Protokoll:
14109

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 109

  • date_rangeDatum: 9. Juni 2000

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 14:34 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Tagesordnungspunkt 18: a) Bericht des Petitionsausschusses Bitten und Beschwerden an den Deut- schen Bundestag Die Tätigkeit des Petitionsausschus- ses des Deutschen Bundestages im Jahr 1999 (Drucksache 14/3456) . . . . . . . . . . . . . 10273 A b) Beschlussempfehlung des Petitionsaus- schusses Sammelübersicht 67 zu Petitionen (Vorgesehene Streichung der Teilwertab- schreibung im Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002) (Drucksache 14/1328) . . . . . . . . . . . . . 10273 B Heidemarie Lüth PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10273 B Bernd Reuter SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10275 C Hubert Deittert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 10278 A Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10279 C Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . . . . . . . . 10280 D Heidemarie Ehlert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 10282 C Marlene Rupprecht SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 10283 C Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) CDU/CSU 10285 A Martin Hohmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 10286 A Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10287 B Klaus Holetschek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 10288 C Hans-Joachim Hacker SPD . . . . . . . . . . . . . . 10290 A Katherina Reiche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 10291 D Tagesordnungspunkt 19: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Hartmut Koschyk, Christian Schmidt (Fürth), weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Versöhnung durch Äch- tung von Vertreibung (Drucksachen 14/1311, 14/3203) . . . . 10293 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Weiterent- wicklung der deutsch-tschechischen Beziehungen (Drucksachen 14/1873, 14/3164) . . . . 10293 C Petra Ernstberger SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10293 D Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 10295 B Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10296 C Erika Steinbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 10299 B Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10300 A Dr. Max Stadler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10300 C Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10301 D Dr. Christoph Zöpel, StMin AA . . . . . . . . . . . 10302 C Katherina Reiche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 10305 A Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . . 10306 D Karl Lamers CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 10307 B Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10307 D Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10308 C Tagesordnungspunkt 20: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Plenarprotokoll 14/109 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 109. Sitzung Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 I n h a l t : Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Altschuldenhilfe-Ge- setzes (Zweites Altschuldenhilfe- Änderungsgesetz)(Drucksache 14/2983) . . . . . . . . . . 10309 B – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Altschuldenhilfe- Gesetzes (Zweites Altschuldenhil- fe-Änderungsgesetz) (Drucksache 14/3267) . . . . . . . . . . 10309 B – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Karlheinz Guttmacher, Horst Friedrich (Bay- reuth), weiteren Abgeordneten und der Fraktion F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zurÄnde- rung des Altschuldenhilfe-Geset- zes (Altschuldenhilfe-Änderungs- gesetz) (Drucksache 14/3209) . . . . . . . . . . 10309 B (Drucksachen 14/3520, 14/3564) . . . . 10309 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen – zu dem Antrag der Abgeordneten Christine Ostrowski, Dr. Christa Luft, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion PDS: Änderung des Altschul- denhilfe-Gesetzes – Absenkung der Privatisierungspflicht und Auf- hebung der Erlösabführung zum 1. Januar 2000 – zu dem Antrag der Abgeordne- ten Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion CDU/CSU: Novellierung des Alt- schuldenhilfe-Gesetzes – zu dem Antrag der Abgeordne- ten Christine Ostrowski, Maritta Böttcher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS: Programm zur nachhaltigen Stadt- und Re- gionalentwicklung und zum Er- halt von Wohnungsgesellschaften und Wohnungsgenossenschaften in strukturschwachen Regionen der neuen Länder – zu dem Antrag der Abgeordneten Christine Ostrowski, Heidemarie Ehlert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS: Aufhebung der Privatisierungspflicht im Altschul- denhilfe-Gesetz und der Sanktio- nen bei Nichterfüllung (Drucksachen 14/1123, 14/1954, 14/2632, 14/2804, 14/3520, 14/3564) . . . . . . . . 10309 C Achim Großmann, Parl. Staatssekretär BMVBW 10310 A Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . . . . . . . . 10311 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10313 C Dr. Karlheinz Guttmacher F.D.P. . . . . . . . . . . 10314 C Christine Ostrowski PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 10315 C Dr. Jürgen Heyer, Minister (Sachsen-Anhalt) 10316 C Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU . . . . . . . . . . 10317 D Iris Gleicke SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10319 A Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . . 10319 B Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10320 C Zusatztagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Hilfe für durch Anti-D-Immunprophylaxe mit dem He- patitis-C-Virus infizierte Personen (An- ti-D-Hilfegesetz, AntiDHG) (Drucksachen 14/2958, 14/3282, 14/3538, 14/3539) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10325 A Christa Nickels, Parl. Staatssekretärin BMG . 10325 B Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/CSU 10326 C Gudrun Schaich-Walch SPD . . . . . . . . . . . . . 10328 C Detlef Parr F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10329 D Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10330 D Rolf Schwanitz, Staatsminister BK . . . . . . . . 10331 D Tagesordnungspunkt 21: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zurvergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 14/2959, 14/3433, 14/3418) 10332 C Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung des von den Abgeordneten Norbert Geis, Roland Pofalla, weiteren Ab- geordneten und der Fraktion CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Verbesserung der gesetzlichen Maßnahmen gegenüberKinder- und Ju- genddelinquenz (Drucksache 14/3189) . . . . . . . . . . . . . . . . 10332 D Tagesordnungspunkt 23: Antrag der Abgeordneten Ulrich Heinrich, Ulrike Flach, weiteren Abgeordneten und Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000II der Fraktion F.D.P.: Eigentumsrechte nicht durch falsche Naturschutzpolitik aushöhlen (Drucksache 14/1113) . . . . . . . . . . . . . . . . 10333 A Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Rössel, Dr. Winfried Wolf, weiteren Abgeordneten und der Fraktion PDS eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Eisenbahnkreu- zungsgesetzes (Drucksache 14/3332) . . . . . . . . . . . . . . . . 10333 B Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . 10333 B Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung des von den Abgeordneten Alfred Hartenbach, Hermann Bachmaier, weiteren Abgeordneten und der Fraktion SPD sowie den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Hans-Christian Ströbele, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Rechts an Grundstücken in den neuen Ländern (Grundstücksrechtsänderungsgesetz) (Drucksache 14/3508) . . . . . . . . . . . . . . . . 10334 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10334 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 10335 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Ostrowski (PDS) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Altschuldenhilfe- Änderungsgesetzes (Zweites Altschuldenhilfe- Änderungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 20) 10336 C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerbsrecht- licher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 21) 10336 D Dirk Manzewski SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10336 D Birgit Roth (Speyer) SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 10337 D Dr. Susanne Tiemann CDU/CSU . . . . . . . . . . 10338 C Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10340 B Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10341 A Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10341 B Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ . 10342 A Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der gesetzlichen Maßnahmen gegenüber Kin- der- und Jugenddelinquenz (Tagesordnungs- punkt 22) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10343 C Erika Simm SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10343 D Anni Brandt-Elsweier SPD . . . . . . . . . . . . . . . 10344 D Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 10345 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10347 A Jörg van Essen F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10347 D Sabine Jünger PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10348 B Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Eigentumsrechte nicht durch falsche Naturschutzpolitik aushöhlen (Tages- ordnungspunkt 23) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10348 D Karsten Schönfeld SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 10348 D Christel Deichmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 10350 B Cajus Caesar CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 10351 B Sylvia Voß BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . 10352 D Ulrich Heinrich F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10353 D Eva-Maria Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . 10354 C Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes (Tagesordnungs- punkt 24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10355 A Wieland Sorge SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10355 A Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU . . . . . . . . . . 10356 A Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10357 A Horst Friedrich (Bayreuth) F.D.P. . . . . . . . . . 10357 C Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Rechts an Grundstücken in den neuen Ländern (Grundstücksrechtsänderungsgesetz) (Tages- ordnungspunkt 25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10358 C Hans-Joachim Hacker SPD . . . . . . . . . . . . . . 10358 C Andrea Voßhoff CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 10359 A Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10360 B Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10360 D Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 10361 A Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ . . . 10361 D Anlage 8 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10362 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 III Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 Dr. Uwe-Jens Rössel 10334 (C) (D) (A) (B) *) Anlage 7 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10335 (C) (D) (A) (B) Adler, Brigitte SPD 09.06.2000 Altmann (Aurich), BÜNDNIS 90/ 09.06.2000 Gila DIE GRÜNEN Andres, Gerd SPD 09.06.2000 Binding (Heidelberg), SPD 09.06.2000 Lothar Bläss, Petra PDS 09.06.2000 Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 09.06.2000 Bohl, Friedrich CDU/CSU 09.06.2000 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 09.06.2000 Braun (Augsburg), F.D.P. 09.06.2000 Hildebrecht Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 09.06.2000** Klaus Bulmahn, Edelgard SPD 09.06.2000 Burgbacher, Ernst F.D.P. 09.06.2000 Bury, Hans Martin SPD 09.06.2000 Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 09.06.2000 Peter H. Eichhorn, Maria CDU/CSU 09.06.2000 Erler, Gernot SPD 09.06.2000 Fischer (Homburg), SPD 09.06.2000 Lothar Flach, Ulrike F.D.P. 09.06.2000 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 09.06.2000 Frick, Gisela F.D.P. 09.06.2000 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 09.06.2000 Gebhardt, Fred PDS 09.06.2000 Gehrcke, Wolfgang PDS 09.06.2000 Günther (Plauen), F.D.P. 09.06.2000 Joachim Haack (Extertal), Karl SPD 09.06.2000** Hermann Hanewinckel, Christel SPD 09.06.2000 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 09.06.2000 DIE GRÜNEN Dr. Hornhues, CDU/CSU 09.06.2000 Karl-Heinz Imhof, Barbara SPD 09.06.2000 Irmer, Ulrich F.D.P. 09.06.2000* Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 09.06.2000 Kalb, Bartholomäus CDU/CSU 09.06.2000 Kampeter, Steffen CDU/CSU 09.06.2000 Körper, Fritz Rudolf SPD 09.06.2000 Kolbow, Walter SPD 09.06.2000 Kossendey, Thomas CDU/CSU 09.06.2000 Lehn, Waltraud SPD 09.06.2000 Leidinger, Robert SPD 09.06.2000 Lengsfeld, Vera CDU/CSU 09.06.2000 Lenke, Ina F.D.P. 09.06.2000 Lintner, Eduard CDU/CSU 09.06.2000** Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 09.06.2000 Klaus W. Dr. Lucyga, Christine SPD 09.06.2000* Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 09.06.2000** Erich Mascher, Ulrike SPD 09.06.2000 Müller (Berlin), PDS 09.06.2000* Manfred Müller (Zittau), SPD 09.06.2000 Christian Neumann (Gotha), SPD 09.06.2000** Gerhard Otto (Frankfurt), F.D.P. 09.06.2000 Hans-Joachim Poß, Joachim SPD 09.06.2000 Rauber, Helmut CDU/CSU 09.06.2000 Reinhardt, Erika CDU/CSU 09.06.2000 entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Scharping, Rudolf SPD 09.06.2000 Scheffler, Siegfried SPD 09.06.2000 Schemken, Heinz CDU/CSU 09.06.2000 Schewe-Gerigk, BÜNDNIS 90/ 09.06.2000 Irmingard DIE GRÜNEN Schily, Otto SPD 09.06.2000 Schloten, Dieter SPD 09.06.2000** Schmidt (Aachen), Ulla SPD 09.06.2000 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 09.06.2000 Hans Peter von Schmude, Michael CDU/CSU 09.06.2000** Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 09.06.2000 Andreas Schröder, Gerhard SPD 09.06.2000 Schultz (Köln), SPD 09.06.2000 Volkmar Sebastian, CDU/CSU 09.06.2000 Wilhelm-Josef Dr. Freiherr von CDU/CSU 09.06.2000 Stetten, Wolfgang Dr. Struck, Peter SPD 09.06.2000 Dr. Thalheim, Gerald SPD 09.06.2000 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 09.06.2000 DIE GRÜNEN Violka, Simone SPD 09.06.2000 Widmann-Mauz, CDU/CSU 09.06.2000 Annette Wieczorek-Zeul, SPD 09.06.2000 Heidemarie Wilhelm (Mainz), CDU/CSU 09.06.2000 Hans-Otto Wöhrl, Dagmar CDU/CSU 09.06.2000 Wolff (Zielitz), SPD 09.06.2000 Waltraud Zapf, Uta SPD 09.06.2000 Zierer, Benno CDU/CSU 09.06.2000* Zumkley, Peter SPD 09.06.2000 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Ent- wurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Altschuldenhilfe-Änderungsgesetzes (Zweites Altschuldenhilfe-Änderungsgesetz–2-AHÄndG) (Tagesordnungspunkt 20) Christine Ostrowski (PDS): Ich lehne den Gesetz- entwurf der Bundesregierung und der Koalitionsfraktio- nen ab und möchte diese Ablehnung begründen, damit mir nicht vorgeworfen wird, dass ich gegen die bescheidenen positiven Änderungen bin, die dieser Gesetzentwurf ent- hält. Meine Ablehnung begründet sich wie folgt: Erstens. Die mit dem Gesetz beschlossenen Änderun- gen sind zwar zu begrüßen, aber sie regeln in keiner Weise jene Fragen, die das Gesetz hätte regeln müssen, nämlich: Befreiung dauerhaft leerstehender Wohnungen von den Restschulden und den weiteren Auflagen, Nichtanrech- nung auf die Wohnungsunternehmen zurückgefallener re- stitutionsbehafteter Wohnungen, wenigstens die Auf- nahme einer Härtefallregelung in das Gesetz. Damit wurden die außerordentlichen finanziellen Be- lastungen der Wohnungsunternehmen nicht wesentlich erleichtert. Das Gesetz und der Vorgang seiner Entstehung zeigen Unfähigkeit und Unwillen der Regierung und der Koaliti- onsfraktionen, die ostdeutschen tiefgreifenden strukturel- len Probleme zu lösen. Das Gesetz ist ein virtueller, kein wirklicher Schluss- strich unter das AHG. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften (Tagesord- nungspunkt 21) Dirk Manzewski (SPD): Am heutigen Tag debattieren wir an dieser Stelle über den Gesetzentwurf der Bundes- regierung zur vergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften. Nach der Beratung des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen und des Fernabsatzgesetzes beschäftigen wir uns damit hier im Deutschen Bundestag im Rahmen der Rechtspolitik erneut mit einem wirtschaftspolitischen Thema. Die Bun- desregierung folgt ihrem Ziel, die wirtschaftlichen Rah- menbedingungen für Mittelstand, Handwerk und Exis- tenzgründungen zu verbessern. Der vorliegende Gesetzentwurf soll dabei vor allem zum einen die entsprechende Richtlinie des Europäischen Parlaments umsetzen und zum anderen längst fällige Kor- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10336 (C) (D) (A) (B) rekturen im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vornehmen. Durch die Umsetzung der Richtlinie des Eu- ropäischen Parlaments soll primär das Recht der verglei- chenden Werbung in Europa und damit eines wichtigen Bestandteils des Werberechts im Bereich des Binnen- marktes harmonisiert werden. Bislang war vergleichende Werbung im deutschen Recht nicht ausdrücklich geregelt. Sie wurde jedoch vor der Verabschiedung der Richtlinie von der Rechtspre- chung in den meisten Fällen als wettbewerbswidrig ange- sehen. Die vorgeschlagene Ergänzung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb wird zu einer Liberalisierung des Wettbewerbsrechts und damit zu mehr Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in diesem Bereich führen. Verglei- chende Werbung wird zukünftig grundsätzlich zulässig sein. Sie soll der Information der Verbraucher dienen und transparente Marktbedingungen schaffen. Werbeverglei- che werden helfen, die Besonderheiten von Produkten oder Dienstleistungen hervorzuheben. Gerade Neuanbie- ter werden hiervon profitieren, da ihnen die Möglichkeit gegeben wird, Vorteile und Unterschiede zur Konkurrenz darzustellen und herauszuheben. Der Gesetzentwurf defi- niert dabei konkret, was hierunter zu verstehen ist. Daneben wird in einem umfassenden Kriterienkatalog entsprechend der Systematik des UWG in einem Verbots- tatbestand jedoch deutlich klargestellt, wann verglei- chende Werbung als sittenwidrig und damit unzulässig anzusehen ist. So dürfen Kunden von einem Werbetrei- benden nicht durch einen Werbevergleich irregeführt wer- den. Ebenso wenig darf Werbung zu einer Verwechslung der verglichenen Produkte führen oder den Mitbewerber und die von ihm vertriebenen Produkte herabsetzen oder verunglimpfen. Eine Einschränkung wird die Liberalisie- rung der vergleichenden Werbung aus nachvollziehbaren Gründen allerdings im Bereich der Humanarzneimittel finden müssen. Um dies zu verdeutlichen war eine Ände- rung des Heilmittelwerbegesetzes erforderlich. Die Verpflichtung, die Richtlinie des Europäischen Parlaments umzusetzen, ist zudem genutzt worden, um zwei Empfehlungen aufzugreifen, die von der vom Bun- desjustizministerium im Jahre 1995 eingesetzten Arbeits- gruppe zur Überprüfung des Wettbewerbsrechts stam- men. Die Arbeitsgruppe war seinerzeit eingesetzt worden, um den Reformbedarf beim Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb umfassend zu prüfen und insbesondere zur Klärung von Zweifelsfragen beizutragen. Dem wollen wir nachkommen. So soll nunmehr zum einen klargestellt werden, dass bei der so genannten progressiven Kunden- werbung – besser bekannt als Schneeballsystem – künftig auch die in der Praxis häufigen Gewinnspiele strafbar sind, bei denen die Teilnehmer die erwarteten besonderen Vorteile nicht vom Veranstalter selbst, sondern von Drit- ten – insbesondere von den neu hinzugeworbenen Teil- nehmern – erhalten. Zum anderem soll klargestellt werden, dass der Ge- richtsstand grundsätzlich am Ort der gewerblichen Nie- derlassung bzw. des Wohnsitzes des Beklagten liegt. Am Gerichtsstand der unerlaubten Handlung soll der Beklagte nur dann verklagt werden können, wenn weder ein inlän- discher Wohnsitz noch eine inländische gewerbliche Nie- derlassung vorliegt. Gerne hätten wir an dieser Stelle noch weitere Verän- derungen vorgenommen und zum Beispiel dem Einzel- handel geholfen, indem wir schon jetzt dem immer häufi- geren Missbrauch von Sonderveranstaltungen und Räu- mungsverkäufen begegnet wären. Da dies ohne zeitliche Verzögerung für das gesamte Gesetzeswerk aufgrund mangelnder Bereitschaft von CDU/CSU und F.D.P. nicht möglich gewesen wäre, haben wir es zunächst zurückge- stellt. Wir sichern jedoch zu, diesen Bereich in einem um- fassenderen Kontext zügig wieder aufzugreifen und zu re- geln. Wir wollen den Gesetzentwurf wenigstens dazu nut- zen, eine dringende Änderung im Urheberrechtsgesetz vorzunehmen, um zu verhindern, dass geschützte Urheber bei der Vervielfältigung von Werken und Leistungen im privaten Bereich durch Umgehung um eine angemessene Vergütung gebracht werden. Dazu sollen Vervielfälti- gungsgeräte künftig auch bei geringer Leistung eine Ver- gütungspflicht auslösen. Dies wird zu keiner unangemes- senen Belastung führen, zumal in der Praxis zwischen den Verwertungsgesellschaften und den Nutzerverbänden in- tern ohnehin niedrigere Sätze vereinbart werden. Der vorliegende Gesetzentwurf entspricht weitgehend einem Referentenentwurf, der den Landesjustizverwal- tungen, dem Bundesgerichtshof und den interessierten Organisationen und Verbänden zur Stellungnahme über- sandt worden war. Der Gesetzentwurf ist dabei grundsätz- lich positiv aufgenommen worden. Ich gehe daher von ei- ner breiten Zustimmung aus. Die Instanzgerichte und der BGH wenden die Kriterien der Richtlinie des Europäischen Parlaments im Vorgriff auf deren Umsetzung im Übrigen bereits an. Mir ist zwar durchaus bewusst, dass verschiedene Wirtschaftsverbände und die AGV Forderungen nach ei- ner grundlegenden Liberalisierung und Neuorientierung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb aufstellen. Da es sich hierbei jedoch vielfach um Anregungen han- delt, die einer viel vertiefenderen rechts- und wirtschafts- politischen Diskussion bedürfen, sind diese angesichts der knappen Umsetzungsfrist sowie des beschränkten Re- gelungsziels dieses Gesetzgebungsvorhabens noch nicht aufgegriffen worden. Ich gehe jedoch davon aus, dass die Diskussion hierüber mit der heutigen Debatte noch nicht beendet ist und eine umfassendere und intensivere Prü- fung erfolgen wird. Birgit Roth (Speyer) (SPD): Der Reformbedarf des Wettbewerbsrechts ist seit längerem bekannt und wir ha- ben mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf zur verglei- chenden Werbung erste Schritte realisiert. Unsere Geset- zesinitiative führt zu einer Liberalisierung des Wettbe- werbsrechts, zu mehr Rechtsklarheit und Rechts- sicherheit. Aufgrund der wettbewerbsrechtlichen Historie in Deutschland ist es uns ein besonderes Anliegen – denn in diesen Bereich fällt ja zum Beispiel auch das Rabattge- setz und die Zugabeverordnung –, die Umsetzung der Richtlinie im Konsens herbeizuführen. Denn – gestatten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10337 (C) (D) (A) (B) Sie mir diesen Vergleich – das Wettbewerbsrecht ist wie ein rohes Ei, und es muss eine vernünftige und verant- wortungsvolle Ausgewogenheit zwischen Wettbewerb auf der einen Seite und Regelwerk auf der anderen Seite geben, sonst könnte dies tiefgreifende Konsequenzen für unsere Wirtschaftsordnung, für unsere soziale Marktwirt- schaft haben. Gerade im Zeitalter der Globalisierung, der großen Fu- sionen, im Zeitalter von Multimedia und dem Internet müssen wir den mittelständischen Unternehmen auch ein modernes Wettbewerbsrecht an die Hand geben, das Chancengleichheit gewährleistet. Denn wir nehmen die Sorgen der Mittelständler, insbesondere des Einzelhan- dels, sehr ernst. Die E-Commerce-Richtlinie ist bereits Realität geworden, das heißt, im Internet wird das Recht des Herkunftslandes angewendet. Damit haben wir fak- tisch eine Benachteiligung inländischer Firmen gegen- über ausländischen Wettbewerbern. Wir sehen in der eingeleiteten Liberalisierung in erster Linie eine Chance für den Mittelstand und die Verbrau- cher. Das belegen auch die Ergebnisse einer Untersu- chung des Forschungsinstitutes für Wirtschaftspolitik an der Universität Mainz, die im Auftrag des BMF angefer- tigt worden ist. Obwohl vergleichende Werbung grundsätzlich von allen Anbietern, ob Marktführern oder Newcomern, eingesetzt werden kann, wird in dieser Wer- beform eher ein Instrument für kleinere bzw. mittlere An- bieter und Newcomer gesehen. In den meisten Fällen pro- fitieren die kleineren Anbieter durch den Vergleich mit dem größeren, bekannteren Anbieter mehr. Die Darstel- lung zweier oder mehrerer Konkurrenten erhöht den Adressatenkreis und der Bekanntheitsgrad der Konkur- renzprodukte konnte genutzt werden, um die eigenen Wa- ren oder Dienstleistungen bekannter zu machen. Doch vergleichende Werbung ist eher die Ausnahme. Obwohl der direkte Vergleich mit den Konkurrenten möglich ge- wesen wäre, entschieden sich die meisten gegen die Na- mensnennung, da Reaktionen der Verbraucher eher als ne- gativ für das werbetreibende Unternehmen eingeschätzt würden. Lassen Sie mich Ihnen noch ein sehr interessantes Bei- spiel für vergleichende Werbung geben: Die Werbe- schlacht zwischen Burger King und McDonald’s. Daran konnte deutlich gesehen werden, dass, das Ergebnis der vergleichenden Werbung auch von der entsprechenden Fairness abhängig ist: Die Burger King-Kampagne, ge- kennzeichnet durch witzige, vergleichende Werbesprüche wurde sogar mit einem Werbe-Oskar ausgezeichnet und kam beim Verbraucher sehr positiv an. Hingegen bei der vergleichenden Werbeschlacht zwischen Telekom und Mobilkom ging der Schuss nach hinten los – mit be- trächtlichem Imageschaden für das Unternehmen. Aus diesem Grunde ist bei der Anwendung von vergleichender Werbung immer auch ein Stück weit Sensibilität gefragt. Durch die Neuregelung ist der direkte Preisvergleich erlaubt, wobei auch in diesem Falle der Konkurrent na- mentlich genannt werden muss, was viele von verglei- chender Werbung abhält, da automatisch auch der Kon- kurrent in den Medien transportiert wird und der Be- kanntheitsgrad mit ansteigt. Doch insbesondere durch Preisvergleiche kann eine Preisspirale in Gang gesetzt werden, die sich positiv für den Verbraucher auswirken kann. Deswegen gehen wir davon aus, dass die Gesetzes- initiative zur vergleichenden Werbung mehr Markttrans- parenz ermöglicht. Dabei dürfen wir aber die Augen vor den Risiken nicht verschließen. Wenn Marktführer sich durch vergleichende Angebote Preisschlachten bieten, können kleinere Anbieter oft nicht mithalten. Insbeson- dere im Lebensmittelbereich herrscht ein harter Verdrän- gungswettbewerb, der zulasten der kleinen Anbieter aus- fallen könnte. Abschließend möchte ich aus wirtschaftspolitischer Hinsicht ein Fazit ziehen. Wir begrüßen die Liberalisie- rung der vergleichenden Werbung, weil die Chancen- gleichheit des Mittelstandes gewährleistet wird, sich die Markttransparenz erhöht und klare Vorteile für den Ver- braucher ersichtlich sind. Dr. Susanne Tiemann (CDU/CSU): Als die Druck- sache 14/2959 in der ersten Lesung hier im Bundestag be- handelt wurde, stand die CDU/CSU-Fraktion dem Ge- setzentwurf zwar nicht ablehnend, wohl aber mit kon- struktiver Skepsis gegenüber. Im Laufe der konstruktiven Beratungen, die wir im Rechtsausschuss geführt haben, sind wir zu einem Ergebnis gekommen, dem alle Mitglie- der zugestimmt haben. Als Folge dieses Ergebnisses stellt die CDU/CSU-Fraktion ihre anfänglich geäußerten Be- denken zurück, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass in einem möglichst überschaubaren Zeitraum notwendige weitere Änderungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und sonst den Handel betreffende Probleme einer gesetzlichen Regelung zugeführt werden sollten, und zwar konzeptionell in einer Einheit. Der im Rechtsausschuss gefundene Kompromiss sieht im Wesentlichen die Umsetzung der vom Europäischen Parlament und Rat am 6. Oktober 1997 verabschiedeten Richtlinie 97/SS/EG in nationales Recht vor. Die Umset- zung der Richtlinie ist zum einen europarechtlich drin- gend geboten, da die Umsetzungsfrist bereits am 23. April 2000 abgelaufen ist, und zum anderen ein Beitrag zur Rechtsklarheit, da der BGH in verschiedenen Rechtsstrei- tigkeiten im Jahre 1998 erklärt hat, dass er von seiner bis- herigen Rechtsprechung abweiche und im Rahmen des § 1 UWG die materiellen Bestimmungen der Richtlinie anwende. Damit hat sich bereits, in der Rechtsprechung ein Um- bruch des Wettbewerbsrechts vollzogen, da die verglei- chende Werbung bisher stets für grundsätzlich unzulässig erklärt wurde. Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit war die Umsetzung somit erforderlich, damit die Werben- den wissen, welche Rechte und Pflichten von ihnen kon- kret zu beachten sind. Die Umsetzung der Richtlinie wurde auch behutsam vorgenommen. Ziel war es immer, mit dem Wettbewerbsrecht behutsam umzugehen, da es eine wesentliche Basis für das Funktionieren unserer so- zialen Marktwirtschaft darstellt. Denn wenn wir nicht über ein ausgewogenes Wettbewerbsrecht verfügen, hat dies tief greifende Folgen für unsere Wirtschaftsordnung, für die Balance zwischen Freiheit und Bindung des Markthandelns. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10338 (C) (D) (A) (B) Dementsprechend waren auch nicht alle Vorgaben der Richtlinie zur Umsetzung vorgesehen, da das deutsche Recht entweder der Richtlinie schon Rechnung trug oder das europäische Recht schon an anderen Stellen entspre- chende Regelungen vorgab. Die einzige am Katalog des Art. 1 Nr. 1 vorgenommene Korrektur ( § 2 II Nr. 5 UWG) war notwendig, um klarzustellen, dass die Herabsetzung der geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers gleichfalls zur Unzulässigkeit der Werbung führt. Inso- weit bestand zwischen den Fraktionen auch Einigkeit. Während unserer Regierungszeit wurde 1995 in vo- rausschauender Weise, das möchte ich noch einmal aus- drücklich betonen, die Arbeitsgruppe „Überprüfung des Wettbewerbs“ eingesetzt. Von deren anfänglich in der Drucksache 14/2959 beinhalteten Änderungsvorschlägen sind in der jetzigen Fassung lediglich die Änderungen von § 6 c UWG und § 24 112 UWG vorgesehen. Die Änderung dieser beiden Vorschriften wird von der CDU/CSU-Fraktion inhaltlich begrüßt, wobei festgehal- ten werden sollte, dass eine umfassende und abschlie- ßende Auseinandersetzung mit den Vorschlägen der Ar- beitsgruppe nach Ansicht meiner Fraktion den Bedürfnis- sen des Wettbewerbs weitaus mehr Rechnung getragen hätte. Der am 17. Dezember 1996 vorgelegte Bericht der Ar- beitsgruppe lehnte eine umfassende Überarbeitung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ab, machte aber gleichwohl Vorschläge, die im ursprünglichen Ge- setzentwurf der Bundesregierung keine Berücksichtigung fanden, obwohl die Vorschläge durchaus berücksichti- genswert gewesen wären. Die Arbeitsweise der Bundes- regierung, gesetzgeberische Vorhaben als Stückwerk ver- abschieden zu wollen, hätte sich damit uneinsichtiger- weise ungehemmt fortgesetzt. In dieser Hinsicht ist die Bundesregierung, das kann man ruhig einmal sagen, sehr konservativ. Der Änderung der Bestimmungen der §§ 6 c UWG und 24 II 2 UWG kann grundsätzlich zugestimmt werden. Im Rahmen des § 6 c UWG zwingt das Geschäftsgebaren ei- niger Menschen den Gesetzgeber dazu, möglichst zügig geeignete Vorschriften zu erlassen, um dem entgegenzu- wirken. Der neue § 6 c UWG stellt nun unmissverständ- lich klar, dass auch die Vorteilsgewährung durch Dritte, z. B. durch neu geworbene Teilnehmer eines Kettenbrief- systems, in den Anwendungsbereich der Norm fällt. Die Präzisierungen, die im Laufe der Beratungen vorgenom- men wurden, sollen dies noch eindeutiger zum Ausdruck bringen. Die Regelung des neuen § 24 II2 UWG beseitigt eine bisher bestehende Unklarheit. Die Bestimmung des § 24 I UWG knüpft bei der Bestimmung des Gerichtstands bei der gewerblichen Niederlassung oder hilfsweise am Wohnsitz an. Entsprechend war somit auch § 24 II2 UWG zu präzisieren, dass heißt, dass Verbände nur dann am De- liktsort klagen können, wenn der Beklagte weder über eine inländische gewerbliche Niederlassung noch über ei- nen inländischen Wohnsitz verfügt. Die Arbeitsgruppe „Überprüfung des Wettbewerbs“ hat eine Reihe von wichtigen und umsetzungsbedürftigen Vorschlägen ausgearbeitet. Diese können aber nicht, wie ursprünglich im Gesetzentwurf vorgesehen, mit heißer Nadel gestrickt, einfach dem Gesetz über die Umsetzung einer EU-Richtlinie als punktuelle Regelung angehängt werden. Sie bedürfen einer konzeptionell geschlossenen und stimmigen Einfügung in das UWG. Daher begrüßen wir, dass die Art. 1 Nr. 5 und 6 (§ 7 UWG – Sonderveran- staltungen, § 8 UWG – Räumungsverkauf) aus dem Ge- setzentwurf gestrichen wurden. Die Fraktion der CDU/CSU ist nach wie vor der An- sicht, dass die bisher nicht berücksichtigten Vorschläge der Arbeitsgruppe sowie weitere Ergänzungen, zum Bei- spiel die Aufnahme einer dem alten § 6 d UWG entspre- chenden Norm, im Rahmen eines umfassenden Gesetz- entwurfs beraten werden sollten. Wir werden daher Acht geben, dass dieses Vorhaben nicht auf die lange Bank ge- schoben wird, und gegebenenfalls eigene Schritte unter- nehmen. Die CDU/CSU-Fraktion hält die Einführung einer dem alten § 6 d UWG entsprechenden Norm nach wie vor für geeignet und notwendig, vielfach aufgetretene und kriti- sierte Missstände zu beseitigen. Im Einzelhandel fand in den letzten Jahren ein uner- bittlicher Preiskampf statt, der zur Vernichtung vieler mit- telständischer Existenzen führte. Dieser Prozess ist volks- wirtschaftlich schädlich und nicht gewollt, da am Ende eine Monopolisierung stünde. Ziel sollte es vielmehr sein, die Anzahl der Anbieter auf einem hohen Niveau zu hal- ten, damit eine stetige Konkurrenz der Anbieter unterei- nander für einen dauerhaften Wettbewerb sorgt. Das Ziel, einer Monopolisierung entgegenzuwirken, mit gleichzei- tiger Stärkung des Wettbewerbs, könnte dadurch erreicht werden, dass den konkurrierenden Wettbewerbern ein In- strument in die Hand gegeben wird, welches ihnen er- möglicht, gegen so genannte „Lockvogelangebote“ mit Unterlassungsansprüchen vorzugehen. Der Handel würde so mit marktwirtschaftlichen Mitteln Einkaufsvorteilen und möglichen ungerechtfertigten Konditionsspreizun- gen der Industrie im Interesse des Nachteilsausgleichs für kleinere und mittlere Unternehmen die Spitze nehmen können. Die alte Regelung des § 6 d UWG hatte zwar keinen Bestand vor der Rechtsprechung, weil der damalige Wort- laut zwischen Kunde und Wiederverkäufer differenzierte, wobei gegenüber dem Wiederverkäufer allerdings nur ein völliger Ausschluss, nicht aber eine mengenmäßige Be- schränkung der Warenabgabe für einen Unterlassungsan- spruch ausreichte. Bei den Überlegungen, ob eine ver- gleichbare Neuregelung abermals in das UWG aufge- nommen wird, sollte dies keinen Hinderungsgrund darstellen. Der Mittelstand ist nicht nur Rückgrat der Volkswirt- schaft, sondern auch Basis eines funktionierenden Wett- bewerbs in der sozialen Marktwirtschaft. Ein modernes Wettbewerbsrecht kann auf eine starke mittelständische Wirtschaft daher unmöglich verzichten, weshalb den be- rechtigten Anliegen des Mittelstandes mehr Rechnung ge- tragen werden sollte. Noch zu einem konkreten Punkt: Der in den Beratun- gen neu eingeführte Art. 3 war deshalb notwendig, weil Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10339 (C) (D) (A) (B) sich gezeigt hat, dass die Tendenz, gesetzliche Regelun- gen zu umgehen, mittlerweile Volkssportcharakter ange- nommen hat. Die bisherige Regelung in den Vorschriften §§ 53, 54, 54 a, einschließlich der Anlage zu § 54 d Urhe- berrechtsgesetz, sieht vor, dem Urheber bei der Verviel- fältigung von Leistungen und Werken im privaten Bereich eine angemessene Vergütung zu gewähren. Dies erfolgt durch die Festlegung von Vergütungssätzen, mit denen Überspielgeräte und -medien sowie Reprografie und Ab- lichtungen zugunsten der Berechtigten belastet werden, wenn erwartet werden kann, dass die privaten Vervielfäl- tigungen und privaten Überspielungen erlaubnisfrei ge- nutzt werden dürfen. Dabei sind Geräte mit einem Leis- tungsvermögen von unter zwei Vervielfältigungen pro Minute vergütungsfrei. Die Vergütungspflicht gilt dabei auch für Scanner. Diese Grenze wurde in der Vergangenheit nun vielfach „künstlich“ unterschritten, indem man die Leistungskapa- zität verminderte, wobei gleichzeitig zum Beispiel bei Scannern damit geworben wurde, dass die Leistung durch kostenloses Herunterladen von Treibern aus dem Internet wieder erhöht werden könnte. Da diese Praxis die Urheber um ihre von der Eigen- tumsgarantie des Art. 14 GG umfassten Vergütung bringt, war eine gesetzliche Regelung mehr als geboten. Findige Geister können die geltenden Gesetze zwar umgehen, doch sie sollten wissen, der Gesetzgeber ist so intelligent, dieses zu bemerken. Die Freude wird also immer nur von kurzer Dauer sein. Insgesamt können wir dem Gesetz zustimmen, werden aber auf weiterführende Regelungen zur Umsetzung der Vorschläge der Arbeitsgruppe „Überprüfung des Wettbe- werbs“ drängen. Werner Schulz (Leipzig) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Durch das vorliegende Gesetz wird die verglei- chende Werbung in der Europäischen Union harmonisiert. Die vergleichende Werbung ist künftig möglich. Es ist da- mit gelungen, die Richtlinie der EU über irreführende Werbung einstimmig in deutsches Recht umzusetzen. Da- durch dürfen Produkte aufgrund objektiver und beweis- barer Kriterien, beispielsweise über den Preis, in der Wer- bung miteinander verglichen werden. Nicht gestattet ist es, den Mitbewerber oder sein Produkt herabzusetzen oder zu verunglimpfen. Die Verbesserung der Kontrolle von Räumungsverkäu- fen wird zu einem späteren Zeitpunkt in einem anderen Kontext aufgegriffen. Neben der verbesserten Kontrolle zum Räumungsverkauf erfordert die Verabschiedung der E-Commerce-Richtlinie sicher noch mittelfristig die eine oder ändere Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Dieses wird zurzeit von den beteiligten Mi- nisterien geprüft; denn das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gerät durch die in Kürze zu verabschiedende EG-Richtlinie unter Druck: Nach Art. 3 des Entwurfs der Richtlinie müssten europäische Unternehmen, die via In- ternet auf dem deutschen Markt anbieten wollen, in Zu- kunft nur noch das Recht ihres Herkunftslandes anwen- den. Der sich aus der E-Commerce-Richtlinie auf das Ge- setz gegen unlauteren Wettbewerb, UWG, ergebende Än- derungsdruck ist mit Sorge zu verfolgen. Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in der EU ist durch eine kaum noch überschaubare Zahl sekundärrechtlicher Harmoni- sierungsmaßnahmen geprägt. Trotz dieser Vielzahl ge- meinschaftsrechtlicher Rechtsakte sind aber bislang nur begrenzte Bereiche von der Angleichung erfasst. Im Übrigen handelt es sich zumeist um eine Anglei- chung durch Richtlinien, die zudem oft nur Mindestan- forderungen enthalten. Da sich die nationalen Wettbe- werbsrechtsordnungen in ihren Systemen, ihrer Zielrich- tung und vor allem in ihrem Schutzumfang zum Teil beträchtlich voneinander unterscheiden, Deutschland aber über ein relativ hohes Schutzniveau beim unlauteren Wettbewerb verfügt, kommt der Frage nach der Zukunft des deutschen UWG und einer weiteren europäischen Harmonisierung eine erhebliche Bedeutung zu. Die Bundesregierung muss sich bei der Europäischen Kommission dafür einsetzen dass es zu keiner wesentli- chen Absenkung des Schutzniveaus sowohl aus wettbe- werbs- als auch verbraucherpolitischer Sicht kommt! Al- lerdings gibt es auch beim Gesetz gegen unlauteren Wett- bewerb einige alte Zöpfe, die infolge einer europäischen Harmonisierung abgeschnitten werden könnten: Bei- spielsweise dürfen zum einen beim Sommerschlussver- kauf keine „normalen“ Fahrräder, sondern nur Sporträder, also saisonale Produkte, heruntergesetzt und zum anderen keine durch Werbeblöcke unterbrochene kostenlose Tele- fongespräche angeboten werden. Es ist zweifelhaft, ob solche Angebote dem Wettbewerb wirklich schaden. Darüber hinausgehend fordert Bündnis 90/Die Grünen schon seit längerer Zeit, durch Aufhebung des Rabattge- setzes sowie eine deutliche Lockerung der Zugabeverord- nung den Wettbewerb von veralteten Beschränkungen zu befreien, wie es die Bundesregierung jetzt prüft. Wir wol- len den Verbrauchern günstigere Angebote nicht länger vorenthalten und ihnen mehr Spielraum bei Preisver- handlungen geben. Ziel ist es auch, die Rahmenbedin- gungen für den grenzüberschreitenden elektronischen Handel zu verbessern und dadurch die Marktposition deutscher Unternehmen im internationalen Wettbewerb zu stärken. Das Gesetz schränkt einen Teilbereich des Preiswett- bewerbs im Einzelhandel und damit die Freiheit der Verbraucher ein: die situationsbedingte oder auf einen bestimmten Kunden oder Kundenkreis abzielende Redu- zierung des angekündigten Preises. Damit hat Deutsch- land eine der strengsten Regelungen in Europa und auf der Welt gegen Rabatte. Überspitzt ausgedrückt: Nur das 3-prozentige Skonto ist erlaubt. Alle weiteren Rabatte sind verboten. Das deutsche Wettbewerbsrecht ist in vie- len Teilen überreguliert und unterschätzt die Marktkennt- nis von Verbrauchern: Es schränkt die Kreativität von Ver- brauchern und Händlern erheblich ein. Von einigen Einzelhändlern wird die Befürchtung geäußert, damit werde der Strukturwandel im Einzelhan- del zulasten der kleinen und mittleren Unternehmen be- schleunigt. Diese Bedenken sind sehr ernst zu nehmen; Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10340 (C) (D) (A) (B) denn dazu darf es auf keinen Fall kommen. Für die über- wiegende Zahl der kleinen Einzelhandelsunternehmen bietet sich aber gerade durch die Liberalisierung eine Chance, sich in ihrer Nische zu behaupten: Sie haben die Möglichkeit, situationsbedingt auf eine bestimmte Wett- bewerbssituation mit Preisnachlässen zu reagieren. Reiner Funke (F.D.P.): Der vorliegende Gesetzent- wurf hinsichtlich der vergleichenden Werbung ist mit den Berichterstattern gründlich beraten und nach einigen Streichungen im wettbewerbsrechtlichen Bereich akzep- tiert worden. Die Umsetzung der europäischen Richtlinie zur vergleichenden Werbung hätte bis zum 23. April die- ses Jahres erfolgen müssen und insoweit ist ein gewisser zeitlicher Druck des Justizministeriums durchaus ver- ständlich. Die Umsetzungsfrist hat man nicht einhalten können, obwohl dieser Teil des Gesetzes unproblematisch war und ist. Als Berichterstatter bin ich dankbar dafür, dass man in den Berichterstattergesprächen davon Ab- stand genommen hat, die sonstigen wettbewerbsrechtli- chen Vorschriften aus dem Gesetzentwurf herauszuneh- men, weil in der Tat eine bruchstückhafte Novellierung des Wettbewerbsrechts wenig Sinn gemacht hätte. Die Berichterstatter waren auch insoweit einer Meinung, dass über das Wettbewerbsrecht nach wie vor grundlegend nachgedacht werden muss. Wenn wir dennoch diesem Artikelgesetz nicht zustim- men können, so liegt dies an der Begründung zu Art. 3 des vorliegenden Gesetzentwurfs. Das Bundesjustizministe- rium hat während der Beratungen den Wunsch geäußert, einen Art. 3 zur Änderung der Anlage zu § 54 d Abs. 1 auf- zunehmen, weil eine Bedürftigkeit bestehe und weil eine entsprechende Regelung unproblematisch und durch die technischen Entwicklungen notwendig sei. Tatsächlich ist diese Änderung aber nicht unproblematisch. Ursprüng- lich hatte das Bundeswirtschaftsministerium erhebliche Vorbehalte und der bedeutende Verband VDMA hatte er- hebliche Bedenken schriftlich geäußert. Die Berichter- statter wurden von diesem Tatbestand nicht informiert. Ich halte dies für einen Skandal. Wenn Berichterstatterge- spräche im Beisein des Parlamentarischen Staatsse- kretärs, des Abteilungsleiters und des zuständigen Refe- ratsleiters geführt werden, muss – und das ist eine Bring- schuld des Justizministeriums – sachgemäß berichtet werden. Ich habe gebeten, die heutige Beratung abzusetzen, um mit den betroffenen Verbänden und den Berichterstattern Gespräche führen zu können, und angeboten, noch vor der Sommerpause die Beratungen abzuschließen. Dies haben die Koalitionsfraktionen in der Rechtsausschusssitzung am letzten Mittwoch verwehrt. Wir werden daher diesem Gesetz die Zustimmung verweigern und uns der Stimme enthalten, vor allem, weil eine ordnungsgemäße Beratung des Gesetzes durch das Verhalten des Bundesjustizminis- teriums nicht möglich war. Dass die Parlamentarier der Regierungskoalition sich dieses Verhalten gefallen lassen, spricht nicht gerade für das Selbstverständnis eines frei gewählten und unabhängigen Abgeordneten. Rolf Kutzmutz (PDS): Die PDS unterstützt das heute zu beschließende Gesetz aus den schon in seiner ersten Lesung genannten Gründen: Die Klarstellungen zur ver- gleichenden Werbung, zur Einbeziehung der Schneeball- systeme im strafbaren unlauteren Wettbewerb, zur Be- werbung von Arzneimitteln und zum Gerichtsstand bei ausländischen Beklagten erscheinen sinnvoll und not- wendig. Besonders begrüßen wir auch den im parlamentari- schen Verfahren neu aufgenommenen „Kopierer-Paragra- phen“ zur Sicherung von Urheberrechten. Gerade die durch grassierende Umgehungspraktiken in diesem Be- reich dringend notwendige gesetzgeberische Reaktion zeigt einmal mehr die Grenzen des „Bürokratie-Vorwur- fes“, des Rufes nach Deregulierung, mit dem Kollegen insbesondere der F.D.P. in der ersten Lesung wie auch den Berichterstattergesprächen Vorbehalte gegen diese UWG- Novelle äußerten. Zwar wurde wegen solcher Kritik nun einvernehmlich die eigentlich vorgeschlagene Änderung des Rechtes bei Sonderveranstaltungen und Räumungs- verkäufen zurückgestellt. Mit diesem Verzicht erhöht sich aber – zumindest für uns von der PDS-Fraktion – der Druck auf eine weitere Novelle des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Sie sollte umgehend in Angriff genommen werden. Sonst reißen die Unzulänglichkeiten des bestehenden Gesetzes noch mehr Mittelständler gänz- lich unverschuldet in den Ruin. Und das kann ja wohl auch jene Partei nicht wollen, die sich selbst gern als Vor- kämpferin des Mittelstandes bezeichnet. So kann ich nicht verstehen, wieso ausgerechnet im Falle eines Räumungsverkaufs wegen endgültiger Ge- schäftsaufgabe bei Unterlageneinsicht und beschränkter Auskunftspflicht durch Berufsvertretungen die Gefahr der Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen besonders groß sein soll – wo doch das Geschäft beendet werden soll! Ebenso unverständlich bleibt die Weigerung der Bundesregierung, die Häufigkeit von Räumungsverkäu- fen zu reglementieren. Man kann ja darüber streiten, ob – wie vom Bundesrat angeregt – es im ersten Geschäftsjahr zu keinem Räumungsverkauf kommen darf. Aber die Häufigkeit solcher Verkäufe in einem Berufsleben sollte schon beschränkt sein. Schließlich muss es darum gehen, durch geeignete Maßnahmen den immer mehr grassierenden Profi-Räu- mern das Handwerk zu legen. Bei Goldschmieden oder Uhrmachern beispielsweise entfallen 30 bis 40 Prozent der Einnahmen auf das Weihnachtsgeschäft. Für diese ist es zweifellos existenzbedrohend, wenn andere Leute es als ihr Geschäft ansehen, Räume nur zu dem Zweck an- zumieten, mit entsprechender Ware Ende November in den Räumungsverkauf zu gehen. Vergleichbare Probleme gibt es mit dem Missbrauch des Räumungsverkaufsrech- tes bei angeblichem teilweisem Umbau von Geschäfts- räumen. Eine umfassende und vor allem zügige Prüfung aller Vorschläge – bis hin zur Wiedereinführung von Ord- nungswidrigkeitstatbeständen – tut Not. In diesem Zusammenhang gehört unseres Erachtens auch die Aufnahme einer Neufassung des einstigen Para- graphen 6 d UWG – die Untersagung der Mengenbe- schränkung bei Angeboten – auf den Prüfstand. Sie scheint mir nicht nur im Zusammenhang mit der Debatte um Verkauf unter Einstandspreis im Einzelhandel, son- dern auch mit den aktuellen Auseinandersetzungen zwi- schen freien Tankstellen und dem Öloligopol von Aral bis Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10341 (C) (D) (A) (B) Shell sinnvoll. Nicht nur am Rande: Das Payback-System ist gewiss vom Rabattgesetz gedeckt. Wenn aber DEA im Unterschied zu anderen Systempartnern vielleicht nicht an allen, aber zumindest an einzelnen Tankstellen Rabatt- punkte nur bei Barzahlung gewährt oder, wie es auch vor- kommt, der Kunde seine Punkte selber bei der Payback- Zentrale erst anmelden muss, dann scheint mir der aktu- elle Kampf auf dem Tankstellenmarkt die Bekämpfung eines Phantoms zu sein, eines Phantoms, das schon ohne Gesetzesänderung unlauterer Wettbewerb ist. Das sei an dieser Stelle an die Adresse der Befürworter eines generellen Falles des Rabattgesetzes in der Koali- tion erwähnt. Die Beispiele ließen sich noch fortsetzen. In diesem Sinne sehen wir die heutige Beschlussfassung nicht als Abschluss, sondern vielmehr als Auftakt für wei- teres Handeln in diesem ordnungspolitisch eminent wich- tigen Feld, dem Kampf gegen Wettbewerbsverzerrungen. Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin der Justiz: Das Gesetz zur vergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerbsrechtlicher Vor- schriften setzt die Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur vergleichenden Werbung um. lch bin daher sehr dankbar, dass dank Ihrer Unter- stützung das Gesetz zügig in den Ausschüssen beraten werden konnte. Wir werden deshalb die Umsetzungsfrist (23. April 2000) nur geringfügig überschreiten und das Gesetz hoffentlich noch vor der Sommerpause im Bun- desgesetzblatt verkünden können. Warum ist dieses – zugegeben kleine Gesetzespro- jekt – durchaus von Bedeutung? Die Umsetzung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten führt zu angeglichenen rechtlichen Rahmenbedingungen für vergleichende Wer- bung in Europa. Das hat für alle Werbetreibenden den Vorteil der Rechtssicherheit, denn bei grenzüberschrei- tenden Werbeaktionen gelten nun europaweit einheitliche Kriterien. Diese Vorgaben dienen der sachgerechten In- formation des Verbrauchers, schaffen transparente Markt- bedingungen und sorgen für die Fairness der Wettbewer- ber untereinander. Nach dem neuen § 2 UWG wird vergleichende Wer- bung künftig grundsätzlich zulässig sein, sofern nicht ein Verstoß gegen folgende Kriterien festgestellt wird: Erstens. Der Vergleich von Waren oder Dienstleistun- gen muss sachlich sein, darf nicht irreführen oder Ver- wechslungen der Produkte oder Dienstleistungen hervor- rufen. Täuschende Werbeaussagen soll es nicht geben. Zweitens. Es dürfen nur wesentliche, typische und nachprüfbare Eigenschaften von Waren und Dienstleis- tungen oder – und das ist nach meiner Beobachtung für die Praxis besonders wichtig – der Preis gegenübergestellt werden. Drittens. Der Mitbewerber und die von ihm vertriebe- nen Produkte dürfen nicht herabgesetzt oder verunglimpft werden. Das heißt: keine Polemik oder Rufschädigung auf Kosten des Konkurrenten. Die neuen Werbeformen werden bereits jetzt von der Praxis genutzt, auch wenn die überwiegende Zahl der An- zeigen bislang auf Vergleiche verzichtet. Neben den bekannten Aktionen der Telekommunikati- onsunternehmen und Autovermieter sind mir in letzter Zeit besonders zwei ganzseitige Werbevergleiche einer Bank aufgefallen: So werden in pfiffig aufgemachten Ge- genüberstellungen – in Form einer „kleinen Farbenleh- re“ – unterschiedliche Bankgebühren für Wertpapierde- pots und Girokonten aufgelistet. Dass der Vergleich zu- gunsten der inserierenden Bank ausgeht, versteht sich von selbst. Wie Sie wissen, wollte die Bundesregierung dieses Ge- setz ursprünglich auch zum Anlass nehmen, mehrere Empfehlungen der Arbeitsgruppe des Bundesministeri- ums der Justiz zur Überprüfung des Wettbewerbsrechts aus dem Jahre 1996 aufzugreifen. Umgesetzt werden nun- mehr nur zwei Empfehlungen, nämlich die zur Bekämp- fung systematisch betriebener Kettenspiele in § 6 c UWG und die Präzisierung des § 24 UWG. Darüber hinaus hatten uns insbesondere die beteiligten Wirtschaftskreise darum gebeten, die Möglichkeiten zur Bekämpfung des Missbrauchs von Räumungsverkäufen zu verbessern und zu erweitern. Der Rechtsausschuss hat jetzt empfohlen, auf diese vorgesehenen Änderungen zunächst zu verzichten. Sie sollen aber – und das möchte ich gerade im Hinblick auf die nachdrückliche Zustim- mung der mittelständischen Wirtschaft zu diesen Vor- schlägen hervorheben – nicht unter den Tisch fallen, son- dern im Kontext der anstehenden Diskussion über eine Liberalisierung des deutschen Werberechts erneut und vertieft beraten werden. Worum geht es bei dieser Diskussion? Im Mai hat das Europäische Parlament den „Gemeinsamen Standpunkt des Ministerrates zur Richtlinie über bestimmte Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt“ gebilligt. Die Richtlinie, die in einer Rekordzeit von ei- nem Jahr ausgehandelt wurde, wird in Kürze im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht und muss dann innerhalb von 18 Monaten in nationales Recht umgesetzt werden. Art. 3 der Richtlinie sieht vor, dass sich Unternehmen, die Waren und Dienstleistungen über das Internet vertrei- ben, an die Vorschriften des Mitgliedstaats halten müssen, in dem sie ihre Niederlassung haben (Herkunftslandprin- zip). Sieht man von noch offenen Fragen über das nach dem internationalen Privatrecht anwendbare Recht ab, werden sich die deutschen Anbieter in ihrem Werbeverhalten an deutschem Recht ausrichten müssen. Gerade wegen der Vielfalt der werberechtlichen Rege- lungen in den Mitgliedstaaten hat die Bundesregierung bei der politischen Einigung über die Richtlinie betont, dass sie eine europäische Harmonisierung des Werbe- rechts für dringend erforderlich erachtet, denn nur dann können Wettbewerbsverzerrungen ausgeschlossen wer- den. Welche Harmonisierungsvorschläge die Europäische Kommission für das Werberecht in absehbarer Zeit vorle- gen wird, kann man derzeit schwer einschätzen. Sie hat vor zwei Jahren eine Gruppe von nationalen Regierungs- experten eingesetzt, die den Bestand der rechtlichen Rah- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10342 (C) (D) (A) (B) menbedingungen für die so genannte „Kommerzielle Kommunikation“ in den Mitgliedstaaten sichtet und eine Stellungnahme zum Harmonisierungsbedarf abgegeben wird. Wahrscheinlich wird die Gruppe empfehlen, allen- falls Teilbereiche des Werberechts anzugleichen und sich im Übrigen auf das Prinzip der gegenseitigen Anerken- nung zu beschränken. Doch so lange kann und will die Bundesregierung nicht warten. Das Bundesministerium der Justiz und das Bun- desministerium für Wirtschaft stimmen darin überein, dass nicht abgewartet werden kann, welche Auswirkun- gen die Richtlinie auf die Marktchancen deutscher Wirt- schaftskreise haben wird. Insbesondere ist es das Ziel der Bundesregierung, zu vermeiden, dass es wegen einzigar- tig strenger Regelungen – besonders im Rabattrecht – zu einer Benachteiligung deutscher Anbieter im grenzüber- schreitenden Handel kommen wird. Vor gesetzgeberischen Initiativen sollen zunächst die betroffenen Verbände, Organisationen und Institutionen dazu angehört werden, ob eine Liberalisierung vor allem des deutschen Rabatt- und Zugaberechts zu besseren Chancen für deutsche Anbieter im freien Wettbewerb mit der europäischen Konkurrenz beitragen kann. Selbstverständlich sind die Auswirkungen auf die mit- telständische Wirtschaft und den Einzelhandel zu beach- ten, außerdem die Marktsituation und die besonderen Be- lange von Branchen, die nicht vom elektronischen Handel profitieren. Auf die berechtigten Interessen der Verbrau- cher am ehrlichen Preiswettbewerb, an Preisklarheit und Preiswahrheit werden wir – das versichere ich Ihnen – un- ser besonderes Augenmerk richten. Gegenstand dieser Debatte werden dann auch die in diesem Gesetz jetzt ausgeklammerten Themen – die Fra- gen nach einer Reform des Sonderveranstaltungsrechts des § 7 UWG und der Kontrolle von Räumungsverkäufen nach § 8 UWG – sein. Lassen Sie mich zum Schluss noch auf die Änderung im Urheberrecht zu sprechen kommen, die der Rechts- ausschuss auf Anregung des Bundesministeriums der Jus- tiz hin in dieses Gesetzes aufgenommen hat. Hinter- grund dieser Änderung ist ein Missbrauch, der in den letzten Jahren verstärkt beobachtet werden konnte, ein Missbrauch, der die Urheber und Leistungsschutzbe- rechtigten um ihre durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG gebotene gesetzliche Vergütung bringt. Worum geht es? Das Urheberrechtsgesetz erlaubt die private Kopie. Als Ausgleich dafür, dass Werke und Leis- tungen – zum Beispiel künstlerische Darbietungen – ko- piert werden dürfen, sind den Rechteinhabern – über die Verwertungsgesellschaften – Vergütungen zu zahlen. Diese Vergütungen werden zum Teil über die so genannte Gerätevergütung eingezogen; die Hersteller und Impor- teure von solchen Geräten, mit denen kopiert werden kann, zahlen für jedes in den Verkehr gebrachte Gerät die Vergütung. Die Vergütungspflicht für Kopiergeräte setzt freilich erst bei einer Kopierleistung von mindestens zwei Kopien pro Minute ein. Diese Regelung hat dazu geführt, dass die zahlungspflichtigen Hersteller und Importeure insbeson- dere bei Scannern dazu übergegangen sind, ihre Geräte mit elektronischen Treibern auszurüsten, die die Geräte so langsam machen, dass keine Vergütungspflicht besteht. Gleichzeitig besteht aber die Möglichkeit, aus dem Inter- net dort kostenlos angebotene Treiber herunterzuladen, die diese langsamen Geräte wieder beschleunigen. Eine Vergütung wird dann natürlich nicht mehr bezahlt. Diese Praxis soll mit dem Gesetzentwurf unterbunden werden, indem die Untergrenze von zwei Kopien pro Minute er- satzlos gestrichen wird, sodass alle Geräte der Vergü- tungspflicht unterfallen. Zu unangemessenen Belastungen der Gerätehersteller wird es dabei nicht kommen. Es ist bereits jetzt Praxis der zuständigen Verwertungsgesellschaft Wort und der betroffenen Herstellerverbände, für leistungsschwache Geräte eine Vergütung zu vereinbaren, die deutlich unter dem vom Gesetz vorgeschlagenen Betrag liegt. Diese Pra- xis wird mit Sicherheit fortgesetzt werden. Ich bitte Sie auch insoweit um Ihre Zustimmung. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der gesetzlichen Maßnahmen ge- genüber Kinder- und Jugenddelinquenz (Tages- ordnungspunkt 22) Erika Simm (SPD):Mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der gesetzlichen Maßnahmen gegen- über Kinder- und Jugenddelinquenz“ offeriert uns die CDU/CSU ein Sammelsurium aus drei Gesetzesinitiati- ven von 1998 und 1999, mit denen sich das Land Bayern schon im Bundesrat nicht durchsetzen konnte. Wie wenig seriös dieser Gesetzentwurf ist, erkennt man schon daran, dass eingangs der Begründung ein Anstieg der Jugendkri- minalität allgemein und der Kinderdelinquenz im Beson- deren behauptet, mit Zahlen der Kriminalstatistik von 1996 und 1997 belegt und dabei einfach ignoriert wird, dass die mittlerweile vorliegende Statistik für 1999 einen Rückgang der Kriminalität sowohl bei Kindern als auch bei den Jugendlichen ausweist. Wenn Sie, sehr verehrte Kollegen und Kolleginnen von der CDU/CSU, meinen, die Notwendigkeit der von Ihnen vorgeschlagenen Geset- zesänderungen mit dem angeblichen Anstieg der Jugend- kriminalität begründen zu können, dann sollten Sie einen Blick in die neueste Kriminalstatistik werfen, um einen guten Grund zu finden, Ihren Gesetzentwurf zurückzuzie- hen. Sie würden uns damit unnötige Arbeit ersparen, denn zustimmen werden wir diesem Gesetzentwurf auch aus anderen Gründen nicht. Und wenn wir das nicht tun, dann nicht etwa deshalb, weil wir – wie Sie uns sicherlich gern unterstellen möch- ten – das Problem der Kinder- und Jugendkriminalität gleich ob sie nun weiter ansteigt oder nicht weniger ernst nehmen als Sie. Nur, was Sie uns hier an Gesetzesände- rungen vorschlagen, ist zum Teil überflüssig und zum Teil aus fachlichen Gründen nicht sinnvoll. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10343 (C) (D) (A) (B) Lassen Sie mich das an einigen Beispielen belegen, wobei ich mich auf die Änderungen des Jugendgerichts- gesetzes, JGG, beschränke. Nach dem vorliegenden Ge- setzentwurf soll künftig auf Heranwachsende, also die 18- bis 21-Jährigen, im Regelfall Erwachsenenstrafrecht angewandt werden. Diese Forderung geht von der unzu- treffenden Annnahme aus, das Jugendstrafrecht stelle grundsätzlich das mildere Recht dar. Wer sich einmal die ganze Bandbreite und Differenziertheit der Sanktions- möglichkeiten des JGG anschaut, erkennt leicht, dass dem nicht so ist. Eine Arbeitsauflage in Kombination mit der Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs zum Beispiel, die der freizeitorientierte Heranwachsende in Person er- bringen muss, trifft diesen im Zweifel sehr viel härter als die nach Erwachsenenstrafrecht fällige Geldstrafe, die er möglicherweise nicht einmal aus eigener Tasche leistet, weil es da eine mitleidige Oma gibt, die aushilft. Oder nehmen Sie die Jugendstrafe, die im Mindestmaß 6 Mo- nate beträgt, während sich das Mindestmaß der Erwach- senenfreiheitsstrafe auf nur 1 Monat beläuft. Ich halte auch den im Raum stehenden Vorwurf für ungerechtfer- tigt, die unbestreitbare Zunahme der Anwendung des Ju- gendstrafrechts bei Heranwachsenden habe ihre Ursache in einem nicht zu tolerierenden Hang der Jugendgerichte zur Milde. Könnte es nicht auch sein, dass die Jugend- richter einfach in den letzten Jahrzehnten gelernt haben, genauer hinzuschauen? Ich denke, dass dies auch damit zu tun hat, dass wir mehr und besser ausgebildete Jugendge- richtshelfer haben, die mit ihren Berichten den Jugend- richtern eine differenziertere Beurteilung der Person des jungen Angeklagten ermöglichen mit der Folge, dass De- fizite in der Persönlichkeitsentwicklung häufiger erkannt werden und dementsprechend Jugendstrafrecht ange- wandt wird. Was die Anhebung des Höchstmaßes der Jugendstrafe für Heranwachsende von 10 auf 15 Jahren, das Höchst- maß derzeitigen Erwachsenenfreiheitsstrafe, betrifft, so möchte ich nur darauf verweisen, dass eine solche Straf- maßerhöhung weder von der Praxis noch in der wissen- schaftlichen Diskussion gefordert wird. Auch den im Gesetz vorgesehenen so genannten Ein- stiegsarrest halte ich für nicht sinnvoll. Zum einen wider- spricht er der Systematik und Logik des jugendstrafrecht- lichen Sanktionensystems, wonach eine Jugendstrafe nur dann verhängt werden darf, wenn aufgrund festgestellter „schädlicher Neigungen“ das minderschwere „Zuchtmit- tel“ des Arrestes als Sanktion nicht ausreicht. Jugendar- rest und Jugendstrafe schließen sich von ihrer unter- schiedlichen erzieherischen Intention her also aus. Zum anderen ignoriert dieser Vorschlag die Realität des Arrest- vollzuges, so wie ich sie jedenfalls aus Bayern kenne, wo der Jugendarrest heimatfern in einigen wenigen Arrestan- stalten vollstreckt wird, im Vollzug wenig mit dem Ju- gendlichen geschieht und die Vollstreckung wegen der ge- ringen Zahl an Arrestplätzen viel zu spät stattfindet. Nicht zufällig sind viele Jugendrichter bei der Verhängung von Jugendarrest sehr zurückhaltend, weil sie angesichts der Ausgestaltung des Vollzuges den erzieherischen Erfolg des Arrestes ernsthaft bezweifeln. Der Aufnahme einer neuen „Weisung“ in Form der Meldepflicht in das JGG bedarf es schon deswegen nicht, weil eine derartige Weisung schon jetzt aufgrund der of- fenen Formulierung des § 10 JGG, der die konkret aufge- führten Weisungen ausdrücklich nur als Beispielsfälle benennt, angeordnet werden kann. Ich könnte mir auch denken, dass die Polizei wegen der damit auf sie zu- kommenden Mehrarbeit über die ja offensichtlich ge- wollte häufigere Erteilung solcher Meldeauflagen nicht sonderlich erbaut wäre. Denn sie müsste ja die Befolgung überwachen und entsprechende Mitteilungen an die Ju- gendgerichte machen. Auch die vorgeschlagene Einführung eines neuen „Zuchtmittels“ Fahrverbot, das nach dem vorliegenden Entwurf auch dann verhängt werden können soll, wenn die Tat in keinerlei Zusammenhang mit dem Straßenver- kehr steht, begegnet schwerwiegenden Zweifeln. Jeden- falls erscheint es nicht sachgerecht, das Fahrverbot als ei- genständige Sanktion isoliert nur für das Jugendstrafrecht einzuführen. Liebe Kollegen und Kolleginnen, Ihr Gesetzentwurf ist ein guter Beweis dafür, dass Änderungen des Strafrechts und zumal des Jugendstrafrechts wohlüberlegt sein soll- ten. Schnellschüsse aus der Hüfte verbieten sich gerade auf diesem Rechtsgebiet. Ein populistischer Schnell- schuss war dieser Gesetzesvorschlag, als er von Bayern im Bundesrat eingebracht wurde; war er doch die Reak- tion der Bayerischen Staatsregierung auf die aufgeregte Mediendiskussion im Fall „Mehmet“. Durch die erneute Einbringung dieses Gesetzentwurfs durch die CDU/CSU nun im Bundestag ist dieser nicht besser geworden. Sie werden dafür keine Mehrheit finden. Anni Brandt-Elsweier (SPD): Der vorliegende Ge- setzentwurf ist ein erneuter Versuch der CDU/CSU, dem Problem der Kinder- und Jugendkriminalität mittels un- angebrachter Verschärfung der Gesetze zu begegnen. Also fangen wir doch einmal mit der guten Nachricht an: Laut der polizeilichen Kriminalstatistik von 1999 ist die Anzahl der tatverdächtigen Kinder insgesamt um 1,4 Prozent und die der tatverdächtigen Jugendlichen um 1,9 Prozent gesunken. Von dieser erfreulichen Entwick- lung abgesehen, muss die nach wie vor beachtliche De- linquenz Minderjähriger gleichwohl – und hier stimme ich mit Ihnen überein – weiterhin Schwerpunkt staatlicher und gesellschaftlicher Aktivitäten bleiben. Auch bin ich mit Ihnen der Auffassung, dass den vielfältigen Ursachen und Erscheinungsformen der Kinder- und Jugendkrimi- nalität durch ein wirksames und umfangreiches Maßnah- menbündel begegnet werden muss. Aber Ihr Gesetzent- wurf, meine Damen und Herren der CDU/CSU-Fraktion, wird Ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht, da er kein wirksames Maßnahmenbündel enthält, sondern lediglich sein Heil in einer Verschärfung der Gesetze und der Re- pression und Bestrafung der Minderjährigen sucht. Dabei finde ich es erstaunlich, dass gerade Ihre Frak- tion, die doch sonst den Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 GG wie ein Banner vor sich her trägt, mit einer Er- gänzung des § 1666 BGB das Bestimmungsrecht der El- tern über ihre Kinder auflockern und die staatliche Inter- ventionsschwelle absenken will. In der Praxis liegen die Probleme nicht etwa darin, dass die Familiengerichte Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10344 (C) (D) (A) (B) nicht in der Lage wären, eine Kindeswohlgefährdung zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, sondern vielmehr darin, dass sie häufig viel zu spät von Fehlentwicklungen Kenntnis erlangen und es dement- sprechend erst viel zu spät zu sorgerechtlichen Maßnah- men kommt. Das von Ihnen vorgeschlagene Weisungs- recht des Gerichts gegenüber den Kindern verwischt in höchst bedenklicher Weise die Unterschiede zwischen Strafrecht und Zivilrecht. Unabhängig davon, dass ein solches Weisungsrecht allein aus diesen Gründen abzu- lehnen ist, dürfte es auch praktisch nicht erfolgverspre- chend sein, den Eltern aufzugeben, durch erzieherische Maßnahmen das Kind zur Befolgung dieser Weisungen zu bewegen. Auch Ihr Versuch, die Unterbringung von Kindern in geschlossenen Heimen zu erleichtern, ist äußerst unange- messen. Alleiniges Kriterium für die Entscheidung über eine – geschlossene Unterbringung nach § 1631 b BGB sollte stets lediglich die Frage sein, ob eine solche Maß- nahme erzieherisch erforderlich und geeignet erscheint, das Kind positiv zu beeinflussen. Im Hinblick auf die Grundrechte des Kindes, insbesondere auf Artikel 2 Abs. 2 GG, sollten die Anforderungen hieran nicht herab- gesetzt werden. Prävention muss im Bereich der Bekämpfung der Kin- derdelinquenz und Jugendkriminalität Vorrang vor Sank- tionen haben. So vielschichtig wie die möglichen Ursa- chen müssen die Ansätze zur Bekämpfung sein. Notwen- dig sind Kontakte, Absprachen und gegebenenfalls gemeinsame Maßnahmen der zuständigen Behörden und Stellen – insbesondere der Jugendämter – in Zusammen- arbeit mit freien Organisationen und Verbänden. Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht verhält sich lediglich eine Minderheit unter den Jugendlichen extrem auffällig und begeht mehrere, oft schwere Straftaten. Für diese Jugendlichen sind neue Ansätze in der Jugendhilfe- praxis gefordert – und da ist es zuweilen hilfreich, über die eigenen Landesgrenzen hinaus zu blicken. So hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Ju- gend bereits im Sommer letzten Jahres das „Hamburger Institut des Rauhen Hauses für soziale Praxis“ (isp) be- auftragt, den aus den Niederlanden stammenden Ansatz der „Ambulanten Intensiven Betreuung“ (A.I.B.) in das deutsche Jugendhilfesystem zu übertragen. Mit Hilfe en- ger und intensiver Teambetreuung sollen auffällig gewor- dene Kinder und Jugendliche innerhalb von drei Monaten in ein stabiles soziales Umfeld reintegriert werden. Der Ansatz „Ambulante Intensive Begleitung“ wird derzeit in den Städten Nürnberg, Dortmund, Leipzig, Magdeburg und dem Landkreis Harburg angewandt. Die niederländischen Erfahrungen zeigen, dass eine Intensi- vierung und Vernetzung vorhandener Hilfsangebote nicht nur auffällig gewordene Kinder und Jugendliche stabili- siert, sondern auch dazu beiträgt, langwierige „Jugendhil- fekarrieren“ zu vermeiden. Auch wenn es zur Zeit noch keine Auswertung des Projektes hier in Deutschland gibt, lassen geringe Abbrecher- und Rückfallquoten eine posi- tive Grundtendenz erkennen. Sie sehen also, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, es gibt jenseits von Repression und Strafe auch die Möglichkeiten der Prävention und Hilfe – einen Weg, den wir für weitaus erfolgversprechender und sinnvoller halten. Aus diesem Grunde lehnen wir den Ge- setzentwurf ab. Norbert Geis (CDU/CSU): Die Kriminalität ist eine starke Herausforderung für Staat und Gesellschaft. Die Jugendkriminalität und die wachsende Anzahl von kind- lichen Tätern im strafunfähigen Alter unter 14 Jahren be- reitet dabei besondere Sorgen. Wir dürfen allerdings nicht vergessen, dass kriminelle Jugendliche nur eine kleine Minderheit darstellen. Die meisten Jugendlichen begehen keine Straftaten. Und selbst dann, wenn ein Jugendlicher straffällig geworden ist, bleibt dies in der Regel nur eine Episode in seinem Ju- gendalter und hat keine Auswirkungen auf sein späteres Leben. Dennoch aber kann uns die in den letzten Jahren stark angestiegene Zahl von kindlichen und jugendlichen Tä- tern nicht egal sein. Während sich bei der Kinderdelin- quenz der Ladendiebstahl als häufigstes Delikt findet, kommt bei der Jugendkriminalität zur allgemeinen Dieb- stahlskriminalität noch ein hoher und stetig ansteigender Anteil von Raubdelikten und schweren Körperverlet- zungsdelikten hinzu. Es fällt auf, dass viele Jugendliche und Kinder, die Straftaten begehen, aus Familien mit Eltern ausländischer Herkunft kommen. Meist ist der Grund mangelnde Inte- gration. Leicht entsteht ein Getto. Das führt schnell zu Ju- gendbanden, die zur Kriminalität neigen. Hinzu kommen die hohe Arbeitslosigkeit gerade bei Jugendlichen auslän- discher Herkunft und in der Folge davon Langeweile, Müßiggang, Perspektivlosigkeit und Frust. Daraus ent- steht sehr schnell kriminelles Verhalten. Im Kampf gegen Kriminalität von Jugendlichen ausländischer Herkunft geht es also zuerst um Integration und um Arbeitsplätze, erst dann um eine gesetzliche Regelung. Interessant ist auch, dass Jugendliche in Norddeutsch- land häufiger straffällig werden als Gleichaltrige im Sü- den. Gründe dafür sind, wie der Leiter des Krimino- logischen Instituts der Universität Hannover, Christian Pfeiffer, in einer Studie festgestellt hat, das stärkere so- ziale Gefälle, die höheren Scheidungszahlen der Eltern und eine geringere Bindung an die christlichen Gemein- den. In der Tat muss uns Sorge bereiten, dass vieles nicht mehr selbstverständlich ist, was früher Konsens war. Das Wertbewusstsein schwindet mehr und mehr. Die Erzie- hungskraft der Eltern und der Schule geht zurück. Kinder und Jugendliche lassen sich nicht mehr so leicht in Ver- eine einbinden. Es herrscht ein Konsumdenken vor, das unfähig macht, auf die Belange anderer zu achten. Es wächst der Egoismus, der immer ein Nährboden für Kri- minalität ist. Gewaltdarstellungen in Videos und zweifel- hafter Umgang mit gewaltbereiten Jugendlichen sind oft Auslöser für kriminelles Verhalten. Diese Entwicklung können wir nicht tatenlos hinneh- men. Zunächst aber geht es nicht um Strafrecht. Das steht an letzter Stelle. Es geht darum, dass die gesellschaftli- chen Kräfte wieder mobilisiert werden, dass wieder Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10345 (C) (D) (A) (B) vieles im Staat von selbst läuft, dass wieder ein breiter Konsens für ein wertbewusstes Verhalten entsteht. Aber auch der Gesetzgeber muss prüfen, mit welchen gesetzlichen Maßnahmen er die Kriminalität bei Jugend- lichen und Kindern bekämpfen kann. Deswegen legen wir unseren Gesetzentwurf vor, der sich im Rahmen der Prävention mit Änderungen im BGB beschäftigt. Auf der anderen Seite macht der Entwurf aber auch Vorschläge für neue Sanktionsmaßnahmen. Angesichts der Delinquenz von Kindern unter 14 Jahre sehen wir die Notwendigkeit, in geeigneten Fällen mit Mitteln des Familienrechtes und des Kinder- und Jugend- hilferechtes frühzeitig zu intervenieren. Bei allem Res- pekt vor dem elterlichen Sorgerecht muss der Staat die Möglichkeit haben, im Interesse des Kindes einschreiten zu können, wenn die Eltern versagen. Nach § 1666 BGB besteht eine solche Möglichkeit des Eingriffs in das elterliche Sorgerecht jetzt schon. Voraus- setzung ist, dass das Wohl des Kindes gefährdet ist. Darin aber liegt zugleich die Schwachstelle dieser Regelung. Ob eine Gefährdung im Einzelfall vorliegt, kann durchaus strittig sein. So können notwendige richterliche Maßnah- men unter Umständen deshalb unterbleiben, weil Unsi- cherheit darüber besteht, ob im konkreten Fall ein solch schwerwiegender Eingriff in das Elternrecht gerechtfer- tigt ist. Deshalb sieht unser Entwurf eine gesetzliche Ver- mutung für die Gefährdung des Kindes dann vor, wenn das Kind oder der Jugendliche fortlaufend schwere Kri- minaltaten begeht oder aber Anzeichen von Drogenab- hängigkeit bestehen. Liegen diese Voraussetzungen vor, soll der Richter künftig leichter und schneller Eltern und Kind zu einem so genannten Erziehungsgespräch laden können. Darüber hinaus gibt der vorgelegte Gesetzentwurf dem Richter die Handhabe, in geeigneten Fällen selbst Weisungen an die Eltern und an das Kind zu erteilen. Neben diesen Ergänzungen im BGB, die den präventi- ven Bereich betreffen, schlagen wir aber auch Änderun- gen im Jugendstrafrecht vor. Das im Jugendstrafrecht be- stehende Sanktionensystem weist erkennbare Defizite auf. Die Jugendgerichte müssen über mehr Möglichkeiten verfügen, im Einzelfall differenziert reagieren zu können. Über solche Reaktionsmöglichkeiten wurde natürlich in Fachkreisen längst nachgedacht. Ein Diskussionspunkt ist der so genannte „Einstiegsarrest“, der neben einer auf Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe ausgesprochen werden kann. Die zur Bewährung ausgesetzte Jugend- strafe wird von vielen Jugendlichen als Sanktion kaum wahrgenommen. Wird aber im Einzelfall gleichzeitig ein Jugendarrest angeordnet, dann spürt der Jugendliche in empfindlicher Weise den Ernst der Lage. Zugleich ändern wir damit den Missstand, dass Jugendliche und Heran- wachsende mit schädlichen Neigungen in der Regel zu Gefängnisstrafen mit Bewährung verurteilt werden, während der Jugendliche ohne schädliche Neigungen nur mit einem Arrest zu rechnen hat, aber übers Wochenende hinter Gitter muss. Die dagegen erhobenen dogmatischen Bedenken wiegen nach unserer Auffassung nicht so schwer wie das Anliegen, das hinter unserem Antrag steht. Ein anderer Diskussionspunkt ist das Fahrverbot, das als eine eigenständige, nicht auf Taten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr beschränkte Sanktion ausgebaut werden soll. Die Verhängung des Fahrverbots verspricht eine deutliche erzieherische Wirkung. Das Auto spielt für das Prestige und für die Mobilität eine große Rolle. Es entfaltet deshalb eine hohe Denkzettelwirkung. Die in unserem Gesetzentwurf vorgesehene Melde- pflicht ist eine weitere Möglichkeit, dem Jugendlichen eindringlich vor Augen zu führen, dass er sich fehlverhal- ten hat und dass er sich bessern muss. Unser Vorschlag, das Strafmaß für Heranwachsende auf 15 Jahre zu erhöhen, wird sehr kontrovers diskutiert. Derzeit beträgt das Höchstmaß der Jugendstrafe 10 Jahre. Dies gilt bis zum 21. Lebensjahr. Bei brutalen Straftaten, die von Heranwachsenden begangen werden, kann das Gericht derzeit nur mit einem Strafmaß von 10 Jahren rea- gieren, während der gerade 21-jährige Mittäter mit le- benslanger Freiheitsstrafe bestraft wird. Dies ist nicht nachvollziehbar. Deshalb muss der Richter die Möglich- keit haben, im Einzelfall bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe zu verhängen. Die Erhöhung auf 15 Jahre wäre auch systematisch gerechtfertigt, weil bei Erwachsenen nach 15 Jahren regelmäßig geprüft werden muss, ob die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Wir unternehmen erneut den Versuch, § 105 JGG zu verbessern. Unbestritten war es Wille des Gesetzgebers, dass der Richter im Einzelfall sehr genau prüfen muss, ob auf den Heranwachsenden das Jugendstrafrecht anzuwen- den ist. Gerade aber bei Gewaltdelikten neigen die Ge- richte dazu, dem heranwachsenden Täter grundsätzlich die Wohltat des Jugendstrafrechts zuteil werden zu lassen. Dazu kommt, dass diese Wohltaten in Deutschland sehr unterschiedlich verteilt werden. Im Norden ist es leichter, als Heranwachsender in den Genuss des Jugendstrafrech- tes zu gelangen, während im Süden genauer geprüft wird, ob der heranwachsende Zwanzigjährige aufgrund seiner geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleich- gestellt werden kann. Aus diesen Gründen ist eine Präzi- sierung des Gesetzes notwendig. Schließlich ist es geboten, die Bedeutung des verein- fachten Jugendverfahrens zu stärken. Die Strafe muss der Tat auf dem Fuß folgen, nur dann hat sie erzieherische Wirkung. Nur dann wächst bei dem Jugendlichen die Ein- sicht, dass er sich falsch verhalten hat. Wenn zwischen Tat und Bestrafung ein zu langer Zeitraum liegt, ist eine der Tat angemessene Strafe oft genug deplatziert. Die erzie- herische Wirkung verpufft, weil der Jugendliche gar nicht mehr die Einsicht haben kann, weshalb er jetzt noch be- straft werden soll. Deshalb sehen wir in unserem Gesetz- entwurf vor, dass der Jugendliche, wenn er ohne genü- gende Entschuldigung nicht zur Hauptverhandlung kommt, genau wie im Erwachsenenstrafrecht durch Er- lass eines Haftbefehls vorgeführt werden kann. Die von uns vorgeschlagenen präventiven Maßnahmen im Bereich des Bürgerlichen Gesetzbuches, aber auch die Ergänzungen im Jugendstrafrecht, haben den Sinn, den Jugendlichen zu helfen. Sie sollen aber auch dem Sicher- heitsbedürfnis der Bevölkerung gerecht werden. Die Bür- gerinnen und Bürger haben Anspruch darauf, dass der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10346 (C) (D) (A) (B) Staat auch auf dem Gebiet der Jugenddelinquenz für Si- cherheit sorgt. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90 /DIE GRÜNEN): Die aktuelle Polizeiliche Kriminalstatistik signalisiert für den Bereich Kinder- und Jugendkriminalität keineswegs Entwarnung, aber doch erfreuliche Tendenzen: Bei den Jugendlichen ging die Zahl der Tatverdächtigen erstmals im Vergleich zu den Vorjahren um knapp 2 Prozent zurück. Beim Ladendiebstahl, beim schweren Diebstahl und beim Raub ist die Entwicklung erfreulich. Ähnlich gute Zahlen sind auch bei der Kinderkriminalität und auch, was den Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger an- belangt, zu vermelden. Deshalb, meine Damen und Herren von der Union: Wenn Sie schon alte bayerische Gesetzentwürfe abschrei- ben, dann sollten Sie doch zumindest aktuellen Entwick- lungen Rechnung tragen. Der angeblich „Besorgnis erre- gende Anstieg der Kinder- und Jugendkriminalität“ war für die Zeit Ihrer Regierungsbeteiligung vielleicht noch zutreffend. Heute aber nicht mehr! Wirkungsvolle Vermeidung von Jugenddelinquenz er- fordert keine höheren Strafrahmen, schärfere Auflagen oder neue Zuchtmittel. Es ist hinlänglich bekannt, dass gerade im Bereich der Jugendkriminalität Strafschärfun- gen – und übrigens auch Strafmilderungen – keine fest- stellbaren Auswirkungen auf die Kriminalitätsrate haben. Auch jetzt hat die gemeinsame Arbeitsgruppe der Innen-, Justiz-, Jugend- und Kultusministerkonferenz wieder zu- treffend festgestellt: „Das vorhandene Instrumentarium des Jugendgerichtsgesetzes reicht aus: Es bietet den StaatsanwältInnen und RichterInnen ein breit gefächertes und vielschichtiges Instrumentarium, um auf Straffällig- keit junger Menschen und damit verbundene Erziehungs- defizite angemessen zu reagieren.“ Wie angemessen Jugendstrafe verhängt werden kann, haben wir im so genannten Eggesin-Verfahren gegen bru- tale rechtsradikale Schläger erfreulicherweise gesehen. Das OLG Rostock war dazu in der Lage, rechtsstaatlich angemessene, hohe Jugendstrafen – zwischen vier und sechs Jahren wegen versuchten Mordes – zu verhängen. Was wir brauchen, ist also keine gesetzgeberische Schaumschlägerei, sondern ein präventives Gesamtkon- zept. Ein Bündel von Maßnahmen, das dem vielschichti- gen Phänomen der Jugendkriminalität gerecht wird. Eine SchIüsselrolle wird hier übrigens das noch im Aufbau be- findliche Forum für Kriminalprävention leisten. Die An- satzpunkte für eine wirksame Vorbeugung von Kinder- und Jugenddelinquenz sind so vielfältig, wie es die Kri- minalitätsursachen selbst sind: Zerrüttete Familienver- hältnisse, Erziehungsdefizite und Integrationsprobleme, soziale Benachteiligung, Perspektivlosigkeit, Frustration und Anonymität – eine ganze Reihe von individuellen, zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Ursachen spielten eine Rolle. Der Bundesinnenminister hat kürzlich zu Recht ausgeführt, dass diese Ursachen weit über den Einflussbereich von Polizei und Justiz hinausweisen. Sämtliche am Erziehungsprozess Beteiligten – Familie und Schulen, Kommunen, Vereine, Verbände, Wirtschaft, aber auch die Medien – müssen sich in der Pflicht sehen und kooperieren. Wie das konkret aussehen kann, hat jetzt die ressortübergreifende Länderarbeitsgruppe eindrucks- voll in ihrem Bericht „Präventionsstrategien zur Vermei- dung von Kinder- und Jugenddelinquentz“ aufgeführt. Ich teile die Einschätzung, dass vor allem frühzeitige, famili- enunterstützende Maßnahmen zur Vermeidung von Kri- minalität notwenig sind. Zerrüttete Familienverhältnisse und Gewalt in den Familien sind oft die Keimzelle von Kriminalität. Die Kindertagesstätten und Schulen als wichtige Sozialisationsinstanzen müssen eine Art „Frühwarnsystem“ entwickeln. Die Mitarbeiter dieser Einrichtungen müssen durch Fortbildungsprogramme verstärkt auf die Arbeit mit Eltern ausgerichtet werden. Und natürlich trifft bei Gefährdung des Kindeswohles den Staat wegen seines Wächteramtes auch die Pflicht zum Handeln. Aber – meine Damen und Herren von der Union –. Die Experten betonen den Ultima-Ratio-Cha- rakter: „Der Arbeit mit Familien müsse im Jugendhilfe- system der Vorrang vor Eingriffen in das Erziehungsrecht eingeräumt werden.“ Schaut man sich dagegen Ihre Vor- schläge im Zivilrecht an, wollen Sie offensichtlich das Gegenteil. In der Substanz bietet der Gesetzentwurf nichts Neues: Er betont repressive Elemente, mit denen Bayern bereits mehrfach in den letzten Jahren abgeblitzt ist. Zu Recht: Wer etwa die Heranwachsenden aus dem Jugendstrafrecht herauslösen will, verkennt völlig, dass auch die Krimina- lität Heranwachsender zumeist noch Episodencharakter besitzt. Jugend- und Heranwachsendenkriminalität be- deutet nicht generell den Beginn einer kriminellen Kar- riere. Hier ist gerade das flexible Sanktioneninstrumenta- rium des Jugendstrafrechts wichtig. Und wer neben einer Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt ist, dem Ju- gendlichen trotzdem mit einem Einstiegsarrest die „schöne Welt hinter Gittern“ schmackhaft machen will, der handelt in meinen Augen verantwortungslos. Nein, meine Damen und Herren von der Union: Be- schäftigen Sie sich statt mit veralteten, repressiven Geset- zesinitiativen lieber mit den Präventionsempfehlungen, die uns jetzt allen auf dem Tisch liegen. Helfen Sie so mit, der Kinder und Jugendkriminalität wirksam vorzubeugen. Jörg van Essen (F.D.P.): Es ist zu begrüßen, dass sich der Deutsche Bundestag heute mit dem wichtigen Thema der Kinder- und Jugendkriminalität beschäftigt. Der uns vorliegende Gesetzentwurf von CDU/CSU ist je- doch nicht geeignet, um Kinder- und Jugendkriminalität wirksam zu begegnen. Es fällt insgesamt auf, dass der Ge- setzentwurf mit heißer Nadel gestrickt wurde. Er enthält ein buntes Sammelsurium von Maßnahmen und Forde- rungen, bei denen Skepsis angebracht ist, ob sie den ge- wünschten Erfolg tatsächlich bringen. Die Einführung des Fahrverbotes als Zuchtmittel im Jugendstrafrecht lehnen wir entschieden ab. Bereits in der Diskussion um die Reform des strafrechtlichen Sanktio- nensystems haben wir gesagt, dass wir die Ausdehnung des sachlichen Anwendungsbereiches des Fahrverbotes auf Straftaten ablehnen, die nicht im Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen begangen sind. Das Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10347 (C) (D) (A) (B) Fahrverbot ist eine typische verkehrsrechtliche Sanktion. In diesem Punkt besteht auch Einigkeit mit der Kommis- sion zur Reform des Sanktionensystems. Wir lehnen es weiterhin ab, dass Straftaten Heran- wachsender in der Regel nach allgemeinem Strafrecht ge- ahndet werden sollen. Die bisherige flexible Handhabung hat sich in der Praxis bewährt. Es muss auch weiterhin dem entscheidenden Richter überlassen bleiben, welches Recht er zur Anwendung kommen lässt. Im Übrigen ist es durchaus bedenklich, dass durch eine Änderung des § 1666 BGB nun jugendstrafrechtliche Ge- sichtspunkte im zivilrechtlichen Familienrecht verankert werden sollen. § 1666 BGB hat eine gänzlich andere In- tention und stellt ausschließlich das Kindeswohl in den Mittelpunkt. Der Gesetzentwurf verweist zu Recht auf einen hohen Anstieg von Kinder- und Jugendkriminalität in den letz- ten Jahren. Dies ist in der Tat ein Problem, das gerade uns Rechtspolitiker beunruhigen sollte. In diesem Zusam- menhang muss jedoch erwähnt werden, dass im letzten Jahr die Zahl der tatverdächtigen Kinder und Jugendli- chen zurückgegangen ist. Diese durch und durch positive Entwicklung darf jedoch nicht den Blick dafür ver- schließen, dass der Bereich der Kinder- und Jugendkrimi- nalität insgesamt weiterhin sehr groß ist. Das Jugendhil- fegesetz, das sich allgemein bewährt hat, bietet schon jetzt viele Möglichkeiten, diesem Problem zu begegnen. Wir müssen hier auch über die Verteilung öffentlicher Gelder im Jugendhilfebereich reden. Großangelegte Haushalts- kürzungen haben oftmals verheerende Auswirkungen. Die effektivste Präventionsarbeit findet in den kommuna- len Jugendeinrichtungen statt. Diese Arbeit muss gestärkt werden und verdient die Unterstützung von uns allen. Der Präventionsgedanke muss auch stets berücksichtigt wer- den bei allen Reformvorhaben im Bereich des materiellen Strafrechts und des Strafprozessrechts, über die wir in den kommenden Monaten noch debattieren werden. Der Gesetzentwurf von CDU/CSU gibt uns nun Gele- genheit, in den anstehenden Beratungen in den Gremien darüber zu diskutieren, auf welche Weise wir einen wirk- lichen Abbau von Kinder- und Jugendkriminalität errei- chen können. Sabine Jünger (PDS): Kinderdelinquenz und Ju- gendkriminalität sind deutliche Anzeichen gesellschaftli- cher Probleme und Fehlentwicklungen. Ihre Ursachen lie- gen in den vielfältigen sozialen Problemen wie Armut, Arbeitslosigkeit, Ausgrenzung, Konkurrenzdruck und Konsumzwang, um nur einige zu nennen. Gerade für die so genannten Mehrfachtäter ist deutlich eine Ballung so- zialer Probleme festzustellen. Während ihrer Regierungszeit hat die CDU/CSU diese gesellschaftliche Situation nach Kräften mit verursacht und befördert. Indem sie auf die vorgeblich so kriminelle Jugend zeigt, verdrängt sie ihre eigene gesellschaftliche Verantwortlichkeit. In ihrem Gesetzentwurf spricht die CDU/CSU-Frak- tion von einer „Besorgnis erregenden Entwicklung der Ju- gendkriminalität“. Es ist aber unzulässig, aus den schrecklichen Einzelfällen der letzten Monate eine Ge- samtbedrohung zu konstruieren und die Bürgerinnen und Bürger zu verunsichern statt aufzuklären. Die eigentli- chen Verhältnisse liegen nämlich ganz anders. Das weiß aber auch die CDU/CSU, die Zahlen sind ja bekannt: Für 1999 ist laut Polizeilicher Kriminalstatistik, PKS, ein Rückgang bei tatverdächtigen Kindern und Jugendlichen zu verzeichnen. Aber selbst der gemessene Anstieg bei den jugendlichen Straftätern in den vorangegangenen Jah- ren lag deutlich hinter dem allgemeinen Anstieg der ge- samten Kriminalität. Jugenddelinquenz ist weitgehend durch Bagatell- delikte bestimmt und hat vorübergehenden Charakter: Zwei Drittel der tatverdächtigen Kinder und 30–40 Pro- zent in der PKS registrierten Jugendlichen werden nur ein einziges Mal auffällig, meist als Ladendiebe. Aus den genannten Ursachen und wegen ihrer speziel- len Ausprägung ist der Jugendkriminalität nicht mit dem Strafrecht beizukommen. Zwingend hingegen sind der Abbau der sozialen Probleme, die konsequente Anwen- dung des KJHG mit seiner präventiven Zielsetzung und die Bereitstellung ausreichender Mittel für die Jugend- hilfe. Der CDU/CSU-Entwurf hingegen setzt auf stärkere Repression und schlägt Strafverschärfungen vor, die dem Charakter des Jugendstrafrechts und seiner erzieherischen Wirkung vollständig zuwider laufen. Dabei zielt sie spe- ziell auf bisher strafunmündige Kinder ab. Durch die Hin- tertür will die CDU/CSU Sanktionen gegen Kinder ein- führen, ohne explizit das Alter der Strafmündigkeit he- runter zu setzen. Die vorgeschlagenen Änderungen in § 1666 BGB enthalten unter anderem die Möglichkeit, strafunmündigen Kindern die Teilnahme an sozialen Trai- ningskursen oder einen Täter-Opfer-Ausgleich aufzuerle- gen. Der Gipfel liegt in der Absicht, Kinder zu verpflich- ten, zur Strafe Arbeitsleistungen zu erbringen. Kinder sind deshalb strafunmündig, weil sie nicht bewusst oder ge- zielt handeln, sondern gefühlsbestimmt. Sie sind daher auch per Strafrecht nicht mit Sanktionen zu belegen. Die Hintertür, dies über § 1666 BGB doch zu tun, ist ein Un- ding. Dann auch noch das Arbeitsverbot für Kinder aus- zuhöhlen ist ein unglaublicher Vorgang. Auf die anderen Zumutungen und Verkennungen der Situation, die die CDU/CSU vorschlägt, kann ich nicht weiter eingehen. Insgesamt beabsichtigt die CDU/CSU mit ihrem Gesetzentwurf einen tiefen Einschnitt in die Logik und die Systematik des Jugendstrafrechts. Das wer- den wir auf keinen Fall mittragen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Eigentumsrechte nicht durch falsche Naturschutzpolitik aus- höhlen (Tagesordnungspunkt 23) Karsten Schönfeld (SPD): Die SPD-Bundestags- fraktion setzt beim Umweltschutz auf Kooperation und nicht auf Konfrontation. Wir setzen auf einen vernünfti- gen Ausgleich zwischen Nutzungsinteressen und dem Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10348 (C) (D) (A) (B) Schutzbedürfnis der Natur. Wir wollen eine breite Akzep- tanz für die Ziele des Naturschutzes erreichen, und dies geht nur mit der Land- und Forstwirtschaft. Nur so kön- nen wir die Natur dauerhaft schützen. Eine flächen- deckend umweltverträgliche Landwirtschaft ist unser Ziel. Die Bundesregierung wird eine umfassende Reform des Bundesnaturschutzgesetzes vornehmen, die diesen Zielen gerecht wird. Dieses Vorhaben ist der alten Bun- desregierung trotz mehrerer Versuche in der letzten Wahl- periode nicht gelungen. Die alte Bundesregierung hat kurz vor der letzten Wahl gegen den Widerstand der SPD-Bundestagsfraktion und der Bundesländer einige Änderungen des Naturschutzge- setzes vorgenommen. Im Wesentlichen wurde damals nur die Verpflichtung der Bundesländer festgeschrieben, Aus- gleichszahlungen für jede Einschränkung aufgrund von Naturschutzauflagen zu leisten. Diese Regelung nahm den Ländern, die ohnehin schon Ausgleichsleistungen zahlen und entsprechende gesetzliche Regelungen erlas- sen konnten, den bis dahin vorhandenen Spielraum zur Ausgestaltung ihrer Naturschutzpolitik. Die Reform damals war nicht mehr als ein Trick einer abgewirtschafteten Regierung, Stimmen im ländlichen Raum zu fangen, und das auf Kosten der Länderhaushalte. Das Wahlergebnis hat sehr eindeutig gezeigt, wie die Wählerinnen und Wähler auf diese Art von Politik reagie- ren. Kosten sollten nicht nur auf die Länder abgeschoben werden, sondern auch auf die Naturschutzhaushalte. Dass dies nicht gelingen kann, zeigt sich letztlich auch daran, wie die Länder die bestehende Ausgleichsregelung umge- setzt haben: meist überhaupt nicht, und wenn, dann sehr unterschiedlich. Wir setzen uns konsequent für eine Landwirtschafts- politik ein, die den Landwirten hilft, flächendeckend um- weltverträglich zu wirtschaften. Unsere Verhandlungser- gebnisse zur Agenda 2000, die uns erlauben, Ausgleichs- zahlungen für umweltgerechte Landbewirtschaftung zu zahlen, zeigen das ebenso deutlich wie unsere Agrarum- weltprogramme. Vertragsnaturschutz soll Vorrang vor „staatlich verord- netem Dirigismus“ haben, fordert die Partei der Besser- verdienenden in ihrem Antrag. Wir wollen Sonne statt Re- gen, könnte die F.D.P. mit gleicher Logik in den Antrag schreiben. Es handelt sich natürlich um zwei völlig ver- schiedene Dinge. Natürlich wird es auch in Zukunft bei- des geben, eine Gesetzgebung mit Geboten und Verboten, die einen notwendigen gesetzlichen Rahmen setzt, und Ausgleichszahlungen für Leistungen der Landwirte hin- sichtlich der natürlichen Umwelt, die der Markt nicht hin- reichend entlohnt. Die alte Bundesregierung hatte in ihrem Bundesnatur- schutzgesetz zur Definition der guten fachlichen Praxis lediglich auf die landwirtschaftlichen Fachgesetze und das Bundes-Bodenschutzgesetz verwiesen. Weder diese Gesetzgebung noch die landwirtschaftliche Praxis liefern aber eine eindeutige Definition einer naturschutzgerech- ten Landwirtschaft. Es zeigt sich, dass die Auslegung der guten fachlichen Praxis zu sehr unterschiedlichen und sehr differenzierten Aussagen führt. Das alte in diesem Punkt unklare Bundesnaturschutzgesetz hilft weder der Natur noch der Landwirtschaft. Das Gesetz ist unklar und nicht anwendbar, es hilft auch dem Rechtsfrieden nicht. Ein Gesetz ohne praktische Anwendungsmöglichkei- ten ist überflüssig. Wir sind gegen überflüssige Bürokra- tie und ersparen unseren Bürgerinnen und Bürgern des- halb überflüssige Gesetze. Es ist ein Musterbeispiel für die mangelnde Regierungsfähigkeit der F.D.P. Sie werden im Bund und auch in den wenigen Ländern, in denen Ihre Vertreter in den Landtagen sitzen, noch lange Oppositi- onsjahre vor sich haben und können in aller Ruhe üben, vernünftige Gesetze zu formulieren, ohne den Bürgerin- nen und Bürgern mit den Ergebnissen Ihrer Kunst zu schaden. Im neuen Bundesnaturschutzgesetz werden wir ergän- zende Kriterien zur guten fachlichen Praxis aus natur- schutzfachlicher Sicht festlegen, die – in Anlehnung an die Regelungen im Bundes-Bodenschutzgesetz – die An- forderungen an eine standortangepasste Bewirtschaftung näher beschreiben. Landwirtschaft muss standortange- passt erfolgen. Die Kriterien in einem Rahmengesetz des Bundes müssen deshalb allgemein formuliert werden. Es kann nicht jedes Detail festgeschrieben werden, sondern diese müssen vor Ort, von den Ländern definiert werden. Sie ergänzen die Regelungen im landwirtschaftlichen Fachrecht. Als „landwirtschaftliches Fachrecht“ verstehen wir zum Beispiel das Düngemittelgesetz, das Pflanzenschutz- gesetz, das Bundes-Bodenschutzgesetz, aber auch das Wasserhaushaltsgesetz, das Chemikaliengesetz, das Raumordnungsgesetz, das Bundesbaugesetz, das Flurbe- reinigungsgesetz und das Bundesjagdgesetz sind in die- sem Zusammenhang zu nennen. Bei diesen Gesetzen hatte die F.D.P. kräftig mitgeholfen, diesen „staatlich ver- ordneten Dirigismus“ – wie sie es heute in ihrem Antrag nennt – zu formulieren. Will die F.D.P. mit dem abquali- fizierenden Begriff des „staatlich verordneten Dirigis- mus“ zum Ausdruck bringen, dass sie dazu heute nicht mehr steht? Nein, wenn wir die gute fachliche Praxis sowohl als Richtschnur für eine umweltverträgliche Landwirtschaft als auch als Grundlage für die Ausgleichszahlungen nach EG-Recht ansehen, muss diese so definiert werden, dass sie den Prinzipen einer standortgerechten Bewirtschaf- tung entsprechen. Die hierzu vorliegenden Formulie- rungsvorschläge müssen sicherlich noch intensiv disku- tiert werden. Sie verlangen von der Landwirtschaft nichts Unmögliches, weil eine nachhaltige Bewirtschaftung oh- nehin nur mit der Natur und nicht gegen sie möglich ist. Für Anforderungen, die über die gute fachliche Praxis hinausgehen, muss ein Ausgleich gewährt werden. Ent- sprechende Vorschriften müssen die Länder erlassen. Sie erhalten mit dem neuen Gesetz hierfür den nötigen Spiel- raum, müssen diesen aber auch ausfüllen. Damit haben wir gute Erfahrungen vor allem im Gewässerschutz ge- macht. Wir werden sicherstellen, dass die Regelungen in den Bundesländern möglichst einheitlich ausgestaltet werden, um vergleichbare Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10349 (C) (D) (A) (B) Die Bedeutung vertraglicher Vereinbarungen wird auch im neuen Naturschutzgesetz herausgestellt. Wir wol- len möglichst wenig Ordnungsrecht und möglichst viel vertraglichen Naturschutz. Beides ist notwendig. Erstaunlich ist immer die Haltung der F.D.P. zu staat- lichen Zahlungen. Da fordern Vertreter dieser Partei in Sonntagsreden Kürzungen, Einsparungen und Steuersen- kungen, und immer dann, wenn es um praktische Politik geht, fordern sie den staatlichen Dirigismus öffentlich verordneter Ausgleichszahlungen für einzelne Wähler- gruppen. Wir sind in unserem Politikansatz wesentlich fort- schrittlicher. Wir unterstützen die Landwirtschaft in ihrem Bemühen, umweltgerecht zu wirtschaften. Schließlich kann die Entlohnung für Umweltleistungen – das sollte auch die F.D.P. wissen – zumindest zum Teil am Markt erfolgen. Wir werden die Landwirtschaft konsequent unterstützen, diese Marktchancen zu nutzen. Die guten Preise, die ökologisch wirtschaftende Betriebe über viele Jahre für ihre Produkte erzielen konnten, sollten uns er- mutigen, in dieser Richtung weiterzuarbeiten. Kreativität ist auch hier gefragt und sicher besser, als nur auf das altmodische Instrument staatlicher Dauersub- ventionen zu setzen. Naturschutz kann auch ökonomi- schen Gewinn einbringen, nicht nur wegen der Aus- gleichszahlungen aus den öffentlichen Haushalten, son- dern auch, weil den Verbraucherinnen und Verbrauchern die umweltgerechte Produktion ihrer Lebensmittel immer wichtiger wird. Christel Deichmann (SPD): Die Gesamtnovelle des Bundesnaturschutzgesetzes wird kommen. Die am 25. Deutschen Naturschutztag in Bamberg durch den Bundes-umweltminister vorgestellten Eckpunkte geben die Richtung vor, die immer noch fortschreitende Natur- zerstörung und die Bedrohung vieler einzigartiger Tiere und Pflanzen effektiver zu stoppen. Wir fordern die Län- der und Verbände ausdrücklich auf, sich an der Diskus- sion der Detailregelungen im Referentenentwurf zu betei- ligen. Für uns Umweltpolitikerinnen und Umweltpolitiker der SPD-Fraktion ist die Kooperation zwischen Natur- schützern und den Land- und Forstwirten schon immer ein zentraler Punkt in der Naturschutzpolitik gewesen. Nur durch das Miteinander von Umweltschützern und Landnutzern kann eine flächendeckende naturverträg- liche Nutzung ermöglicht werden. Damit dieses Ziel flächendeckend erreicht wird, darf Naturschutz nicht nur auf Schutzgebiete, nur auf die Schaffung eines Biotopverbundsystems oder auf sporadi- sche Förderprogramme beschränkt bleiben. Auch in in- tensiv genutzten Gebieten müssen in unser aller Interesse naturschutzfachliche Mindestkriterien eingehalten wer- den. Hierbei übernimmt der Vertragsnaturschutz eine wich- tige Aufgabe. Derartige Verträge werden immer auf frei- williger Basis abgeschlossen, was insbesondere die Ak- zeptanz durch die Flächennutzer erhöht. Der Vertragsnaturschutz ist jedoch nicht das alleinige Allheilmittel, um einen umfassenden Schutz der heimi- schen Pflanzen- und Tierarten zu gewährleisten und un- sere Kulturlandschaft zu pflegen. Im Vergleich zu ord- nungsrechtlichen Instrumenten ist der Vertragsnatur- schutz viel personalintensiver. So sind während der gesamten Vertragslaufzeit individuelle Beratungen und auch ein erhöhter Kontrollaufwand erforderlich. Außer- dem reichen die finanziellen Anreize für die Ausübung von Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes oft nicht aus, um die erhofften Teilnehmerzahlen zu erreichen. Ein um- fassender Schutz sensibler Biotope kann somit nicht im- mer im erforderlichen Maße gewährleistet werden. Ord- nungsrechtliche Regelungen – wie Schutzgebietsauswei- sungen, Naturschutzverordnungen – sind also auch zukünftig ebenso erforderlich wie notwendig. In der Begründung des F.D.P.-Antrages sind Formulie- rungen eingebaut, die ein großes Verständnis für den Na- turschutz mal wieder unter Beweis stellen. Hier behaup- ten Sie, dass durch die in dem 3. Änderungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz neu geschaffene Ausgleichsre- gelung „der Weg zur Kooperation im Natur- und Um- weltschutz mit den Land- und Forstwirten fortgesetzt und weiterentwickelt wurde“. Fest steht, dass bereits mehrere Anträge oder sogar Klagen auf Entschädigungen bei Gerichten vorliegen, da eine entsprechende Ausgleichszahlung für erwarteten Nutzen bisher nicht gezahlt werden konnte. Grund: Den Ländern fehlen entsprechende Finanzmittel. Praktisch führen solche Beispiele dazu, dass die Schutzgebietsver- ordnungen „entschärft“ werden. Faktisch hat der § 3 b dem Naturschutz einen „Bärendienst“ erwiesen: Er hat zur Blockade in diesem Bereich geführt. Zu den von Minister Trittin im Vorfeld vorgestellten Eckpunkten zur Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes sprachen Sie, verehrter Kollege Heinrich, gegenüber der Agentur „Agrar-Europe“, Ausgabe vom 15. Mai, sogar von einer „Mogelpackung“ und einer „Enteignung auf kaltem Wege“. Weiterhin formulierten Sie in ihrem Antrag: „Auf- lagen, die über die gute fachliche Praxis hinausgehen, sind Eingriffe ins Eigentum“. All diese Äußerungen sind rechtlich nicht haltbar und das wissen Sie auch ganz ge- nau. Darüber werden wir an anderer Stelle noch zu reden haben. Heute nur so viel dazu: Das Gutachten 2000 des Sachverständigenrates für Umweltfragen bestätigt die Einschätzung der SPD-Bundestagsfraktion, dass derar- tige Nutzungsbeschränkungen im Rahmen der Sozial- pflichtigkeit des Eigentums liegen. Der Umweltrat spricht sich sogar für die Abschaffung der finanziellen Aus- gleichsregelung nach § 3 b Bundesnaturschutzgesetz aus. Fest steht auch weiterhin, dass die Ausgleichsregelung bisher nur von Bayern umgesetzt wurde, in Hessen wird eine entsprechende Umsetzung vorbereitet. Eines ist gewiss: Die bestehende Vorschrift über Aus- gleichszahlungen von Nutzungsausfällen bei Natur- schutzmaßnahmen wird künftig neu zu regeln sein. Wir haben immer wieder beklagt, dass der bisherige gesetzli- che Rahmen der „guten fachlichen Praxis“ zu unpräzise ist. So bleiben Naturschutzaspekte in den landwirtschaft- lichen Fachgesetzen vollkommen unberücksichtigt. Die Umweltpolitikerinnen und Umweltpolitiker der SPD- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10350 (C) (D) (A) (B) Bundestagsfraktion fordern daher seit langem, Natur- schutzkriterien in die Definition der „guten fachlichen Praxis“ mit aufzunehmen. Die europäische Rechtsgrund- lage, die EAGFL-Verordnung, gibt ebenfalls vor, dass die „gute fachliche Praxis“ auch im Sinne des biotischen Res- sourcenschutzes näher zu definieren ist. Sie gibt weiterhin vor, dass überprüfbare Kriterien festgelegt werden müs- sen. Auch das vom Bundesamt für Naturschutz in Auftrag gegebene Gutachten „Entwicklung eines Kriterienkata- logs zur Bewertung der guten fachlichen Praxis“ vom 14. Januar 2000 sowie die SRU-Gutachten 1998 und 2000 weisen ebenfalls darauf hin, dass es in den landwirt- schaftlichen Fachgesetzen Defizite im Naturschutzbe- reich gibt. Die Einbindung von naturschutzfachlichen Kriterien in die gute fachliche Praxis birgt nach unserer Auffassung Vorteile für die Landwirtschaft im Sinne einer nachhaltigen Produktion sowie für den Imagegewinn in der Bevölkerung. Der F.D.P.-Antrag greift nur einen Punkt aus der anste- henden Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes he- raus. Die Debatte ist jedoch im Zusammenhang mit der Gesamtnovelle und anderen Maßnahmen zur Stärkung des Naturschutzes zu sehen. Dazu zählen die stärkere Ausrichtung der GAK an den Zielen des Naturschutzes – wie zum Beispiel Gewährung eines Ausgleichs für Nut- zungseinschränkungen in FFH-Gebieten, die zurzeit durch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe geprüft wird, Un- terstützung des Vertragsnaturschutzes sowie die Förde- rung von betrieblichen Investitionen zur Verbesserung des Umweltschutzes im Landwirtschaftlichen Bereich, die Öffnung der DBU für Naturschutzbelange, der personelle Ausbau des Bundesamtes für Naturschutz, die Sicherung der Mittel für Großschutzprojekte und Verbändeförde- rung, die verbesserte Förderung von Kooperationen zwi- schen Umweltschützern und der Landwirtschaft im länd- lichen Raum, zum Beispiel über das Leader-plus-Pro- gramm, sowie die verbesserte Akzeptanzförderung für Maßnahmen des Naturschutzes. Letztendlich ist Ihr Antrag aus folgenden Gründen ab- zulehnen: Die Argumentation hinsichtlicht der Eigen- tumsrechte ist falsch, die Ausgleichsregelung wird im Einvernehmen zwischen Bundeslandwirtschaftsministe- rium und Bundesumweltministerium neu zu regeln sein, der Vertragsnaturschutz wird selbstverständlich weiterhin als eine wichtige Maßnahme zur Gewährleistung des Prinzips „Schutz durch Nutzung“ gesehen. Cajus Caesar (CDU/CSU): Es war das besondere An- liegen der CDU/CSU bei der Novellierung der Natur- schutzgebung im Jahr 1998, dass die Ausgleichsregelung Bestandteil des Gesetzes wird. Naturschutz geht nur im Miteinander. Belastungen des Naturkreislaufs, aber auch Einschnitte für unsere Bürger, insbesondere in der Land- und Forstwirtschaft, müssen weitgehend vermieden wer- den. Dieses von meiner Fraktion stets verfolgte Prinzip droht nun durch die rot-grüne Bundesregierung und ihren Umweltminister Trittin ausgehöhlt, wenn nicht gar aus- gelöscht zu werden. Daher unterstützen meine Fraktion und ich den Antrag der F.D.P., der den Bundestag auffor- dert, sich dafür einzusetzen, dass Ausgleichsregelungen auch weiterhin Bestand haben. Wir setzen auch zukünftig im Bereich der Land- und Forstwirtschaft auf Kooperation statt Konfrontation. Auch dies ein wichtiger Hinweis der Kollegen von der F.D.P., die ja wie wir auch wissen, dass gerade Herr Minister Trittin es darauf anlegt, alle Beteiligten vor den Kopf zu stoßen. Ihre bisherige Politik, Herr Minister Trittin, war nicht durch besondere Kooperationsfreudig- keit gekennzeichnet. Ich will nur an die Diskussionen bei der Altautoverordnung erinnern, bei denen Herr Trittin beinahe alle unsere europäischen Partner vergrault hat. Auch seine Atompolitik ist nicht gerade ein Paradebei- spiel für kooperatives Handeln. Aber dies sei nur am Rande bemerkt. Was wir heute brauchen, ist eine Naturschutzpolitik, die sich zum Ziel setzt, alle Betroffenen in die Diskussio- nen mit einzubeziehen. Diese Diskussionen über Natur- schutz dürfen nicht nur hier im Plenum des Bundestages geführt werden, sondern müssen auch und vor allem vor Ort mit den Menschen geführt werden. Und in diesem Be- reich weist die Politik der Regierung leider enorme Defi- zite auf. Auf diese Probleme haben wir in der Vergangen- heit schon wiederholt hingewiesen und nun wird unsere Position erneut von der F.D.P. unterstützt. Erklärtes Ziel von CDU und der CSU ist es immer ge- wesen, die gemeinsamen Interessen von Naturschutz und Landwirtschaft herauszuarbeiten und Zukunftschancen für ein wirkungsvolles Miteinander aufzuzeigen. Dieses Ziel sehen wir durch die aktuelle Politik der rot-grünen Regierung gefährdet: Daher ist notwendig, noch einmal auf die Problematik hinzuweisen: Eigentumsrechte sind höchste Rechtsgüter, die unser Grundgesetz ausdrücklich in Art. 14 schützt. Es darf nicht sein, dass ein Grundrecht aufgrund einer falsch verstan- denen Naturschutzpolitik dauerhaft ausgehöhlt und un- brauchbar gemacht wird. Ich kann daher nur ausdrücklich davor warnen, die verfassungsmäßig garantierten Eigen- tumsrechte durch gesetzliche Neuregelungen im Bundes- naturschutzgesetz zu schwächen. Dies wird sicherlich in Karlsruhe keinen Bestand haben. Was wir zukünftig brauchen, ist nicht die Konfronta- tion, sondern das gemeinsame Miteinander und das wer- den wir nur durch eine Erweiterung des Vertragsnatur- schutzes erreichen. Dieses Prinzip wurde von Frau Dr. Merkel eingeführt, vor allem um die Beteiligten vor Ort in den Prozess des Naturschutzes einzubinden. Nicht noch mehr gesetzliche Regelungen, Rahmen- pläne, Verordnungen und andere bürokratische Hemm- nisse bringen uns im Umweltschutz voran, sondern nur gemeinsames und praktisches Handeln. Ich fordere daher den Vorrang des Vertragsnaturschutzes vor verwaltungs- rechtlichen Auflagen. Wir müssen die Menschen dazu be- wegen, Selbstverpflichtungen einzugehen, um die ökolo- gischen Probleme selbst zu erkennen, aufzugreifen und zu lösen. Dies ist eine Umweltpolitik, die auf die Zukunft ausgerichtet ist. So hat etwa die Umsetzung der FFH-Richtlinie ge- zeigt, dass aufgrund der wenig konkreten Auswirkungen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10351 (C) (D) (A) (B) für die in den vorgesehenen Gebieten Wirtschaftenden nur wenig bisher erreicht wurde. Wenn die Menschen nicht wissen, was genau auf sie zukommt, sind sie auch nicht bereit, etwas zu unternehmen. So gilt es, zukünftig mehr darauf zu achten, dass die Ausweisung der Schutzgebiete nicht über die Köpfe der Menschen hinweg erfolgt. „Mo- tivation statt Naturschutzauflagen!“ sollte unser Motto für die anstehende Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes sein. Die Ausweisung von Schutzgebieten darf nicht in ei- nen prozentualen Wettlauf münden. So halte ich es nicht für sinnvoll, dass Rot-Grün sich in der Koalitionsverein- barung von 1998 darauf festgelegt hat, dass 10 Prozent der Landschaftsfläche Schutzgebiete werden müssen. Wenn beispielsweise Landschaftspläne, wie etwa im Kreis Lippe geschehen, 95 Prozent durch Naturschutzge- biete, Landschaftsschutzgebiete mit besonderen Festset- zungen, Landschaftsschutzgebiete, Naturdenkmäler und Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen bis vor die Haustür jeden Handgriff des Bürgers führen wollen, wird dies nicht zu Akzeptanz, sondern zu Verdrossenheit und enor- men Widerständen führen, wie auch die entsprechenden Veranstaltungen gezeigt haben. Es mutet geradezu gro- tesk an, wenn in einem Gebiet mit unter 10 Prozent Be- waldungsprozentsatz ein Landschaftsplan ein generelles Erstaufforstungsverbot über alle Flächen hinweg vor- sieht, während EU, Bund und Land sogar Fördermittel vorsehen. Dies ist nur ein Beispiel für die verfehlte rot- grüne Umweltpolitik vor Ort. Neben Erhalt, Schutz und Weiterentwicklung von Schutzgebieten über den Vertragsnaturschutz hinaus, gilt es, den Naturschutz auf der gesamten Fläche zu betrach- ten. Hier gilt es, Möglichkeiten extensiver Bewirtschaf- tung, Möglichkeiten der Biomasse zur Biogas- und Bio- dieselproduktion sowie Möglichkeiten der Biomasse zur Primärenergieerzeugung insgesamt besser zu nutzen und Anreize zu schaffen. Wir warnen die Bundesregierung davor, den betroffe- nen Land- und Forstwirten die bisher zustehenden Aus- gleichsmaßnahmen zu streichen. Sie werden sonst kaum mehr bereit sein, etwas für den Naturschutz zu tun. Dies kann nicht in unserem Sinne sein. Die noch gültigen gesetzlichen Regelungen über die gute fachliche Praxis sichern bisher ein möglichst kon- fliktfreies Nebeneinander von Landwirtschaft, Natur-, Gewässer- und Emissionsschutz und den Ansprüchen der Gesellschaft auf Freizeit und Erholung. Für Rot-Grün ist diese negative Haltung gegenüber den betroffenen Bür- gern und der Wirtschaft jedoch nichts Neues. Bereits bei der Debatte um die Änderung des Naturschutzgesetzes im April 1998 haben Sie sich gegen die Ausgleichsregelun- gen ausgesprochen und diese mit dünnen Argumenten ab- gewiesen. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass gerade diese Ausgleichsmaßnahmen ein geeignetes In- strument waren, um die Menschen vor Ort zum Umwelt- schutz zu bewegen. Wer ist denn bereit, sich freiwillig für den Naturschutz einzusetzen, wenn er dafür auch noch fi- nanziell bestraft wird – und dies zu einem Zeitpunkt, wo rot-grüne Politik für erhebliche Einschnitte in das soziale Netz sowie für zusätzliche Belastungen durch Ökosteuer und weitere Nachteile gesorgt hat? So hat die Agenda 2000 schon große finanzielle Ein- bußen für die betroffene Landwirtschaft mit sich ge- bracht. Schon jetzt wird die Landwirtschaft mit 5 Milliar- den DM zusätzlich belastet. Dies darf nicht weiter fort- gesetzt werden. Dies ist hochgradig kontraproduktiv. Na- turschutz ist nicht gegen den Willen der vor Ort Arbeiten- den möglich. Wir fordern daher Landwirtschaftsminister Funke nachdrücklich auf, sich für den Erhalt der Aus- gleichsregelungen gegenüber Minister Trittin durchzuset- zen und nicht einzuknicken. Wir dürfen den Land- und Forstwirten nicht noch mehr Steine in den Weg legen als es Rot-Grün bisher getan hat. Die Landwirtschaft hat in den letzten Jahren sehr viel für den Naturschutz getan. So ist etwa der Einsatz von mineralischem Dünger seit 1987 um rund 20 Prozent zurückgegangen. Die Qualität unse- rer Flüsse und Bäche hat sich enorm verbessert und die Zahl der Fische ist wieder gestiegen. Dies ist auch ein Er- folg der bisherigen Naturschutzpolitik im Bereich der Landwirtschaft. Auf diesen Erfolgen müssen wir weiter- hin aufbauen. Allerdings lässt die Politik der Bundesre- gierung nichts Gutes ahnen, wenn sie die Mittel im Be- reich der Land- und Forstwirtschaft weiter zurück- schraubt und damit den Bauern auch noch die letzte Motivation nimmt. Meine Fraktion und ich fordern die Regierung daher nachdrücklich auf, bei ihren weiteren Beratungen zur No- velle des Naturschutzgesetzes genau zu überlegen, wie die Bürger beteiligt werden können. Lassen Sie nicht die Bürger die Zeche bezahlen! Bemühen Sie sich stattdes- sen, die Betroffenen zu vertragsnaturschutzlichen Rege- lungen zu bewegen; diesen Weg werden wir mitgehen. Ich verspreche Ihnen: Sie werden damit mehr Erfolg haben und unsere Umwelt freut sich. Nur eine die Menschen überzeugende Naturschutzpolitik wird auf die Dauer er- folgreich sein. Sylvia Voß (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der An- trag der Fraktion der F.D.P. erinnert mich doch sehr an die Fernsehwerbung für den Kaffee „Gala Nr. 1“, wo eine of- fensichtlich wohlhabende Dame auf die Frage: „Was wür- dest du dir wünschen, wenn du einen Wunsch frei hät- test?“, die wenig geistreiche Antwort gibt: „Alles soll so bleiben, wie es ist.“ – Nicht gerade beeindruckend für eine Partei, die sich als freidemokratische Turbopartei geriert. Für uns ist es jedenfalls nicht einsichtig, warum uns heute ein Antrag vorgelegt wird, der festhält, dass sich in Bezug auf den § 3 b des Bundesnaturschutzgesetzes nichts ändern möge, zumal Sie wissen, dass sich der Deut- sche Bundestag in Kürze mit dem Entwurf der 4. Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes befassen wird. Eines der Hauptziele der Novelle des Bundesnatur- schutzgesetzes – Minister Trittin hat die Öffentlichkeit da- rüber vorgestern in Bamberg informiert – ist in der Tat die Neuregelung des Verhältnisses von Landwirtschaft und Naturschutz. Ein zentraler Punkt ist dabei der Regelungs- gehalt des § 3 b, von dem alle wissen, dass er in der der- zeit geltenden Fassung ein kooperatives Verhältnis von Naturschutz und Landwirtschaft behindert. Seit August 1998 leisten die Länder bei staatlichen Na- turschutzauflagen, die über die gute fachliche Praxis hi- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10352 (C) (D) (A) (B) nausgehen, für Land- und Forstwirte Ausgleichszahlun- gen. Mit der 3. Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes erhielten sie einen gesetzlichen Anspruch auf diese Zah- lungen. Bei diesen Zahlungen handelt es sich allerdings nicht um den Ausgleich für eine Enteignung, einen ent- eignungsgleichen Eingriff oder eine Eigentumsbeschrän- kung. Vielmehr werden allein Nutzungsbeschränkungen kompensiert, die bis dahin im Rahmen der Sozialpflich- tigkeit des Eigentums verhältnismäßig waren und deshalb ohne finanziellen Ausgleich hingenommen werden muss- ten. Wir lehnen, wie Ihnen bekannt ist, diese Regelung ab. Sie ist unvernünftig und nicht zielführend. Sie stellt einen einseitigen Anspruch für Land- und Forstwirte dar und führt zu keinem Fortschritt für den Naturschutz bei der Landnutzung. Wichtig ist uns, dass die gute fachliche Praxis nicht al- lein durch landwirtschaftliche Fachgesetze, wie das Dün- gemittel- und das Pflanzenschutzgesetz, definiert wird, sondern mit naturschutzfachlichem Inhalt angereichert wird. Es ist ein ausgezeichneter Start für die Arbeit an der Novelle, dass Minister Trittin und Minister Funke sich auf naturschutzfachliche Grundsätze einer natur- und land- schaftsverträglichen Land-, Forst- und Fischereiwirt- schaft geeinigt haben. Wir haben es immer für erforder- lich gehalten, dass Landwirtschaft und Naturschutz ge- meinsam festlegen, was für die Nutzung und den Schutz der Natur richtig ist. Mit der neuen Regelung wird der Grundsatz überwun- den, dass nahezu jede naturschutzrechtliche Auflage den Anspruch auf Ausgleichszahlungen durch die Länder er- zwingt. Die daraus resultierenden Belastungen der öffent- lichen Hand verhinderten zunehmend die Ausweisung neuer Naturschutzflächen. Was die Ausgleichszahlung angeht, so wird hier die Kompetenz der Länder erhöht werden. Es wird ihnen die Möglichkeit eingeräumt werden, ihren politischen und fi- nanziellen Möglichkeiten entsprechend den Ausgleich von Nutzungsbeschränkungen zu regeln. Das ist im Sinne der Stärkung des Föderalismus und, im Gegensatz zur derzeitig geltenden Regelung, verfassungsrechtlich unbe- denklich. Der § 3 b des Bundesnaturschutzgesetzes gewährt nämlich in seiner jetzigen Form einen sonst nicht beste- henden Geldleistungsanspruch, der vollen Umfangs und unausweichlich von den Ländern aufzubringen ist. Eine solche bundesrechtliche Anspruchsgewährung wider- spricht aber der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes und wurde deshalb von den Ländern im Bundes- rat abgelehnt. Wir werden hier die Kompetenzbeschnei- dung der Länder in dieser Frage beenden und das ein- führen, was verfassungsrechtlich geboten ist: eine Rah- menregelung. Inhaltlich sprechen wir uns dafür aus, dass die Länder eine Regelung einführen, die die Honorierung solcher ökologischer Leistungen vorsieht, die über die gute fach- liche Praxis hinausgehen und gleichzeitig zu Einkom- menseinbußen führen. Vertragliche Vereinbarungen halten wir für einen sinn- vollen Weg im Naturschutz, der neben den unverzichtba- ren ordnungsrechtlichen Maßnahmen zu Fortschritten im Arten- und Biotopschutz führen kann. Den Vorrang einer Seite kann es allerdings nicht geben. Es geht um vernünf- tige wechselseitige Ergänzungen. Dass Sie, liebe Ideolo- ginnen und Ideologen von der F.D.P., das Ordnungsrecht als „verordneten Dirigismus“ denunzieren, ist sicherlich kein konstruktiver Beitrag für eine Sachdebatte. Die von Ihnen hier vorgeführte Einseitigkeit schadet dem Natur- schutz und nutzt den Land- und Forstwirten nicht. Auch ihre apodiktische Feststellung, dass Auflagen, die über die gute fachliche Praxis hinausgehend, „Ein- griffe ins Eigentum“ sind, zeugt von ideologiegetränkter Sichtweise. Denn nach übereinstimmender Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des BGH sind Regelun- gen, die die Nutzung von Grundstücken aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes beschränken, grund- sätzlich keine Enteignungen im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG, sondern Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Ein Entschädigungsanspruch entstünde hiernach allen- falls, wenn die Beschränkung der Eigentümerbefugnis unverhältnismäßige, das heißt unzumutbare wirtschaftli- che Härten nach sich zieht. Der Gesetzgeber hat Inhalt und Schranken des Eigen- tums zu bestimmen und hierbei den privaten und sozialen Nutzen des Eigentumsgebrauchs in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Das beinhaltet auch das Recht, die Eigentümerbefugnis im Interesse des Gemeinwohls zu beschränken. Werden zur Verwirklichung der Ziele des Natur- schutzes und der Landschaftspflege Anforderungen fest- gesetzt, durch die der Eigentümer schwer und unzumut- bar betroffen wird, ist nach Maßgabe des Landesrechts eine angemessene Entschädigung in Geld unter den Vo- raussetzungen des Art. 14 des Grundgesetzes zu leisten. Wird der Eigentümer erheblich, aber nicht schwer und unzumutbar in der Ausübung seiner Eigentümerbefugnis beeinträchtigt, ist zu prüfen, ob ein Ausgleich in Geld durch vertragliche Vereinbarungen geleistet werden kann. Ulrich Heinrich (F.D.P.): Der F.D.P.-Antrag zum Na- turschutz passt optimal in die aktuelle Diskussion: Die von Umweltminister Jürgen Trittin auf dem Deutschen Naturschutztag vorgestellten Eckpunkte zum Natur- schutzgesetz drohen die bewährte Kooperation zwischen Naturschutz und Landwirten zu sprengen. Genau das ist wohl aus parteipolitischen Motiven von Herrn Trittin ge- wollt. Trittin will offensichtlich mit seinem eigentums- politischen Amoklauf die grüne Basis und die Umwelt- verbände zurückgewinnen. Ein Schuss in den Ofen: Nicht nur Land- und Forstwirte sind entsetzt, selbst der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) kritisiert den Umweltminister heftig. Die erfolgreiche Zusammen- arbeit zwischen Naturschutz und Landwirtschaft wird auch durch die Tatsache, dass bereits mehr als 40 Pro- zent der Fläche Deutschlands von Land- und Forstwirten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10353 (C) (D) (A) (B) freiwillig in Naturschutzprogramme eingebracht wurde, dokumentiert. Vor allem folgende Eckpunkte erhitzen die Gemüter: Erstens. Naturschutz ist Ländersache, dennoch erklärt der grüne Umweltminister seine Novelle für nicht zu- stimmungspflichtig und hofft so, die Länder umgehen zu können. Zweitens. Zehn Prozent der Landesfläche sollen zukünftig Vorrangfläche für den Naturschutz sein – für ein dicht besiedeltes Industrieland wie Deutschland ist das schlicht weltfremd. Drittens. Jürgen Trittin plant zudem, Verbandsklage- rechte einzuführen. Obwohl es gerade im Naturschutz be- reits mehr als genug Ordnungsrecht gibt, will der Minis- ter auch hier noch eins draufsetzen. Viertens. Damit nicht genug: Die vorgesehene Neude- finition der guten fachlichen Praxis zielt auf die Aushöh- lung der mühsam von der F.D.P. durchgesetzten Aus- gleichsregelung für Land- und Forstwirte. Die F.D.P. hat diesen Irrweg im Naturschutz frühzeitig erkannt und bereits im vergangenen Jahr einen Antrag ein- gebracht, den wir heute diskutieren, der den klaren und konsequenten Kurs der F.D.P. für den Schutz der Eigen- tumsrechte und den Naturschutz fortführt. Die F.D.P. for- dert daher: Erstens. Das Eigentum darf nicht weiter unter dem Deckmantel der Sozialpflichtigkeit ausgehöhlt werden. Zweitens.DiePlänevonTrittin,40000bis100000Hek- tar land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen aus dem Privatisierungsauftrag in den neuen Ländern auszuklam- mern und an Naturschutzverbände zu verschenken, tritt die berechtigten Eigentumsrechte der Alteigentümer mit Füßen und müssen deshalb gestoppt werden. Drittens. Land- und Forstwirte erhalten für wirtschaft- liche Nachteile durch Auflagen des Naturschutzes, die über die so genannte gute fachliche Praxis hinausgehen, einen angemessenen Ausgleich nach Maßgabe des Lan- desrechts. Für die F.D.P. ist das eine Grundsatzfrage! Auf- lagen die über die gute fachliche Praxis hinausgehen, sind Eingriffe ins Eigentum. Sie sind deshalb ausgleichs- pflichtig, Viertens. Die F.D.P. fordert die Länder nachdrücklich auf, die Ausgleichsregelung – sofern das noch nicht ge- schehen ist – zügig in ihre Landesgesetze aufzunehmen. Fünftens. Die GRÜNEN – insbesondere Umweltminis- ter Trittin – müssen ihren Konfrontationskurs gegen die Land- und Forstwirte einstellen. Sechstens. Eine Vorrangfläche von zehn Prozent für den Naturschutz ist aus wirtschafts-, agrar-, umwelt- und eigentumspolitischen Gründen abzulehnen. Siebentens. Ein Verbandsklagerecht ist der ordnungs- politisch falsche Weg und muss korrigiert werden. Achtens. Eine Neudefinition der guten fachlichen Pra- xis ist völlig überflüssig, da in Deutschland die ohnehin strengsten Gesetze in diesem Bereich gelten. Neuntens. Der Vertragsnaturschutz muss erhalten und ausgebaut werden. Noch auf der Internationalen Grünen Woche Anfang des Jahres in Berlin hat sich der Bundeslandwirtschafts- minister, Karl Heinz Funke, unter dem Applaus der an- wesenden Landwirte für seine Ankündigung zum Erhalt der Ausgleichsregelung in der bestehenden Form feiern lassen. Herr Minister Funke, lassen Sie Ihren Worten Ta- ten folgen und stoppen Sie endlich Umweltminister Trittin! Aus Sicht der F.D.P. sind die Pläne von Minister Trittin eine Mogelpackung. Eine „Enteignung auf kaltem Wege“ ist mit der Eigentumspartei F.D.P. nicht zu machen. Eva-Maria Bulling-Schröter (PDS): Ich freue mich ja immer, wenn die Kategorie Eigentum wieder einmal thematisiert wird. Wenn wir die juristische Definition zur Grundlage nehmen, dann gibt es da Eigentumsrechte, wie sie die F.D.P. mit ihrem Antrag meint einfordern zu kön- nen, und da gibt es Eigentumspflichten, auf die gelegent- lich hinzuweisen sich auch lohnt. Die F.D.P. will den von Frau Merkel ins Bundesnatur- schutzgesetz eingestrickten § 3 b ins neue Naturschutzge- setz hinüberretten: Schlägt der Naturschutz zu, dann sol- len Bauern oder Waldbesitzer entschädigt werden. Es ist auch Auffassung der PDS, dass Land- und Forst- wirte, die durch Naturschutzauflagen Aufwendungen ha- ben, welche über ein bestimmtes Maß hinausgehen, Kom- pensationszahlungen erhalten. Niemand soll über Nacht in den Ruin getrieben werden. Doch die Belastungen müs- sen tatsächlich außerhalb dessen liegen, was im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums schlichtweg hinzu- nehmen ist. Und: Das Ganze darf lediglich Übergangs- charakter haben. Konkret hieße das, durch eine Mischung von Übergangshilfen und Vertragsnaturschutz eine Nut- zungskonversion vom Staat finanziell zu begleiten. Pau- schale Ausgleichzahlungen für Flächen, die in Natur- schutzgebieten liegen und teilweise nie bewirtschaftet wurden, sind dagegen unsinnige Geldgeschenke. Notwendig ist eine verlässliche und umsetzbare Grenz- ziehung zwischen unentgeltlich einzufordernder Rück- sichtnahme der Landnutzer auf die natürliche Umwelt und entgeltwürdigen ökologischen Leistungen. Hierfür müssen Kriterien aus naturschutzfachlicher Sicht ent- wickelt werden. Der Verweis auf die „gute fachliche Pra- xis“ im Bodenschutzgesetz reicht nicht, denn damit wer- den momentan längst nicht alle naturschützerisch rele- vanten Belange abgedeckt. Wir sind auch hier gespannt auf den BMU-Entwurf zum neuen Bundesnaturschutzge- setz. Abschließend noch ein klares Wort: Boden ist ein be- grenztes Gut und ein natürliches dazu, ein Gut, welches gemeinschaftlichen Charakter hat, auch wenn es privat genutzt wird. Vielen fällt der Boden sogar allein durch die Herkunft in den Schoß, was im urliberalen Sinne eigent- lich ja auch ein Unding ist. Lesen sie mal bei Ihrem Kol- legen Eucken nach, Frau Homburger, Stichwort 100 Pro- zent Erbschaftsteuer. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10354 (C) (D) (A) (B) Wir denken, die Gesellschaft kann deshalb berechtig- terweise von den Land- und Forstwirten erwarten, dass sie Beschränkungen in Kauf nehmen, die einzig die nachhal- tige Erhaltung der natürlichen Umwelt zum Ziel haben. Soll die öffentliche Hand denn bis in alle Ewigkeit allein dafür Ausgleichzahlungen vornehmen, dass wertvolle Flora und Fauna nicht zerstört wird? Das kann doch wohl niemand ernsthaft wollen! Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes (EkrG) (Tagesordnungspunkt 24) Wieland Sorge (SPD): Der Gesetzentwurf der PDS zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes ist dahin- gehend ausgerichtet, die Kommunen in den neuen Län- dern finanziell zu entlasten. Sie sollen von den Kosten für die Grunderneuerung von Straßenbrücken über Schienen- wege der ehemaligen Deutschen Reichsbahn freigestellt werden, und der Bund soll zukünftig – statt wie bisher die Kommunen – die Kosten bei Eisenbahnkreuzungsmaß- nahmen der „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ und bei Anpassungsmaßnahmen technischer Sicherungen im Be- reich von Bahnübergängen übernehmen. Dabei werden vom Bund tatsächlich schon eine Reihe von Kosten ge- tragen. Meiner Meinung nach sind die Vorschläge der PDS weder vertretbar noch machbar. Zum einen – und dies ist im Hinblick auf die Durchführbarkeit sicherlich der aus- schlaggebende Grund – sind die Vorschläge der PDS gar nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. In Art. 104 a Abs. 1 haben auch die Kommunen die aus der Wahrnehmung ih- rer Aufgaben entstehenden Kosten zu tragen. Die ge- nannten Straßenbrücken sind Bestandteil der jeweiligen Kommunalstraßen und stehen auch seit einer Verwal- tungsvereinbarung der beteiligten DDR-Ministerien vom Jahre 1953 in der Baulast eines kommunalen Straßenbau- lastträgers. Die Kommunen der DDR befanden sich in ei- ner schizophrenen Situation. Einerseits waren sie für die Erhaltung bzw. Sanierung der kommunalen bzw. ge- meindlichen Bahnübergänge verantwortlich, andererseits besaßen sie weder die eigene Finanzhoheit noch Einfluss auf die Verteilung der dringend benötigten Baustoffe, die wegen ihres Mangels an anderen notwendigen Stellen ein- gesetzt wurden. Dem Bund ist es verwehrt, die Kosten für die aufgelaufenen Unterhaltungsrückstände der kommu- nalen Straßenbrücken zu übernehmen. Weder der Bund noch die DB AG sind für die Versäumnisse der DDR ver- antwortlich. Trotzdem hat der Bund – und dies ist durch das Gesetz zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgeset- zes und anderer Gesetze vom 9. September 1998 er- möglicht worden – von 1999 bis 2003 jährlich 50 Mil- lionen DM in den neuen Bundesländern als Finanzhilfe bereitgestellt, und damit ist die verfassungsrechtlich zulässige Grenze für Finanzhilfen erreicht. Es ist sehr be- dauerlich, dass Gemeinden und Städte für etwas teilweise aufkommen müssen, was sie nicht verschuldet haben. Sollte es wirklich solche Gemeinden bzw. Städte geben, die mit Millionenbeträgen belastet werden bzw. haus- haltsmäßig am Ende wären, müssten wir Mittel und Wege finden, dies zu verhindern. Bisher sind solche Beispiele namentlich nicht bekannt. Da die Länder in erster Linie für ihre Kommunen Verantwortung haben, müssen sie auch die Finanzierungsmöglichkeiten voll nutzen, um die Kommunen zu entlasten. Zum anderen – und das werden die meisten von uns noch wissen – hat es bereits 1997 einen ähnlichen Antrag der PDS gegeben, der vom Bundestag am 11. Dezember 1997 abgelehnt wurde. Außerdem gab es 1999 einen Ent- schließungsantrag der PDS zu diesem Thema, welcher ebenfalls abgelehnt wurde. Im Grunde sind die damals aufgeführten Gründe auch noch heute gültig: Soweit im Zuge neuer Schienen- strecken neue, höhenfreie Kreuzungen mit bestehenden Straßen hergestellt werden müssen, trägt das Eisenbahn- unternehmen nach § 11 Abs. 1 EkrG hierfür die Kosten al- lein. Anderes gilt nur, wenn eine Gemeinde, das heißt in dem Fall der Straßenbaulastträger, ebenfalls Änderungen verlangt; dann hat sie nach dem Veranlasserprinzip zu den Kosten beizutragen. Bei der Beseitigung bestehender höhengleicher Kreu- zungen – Bahnübergänge – hätten die Beteiligten, also das Eisenbahnunternehmen und – soweit die Straße in ihrer Baulast steht – die jeweilige Gemeinde aufgrund des kreuzungsrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses zu gleichen Teilen die Kosten zu tragen. Da der Bund auch unter dem verkehrspolitischen Gesichtspunkt zur Sicher- heit an der Beseitigung der höhenfreien Kreuzungen stark interessiert ist, übernimmt er ein Drittel der Änderungs- kosten. Deshalb haben Eisenbahnunternehmen und Ge- meinden nur je ein Drittel der Kosten zu tragen. Dies gilt auch, wenn der Bahnübergang nicht beseitigt wird, son- dern die Sicherungsanlagen geändert werden. Diese Ko- stendrittelung wurde vom Bundesverfassungsgericht für rechtmäßig erklärt und ist im EkrG – § 13 Abs. 1 – veran- kert. Alle Finanzhilfen, die darüber hinausgehen, sind al- lerdings nicht mehr mit Art. 104 Abs. 1 des Grundgeset- zes vereinbar. Auch nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsge- setz kann die Gemeinde, wenn sie für eine Baumaßnahme verantwortlich ist, Fördermittel für Kreuzungsmaßnah- men beantragen. 75 Prozent der Kosten sind zuwen- dungsfähig. Auch hier stellt der Bund diese Mittel zur Ver- fügung, wenngleich er über die Verteilung durch die Län- der natürlich keinen Einfluss hat. Es liegt nun an den Ländern, in welchem Maße sie ihre Kommunen unter- stützen; die entsprechenden Finanzierungsmöglichkeiten sind vorhanden. In einzelnen Härtefällen müssen geson- derte Möglichkeiten zur Anwendung kommen. Zu guter Letzt gibt es da noch das Investitionsförde- rungsgesetz Aufbau Ost, wonach den ostdeutschen Bun- desländern seit 1995 zehn Jahre lang jeweils 6,6 Milliar- den DM als Investitionshilfe vom Bund zur Verfügung ge- stellt werden. Diese können selbstverständlich auch für Bahnübergangsbeseitigungen eingesetzt werden. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10355 (C) (D) (A) (B) Sie sehen, dass es keinen Grund gibt, den Bund noch mehr zur Kasse zu bitten. Die von der PDS geforderte Ge- setzesänderung ist zwar für die Kommunen die ideale Lö- sung, die ich auch gerne sehen würde. Aber sie ist weder rechtlich noch finanzpolitisch möglich. Aus diesem Grunde lehnen wir den Antrag der PDS erneut ab. Zur Gewährleistung der Sicherheit im Straßen- und Schienenverkehr bleibt uns nur der Weg, in Abstimmung mit der DB AG und den Ländern für die rasche Umset- zung der notwendigen Baumaßnahmen zu sorgen, ohne dabei die Städte und Gemeinden finanziell in den Ruin zu führen. Norbert Otto (Erfurt) (CDU/CSU):Man könnte mei- nen, es ist schon Sommerpause und die Saure-Gur- ken-Zeit steht vor der Tür. Wie anders ist es sonst zu er- klären, dass die PDS wieder einmal ganz tief in der Mot- tenkiste gewühlt hat und dort auf ein paar alte Kamellen gestoßen ist, die sie nun als frische Neuheiten präsentie- ren will? Tatsächlich ist das Thema Eisenbahnkreu- zungsgesetz bis zu seiner Novellierung 1998 ausgiebig diskutiert und mit einem für alle Seiten hinnehmbaren Kompromiss abgeschlossen worden. Dass die PDS nun hingeht und diesen Kompromiss, dessen Ausführung sich in der Praxis bisher weitgehend bewährt hat, wieder in- frage stellt, ist vollkommen unverständlich und überflüs- sig. An schieren Populismus grenzt es, verehrte Kollegin- nen und Kollegen von der PDS, wenn Sie hier in Ihrem Antrag – kurz zusammengefasst – eine vollkommene Ent- lastung bzw. Ausgliederung der Kommunen in Finanzie- rungsfragen fordern. Sie wissen genauso gut wie wir, dass diese Forderung in der gegenwärtigen Finanzlage absurd ist und in letzter Konsequenz nur zu einer Umvertei- lung der Kosten von den Kommunen auf den Bund und die Bahn bzw. Bahnbetreiber führen würde. Die verein- barte Kostendrittelung bei Eisenbahnkreuzungsmaßnah- men wird von allen Trägern akzeptiert und für die bes- te Lösung gehalten. Wenn man jedoch Ihre Vorschläge zu Ende denken würde, hätten Ihre Forderungen als Konse- quenz, dass in erheblichem Maße Gelder umgelenkt wer- den müssten, die derzeit für den Ausbau der Schienen- strecken und deren Sicherheit aufgewendet werden. Bei der Bahn zum Beispiel würden Ihre Forderungen, sollten sie denn Realität werden, zu erheblichen Einbußen bei der Betriebssicherheit führen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies in Ihrer Absicht liegt, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der PDS. Zudem würde Ihr Antrag eines der maßgeblichen Ziele der Bahnreform, nämlich die Befreiung der Bahn von öf- fentlichen Lasten, umkehren. Mit der Umsetzung ihrer Vorschläge würden der Bahn und den Bahnbetreibern weitere Kosten aufgehalst, von denen sie eigentlich ent- lastet werden sollten. Lassen Sie mich aber noch einmal zurückgehen auf die Entwicklung: Der im Gesetzentwurf enthaltene Vorschlag zur kommunalen Entlastung bei Unterhaltsrückständen an Straßenüberführungen wurde bereits im Jahr 1995 ent- wickelt. Schon damals kam zum Beispiel das Thüringer Justizministerium zu der Auffassung, dass die Anbindung der Finanzierungsprobleme im Zusammenhang mit der Unterhaltungslast von Eisenbahnkreuzungen am engen Geltungsbereich des ursprünglichen Gemeindeprivilegs des § 19 (1) Sätze 3 und 4 EkrG scheitert. Für die alten Bundesländer war mit dem Gemeindeprivileg eine auf- schiebende bedingte Übergangsregelung verbunden. Die Übernahme der Pflichten zur Erhaltung von Straßenüber- führungen über Eisenbahnlinien erfolgte erst nach einer wesentlichen Änderung oder Ergänzung der Anlage. In den alten Ländern blieben somit zahlreiche kommunale Straßenüberführungen in der Verantwortlichkeit und un- ter der Kostendeckung der Deutschen Bundesbahn. Mit dem ENeuOG wurde endgültig die Verteilung der In- standhaltungskosten für Kreuzungsanlagen von dem Prin- zip der Veranlassung auf die wegerechtliche Verantwor- tung übergeleitet. Mit dem Gesetz zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes vom 9. September 1998 wurde klargestellt, dass der im Straßenrecht übliche Ge- währleistungsanspruch gilt. Für die neuen Länder wurde hingegen eine andere Regelung getroffen. Da auf dem Gebiet der ehemaligen DDR die Unterhaltung der kommunalen Straßenbrücken bereits 1953 von der Deutschen Reichsbahn auf die kom- munalen Straßenbaulastträger überging, brachte diese Regelung keine finanzielle Entlastung für die Straßen- baulastträger in den neuen Bundesländern. Um für die aufgrund der unterschiedlichen Ausgangssituation ent- standenen finanziellen Probleme der Kommunen eine Kompromisslösung zu finden, wurde eine Arbeitsgruppe vom Vermittlungsausschuss gebildet. Im Ergebnis wur- den in den Artikeln 2 und 3 des Gesetzes zur Änderung des EkrG Änderungen des Investitionsförderungsgesetzes Aufbau Ost (IFG) und des Gemeindeverkehrsfinanzie- rungsgesetzes (GVFG) vorgesehen. Im Zeitraum von 1999 bis 2003 stehen den neuen Bun- desländern für die Grunderneuerung von Straßenbrücken in ihrer Baulast über Schienenwege über die ehemalige Deutsche Reichsbahn insgesamt 250 Millionen DM zur Verfügung. Davon werden 50 Millionen DM aus dem GVFG, 50 Millionen DM aus dem IFG und 150 Millionen DM aus dem Altlastentilgungsfonds gewährleistet. Da dieser Kompromiss zum damaligen Zeitpunkt von den neuen Bundesländern angenommen wurde und be- reits entsprechend verfahren wird, ist eine erneute Geset- zesinitiative, wie sie die PDS nun vorlegt, weder notwen- dig noch sinnvoll. Der Bezug auf die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit (VDE) allgemein erscheint sowohl wegen der fehlenden Unterscheidung nach Neu- und Ausbau als auch wegen der Abgrenzung zu anderen Schienenverkehrsprojekten nicht korrekt. Zum Beispiel wurde in Thüringen die Saale- bahn im Rahmen des Lückenschlussprogramms ausge- baut. Entsprechend dem Gesetzentwurf wäre bei einer solchen Maßnahme keine gesamtvorhabensbezogene Ko- stenzuscheidung vorgesehen. Da dieses Ausbauvorhaben inhaltlich den VDE entspricht, brächte eine Abgrenzung auf die VDE keine kostenmäßige Entlastung für verschie- dene Kommunen analogen Sachverhalts. Die Anpassung an die Eisenbahn-Bau- und Betriebs- ordnung erfolgte im Wesentlichen im Zusammenhang mit Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10356 (C) (D) (A) (B) technischen Veränderungen am betreffenden Bahnüber- gang. Die sukzessive Veränderung des äußeren Erschei- nungsbildes und der technischen Sicherungen erfolgte nach Abschluss einer entsprechenden Kreuzungsverein- barung. Da nach § 3 EkrG sicherheitsrelevante Maßnah- men von allen Beteiligten zu vertreten sind, kann auch die finanzielle Verantwortung der Straßenbaulastträger für die Sicherheit an Eisenbahnkreuzungen nicht aufgehoben werden. Denn dass im Bereich der Eisenbahnkreuzungen eine erhöhte Unfallgefahr auf der Straße und der Schiene besteht, belegen zahlreiche Unfälle. Die Erhöhung der Si- cherheit im Gefahrenbereich liegt daher im Interesse aller Beteiligten. Auch aus diesem Grund werden wir den vorliegenden Antrag nicht unterstützen, weil es durch die mit dem An- trag verbundenen höheren Belastungen des Bundeshaus- haltes zu weiteren Einschränkungen in der Mittelbereit- stellung für Schienenverkehrsprojekte und letztlich auch zu einer Einschränkung der Sicherheit im Bahnbetrieb kommen würde. Albert Schmidt (Hitzhofen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist verdienstvoll, dass sich die PDS mit ihrem Antrag zum Anwalt der ostdeutschen Kommunen macht und auf Unterschiede hinweist: beispielsweise da- rauf, dass die ostdeutschen Kommunen nie die finanzielle Eigenständigkeit wie in Westdeutschland hatten. Das Ar- gument, dass sie deshalb ihrer Rolle als kommunaler Straßenbaulastträger nur eingeschränkt gerecht werden konnten, ist durchaus richtig und der heutige Hinweis des Bundesverkehrsministeriums auf das Grundgesetz, auf Art. 104 a Abs. 1 und 4, mag daher in der Tat etwas for- mal wirken. Richtig ist aber auch, dass sich die Kommu- nen in Ostdeutschland jetzt ihrer Verantwortung bewusst werden und entsprechend handeln müssen. Das Problem reduziert sich damit zu einem Problem der richtigen Fi- nanzmittelverteilung und -zuweisung. Immerhin ist der Bund in dieser Hinsicht durchaus auf die ostdeutschen Verhältnisse eingegangen: Zum Ersten hat der Bund im September 1998 das Eisenbahnkreu- zungsgesetz und andere Gesetze auf der Grundlage des Deutschen Bahn Gründungsgesetzes, des Gemeindever- kehrsfinanzierungsgesetzes und des Investitionsförde- rungsgesetzes Ost so verändert, dass von 1999 bis 2003 jährlich 50 Millionen DM, insgesamt 250 Millionen DM, für die Grunderneuerung der Straßenbrücken über Schie- nenstrecken zur Verfügung stehen. Dies ist ein erheblicher Schritt, der bereits einen Großteil der Brisanz des Pro- blems entschärft. Zum Zweiten sind auch die ostdeutschen Länder ge- fordert, ihren eigenen Kommunen beizustehen, zumal sie dafür zehn Jahre lang seit 1995 jeweils 6,6Milliarden DM als Finanzhilfen des Bundes im investiven Bereich erhal- ten, die auch zur Finanzierung von Bahnübergangsbesei- tigungen eingesetzt werden können. Die Entscheidung über die Verteilung dieser Finanzmittel liegt in der allei- nigen Kompetenz der Länder! Vergleicht man die Gesamtsumme von immerhin 66 Milliarden DM über 10 Jahre mit dem Finanzbedarf für Eisenbahnkreuzungen, den die PDS selbst auf rund 0,5Milliarden DM ansetzt, so wird die relative Problemdimension sehr deutlich: Natür- lich müssen aus dem Gesamttopf von 66 Milliarden DM sehr viele nachzuholende Investitionen getätigt werden; aber in diesem großen Rahmen stellen die neuen Bahnü- bergänge kein übergroßes Finanzproblem dar. Sie sind an- dererseits ein ganz wesentlicher Beitrag zur Modernisie- rung der Infrastruktur. Machen wir uns nichts vor: Sicherlich gibt es noch für viele Jahre Probleme bei der Infrastrukturanpassung zwi- schen Ost und West. Ständig bei Detailproblemen nach fi- nanzieller Unterstützung zu rufen bringt uns in der Sache aber nicht weiter. Sehen wir doch lieber das Positive, näm- lich dass der Bund den Ländern Brandenburg, Mecklen- burg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thürin- gen in erheblichem Umfang Finanzmittel zum Ausgleich früherer Benachteiligungen überwiesen und gleichzeitig die Möglichkeit eingeräumt hat, darüber eigenständig zu ent- scheiden. Vor diesem Hintergrund sollten die Finanzprobleme ostdeutscher Kommunen nicht gleich zum Ruf nach zu- sätzlichen Sondermitteln des Bundes führen, sondern eine sinnvolle Verteilung der bei den Ländern bereits ankom- menden Bundesmittel herausfordern. Horst Friedrich (Bayreuth) (F.D.P.): Mit dem von der PDS im Mai diesen Jahres eingebrachten Gesetzentwurf wird eine Gesetzgebungsmaschinerie wieder in Gang ge- setzt, die bereits in der 13. Wahlperiode nach langen Dis- kussionen mit der am 9. September 1998 nach einem Ver- mittlungsausschussverfahren abgeschlossenen Gesetzge- bung ausreichend geregelt worden ist. 1995 und auch 1997 hatte die PDS mit ihren Gesetzes- anträgen versucht, die nach der Bahnreform vorgenom- menen grundsätzlichen Änderungen der Baulastträger- schaft für Eisenbahnkreuzungsmaßnahmen zu revidieren. Wie bekannt, hat im Rahmen der Eisenbahnneuordnung eine seit 30 Jahren bestehendeAusnahmeregelung im Be- reich der Deutschen Bundesbahn ein Ende gefunden, nach der bisher die Bahn als Sonderregelung auch für Straßenüberführungen über Schienen als Baulastträger eingetreten ist. Im Sinne des Grundgesetzes Art. 104 a Abs. 1 ist festgelegt, dass Bund und Länder und auf deren Seite auch die Gemeinden die Ausgaben zu tragen haben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Ausgaben ergeben. Dies gilt sowohl für Brückenbauwerke als auch für Kreu- zungsbauwerke an Schienenstrecken. Im Zusammenhang mit den Eisenbahnbrücken, die von der Bahn an die Kommunen zurückgegeben wurden, ergaben sich langanhaltende Streitfälle, insbesondere über den baulichen Zustand. Der Bundesrat hatte darüber hinaus gefordert, daß eine uneingeschränkte Nutzungs- fähigkeit von 10 weiteren Jahren nach Übergang des Bauwerkes genehmigt werden sollte. Dieser strittige Punkt ist im Gesetzgebungsverfahren durch die Anfü- gung des dritten Absatzes im § 19 des Eisenbahnkreu- zungsgesetzes abschließend und einvernehmlich geregelt worden. Eine über diesen Tatbestand hinausgehende wei- tere Regelung ist aus Sicht der F.D.P. in Abwägung des Regelwerkes und der gegenseitigen Kostenteilung nicht notwendig. Dies ist mittlerweile so von den Ländern als Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10357 (C) (D) (A) (B) auch von den Kommunen in der Bundesrepublik akzep- tiert. Die PDS versucht mit ihrem Antrag jetzt unter Verweis auf eine angeblich rechtlich strittige DDR-Verwaltungs- anordnung ein weiteres Sonderrecht für die Kommunen der neuen Bundesländer zu erreichen. Es ist unstrittig, auch für die F.D.P., dass die Finanzierungssituation der ostdeutschen Kommunen nicht einfach ist. Durch die Las- tenteilung des Aufbaus Ost ist allerdings auch in den Kommunen der alten Bundesländer ein gewisser Finan- zierungsengpass eingetreten. Unabhängig davon ist im bereits erwähnten Vermittlungsverfahren eine Zahlung von 250 Millionen DM an die Kommunen der neuen Bun- desländer für die Sanierung von Straßenbrücken über Schienenwege vereinbart worden. In der Neufassung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes ist darüber hinaus im § 11 festgehalten, dass bei Neubaustrecken der Deutschen Bahn AG die Kommunen aus der Kostenpflicht befreit sind. Hier hat die Deutsche Bahn AG die Kosten alleine zu tragen. Bei vorhandenen Kreuzungen, auch im Zuge von Aus- baustrecken, haben alle Beteiligten, also auch die Ge- meinden, soweit in ihrer Baulast stehende Verkehrswege betroffen sind, die aufgrund des kreuzungsrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses zu gleichen Teilen notwendi- gen Kosten zu tragen. Der Bund beteiligt sich hierbei gemäß § 13 Abs. 1 Eisenbahnkreuzungsgesetz mit einem Drittel an den Änderungskosten unter dem Gesichtspunkt, die zur Sicherheit an Kreuzungen dringlichen Maßnah- men nicht an der Finanzschwäche eines der Baulastträger scheitern zu lassen. Diese Kostendrittelung wurde 1969 vom Bundesverfassungsgericht für rechtens erachtet. Eine darüber hinaus gehende unmittelbare Finanzierung durch den Bund – wie von der PDS gefordert – insbeson- dere die vollständige Übernahme der auf die Kommunen entfallenden Kosten würde sich nicht mit Art. 104 a Abs. 1 im Grundgesetz in Einklang bringen lassen. Die Unterhaltung von Gemeindestraßen ist und bleibt eine kommunale Selbstverwaltungsaufgabe, die der Bund nicht übernehmen oder unmittelbar finanzieren darf. Neben den im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzie- rungsgesetzes geleisteten Investitionshilfen des Bundes, die über die Länder an die Kommunen weiter zu geben sind und die insbesondere im Zeitraum von 1992 bis 1994 eine Sonderförderung in den neuen Ländern vorsahen, er- halten die neuen Bundesländer darüber hinaus seit 1995 nach dem Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost zehn Jahre lang jeweils 6,6 Milliarden DM als Finanzhilfen des Bundes im investiven Bereich, wobei damit ebenfalls im Verkehrssektor Bahnübergangsbeseitigungen finanziert werden können. Für die tatsächliche Verwendung dieser Mittel sind nach unseren Gesetzesregeln die Länder zu- ständig. Die Liberalen haben Verständnis für die Forderungen finanzschwacher ostdeutscher Kommunen. Das darf allerdings nicht dazu führen, dass es nach einer Rechts- angleichung zum Stand 1. Januar 1994, die auch im Einklang mit dem Einigungsvertrag ist, ein neues „Son- derrecht“ für die Kommunen der neuen Bundesländer ge- ben darf. Wir werden diese Gesichtspunkte sicherlich in der entsprechend sachlichen Art im Verkehrsausschuss thematisieren Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden Zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Rechts an Grundstücken in den neuen Ländern (Grundstücksrechtsänderungs- gesetz) (Tagesordnungspunkt 25) Hans-Joachim Hacker (SPD): Mit dem vorgelegten Koalitionsgesetzentwurf greifen wir erneut den Problem- bereich der Vermögens- und Immobilienfragen der neuen Länder auf. Man könnte meinen, im zehnten Jahr nach der deutschen Einheit wäre auf diesem Gebiet alles geregelt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Bundesregierung unter Gerhard Schröder und die sie tragenden Fraktionen verfolgen das Ziel, auf dem Ge- biet des Vermögens- und Immobilienrechts der neuen Länder endgültig Klarheit zu schaffen und zwar gründlich und konsequent. An dieser Stelle könnte ich die Debatte um die von der damaligen Bundesregierung verfochtene Politik nach dem Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“ eröffnen. Dies brächte heute wenig, vor allem nichts für die betrof- fenen Bürgerinnen und Bürger und die kommunalen Ge- bietskörperschaften. Wir greifen die Probleme, die sich im Vollzug der Gesetzesanwendung ergeben haben, auf und führen sie einer Lösung zu, wobei wir die entspre- chenden Auflagen des Bundesverfassungsgerichts erfül- len. Ich möchte jetzt auf die einzelnen Punkte des vorge- legten Gesetzentwurfs eingehen: Erstens. Auf dem Gebiet der offenen Vermögensfragen soll durch eine Ergänzung des § 2 des Vermögensgesetzes die Voraussetzung dafür geschaffen werden, dass den Nachfolgeorganisationen der von den Nazis zerschla- genen Gewerkschaften in Verfahren nach dem Investiti- onsvorranggesetz die Rechte eines Beteiligten eingeräumt werden. Gleichzeitig soll eine Möglichkeit eröffnet wer- den, dass sie die Anteile von Beteiligungsunternehmen zusammenfassen können, um den Anspruch auf Einräu- mung von Bruchteilseigentum realisieren zu können. In einem weiteren Regelungsbereich schaffen wir Rechts- klarheit hinsichtlich des Termins, bis zu dem in Fällen rus- sischer Rehabilitierungen Anträge nach dem Vermögens- gesetz gestellt werden können. Zweitens. Durch die beabsichtigten Regelungen zur Ergänzung des Einführungsgesetzes zum BGB beseitigen wir Unklarheiten, ob die von volkseigenen Kreditinstitu- ten verwalteten Grundpfandrechte auf diejenigen Kredit- institute übergegangen sind, die nach der Privatisierung deren Geschäfte fortgeführt haben. Im Weiteren wird das EGBGB durch eine Regelung er- gänzt, wonach vom Zeitpunkt 22. Juli 1992 bis zum 31. Dezember 1994 Ansprüche des Grundstückseigentü- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10358 (C) (D) (A) (B) mers gegen den Besitzer auf Zahlung eines Nutzungsent- geltes realisiert werden können. Diese im Gesetzentwurf im Art. 233 § 2 a Abs. 8 EGBGB verankerte Regelung setzt die entsprechende Forderung des Bundesverfas- sungsgerichts in seinem Beschluss vom 8. April 1998 um. In einem weiteren Punkt – es handelt sich um Art. 233 § 2 b Abs. 1 EGBGB – wird Klarheit geschaffen, inwie- weit Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften selbstständiges Eigentum an Gebäuden auf von ihnen ge- nutzten Grundstücken erwerben konnten. Diese klarstel- lende Regelung hat erhebliche Bedeutung für die Nach- folgeeinrichtungen der LPG und die Eigentümer der be- troffenen Grundstücke. Drittens. Sie wissen, dass im Hinblick auf die Um- strukturierung der Bundesanstalt für vereinigungsbe- dingte Sonderaufgaben die Zuständigkeiten für die Ertei- lung von Grundstücksverkehrsgenehmigungen angepasst werden müssen. Dieser Regelungsvorschlag ist rein tech- nischer Natur, ebenso wie die Übertragung der sich aus dem Parteiengesetz der DDR ergebenen Zuständigkeiten. Im Interesse der bereits eingangs beschriebenen Ziel- stellung, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit im Bereich des Vermögens- und Immobilienrechts zu schaffen, bitte ich Sie um Unterstützung des Gesetzentwurfs. Andrea Voßhoff (CDU/CSU): Vor den Erfolg hat der Herrgott bekanntermaßen den Schweiß gesetzt und vor hoffentlich erholsame Pfingsttage die Mehrheit dieses Hauses zum Schluss der heutigen Tagesordnung noch den vorliegenden Gesetzentwurf. Uns liegt ein Maßnahmenpaket vor, das – so die Re- gierungsfraktionen – der Ergänzung, Klarstellung und Verwaltungsvereinfachung verschiedener spezifischer Regelungen des Immobilienrechts in den neuen Ländern dienen soll. Dabei geht es konkret zum einen um die Erfüllung eines Gesetzgebungsauftrages, den das Bundesverfas- sungsgericht mit seinem Beschluss vom 8. April 1998 die- sem Hohen Hause aufgegeben hat. Zum anderen haben SPD und Bündnis 90/Die Grünen die Umsetzung vorgenannten Auftrags mit einem Maß- nahmenpaket unter anderem in den Bereichen der offenen Vermögensfragen, dem Übergangsrecht im EGBGB so- wie in Fragen der Zuständigkeitsregelungen im Hinblick auf die Umstrukturierung der BvS verbunden. Wie immer werden wir von der CDU/CSU-Fraktion konstruktiv an Maßnahmen, die der Rechtsklarheit und der Anwendungsvereinfachung des Immobilienrechts Ost dienen, mitwirken und das gilt auch für den vorliegenden Entwurf. Dann aber muss der Gesetzentwurf auch diesen Vorgaben entsprechen. Worum geht es? Zum einen hat das Bundesverfas- sungsgericht in dem bereits genannten Beschluss festge- stellt, dass die Regelung in Art. 233 § 2 a EGBGB, wo- nach Ansprüche des Grundstückseigentümers gegen den Besitzer auf Zahlung eines Nutzungsentgelts in der Zeit vom 22. Juli 1992 bis 31.Dezember1994 nicht vorgesehen sind, mit Artikel 14 des Grundgesetzes unvereinbar ist. Das Gericht hat dem Gesetzgeber aufgegeben, die verfas- sungswidrige Regelung bis zum 30. Juni dieses Jahres durch eine verfassungskonforme Regelung zu ersetzen. In Erfüllung dieses Auftrages soll im vorliegenden Ent- wurf nunmehr für den genannten Zeitraum ein Entgeltan- spruch in Höhe des in § 51 Sachenrechtsbereinigungsge- setz vorgesehenen abgesenkten Erbbauzinses eingeführt werden. Dies erscheint auf den ersten Blick konsequent und hinsichtlich der Höhe auch konform mit der Intention der Zinsregelung in § 51 des Sachenrechtsbereinigungsgeset- zes. Die dort geregelte Eingangsphase sollte ja – so auch die Entwurfsbegründung – angesichts der damaligen ge- ringen Leistungsfähigkeit von Wirtschaft und Privathaus- halten einen allmählichen Übergang auf die gesetzlich vorgesehene Verzinsung herstellen. Grundsätzlich können wir dem auch zustimmen. Gleichwohl melden wir Zweifel an der auf den ersten Blick konsequenten Umsetzung des künftigen Entgeltan- spruches hinsichtlich der Höhe an. Hier erscheint uns klärungsbedürftig, inwieweit die Neuregelung nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtsho- fes steht. Dieser hatte bereits mit Urteil vom 18. Februar 2000 entschieden, dass die Verweisung der bisherigen Regelung in Art. 233 § 2 a EGBGB nicht die in § 51 Sa- chenrechtsbereinigungsgesetz vorgesehene Möglichkeit zur Herabsetzung des Erbbauzinses in den ersten Jahren einschließt. Der BGH führt dazu sinngemäß aus, dass im Falle einer Herabsetzung des Erbbauzinses gemäß § 51 Sachen- rechtsbereinigungsgesetz die vom Bundesverfassungsge- richt gerügte Vorenthaltung eines gesetzlichen Anspruches des Grundstückseigentümers auf Nutzungsentschädigung weitergehe, und hat im zu entscheidenden Fall die Höhe des Nutzungsentgelts ausschließlich an § 43 Sachen- rechtsbereinigungsgesetz orientiert. Ich konzediere, dass der Bundesgerichtshof einen Fall zu entscheiden hatte, in dem es sich um die Geltendma- chung von Ansprüchen im Zusammenhang mit einem Bo- densonderungsverfahren handelte, gleichwohl bedarf es der Klärung, inwieweit der Urteilsinhalt auch hier Berücksichtigung finden muss. Zudem stellt sich die Frage, inwieweit die Entgeltrege- lung auch in bereits abgeschlossene Sachverhalte der Sa- chenrechtsbereinigung eingreift und ob die Neuregelung zu Rechtsunsicherheiten in diesen Fällen führt. Auch hinsichtlich der weiteren Maßnahmen in diesem Gesetzentwurf, die der Klarstellung in einigen vermö- gensrechtlichen Fragen und der Verwaltungsvereinfa- chung dienen sollen, besteht unsererseits noch Gesprächs- und Klärungsbedarf. Ich benenne nur einige: Die Begründung zum Beispiel, nach der für die ge- werkschaftlichen Nachfolgeorganisationen im Rahmen der Regelungen des § 2 Vermögensgesetz die gleichen verfahrensrechtlichen Erleichterungen gelten sollen wie für die Conference an Jewish Material Claims, ist unzu- reichend. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10359 (C) (D) (A) (B) Auch die für diese Fälle dann geplante Suspendie- rung der bestehenden Beurkundungsbedürftigkeit der An- spruchsübertragung bedarf im Lichte des § 313 BGB der Prüfung, die ja in der inhaltlichen Auseinandersetzung im Rechtsausschuss sicher erfolgen wird. Klärungsbedarf besteht unsererseits auch hinsichtlich der faktischen Auswirkungen der geplanten Änderungen, so in der Frage der Zusammenfassung von Anteilen an Beteiligungsunternehmen im Rahmen des § 3 Vermö- gensgesetz einschließlich der in der Neufassung des § 3 Abs. l Satz 4 enthaltenen Ausschlussregelung. Auch die künftige Zuständigkeit der treuhänderischen Verwaltung der Vermögen der Parteien und Massenorga- nisationen in der ehemaligen DDR bedarf der ergänzen- den Klärung. Nicht nur die von mir aufgeworfenen Fragen, sondern auch – nach unserer Auffassung – im vorliegenden Ent- wurf bestehende rechtstechnische Detailmängel, die ich hier nicht aufzählen will, machen deutlich, dass wir von der CDU/CSU-Fraktion zur abschließenden Bewertung des Gesetzentwurfes noch Beratungsbedarf haben. Zur Vermeidung von Missverständnissen: Wir werden unsere Mitarbeit an einer zügigen Umsetzung insbeson- dere des vom Bundesverfassungsgericht erteilten Gesetz- gebungsauftrages, der bis zum Monatsende erfüllt sein soll, nicht verweigern. Aber unser Misstrauen gegen Ihre gesetzgeberischen Schnellschüsse ist ja – wie wir oft ge- nug erlebt haben – begründet. In den anstehenden Bera- tungen haben Sie Gelegenheit, diese auszuräumen. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/Die GRÜ- NEN):Auch zehn Jahre nach der Einheit hält die Frage der Vermögensregelung in den neuen Ländern den Gesetzge- ber in Trab. Ich habe es mittlerweile aufgegeben, zu zählen, wie oft in den vergangenen Jahren das Vermö- gensrecht der Regierung Kohl nachgebessert werden musste. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Sowohl bei der Regelung über die Bereitstellung von Er- satzgrundstücken als auch bei den Datschen geht die Dis- kussion weiter. Bei dem vorliegenden Grundstücksrechtsänderungs- gesetz kann es nicht darum gehen, grundlegend neue Wei- chen zu stellen. Auf der Basis der bestehenden Gesetze müssen wir aber eine Reihe von Punkten ändern, die sich in der Praxis als hinderlich erwiesen haben. Zunächst geht es wieder einmal darum, eine Verfas- sungswidrigkeit zu bereinigen, die von der alten Bundes- regierung zu verantworten ist. Das Bundesverfassungsge- richt hatte in seinem Beschluss vom 8. April 1998 be- kanntlich das Fehlen eines Nutzungsentgelts für die Zeit des sachenrechtlichen Moratoriums von 1992 bis 1994 gerügt: Da hier die gesetzliche Umsetzung dieses Be- schlusses bis zum Sommer befristet ist, muss jetzt gehan- delt werden. Es wird von daher dem Eigentümer ein An- spruch auf Zahlung des Nutzungsentgelts für den entspre- chenden Zeitraum eingeräumt. Diese Regelung wird bei den Nutzern der Grundstücke gewiss wenig Begeisterung auslösen. Die Entscheidung des höchsten deutschen Ge- richts lässt aber keine andere Lösung des Problems zu. Die Höhe des Entgelts richtet sich nach dem Sachen- rechtsänderungsgesetz. Sie ist für den Nutzer durchaus tragbar. Bei den weiteren Neuregelungen handelt es sich vielfach um rechtstechnische Vereinfachungen. Einige Punkte möchte ich aber herausgreifen. Sie gehen über die reine Verwaltungsvereinfachung hinaus. Es ist zum einen die Möglichkeit der Übertragung von Rechtsan- sprüchen auf die Jewish Material Claims against Ger- many GmbH und der gewerkschaftlichen BGAG Immo- bilien Ost GmbH. Die Erleichterung der Arbeit für die Jewish Claims Conference war ja schon im Registerver- fahrensbeschleunigungsgesetz geregelt worden. Es ist sachgerecht, nun auch die BGAG Immobilien Ost ebenso zu behandeln. Froh bin ich darüber; dass wir in diesem Zusammen- hang ein nicht unerhebliches Problem bei der Vermö- gensrestitution politisch Verfolgter besser in den Griff be- kommen. Die Regelung der bisherigen Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung hat zu Ungerechtigkeiten geführt. Gerade im Fall der Rehabilitierung durch russische Stellen ist die- ser Zeitpunkt schwer oder gar nicht feststellbar. Es soll deshalb auf den Zugang beim Antragsteller abgestellt werden. Die bisherige Benachteiligung gegenüber ande- ren Betroffenen wird damit abgebaut. Ich hoffe, dass wir die Ausschussberatungen zügig über die Bühne bringen, damit die Neuregelungen in Kraft treten können. Gerade in den von mir aufgezählten Berei- chen sollten wir die Betroffenen nicht zu lange auf die Än- derungen warten lassen. Rainer Funke (F.D.P.): Der vorliegende Entwurf ei- nes Gesetzes zur Änderung des Rechts an Grundstücken in den neuen Ländern ist ein Artikelgesetz mit unter- schiedlichsten rechtlichen Regelungen. Einige Regelun- gen sind von Bedeutung, einige Vorschläge dienen ledig- lich der Klarstellung oder der Reparatur aufgrund der zwi- schenzeitlich erfolgten Rechtsprechung. Dies ist alles normal und nicht zu kritisieren. Kritisch ist zu beurteilen, dass diese Gesetzesvor- schläge – zum Teil kompliziertester Art – als Anträge der Koalitionsfraktionen formuliert worden sind. Man fragt sich automatisch, warum dieser verkürzte Weg beschrit- ten wird und nicht eine abgestimmte Regierungsvorlage dem Bundesrat und anschließend dem Bundestag in ers- ter Lesung vorgelegt wird. Normalerweise geschieht dies nur dann, wenn große Eilbedürftigkeit gegeben ist. Diese liegt erkennbar nicht vor. Oder liegt es gar an der kompli- zierten Materie, bei der gegebenenfalls unterschiedliche Positionen des Bundesrates erst später erkennbar gemacht werden sollen? Oder soll damit verwischt werden, dass doch ein zeitlicher Handlungsbedarf für einzelne Bestim- mungen besteht, weil das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aufgegeben hat, die verfassungswidrigen Regelungen des Sachenrechtsänderungsgesetzes bis zum 30. Juli 2000 durch eine verfassungskonforme Regelung zu ersetzen? Dann hätte man die Novellierung auf das Sachenrechtsänderungsgesetz beschränken können und hätte dies in angemessener Zeit vor Ablauf der gesetzten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10360 (C) (D) (A) (B) Frist erledigen können. Hinsichtlich dieses merkwürdigen Verhaltens wird es sicherlich noch Aufklärung geben. Die Änderungen des Vermögensgesetzes, soweit die Gewerkschaften besonders begünstigt werden, machen mich misstrauisch. Warum diese Begünstigung der Ge- werkschaften und keine adäquate Lösung für andere Un- ternehmen? Bei der Änderung hinsichtlich des Übergangs volkseigener Forderungen, Grundpfandrechte und Ver- bindlichkeiten auf Kreditinstitute ist die Begründung für diese Regelung nicht sehr erhellend. Sie zeigt die wirt- schaftlichen – sprich: finanziellen – Risiken der Regelung für die Betroffenen – also einschließlich der Kunden der Kreditinstitute – nicht auf. Es ist daher abschließend festzustellen, dass dieser Gesetzentwurf noch gründlich beraten werden muss. Die F.D.P.-Fraktion wird sich dem nicht verschließen und ge- rade im Interesse der neuen Länder dafür sorgen, dass vernünftige Regelungen getroffen werden. Wir erwarten dann aber auch, dass die Bundesregierung in den dazu notwendigen Berichterstattergesprächen offen und ehr- lich die zweifellos vorhandenen Probleme und finanziel- len Risiken offen legt; denn sonst haben solche Be- richterstattergespräche keinen Sinn. Dr. Evelyn Kenzler (PDS): Ich halte – offen gesagt – den Entwurf der Koalitionsfraktionen für eine Enttäu- schung. Anstatt einen durchdachten Entwurf eines Geset- zes vorzulegen, der die aus der DDR überkommenen Grundstückrechtsfragen endgültig und vernünftig regelt, wird – wie schon so oft – ein Sammelsurium von De- tailänderungen von Änderungsgesetzen vorgeschlagen, die das Paragraphengestrüpp immer undurchdringlicher machen. Das Recht der so genannten offenen Vermögens- fragen ist auf einen Umfang angewachsen, der dem des BGB nicht viel nachsteht, mit dem Unterschied, dass sich dieses Recht auf etwa 50 Einzelgesetze verteilt, die auf- einander und auf das BGB verweisen. Die Undurch- schaubarkeit mag Rechtsanwälten auf unabsehbare Zeit Arbeit und Honorare verschaffen. Von den Beteiligten wird sie als Rechtsunsicherheit empfunden. Ich weiß natürlich, dass der Regierung der vom Bun- desverfassungsgericht verordnete Termin des 30. Juni 2000 im Nacken sitzt. Der Gesetzgeber wurde durch den Beschluss des Gerichts vom 8. April 1998 verpflichtet, spätestens bis dahin eine Regelung für die Nachzahlung von Nutzungsentgelten an die Grundstückseigentümer zustande zu bringen. Mehr als zwei Jahre hat das Justiz- ministerium gebraucht, um diese Schularbeit zu machen! Überhaupt tendiert die Bilanz der Regierung kurz vor Ablauf der Hälfte ihrer Amtszeit in puncto Regelung of- fener Grundstückrechtsfragen gegen Null. Nach dem mit einjähriger Verspätung vorgelegten Bericht über die Nut- zungsentgeltverordnung zu urteilen wird sich daran nichts ändern. Die Erwartungen der oft in ihrer Existenz be- drohten Eigentümer und Nutzer von Wohn- und Erho- lungsgrundstücken in Ostdeutschland wurden bitter ent- täuscht. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem genannten Beschluss die Regelungen im EGBGB über den vorläufi- gen Besitzschutz von Gebäudeeigentümern, die nicht zu- gleich Bodeneigentümer sind, für verfassungskonform er- klärt. Insoweit schafft der Beschluss ein Stück Rechtssi- cherheit. Zugleich hält es das Gericht für verfassungswidrig, dass Nutzer fremder Grundstücke, also Eigentümer von Gebäuden auf einem Boden, der nicht ihr Eigentum ist, im Zeitraum vom 22. Juli 1992 bis zum 31. Dezember 1994 kein Nutzungsentgelt entrichten mussten. Bekanntlich konnten sie zu DDR-Zeiten den Boden unentgeltlich nut- zen. Ich halte die Entscheidung des Bundesverfassungs- gerichts für wirklich problematisch. Unter dem Gesichts- punkt des Vertrauens- und Bestandsschutzes, der ja auf jeden Fall bis zum 22. Juli 1992, dem Tag des In- Kraft-Tretens des Zweiten Vermögensrechtsänderungsge- setzes, galt, wäre auch eine andere Entscheidung denkbar gewesen. Die Konsequenz des Beschlusses sind enorme Nach- zahlungsverpflichtungen der Bodennutzer. Die Koaliti- onsfraktionen haben zwar eine Variante gewählt, die das nachzuzahlende Nutzungsentgelt auf den ermäßigten Erb- bauzins nach § 51 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes begrenzt. Es bleibt aber dabei, dass hier ein weiterer Akt finanzieller Strangulierung von ostdeutschen Nut- zern fremden Bodens, von landwirtschaftlichen Genos- senschaften, Wohnungsgenossenschaften und privaten Gebäudeeigentümern vorgesehen ist, der von vielen Be- troffenen nicht mehr verkraftbar ist. Dem werden wir uns widersetzen. Dr. Eckhard Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin der Justiz: Im zehnten Jahr nach der Wiedervereinigung sind viele Eigentumsfragen in den neuen Ländern geklärt. Obwohl dabei manche Regelung sicherlich mit Härten für die Betroffenen verbunden war, bleibt zu hoffen, dass die Klärung der Eigentumsverhält- nisse letztlich dazu beitragen wird, dass der Übergang des sozialistischen Bodenrechts in das Eigentumsrecht des Grundgesetzes die Deutschen einigt und nicht dauerhaft trennt. Der vorliegende Gesetzentwurf will und kann nicht die getroffenen Grundentscheidungen revidieren; er will Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten innerhalb des geltenden Systems beseitigen, Lücken füllen und Ver- fahren beschleunigen. Erstens. An erster Stelle ist dabei die notwendige Um- setzung des vom Bundesverfassungsgericht erteilten Ge- setzgebungsauftrags zu nennen, der den engen zeitlichen Rahmen für das vorliegende Vorhaben vorgibt. Das Bun- desverfassungsgericht hatte den im sachenrechtlichen Be- sitzmoratorium – Art. 233 § 2 a EGBGB – bisher enthal- tenen Ausschluss des Grundstückseigentümers von An- sprüchen auf ein Nutzungsentgelt für die Zeit vom 22. Juli 1992 bis zum 31. Dezember 1994 für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 30. Juni 2000 Abhilfe zu schaffen. Nach dem im Entwurf enthaltenen Vorschlag soll dem Grundstückseigentümer im benannten Zeitraum ein Nutzungsentgeltanspruch in der Höhe des nach dem Sachenrechtsbereinigungsge- setz in der Eingangsphase zu zahlenden Erbbauzinses Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10361 (C) (D) (A) (B) zustehen. Dieser Vorschlag vermeidet Brüche in der Höhe des Entgelts im Verhältnis zu dem nach Einleitung der Sa- chenrechtsbereinigung forderbaren Entgelt, denn dessen Höhe bemisst sich anfangs ebenfalls nach den genannten Kriterien. Die vorgeschlagene zeitliche Erstreckung um drei Monate über den vom Bundesverfassungsgericht ge- nannten Zeitraum hinaus stellt sicher, dass der gesetzliche Entgeltanspruch so lange besteht, bis der Grundstücks- eigentümer das Entstehen eines entsprechenden An- spruchs durch aktives Mitwirken an der Sachenrechtsbe- reinigung selbst in der Hand hat. Der Rechtssicherheit dient die Festlegung, dass der nunmehr eingeräumte neue Entgeltanspruch innerhalb von zwei Jahren nach dem In- Kraft-Treten des Gesetzes verjähren soll. Der Entwurf enthält außerdem einen Regelungsvor- schlag zur Frage des Übergangs ehemals volkseigener Forderungen und Grundpfandrechte auf die entsprechen- den Kreditinstitute. Bedeutung erlangt diese Klarstellung vor allem, weil den Kreditinstituten die Sicherheit gege- ben werden muss, dass die in Bezug auf diese Forderun- gen zwischenzeitlich vorgenommenen Kündigungen oder Zinsanpassungen wirksam sind; ferner erleichtert er das Grundbuchverfahren. Schließlich sollen mit dem vorliegenden Entwurf Un- klarheiten beseitigt werden, die in der Rechtspraxis zur Entstehung von rechtlich selbstständigem Gebäudeeigen- tum von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaf- ten aufgetreten sind. Zugegebenermaßen gibt die sprach- liche Fassung der zu ändernden Vorschrift –Art. 233 § 2 b Abs. 1 b EGBGB – den Rechtsanwendern bei bestimmten Sachverhalten Rätsel auf. Es bedarf deshalb der Klarstel- lung, dass die genannte Vorschrift im Verhältnis zum DDR-Recht keine zusätzlichen Tatbestände der Entste- hung von selbständigem LPG-Gebäudeeigentum schaffen sollte, sondern diese Eigentumsrechte nur unter den im ehemaligen DDR-LPG-Recht bestimmten Voraussetzun- gen entstanden sind. Zweitens. Ungerechtigkeiten beseitigen sollen die vor- gesehenen Änderungen des Vermögensgesetzes. Die Nach- folgeorganisationen der Gewerkschaften, die aufgrund nationalsozialistischer Verfolgung aufgelöst wurden und die damals ihr gesamtes Vermögen verloren, haben ihre vermögensrechtlichen Ansprüche vielfach an die BGAG Immobilien Ost abgetreten. Obwohl diese wiederum eine gewerkschaftseigene Gesellschaft ist, wird sie wegen der Abtretung nicht an Verfahren nach dem Investitionsvor- ranggesetz beteiligt, und dies, obwohl sie ihre Ansprüche auf Rückübertragung in diesen Verfahren verlieren kann. Der Gesetzentwurf sieht vor, diese Ungereimtheit zu be- seitigen; die BGAG Immobilien Ost wird zukünftig an Investitionsvorrangverfahren beteiligt werden. Auch eine weitere Änderung wird eine Ungerechtig- keit beseitigen, die sich gerade bei den Gewerkschaften auswirkt. Wurde ein Mutterunternehmen aufgrund natio- nalsozialistischer Verfolgung enteignet, so hat der An- teilseigner nur dann Anspruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum an einem Vermögenswert des Toch- terunternehmens, wenn dem Mutterunternehmen über 20 Prozent des Tochterunternehmens gehörten. Damit soll eine zu große Zersplitterung der Eigentumsverhältnisse verhindert werden. Vielfach war es so, dass verschiedene Gewerkschaften Anteile an einem Tochterunternehmen besaßen, die zwar nicht jeder für sich, aber alle zusammen einen Anteil von über 20 Prozent ausmachten. Die da- raus resultierenden vermögensrechtlichen Ansprüche sind heute alle in der Hand der BGAG Immobilien Ost. Und obwohl folglich eine Zersplitterung der Eigentumsver- hältnisse ausgeschlossen ist, wird der BGAG Immobilien Ost kein Bruchteilseigentum eingeräumt. Diese Unge- rechtigkeit soll mit dem Grundstücksrechtsänderungsge- setz beseitigt werden, indem Anteile, die sich heute in ei- ner Hand befinden, addiert werden. Dies gilt natürlich nicht nur für die Gewerkschaften, sondern für alle Rechts- nachfolger. Drittens. Die weiteren in dem Gesetzentwurf vorgese- henen Änderungen sind verfahrensrechtlicher Natur. So sind aufgrund der Umstrukturierung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben neue Zustän- digkeitsregelungen erforderlich. Außerdem soll das bis- lang sehr kostenintensive Aufgebotsverfahren vereinfacht werden, das erforderlich wird, wenn die Eigentümer früher staatlich verwalteter Grundstücke nicht bekannt sind. Der materielle Rechtsschutz wird dabei nicht ange- tastet. Viertens. Wie Sie sehen, sind alle in dem Gesetzent- wurf vorgesehenen Gesetzesänderungen dringend erfor- derlich, und zwar unabhängig von politischen Grundein- stellungen. Ich appelliere deshalb an Sie, dem Gesetzent- wurf zuzustimmen. Anlage 8 Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla- gen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parla- ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Rechtsausschuss Drucksache 14/272 Nr. 39 Drucksache 14/272 Nr. 51 Drucksache 14/272 Nr. 55 Drucksache 14/309 Nr. 2.4 Drucksache 14/1188 Nr. 2.1 Drucksache 14/1276 Nr. 1.5 Drucksache 14/2295 Nr. 1.1 Drucksache 14/2747 Nr. 2.30 Drucksache 14/2747 Nr. 2.33 Drucksache 14/2747 Nr. 2.34 Drucksache 14/2747 Nr. 2.35 Drucksache 14/2817 Nr. 2.26 Drucksache 14/3341 Nr. 1.3 Finanzausschuss Drucksache 14/2952 Nr. 2.28 Drucksache 14/3050 Nr. 2.13 Drucksache 14/3050 Nr. 2.19 Drucksache 14/3050 Nr. 2.23 Drucksache 14/3050 Nr. 2.27 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10362 (C) (D) (A) (B) Haushaltsausschuss Drucksache 14/2952 Nr. 2.3 Drucksache 14/3050 Nr. 2.5 Ausschuss fürWirtschaft und Technologie Drucksache 14/2295 Nr. 1.2 Drucksache 14/2554 Nr. 2.3 Drucksache 14/2554 Nr. 2.4 Drucksache 14/2554 Nr. 2.10 Drucksache 14/2747 Nr. 2.28 Drucksache 14/2747 Nr. 2.31 Drucksache 14/2747 Nr. 2.40 Drucksache 14/2747 Nr. 2.44 Drucksache 14/2747 Nr. 2.48 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 14/3146 Nr. 2.8 Drucksache 14/3341 Nr. 2.44 Drucksache 14/3341 Nr. 2.51 Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksache 14/155 Nr. 1.2 Drucksache 14/595 Nr. 1.3 Drucksache 14/1617 Nr. 2.9 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 14/2817 Nr. 1.4 Ausschuss für Verkehr, Bau und Wohnungswesen Drucksache 14/2554 Nr. 2.11 Drucksache 14/3050 Nr. 2.7 Drucksache 14/3050 Nr. 2.11 Drucksache 14/3050 Nr. 2.12 Drucksache 14/3050 Nr. 2.22 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- wicklung Drucksache 14/1617 Nr. 2.22 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Uni- on Drucksache 14/2747 Nr. 1.1 Drucksache 14/2817 Nr. 2.1 Drucksache 14/2817 Nr. 2.3 Der Bundesrat hat in seiner 751. Sitzung am 19. Mai 2000 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen, bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Ab- satz 2 Grundgesetz nicht zu stellen: – Gesetz zu dem Übereinkommen vom 4. August 1995 zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens derVereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fisch- beständen und Beständen weit wandernder Fische – Gesetz zu dem Protokoll von 1996 zur Änderung des Übereinkommens von 1976 über die Beschrän- kung der Haftung für Seeforderungen – Ausführungsgesetz zu dem Protokoll von 1996 zur Änderung des Übereinkommens von 1976 über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen – Gesetz zu dem Protokoll vom 29. November 1996 auf- grund von Artikel K . 3 des Vertrags über die Europä- ische Union betreffend die Auslegung des Überein- kommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften durch den Ge- richtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege derVorabentscheidung (EG-Finanzschutz-Auslegungs- protokollgesetz) Die Fraktion der F.D.P. hat mit Schreiben vom 6. Juni 2000 ihren Antrag auf Drucksache 14/3402 zurück- gezogen und durch einen neuen Antrag mit gleichlauten- dem Titel (Mutige EU-Reform als Voraussetzung für eine erfolgreiche Erweiterung) ersetzt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10363 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410900000
Guten
Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist
eröffnet.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 18 a und 18 b auf:
a) Beratung des Berichts des Petitionsausschusses


(2. Ausschuss)

Bitten und Beschwerden an den Deutschen
Bundestag
Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des
Deutschen Bundestages im Jahr 1999
– Drucksache 14/3456 –

b) Beratung des Berichts des Petitionsausschusses

(2. Ausschuss)

Sammelübersicht 67 zu Petitionen

(Vorgesehene Streichung der Teilwertabschreibung im Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002)

– Drucksache 14/1328 –

Zu der Beschlussempfehlung liegt ein Änderungsan-
trag der Fraktion der CDU/CSU vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache im Anschluss an den Bericht der Vorsitzenden
des Petitionsausschusses 80 Minuten vorgesehen. – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Das Wort hat zunächst die Vorsitzende des Petitions-
ausschusses, die Kollegin Heidemarie Lüth.


Heidemarie Lüth (PDS):
Rede ID: ID1410900100
Herr Präsident! Liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Ich hatte eigentlich gehofft, dass
angesichts dieser denkwürdigen Stunde, da zum ersten
Mal seit vielen Jahren zu Beginn einer Debatte über die
Tätigkeit des Petitionsausschusses, eines Ausschusses,
der ja eine verfassungsrechtliche Grundlage hat, im Deut-
schen Bundestag beraten wird, eine große Fülle von Ab-
geordneten im Saal sein würde.


(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Die stehen alle im Stau!)


– Das sage ich zu allen.

(Bernd Reuter [SPD]: Frau Vorsitzende, schau en Sie mal auf meine Fülle! – Heiterkeit)

Ich freue mich aber, dass es möglich ist, diese Debatte

zu dieser Zeit und im dem vorgesehenen Umfang zu
führen.

Ganz am Anfang möchte ich mich bedanken. Zunächst
danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Un-
terabteilung Petitionen, unserem Ausschussdienst. Was
von ihnen geleistet wurde, ist quantitativ und qualitativ
hervorragend,


(Beifall im ganzen Hause)

vor allem wenn bedacht wird, dass die meisten Kollegin-
nen und Kollegen, nämlich über 75, heute noch in Bonn
arbeiten, unsere gesamten Akten und die Infrastruktur in
Bonn sind und nur sechs Kollegen hier in Berlin sind. Der
Nachzug oder der Umzug, wie man auch sagen könnte,
wird zum Jahresende vonstatten gehen, und dann sind der
Ausschussdienst und der Ausschuss komplett hier in Ber-
lin. Wir erwarten dann auch eine gedeihliche Zusammen-
arbeit.

Herzlichen Dank auch an die Kolleginnen und Kolle-
gen des Ausschusses, Dank nicht nur für die geleistete Ar-
beit, sondern auch für das kollegiale Klima, in dem wir
gemeinsam arbeiten können.

Besonders begrüße ich die verstärkte Kooperation der
Obleute, auch den Meinungsaustausch über den Aus-
schuss hinaus. Ich denke da an die Besprechungen mit
Abgeordneten des Innenausschusses und Regierungsver-
tretern über die Entschädigung für Zwangsarbeiter un-
ter dem NS-Regime und über die Altfallregelung für ab-
gelehnte Asylbewerber. Das waren gute und konstruktive
Gespräche für alle Beteiligten. So etwas können wir fort-
setzen.

Mit Freude sehe ich, dass sich die Kooperation der Be-
richterstatterinnen und Berichterstatter für einzelne Peti-
tionen intensiviert hat. Damit sind wir auf einem guten
Weg.

10273


(C)



(D)



(A)



(B)


109. Sitzung

Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000

Beginn: 9.00 Uhr

Mit dem kooperativen und kollegialen Arbeitsstil ist es
uns gelungen, einen beachtlichen Arbeitsanfall zu bewäl-
tigen. 1999 sind über 18 000 Petitionen beim Petitions-
ausschuss eingegangen. 15 000 Petitionen haben wir ab-
schließend beraten.

Wenn wir die Beteiligten an Massen- und Sammelpeti-
tionen mit einschließen, handelt es sich dabei um über
800 000 Bürgerinnen und Bürger, die sich an ihr Parla-
ment und an seinen Petitionsausschuss gewandt haben.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein Vertrauens-
vorschuss, auf den wir stolz sein können. Dem wollen wir
gerecht werden. Wir sind uns dabei unserer großen Ver-
antwortung bewußt.

Heute diskutieren wir den Bericht über das 50. Jahr der
Tätigkeit des Ausschusses. Vor 25 Jahren, im Jahre 1975,
wurden der Art. 45 c in das Grundgesetz eingefügt und das
Gesetz über die Befugnisse des Petitionsausschusses be-
schlossen. Das sind bis heute Grundlagen unserer Arbeit.

Lassen Sie mich als Abgeordnete aus den neuen Län-
dern noch hinzufügen: Im Juni 1975 wurde das DDR-Ge-
setz über die Eingaben der Bürger erlassen, aber am
9. Mai 1990 beschloss die demokratisch gewählte Volks-
kammer auch – wie in der Bundesrepublik – Verfahrens-
grundsätze für ihren neu gebildeten Petitionsausschuss.

Angesichts dieser runden Zahlen will ich über Anmer-
kungen zum Bericht für das Jahr 1999 hinaus einige
grundsätzliche Einschätzungen zur Situation der parla-
mentarischen Petitionsarbeit vortragen. Petitionen sind
Schnittstellen zwischen Bevölkerung und Parlament. Sie
sind zum einen außerordentliche Rechtsbehelfe; Bürge-
rinnen und Bürger können sich beim Parlament über staat-
liches Verhalten beschweren. Durch Empfehlungen an die
Exekutive kann auf Änderungen hingewirkt werden. Das
alles ist konkrete Hilfe im Einzelfall.

Zum anderen können Petitionen auffordern, bestehen-
des Recht zu ändern, neue Gesetze zu erlassen und gel-
tende zu novellieren oder gar abzuschaffen. Petitionen er-
möglichen es so dem Gesetzgeber, praktische Folgen des
eigenen Tuns an Hand der Realität des Alltagslebens kri-
tisch zu überprüfen und zu korrigieren. Sie sind prakti-
sches Instrument der Gesetzesfolgenbewertung.

An diesen Grundprinzipien des Petitionswesens muss
nichts geändert werden. Wir alle können heute gemein-
sam feststellen: Das Petitionsrecht des Grundgesetzes hat
sich in den letzten 50 Jahre hervorragend bewährt. Aber
es gibt nichts, was nicht noch verbessert werden könnte.
Einiges haben wir im vergangenen Jahr schon auf den
Weg gebracht: Ich erinnere an die gemeinsamen Obleu-
tegespräche, einen Besuch beim Bundesamt für die An-
erkennung ausländischer Flüchtlinge und die häufigere
Nutzung des Instruments der Befragung der Bundesregie-
rung. In dem vorgegebenen rechtlichen Rahmen werden
wir mit Phantasie und mit Elan auf diesem Weg weiter
vorangehen und neue Formen der Arbeit entwickeln.

Es gibt aber Punkte, mit denen wir nicht zufrieden sein
können, Probleme, die nicht lösbar erscheinen, ohne den
rechtlichen Rahmen für unsere Tätigkeit zu ändern. Weite
Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge werden priva-
tisiert und drohen so der Kontrolle durch Petitionen und

damit der demokratisch-parlamentarischen Einfluss-
nahme entzogen zu werden. Das hat zwar den Petitions-
ausschuss im vergangenen Jahr sehr entlastet, insbeson-
dere im Bereich der Eingaben, die es früher in Bezug auf
das Ministerium für Post und Telekommunikation gab.
Aber wo Privaten hoheitliche Befugnisse und öffentliche
Aufgaben übertragen sind, dürfen diese keine Freistellung
von Demokratie beanspruchen. Sie müssen hinnehmen,
dass sie der Überprüfung durch den Petitionsausschuss
des Deutschen Bundestages unterliegen. In diesem Sinne
brauchen wir eine gesetzliche Klarstellung.

Richtige Entscheidungen beruhen auf umfassender,
zügiger und zutreffender Information des Petitionsaus-
schusses. Das gilt für die Entscheidungen in allen Petiti-
onsangelegenheiten. Dennoch hat das Befugnisgesetz von
1975 Legislativpetitionen für den Bereich der Informati-
onsrechte ausgenommen. Das war in den damaligen De-
batten schon umstritten. Bei dem heute weiter gewachse-
nen Informationsvorsprung der Regierung gegenüber
dem Parlament ist das nicht länger vertretbar. Ich frage
mich und ich frage uns alle: Was hindert uns eigentlich,
bei den Befugnissen eine Gleichstellung der Bitten mit
den Beschwerden vorzunehmen?

Das Informationsrecht selbst müssen wir auf stabilere
Füße stellen, eine wohlwollende Freiwilligkeit der Infor-
mationsbesitzer reicht nicht aus.

Im vergangenen Jahr diente uns als schärfste Waffe der
Sachaufklärung die erwähnte Vorladung von Regie-
rungsvertretern. Wir haben davon mit zunehmendem
Erfolg Gebrauch gemacht. Doch grenzenlos ist auch das
nicht. Häufig wäre es doch einfacher und ergiebiger, je-
weils die unmittelbar vor Ort Handelnden kurzfristig zu
laden und anzuhören. Deshalb braucht der Petitionsaus-
schuss ein Recht zur Beweiserhebung, das den Befugnis-
sen des Untersuchungsausschusses angenähert ist. Man-
che Landespetitionsausschüsse haben das schon. Wir soll-
ten nicht dahinter zurückbleiben.

Die Zusammenarbeit im Petitionsausschuss unter-
scheidet sich von der in anderen Ausschüssen. Weniger
stark wird hier auf parteipolitische Zugehörigkeit und auf
die Zuordnung zu Regierung oder Opposition geachtet.
Das ist gut so und dafür bedanke ich mich bei allen Kol-
leginnen und Kollegen. Dennoch ist auch in unserem Aus-
schuss die Situation so: Je stärker die allgemeinpolitische
oder parteipolitische Bedeutung einer Sache ist, desto
stärker bestimmen auch die parteipolitischen Bindungen
die Diskussion. Daran können wir nichts ändern.

In der parlamentarischen Demokratie wird die Regie-
rung vom Vertrauen der Parlamentsmehrheit getragen. Da
kann es zu Konflikten zwischen politischer Loyalität und
parlamentarischer Kontrolle kommen. Solche Konflikte
könnten durch die Einräumung von Minderheitsrech-
ten gelöst oder doch gemildert werden.


(Beifall bei der PDS)

Sollte es nicht – wie bei Untersuchungesausschüssen –
auch beim Petitionsausschuss so sein, dass er schon dann
von seinen Informationsrechten Gebrauch machen kann,
wenn ein Viertel seiner Mitglieder das wünscht? Mehr
Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger würde auch




Heidemarie Lüth
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durch die Ermöglichung von Minderheitenvoten geschaf-
fen. Diese könnten dem Beschluss des Ausschusses bei-
gefügt und mit ihm zusammen bekannt gemacht werden.

Heute werden Petitionen im Plenum behandelt – in öf-
fentlicher Sitzung. Wir alle wissen aber, dass es – von be-
sonderen Kontroversen abgesehen – weder für die einzel-
nen Abgeordneten noch für anwesende Petentinnen und
Petenten möglich ist, den Abstimmungsvorgang über-
haupt zu verfolgen. Ich frage mich: Würde es dem Anse-
hen des Parlamentes nicht gut tun, wenn wir unsere Bera-
tungen, die wir im Ausschuss sachgerecht und qualifiziert
durchführen, auch öffentlich machten? Ich nenne hier
etwa die Anhörung, die wir vorgestern hatten, mit den
Parlamentarischen Staatssekretären Frau Dr. Niehuis und
Professor Pick. Öffentlichkeit, auch öffentliches Gehör,
insbesondere auch bei Massen- und Sammelpetitionen,
wären eine Möglichkeit, die wir hier im Parlament ent-
sprechend einbringen könnten.


(Beifall bei der PDS und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ein anderes Thema ist: Seitdem es im Bundestag neue
Mehrheiten gibt, hat der Anteil der positiv beschiedenen
Petitionen zugenommen. Dies gilt insbesondere für Peti-
tionen, die der Bundesregierung zur Berücksichtigung,
zur Erwägung oder als Material überwiesen werden. Das
ist im Vergleich zu Jahren der 13. Legislaturperiode für
das gesamte vergangene Jahr erkennbar. Es kommt aber
auch auf die konkrete Umsetzung an, ob die Regierung
den Überweisungen zur Berücksichtigung oder zur Erwä-
gung auch folgt. Solche Überweisungen sind unsere
stärkste Form der Unterstützung einer Petition. Sie haben
nur einen Anteil von 0,1 Prozent bzw. 0,6 Prozent. Umso
ärgerlicher ist es, dass 1999 ein Berücksichtigungsbe-
schluss und 15 Erwägungsbeschlüsse nicht umgesetzt
wurden.

Natürlich kann das Parlament der Regierung keine
Weisung erteilen. Hier gilt das Prinzip der Gewaltentei-
lung. Daran soll überhaupt nicht gerüttelt werden. Ich
frage mich aber, ob es der politischen Kultur in unserem
parlamentarischen System nicht gut täte, wenn entspre-
chende Entscheidungen im Plenum begründet und zur
Diskussion gestellt werden müssten.

Unser Petitionsrecht und unsere Petitionspraxis sind
also nicht so gut, dass man nicht noch Verbesserungen
vornehmen könnte. Sie sind aber allemal so gut, dass es
sich lohnt, an Verbesserungen zu arbeiten.

In den vergangenen Legislaturperioden gab es bereits
Ansätze dazu. Leider hat das noch nicht zum Erfolg ge-
führt. Ich meine, das lag daran, dass wir uns zu sehr bei
den Unterschieden aufgehalten und nicht die Gemeinsam-
keiten gesehen haben. Da gibt es viele Punkte, bei denen
es nicht nur bis zur Regierungsmehrheit gereicht hätte,
sondern weit darüber hinaus.

Meine Bitte geht an die Fraktionen des Hauses: Lassen
Sie uns über mögliche Verbesserungen nachdenken und
konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung des Petiti-
onsrechts erarbeiten. Lassen Sie uns in einem offenen

Diskussionsprozess miteinander und mit den interessier-
ten Bürgerinnen und Bürgern Ideen und Argumente aus-
tauschen, um vielleicht anlässlich des nächsten Jahresbe-
richts des Petitionsausschusses im Jahre 2001 über Ver-
änderungen sprechen zu können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410900200
Bevor ich
die Aussprache eröffne, möchte ich die Gelegenheit nut-
zen, um unserem Kollegen Ulrich Adam zu seinem heu-
tigen 50. Geburtstag im Namen des Hauses zu gratulieren.


(Beifall)

Ich eröffne jetzt die Aussprache. Als erster Redner hat

der Kollege Bernd Reuter von der SPD-Fraktion das
Wort.


Bernd Reuter (SPD):
Rede ID: ID1410900300
Herr Präsident! Meine sehr ver-
ehrten Damen und Herren! Als vor knapp 50 Jahren die
damalige SPD-Bundestagsabgeordnete Luise Albertz als
erste Vorsitzende des Petitionsausschusses den ersten
mündlichen Bericht im Plenum gab, stellte sie fest:

Viele Petitionen geben einen interessanten, aber auch
für uns wichtigen Aufschluss über die öffentliche
Meinung. Darum kann die politische und auch psy-
chologische Bedeutung des Petitionsrechts nicht ge-
nug hervorgehoben werden. Petitionen sind „gleich-
sam die Strohhalme, die zeigen, wie der Wind weht“,
sagte schon 1875 ein bekannter Staatsrechtler. Es ist
gewiss keine Übertreibung, wenn die Mitglieder des
Petitionsausschusses zu der Auffassung gekommen
sind, dass man aus den Eingaben oft die wirklichen
Nöte und Bedürfnisse der Bürger unserer Bundesre-
publik kennen lernt.

So weit die erste Vorsitzende des Petitionsausschusses des
Deutschen Bundestages 1952.

Ihre Ausführungen sind auch für 1999, für das Jahr des
50. Geburtstages des Petitionsausschusses, aktuell. Ich
möchte an dieser Stelle die Bürgerinnen und Bürger er-
mutigen und auffordern, weiterhin so zahlreich von ihrem
Grundrecht Gebrauch zu machen. Das Petitionsrecht ist
zwischen den Wahlen die einzige Möglichkeit, sich aktiv
in die politische Willensbildung einzuklinken.


(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Bei der Politik von Rot-Grün kommt das automatisch!)


– Das war vorher noch viel schlimmer, Herr Kollege
Nolting, als Sie das Sagen hatten und das Chaos ange-
richtet haben, das wir jetzt beseitigen müssen. Das ist das
eigentliche Problem.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Heidemarie Lüth [PDS])





Heidemarie Lüth

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Kurios ist in diesem Zusammenhang auch die Bemer-
kung eines Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, der in
seiner Rede zum Jahresbericht 1998 des Petitionsaus-
schusses darauf hinwies, dass Bayern nur 114 Petitionen
auf 1 Million Einwohner aufweise, Nordrhein-Westfalen
dagegen 177. Er hat daraus die Feststellung abgeleitet,
dass die politische Farbe der jeweiligen Landesregierung
Einfluss auf die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit der
Bürgerinnen und Bürger im betreffenden Bundesland
habe.


(Zurufe von der CDU/CSU: Recht hat er! – So ist es!)


– Ich bedanke mich für Ihre geistreichen Zurufe, gebe Ih-
nen aber zu bedenken: Dementsprechend müsste es mit
der politischen Zufriedenheit in meinem Heimatland Hes-
sen unter der neuen Landesregierung nicht so weit her
sein, da Hessen nunmehr 179 Petitionen auf 1 Million
Einwohner aufweist, während in Nordrhein-Westfalen auf
1 Million Einwohner nur 159 Petitionen kommen.


(Beifall bei der SPD – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Deshalb sind so viele NordrheinWestfalen nach Hessen ausgewandert!)


Unverständlich ist mir auch die Bemerkung eines an-
deren Kollegen von der CDU/CSU-Fraktion, der in seiner
damaligen Rede seinen Stolz zum Ausdruck gebracht hat –
er kam aus Bayern –, dass Bayern die geringste Anzahl an
Petitionen aufwies. Er hat daraufhin festgestellt, dass die
bürgerfreundlichste Politik diejenige sei, die dazu bei-
trage, dass überhaupt keine Petitionen eingereicht wür-
den. Dieser Auffassung möchte ich natürlich deutlich wi-
dersprechen, weil es wichtig ist, dass die Bürgerinnen und
Bürger mitwirken. Es gibt möglicherweise auch andere
Gründe, warum Menschen keine Petitionen beim Bun-
destag oder bei den Länderparlamenten einreichen.

Ich möchte die Bedeutung dieses Grundrechts her-
vorheben und das unterstreichen, was Frau Lüth, die Vor-
sitzende des Petitionsausschusses, bezüglich der reforme-
rischen Ansätze vorgetragen hat, die wir alle bedenken
sollten. Im Jahre 1999 hat die Zahl der eingegangenen Pe-
titionen deutlich zugenommen, und zwar um 6,5 Prozent.


(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Aha!)

Wir mussten insgesamt 18 176 Eingaben im Petitionsaus-
schuss bearbeiten. Zu Ihrem „Aha“, Herr Nolting, möchte
ich sagen: Die Zunahme der Zahl der eingereichten Peti-
tionen kann vielleicht auch damit zusammenhängen, dass
die Menschen nach dem Regierungswechsel wieder mehr
Vertrauen haben und denken, dass die neue Regierung
eher als die alte Regierung bereit ist, ihre Probleme zu lö-
sen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen, dass nur
durch die engagierte Arbeit des Ausschussdienstes das un-
geheure Arbeitspensum des Petitionsausschusses be-
wältigt werden konnte, und zwar trotz einiger Stellen-
reduzierungen, die wir in diesem Bereich akzeptieren
mussten. Ich möchte in unser aller Namen den Frauen und

Männern, die diese schwierige Aufgabe bewältigen, aus-
drücklich Dank für die geleistete Arbeit aussprechen.


(Beifall im ganzen Hause)

Ich darf auch darauf hinweisen, dass die Petitions-

ausschussmitglieder – trotz gleichzeitiger Mitgliedschaft
in anderen Fachausschüssen – die große Arbeitsbelastung
mit Engagement, Fleiß und Zähigkeit bewältigen, ohne
dafür große politische Lorbeeren zu ernten.

Ich möchte ferner das gute, kollegiale Klima im Aus-
schuss hervorheben, das die zusätzliche Arbeit erleichtert.
Frau Lüth hat Recht, wenn sie sagt, dass bei dieser Arbeit
nicht die politischen Konturen verwischt würden. Jeder
weiß, dass der eine bei der PDS, der andere bei der SPD,
bei der CDU/CSU oder bei der F.D.P. ist. Das Wissen, im
Einzelfall helfen zu können, hilft uns, die Arbeit im Peti-
tionsausschuss zu bewältigen.

Ich stelle erfreut fest, dass die neue Bundesregierung
eher als die vorherige bereit ist, die Beschlüsse des Petiti-
onsausschusses umzusetzen. Ich muss an dieser Stelle
sehr deutlich sagen, dass ich mir eine noch bessere Ko-
operation zwischen der Bundesregierung und dem Peti-
tionsausschuss vorstellen könnte. Wenn ich mir die Parla-
mentarischen Staatssekretärinnen und Parlamentarischen
Staatssekretäre, die jetzt auf der Regierungsbank sitzen,
ansehe, dann kann ich mit Genugtuung feststellen, dass
gerade sie mit uns kooperativ zusammenarbeiten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich hätte mir aber gewünscht, dass auch diejenigen hier
sind, die uns manchmal merkwürdige Antworten geben,
wenn wir um Stellungnahmen bitten.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. – Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Wo er Recht hat, hat er Recht!)


Sie wissen, dass wir gerade im Petitionsbereich dicke
Bretter bohren müssen. Ich will einmal die Zähigkeit un-
seres Ausschusses im Zusammenhang mit einer Petition
der Sprachheilpädagogen dokumentieren.

Schon in der 12. Wahlperiode, Herr Kollege Nolting –

(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Ich habe doch gar nichts gesagt!)

– ich will Sie nur ansprechen, damit ich Ihre geschätzte
Aufmerksamkeit gewinne –, wollten die Sprachheil-
pädagogen von der Umsatzsteuer befreit werden, weil sie
genauso wie die Logopäden behandelt werden wollten. In
der 13.Wahlperiode beschloss der Bundestag, die Petition
der Bundesregierung zur Erwägung zu überweisen. In der
Folgezeit sahen sich die beteiligten Ministerien nicht in
der Lage, dem berechtigten Anliegen der Petenten Rech-
nung zu tragen.

Erst in der 14. Wahlperiode führten die weiteren inten-
siven Bemühungen des Ausschusses dazu, dass die neue
Bundesregierung – nach fast sieben Jahren intensiver




Bernd Reuter
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Beratungen – dem Anliegen in vollem Umfang entsprach.
Herr Nolting, nur zur Erinnerung: Das ist zu Zeiten der
neuen Bundesregierung gewesen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Bin ich hier denn Feindbild Nummer eins oder was ist los?)


–Wer vorne sitzt – das wollen Sie doch gerne –, der muss
akzeptieren, dass er oft etwas auf die Ohren bekommt.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir stellen auch eine Zunahme der Anhörungen von
Regierungsvertretern fest. Das ist nicht Ausdruck von
Misstrauen; vielmehr besteht bei den Regierungsvertre-
tern die Bereitschaft, mit uns gemeinsam daran zu arbei-
ten, die Probleme der Menschen einer Lösung zuzu-
führen. Für diese Bereitschaft will ich ausdrücklich dan-
ken. Ich erinnere daran, wie vorbildlich unser Kollege
Lothar Ibrügger den Ausschuss über gewisse Dinge infor-
miert hat.

Ich will auch den auf der Regierungsbank sitzenden
Staatsminister Ludger Volmer loben. Was für Probleme
hatten wir mit dem Auswärtigen Amt!


(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Na, na, na!)


– Ich sage Ihnen sogar, warum. Früher erreichten uns viele
Petitionen in Visa-Angelegenheiten. Wir mussten feststel-
len, dass das restriktive Verhalten mancher Auslandsver-
tretung darauf zurückzuführen war, dass sich der frühere
Innenminister Kanther in diese Angelegenheiten intensiv
eingemischt und um restriktive Handhabung gebeten
hatte. Dieser Zustand hat sich durch die Initiative von
Ludger Volmer wesentlich verbessert. Wir haben im Mo-
ment keine Probleme mit dem Auswärtigen Amt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Heidemarie Lüth [PDS])


Ich will Ihnen noch ein Beispiel für eine schnelle Ent-
scheidung vortragen. Ein Wehrpflichtiger wollte aufgrund
eines Stipendiums für die Yale-Universität in den USAfür
vier Jahre vom Wehrdienst zurückgestellt werden und die
Erlaubnis für das Verlassen der Bundesrepublik erhalten.
Er hatte sich gegenüber 13 000 Konkurrenten durchge-
setzt und wollte diese einmalige Chance – auch im Inte-
resse unseres Landes – wahrnehmen. Aber sein Antrag auf
Zurückstellung vom Wehrdienst wurde von der Verwal-
tung abgelehnt.

Erst nach einer Petition hat sich die Parlamentarische
Staatssekretärin Brigitte Schulte eingeschaltet. Ihr gilt ein
herzliches Wort des Dankes; denn mit ihrem Engagement
konnten wir erreichen, dass der junge Mann heute in Yale
studiert und seinen Wehrdienst leistet, wenn er zurück-
kommt. Liebe Frau Schulte, so wünschen wir uns die Zu-
sammenarbeit zwischen der Bundesregierung und dem
Petitionsausschuss.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Ich will einen Appell an die Mitglieder der Bundesre-
g
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1410900400
Unterschreiben Sie
bitte nicht alles, was aus Ihrem Hause als Stellungnahme
an den Petitionsausschuss geht!


(Heiterkeit bei Abgeordneten aller Fraktionen)

Verhindern Sie bitte, dass uns an Ihnen vorbei Schreiben
zugestellt werden! Meine wenigen Haare stehen manch-
mal zu Berge, wenn ich lese, was in so mancher Stellung-
nahme der Bundesregierung steht. In dieser Hinsicht
wünsche ich mir eine Verbesserung; deshalb richte ich
diese Bitte an Sie.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der PDS)


Geben Sie unsere Wünsche an diejenigen weiter, die heute
Morgen wichtigere Termine haben und uns hier nicht
zuhören können.

Herr Kollege Deittert, es ist keine ideologische
Großherzigkeit, wenn die Koalitionsabgeordneten – auch
bei Klarheit der Gesetzeslage – helfen wollen, Probleme
einer Lösung zuzuführen. Ich denke an die Bereiche der
Ausländergesetze und des Asylrechts. Natürlich müssen
wir darüber nachdenken, Gesetze zu ändern. Aber Sie dür-
fen uns auch keine Knüppel zwischen die Beine werfen,
wenn wir das machen.


(Klaus Holetschek [CDU/CSU]: Das ist Ideologie!)


Dafür, dass uns eine solche Vielzahl von Petitionen
vorliegt, danke ich den Organisationen, den Kirchen und
Einzelpersonen in unserer Republik, die sich der Men-
schen annehmen und ihnen helfen, eine Petition an uns zu
richten. Wir müssen gemeinsam darüber nachdenken, wie
es uns gelingen kann, in Einzelfallentscheidungen die
Probleme der Menschen zu lösen. Wir dürfen uns nicht
immer hinter die Rechtslage zurückziehen. Es ist für mich
völlig klar, dass die Rechtslage von den Ministerien
berücksichtigt werden muss. Darüber hinaus haben wir
aber auch die Aufgabe auszuloten, ob nicht geltendes
Recht im Interesse der betroffenen Menschen geändert
werden muss; denn Gesetze dürfen kein Selbstzweck sein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte
Ihnen gerne noch ein kurioses Beispiel vortragen. Uns lag
eine Petition vor, in der sich ein Mensch Hilfe suchend an
uns wandte. Er wollte, dass bestimmte naturwissen-
schaftliche Auffassungen geändert würden, weil er auf-
grund einer Zeitaufnahme festgestellt habe, dass der Blitz
nicht einschlägt, sondern ausschlägt.


(Heiterkeit bei der SPD)

Wir konnten dieser Petition natürlich nicht weiter nach-
gehen, weil wir es nicht so genau prüfen konnten, wie es




Bernd Reuter

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sich mit dem Blitz verhält. Ernsthaft möchte ich dazu aber
sagen: Es gehört auch zu unserer Aufgabe, dass wir diese
Dinge ernst nehmen, weil das, was für uns vielleicht
lächerlich erscheint, für einen anderen Menschen ein
großes Problem darstellen kann.

Durch die Arbeit des Petitionsausschusses ist das Ver-
trauen in die Demokratie und ihre Institutionen gestärkt
oder wiederhergestellt worden. Der Vorwurf, die Politik
entferne sich immer mehr vom wirklichen Leben, trifft
dieses parlamentarische Gremium nicht, bilanzierte der
Ehrenvorsitzende der SPD, Dr. Hans-Jochen Vogel, in sei-
ner Rede zum 50. Geburtstag des Petitionsausschusses im
vergangenen Jahr. Ich kann mich seiner Einschätzung nur
anschließen und bedanke mich bei Ihnen für Ihre Geduld
mit mir.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410900500
Als
nächster Redner hat der Kollege Hubert Deittert von der
CDU/CSU-Fraktion das Wort.


Hubert Deittert (CDU):
Rede ID: ID1410900600
Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren
heute den Jahresbericht 1999 des Petitionsausschusses.
Dieser Ausschuss ist die Nahtstelle zwischen Bevölke-
rung und Parlament. Es ist die Stelle, an die sich der Bür-
ger mit seinen Beschwerden, Bitten und Anregungen
wenden kann. Wir als Abgeordnete, so denke ich, sind gut
beraten, wenn wir diese Beschwerden und Bitten der Bür-
ger ernst nehmen; denn so haben wir Gelegenheit, ein
großes Stück Politikverdrossenheit abzubauen bzw.
auch zu vermeiden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Die Arbeit im Petitionsausschuss verlangt einen enor-
men Zeitaufwand. Es ist eine unglaubliche Fülle von Fak-
ten und Einzelschicksalen zu bearbeiten. Für mich ist die-
ser Ausschuss die Stelle, an der eine schnelle Rückkop-
pelung zwischen politischen Entscheidungen und den
Auswirkungen dieser auf die Bürger im Lande erfolgt. Es
ist daher für mich äußerst reizvoll, dort mitzuarbeiten. Es
ist unsere Aufgabe, die Ermessensspielräume, die es im
einen oder anderen Fall sicher gibt, auszuloten und nach
einer Lösung für den Petenten zu suchen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch den Kol-
leginnen und Kollegen der anderen Fraktionen herzlich
für faire und vernünftige Zusammenarbeit danken. Mein
Dank gilt natürlich auch den Mitarbeiterinnen und Mitar-
beitern des Ausschussdienstes für eine gewissenhafte und
gute Zuarbeit.

Meine Kolleginnen und Kollegen, wenn wir die Zahl
der eingegangenen Petitionen betrachten, fällt auf, dass es
im vergangenen Jahr eine Steigerung von 6,5 Prozent gab.
Lieber Kollege Reuter, ich mache das noch nicht an der
rot-grünen Regierung fest,


(Zurufe von der CDU/CSU: Kann man aber machen! – Nächstes Jahr ist es so weit!)


sondern ich werte es so, dass die Bürger nach wie vor Ver-
trauen zum Parlament haben.


(Bernd Reuter [SPD]: D’accord!)

Wenn wir uns anschauen, auf welche Ministerien sich

die Petitionen schwerpunktmäßig verteilen, fällt auf, dass
das Ministerium für Arbeit und Soziales nach wie vor mit
den meisten Petitionen konfrontiert wird. Das ist erklär-
lich aus den vielen Fragen, die sich im Zusammenhang
mit Rente und insbesondere mit der Rentenüberleitung in
den neuen Bundesländern ergeben.

Das Innen- und das Finanzministerium folgen bezogen
auf die Anzahl der Petitionen unmittelbar. Im Bereich des
Innenministeriums spielen natürlich Fragen des Asyl-
und Ausländerrechts die größte Rolle.

Wenn wir den Bereich des Finanzministeriums sehen,
muss ich, denke ich, doch schon ein Stück zur rot-
grünen Bundesregierung kommen. Hierbei ist nämlich
auffällig, dass sich viele Petitionen mit der neuen
630-Mark-Regelung, mit der Ökosteuer und mit den wei-
teren Steuergesetzen der neuen Regierung beschäftigen.
Das zeigt, dass die Menschen mit diesen Dingen Pro-
bleme haben.

Wenn ich die regionale Herkunft sehe, muss ich Sie,
lieber Kollege Reuter, wieder direkt ansprechen. Es ist ei-
gentlich zu schön festzustellen, dass in Bayern bei dieser
Farbe der Landesregierung die zufriedensten Menschen
wohnen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Bernd Reuter [SPD]: Das glaube ich nicht! Die sind nur schreibfauler!)


Wenn es in Thüringen eine relativ hohe Zahl von Petitio-
nen gibt, mache ich das noch daran fest, dass zu der Zeit
Ihre Partei noch an der Landesregierung beteiligt war. Ich
denke, das wird sicherlich besser.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Meine Kolleginnen und Kollegen, wir haben im ver-

gangenen Jahr von unserem Recht, Regierungsvertreter
zu laden, ausgiebig Gebrauch gemacht. Ich denke, das ist
gut so. Die Regierungsvertreter – das stelle ich hier aus-
drücklich fest – bemühen sich nach Kräften, das geltende
Recht zu erläutern und auch einzuhalten, während die
Fraktionen der Regierungskoalition damit ab und an Pro-
bleme haben.


(Bernd Reuter [SPD]: Na, na!)

Lieber Herr Reuter, ich stimme Ihnen zu, dass es Auf-

gabe des Ausschusses ist, Ermessensspielräume auszulo-
ten. Wenn es aber wirklich an die Grundsätze geht, ist es
unsere Aufgabe, möglicherweise Rechtsänderungen an-
zuregen.


(Bernd Reuter [SPD]: Richtig!)

Dafür sind dann aber Sie mit Ihrer Mehrheit, die Sie mög-
licherweise im Parlament haben, zuständig. Haben Sie




Bernd Reuter
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dann aber bitte auch den Mut, für klar Schiff zu sorgen;
denn das ist ein Gebot der Ehrlichkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Bernd Reuter [SPD]: Das machen wir doch auch!)


Wir haben, meine Damen und Herren, Kontakte mit
den Petitionsausschüssen der Bundesländer gepflegt. Ich
denke, das ist gut so. Wir können uns gegenseitig ergän-
zen. Hierbei ist festzuhalten, dass die Petitionsaus-
schüsse der Länder den Wunsch haben, dass wir unsere
Anliegen der Bundesseite präzise erläutern. Ich denke,
diesem Wunsch können wir nachkommen.

Für wichtig halte ich auch den Gedankenaustausch mit
Parlamentariern aus anderen Ländern. Ich halte fest, dass
wir mit Vertretern der Nationalversammlung der Republik
Aserbaidschan und mit Vertretern der Nationalversamm-
lung von Kambodscha Gedankenaustausch gepflegt ha-
ben. Ich glaube, wir sind gut beraten, wenn wir diesen jun-
gen Demokratien helfen, einen Weg zu finden, wie die
Nahtstelle Bürger/Parlament gestaltet werden kann.

Lassen Sie mich zwei konkrete Beispiele aus meinem
direkten Arbeitsbereich nennen. Wir haben im Verkehrs-
bereich nach wie vor große Probleme mit dem Verkehrs-
lärm. Dabei ist eine Petition besonders auffällig. Sie
wehrt sich nämlich gegen die jetzige Betrachtung des Ver-
kehrslärms bei Bündelung von Verkehrswegen. Geltendes
Recht ist – so das Verkehrsministerium, und das müssen
wir auch akzeptieren –, dass bei Veränderung von Ver-
kehrswegen, auch bei Bündelung, der zu verändernde
Verkehrsweg einzeln zu betrachten ist; der andere bleibt
außen vor.

Wir haben eine solche Petition aus dem Raum Kirch-
heim/Teck-Weilheim gehabt. Wir haben sie in Kenntnis
der Rechtslage dem Bundesministerium für Verkehr, Bau-
und Wohnungswesen als Material überwiesen mit der
Bitte, die Sachlage noch einmal zu überdenken; denn wir
müssen uns damit abfinden, dass wir in den kommenden
Jahren nach wie vor große Probleme mit dem Verkehrs-
lärm haben werden. Wir sind gut beraten, wenn wir eine
langfristige Perspektive entwickeln, wie wir, sicherlich in
Stufen, dieses Problem anfassen wollen.

Im Bereich Landwirtschaft, der ebenfalls in meine Zu-
ständigkeit fällt, gibt es nach wie vor viele Petitionen aus
dem Bereich des Tierschutzes. Hier kann man Gott sei
Dank feststellen, dass es in der Vergangenheit in diesem
Bereich zu erheblichen Verbesserungen gekommen ist.
Das verdanken wir insbesondere dem ehemaligen Land-
wirtschaftsminister Jochen Borchert, der besonders im
Bereich der Tiertransporte für Verbesserungen gesorgt
hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen allerdings festhalten, dass die Zuständig-

keit der Mitgliedsländer der Europäischen Union in die-
sem Bereich begrenzt ist. Wir sind gut beraten, wenn wir
diese Petitionen auch dem Europäischen Parlament zulei-
ten; denn letztlich können wir gravierende, wirksame Än-
derungen nur auf der europäischen Ebene erreichen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wie verträgt sich das mit der Aussage eben über Herrn Borchert?)


Deswegen haben wir diese Petitionen auch dem Europä-
ischen Parlament zugeleitet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich danke für
Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410900700
Als
nächster Redner hat der Kollege Helmut Wilhelm von
Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Helmut Wilhelm (Amberg) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
Stille Wasser sind tief, sagt der Volksmund. Um „des
Volkes Stimme“ – um meine eigene ist es heute nicht so
gut bestellt –, so nannte Präsident Thierse den Petitions-
ausschuss bei der Jubiläumsveranstaltung im letzten Jahr,
ist es in der Regel eher still. Ohne viel Aufhebens und
ohne die sonst im Parlamentsgetriebe übliche Medienauf-
geregtheit geht der Petitionsausschuss des Deutschen
Bundestags seiner wichtigen Tätigkeit nach.

Ich denke, Sie stimmen mit mir überein, wenn ich sage:
Der Petitionsausschuss ist trotz seiner stillen Tätigkeit ei-
ner der wichtigsten, besten und segensreichsten Aus-
schüsse unseres Parlaments.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der F.D.P. und der PDS)


Das ist nicht als billiges Eigenlob zu verstehen. Darum
füge ich gleich hinzu: Die Stärke des Petitionsausschus-
ses liegt gewiss nicht darin begründet, dass dort nur be-
sonders befähigte Abgeordnete versammelt sind; das
natürlich auch. Nein, das Geheimnis des Erfolgs des Peti-
tionsausschusses sind die Bürgerinnen und Bürger dieser
Republik.

Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus – ein grundle-
gender Gedanke der Demokratie, der im Petitionsaus-
schuss lebendig wird. Hier bekommen wir täglich den
ganz konkreten Auftrag der Bürgerinnen und Bürger, die-
ses oder jenes zu tun. Heute legen wir Rechenschaft ab,
ob wir dies gut getan haben oder nicht.

Auch im zurückliegenden Jahr war der Ausschuss wie-
der von Atombombe bis Zahnplombe mit allen Facetten
des täglichen Lebens befasst.


(Heiterkeit)

Dabei reichte sein Engagement von ganz praktischen Hil-
fen zur Erleichterung des Alltags, wie der Gewährung ei-
nes Hausnotrufsystems für eine alte Dame, bis zu grund-
sätzlichen Dingen, wie der Debatte um die Gentechnolo-
gie oder den Kosovo-Krieg.

Nun ist es ja nicht gerade selbstverständlich, dass man
sich auch noch darüber freut, wenn sich so viele Men-
schen über einen beschweren. Die Opposition hätte es




Hubert Deittert

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jetzt vielleicht gerne, dass die Petenten alle unzufrieden
mit der Bundesregierung sind.


(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Sind sie doch auch!)


Als bayerischer Abgeordneter komme ich jetzt natürlich
wieder auf Bayern zurück: Es freut mich ganz besonders,
dass die wenigsten Petitionen aus Bayern kommen. Auch
ich bin der Ansicht, dass die Bevölkerung dort offenbar
ganz besonders zufrieden mit der Politik der Bundesre-
gierung ist.


(Beifall bei der SPD – Klaus Holetschek [CDU/CSU]: Mit der bayerischen Regierung!)


– Nein, genau da würde ich widersprechen. Nur so kann
man diese Tatsache logisch begründen. Denn dass die
Bayern nicht zwischen Bundesparlament und Landespar-
lament unterscheiden können, kann ich mir nicht vorstel-
len. Da erwarte ich jetzt den Protest aller bayerischen Kol-
leginnen und Kollegen.

Der Petitionsausschuss ist der Ort des kritischen Dia-
logs mit den Bürgern.Denn hinter den 18 000 Petitionen
stehen noch 14 000 weitere Schreiben der Petenten an den
Ausschuss, über 10 000 Stellungnahmen der Bundesre-
gierung oder Schreiben von Abgeordneten und Behörden
sowie unzählige Telefonate zwischen den Petenten, den
Abgeordneten, dem Ausschussdienst und den Behörden.
Der Ausschuss und die Petenten knüpfen so ein dichtes
Netz gegenseitiger Wechselbeziehungen. Wo sonst kann
man im Bundestag eine so direkte und intensive Zusam-
menarbeit von Bürger und Politik erleben?

Das macht natürlich auch viel Arbeit. Darum möchte
auch ich mich für meine Fraktion ausdrücklich und ganz
herzlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des
Petitionsausschusses bedanken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Ihnen ist es gelungen, diesen Dialog trotz Personalein-
sparungen durch Optimierung von Arbeitsabläufen und
Umorganisation zu gestalten und den riesigen Berg an Ar-
beit zuverlässig und kompetent zu bewältigen.

Besonders erfreulich ist, dass die Zahl der Bitten zur
Gesetzgebung gestiegen ist. In ihnen offenbart sich das
Bedürfnis nach Mitwirkung, der Wunsch nach besseren
Gesetzen. Sie zeigen, dass wir in keiner gleichgültigen
Gesellschaft leben. Die Menschen sind bereit, sich poli-
tisch zu engagieren und mit dem Parlament zusammenzu-
arbeiten. Man muss ihnen nur den direkten Zugang zur
Politik öffnen, so wie dies der Petitionsausschuss tut.

Die größte Zahl der Eingaben erreichte traditionell die
Ressorts der Bundesministerien für Arbeit und für Ge-
sundheit. Mit wertvollen Anregungen und Hinweisen
nahmen dabei die Petenten regen Anteil an der Gestaltung
der großen Reformen der Bundesregierung. Auch Kritik
wird von uns nicht als unerwünschte Einmischung emp-
funden.


(Klaus Holetschek [CDU/CSU]: Aber nicht umgesetzt!)


Ganz im Gegenteil! Wenn Sie sich die Beschlüsse des Pe-
titionsausschusses ansehen, werden Sie feststellen, dass
zum Beispiel die zum Rentenrecht eingegangenen Peti-
tionen zum Großteil unmittelbar in die Beratungen der
Bundesregierung über eine Rentenstrukturreform einge-
hen.


(Klaus Holetschek [CDU/CSU]: Aber daraus werden die falschen Schlüsse gezogen!)


Dies ist ebenso der Fall bei Eingaben, die die Reform des
Arbeitsförderungsgesetzes betreffen.

Das ist auch der Sinn des Petitionsrechts. Das, was den
Menschen auf den Nägeln brennt, muss auf den Tisch der
Verantwortlichen. Im Ausschuss haben Mehrheit und Op-
position ein gemeinsames Interesse daran, dass Be-
schlüsse in den Ministerien nicht einfach ad acta gelegt
werden. Wir lassen uns von der Bundesregierung berich-
ten, ob und in welcher Weise die Petitionen in den Ge-
setzgebungsprozess eingeflossen sind. Sind wir mit einer
Antwort nicht einverstanden, nutzen wir die Möglichkeit
der Nachfrage und des Nachhakens. Das Petitionsrecht er-
möglicht so eine intelligente Teilhabe der Bürger und eine
rationale Kontrolle der Bundesregierung durch das Parla-
ment.

Der Dialog mit den Petenten gibt zudem die Gelegen-
heit, politische Grundsatzentscheidungen zu erläutern,
wenn einzelne Aspekte bei Betroffenen auf wenig Gegen-
liebe stoßen. So kann ich es natürlich gut verstehen, wenn
sich jemand beschwert, weil ihm durch die Steuerreform
beispielsweise die Steuerbefreiung bei Jubiläumszuwen-
dungen gestrichen wird. Wir sagen dann aber auch gege-
benenfalls klipp und klar, dass wir im Interesse des
Gemeinwohls eine andere Regelung für nicht sinnvoll
halten.

Der vorliegende Jahresbericht gibt eine Auswahl kon-
kreter Beispiele, die aufzeigen, dass der Ausschuss gut ge-
arbeitet hat – leider kann ich sie hier aufgrund der Kürze
der Redezeit nicht im Detail anführen –: Gesetzeslücken
konnten geschlossen werden; Schildbürgerstreiche konn-
ten verhindert werden; Behörden wurden Beine gemacht;
Petenten wurden vor der Arbeitslosigkeit bewahrt und
Renten wurden erstritten.

Meine Damen und Herren, durch Petitionen wird un-
sere parlamentarische Arbeit mit Leben, mit der Leben-
digkeit der Menschen, gefüllt. Vielleicht gelingt es, durch
die Arbeit im Petitionsausschuss unser Gemeinwesen ein
wenig menschlicher zu gestalten.

Ich danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410900800
Als
nächster Redner hat das Wort der Kollege Günther
Nolting von der F.D.P.-Fraktion.


Günther Friedrich Nolting (FDP):
Rede ID: ID1410900900
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Es ist schon angesprochen
worden: Im Jahre 1999 sind über 18 000 Petitionen ein-
gegangen. Dies ist eine Zunahme um 6,5 Prozent. Ich füge




Helmut Wilhelm (Amberg)

10280


(C)



(D)



(A)



(B)


hinzu: In 38 Prozent der Fälle konnte den Petenten durch
Rat, Auskunft und Materialübersendung geholfen wer-
den. In fast 11 Prozent der Fälle wurde den Anliegen der
Petenten entsprochen. Das heißt, nahezu 50 Prozent der
Eingaben konnten positiv beschieden werden.

Ich denke, dies ist ein zufrieden stellendes Ergebnis,
wenngleich ich mir, Herr Kollege Reuter, schon wün-
schen würde, dass die Bundesregierung den Entscheidun-
gen des Petitionsausschusses stärker folgt, als es bisher
der Fall ist. Sie haben im vergangenen Jahr gesehen, wie
schnell Sie als Regierungspartei an die Grenzen des
Machbaren stoßen. Ich kündige Ihnen schon jetzt an, dass
ich für die nächste Debatte eine Auflistung vorbereiten
werde, die deutlich macht, von welchen Forderungen Sie
als ehemalige Oppositionspartei mittlerweile abgewichen
sind. Frau Müller, ich glaube, Sie wissen schon, welche
Themen auf dieser Liste erscheinen werden; ich nenne an
dieser Stelle nur einmal das Stichwort „Vogelsang“.


(Annelie Buntenbach [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, das wird schon werden!)


Angesichts dieser großen Anzahl von Petitionen möch-
ten wir uns – ich will das ausdrücklich im Namen der
F.D.P.-Fraktion tun – bei den Mitarbeiterinnen und Mitar-
beitern des Ausschussdienstes bedanken. Der dortige
große Arbeitsaufwand ist für Außenstehende kaum nach-
vollziehbar. Ich möchte das an einer Zahl deutlich ma-
chen: Im Jahre 1999 hat es nahezu 62 000 Vorgänge ge-
geben, die allein den Postausgang betreffen. Das sind
246 Stück pro Tag. Deshalb muss der Ausschussdienst
noch einmal ausdrücklich erwähnt werden. Vor allem vor
dem Hintergrund, dass es auch in diesem Bereich Perso-
nalkürzungen gegeben hat, möchte ich ihm unsere beson-
dere Anerkennung und unseren besonderen Respekt aus-
sprechen.


(Beifall im ganzen Hause)

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind stets zuvor-
kommend, sie arbeiten zügig und sind dabei freundlich.
Meine eigenen Mitarbeiter, die sehr guten Kontakt zu ih-
nen haben, bestätigen mir dies.


(Bernd Reuter [SPD]: Lust und Frust liegen bei uns dicht zusammen!)


Hier ist, auch vom Kollegen Wilhelm, schon erwähnt
worden, dass die Zahl der Eingaben im Zuständigkeits-
bereich des Bundesministeriums für Arbeit und So-
zialordnung im letzten Jahr wie schon im Jahr davor be-
sonders hoch war. Herr Kollege Wilhelm, ich denke, dies
ist auch auf die verfehlte Politik von Rot-Grün zurückzu-
führen.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie haben das vorhin ganz anders dargestellt, aber ich
möchte Ihnen einige Stichworte nennen: Aussetzung der
lohnbezogenen Rentenanpassung, Neuregelung der ge-
ringfügigen Beschäftigungsverhältnisse,


(Zuruf von der SPD: Sehr gut!)

Gesetz zur Korrektur in der Sozialversicherung usw. –
Wenn nun hier der Zwischenruf kommt, die Regelung bei
den so genannten 630-Mark-Jobs sei sehr gut, dann sehen

Sie sich einmal die Vielzahl von Petitionen an, die uns im
letzten Jahr gerade in diesem Bereich erreicht haben.


(Zuruf von der SPD: Machen wir!)

Ich denke, wir als F.D.P.-Bundestagsfraktion haben Recht
gehabt, dass wir Sie von Anfang an immer wieder auf die
Schwachstellen dieser Regelung hingewiesen haben. Sie
sollten sich – wenn Sie uns schon nicht glauben – endlich
der Kritik der Bürgerinnen und Bürger anschließen.


(Annelie Buntenbach [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollten sich einmal die Petitionen von vorher ansehen!)


Ich kann Sie an dieser Stelle für die F.D.P.-Bundestags-
fraktion nur noch einmal dringlich auffordern, diese un-
sinnige Regelung endlich zurückzunehmen.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Quatsch!)


Wir haben im letzten Jahr auch im Geschäftsbereich
des Bundesministeriums der Finanzen eine Vielzahl von
Petitionen bekommen, insbesondere Petitionen, die sich
mit der Steuerreform dieser Bundesregierung beschäfti-
gen. Es wurde häufig Unmut über die Halbierung der
Sparerfreibeträge geäußert. Das ist eine, wie ich meine,
durchaus nachvollziehbare Kritik. Es leuchtet nämlich
niemandem ein, dass die Bundesregierung auf der einen
Seite die private Altersvorsorge fördern will, auf der an-
deren Seite aber die Zugewinne verschiedener Anlagefor-
men, die einen Teil der privaten Vorsorge ausmachen,
besteuert und den Bürgern dadurch einen Teil der ange-
strebten privaten Altersvorsorge wieder wegnimmt. Auch
hier appelliere ich zwar nicht an Grün – das können wir,
glaube ich, vergessen –, aber an Rot, dass Sie die Kritik
der Bürger endlich ernst nehmen und die Steuern senken.
Sie müssen – das sage ich noch einmal – die Steuern sen-
ken, anstatt sie zu erhöhen und immer wieder neue Steu-
ern zu erfinden.

Ähnlich verhält es sich mit der, wie Sie sie nennen,
ökologischen Steuerreform, auf die sich ebenfalls zahl-
reiche Eingaben bezogen haben. Auch hier kann zu Recht
nicht nachvollzogen werden, wie Bürger mit geringen
Einkommen, Auszubildende, Rentner oder Arbeitslose
die Mehrkosten für Energie einsparen sollen. Wer keine
Steuern zahlt oder keine Abgaben zur Rentenversicherung
leistet, der kann hier nicht sparen und muss dennoch die
neuen Steuern zahlen. Durch die Mineralölsteuerer-
höhung werden nicht nur Berufspendler vom Land über
alle Maßen benachteiligt; es werden vielmehr auch
Schwerstbehinderte, die keine andere Möglichkeit als das
Auto zur Fortbewegung haben, ins Abseits gedrängt und
somit zur sozialen Randgruppe degradiert. So wird über
kurz oder lang das Auto wieder zum Privileg für wenige
und ein wichtiger deutscher Industriezweig durch Rot-
Grün kaputtregiert.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Bürger hat sehr schnell erkannt, dass Sie hiermit nicht
die Umwelt retten, sondern nur abkassieren wollen. Dies
ist der Weg in die falsche Richtung. Ihre vermeintliche




Günther Friedrich Nolting

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(C)



(D)



(A)



(B)


ökologische Steuerreform ist weder „öko“ noch „lo-
gisch“.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das haben wir an anderer Stelle ja schon ausreichend diskutiert!)


Auch für den Geschäftsbereich des Bundesministeri-
ums der Verteidigung hat es wieder eine Vielzahl von Ein-
gaben gegeben, gerade zur Angleichung der Ostbesol-
dung an das Westniveau. Das zeigt, dass es hier einer
schnellen abschließenden Regelung bedarf.

In der Bundeswehr ist die innere Einheit seit langem
vollzogen. Wir haben als F.D.P.-Bundestagsfraktion im
Verteidigungsausschuss einen entsprechenden Antrag
eingebracht, um dieses Ost-West-Gefälle zu beseitigen.
Wir haben hier auch eine Perspektive aufgezeigt, weil
wir wissen, dass das nicht von heute auf morgen zu
machen ist. Ich bitte auch Sie hier noch einmal, unserem
Entschließungsantrag zuzustimmen, damit dieses Pro-
blem endlich gelöst wird. Es hat mich schon enttäuscht,
dass weder CDU/CSU noch die Grünen noch SPD noch
PDS diesem Antrag zugestimmt haben. Aber Sie können
sich darauf verlassen, dass dieses Anliegen wieder auf den
Tisch kommen wird und wir Sie dann erneut bitten wer-
den, unserem Antrag endlich zuzustimmen.

Ich nenne ein weiteres Beispiel. Es gab die Zurück-
stellung eines 25-jährigen Petenten aus dem Erzgebirge.
Er war als einziger Angestellter im Betrieb seines Vaters
maßgeblich an der Entwicklung eines neuen Produktpro-
gramms für das in der Umstrukturierung befindliche
Handwerksunternehmen beteiligt. Dieselbe Arbeit hätte
von einer Ersatzkraft nur gegen ein deutlich höheres Ent-
gelt verrichtet werden können. Die Einstellung des neuen
Produktprogramms hätte zum Verlust der bereits zuge-
sagten öffentlichen Fördermittel geführt. Der Petitions-
ausschuss konnte sich erfolgreich für den Petenten einset-
zen und hat erreicht, dass die zuständige Wehrbereichs-
verwaltung den Petenten befristet bis zum Jahresende
zurückgestellt hat.

Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Arbeit des Pe-
titionsausschusses den Bürgern in der Praxis helfen kann.
Das Petitionsrecht des Art. 17 des Grundgesetzes ist für
den Bürger nach wie vor ein lohnendes Institut. Hier wird
Demokratie erlebt und gelebt. Ich hoffe, dass wir gemein-
sam auch im nächsten Jahr für die Bürgerinnen und Bür-
ger im Petitionsausschuss arbeiten können.

Ich möchte mich an dieser Stelle auch, wie es der Kol-
lege Reuter getan hat, für die kollegiale Zusammenarbeit
bedanken. Hierin schließe ich ausdrücklich die Frau Vor-
sitzende ein.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der F.D.P., der SPD, der CDU/CSU und der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410901000
Als nächs-
te Rednerin hat die Kollegin Heidemarie Ehlert von der
PDS-Fraktion das Wort.


Heidemarie Ehlert (PDS):
Rede ID: ID1410901100
Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Es ist schon erstaunlich, dass es auch
nach 50 Jahren Petitionsausschuss ausreichend Arbeit
gibt. Die Tendenz ist steigend, wie wir schon gehört ha-
ben.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das liegt an der Regierung!)


Vom Ausschuss – hierin beziehe ich ausdrücklich den
Ausschussdienst ein – wird eine umfangreiche Arbeit ge-
leistet. Deshalb auch von uns herzlichen Dank an den
Ausschussdienst! Er leistet diese Arbeit trotz widriger
räumlicher Bedingungen. Nur sechs Mitarbeiter sind zur-
zeit in Berlin. Der Rest sitzt immer noch in Bonn. Trotz
alledem muss der Dienst diese Arbeit mit den umfangrei-
chen Akten bewältigen.


(Beifall bei der PDS)

Viel Zeit geht dadurch verloren, worunter unsere Petenten
zu leiden haben.

Meine Damen und Herren, in keinem anderen Aus-
schuss ist der Kontakt zu den Bürgerinnen und Bür-
gern so groß. Von uns erhoffen sie sich die Lösung ihrer
Probleme, die meist sehr individuell sind, aber häufig
eben auch durch Lücken in der Gesetzgebung oder durch
gedankenlose Arbeit von Beamten und Angestellten über-
haupt erst entstanden sind. Die Gesetzgebung ist entgegen
allen Forderungen in den vergangenen Jahren nicht einfa-
cher und für den Einzelnen überschaubarer geworden.
Wie sonst ist zu erklären, dass es nunmehr sechs Ministe-
rien gibt, die auf eine vierstellige Eingabenzahl verweisen
müssen?

Wer sich leibhaftig von den Problemen der Menschen
überzeugen will, sollte an das Brandenburger Tor gehen.
Dort sitzen seit Montag hungerstreikende Handwerkerin-
nen und Handwerker, die eine Petition zum Verbraucher-
insolvenzgesetz eingebracht haben. Sie haben einen Kon-
kurs mangels Masse verhindert, also Geld gerettet. Trotz-
dem bekommen sie keine Anteile. Was im Zivilrecht als
Finderlohn abgehandelt wird, gilt für diese Leute nicht.
Auch andere Probleme wie Subventionsbetrug können
Sie sich vor dem Brandenburger Tor anhören. Es ist be-
schämend, dass sich die Bundesregierung seit Montag
dort bei den Petenten nicht hat sehen lassen. Nur die Be-
richterstatterinnen und Berichterstatter haben den Kon-
takt aufgenommen.


(Beifall bei der PDS)

Ich erwarte, dass die Bundesregierung handelt.


(Zuruf von der PDS: Richtig!)

Auch unter der rot-grünen Bundesregierung ist das Mi-

nisterium für Arbeit und Sozialordnung leider absoluter
Spitzenreiter. Ursachen hierfür sind die komplizierte Ren-
tengesetzgebung und nach wie vor die unsauber geklärten
Rentenprobleme, die mit der deutschen Einheit zusam-
menhängen. Die Bürgerinnen und Bürger sind nicht allein
durch die D-Mark glücklich zu machen. Sie bestehen auch
auf ihren Rechten.

Die vor 1992 in der DDR geschiedenen Frauen erhal-
ten zum Sterben zu viel, aber zum Leben reicht das Geld
nicht aus, weil nicht beachtet wurde, dass es in der DDR




Günther Friedrich Nolting
10282


(C)



(D)



(A)



(B)


grundsätzlich andere Rentenregelungen für Frauen und
Männer gab.

Auch die für dieses und nächstes Jahr geplante Ausset-
zung der lohnbezogenen Rentenanpassung ist ein Kri-
tikpunkt, vor allem von Bürgerinnen und Bürgern aus den
neuen Bundesländern. Deren Rücklagen sind in der Mehr-
zahl nicht so millionenschwer, dass sie davon lange zeh-
ren könnten. Aber auch für viele Rentnerinnen und Rent-
ner aus den alten Bundesländern ist der Petitions-
ausschuss häufig eine letzte Hoffnung, wenn es zum
Beispiel um die Anerkennung von Kinderziehungszeiten
geht.

Meine Damen und Herren von der Koalition, der Peti-
tionsausschuss hat eine Vielzahl von Petitionen zum Ren-
tenrecht sowohl an die Regierung als auch an die Fraktio-
nen überwiesen. Dass Sie uns als Partei vom Rentengip-
fel ausgrenzen, ist für uns schmerzhaft, aber ich bitte Sie:
Berücksichtigen Sie wenigstens die Hinweise, Bitten und
Beschwerden der Betroffenen bei Ihren Entscheidungen.


(Beifall bei der PDS)

Ansonsten bleibt das BMA aufgrund unzureichender Ge-
setzgebung trauriger Spitzenreiter.

Die Doppelzüngigkeit deutscher Asyl- und Auslän-
derpolitik wird auch in Petitionen sichtbar, zu denen das
Bundesministerium des Innern Stellung nehmen muss.
Immer wieder gibt es Bitten um Überprüfung von Asyl-
verfahren, um die Gewährung eines Bleiberechts in
Deutschland aus humanitären Gründen und um die Aus-
gestaltung der Altfallregelung.

Deutschland macht einerseits ausländischen Spezialis-
ten Angebote, andererseits wandten sich viele deutsche
Arbeitgeber an den Petitionsausschuss, um für die bei ih-
nen beschäftigten Flüchtlinge den Verbleib in Deutsch-
land zu erreichen.

Die Wirtschaft bemüht sich einerseits, in den Krisen-
gebieten des Balkans tatkräftig einzusteigen, andererseits
musste sich der Ausschuss immer wieder mit Eingaben
von abgelehnten Asylbewerbern aus dem Kosovo und
Bosnien-Herzegowina und von Frauen, die einer ge-
schlechtsspezifischen Verfolgung ausgesetzt waren und
sind, beschäftigen. Hier besteht nach wie vor Handlungs-
bedarf; darüber waren sich die Ausschussmitglieder im
Unterschied zur Regierung einig.


(Beifall bei der PDS)

Auch im Bereich des Bundesministeriums der Fi-

nanzen gab es akuten Handlungsbedarf. Schwerpunkte
sind – sie wurden schon genannt – der Sparerfreibetrag,
die verstärkte Besteuerung von Abfindungen und Über-
gangsgeldern sowie die Abschaffung der Steuerbefreiung
bei Jubiläumszuwendungen, um nur einige zu nennen. Es
können eben nicht alle in die Schweiz oder nach Luxem-
burg auswandern, und deshalb sollte auch diesen Bürgern
geholfen werden.

Ähnliche Eingaben gab es auch zur Steuerreform, ob-
wohl die Benzinpreise 1999 noch nicht so hoch waren,
wie sie zurzeit sind.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410901200
Frau Kol-
legin Ehlert, kommen Sie bitte zum Schluss.


Heidemarie Ehlert (PDS):
Rede ID: ID1410901300
Völlig unverständlich ist,
dass oftmals jemand den Petitionsausschuss nutzen muss,
um sein Recht zu bekommen. Es ist traurig, dass es immer
noch ein Unterschied ist, Recht zu haben und Recht zu be-
kommen. Dazu wollen wir den Bürgerinnen und Bürgern
verhelfen.

Danke.

(Beifall bei der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410901400
Als nächs-
te Rednerin hat die Kollegin Marlene Rupprecht von der
SPD-Fraktion das Wort.


Marlene Rupprecht (SPD):
Rede ID: ID1410901500
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich kann sagen: Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen des Petitionsausschusses! Denn
mehr sind ja nicht da.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wollen Sie die anderen vertreiben? – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


– Gut, die anderen begrüße ich natürlich auch recht herz-
lich. Ich freue mich, dass Sie an unserer sehr intensiven
Arbeit teilhaben oder zumindest davon hören wollen.

Wie Vorrednerinnen und Vorredner bereits erläuterten,
haben wir jedes Jahr eine erhebliche Zahl von Petitionen
zu bearbeiten und zu bewältigen. Einem großen Teil die-
ser Petitionen konnte entsprochen werden: indem schnell
über Behörden Abhilfe geschaffen wurde oder indem
neue Gesetze auf den Weg gebracht wurden.

Frau Ehlert, auch beim Insolvenzrecht steht die Re-
form an. Damit beschäftigt sich die Bundesregierung.
Aber da die Länder daran beteiligt sind, bedarf dies der
Abstimmung. Aus diesem Grund wird es noch etwas dau-
ern. Aber das Vorhaben ist – ich habe mich erst vor
kurzem erkundigt – beim Justizministerium in guten Hän-
den. Man ist sich der Probleme, die da entstanden sind,
bewusst.

Ich möchte heute einige Petitionen vorstellen, bei de-
nen wir helfen konnten und den Anliegen der Bürger
wirklich konkret gerecht wurden. Einige Petitionen be-
schäftigten sich mit den steuerlichen Vergünstigungen für
das ehrenamtliche Engagement. Deshalb haben die Ko-
alitionsfraktionen in einem ersten Schritt – darauf hatten
wir jahrelang gewartet, aber wir haben es gemacht –
die Bemessungsgrenze der so genannten Übungsleiter-
pauschale, bis zu der die Entgelte steuerfrei sind, von
2 400 DM um 50 Prozent auf 3 600 DM im Jahr erhöht.


(Beifall bei der SPD und der Abg. Annelie Buntenbach [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir haben zudem den Kreis der Anspruchsberechtigten
erweitert, sodass dies heute Gruppen in Anspruch nehmen
können, die vorher nicht bedacht wurden.




Heidemarie Ehlert

10283


(C)



(D)



(A)



(B)


Weil das Ehrenamt grundsätzlich wesentlich mehr im
Blickpunkt stehen sollte, haben die Fraktionen des Deut-
schen Bundestages eine Enquete-Kommission zur Unter-
suchung der Förderung des Ehrenamtes eingerichtet. Ich
halte das für eine ganz wichtige Aufgabe. Ich freue mich
auch schon auf die Ergebnisse und darauf, dass wir sie
konkret umsetzen können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Bei den Eingaben betreffend den Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend – das sind nicht sehr viele, nur 250 im Jahr – gab
es 80 Petitionen, die sich mit dem Zivildienst beschäftig-
ten.

Ich möchte eine Petition vorstellen, anhand deren man
sieht, dass manchmal die Bürokratenschimmel wiehern –
und Gutes verhindern. Der Vater eines Zivildienstleisten-
den wandte sich Ende Januar 1999 an den Petitionsaus-
schuss und schilderte, dass sein Sohn nicht am Wettbe-
werb „Jugend forscht“ am 25. und 26. Februar 1999 teil-
nehmen könne, weil er keinen Urlaub bekomme, auch
nicht im Rahmen eines Überstundenabbaus. Die Dienst-
stelle war nicht bereit, diesem jungen Mann entgegenzu-
kommen.

Der Ausschuss leitete diese Eingabe sofort nach Ein-
gang zur Stellungnahme weiter an das Ministerium. Das
Ministerium hat sofort reagiert. Herzlichen Dank, Frau
Staatssekretärin, dass das so schnell ging. Am darauf fol-
genden Tag teilte man dem Petenten mit, dass sein Sohn
Sonderurlaub bekommen habe und an dem Wettbewerb
teilnehmen könne. Daran sieht man, wie schnell so etwas
gehen kann. Man hat im Nachhinein festgestellt – die
Dienststelle hat sich entschuldigt –, dass einfach eine
Richtlinie übersehen und deshalb kein Urlaub gewährt
wurde.


(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Kann ja mal vorkommen!)


– Kann ja mal vorkommen, klar. Dafür sind wir ja da.
Von mehreren Bürgerinnen und Bürgern sind Petitio-

nen eingegangen, weil junge Männer, die anstelle des Zi-
vildienstes einen „Anderen Dienst im Ausland“ leisteten,
wesentlich schlechtere Bedingungen hatten, zum Beispiel
bei Heimfahrten, betreffend die Krankenkassenbeiträge
usw. Wir haben gesagt, so kann das nicht bleiben; auch sie
leisten einen Dienst als Ersatzdienst, der sich nur nicht Zi-
vildienst nennt, sondern „Anderer Dienst im Ausland“.
Wir haben diese Petitionen zur Berücksichtigung – dem
höchsten Votum des Ausschusses – an die Bundesregie-
rung weitergeleitet, weil wir fanden, dass hier dringender
Handlungsbedarf besteht und in den konkreten Fällen
wirklich geholfen werden sollte.

Eine weitere Petition, ebenfalls aus dem Ministerium
für Familien, Senioren, Frauen und Jugend, beschäftigte
sich mit Teilzeitarbeit während des Bezuges von Erzie-
hungsgeld. Das ist eine ganz schwierige Kiste. Man durfte
bisher während des Erziehungsurlaubes nur bis zu
19 Stunden pro Woche Teilzeit arbeiten. Bei nur einer
Stunde mehr lag keine Teilzeittätigkeit mehr vor und man

hat den Anspruch auf Erziehungsgeld verloren. Wie
knapp bei Kasse Familien oft sind, weiß jeder, der Kinder
großgezogen hat. Auch der, der etwas mehr verdient,
weiß, dass oftmals jede Mark wichtig ist.

Wir haben deshalb die Petition an das Bundesministe-
rium zur Erwägung weitergegeben. Wir hatten aber zu
dem Zeitpunkt schon längst einen Gesetzentwurf vorbe-
reitet, der jetzt das Parlament durchläuft. Wir haben einen
Gesetzentwurf zur Änderung des Erziehungsgeldgesetzes
eingebracht. Dieser sieht eine wirkliche Entlastung für
Familien vor. Jetzt können Vater und Mutter gleichzeitig
jeweils bis zu 30Wochenstunden Teilzeit arbeiten. Sie ha-
ben also die Möglichkeit zu variieren. Sie können sich er-
gänzen. Die Väter, von denen bisher nur 1,5 Prozent Er-
ziehungsurlaub genommen haben, haben jetzt endlich die
Chance, das Heranwachsen des Kindes zu erleben, und
die Kinder haben die Chance, auch den Vater zu erleben,
denn dieser ist ebenfalls wichtig. Ich denke, die Initiative
„Der Freitag gehört der Familie“ hat bei den Vätern etwas
Positives bewirkt.

Nachdem wir ohnehin dabei waren, das Gesetz zu än-
dern, haben wir auch noch andere familienpolitische Än-
derungen vorgenommen, auf die wir schon lange gewar-
tet haben. Sie haben immer nur groß getönt, aber nichts
getan.


(Beifall bei der SPD)

Wir haben gesagt: Okay, nun gehen wir auch an die jah-
relang nicht angehobenen Bemessungsgrenzen. Diese ha-
ben wir um 10 bis 12 Prozent angehoben. Ich denke, dies
ist Familienpolitik, bei der nicht nur geredet, sondern
auch umgesetzt wird.

Wir haben aber im Rahmen der Familienpolitik – um
das hier nur nebenbei zu erwähnen – auch noch ganz an-
dere Dinge gemacht. Als ersten Schritt haben wir das Kin-
dergeld angehoben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben es inzwischen von 220 DM auf 270 DM pro
Kind angehoben. Sie hätten nie daran gedacht, diesen
Schritt jemals zu tun. Wir jedoch haben die Familien kon-
kret entlastet.


(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Energie verteuert!)


Als zweiten Schritt haben wir den Eingangssteuersatz
von 25,9 auf 21,9 Prozent gesenkt. Sie können doch nicht
sagen, dass das nichts ist; dies trifft jede Familie, und zwar
wirklich entlastend.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Jawohl! Energie verteuert!)


Weiterhin haben wir den Grundfreibetrag, den Sie jah-
relang nicht angepasst haben – das Bundesverfassungsge-
richt musste Sie zum Handeln auffordern –, innerhalb kür-
zester Zeit angehoben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)





Marlene Rupprecht
10284


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir werden ihn auch weiterhin anheben, und zwar bis
zum Jahre 2005 von 12 000DM auf 15 000DM. Das müs-
sen Sie erst einmal nachmachen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410901600
Frau Kol-
legin Rupprecht, erlauben Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Fischer?


Marlene Rupprecht (SPD):
Rede ID: ID1410901700
Ja.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410901800
Bitte
schön, Herr Fischer.

Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Frau
Kollegin, Sie haben ausgeführt, wie Sie Ihrer Meinung
nach die Familien entlastet haben. Würden Sie hier zur
Kenntnis nehmen, dass Sie gerade durch die Ökosteuer,
die wir jetzt mehrfach diskutiert haben, die auch im Aus-
schuss immer wieder Gegenstand von Petitionen ist, Fa-
milien ganz besonders belasten?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. – Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: So ist es!)



Marlene Rupprecht (SPD):
Rede ID: ID1410901900
Ich erkläre Ihnen jetzt
Folgendes, Herr Fischer. Ich habe an Grundschulen und
später auch an Sonderschulen unterrichtet. Deswegen bin
ich in den Grundrechenarten sehr fit. Ich habe ausgerech-
net, welche Kosten auf eine Familie mit einer Fahrleis-
tung von 20 000 Kilometern pro Jahr zukommen. Sie
kommen wie ich aus Baden-Württemberg und müssten
daher in der Grundschule das Rechnen gelernt haben. Bei
einer Fahrleistung von 20 000 Kilometern pro Jahr und ei-
nem Verbrauch von 8 Litern auf 100 Kilometern bedeutet
das –


(Klaus Holetschek [CDU/CSU]: Was haben Sie für ein Auto?)


behalten Sie die gleichzeitige Erhöhung des Kindergeldes
von 220 DM auf 270 DM immer im Hinterkopf – eine Er-
höhung der Belastung im Monat von nicht mehr als
30 DM. Das kann eine Familie mit zwei Kindern locker
auffangen.

Die Grundfreibeträge sind um 1 500 DM von 12 000
auf 13 500 DM angehoben worden. Ich frage Sie nun, wer
von uns beiden nicht rechnen kann.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich habe noch gar nicht die Senkung des Rentenversiche-
rungsbeitrages um einen Prozentpunkt erwähnt. Auch
dies ist damit finanziert worden, während das Geld in den
früheren Jahren zum Stopfen von Steuerlöchern benutzt
wurde. Ich denke, wir sind in der Familienpolitik auf dem
richtigen Weg. Wir haben nicht lange darüber geredet,
sondern wir haben die Petitionen bearbeitet.


(Bernd Reuter [SPD]: Sehr gut, Marlene!)


Man kann aber nicht immer nur Gutes tun und man
kann auch nicht immer so schnell reagieren. Ich wäre ja
blauäugig, wenn ich das behaupten würde. Bei manchen
Petitionen sagen wir im Petitionsausschuss: Warum kann
man nicht helfen? – Rund einem Drittel der Petenten kön-
nen wir nicht helfen, weil darin sind wir uns alle einig –
die Gesetzeslage eben so ist. Da wollen wir auch nichts
ändern, Sie nicht und wir nicht. Wir wollen auch eines
nicht machen, nämlich die Gewaltenteilung in der Bun-
desrepublik aufheben; wir wollen keine Gerichtsurteile
aufheben, weil wir dazu nicht berufen sind. Dies werden
wir bei der Bearbeitung von Petitionen nicht tun.

Aber es gibt schon noch ein paar Dinge, die uns am
Herzen liegen und die wir angehen wollen, auch wenn das
in der Öffentlichkeit häufig von Ihrer Seite dazu benutzt
wird, um Vorurteile zu schüren. Ich will ein Beispiel nen-
nen: Wir hatten etliche Petitionen zur Verbesserung des
Schutzes bei geschlechtsspezifischerVerfolgung.Diese
Petitionen haben uns sehr häufig massiv belastet. Wir ha-
ben deshalb das Bundesamt für die Anerkennung auslän-
discher Flüchtlinge aufgesucht und haben diese Proble-
matik angesprochen. Es gab vor kurzem im Ausschuss ein
Gespräch mit der Staatssekretärin und drei Einzelent-
scheiderinnen, die inzwischen so qualifiziert sind, dass sie
mit dieser Problematik umgehen können. Wir wünschen
uns natürlich schon, dass wir das auch gesetzlich umset-
zen können. Ich hoffe, dass Sie, Herr Fischer und die übri-
gen Herren auf den Bänken auf der rechten Seite, diese
Problematik nachvollziehen können – ich will nur auf die
Frauen aus Afghanistan verweisen – und nicht wieder zu
populistischen Aktionen in der Öffentlichkeit nutzen.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Klaus Holetschek [CDU/CSU]: Sie haben doch den Oberpopulisten!)


– Es gibt keinen Grund, darüber zu lachen, weil das wirk-
lich brutalste Misshandlungen von Menschen betrifft. Da
müssen wir helfen. Ich wünsche mir wirklich Ihre Unter-
stützung auf breiter Basis.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Es gab natürlich auch Petitionen, bei denen manch-
mal – obwohl ich sehr viel Geduld habe – meine Geduld
am Ende war und bei denen ich die Geduld des Aus-
schussdienstes bewundert habe und auch, mit welcher
Sachlichkeit man unsachliche Petitionen bearbeitete. Ich
habe dabei manchmal gedacht: Muss ich mich damit aus-
einander setzen? – Ich bedanke mich für die Geduld, die
Sie bewiesen haben, und dafür, wie Sie mit unserer
manchmal nicht so sehr großen Geduld umgegangen sind.
Ich sage herzlichen Dank. Den gleichen Dank richte ich
auch an die Kolleginnen und Kollegen – trotz der unter-
schiedlichen Auffassungen, die wir manchmal haben – für
die gute Zusammenarbeit. Ganz besonders möchte ich
Sie, Herr Deittert, nennen, weil Sie es immer wieder zu-
sammen mit Herrn Reuter auf den Punkt bringen. Natür-
lich danke ich auch Ihnen, Frau Ausschussvorsitzende.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)





Marlene Rupprecht

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(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410902000
Als nächs-
ter Redner hat der Kollege Martin Hohmann von der
CDU/CSU-Fraktion das Wort.


Martin Hohmann (AfD):
Rede ID: ID1410902100
Herr Präsident! Ver-
ehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst darf ich er-
freut feststellen, dass wir durch die Anwesenheit von
Herrn Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz und Herrn
Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Gerhardt geehrt worden
sind. Das wertet uns ein wenig auf. Wir fühlen uns ja
manchmal ein wenig als Underdogs in diesem Geschäft.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

In der heutigen Debatte sprechen wir über den Jahres-

bericht des Petitionsausschusses. Obwohl ich als Mitglied
weit davon entfernt bin, dem eigenen Ausschuss durch
Selbstlob und Selbstüberschätzung eine besonders hohe
Bedeutung beizumessen, darf ich doch auf eines hinwei-
sen: Üblicherweise wirkt das Parlament, der Gesetzgeber,
auf die Menschen in unserem Land ein. Gesetze sollen er-
mutigen, stützen, lenken, gewähren, aber auch eingrenzen
oder gar strafen. Die Bewegungsrichtung im Petitions-
ausschuss – daran wirkt auch der Ausschussdienst ver-
dienstvoll mit – ist eine andere; sie ist gerade entgegen-
gesetzt: Wir haben das Ohr am Volk; wir sind sensible
Empfangsstation; wir sind Klagemauer.


(Bernd Reuter [SPD]: Notruf!)

– Ja, Notruf; gut gesagt, Herr Reuter.

Einige von diesen Klagen sind als Petitionen in der
Sammelübersicht 67 enthalten. Sie befassen sich mit dem
Steuerentlastungsgesetz der rot-grünen Koalition, insbe-
sondere mit der geplanten Abschaffung der Teilwertab-
schreibung. Dazu fanden Petenten klare Worte:

Das Steuerentlastungsgesetz – ein Schock, da hier-
durch die Existenz meines Geschäftes betroffen ist.

Aus dem nächsten Brief wörtlich:
Ich habe Angst um Kredite bei ohnehin nicht mehr
abgeworfenen Gewinnen.

Ein weiterer Petent sagt:
Das Geld ist in die Warenlager investiert.

Ich frage Sie: Was veraltet schneller als eine Sammlung
von modischen Kleidungsstücken? Wer ist an der vorletz-
ten Ausgabe eines BGB-Kommentars interessiert? – Das
sind die Sorgen, das sind die Schreiben der Geschäfts-
leute, um deren Petitionen es sich hier dreht.


(Jörg Tauss [SPD]: Das ist auch schon veraltet! Alles schon erledigt!)


– Ja, zum Teil. Ich komme darauf.
Die Petenten fühlten sich von der Streichung der Teil-

wertabschreibung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Einkommen-
steuergesetz schwer getroffen. Unter dem Eindruck mas-
siver Proteste aus dem Mittelstand und von uns hat die
Bundesregierung dann auf die Streichung verzichtet. Da-
mit ist die Bundesregierung den belasteten Einzelhänd-
lern ein Stück entgegengekommen. Ich denke, das ge-
schah auch aus Einsicht in die Notwendigkeit.

Der Pferdefuß: Die nun beibehaltene Teilwertabschrei-
bung wurde an die Voraussetzung der dauernden Wert-
minderung gebunden. Die Anknüpfung an diesen unbe-
stimmten Rechtsbegriff der dauernden Wertminderung
wirft in der Praxis eine Vielzahl von ungeklärten Ausle-
gungsfragen auf. Sie führt zu einer Verkomplizierung des
geltenden Rechts. Der steuerpflichtige Gewinn wird ab-
weichend von den tatsächlichen Gegebenheiten künstlich
erhöht und im Rahmen von Betriebsprüfungen führt die
Auslegung dieses Begriffes unausweichlich zu künftigen
Streitigkeiten.

Sehr geehrte Damen und Herren, es geht uns doch al-
len um mehr Beschäftigung, um die Schaffung neuer
Arbeitsplätze. Wie soll das gehen, wenn denen, die
Arbeitsplätze schaffen, noch Steine in das Marschgepäck
gepackt werden?


(Heidemarie Wright [SPD]: Die wir weggeräumt haben, jawohl! Wir haben die geringste Arbeitslosigkeit seit 1994!)


– Ja, vor allem aus einem einzigen Grund: wegen der de-
mographischen Entwicklung. Wenn ich Kanzler gewesen
wäre, dann hätte ich genau dasselbe Versprechen abgege-
ben.


(Zurufe von der SPD)

– Passen Sie auf: Es ist aufgrund der demographischen
Entwicklung mathematisch unausweichlich, dass sich
dieser Wert ständig verbessert, während über den anderen
Wert, über die Schaffung neuer Arbeitsplätze, nicht gere-
det wird. Das aber ist der entscheidende Wert.


(Heidemarie Wright [SPD]: Wir haben eine Zunahme der Zahl von versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen! – Zuruf von der CDU/ CSU: Die soll eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie etwas will!)


Es gibt also Steine im Marschgepäck unserer Selbst-
ständigen. Diese neue Auflage ist eben ein solcher Stein.
Warum muten wir das dem Einzelhandel zu, warum mu-
ten Sie das dem Einzelhandel zu? Reichen die Probleme
der Globalisierung in der Textilbranche nicht? Ist es nicht
schwer genug für die Läden in der Stadt, gegen Einkaufs-
zentren auf der grünen Wiese, gegen Factory Outlets zu
bestehen?


(Heidemarie Wright [SPD]: Dagegen sind wir doch!)


Wie wird dieser Nachweis einer dauernden Wertmin-
derung zu erbringen sein? Das erfordert noch komplizier-
tere Steuererklärungen – wo doch schon ein ehemaliger
Bundeskanzler, ein kluger Mann, nach eigenem Einge-
ständnis an der bisher schon erreichten Kompliziertheit
und Schwierigkeitsstufe der eigenen Steuererklärung
scheitert!

Im Klartext bedeutet die Neuregelung, dass die Ge-
schäftsleute gezwungen werden, noch mehr Unterlagen
über lange Zeit aufzubewahren, denn nur so können sie
die dauernde Wertminderung nachweisen, wofür sie nach
der Neuregelung die Darlegungs- und Beweislast tragen.
Es kommt also zu noch mehr Bürokratie, zu noch mehr






(C)



(D)



(A)



(B)


Zumutungen für den Bürger, zum glatten Gegenteil des-
sen, was mit dem Steuerentlastungsgesetz – so der schöne
Name – gemäß Ihren Versprechungen erreicht werden
sollte.

Der Staat ist der schröpfende Dritte – egal, ob sich der
Einzelhändler nicht mehr traut, den Teilwert abzuschrei-
ben, oder ob er sich im Zwielicht der Paragraphen ver-
fängt und dann zur Kasse gebeten wird.

Die Hilferufe der hier besprochenen Petitionen kom-
men von einem Einrichtungshaus und Küchenstudio, ei-
nem Polstermöbel- und Lederspezialisten, einem Textil-
und drei Schuhgeschäften. Das sind genau die Arbeitge-
ber, die wir in unseren Städten und Gemeinden unterstüt-
zen sollten, um die vorhandenen Strukturen im Innenbe-
reich zu erhalten. Deren Gefahrenlage wird durch die –
breit berichtete – Betriebsaufgabe des Lehrbetriebs unse-
res derzeitigen Bundeskanzler deutlich. Er und die SPD
können heute froh darüber sein, dass er rechtzeitig aus der
Privatwirtschaft in den öffentlichen Dienst gewechselt ist.

Die Petenten haben sich an eben diesen Bundeskanz-
ler, den Bundestagspräsidenten, das Finanzministerium
oder an uns, den Petitionsausschuss, gerichtet. Ich werbe
darum – und komme damit zum Schluss –, dass wir sozu-
sagen als Vorhut der parlamentarischen Reparaturkolonne
diese Petition als Material an das zuständige Bundesmi-
nisterium der Finanzen überweisen. Diese Anliegen ver-
dienen es, bei einer zukünftigen Gesetzesverbesserung
Berücksichtigung zu finden. Darauf haben die Petenten
einen Anspruch und darauf hofft auch der Mittelstand in
Deutschland.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410902200
Das Wort
hat jetzt die Kollegin Annelie Buntenbach vom Bünd-
nis 90/Die Grünen.


Annelie Buntenbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410902300

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Eine
kurze Vorbemerkung, Herr Hohmann: Ich bin über Ihr
mangelndes Vertrauen in die Fähigkeiten und den Durch-
blick der deutschen Wirtschaft und gerade des deutschen
Mittelstandes sehr verwundert. Ich glaube nicht, dass der
Mittelstand das verdient hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die Arbeit im Petitionsausschuss schärft das Bewusst-
sein dafür, dass das, was wir hier im Bundestag be-
schließen und in Gesetzesform bringen, letztlich den Test
der praktischen Realitätstauglichkeit erst im alltäglichen
Leben der Menschen bestehen muss. Gesetzliche Rege-
lungen, die möglichst vielen Menschen gerecht werden
sollen, sind naturgemäß sehr formal und abstrakt, und
zwar viel abstrakter und allgemeiner als die Wechselfälle
des Lebens. Da kann es nicht verwundern, dass auch gute
Gesetze für den Einzelnen in seiner besonderen Situation

ungerecht sein können oder als ungerecht empfunden
werden. Wir haben im Petitionsausschuss Tausende sol-
cher Fälle vorliegen.

Hier wird unsere besondere Verantwortung ganz kon-
kret greifbar, weil diese Eingaben helfen, Schwachstellen
zu erkennen, zu beseitigen und in Härtefällen nach un-
komplizierten Lösungen zu suchen. Oft reicht schon das
Nachfragen des Petitionsausschusses bei einer Behörde,
um Abhilfe im Sinne des Petenten zu schaffen. So verlor
eine Petentin in einer tragischen persönlichen Situation
aus zunächst rein formalen Gründen ihren Anspruch auf
Kindergeld. Sie hatte nach dem Tod ihres Ehemanns
schlicht versäumt, rechtzeitig weiterhin das Kindergeld
zu beantragen. Das Finanzministerium hat sich zunächst
gesträubt, tätig zu werden. Aber nachdem der Petitions-
ausschuss gedrängt hatte, wurde das Bundesamt für Fi-
nanzen schließlich angewiesen, der Petentin das Kinder-
geld wegen sachlicher Unbilligkeit wieder auszuzahlen.

Der Jahresbericht beschreibt eine Fülle von ähnlichen
Fällen. Mindestens ebenso wichtig sind für uns aber die-
jenigen Petitionen, die über den Einzelfall hinaus auf
grundsätzliche Fehler und Gesetzeslücken hinweisen. So
konnte zum Beispiel mit Hilfe der Petenten eine Geset-
zeslücke im Bereich der privaten Pflegeversicherung ge-
schlossen werden. Den Anlass dazu bot der Fall einer Pe-
tentin, die ihre über 90-jährige Mutter in der häuslichen
Umgebung gepflegt hat. Als sie für einige Zeit ins Kran-
kenhaus musste, sah sie sich gezwungen, in dieser Zeit
ihre Mutter in eine Kurzzeitpflege zu geben. Da sie ihre
Mutter aber noch nicht zwölf Monate zu Hause gepflegt
hatte, bekam sie zur Kurzzeitpflege keine Leistungen.
Hier sah der Petitionsausschuss eine Lücke im geltenden
Recht. Inzwischen hat das Gesundheitsministerium den
Ausschuss davon in Kenntnis gesetzt, dass das zum 1. Au-
gust 1999 in Kraft getretene Vierte Gesetz zur Änderung
des SGB XI eine Änderung der Regelung über die Kurz-
zeitpflege vorsieht, durch die dem Anliegen der Petentin
Rechnung getragen wird. Durch diese Änderung konnte
gleichzeitig in vielen ähnlichen Fällen geholfen werden.

Ein hart erkämpfter Erfolg des Petitionsausschusses
sind die deutlichen Verbesserungen in der Visapolitik.
Das ist heute schon angesprochen worden. Es konnten
nicht nur in vielen Einzelfällen Fragen der Visaerteilung
und der Familienzusammenführung befriedigend geregelt
werden. Wir konnten gemeinsam mit dem Auswärtigen
Amt auch eine inhaltliche Neuausrichtung der Visapolitik
und zahlreiche Verfahrensverbesserungen erreichen.

Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle
nicht verschweigen, dass wir in dieser Sache auch als Re-
gierungsfraktion harte Auseinandersetzungen mit dem
Auswärtigen Amt hatten und wir uns während des Verfah-
rens oft übereinander geärgert haben. Aber die gemein-
sam erarbeiteten Verbesserungen für die Menschen geben
uns Recht. Darum möchte ich mich bei Staatsminister
Volmer herzlich bedanken, dass er sich dieser Auseinan-
dersetzung gestellt hat. Es ist nicht auszuschließen, dass
wir uns auch in Zukunft schon einmal auf die Nerven
gehen; aber wenn es im Interesse der Menschen zu




Martin Hohmann

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(D)



(A)



(B)


Verbesserungen führt, dann sollten wir das so oft wie
möglich tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Zu den noch nicht zu Ende gebrachten Hausaufgaben,
die der Petitionsausschuss der Bundesregierung für den
Berichtszeitraum aufgegeben hatte, gehört – das hat die
Kollegin Rupprecht eben schon angesprochen – das
Thema der Anerkennung frauenspezifischer Asyl-
gründe. Eine geschlechtsspezifische Verfolgung wird im
Asylverfahren nicht ausreichend berücksichtigt. Hier gibt
es auch nach der Verabschiedung der neuen Verwaltungs-
vorschriften durch das Kabinett noch erheblichen Hand-
lungsbedarf. Dies hat sich nicht nur bei dem Besuch des
Petitionsausschusses beim Bundesamt für die Anerken-
nung ausländischer Flüchtlinge deutlich gezeigt, sondern
auch in den Gesprächen mit der Staatssekretärin aus dem
Bundesinnenministerium, Frau Sonntag-Wolgast. Ich bin
sicher, dass wir hier nicht locker lassen werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


Ohnehin sind die Petitionen zum Asylrecht ein beson-
ders schmerzender Punkt im Petitionsausschuss. Die Aus-
einandersetzung mit den zum Teil wirklich dramatischen
Schicksalen von Flüchtlingen, die trotzdem – in Überein-
stimmung mit der jetzigen Rechtslage – abgeschoben
werden, macht deutlich, dass wir dringend wenigstens
eine Härtefallregelung brauchen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


Jenseits dieses Handlungsbedarfs, den ich betonen
möchte, ist die Praxis des Petitionsausschusses vor dem
Hintergrund der geltenden Gesetze, dass wir ausgespro-
chen zurückhaltend und sorgfältig bei der Bearbeitung
und Beurteilung von Asylpetitionen vorgehen. Ich habe
mir einmal die Zahlen geben lassen – und möchte insbe-
sondere die Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU
einmal bitten, genau zuzuhören –: Den Petitionsausschuss
des Deutschen Bundestages erreichten in der 14. Wahlpe-
riode 716 Petitionen zum Asylrecht. Davon wurden vom
Deutschen Bundestag bisher – jetzt passen Sie auf! – nur
vier Petitionen zur Berücksichtigung und acht Petitionen
zur Erwägung an das BMI überwiesen. Von einem infla-
tionären Gebrauch dieser Voten kann da nun wirklich
keine Rede sein. Nur in diesen Berücksichtigungs- und
Erwägungsvoten wird die Bundesregierung aufgefordert,
im Sinne der Petenten tätig zu werden. Bisher wurde le-
diglich eine Petition vom BMI positiv beschieden – zu
wenig, wie wir finden.

Angesichts dieser Zahlen ist der von der CDU/CSU
immer wieder an uns gerichtete Vorwurf, wir wollten das
Asylrecht unterhöhlen und am Gesetz vorbei entscheiden,
völlig absurd. Und ausgerechnet an dieser Stelle, wo es oft
um Leben und Tod geht, verlassen Sie, liebe Kolleginnen
und Kollegen von der CDU/CSU, den sonst im Petitions-
ausschuss üblichen und bewährten Konsens, am konkre-
ten menschlichen Einzelfall nach für alle Beteiligten
gangbaren Lösungen zu suchen.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410902400
Frau Kol-
legin, kommen Sie bitte zum Schluss.


Annelie Buntenbach (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410902500

Ja, ich komme zum Schluss.

Ich bitte Sie im Interesse der Betroffenen, hier Ihre
ideologischen Scheuklappen beiseite zu legen. Wenn
durch formale Regeln notwendige Hilfen in Härtefällen
unmöglich gemacht werden, müssen wir gemeinsam nach
Lösungen für die Menschen suchen. Das tun wir doch
auch sonst im Petitionsausschuss. Gerade im Asylbereich
darf das Petitionsrecht nicht ins Leere laufen. In diesem
Sinne sind wir auch im Gespräch mit dem BMI. Ich hoffe,
dass wir auch hier mit der dem Petitionsausschuss eige-
nen Hartnäckigkeit zu einem positiven Ergebnis kommen.
Das würde uns umso eher gelingen – hier bin ich sicher –,
wenn wir dies gemeinsam tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410902600
Das Wort
hat der Kollege Klaus Holetschek von der CDU/CSU-
Fraktion.


Klaus Holetschek (CSU):
Rede ID: ID1410902700
Herr Präsident! Ver-
ehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht des Petiti-
onsausschusses für das Jahr 1999 zeigt einmal mehr, dass
dieser Ausschuss ein wichtiger Bestandteil unserer
Demokratie ist. Welche Namen hat er nicht schon bekom-
men: „Bürgerausschuss“, „Sprachrohr des Volkes“ oder
„Kummerkasten der Nation“! Was kann für uns Politiker
befriedigender sein, als in einem Ausschuss zu wirken, in
dem wir versuchen wollen, Bürgerinnen und Bürgern un-
mittelbar zu helfen?


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Deshalb ist es manchmal unverständlich, warum viele
Kolleginnen und Kollegen diesem Ausschuss nicht diese
Wertung entgegenbringen, die er haben sollte. Wir sollten
in den jeweiligen Fraktionen deutlich machen, dass wir
eine sehr wichtige Arbeit leisten.

Die Zahl der Petitionen ist im Jahr 1999 um 6,5 Pro-
zent gestiegen. Nun mag man das als Ausdruck des ge-
stiegenen Ansehens des Petitionsausschusses bei den Bür-
gerinnen und Bürgern werten. Ich werte das einfach als
Ausdruck der Kritik an der rot-grünen Regierungspolitik,
die in vielen Politikfeldern, wie zum Beispiel in der Ge-
sundheitspolitik und in der Sozialpolitik, versagt hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das merken die Bürgerinnen und Bürger in unserem
Land. Sie wenden sich deshalb verstärkt an den Petitions-
ausschuss.

Lassen Sie mich an dieser Stelle auch den Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeitern des Ausschussdienstes dan-
ken. Ich habe großen Respekt vor der Arbeit, die sie leis-
ten und die uns Abgeordneten das Leben erleichtert. Hier
wird mit Sorgfalt gearbeitet. Ein herzliches Dankeschön
und großes Kompliment an diese Mitarbeiter!


(Beifall im ganzen Hause)





Annelie Buntenbach
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(C)



(D)



(A)



(B)


Der Petitionsausschuss ist für uns eine große Heraus-
forderung. Er ist auch deshalb so interessant, weil man
wirklich sieht, wo den Bürgerinnen und Bürgern der
Schuh drückt. Dies zeigt sich besonders dann, wenn man
die Eingaben nach Ressorts aufschlüsselt und eine Rang-
liste erstellt. Das Bundesministerium für Arbeit und So-
zialordnung liegt mit 5 800 Eingaben an der Spitze. Das
sind 35 Prozent der Gesamtzahl der eingegangenen Peti-
tionen. Aber das ist nicht verwunderlich. Denken Sie nur
an die Rentenkürzung und an Ihre verfehlten Regelungen,
wie zum Beispiel das 630-DM-Gesetz und das Gesetz zur
Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit. Wer eine solche
Politik macht, der darf sich über die überdimensionierte
Zahl an eingegangenen Petitionen nicht wundern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Widerspruch bei der SPD)


Auf Platz 2 und 3 folgen das Innenministerium und das
Gesundheitsministerium. Ich spare mir eine Aussage über
das Gesundheitsministerium; denn in diesem Bereich ste-
hen wir schon wieder vor der Reform der Reform. Wir
werden sehen, was uns auf den Tisch gelegt wird.


(Bernd Reuter [SPD]: Schauen Sie sich doch einmal an, wie wenige Petitionen bezüglich des Kanzleramts eingegangen sind!)


– Herr Kollege Reuter, ich wollte mich gerade bei Ihnen
für die gute fraktionsübergreifende Zusammenarbeit be-
danken. Ich tue das trotz Ihres Zwischenrufes. Ich meine
das auch so; denn der Petitionsausschuss unterscheidet
sich sicherlich von anderen Ausschüssen.


(Bernd Reuter [SPD]: Das ist wahr!)

Nichtsdestotrotz haben wir natürlich unterschiedliche

Grundauffassungen und Grundüberzeugungen, die auch
hier zum Ausdruck kommen. Aber der Petitionsausschuss
hilft, das Vertrauen der Bürger in die Demokratie zu stär-
ken.

Frau Kollegin Buntenbach, lassen Sie mich einige An-
merkungen zur Asylpolitik machen. Sie wissen genau,
dass der Petitionsausschuss in diesem Feld nur be-
schränkte Möglichkeiten hat. Wir können im Petitions-
ausschuss nur dann etwas tun, wenn wir gravierende und
offensichtliche Mängel in einem Verfahren feststellen.
Deswegen ist es mir unverständlich, wenn Vertreter ge-
rade der Grünen-Fraktion selbst noch in den Fällen, in de-
nen das zuständige Bundesamt einen Bleiberechtsantrag
abgelehnt hat, zu denen Gerichtsentscheidungen vorlie-
gen und zu denen uns Regierungsvertreter im Ausschuss
gesagt haben: „Es gibt keine Möglichkeiten“, Bedenken
vortragen, die berücksichtigt werden sollen. Das ist ideo-
logische Verblendung.


(Abg. Annelie Buntenbach [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Ich gestatte keine Zwischenfrage, weil ich weiß, was Sie
sagen wollen. Ich bleibe bei meiner Meinung, weil Sie
ideologisch arbeiten. Ich weiß auch, wie oft zwischen Rot
und Grün in solchen Fällen um ein einheitliches Votum
gekämpft wird. Der Petitionsausschuss ist keine Superre-
visionsinstanz.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen, auch wenn es
manchmal wehtut und die Einzelfälle schwierig sind. Es
gibt nun einmal einen Rahmen, den es einzuhalten gilt.

Lassen Sie mich auf ein weiteres Thema eingehen. In
vielen Petitionen – ich verweise auf Seite 6 des Berichtes –
geht es um das soziale Ehrenamt. Sie konterkarieren mit
Ihrer Regelung bezüglich der 630-Mark-Jobs die Anlie-
gen der Bürger.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Sie wollen das Ehrenamt abschaffen. Die Enquete-Kom-
mission „Bürgerschaftliches Engagement“ ist nur eine
Alibiveranstaltung. Denken Sie nur an die Ökosteuer. Ich
sage – auch wenn Kollegin Rupprecht nicht mehr da ist –:
Vom Benzin allein lebt die Familie auch nicht. Die Ener-
gie wird wie vieles andere teurer, sodass Ihre Aussage
nicht richtig ist.

Denken Sie daran, wie viele Übungsleiter Kinder kos-
tenlos zu Fußballspielen fahren. Sie müssen klar sagen,
was Sie mit dem Ehrenamt vorhaben. Beispiel freiwillige
Feuerwehr: Heute wird im Bundesrat ein Gesetzentwurf,
den Bayern eingebracht hat, beraten, dessen Ziel die Stär-
kung des Ehrenamtes ist. Wenn Sie es mit dem Ehrenamt
ernst meinen, dann müssen Sie diesem Gesetzentwurf zu-
stimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Ich wage eine Prognose: Wir werden uns noch mit vie-

len Petitionen beschäftigen, in denen um die Abschaffung
der Ökosteuer gebeten wird. Das ist in der Tat eine zu-
tiefst unsoziale Steuer. Mit der Abschaffung der Öko-
steuer sollten wir diese Regierung gleich mit abschaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Denken Sie einmal an Ihr Ökosteuerkonzept!)


Meine Redezeit geht zu Ende.

(Beifall bei der SPD)


Aber ich habe noch so viel Zeit, Herr Kollege Schmidt,
um zum Schluss zu sagen: Es ist ein gutes Zeichen, dass
die wenigsten Petitionen aus Bayern kommen. Die
Bayerische Staatsregierung ist eine Regierung – um es
plastisch auszudrücken –, die den Leuten aufs Maul
schaut, die sich an den Bedürfnissen des Bürgers orien-
tiert und die versucht, das, was Sie hier in Berlin an Blöd-
sinn machen, im Freistaat Bayern durch eigene Gesetze zu
korrigieren. Wir sind dafür dankbar, dass wir mit dem
bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber einen
Mann haben, der eine bürgernahe und bürgerfreundliche
Politik vollzieht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Daran sollten Sie sich hier orientieren und daran sollten
wir uns im Petitionsausschuss orientieren: an einer Poli-
tik für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Nichts als Polemik!)





Klaus Holetschek

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(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410902800
Als nächs-
ter Redner hat der Kollege Hans-Joachim Hacker von der
SPD-Fraktion das Wort.


Hans-Joachim Hacker (SPD):
Rede ID: ID1410902900
Herr Präsident!
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das Petitions-
recht ist eines der wichtigsten Grundrechte unserer Ver-
fassung; eine bedeutende Zahl von Bürgerinnen und Bür-
gern nimmt es in Anspruch. 1999 nahm die Zahl der Pe-
titionen gegenüber dem Vorjahr – die Kolleginnen und
Kollegen haben das teilweise schon erwähnt – um
6,5 Prozent, das heißt um 1 182 Eingaben, zu.

Das sind Zahlen, die gegen die oft zitierte Politikver-
drossenheit sprechen. Herr Holetschek, mit Tiraden, wie
Sie sie in Ihrer Rede losgelassen haben, werden wir die-
sen Weg – die Politikverdrossenheit zurückzudrängen und
das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in das Parla-
ment und letztlich in die Politik zu stärken – nicht ge-
meinsam beschreiten können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Klaus Holetschek [CDU/ CSU]: Sie provozieren doch die Politikverdrossenheit durch Ihre Politik!)


In den Petitionen sehe ich neben der Kritik an gesetz-
lichen Regelungen, an Verwaltungsvorschriften und an
Verwaltungshandeln im Einzelfall vor allem einen Ver-
trauensbeweis gegenüber dem Parlament. Wer wendet
sich schon mit seinem Anliegen – noch dazu in schriftli-
cher Form – an den Deutschen Bundestag, wenn er nicht
überzeugt ist, mit seiner Petition etwas erreichen zu kön-
nen?

Dazu kommt, dass sich Menschen nicht nur mit eige-
nen Problemen an uns wenden, sondern auch Anregungen
zu Gesetzesänderungen im allgemeinen Interesse geben.
Damit bringen sie zum Ausdruck, dass sie bereit sind,
konstruktiv mitzudenken. Sie kümmern sich um das Ge-
meinwohl. Wir Parlamentarier sollten immer darauf be-
dacht sein, diese Position in der Gesellschaft zu stärken.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Befassung mit den Petitionen stellt eine wichtige
Seite unserer parlamentarischen Arbeit dar, sie trägt we-
sentlich dazu bei, die Arbeit von Abgeordneten, Parla-
ment und Regierung zu verbessern. In den Petitionen spie-
gelt sich insofern auch wider, wie unsere parlamentari-
sche Arbeit bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt.
In den Petitionen zeigt sich, ob wir in der gesetzgeberi-
schen Arbeit die richtigen Lösungen gefunden haben und
ob wir es verstanden haben, die Ziele unseres Handelns
den Bürgerinnen und Bürgern – sie sind diejenigen, die
uns gewählt und uns das Mandat für unsere Arbeit gege-
ben haben – im Lande verständlich zu machen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass der Petitionsaus-
schuss dieser Verantwortung auch im Jahre 1999 gerecht
geworden ist, und das über die Fraktionsgrenzen hinweg.
Für den Berichtszeitraum ist wiederum festzustellen, dass
der prozentuale Anteil der Petitionen aus den neuen Bun-
desländern erheblich höher als der aus den alten Ländern
ist. Ich glaube, wir alle haben eines erkannt: Die Probleme

bei der Herstellung der staatlichen Einheit unseres Lan-
des, besser gesagt: bei der Überwindung der Teilungsfol-
gen, spiegeln sich auch und gerade in den Petitionen wi-
der. Sie belegen, dass sich dieser Prozess nicht reibungs-
los und konfliktlos vollzieht. Ich glaube, das konnte auch
nicht geschehen.

Uns Parlamentariern kommt es darauf an, diesen Pro-
zess realistisch einzuschätzen. Wir müssen konsequent
Abhilfe schaffen, wo es möglich ist. Es geht aber auch da-
rum, keine Versprechungen zu machen, wenn wir nicht
helfen können. Hiermit meine ich insbesondere diejeni-
gen Bereiche, die in den letzten 40 Jahren sehr unter-
schiedlich geregelt worden sind. Wir können den Bürge-
rinnen und Bürgern in Deutschland nicht versprechen,
dass wir für jede Gruppe die für sie günstigste Regelung
finden können. Das ist einfach nicht machbar. Die deut-
sche Einheit hat dazu geführt, dass wir ein gesamtstaatli-
ches Rechtssystem geschaffen haben. In dieses Rechts-
system müssen wir uns alle nicht nur gedanklich, sondern
auch im praktischen Leben hineinbegeben.

Es ist auch für mich sehr ernüchternd, dass es in der
Gesellschaft Gruppen gibt, denen wir heute bestimmte
Rechte nicht mehr einräumen können. Frau Ehlert, ich
habe große Probleme damit, dass wir für die Gruppe der
in der DDR geschiedenen Frauen kaum noch etwas tun
können. Wir müssen so ehrlich sein, das den Betroffenen
zu einem bestimmten Termin mit aller Konsequenz zu sa-
gen.

Insbesondere im Justizministerium ist im Jahr 1999 ein
Anstieg festzustellen gewesen. Dies hat seine Ursache
darin, dass Nachwirkungen der Probleme, die sich aus of-
fenen Vermögensfragen in den neuen Bundesländern er-
gaben, immer noch deutlich zu erkennen sind. An den
Ausschuss wandten sich zahlreiche Petentinnen und Pe-
tenten, die sich Hilfe und Unterstützung bei Fragen zu Ei-
gentum an Grundstücken und Gebäuden und deren Nut-
zungsrechten erhofften.

Herr Holetschek, Sie haben ja hier vorhin eine sehr en-
gagierte Rede gehalten. Deshalb möchte ich an Ihre
Adresse sagen, dass diese Petitionen im Bereich der Ei-
gentumsfragen die Folge der von Ihrer Fraktion – sekun-
diert von der F.D.P. –


(Günther Friedrich Nolting [F.D.P.]: Was? Das nehmen Sie sofort zurück!)


propagierten, ideologisch motivierten Regelung durch
das Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ sind. Das
muss ich hier einmal ganz deutlich sagen.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der PDS)


Zu Ihrer Forderung, dass wir das ändern sollen, Herr
Holetschek, muss ich Ihnen sagen: Dieser Zug ist seit Jah-
ren abgefahren. Unsere Versuche, dies 1991 und 1992 im
Rahmen des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes
zu ändern, haben Sie blockiert. Das haben wir damals kri-
tisiert, wir sind bis in den Vermittlungsausschuss gegan-
gen, aber die damaligen Mehrheiten sorgten für andere
Ergebnisse.


(Klaus Holetschek [CDU/CSU]: Ich habe debütiert! Ich war damals noch gar nicht dabei!)







(C)



(D)



(A)



(B)


Ich will an dieser Stelle auch sagen, dass die ideolo-
gisch gefärbte Regelung „Rückgabe vor Entschädigung“
nicht das einzige Übel ist, das dazu geführt hat, dass sehr
viele Menschen immer noch Unsicherheit im Bereich der
Vermögensfragen verspüren. Eine andere Ursache liegt
darin, dass während der DDR-Zeit tausendfach rechts-
staatswidrige Vermögenseingriffe erfolgten und durch die
Politik des SED-Regimes Hunderttausende Menschen aus
ihrer Heimat vertrieben wurden. Die Gründe für das Ver-
lassen der DDR mögen zwar unterschiedlich gewesen
sein, aber die politischen und ökonomischen Verhältnisse
in der DDR haben entscheidend dazu geführt, dass Hun-
derttausende Menschen ihr Land verlassen haben – mit
steigender Tendenz bis in den Herbst 1989 hinein.

Trotzdem – jetzt wende ich mich noch einmal an Sie,
Herr Holetschek – bleibe ich dabei, dass die alte Bundes-
regierung in diesem Bereich eine andere Politik hätte ma-
chen müssen. Die alte Bundesregierung hätte realistische
Regelungen treffen müssen, durch die die über Jahre ent-
standenen Lebensrealitäten aufgenommen worden wären
und damit Frieden in den neuen Ländern geschaffen wor-
den wäre.


(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Weil ich nicht zu denen gehören will, die Unsicherhei-

ten – manchmal auch absichtlich – schüren, möchte ich an
dieser Stelle auch sagen, dass mit dem Vermögensgesetz
und dessen späteren Novellierungen natürlich nicht nur
partiell, sondern in weiten Bereichen Rechtsklarheit und
Rechtsschutz geschaffen worden sind. Hier möchte ich
eine Gruppe ansprechen, die insbesondere nach 1990
massenhaft verunsichert worden ist: Das ist die Gruppe
der Häuslebauer und derjenigen, die dingliche Nutzungs-
rechte für Grundstücke hatten. Diese Bürgerinnen und
Bürger waren von Anfang an sicher vor jeder Form von
Restitutionsansprüchen, denn ein Restitutionsanspruch in
diesem Bereich war nicht erfolgreich durchsetzbar. Dass
trotzdem Ansprüche gestellt worden sind, ist eine ganz an-
dere Frage. Wir müssen das immer wieder einsehen: Wir
können keinen Bürger davon abhalten, sinnlose Anträge
zu stellen, die am Ende dann auf seine eigenen Kosten ge-
hen. Es musste aber auch noch einmal gesagt werden, dass
wir – ich nehme die SPD dabei einmal mit in die Verant-
wortung – bei der Gesetzgebung nach 1990 nicht nur
Chaos produziert haben. Die Kritik bleibt zwar bestehen,
dass es sich um grundsätzlich verkehrte Weichenstellun-
gen handelte, wir haben aber in wesentlichen Bereichen
mitgeholfen, Rechtssicherheit zu schaffen.

Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch – das sage ich
jetzt einmal in Ihre Richtung, Frau Lüth –, dass bei aller
Kritik am Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“, die
von Ihrer Fraktion richtigerweise ausgesprochen wird,
nicht in Vergessenheit geraten darf, dass der erste Restitu-
tionsfall von Ihrem Ehrenvorsitzenden produziert wurde,
wenn ich das einmal so sagen darf. Unter dem DDR-Mi-
nisterpräsidenten Modrow sind die 1972 verstaatlichten,
so genannten halbstaatlichen Betriebe zurückgegeben
worden. Ich sage nichts dagegen. Das wäre auch nach der
freien Wahl im März 1990 sicherlich so erfolgt. Man muss
aber immer auch eine Gesamtschau vornehmen. Man
kann sich nicht immer nur die Erbschen oder Sahne-
stückchen herauspicken. Dies war ein Präzedenzfall und
damit war eine Grundlage für die weiteren Verhandlungen

und Gespräche zwischen den beiden deutschen Regierun-
gen im Jahre 1990 geschaffen. Dieses ist heute Ge-
schichte. Wir müssen uns jetzt nach vorne orientieren.

Gerade heute Nachmittag wird ja in erster Lesung über
einen Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und Bünd-
nis 90/Die Grünen beraten, mit dem wir noch offene Fra-
gen im Bereich des Grundstücks- und Vermögensrechts
hier auf den Tisch legen und dafür sorgen wollen, dass De-
fizite und auch Verfahrensprobleme in der Vermögensge-
setzgebung, wie sie im Moment noch bestehen, zügig an-
gepackt werden und für die Betroffenen endlich Rechtssi-
cherheit geschaffen wird.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410903000
Kommen
Sie bitte zum Schluss.


Hans-Joachim Hacker (SPD):
Rede ID: ID1410903100
Vielen Dank, Herr
Präsident. – Ich bitte Sie gerade auch bei dieser Gesetzes-
novelle, die wir heute einbringen, um konstruktive Mitar-
beit.

Meine Damen und Herren, ich hatte mir noch eine
ganze Reihe von Einzelfällen aufgeschrieben, die ich gern
vorgetragen hätte. Der Präsident mahnt mich, zum Ende
zu kommen.

Ich will in einem letzten Satz, Herr Präsident, den Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Ausschuss-
dienst ganz herzlich danken. Es ist schon gesagt worden:
Dort wird eine sehr engagierte und fachkundige Arbeit ge-
leistet. Herzlichen Dank insbesondere Ihnen, Frau von
Welck. Ich schließe in den Dank auch die Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeiter der einzelnen Abgeordneten und der
Fraktionen für ihre engagierte Arbeit ein. Ich glaube, wir
haben im letzten Jahr eine gute Arbeit geleistet und wir
alle gemeinsam müssen das in den kommenden Jahren so
weiter machen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410903200
Als letz-
ter Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt erteile ich
der Kollegin Katherina Reiche von der CDU/CSU-Frak-
tion das Wort.


Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1410903300
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! In einem Punkt möchte ich
mich meinen Vorrednern ausdrücklich anschließen. Das
ist der herzliche Dank an die Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeiter des Ausschussdienstes.Ohne sie gäbe es keinen
Jahresbericht. Seit ich im Petitionsausschuss mitarbeite,
weiß ich um die akribische Arbeit und um die viele Mühe,
die sie haben, und ich weiß die Arbeit des Ausschuss-
dienstes von Mal zu Mal mehr zu schätzen. Vielen Dank!
Sie leisten einen sehr wichtigen Beitrag zur demokrati-
schen Kultur in diesem Land.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P. und der PDS)





Hans-Joachim Hacker

10291


(C)



(D)



(A)



(B)


Die Petitionen, die uns erreichen, sind so vielfältig wie
die Probleme, die Emotionen und die Ideen der Menschen
in Deutschland. Sie reichen von Themen wie der Ab-
schaffung der Todesstrafe in den Vereinigten Staaten bis
zum kleinsten Detail des deutschen Sozialversicherungs-
rechts. Deshalb ist es so schwer, alle Facetten einer ein-
jährigen Arbeitszeit in einem Jahresbericht zu berück-
sichtigen, und deshalb ist es so verlockend, den generali-
sierenden Aspekt der Statistik zu bemühen.

Die Zahl der Petitionen hat in der Tat – das ist mehr-
fach angesprochen worden – wieder zugenommen. Nun
läge es nahe, dies als Kritik an der Bundesregierung zu be-
werten und zu sagen: Im ersten vollständigen Jahr von
Rot-Grün haben die Bürger mehr denn je das Bedürfnis,
ihren Unmut und ihre Kritik dem Deutschen Bundestag
mitzuteilen. Ich möchte dies nicht tun, sondern mich den
Kollegen Deittert und Reuter anschließen, die sagten,
dass sie ebenso wie ich die Petitionen als Ausdruck des
Vertrauens der Menschen ins Parlament werten.

Bei anderen Aspekten der Statistik liegt der Fall aller-
dings anders. Der Anteil der Petitionen aus den neuen
Ländern hat noch einmal zugenommen und liegt nun mit
über 32 Prozent weit über dem Bevölkerungsanteil der
Ostdeutschen. Allein aus meiner Heimat Brandenburg hat
sich die Zahl der Petitionen seit 1998 fast verdoppelt.

Wir haben uns in der Debatte im Rahmen des letzten
Berichtes des Petitionsausschusses ausführlich mit der
Frage beschäftigt, warum der Anteil der Eingaben aus den
neuen Ländern so überproportional hoch ist. Positiv kön-
nen wir aber auch jetzt noch feststellen, dass nach Jahr-
zehnten staatlicher Willkür und Allmacht viele Menschen
aus der ehemaligen DDR nach einem Jahrzehnt Einheit
ihr Recht wahrnehmen, Entscheidungen zu hinterfragen
und überprüfen zu lassen. Viele wollen mit Vorschlägen
aktiv Demokratie mitgestalten und suchen über uns den
Dialog zur Politik.

Auf der negativen Seite muss ich jedoch feststellen,
dass die Geduld der Menschen in den neuen Ländern mit
dem Prozess der Angleichung der Lebensverhältnisse
auf eine immer größere Probe gestellt wird und dass die
Menschen in den neuen Ländern sehr wohl unterscheiden
können, was pure Symbolik ist und was wirklich dazu
dient, die Lebensverhältnisse anzugleichen. Zur puren
Symbolik zähle ich beispielsweise Bundeskabinettssit-
zungen in den neuen Ländern. Hier hat sich meiner Mei-
nung nach auch der Ausschuss zu symbolischen Gesten
verleiten lassen.

Mehrere Petitionen begehrten die sofortige Anglei-
chung der Löhne in Ostdeutschland und sogar ein gesetz-
lich festgelegtes Grundgehalt bei Lohnkostenzuschüssen.
In seinem Beschluss stellte der Ausschuss ganz deutlich
dar, dass in Deutschland die Löhne durch die organisier-
ten Tarifvertragsparteien ohne Einmischung staatlicher
Stellen ausgehandelt werden. Die Tarifautonomie wurde
zu Recht als Begründung herangezogen, um den Petenten
zu verdeutlichen, dass der Ausschuss keine rechtliche
Möglichkeit hat, staatlicherseits eine Lohnangleichung
oder gar einen gesetzlichen Mindestlohn zu vereinbaren.

Plötzlich wendet sich jedoch das Blatt und die Eingabe
wird in letzter Minute dem Bundesministerium für Arbeit
und Sozialordnung zugeleitet, um sie dort in die Arbeit
und in die Überlegungen einfließen zu lassen. Die PDS als
Expertin für unrealistische und falsche Forderungen kann
nun jubeln und der Petent gewinnt den Eindruck, dass der
Staat möglicherweise doch in die Tarifautonomie eingrei-
fen wird.


(Heidemarie Wright [SPD]: Nein! Aber das ist doch politisches Ziel!)


Das ist falsch verstandener Aufbau Ost.
Ein weiterer Grund für das anhaltend große Bedürfnis

der Menschen in den neuen Ländern nach Petitionen ist
auch der lange Schatten des DDR-Unrechts, dessen Trag-
weite oft erst nach Jahren in die Öffentlichkeit dringt. Hier
will ich insbesondere die Verbrechen an den Sportlerinnen
und Sportlern in der ehemaligen DDR erwähnen, die
durch grausame Trainingsmethoden und Doping oft zu
Krüppeln wurden.


(Heidemarie Ehlert [PDS]: Die im Westen sind gestorben, nicht die in der DDR!)


Auch die Bürgerinnen und Bürger, die sich um eine Ver-
besserung der Rehabilitierung von politischen Opfern der
SED-Diktatur bemühen, werden in den nächsten Jahren
weiter zum Mittel der Petition greifen.

Ich möchte Ihnen nun von einem Fall berichten, in dem
der Ausschuss sowohl DDR-Unrecht als auch anschlie-
ßende gesamtdeutsche behördliche Unbeweglichkeit hei-
len konnte.

Ein Grundstückseigentümer hatte sein Grundstück zur
landwirtschaftlichen Nutzung der DDR überlassen. Die
DDR übergab es dem sowjetischen Militär, ohne jedoch
den Eigentümer darüber zu informieren. Nach der
Wiedervereinigung und dem Abzug des russischen Mi-
litärs erhielt der Petent sein Grundstück zurück, jedoch
ohne dass man ihm mitteilte, dass es mittlerweile mit
Kampfmitteln kontaminiert war. Man teilte ihm mit, dass
er innerhalb von drei Monaten Schadensersatz bei der
Oberfinanzdirektion fordern könne. Allerdings erhielt er
den Hinweis auf Kontamination nicht. Erst ein halbes Jahr
später wurde ihm mitgeteilt, dass sein Grundstück konta-
miniert sei. Der Petent beantragte daraufhin Schadenser-
satz, der aber wegen Verfristung abgelehnt wurde. Nun
forderte die Stadt den Petenten auf, sein Grundstück auf
eigene Kosten reinigen zu lassen. Nachdem das nicht ge-
schah, stellte sie ihm einen fünfstelligen Betrag in Rech-
nung. Später machte ihm die Stadt zwar das Angebot, die
Kampfmittel selbst zu räumen, aber dafür solle der Petent
der Stadt das Grundstück für den symbolischen Kaufpreis
von 1 DM verkaufen. Der Petent empfand das zu Recht
als nachträgliche Enteignung.

Der Petitionsausschuss konnte das Anliegen des Peten-
ten unterstützen und dem Finanzministerium empfehlen,
die Frist für den Schadensersatz zu ändern. Das Finanz-
ministerium ist unserer Empfehlung gefolgt. So konnten
wir die faktische Enteignung des Petenten verhindern.

Es sind gerade solche Fälle, die die Bedeutung und die
Wirksamkeit dieses demokratischen Instruments unter




Katherina Reiche
10292


(C)



(D)



(A)



(B)


Beweis stellen. Es sind oft Fälle, bei denen die Mitglieder
des Ausschusses über Parteigrenzen hinweg an einem
Strang ziehen.

Bemerkenswert finde ich allerdings manche Vorgänge,
bei denen Petitionsverfahren aus der letzten Legislatur-
periode durch bestimmte Umstände neu beraten werden.
Folgende Konstellation ist auffällig; sie ist nicht einmalig,
sondern uns jetzt mehrfach aufgefallen. Eine Petition
wurde im Petitionsverfahren von der damaligen Staatsse-
kretärin im Gesundheitsministerium, Frau Bergmann-
Pohl, als unbegründet zurückgewiesen. Der Ausschuss
unter der damaligen Vorsitzenden Frau Nickels empfahl
dennoch die Überweisung der Eingabe an die Bundesre-
gierung. Nach dem Regierungswechsel – Frau Nickels be-
kleidet jetzt selbst das Amt der Staatssekretärin – kommt
dieselbe Eingabe zu ihr auf den Tisch und sie befindet
jetzt, dass das Bundesministerium für Gesundheit nichts
tun könne.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410903400
Frau Kol-
legin Reiche, kommen Sie bitte zum Schluss.


Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1410903500
Ich sage: Willkom-
men in der Realität!

Bei allem Ernst, mit dem wir an die Arbeit des Petiti-
onsausschusses gehen – manche Eingaben geben auch
Anlass zum Schmunzeln, zum Beispiel wenn noch im
Jahr 1999 ehemalige DDR-Konten, die der Währungsum-
stellung hinterherhinken, umgestellt werden sollten.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410903600
Frau Kol-
legin Reiche, kommen Sie bitte zum Schluss.


Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1410903700
Ich freue mich mit
meinen Kollegen auf das nächste Jahr und auf weitere in-
teressante Anregungen der Bürgerinnen und Bürger.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der F.D.P.)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1410903800
Ich
schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über Sammelüber-
sicht 67 auf Drucksache 14/1328. Hierzu liegt ein Ände-
rungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache
14/3512 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt
für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Damit ist der Änderungsantrag mit
den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der PDS gegen
die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt.

Wir stimmen nun über die Sammelübersicht 67 auf
Drucksache 14/1328 ab. – Wer stimmt dafür? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist diese
Sammelübersicht 67 mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen und der PDS gegen die Stimmen von
CDU/CSU und F.D.P. angenommen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 19 a und 19 b auf:
a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-


(3. Ausschuss)

Koschyk, Christian Schmidt (Fürth), Karl Lamers,
Peter Hintze und der Fraktion der CDU/CSU
Versöhnung durch Ächtung von Vertreibung
– Drucksachen 14/1311, 14/3203 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Markus Meckel
Christian Schmidt (Fürth)

Dr. Antje Vollmer
Ulrich Irmer
Dr. Dietmar Bartsch

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Weiterentwicklung der deutsch-tschechischen
Beziehungen
– Drucksachen 14/1873, 14/3164 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Markus Meckel
Christian Schmidt (Fürth)

Dr. Antje Vollmer
Ulrich Irmer
Dr. Dietmar Bartsch

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat das
Wort die Kollegin Petra Ernstberger von der SPD-Frak-
tion.


Petra Ernstberger (SPD):
Rede ID: ID1410903900
Herr Präsident! Meine lie-
ben Kolleginnen und Kollegen! Jedes Jahr – der Zeitplan
ist genau gewählt – werden von der CDU/CSU-Fraktion
Debatten im Parlament initiiert, die sich für die Abschaf-
fung der Benes-Dekrete stark machen. Das tun Sie, liebe
Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ganz bewusst,
um sich als Anwälte der Vertriebenenverbände und der
Sudetendeutschen zu profilieren. Ziemlich durchsichtig!

Natürlich sind die Passagen in diesen Dekreten, die die
Vertreibung betreffen, ein Punkt, der zu Kritik Anlass
gibt. Die Dekrete, die sich auf Vertreibung, Ausbürgerung
und Enteignung von Deutschen in der ehemaligen Tsche-
choslowakei beziehen, sind nach wie vor völkerrechts-
widrig. Dies ist gegenüber der tschechischen Regierung
stets deutlich gemacht worden. Es handelt sich um unter-
schiedliche Rechtsordnungen, zu denen es unterschiedli-
che Rechtsauffassungen gibt. Akzeptieren wir doch erst
einmal diesen Sachverhalt und gehen wir dann die Fragen
offen und im Dialog mit allen – ich betone: mit wirklich
allen – Gruppen an!




Katherina Reiche

10293


(C)



(D)



(A)



(B)


Herr Koschyk, ich habe eine von Ihnen abgegebene
Presseerklärung gelesen. Dieser habe ich entnommen,
dass Sie sich für die Normalisierung der Beziehungen
zur Tschechischen Republik einsetzen wollen. Das geht
genau in die richtige Richtung. Ich entnehme ihr, dass Sie
sich von der Hardlinerposition Ihres Parteivorsitzenden
und Ministerpräsidenten Stoiber absetzen. Sie sollten ein-
mal mit Ihrem Ministerpräsidenten einen Dialog führen,
um eine gemeinsame Linie herauszuarbeiten.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Er hatte mit Herrn Havel ein sehr gutes Gespräch!)


Durch ein beharrliches Aufbauen von Fronten werden
keine Partnerschaften und keine nachbarschaftlichen
Kontakte, sondern nur Ressentiments gefördert. Nun
sollte auch noch der Zukunftsfonds, ein Mittel der Ver-
söhnung, instrumentalisiert werden. Dieser Fonds soll
doch – das besagt schon der Name – auf die Zukunft hin
orientiert sein. Fördern wir doch einfach Kontakte zwi-
schen jungen Menschen! Fördern wir Projekte, die zum
gegenseitigen Verständnis der beiden Staaten beitragen,
und tragen wir dadurch dazu bei, dass sich die Chancen
für die junge, zukünftige Generation verbessern! Dies ist
unsere Aufgabe beim Zusammenwachsen in Europa.

Tschechien möchte ja Mitglied der Europäischen
Union werden. Dabei werden wir Tschechien ohne Ein-
schränkungen und ohne bilaterale Vorbedingungen unter-
stützen. Wie sagte Kanzler Schröder in einem Gespräch
mit dem Präsidenten der Tschechischen Republik: Deutsch-
land und Tschechien verbindet eine gute, aber gleichwohl
schwierige Nachbarschaft. – So ist es. Die Gespräche mit
unseren Partnern in Prag sind nicht immer einfach, aber –
so kann ich feststellen – stets konstruktiv. Sie finden in-
zwischen in einer sehr freundschaftlichen Atmosphäre
statt.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


Ich persönlich kann sagen, dass sie mittlerweile in ei-
nem hohen Maße politische Normalität erreicht haben
und man sich nicht mehr nur ausschließlich mit den neu-
ralgischen bilateralen Problemen befasst. Wir sind
schließlich inzwischen nicht mehr nur Nachbarn. Wir sind
Verbündete in einer gemeinsamen Verteidigungsgemein-
schaft. Dies ist eine neue Situation, die für beide eine ge-
meinsame Aufgabe und Verpflichtung darstellt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines möchte ich
klarstellen: Allen Vertriebenen, so auch den Sudetendeut-
schen und allen anderen Deutschen aus den Ostgebieten,
ist Unrecht geschehen. Im Nationalsozialismus hat es
unsäglich viele Opfer gegeben. Ich möchte an dieser
Stelle meinen Respekt und meine Hochachtung gegen-
über all den Opfern ausdrücken, die im Kampf gegen den
Nationalsozialismus gelitten haben: den tschechischen
Opfern, den jüdischen Opfern, den sudetendeutschen Op-
fern, aber auch den Opfern von Gewalt und Vertreibung.
Die Erinnerung daran ist absolut notwendig und muss
fortbestehen,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


um uns alle zu mahnen, die Zukunft besser und vor allem
friedvoll zu gestalten


(Beifall des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


und so etwas nie wieder geschehen zu lassen oder zu to-
lerieren.

Aber statt die guten nachbarschaftlichen Beziehungen
mit Tschechien zu vertiefen, trommeln zu dieser Jahres-
zeit leider die Landsmannschaften immer besonders
laut. Am lautesten aber haut Herr Ministerpräsident
Stoiber auf die Pauke: Immer wieder fordert er massiv die
Entschädigung der vertriebenen Sudetendeutschen.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Machen Sie es sich nicht zu leicht, Frau Ernstberger!)


Im Schatten der Entschädigungsforderungen für die NS-
Zwangsarbeiter, die die nationalen Emotionen bei uns oh-
nehin zum Kochen bringen, unterstützen bayerische Poli-
tiker, um ein bestimmtes Klientel zu befriedigen, eine
Forderung, die die Integration in Europa gefährdet.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


So fordert der Bayerische Landtag die Bundesregierung
auf, die offenen Fragen des Vermögens in einem rechtli-
chen Verfahren zu lösen. Dies werden wir nicht unterstüt-
zen. Es gibt keine VermögensforderungenDeutschlands
an Tschechien.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In Bezug auf Herrn Stoiber möchte ich die „Süddeutsche
Zeitung“ zitieren:

Nicht Bundesminister Joschka Fischer, sondern viel-
mehr Bayerns Ministerpräsident und CSU-Vorsit-
zender Edmund Stoiber beweist ... falschen Prag-
matismus und außenpolitische Stümperei.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Hört! Hört!)

Herr Koschyk, in Ihrem Interview gegenüber polni-

schen Journalisten haben Sie sich von den Forderungen
von Frau Steinbach nach Entschädigungen distanziert. Sie
haben gesagt, dass diese kontraproduktiv seien. Da stim-
me ich Ihnen zu. Da haben Sie Recht. Ich unterstütze den
tschechischen Präsidenten Havel, wenn er sagt, juristi-
sche Schritte können nicht ändern, was geschehen ist. Al-
len, die noch immer nicht begriffen haben, dass heute
Versöhnung und Verständnis zählen, sage ich: Nehmen
wir uns ein Beispiel an den vielen Aktivitäten von Grup-
pen, an den großen und den kleinen Projekten wie der
Euregio Egrensis, dem Jugendprojekt Tandem, den
Schulpartnerschaften, dem Jugendaustausch, den kirchli-
chen Begegnungen, aber auch an den Aktivitäten von Su-
detendeutschen, die sich von ihrer Funktionärsebene dis-
tanzieren. Dies sind Beispiele, die zeigen, wie sich das
Bewusstsein schrittweise öffnet.




Petra Ernstberger
10294


(C)



(D)



(A)



(B)


Nehmen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, zur
Kenntnis, wie sich auch das Bewusstsein in Tschechien
Schritt für Schritt ändert. Hätten wir uns vor zehn Jahren
eigentlich vorstellen können, dass Äußerungen wie die
von Herrn Doležal oder von Professor Mezihorak, die erst
kürzlich in Olmütz laut über eine Abschaffung der ent-
sprechenden Benes-Dekrete nachgedacht haben, möglich
gewesen wäre? Erkennen wir diese Zeichen! Helfen wir
der Tschechischen Republik bei ihrer Bemühung, in die
Staatengemeinschaft der EU aufgenommen zu werden.
Suchen wir gemeinsam nach Lösungen für offene Fragen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Unterstützen wir einander in dem sicherlich schmerz-
lichen Prozess der Aufarbeitung einer Jahrtausende alten
Nachbarschaft, die von politischen Fehlern gekennzeich-
net war, an deren Folgen wir noch heute leiden und die wir
noch immer offen diskutieren müssen. Denn ich möchte,
dass wir den Weg für eine gemeinsame Zukunft in Eu-
ropa für unsere Kinder bereiten, die vielleicht einmal in
beiden Staaten arbeiten werden, die von- und miteinander
leben werden und die ihr Leben in beiden Ländern ge-
meinsam gestalten werden.


(V o r s i t z: Vizepräsident Rudolf Seiters)

Das ist doch allemal sinnvoller als ein ständiges Beharren
auf teilweise vorgeschobenen Problemen und Rechts-
standpunkten und der Suche nach immer neuen Hemm-
nissen, die nur dazu dienen, das Klima zwischen diesen
beiden Staaten zu vergiften. Politisch, liebe Kolleginnen
und Kollegen, geht es jetzt um den Ausbau der Europä-
ischen Union, geistig aber um die Wiedervereinigung Eu-
ropas.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410904000
Für die CDU/CSU-
Fraktion spricht der Kollege Hartmut Koschyk.


Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1410904100
Herr Präsident!
Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem von der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion eingebrachten Antrag un-
ter dem Leitwort „Versöhnung durch Ächtung von Ver-
treibung“ fordern wir die Bundesregierung auf, auf die
Aufhebung noch fortbestehender Unrechtsdekrete in un-
seren östlichen Nachbarstaaten hinzuwirken. Unsere öst-
lichen Nachbarstaaten, unter ihnen in einer ersten Staffel
Polen und Tschechien, wollen Mitglieder der Europä-
ischen Union werden.


(Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Koschyk, reden Sie doch mal frei, was Sie wirklich denken!)


Ich sage sehr deutlich: Wir sind der Auffassung, dass dies
im besonderen deutschen Interesse und auch im besonde-
ren Interesse der Heimatvertriebenen in unserem Land
liegt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Markus Meckel [SPD] und des Abg. Dr. Max Stadler [F.D.P.])


Es ist der Sinn unseres Antrages, liebe Kolleginnen und
Kollegen der Koalitionsfraktionen, vor allem auf die men-
schenrechtlichen Aspekte noch fortgeltender Vertrei-
bungsdekrete hinzuweisen und den Zusammenhang damit
herzustellen, dass die Europäische Union, in der Polen
und Tschechien Mitglied werden wollen, vor allem eine
Rechts- und Wertegemeinschaft ist. Im Vertrag über die
Europäische Union in der Fassung des Vertrages von
Amsterdam bestimmt Art. 6 ganz klar, dass die Europä-
ische Union „auf den Grundsätzen der Freiheit, der De-
mokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grund-
freiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit“ beruht. Ich habe
immer das Beitrittsbegehren Polens, Tschechiens und der
anderen Staaten Mittel- und Osteuropas als einen An-
schluss an die europäische Staatenwelt und als Rückkehr
nach Europa begriffen, aber auch als Hinwendung zu den
demokratischen, rechtsstaatlichen und menschenrechtli-
chen Wertevorstellungen, wie sie die Europäische Union
ebenso wie das Nordatlantische Bündnis verbinden.

Wir sollten auch würdigen, dass gerade die deutschen
Heimatvertriebenen von Anfang an in ihrer Charta von
1950, deren Verabschiedung sich in diesem Jahr zum
50. Mal jährt, die gesamteuropäische Perspektive vertre-
ten haben, indem sie feierlich versprachen, „jedes Begin-
nen mit allen Kräften (zu) unterstützen, das auf die Schaf-
fung eines geeinten Europas gerichtet ist, in dem die Völ-
ker ohne Furcht und Zwang leben können“.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Verehrte Kollegin Ernstberger, ich finde es gut, dass

Sie konstatieren, dass die Vertriebenen durch unzählige
praktische Maßnahmen vor Ort seit dem Fall des Eisernen
Vorhangs in ihren Heimatländern Versöhnung und Ver-
ständigung von unten befördert haben und zunehmend
eine Brückenfunktion zwischen uns und unseren östli-
chen Nachbarn erfüllen. Dadurch sind sie – das bestätigen
auch ranghohe Vertreter unserer polnischen und tschechi-
schen Nachbarn – zu einer echten Lobby für unsere östli-
chen Nachbarn in unserem Land geworden.

Deshalb appellieren wir vor allem an die politisch Ver-
antwortlichen in den Regierungen unserer östlichen
Nachbarstaaten, diesen Einsatz unserer heimatvertriebe-
nen Mitbürgerinnen und Mitbürger für Verständigung und
Versöhnung anzuerkennen. Es ist an der Zeit, dass auch
offiziell ein freier und vorbehaltloser Dialog zwischen
den politisch Verantwortlichen in unseren Nachbarstaaten
und den Vertriebenen auch über die offenen, aus der Ver-
treibung herrührenden Fragen geführt wird. Nur durch
den direkten Dialog lassen sich für beide Seiten akzepta-
ble Zukunftslösungen finden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir verkennen nicht, dass es bei unseren östlichen

Nachbarländern sehr hoffnungsvolle Ansätze gibt, sich
auch dem schwierigsten Kapitel der eigenen Geschichte,
nämlich der Vertreibung der Deutschen, ehrlich zu stellen.
Der Berater des ehemaligen tschechischen Ministerpräsi-
denten Klaus, Bohumil Doležal, hat an die tschechische




Petra Ernstberger

10295


(C)



(D)



(A)



(B)


Seite appelliert, gegenüber den deutschen Vertriebenen
einen Akt der Entschuldigung und des aufeinander Zuge-
hens zu unternehmen und einen Versöhnungsfonds zur
Entschädigung der deutschen Vertriebenen einzurichten.

Ich bin sehr dankbar, dass die Bundesregierung dies
neulich in der Fragestunde gewürdigt hat, und ich kann
wirklich nicht erkennen, warum ein tschechischer Vor-
schlag in diese Richtung von der Bundesregierung als
wichtiger Schritt auf dem Weg zueinander gewürdigt
wird, während ein gleichgerichteter Vorschlag der sude-
tendeutschen Seite als kontraproduktiv, rückwärts ge-
wandt und die Verständigung störend bezeichnet wird.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist beeindruckend, dass die tschechische Studenten-

organisation „Jugend für interkulturelle Verständigung“
an den Stadtrat der mährischen Stadt Brünn appelliert
hat, die ehemaligen deutschen Bewohner der Stadt für die
Vertreibung um Verzeihung zu bitten. Man muss auch
würdigen, Frau Ernstberger, dass der neue Vorsitzende der
Sudetendeutschen Landsmannschaft, Herr Posselt, an der
Karlsuniversität in Prag ebenso wie fast ein Jahr vorher
die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, unsere Kol-
legin Steinbach, vor Ort in den vorbehaltlosen Dialog
über offene Fragen der Vergangenheit eingetreten sind.

Aber wir können und dürfen die Augen nicht davor ver-
schließen – das blenden Sie in Ihrem Antrag völlig aus –,
dass die diskriminierenden Unrechtsdekrete bei unseren
Nachbarländern auch von ranghohen Rechtspersönlich-
keiten als nach wie vor in Kraft betrachtet werden. So
stellte zum Beispiel der tschechische Verfassungsrichter
Prochazka bis heute unwidersprochen in einem Interview
mit der Tageszeitung „Die Welt“ fest, dass diese Dekrete
„weiter gültig und Teil der tschechischen Rechtsordnung“
sind und auch von ihm bei entsprechender Rechtsbefas-
sung angewandt werden würden.

Ich finde es nicht gut, dass Sie in Ihrem Antrag vor die-
ser Wirklichkeit die Augen einfach verschließen und so
tun, als sei alles in bester Ordnung. Lassen Sie mich sa-
gen: Einen Antrag zum Thema „Weiterentwicklung der
deutsch-tschechischen Beziehungen“ vorzulegen und mit
keinem Wort auf die Verständigungsbereitschaft und die
Verständigungsbemühungen der heimatvertriebenen Su-
detendeutschen, beispielsweise auch der sudetendeut-
schen Sozialdemokraten, der Seliger-Gemeinde, einzuge-
hen, zeugt von mangelnder Sensibilität für dieses Thema.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Bitte bauschen Sie unseren Antrag nicht als irgendet-

was auf, was der Verständigung und einem freien Dialog
im Wege steht. Im Europäischen Parlament jedenfalls
haben auch Sozialdemokraten der Beschlussempfehlung
zum Fortschrittsbericht zugestimmt, auf den sich unser
Antrag bezieht. Im Österreichischen Nationalrat haben
die Sozialdemokraten zugestimmt.

Ich möchte die in Ihrem Beitrag, Frau Kollegin
Ernstberger, erkennbare Suche nach Gemeinsamkeit gern
aufgreifen. Sie haben am Schluss Ihrer Rede gesagt: Su-
chen wir gemeinsam nach Lösungen, die für beide Seiten
akzeptabel und in die Zukunft gerichtet sind. – In diesem

Sinne könnten Sie eigentlich auch unserem Antrag heute
zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410904200
Für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen spricht nun die Kollegin Antje
Vollmer.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410904300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meines
Erachtens ist der Bericht zur Lage der Nation abgeschafft
worden, aber jedes Jahr wieder haben wir einen Bericht
zur Lage der Nation, zu den Benes-Dekreten, den Vertrie-
benenverbänden und ihren Forderungen. Das kommt so
sicher wie der Sommer, und zwar immer vor dem Pfingst-
treffen der Sudetendeutschen, so auch dieses Jahr.

Ich finde, dass es sehr sinnvoll ist, mit dem Verhältnis
der Deutschen zu den Tschechen anzufangen. Ich stelle
fest, das Verhältnis der Deutschen – der Hamburger, der
Rheinländer, der Westfalen, der Sachsen, der Berliner, der
Schwaben, der Hessen, der Mecklenburger und von wem
auch immer –


(Albert Deß [CDU/CSU]: Bayern haben Sie vergessen!)


zu den Tschechen ist von einer ganz besonderen Zunei-
gung und von einem ganz besonderen Interesse geprägt.
Das hat auch seine Gründe.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Auch der Bayern!)


– Ich habe die Bayern bewusst ausgelassen. Ich glaube, es
gibt zweierlei Sichten. Zu denen will ich gerade kommen.

Ich will aber erst einmal sagen: Gerade junge Leute ha-
ben ein unglaubliches Interesse an dem Land, aus dem
Franz Kafka und Karl Kraus kamen. Sie haben ein un-
glaubliches Interesse nach Prag zu gehen und dort zu stu-
dieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


Sie haben ein Interesse an dieser besonderen tschechi-
schen Geschichte, die ja immer auch mit besonderen Nie-
derlagen zu tun hatte. Man denke an Jan Hus, der brennen
musste, während Martin Luther immerhin eine ganze Re-
formation zustande gebracht hat. Man denke daran, dass
die Tschechen die ersten Opfer Hitlers waren. Man denke
daran, dass die Tschechen 1968 mit unglaublicher Tapfer-
keit den Panzern des Warschauer Paktes entgegengetreten
sind, auch diesmal wieder – wie schon 1938 – vom Wes-
ten allein gelassen.

Man denke daran, dass sie eine besondere 89-er Revo-
lution gehabt haben, nämlich eine samtene, wo es ihnen
gelungen ist, mit dem Präsidenten Havel eine weltweit be-
kannte Persönlichkeit auf Dauer in der Politik zu etablie-
ren und damit die Bedeutung dieses kleinen Landes zu un-
terstreichen. Es ist ihnen gelungen, ohne große dramati-
sche Verwerfungen eine friedliche Trennung mit der




Hartmut Koschyk
10296


(C)



(D)



(A)



(B)


Slowakischen Republik zu erreichen. Das heißt, dieses
Land hat bei unseren Menschen eine ganz, ganz große Zu-
neigung. Das lassen wir uns von niemandem kaputtma-
chen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


Nachdem im Bundestag zu diesem Thema und zu dem
Thema der Vertriebenen in der Regel in fast feierlichem
Messeton gesprochen wird, wird dann auf dem Sudeten-
deutschentag die ganze Hitze auf dieses Thema gegos-
sen – und zwar ohne dass jemand anderes dem wider-
sprechen kann.

Die Deutsch-Tschechische Erklärung war ein Verspre-
chen. An ihr ist sehr lange gearbeitet worden. Es war ein
Versprechen, den Tschechen den Weg nach Europa nicht
zu versperren. Dieses Versprechen – das hat Gerhard
Schröder, der Bundeskanzler, noch einmal ausdrücklich
gesagt – werden wir durch keine Frage belasten lassen,
welche Frage auch immer.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


Übrigens fällt mir gerade ein – weil ich beim Thema
Tschechien bin –, dass dieser Satz, den Weg nach Europa
frei zu machen, aus tschechischer Sicht eigentlich sehr ei-
genartig klingt. Prag war so sehr Zentrum Europas, dass
man eine sehr westgeneigte Sicht haben muss, um zu sa-
gen, dass es noch etwas mehr ins Zentrum rücken könnte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)


Zurück zur Deutsch-Tschechischen Erklärung. Diese
ist unter schmerzlichen Prozessen verhandelt worden und
es hat lange gedauert. Man musste die Tschechen immer
trösten, weil sie überhaupt nicht begreifen konnten,
warum dieser Prozess damals so lange dauerte. Gerade
deswegen hat der Antrag der CDU/CSU, den wir hier ha-
ben, in der Tschechischen Republik tiefe Irritationen her-
vorgerufen – und zwar deswegen, weil darunter die Na-
men stehen, die auch in der Tschechischen Republik einen
guten Klang haben, nämlich Lamers, Koschyk und
Schäuble. Die Frage ist aufgetaucht: Rückt jetzt die Par-
tei, die als Regierungspartei diese Deutsch-Tschechische
Erklärung bis zur Unterschrift von Ministerpräsident
Stoiber getragen hat, als Oppositionspartei plötzlich da-
von ab? Das hat tiefe Irritationen erzeugt. Ich habe mir
immer gewünscht, Herr Lamers, Herr Koschyk, Sie hät-
ten diesen Antrag einfach zurückgezogen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)


Warum diese Irritationen? Ich will das erklären. Nun
komme ich zur Politik der Bayern und zum Einfluss der
Sudetendeutschen auf die bayerische Politik. Es hat sehr
häufig damit zu tun, dass man sich immer und immer wie-
der fragt: Was wollen die denn eigentlich? Immer, wenn
wir einen Punkt gefunden hatten – die Deutsch-Tschechi-
sche Erklärung war nun der breiteste gemeinsame Punkt,
den man finden kann –, denkt man, jetzt müsse das Ver-
hältnis doch endlich einmal geklärt sein. Wenn wir einen
solchen Schritt gemacht haben, heißt es aber immer wie-
der: Nein, wir haben noch etwas zu diskutieren. Diese

bayerische Politik und die Forderungen der Sudetendeut-
schen bewirken, dass die Tschechische Republik in stän-
diger Angst lebt. Am Anfang sagen Sie immer nur: Wir
möchten, dass ihr endlich einmal über eure Vergangenheit
diskutiert, dass ihr Euch endlich einmal entschuldigt.–
Das alles ist passiert. Dann ist gesagt worden: Wir möch-
ten doch nur, dass Ihr einmal mit uns sprecht.

Präsident Havel hat Vertreter der Sudetendeutschen
empfangen. Nachdem das alles passiert ist, heißt es: Nein,
nun haben wir noch eine kleine Forderung, nämlich hin-
sichtlich unserer Opfer. Dann hätten wir noch eine kleine
Forderung, wir haben nämlich auch noch einige Eigen-
tumsansprüche. Diese ständige Wolke der Bedrohung be-
lastet dieses Verhältnis. Sie sollten endlich einmal sagen,
wann Schluss ist. Wann sagen Sie: Jetzt wissen wir, dass
das Verhältnis wirklich frei ist? Die Antwort darauf sind
Sie bis heute schuldig geblieben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


Aufgrund des zeitlichen Abstandes kann ich jetzt auch
über die Vorgeschichte der Deutsch-Tschechischen Er-
klärung sprechen: Bevor es überhaupt Versuche gegeben
hat, unter den Fraktionen und im Bundestag darüber zu
verhandeln, hat es ein sehr wichtiges, damals nicht öf-
fentlich bekannt gewordenes Gespräch im Hause eines
sehr bedeutenden Gütersloher Wirtschaftsmenschen ge-
geben. An diesem Treffen damals haben Herr Neubauer,
der Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft,
unser verehrter und mir immer noch in sehr lieber Erin-
nerung gebliebener Kollege Johnny Klein teilgenommen.
Auch Richard von Weizsäcker und ich waren dabei.
Ebenso waren damals wichtige Vertreter der Tschechischen
Republik anwesend: Jiri Grusa, Karl von Schwarzenberg,
der Kanzler von Präsident Havel, Fürst Lobkowitz, als
Vertreter des Außenministeriums. Es war also eine ganz
hochkarätige Gruppe. Diese haben damals gesagt: Was
wollt Ihr Sudetendeutschen? Wie können wir uns verstän-
digen? Die Tschechen haben gesagt: Welche Debatten
können wir in unserer Gesellschaft schaffen? Ich kann Ih-
nen sagen: Alles, was damals in diesem – übrigens sehr
bewegenden – Gespräch besprochen worden ist, ist in der
Deutsch-Tschechischen Erklärung enthalten.

Weil wir und alle Beteiligten das wissen, darf man – so
finde ich – am Ende, wenn man alles bekommen hat, was
man damals gefordert hat, nicht sagen: Jetzt bleiben aber
noch entscheidende Fragen offen. So kommt man nie zu
einem friedlichen, wirklich offenen Zukunftsverhältnis
mit den Nachbarn.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sie machen es sich zu einfach, Frau Vollmer!)


Dieses Gefühl, dass man nie weiß, wann es genug ist,
dass Sie irgendwie maßlos sind und die Forderungen
kein Ende nehmen, zeichnet auch Ihre jetzigen Aktivitä-
ten aus. Ich nenne hier die Forderung in Höhe von 8 Mil-
lionen DM an den Zukunftsfonds, die Sie gestellt haben.


(Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Wer ist „Sie“?)





Dr. Antje Vollmer

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(C)



(D)



(A)



(B)


– Sie ist in diesem Fall die Sudetendeutsche Landsmann-
schaft. Ich danke dafür, dass ich das präzisieren kann.


(Karl Lamers [CDU/CSU]: Die ist hier nicht im Saal!)


Ich weiß aber, dass es in diesem Fall eine direkte Initia-
tive für diesen Antrag durch den Ministerpräsidenten
Stoiber gegeben hat.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Das ist eine Unterstellung!)


Aber nicht nur das, sondern er hat seit dem Jahre 1998
in verschiedenen Gruppen der Landsmannschaft und –
wie ich finde, fatalerweise – auch in den Gruppen der
Ackermann-Gemeinde und der Seliger-Gemeinde, also
der Gruppen, die in der Vergangenheit für die Versöhnung
eingetreten sind, darum geworben, dass Anträge von su-
detendeutschen Opfern tschechischer Gewalt organisiert
gesammelt werden. Es waren keine einzelnen Menschen,
die sich an den Zukunftsfonds gewandt haben, sondern es
war eine organisierte politische Aktion. Diese Bildung
von Kollektiven von Opfern finde ich in diesem Verhält-
nis nicht mehr statthaft.

Wer gegen Kollektivschuld ist – das habe ich immer
unterstützt –, der muss auch gegen Kollektivforderungen
sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)


Denn dieses Anmarschieren in Form eines Kollektivs mit
der machtpolitischen Rückendeckung eines mächtigen
Ministerpräsidenten aus Bayern ist genau das, was die
Tschechische Republik tief gehend verunsichert.


(Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Sie sollten sich einmal über die Fakten informieren! Sie verrennen sich!)


Die Tschechen denken, dass am Ende noch sämtliche Ei-
gentumsforderungen gestellt werden. Ich bin daher sehr
froh, dass der Bundeskanzler gesagt hat: Das wird es von
dieser Regierung niemals mehr geben. Die Tschechen
können in dieser Frage völlig beruhigt sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


Ebenso maßlos, unverständlich und nicht mehr statt-
haft finde ich die Begründung dieser Aktion, nämlich sich
an die öffentliche Debatte über die Zwangsarbeiterent-
schädigung anzuhängen. Das hätten Sie sich wirklich
überlegen sollen,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


weil das nicht nur außenpolitische Irritationen nach sich
zieht, sondern auf ganz schlimme Stimmungen im Inne-
ren zielt.


(Karl Lamers [CDU/CSU]: Wo denn? Wer macht das denn?)


Wir wissen doch, wie schwer es ist, die Zwangsar-
beiterentschädigung durchzubringen. Wir wissen, wie

schwer es ist, dafür die Zustimmung der Bevölkerung zu
bekommen.


(Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Gegen wen reden Sie eigentlich, Frau Vollmer? Über was reden Sie?)


Da wird gesagt: Es sollen nicht nur immer die anderen an
die Deutschen herantreten;


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sie haben schon einmal eine glücklichere Rolle, eine bessere Rolle bei diesem Thema gespielt!)


vielmehr hätten auch wir Deutschen etwas zu fordern!
Das ist innenpolitisch sehr gefährlich.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Es ist nicht gut, was Sie hier machen!)


Ich möchte Ihnen diese Möglichkeit der innenpolitischen
Kampagnen von vornherein nehmen und deswegen ist es
gut, dass die Vertreter des Zukunftsfonds nicht zuge-
stimmt haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Ich möchte eine dringende Bitte an die Vertriebenen-
verbände richten. Ich finde, dass der Begriff „Vertrei-
bung“ nach 50 Jahren gelungener Demokratie für eine
Gruppe nicht mehr identitätsstiftend ist.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Also, Frau Vollmer!)


Ich finde, Sie sollten die dritte Generation endlich von
dieser Form der Identitätsbildung freigeben.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Es geht nicht um die dritte Generation, sondern um die Menschen, die das selber erlebt und erlitten haben!)


Ich wünsche mir von den Vertriebenenverbänden seit lan-
gem, dass sie ihre Hauptaufgabe darin sehen, die Kultur
ihrer Heimat hochzuhalten, dass sie zu Kulturvereinen
werden. Dann würden sie jede Unterstützung bekommen
und man würde auch Achtung vor der Kultur haben, die
sie in ihrer Vielfalt bewahren wollen. Das Thema der Ver-
treibung gehört in das Museum der deutschen Geschichte,
in das Museum der Zeitgeschichte; das gehört in die
Hände von Wissenschaftlern, Forschern und Museums-
leuten. Da gehört es hin.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Und die Gefühle von Menschen wollen Sie auch in das Museum stecken? Sie haben ein Verständnis von Gefühlen von Menschen!)


Dieses Thema sollte nicht mehr als Mittel der Identifika-
tion und der Herausbildung der nächsten Schicht von Ver-
triebenenfunktionären dienen, die selber nicht mehr der
Erlebnisgeneration angehören. Es ist mir sehr wichtig,
dass Sie das endlich begreifen.

Vertreibung ist ein individuelles Schicksal und bietet
keine Gruppenidentität. So muss man es auch auffassen
und behandeln.




Dr. Antje Vollmer
10298


(C)



(D)



(A)



(B)


Wenn ich jetzt an die Erlebnisgeneration denke, mit
deren Vertretern ich sehr viele Gespräche geführt habe
und die mir sehr viel hinsichtlich ihrer Geschichte klarge-
macht haben, dann weiß ich, dass sie in der Praxis längst
versöhnlich und milde denken und dass sie selber nicht
wollen, dass die Kinder mit ihren in der Vergangenheit ge-
machten Erfahrungen in die Zukunft gehen. Ich sehe aber
diesen Willen bei den Funktionären mancher Vertriebe-
nenverbände nicht und finde, sie müssen sich ändern. Der
Platz, den sie in dieser demokratischen Republik haben,
hat etwas mit dem endlich umfangreich vorhandenen In-
teresse an dem Thema der Vertreibung und der Bedeutung
zu tun, die das auch für die Geschichte dieser Republik
und für die persönliche Geschichte vieler Menschen hat.
Der Platz, den sie in der Geschichte haben, werden wir in
vielen Museen finden.

Das ist auch eine Antwort an Sie, Frau Steinbach. Wir
werden Sie nicht unterstützen, wenn Sie diese gigantische
zentrale Gedächtnisstätte in Berlin haben wollen. Das
Thema gehört woandershin. Hören Sie endlich auf, ein-
zelne Menschen mit ihrem sehr schweren individuellen
Schicksal immer wieder in das Prokrustesbett einer Grup-
penidentität regelrecht zu zwingen, die das innere Klima
in dieser Republik auf Dauer vergiften kann.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS – Albert Deß [CDU/CSU]: Ihre Rede hat am wenigsten zur Aussöhnung beigetragen! – Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Keine Verständnis stiftende Rede!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410904400
Zu einer Kurzinter-
vention gebe ich das Wort der Kollegin Erika Steinbach.


Erika Steinbach-Hermann (Plos):
Rede ID: ID1410904500
Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Wir können miteinander feststellen – das
ist positiv –, dass sich zwischen den Staaten östlich und
südöstlich unserer Grenzen und unserem eigenen Land in
den vergangenen Jahren, innerhalb eines Jahrzehnts, un-
endlich vieles zum Positiven gewandelt hat. Es gibt in-
zwischen auf allen Ebenen sehr viel mehr Gemeinsam-
keiten als Trennendes,


(Beifall bei der CDU/CSU)

auch zwischen den vertriebenen Deutschen und denen,
aus deren Ländern sie vertrieben worden sind.

Ich füge ausdrücklich hinzu: Die heutigen Regierun-
gen in Polen, in Tschechien, in Ungarn und in anderen
Ländern sind keine Regierungen, die dafür verantwortlich
sind, dass es Vertreibungen gegeben hat. Aber es gibt
schon eine Verantwortung, Dinge aus den Gesetzeswer-
ken zu eliminieren, die Vertreibung im Grunde genom-
men heute noch absegnen. Darum geht es letzten Endes.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine Demokratie kann doch nicht leben und fruchtbar in
der Zukunft wirken, wenn in ihren Gesetzeswerken Pas-
sagen enthalten sind, die Völkerrechtswidrigkeiten be-

gründet haben und auch bis heute noch abdecken. Wenn
es bis zum heutigen Tage in der Tschechischen Republik
ein Amnestiegesetz gibt, das ausdrücklich Täter straffrei
stellt, die Frauen und Kinder erschlagen haben, dann ist
dessen Abschaffung eine Hausaufgabe, die in einem sol-
chen Land erledigt werden muss.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich habe in Gesprächen in Prag und in Warschau fest-

gestellt, dass die junge Generation in diesen Ländern sehr
offen mit dieser Thematik umgeht.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Mir hat ein junger tschechischer Student gesagt: Ich
möchte, dass meine Kinder wissen, dass hier Deutsche ge-
lebt haben, ich möchte, dass meine Kinder wissen, dass
wir sie vertrieben haben, und ich möchte, dass wir dann
miteinander in Frieden leben.

Ich sage auch Folgendes ganz deutlich: Obwohl die
heutige Bundesregierung damit nichts zu tun hat, so ist es
doch die Verantwortung jeder demokratisch legitimierten
Bundesregierung in Deutschland, sich auch der finsteren
Teile der NS-Diktatur anzunehmen. So wie es zwingend
zu unserer deutschen Geschichte gehört, unsere eigene
finstere Vergangenheit aufzuarbeiten, so ist es auch eine
Aufgabe in unseren östlichen Nachbarländern, sich mit
der eigenen Vergangenheit so auseinander zu setzen, dass
daraus am Ende ein Friedenspotenzial geschaffen werden
kann.

Frau Kollegin Vollmer, Sie haben die Forderungen der
Sudetendeutschen an den deutsch-tschechischen Zu-
kunftsfonds eindringlich angesprochen. Es war doch eine
Aufforderung des Außenministers Fischer, dass die sude-
tendeutschen Sozialwerke Anträge stellen mögen.


(Hartmut Koschyk [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Wenn dieser Aufforderung nachgekommen wird, dann
kann man doch eine Landsmannschaft nicht dafür verur-
teilen, dass ein solcher Appell umgesetzt wird. Da ver-
stehe ich die Welt dann doch nicht mehr.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir sollten miteinander sehen, dass wir natürlicher-

weise die positiven Elemente, die es gibt, mehr hervorhe-
ben als das, was uns trennt.


(Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie lang ist denn eine Kurzintervention?)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410904600
Frau Kollegin, es ist
eine Kurzintervention. Ich weiß, das Thema ist schwierig.


Erika Steinbach-Hermann (Plos):
Rede ID: ID1410904700
Ich bedanke mich.
Aber das, was uns trennt, ist bei gutem Willen mitei-

nander zu überwinden, auch mit den Vertriebenen. Die
Vertriebenen wollen das ja auch gemeinsam mit den
Nachbarstaaten überwinden.


(Beifall bei der CDU/CSU)





Dr. Antje Vollmer

10299


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410904800
Zu einer Erwiderung
gebe ich Kollegin Vollmer das Wort.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410904900

Frau Kollegin Steinbach, wenn Sie an die Amnestie-
gesetze erinnern, die niemand gutheißen kann, erinnere
ich zum Ersten an Folgendes: Solche Amnestiegesetze
gab es auch in Italien und in Österreich. Ich sehe nicht,
dass man diesen Ländern in Bezug auf die EU-Mitglied-
schaft wegen dieser Sache Schwierigkeiten machen
würde. Insofern ist die Beschränkung der Debatte auf die
Tschechen immer sehr selektiv.

Zum Zweiten zu den Benes-Dekreten. Immer wieder
wird gefordert, dass die Benes-Dekrete aufgehoben wer-
den. Die Benes-Dekrete – das sage ich jetzt nur für das Pu-
blikum, das dies nicht weiß – sind dicke Aktenbände. Das
heißt, das ist das ganze Gesetzeswerk, mit dem die tsche-
chische Regierung ihre Identität im Londoner Exil belegt
hat. Sonst müsste sie sagen, dass ihre staatliche Identität
unter der deutschen Besatzung besteht. Das heißt, das hat
sehr identitätsstiftende, juristische, völkerrechtliche Kon-
sequenzen. Also geht es nur um die Aufhebung einiger
weniger Dekrete.

Ich sage das, damit das einmal klar ist und damit Sie
auch begreifen, was Sie von den Tschechen fordern; denn
niemand würde von einem anderen Land fordern, dass es
seine zeitliche, historische Kontinuität aufgeben soll.

Was diese wenigen Dekrete betrifft, so hat es von der
tschechischen Regierung – vom Präsidenten Havel, vom
Ministerpräsidenten Zeman, von allen, die Sie genannt
haben – die Äußerung gegeben, dass sie die rechtliche
Wirkung dieser Gesetze aufheben und dass sie das alles
abgrundtief bedauern. Diese Äußerungen hat es immer
wieder gegeben. Deswegen sage ich: Sie wollen keine Lö-
sung, sondern das Thema in der Diskussion halten. Das ist
der entscheidende Punkt.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Unfug!)


Vollkommen unstatthaft ist es, für den Antrag, den Sie
an den Zukunftsfonds gestellt haben, Minister Fischer in
Anspruch zu nehmen. Sie sollten das nicht tun. Herr
Minister Fischer ist von Herrn Ministerpräsidenten
Stoiber mehrfach in Bezug auf diese Problematik ange-
gangen worden. Er hat Ihnen nicht die Antwort gegeben,
die Angelegenheit positiv zu befürworten, sondern er hat
gesagt, wir hätten für solche Fragen mit dem Verwal-
tungsrat ein zuständiges Gremium. Damit hat er diese An-
gelegenheit nicht positiv beurteilt. Wenn Sie Herrn Minis-
ter Fischer selber fragen, werden Sie die entsprechende
Antwort bekommen.

Die Art und Weise, wie Sie immer wieder andere Men-
schen für Ihre Aktionen in Anspruch nehmen, ist unmög-
lich. Übrigens, Frau Steinbach: Ich finde es unglaublich,
dass Sie jemanden wie György Konrad für dieses giganti-
sche Unternehmen eines Hauses der Vertriebenen mitten
im Zentrum von Berlin – am liebsten noch im Staatsrats-
gebäude – in Anspruch nehmen wollen. Das sollten Sie
wirklich lassen. Kämpfen Sie für sich selber, aber nehmen

Sie nicht Menschen wie György Konrad für sich in An-
spruch!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410905000
Für die F.D.P.-Frak-
tion spricht nun der Kollege Dr. Max Stadler.


Dr. Max Stadler (FDP):
Rede ID: ID1410905100
Herr Präsident! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Vollmer, Sie
haben vorhin in Ihrem Redebeitrag einen rhetorischen
Kunstgriff gebraucht, den ich nicht akzeptieren kann.
Vielleicht ist er Ihnen unbewusst unterlaufen, aber dann
möchte ich ihn trotzdem richtig stellen. Sie haben die Zu-
neigung von Bürgerinnen und Bürgern vieler Bundeslän-
der, die Sie beispielhaft aufgeführt haben, zur Tschechi-
schen Republik beschrieben, haben dann unter Ausklam-
merung der bayerischen Bevölkerung Bayern und die
bayerische Politik kritisiert


(Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich meinte nicht alle Bayern!)


und dabei verschwiegen, dass die Politik der Bayerischen
Staatsregierung in dieser Frage keineswegs mit Bayern
schlechthin identisch ist. Das ist gegenüber der bayeri-
schen Bevölkerung ungerecht.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD, und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bitte um Entschuldigung! – Dr. Eberhard Brecht [SPD]: Das haben die Bayern nicht verdient!)


Ich will versuchen, Ihnen aus der Perspektive eines
nahe der tschechischen Grenze Wohnenden einige Erfah-
rungen über die Entwicklung der nachbarschaftlichen
Beziehungen zu vermitteln. Dabei bitte ich Sie zunächst,
gemeinsam mit mir etwas Fantasie zu entwickeln. Stellen
wir uns vor, es gäbe in beiden Staaten plötzlich eine kol-
lektive Amnesie, einen Gedächtnisverlust, und die Bezie-
hungen würden gewissermaßen mit einer Stunde null völ-
lig neu beginnen. Müssten wir dann den Stand dieser Be-
ziehungen bewerten, würden wir sagen: Sie sind recht gut,
wenn auch vielleicht nicht problemlos. Die Probleme, mit
denen man konfrontiert wird – wie sie mir kürzlich bei ei-
ner Veranstaltung der Jungen Europäer, der Jugendorga-
nisation der Europa-Union, vorgetragen wurden –, sind
eher solche des Alltags und das ist ein gutes Zeichen.

Zum Beispiel bewegt die Menschen jetzt, ob es wirk-
lich notwendig ist, dass man bei einem Kurzbesuch in der
Tschechischen Republik eine Reisekrankenversicherung
nachweisen muss, weil ansonsten hohe Gebühren nach-
gezahlt werden müssten. Man wird beispielsweise auch
mit Problemen unserer Bürokratie konfrontiert. So müs-
sen für einen Schüleraustausch von sieben Monaten
tschechische Schüler, die in Passau das Gymnasium be-
suchen, dreimal ein Visum beantragen, weil das Visum
jeweils nur für drei Monate erteilt wird. Auf diese Weise
entsteht diesen Schülern ein unnötiger Kosten- und Zeit-






(C)



(D)



(A)



(B)


aufwand für den von uns so sehr gewünschten Schüler-
austausch.

Aus der Wirtschaft – man erfährt dies, wenn man sich
in Prag mit Deutschen unterhält, die sich dort wirtschaft-
lich engagieren – gehen die Klagen eher dahin, dass die
Bürokratie zu langsam arbeite und es zu lange dauere, bis
man erforderliche Genehmigungen erhalte. Dort be-
kommt dann die deutsche Beamtenschaft ungeahnter-
weise auch einmal eine Anerkennung von Deutschen, die
sehen, dass bei uns vieles besser funktioniert, als das im
Alltag gesehen wird.

Ich will damit sagen: Die Probleme jenseits der großen
Politik sind heute erfreulicherweise eher Alltagspro-
bleme. Ansonsten gibt es eine vielfältige Zusammenarbeit
etwa in den Euregiones oder der Dreiländergesellschaft.
Es gibt eine gemeinsame Journalistenausbildung, wissen-
schaftliche Zusammenarbeit, Schüler- und Studentenaus-
tausch, Kulturaustausch, Städtepartnerschaften usw.

Ich stelle fest: Es gibt auf der tschechischen Seite eine
Gelassenheit gegenüber Ungeschicklichkeiten, die wir
begehen, die es vor zehn Jahren noch nicht gegeben hätte.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Wir sind gerade dabei, das
Stiftungsgesetz zur Entschädigung der Zwangsarbeite-
rinnen und Zwangsarbeiter durch die parlamentarischen
Gremien zu bringen. Dabei hat es die Bundesregierung in
ihrem Entwurf fertig gebracht, Folgendes für das Kurato-
rium vorzusehen: Es wird ein Kuratorium für diese Stif-
tung geben, das die Auszahlung der Gelder an die
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter überwacht und
den Zukunftsfonds, den es auch dort geben wird, in Gang
setzt. In diesem Kuratorium gibt es selbstverständlich
auch Vertreter der betroffenen Länder, also der USA und
Israels und unter anderem auch der Tschechischen Repu-
blik. Es ist ein Kuratorium mit insgesamt 20 Sitzen.

Die Bundesregierung hat es in beispielloser Unge-
schicklichkeit geschafft, in den Absatz 2 hineinzuschrei-
ben, dass das Kuratorium nach vier Jahren verkleinert
wird – da will man wohl ein wenig Bewirtungs- und
Reisespesen einsparen – und dass nach vier Jahren der
Vertreter der Tschechischen Republik diesem Kuratorium
nicht mehr angehören wird, sehr wohl aber der Vertreter
Polens, der Ukraine und anderer Staaten. Wie man das ir-
gendjemandem erklären soll, ist mir verborgen geblieben.
Als Parlamentarier haben wir jetzt die Aufgabe, dies wie-
der auszubügeln.

Sie werden verstehen, dass das in Prag sehr wohl re-
gistriert wird. Dort fragt man sich, was das soll. Es gibt
aber nicht mehr wie früher eine große öffentliche Aufge-
regtheit. Das ist der Unterschied, den ich darstellen
wollte, um zu zeigen, dass wir auf dem Weg zu einer
Normalisierung sind.

Es wäre aber selbstverständlich ahistorisch – ich
möchte dafür nicht plädieren –, wenn man die Vergan-
genheit völlig außer Betracht lassen würde. Die Aufgabe,
die jetzt vor allem vor uns liegt, ist die, die der deutsch-

tschechische Zukunftsfonds zu bewältigen hat. Man muss
tausend Blumen blühen lassen. Man muss die nachbar-
schaftlichen Beziehungen auf ein solides Alltagsfunda-
ment stellen.


(Beifall des Abg. Walter Hirche [F.D.P.])

Dann hat die große Politik die Chance, auf diesem Fun-
dament das Ihre beizutragen. Dazu gehört selbstverständ-
lich der Beitritt der Tschechischen Republik zur EU, den
wir ohne Wenn und Aber befürworten – hier stimme ich
Ihnen zu, Frau Vollmer – und den wir nicht in multilate-
ralen Verhandlungen an Bedingungen knüpfen dürfen, die
Sache bilateraler Verhandlungen sind.

Meine Damen und Herren, wenn sich das alles weiter-
entwickelt hat, wenn die Tschechische Republik Mitglied
der Europäischen Union ist, was – wie Herr Koschyk zu
Recht gesagt hat – wegen der Freizügigkeit und der
Niederlassungsfreiheit, die eines Tages kommen werden,
im Interesse der Vertriebenen ist, und wenn sich der Dis-
kussionsprozess insbsesondere bei den jungen Leuten in
Tschechien, den die Redner der Union heute geschildert
haben, fortentwickelt, dann werden eines Tages Probleme
gelöst werden, deren Lösung uns heute noch weit entfernt
scheint.


(Beifall bei der F.D.P.)

Meine Damen und Herren, deswegen ist es die Politik

der F.D.P., diesen Prozess in der Tschechischen Republik
mit Geduld – diese Geduld erbitten wir auch von den Ver-
triebenen und ihren Verbänden – zu fördern. Es ist klug,
dies zu tun. Es ist unklug, diesen Prozess zu behindern.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410905200
Für die Fraktion der
PDS spricht der Kollege Dr. Heinrich Fink.


Dr. Heinrich Fink (PDS):
Rede ID: ID1410905300
Sehr geehrter Herr Präsi-
dent! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der
Fraktion der CDU/CSU unter der Überschrift „Versöh-
nung durch Ächtung von Vertreibung“ bedeutet für mich
einen unverständlichen Schritt hinter die Deutsch-Tsche-
chische Erklärung zurück und erst recht zurück hinter die
Feststellung von Bundeskanzler Schröder und Minister-
präsident Zeman vom 8. März 1999.


(Beifall bei der PDS)

In den Jahren von 1938 bis 1945, der deutschen Okku-

pation der damaligen Tschechoslowakischen Republik,
wurden permanent Vertreibung und Selektion von Bür-
gern des Landes durch deutsche Besatzungsbehörden un-
ter rassistischem Verdikt wie Juden und Slawen vorge-
nommen. Außerdem wurden Tausende als Zwangsarbei-
ter nach Deutschland getrieben. Darum finde ich es eine
sehr merkwürdige und eigenwillige Geschichtsbe-
trachtung, wenn nun die Ächtung der Vertreibung von
Deutschen zur Voraussetzung für Versöhnung gemacht
wird.




Dr. Max Stadler

10301


(C)



(D)



(A)



(B)


Der Begriff Versöhnung hat nach wie vor biblisch-
religiöse Wurzeln und setzt Schuldanerkenntnis und
Schuldbekenntnis voraus. Da aber die Deutschen erst
nach der Befreiung von der deutschen Zwangsherrschaft
aus dem Protektorat Böhmen und Mähren vertrieben
worden sind, ist diese Vertreibung als eine bittere Folge-
erscheinung unendlicher Untaten durch das deutsche fa-
schistische Regime zu verstehen.


(Beifall bei der PDS)

Die Vertreibung der Sudetendeutschen kann darum nicht
aus dem Zusammenhang gelöst werden, den ich mit den
Namen Theresienstadt und Lidice andeuten möchte. Dies
stellt die Versöhnung in den Zusammenhang der histori-
schen Ereignisse. Die Opfer versöhnen sich mit den Tä-
tern, die als Folge des gescheiterten deutschen Erobe-
rungsfeldzuges nun selber zu Opfern wurden.

Wenn deutsche Vertriebene Entschädigungsansprüche
stellen, dann gehört es für mich zu den biblischen Bedin-
gungen für Versöhnung, dass es um die Ansprüche aller
gehen muss, die an einem Versöhnungsprozess beteiligt
werden müssen, also auch um die Ansprüche der noch Le-
benden, die sieben Jahre Ausplünderung ihrer Wirtschaft
und Kultur, die millionenfache Zerstörung von Lebens-
läufen miterleben mussten, weil die deutschen Her-
renmenschen sie zu Untermenschen degradiert hatten.

Für mich ist die deutsch-tschechische Bekundung vom
8. März 1999, in der beide Regierungen feststellen, „we-
der heute“ noch „in Zukunft“ Vermögensfragen in diesem
Zusammenhang aufzuwerfen, ein unwahrscheinlich groß-
zügiges Angebot der tschechischen Seite. Die im Juli
1945 erlassenen Benes-Dekrete gelten danach als erlo-
schen. Ich möchte aber auch darauf hinweisen, dass sich
dieses Gesetz der Benes-Regierung in erster Linie gegen
tschechische Kollaborateure gerichtet hat, die mit jahre-
langem Gefängnis und Entzug ihres Vermögens bestraft
wurden.

Ich möchte außerdem darauf hinweisen, dass es in
Punkt 1.2 des Benes-Dekrets heißt:

Personen deutscher oder magyarischer Nationalität,
die sich aktiv am Kampfe für die Wahrung der Inte-
grität und die Befreiung der Tschechoslowakischen
Republik beteiligt haben, wird das … Vermögen
nach Absatz 1 nicht konfisziert.

Es ist deutlich geworden, dass heute auch das Europä-
ische Parlament die Klärung der Fragen, die im Zusam-
menhang mit der Vertreibung der Sudetendeutschen nach
der Befreiung des Protektorats Böhmen und Mähren von
der deutschen Okkupation entstanden sind, als wichtigen
Schritt, nahezu als Bedingung für den Beitritt der Tsche-
chischen Republik zur EU wertet. Ich frage nun, wieso der
damalige Beitritt Deutschlands zur EU nicht von der Be-
dingung abhängig gemacht wurde, zuerst die ausstehen-
den Lohnzahlungen an die europäischen Bürger zu leis-
ten, die während der NS-Zeit zur Zwangsarbeit nach
Deutschland verschleppt worden waren.


(Beifall bei der PDS)

Im Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/

Die Grünen heißt es, dass beide Staaten ihre Beziehungen

„nicht mit aus der Vergangenheit herrührenden politi-
schen und rechtlichen Fragen belasten werden“. Wäre es
deshalb nicht wichtig, Gelegenheiten zu suchen, bei de-
nen zwischen Deutschland und Tschechien ausdrücklich
Fragen der Vergangenheit behandelt werden sollten, die
unausgesprochen auf den politischen Beziehungen lasten,
weil zum Beispiel wieder aufkommende neofaschistische
Positionen alte Narben schmerzen lassen?

Weil es für die Fraktion der PDS nur um eine kon-
struktive Weiterentwicklung der deutsch-tschechischen
Beziehungen gehen kann, lehnen wir den CDU/CSU-An-
trag ab und stimmen für den Antrag der Fraktionen der
SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen.


(Beifall bei der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410905400
Für die Bundesregie-
rung spricht der Staatsminister im Auswärtigen Amt,
Dr. Christoph Zöpel.

D
Dr. Christoph Zöpel (SPD):
Rede ID: ID1410905500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn feststellen, dass
sich die Bundesregierung nicht vorstellen kann, wer einen
Nutzen von der Annahme des Antrags der CDU/CSU ha-
ben könnte. Mir fällt kein Nutzen ein.


(Peter Hintze [CDU/CSU]: Das liegt aber weniger am Antrag und mehr an Ihnen!)


– Herr Hintze, allein dieser Zwischenruf zeigt, dass man
über den Charakter Ihrer Beiträge nachdenklich werden
muss.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Die Versöhnung zwischen Tschechen und Deutschen
ist aus vielfältigen Gründen eindeutig schwieriger als die
mit anderen Nachbarn in Osteuropa, zum Beispiel Polen.
Bundesregierungen, vor allem die letzte, haben – vor al-
lem mit der Deutsch-Tschechischen Erklärung – Wesent-
liches geleistet, um auf diesem Gebiet weiterzukommen.
Es war ein hartes Stück Arbeit, das von vielen vieles ver-
langt hat, sowohl von Menschen in Tschechien als auch
von Menschen in Deutschland. Die Arbeit hat zu einem
Ergebnis geführt: Es sind Gremien und finanzielle Mög-
lichkeiten – darauf komme ich gleich zurück – geschaffen
worden.

Die jetzige Bundesregierung bemüht sich mit der not-
wendigen Sensibilität und immer unter der Maßgabe, nie-
mandem zu schaden, das Erreichte weiterzuentwickeln.
Das, was Bundeskanzler Schröder und Ministerpräsident
Zeman über die Fortgeltung bestimmter Dekrete und über
Vermögensansprüche gesagt haben, war eine Weiterent-
wicklung, die hilft und trägt. Für die kommenden Monate
und Jahre sollten wir es dabei belassen.

Das, was Sie, Frau Kollegin Vollmer, über die Reak-
tionen in Tschechien auf den Antrag der CDU/CSU aus-
geführt haben, ist Realität. In einem sensiblen Verhältnis
ist es wichtiger, die in den Reaktionen zum Ausdruck




Dr. Heinrich Fink
10302


(C)



(D)



(A)



(B)


gebrachten Ängste aufzunehmen, die für die weitere Ent-
wicklung schädlich sein könnten, und keine noch so klu-
gen und nach dem Maßstab des Völkerrechts nicht von
vornherein falschen Überlegungen in aktuelle Bundes-
tagsresolutionen zu gießen. Da liegt das Problem.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin mir nicht sicher, ob bei der Abfassung eines sol-
chen Antrags immer über die Wirkungen auf Deutsch
sprechende Menschen in Tschechien nachgedacht wurde.
Es ist offen, zu welcher Nation diese Menschen gehören,
wenn sie etwa in Brünn leben. Gerade wenn die Gefühle
und das Denken von deutschen Staatsangehörigen, die
ehemals in Tschechien gelebt haben, berücksichtigt wer-
den – was erlaubt ist, Frau Kollegin Steinbach; darauf lege
ich als in Gleiwitz geborener Deutscher Wert –, muss man
darüber nachdenken, was das für deutschsprachige Men-
schen bedeutet, die noch heute in Tschechien wohnen.

Unsere Bewertung lautet: Sie hätten länger nachden-
ken sollen, bevor Sie einen solchen Antrag einbringen. Sie
wissen, dass er in Tschechien keine Wirkung erzielen
wird; stattdessen hat er dort Ängste und Schwierigkeiten
ausgelöst. Es ist kein guter Beitrag.

Das alles geschieht – daran sollten Sie sich erinnern –
nach den Wellen, die ein entsprechender Antrag in der
letzten Legislaturperiode in Polen ausgelöst hat. Mit wel-
chem Engagement musste die hochverehrte Präsidentin
der letzten Legislaturperiode, Frau Professor Süssmuth,
in Polen die Ängste und die Gefühle besänftigen, die ein
solcher Antrag ausgelöst hatte. Hierin liegt das Problem.

Die Bundesregierung ist dafür dankbar, dass SPD und
Bündnis 90/Die Grünen ihren Antrag, der der parlamen-
tarisch notwendigen Bewertung der tschechisch-deut-
schen Versöhnung entspricht, gestellt haben und dass er
angesichts der Mehrheitsverhältnisse mutmaßlich verab-
schiedet wird.

Wir sind in jeder Beziehung bemüht, das weiterzuent-
wickeln, was die vorige Bundesregierung mit der
Deutsch-Tschechischen Erklärung erreicht hat. Ich will
das würdigen. Sie hat unter schwierigen Bedingungen viel
erreicht. Herr Kollege Hintze, Sie nicken jetzt. Ich halte
das für eine angemessene Reaktion in diesem sensiblen
Bereich. Für manche Zwischenrufe gilt das nicht.

Wir entwickeln das Erreichte weiter. Wir verfolgen das
Ziel, das Verhältnis zwischen Tschechien und Deutsch-
land auf eine breitere Basis zu stellen. Das ist besser, als
den Fokus sehr stark auf das Verhältnis von Tschechen
und ehemals in Tschechien lebenden Menschen, die heute
überwiegend in Bayern leben und sich Sudetendeutsche
nennen, zu lenken.

Ich bin ausgesprochen dankbar dafür, dass ich mit dem
Vorsitzenden der Sudetendeutschen Landsmannschaft,
mit Herrn Landtagspräsidenten Böhm, in angemessener
Form darüber sprechen konnte, die Gremien der
deutsch-tschechischen Zusammenarbeit etwas zu „ver-
norddeutschen“. Auch das Verhältnis Westdeutschlands
zu Tschechien ist wichtig. Ich denke jetzt nicht an die Un-

terscheidung zwischen „Ossis“ und „Wessis“, sondern an
die Heimat von Karl Lamers.


(Dr. Max Stadler [F.D.P.]: Mit uns haben Sie aber nicht gesprochen!)


– Herr Stadler, Sie haben ein Recht, dass ich auf diesen
Zwischenruf eingehe. Jede Regierung handelt nach dem
Gesichtspunkt, wie die Repräsentanz der hier besonders
berührten Bevölkerung berücksichtigt werden kann. Die
jetzige handelt dabei aber ebenso wie die vorherige
gemäß den Mehrheiten in diesem Haus.


(Dr. Max Stadler [F.D.P.]: Ich wende mich nicht gegen das Ergebnis, sondern gegen den Stil!)


Soweit Parteien vertreten sind, wurden erstmals alle Par-
teien berücksichtigt. Die Rolle der CSU als eigene Partei
wurde dabei von uns gewürdigt. Das zeugt von unserem
Respekt vor Bayern, Herr Kollege Schmidt.

Mir war wichtig, an dieser Stelle meinen Respekt vor
Herrn Landtagspräsidenten Böhm auszudrücken, mit dem
man das besprechen konnte.

Wir werden das sensibel weiterentwickeln und hoffen,
dass wir in dem schwierigen Verhältnis Akzente setzen
können, um offener über die noch auf beiden Seiten mit
hoher Emotionalität belasteten Themen reden zu können.
Das ist viel schwieriger, als ich es mir vorgestellt hatte,
nachdem mir zum ersten Mal die Aufgabe zukam, das Ge-
sprächsforum zu leiten. Manche Klischees machen das
kompliziert. Wir werden unsere Bemühungen in ganz sen-
sibler Weise fortsetzen.

Jetzt komme ich, da aus meiner Sicht die Debatte zu
keinen Ergebnissen führt, wenn man nicht über konkretes
Handeln spricht, auf den Antrag an den deutsch-tsche-
chischen Zukunftsfonds, gegebenenfalls auch in Härte-
fällen Hilfen an Sudetendeutsche zu leisten, zu spre-
chen. In der Tat ist dieser Gedanke nicht neu. Er ist in die-
sem Gremium besprochen worden, auch schon zu der
Zeit, als mein Vorgänger, der heutige EU-Kommissar
Verheugen, seitens der Bundesregierung hierfür verant-
wortlich war. Ich stelle ausdrücklich fest: Über dieses An-
liegen Sudetendeutscher zu sprechen ist ohne jeden Zwei-
fel kein leeres Gerede. Man darf in einer Demokratie über
alles reden, was nicht gegen die Verfassung verstößt.

Es ist auch richtig, dass Herr Ministerpräsident Stoiber
Herrn Bundesminister Fischer diesbezüglich geschrieben
hat. Es ist richtig, dass Herr Bundesminister Fischer Herrn
Ministerpräsidenten Stoiber geantwortet hat. Er hat ge-
antwortet:

Ich rege daher an, dass, wie in allen anderen Fällen
auch, zunächst einmal ein Projektvorschlag beim
Fonds vorgelegt wird, der das von Ihnen angeregte
Sozialwerk hinsichtlich Kriterien, Kreis der Betrof-
fenen, Umfang konkretisiert. Ich bin sicher, dass der
Fonds auf dieser Grundlage und im Rahmen seiner
Möglichkeiten eine verantwortliche Entscheidung
im gemeinsamen Interesse beider Länder treffen
wird, falls er es für notwendig erachtet, auch im Kon-
takt mit den Regierungen.




Staatsminister Dr. Christoph Zöpel

10303


(C)



(D)



(A)



(B)


Die Mitglieder des Fonds haben es für notwendig er-
achtet, diesen Kontakt mit den Regierungen aufzuneh-
men. Im Kontakt mit den Mitgliedern des Fonds ist die
Bundesregierung, die sich dabei wieder eng mit der tsche-
chischen Regierung abgestimmt hat, zu der Auffassung
gelangt, dass sie diesen konkreten Antrag nicht für nütz-
lich hält. Ohne irgendjemanden in Anspruch zu nehmen:
Ich habe mich auch mit Repräsentanten unseres politi-
schen Systems außerhalb der Bundesregierung beraten,
die mir darin zugestimmt haben, dass dieser Antrag nicht
nützlich ist. Das haben wir dem Verwaltungsrat des Fonds
gegenüber zum Ausdruck gebracht und den Fonds gebe-
ten, diesen Antrag nicht zu behandeln und ihm nicht zu-
zustimmen. Der Fonds ist dieser Bitte der beteiligten Re-
gierungen nachgekommen. Ich möchte an dieser Stelle
ausdrücklich Herrn Gabert danken, mit dem ich darüber
diskutiert habe und der sich dieser Linie entsprechend
verhalten hat. Das ist jetzt der Stand.

Das weitere Vorgehen der Bundesregierung – ich wie-
derhole an dieser Stelle, was bekannt ist – wird so ausse-
hen, dass sie mit Repräsentanten sudetendeutscher Ver-
bände hierüber sprechen wird.


(Karl Lamers [CDU/CSU]: Das ist sehr gut!)

Ich wiederhole, dass ich – das habe ich Herrn Minister-
präsidenten Stoiber, als ich ihn in einem anderen Zusam-
menhang traf, gesagt – auch mit der Bayerischen Staats-
regierung darüber sprechen werde.

Wir haben einen Maßstab, den ich hier expliziert habe:
Wir können über einen solchen Antrag nur sprechen,
wenn dessen öffentliche und verfahrensmäßige Behand-
lung nicht zu Irritationen im tschechisch-deutschen Ver-
hältnis führt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dazu ist es sinnvoll, verschiedene Stimmen aufzuneh-
men, die es in Tschechien dazu gibt. Dazu ist es sinnvoll,
sich mit der tschechischen Regierung eng abzustimmen.
Ich bin Herrn Botschafter Cerny dankbar dafür, dass er
mir gesagt hat, die tschechische Regierung sei dazu bereit.

Das ist die Position, die wir heute haben. Wir werden
sie jetzt umsetzen.

Jeder – das will ich an dieser Stelle sagen –, der über
das Verhältnis Deutschlands zu Tschechien spricht,wo
auch immer, hier in diesem Hause, auf Verbandstagen, auf
Parteitagen, auf für die Parteien relevanten Kundgebun-
gen – es ist immer legitim, dass man Kundgebungen
durchführt, die dazu beitragen, dass man Stimmen ge-
winnt; davon lebt die Demokratie, das soll man nicht ver-
ächtlich machen –, sollte auf dieses sensible Verhältnis
Rücksicht nehmen; denn je lauter man spricht, umso we-
niger wird von dem erreicht, was man will. Das weiß man
auch. Das ist meine herzliche Bitte. Das gilt auch für den
Verbandstag der Sudetendeutschen.

Eine letzte Bemerkung: Wir brauchen ein neues Ver-
hältnis zur Identität von Menschen und auch zur Identität
der Vorfahren dieser Menschen.

Ich mache eine persönliche Schlussbemerkung: Ich
habe erwähnt, dass ich in Gleiwitz geboren bin. Aus Grün-
den, die ich nicht mehr kenne, weil ich damals sehr jung
war, haben meine Eltern den Eindruck gehabt, mit Ver-
triebenenverbänden zusammenzuwirken sei sinnlos und
bringe nichts. Ich fand das sehr gescheit, ich habe das sel-
ber nie gemacht, habe auch vieles nicht begriffen, was
diese Verbände tun. Zu meinem politischen Weg gehört,
dass ich unter den kritischen Augen Herbert Wehners für
die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze gestritten habe.

Aber dass ich damit zu meiner Identität und der meiner
Familie zähle, dass es die Stadt Gleiwitz gibt, die der Stadt
Herne verdammt ähnlich sieht, wenn man hindurchgeht


(Monika Ganseforth [SPD]: Sie wird in diesem Jahr 750 Jahre alt!)


– Frau Kollegin, Sie stammen auch aus dieser schönen
Stadt –, das alles bleibt eine Tatsache und das lässt sich
nicht wegdiskutieren.

Die Lösung ist mir seit dem Geschichtsunterricht be-
kannt und sie beginnt, sich zu erfüllen. Wir hatten einen
offenkundig weitsichtigen Deutschlehrer, der 1956, also
vor Gründung der EU, von einem deutsch-polnischen
Kondominium sprach. 1956! Die EU ist die Verwirkli-
chung dieser Idee.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich glaube, für all das, was wir hier diskutieren – des-
halb hat auch die Entschließung des Europäischen Par-
laments eine ganz andere Funktion, als wenn dies der
Deutsche Bundestag täte –, ist es notwendig, dass Deut-
sche und Tschechen und Polen und Österreicher und
Ungarn und Slowenen und Slowaken – es ist jetzt fast
vollzählig, aber auch die anderen sind mit gemeint – ihr
Verhältnis zueinander unter einem gemeinsamen Rechts-
system regeln, an dem sie mitwirken.

Ich kann mir vorstellen, dass Entschließungen des Eu-
ropäischen Parlaments, bei deren Diskussion tschechi-
sche Abgeordnete mitwirken konnten, vielleicht zu Er-
gebnissen kommen, die in einer historischen Bewertung
des Völkerrechts dem nahe kommen, was heute hier von
Ihnen formuliert wird. Aber es ist etwas völlig anderes, ob
das heute in einer vom Effekt her nutzlosen Weise der
Deutsche Bundestag formuliert oder ein europäisches
Parlament unter Mitwirkung tschechischer Abgeordneter.
Das sind die Chancen, die Europa bietet.

Für mich ist die europäische Gesamtintegration, die
Einbeziehung Polens, Tschechiens, der Slowakei und an-
derer Länder, der einzige Weg aus all dem Unheil, das im
Osten Europas etwa seit den Kriegen, die Friedrich der
Große und Maria Theresia geführt haben, entstand, das
über die Teilung Polens weiterging und dann zu vielerlei
Unrecht führte. Keines kann durch das andere aufgewo-
gen und keines durch das andere relativiert werden. Das
geht nicht. Vielleicht ist das deutsche, systematisch an Ju-
den begangene Unrecht das einzige, das unvergleichlich
unerträglich ist. Aber alles andere kann nicht aufgewogen
und nicht relativiert werden.




Staatsminister Dr. Christoph Zöpel
10304


(C)



(D)



(A)



(B)


Die europäische Gesamtintegration ist der einzige
Weg, dieses Unheil zu überwinden. Bis dahin sollte man
sich zurückhalten, vorsichtig sein, leise reden, Fehler ver-
meiden, sensibel bleiben. Das ist meine Bitte.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410905600
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, das ist eine schwierige Materie und der am-
tierende Präsident greift auch nicht gern ein, wenn Regie-
rungsvertreter sprechen. Aber es erleichtert natürlich die
parlamentarischen Abläufe, wenn die angemeldeten Re-
dezeiten einigermaßen eingehalten werden und nicht die
doppelte oder dreifache Redezeit in Anspruch genommen
wird. Das ergibt auch immer ein Problem für die betrof-
fene Fraktion. Ich wollte nach den gestern gemachten Er-
fahrungen – jeder weiß, worum es geht – darauf noch ein-
mal hingewiesen haben.

Nun gebe ich das Wort der Kollegin Katherina Reiche
von der CDU/CSU-Fraktion.


Katherina Reiche (CDU):
Rede ID: ID1410905700
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! In dieser Debatte beschäftigen
wir uns mit dem immer engeren Zusammenwachsen zwi-
schen Deutschland und unseren osteuropäischen Nach-
barn. Lassen Sie mich zu Beginn eines ganz deutlich un-
terstreichen: Die CDU/CSU war, ist und bleibt ein ver-
lässlicher Partner unserer Nachbarn Polen und Tschechien
auf ihrem Weg in die Europäische Union.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es gibt für uns kein Junktim zwischen historischen Fra-
gen und dem Beitritt der mittel- und osteuropäischen
Staaten, den wir voll und ganz unterstützen.

Die Erweiterung der Europäischen Union ist eine
historische, wirtschaftliche, politische und kulturelle Not-
wendigkeit. Die Aufnahme der mittel- und osteuropä-
ischen Staaten ist zudem moralische Verpflichtung; denn
ohne den Mut der Menschen in Polen, Ungarn und Tsche-
chien wäre der Eiserne Vorhang des Kommunismus nicht
gefallen. Ebenso wie die Menschen in den neuen Ländern
trugen sie dazu bei, dass Freiheit und Demokratie in Ost-
europa Einzug hielten.

Polen und Tschechien gehören so selbstverständlich
wie jedes der heutigen Mitglieder der EU zu einem ver-
einten Europa. Dass es bei Vereinigungsprozessen auch
Umwege und Sackgassen gibt, damit haben wir Deut-
schen in den letzten Jahren viele Erfahrungen gemacht.
Als Abgeordnete aus Brandenburg bin ich seit nunmehr
zehn Jahren Zeugin eines Einigungsprozesses, der Wie-
dervereinigung Deutschlands. Es gibt Stimmen, die sa-
gen, die Wiedervereinigung Deutschlands sei nicht ver-
gleichbar mit der Osterweiterung der Europäischen
Union. Diesen Stimmen widerspreche ich mit aller Deut-
lichkeit. Die Integration unserer osteuropäischen Nach-
barn verstehe ich als die Wiedervereinigung Europas, das
ein Europa der Menschenwürde, der Freiheit und des
Rechts sein wird. Alle postkommunistischen Reformlän-

der haben ihre Transformation an der freiheitlichen Ver-
fassung und an einer aktiven Bürgergesellschaft orien-
tiert. Mit Mut und Entschlossenheit setzen sich die Men-
schen in Osteuropa dafür ein, dass unser Kontinent von
Frieden, Demokratie und Prosperität geprägt ist. Dafür
schulden wir diesen Ländern Dank.

Die Wiedervereinigung Deutschlands und Europas
sind also vergleichbare Prozesse und die Menschen in
Ostdeutschland sind in beiden Fällen geographisch und
historisch unmittelbar betroffen. Mein Kollege Günter
Nooke hat an anderer Stelle betont, dass die Ostdeutschen
deshalb mit ihren speziellen Erfahrungen mit einer kom-
munistischen Diktatur und einer friedlichen Revolution
ein wichtiger Ratgeber für die europäische Integration
sein können. Es sind diese Erfahrungen, die im Wesentli-
chen in den vorliegenden Antrag eingeflossen sind.

Die wichtigste dieser Erfahrungen war und ist für mich
die Bedeutung, sich der eigenen Geschichte mit all ihren
Facetten offen und ehrlich zu stellen. Wenn durch politi-
sche Diktaturen getrennte Menschen nach langer Zeit
wieder zusammenfinden sollen, kann es keinen Platz für
Tabus und weiße Flecken in der Geschichtswahrnehmung
geben. Vielmehr müssen wir lernen, uns mit bis dato ta-
buisierten Themen auseinander zu setzen.

Die Ostdeutschen mussten zum Beispiel lernen, dass
die Verbrechen des Nationalsozialismus auch Teil ihrer
Geschichte sind und dass ihnen daraus eine historische
Verantwortung erwächst. Der Mythos des DDR-Antifa-
schismus hatte jahrzehntelang propagiert, die Aufarbei-
tung und die Übernahme von Verantwortung für die
schrecklichen Folgen des Nationalsozialismus seien eine
rein westdeutsche Angelegenheit und somit sei auch nur
von Westdeutschen die politische Verantwortung für diese
Zeit zu übernehmen. Wir Ostdeutschen lernen, dass auch
wir uns der Verantwortung aus der Geschichte stellen
müssen. Das ist nicht leicht, aber notwendig.

Auch die geschichtliche Aufarbeitung der zweiten Dik-
tatur auf deutschem Boden im letzten Jahrhundert stellt
ganz Deutschland vor große Herausforderungen. Ich setze
mich für eine tiefe und in der Öffentlichkeit geführte
Diskussion über die Zeit der SED-Diktatur ein. Denn nur,
wenn sie glaubwürdig geführt wird, trägt sie zur inneren
Einheit bei.

Damit sich Ost- und Westdeutsche, aber auch Ost-
deutsche untereinander wieder ohne Misstrauen begegnen
können, gehört die Aufklärung über die Verbrechen der
SED-Diktatur in jeden historischen Lehrplan.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Joachim Gauck hat kürzlich noch einmal den Grundsatz
betont, dass der Anspruch der Opfer auf Aufklärung Vor-
rang vor den Persönlichkeitsrechten der Täter habe. Auf-
klärung und das Beim-Namen-Nennen von Verbrechen
bedeuten den Opfern mehr als die Bestrafung der Täter.

Dieser Ansatz des offenen und selbstkritischen Um-
gangs mit der eigenen Geschichte ist es, den wir mit un-
serem Antrag fördern wollen. Die millionenfache Vertrei-
bung und das unbeschreibbare Leid der Deutschen aus
Osteuropa sind Teil der polnischen und tschechischen




Staatsminister Dr. Christoph Zöpel

10305


(C)



(D)



(A)



(B)


Geschichte. Die Vertreibung war in Ostdeutschland vor
1989 ein Tabu. Das darf sie nicht wieder werden – wissen
wir heute doch, dass auch Millionen Polen ihre Heimat im
Osten Polens verloren haben. Wir alle, Polen und Tsche-
chen ebenso wie Deutsche und deutsche Vertriebene, dür-
fen nicht vergessen. Nur dann können wir uns wirklich
verstehen und das müssen wir auch wollen. Dazu müssen
alle Beteiligten aufeinander zugehen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn es einzelne unakzeptable Äußerungen die Auf-

arbeitung der Geschichte der Vertreibung betreffend gibt,
sollten diese Äußerungen von den Vertriebenenverbänden
öffentlich überdacht und klargestellt werden. Das trägt zur
Glaubwürdigkeit des Anliegens der Verbände bei. Polen
und Tschechen sollten positive Initiativen von Vertriebe-
nenorganisationen anerkennen.

Ich möchte es nicht versäumen anzusprechen, dass hier
meiner Meinung nach zwischen der Republik Polen und
der Tschechischen Republik zu unterscheiden ist. Die
deutsche Minderheit in Polen ist anerkannt. Sie ist sowohl
politisch als auch gesellschaftlich integriert. Auch die
Vertreibung von Deutschen aus Polen wurde immer wie-
der mit tiefem Bedauern von hochrangigen polnischen
Persönlichkeiten thematisiert – so von der polnischen
Bischofskonferenz 1952 und 1995 vom damaligen polni-
schen Außenminister Bartoszewski. Im Gegensatz dazu
lastet das Festhalten der tschechischen Regierung an den
Benes-Dekreten schwer auf den Beziehungen zu Deutsch-
land.

Das Aufeinanderzugehen gilt vor allem für die junge
Generation, die das Europa dieses Jahrhunderts gestalten
wird. Es bedarf geeigneter Foren, um sich diesem Kampf
gemeinsam zu widmen und das Aufeinanderzugehen im
historischen Zusammenhang im Bewusstsein der jungen
Generation in Deutschland sowie in Polen und Tschechien
zu verankern. Dazu können die Vertriebenen durch die
Vermittlung ihrer Erfahrungen einen wertvollen Beitrag
leisten. Denn das Thema der Vertreibung ist in seiner
ganzen europäischen Dimension auch in Deutschland
längst nicht überall bekannt. Der Verlust der Heimat von
Millionen Polen nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges
ist bei vielen Deutschen ein ebenso unbekanntes Faktum
wie bei vielen Polen die Tatsache, dass die Vertreibung
der Deutschen weit vor der Potsdamer Konferenz im Au-
gust 1945 begann.

Was können geeignete Foren bzw. Orte der Diskus-
sion sowie des Zusammenkommens sein? Zum Beispiel
könnte das Deutsch-Polnische Jugendwerk bei seinen
Fahrten und Seminaren durchaus auf das Thema der
Vertreibung eingehen. Mit der zusammen mit der „Frank-
furter Allgemeinen Zeitung“ und der polnischen Zeitung
„Rzeczpospolita“ gestarteten Initiative des Institutes
IZOP, die sich zum Ziel gesetzt hat, junge Polen und junge
Deutsche zusammenzubringen, könnte auch hier ein Bei-
trag geleistet werden. An der Viadrina, am Center for Ad-
vanced Central European Studies, ist eine Studie mit dem
Titel „Im Jahrhundert der Flüchtlinge – Umsiedlung und
Vertreibung im Gedächtnis der europäischen Völker“
durchgeführt worden. Auch die Ergebnisse dieser Studie
sollten in die breite Öffentlichkeit getragen werden.

Meine Damen und Herren, als Ostdeutsche habe ich
gelernt, zwischen der inneren und der äußeren Einheit
zu differenzieren. Die deutsche Einheit ist äußerlich
längst geglückt und im Inneren nach vielen – auch
schmerzlichen – Erfahrungen auf einem guten Weg. Die
äußere Einheit Europas, insbesondere die Integration un-
serer osteuropäischen Nachbarn, ist für uns alle eine ak-
tuelle Aufgabe. Das Zusammenwachsen Europas nach in-
nen wird viel Zeit in Anspruch nehmen. Es gilt, noch eine
Vielzahl gegenseitiger Ängste abzubauen. So besteht in
Deutschland eine diffuse Angst vor einer möglichen
Schwemme von billigen Arbeitskräften. Die Polen hinge-
gen befürchten einen Ausverkauf von Land und Gut durch
Deutsche.

Die Zukunft – davon bin ich überzeugt – wird diese
Ängste abbauen. Die Zukunft können wir jedoch nur ge-
stalten, wenn wir miteinander sprechen, und zwar über
Erfolge, Ängste und auch über das Unrecht der Vertrei-
bung. Solange aber historische Tabus bestehen bleiben,
wird das Misstrauen von Generation zu Generation wei-
tergegeben. Die Generation, die die kommunistische Dik-
tatur friedlich besiegte, hat die einmalige Chance, dieses
Misstrauen durch Offenheit und Selbstkritik zu überwin-
den. Meine Erfahrungen mit jungen Menschen in Polen
und Deutschland geben mir dafür sehr viel Zuversicht.

Der Staat, so Joachim Gauck kürzlich, muss der Ver-
söhnung dienen, aber er kann sie nicht machen. Das bleibt
den Menschen in Polen, Tschechien und Deutschland
überlassen. Dazu soll unser Antrag einen Beitrag leisten.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410905800
Für die SPD-Frak-
tion spricht der Kollege Gert Weisskirchen.


Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID1410905900
Herr Präsi-
dent! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gern
eine Bemerkung zu dem Begriff machen, den drei Kolle-
ginnen und Kollegen – die eine indirekt, die beiden ande-
ren direkt – gebraucht haben, und zwar zu dem Begriff der
Identität. Ich sage das als Westdeutscher; ich bin nicht in
Osteuropa oder in Mittelosteuropa geboren.

Ich finde, dass Konrad György an diesem Punkt völlig
Recht hat. Er hat gesagt: Wenn ich den Begriff „Identität“
höre, dann erschrecke ich. – Warum sagt er das? Weil der
Begriff der Identität so eng an nationale Perzeptionen, an
Bilder, die mit Staaten zusammenhängen, gebunden wird.
Zu viel psychische Aufgeladenheit durch die schwierige
individuelle Geschichte, die hinter uns liegt, könnte die
Folge sein.

Ich meine, wir sollten mit diesem Begriff vorsichtig
sein und darüber nachdenken, liebe Frau Steinbach – sie
ist jetzt nicht mehr da –, ob wir im Zusammenhang mit
Identität nicht auch über Vaclav Havel reden sollten, der
an der Universität in Regensburg gesagt hat: Ich verurteile
die Vertreibung. – Diese Aussage ist sehr klar, sehr prä-
zise, sehr deutlich. Sie erinnert daran, dass es Trauerarbeit
gibt, die selbst in Angriff genommen und selbst bewältigt
werden muss.




Katherina Reiche
10306


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich finde, dass es wichtig ist – da stimme ich Staatsmi-
nister Zöpel völlig zu –, an dem Ziel festzuhalten, das die
Vorgängerregierung gesetzt hat. Lieber Kollege Lamers,
ich fand die Deutsch-Tschechische Erklärung damals
wirklich ermutigend, mit der Sie Vertrauen zwischen
Menschen und zwischen Staaten geschaffen haben. Das
ist das Wichtigste, um das es geht. Liebe Kolleginnen und
Kollegen, ich bitte darum, dass wir an diesem wichtigsten
Ziel festhalten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn man Vertrauen schaffen will, dann darf man
nicht rückwärts gewandt an utopischen Verankerungen
festhalten, Frau Steinbach, was manche Vertriebenenver-
bände manchmal tun – Sie gestatten diese Kritik –, son-
dern man muss nach vorne gerichtet die Realität so ge-
stalten, dass Vertrauen zwischen Menschen, zwischen
Gruppen und zwischen Staaten möglich wird. Die wich-
tigste Aufgabe, die wir als Politiker zu erfüllen haben, ist,
Vertrauen zu schaffen, damit das, was in der Vergangen-
heit geschehen ist – es war schrecklich genug –, nie wie-
der geschehen kann. Deswegen bitte ich darum, dem Vor-
schlag der Koalitionsfraktionen zuzustimmen und den
Antrag der CDU/CSU abzulehnen. Meine Fraktion wird
das jedenfalls tun.

Ich bin von Petr Uhl ermutigt worden, einem guten al-
ten Freund, den ich seit 1983 kenne. Er hat gesagt: Neben
der Schaffung von Vertrauen kommt es darauf an, Mo-
delle der Versöhnung zu entwickeln, dafür zu sorgen,
dass Menschen miteinander reden, dass sie zum Beispiel
dem wunderbaren Gedanken von Bohumil Doležal zu-
stimmen, der sich dafür ausspricht, in der Tschechischen
Republik bürgerschaftlich, gesellschaftlich einen Versöh-
nungsfonds einzurichten. Warum sollten nicht auch wir
Deutschen uns als Individuen daran beteiligen und dafür
sorgen, dass über einen solchen Fonds auch Härtefälle
von Sudetendeutschen mitfinanziert werden können? Sol-
che Modelle der Versöhnung sind wichtig. Sie öffnen den
Blick für die gemeinsame europäische Zukunft.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410906000
Ich gebe dem Kolle-
gen Karl Lamers, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


Karl Lamers (CDU):
Rede ID: ID1410906100
Herr Präsident! Verehrte
Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister, ich bitte
Sie, sich wirklich zu überlegen, ob Sie den Antrag einer
Fraktion dieses Hauses noch einmal in derart oberlehrer-
hafter Manier zurückweisen. Ich finde, das ist nicht ange-
messen.

Ich glaube, dass die Diskussion, die wir hier aufgrund
unseres Antrages geführt haben – denn Ihrer war eine Re-
aktion auf unseren Antrag –, zeigt, wie gut es ist, dass wir
diese Initiative ergriffen haben. Auch das, was Sie nach-
her gesagt haben, bestätigt dieses mein Urteil über die
Nützlichkeit dieser Debatte. Sie haben – ganz anders als
Frau Vollmer – den Vorgang der Entschädigungsforde-

rungen nicht für Vermögensfälle, sondern für soziale Här-
tefälle der sudetendeutschen Landsmannschaft und die
Geschichte der Entstehung dieser Forderung geschildert.
Ich füge meinerseits freimütig hinzu: Es wäre vielleicht
nützlicher gewesen, über den Inhalt dieser Forderung,
dieses Antrags, vorher miteinander zu reden. Aber es ist
doch ganz klar, Frau Vollmer, dass der Außenminister –
Herr Zöpel hat das Gott sei Dank im Wortlaut vorgele-
sen – den Sudetendeutschen gesagt hat, der Fonds sei das
richtige Instrument. Er hatte dabei nicht eine Abweisung,
sondern eine Befassung und potenziell sogar eine positive
Befassung im Sinne.


(Dr. Antje Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Niemals!)


So habe ich das verstanden, was Sie hinzugefügt haben,
Herr Zöpel.

Das ist deswegen so ungewöhnlich wichtig, weil die
Erfüllung einer solchen Forderung eine zeichenhafte,
symbolische Wiedergutmachung wäre, auf die es ei-
gentlich ankommt. Dem, was Sie gesagt haben, Herr
Zöpel, entnehme ich die Zuversicht, dass es auch mit Un-
terstützung der Bundesregierung noch gelingen kann, dies
ins Werk zu setzen. Gelänge es, könnte das – ich sage es
mit Vorsicht – so etwas wie ein psychologischer Durch-
bruch sein.

Deswegen bitte ich Sie sehr herzlich, in diesem Sinne
zu wirken; denn es geht nicht um das Materielle, son-
dern – ich sage nicht: um das Psychologische – um das
Seelische.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es geht, wie Sie alle wissen, um das verletzte Rechtsge-
fühl. Das haben auch Sie, Frau Ernstberger, sinngemäß
gesagt. Frau Kollegin Steinbach hat nicht nur heute hier,
sondern auch bei vielen anderen Gelegenheiten – bei-
spielsweise auch in Polen – in diesem Sinne gesprochen.
Wenn das unsere gemeinsame Auffassung ist, dann hätten
wir aus dieser Debatte großen Nutzen gezogen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410906200
Herr Kollege
Lamers, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kolle-
gin Vollmer?


Karl Lamers (CDU):
Rede ID: ID1410906300
Ja, bitte.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410906400
Frau Kollegin
Vollmer.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410906500

Herr Kollege Lamers, ich möchte nachfragen, ob Sie
wirklich glauben, dass es als symbolische Geste notwen-
dig sei, 4 000 DM an Menschen zu geben, die sicherlich
ein schweres Schicksal hatten, die dann aber 50 Jahre lang
in einer gelungenen Demokratie mit all ihren Freiheiten
und sozialen Rechten und Sicherheiten leben konnten?
Meinen Sie wirklich, dass Sie deren Wünsche auf eine
materielle Forderung von 4 000 DM reduzieren können
und dass das der Stein der Weisen ist, mit dem wir Ruhe
finden?




Gert Weisskirchen (Wiesloch)


10307


(C)



(D)



(A)



(B)



Karl Lamers (CDU):
Rede ID: ID1410906600
Ich wiederhole, was ich
gesagt habe: Wenn es um symbolische, zeichenhafte Wie-
dergutmachung geht, spielt die Höhe des Betrags keine
Rolle. Wenn die Betroffenen selber das für angemessen
halten, dann meinen sie ja ganz offensichtlich, dass der
Betrag angemessen, hoch genug sei. Natürlich ist es keine
eigentliche Wiedergutmachung; in der Frage der Vertrei-
bung kann es auch gar keine Wiedergutmachung im Sinne
einer Wiederherstellung des früheren Zustandes geben.
Jedermann weiß, dass dies völlig ausgeschlossen ist. Eben
deswegen kommt es auf das Symbolische an.

Frau Kollegin Vollmer, lassen Sie mich bei dieser Ge-
legenheit sagen, dass ich seinerzeit Ihr Engagement und
Bemühen, Ihr Verhältnis und das Ihrer Partei zu den Ver-
triebenen auf eine bessere Grundlage zu stellen, sehr ge-
schätzt und unterstützt habe. Aber heute habe ich den Ein-
druck, dass Sie das eigentlich nur taten, um die Vertriebe-
nen gewissermaßen ruhig zu stellen, und nicht, um ihrem
Anliegen wirklich zu entsprechen.

Damit komme ich zu der Geschichte der Deutsch-
Tschechischen Erklärung. Sie wissen, dass ich darin
sehr involviert war. Deswegen wissen Sie auch genauso
wie ich, dass es auf beiden Seiten große Vorbehalte gab,
weil man auf beiden Seiten die Befürchtung hatte, es
könnten Erwartungen geweckt werden, die nicht erfüllt
werden können. Das ist leider bislang der Fall. Aber das
Entscheidende an der Deutsch-Tschechischen Erklärung
ist die Einrichtung des Gesprächsforums und des Zu-
kunftsfonds. Diese müssen wir umsetzen, und in diesem
Prozess befinden wir uns.

Ich möchte jetzt einen letzten Gedanken, an dem mir
sehr liegt, aufgreifen und damit an das anknüpfen, was
Frau Kollegin Reiche hier – wie ich finde, sehr überzeu-
gend – vorgetragen hat. Im Maastrichter Vertrag steht,
dass die Völker Europas zu einer immer enger zusam-
menwachsenden Union derVölkerwerden sollen. Genau
das ist der Punkt, und deswegen ist ganz klar: Die Vor-
bedingung darf nicht lauten, bestimmte Dinge müssen in
Tschechien und Polen bereinigt werden, damit diese Län-
der Mitglied in der Europäischen Union werden können.

Aber für das Zusammenwachsen der Völker ist es
natürlich erforderlich, dass man beispielsweise eine ge-
setzliche Regelung, in der von „gerechter Vergeltung“ die
Rede ist – das ist das so genannte, berühmte Amnestiege-
setz –, eliminiert. Ich darf daran erinnern, dass niemand
anders als der aus Ihren Reihen stammende ehemalige
Kollege Verheugen den Tschechen den, wie ich finde,
guten Rat gegeben hat, so etwas zu eliminieren, weil es in
der Tat mit den Rechts- und Wertvorstellungen der Euro-
päischen Union nicht übereinstimmt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es geht letzten Endes um die Bestätigung eines alten

Grundsatzes: Wer mit sich selbst nicht im Reinen ist,
kommt auch mit seinen Nachbarn nicht zurecht. Mit sich
selbst im Reinen ist nicht, wer mit seiner Geschichte nicht
im Reinen ist. Derjenige kommt auch mit seinen Nach-
barn nicht zurecht. Deswegen wünsche ich mir im Inte-
resse der Tschechen – noch mehr als im Interesse der Po-
len –, dass sie mit ihrer eigenen Geschichte ins Reine

kommen. Dann sind die Voraussetzungen dafür, dass sie
auch mit uns in der Europäischen Union zu einer immer
enger werdenden Union der Völker zusammenwachsen,
sehr gut.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410906700
Zu einer Kurzinter-
vention


(Zurufe von der SPD und der CDU/CSU: Oh, nein!)


gebe ich dem Kollegen Dr. Helmut Lippelt das Wort.


Dr. Helmut Lippelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410906800

Verehrte Kollegen, ich habe mich durch den Beitrag von
Herrn Lamers veranlasst gesehen, noch einmal eine
grundsätzliche Denkfigur, die unseren Missverständnis-
sen zugrunde liegt, anzusprechen. Herr Lamers, Sie haben
soeben von der Notwendigkeit der Hilfe, die wir geben
müssen, gesprochen, damit die Tschechen mit ihrer Ge-
schichte in Einklang kommen. Ich glaube, das Problem
liegt darin, dass auch wir mit unserer Geschichte in Ein-
klang kommen müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich habe gestern nicht umsonst einen fatalen Zungen-
schlag bei Frau Steinbach öffentlich kritisiert, ich habe
ihn auch zitiert. Ich finde ihn nun in der Überschrift Ihres
Antrags wieder, und das ist auch der Hintergrund, warum
wir mit Ihren Anträgen nicht klarkommen.

Ich möchte deshalb noch einmal auf folgenden Punkt
zurückkommen: Wenn in einer absolut begründeten Dar-
stellung der Leiden der Deutschen in Ostdeutschland,
die zum Teil geflüchtet, zum Teil vertrieben und zum Teil
unter brutalen Umständen ausgesiedelt worden sind,
diese mit Deportationen in KZs gleichgestellt werden,
die deutsche Verbrecher – das ist in dem Artikel von Frau
Steinbach namentlich belegt – vorgenommen haben – ich
möchte auf diese Gleichstellung mit den Deportationen
hinweisen; denn das ist der Punkt –, wenn nicht gesehen
wird, dass die Aussiedlung, die die Tschechen betrieben
haben, mit dem Wissen der Potsdamer Konferenz ge-
schah, wenn also nicht gesehen wird, dass hier ein Zu-
sammenhang zwischen deutscher Kriegsverschuldung
und einem Ende, das auch viele sehr unschuldig getroffen
hat, besteht, dass hier ein tiefer, historischer Bruch besteht
und eine historische Grenze gezogen werden muss, dann
werden Sie immer wieder mit solchen Anträgen kommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich noch eines dazu sagen: Weshalb ist

unser Verhältnis zu Polen so gut? – Es ist so gut, weil Sie
das Verhältnis regeln mussten; denn damit hing die Wie-
dervereinigung zusammen. Warum ist das Verhältnis zu
den Tschechen so schlecht? – Es ist so schlecht, weil die
Regelung dieses Verhältnisses nicht in den gleichen
historischen Kontext gestellt worden ist. Wären die
Tschechen als Nachbarn in Vier-plus-Zwei einbezogen






(C)



(D)



(A)



(B)


worden, würden Sie heute nichts mehr sagen, würde es
solche Anträge nicht mehr geben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber Sie haben das geschichtliche Bewusstsein nicht.
Deshalb empört es mich so sehr. Sie sprechen von einem
symbolischen Durchbruch. Was wird durchbrochen? Et-
was, was wir selbst verschuldet haben. Das können wir
nicht zulassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410906900
Ich schließe die Aus-
sprache.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussemp-
fehlung des Auswärtigen Ausschusses zu Tagesordnungs-
punkt 19 a, betreffend den Antrag der Fraktion der
CDU/CSU mit dem Titel „Versöhnung durch Ächtung
von Vertreibung“, Drucksache 14/3203. Der Ausschuss
empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 14/1311 abzuleh-
nen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Ge-
genprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung
ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der
CDU/CSU angenommen.

Tagesordnungspunkt 19 b: Beschlussempfehlung des
Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktionen
von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Weiterentwick-
lung der deutsch-tschechischen Beziehungen, Drucksa-
che 14/3164. Der Ausschuss empfiehlt, dem Antrag auf
Drucksache 14/1873 zuzustimmen. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? –
Die Beschlussempfehlung ist mit der gleichen Stimmen-
mehrheit wie beim Tagesordnungspunkt 19 a angenom-
men.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 20 a und b auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen

SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur

(Zweites Altschuldenhilfe-Änderungsgesetz – 2. AHÄndG)

– Drucksache 14/2983 –

(Erste Beratung 95. Sitzung)

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten
Gesetzes zur Änderung des Altschuldenhilfe-

(Zweites Altschuldenhilfe-Änderungsgesetz – 2. AHÄndG)

– Drucksache 14/3267 –

(Erste Beratung 105. Sitzung)

Zweite und dritte Beratung des von den Abgeord-
neten Dr. Karlheinz Guttmacher, Horst Friedrich

(Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, weiteren

Abgeordneten und der Fraktion der F.D.P. einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung

(Altschuldenhilfe-Änderungsgesetz – AHÄndG)

– Drucksache 14/3209 –

(Erste Beratung 105. Sitzung)


Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

(15. Ausschuss)

– Drucksachen 14/3520, 14/3564 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Christine Lucyga
Norbert Otto (Erfurt)

Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Karlheinz Guttmacher
Christine Ostrowski

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Woh-
nungswesen (15. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Christine
Ostrowski, Dr. Christa Luft, Gerhard Jüttemann,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS
Änderung des Altschuldenhilfe-Gesetzes – Ab-
senkung der Privatisierungspflicht und Aufhe-
bung der Erlösabführung zum 1. Januar 2000
zu dem Antrag der Abgeordneten Dr.-Ing. Dietmar
Kansy, Dirk Fischer (Hamburg), Norbert Otto (Er-
furt), weitere Abgebordneter und der Fraktion der
CDU/CSU
Novellierung des Altschuldenhilfe-Gesetzes
zu dem Antrag der Abgeordneten Christine
Ostrowski, Margitta Böttcher, Heidemarie Ehlert,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der PDS
Programm zur nachhaltigen Stadt- und Regio-
nalentwicklung und zum Erhalt von Wohnungs-
gesellschaften und Wohnungsgenossenschaften
in strukturschwachen Regionen der neuen Län-
der
zu dem Antrag der Abgeordneten Christine
Ostrowski, Heidemarie Ehlert, Gerhard
Jüttemann, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der PDS
Aufhebung der Privatisierungspflicht im Alt-
schuldenhilfe-Gesetz und der Sanktionen bei
Nichterfüllung
– Drucksachen 14/1123, 14/1954, 14/2632,
14/2804, 14/3520, 14/3564 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Christine Lucyga
Norbert Otto (Erfurt)

Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Karlheinz Guttmacher
Christine Ostrowski

Zu einer Vorlage liegen mehrere Änderungsanträge
vor. Über zwei Änderungsanträge werden wir im An-
schluss an die Aussprache namentlich abstimmen.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und gebe zunächst das Wort
dem Parlamentarischen Staatsekretär beim Bundesminis-
ter für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Achim
Großmann.




Dr. Helmut Lippelt

10309


(C)



(D)



(A)



(B)


A
Achim Großmann (SPD):
Rede ID: ID1410907000
Herr
Präsident! Meine Damen und Herren! Ende des Jahres
2000 werden circa 90 Prozent der Wohnungsunterneh-
men, die die Altschuldenhilfe in Anspruch genommen ha-
ben, von den Auflagen und Bindungen des Altschulden-
hilfe-Gesetzes befreit sein. Wir schaffen damit für fast alle
Wohnungsunternehmen der neuen Bundesländer Pla-
nungs- und Rechtssicherheit. Wir ermöglichen ihnen,
wieder Investitionen zu tätigen. Wir helfen den Mieterin-
nen und Mietern, in dem wir den Boden dafür bereiten,
dass wir wieder handlungs- und leistungsfähige Woh-
nungsunternehmen haben, die Heimat bieten und gleich-
zeitig moderne Dienstleistungen erbringen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben zusammen mit der alten Bundesregierung
das Altschuldenhilfe-Gesetz im Rahmen des Solidarpak-
tes 1 auf den Weg gebracht. Wir haben damals schon da-
rauf hingewiesen, dass dieses Gesetz Auflagen und Vor-
schriften enthält, die die Wohnungsunternehmen wohl
nicht werden erfüllen können. Es waren unerfüllbare Auf-
lagen.

Die alte Bundesregierung hat sich – bis auf eine win-
zige Novelle zum Altschuldenhilfe-Gesetz außerstande
gesehen, diese unerfüllbaren Auflagen rechtzeitig aus-
zuräumen. Wir haben deshalb nach der Regierungsüber-
nahme in die Koalitionsvereinbarung geschrieben, dass
wir die Fehler aus diesem Altschuldenhilfe-Gesetz berei-
nigen werden.

Wir haben gehandelt. Ich darf Ihnen die Zahlen nen-
nen. Ende 1998, als wir die Regierung übernommen ha-
ben, hatten von den 2 079 Wohnungsunternehmen ganze
26 den Schlussbescheid oder einen genehmigten Antrag
auf Nicht-Vertreten-Müssen. Gerade einmal etwas mehr
als 1 Prozent der Wohnungsunternehmen waren aus dem
Altschuldenhilfe-Gesetz entlassen. Alle anderen waren in
der Bindung, die Auflagen zu erfüllen, und konnten nicht
handeln. Sie mussten Drohverlustrückstellungen hinneh-
men und waren gezwungen, ihre Investitionstätigkeit ein-
zuschränken.

Inzwischen, nach dem Stand von heute, haben etwa
1 300 von diesen 2 079, das heißt über 65 Prozent der
Wohnungsunternehmen den Schlussbescheid oder einen
positiven Bescheid ihres Antrages auf Nicht-Vertreten-
Müssen der Auflagen aus dem Altschuldenhilfe-Gesetz.
Ich denke, das ist ein großartiger Erfolg.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mit der Novelle, die wir heute vorlegen, werden wir
den Schlusspunkt für die Privatisierungspflicht nach
dem Altschuldenhilfe-Gesetz um vier Jahre auf den
31. Dezember 1999 vorziehen. Wir werden damit die
Möglichkeit für weitere rund 600 Wohnungsunternehmen
schaffen, bis zum Ende des Jahres aus den zwingenden
Bedingungen des Altschuldenhilfe-Gesetzes herauszu-
kommen.

Es werden nur noch etwa 200 Wohnungsunternehmen
übrig bleiben, bei denen die KfW eine Prüfung vorneh-
men wird. Diese Prüfung wird sehr einfach und sehr prag-
matisch sein. Wir haben sie im Lenkungsausschuss vor-
bereitet. Wir haben sie mit dem Gesamtverband der Woh-
nungswirtschaft, also mit den Betroffenen, besprochen.
Sie wird aus einem Fragebogen bestehen. Die KfW wird
nur aus Plausibilitätsgründen auf das eine oder andere
Wohnungsunternehmen zugehen, um zu prüfen, ob die
Privatisierungs- oder Modernisierungsauflagen wirklich
schuldlos nicht erfüllt worden sind. Das bedeutet, dass wir
Ende des Jahres 2000 die Spreu vom Weizen getrennt ha-
ben werden.

Es werden einige Wohnungsunternehmen übrig blei-
ben, die sich aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht
privatisiert haben. Für diese haben wir im Gesetz eine
Freikaufregelung geschaffen. Das heißt, diese können
sich von den Auflagen des Altschuldenhilfe-Gesetzes
freikaufen, indem sie einen Ablösebetrag an den Erblas-
tentilgungsfonds entrichten.

Ferner bleiben die schwarzen Schafe übrig, die es lei-
der ebenfalls gibt, die bisher leider überhaupt nichts getan
haben und sozusagen in eine Strafrunde müssen. Sie ha-
ben dann die Chance, die Auflagen noch bis zum Jahre
2003 zu erfüllen oder nachzuweisen, dass sie die Aufla-
gen nicht erfüllen können. Ich denke, das ist der richtige
Weg, um bis zum Ende des Jahres 2000 die Privatisie-
rungspflicht nach dem Altschuldenhilfe-Gesetz wirklich
zu einem Schluss zu führen, sodass die meisten Unter-
nehmen dann wieder handlungsfähig sind.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben damit – ich habe es schon angedeutet –
Wohnungsunternehmen, die wieder handlungsfähig sind,
die sich finanziell entfalten können, die ihre Drohver-
lustrückstellungen auflösen und investieren können. Da-
mit haben wir auch einen Großteil der Restitutionspro-
bleme im Griff.

Ich will Ihnen dazu einige Zahlen nennen, die vom Ge-
samtverband der Wohnungswirtschaft stammen. Wir ha-
ben etwa 700 000 Wohnungen, die mit Restitutionsbe-
gehren behaftet waren. Davon sind bis zum Dezem-
ber 1998 ungefähr 116 000 negativ restituiert worden.
Davon wiederum sind 20 Prozent von den Unternehmern
weiterverkauft worden. Teilweise sind restitutionsbehaf-
tete Bestände wieder an diese zurückgefallen und konnten
mit Ertrag weiterverkauft werden.

Von den 700 000 sind jetzt noch ungefähr 150 000
Wohnungen übrig, das heißt noch rund 20 Prozent. Diese
20 Prozent werden die Wohnungsunternehmen nicht mehr
belasten, weil wir in die Novelle zum Altschuldenhilfe-
Gesetz, die wir heute vorgelegt haben, hineingeschrieben
haben, dass das, was nach dem 1. Januar 2000 an die
kommunalen Wohnungsunternehmen zurückfällt, nicht
mehr dazu führt, dass sie zusätzlich Geld an den Erblas-
tentilgungsfonds zahlen müssen. Das bedeutet: Wir räu-
men die letzten 20 Prozent der Wohnungen, die sehr pro-
blembehaftet sind, einfach mit einem Schlussstrich ab.


(Beifall bei der SPD)







(C)



(D)



(A)



(B)


Über die Ermächtigungsverordnung, die es uns er-
laubt, eine Härtefallregelung zu treffen – sie ist im Fach-
ausschuss noch in die Novelle eingearbeitet worden –,
schaffen wir es auch, die bereits restituierten, aber leer
stehenden Wohnungen aus der Problemzone herauszu-
bringen, weil wir – ich will das kurz vorlesen – eine Mög-
lichkeit schaffen werden, den Wohnungsunternehmen, die
wirklich existenziell gefährdet sind, zu helfen.

In der Begründung zu § 6 a, den wir noch eingefügt ha-
ben, heißt es:

Da hierbei auch die durch so genannte negative Re-
stitution den Unternehmen bis Ende 1999 zu-
fließende Wohnfläche einbezogen ist, soweit sie ab-
gerissen wird, enthält die Regelung damit zugleich
eine treffsichere Härtefallkomponente für von der
Restitutionsproblematik besonders betroffene Unter-
nehmen.

Das bedeutet, dass wir auch für die Fälle der negativen
Restitution, anders, als vielfach behauptet wird, eine ganz
treffsichere Lösung gefunden haben, um den Unterneh-
men zu helfen, die besonders von Leerständen innerhalb
ihres Restitutionswohnungsbestandes betroffen sind.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Peter Danckert [SPD]: Das wird auch von den Wohnungswirtschaft akzeptiert!)


Alternativen zu dem, was wir vorgelegt haben, sind ei-
nerseits Anträge der PDS. Dazu kann ich nur sagen: Die
PDS hat uns in den letzten Monaten einen ganzen Bauch-
laden mit unterschiedlichsten Anträgen serviert, die teil-
weise überhaupt nicht zusammenpassen.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Das reine Chaos!)

Ich verweise nur auf die Regierungsaktivitäten in Meck-
lenburg-Vorpommern, wo der Bauminister von der PDS
gestellt wird. Die Landesregierung in Mecklenburg-Vor-
pommern unterstützt aber unsere Vorgehensweise. Des-
halb sollte auch die Bundestagsfraktion der PDS endlich
einmal in der Realität ankommen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Als zweite Alternative haben wir einen Antrag der
CDU/CSU, mit dem alle Wohnungsunternehmen entlastet
werden sollen, auch diejenigen, die nicht existenziell ge-
fährdet sind. Das bedeutet, hier soll ein Milliardenpro-
gramm aufgelegt werden,


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Das stimmt einfach nicht!)


das die Länder gar nicht kofinanzieren können und das
auch der Bund nicht finanzieren kann. Wir sind nicht dazu
da, den Wohnungsunternehmen zu helfen, die wirtschaft-
lich gesund sind; vielmehr sind wir dazu da, uns darüber
Gedanken zu machen, wie wir denjenigen helfen können,
die vor einer Existenzkrise stehen. Deshalb brauchen wir
kein milliardenschweres Paket, bei dem immer nur drauf-

gesattelt wird. Das ist der Gipfel des Populismus und hier
überholt die CDU inzwischen die PDS.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Sie haben es nicht richtig gelesen!)


Wir haben die Leerstandskommission eingerichtet.
Sie wird sich mit den weiteren Problemen der leer ste-
henden Wohnungen in den neuen Bundesländern be-
schäftigen. Wir sind gewiss, dass wir zusammen mit die-
ser Kommission und parallel zu ihr die betreffende
Rechtsverordnung entwickeln werden, die wir mit dem
Parlament besprechen werden.

Wir haben darüber hinaus dort, wo es städtebaulich
nötig ist, auch außerhalb des Bereichs von Wohnungsun-
ternehmen, denen es nicht gut geht, die Möglichkeit ge-
schaffen, mit einem Programm zur städtebaulichen Wei-
terentwicklung großer Neubaugebiete im Rahmen der
Städtebauförderung den Abriss und den Rückbau von
Wohnungen über die Drittelfinanzierung zu bezuschus-
sen. Das heißt, wir haben weit über die Härtefallregelung
hinaus beim Städtebau Vorsorge dafür getroffen, dass die
Wohnungsgesellschaften entlastet und die Stadtviertel in
den neuen Bundesländern in Ordnung gebracht werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Peter Danckert [SPD]: Das ist auch notwendig!)


Die Verbände derWohnungswirtschaft in den neuen
Bundesländern feiern in diesen Tagen landauf, landab ihr
zehnjähriges Bestehen. Ich denke, das ist Anlass, den vie-
len Geschäftsführern, Aufsichtsräten, den vielen Miete-
rinnen und Mietern, die mitgeholfen haben, Dank für die
in diesen zehn Jahren geleistete Arbeit zu sagen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Regierung hält ihr Versprechen. Nur wenige Woh-
nungsunternehmen bleiben nach dieser Novelle zum Alt-
schuldenhilfe-Gesetz in einer Warteschleife. Das sind die-
jenigen, die bis jetzt nichts gemacht haben. Alle anderen
werden mit ihrer Vergangenheit abschließen; sie werden
frei am Markt arbeiten können.

Wir haben die negative Restitution im Griff. Die Woh-
nungsunternehmen werden nicht mehr belastet. Wir ha-
ben eine Härtefallregelung für die wirklich betroffenen
Unternehmen. Heute ist ein guter Tag für die ostdeutsche
Wohnungswirtschaft. Diese Tatsache kann von nieman-
dem zerredet werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜND NIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410907100
Für die CDU/CSU-
Fraktion spricht der Kollege Dr. Dietmar Kansy.


Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU):
Rede ID: ID1410907200
Herr Präsi-
dent! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und




Parl. Staatssekretär Achim Großmann

10311


(C)



(D)



(A)



(B)


Kollegen! Herr Staatssekretär Großmann, Ihre Rechne-
reien werde ich nachher widerlegen. Aber wenn Sie hier
Bilanz ziehen und meinen, heute sei ein wunderbarer Tag
für die ostdeutsche Wohnungswirtschaft, sage ich: Das
diskutieren Sie von morgen an einmal mit den Betroffe-
nen in den neuen Bundesländern.


(Beifall bei der CDU/CSU – Sabine Kaspereit [SPD]: Das tun wir gern! – Dr. Peter Danckert [SPD]: Das haben wir vorher schon getan!)


– Wenn es laut wird, weiß man immer: Man hat getroffen.
Das Altschuldenhilfe-Gesetz hat seit seinem In-Kraft-

Treten viel Positives in den neuen Ländern bewirkt. Weil
das so ist, dürfen wir den Blick nicht davor verschließen,
dass sich die Rahmenbedingungen in den letzten zwei,
drei Jahren wesentlich verändert, nämlich verschlechtert
haben. Es ist schon angesprochen worden, dass in einigen
Regionen ein dramatischer Bevölkerungsrückgang von
deutlich über 10 Prozent zu verzeichnen war und Leer-
standsquoten von bis zu 20 Prozent bei den Wohnungsun-
ternehmen keine Seltenheit sind.

Hinzu kommt die von Staatssekretär Großmann ange-
sprochene Negativrestitution – ein Begriff, den es bis vor
kurzem in der deutschen Sprache überhaupt nicht gab. Er
wird auch nicht verstanden. Viele Alteigentümer, die bis-
her mit den Wohnungsunternehmen oder staatlichen Stel-
len darum gestritten haben, dass sie ihre Wohnungen
zurückbekommen, verzichten plötzlich auf diese zwi-
schenzeitlich heruntergewirtschafteten Wohnungen,


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Wer hat das zu verantworten?)


die noch mit hohen Altschulden belastet sind. Die Be-
wirtschaftung und selbst der Abriss dieser Wohnungen
sind von manchen Unternehmen in dieser Situation selbst
bei größter Anstrengung eben nicht mehr zu leisten. Kurz-
um: Die Situation hat sich dramatisch verändert. Es hat
überhaupt keinen Sinn, die alten Schlachten über das Alt-
schuldenhilfe-Gesetz neu zu schlagen.
Die Anhörung im Deutschen Bundestag und auch viele
Veranstaltungen draußen im Land haben gezeigt: Wir
müssen sofort handeln, und zwar so, Herr Staatssekretär
Grossmann, dass dadurch nicht eine Ermächtigungsmög-
lichkeit gegeben wird, die keinen bindet, weder die Re-
gierung noch die Bundesländer. Wir müssen vielmehr hier
und heute mit einer gesetzlichen Regelung Klarheit schaf-
fen, wie es in den neuen Ländern weitergehen soll.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Meine Damen und Herren, unstrittig ist der Endzeit-

punkt, unstrittig ist die Freikaufsmöglichkeit. Ich erspare
es mir, das noch einmal vorzutragen.

Aber die eindeutigen Ergebnisse der Anhörungen las-
sen nach unserer Meinung keine andere Lösung zu, als
heute einen gesetzlichen Entlastungschritt zu beschließen,
und zwar nicht für jedermann, Herr Grossmann, und nicht
mit milliardenschweren Geschenken – da werden sich si-
cherlich einige, die das vielleicht vor dem Fernseher ver-
folgen, die Augen reiben –, sondern für solche Woh-
nungsunternehmen, die hohen Leerständen bei extrem
schlechter wirtschaftlicher Situation mit Rückbau begeg-

nen müssen und die heute beim besten Willen dazu nicht
in der Lage sind.

Mit dem von Ihnen gemachten Vorschlag einer Ver-
ordnungsermächtigung geben Sie wenigstens zu, dass
über den Gesetzentwurf der Regierung hinaus Hand-
lungsbedarf besteht; denn sonst hätten wir gar nicht diese
kräftigen Auseinandersetzungen. Dass Sie diese Verord-
nung erlassen, liegt ja nicht an besserer Erkenntnis, son-
dern am Druck der Menschen draußen im Lande und auch
an dem Druck der CDU/CSU-Fraktion und anderer Frak-
tionen hier im Deutschen Bundestag.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Natürlich lässt sich mit einer sofortigen gesetzlichen

Härtefallregelung das Thema Leerstand nicht bewältigen.
Aber eine sofortige gesetzliche Regelung gibt eben im
Gegensatz zu dem, was diese Koalition vorhat, ab sofort
Rechtssicherheit in bezug auf Umfang und Zeitpunkt der
zu erwartenden Hilfen und Entlastungen. Das ist der we-
sentliche Unterschied zu Ihrer Verordnungsermächtigung.
Denn machen wir uns doch nichts vor: Eine Bundes-
hauptstadt ist doch keine geschlossene Veranstaltung. Wir
wissen quer über alle Wohnungsbaupolitiker, wie der Fi-
nanzminister über unser Vorhaben denkt.


(Iris Gleicke [SPD]: Was schert mich mein Geschwätz von gestern und vorgestern?)


Die Verordnungsermächtigung kann sich schnell als
Luftnummer erweisen, wenn wir als Parlamentarier die
Angelegenheit aus der Hand geben und sie ausschließlich
in die Hände des Finanzministers legen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Meine Damen und Herren, die Begründung, die finanzi-

ellen Möglichkeiten ließen das nicht zu – Herr Grossmann
hat ja gerade wieder von seinen angeblichen Milliarden ge-
sprochen –, trifft nicht zu. In der Anhörung hat Ihr Partei-
freund Steinert, Präsident des Gesamtverbandes der deut-
schen Wohnungswirtschaft, anhand von Unterlagen nach-
gewiesen, dass durch diese Negativrestitution, die ja gar
nicht vorgesehen war und die jetzt plötzlich zu einem Mas-
senphänomen geworden ist, rund 1,3 Milliarden DM
Mehreinnahmen in die Taschen des Bundes gekommen
sind, die die Unternehmen im Gegensatz zu den Privaten,
die das nicht hätten bezahlen müssen, jetzt aufbringen müs-
sen. Diese Unternehmen sind eben vielfach kommunale
Unternehmen.

Unser Antrag hat ein Gesamtvolumen von 600 Milli-
onen DM. Wie Sie wissen, haben wir zusammen mit Lan-
desregierungen gerechnet. Das heißt, der Finanzminister
würde immer noch Kasse machen. Wenn Sie behaupten,
da gehe nichts, entspricht das nicht den finanziellen Mög-
lichkeiten und Gegebenheiten, die wir haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Deswegen, sind unsere vier Anträge, die Ihnen vorliegen –
über einen davon soll in namentlicher Abstimmung ent-
schieden werden –, gestellt worden.

Meine Kolleginnen und Kollegen aus den neuen Bun-
desländern, die Sie – wie wir – viel durch die Lande




Dr.-Ing. Dietmar Kansy
10312


(C)



(D)



(A)



(B)


gereist sind, Hilfe versprochen und Artikel geschrieben
haben,


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Ich habe Sie nicht gesehen!)


nachher können Sie beweisen, ob Sie das, was Sie
draußen gesagt haben, ernst meinen oder nicht. Deswegen
werden wir über den entscheidenden Antrag der Härte-
fallregelung eine namentliche Abstimmung in diesem
Parlament haben.

Erstens fordern wir die Entlastung von den Altschulden
für Wohnungsunternehmen, bei denen der Leerstand bei
mindestens 15 Prozent liegt, also nicht für alle, und die ein
Unternehmenskonzept vorlegen, aus dem die beabsich-
tigten Abriss-, Modernisierungs- und Wohnumfeldmaß-
nahmen ersichtlich sind.

Eine weitere Voraussetzung für die Gewährung der
Entlastung, die Sie, Herr Grossmann, verschwiegen ha-
ben, ist, dass sich das jeweilige Land an der Bewältigung
der sonstigen leerstandsbedingten Lasten angemessen be-
teiligt.

Zweitens fordern wir ein Vorziehen des Zeitpunktes,
nach dem bestandskräftige Restitutionsentscheidungen
keine Auswirkungen mehr auf die Teilentlastung gemäß
Altschuldenhilfe-Gesetz haben sollen, von 1999 auf
1998, weil die Anhörung gezeigt hat, dass spürbare Ent-
lastungen nur auf dieser Basis zu erreichen sind.

Drittens. Hinsichtlich der Begrenzung des Ablösebe-
trages bei der vorgesehenen Freikaufsregelung auf 100
DM pro Quadratmeter hat sich in der Anhörung gezeigt,
dass dies notwendig ist, weil sich die von der Regierung
vorgesehenen 200 DM wirtschaftlich nicht realisieren las-
sen.

Viertens. Bei einem Bestand von mehr als 100 Woh-
nungen soll eine gesetzliche Bagatellgrenze eingeführt
werden, was zur Reduzierung des Prüfungsaufwandes
führen wird.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410907300
Herr Kollege Kansy,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schubert?


Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU):
Rede ID: ID1410907400
Herr Präsident,
ich habe noch 17 Sekunden bis zum Ende meiner Rede-
zeit. Wer jetzt noch fragen will, will nur stören.

Ich möchte angesichts eines derart umfangreichen Pro-
tokolls über die Anhörung, in der von vielen Städten von
Leipzig bis Görlitz und von vielen Städten in Sachsen-
Anhalt berichtet wurde, an Sie appellieren: Stimmen Sie
der gesetzlichen Regelung zu, die die CDU/CSU-Fraktion
Ihnen vorschlägt!


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410907500
Für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen spricht die Kollegin Franziska
Eichstädt-Bohlig.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

legen! Lieber Herr Kollege Kansy, die Krokodilstränen,
die Sie hier vergießen, sind angesichts der Mitverantwor-
tung, die Sie für die Zustände in der Wohnungswirtschaft
sowie für die städtebauliche und bauliche Situation im
Osten tragen, wirklich scheinheilig. Es tut mir Leid, aber
ich finde kein anderes Wort.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


Sie sollten ganz leise Dankeschön dafür sagen, dass wir
die Probleme endlich aus dem Weg räumen, die Sie ganz
wesentlich mitzuverantworten haben und mitgeschaffen
haben.

Ich habe es lange Zeit vorsichtig formuliert, aber jetzt
will ich deutlich sagen: Das Altschuldenhilfe-Gesetz war
von Anfang an ein sehr problematisches Instrument. Es
war seinerzeit so, dass Ihre Koalition durch die Privati-
sierung der Schulden Zinslasten darauf angehäuft hat, die
sich in kürzester Zeit um weitere 40 bis 50 Prozent ge-
steigert haben.


(Iris Gleicke SPD: So ist das, weil Frau Schwaetzer nichts getan hat!)


Es ist nie geklärt worden, ob die Wohnungsunternehmen
wirklich für die Schulden verantwortlich waren und sie
deshalb abbezahlen mussten. Sie haben sie durch das Ge-
setz genötigt, die Schulden anzuerkennen und dies schrift-
lich niederzulegen, damit dann das Altschuldenhilfe-Ge-
setz greifen konnte.

Last but not least: Sie haben durch das Fördergebiets-
gesetz eine große Konkurrenz für den Wohnungsbestand
durch massenhafte Überangebote im Neubaubereich
geschaffen.


(Albert Schmidt NIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)


Durch die Vorgabe „Rückgabe vor Entschädigung“ haben
Sie dafür gesorgt, dass sehr viele Altbauten ohne Ei-
gentümer waren und lange niemand vorhanden war, der
sich um sie kümmern konnte, wodurch sehr viele Altbau-
ten heruntergewirtschaftet wurden und wir nunmehr das
Problem der Negativrestitutionen haben. Von daher bitte
ich Sie, an dieser Stelle etwas leiser zu sein und eine ernst-
hafte Analyse der letzten zehn Jahre vorzunehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS – Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Es geht um die Zukunft, nicht um die Vergangenheit!)


– Dazu gehört auch, dass man eine klare Analyse der Ver-
gangenheit vorlegt.

Ich finde es großartig, dass wir es geschafft haben, die
Reform des Altschuldenhilfe-Gesetzes voranzutreiben,
und dass unter dieser Regierung – Schritt für Schritt; auch
mit der Arbeit des Lenkungsausschusses – die meisten
Wohnungsgesellschaften nun wissen, dass der Schlussbe-
scheid auf Ende 1999 vorgezogen wird. Sie bekommen
damit neue Klarheit in Bezug auf ihre Rechtssituation und




Dr.-Ing. Dietmar Kansy

10313


(C)



(D)



(A)



(B)


Investitionsspielräume sowie Bilanzsicherheit. Das ist ein
wirklich enormer Fortschritt. In diesem Zusammenhang
möchte ich mich besonders bei Herrn Staatssekretär
Großmann bedanken, der so engagiert auf dieses Ziel hin-
gearbeitet hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich will die anderen Bausteine des Gesetzes nicht er-
wähnen, weil dies Herr Staatssekretär Großmann bereits
getan hat. Alle Fraktionen einschließlich Ihre sind sich
darin einig, dass sowohl die Freikaufsregelung als auch
die Tatsache, dass ab 31. Dezember 1999 die Negativre-
stitution nicht mehr auf die Teilentlastung gerechnet wer-
den muss, sehr gute und wichtige Schritte sind.

Ich möchte auch etwas zum Problem Leerstand sagen.
Niemand negiert und ignoriert inzwischen das Problem
des Leerstandes. Wir haben ganz wesentlich daran mitge-
arbeitet und uns engagiert, dass das Thema anerkannt
wird. Um das Problem des Leerstandes müssen sich alle
Beteiligten kümmern: die Wohnungswirtschaft, die be-
troffenen Banken, die ihre Gelder in die Wohnungswirt-
schaft gesteckt haben, die Kommunen, die große städte-
bauliche Probleme haben, die Länder und auch der Bund
im Bereich der Altschulden. Ihre Fraktion hat sich lange
Zeit nicht darum gekümmert, obwohl es absehbar war.
Wir haben uns in großem Maße engagiert. Ich möchte den
Kolleginnen und Kollegen und dem Bauminsterium ganz
herzlich dafür danken, dass Sie die Verordnungsermäch-
tigung in das Gesetz hineingenommen haben. Wir haben
uns dafür parlamentarisch engagiert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Alle, die daran mitgewirkt haben, wissen, dass dies kein
„easy going“ war. Es war ein schwerer Weg. Wir alle wis-
sen, dass uns das Thema Leerstand noch lange beschäfti-
gen wird.

Wir haben auch die Bedingungen, unter denen Woh-
nungsgesellschaften eine Entlastung von den Altschulden
im Fall eines Leerstandes bekommen sollen, sehr genau
und präzise benannt. Es sollen Zuschüsse zur Tilgung
von Altschulden gewährt werden, wenn die Unterneh-
men durch dauerhaften Leerstand in ihrer wirtschaftlichen
Existenz gefährdet sind. Die Höhe des Zuschusses soll
sich daran orientieren, dass Wohnflächen wirklich vom
Markt genommen werden. Voraussetzung dafür ist – das
finde ich sehr richtig und wichtig –, dass für die Sanierung
der Unternehmen und der betroffenen Siedlungen sowie
für deren Umbau ein tragfähiges Gesamtkonzept erarbei-
tet wird, das glaubwürdig dargelegt wird. Das alles sind
sehr wichtige Kriterien, an denen die Kommunen und die
Wohnungswirtschaft aktiv arbeiten müssen.

Auch die Forderung, dass sich die Länder mindestens
zur Hälfte an den Kosten für die Gesamtmaßnahme betei-
ligen, halten wir für gerechtfertigt und angemessen. Es
wird auch von den Ländern anerkannt. Denn alle wissen,
dass das ein gemeinsames Problem ist.

Ich halte es für sehr wichtig, dass insbesondere die
Kommunen jetzt aktiv werden, dass sie auf den Einwoh-

nerschwund, der ein großes Problem ist, planerisch und
städtebaulich schnell reagieren, indem sie bei der Inves-
titionsplanung harte Prioritäten setzen. Ich möchte es
ganz deutlich sagen und habe es schon einmal gesagt: Ich
möchte nicht, dass wir die Modernisierung und Instand-
setzung von Projekten fördern, die vielleicht morgen un-
ter dem Damoklesschwert des Abrisses stehen. Deswegen
ist es sehr wichtig, dass die Kommunen hart und klar pla-
nen.

Daher bin ich der Meinung: Der Bund hat ein Zeichen
gesetzt. Er ist bereit, seinen Teil zu schultern und mitzu-
tragen. Jetzt geht der Ball wieder auf die andere Seite des
Netzes. Er geht in Richtung Kommunen, in Richtung Län-
der, in Richtung Wohnungswirtschaft. Dort muss jetzt ge-
arbeitet werden, damit das Problem Schritt für Schritt
gelöst werden kann. Insofern bin ich sehr stolz auf das,
was wir heute erreicht haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410907600
Für die F.D.P.-Frak-
tion spricht der Kollege Karlheinz Guttmacher.


Dr. Karlheinz Guttmacher (FDP):
Rede ID: ID1410907700
Herr Präsident!
Meine sehr gerehrten Damen und Herren! Ich bin schon
sehr erstaunt, Frau Eichstädt-Bohlig, dass Sie sich jetzt
noch einmal auf das Altschuldenhilfe-Gesetz beziehen,
dass wir 1993 eingebracht haben. Ich glaube, dass genau
dieses Altschuldenhilfe-Gesetz den Wohnungsunterneh-
men in den neuen Bundesländern 28 Milliarden DM Ent-
lastung gebracht hat. Sie haben darüber hinaus die Mög-
lichkeit, noch Zinshilfen in Höhe von 5 Milliarden DM in
Anspruch zu nehmen.


(Ernst Burgbacher [F.D.P.]: Das hat sie nicht verstanden!)


Das verstehe ich überhaupt nicht.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Ernst Burgbacher [F.D.P.]: Richtig! Das ist eine Ihrer Unverschämtheiten!)


Ich bin allen Fraktionen dankbar, dass wir dieses Alt-
schuldenhilfe-Gesetz 1993 auf den Weg gebracht haben.


(Ernst Burgbacher [F.D.P.]: Das hat sie vergessen!)


Wenn wir die Privatisierungspflicht mit 15 Prozent an
die Bedingungen des Altschuldenhilfe-Gesetzes gebun-
den hätten, so können wir heute erfreulich feststellen, dass
über zwei Drittel dieser Privatisierungen durch die Woh-
nungsunternehmen erfolgt sind. Der Laufzeit des Geset-
zes und der Privatisierungsauflagen steht, so meinen wir,
kein akzeptabeles Verhältnis gegenüber, die Privatisie-
rungen weiter durchführen lassen sollten.

Ein großer Teil der Wohnungsunternehmen in den
neuen Bundesländern hat erhebliche strukturelle Pro-
bleme. Im Zuge der Anhörung haben wir alle es uns si-
cherlich nicht leicht gemacht; ich danke meiner Fraktion
in besonderem Maße, weil sie in Vorbereitung der For-
mulierung eines neuen Entwurfs zur Änderung des




Franziska Eichstädt-Bohlig
10314


(C)



(D)



(A)



(B)


Altschuldenhilfe-Gesetzes in die neuen Bundesländer ge-
reist ist, um sich die Probleme der Wohnungsunternehmen
vor Ort anzusehen. Dabei sind vier Punkte angesprochen
worden, Herr Staatssekretär Großmann. Lassen Sie mich
die folgenden nennen.

Erstens. Der Endtermin für die Pflicht zur Privati-
sierung soll auf das Jahr 1999 vorgezogen werden. So
steht es auch in Ihrem Gesetzentwurf. Sie haben aber vor-
hin behauptet, dass die Zahl der Wohnungsunternehmen,
die ihrer Privatisierungspflicht noch nicht nachgekom-
men sind, sehr gering sei; das würde eine Überprüfung er-
geben. Deshalb ist die F.D.P. der Meinung, dass das Jahr
2003 nicht als Endtermin auch für die Restanten der Woh-
nungsunternehmen, die noch privatisieren müssen, vorge-
sehen werden sollte. Wir sind der Meinung, dass die ver-
pflichtende Regelung zur Privatisierung am 31. Dezem-
ber 2000 auslaufen sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt haben
alle Wohnungsunternehmen die Gelegenheit, sich entwe-
der freizukaufen oder zu privatisieren.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das zweite große Problem, dessen Lösung eigentlich
das Kernstück des Gesetzentwurfes der Regierung und
der sie tragenden Koalitionsfraktionen sein sollte – die
F.D.P. hat zwar einen entsprechenden Antrag eingebracht,
der aber bedauerlicherweise im Fachausschuss abgelehnt
wurde –, ist der strukturelle Leerstand. Das ist zurzeit
das Kardinalproblem der Wohnungsgesellschaften. Wenn
wir dieses Problem nicht durch das Zweite Altschulden-
hilfe-Änderungsgesetz lösen, dann haben wir für die
Wohnungsunternehmen überhaupt nichts erreicht.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die von Ihnen in § 6 a vorgesehene Rechtsverord-
nungsermächtigung bedeutet nichts anderes, als dass die
Lösung der eigentlichen Probleme verschoben wird. Des-
halb können wir Ihrem Gesetzentwurf heute nicht zustim-
men.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans-Michael Goldmann [F.D.P.]: Unerträglich ist das!)


Die Bundesregierung wird lediglich ermächtigt, die Woh-
nungsunternehmen in den neuen Bundesländern irgendei-
nes Tages von ihrem Leerstand zu entlasten. In der Be-
gründung heißt es dazu, dass zunächst das Ergebnis der
Expertenkommission abgewartet werden soll. Aber die
Wohnungsunternehmen, Herr Staatssekretär Großmann,
müssen jetzt und heute von ihrem strukturellen Leerstand
entlastet werden.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Deswegen wird die F.D.P.-Bundestagsfraktion heute ei-
nen Änderungsantrag zum Regierungsentwurf einbrin-
gen, der in § 4 a eine grundsätzliche Entlastung der Woh-
nungsunternehmen mit einem strukturellen Leerstand von
mehr als 5 Prozent vorsieht.


(Hans-Michael Goldmann [F.D.P.]: Jawohl!)


Dabei wird der strukturelle Leerstand, der sich durch Ne-
gativrestitutionen, also durch nicht zu vermittelnden
Wohnraum, ergibt, mit berücksichtigt. Voraussetzung für
die Gewährung der Entlastung von den Rechtsverbind-
lichkeiten ist, dass das Wohnungsunternehmen über ein
Konzept verfügt, in dem die Instandsetzungs-, Moderni-
sierungs-, Wohnumfeld-, Rückbau- und Abrissmaßnah-
men enthalten sind.

Da der Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des
Altschuldenhilfe-Gesetzes in der bisherigen Fassung
nicht zur sofortigen Beseitigung der Altschulden der
Wohnungsunternehmen führen wird, können wir dem
Gesetzentwurf nur dann zustimmen, wenn Sie vorher dem
von der F.D.P. eingebrachten weiter gehenden Antrag zu-
stimmen.

Danke.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans-Michael Goldmann [F.D.P.]: Damit hat er Recht! Sie wissen auch, dass er damit Recht hat!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410907800
Für die Fraktion der
PDS gebe ich das Wort der Kollegin Christine
Ostrowski.


Christine Ostrowski (PDS):
Rede ID: ID1410907900
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! 1 Million Wohnungen im Osten ste-
hen leer. In manchen Städten sind es bis zu 40 Prozent;
selbst in Großstädten liegt die Leerstandsquote bei
17 Prozent. Der Osten hat zu wenige Menschen für zu
viele Wohnungen. Die Lage verbessert sich nicht, sondern
verschlimmert sich. Der Bevölkerungsrückgang ist
dramatisch; die Anzahl der natürlichen Abgänge über-
steigt die der Geburten. In Kürze wird der Osten noch
weniger Menschen für noch mehr Wohnungen haben.

Jede einzelne leer stehende Wohnung verursacht Kos-
ten. Ein Wohnungsunternehmen braucht ungefähr die
Einnahmen von vier vermieteten Wohnungen, um die
Kosten einer leeren Wohnung zu kompensieren. Ein Teil
dieser Kosten sind Altschulden. Ihre Streichung löst das
Problem der Deformation des ostdeutschen Wohnungs-
markts nicht; aber sie würde den Wohnungsunternehmen
die Lage erleichtern. Aber Sie sind zu diesen Erleichte-
rungen nicht bereit.

Viele restitutionsbehaftete Wohnungen, von denen
man angenommen hatte, dass sie an die Alteigentümer
zurückgehen, sind – die Masse 1997 und 1998 – wieder
an die Wohnungsunternehmen zurückgefallen. Diese
Wohnungen verursachen ebenfalls hohe Kosten. Ihre
Nichtanrechnung würde die Lage der Unternehmen er-
leichtern. Sie sind auch zu diesen Erleichterungen nicht
bereit.

In der Anhörung haben alle Experten der Wohnungs-
wirtschaft – alle! – die Streichung der Altschulden auf
leer stehende Wohnungen und das Vorziehen des Stichta-
ges für die ehemals restitutionsbehafteten Wohnungen ge-
fordert. Sie sind ebenfalls nicht bereit, auf diese Experten




Dr. Karlheinz Guttmacher

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(C)



(D)



(A)



(B)


zu hören. Ich frage mich, was Sie eigentlich auszeichnet,
den Rat der Experten zu missachten.


(Beifall bei der PDS – Dr. Peter Danckert [SPD]: Jeder hat seine Experten!)


Die PDS ist von ihrer Maximalforderung nach Aufhe-
bung des Altschuldenhilfe-Gesetzes von Antrag zu An-
trag, Schritt für Schritt, was die realen Forderungen an-
geht, nach unten gegangen. Sie waren sich nicht zu
schade, alle Anträge abzulehnen, selbst jene, die der Len-
kungsausschuss mittlerweile übernommen hat und für die
Sie sich jetzt selbst feiern.


(Beifall bei der PDS)

Herr Staatssekretär, Sie klagen über die Kosten, die

dem Bund entstehen würden. Dass Sie diese Kosten den
finanzschwachen Kommunen und Unternehmen zumu-
ten, ist Ihnen egal. Sie kuschen vor Ihrem Finanzminister.
Herr Eichel ist ein cleverer Mann; aber er hat es auch ver-
gleichsweise leicht: Der Bund kann immer auf Kommu-
nen und auf Länder abwälzen, ein Wohnungsunternehmen
kann es nicht.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Die müssen beteiligt werden!)


Ich würde gern wissen, ob Herr Eichel in einer Stadt wie
Hoyerswerda mit 25 Prozent Bevölkerungsrückgang, mit
fast 30 Prozent Wohnungsleerstand und mit 25 Prozent
Arbeitslosigkeit in der Lage wäre, ein Wohnungsunter-
nehmen mit Verlusten in Millionenhöhe zu sanieren,
wenn ihm keiner hilft.


(Beifall bei der PDS)

Ein Wort an die CDU. Sie müssen sich jetzt nicht als

Retter der ostdeutschen Wohnungswirtschaft und auch
nicht als Retter von irgendjemandem sonst feiern. Sie ha-
ben durch Ihre Politik die Deformation des ostdeutschen
Wohnungsmarkts verschuldet.


(Beifall bei der PDS – Widerspruch bei der CDU/CSU – Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/ CSU]: Ja, durch die Einheit!)


Zurück zu Rot-Grün. Die von Ihnen heute vorgenom-
mene Gesetzesänderung ist der Situation der ostdeutschen
Wohnungswirtschaft noch nicht einmal annähernd ange-
messen.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Fragen Sie die Unternehmen doch einmal! Die sind damit einverstanden! Die können damit sehr gut leben!)


Erste Wohnungsunternehmen sind bereits in Konkurs ge-
gangen. Wenn Sie den Gesetzentwurf so verabschieden
und unsere Änderungsanträge ablehnen, die im Übrigen
fast im Wortlaut mit den Änderungsanträgen der
CDU/CSU übereinstimmen,


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Unserer war eher da, Frau Kollegin!)


dann kann ich Ihr Handeln nur als verantwortungslos be-
zeichnen.


(Beifall bei der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410908000
Ich gebe dem Minis-
ter für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr des Lan-
des Sachsen-Anhalt, Dr. Jürgen Heyer, das Wort.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1410908100
Herr
Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich
darf mich herzlich dafür bedanken, dass ich als Vertreter
eines ostdeutschen Bundeslandes zu dieser so wichtigen
Frage sprechen darf, und zwar zum ersten Mal hier in
Berlin.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte der Bundesregierung und den Koalitions-
fraktionen ganz herzlich für die Einbringung dieser für die
ostdeutschen Länder so wichtigen Novelle danken.


(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ganz herzlich danken möchte ich auch meinem Kolle-
gen Klimmt und insbesondere dem Parlamentarischen
Staatssekretär Achim Großmann, der sich ganz außeror-
dentlich gut in Ostdeutschland auskennt, der unsere Pro-
bleme seit Jahren außerordentlich gut kennt und die ost-
deutschen Länder unterstützt, für ihre Bemühungen, die
von Erfolg gekrönt sein sollen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Zu Fuß und mit dem Fahrrad durch die Länder unterwegs)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir – mit ei-
nigen von Ihnen arbeite ich ja schon länger zusam-
men – wissen, was früher alles möglich war, und wissen
auch, was früher nicht möglich war. Nachdem die neue
Regierung die Verantwortung im Bund übernommen
hatte, hat sich auch schon im Lenkungsausschuss einiges
getan. Das heißt, es sind eine Vielzahl von wichtigen
Regelungen auf den Weg gebracht worden, die der Woh-
nungswirtschaft definitiv geholfen haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben dann aber auch sehr schnell gemerkt, dass
nicht alle Probleme auf dem Verwaltungsweg gelöst wer-
den konnten. Deshalb war es richtig, dass die Bundesre-
gierung eine Novelle zum Altschuldenhilfe-Gesetz einge-
bracht hat, obwohl wir alle wissen, dass viele Probleme
noch nicht geklärt bzw. noch nicht einmal erkannt worden
sind. Aber auch die Länder wollten diese Novelle, weil es
uns nur so möglich war, einen Schlussstrich zu ziehen und
einen Stichtag für die Privatisierungsauflage festzulegen,
und weil nur so eine bessere Lösung für die negative Re-
stitution zu erzielen war.

Es war auch richtig, dass die Bundesregierung zur
Klärung der noch offenen Fragen eine Leerstandskom-
mission unter Leitung des früheren Oberbürgermeisters
von Leipzig, Herrn Lehmann-Grube, eingesetzt hat. Die
Arbeit dieser Kommission nehmen die Länder so wichtig,
dass sie noch vor der Sommerpause oder kurz danach eine
Sonderkonferenz der Bauminister einberufen werden, auf




Christine Ostrowski
10316


(C)



(D)



(A)



(B)


der sich alle Länder aus Ost und West mit dieser schwie-
rigen Lage auf dem ostdeutschen Wohnungsmarkt be-
schäftigen und mit dem Leiter der Kommission reden
wollen. Der Vorstoß einiger Bundesländer, die Vorschläge
dieser Kommission vorwegzunehmen, indem sie einen
§ 4 a über den Bundesrat einbringen wollten, war deshalb
falsch. Er musste scheitern und ist auch von Sachsen-An-
halt nicht unterstützt worden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, das Vorgehen der Bundes-
regierung ist richtig – das sage ich auch Ihnen, Herr Kansy –,
nicht die Ergebnisse dieser Kommission durch eine ge-
setzliche Regelung in diesem Gesetz vorwegzunehmen,
sondern eine Verordnungsermächtigung einzufügen, die
es ermöglicht, zu einem späteren Zeitpunkt die Vor-
schläge der Kommission aufzunehmen, und die den Län-
dern Gelegenheit gibt, sich auf die notwendige Mitwir-
kung auch haushaltsmäßig einzustellen.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Aha! Nachtigall, ick hör dir trapsen!)


– Natürlich müssen wir uns darauf einstellen.
Ich bitte darum, Herr Staatssekretär Großmann, auch in

diesem Bereich einfache und praktikable Regelungen vor-
zusehen, und gehe davon aus, dass die Länderbeteiligung
auch mit den bisherigen Instrumenten auskommen wird,
also mit der Wohnungsbauförderung und der eventuellen
Bereitstellung von IfG-Mitteln. Auf diesem Wege sollten
wir unseren Beitrag erbringen können. Ich darf mir dazu
den Hinweis erlauben, dass es durch ein weiteres Absen-
ken der Wohnungsbauförderung für die Länder schwieri-
ger wird, ihren Beitrag zu leisten.

Meine Damen und Herren, wir müssen jetzt zunächst
abwarten, welche Vorschläge uns die Kommission unter-
breitet. Wir wissen aber auch, dass das Leerstandspro-
blem in den ostdeutschen Bundesländern ganz außeror-
dentlich komplex ist. Wir haben es mit strukturellem, aber
nicht nur mit strukturellem Leerstand zu tun. Dieser Leer-
stand entsteht dadurch, dass unsere Großunternehmen
und Kombinate weggebrochen sind und dass die Men-
schen, die dort gearbeitet haben, nicht mehr dort wohnen
und weggezogen sind, weil sie ihre Arbeitsplätze verloren
haben.


(Iris Gleicke [SPD]: Verfehlte Strukturpolitik der alten Bundesregierung! Beispiel Treuhand!)


Lassen Sie es mich am Beispiel Stendal verdeutlichen:
Am Tag der Vereinigung hat es dort 1 000 leer stehende
Wohnungen gegeben, heute sind es 3 000.

Es geht auch nicht nur um den Leerstand im so ge-
nannten Plattenbereich. Der Leerstand in Sachsen-Anhalt
beträgt nach jüngsten Schätzungen 186 000 Wohnungen.
Der Leerstand in der Platte beträgt 40 000 Wohnungen.
Der Gesamtleerstand liegt bei 14,2 Prozent und der Leer-
stand in der Platte bei 10,6 Prozent. Wir haben es also im
Wesentlichen mit Altbauten, Vorkriegsbauten und der-
gleichen zu tun. Wir rechnen damit, dass wir in Sachsen-

Anhalt kurz- und mittelfristig über 100 000 Wohnungen
vom Markt nehmen müssen.

Ich will ein Wort zu den Befürchtungen sagen, die auf-
getreten sind, dass wir mit Steuermitteln Wohnungen sa-
niert hätten und nun mit weiteren Steuermitteln diese
Wohnungen abreißen würden. Wir werden dafür sorgen,
dass das nicht passiert. So sind von den etwa 370 000 Plat-
tenbauten in Sachsen-Anhalt 120 000 unsaniert. Theore-
tisch genommen ist das die Summe der Bauten, die vom
Markt genommen werden wird.

Meine Damen und Herren, das zeigt uns, dass nur ein
Teil der Probleme über das Altschuldenhilfe-Gesetz ge-
löst werden kann. Wir werden in Sachsen-Anhalt regio-
nale Konzepte erstellen und die Erarbeitung dieser Kon-
zepte mit Fördermitteln unterstützen. Ich bitte ganz herz-
lich darum, dass sich auch die Kreditwirtschaft, die
durchaus mit im Boot sitzt, daran beteiligen möge. Zum
Teil hat sie das in einigen Regionen schon getan. Die Ver-
antwortlichen, die hier genannt werden müssen, sind also
nicht nur Bund, Länder und Gemeinden, sondern es han-
delt sich natürlich auch um die Unternehmen und um die
Banken. Diese gesetzlichen Regelungen dürfen nicht
dazu führen, dass aus schlechten Krediten ohne Zutun der
Kreditinstitute gute Kredite gemacht werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Staats-
sekretär Großmann hat gesagt: Dies war ein guter Tag für
die Wohnungswirtschaft in Sachsen-Anhalt. Ich möchte
noch mehr sagen: Dies ist nicht nur ein guter Tag für die
Wohnungswirtschaft in ganz Ostdeutschland, sondern
auch für die Mieterinnen und Mieter, die weiter darauf
hoffen können, dass die Unternehmen die Liquidität ha-
ben, die sie brauchen, um die Wohnungen weiter instand
zu setzen.


(Zuruf des Abgeordneten Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU])


– Dies, Herr Kansy, ist ein guter Tag für die Bauwirtschaft
in unseren Ländern und für die vielen Menschen, die dort
arbeiten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Und deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist
dies ein guter Tag für ganz Ostdeutschland.

Ich danke Ihnen ganz herzlich, dass Sie so viel Geduld
mit mir hatten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410908200
Als letzter Redner in
dieser Debatte spricht der Kollege Norbert Otto (Erfurt).


Norbert Otto (CDU):
Rede ID: ID1410908300
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Dies
ist ein guter Tag, weil heute die Sonne scheint, weil wir




Minister Dr. Jürgen Heyer (Sachsen-Anhalt)


10317


(C)



(D)



(A)



(B)


demnächst in die Pfingstferien fahren, aber nicht deshalb,
weil wir heute diese Novelle auf dem Tisch haben. Sie er-
füllt die Erwartungen nämlich nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie war groß angekündigt, so nach dem Motto: Was
lange währt, wird gut. Hier ist nichts gut, aber lange hat es
gedauert!


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Lachen und Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der große Wurf, den Sie in Ihrer Koalitionsvereinbarung
angekündigt haben, ist maximal zu einem kleinen Stupser
geworden. Sie haben die Wohnungsunternehmen ent-
täuscht, Sie haben ihnen ihre Existenzängste nicht ge-
nommen.


(Zustimmung bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)


In zahlreichen persönlichen Gesprächen mit Vertretern
von Wohnungsunternehmen, aber auch mit Verbandsver-
tretern wurde deutlich, dass wesentlich mehr erwartet
worden war. Die Betreffenden haben uns auch in der An-
hörung – wer etwas Gegenteiliges behauptet, sagt die Un-
wahrheit – gesagt: Das Ding kommt zu spät, es ist zu kurz
gesprungen, es wird uns nicht wesentlich weiterhelfen.


(Weitere Zurufe von der SPD)

Natürlich war Handlungsbedarf gegeben, und wenn

Sie uns heute den Vorwurf machen, wir hätten das damals,
1993, nicht erkannt, frage ich: Haben Sie es erkannt? Ha-
ben Sie damals schon von hohen Leerständen gespro-
chen? Haben Sie von Negativrestitution gesprochen?
Nicht ein Einziger von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kol-
legen!


(Unruhe bei der SPD)

Ein weiterer Punkt, den wir vorgeschlagen haben, war

die Härtefallregelung für diejenigen Wohnungsunter-
nehmen, die dauerhaft Leerstände haben, die einen nicht
unerheblichen Teil ihres Wohnungsbestandes ausmachen,
sodass sie unverschuldet in ihrer Existenz bedroht sind.

Dazu ein Zahlenbeispiel: Hat ein Wohnungsunterneh-
men eine Leerstandsquote von 15 Prozent zu verzeich-
nen – das ist in Problemgebieten keine Seltenheit –, dann
müssen die Erlöse von 60 Prozent des Bestandes herange-
zogen werden, um die Leerstandskosten zu bewältigen.
Das heißt, dem Unternehmen bleiben noch 25 Prozent
Einnahmen. Damit lässt sich nichts Gescheites mehr ma-
chen, weder Instandsetzungen noch Renovierungen, noch
kann ein Beitrag zur Verbesserung des Umfeldes geleistet
werden.

Das sind nicht unsere Zahlen, nicht unsere Erfindun-
gen, sondern das sind die Zahlen, die uns und auch Ihnen
in der Anhörung vorgetragen worden sind.

Aus unerfindlichen Gründen will die Regierungskoali-
tion einer gesetzlich verbrieften Härtefallklausel im Alt-

schuldenhilfe-Gesetz nicht zustimmen, obwohl gerade
diese Regelung das einzige wirksame, dauerhafte und durch-
greifende Instrument zur Entlastung der am schlimmsten
betroffenen Unternehmen gewesen wäre.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Stattdessen bringen Sie in letzter Minute einen Ände-

rungsvorschlag ein, der im Altschuldenhilfe-Gesetz eine
Rechtsverordnungsermächtigung fixieren soll, von der
Sie noch nicht einmal wissen, wie diese aussehen soll.
Ihre sagenhafte Expertenkommission, die nun den ge-
samten Prozess noch einmal prüft, soll hier Empfehlun-
gen geben. Tatsächlich wollen Sie das Parlament um-
gehen; tatsächlich wissen Sie nicht, wie es weitergehen
soll. Wahrscheinlich hat Ihnen Ihr Finanzminister einen
Strich durch die Rechnung gemacht, sodass hier nicht
mehr viel laufen wird.

Allerdings – das will ich an dieser Stelle nicht ver-
schweigen – gibt es einige Punkte in Ihrer Gesetzesno-
velle, die unsere Zustimmung finden können.


(Zuruf von der SPD: Erzählen Sie doch einmal etwas Neues!)


Dies sind vor allen Dingen die Punkte, die unter entschei-
dender Mitwirkung unserer Fraktion in den Entwurf auf-
genommen worden sind.


(Zuruf von der SPD: Welche sind das?)

Sie dienen der bereits von der Vorgängerregierung einge-
leiteten und weiter dringend notwendigen Entlastung der
Wohnungsunternehmen.

Aus meiner Sicht und auch aus der Sicht meiner Frak-
tion reichen diese wenigen Highlights jedoch nicht aus,


(Angelika Mertens [SPD]: Seit wann?)

um dem Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen unsere
Zustimmung zu geben. So haben wir zum Beispiel eine
weitere Vorziehung des Stichtages für bestandskräftige
Restitutionen gewünscht. Auch hat sich in der Anhörung
des Ausschusses der vorgesehene Ablösebetrag im Zu-
sammenhang mit der Freikaufsregelung in Höhe von
200 DM pro Quadratmeter als völlig illusorisch erwiesen;
100 DM waren die oberste Grenze.

Die Wohnungsunternehmen sind trotz dieser Kalamität
bemüht, Lösungen im Interesse ihrer Mieter zu finden.
Lassen Sie mich zum Schluss ein Beispiel aus der Praxis
in meiner Region anführen. In meiner Heimatstadt Erfurt
haben sich die großen Wohnungsunternehmen mit der
Stadt, dem Land und einem Planungsbüro zusammenge-
tan, um ein Gesamtkonzept zu entwickeln, wie Woh-
nungsleerstand abgebaut, soziale Spannungen beseitigt
und das Wohnumfeld verbessert werden können. Mitei-
nander statt gegeneinander, alle Unternehmen im Kon-
text, das ist hier die Devise. Aber die Voraussetzung ist:
Es muss für den Abriss von Wohnungen und für die hohen
Leerstände eine Entlastung geben. Es kann nicht sein,
dass 150 DM pro Quadratmeter an Altschuldenhilfe ge-
zahlt und zusätzlich die Kosten für Abriss und Wohnum-
feldverbesserung getragen werden. Das ist einfach nicht




Norbert Otto (Erfurt)

10318


(C)



(D)



(A)



(B)


zu leisten. Hier ist der Bund gefordert. Das hätten wir
heute hier schon entscheiden können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Mit den von meiner Fraktion eingebrachten Anträgen
zur Novellierung des Altschuldenhilfe-Gesetzes helfen
wir nicht nur den existenzbedrohten Unternehmen, son-
dern auch den Kommunen und letztlich den unmittelbar
betroffenen Mietern in diesen Wohnungen. Deshalb bitte
ich um Ihre Unterstützung, um Ihre Zustimmung zu unse-
ren Anträgen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410908400
Zu einer Kurzinter-
vention erhält die Kollegin Iris Gleicke das Wort.


Iris Gleicke (SPD):
Rede ID: ID1410908500
Herr Kollege Otto, wir beide sind
1990 in den Deutschen Bundestag gekommen. Ich weiß,
dass der eine oder andere Kollege aus Ostdeutschland in
den acht Jahren, in denen ich hier im Bundestag war und
in denen Sie zusammen mit der F.D.P. regiert haben, ver-
sucht hat, ostdeutsche Interessen durchzusetzen. Sie
haben sich damals bei dem heute zu entscheidenden
Thema nicht durchgesetzt. Unsere Fraktion hat sich an
dieser Stelle durchgesetzt. Zusammen mit der neuen Bun-
desregierung haben wir einen guten Gesetzentwurf
vorgelegt. Ihre Kritik ist keine kritische Würdigung eines
Gesetzesentwurfes, sondern nur noch Miesmacherei. Es
bleibt dabei: Heute ist ein guter Tag für die Woh-
nungswirtschaft.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410908600
Ich schließe die
Aussprache.

Wir kommen zu den Abstimmungen im Zusammen-
hang mit Tagesordnungspunkt 20 a. Wir stimmen über
die Gesetzentwürfe der Fraktionen der SPD und des
Bündnisses 90/Die Grünen sowie der Bundesregierung
zur Änderung des Altschuldenhilfe-Gesetzes, Drucksa-
chen 14/2983, 14/3267 und 14/3520, ab.

Dazu liegt von der Kollegin Christine Ostrowski eine
Erklärung zur Abstimmung nach § 31 der Geschäftsord-
nung vor, die zu Protokoll genommen wird.*)

Wir haben es mit sechs Änderungsanträgen zu tun,
über die wir zuerst abstimmen, und zwar zunächst über
die beiden Änderungsanträge, zu denen namentliche Ab-
stimmung verlangt ist. Ich mache darauf aufmerksam:
Beide Abstimmungen werden unmittelbar nacheinander
durchgeführt werden.

Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/3542. Die Fraktion der CDU/CSU ver-

langt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftfüh-
rerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze ein-
zunehmen.

Sind alle Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne
die Abstimmung. –
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme
noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich
schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen
und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das
Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt
gegeben.*)

Wir setzen die Abstimmungen mit einer weiteren na-
mentlichen Abstimmung fort, und zwar über den Ände-
rungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksache
14/3545. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftfüh-
rer, ihre Plätze einzunehmen. – Sind alle Urnen besetzt? –
Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. – Haben alle
Kolleginnen und Kollegen ihre Stimmkarte abgegeben? –
Das ist der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung
zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen
später bekannt gegeben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben noch eine
Reihe von weiteren Abstimmungen durchzuführen. Ich
bitte Sie daher, Platz zu nehmen. Ich darf die Parlamenta-
rischen Geschäftsführer bitten, darauf zu achten, dass im
Hause eine vernünftige Beratungsgrundlage gegeben ist.

Wir kommen nun zu den Abstimmungen über die vier
weiteren Änderungsanträge zu Tagesordnungspunkt 20 a.
Zunächst zum Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 14/3541. Wer stimmt für die-
sen Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von
SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS gegen die Stim-
men von CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt.

Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/3543. Wer stimmt für diesen Änderungs-
antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Änderungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von
CDU/CSU, F.D.P. und PDS abgelehnt.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Wie ist es denn hier mit den Mehrheiten? Haben die denn noch die Mehrheit?)


– Das ist in Ordnung.
Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf

Drucksache 14/3544. Wer stimmt für diesen Änderungs-
antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Änderungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von
CDU/CSU, F.D.P. und PDS abgelehnt.

Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksa-
che 14/3549. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen
der PDS abgelehnt.




Norbert Otto (Erfurt)


10319


(C)



(D)



(A)



(B)


*) Anlage 2 *) Seite 10320

Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der namentlichen
Abstimmung unterbreche ich im Einvernehmen mit den
Fraktionen die Sitzung.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung von 13.36 bis 13.40 Uhr)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1410908700
Die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-
führern ermittelte Ergebnis der beiden namentlichen
Abstimmungen bekannt, und zwar zunächst das Ergeb-
nis der Abstimmung über den Änderungsantrag der Frak-
tion der CDU/CSU auf Drucksache 14/3542 zum Gesetz-
entwurf zur Änderung des Altschuldenhilfe-Gesetzes auf
den Drucksachen 14/2983, 14/3267 und 14/3520.

Abgegebene Stimmen: 496. Mit Ja haben gestimmt:
218. Mit Nein haben gestimmt: 278. Enthaltungen: keine.
Der Änderungsantrag ist somit abgelehnt.




Vizepräsident Rudolf Seiters
10320


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(D)



(A)



(B)


Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 495

ja: 218
nein: 277

Ja
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank
Peter Bleser
Sylvia Bonitz
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen

(Bönstrup)


Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Georg Brunnhuber
Hartmut Büttner

(Schönebeck)


Cajus Caesar
Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Rainer Eppelmann
Anke Eymer (Lübeck)

Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Ulf Fink
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)

Axel E. Fischer

(Karlsruhe-Land)


Dr. Gerhard Friedrich

(Erlangen)


Dr. Hans-Peter Friedrich

(Hof)


Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Georg Girisch
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther (Duisburg)

Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein

Gottfried Haschke

(Großhennersdorf )


Norbert Hauser (Bonn)

Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Hans Jochen Henke
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Dr. Martina Krogmann
Dr.-Ing. Paul Krüger
Dr. Hermann Kues
Karl Lamers
Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link (Diepholz)

Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann

(Lüdenscheid)


Dr. Michael Luther

Dr. Martin Mayer

(Siegertsbrunn)


Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Bernward Müller (Jena)

Bernd Neumann (Bremen)

Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Norbert Otto (Erfurt)

Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Christa Reichard (Dresden)

Katherina Reiche
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Dietmar Schlee
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)

Dr.-Ing. Joachim Schmidt

(Halsbrücke)


Andreas Schmidt (Mülheim)

Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von
Schorlemer

Dr. Erika Schuchardt
Diethard Schütze (Berlin)

Clemens Schwalbe
Heinz Seiffert
Rudolf Seiters
Werner Siemann
Johannes Singhammer
Bärbel Sothmann
Margarete Späte

Wolfgang Steiger
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Michael Stübgen
Dr. Rita Süssmuth
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Angelika Volquartz
Andrea Voßhoff
Peter Weiß (Emmendingen)

Gerald Weiß (Groß-Gerau)

Heinz Wiese (Ehingen)

Werner Wittlich
Aribert Wolf
Elke Wülfing
Wolfgang Zöller
F.D.P.
Ina Albowitz
Rainer Brüderle
Horst Friedrich (Bayreuth)

Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich Leonhard Kolb
Gudrun Kopp
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
PDS
Monika Balt
Maritta Böttcher
Eva-Maria Bulling-Schröter
Roland Claus




Vizepräsident Rudolf Seiters

10321


(C)



(D)



(A)



(B)


Dr. Heinrich Fink
Dr. Ruth Fuchs
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Carsten Hübner
Ulla Jelpke
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Dr. Evelyn Kenzler
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz
Heidi Lippmann
Ursula Lötzer
Dr. Christa Luft
Heidemarie Lüth
Angela Marquardt
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Christine Ostrowski
Petra Pau
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert

Nein
BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Angelika Beer
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Andrea Fischer (Berlin)

Katrin Dagmar Göring-
Eckardt

Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Kerstin Müller (Köln)

Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Claudia Roth (Augsburg)

Christine Scheel
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt (Hitzhofen)

Werner Schulz (Leipzig)

Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Dr. Antje Vollmer

Dr. Ludger Volmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm (Amberg)

Margareta Wolf (Frankfurt)

SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans Peter Bartels
Eckhardt Barthel (Berlin)

Klaus Barthel (Starnberg)

Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann (Detmold)

Bernhard Brinkmann

(Hildesheim)


Hans-Günter Bruckmann
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Büttner (Ingolstadt)

Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Danckert
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Rudolf Dreßler
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Petra Ernstberger
Annette Faße
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Peter Friedrich (Altenburg)

Lilo Friedrich (Mettmann)

Harald Friese
Anke Fuchs (Köln)

Arne Fuhrmann
Prof. Monika Ganseforth
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf (Friesoythe)

Angelika Graf (Rosenheim)

Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese

Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Alfred Hartenbach
Klaus Hasenfratz
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller (Lübeck)

Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann (Chemnitz)

Walter Hoffmann

(Darmstadt)


Iris Hoffmann (Wismar)

Frank Hofmann (Volkach)

Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Prof. Dr. Uwe Jens
Volker Jung (Düsseldorf)

Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange (Backnang)

Detlev von Larcher
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann

(Neubrandenburg)


Christa Lörcher
Erika Lotz
Dieter Maaß (Herne)

Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Christoph Matschie

Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Prof. Dr. Jürgen Meyer

(Ulm)


Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller (Düsseldorf)

Jutta Müller (Völklingen)

Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann (Bramsche)

Dr. Edith Niehuis
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Prof. Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Prof. Dr. Eckhart Pick
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Birgit Roth (Speyer)

Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Horst Schild
Horst Schmidbauer

(Nürnberg)


Ulla Schmidt (Aachen)

Silvia Schmidt (Eisleben)

Dagmar Schmidt (Meschede)

Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt (Berg)

Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann

(Delitzsch)


Brigitte Schulte (Hameln)

Ewald Schurer
Dr. R. Werner Schuster
Dietmar Schütz (Oldenburg)

Dr. Angelica Schwall-Düren

Ich gebe Ihnen nun das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab-
stimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der
F.D.P. auf Drucksache 14/3545 bekannt.

Abgegebene Stimmen: 494. Mit Ja haben gestimmt:
55. Mit Nein haben gestimmt: 279. Enthaltungen: 160.
Der Änderungsantrag ist ebenfalls abgelehnt.




Vizepräsident Rudolf Seiters
10322


(C)



(D)



(A)



(B)


Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast

Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel

Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl (Amberg)

Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Franz Thönnes
Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak
Rüdiger Veit
Ute Vogt (Pforzheim)

Hans Georg Wagner

Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis (Stendal)

Matthias Weisheit
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker

Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier

Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek (Böhlen)

Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese (Hannover)

Brigitte Wimmer (Karlsruhe)

Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf (München)

Heidemarie Wright

Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 493

ja: 55
nein: 278
enthalten: 160

Ja
CDU/CSU
Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein

F.D.P.
Ina Albowitz
Rainer Brüderle
Horst Friedrich (Bayreuth)

Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich Leonhard Kolb
Gudrun Kopp
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Detlef Parr
Cornelia Pieper
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
PDS
Monika Balt

Maritta Böttcher
Eva-Maria Bulling-Schröter
Roland Claus
Dr. Heinrich Fink
Dr. Ruth Fuchs
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Ulla Jelpke
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Dr. Evelyn Kenzler
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz
Heidi Lippmann
Ursula Lötzer
Dr. Christa Luft
Heidemarie Lüth
Angela Marquardt
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Christine Ostrowski
Petra Pau
Christina Schenk
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert

Nein
SPD
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans Peter Bartels
Eckhardt Barthel (Berlin)

Klaus Barthel (Starnberg)

Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig

Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann (Detmold)

Bernhard Brinkmann

(Hildesheim)


Hans-Günter Bruckmann
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Büttner (Ingolstadt)

Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Rudolf Dreßler
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Petra Ernstberger
Annette Faße
Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Peter Friedrich (Altenburg)

Lilo Friedrich (Mettmann)

Harald Friese
Anke Fuchs (Köln)

Arne Fuhrmann
Prof. Monika Ganseforth
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf (Friesoythe)

Angelika Graf (Rosenheim)

Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus

Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Alfred Hartenbach
Klaus Hasenfratz
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller (Lübeck)

Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann (Chemnitz)

Walter Hoffmann

(Darmstadt)


Iris Hoffmann (Wismar)

Frank Hofmann (Volkach)

Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Lothar Ibrügger
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Prof. Dr. Uwe Jens
Volker Jung (Düsseldorf)

Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf

Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange (Backnang)

Detlev von Larcher
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann

(Neubrandenburg)


Christa Lörcher
Erika Lotz
Dieter Maaß (Herne)

Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Prof. Dr. Jürgen Meyer

(Ulm)


Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller (Düsseldorf)

Jutta Müller (Völklingen)

Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann (Bramsche)

Dr. Edith Niehuis
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Prof. Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Prof. Dr. Eckhart Pick
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Reinhold Robbe
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Birgit Roth (Speyer)

Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Horst Schild
Horst Schmidbauer

(Nürnberg)


Ulla Schmidt (Aachen)

Silvia Schmidt (Eisleben)


Dagmar Schmidt (Meschede)

Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt (Berg)

Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann

(Delitzsch)


Brigitte Schulte (Hameln)

Ewald Schurer
Dr. R. Werner Schuster
Dietmar Schütz (Oldenburg)

Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast

Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl (Amberg)

Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Franz Thönnes
Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak
Rüdiger Veit
Ute Vogt (Pforzheim)

Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis (Stendal)

Matthias Weisheit
Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker

Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek (Böhlen)

Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese (Hannover)

Brigitte Wimmer (Karlsruhe)

Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf (München)

Heidemarie Wright

CDU/CSU
Georg Girisch
BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN
Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Angelika Beer
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Andrea Fischer (Berlin)

Katrin Dagmar Göring-
Eckardt

Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Kerstin Müller (Köln)

Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Claudia Roth (Augsburg)

Christine Scheel
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt (Hitzhofen)

Werner Schulz (Leipzig)

Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm (Amberg)

Margareta Wolf (Frankfurt)

Enthalten
CDU/CSU
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank
Peter Bleser
Sylvia Bonitz
Jochen Borchert

(Bönstrup)


Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig

Dr. Ralf Brauksiepe
Georg Brunnhuber
Hartmut Büttner

(Schönebeck)


Cajus Caesar
Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Rainer Eppelmann
Anke Eymer (Lübeck)

Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Ulf Fink
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)

Axel E. Fischer

(Karlsruhe-Land)


Dr. Gerhard Friedrich

(Erlangen)


Dr. Hans-Peter Friedrich

(Hof)


Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther (Duisburg)

Gottfried Haschke

(Großhennersdorf )


Norbert Hauser (Bonn)

Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Hans Jochen Henke
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl
Manfred Kolbe
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Dr. Martina Krogmann
Dr.-Ing. Paul Krüger
Dr. Hermann Kues
Karl Lamers




Vizepräsident Rudolf Seiters

10323


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir sind immer noch bei Tagesordnungspunkt 20 a und
kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf
der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen so-
wie der Bundesregierung zur Änderung des Altschulden-
hilfe-Gesetzes in der Ausschussfassung. Wer stimmt
dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Ge-
setzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von
CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der PDS angenom-
men.

Wir kommen zur
dritten Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist mit gleicher Stimmenmehrheit wie in der zweiten Be-
ratung angenommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Gesetz-
entwurf der Fraktion der F.D.P. zur Änderung des
Altschuldenhilfe-Gesetzes auf Drucksache 14/3209. Der
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen emp-
fiehlt auf Drucksache 14/3520 unter Nr. 2 seiner Be-
schlussempfehlung, den Gesetzentwurf abzulehnen.

Ich lasse über den Gesetzentwurf der F.D.P. auf Druck-
sache 14/3209 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzent-
wurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD
und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der
F.D.P. bei Enthaltung von CDU/CSU und PDS abgelehnt.
Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere
Beratung.

Wir kommen zu der Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu dem

Antrag der Fraktion der PDS zur Änderung des Altschul-
denhilfe-Gesetzes auf Drucksache 14/3520. Der Aus-
schuss empfiehlt unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung,
den Antrag auf Drucksache 14/1123 abzulehnen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! –
Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den
Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der PDS ange-
nommen.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschus-
ses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu dem Antrag
der Fraktion der CDU/CSU zur Novellierung des Alt-
schuldenhilfe-Gesetzes auf Drucksache 14/3520. Der
Ausschuss empfiehlt unter Nr. 4 seiner Beschlussempfeh-
lung, den Antrag auf Drucksache 14/1954 abzulehnen.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegen-
probe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist
mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen
gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. bei Enthal-
tung der PDS angenommen.

Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschus-
ses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zu dem Antrag
der Fraktion der PDS zu einem Programm zur nachhalti-
gen Stadt- und Regionalentwicklung und zum Erhalt von
Wohnungsgesellschaften und Wohnungsgenossenschaf-
ten in strukturschwachen Regionen der neuen Länder auf
Drucksache 14/3520. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 5
seiner Beschlussempfehlung, den Antrag auf Drucksa-
che 14/2632 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Gegenprobe! – Die Beschlussempfehlung
ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der
PDS angenommen.

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr,
Bau- und Wohnungswesen zu dem Antrag der Fraktion
der PDS zur Aufhebung der Privatisierungspflicht im Alt-
schuldenhilfe-Gesetz und der Sanktionen bei Nichterfül-
lung, Drucksache 14/3520. Der Ausschuss empfiehlt un-
ter Nr. 6 seiner Beschlussempfehlung, den Antrag auf
Drucksache 14/2804 abzulehnen. Wer stimmt für diese




Vizepräsident Rudolf Seiters
10324


(C)



(D)



(A)



(B)


Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link (Diepholz)

Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann

(Lüdenscheid)


Dr. Michael Luther
Dr. Martin Mayer

(Siegertsbrunn)


Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Bernward Müller (Jena)

Bernd Neumann (Bremen)

Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier

Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Norbert Otto (Erfurt)

Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Marlies Pretzlaff
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Peter Rauen
Christa Reichard (Dresden)

Katherina Reiche
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe

Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Dietmar Schlee
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)

Dr.-Ing. Joachim Schmidt

(Halsbrücke)


Andreas Schmidt (Mülheim)

Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von
Schorlemer

Dr. Erika Schuchardt
Diethard Schütze (Berlin)

Clemens Schwalbe
Heinz Seiffert
Rudolf Seiters
Werner Siemann
Johannes Singhammer

Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Wolfgang Steiger
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Michael Stübgen
Dr. Rita Süssmuth
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Angelika Volquartz
Andrea Voßhoff
Peter Weiß (Emmendingen)

Gerald Weiß (Groß-Gerau)

Heinz Wiese (Ehingen)

Werner Wittlich
Aribert Wolf
Elke Wülfing
Wolfgang Zöller

Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? –
Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen des Hau-
ses gegen die Stimmen der PDS angenommen.

Ich rufe nunmehr den Zusatzpunkt 8 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
über die Hilfe für durch Anti-D-Immunprophy-
laxe mit dem Hepatitis-C-Virus infizierte Per-
sonen (Anti-D-Hilfegesetz, AntiDHG)

– Drucksachen 14/2958, 14/3282 –

a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Gesundheit (14. Ausschuss)

– Drucksache 14/3538 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Gudrun Schaich-Walch

(8. Ausschuss)

– Drucksache 14/3539 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Walter Schöler
Manfred Kolbe
Matthias Berninger
Jürgen Koppelin
Dr. Christa Luft

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Ich muss dazu
das Einverständnis des Hauses einholen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort der Par-
lamentarischen Staatssekretärin Christa Nickels.

C
Christa Nickels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410908800
Herr Präsident! Liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Nur durch eine gemeinsame
Kraftanstrengung von Bund und Ländern ist es endlich
gelungen, die gesetzliche Grundlage für eine bessere Ent-
schädigung der Frauen zu schaffen, die im Rahmen einer
Anti-D-Immunprophylaxe mit Hepatitis C infiziert wor-
den sind.

Schon mehr als 20 Jahre liegt dieser größte Arzneimit-
telskandal in der ehemaligen DDR zurück, bei dem über
2 300 Personen mit Hepatitis C infiziert wurden. Deshalb
freue ich mich sehr, dass es nun endlich gelungen ist, eine
bessere Entschädigung für diese Frauen zu erreichen. Es
war äußerst schwierig, diesen Kompromiss zu finden,
weil sehr unterschiedliche Interessen, Gesichtspunkte und
rechtssystematische Aspekte unter einen Hut gebracht
werden mussten.

Ich weiß, dass das Leid der betroffenen Frauen sicher
nicht durch eine Verbesserung der materiellen Situation
aufgewogen werden kann.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Aber trotzdem ist eine materielle Absicherung ein
wichtiger Schritt, mit dem endlich anerkannt wird, dass
die Frauen Opfer einer Straftat wurden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte ausdrücklich allen, die an dieser Lösung,
die wir heute beraten können, beteiligt waren, im Inte-
resse der betroffenen Frauen danken, und zwar allen be-
teiligten Bundesländern, auch den hier im Bundestag ver-
tretenen Fraktionen, die engagiert beraten und uns unter-
stützt haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Bundesregierung hatte bei ihrem Amtsantritt ver-

sprochen, die materielle Situation der Opfer zu verbes-
sern. Sie hat dieses Versprechen gehalten, indem sie dies
unmittelbar nach der Regierungsübernahme angegangen
ist. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Die Betroffenen
werden nun eine monatliche Rentenzahlung zwischen
500 und 2 000 DM erhalten, die nach dem Grad der Min-
derung der Erwerbsfähigkeit gestaffelt ist. Die Beträge
werden jährlich dynamisiert. Die Rentenhöhe ist eine
deutliche Verbesserung zum Status quo, bei dem die
Grundrente lediglich zwischen 191 und 996 DM liegt.

Darüber hinaus ist eine Einmalzahlung vorgesehen,
die zusätzlich den Geschädigten mit einer Minderung der
Erwerbsfähigkeit zwischen 10 und 20 Prozent zugute
kommt. Diese zusätzliche Leistung trägt sowohl dem hu-
manitären Gesichtspunkt als auch dem Schmerzensgeld-
gedanken Rechnung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die Finanzierung der Renten erfolgt hälftig durch Bund
und Länder, wobei der Bund die Einmalzahlung alleine
trägt.

Die Beratungen in Bundesrat und Bundestag haben vor
allem zu Präzisierungen im Gesetz geführt. Eine materi-
elle Verbesserung wird der Änderungsantrag der Koaliti-
onsfraktionen mit sich bringen. Er sieht vor, dass die
Krankenbehandlung auch in Zukunft nach dem Bundes-
versorgungsgesetz erfolgen soll, so, wie es die betroffe-
nen Frauen gefordert haben.

Viele Betroffene hatten sich weitere Verbesserungen
gewünscht. Dafür habe ich vollstes Verständnis. Ich per-
sönlich und viele andere Kolleginnen und Kollegen haben
sich an dem einen oder anderen Punkt für andere Rege-
lungen eingesetzt. Das war aber nicht umsetzbar, weil
sonst die ausgewogene Balance dieses sehr komplexen
Systems von Hilfe und Finanzierung erneut ins Wanken
geraten wäre. Der mühsam hergestellte Konsens zwi-
schen den verschiedenen beteiligten Akteuren wäre dann
mit Sicherheit wieder zerbrochen. Für die Betroffenen
hätte das bedeutet, dass diese unendliche Geschichte
mit ungewissem Ausgang womöglich auf den Sankt-
Nimmerleins-Tag verschoben worden wäre und der bis-
herige unbefriedigende Rechtszustand weiter fortbestan-
den hätte.




Vizepräsident Rudolf Seiters

10325


(C)



(D)



(A)



(B)


Als Beispiel dafür, dass von dem, was sich die Frauen
und andere gewünscht hätten, viel diskutiert und bespro-
chen worden ist, sei die Anrechnung der Sozialleistun-
gen bei den Renten genannt. Dieses Anliegen, das sehr
umfangreich geprüft und ausreichend vorgebracht wor-
den ist, ist aus Sicht der Betroffenen natürlich durchaus
nachvollziehbar. Die Beteiligten und alle, die sich auf die-
sem Gebiet schon länger engagiert haben, wissen, dass
sich damit eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe befasst hat,
an der sich alle Bundesländer beteiligt haben. Verschie-
dene Beteiligte mussten mit einbezogen werden, denn
ohne diese Einbeziehung wäre der Gesetzentwurf so nicht
zustande gekommen.

Es war so, dass eine Nichtanrechnung eine Privilegie-
rung gegenüber anderen Rentenempfängern wie zum Bei-
spiel Contergan-Geschädigten oder aber den SED-Opfern
bedeutet hätte und deshalb nicht umzusetzen war. Immer-
hin haben wird dann aber gemeinsam erreicht, dass die
Rentenzahlungen nur zur Hälfte auf Sozialleistungen an-
gerechnet werden. Alle an den Verhandlungen Beteiligten
wissen, wie schwer es war, zu einer von allen getragenen
Lösung zu kommen.

Dieser schwierige Prozess hat aber dann dazu geführt,
dass die heute vorgelegten Verbesserungen für die Frauen
von einem breiten Konsens getragen werden. Im Gesund-
heitsausschuss haben alle Fraktionen dem nunmehr vor-
liegenden Gesetzentwurf zugestimmt. Ich bin zuversicht-
lich, dass wir auch hier im Plenum zu einer eindeutigen,
von der breiten Mehrheit getragenen Beschlussfassung
kommen werden.


(V o r s i t z: Vizepräsidentin Anke Fuchs)

Ich möchte noch einmal allen Beteiligten, auch hier im

Haus, für die zügigen Beratungen danken, denn nur da-
durch – Herr Lohmann, das war auch ein Punkt, den wir
besprochen haben – wird es möglich, dass der Bundesrat
das Gesetz noch vor der Sommerpause abschließend be-
raten kann. Wir wollen alle, dass die Leistungen rückwir-
kend zum 1. Januar dieses Jahres fließen können. Dies
war sehr wichtig. Dafür möchte ich allen und ausdrück-
lich auch Ihnen und Ihrer Fraktion danken.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Detlef Parr [F.D.P.]: Und den Obleuten, bitte!)


– Ja, auch den Obleuten.
Ich bin mir sicher, dass die Länder ebenso zügig die

Umsetzung des Gesetzes einleiten werden, sodass die be-
troffenen Frauen dann bald von den Regelungen profitie-
ren können.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der F.D.P. und der PDS)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410908900
Das Wort hat nun der
Kollege Wolfgang Lohmann, CDU/CSU-Fraktion.


Wolfgang Lohmann (CDU):
Rede ID: ID1410909000

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für
die freundlichen Worte, die Sie uns für die zügige Bera-
tung ausgesprochen haben. Aber diese Freundlichkeit,
Frau Staatssekretärin, wird mich nicht dazu veranlassen,
die Kritik, die wir an dieser Lösung und diesem Geset-
zeswerk vorzubringen haben, nicht vorzutragen.

Prinzipiell begrüßen wir es, dass nach der von der
unionsgeführten Bundesregierung geleisteten Vorarbeit
durch immer wieder neue Anstöße nun eine Lösung zu-
stande gekommen ist, die dazu führt, dass es endlich fi-
nanzielle Hilfen für Hepatitis-C-infizierte Frauen in der
ehemaligen DDR geben soll. In der Vergangenheit haben
wir feststellen müssen, dass die Bundesländer und hier
insbesondere die A-Länder, also die SPD-geführten Län-
der, sehr zurückhaltend – vorsichtig ausgedrückt – rea-
giert haben, wenn es um diese Fragen und insbesondere
um die Beteiligung an den Kosten ging.

Ich will und kann nicht verschweigen, dass dieser
Kompromiss deutlich hinter unseren Erwartungen zu-
rückgeblieben ist, auch hinter den Erwartungen der Be-
troffenen. Die Unzulänglichkeit des vorgelegten Gesetz-
entwurfes wird insbesondere in folgenden Punkten gese-
hen: Das Erste ist die Beschränkung der vom Bund für die
Einmalzahlung vorgesehenen 15 Millionen DM auf er-
werbsunfähige Frauen. Das Zweite sind die in der Höhe
unzureichenden monatlichen Rentenleistungen und das
Dritte ist die eben schon von Ihnen genannte hälftige An-
rechnung der monatlichen Rentenleistungen auf Sozi-
alleistungen.

Im Übrigen verstehe ich Ihre Logik nicht so ganz. Ei-
nerseits verweisen Sie darauf, dass auch bei den Conter-
gan-Geschädigten eine Anrechnung stattfinde. Anderer-
seits sagen Sie dann im nächsten Satz: Aber es ist uns we-
nigstens gelungen, hier nur eine hälftige Anrechnung
Platz greifen zu lassen. Eigentlich hätten Sie sagen müs-
sen: Wir wollen ab sofort auch bei den Contergan-Ge-
schädigten nur noch eine hälftige und keine volle An-
rechnung mehr. Ihre Logik erschließt sich mir nicht ganz.

Im Ausschuss am Mittwoch dieser Woche lagen Ände-
rungsanträge zur Höhe der monatlichen Rentenleistungen
und zu der Anrechnung der Entschädigung auf Sozialleis-
tungen vor. Diese sind aber mit den Stimmen von SPD
und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt worden. Dies muss
die Betroffenen besonders schmerzen. Sie müssen sich –
das sage ich mit aller Deutlichkeit – von Rot-Grün ver-
schaukelt vorkommen. Denn der Kollege Horst
Schmidbauer – er ist wenigstens heute da, am Mittwoch
hat er es nicht mehr für nötig gehalten, noch zu kommen
– hat im Herbst 1996 zu diesem Thema „Anti-D-Immun-
prophylaxe“ eine Große Anfrage gestartet. In einer De-
batte im November 1999 zitierte er aus der so genannten
Geheimen Verschlusssache der Staatssicherheit:

Die folgerichtige Anerkennung der Hepatitiserkran-
kungen als Impfschaden in Verbindung mit der staat-
lichen Haftung macht hohe finanzielle Anforderun-
gen für die Geschädigten erforderlich.




Parl. Staatssekretärin Christa Nickels
10326


(C)



(D)



(A)



(B)


Er kommentierte dann dieses Zitat:
Man kann nur sagen: wie Recht die Mitarbeiter des
Ministeriums für Staatssicherheit hatten.

Selbst in der Pressemitteilung vom 10. Mai dieses Jah-
res haben Sie, Herr Schmidbauer, anlässlich der An-
hörung zu diesem Gesetz wie folgt Stellung genommen:

Für eine sozial akzeptable Lösung ist es notwendig,
die bewilligten finanziellen Ressourcen schon für
dieses Jahr auszuschöpfen. Dafür müssen die im Ge-
setzentwurf vorgesehenen monatlichen Entschädi-
gungszahlungen aufgestockt werden.

Sie, Herr Kollege Schmidbauer, und Ihre Kolleginnen
und Kollegen von der Regierungskoalition haben die Be-
troffenen an der Nase herumgeführt. Sie haben hohe Er-
wartungen geweckt; Sie haben die betroffenen Frauen und
Mütter seit Jahren mit leeren Versprechungen getäuscht.

Das kann ich nachweisen: Noch am 14. Septem-
ber 1998, also mitten im Bundestagswahlkampf, haben
Sie gesagt:

Da bleibt den Opfern nur die berechtigte Hoffnung,
dass eine SPD-geführte Regierung mit dem men-
schenunwürdigen Schauspiel

– das wir angeblich geboten hätten –
ein Ende macht. Gerhard Schröder und seine Regie-
rung werden die Opfer nicht im Regen stehen lassen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört! – Sabine Kaspereit [SPD]: Was haben Sie denn gemacht?)


Sie haben, als Sie bei der Einbringung sprachen – Sie
werden heute anscheinend nicht mehr sprechen –, diesen
Entwurf in den höchsten Tönen gelobt. Ich will Ihnen die
Zitate im Einzelnen ersparen. Sie haben sich bei allen,
auch bei der Ministerin, für die Aktivitäten bedankt. In-
zwischen scheinen Sie sich eines anderen besonnen zu ha-
ben.

Wenn ich derart starke Worte gebrauche – was, wie Sie
wissen, nicht unbedingt meine Art ist –, dann will ich Ih-
nen auch einige Zitate bringen und sagen, warum ich das
tue. Herr Schmidbauer und einige andere haben im Auf-
trag ihrer Fraktion bei den verschiedensten Gelegenheiten
unsere Vertreter, vor allen Dingen den damaligen Bun-
desminister Seehofer, aber auch Herrn Zöller und mich, in
geradezu übler Weise verleumdet. Ich zitiere beispiels-
weise aus der Rede von Herrn Schmidbauer vom
29. Juni 1995. Als es um die HIV-Frage ging, erhob er den
Vorwurf, es werde auf Billiglösungen spekuliert. Und
weiter hieß es:

Dies ist beschämend. Das Spiel mit der Zeit ist ein
Spiel mit dem Tod. Denn Woche für Woche sterben
Opfer dieses Skandals.

Im Protokoll folgt dann eine Zwischenfrage des Abge-
ordneten Lohmann:

Herr Kollege Schmidbauer, ich möchte Sie in allem
Ernst fragen, ob Sie das, was Sie gesagt haben, auf-
rechterhalten wollen. Ich könnte verstehen, dass Sie

und viele andere – das habe ich schon vorhin gesagt –
über den Umfang des Ganzen und auch über Teile
des Inhaltes enttäuscht sind. Aber die Unterstellung,
dass wir, das Ministerium und die Koalition, ein
schändliches Spiel mit dem Leben trieben, weil wir
darauf spekulierten, dass bis zum In-Kraft-Treten
weitere Opfer gestorben sind, ist so ungeheuerlich,
dass ich Sie bitten möchte, das noch einmal zu über-
denken.

Darauf antwortet Herr Schmidbauer: „Ich darf wieder-
holen: Es wird auf diese Billiglösungen spekuliert.“ Auf
meine Frage, ob er den Vorwurf aufrecht halte, kam die
Antwort: „So ist es.“

Meine Damen und Herren, ich bitte deswegen um Ver-
ständnis dafür, dass mir das heute noch hochkommt, was
Sie uns seinerzeit vorgehalten haben. Das ist ja nicht das
einzige Mal in diesem Zusammenhang; ich könnte noch
mehrere Zitate bringen.

Nachdem Sie zunächst alles begrüßt hatten, sind Sie
gestern hingegangen und haben sich mit den Betroffenen
solidarisiert, die einem ja wirklich Leid tun können, und
folgende Meldung verbreiten lassen: Die Fraktionsmit-
glieder Horst Schmidbauer und Richard Schuhmann – er
sitzt ja neben Ihnen – haben sich gegen diesen Entwurf ge-
wehrt. Weiter heißt es: „Der Entwurf sei eine makabere
und skandalöse Lösung.“ – So kann man doch nicht mit
Menschen umgehen,


(Beifall bei der CDU/CSU – Manfred Grund [CDU/CSU]: Unglaublich!)


mit Sicherheit nicht mit Politikern, unabhängig von ihrer
Parteizugehörigkeit.

Rot-Grün hatte es in der Hand, für die angekündigten
Versprechen zu streiten und bei den Ländern zu kämpfen.
Sie, meine Herren, haben das mit den Möglichkeiten, die
Sie hatten, sicherlich getan, aber Rot-Grün insgesamt, vor
allen Dingen die größere Regierungsfraktion, die SPD,
offensichtlich nicht, im Gegenteil. Bei den für die monat-
lichen Rentenleistungen zur Verfügung stehenden Mitteln
in Höhe von 6,1 Millionen DM sind Sie sogar hinter dem
Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz zurückge-
blieben. 10 Millionen DM waren vorgesehen. Zu Recht
schreibt der Ministerin jetzt eine der betroffenen Frauen:

Wo bleiben die restlichen 3,9 Millionen DM, die für
die Entschädigung der Opfer bewilligt wurden?

Weiter die schreibt die Frau:
Hand aufs Herz, Frau Gesundheitsministerin, wird
hier auf Kosten der Opfer gespart?

Die Ministerin selbst hat in ihrer Pressemitteilung
vom 11. November 1999 der Öffentlichkeit mitgeteilt,
dass dank der zusätzlichen Bereitstellung von 15 Milli-
onen DM für Einmalzahlungen, die dem Schmerzens-
geldgedanken Rechnung tragen, jetzt höhere monatliche
Rentenleistungen möglich sind.

Die Betroffene hatte natürlich gehofft – vielleicht ge-
ben Sie das an die Frau Ministerin weiter, Frau Staatsse-
kretärin –, dass man die Ministerien beim Wort nehmen
könnte. Sie rechnet in einem an alle Ausschussmitglieder
verteilten Brief – deswegen darf ich das zitieren – vor,




Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid)


10327


(C)



(D)



(A)



(B)


dass sie gegenwärtig bei einer Minderung der Erwerbs-
fähigkeit von 40 Prozent 900 DM Krankengeld im Monat
plus 258 DM an Versorgungsleistungen erhält.

Nach dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf erhält sie
statt der monatlichen 258 DM zwar 800 DM an Rente,
doch 400 DM davon gehen an das Sozialamt, weil ja die
Hälfte der Rente, wie eben gesagt, angerechnet wird. Da-
mit erhält sie nach der neuen Regelung lediglich 142 DM
mehr als bisher schon.

Sie selbst sagt:
Frau Fischer, das ist keine angemessene Hilfe, das ist
ein Witz.

In diesem speziellen Fall möchte ich da auch nicht wider-
sprechen.

Meine Damen und Herren, ich kann die Empörung ver-
stehen. Es war Herr Seehofer, der Gralshüter der Rechte
der Betroffenen, der ihnen Hilfe versprochen hat. Ich kann
verstehen, dass sie nun enttäuscht sind.

Ich halte die Niederlegung derBerichterstattung, die
Herr Kollege Schmidbauer gestern angekündigt hat, für
unangemessen. Was heißt schon Niederlegung der Be-
richterstattung? Wenn Sie, Herr Schmidbauer, Ihre Glaub-
würdigkeit wiedergewinnen wollten – das muss ja eigent-
lich Ihr Interesse als Mensch sein –, dann sollten Sie das
Mandat niederlegen. Dann würde man sagen: Das ist Hal-
tung.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn man von den eigenen Mitgliedern so enttäuscht

wird, wie Sie es, wie ich hoffe, sind, weil Sie das Ganze
ernst gemeint haben, dann hätte ich mindestens erwartet,
Herr Schmidbauer, dass Sie am Mittwoch in den Aus-
schuss gekommen wären und wenigstens dort für Ihre In-
teressen und Ihre Vorstellungen gekämpft hätten. Das ist
nicht geschehen. Meine Damen und Herren, ich möchte
Ihnen allen empfehlen – wir haben uns dazu auch ent-
schlossen –, sich mit diesem Kompromiss zu versöhnen.
Die Zeit ist schon weit fortgeschritten; das ist mit Recht
gesagt worden. Manchmal ist es besser, den Spatzen in der
Hand zu haben als die Taube auf dem Dach. Deswegen
wird die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dem vorliegen-
den Gesetzentwurf ihre Zustimmung letztendlich nicht
verweigern.

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hätte Ihnen die ge-
wünschten Verbesserungen bei der Rente und den Ver-
zicht auf die hälftige Anrechnung der Entschädigung auf
die Sozialleistungen gegönnt, meine Damen und Herren
aus den Kreisen der Betroffenen, aber offenbar war die
rot-grüne Bundesregierung entgegen ihren vollmundigen
Ankündigungen nicht in der Lage, mit den Ländern in die-
sem Sinne einen Konsens zu finden. Das tut uns Leid. Wir
haben es aber nicht ändern können.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410909100
Ich erteile nun Kolle-
gin Gudrun Schaich-Walch von der SPD-Fraktion das
Wort.


Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1410909200
Sehr verehrte
Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr
Lohmann, Sie haben auch mit Ihrer Wortgewalt, Ihren An-
griffen gegen Einzelne nicht darüber hinwegtäuschen
können, dass Ihnen zu Ihrer Regierungszeit ein Kompro-
miss mit den Ländern nicht gelungen ist,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Von wem waren die Länder denn zu diesem Zeitpunkt regiert?)


dass die Frauen acht Jahre lang ohne etwas dastanden und
dass Ihr Finanzminister zu keiner Zeit bereit gewesen ist,
15 Millionen DM für Einmalzahlungen zur Verfügung zu
stellen.


(Beifall bei der SPD – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wer hatte denn die Mehrheit im Bundesrat?)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410909300
Frau Kollegin, gestat-
ten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Aribert Wolf? –
Nein, sie gestattet keine Zwischenfrage.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das kann ich mir vorstellen!)


Sie können fortfahren.


Gudrun Schaich-Walch (SPD):
Rede ID: ID1410909400
Der zweite Punkt ist
der, dass Sie auch vorgestern in der Ausschusssitzung
große Bedenken angemeldet haben, ob dieses Gesetz, so
wie es jetzt vorliegt, im Bundesrat überhaupt eine Zu-
stimmung findet.

Die Bedenken, die Sie hatten, waren vor einiger Zeit
sehr berechtigt, weil im Bundesrat Anträge aus den Län-
dern Sachsen und Thüringen vorlagen, den Gesetzent-
wurf, den Kompromiss, abzulehnen, und es wurde die
hundertprozentige Anrechnung der Sozialhilfe gefordert.
Die Antragsteller sind keine SPD-geführten Länder.

Dieses Problem hatten Sie damals; wir hatten dieses
Problem auch. Wir haben dieses Problem gelöst. Wir hät-
ten Ihnen daraus keinen Vorwurf gemacht, wenn Sie nicht
in dieser Art und Weise jetzt darüber diskutiert hätten.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Das ist Vergangenheit! Nun hören Sie aber auf!)


F
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1410909500
Wir hätten für die Frauen gern mehr er-
reicht, aber wir mussten auch im Auge behalten, dass das
leider kein einmaliger Fall ist, sondern dass wir ähnlich
gelagerte Fälle haben. Wir sind bei diesen ähnlich gela-
gerten Fällen, wie zum Beispiel bei Fragen von Gesund-
heitsschädigungen im Zusammenhang mit dem SED-Un-
rechtsbereinigungsgesetz, zu ganz anderen Lösungen ge-
kommen. – Warum sind wir zu diesen Ergebnissen
gekommen? Wir sind dazu gekommen, weil wir klar sa-
gen müssen: Wir haben immer wieder einen Kompromiss
gefunden und müssen weiter Kompromisse finden, die
sich in der Zustimmungsfähigkeit des Bundesrates und
der Finanzkraft sowohl der alten als auch der neuen Län-
der niederschlagen.




Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid)

10328


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich möchte klar darauf hinweisen, was letztendlich be-
wegt worden ist: Bei einer Erwerbstätigkeitsminderung
von 30 Prozent gibt es jetzt eine Grundrente nach dem
Bundesversorgungsgesetz von monatlich 500 DM statt
vorher 191 DM, bei einer 50-prozentigen Erwerbsmin-
derung gibt es statt 349 DM 1 100 DM und bei einer
100-prozentigen Minderung gibt es statt 996 DM 2 000 DM.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Was kassiert die Sozialhilfe davon?)


– Ich möchte Sie einmal fragen, wie Sie das mit der So-
zialhilfe in Ihren Ländern regeln, wenn Sie die Nachran-
gigkeit der Sozialhilfe beseitigen. Ich warte auf den An-
trag von Ihrer Seite. Sie wissen genau, dass das im Bun-
desrat nicht tragfähig ist. Sie wissen auch: Wenn wir
diesen Kompromiss nicht bekommen – ich will Ihnen
nicht unterstellen, dass das Ihre Zielsetzung ist – –


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Seien Sie vorsichtig!)


– Ja, ich bin auch sehr vorsichtig. – Wenn wir dieses Ge-
setz deshalb nicht verabschieden können, weil wir es nicht
rechzeitig durch den Bundesrat bringen, werden die
Frauen rückwirkend nichts bekommen und die Einmal-
zahlung kann in diesem Jahr nicht ausgeschüttet werden.
Die Einmalzahlung bedeutet für viele Frauen in dieser Re-
publik, dass sie einen erheblichen Betrag von bis zu
30 000 DM bekommen. Diese Möglichkeit ist verspielt,
wenn wir das Gesetz nicht durch den Bundesrat bringen.
Die Frauen stünden dann wieder mit leeren Händen da.
Warum stehen sie mit leeren Händen da? – Weil die Poli-
tik nicht in der Lage war, kompromissfähig zu sein. Sie
war es acht Jahre lang nicht, ist es aber jetzt und darüber
sollten wir froh sein, auch wenn das, was wir erreichen
wollten, nicht vollständig erreicht worden ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie wissen doch alle aus Ihren Erfahrungen im Ver-
mittlungsausschuss mit dem Bundesrat: Wenn Sie einen
Kompromiss suchen, decken sich die Ergebnisse am Ende
der Kompromissfindung nicht immer mit den Vorstellun-
gen, die Sie anfangs hatten. Ich bin aber nicht bereit, das
Erreichte kleinzureden. Wir haben letztlich auch erreicht,
dass Halbwaisen statt einer Rente in Höhe von monatlich
169 DM demnächst 600 DM bekommen werden. Wir ha-
ben in den Verhandlungen auch eine Verbesserung der
Krankenbehandlung durchgesetzt. Wenn Sie jetzt hier
behaupten, es sei alles so furchtbar und schlimm, und
trotzdem dem Ganzen zustimmen, bin ich der Überzeu-
gung, dass Sie am Ende der Meinung sind, man sollte den
Kompromiss als Erfolg werten. Er ist nicht das, was wir
uns alle gewünscht hatten, er ist aber eine echte Verbesse-
rung für die Frauen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410909600
Ich gebe jetzt der Par-
lamentarischen Staatssekretärin Frau Nickels nach
§ 43 der Geschäftsordnung das Wort.

C
Christa Nickels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1410909700
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich habe um das Wort gebe-
ten, um hier drei Dinge klarzustellen.

Es ist so gewesen, dass sich der frühere Gesundheits-
minister Seehofer sehr für diese Regelung eingesetzt hat.
Er hat es bis zum September 1998 aber nicht geschafft,
den Anteil von 5 Millionen DM, den die damalige Bun-
desregierung schultern wollte – heute schultert der Bund
mehr –, bei seinem Finanzministerkollegen zu etatisieren.
Das ist aktenkundig: Er hat sich sehr bemüht, hat es aber
nicht von Herrn Waigel etatisiert erhalten.

Frau Ministerin Fischer jedoch hat die Summe sofort
etatisiert – wir hatten bei Amtsantritt einige Konfusio-
nen – vorgefunden. Daraufhin haben alle Bundesländer in
der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Frau Ministerin Fischer
gebeten, den Gesetzentwurf selbst vorzulegen; Thüringen
hat seine Initiative später zurückgezogen. Ich habe der
Ministerin damals persönlich davon abgeraten, weil es für
sie ein hohes Risiko darstellte. Es handelte sich um einen
großen Interessenkonflikt und wir mussten Angst haben,
dass die Initiative scheitert und die Ministerin das Schei-
tern hätte verantworten müssen. Die Länder – das waren
nicht nur SPD-geführte Länder – haben die Ministerin da-
rum gebeten, weil sie sich erhofft haben, dass hier ein
Schwung für die Finanzminister der Länder käme, endlich
das Geld zu etatisieren. Das hat die Ministerin getan, weil
es ihr wichtig war, dass die Frauen endlich Rechtssicher-
heit und eine Verbesserung bekommen.

Ich möchte Sie wirklich bitten – auch Sie, Herr
Lohmann, wenn Sie Verletzungen aus früheren Debatten
haben –: Es geht jetzt nicht um uns Politiker und um un-
sere Verletzungen. Es geht um das, was wir in intensiven
Verhandlungen erreicht haben. Die Bund-Länder-Arbeits-
gruppe hat unter anderem die Vermeidung der Anrech-
nung auf die Sozialhilfe kategorisch abgelehnt, Herr
Wolf. Ich habe jetzt aber keine Lust, Noten zu verteilen.
Wir sind alle einmal über unseren Schatten gesprungen,
damit die Frauen endlich diese Verbesserungen bekom-
men und das unwürdige Spiel zu deren Lasten aufhört.

Ich bitte Sie, das in dieser Debatte zu berücksichtigen,
weil wir uns sonst alle schämen müssten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410909800
Ich mache die Frak-
tion der CDU/CSU darauf aufmerksam, dass sie die Mög-
lichkeit zur Erwiderung hat.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Das haben wir gerade nachgelesen! Wir verzichten!)


– Nein. Ich bedanke mich bei Ihnen.
Jetzt hat der Kollege Detlef Parr von der F.D.P.-Frak-

tion das Wort.


Detlef Parr (FDP):
Rede ID: ID1410909900
Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Aus dieser Debatte wird eines klar: Sie, Rot-
Grün, haben im Bundesrat auch in dieser menschlich




Gudrun Schaich-Walch

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(C)



(D)



(A)



(B)


anrührenden Frage eine Blockadepolitik betrieben. Das
ist keine Frage.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Es war ein Teil Ihrer Strategie des Bundestagswahlkamp-
fes – zulasten der Schwachen, denen gegenüber Sie vor-
geben, ihr Anwalt zu sein. Das können wir Ihnen heute
nicht durchgehen lassen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Ich bedaure, dass die Diskussion in dieser Weise ge-

führt wird, weil ich davon ausgegangen bin, dass wir eine
einvernehmliche Diskussion führen, auch wenn Herr
Schmidbauer dazu beigetragen hat, dass einige Miss-
klänge entstanden sind.

1994 bin ich Mitglied des Untersuchungsausschusses
zu den aidsverseuchten Blutkonserven gewesen. Wir ha-
ben darüber beraten, wie wir den Betroffenen helfen
können. Wir haben große Schwierigkeiten gehabt, uns
zu bestimmten Entschädigungsleistungen durchzuringen.
Auch ich habe damals große Sorgen und Bedenken gehabt
und mich gefragt, wie lange wir brauchen, um zu ent-
sprechenden Beschlüssen und Entscheidungen zu kom-
men. Bei dieser Frage ist es aus vielerlei Gründen ähnlich
gewesen. Dazu ist genug gesagt worden. Ich brauche da-
rauf nicht mehr einzugehen.

Wir haben im Zuge der Verhandlungen zum Eini-
gungsvertrag beschlossen, diese Fälle, über die wir heute
reden – die Betroffenen erhielten bis zu diesem Zeitpunkt
Leistungen nach dem Gesetz zur Verhütung und Bekämp-
fung übertragbarer Krankheiten –, nach dem Bundes-Seu-
chengesetz einzustufen und mit dem Bundesversorgungs-
gesetz in Einklang zu bringen. Dies konnte allerdings
durch eine Fehleinschätzung der Schäden nicht in einem
ausreichenden Umfang geschehen. Wir haben versucht,
die im Zuge der Wiedervereinigung entstandene Lücke zu
schließen. Wir sind heute dabei, diesen Entscheidungs-
prozess zu Ende zu bringen. Gott sei Dank!

Mittlerweile sind sich alle Beteiligten einig: Es muss
etwas geschehen. Es kommt jetzt darauf an, den Frauen
und ihren Angehörigen schnell zu helfen. Dies ist mit Un-
terstützung der Länder, die den vorgelegten Gesetzent-
wurf mit den am Mittwoch im Gesundheitsausschuss be-
schlossenen Änderungen mittragen, und nach einem
schwierigen Entscheidungsprozess, wie wir alle wissen,
geschehen.

Die Staffelung der monatlichen Rentenzahlungen
gemäß der Minderung der Erwerbsfähigkeit ist aus unse-
rer Sicht, Herr Schmidbauer, sachgerecht. Die monatli-
chen Renten werden zwischen 500 DM bei 30-prozen-
tiger Erwerbsminderung und 2 000 DM bei einer
Erwerbsminderung von 70 Prozent und mehr liegen.
Hinzu kommen die Einmalzahlungen, die zwischen
7 000 DM – Erwerbsminderung 10 bis 20 Prozent – und
30 000 DM – Erwerbsminderung 60 Prozent und mehr –
liegen.

Wir hatten uns gefreut, dass wir nun eine von einem
breiten Konsens getragene Lösung gefunden hatten. Ich
war gestern wie vom Schlag gerührt, als ich eine Ticker-
meldung in die Hand bekam, in der es hieß, dass Kollege

Schmidbauer in letzter Minute ausschert und sich zum
Hüter einer Moral aufschwingt, die man nur doppelbödig
nennen kann, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Der liebe Kollege Schmidbauer blieb dazu noch der ab-

schließenden Beratung im Gesundheitsausschuss fern und
verzichtete darauf, um eine Mehrheit für seine höheren
Ansprüche zu kämpfen – eine Haltung, die ich nicht ver-
stehen kann. Seine Konsequenz – Zitat –:

Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe, der SPD-Bun-
destagsabgeordnete Horst Schmidbauer, gab nach
der Entscheidung seiner Fraktion demonstrativ die
Berichterstattung für das Gesetz im Bundestag ab,
weil er die Verschlechterungen für die Opfer nicht
mit seinem Gewissen vereinbaren könne.

Meine Damen und Herren, es ist zu billig zu erklären,
die partei- und fraktionsübergreifend mit den Län-
dern erarbeitete Lösung nicht mit dem Gewissen verein-
baren zu können. Sie wissen genau, Herr Kollege
Schmidbauer, dass höhere Forderungen zu diesem Zeit-
punkt ein Scheitern des Gesetzentwurfes im Bundesrat
zur Folge hätten. Ich wehre mich dagegen, dass Sie die
Kolleginnen und Kollegen unseres Ausschusses, die vor
dem genannten Hintergrund dem Gesetzentwurf teilweise
mit Bauchschmerzen zugestimmt haben, quasi als gewis-
senlose Gesellen darstellen. Das ist nicht fair, meine Da-
men und Herren.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Noch eine Anmerkung zu den Anträgen, die die PDS

im Gesundheitsausschuss eingebracht hat. Sie sind zwar
gut gemeint und inhaltlich in Ordnung, aber vor dem Hin-
tergrund einer schnellstmöglichen Lösung nicht akzepta-
bel. Es ist absehbar, dass die Länder einer weiteren Auf-
stockung der Entschädigungssummen und dem vollstän-
digen Verzicht auf Anrechnung dieser Zahlungen auf die
Sozialhilfe nicht zustimmen werden. Insofern lehnt die
F.D.P. diese Änderungsanträge ab.

Es kommt jetzt darauf an, den Frauen und ihren An-
gehörigen schnell zu helfen. Deshalb stimmen wir einem
Kompromiss zu, der nicht alle Wünsche bis ins Letzte er-
füllt, der aber unverschuldete Leiden angemessen lindern
hilft.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410910000
Jetzt hat das Wort die
Kollegin Dr. Ruth Fuchs, PDS-Fraktion.


Dr. Ruth Fuchs (PDS):
Rede ID: ID1410910100
Frau Präsidentin! Meine Da-
men und Herren! Es ist so, dass die betroffenen Frauen zu
DDR-Zeiten Opfer einer Straftat geworden sind. Diese
Tatsache steht fest. Ich möchte sie auch nicht kleinreden.
Aber auf der anderen Seite muss man einräumen: Dass
wir heute über das Anti-D-Hilfegesetz reden müssen, ist
eine der Folgen des Einigungsvertrages; denn in den Ver-
handlungen über diesen Vertrag wurde ein Fehler gemacht


(Zuruf des Abg. Hans Georg Wagner [SPD])





Detlef Parr
10330


(C)



(D)



(A)



(B)


– richtig, der Verursacher; ich möchte hier richtig ver-
standen werden; ich habe zugegeben, dass es eine Straftat
gewesen ist –, weil die durch Anti-D-Immunprophylaxe
verursachten Gesundheitsschäden rechtlich als Impfschä-
den und nicht als Arzneimittelschäden anerkannt wurden.
Wenn die Gesundheitsschäden als Impfschäden anerkannt
worden wären, dann müssten wir heute über dieses Gesetz
nicht reden.


(Beifall bei der PDS)

Man muss feststellen, dass die rechtliche Anerkennung

der Gesundheitsschäden als Impfschäden der Situation
der Frauen und ihren Entschädigungsansprüchen, auf de-
ren Durchsetzung sie ein Recht haben, nicht gerecht wird.
Ich muss auch darauf hinweisen – deshalb tut mir das jet-
zige Parteigeplänkel weh –: Alle Fraktionen waren sich
damals darüber einig, dass zur Unterstützung der betrof-
fenen Frauen ein eigenes Gesetz gemacht werden muss.
Nun kann man kritisch fragen: Wo liegen die Ursachen?
Aber selbst dann, wenn wir diese Frage beantworten
könnten, wären keine höheren Entschädigungszahlungen
möglich. Die alte Regierung konnte diese Frage nicht bis
zum Herbst 1998 abschließend prüfen. Nun hat die neue
Regierung – ja, Frau Nickels, Frau Fischer hat das in die
Hand genommen – dies vorwärts gebracht und hat für
Verbesserungen gesorgt. Das muss man anerkennen.
Trotzdem muss ich noch einige kritische Anmerkungen
machen.

Bereits per Beschluss des Haushaltsausschusses des
Deutschen Bundestages vom Herbst 1999 wurde eine
Summe in Höhe von 15 Millionen DM für Rentenzahlun-
gen bereitgestellt. Deswegen bleibt es den betroffenen
Frauen und auch mir unverständlich, dass in dem jetzt
vorgelegten Gesetzentwurf diese finanziellen Möglich-
keiten zurückgeschraubt werden und nur noch von
10 Millionen DM die Rede ist. Bund und Länder wollen
nur noch 6,3 Millionen DM zur Verfügung stellen. Das
kann ich nicht verstehen. Wie ist das möglich? Die Be-
gründung für das Zurückschrauben der finanziellen Mög-
lichkeiten, die eben in einer Rede gegeben wurde, kann
nicht stimmen; denn das Geld stand schon zur Verfügung.

Nach der ersten Lesung und der Anhörung hat die Ko-
alition angekündigt, dass noch Änderungsanträge einge-
bracht würden. Die Regierungsfraktionen haben einen
Änderungsantrag gebracht, der aus unserer Sicht für die
Frauen ein echter Fortschritt ist: Der Anspruch der Frauen
auf umfassende Heil- und Krankenbehandlung wurde
nach dem Bundesversorgungsgesetz anerkannt. Das ist
ein echter Fortschritt!

Die von uns eingebrachten Änderungsanträge zielten
auf die Beseitigung weiterer Defizite ab. Es ging vor al-
len Dingen darum, dass die monatliche Rente in den un-
teren Bereichen erhöht wird – so war es früher auch ge-
plant, als Sie noch selber in der Opposition waren –, weil
eine solche Erhöhung für die Frauen wirklich notwendig
wäre. Wir empfinden es als unsozial, dass die Rentenzah-
lungen hälftig auf die Sozialhilfeleistungen angerechnet
werden können. Ich war überrascht – das muss ich zuge-
ben –, dass die CDU/CSU bereit war, unseren Anträgen

zuzustimmen. Dass Sie von der F.D.P. ihnen nicht zuge-
stimmt haben, ist Ihre Sache.


(Beifall bei der PDS und der CDU/CSU)

Herr Schmidbauer, es bestand wirklich die Chance, in

dem Ausschuss eine Mehrheit für unsere Anträge zu fin-
den. Ich halte es für unverantwortlich, wie Sie mit der
Hoffnung der betroffenen Frauen spielen. Warum haben
Sie nicht selber solche Anträge eingebracht? Wir haben
unsere Anträge fast wortwörtlich von Ihnen übernommen.
Trotzdem hatten Sie nicht den Mut, ihnen zuzustimmen.
Das wäre die einzige Möglichkeit gewesen, diese Anträge
einzubringen.


(Beifall bei der PDS, der CDU/CSU und der F.D.P.)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410910200
Frau Kollegin, achten
Sie auf die Redezeit, bitte.


Dr. Ruth Fuchs (PDS):
Rede ID: ID1410910300
Wie gesagt, wir haben es ver-
sucht. Wir haben festgestellt, dass es auch bei den Län-
dern keine Bereitschaft gibt. Nur um die von den Frauen
benötigte Entschädigung nicht immer weiter hinauszu-
schieben, haben wir zugestimmt. Ich bitte die Frauen,
dafür Verständnis zu haben. Es gibt keine Chance, etwas
anderes zu machen. Das muss man mit Bedauern hin-
nehmen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410910400
Ich erteile nun dem
Staatsminister Rolf Schwanitz das Wort.


Rolf Schwanitz (SPD):
Rede ID: ID1410910500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will zum
Schluss dieser Debatte für eine breite Zustimmung zu die-
sem Gesetzentwurf werben. Ich verbinde das ausdrück-
lich mit einem aufrichtigen Dank an die Gesundheitsmi-
nisterin für das, was – auch in der Auseinandersetzung mit
den Ländern – an Koordination geleistet worden ist. In
diesen Dank schließe ich den Amtsvorgänger ausdrück-
lich ein.

An dieser Stelle möchte ich meinen Dank und meinen
Respekt auch gegenüber allen Kolleginnen und Kollegen –
dazu gehören Herr Schmidbauer und Herr Schuhmann –
ausdrücklich zum Ausdruck bringen – man kann das nicht
an einer Fraktion festmachen, weil es fraktionsübergrei-
fend war –, die während der schweren Monate und Jahre
zuvor im Gespräch mit den Betroffenen gewesen sind und
die gespürt haben, welche seelischen Verletzungen insbe-
sondere dabei entstanden sind, dass der Ausspruch „Wer
schnell hilft, hilft viel“, den wir oft auf den Lippen haben,
gerade bei dieser Betroffenengruppe nicht in Erfüllung
gegangen ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Eine Billiglösung ist das wahrlich nicht. Bei der Ren-

tenregelung ist man bis an die Grenze dessen gegangen,




Dr. Ruth Fuchs

10331


(C)



(D)



(A)



(B)


was mit den Ländern einvernehmlich zu leisten war. Frau
Kollegin Fuchs, ich will den von Ihnen angesprochenen
Punkt erläutern: Die 15 Millionen DM, die der Haus-
haltsausschuss des Deutschen Bundestages im letzten
Jahr in den Haushalt eingestellt hat, sind natürlich nicht
verschwunden, sondern etatisiert; sie stehen – noch in die-
sem Jahr – zur Finanzierung der Einmalleistungen zur
Verfügung.

Die qualitative Verbesserung dieses Gesetzentwurfs
besteht auch darin, dass neben den Rentenansprüchen die
schnelle Gewährung von Entschädigungsregelungen, von
Einmalleistungen in diesem Jahr auf den Weg gebracht
werden soll. Das ist eine substanzielle Verbesserung, mit
der man versucht, einiges wieder gutzumachen, was in
den Jahren zuvor leider versäumt worden ist. Ich bitte
auch diejenigen, die jetzt sagen: „Das ist zu wenig“, sich
der Zustimmung nicht zu verweigern. Für das Signal, das
von der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs ausgeht,
ist das Abstimmungsverhalten jedes Einzelnen in diesem
Haus wichtig.

Wir müssen gegenüber anderen Betroffenengruppen
eine Balance wahren. Vorhin ist das Thema SED-Opfer
angesprochen worden. Auch sie haben durch staatliches
Unrecht, durch Repression in den Haftanstalten – ohne ei-
nen Vergleich ziehen zu wollen, erlaube ich mir zu sagen:
noch viel direkter – Gesundheitsschäden erlitten. Ich
möchte nicht, dass wir eine der Betroffenengruppen in die
Zwangslage bringen müssen, in einen Wettbewerb über
den Nachweis darüber, wer größere Schäden erlitten hat
und infolgedessen bessere Leistungen zu erwarten hat,
einzutreten. Das haben die Betroffenengruppen nicht ver-
dient. Meine herzliche Bitte an alle: Stimmen Sie dem Ge-
setzentwurf zu; er hat einen breiten Konsens verdient.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410910600
Ich schließe die Aus-
sprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzentwurf eines Anti-D-
Hilfegesetzes, Drucksachen 14/2958 und 14/3538. Zur
Abstimmung liegen eine Erklärung von fünf Mitgliedern
der SPD-Bundestagsfraktion und eine andere Erklärung
von 34 Mitgliedern der SPD-Bundestagsfraktion vor. Die
Erklärungen werden als Anlage zum Plenarbericht der
110. Sitzung abgedruckt. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wol-
len, um das Handzeichen. – Die Gegenprobe! – Enthal-
tungen? – Bei zwei Gegenstimmen ist der Gesetzentwurf
angenommen.

Wir kommen jetzt zur
dritten Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer
dagegen ist, möge sich erheben. – Stimmenthaltungen? –
Der Gesetzentwurf ist angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur vergleichenden Werbung und zur Ände-
rung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften
– Drucksachen 14/2959, 14/3433 –

(Erste Beratung 96. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses (6. Ausschuss)

– Drucksache 14/3418 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dirk Manzewski
Dr. Susanne Tiemann
Volker Beck (Köln)

Rainer Funke
Dr. Evelyn Kenzler

Mir ist gesagt worden, dass die Debattenbeiträge
der Kollegen Dirk Manzewski, Birgit Roth, Dr. Susanne
Tiemann, Werner Schulz, Rolf Kutzmutz und des Parla-
mentarischen Staatssekretärs Dr. Eckhart Pick zu Proto-
koll gegeben wurden.*) Sind Sie damit einverstanden? –
Ich sehe, dass das so ist.

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun-
desregierung eingebrachten Gesetzesentwurf zur verglei-
chenden Werbung und zur Änderung wettbewerbsrechtli-
cher Vorschriften auf Drucksachen 14/2959 und 14/3418.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Aus-
schussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Bei Enthaltung
der F.D.P.-Fraktion ist der Gesetzentwurf damit in zwei-
ter Beratung angenommen.

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? Damit ist der Ge-
setzentwurf angenommen worden.

Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen, die gerade
den Saal verlassen, darauf hinweisen, dass es noch ein
paar Abstimmungen gibt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 22 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Norbert
Geis, Roland Pofalla, Wolfgang Bosbach, weiteren
Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ver-
besserung der gesetzlichen Maßnahmen gegen-
über Kinder- und Jugenddelinquenz
– Drucksache 14/3189 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Es wurde vereinbart, zu diesem Punkt die Redebeiträge
der Abgeordneten Erika Simm, Anni Brandt-Elsweier,
Norbert Geis, Volker Beck, Jörg van Essen und Sabine
Jünger zu Protokoll zu geben.1)




Staatsminister Rolf Schwanitz
10332


(C)



(D)



(A)



(B)


*) Anlage 3
1) Anlage 4

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwur-
fes auf Drucksache 14/3189 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit
einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überwei-
sung so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrich

(Augsburg)

F.D.P.
Eigentumsrechte nicht durch falsche Natur-
schutzpolitik aushöhlen
– Drucksache 14/1113 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder
Ausschuss für Tourismus

Auch zu diesem Punkt wurden die Beiträge der Kolle-
gen Karsten Schönfeld, Christel Deichmann, Cajus
Caesar, Sylvia Voß, Ulrich Heinrich und Eva Bulling-
Schröter zu Protokoll gegeben.2) Sind Sie damit einver-
standen? – Das ist der Fall.

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 14/1113 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr.
Uwe-Jens Rössel, Dr. Winfried Wolf, Dr. Dietmar
Bartsch, weiteren Abgeordneten und der Fraktion
der PDS eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Änderung des Eisenbahnkreuzungs-
gesetzes (EkrG)

– Drucksache 14/3332 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

Die Reden der Abgeordneten Wieland Sorge, Norbert
Otto, Albert Schmidt und Horst Friedrich sollen zu Proto-
koll gegeben werden.3) Sind Sie damit einverstanden? –
Das ist der Fall. Der PDS-Vertreter wünscht das Wort.

Herr Kollege Dr. Rössel, Sie haben das Wort.


Dr. Uwe-Jens Rössel (PDS):
Rede ID: ID1410910700
Sehr geehrte Frau Prä-
sidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Städten und
Gemeinden flattern extrem hohe Rechnungen für Um-
und Ausbaukosten an Kreuzungspunkten von Eisenbahn-
strecken mit kommunalen Straßen ins Haus. So muss je-
weils bis zu knapp 1 Million DM berappt werden, wenn
an einem Bahnübergang Schranken und Lichtsignalein-

richtungen der ehemaligen Deutschen Reichsbahn an den
bundesdeutschen Standard angeglichen werden sollen.
Von der Gemeinde Schönhausen in Sachsen-Anhalt wer-
den sogar sage und schreibe 17Millionen DM für den Bau
von zwei Brücken über die Ausbaustrecke Han-
nover–Stendal–Berlin verlangt – und das bei einem Ge-
meindehaushalt von 1 Million DM. Das ist unvorstellbar
und unverantwortlich zugleich.


(Beifall bei der PDS)

Betroffene Städte und Gemeinden müssen für Kosten

in Höhe von insgesamt 500 Millionen DM zum Bau von
Eisenbahnbrücken und von Kreuzungsmaßnahmen zwi-
schen Straße und Schiene, die sie nicht zu verantworten
haben, aufkommen. Die Ursache für diese Situation liegt
darin, dass der Bundesgesetzgeber es 1998 bei der letzten
Novellierung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes versäumt
hat, dies zu korrigieren. Es wäre aber möglich gewesen.
Es geht, wie gesagt, um Kosten in einem Umfang von ins-
gesamt 500 Millionen DM, für die heute Städte und Ge-
meinden insbesondere in Ostdeutschland zur Kasse gebe-
ten werden. Dafür gibt es keine sachliche Begründung.

Deshalb die heutige Gesetzesinitiative der PDS-Frak-
tion auf Drucksache 14/3332, die diesen Zustand beseiti-
gen und die Kommunen dauerhaft von dieser Belastung
befreien will.

Eine Gegenfinanzierung haben wir selbstverständlich
auch vorgesehen. Sie besteht darin, dass erstens frei wer-
dende Mittel aus der Magnetschwebebahn Berlin–Ham-
burg für diese Aufgabe genutzt werden und dass zweitens
speziell Brückenbauwerke auf regionalen Strecken künf-
tig aus einem Fonds finanziert werden, der aus einer ab
2003 zu erhebenden Schwerlastabgabe gespeist wird.


(Beifall bei der PDS)

Das sind also klare, realistische Vorschläge für die Fi-

nanzierung. Wir haben keine Luftnummer vorgelegt. Wir
wollen nämlich, dass die Befreiung der Kommunen von
diesen Belastungen dauerhaft erfolgt, zumal es keinen Be-
weis dafür gibt, dass die Kommunen diese Belastungen
tatsächlich zu tragen haben. Nur zwei Argumente möchte
ich heute nennen.

Erstens. Zweifellos entsprach das straßenseitige Er-
scheinungsbild von DDR-Bahnübergängen nicht dem
bundesdeutschen Standard. Eine Anpassung an die Be-
stimmungen der bestehenden Eisenbahnordnung ist daher
geboten. Sachlich nicht zu rechtfertigen ist jedoch, dass
auf Ostkommunen mit dem Verweis auf das besagte Ei-
senbahnkreuzungsgesetz ein Drittel dieser Kosten zu-
kommen sollen. Dafür allerdings gibt es keine sachliche
Begründung.

Zweitens. Deutsche Reichsbahn wie auch Deutsche
Bundesbahn hatten – das ist gutachterlich bestätigt und
nachgewiesen – pflichtwidrig und über Jahre hinweg not-
wendige Unterhaltungsmaßnahmen an Straßenbrücken
unterlassen. Im Jahr 1998 wurden die Kommunen im Alt-
bundesgebiet von diesen Kosten befreit, nicht aber die
Kommunen in den neuen Bundesländern – Ungleichbe-
handlung also auch hier ohne jedwede sachliche Begrün-
dung. Das ist schnellstens zu korrigieren.


(Beifall bei der PDS)





Vizepräsidentin Anke Fuchs

10333


(C)



(D)



(A)



(B)


2) Anlage 5
3) Anlage 6

Der Bundesgesetzgeber hält nämlich an der irrigen
Rechtsauffassung fest, wonach die Verantwortung für
diese Sanierungsmaßnahmen 1953 – man höre und
staune: 1953 – in der DDR durch eine Verwaltungsver-
einbarung geregelt worden sei. 1953, vor 47 Jahren also,
hat das die DDR-Regierung geregelt, was heute noch gel-
ten soll. Das kann ja wohl nicht wahr sein.

Dabei war, um auf die Verhältnisse in der DDR zurück-
zukommen, die Übergabe der Baulast von der Bahn auf
die Kommunen nichts weiter als eine Veränderung auf
dem Papier. Sie wissen, in der DDR waren die Kommu-
nen so genannte unterste Staatsorgane, was sehr kritik-
würdig ist – das will ich überhaupt nicht ignorieren –, und
ebenso wie die Bahn Teil des Staates. Die Kommunen be-
saßen in der DDR keine Finanzhoheit und konnten folg-
lich überhaupt nichts am Zustand von Brücken ändern,
haben dafür also auch nach bundesdeutschem Recht keine
Verantwortung zu tragen.

Fazit: Der Änderungsbedarf beim Eisenbahnkreuzungs-
gesetz ist groß. Die Fehlentwicklungen sind erheblich.
Mit den enormen Belastungen, die ich angesprochen habe
und die im Antrag sachlich nachgewiesen sind, werden
die kommunalen Finanzspielräume zumeist weit über-
schritten. Verschiedentlich stehen sogar langwierige
Rechtsauseinandersetzungen an. Die rot-grüne Bundesre-
gierung aber sieht keinen Handlungsbedarf. Deshalb setzt
sich die PDS mit ihrer Gesetzesnovelle für die Befreiung
der Kommunen von diesen Kosten ein. Sie gibt dafür im
Gesetzesantrag auch eine stichhaltige Begründung.

Im Interesse der betroffenen Städten und Gemeinden
bitte ich Sie dringlich, diese Initiative ohne jedwede
ideologische Vorbehalte zu unterstützen.

Vielen Dank und schöne Pfingsten.

(Beifall bei der PDS)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1410910800
Ich schließe die Aus-
sprache. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetz-
entwurfs auf Drucksache 14/3332 an die in der Tagesord-
nung aufgeführte Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie da-
mit einverstanden? – Das ist der Fall. Damit ist die
Überweisung so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Alfred
Hartenbach, Hermann Bachmaier, Bernhard
Brinkmann (Hildesheim), weiteren Abgeordneten
und der Fraktion der SPD sowie den Abgeordneten
Volker Beck (Köln), Hans-Christian Ströbele,
Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung
des Rechts an Grundstücken in den neuen Ländern

(Grundstücksrechtsänderungsgesetz)

– Drucksache 14/3508 –

Es ist vereinbart, die Redebeiträge der Abgeordneten
Hans-Joachim Hacker, Andrea Voßhoff, Hans-Christian
Ströbele, Dr. Evelyn Kenzler und Dr. Eckhard Pick zu
Protokoll zu geben.*)

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs
auf Drucksache 14/3508 an die in der Tagesordung auf-
geführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist so. Damit ist die Überweisung be-
schlossen.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord-
ung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages ein auf Mittwoch, den 28. Juni 2000, 13.00 Uhr.
Ich wünsche Ihnen allen erbauliche, fröhliche Pfingsttage.

Die Sitzung ist geschlossen.