungstäter!)


Deswegen wollen wir wissen – die deutsche Öffentlich-
keit hat ein Recht darauf, es zu erfahren –, welche Rolle
Fischer wirklich gespielt hat.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Zuruf von der SPD: Das war der Höhepunkt der Debatte!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1414213800
Die Aktu-
elle Stunde ist beendet.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord-
nung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf morgen, Donnerstag, den 18. Januar 2001,
9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.