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ID1410903200

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    Tagesordnungspunkt 18: a) Bericht des Petitionsausschusses Bitten und Beschwerden an den Deut- schen Bundestag Die Tätigkeit des Petitionsausschus- ses des Deutschen Bundestages im Jahr 1999 (Drucksache 14/3456) . . . . . . . . . . . . . 10273 A b) Beschlussempfehlung des Petitionsaus- schusses Sammelübersicht 67 zu Petitionen (Vorgesehene Streichung der Teilwertab- schreibung im Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002) (Drucksache 14/1328) . . . . . . . . . . . . . 10273 B Heidemarie Lüth PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10273 B Bernd Reuter SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10275 C Hubert Deittert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 10278 A Helmut Wilhelm (Amberg) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10279 C Günther Friedrich Nolting F.D.P. . . . . . . . . . . 10280 D Heidemarie Ehlert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 10282 C Marlene Rupprecht SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 10283 C Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) CDU/CSU 10285 A Martin Hohmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 10286 A Annelie Buntenbach BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10287 B Klaus Holetschek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 10288 C Hans-Joachim Hacker SPD . . . . . . . . . . . . . . 10290 A Katherina Reiche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 10291 D Tagesordnungspunkt 19: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Hartmut Koschyk, Christian Schmidt (Fürth), weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Versöhnung durch Äch- tung von Vertreibung (Drucksachen 14/1311, 14/3203) . . . . 10293 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Weiterent- wicklung der deutsch-tschechischen Beziehungen (Drucksachen 14/1873, 14/3164) . . . . 10293 C Petra Ernstberger SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10293 D Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 10295 B Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10296 C Erika Steinbach CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 10299 B Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10300 A Dr. Max Stadler F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10300 C Dr. Heinrich Fink PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10301 D Dr. Christoph Zöpel, StMin AA . . . . . . . . . . . 10302 C Katherina Reiche CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 10305 A Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . . 10306 D Karl Lamers CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 10307 B Dr. Antje Vollmer BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10307 D Dr. Helmut Lippelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10308 C Tagesordnungspunkt 20: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Plenarprotokoll 14/109 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 109. Sitzung Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 I n h a l t : Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Altschuldenhilfe-Ge- setzes (Zweites Altschuldenhilfe- Änderungsgesetz)(Drucksache 14/2983) . . . . . . . . . . 10309 B – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Altschuldenhilfe- Gesetzes (Zweites Altschuldenhil- fe-Änderungsgesetz) (Drucksache 14/3267) . . . . . . . . . . 10309 B – Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Karlheinz Guttmacher, Horst Friedrich (Bay- reuth), weiteren Abgeordneten und der Fraktion F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zurÄnde- rung des Altschuldenhilfe-Geset- zes (Altschuldenhilfe-Änderungs- gesetz) (Drucksache 14/3209) . . . . . . . . . . 10309 B (Drucksachen 14/3520, 14/3564) . . . . 10309 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen – zu dem Antrag der Abgeordneten Christine Ostrowski, Dr. Christa Luft, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion PDS: Änderung des Altschul- denhilfe-Gesetzes – Absenkung der Privatisierungspflicht und Auf- hebung der Erlösabführung zum 1. Januar 2000 – zu dem Antrag der Abgeordne- ten Dr.-Ing. Dietmar Kansy, Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Ab- geordneter und der Fraktion CDU/CSU: Novellierung des Alt- schuldenhilfe-Gesetzes – zu dem Antrag der Abgeordne- ten Christine Ostrowski, Maritta Böttcher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS: Programm zur nachhaltigen Stadt- und Re- gionalentwicklung und zum Er- halt von Wohnungsgesellschaften und Wohnungsgenossenschaften in strukturschwachen Regionen der neuen Länder – zu dem Antrag der Abgeordneten Christine Ostrowski, Heidemarie Ehlert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS: Aufhebung der Privatisierungspflicht im Altschul- denhilfe-Gesetz und der Sanktio- nen bei Nichterfüllung (Drucksachen 14/1123, 14/1954, 14/2632, 14/2804, 14/3520, 14/3564) . . . . . . . . 10309 C Achim Großmann, Parl. Staatssekretär BMVBW 10310 A Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . . . . . . . . 10311 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10313 C Dr. Karlheinz Guttmacher F.D.P. . . . . . . . . . . 10314 C Christine Ostrowski PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 10315 C Dr. Jürgen Heyer, Minister (Sachsen-Anhalt) 10316 C Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU . . . . . . . . . . 10317 D Iris Gleicke SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10319 A Namentliche Abstimmungen . . . . . . . . . . . . . 10319 B Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10320 C Zusatztagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Hilfe für durch Anti-D-Immunprophylaxe mit dem He- patitis-C-Virus infizierte Personen (An- ti-D-Hilfegesetz, AntiDHG) (Drucksachen 14/2958, 14/3282, 14/3538, 14/3539) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10325 A Christa Nickels, Parl. Staatssekretärin BMG . 10325 B Wolfgang Lohmann (Lüdenscheid) CDU/CSU 10326 C Gudrun Schaich-Walch SPD . . . . . . . . . . . . . 10328 C Detlef Parr F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10329 D Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10330 D Rolf Schwanitz, Staatsminister BK . . . . . . . . 10331 D Tagesordnungspunkt 21: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zurvergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 14/2959, 14/3433, 14/3418) 10332 C Tagesordnungspunkt 22: Erste Beratung des von den Abgeordneten Norbert Geis, Roland Pofalla, weiteren Ab- geordneten und der Fraktion CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Verbesserung der gesetzlichen Maßnahmen gegenüberKinder- und Ju- genddelinquenz (Drucksache 14/3189) . . . . . . . . . . . . . . . . 10332 D Tagesordnungspunkt 23: Antrag der Abgeordneten Ulrich Heinrich, Ulrike Flach, weiteren Abgeordneten und Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000II der Fraktion F.D.P.: Eigentumsrechte nicht durch falsche Naturschutzpolitik aushöhlen (Drucksache 14/1113) . . . . . . . . . . . . . . . . 10333 A Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Uwe-Jens Rössel, Dr. Winfried Wolf, weiteren Abgeordneten und der Fraktion PDS eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Eisenbahnkreu- zungsgesetzes (Drucksache 14/3332) . . . . . . . . . . . . . . . . 10333 B Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . 10333 B Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung des von den Abgeordneten Alfred Hartenbach, Hermann Bachmaier, weiteren Abgeordneten und der Fraktion SPD sowie den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Hans-Christian Ströbele, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Rechts an Grundstücken in den neuen Ländern (Grundstücksrechtsänderungsgesetz) (Drucksache 14/3508) . . . . . . . . . . . . . . . . 10334 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10334 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 10335 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Ostrowski (PDS) zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Altschuldenhilfe- Änderungsgesetzes (Zweites Altschuldenhilfe- Änderungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 20) 10336 C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerbsrecht- licher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 21) 10336 D Dirk Manzewski SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10336 D Birgit Roth (Speyer) SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 10337 D Dr. Susanne Tiemann CDU/CSU . . . . . . . . . . 10338 C Werner Schulz (Leipzig) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10340 B Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10341 A Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10341 B Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ . 10342 A Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der gesetzlichen Maßnahmen gegenüber Kin- der- und Jugenddelinquenz (Tagesordnungs- punkt 22) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10343 C Erika Simm SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10343 D Anni Brandt-Elsweier SPD . . . . . . . . . . . . . . . 10344 D Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 10345 C Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10347 A Jörg van Essen F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10347 D Sabine Jünger PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10348 B Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Eigentumsrechte nicht durch falsche Naturschutzpolitik aushöhlen (Tages- ordnungspunkt 23) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10348 D Karsten Schönfeld SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 10348 D Christel Deichmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 10350 B Cajus Caesar CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 10351 B Sylvia Voß BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . 10352 D Ulrich Heinrich F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10353 D Eva-Maria Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . 10354 C Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes (Tagesordnungs- punkt 24) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10355 A Wieland Sorge SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10355 A Norbert Otto (Erfurt) CDU/CSU . . . . . . . . . . 10356 A Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10357 A Horst Friedrich (Bayreuth) F.D.P. . . . . . . . . . 10357 C Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Rechts an Grundstücken in den neuen Ländern (Grundstücksrechtsänderungsgesetz) (Tages- ordnungspunkt 25) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10358 C Hans-Joachim Hacker SPD . . . . . . . . . . . . . . 10358 C Andrea Voßhoff CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 10359 A Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10360 B Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10360 D Dr. Evelyn Kenzler PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 10361 A Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär BMJ . . . 10361 D Anlage 8 Amtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10362 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 III Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 Dr. Uwe-Jens Rössel 10334 (C) (D) (A) (B) *) Anlage 7 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10335 (C) (D) (A) (B) Adler, Brigitte SPD 09.06.2000 Altmann (Aurich), BÜNDNIS 90/ 09.06.2000 Gila DIE GRÜNEN Andres, Gerd SPD 09.06.2000 Binding (Heidelberg), SPD 09.06.2000 Lothar Bläss, Petra PDS 09.06.2000 Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 09.06.2000 Bohl, Friedrich CDU/CSU 09.06.2000 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 09.06.2000 Braun (Augsburg), F.D.P. 09.06.2000 Hildebrecht Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 09.06.2000** Klaus Bulmahn, Edelgard SPD 09.06.2000 Burgbacher, Ernst F.D.P. 09.06.2000 Bury, Hans Martin SPD 09.06.2000 Carstensen (Nordstrand), CDU/CSU 09.06.2000 Peter H. Eichhorn, Maria CDU/CSU 09.06.2000 Erler, Gernot SPD 09.06.2000 Fischer (Homburg), SPD 09.06.2000 Lothar Flach, Ulrike F.D.P. 09.06.2000 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 09.06.2000 Frick, Gisela F.D.P. 09.06.2000 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 09.06.2000 Gebhardt, Fred PDS 09.06.2000 Gehrcke, Wolfgang PDS 09.06.2000 Günther (Plauen), F.D.P. 09.06.2000 Joachim Haack (Extertal), Karl SPD 09.06.2000** Hermann Hanewinckel, Christel SPD 09.06.2000 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 09.06.2000 DIE GRÜNEN Dr. Hornhues, CDU/CSU 09.06.2000 Karl-Heinz Imhof, Barbara SPD 09.06.2000 Irmer, Ulrich F.D.P. 09.06.2000* Dr. Kahl, Harald CDU/CSU 09.06.2000 Kalb, Bartholomäus CDU/CSU 09.06.2000 Kampeter, Steffen CDU/CSU 09.06.2000 Körper, Fritz Rudolf SPD 09.06.2000 Kolbow, Walter SPD 09.06.2000 Kossendey, Thomas CDU/CSU 09.06.2000 Lehn, Waltraud SPD 09.06.2000 Leidinger, Robert SPD 09.06.2000 Lengsfeld, Vera CDU/CSU 09.06.2000 Lenke, Ina F.D.P. 09.06.2000 Lintner, Eduard CDU/CSU 09.06.2000** Dr. Lippold (Offenbach), CDU/CSU 09.06.2000 Klaus W. Dr. Lucyga, Christine SPD 09.06.2000* Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 09.06.2000** Erich Mascher, Ulrike SPD 09.06.2000 Müller (Berlin), PDS 09.06.2000* Manfred Müller (Zittau), SPD 09.06.2000 Christian Neumann (Gotha), SPD 09.06.2000** Gerhard Otto (Frankfurt), F.D.P. 09.06.2000 Hans-Joachim Poß, Joachim SPD 09.06.2000 Rauber, Helmut CDU/CSU 09.06.2000 Reinhardt, Erika CDU/CSU 09.06.2000 entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Scharping, Rudolf SPD 09.06.2000 Scheffler, Siegfried SPD 09.06.2000 Schemken, Heinz CDU/CSU 09.06.2000 Schewe-Gerigk, BÜNDNIS 90/ 09.06.2000 Irmingard DIE GRÜNEN Schily, Otto SPD 09.06.2000 Schloten, Dieter SPD 09.06.2000** Schmidt (Aachen), Ulla SPD 09.06.2000 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 09.06.2000 Hans Peter von Schmude, Michael CDU/CSU 09.06.2000** Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 09.06.2000 Andreas Schröder, Gerhard SPD 09.06.2000 Schultz (Köln), SPD 09.06.2000 Volkmar Sebastian, CDU/CSU 09.06.2000 Wilhelm-Josef Dr. Freiherr von CDU/CSU 09.06.2000 Stetten, Wolfgang Dr. Struck, Peter SPD 09.06.2000 Dr. Thalheim, Gerald SPD 09.06.2000 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ 09.06.2000 DIE GRÜNEN Violka, Simone SPD 09.06.2000 Widmann-Mauz, CDU/CSU 09.06.2000 Annette Wieczorek-Zeul, SPD 09.06.2000 Heidemarie Wilhelm (Mainz), CDU/CSU 09.06.2000 Hans-Otto Wöhrl, Dagmar CDU/CSU 09.06.2000 Wolff (Zielitz), SPD 09.06.2000 Waltraud Zapf, Uta SPD 09.06.2000 Zierer, Benno CDU/CSU 09.06.2000* Zumkley, Peter SPD 09.06.2000 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Ent- wurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Altschuldenhilfe-Änderungsgesetzes (Zweites Altschuldenhilfe-Änderungsgesetz–2-AHÄndG) (Tagesordnungspunkt 20) Christine Ostrowski (PDS): Ich lehne den Gesetz- entwurf der Bundesregierung und der Koalitionsfraktio- nen ab und möchte diese Ablehnung begründen, damit mir nicht vorgeworfen wird, dass ich gegen die bescheidenen positiven Änderungen bin, die dieser Gesetzentwurf ent- hält. Meine Ablehnung begründet sich wie folgt: Erstens. Die mit dem Gesetz beschlossenen Änderun- gen sind zwar zu begrüßen, aber sie regeln in keiner Weise jene Fragen, die das Gesetz hätte regeln müssen, nämlich: Befreiung dauerhaft leerstehender Wohnungen von den Restschulden und den weiteren Auflagen, Nichtanrech- nung auf die Wohnungsunternehmen zurückgefallener re- stitutionsbehafteter Wohnungen, wenigstens die Auf- nahme einer Härtefallregelung in das Gesetz. Damit wurden die außerordentlichen finanziellen Be- lastungen der Wohnungsunternehmen nicht wesentlich erleichtert. Das Gesetz und der Vorgang seiner Entstehung zeigen Unfähigkeit und Unwillen der Regierung und der Koaliti- onsfraktionen, die ostdeutschen tiefgreifenden strukturel- len Probleme zu lösen. Das Gesetz ist ein virtueller, kein wirklicher Schluss- strich unter das AHG. Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur vergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften (Tagesord- nungspunkt 21) Dirk Manzewski (SPD): Am heutigen Tag debattieren wir an dieser Stelle über den Gesetzentwurf der Bundes- regierung zur vergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften. Nach der Beratung des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen und des Fernabsatzgesetzes beschäftigen wir uns damit hier im Deutschen Bundestag im Rahmen der Rechtspolitik erneut mit einem wirtschaftspolitischen Thema. Die Bun- desregierung folgt ihrem Ziel, die wirtschaftlichen Rah- menbedingungen für Mittelstand, Handwerk und Exis- tenzgründungen zu verbessern. Der vorliegende Gesetzentwurf soll dabei vor allem zum einen die entsprechende Richtlinie des Europäischen Parlaments umsetzen und zum anderen längst fällige Kor- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10336 (C) (D) (A) (B) rekturen im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vornehmen. Durch die Umsetzung der Richtlinie des Eu- ropäischen Parlaments soll primär das Recht der verglei- chenden Werbung in Europa und damit eines wichtigen Bestandteils des Werberechts im Bereich des Binnen- marktes harmonisiert werden. Bislang war vergleichende Werbung im deutschen Recht nicht ausdrücklich geregelt. Sie wurde jedoch vor der Verabschiedung der Richtlinie von der Rechtspre- chung in den meisten Fällen als wettbewerbswidrig ange- sehen. Die vorgeschlagene Ergänzung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb wird zu einer Liberalisierung des Wettbewerbsrechts und damit zu mehr Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in diesem Bereich führen. Verglei- chende Werbung wird zukünftig grundsätzlich zulässig sein. Sie soll der Information der Verbraucher dienen und transparente Marktbedingungen schaffen. Werbeverglei- che werden helfen, die Besonderheiten von Produkten oder Dienstleistungen hervorzuheben. Gerade Neuanbie- ter werden hiervon profitieren, da ihnen die Möglichkeit gegeben wird, Vorteile und Unterschiede zur Konkurrenz darzustellen und herauszuheben. Der Gesetzentwurf defi- niert dabei konkret, was hierunter zu verstehen ist. Daneben wird in einem umfassenden Kriterienkatalog entsprechend der Systematik des UWG in einem Verbots- tatbestand jedoch deutlich klargestellt, wann verglei- chende Werbung als sittenwidrig und damit unzulässig anzusehen ist. So dürfen Kunden von einem Werbetrei- benden nicht durch einen Werbevergleich irregeführt wer- den. Ebenso wenig darf Werbung zu einer Verwechslung der verglichenen Produkte führen oder den Mitbewerber und die von ihm vertriebenen Produkte herabsetzen oder verunglimpfen. Eine Einschränkung wird die Liberalisie- rung der vergleichenden Werbung aus nachvollziehbaren Gründen allerdings im Bereich der Humanarzneimittel finden müssen. Um dies zu verdeutlichen war eine Ände- rung des Heilmittelwerbegesetzes erforderlich. Die Verpflichtung, die Richtlinie des Europäischen Parlaments umzusetzen, ist zudem genutzt worden, um zwei Empfehlungen aufzugreifen, die von der vom Bun- desjustizministerium im Jahre 1995 eingesetzten Arbeits- gruppe zur Überprüfung des Wettbewerbsrechts stam- men. Die Arbeitsgruppe war seinerzeit eingesetzt worden, um den Reformbedarf beim Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb umfassend zu prüfen und insbesondere zur Klärung von Zweifelsfragen beizutragen. Dem wollen wir nachkommen. So soll nunmehr zum einen klargestellt werden, dass bei der so genannten progressiven Kunden- werbung – besser bekannt als Schneeballsystem – künftig auch die in der Praxis häufigen Gewinnspiele strafbar sind, bei denen die Teilnehmer die erwarteten besonderen Vorteile nicht vom Veranstalter selbst, sondern von Drit- ten – insbesondere von den neu hinzugeworbenen Teil- nehmern – erhalten. Zum anderem soll klargestellt werden, dass der Ge- richtsstand grundsätzlich am Ort der gewerblichen Nie- derlassung bzw. des Wohnsitzes des Beklagten liegt. Am Gerichtsstand der unerlaubten Handlung soll der Beklagte nur dann verklagt werden können, wenn weder ein inlän- discher Wohnsitz noch eine inländische gewerbliche Nie- derlassung vorliegt. Gerne hätten wir an dieser Stelle noch weitere Verän- derungen vorgenommen und zum Beispiel dem Einzel- handel geholfen, indem wir schon jetzt dem immer häufi- geren Missbrauch von Sonderveranstaltungen und Räu- mungsverkäufen begegnet wären. Da dies ohne zeitliche Verzögerung für das gesamte Gesetzeswerk aufgrund mangelnder Bereitschaft von CDU/CSU und F.D.P. nicht möglich gewesen wäre, haben wir es zunächst zurückge- stellt. Wir sichern jedoch zu, diesen Bereich in einem um- fassenderen Kontext zügig wieder aufzugreifen und zu re- geln. Wir wollen den Gesetzentwurf wenigstens dazu nut- zen, eine dringende Änderung im Urheberrechtsgesetz vorzunehmen, um zu verhindern, dass geschützte Urheber bei der Vervielfältigung von Werken und Leistungen im privaten Bereich durch Umgehung um eine angemessene Vergütung gebracht werden. Dazu sollen Vervielfälti- gungsgeräte künftig auch bei geringer Leistung eine Ver- gütungspflicht auslösen. Dies wird zu keiner unangemes- senen Belastung führen, zumal in der Praxis zwischen den Verwertungsgesellschaften und den Nutzerverbänden in- tern ohnehin niedrigere Sätze vereinbart werden. Der vorliegende Gesetzentwurf entspricht weitgehend einem Referentenentwurf, der den Landesjustizverwal- tungen, dem Bundesgerichtshof und den interessierten Organisationen und Verbänden zur Stellungnahme über- sandt worden war. Der Gesetzentwurf ist dabei grundsätz- lich positiv aufgenommen worden. Ich gehe daher von ei- ner breiten Zustimmung aus. Die Instanzgerichte und der BGH wenden die Kriterien der Richtlinie des Europäischen Parlaments im Vorgriff auf deren Umsetzung im Übrigen bereits an. Mir ist zwar durchaus bewusst, dass verschiedene Wirtschaftsverbände und die AGV Forderungen nach ei- ner grundlegenden Liberalisierung und Neuorientierung des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb aufstellen. Da es sich hierbei jedoch vielfach um Anregungen han- delt, die einer viel vertiefenderen rechts- und wirtschafts- politischen Diskussion bedürfen, sind diese angesichts der knappen Umsetzungsfrist sowie des beschränkten Re- gelungsziels dieses Gesetzgebungsvorhabens noch nicht aufgegriffen worden. Ich gehe jedoch davon aus, dass die Diskussion hierüber mit der heutigen Debatte noch nicht beendet ist und eine umfassendere und intensivere Prü- fung erfolgen wird. Birgit Roth (Speyer) (SPD): Der Reformbedarf des Wettbewerbsrechts ist seit längerem bekannt und wir ha- ben mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf zur verglei- chenden Werbung erste Schritte realisiert. Unsere Geset- zesinitiative führt zu einer Liberalisierung des Wettbe- werbsrechts, zu mehr Rechtsklarheit und Rechts- sicherheit. Aufgrund der wettbewerbsrechtlichen Historie in Deutschland ist es uns ein besonderes Anliegen – denn in diesen Bereich fällt ja zum Beispiel auch das Rabattge- setz und die Zugabeverordnung –, die Umsetzung der Richtlinie im Konsens herbeizuführen. Denn – gestatten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10337 (C) (D) (A) (B) Sie mir diesen Vergleich – das Wettbewerbsrecht ist wie ein rohes Ei, und es muss eine vernünftige und verant- wortungsvolle Ausgewogenheit zwischen Wettbewerb auf der einen Seite und Regelwerk auf der anderen Seite geben, sonst könnte dies tiefgreifende Konsequenzen für unsere Wirtschaftsordnung, für unsere soziale Marktwirt- schaft haben. Gerade im Zeitalter der Globalisierung, der großen Fu- sionen, im Zeitalter von Multimedia und dem Internet müssen wir den mittelständischen Unternehmen auch ein modernes Wettbewerbsrecht an die Hand geben, das Chancengleichheit gewährleistet. Denn wir nehmen die Sorgen der Mittelständler, insbesondere des Einzelhan- dels, sehr ernst. Die E-Commerce-Richtlinie ist bereits Realität geworden, das heißt, im Internet wird das Recht des Herkunftslandes angewendet. Damit haben wir fak- tisch eine Benachteiligung inländischer Firmen gegen- über ausländischen Wettbewerbern. Wir sehen in der eingeleiteten Liberalisierung in erster Linie eine Chance für den Mittelstand und die Verbrau- cher. Das belegen auch die Ergebnisse einer Untersu- chung des Forschungsinstitutes für Wirtschaftspolitik an der Universität Mainz, die im Auftrag des BMF angefer- tigt worden ist. Obwohl vergleichende Werbung grundsätzlich von allen Anbietern, ob Marktführern oder Newcomern, eingesetzt werden kann, wird in dieser Wer- beform eher ein Instrument für kleinere bzw. mittlere An- bieter und Newcomer gesehen. In den meisten Fällen pro- fitieren die kleineren Anbieter durch den Vergleich mit dem größeren, bekannteren Anbieter mehr. Die Darstel- lung zweier oder mehrerer Konkurrenten erhöht den Adressatenkreis und der Bekanntheitsgrad der Konkur- renzprodukte konnte genutzt werden, um die eigenen Wa- ren oder Dienstleistungen bekannter zu machen. Doch vergleichende Werbung ist eher die Ausnahme. Obwohl der direkte Vergleich mit den Konkurrenten möglich ge- wesen wäre, entschieden sich die meisten gegen die Na- mensnennung, da Reaktionen der Verbraucher eher als ne- gativ für das werbetreibende Unternehmen eingeschätzt würden. Lassen Sie mich Ihnen noch ein sehr interessantes Bei- spiel für vergleichende Werbung geben: Die Werbe- schlacht zwischen Burger King und McDonald’s. Daran konnte deutlich gesehen werden, dass, das Ergebnis der vergleichenden Werbung auch von der entsprechenden Fairness abhängig ist: Die Burger King-Kampagne, ge- kennzeichnet durch witzige, vergleichende Werbesprüche wurde sogar mit einem Werbe-Oskar ausgezeichnet und kam beim Verbraucher sehr positiv an. Hingegen bei der vergleichenden Werbeschlacht zwischen Telekom und Mobilkom ging der Schuss nach hinten los – mit be- trächtlichem Imageschaden für das Unternehmen. Aus diesem Grunde ist bei der Anwendung von vergleichender Werbung immer auch ein Stück weit Sensibilität gefragt. Durch die Neuregelung ist der direkte Preisvergleich erlaubt, wobei auch in diesem Falle der Konkurrent na- mentlich genannt werden muss, was viele von verglei- chender Werbung abhält, da automatisch auch der Kon- kurrent in den Medien transportiert wird und der Be- kanntheitsgrad mit ansteigt. Doch insbesondere durch Preisvergleiche kann eine Preisspirale in Gang gesetzt werden, die sich positiv für den Verbraucher auswirken kann. Deswegen gehen wir davon aus, dass die Gesetzes- initiative zur vergleichenden Werbung mehr Markttrans- parenz ermöglicht. Dabei dürfen wir aber die Augen vor den Risiken nicht verschließen. Wenn Marktführer sich durch vergleichende Angebote Preisschlachten bieten, können kleinere Anbieter oft nicht mithalten. Insbeson- dere im Lebensmittelbereich herrscht ein harter Verdrän- gungswettbewerb, der zulasten der kleinen Anbieter aus- fallen könnte. Abschließend möchte ich aus wirtschaftspolitischer Hinsicht ein Fazit ziehen. Wir begrüßen die Liberalisie- rung der vergleichenden Werbung, weil die Chancen- gleichheit des Mittelstandes gewährleistet wird, sich die Markttransparenz erhöht und klare Vorteile für den Ver- braucher ersichtlich sind. Dr. Susanne Tiemann (CDU/CSU): Als die Druck- sache 14/2959 in der ersten Lesung hier im Bundestag be- handelt wurde, stand die CDU/CSU-Fraktion dem Ge- setzentwurf zwar nicht ablehnend, wohl aber mit kon- struktiver Skepsis gegenüber. Im Laufe der konstruktiven Beratungen, die wir im Rechtsausschuss geführt haben, sind wir zu einem Ergebnis gekommen, dem alle Mitglie- der zugestimmt haben. Als Folge dieses Ergebnisses stellt die CDU/CSU-Fraktion ihre anfänglich geäußerten Be- denken zurück, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass in einem möglichst überschaubaren Zeitraum notwendige weitere Änderungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und sonst den Handel betreffende Probleme einer gesetzlichen Regelung zugeführt werden sollten, und zwar konzeptionell in einer Einheit. Der im Rechtsausschuss gefundene Kompromiss sieht im Wesentlichen die Umsetzung der vom Europäischen Parlament und Rat am 6. Oktober 1997 verabschiedeten Richtlinie 97/SS/EG in nationales Recht vor. Die Umset- zung der Richtlinie ist zum einen europarechtlich drin- gend geboten, da die Umsetzungsfrist bereits am 23. April 2000 abgelaufen ist, und zum anderen ein Beitrag zur Rechtsklarheit, da der BGH in verschiedenen Rechtsstrei- tigkeiten im Jahre 1998 erklärt hat, dass er von seiner bis- herigen Rechtsprechung abweiche und im Rahmen des § 1 UWG die materiellen Bestimmungen der Richtlinie anwende. Damit hat sich bereits, in der Rechtsprechung ein Um- bruch des Wettbewerbsrechts vollzogen, da die verglei- chende Werbung bisher stets für grundsätzlich unzulässig erklärt wurde. Im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit war die Umsetzung somit erforderlich, damit die Werben- den wissen, welche Rechte und Pflichten von ihnen kon- kret zu beachten sind. Die Umsetzung der Richtlinie wurde auch behutsam vorgenommen. Ziel war es immer, mit dem Wettbewerbsrecht behutsam umzugehen, da es eine wesentliche Basis für das Funktionieren unserer so- zialen Marktwirtschaft darstellt. Denn wenn wir nicht über ein ausgewogenes Wettbewerbsrecht verfügen, hat dies tief greifende Folgen für unsere Wirtschaftsordnung, für die Balance zwischen Freiheit und Bindung des Markthandelns. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10338 (C) (D) (A) (B) Dementsprechend waren auch nicht alle Vorgaben der Richtlinie zur Umsetzung vorgesehen, da das deutsche Recht entweder der Richtlinie schon Rechnung trug oder das europäische Recht schon an anderen Stellen entspre- chende Regelungen vorgab. Die einzige am Katalog des Art. 1 Nr. 1 vorgenommene Korrektur ( § 2 II Nr. 5 UWG) war notwendig, um klarzustellen, dass die Herabsetzung der geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers gleichfalls zur Unzulässigkeit der Werbung führt. Inso- weit bestand zwischen den Fraktionen auch Einigkeit. Während unserer Regierungszeit wurde 1995 in vo- rausschauender Weise, das möchte ich noch einmal aus- drücklich betonen, die Arbeitsgruppe „Überprüfung des Wettbewerbs“ eingesetzt. Von deren anfänglich in der Drucksache 14/2959 beinhalteten Änderungsvorschlägen sind in der jetzigen Fassung lediglich die Änderungen von § 6 c UWG und § 24 112 UWG vorgesehen. Die Änderung dieser beiden Vorschriften wird von der CDU/CSU-Fraktion inhaltlich begrüßt, wobei festgehal- ten werden sollte, dass eine umfassende und abschlie- ßende Auseinandersetzung mit den Vorschlägen der Ar- beitsgruppe nach Ansicht meiner Fraktion den Bedürfnis- sen des Wettbewerbs weitaus mehr Rechnung getragen hätte. Der am 17. Dezember 1996 vorgelegte Bericht der Ar- beitsgruppe lehnte eine umfassende Überarbeitung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ab, machte aber gleichwohl Vorschläge, die im ursprünglichen Ge- setzentwurf der Bundesregierung keine Berücksichtigung fanden, obwohl die Vorschläge durchaus berücksichti- genswert gewesen wären. Die Arbeitsweise der Bundes- regierung, gesetzgeberische Vorhaben als Stückwerk ver- abschieden zu wollen, hätte sich damit uneinsichtiger- weise ungehemmt fortgesetzt. In dieser Hinsicht ist die Bundesregierung, das kann man ruhig einmal sagen, sehr konservativ. Der Änderung der Bestimmungen der §§ 6 c UWG und 24 II 2 UWG kann grundsätzlich zugestimmt werden. Im Rahmen des § 6 c UWG zwingt das Geschäftsgebaren ei- niger Menschen den Gesetzgeber dazu, möglichst zügig geeignete Vorschriften zu erlassen, um dem entgegenzu- wirken. Der neue § 6 c UWG stellt nun unmissverständ- lich klar, dass auch die Vorteilsgewährung durch Dritte, z. B. durch neu geworbene Teilnehmer eines Kettenbrief- systems, in den Anwendungsbereich der Norm fällt. Die Präzisierungen, die im Laufe der Beratungen vorgenom- men wurden, sollen dies noch eindeutiger zum Ausdruck bringen. Die Regelung des neuen § 24 II2 UWG beseitigt eine bisher bestehende Unklarheit. Die Bestimmung des § 24 I UWG knüpft bei der Bestimmung des Gerichtstands bei der gewerblichen Niederlassung oder hilfsweise am Wohnsitz an. Entsprechend war somit auch § 24 II2 UWG zu präzisieren, dass heißt, dass Verbände nur dann am De- liktsort klagen können, wenn der Beklagte weder über eine inländische gewerbliche Niederlassung noch über ei- nen inländischen Wohnsitz verfügt. Die Arbeitsgruppe „Überprüfung des Wettbewerbs“ hat eine Reihe von wichtigen und umsetzungsbedürftigen Vorschlägen ausgearbeitet. Diese können aber nicht, wie ursprünglich im Gesetzentwurf vorgesehen, mit heißer Nadel gestrickt, einfach dem Gesetz über die Umsetzung einer EU-Richtlinie als punktuelle Regelung angehängt werden. Sie bedürfen einer konzeptionell geschlossenen und stimmigen Einfügung in das UWG. Daher begrüßen wir, dass die Art. 1 Nr. 5 und 6 (§ 7 UWG – Sonderveran- staltungen, § 8 UWG – Räumungsverkauf) aus dem Ge- setzentwurf gestrichen wurden. Die Fraktion der CDU/CSU ist nach wie vor der An- sicht, dass die bisher nicht berücksichtigten Vorschläge der Arbeitsgruppe sowie weitere Ergänzungen, zum Bei- spiel die Aufnahme einer dem alten § 6 d UWG entspre- chenden Norm, im Rahmen eines umfassenden Gesetz- entwurfs beraten werden sollten. Wir werden daher Acht geben, dass dieses Vorhaben nicht auf die lange Bank ge- schoben wird, und gegebenenfalls eigene Schritte unter- nehmen. Die CDU/CSU-Fraktion hält die Einführung einer dem alten § 6 d UWG entsprechenden Norm nach wie vor für geeignet und notwendig, vielfach aufgetretene und kriti- sierte Missstände zu beseitigen. Im Einzelhandel fand in den letzten Jahren ein uner- bittlicher Preiskampf statt, der zur Vernichtung vieler mit- telständischer Existenzen führte. Dieser Prozess ist volks- wirtschaftlich schädlich und nicht gewollt, da am Ende eine Monopolisierung stünde. Ziel sollte es vielmehr sein, die Anzahl der Anbieter auf einem hohen Niveau zu hal- ten, damit eine stetige Konkurrenz der Anbieter unterei- nander für einen dauerhaften Wettbewerb sorgt. Das Ziel, einer Monopolisierung entgegenzuwirken, mit gleichzei- tiger Stärkung des Wettbewerbs, könnte dadurch erreicht werden, dass den konkurrierenden Wettbewerbern ein In- strument in die Hand gegeben wird, welches ihnen er- möglicht, gegen so genannte „Lockvogelangebote“ mit Unterlassungsansprüchen vorzugehen. Der Handel würde so mit marktwirtschaftlichen Mitteln Einkaufsvorteilen und möglichen ungerechtfertigten Konditionsspreizun- gen der Industrie im Interesse des Nachteilsausgleichs für kleinere und mittlere Unternehmen die Spitze nehmen können. Die alte Regelung des § 6 d UWG hatte zwar keinen Bestand vor der Rechtsprechung, weil der damalige Wort- laut zwischen Kunde und Wiederverkäufer differenzierte, wobei gegenüber dem Wiederverkäufer allerdings nur ein völliger Ausschluss, nicht aber eine mengenmäßige Be- schränkung der Warenabgabe für einen Unterlassungsan- spruch ausreichte. Bei den Überlegungen, ob eine ver- gleichbare Neuregelung abermals in das UWG aufge- nommen wird, sollte dies keinen Hinderungsgrund darstellen. Der Mittelstand ist nicht nur Rückgrat der Volkswirt- schaft, sondern auch Basis eines funktionierenden Wett- bewerbs in der sozialen Marktwirtschaft. Ein modernes Wettbewerbsrecht kann auf eine starke mittelständische Wirtschaft daher unmöglich verzichten, weshalb den be- rechtigten Anliegen des Mittelstandes mehr Rechnung ge- tragen werden sollte. Noch zu einem konkreten Punkt: Der in den Beratun- gen neu eingeführte Art. 3 war deshalb notwendig, weil Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10339 (C) (D) (A) (B) sich gezeigt hat, dass die Tendenz, gesetzliche Regelun- gen zu umgehen, mittlerweile Volkssportcharakter ange- nommen hat. Die bisherige Regelung in den Vorschriften §§ 53, 54, 54 a, einschließlich der Anlage zu § 54 d Urhe- berrechtsgesetz, sieht vor, dem Urheber bei der Verviel- fältigung von Leistungen und Werken im privaten Bereich eine angemessene Vergütung zu gewähren. Dies erfolgt durch die Festlegung von Vergütungssätzen, mit denen Überspielgeräte und -medien sowie Reprografie und Ab- lichtungen zugunsten der Berechtigten belastet werden, wenn erwartet werden kann, dass die privaten Vervielfäl- tigungen und privaten Überspielungen erlaubnisfrei ge- nutzt werden dürfen. Dabei sind Geräte mit einem Leis- tungsvermögen von unter zwei Vervielfältigungen pro Minute vergütungsfrei. Die Vergütungspflicht gilt dabei auch für Scanner. Diese Grenze wurde in der Vergangenheit nun vielfach „künstlich“ unterschritten, indem man die Leistungskapa- zität verminderte, wobei gleichzeitig zum Beispiel bei Scannern damit geworben wurde, dass die Leistung durch kostenloses Herunterladen von Treibern aus dem Internet wieder erhöht werden könnte. Da diese Praxis die Urheber um ihre von der Eigen- tumsgarantie des Art. 14 GG umfassten Vergütung bringt, war eine gesetzliche Regelung mehr als geboten. Findige Geister können die geltenden Gesetze zwar umgehen, doch sie sollten wissen, der Gesetzgeber ist so intelligent, dieses zu bemerken. Die Freude wird also immer nur von kurzer Dauer sein. Insgesamt können wir dem Gesetz zustimmen, werden aber auf weiterführende Regelungen zur Umsetzung der Vorschläge der Arbeitsgruppe „Überprüfung des Wettbe- werbs“ drängen. Werner Schulz (Leipzig) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Durch das vorliegende Gesetz wird die verglei- chende Werbung in der Europäischen Union harmonisiert. Die vergleichende Werbung ist künftig möglich. Es ist da- mit gelungen, die Richtlinie der EU über irreführende Werbung einstimmig in deutsches Recht umzusetzen. Da- durch dürfen Produkte aufgrund objektiver und beweis- barer Kriterien, beispielsweise über den Preis, in der Wer- bung miteinander verglichen werden. Nicht gestattet ist es, den Mitbewerber oder sein Produkt herabzusetzen oder zu verunglimpfen. Die Verbesserung der Kontrolle von Räumungsverkäu- fen wird zu einem späteren Zeitpunkt in einem anderen Kontext aufgegriffen. Neben der verbesserten Kontrolle zum Räumungsverkauf erfordert die Verabschiedung der E-Commerce-Richtlinie sicher noch mittelfristig die eine oder ändere Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Dieses wird zurzeit von den beteiligten Mi- nisterien geprüft; denn das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gerät durch die in Kürze zu verabschiedende EG-Richtlinie unter Druck: Nach Art. 3 des Entwurfs der Richtlinie müssten europäische Unternehmen, die via In- ternet auf dem deutschen Markt anbieten wollen, in Zu- kunft nur noch das Recht ihres Herkunftslandes anwen- den. Der sich aus der E-Commerce-Richtlinie auf das Ge- setz gegen unlauteren Wettbewerb, UWG, ergebende Än- derungsdruck ist mit Sorge zu verfolgen. Das Recht des unlauteren Wettbewerbs in der EU ist durch eine kaum noch überschaubare Zahl sekundärrechtlicher Harmoni- sierungsmaßnahmen geprägt. Trotz dieser Vielzahl ge- meinschaftsrechtlicher Rechtsakte sind aber bislang nur begrenzte Bereiche von der Angleichung erfasst. Im Übrigen handelt es sich zumeist um eine Anglei- chung durch Richtlinien, die zudem oft nur Mindestan- forderungen enthalten. Da sich die nationalen Wettbe- werbsrechtsordnungen in ihren Systemen, ihrer Zielrich- tung und vor allem in ihrem Schutzumfang zum Teil beträchtlich voneinander unterscheiden, Deutschland aber über ein relativ hohes Schutzniveau beim unlauteren Wettbewerb verfügt, kommt der Frage nach der Zukunft des deutschen UWG und einer weiteren europäischen Harmonisierung eine erhebliche Bedeutung zu. Die Bundesregierung muss sich bei der Europäischen Kommission dafür einsetzen dass es zu keiner wesentli- chen Absenkung des Schutzniveaus sowohl aus wettbe- werbs- als auch verbraucherpolitischer Sicht kommt! Al- lerdings gibt es auch beim Gesetz gegen unlauteren Wett- bewerb einige alte Zöpfe, die infolge einer europäischen Harmonisierung abgeschnitten werden könnten: Bei- spielsweise dürfen zum einen beim Sommerschlussver- kauf keine „normalen“ Fahrräder, sondern nur Sporträder, also saisonale Produkte, heruntergesetzt und zum anderen keine durch Werbeblöcke unterbrochene kostenlose Tele- fongespräche angeboten werden. Es ist zweifelhaft, ob solche Angebote dem Wettbewerb wirklich schaden. Darüber hinausgehend fordert Bündnis 90/Die Grünen schon seit längerer Zeit, durch Aufhebung des Rabattge- setzes sowie eine deutliche Lockerung der Zugabeverord- nung den Wettbewerb von veralteten Beschränkungen zu befreien, wie es die Bundesregierung jetzt prüft. Wir wol- len den Verbrauchern günstigere Angebote nicht länger vorenthalten und ihnen mehr Spielraum bei Preisver- handlungen geben. Ziel ist es auch, die Rahmenbedin- gungen für den grenzüberschreitenden elektronischen Handel zu verbessern und dadurch die Marktposition deutscher Unternehmen im internationalen Wettbewerb zu stärken. Das Gesetz schränkt einen Teilbereich des Preiswett- bewerbs im Einzelhandel und damit die Freiheit der Verbraucher ein: die situationsbedingte oder auf einen bestimmten Kunden oder Kundenkreis abzielende Redu- zierung des angekündigten Preises. Damit hat Deutsch- land eine der strengsten Regelungen in Europa und auf der Welt gegen Rabatte. Überspitzt ausgedrückt: Nur das 3-prozentige Skonto ist erlaubt. Alle weiteren Rabatte sind verboten. Das deutsche Wettbewerbsrecht ist in vie- len Teilen überreguliert und unterschätzt die Marktkennt- nis von Verbrauchern: Es schränkt die Kreativität von Ver- brauchern und Händlern erheblich ein. Von einigen Einzelhändlern wird die Befürchtung geäußert, damit werde der Strukturwandel im Einzelhan- del zulasten der kleinen und mittleren Unternehmen be- schleunigt. Diese Bedenken sind sehr ernst zu nehmen; Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10340 (C) (D) (A) (B) denn dazu darf es auf keinen Fall kommen. Für die über- wiegende Zahl der kleinen Einzelhandelsunternehmen bietet sich aber gerade durch die Liberalisierung eine Chance, sich in ihrer Nische zu behaupten: Sie haben die Möglichkeit, situationsbedingt auf eine bestimmte Wett- bewerbssituation mit Preisnachlässen zu reagieren. Reiner Funke (F.D.P.): Der vorliegende Gesetzent- wurf hinsichtlich der vergleichenden Werbung ist mit den Berichterstattern gründlich beraten und nach einigen Streichungen im wettbewerbsrechtlichen Bereich akzep- tiert worden. Die Umsetzung der europäischen Richtlinie zur vergleichenden Werbung hätte bis zum 23. April die- ses Jahres erfolgen müssen und insoweit ist ein gewisser zeitlicher Druck des Justizministeriums durchaus ver- ständlich. Die Umsetzungsfrist hat man nicht einhalten können, obwohl dieser Teil des Gesetzes unproblematisch war und ist. Als Berichterstatter bin ich dankbar dafür, dass man in den Berichterstattergesprächen davon Ab- stand genommen hat, die sonstigen wettbewerbsrechtli- chen Vorschriften aus dem Gesetzentwurf herauszuneh- men, weil in der Tat eine bruchstückhafte Novellierung des Wettbewerbsrechts wenig Sinn gemacht hätte. Die Berichterstatter waren auch insoweit einer Meinung, dass über das Wettbewerbsrecht nach wie vor grundlegend nachgedacht werden muss. Wenn wir dennoch diesem Artikelgesetz nicht zustim- men können, so liegt dies an der Begründung zu Art. 3 des vorliegenden Gesetzentwurfs. Das Bundesjustizministe- rium hat während der Beratungen den Wunsch geäußert, einen Art. 3 zur Änderung der Anlage zu § 54 d Abs. 1 auf- zunehmen, weil eine Bedürftigkeit bestehe und weil eine entsprechende Regelung unproblematisch und durch die technischen Entwicklungen notwendig sei. Tatsächlich ist diese Änderung aber nicht unproblematisch. Ursprüng- lich hatte das Bundeswirtschaftsministerium erhebliche Vorbehalte und der bedeutende Verband VDMA hatte er- hebliche Bedenken schriftlich geäußert. Die Berichter- statter wurden von diesem Tatbestand nicht informiert. Ich halte dies für einen Skandal. Wenn Berichterstatterge- spräche im Beisein des Parlamentarischen Staatsse- kretärs, des Abteilungsleiters und des zuständigen Refe- ratsleiters geführt werden, muss – und das ist eine Bring- schuld des Justizministeriums – sachgemäß berichtet werden. Ich habe gebeten, die heutige Beratung abzusetzen, um mit den betroffenen Verbänden und den Berichterstattern Gespräche führen zu können, und angeboten, noch vor der Sommerpause die Beratungen abzuschließen. Dies haben die Koalitionsfraktionen in der Rechtsausschusssitzung am letzten Mittwoch verwehrt. Wir werden daher diesem Gesetz die Zustimmung verweigern und uns der Stimme enthalten, vor allem, weil eine ordnungsgemäße Beratung des Gesetzes durch das Verhalten des Bundesjustizminis- teriums nicht möglich war. Dass die Parlamentarier der Regierungskoalition sich dieses Verhalten gefallen lassen, spricht nicht gerade für das Selbstverständnis eines frei gewählten und unabhängigen Abgeordneten. Rolf Kutzmutz (PDS): Die PDS unterstützt das heute zu beschließende Gesetz aus den schon in seiner ersten Lesung genannten Gründen: Die Klarstellungen zur ver- gleichenden Werbung, zur Einbeziehung der Schneeball- systeme im strafbaren unlauteren Wettbewerb, zur Be- werbung von Arzneimitteln und zum Gerichtsstand bei ausländischen Beklagten erscheinen sinnvoll und not- wendig. Besonders begrüßen wir auch den im parlamentari- schen Verfahren neu aufgenommenen „Kopierer-Paragra- phen“ zur Sicherung von Urheberrechten. Gerade die durch grassierende Umgehungspraktiken in diesem Be- reich dringend notwendige gesetzgeberische Reaktion zeigt einmal mehr die Grenzen des „Bürokratie-Vorwur- fes“, des Rufes nach Deregulierung, mit dem Kollegen insbesondere der F.D.P. in der ersten Lesung wie auch den Berichterstattergesprächen Vorbehalte gegen diese UWG- Novelle äußerten. Zwar wurde wegen solcher Kritik nun einvernehmlich die eigentlich vorgeschlagene Änderung des Rechtes bei Sonderveranstaltungen und Räumungs- verkäufen zurückgestellt. Mit diesem Verzicht erhöht sich aber – zumindest für uns von der PDS-Fraktion – der Druck auf eine weitere Novelle des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Sie sollte umgehend in Angriff genommen werden. Sonst reißen die Unzulänglichkeiten des bestehenden Gesetzes noch mehr Mittelständler gänz- lich unverschuldet in den Ruin. Und das kann ja wohl auch jene Partei nicht wollen, die sich selbst gern als Vor- kämpferin des Mittelstandes bezeichnet. So kann ich nicht verstehen, wieso ausgerechnet im Falle eines Räumungsverkaufs wegen endgültiger Ge- schäftsaufgabe bei Unterlageneinsicht und beschränkter Auskunftspflicht durch Berufsvertretungen die Gefahr der Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen besonders groß sein soll – wo doch das Geschäft beendet werden soll! Ebenso unverständlich bleibt die Weigerung der Bundesregierung, die Häufigkeit von Räumungsverkäu- fen zu reglementieren. Man kann ja darüber streiten, ob – wie vom Bundesrat angeregt – es im ersten Geschäftsjahr zu keinem Räumungsverkauf kommen darf. Aber die Häufigkeit solcher Verkäufe in einem Berufsleben sollte schon beschränkt sein. Schließlich muss es darum gehen, durch geeignete Maßnahmen den immer mehr grassierenden Profi-Räu- mern das Handwerk zu legen. Bei Goldschmieden oder Uhrmachern beispielsweise entfallen 30 bis 40 Prozent der Einnahmen auf das Weihnachtsgeschäft. Für diese ist es zweifellos existenzbedrohend, wenn andere Leute es als ihr Geschäft ansehen, Räume nur zu dem Zweck an- zumieten, mit entsprechender Ware Ende November in den Räumungsverkauf zu gehen. Vergleichbare Probleme gibt es mit dem Missbrauch des Räumungsverkaufsrech- tes bei angeblichem teilweisem Umbau von Geschäfts- räumen. Eine umfassende und vor allem zügige Prüfung aller Vorschläge – bis hin zur Wiedereinführung von Ord- nungswidrigkeitstatbeständen – tut Not. In diesem Zusammenhang gehört unseres Erachtens auch die Aufnahme einer Neufassung des einstigen Para- graphen 6 d UWG – die Untersagung der Mengenbe- schränkung bei Angeboten – auf den Prüfstand. Sie scheint mir nicht nur im Zusammenhang mit der Debatte um Verkauf unter Einstandspreis im Einzelhandel, son- dern auch mit den aktuellen Auseinandersetzungen zwi- schen freien Tankstellen und dem Öloligopol von Aral bis Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10341 (C) (D) (A) (B) Shell sinnvoll. Nicht nur am Rande: Das Payback-System ist gewiss vom Rabattgesetz gedeckt. Wenn aber DEA im Unterschied zu anderen Systempartnern vielleicht nicht an allen, aber zumindest an einzelnen Tankstellen Rabatt- punkte nur bei Barzahlung gewährt oder, wie es auch vor- kommt, der Kunde seine Punkte selber bei der Payback- Zentrale erst anmelden muss, dann scheint mir der aktu- elle Kampf auf dem Tankstellenmarkt die Bekämpfung eines Phantoms zu sein, eines Phantoms, das schon ohne Gesetzesänderung unlauterer Wettbewerb ist. Das sei an dieser Stelle an die Adresse der Befürworter eines generellen Falles des Rabattgesetzes in der Koali- tion erwähnt. Die Beispiele ließen sich noch fortsetzen. In diesem Sinne sehen wir die heutige Beschlussfassung nicht als Abschluss, sondern vielmehr als Auftakt für wei- teres Handeln in diesem ordnungspolitisch eminent wich- tigen Feld, dem Kampf gegen Wettbewerbsverzerrungen. Dr. Eckhart Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin der Justiz: Das Gesetz zur vergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerbsrechtlicher Vor- schriften setzt die Richtlinie 97/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur vergleichenden Werbung um. lch bin daher sehr dankbar, dass dank Ihrer Unter- stützung das Gesetz zügig in den Ausschüssen beraten werden konnte. Wir werden deshalb die Umsetzungsfrist (23. April 2000) nur geringfügig überschreiten und das Gesetz hoffentlich noch vor der Sommerpause im Bun- desgesetzblatt verkünden können. Warum ist dieses – zugegeben kleine Gesetzespro- jekt – durchaus von Bedeutung? Die Umsetzung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten führt zu angeglichenen rechtlichen Rahmenbedingungen für vergleichende Wer- bung in Europa. Das hat für alle Werbetreibenden den Vorteil der Rechtssicherheit, denn bei grenzüberschrei- tenden Werbeaktionen gelten nun europaweit einheitliche Kriterien. Diese Vorgaben dienen der sachgerechten In- formation des Verbrauchers, schaffen transparente Markt- bedingungen und sorgen für die Fairness der Wettbewer- ber untereinander. Nach dem neuen § 2 UWG wird vergleichende Wer- bung künftig grundsätzlich zulässig sein, sofern nicht ein Verstoß gegen folgende Kriterien festgestellt wird: Erstens. Der Vergleich von Waren oder Dienstleistun- gen muss sachlich sein, darf nicht irreführen oder Ver- wechslungen der Produkte oder Dienstleistungen hervor- rufen. Täuschende Werbeaussagen soll es nicht geben. Zweitens. Es dürfen nur wesentliche, typische und nachprüfbare Eigenschaften von Waren und Dienstleis- tungen oder – und das ist nach meiner Beobachtung für die Praxis besonders wichtig – der Preis gegenübergestellt werden. Drittens. Der Mitbewerber und die von ihm vertriebe- nen Produkte dürfen nicht herabgesetzt oder verunglimpft werden. Das heißt: keine Polemik oder Rufschädigung auf Kosten des Konkurrenten. Die neuen Werbeformen werden bereits jetzt von der Praxis genutzt, auch wenn die überwiegende Zahl der An- zeigen bislang auf Vergleiche verzichtet. Neben den bekannten Aktionen der Telekommunikati- onsunternehmen und Autovermieter sind mir in letzter Zeit besonders zwei ganzseitige Werbevergleiche einer Bank aufgefallen: So werden in pfiffig aufgemachten Ge- genüberstellungen – in Form einer „kleinen Farbenleh- re“ – unterschiedliche Bankgebühren für Wertpapierde- pots und Girokonten aufgelistet. Dass der Vergleich zu- gunsten der inserierenden Bank ausgeht, versteht sich von selbst. Wie Sie wissen, wollte die Bundesregierung dieses Ge- setz ursprünglich auch zum Anlass nehmen, mehrere Empfehlungen der Arbeitsgruppe des Bundesministeri- ums der Justiz zur Überprüfung des Wettbewerbsrechts aus dem Jahre 1996 aufzugreifen. Umgesetzt werden nun- mehr nur zwei Empfehlungen, nämlich die zur Bekämp- fung systematisch betriebener Kettenspiele in § 6 c UWG und die Präzisierung des § 24 UWG. Darüber hinaus hatten uns insbesondere die beteiligten Wirtschaftskreise darum gebeten, die Möglichkeiten zur Bekämpfung des Missbrauchs von Räumungsverkäufen zu verbessern und zu erweitern. Der Rechtsausschuss hat jetzt empfohlen, auf diese vorgesehenen Änderungen zunächst zu verzichten. Sie sollen aber – und das möchte ich gerade im Hinblick auf die nachdrückliche Zustim- mung der mittelständischen Wirtschaft zu diesen Vor- schlägen hervorheben – nicht unter den Tisch fallen, son- dern im Kontext der anstehenden Diskussion über eine Liberalisierung des deutschen Werberechts erneut und vertieft beraten werden. Worum geht es bei dieser Diskussion? Im Mai hat das Europäische Parlament den „Gemeinsamen Standpunkt des Ministerrates zur Richtlinie über bestimmte Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt“ gebilligt. Die Richtlinie, die in einer Rekordzeit von ei- nem Jahr ausgehandelt wurde, wird in Kürze im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht und muss dann innerhalb von 18 Monaten in nationales Recht umgesetzt werden. Art. 3 der Richtlinie sieht vor, dass sich Unternehmen, die Waren und Dienstleistungen über das Internet vertrei- ben, an die Vorschriften des Mitgliedstaats halten müssen, in dem sie ihre Niederlassung haben (Herkunftslandprin- zip). Sieht man von noch offenen Fragen über das nach dem internationalen Privatrecht anwendbare Recht ab, werden sich die deutschen Anbieter in ihrem Werbeverhalten an deutschem Recht ausrichten müssen. Gerade wegen der Vielfalt der werberechtlichen Rege- lungen in den Mitgliedstaaten hat die Bundesregierung bei der politischen Einigung über die Richtlinie betont, dass sie eine europäische Harmonisierung des Werbe- rechts für dringend erforderlich erachtet, denn nur dann können Wettbewerbsverzerrungen ausgeschlossen wer- den. Welche Harmonisierungsvorschläge die Europäische Kommission für das Werberecht in absehbarer Zeit vorle- gen wird, kann man derzeit schwer einschätzen. Sie hat vor zwei Jahren eine Gruppe von nationalen Regierungs- experten eingesetzt, die den Bestand der rechtlichen Rah- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10342 (C) (D) (A) (B) menbedingungen für die so genannte „Kommerzielle Kommunikation“ in den Mitgliedstaaten sichtet und eine Stellungnahme zum Harmonisierungsbedarf abgegeben wird. Wahrscheinlich wird die Gruppe empfehlen, allen- falls Teilbereiche des Werberechts anzugleichen und sich im Übrigen auf das Prinzip der gegenseitigen Anerken- nung zu beschränken. Doch so lange kann und will die Bundesregierung nicht warten. Das Bundesministerium der Justiz und das Bun- desministerium für Wirtschaft stimmen darin überein, dass nicht abgewartet werden kann, welche Auswirkun- gen die Richtlinie auf die Marktchancen deutscher Wirt- schaftskreise haben wird. Insbesondere ist es das Ziel der Bundesregierung, zu vermeiden, dass es wegen einzigar- tig strenger Regelungen – besonders im Rabattrecht – zu einer Benachteiligung deutscher Anbieter im grenzüber- schreitenden Handel kommen wird. Vor gesetzgeberischen Initiativen sollen zunächst die betroffenen Verbände, Organisationen und Institutionen dazu angehört werden, ob eine Liberalisierung vor allem des deutschen Rabatt- und Zugaberechts zu besseren Chancen für deutsche Anbieter im freien Wettbewerb mit der europäischen Konkurrenz beitragen kann. Selbstverständlich sind die Auswirkungen auf die mit- telständische Wirtschaft und den Einzelhandel zu beach- ten, außerdem die Marktsituation und die besonderen Be- lange von Branchen, die nicht vom elektronischen Handel profitieren. Auf die berechtigten Interessen der Verbrau- cher am ehrlichen Preiswettbewerb, an Preisklarheit und Preiswahrheit werden wir – das versichere ich Ihnen – un- ser besonderes Augenmerk richten. Gegenstand dieser Debatte werden dann auch die in diesem Gesetz jetzt ausgeklammerten Themen – die Fra- gen nach einer Reform des Sonderveranstaltungsrechts des § 7 UWG und der Kontrolle von Räumungsverkäufen nach § 8 UWG – sein. Lassen Sie mich zum Schluss noch auf die Änderung im Urheberrecht zu sprechen kommen, die der Rechts- ausschuss auf Anregung des Bundesministeriums der Jus- tiz hin in dieses Gesetzes aufgenommen hat. Hinter- grund dieser Änderung ist ein Missbrauch, der in den letzten Jahren verstärkt beobachtet werden konnte, ein Missbrauch, der die Urheber und Leistungsschutzbe- rechtigten um ihre durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG gebotene gesetzliche Vergütung bringt. Worum geht es? Das Urheberrechtsgesetz erlaubt die private Kopie. Als Ausgleich dafür, dass Werke und Leis- tungen – zum Beispiel künstlerische Darbietungen – ko- piert werden dürfen, sind den Rechteinhabern – über die Verwertungsgesellschaften – Vergütungen zu zahlen. Diese Vergütungen werden zum Teil über die so genannte Gerätevergütung eingezogen; die Hersteller und Impor- teure von solchen Geräten, mit denen kopiert werden kann, zahlen für jedes in den Verkehr gebrachte Gerät die Vergütung. Die Vergütungspflicht für Kopiergeräte setzt freilich erst bei einer Kopierleistung von mindestens zwei Kopien pro Minute ein. Diese Regelung hat dazu geführt, dass die zahlungspflichtigen Hersteller und Importeure insbeson- dere bei Scannern dazu übergegangen sind, ihre Geräte mit elektronischen Treibern auszurüsten, die die Geräte so langsam machen, dass keine Vergütungspflicht besteht. Gleichzeitig besteht aber die Möglichkeit, aus dem Inter- net dort kostenlos angebotene Treiber herunterzuladen, die diese langsamen Geräte wieder beschleunigen. Eine Vergütung wird dann natürlich nicht mehr bezahlt. Diese Praxis soll mit dem Gesetzentwurf unterbunden werden, indem die Untergrenze von zwei Kopien pro Minute er- satzlos gestrichen wird, sodass alle Geräte der Vergü- tungspflicht unterfallen. Zu unangemessenen Belastungen der Gerätehersteller wird es dabei nicht kommen. Es ist bereits jetzt Praxis der zuständigen Verwertungsgesellschaft Wort und der betroffenen Herstellerverbände, für leistungsschwache Geräte eine Vergütung zu vereinbaren, die deutlich unter dem vom Gesetz vorgeschlagenen Betrag liegt. Diese Pra- xis wird mit Sicherheit fortgesetzt werden. Ich bitte Sie auch insoweit um Ihre Zustimmung. Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der gesetzlichen Maßnahmen ge- genüber Kinder- und Jugenddelinquenz (Tages- ordnungspunkt 22) Erika Simm (SPD):Mit dem „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der gesetzlichen Maßnahmen gegen- über Kinder- und Jugenddelinquenz“ offeriert uns die CDU/CSU ein Sammelsurium aus drei Gesetzesinitiati- ven von 1998 und 1999, mit denen sich das Land Bayern schon im Bundesrat nicht durchsetzen konnte. Wie wenig seriös dieser Gesetzentwurf ist, erkennt man schon daran, dass eingangs der Begründung ein Anstieg der Jugendkri- minalität allgemein und der Kinderdelinquenz im Beson- deren behauptet, mit Zahlen der Kriminalstatistik von 1996 und 1997 belegt und dabei einfach ignoriert wird, dass die mittlerweile vorliegende Statistik für 1999 einen Rückgang der Kriminalität sowohl bei Kindern als auch bei den Jugendlichen ausweist. Wenn Sie, sehr verehrte Kollegen und Kolleginnen von der CDU/CSU, meinen, die Notwendigkeit der von Ihnen vorgeschlagenen Geset- zesänderungen mit dem angeblichen Anstieg der Jugend- kriminalität begründen zu können, dann sollten Sie einen Blick in die neueste Kriminalstatistik werfen, um einen guten Grund zu finden, Ihren Gesetzentwurf zurückzuzie- hen. Sie würden uns damit unnötige Arbeit ersparen, denn zustimmen werden wir diesem Gesetzentwurf auch aus anderen Gründen nicht. Und wenn wir das nicht tun, dann nicht etwa deshalb, weil wir – wie Sie uns sicherlich gern unterstellen möch- ten – das Problem der Kinder- und Jugendkriminalität gleich ob sie nun weiter ansteigt oder nicht weniger ernst nehmen als Sie. Nur, was Sie uns hier an Gesetzesände- rungen vorschlagen, ist zum Teil überflüssig und zum Teil aus fachlichen Gründen nicht sinnvoll. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10343 (C) (D) (A) (B) Lassen Sie mich das an einigen Beispielen belegen, wobei ich mich auf die Änderungen des Jugendgerichts- gesetzes, JGG, beschränke. Nach dem vorliegenden Ge- setzentwurf soll künftig auf Heranwachsende, also die 18- bis 21-Jährigen, im Regelfall Erwachsenenstrafrecht angewandt werden. Diese Forderung geht von der unzu- treffenden Annnahme aus, das Jugendstrafrecht stelle grundsätzlich das mildere Recht dar. Wer sich einmal die ganze Bandbreite und Differenziertheit der Sanktions- möglichkeiten des JGG anschaut, erkennt leicht, dass dem nicht so ist. Eine Arbeitsauflage in Kombination mit der Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs zum Beispiel, die der freizeitorientierte Heranwachsende in Person er- bringen muss, trifft diesen im Zweifel sehr viel härter als die nach Erwachsenenstrafrecht fällige Geldstrafe, die er möglicherweise nicht einmal aus eigener Tasche leistet, weil es da eine mitleidige Oma gibt, die aushilft. Oder nehmen Sie die Jugendstrafe, die im Mindestmaß 6 Mo- nate beträgt, während sich das Mindestmaß der Erwach- senenfreiheitsstrafe auf nur 1 Monat beläuft. Ich halte auch den im Raum stehenden Vorwurf für ungerechtfer- tigt, die unbestreitbare Zunahme der Anwendung des Ju- gendstrafrechts bei Heranwachsenden habe ihre Ursache in einem nicht zu tolerierenden Hang der Jugendgerichte zur Milde. Könnte es nicht auch sein, dass die Jugend- richter einfach in den letzten Jahrzehnten gelernt haben, genauer hinzuschauen? Ich denke, dass dies auch damit zu tun hat, dass wir mehr und besser ausgebildete Jugendge- richtshelfer haben, die mit ihren Berichten den Jugend- richtern eine differenziertere Beurteilung der Person des jungen Angeklagten ermöglichen mit der Folge, dass De- fizite in der Persönlichkeitsentwicklung häufiger erkannt werden und dementsprechend Jugendstrafrecht ange- wandt wird. Was die Anhebung des Höchstmaßes der Jugendstrafe für Heranwachsende von 10 auf 15 Jahren, das Höchst- maß derzeitigen Erwachsenenfreiheitsstrafe, betrifft, so möchte ich nur darauf verweisen, dass eine solche Straf- maßerhöhung weder von der Praxis noch in der wissen- schaftlichen Diskussion gefordert wird. Auch den im Gesetz vorgesehenen so genannten Ein- stiegsarrest halte ich für nicht sinnvoll. Zum einen wider- spricht er der Systematik und Logik des jugendstrafrecht- lichen Sanktionensystems, wonach eine Jugendstrafe nur dann verhängt werden darf, wenn aufgrund festgestellter „schädlicher Neigungen“ das minderschwere „Zuchtmit- tel“ des Arrestes als Sanktion nicht ausreicht. Jugendar- rest und Jugendstrafe schließen sich von ihrer unter- schiedlichen erzieherischen Intention her also aus. Zum anderen ignoriert dieser Vorschlag die Realität des Arrest- vollzuges, so wie ich sie jedenfalls aus Bayern kenne, wo der Jugendarrest heimatfern in einigen wenigen Arrestan- stalten vollstreckt wird, im Vollzug wenig mit dem Ju- gendlichen geschieht und die Vollstreckung wegen der ge- ringen Zahl an Arrestplätzen viel zu spät stattfindet. Nicht zufällig sind viele Jugendrichter bei der Verhängung von Jugendarrest sehr zurückhaltend, weil sie angesichts der Ausgestaltung des Vollzuges den erzieherischen Erfolg des Arrestes ernsthaft bezweifeln. Der Aufnahme einer neuen „Weisung“ in Form der Meldepflicht in das JGG bedarf es schon deswegen nicht, weil eine derartige Weisung schon jetzt aufgrund der of- fenen Formulierung des § 10 JGG, der die konkret aufge- führten Weisungen ausdrücklich nur als Beispielsfälle benennt, angeordnet werden kann. Ich könnte mir auch denken, dass die Polizei wegen der damit auf sie zu- kommenden Mehrarbeit über die ja offensichtlich ge- wollte häufigere Erteilung solcher Meldeauflagen nicht sonderlich erbaut wäre. Denn sie müsste ja die Befolgung überwachen und entsprechende Mitteilungen an die Ju- gendgerichte machen. Auch die vorgeschlagene Einführung eines neuen „Zuchtmittels“ Fahrverbot, das nach dem vorliegenden Entwurf auch dann verhängt werden können soll, wenn die Tat in keinerlei Zusammenhang mit dem Straßenver- kehr steht, begegnet schwerwiegenden Zweifeln. Jeden- falls erscheint es nicht sachgerecht, das Fahrverbot als ei- genständige Sanktion isoliert nur für das Jugendstrafrecht einzuführen. Liebe Kollegen und Kolleginnen, Ihr Gesetzentwurf ist ein guter Beweis dafür, dass Änderungen des Strafrechts und zumal des Jugendstrafrechts wohlüberlegt sein soll- ten. Schnellschüsse aus der Hüfte verbieten sich gerade auf diesem Rechtsgebiet. Ein populistischer Schnell- schuss war dieser Gesetzesvorschlag, als er von Bayern im Bundesrat eingebracht wurde; war er doch die Reak- tion der Bayerischen Staatsregierung auf die aufgeregte Mediendiskussion im Fall „Mehmet“. Durch die erneute Einbringung dieses Gesetzentwurfs durch die CDU/CSU nun im Bundestag ist dieser nicht besser geworden. Sie werden dafür keine Mehrheit finden. Anni Brandt-Elsweier (SPD): Der vorliegende Ge- setzentwurf ist ein erneuter Versuch der CDU/CSU, dem Problem der Kinder- und Jugendkriminalität mittels un- angebrachter Verschärfung der Gesetze zu begegnen. Also fangen wir doch einmal mit der guten Nachricht an: Laut der polizeilichen Kriminalstatistik von 1999 ist die Anzahl der tatverdächtigen Kinder insgesamt um 1,4 Prozent und die der tatverdächtigen Jugendlichen um 1,9 Prozent gesunken. Von dieser erfreulichen Entwick- lung abgesehen, muss die nach wie vor beachtliche De- linquenz Minderjähriger gleichwohl – und hier stimme ich mit Ihnen überein – weiterhin Schwerpunkt staatlicher und gesellschaftlicher Aktivitäten bleiben. Auch bin ich mit Ihnen der Auffassung, dass den vielfältigen Ursachen und Erscheinungsformen der Kinder- und Jugendkrimi- nalität durch ein wirksames und umfangreiches Maßnah- menbündel begegnet werden muss. Aber Ihr Gesetzent- wurf, meine Damen und Herren der CDU/CSU-Fraktion, wird Ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht, da er kein wirksames Maßnahmenbündel enthält, sondern lediglich sein Heil in einer Verschärfung der Gesetze und der Re- pression und Bestrafung der Minderjährigen sucht. Dabei finde ich es erstaunlich, dass gerade Ihre Frak- tion, die doch sonst den Schutz von Ehe und Familie aus Art. 6 GG wie ein Banner vor sich her trägt, mit einer Er- gänzung des § 1666 BGB das Bestimmungsrecht der El- tern über ihre Kinder auflockern und die staatliche Inter- ventionsschwelle absenken will. In der Praxis liegen die Probleme nicht etwa darin, dass die Familiengerichte Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10344 (C) (D) (A) (B) nicht in der Lage wären, eine Kindeswohlgefährdung zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, sondern vielmehr darin, dass sie häufig viel zu spät von Fehlentwicklungen Kenntnis erlangen und es dement- sprechend erst viel zu spät zu sorgerechtlichen Maßnah- men kommt. Das von Ihnen vorgeschlagene Weisungs- recht des Gerichts gegenüber den Kindern verwischt in höchst bedenklicher Weise die Unterschiede zwischen Strafrecht und Zivilrecht. Unabhängig davon, dass ein solches Weisungsrecht allein aus diesen Gründen abzu- lehnen ist, dürfte es auch praktisch nicht erfolgverspre- chend sein, den Eltern aufzugeben, durch erzieherische Maßnahmen das Kind zur Befolgung dieser Weisungen zu bewegen. Auch Ihr Versuch, die Unterbringung von Kindern in geschlossenen Heimen zu erleichtern, ist äußerst unange- messen. Alleiniges Kriterium für die Entscheidung über eine – geschlossene Unterbringung nach § 1631 b BGB sollte stets lediglich die Frage sein, ob eine solche Maß- nahme erzieherisch erforderlich und geeignet erscheint, das Kind positiv zu beeinflussen. Im Hinblick auf die Grundrechte des Kindes, insbesondere auf Artikel 2 Abs. 2 GG, sollten die Anforderungen hieran nicht herab- gesetzt werden. Prävention muss im Bereich der Bekämpfung der Kin- derdelinquenz und Jugendkriminalität Vorrang vor Sank- tionen haben. So vielschichtig wie die möglichen Ursa- chen müssen die Ansätze zur Bekämpfung sein. Notwen- dig sind Kontakte, Absprachen und gegebenenfalls gemeinsame Maßnahmen der zuständigen Behörden und Stellen – insbesondere der Jugendämter – in Zusammen- arbeit mit freien Organisationen und Verbänden. Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht verhält sich lediglich eine Minderheit unter den Jugendlichen extrem auffällig und begeht mehrere, oft schwere Straftaten. Für diese Jugendlichen sind neue Ansätze in der Jugendhilfe- praxis gefordert – und da ist es zuweilen hilfreich, über die eigenen Landesgrenzen hinaus zu blicken. So hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Ju- gend bereits im Sommer letzten Jahres das „Hamburger Institut des Rauhen Hauses für soziale Praxis“ (isp) be- auftragt, den aus den Niederlanden stammenden Ansatz der „Ambulanten Intensiven Betreuung“ (A.I.B.) in das deutsche Jugendhilfesystem zu übertragen. Mit Hilfe en- ger und intensiver Teambetreuung sollen auffällig gewor- dene Kinder und Jugendliche innerhalb von drei Monaten in ein stabiles soziales Umfeld reintegriert werden. Der Ansatz „Ambulante Intensive Begleitung“ wird derzeit in den Städten Nürnberg, Dortmund, Leipzig, Magdeburg und dem Landkreis Harburg angewandt. Die niederländischen Erfahrungen zeigen, dass eine Intensi- vierung und Vernetzung vorhandener Hilfsangebote nicht nur auffällig gewordene Kinder und Jugendliche stabili- siert, sondern auch dazu beiträgt, langwierige „Jugendhil- fekarrieren“ zu vermeiden. Auch wenn es zur Zeit noch keine Auswertung des Projektes hier in Deutschland gibt, lassen geringe Abbrecher- und Rückfallquoten eine posi- tive Grundtendenz erkennen. Sie sehen also, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, es gibt jenseits von Repression und Strafe auch die Möglichkeiten der Prävention und Hilfe – einen Weg, den wir für weitaus erfolgversprechender und sinnvoller halten. Aus diesem Grunde lehnen wir den Ge- setzentwurf ab. Norbert Geis (CDU/CSU): Die Kriminalität ist eine starke Herausforderung für Staat und Gesellschaft. Die Jugendkriminalität und die wachsende Anzahl von kind- lichen Tätern im strafunfähigen Alter unter 14 Jahren be- reitet dabei besondere Sorgen. Wir dürfen allerdings nicht vergessen, dass kriminelle Jugendliche nur eine kleine Minderheit darstellen. Die meisten Jugendlichen begehen keine Straftaten. Und selbst dann, wenn ein Jugendlicher straffällig geworden ist, bleibt dies in der Regel nur eine Episode in seinem Ju- gendalter und hat keine Auswirkungen auf sein späteres Leben. Dennoch aber kann uns die in den letzten Jahren stark angestiegene Zahl von kindlichen und jugendlichen Tä- tern nicht egal sein. Während sich bei der Kinderdelin- quenz der Ladendiebstahl als häufigstes Delikt findet, kommt bei der Jugendkriminalität zur allgemeinen Dieb- stahlskriminalität noch ein hoher und stetig ansteigender Anteil von Raubdelikten und schweren Körperverlet- zungsdelikten hinzu. Es fällt auf, dass viele Jugendliche und Kinder, die Straftaten begehen, aus Familien mit Eltern ausländischer Herkunft kommen. Meist ist der Grund mangelnde Inte- gration. Leicht entsteht ein Getto. Das führt schnell zu Ju- gendbanden, die zur Kriminalität neigen. Hinzu kommen die hohe Arbeitslosigkeit gerade bei Jugendlichen auslän- discher Herkunft und in der Folge davon Langeweile, Müßiggang, Perspektivlosigkeit und Frust. Daraus ent- steht sehr schnell kriminelles Verhalten. Im Kampf gegen Kriminalität von Jugendlichen ausländischer Herkunft geht es also zuerst um Integration und um Arbeitsplätze, erst dann um eine gesetzliche Regelung. Interessant ist auch, dass Jugendliche in Norddeutsch- land häufiger straffällig werden als Gleichaltrige im Sü- den. Gründe dafür sind, wie der Leiter des Krimino- logischen Instituts der Universität Hannover, Christian Pfeiffer, in einer Studie festgestellt hat, das stärkere so- ziale Gefälle, die höheren Scheidungszahlen der Eltern und eine geringere Bindung an die christlichen Gemein- den. In der Tat muss uns Sorge bereiten, dass vieles nicht mehr selbstverständlich ist, was früher Konsens war. Das Wertbewusstsein schwindet mehr und mehr. Die Erzie- hungskraft der Eltern und der Schule geht zurück. Kinder und Jugendliche lassen sich nicht mehr so leicht in Ver- eine einbinden. Es herrscht ein Konsumdenken vor, das unfähig macht, auf die Belange anderer zu achten. Es wächst der Egoismus, der immer ein Nährboden für Kri- minalität ist. Gewaltdarstellungen in Videos und zweifel- hafter Umgang mit gewaltbereiten Jugendlichen sind oft Auslöser für kriminelles Verhalten. Diese Entwicklung können wir nicht tatenlos hinneh- men. Zunächst aber geht es nicht um Strafrecht. Das steht an letzter Stelle. Es geht darum, dass die gesellschaftli- chen Kräfte wieder mobilisiert werden, dass wieder Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10345 (C) (D) (A) (B) vieles im Staat von selbst läuft, dass wieder ein breiter Konsens für ein wertbewusstes Verhalten entsteht. Aber auch der Gesetzgeber muss prüfen, mit welchen gesetzlichen Maßnahmen er die Kriminalität bei Jugend- lichen und Kindern bekämpfen kann. Deswegen legen wir unseren Gesetzentwurf vor, der sich im Rahmen der Prävention mit Änderungen im BGB beschäftigt. Auf der anderen Seite macht der Entwurf aber auch Vorschläge für neue Sanktionsmaßnahmen. Angesichts der Delinquenz von Kindern unter 14 Jahre sehen wir die Notwendigkeit, in geeigneten Fällen mit Mitteln des Familienrechtes und des Kinder- und Jugend- hilferechtes frühzeitig zu intervenieren. Bei allem Res- pekt vor dem elterlichen Sorgerecht muss der Staat die Möglichkeit haben, im Interesse des Kindes einschreiten zu können, wenn die Eltern versagen. Nach § 1666 BGB besteht eine solche Möglichkeit des Eingriffs in das elterliche Sorgerecht jetzt schon. Voraus- setzung ist, dass das Wohl des Kindes gefährdet ist. Darin aber liegt zugleich die Schwachstelle dieser Regelung. Ob eine Gefährdung im Einzelfall vorliegt, kann durchaus strittig sein. So können notwendige richterliche Maßnah- men unter Umständen deshalb unterbleiben, weil Unsi- cherheit darüber besteht, ob im konkreten Fall ein solch schwerwiegender Eingriff in das Elternrecht gerechtfer- tigt ist. Deshalb sieht unser Entwurf eine gesetzliche Ver- mutung für die Gefährdung des Kindes dann vor, wenn das Kind oder der Jugendliche fortlaufend schwere Kri- minaltaten begeht oder aber Anzeichen von Drogenab- hängigkeit bestehen. Liegen diese Voraussetzungen vor, soll der Richter künftig leichter und schneller Eltern und Kind zu einem so genannten Erziehungsgespräch laden können. Darüber hinaus gibt der vorgelegte Gesetzentwurf dem Richter die Handhabe, in geeigneten Fällen selbst Weisungen an die Eltern und an das Kind zu erteilen. Neben diesen Ergänzungen im BGB, die den präventi- ven Bereich betreffen, schlagen wir aber auch Änderun- gen im Jugendstrafrecht vor. Das im Jugendstrafrecht be- stehende Sanktionensystem weist erkennbare Defizite auf. Die Jugendgerichte müssen über mehr Möglichkeiten verfügen, im Einzelfall differenziert reagieren zu können. Über solche Reaktionsmöglichkeiten wurde natürlich in Fachkreisen längst nachgedacht. Ein Diskussionspunkt ist der so genannte „Einstiegsarrest“, der neben einer auf Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe ausgesprochen werden kann. Die zur Bewährung ausgesetzte Jugend- strafe wird von vielen Jugendlichen als Sanktion kaum wahrgenommen. Wird aber im Einzelfall gleichzeitig ein Jugendarrest angeordnet, dann spürt der Jugendliche in empfindlicher Weise den Ernst der Lage. Zugleich ändern wir damit den Missstand, dass Jugendliche und Heran- wachsende mit schädlichen Neigungen in der Regel zu Gefängnisstrafen mit Bewährung verurteilt werden, während der Jugendliche ohne schädliche Neigungen nur mit einem Arrest zu rechnen hat, aber übers Wochenende hinter Gitter muss. Die dagegen erhobenen dogmatischen Bedenken wiegen nach unserer Auffassung nicht so schwer wie das Anliegen, das hinter unserem Antrag steht. Ein anderer Diskussionspunkt ist das Fahrverbot, das als eine eigenständige, nicht auf Taten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr beschränkte Sanktion ausgebaut werden soll. Die Verhängung des Fahrverbots verspricht eine deutliche erzieherische Wirkung. Das Auto spielt für das Prestige und für die Mobilität eine große Rolle. Es entfaltet deshalb eine hohe Denkzettelwirkung. Die in unserem Gesetzentwurf vorgesehene Melde- pflicht ist eine weitere Möglichkeit, dem Jugendlichen eindringlich vor Augen zu führen, dass er sich fehlverhal- ten hat und dass er sich bessern muss. Unser Vorschlag, das Strafmaß für Heranwachsende auf 15 Jahre zu erhöhen, wird sehr kontrovers diskutiert. Derzeit beträgt das Höchstmaß der Jugendstrafe 10 Jahre. Dies gilt bis zum 21. Lebensjahr. Bei brutalen Straftaten, die von Heranwachsenden begangen werden, kann das Gericht derzeit nur mit einem Strafmaß von 10 Jahren rea- gieren, während der gerade 21-jährige Mittäter mit le- benslanger Freiheitsstrafe bestraft wird. Dies ist nicht nachvollziehbar. Deshalb muss der Richter die Möglich- keit haben, im Einzelfall bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe zu verhängen. Die Erhöhung auf 15 Jahre wäre auch systematisch gerechtfertigt, weil bei Erwachsenen nach 15 Jahren regelmäßig geprüft werden muss, ob die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Wir unternehmen erneut den Versuch, § 105 JGG zu verbessern. Unbestritten war es Wille des Gesetzgebers, dass der Richter im Einzelfall sehr genau prüfen muss, ob auf den Heranwachsenden das Jugendstrafrecht anzuwen- den ist. Gerade aber bei Gewaltdelikten neigen die Ge- richte dazu, dem heranwachsenden Täter grundsätzlich die Wohltat des Jugendstrafrechts zuteil werden zu lassen. Dazu kommt, dass diese Wohltaten in Deutschland sehr unterschiedlich verteilt werden. Im Norden ist es leichter, als Heranwachsender in den Genuss des Jugendstrafrech- tes zu gelangen, während im Süden genauer geprüft wird, ob der heranwachsende Zwanzigjährige aufgrund seiner geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleich- gestellt werden kann. Aus diesen Gründen ist eine Präzi- sierung des Gesetzes notwendig. Schließlich ist es geboten, die Bedeutung des verein- fachten Jugendverfahrens zu stärken. Die Strafe muss der Tat auf dem Fuß folgen, nur dann hat sie erzieherische Wirkung. Nur dann wächst bei dem Jugendlichen die Ein- sicht, dass er sich falsch verhalten hat. Wenn zwischen Tat und Bestrafung ein zu langer Zeitraum liegt, ist eine der Tat angemessene Strafe oft genug deplatziert. Die erzie- herische Wirkung verpufft, weil der Jugendliche gar nicht mehr die Einsicht haben kann, weshalb er jetzt noch be- straft werden soll. Deshalb sehen wir in unserem Gesetz- entwurf vor, dass der Jugendliche, wenn er ohne genü- gende Entschuldigung nicht zur Hauptverhandlung kommt, genau wie im Erwachsenenstrafrecht durch Er- lass eines Haftbefehls vorgeführt werden kann. Die von uns vorgeschlagenen präventiven Maßnahmen im Bereich des Bürgerlichen Gesetzbuches, aber auch die Ergänzungen im Jugendstrafrecht, haben den Sinn, den Jugendlichen zu helfen. Sie sollen aber auch dem Sicher- heitsbedürfnis der Bevölkerung gerecht werden. Die Bür- gerinnen und Bürger haben Anspruch darauf, dass der Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10346 (C) (D) (A) (B) Staat auch auf dem Gebiet der Jugenddelinquenz für Si- cherheit sorgt. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90 /DIE GRÜNEN): Die aktuelle Polizeiliche Kriminalstatistik signalisiert für den Bereich Kinder- und Jugendkriminalität keineswegs Entwarnung, aber doch erfreuliche Tendenzen: Bei den Jugendlichen ging die Zahl der Tatverdächtigen erstmals im Vergleich zu den Vorjahren um knapp 2 Prozent zurück. Beim Ladendiebstahl, beim schweren Diebstahl und beim Raub ist die Entwicklung erfreulich. Ähnlich gute Zahlen sind auch bei der Kinderkriminalität und auch, was den Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger an- belangt, zu vermelden. Deshalb, meine Damen und Herren von der Union: Wenn Sie schon alte bayerische Gesetzentwürfe abschrei- ben, dann sollten Sie doch zumindest aktuellen Entwick- lungen Rechnung tragen. Der angeblich „Besorgnis erre- gende Anstieg der Kinder- und Jugendkriminalität“ war für die Zeit Ihrer Regierungsbeteiligung vielleicht noch zutreffend. Heute aber nicht mehr! Wirkungsvolle Vermeidung von Jugenddelinquenz er- fordert keine höheren Strafrahmen, schärfere Auflagen oder neue Zuchtmittel. Es ist hinlänglich bekannt, dass gerade im Bereich der Jugendkriminalität Strafschärfun- gen – und übrigens auch Strafmilderungen – keine fest- stellbaren Auswirkungen auf die Kriminalitätsrate haben. Auch jetzt hat die gemeinsame Arbeitsgruppe der Innen-, Justiz-, Jugend- und Kultusministerkonferenz wieder zu- treffend festgestellt: „Das vorhandene Instrumentarium des Jugendgerichtsgesetzes reicht aus: Es bietet den StaatsanwältInnen und RichterInnen ein breit gefächertes und vielschichtiges Instrumentarium, um auf Straffällig- keit junger Menschen und damit verbundene Erziehungs- defizite angemessen zu reagieren.“ Wie angemessen Jugendstrafe verhängt werden kann, haben wir im so genannten Eggesin-Verfahren gegen bru- tale rechtsradikale Schläger erfreulicherweise gesehen. Das OLG Rostock war dazu in der Lage, rechtsstaatlich angemessene, hohe Jugendstrafen – zwischen vier und sechs Jahren wegen versuchten Mordes – zu verhängen. Was wir brauchen, ist also keine gesetzgeberische Schaumschlägerei, sondern ein präventives Gesamtkon- zept. Ein Bündel von Maßnahmen, das dem vielschichti- gen Phänomen der Jugendkriminalität gerecht wird. Eine SchIüsselrolle wird hier übrigens das noch im Aufbau be- findliche Forum für Kriminalprävention leisten. Die An- satzpunkte für eine wirksame Vorbeugung von Kinder- und Jugenddelinquenz sind so vielfältig, wie es die Kri- minalitätsursachen selbst sind: Zerrüttete Familienver- hältnisse, Erziehungsdefizite und Integrationsprobleme, soziale Benachteiligung, Perspektivlosigkeit, Frustration und Anonymität – eine ganze Reihe von individuellen, zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Ursachen spielten eine Rolle. Der Bundesinnenminister hat kürzlich zu Recht ausgeführt, dass diese Ursachen weit über den Einflussbereich von Polizei und Justiz hinausweisen. Sämtliche am Erziehungsprozess Beteiligten – Familie und Schulen, Kommunen, Vereine, Verbände, Wirtschaft, aber auch die Medien – müssen sich in der Pflicht sehen und kooperieren. Wie das konkret aussehen kann, hat jetzt die ressortübergreifende Länderarbeitsgruppe eindrucks- voll in ihrem Bericht „Präventionsstrategien zur Vermei- dung von Kinder- und Jugenddelinquentz“ aufgeführt. Ich teile die Einschätzung, dass vor allem frühzeitige, famili- enunterstützende Maßnahmen zur Vermeidung von Kri- minalität notwenig sind. Zerrüttete Familienverhältnisse und Gewalt in den Familien sind oft die Keimzelle von Kriminalität. Die Kindertagesstätten und Schulen als wichtige Sozialisationsinstanzen müssen eine Art „Frühwarnsystem“ entwickeln. Die Mitarbeiter dieser Einrichtungen müssen durch Fortbildungsprogramme verstärkt auf die Arbeit mit Eltern ausgerichtet werden. Und natürlich trifft bei Gefährdung des Kindeswohles den Staat wegen seines Wächteramtes auch die Pflicht zum Handeln. Aber – meine Damen und Herren von der Union –. Die Experten betonen den Ultima-Ratio-Cha- rakter: „Der Arbeit mit Familien müsse im Jugendhilfe- system der Vorrang vor Eingriffen in das Erziehungsrecht eingeräumt werden.“ Schaut man sich dagegen Ihre Vor- schläge im Zivilrecht an, wollen Sie offensichtlich das Gegenteil. In der Substanz bietet der Gesetzentwurf nichts Neues: Er betont repressive Elemente, mit denen Bayern bereits mehrfach in den letzten Jahren abgeblitzt ist. Zu Recht: Wer etwa die Heranwachsenden aus dem Jugendstrafrecht herauslösen will, verkennt völlig, dass auch die Krimina- lität Heranwachsender zumeist noch Episodencharakter besitzt. Jugend- und Heranwachsendenkriminalität be- deutet nicht generell den Beginn einer kriminellen Kar- riere. Hier ist gerade das flexible Sanktioneninstrumenta- rium des Jugendstrafrechts wichtig. Und wer neben einer Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt ist, dem Ju- gendlichen trotzdem mit einem Einstiegsarrest die „schöne Welt hinter Gittern“ schmackhaft machen will, der handelt in meinen Augen verantwortungslos. Nein, meine Damen und Herren von der Union: Be- schäftigen Sie sich statt mit veralteten, repressiven Geset- zesinitiativen lieber mit den Präventionsempfehlungen, die uns jetzt allen auf dem Tisch liegen. Helfen Sie so mit, der Kinder und Jugendkriminalität wirksam vorzubeugen. Jörg van Essen (F.D.P.): Es ist zu begrüßen, dass sich der Deutsche Bundestag heute mit dem wichtigen Thema der Kinder- und Jugendkriminalität beschäftigt. Der uns vorliegende Gesetzentwurf von CDU/CSU ist je- doch nicht geeignet, um Kinder- und Jugendkriminalität wirksam zu begegnen. Es fällt insgesamt auf, dass der Ge- setzentwurf mit heißer Nadel gestrickt wurde. Er enthält ein buntes Sammelsurium von Maßnahmen und Forde- rungen, bei denen Skepsis angebracht ist, ob sie den ge- wünschten Erfolg tatsächlich bringen. Die Einführung des Fahrverbotes als Zuchtmittel im Jugendstrafrecht lehnen wir entschieden ab. Bereits in der Diskussion um die Reform des strafrechtlichen Sanktio- nensystems haben wir gesagt, dass wir die Ausdehnung des sachlichen Anwendungsbereiches des Fahrverbotes auf Straftaten ablehnen, die nicht im Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen begangen sind. Das Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10347 (C) (D) (A) (B) Fahrverbot ist eine typische verkehrsrechtliche Sanktion. In diesem Punkt besteht auch Einigkeit mit der Kommis- sion zur Reform des Sanktionensystems. Wir lehnen es weiterhin ab, dass Straftaten Heran- wachsender in der Regel nach allgemeinem Strafrecht ge- ahndet werden sollen. Die bisherige flexible Handhabung hat sich in der Praxis bewährt. Es muss auch weiterhin dem entscheidenden Richter überlassen bleiben, welches Recht er zur Anwendung kommen lässt. Im Übrigen ist es durchaus bedenklich, dass durch eine Änderung des § 1666 BGB nun jugendstrafrechtliche Ge- sichtspunkte im zivilrechtlichen Familienrecht verankert werden sollen. § 1666 BGB hat eine gänzlich andere In- tention und stellt ausschließlich das Kindeswohl in den Mittelpunkt. Der Gesetzentwurf verweist zu Recht auf einen hohen Anstieg von Kinder- und Jugendkriminalität in den letz- ten Jahren. Dies ist in der Tat ein Problem, das gerade uns Rechtspolitiker beunruhigen sollte. In diesem Zusam- menhang muss jedoch erwähnt werden, dass im letzten Jahr die Zahl der tatverdächtigen Kinder und Jugendli- chen zurückgegangen ist. Diese durch und durch positive Entwicklung darf jedoch nicht den Blick dafür ver- schließen, dass der Bereich der Kinder- und Jugendkrimi- nalität insgesamt weiterhin sehr groß ist. Das Jugendhil- fegesetz, das sich allgemein bewährt hat, bietet schon jetzt viele Möglichkeiten, diesem Problem zu begegnen. Wir müssen hier auch über die Verteilung öffentlicher Gelder im Jugendhilfebereich reden. Großangelegte Haushalts- kürzungen haben oftmals verheerende Auswirkungen. Die effektivste Präventionsarbeit findet in den kommuna- len Jugendeinrichtungen statt. Diese Arbeit muss gestärkt werden und verdient die Unterstützung von uns allen. Der Präventionsgedanke muss auch stets berücksichtigt wer- den bei allen Reformvorhaben im Bereich des materiellen Strafrechts und des Strafprozessrechts, über die wir in den kommenden Monaten noch debattieren werden. Der Gesetzentwurf von CDU/CSU gibt uns nun Gele- genheit, in den anstehenden Beratungen in den Gremien darüber zu diskutieren, auf welche Weise wir einen wirk- lichen Abbau von Kinder- und Jugendkriminalität errei- chen können. Sabine Jünger (PDS): Kinderdelinquenz und Ju- gendkriminalität sind deutliche Anzeichen gesellschaftli- cher Probleme und Fehlentwicklungen. Ihre Ursachen lie- gen in den vielfältigen sozialen Problemen wie Armut, Arbeitslosigkeit, Ausgrenzung, Konkurrenzdruck und Konsumzwang, um nur einige zu nennen. Gerade für die so genannten Mehrfachtäter ist deutlich eine Ballung so- zialer Probleme festzustellen. Während ihrer Regierungszeit hat die CDU/CSU diese gesellschaftliche Situation nach Kräften mit verursacht und befördert. Indem sie auf die vorgeblich so kriminelle Jugend zeigt, verdrängt sie ihre eigene gesellschaftliche Verantwortlichkeit. In ihrem Gesetzentwurf spricht die CDU/CSU-Frak- tion von einer „Besorgnis erregenden Entwicklung der Ju- gendkriminalität“. Es ist aber unzulässig, aus den schrecklichen Einzelfällen der letzten Monate eine Ge- samtbedrohung zu konstruieren und die Bürgerinnen und Bürger zu verunsichern statt aufzuklären. Die eigentli- chen Verhältnisse liegen nämlich ganz anders. Das weiß aber auch die CDU/CSU, die Zahlen sind ja bekannt: Für 1999 ist laut Polizeilicher Kriminalstatistik, PKS, ein Rückgang bei tatverdächtigen Kindern und Jugendlichen zu verzeichnen. Aber selbst der gemessene Anstieg bei den jugendlichen Straftätern in den vorangegangenen Jah- ren lag deutlich hinter dem allgemeinen Anstieg der ge- samten Kriminalität. Jugenddelinquenz ist weitgehend durch Bagatell- delikte bestimmt und hat vorübergehenden Charakter: Zwei Drittel der tatverdächtigen Kinder und 30–40 Pro- zent in der PKS registrierten Jugendlichen werden nur ein einziges Mal auffällig, meist als Ladendiebe. Aus den genannten Ursachen und wegen ihrer speziel- len Ausprägung ist der Jugendkriminalität nicht mit dem Strafrecht beizukommen. Zwingend hingegen sind der Abbau der sozialen Probleme, die konsequente Anwen- dung des KJHG mit seiner präventiven Zielsetzung und die Bereitstellung ausreichender Mittel für die Jugend- hilfe. Der CDU/CSU-Entwurf hingegen setzt auf stärkere Repression und schlägt Strafverschärfungen vor, die dem Charakter des Jugendstrafrechts und seiner erzieherischen Wirkung vollständig zuwider laufen. Dabei zielt sie spe- ziell auf bisher strafunmündige Kinder ab. Durch die Hin- tertür will die CDU/CSU Sanktionen gegen Kinder ein- führen, ohne explizit das Alter der Strafmündigkeit he- runter zu setzen. Die vorgeschlagenen Änderungen in § 1666 BGB enthalten unter anderem die Möglichkeit, strafunmündigen Kindern die Teilnahme an sozialen Trai- ningskursen oder einen Täter-Opfer-Ausgleich aufzuerle- gen. Der Gipfel liegt in der Absicht, Kinder zu verpflich- ten, zur Strafe Arbeitsleistungen zu erbringen. Kinder sind deshalb strafunmündig, weil sie nicht bewusst oder ge- zielt handeln, sondern gefühlsbestimmt. Sie sind daher auch per Strafrecht nicht mit Sanktionen zu belegen. Die Hintertür, dies über § 1666 BGB doch zu tun, ist ein Un- ding. Dann auch noch das Arbeitsverbot für Kinder aus- zuhöhlen ist ein unglaublicher Vorgang. Auf die anderen Zumutungen und Verkennungen der Situation, die die CDU/CSU vorschlägt, kann ich nicht weiter eingehen. Insgesamt beabsichtigt die CDU/CSU mit ihrem Gesetzentwurf einen tiefen Einschnitt in die Logik und die Systematik des Jugendstrafrechts. Das wer- den wir auf keinen Fall mittragen. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Eigentumsrechte nicht durch falsche Naturschutzpolitik aus- höhlen (Tagesordnungspunkt 23) Karsten Schönfeld (SPD): Die SPD-Bundestags- fraktion setzt beim Umweltschutz auf Kooperation und nicht auf Konfrontation. Wir setzen auf einen vernünfti- gen Ausgleich zwischen Nutzungsinteressen und dem Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10348 (C) (D) (A) (B) Schutzbedürfnis der Natur. Wir wollen eine breite Akzep- tanz für die Ziele des Naturschutzes erreichen, und dies geht nur mit der Land- und Forstwirtschaft. Nur so kön- nen wir die Natur dauerhaft schützen. Eine flächen- deckend umweltverträgliche Landwirtschaft ist unser Ziel. Die Bundesregierung wird eine umfassende Reform des Bundesnaturschutzgesetzes vornehmen, die diesen Zielen gerecht wird. Dieses Vorhaben ist der alten Bun- desregierung trotz mehrerer Versuche in der letzten Wahl- periode nicht gelungen. Die alte Bundesregierung hat kurz vor der letzten Wahl gegen den Widerstand der SPD-Bundestagsfraktion und der Bundesländer einige Änderungen des Naturschutzge- setzes vorgenommen. Im Wesentlichen wurde damals nur die Verpflichtung der Bundesländer festgeschrieben, Aus- gleichszahlungen für jede Einschränkung aufgrund von Naturschutzauflagen zu leisten. Diese Regelung nahm den Ländern, die ohnehin schon Ausgleichsleistungen zahlen und entsprechende gesetzliche Regelungen erlas- sen konnten, den bis dahin vorhandenen Spielraum zur Ausgestaltung ihrer Naturschutzpolitik. Die Reform damals war nicht mehr als ein Trick einer abgewirtschafteten Regierung, Stimmen im ländlichen Raum zu fangen, und das auf Kosten der Länderhaushalte. Das Wahlergebnis hat sehr eindeutig gezeigt, wie die Wählerinnen und Wähler auf diese Art von Politik reagie- ren. Kosten sollten nicht nur auf die Länder abgeschoben werden, sondern auch auf die Naturschutzhaushalte. Dass dies nicht gelingen kann, zeigt sich letztlich auch daran, wie die Länder die bestehende Ausgleichsregelung umge- setzt haben: meist überhaupt nicht, und wenn, dann sehr unterschiedlich. Wir setzen uns konsequent für eine Landwirtschafts- politik ein, die den Landwirten hilft, flächendeckend um- weltverträglich zu wirtschaften. Unsere Verhandlungser- gebnisse zur Agenda 2000, die uns erlauben, Ausgleichs- zahlungen für umweltgerechte Landbewirtschaftung zu zahlen, zeigen das ebenso deutlich wie unsere Agrarum- weltprogramme. Vertragsnaturschutz soll Vorrang vor „staatlich verord- netem Dirigismus“ haben, fordert die Partei der Besser- verdienenden in ihrem Antrag. Wir wollen Sonne statt Re- gen, könnte die F.D.P. mit gleicher Logik in den Antrag schreiben. Es handelt sich natürlich um zwei völlig ver- schiedene Dinge. Natürlich wird es auch in Zukunft bei- des geben, eine Gesetzgebung mit Geboten und Verboten, die einen notwendigen gesetzlichen Rahmen setzt, und Ausgleichszahlungen für Leistungen der Landwirte hin- sichtlich der natürlichen Umwelt, die der Markt nicht hin- reichend entlohnt. Die alte Bundesregierung hatte in ihrem Bundesnatur- schutzgesetz zur Definition der guten fachlichen Praxis lediglich auf die landwirtschaftlichen Fachgesetze und das Bundes-Bodenschutzgesetz verwiesen. Weder diese Gesetzgebung noch die landwirtschaftliche Praxis liefern aber eine eindeutige Definition einer naturschutzgerech- ten Landwirtschaft. Es zeigt sich, dass die Auslegung der guten fachlichen Praxis zu sehr unterschiedlichen und sehr differenzierten Aussagen führt. Das alte in diesem Punkt unklare Bundesnaturschutzgesetz hilft weder der Natur noch der Landwirtschaft. Das Gesetz ist unklar und nicht anwendbar, es hilft auch dem Rechtsfrieden nicht. Ein Gesetz ohne praktische Anwendungsmöglichkei- ten ist überflüssig. Wir sind gegen überflüssige Bürokra- tie und ersparen unseren Bürgerinnen und Bürgern des- halb überflüssige Gesetze. Es ist ein Musterbeispiel für die mangelnde Regierungsfähigkeit der F.D.P. Sie werden im Bund und auch in den wenigen Ländern, in denen Ihre Vertreter in den Landtagen sitzen, noch lange Oppositi- onsjahre vor sich haben und können in aller Ruhe üben, vernünftige Gesetze zu formulieren, ohne den Bürgerin- nen und Bürgern mit den Ergebnissen Ihrer Kunst zu schaden. Im neuen Bundesnaturschutzgesetz werden wir ergän- zende Kriterien zur guten fachlichen Praxis aus natur- schutzfachlicher Sicht festlegen, die – in Anlehnung an die Regelungen im Bundes-Bodenschutzgesetz – die An- forderungen an eine standortangepasste Bewirtschaftung näher beschreiben. Landwirtschaft muss standortange- passt erfolgen. Die Kriterien in einem Rahmengesetz des Bundes müssen deshalb allgemein formuliert werden. Es kann nicht jedes Detail festgeschrieben werden, sondern diese müssen vor Ort, von den Ländern definiert werden. Sie ergänzen die Regelungen im landwirtschaftlichen Fachrecht. Als „landwirtschaftliches Fachrecht“ verstehen wir zum Beispiel das Düngemittelgesetz, das Pflanzenschutz- gesetz, das Bundes-Bodenschutzgesetz, aber auch das Wasserhaushaltsgesetz, das Chemikaliengesetz, das Raumordnungsgesetz, das Bundesbaugesetz, das Flurbe- reinigungsgesetz und das Bundesjagdgesetz sind in die- sem Zusammenhang zu nennen. Bei diesen Gesetzen hatte die F.D.P. kräftig mitgeholfen, diesen „staatlich ver- ordneten Dirigismus“ – wie sie es heute in ihrem Antrag nennt – zu formulieren. Will die F.D.P. mit dem abquali- fizierenden Begriff des „staatlich verordneten Dirigis- mus“ zum Ausdruck bringen, dass sie dazu heute nicht mehr steht? Nein, wenn wir die gute fachliche Praxis sowohl als Richtschnur für eine umweltverträgliche Landwirtschaft als auch als Grundlage für die Ausgleichszahlungen nach EG-Recht ansehen, muss diese so definiert werden, dass sie den Prinzipen einer standortgerechten Bewirtschaf- tung entsprechen. Die hierzu vorliegenden Formulie- rungsvorschläge müssen sicherlich noch intensiv disku- tiert werden. Sie verlangen von der Landwirtschaft nichts Unmögliches, weil eine nachhaltige Bewirtschaftung oh- nehin nur mit der Natur und nicht gegen sie möglich ist. Für Anforderungen, die über die gute fachliche Praxis hinausgehen, muss ein Ausgleich gewährt werden. Ent- sprechende Vorschriften müssen die Länder erlassen. Sie erhalten mit dem neuen Gesetz hierfür den nötigen Spiel- raum, müssen diesen aber auch ausfüllen. Damit haben wir gute Erfahrungen vor allem im Gewässerschutz ge- macht. Wir werden sicherstellen, dass die Regelungen in den Bundesländern möglichst einheitlich ausgestaltet werden, um vergleichbare Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10349 (C) (D) (A) (B) Die Bedeutung vertraglicher Vereinbarungen wird auch im neuen Naturschutzgesetz herausgestellt. Wir wol- len möglichst wenig Ordnungsrecht und möglichst viel vertraglichen Naturschutz. Beides ist notwendig. Erstaunlich ist immer die Haltung der F.D.P. zu staat- lichen Zahlungen. Da fordern Vertreter dieser Partei in Sonntagsreden Kürzungen, Einsparungen und Steuersen- kungen, und immer dann, wenn es um praktische Politik geht, fordern sie den staatlichen Dirigismus öffentlich verordneter Ausgleichszahlungen für einzelne Wähler- gruppen. Wir sind in unserem Politikansatz wesentlich fort- schrittlicher. Wir unterstützen die Landwirtschaft in ihrem Bemühen, umweltgerecht zu wirtschaften. Schließlich kann die Entlohnung für Umweltleistungen – das sollte auch die F.D.P. wissen – zumindest zum Teil am Markt erfolgen. Wir werden die Landwirtschaft konsequent unterstützen, diese Marktchancen zu nutzen. Die guten Preise, die ökologisch wirtschaftende Betriebe über viele Jahre für ihre Produkte erzielen konnten, sollten uns er- mutigen, in dieser Richtung weiterzuarbeiten. Kreativität ist auch hier gefragt und sicher besser, als nur auf das altmodische Instrument staatlicher Dauersub- ventionen zu setzen. Naturschutz kann auch ökonomi- schen Gewinn einbringen, nicht nur wegen der Aus- gleichszahlungen aus den öffentlichen Haushalten, son- dern auch, weil den Verbraucherinnen und Verbrauchern die umweltgerechte Produktion ihrer Lebensmittel immer wichtiger wird. Christel Deichmann (SPD): Die Gesamtnovelle des Bundesnaturschutzgesetzes wird kommen. Die am 25. Deutschen Naturschutztag in Bamberg durch den Bundes-umweltminister vorgestellten Eckpunkte geben die Richtung vor, die immer noch fortschreitende Natur- zerstörung und die Bedrohung vieler einzigartiger Tiere und Pflanzen effektiver zu stoppen. Wir fordern die Län- der und Verbände ausdrücklich auf, sich an der Diskus- sion der Detailregelungen im Referentenentwurf zu betei- ligen. Für uns Umweltpolitikerinnen und Umweltpolitiker der SPD-Fraktion ist die Kooperation zwischen Natur- schützern und den Land- und Forstwirten schon immer ein zentraler Punkt in der Naturschutzpolitik gewesen. Nur durch das Miteinander von Umweltschützern und Landnutzern kann eine flächendeckende naturverträg- liche Nutzung ermöglicht werden. Damit dieses Ziel flächendeckend erreicht wird, darf Naturschutz nicht nur auf Schutzgebiete, nur auf die Schaffung eines Biotopverbundsystems oder auf sporadi- sche Förderprogramme beschränkt bleiben. Auch in in- tensiv genutzten Gebieten müssen in unser aller Interesse naturschutzfachliche Mindestkriterien eingehalten wer- den. Hierbei übernimmt der Vertragsnaturschutz eine wich- tige Aufgabe. Derartige Verträge werden immer auf frei- williger Basis abgeschlossen, was insbesondere die Ak- zeptanz durch die Flächennutzer erhöht. Der Vertragsnaturschutz ist jedoch nicht das alleinige Allheilmittel, um einen umfassenden Schutz der heimi- schen Pflanzen- und Tierarten zu gewährleisten und un- sere Kulturlandschaft zu pflegen. Im Vergleich zu ord- nungsrechtlichen Instrumenten ist der Vertragsnatur- schutz viel personalintensiver. So sind während der gesamten Vertragslaufzeit individuelle Beratungen und auch ein erhöhter Kontrollaufwand erforderlich. Außer- dem reichen die finanziellen Anreize für die Ausübung von Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes oft nicht aus, um die erhofften Teilnehmerzahlen zu erreichen. Ein um- fassender Schutz sensibler Biotope kann somit nicht im- mer im erforderlichen Maße gewährleistet werden. Ord- nungsrechtliche Regelungen – wie Schutzgebietsauswei- sungen, Naturschutzverordnungen – sind also auch zukünftig ebenso erforderlich wie notwendig. In der Begründung des F.D.P.-Antrages sind Formulie- rungen eingebaut, die ein großes Verständnis für den Na- turschutz mal wieder unter Beweis stellen. Hier behaup- ten Sie, dass durch die in dem 3. Änderungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz neu geschaffene Ausgleichsre- gelung „der Weg zur Kooperation im Natur- und Um- weltschutz mit den Land- und Forstwirten fortgesetzt und weiterentwickelt wurde“. Fest steht, dass bereits mehrere Anträge oder sogar Klagen auf Entschädigungen bei Gerichten vorliegen, da eine entsprechende Ausgleichszahlung für erwarteten Nutzen bisher nicht gezahlt werden konnte. Grund: Den Ländern fehlen entsprechende Finanzmittel. Praktisch führen solche Beispiele dazu, dass die Schutzgebietsver- ordnungen „entschärft“ werden. Faktisch hat der § 3 b dem Naturschutz einen „Bärendienst“ erwiesen: Er hat zur Blockade in diesem Bereich geführt. Zu den von Minister Trittin im Vorfeld vorgestellten Eckpunkten zur Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes sprachen Sie, verehrter Kollege Heinrich, gegenüber der Agentur „Agrar-Europe“, Ausgabe vom 15. Mai, sogar von einer „Mogelpackung“ und einer „Enteignung auf kaltem Wege“. Weiterhin formulierten Sie in ihrem Antrag: „Auf- lagen, die über die gute fachliche Praxis hinausgehen, sind Eingriffe ins Eigentum“. All diese Äußerungen sind rechtlich nicht haltbar und das wissen Sie auch ganz ge- nau. Darüber werden wir an anderer Stelle noch zu reden haben. Heute nur so viel dazu: Das Gutachten 2000 des Sachverständigenrates für Umweltfragen bestätigt die Einschätzung der SPD-Bundestagsfraktion, dass derar- tige Nutzungsbeschränkungen im Rahmen der Sozial- pflichtigkeit des Eigentums liegen. Der Umweltrat spricht sich sogar für die Abschaffung der finanziellen Aus- gleichsregelung nach § 3 b Bundesnaturschutzgesetz aus. Fest steht auch weiterhin, dass die Ausgleichsregelung bisher nur von Bayern umgesetzt wurde, in Hessen wird eine entsprechende Umsetzung vorbereitet. Eines ist gewiss: Die bestehende Vorschrift über Aus- gleichszahlungen von Nutzungsausfällen bei Natur- schutzmaßnahmen wird künftig neu zu regeln sein. Wir haben immer wieder beklagt, dass der bisherige gesetzli- che Rahmen der „guten fachlichen Praxis“ zu unpräzise ist. So bleiben Naturschutzaspekte in den landwirtschaft- lichen Fachgesetzen vollkommen unberücksichtigt. Die Umweltpolitikerinnen und Umweltpolitiker der SPD- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10350 (C) (D) (A) (B) Bundestagsfraktion fordern daher seit langem, Natur- schutzkriterien in die Definition der „guten fachlichen Praxis“ mit aufzunehmen. Die europäische Rechtsgrund- lage, die EAGFL-Verordnung, gibt ebenfalls vor, dass die „gute fachliche Praxis“ auch im Sinne des biotischen Res- sourcenschutzes näher zu definieren ist. Sie gibt weiterhin vor, dass überprüfbare Kriterien festgelegt werden müs- sen. Auch das vom Bundesamt für Naturschutz in Auftrag gegebene Gutachten „Entwicklung eines Kriterienkata- logs zur Bewertung der guten fachlichen Praxis“ vom 14. Januar 2000 sowie die SRU-Gutachten 1998 und 2000 weisen ebenfalls darauf hin, dass es in den landwirt- schaftlichen Fachgesetzen Defizite im Naturschutzbe- reich gibt. Die Einbindung von naturschutzfachlichen Kriterien in die gute fachliche Praxis birgt nach unserer Auffassung Vorteile für die Landwirtschaft im Sinne einer nachhaltigen Produktion sowie für den Imagegewinn in der Bevölkerung. Der F.D.P.-Antrag greift nur einen Punkt aus der anste- henden Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes he- raus. Die Debatte ist jedoch im Zusammenhang mit der Gesamtnovelle und anderen Maßnahmen zur Stärkung des Naturschutzes zu sehen. Dazu zählen die stärkere Ausrichtung der GAK an den Zielen des Naturschutzes – wie zum Beispiel Gewährung eines Ausgleichs für Nut- zungseinschränkungen in FFH-Gebieten, die zurzeit durch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe geprüft wird, Un- terstützung des Vertragsnaturschutzes sowie die Förde- rung von betrieblichen Investitionen zur Verbesserung des Umweltschutzes im Landwirtschaftlichen Bereich, die Öffnung der DBU für Naturschutzbelange, der personelle Ausbau des Bundesamtes für Naturschutz, die Sicherung der Mittel für Großschutzprojekte und Verbändeförde- rung, die verbesserte Förderung von Kooperationen zwi- schen Umweltschützern und der Landwirtschaft im länd- lichen Raum, zum Beispiel über das Leader-plus-Pro- gramm, sowie die verbesserte Akzeptanzförderung für Maßnahmen des Naturschutzes. Letztendlich ist Ihr Antrag aus folgenden Gründen ab- zulehnen: Die Argumentation hinsichtlicht der Eigen- tumsrechte ist falsch, die Ausgleichsregelung wird im Einvernehmen zwischen Bundeslandwirtschaftsministe- rium und Bundesumweltministerium neu zu regeln sein, der Vertragsnaturschutz wird selbstverständlich weiterhin als eine wichtige Maßnahme zur Gewährleistung des Prinzips „Schutz durch Nutzung“ gesehen. Cajus Caesar (CDU/CSU): Es war das besondere An- liegen der CDU/CSU bei der Novellierung der Natur- schutzgebung im Jahr 1998, dass die Ausgleichsregelung Bestandteil des Gesetzes wird. Naturschutz geht nur im Miteinander. Belastungen des Naturkreislaufs, aber auch Einschnitte für unsere Bürger, insbesondere in der Land- und Forstwirtschaft, müssen weitgehend vermieden wer- den. Dieses von meiner Fraktion stets verfolgte Prinzip droht nun durch die rot-grüne Bundesregierung und ihren Umweltminister Trittin ausgehöhlt, wenn nicht gar aus- gelöscht zu werden. Daher unterstützen meine Fraktion und ich den Antrag der F.D.P., der den Bundestag auffor- dert, sich dafür einzusetzen, dass Ausgleichsregelungen auch weiterhin Bestand haben. Wir setzen auch zukünftig im Bereich der Land- und Forstwirtschaft auf Kooperation statt Konfrontation. Auch dies ein wichtiger Hinweis der Kollegen von der F.D.P., die ja wie wir auch wissen, dass gerade Herr Minister Trittin es darauf anlegt, alle Beteiligten vor den Kopf zu stoßen. Ihre bisherige Politik, Herr Minister Trittin, war nicht durch besondere Kooperationsfreudig- keit gekennzeichnet. Ich will nur an die Diskussionen bei der Altautoverordnung erinnern, bei denen Herr Trittin beinahe alle unsere europäischen Partner vergrault hat. Auch seine Atompolitik ist nicht gerade ein Paradebei- spiel für kooperatives Handeln. Aber dies sei nur am Rande bemerkt. Was wir heute brauchen, ist eine Naturschutzpolitik, die sich zum Ziel setzt, alle Betroffenen in die Diskussio- nen mit einzubeziehen. Diese Diskussionen über Natur- schutz dürfen nicht nur hier im Plenum des Bundestages geführt werden, sondern müssen auch und vor allem vor Ort mit den Menschen geführt werden. Und in diesem Be- reich weist die Politik der Regierung leider enorme Defi- zite auf. Auf diese Probleme haben wir in der Vergangen- heit schon wiederholt hingewiesen und nun wird unsere Position erneut von der F.D.P. unterstützt. Erklärtes Ziel von CDU und der CSU ist es immer ge- wesen, die gemeinsamen Interessen von Naturschutz und Landwirtschaft herauszuarbeiten und Zukunftschancen für ein wirkungsvolles Miteinander aufzuzeigen. Dieses Ziel sehen wir durch die aktuelle Politik der rot-grünen Regierung gefährdet: Daher ist notwendig, noch einmal auf die Problematik hinzuweisen: Eigentumsrechte sind höchste Rechtsgüter, die unser Grundgesetz ausdrücklich in Art. 14 schützt. Es darf nicht sein, dass ein Grundrecht aufgrund einer falsch verstan- denen Naturschutzpolitik dauerhaft ausgehöhlt und un- brauchbar gemacht wird. Ich kann daher nur ausdrücklich davor warnen, die verfassungsmäßig garantierten Eigen- tumsrechte durch gesetzliche Neuregelungen im Bundes- naturschutzgesetz zu schwächen. Dies wird sicherlich in Karlsruhe keinen Bestand haben. Was wir zukünftig brauchen, ist nicht die Konfronta- tion, sondern das gemeinsame Miteinander und das wer- den wir nur durch eine Erweiterung des Vertragsnatur- schutzes erreichen. Dieses Prinzip wurde von Frau Dr. Merkel eingeführt, vor allem um die Beteiligten vor Ort in den Prozess des Naturschutzes einzubinden. Nicht noch mehr gesetzliche Regelungen, Rahmen- pläne, Verordnungen und andere bürokratische Hemm- nisse bringen uns im Umweltschutz voran, sondern nur gemeinsames und praktisches Handeln. Ich fordere daher den Vorrang des Vertragsnaturschutzes vor verwaltungs- rechtlichen Auflagen. Wir müssen die Menschen dazu be- wegen, Selbstverpflichtungen einzugehen, um die ökolo- gischen Probleme selbst zu erkennen, aufzugreifen und zu lösen. Dies ist eine Umweltpolitik, die auf die Zukunft ausgerichtet ist. So hat etwa die Umsetzung der FFH-Richtlinie ge- zeigt, dass aufgrund der wenig konkreten Auswirkungen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10351 (C) (D) (A) (B) für die in den vorgesehenen Gebieten Wirtschaftenden nur wenig bisher erreicht wurde. Wenn die Menschen nicht wissen, was genau auf sie zukommt, sind sie auch nicht bereit, etwas zu unternehmen. So gilt es, zukünftig mehr darauf zu achten, dass die Ausweisung der Schutzgebiete nicht über die Köpfe der Menschen hinweg erfolgt. „Mo- tivation statt Naturschutzauflagen!“ sollte unser Motto für die anstehende Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes sein. Die Ausweisung von Schutzgebieten darf nicht in ei- nen prozentualen Wettlauf münden. So halte ich es nicht für sinnvoll, dass Rot-Grün sich in der Koalitionsverein- barung von 1998 darauf festgelegt hat, dass 10 Prozent der Landschaftsfläche Schutzgebiete werden müssen. Wenn beispielsweise Landschaftspläne, wie etwa im Kreis Lippe geschehen, 95 Prozent durch Naturschutzge- biete, Landschaftsschutzgebiete mit besonderen Festset- zungen, Landschaftsschutzgebiete, Naturdenkmäler und Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen bis vor die Haustür jeden Handgriff des Bürgers führen wollen, wird dies nicht zu Akzeptanz, sondern zu Verdrossenheit und enor- men Widerständen führen, wie auch die entsprechenden Veranstaltungen gezeigt haben. Es mutet geradezu gro- tesk an, wenn in einem Gebiet mit unter 10 Prozent Be- waldungsprozentsatz ein Landschaftsplan ein generelles Erstaufforstungsverbot über alle Flächen hinweg vor- sieht, während EU, Bund und Land sogar Fördermittel vorsehen. Dies ist nur ein Beispiel für die verfehlte rot- grüne Umweltpolitik vor Ort. Neben Erhalt, Schutz und Weiterentwicklung von Schutzgebieten über den Vertragsnaturschutz hinaus, gilt es, den Naturschutz auf der gesamten Fläche zu betrach- ten. Hier gilt es, Möglichkeiten extensiver Bewirtschaf- tung, Möglichkeiten der Biomasse zur Biogas- und Bio- dieselproduktion sowie Möglichkeiten der Biomasse zur Primärenergieerzeugung insgesamt besser zu nutzen und Anreize zu schaffen. Wir warnen die Bundesregierung davor, den betroffe- nen Land- und Forstwirten die bisher zustehenden Aus- gleichsmaßnahmen zu streichen. Sie werden sonst kaum mehr bereit sein, etwas für den Naturschutz zu tun. Dies kann nicht in unserem Sinne sein. Die noch gültigen gesetzlichen Regelungen über die gute fachliche Praxis sichern bisher ein möglichst kon- fliktfreies Nebeneinander von Landwirtschaft, Natur-, Gewässer- und Emissionsschutz und den Ansprüchen der Gesellschaft auf Freizeit und Erholung. Für Rot-Grün ist diese negative Haltung gegenüber den betroffenen Bür- gern und der Wirtschaft jedoch nichts Neues. Bereits bei der Debatte um die Änderung des Naturschutzgesetzes im April 1998 haben Sie sich gegen die Ausgleichsregelun- gen ausgesprochen und diese mit dünnen Argumenten ab- gewiesen. Die Vergangenheit hat jedoch gezeigt, dass gerade diese Ausgleichsmaßnahmen ein geeignetes In- strument waren, um die Menschen vor Ort zum Umwelt- schutz zu bewegen. Wer ist denn bereit, sich freiwillig für den Naturschutz einzusetzen, wenn er dafür auch noch fi- nanziell bestraft wird – und dies zu einem Zeitpunkt, wo rot-grüne Politik für erhebliche Einschnitte in das soziale Netz sowie für zusätzliche Belastungen durch Ökosteuer und weitere Nachteile gesorgt hat? So hat die Agenda 2000 schon große finanzielle Ein- bußen für die betroffene Landwirtschaft mit sich ge- bracht. Schon jetzt wird die Landwirtschaft mit 5 Milliar- den DM zusätzlich belastet. Dies darf nicht weiter fort- gesetzt werden. Dies ist hochgradig kontraproduktiv. Na- turschutz ist nicht gegen den Willen der vor Ort Arbeiten- den möglich. Wir fordern daher Landwirtschaftsminister Funke nachdrücklich auf, sich für den Erhalt der Aus- gleichsregelungen gegenüber Minister Trittin durchzuset- zen und nicht einzuknicken. Wir dürfen den Land- und Forstwirten nicht noch mehr Steine in den Weg legen als es Rot-Grün bisher getan hat. Die Landwirtschaft hat in den letzten Jahren sehr viel für den Naturschutz getan. So ist etwa der Einsatz von mineralischem Dünger seit 1987 um rund 20 Prozent zurückgegangen. Die Qualität unse- rer Flüsse und Bäche hat sich enorm verbessert und die Zahl der Fische ist wieder gestiegen. Dies ist auch ein Er- folg der bisherigen Naturschutzpolitik im Bereich der Landwirtschaft. Auf diesen Erfolgen müssen wir weiter- hin aufbauen. Allerdings lässt die Politik der Bundesre- gierung nichts Gutes ahnen, wenn sie die Mittel im Be- reich der Land- und Forstwirtschaft weiter zurück- schraubt und damit den Bauern auch noch die letzte Motivation nimmt. Meine Fraktion und ich fordern die Regierung daher nachdrücklich auf, bei ihren weiteren Beratungen zur No- velle des Naturschutzgesetzes genau zu überlegen, wie die Bürger beteiligt werden können. Lassen Sie nicht die Bürger die Zeche bezahlen! Bemühen Sie sich stattdes- sen, die Betroffenen zu vertragsnaturschutzlichen Rege- lungen zu bewegen; diesen Weg werden wir mitgehen. Ich verspreche Ihnen: Sie werden damit mehr Erfolg haben und unsere Umwelt freut sich. Nur eine die Menschen überzeugende Naturschutzpolitik wird auf die Dauer er- folgreich sein. Sylvia Voß (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der An- trag der Fraktion der F.D.P. erinnert mich doch sehr an die Fernsehwerbung für den Kaffee „Gala Nr. 1“, wo eine of- fensichtlich wohlhabende Dame auf die Frage: „Was wür- dest du dir wünschen, wenn du einen Wunsch frei hät- test?“, die wenig geistreiche Antwort gibt: „Alles soll so bleiben, wie es ist.“ – Nicht gerade beeindruckend für eine Partei, die sich als freidemokratische Turbopartei geriert. Für uns ist es jedenfalls nicht einsichtig, warum uns heute ein Antrag vorgelegt wird, der festhält, dass sich in Bezug auf den § 3 b des Bundesnaturschutzgesetzes nichts ändern möge, zumal Sie wissen, dass sich der Deut- sche Bundestag in Kürze mit dem Entwurf der 4. Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes befassen wird. Eines der Hauptziele der Novelle des Bundesnatur- schutzgesetzes – Minister Trittin hat die Öffentlichkeit da- rüber vorgestern in Bamberg informiert – ist in der Tat die Neuregelung des Verhältnisses von Landwirtschaft und Naturschutz. Ein zentraler Punkt ist dabei der Regelungs- gehalt des § 3 b, von dem alle wissen, dass er in der der- zeit geltenden Fassung ein kooperatives Verhältnis von Naturschutz und Landwirtschaft behindert. Seit August 1998 leisten die Länder bei staatlichen Na- turschutzauflagen, die über die gute fachliche Praxis hi- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10352 (C) (D) (A) (B) nausgehen, für Land- und Forstwirte Ausgleichszahlun- gen. Mit der 3. Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes erhielten sie einen gesetzlichen Anspruch auf diese Zah- lungen. Bei diesen Zahlungen handelt es sich allerdings nicht um den Ausgleich für eine Enteignung, einen ent- eignungsgleichen Eingriff oder eine Eigentumsbeschrän- kung. Vielmehr werden allein Nutzungsbeschränkungen kompensiert, die bis dahin im Rahmen der Sozialpflich- tigkeit des Eigentums verhältnismäßig waren und deshalb ohne finanziellen Ausgleich hingenommen werden muss- ten. Wir lehnen, wie Ihnen bekannt ist, diese Regelung ab. Sie ist unvernünftig und nicht zielführend. Sie stellt einen einseitigen Anspruch für Land- und Forstwirte dar und führt zu keinem Fortschritt für den Naturschutz bei der Landnutzung. Wichtig ist uns, dass die gute fachliche Praxis nicht al- lein durch landwirtschaftliche Fachgesetze, wie das Dün- gemittel- und das Pflanzenschutzgesetz, definiert wird, sondern mit naturschutzfachlichem Inhalt angereichert wird. Es ist ein ausgezeichneter Start für die Arbeit an der Novelle, dass Minister Trittin und Minister Funke sich auf naturschutzfachliche Grundsätze einer natur- und land- schaftsverträglichen Land-, Forst- und Fischereiwirt- schaft geeinigt haben. Wir haben es immer für erforder- lich gehalten, dass Landwirtschaft und Naturschutz ge- meinsam festlegen, was für die Nutzung und den Schutz der Natur richtig ist. Mit der neuen Regelung wird der Grundsatz überwun- den, dass nahezu jede naturschutzrechtliche Auflage den Anspruch auf Ausgleichszahlungen durch die Länder er- zwingt. Die daraus resultierenden Belastungen der öffent- lichen Hand verhinderten zunehmend die Ausweisung neuer Naturschutzflächen. Was die Ausgleichszahlung angeht, so wird hier die Kompetenz der Länder erhöht werden. Es wird ihnen die Möglichkeit eingeräumt werden, ihren politischen und fi- nanziellen Möglichkeiten entsprechend den Ausgleich von Nutzungsbeschränkungen zu regeln. Das ist im Sinne der Stärkung des Föderalismus und, im Gegensatz zur derzeitig geltenden Regelung, verfassungsrechtlich unbe- denklich. Der § 3 b des Bundesnaturschutzgesetzes gewährt nämlich in seiner jetzigen Form einen sonst nicht beste- henden Geldleistungsanspruch, der vollen Umfangs und unausweichlich von den Ländern aufzubringen ist. Eine solche bundesrechtliche Anspruchsgewährung wider- spricht aber der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes und wurde deshalb von den Ländern im Bundes- rat abgelehnt. Wir werden hier die Kompetenzbeschnei- dung der Länder in dieser Frage beenden und das ein- führen, was verfassungsrechtlich geboten ist: eine Rah- menregelung. Inhaltlich sprechen wir uns dafür aus, dass die Länder eine Regelung einführen, die die Honorierung solcher ökologischer Leistungen vorsieht, die über die gute fach- liche Praxis hinausgehen und gleichzeitig zu Einkom- menseinbußen führen. Vertragliche Vereinbarungen halten wir für einen sinn- vollen Weg im Naturschutz, der neben den unverzichtba- ren ordnungsrechtlichen Maßnahmen zu Fortschritten im Arten- und Biotopschutz führen kann. Den Vorrang einer Seite kann es allerdings nicht geben. Es geht um vernünf- tige wechselseitige Ergänzungen. Dass Sie, liebe Ideolo- ginnen und Ideologen von der F.D.P., das Ordnungsrecht als „verordneten Dirigismus“ denunzieren, ist sicherlich kein konstruktiver Beitrag für eine Sachdebatte. Die von Ihnen hier vorgeführte Einseitigkeit schadet dem Natur- schutz und nutzt den Land- und Forstwirten nicht. Auch ihre apodiktische Feststellung, dass Auflagen, die über die gute fachliche Praxis hinausgehend, „Ein- griffe ins Eigentum“ sind, zeugt von ideologiegetränkter Sichtweise. Denn nach übereinstimmender Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des BGH sind Regelun- gen, die die Nutzung von Grundstücken aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes beschränken, grund- sätzlich keine Enteignungen im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG, sondern Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Ein Entschädigungsanspruch entstünde hiernach allen- falls, wenn die Beschränkung der Eigentümerbefugnis unverhältnismäßige, das heißt unzumutbare wirtschaftli- che Härten nach sich zieht. Der Gesetzgeber hat Inhalt und Schranken des Eigen- tums zu bestimmen und hierbei den privaten und sozialen Nutzen des Eigentumsgebrauchs in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Das beinhaltet auch das Recht, die Eigentümerbefugnis im Interesse des Gemeinwohls zu beschränken. Werden zur Verwirklichung der Ziele des Natur- schutzes und der Landschaftspflege Anforderungen fest- gesetzt, durch die der Eigentümer schwer und unzumut- bar betroffen wird, ist nach Maßgabe des Landesrechts eine angemessene Entschädigung in Geld unter den Vo- raussetzungen des Art. 14 des Grundgesetzes zu leisten. Wird der Eigentümer erheblich, aber nicht schwer und unzumutbar in der Ausübung seiner Eigentümerbefugnis beeinträchtigt, ist zu prüfen, ob ein Ausgleich in Geld durch vertragliche Vereinbarungen geleistet werden kann. Ulrich Heinrich (F.D.P.): Der F.D.P.-Antrag zum Na- turschutz passt optimal in die aktuelle Diskussion: Die von Umweltminister Jürgen Trittin auf dem Deutschen Naturschutztag vorgestellten Eckpunkte zum Natur- schutzgesetz drohen die bewährte Kooperation zwischen Naturschutz und Landwirten zu sprengen. Genau das ist wohl aus parteipolitischen Motiven von Herrn Trittin ge- wollt. Trittin will offensichtlich mit seinem eigentums- politischen Amoklauf die grüne Basis und die Umwelt- verbände zurückgewinnen. Ein Schuss in den Ofen: Nicht nur Land- und Forstwirte sind entsetzt, selbst der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) kritisiert den Umweltminister heftig. Die erfolgreiche Zusammen- arbeit zwischen Naturschutz und Landwirtschaft wird auch durch die Tatsache, dass bereits mehr als 40 Pro- zent der Fläche Deutschlands von Land- und Forstwirten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10353 (C) (D) (A) (B) freiwillig in Naturschutzprogramme eingebracht wurde, dokumentiert. Vor allem folgende Eckpunkte erhitzen die Gemüter: Erstens. Naturschutz ist Ländersache, dennoch erklärt der grüne Umweltminister seine Novelle für nicht zu- stimmungspflichtig und hofft so, die Länder umgehen zu können. Zweitens. Zehn Prozent der Landesfläche sollen zukünftig Vorrangfläche für den Naturschutz sein – für ein dicht besiedeltes Industrieland wie Deutschland ist das schlicht weltfremd. Drittens. Jürgen Trittin plant zudem, Verbandsklage- rechte einzuführen. Obwohl es gerade im Naturschutz be- reits mehr als genug Ordnungsrecht gibt, will der Minis- ter auch hier noch eins draufsetzen. Viertens. Damit nicht genug: Die vorgesehene Neude- finition der guten fachlichen Praxis zielt auf die Aushöh- lung der mühsam von der F.D.P. durchgesetzten Aus- gleichsregelung für Land- und Forstwirte. Die F.D.P. hat diesen Irrweg im Naturschutz frühzeitig erkannt und bereits im vergangenen Jahr einen Antrag ein- gebracht, den wir heute diskutieren, der den klaren und konsequenten Kurs der F.D.P. für den Schutz der Eigen- tumsrechte und den Naturschutz fortführt. Die F.D.P. for- dert daher: Erstens. Das Eigentum darf nicht weiter unter dem Deckmantel der Sozialpflichtigkeit ausgehöhlt werden. Zweitens.DiePlänevonTrittin,40000bis100000Hek- tar land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen aus dem Privatisierungsauftrag in den neuen Ländern auszuklam- mern und an Naturschutzverbände zu verschenken, tritt die berechtigten Eigentumsrechte der Alteigentümer mit Füßen und müssen deshalb gestoppt werden. Drittens. Land- und Forstwirte erhalten für wirtschaft- liche Nachteile durch Auflagen des Naturschutzes, die über die so genannte gute fachliche Praxis hinausgehen, einen angemessenen Ausgleich nach Maßgabe des Lan- desrechts. Für die F.D.P. ist das eine Grundsatzfrage! Auf- lagen die über die gute fachliche Praxis hinausgehen, sind Eingriffe ins Eigentum. Sie sind deshalb ausgleichs- pflichtig, Viertens. Die F.D.P. fordert die Länder nachdrücklich auf, die Ausgleichsregelung – sofern das noch nicht ge- schehen ist – zügig in ihre Landesgesetze aufzunehmen. Fünftens. Die GRÜNEN – insbesondere Umweltminis- ter Trittin – müssen ihren Konfrontationskurs gegen die Land- und Forstwirte einstellen. Sechstens. Eine Vorrangfläche von zehn Prozent für den Naturschutz ist aus wirtschafts-, agrar-, umwelt- und eigentumspolitischen Gründen abzulehnen. Siebentens. Ein Verbandsklagerecht ist der ordnungs- politisch falsche Weg und muss korrigiert werden. Achtens. Eine Neudefinition der guten fachlichen Pra- xis ist völlig überflüssig, da in Deutschland die ohnehin strengsten Gesetze in diesem Bereich gelten. Neuntens. Der Vertragsnaturschutz muss erhalten und ausgebaut werden. Noch auf der Internationalen Grünen Woche Anfang des Jahres in Berlin hat sich der Bundeslandwirtschafts- minister, Karl Heinz Funke, unter dem Applaus der an- wesenden Landwirte für seine Ankündigung zum Erhalt der Ausgleichsregelung in der bestehenden Form feiern lassen. Herr Minister Funke, lassen Sie Ihren Worten Ta- ten folgen und stoppen Sie endlich Umweltminister Trittin! Aus Sicht der F.D.P. sind die Pläne von Minister Trittin eine Mogelpackung. Eine „Enteignung auf kaltem Wege“ ist mit der Eigentumspartei F.D.P. nicht zu machen. Eva-Maria Bulling-Schröter (PDS): Ich freue mich ja immer, wenn die Kategorie Eigentum wieder einmal thematisiert wird. Wenn wir die juristische Definition zur Grundlage nehmen, dann gibt es da Eigentumsrechte, wie sie die F.D.P. mit ihrem Antrag meint einfordern zu kön- nen, und da gibt es Eigentumspflichten, auf die gelegent- lich hinzuweisen sich auch lohnt. Die F.D.P. will den von Frau Merkel ins Bundesnatur- schutzgesetz eingestrickten § 3 b ins neue Naturschutzge- setz hinüberretten: Schlägt der Naturschutz zu, dann sol- len Bauern oder Waldbesitzer entschädigt werden. Es ist auch Auffassung der PDS, dass Land- und Forst- wirte, die durch Naturschutzauflagen Aufwendungen ha- ben, welche über ein bestimmtes Maß hinausgehen, Kom- pensationszahlungen erhalten. Niemand soll über Nacht in den Ruin getrieben werden. Doch die Belastungen müs- sen tatsächlich außerhalb dessen liegen, was im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums schlichtweg hinzu- nehmen ist. Und: Das Ganze darf lediglich Übergangs- charakter haben. Konkret hieße das, durch eine Mischung von Übergangshilfen und Vertragsnaturschutz eine Nut- zungskonversion vom Staat finanziell zu begleiten. Pau- schale Ausgleichzahlungen für Flächen, die in Natur- schutzgebieten liegen und teilweise nie bewirtschaftet wurden, sind dagegen unsinnige Geldgeschenke. Notwendig ist eine verlässliche und umsetzbare Grenz- ziehung zwischen unentgeltlich einzufordernder Rück- sichtnahme der Landnutzer auf die natürliche Umwelt und entgeltwürdigen ökologischen Leistungen. Hierfür müssen Kriterien aus naturschutzfachlicher Sicht ent- wickelt werden. Der Verweis auf die „gute fachliche Pra- xis“ im Bodenschutzgesetz reicht nicht, denn damit wer- den momentan längst nicht alle naturschützerisch rele- vanten Belange abgedeckt. Wir sind auch hier gespannt auf den BMU-Entwurf zum neuen Bundesnaturschutzge- setz. Abschließend noch ein klares Wort: Boden ist ein be- grenztes Gut und ein natürliches dazu, ein Gut, welches gemeinschaftlichen Charakter hat, auch wenn es privat genutzt wird. Vielen fällt der Boden sogar allein durch die Herkunft in den Schoß, was im urliberalen Sinne eigent- lich ja auch ein Unding ist. Lesen sie mal bei Ihrem Kol- legen Eucken nach, Frau Homburger, Stichwort 100 Pro- zent Erbschaftsteuer. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10354 (C) (D) (A) (B) Wir denken, die Gesellschaft kann deshalb berechtig- terweise von den Land- und Forstwirten erwarten, dass sie Beschränkungen in Kauf nehmen, die einzig die nachhal- tige Erhaltung der natürlichen Umwelt zum Ziel haben. Soll die öffentliche Hand denn bis in alle Ewigkeit allein dafür Ausgleichzahlungen vornehmen, dass wertvolle Flora und Fauna nicht zerstört wird? Das kann doch wohl niemand ernsthaft wollen! Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes (EkrG) (Tagesordnungspunkt 24) Wieland Sorge (SPD): Der Gesetzentwurf der PDS zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes ist dahin- gehend ausgerichtet, die Kommunen in den neuen Län- dern finanziell zu entlasten. Sie sollen von den Kosten für die Grunderneuerung von Straßenbrücken über Schienen- wege der ehemaligen Deutschen Reichsbahn freigestellt werden, und der Bund soll zukünftig – statt wie bisher die Kommunen – die Kosten bei Eisenbahnkreuzungsmaß- nahmen der „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“ und bei Anpassungsmaßnahmen technischer Sicherungen im Be- reich von Bahnübergängen übernehmen. Dabei werden vom Bund tatsächlich schon eine Reihe von Kosten ge- tragen. Meiner Meinung nach sind die Vorschläge der PDS weder vertretbar noch machbar. Zum einen – und dies ist im Hinblick auf die Durchführbarkeit sicherlich der aus- schlaggebende Grund – sind die Vorschläge der PDS gar nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. In Art. 104 a Abs. 1 haben auch die Kommunen die aus der Wahrnehmung ih- rer Aufgaben entstehenden Kosten zu tragen. Die ge- nannten Straßenbrücken sind Bestandteil der jeweiligen Kommunalstraßen und stehen auch seit einer Verwal- tungsvereinbarung der beteiligten DDR-Ministerien vom Jahre 1953 in der Baulast eines kommunalen Straßenbau- lastträgers. Die Kommunen der DDR befanden sich in ei- ner schizophrenen Situation. Einerseits waren sie für die Erhaltung bzw. Sanierung der kommunalen bzw. ge- meindlichen Bahnübergänge verantwortlich, andererseits besaßen sie weder die eigene Finanzhoheit noch Einfluss auf die Verteilung der dringend benötigten Baustoffe, die wegen ihres Mangels an anderen notwendigen Stellen ein- gesetzt wurden. Dem Bund ist es verwehrt, die Kosten für die aufgelaufenen Unterhaltungsrückstände der kommu- nalen Straßenbrücken zu übernehmen. Weder der Bund noch die DB AG sind für die Versäumnisse der DDR ver- antwortlich. Trotzdem hat der Bund – und dies ist durch das Gesetz zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgeset- zes und anderer Gesetze vom 9. September 1998 er- möglicht worden – von 1999 bis 2003 jährlich 50 Mil- lionen DM in den neuen Bundesländern als Finanzhilfe bereitgestellt, und damit ist die verfassungsrechtlich zulässige Grenze für Finanzhilfen erreicht. Es ist sehr be- dauerlich, dass Gemeinden und Städte für etwas teilweise aufkommen müssen, was sie nicht verschuldet haben. Sollte es wirklich solche Gemeinden bzw. Städte geben, die mit Millionenbeträgen belastet werden bzw. haus- haltsmäßig am Ende wären, müssten wir Mittel und Wege finden, dies zu verhindern. Bisher sind solche Beispiele namentlich nicht bekannt. Da die Länder in erster Linie für ihre Kommunen Verantwortung haben, müssen sie auch die Finanzierungsmöglichkeiten voll nutzen, um die Kommunen zu entlasten. Zum anderen – und das werden die meisten von uns noch wissen – hat es bereits 1997 einen ähnlichen Antrag der PDS gegeben, der vom Bundestag am 11. Dezember 1997 abgelehnt wurde. Außerdem gab es 1999 einen Ent- schließungsantrag der PDS zu diesem Thema, welcher ebenfalls abgelehnt wurde. Im Grunde sind die damals aufgeführten Gründe auch noch heute gültig: Soweit im Zuge neuer Schienen- strecken neue, höhenfreie Kreuzungen mit bestehenden Straßen hergestellt werden müssen, trägt das Eisenbahn- unternehmen nach § 11 Abs. 1 EkrG hierfür die Kosten al- lein. Anderes gilt nur, wenn eine Gemeinde, das heißt in dem Fall der Straßenbaulastträger, ebenfalls Änderungen verlangt; dann hat sie nach dem Veranlasserprinzip zu den Kosten beizutragen. Bei der Beseitigung bestehender höhengleicher Kreu- zungen – Bahnübergänge – hätten die Beteiligten, also das Eisenbahnunternehmen und – soweit die Straße in ihrer Baulast steht – die jeweilige Gemeinde aufgrund des kreuzungsrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses zu gleichen Teilen die Kosten zu tragen. Da der Bund auch unter dem verkehrspolitischen Gesichtspunkt zur Sicher- heit an der Beseitigung der höhenfreien Kreuzungen stark interessiert ist, übernimmt er ein Drittel der Änderungs- kosten. Deshalb haben Eisenbahnunternehmen und Ge- meinden nur je ein Drittel der Kosten zu tragen. Dies gilt auch, wenn der Bahnübergang nicht beseitigt wird, son- dern die Sicherungsanlagen geändert werden. Diese Ko- stendrittelung wurde vom Bundesverfassungsgericht für rechtmäßig erklärt und ist im EkrG – § 13 Abs. 1 – veran- kert. Alle Finanzhilfen, die darüber hinausgehen, sind al- lerdings nicht mehr mit Art. 104 Abs. 1 des Grundgeset- zes vereinbar. Auch nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsge- setz kann die Gemeinde, wenn sie für eine Baumaßnahme verantwortlich ist, Fördermittel für Kreuzungsmaßnah- men beantragen. 75 Prozent der Kosten sind zuwen- dungsfähig. Auch hier stellt der Bund diese Mittel zur Ver- fügung, wenngleich er über die Verteilung durch die Län- der natürlich keinen Einfluss hat. Es liegt nun an den Ländern, in welchem Maße sie ihre Kommunen unter- stützen; die entsprechenden Finanzierungsmöglichkeiten sind vorhanden. In einzelnen Härtefällen müssen geson- derte Möglichkeiten zur Anwendung kommen. Zu guter Letzt gibt es da noch das Investitionsförde- rungsgesetz Aufbau Ost, wonach den ostdeutschen Bun- desländern seit 1995 zehn Jahre lang jeweils 6,6 Milliar- den DM als Investitionshilfe vom Bund zur Verfügung ge- stellt werden. Diese können selbstverständlich auch für Bahnübergangsbeseitigungen eingesetzt werden. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10355 (C) (D) (A) (B) Sie sehen, dass es keinen Grund gibt, den Bund noch mehr zur Kasse zu bitten. Die von der PDS geforderte Ge- setzesänderung ist zwar für die Kommunen die ideale Lö- sung, die ich auch gerne sehen würde. Aber sie ist weder rechtlich noch finanzpolitisch möglich. Aus diesem Grunde lehnen wir den Antrag der PDS erneut ab. Zur Gewährleistung der Sicherheit im Straßen- und Schienenverkehr bleibt uns nur der Weg, in Abstimmung mit der DB AG und den Ländern für die rasche Umset- zung der notwendigen Baumaßnahmen zu sorgen, ohne dabei die Städte und Gemeinden finanziell in den Ruin zu führen. Norbert Otto (Erfurt) (CDU/CSU):Man könnte mei- nen, es ist schon Sommerpause und die Saure-Gur- ken-Zeit steht vor der Tür. Wie anders ist es sonst zu er- klären, dass die PDS wieder einmal ganz tief in der Mot- tenkiste gewühlt hat und dort auf ein paar alte Kamellen gestoßen ist, die sie nun als frische Neuheiten präsentie- ren will? Tatsächlich ist das Thema Eisenbahnkreu- zungsgesetz bis zu seiner Novellierung 1998 ausgiebig diskutiert und mit einem für alle Seiten hinnehmbaren Kompromiss abgeschlossen worden. Dass die PDS nun hingeht und diesen Kompromiss, dessen Ausführung sich in der Praxis bisher weitgehend bewährt hat, wieder in- frage stellt, ist vollkommen unverständlich und überflüs- sig. An schieren Populismus grenzt es, verehrte Kollegin- nen und Kollegen von der PDS, wenn Sie hier in Ihrem Antrag – kurz zusammengefasst – eine vollkommene Ent- lastung bzw. Ausgliederung der Kommunen in Finanzie- rungsfragen fordern. Sie wissen genauso gut wie wir, dass diese Forderung in der gegenwärtigen Finanzlage absurd ist und in letzter Konsequenz nur zu einer Umvertei- lung der Kosten von den Kommunen auf den Bund und die Bahn bzw. Bahnbetreiber führen würde. Die verein- barte Kostendrittelung bei Eisenbahnkreuzungsmaßnah- men wird von allen Trägern akzeptiert und für die bes- te Lösung gehalten. Wenn man jedoch Ihre Vorschläge zu Ende denken würde, hätten Ihre Forderungen als Konse- quenz, dass in erheblichem Maße Gelder umgelenkt wer- den müssten, die derzeit für den Ausbau der Schienen- strecken und deren Sicherheit aufgewendet werden. Bei der Bahn zum Beispiel würden Ihre Forderungen, sollten sie denn Realität werden, zu erheblichen Einbußen bei der Betriebssicherheit führen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies in Ihrer Absicht liegt, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der PDS. Zudem würde Ihr Antrag eines der maßgeblichen Ziele der Bahnreform, nämlich die Befreiung der Bahn von öf- fentlichen Lasten, umkehren. Mit der Umsetzung ihrer Vorschläge würden der Bahn und den Bahnbetreibern weitere Kosten aufgehalst, von denen sie eigentlich ent- lastet werden sollten. Lassen Sie mich aber noch einmal zurückgehen auf die Entwicklung: Der im Gesetzentwurf enthaltene Vorschlag zur kommunalen Entlastung bei Unterhaltsrückständen an Straßenüberführungen wurde bereits im Jahr 1995 ent- wickelt. Schon damals kam zum Beispiel das Thüringer Justizministerium zu der Auffassung, dass die Anbindung der Finanzierungsprobleme im Zusammenhang mit der Unterhaltungslast von Eisenbahnkreuzungen am engen Geltungsbereich des ursprünglichen Gemeindeprivilegs des § 19 (1) Sätze 3 und 4 EkrG scheitert. Für die alten Bundesländer war mit dem Gemeindeprivileg eine auf- schiebende bedingte Übergangsregelung verbunden. Die Übernahme der Pflichten zur Erhaltung von Straßenüber- führungen über Eisenbahnlinien erfolgte erst nach einer wesentlichen Änderung oder Ergänzung der Anlage. In den alten Ländern blieben somit zahlreiche kommunale Straßenüberführungen in der Verantwortlichkeit und un- ter der Kostendeckung der Deutschen Bundesbahn. Mit dem ENeuOG wurde endgültig die Verteilung der In- standhaltungskosten für Kreuzungsanlagen von dem Prin- zip der Veranlassung auf die wegerechtliche Verantwor- tung übergeleitet. Mit dem Gesetz zur Änderung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes vom 9. September 1998 wurde klargestellt, dass der im Straßenrecht übliche Ge- währleistungsanspruch gilt. Für die neuen Länder wurde hingegen eine andere Regelung getroffen. Da auf dem Gebiet der ehemaligen DDR die Unterhaltung der kommunalen Straßenbrücken bereits 1953 von der Deutschen Reichsbahn auf die kom- munalen Straßenbaulastträger überging, brachte diese Regelung keine finanzielle Entlastung für die Straßen- baulastträger in den neuen Bundesländern. Um für die aufgrund der unterschiedlichen Ausgangssituation ent- standenen finanziellen Probleme der Kommunen eine Kompromisslösung zu finden, wurde eine Arbeitsgruppe vom Vermittlungsausschuss gebildet. Im Ergebnis wur- den in den Artikeln 2 und 3 des Gesetzes zur Änderung des EkrG Änderungen des Investitionsförderungsgesetzes Aufbau Ost (IFG) und des Gemeindeverkehrsfinanzie- rungsgesetzes (GVFG) vorgesehen. Im Zeitraum von 1999 bis 2003 stehen den neuen Bun- desländern für die Grunderneuerung von Straßenbrücken in ihrer Baulast über Schienenwege über die ehemalige Deutsche Reichsbahn insgesamt 250 Millionen DM zur Verfügung. Davon werden 50 Millionen DM aus dem GVFG, 50 Millionen DM aus dem IFG und 150 Millionen DM aus dem Altlastentilgungsfonds gewährleistet. Da dieser Kompromiss zum damaligen Zeitpunkt von den neuen Bundesländern angenommen wurde und be- reits entsprechend verfahren wird, ist eine erneute Geset- zesinitiative, wie sie die PDS nun vorlegt, weder notwen- dig noch sinnvoll. Der Bezug auf die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit (VDE) allgemein erscheint sowohl wegen der fehlenden Unterscheidung nach Neu- und Ausbau als auch wegen der Abgrenzung zu anderen Schienenverkehrsprojekten nicht korrekt. Zum Beispiel wurde in Thüringen die Saale- bahn im Rahmen des Lückenschlussprogramms ausge- baut. Entsprechend dem Gesetzentwurf wäre bei einer solchen Maßnahme keine gesamtvorhabensbezogene Ko- stenzuscheidung vorgesehen. Da dieses Ausbauvorhaben inhaltlich den VDE entspricht, brächte eine Abgrenzung auf die VDE keine kostenmäßige Entlastung für verschie- dene Kommunen analogen Sachverhalts. Die Anpassung an die Eisenbahn-Bau- und Betriebs- ordnung erfolgte im Wesentlichen im Zusammenhang mit Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10356 (C) (D) (A) (B) technischen Veränderungen am betreffenden Bahnüber- gang. Die sukzessive Veränderung des äußeren Erschei- nungsbildes und der technischen Sicherungen erfolgte nach Abschluss einer entsprechenden Kreuzungsverein- barung. Da nach § 3 EkrG sicherheitsrelevante Maßnah- men von allen Beteiligten zu vertreten sind, kann auch die finanzielle Verantwortung der Straßenbaulastträger für die Sicherheit an Eisenbahnkreuzungen nicht aufgehoben werden. Denn dass im Bereich der Eisenbahnkreuzungen eine erhöhte Unfallgefahr auf der Straße und der Schiene besteht, belegen zahlreiche Unfälle. Die Erhöhung der Si- cherheit im Gefahrenbereich liegt daher im Interesse aller Beteiligten. Auch aus diesem Grund werden wir den vorliegenden Antrag nicht unterstützen, weil es durch die mit dem An- trag verbundenen höheren Belastungen des Bundeshaus- haltes zu weiteren Einschränkungen in der Mittelbereit- stellung für Schienenverkehrsprojekte und letztlich auch zu einer Einschränkung der Sicherheit im Bahnbetrieb kommen würde. Albert Schmidt (Hitzhofen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist verdienstvoll, dass sich die PDS mit ihrem Antrag zum Anwalt der ostdeutschen Kommunen macht und auf Unterschiede hinweist: beispielsweise da- rauf, dass die ostdeutschen Kommunen nie die finanzielle Eigenständigkeit wie in Westdeutschland hatten. Das Ar- gument, dass sie deshalb ihrer Rolle als kommunaler Straßenbaulastträger nur eingeschränkt gerecht werden konnten, ist durchaus richtig und der heutige Hinweis des Bundesverkehrsministeriums auf das Grundgesetz, auf Art. 104 a Abs. 1 und 4, mag daher in der Tat etwas for- mal wirken. Richtig ist aber auch, dass sich die Kommu- nen in Ostdeutschland jetzt ihrer Verantwortung bewusst werden und entsprechend handeln müssen. Das Problem reduziert sich damit zu einem Problem der richtigen Fi- nanzmittelverteilung und -zuweisung. Immerhin ist der Bund in dieser Hinsicht durchaus auf die ostdeutschen Verhältnisse eingegangen: Zum Ersten hat der Bund im September 1998 das Eisenbahnkreu- zungsgesetz und andere Gesetze auf der Grundlage des Deutschen Bahn Gründungsgesetzes, des Gemeindever- kehrsfinanzierungsgesetzes und des Investitionsförde- rungsgesetzes Ost so verändert, dass von 1999 bis 2003 jährlich 50 Millionen DM, insgesamt 250 Millionen DM, für die Grunderneuerung der Straßenbrücken über Schie- nenstrecken zur Verfügung stehen. Dies ist ein erheblicher Schritt, der bereits einen Großteil der Brisanz des Pro- blems entschärft. Zum Zweiten sind auch die ostdeutschen Länder ge- fordert, ihren eigenen Kommunen beizustehen, zumal sie dafür zehn Jahre lang seit 1995 jeweils 6,6Milliarden DM als Finanzhilfen des Bundes im investiven Bereich erhal- ten, die auch zur Finanzierung von Bahnübergangsbesei- tigungen eingesetzt werden können. Die Entscheidung über die Verteilung dieser Finanzmittel liegt in der allei- nigen Kompetenz der Länder! Vergleicht man die Gesamtsumme von immerhin 66 Milliarden DM über 10 Jahre mit dem Finanzbedarf für Eisenbahnkreuzungen, den die PDS selbst auf rund 0,5Milliarden DM ansetzt, so wird die relative Problemdimension sehr deutlich: Natür- lich müssen aus dem Gesamttopf von 66 Milliarden DM sehr viele nachzuholende Investitionen getätigt werden; aber in diesem großen Rahmen stellen die neuen Bahnü- bergänge kein übergroßes Finanzproblem dar. Sie sind an- dererseits ein ganz wesentlicher Beitrag zur Modernisie- rung der Infrastruktur. Machen wir uns nichts vor: Sicherlich gibt es noch für viele Jahre Probleme bei der Infrastrukturanpassung zwi- schen Ost und West. Ständig bei Detailproblemen nach fi- nanzieller Unterstützung zu rufen bringt uns in der Sache aber nicht weiter. Sehen wir doch lieber das Positive, näm- lich dass der Bund den Ländern Brandenburg, Mecklen- burg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thürin- gen in erheblichem Umfang Finanzmittel zum Ausgleich früherer Benachteiligungen überwiesen und gleichzeitig die Möglichkeit eingeräumt hat, darüber eigenständig zu ent- scheiden. Vor diesem Hintergrund sollten die Finanzprobleme ostdeutscher Kommunen nicht gleich zum Ruf nach zu- sätzlichen Sondermitteln des Bundes führen, sondern eine sinnvolle Verteilung der bei den Ländern bereits ankom- menden Bundesmittel herausfordern. Horst Friedrich (Bayreuth) (F.D.P.): Mit dem von der PDS im Mai diesen Jahres eingebrachten Gesetzentwurf wird eine Gesetzgebungsmaschinerie wieder in Gang ge- setzt, die bereits in der 13. Wahlperiode nach langen Dis- kussionen mit der am 9. September 1998 nach einem Ver- mittlungsausschussverfahren abgeschlossenen Gesetzge- bung ausreichend geregelt worden ist. 1995 und auch 1997 hatte die PDS mit ihren Gesetzes- anträgen versucht, die nach der Bahnreform vorgenom- menen grundsätzlichen Änderungen der Baulastträger- schaft für Eisenbahnkreuzungsmaßnahmen zu revidieren. Wie bekannt, hat im Rahmen der Eisenbahnneuordnung eine seit 30 Jahren bestehendeAusnahmeregelung im Be- reich der Deutschen Bundesbahn ein Ende gefunden, nach der bisher die Bahn als Sonderregelung auch für Straßenüberführungen über Schienen als Baulastträger eingetreten ist. Im Sinne des Grundgesetzes Art. 104 a Abs. 1 ist festgelegt, dass Bund und Länder und auf deren Seite auch die Gemeinden die Ausgaben zu tragen haben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Ausgaben ergeben. Dies gilt sowohl für Brückenbauwerke als auch für Kreu- zungsbauwerke an Schienenstrecken. Im Zusammenhang mit den Eisenbahnbrücken, die von der Bahn an die Kommunen zurückgegeben wurden, ergaben sich langanhaltende Streitfälle, insbesondere über den baulichen Zustand. Der Bundesrat hatte darüber hinaus gefordert, daß eine uneingeschränkte Nutzungs- fähigkeit von 10 weiteren Jahren nach Übergang des Bauwerkes genehmigt werden sollte. Dieser strittige Punkt ist im Gesetzgebungsverfahren durch die Anfü- gung des dritten Absatzes im § 19 des Eisenbahnkreu- zungsgesetzes abschließend und einvernehmlich geregelt worden. Eine über diesen Tatbestand hinausgehende wei- tere Regelung ist aus Sicht der F.D.P. in Abwägung des Regelwerkes und der gegenseitigen Kostenteilung nicht notwendig. Dies ist mittlerweile so von den Ländern als Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10357 (C) (D) (A) (B) auch von den Kommunen in der Bundesrepublik akzep- tiert. Die PDS versucht mit ihrem Antrag jetzt unter Verweis auf eine angeblich rechtlich strittige DDR-Verwaltungs- anordnung ein weiteres Sonderrecht für die Kommunen der neuen Bundesländer zu erreichen. Es ist unstrittig, auch für die F.D.P., dass die Finanzierungssituation der ostdeutschen Kommunen nicht einfach ist. Durch die Las- tenteilung des Aufbaus Ost ist allerdings auch in den Kommunen der alten Bundesländer ein gewisser Finan- zierungsengpass eingetreten. Unabhängig davon ist im bereits erwähnten Vermittlungsverfahren eine Zahlung von 250 Millionen DM an die Kommunen der neuen Bun- desländer für die Sanierung von Straßenbrücken über Schienenwege vereinbart worden. In der Neufassung des Eisenbahnkreuzungsgesetzes ist darüber hinaus im § 11 festgehalten, dass bei Neubaustrecken der Deutschen Bahn AG die Kommunen aus der Kostenpflicht befreit sind. Hier hat die Deutsche Bahn AG die Kosten alleine zu tragen. Bei vorhandenen Kreuzungen, auch im Zuge von Aus- baustrecken, haben alle Beteiligten, also auch die Ge- meinden, soweit in ihrer Baulast stehende Verkehrswege betroffen sind, die aufgrund des kreuzungsrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses zu gleichen Teilen notwendi- gen Kosten zu tragen. Der Bund beteiligt sich hierbei gemäß § 13 Abs. 1 Eisenbahnkreuzungsgesetz mit einem Drittel an den Änderungskosten unter dem Gesichtspunkt, die zur Sicherheit an Kreuzungen dringlichen Maßnah- men nicht an der Finanzschwäche eines der Baulastträger scheitern zu lassen. Diese Kostendrittelung wurde 1969 vom Bundesverfassungsgericht für rechtens erachtet. Eine darüber hinaus gehende unmittelbare Finanzierung durch den Bund – wie von der PDS gefordert – insbeson- dere die vollständige Übernahme der auf die Kommunen entfallenden Kosten würde sich nicht mit Art. 104 a Abs. 1 im Grundgesetz in Einklang bringen lassen. Die Unterhaltung von Gemeindestraßen ist und bleibt eine kommunale Selbstverwaltungsaufgabe, die der Bund nicht übernehmen oder unmittelbar finanzieren darf. Neben den im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzie- rungsgesetzes geleisteten Investitionshilfen des Bundes, die über die Länder an die Kommunen weiter zu geben sind und die insbesondere im Zeitraum von 1992 bis 1994 eine Sonderförderung in den neuen Ländern vorsahen, er- halten die neuen Bundesländer darüber hinaus seit 1995 nach dem Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost zehn Jahre lang jeweils 6,6 Milliarden DM als Finanzhilfen des Bundes im investiven Bereich, wobei damit ebenfalls im Verkehrssektor Bahnübergangsbeseitigungen finanziert werden können. Für die tatsächliche Verwendung dieser Mittel sind nach unseren Gesetzesregeln die Länder zu- ständig. Die Liberalen haben Verständnis für die Forderungen finanzschwacher ostdeutscher Kommunen. Das darf allerdings nicht dazu führen, dass es nach einer Rechts- angleichung zum Stand 1. Januar 1994, die auch im Einklang mit dem Einigungsvertrag ist, ein neues „Son- derrecht“ für die Kommunen der neuen Bundesländer ge- ben darf. Wir werden diese Gesichtspunkte sicherlich in der entsprechend sachlichen Art im Verkehrsausschuss thematisieren Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden Zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Rechts an Grundstücken in den neuen Ländern (Grundstücksrechtsänderungs- gesetz) (Tagesordnungspunkt 25) Hans-Joachim Hacker (SPD): Mit dem vorgelegten Koalitionsgesetzentwurf greifen wir erneut den Problem- bereich der Vermögens- und Immobilienfragen der neuen Länder auf. Man könnte meinen, im zehnten Jahr nach der deutschen Einheit wäre auf diesem Gebiet alles geregelt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die Bundesregierung unter Gerhard Schröder und die sie tragenden Fraktionen verfolgen das Ziel, auf dem Ge- biet des Vermögens- und Immobilienrechts der neuen Länder endgültig Klarheit zu schaffen und zwar gründlich und konsequent. An dieser Stelle könnte ich die Debatte um die von der damaligen Bundesregierung verfochtene Politik nach dem Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“ eröffnen. Dies brächte heute wenig, vor allem nichts für die betrof- fenen Bürgerinnen und Bürger und die kommunalen Ge- bietskörperschaften. Wir greifen die Probleme, die sich im Vollzug der Gesetzesanwendung ergeben haben, auf und führen sie einer Lösung zu, wobei wir die entspre- chenden Auflagen des Bundesverfassungsgerichts erfül- len. Ich möchte jetzt auf die einzelnen Punkte des vorge- legten Gesetzentwurfs eingehen: Erstens. Auf dem Gebiet der offenen Vermögensfragen soll durch eine Ergänzung des § 2 des Vermögensgesetzes die Voraussetzung dafür geschaffen werden, dass den Nachfolgeorganisationen der von den Nazis zerschla- genen Gewerkschaften in Verfahren nach dem Investiti- onsvorranggesetz die Rechte eines Beteiligten eingeräumt werden. Gleichzeitig soll eine Möglichkeit eröffnet wer- den, dass sie die Anteile von Beteiligungsunternehmen zusammenfassen können, um den Anspruch auf Einräu- mung von Bruchteilseigentum realisieren zu können. In einem weiteren Regelungsbereich schaffen wir Rechts- klarheit hinsichtlich des Termins, bis zu dem in Fällen rus- sischer Rehabilitierungen Anträge nach dem Vermögens- gesetz gestellt werden können. Zweitens. Durch die beabsichtigten Regelungen zur Ergänzung des Einführungsgesetzes zum BGB beseitigen wir Unklarheiten, ob die von volkseigenen Kreditinstitu- ten verwalteten Grundpfandrechte auf diejenigen Kredit- institute übergegangen sind, die nach der Privatisierung deren Geschäfte fortgeführt haben. Im Weiteren wird das EGBGB durch eine Regelung er- gänzt, wonach vom Zeitpunkt 22. Juli 1992 bis zum 31. Dezember 1994 Ansprüche des Grundstückseigentü- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10358 (C) (D) (A) (B) mers gegen den Besitzer auf Zahlung eines Nutzungsent- geltes realisiert werden können. Diese im Gesetzentwurf im Art. 233 § 2 a Abs. 8 EGBGB verankerte Regelung setzt die entsprechende Forderung des Bundesverfas- sungsgerichts in seinem Beschluss vom 8. April 1998 um. In einem weiteren Punkt – es handelt sich um Art. 233 § 2 b Abs. 1 EGBGB – wird Klarheit geschaffen, inwie- weit Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften selbstständiges Eigentum an Gebäuden auf von ihnen ge- nutzten Grundstücken erwerben konnten. Diese klarstel- lende Regelung hat erhebliche Bedeutung für die Nach- folgeeinrichtungen der LPG und die Eigentümer der be- troffenen Grundstücke. Drittens. Sie wissen, dass im Hinblick auf die Um- strukturierung der Bundesanstalt für vereinigungsbe- dingte Sonderaufgaben die Zuständigkeiten für die Ertei- lung von Grundstücksverkehrsgenehmigungen angepasst werden müssen. Dieser Regelungsvorschlag ist rein tech- nischer Natur, ebenso wie die Übertragung der sich aus dem Parteiengesetz der DDR ergebenen Zuständigkeiten. Im Interesse der bereits eingangs beschriebenen Ziel- stellung, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit im Bereich des Vermögens- und Immobilienrechts zu schaffen, bitte ich Sie um Unterstützung des Gesetzentwurfs. Andrea Voßhoff (CDU/CSU): Vor den Erfolg hat der Herrgott bekanntermaßen den Schweiß gesetzt und vor hoffentlich erholsame Pfingsttage die Mehrheit dieses Hauses zum Schluss der heutigen Tagesordnung noch den vorliegenden Gesetzentwurf. Uns liegt ein Maßnahmenpaket vor, das – so die Re- gierungsfraktionen – der Ergänzung, Klarstellung und Verwaltungsvereinfachung verschiedener spezifischer Regelungen des Immobilienrechts in den neuen Ländern dienen soll. Dabei geht es konkret zum einen um die Erfüllung eines Gesetzgebungsauftrages, den das Bundesverfas- sungsgericht mit seinem Beschluss vom 8. April 1998 die- sem Hohen Hause aufgegeben hat. Zum anderen haben SPD und Bündnis 90/Die Grünen die Umsetzung vorgenannten Auftrags mit einem Maß- nahmenpaket unter anderem in den Bereichen der offenen Vermögensfragen, dem Übergangsrecht im EGBGB so- wie in Fragen der Zuständigkeitsregelungen im Hinblick auf die Umstrukturierung der BvS verbunden. Wie immer werden wir von der CDU/CSU-Fraktion konstruktiv an Maßnahmen, die der Rechtsklarheit und der Anwendungsvereinfachung des Immobilienrechts Ost dienen, mitwirken und das gilt auch für den vorliegenden Entwurf. Dann aber muss der Gesetzentwurf auch diesen Vorgaben entsprechen. Worum geht es? Zum einen hat das Bundesverfas- sungsgericht in dem bereits genannten Beschluss festge- stellt, dass die Regelung in Art. 233 § 2 a EGBGB, wo- nach Ansprüche des Grundstückseigentümers gegen den Besitzer auf Zahlung eines Nutzungsentgelts in der Zeit vom 22. Juli 1992 bis 31.Dezember1994 nicht vorgesehen sind, mit Artikel 14 des Grundgesetzes unvereinbar ist. Das Gericht hat dem Gesetzgeber aufgegeben, die verfas- sungswidrige Regelung bis zum 30. Juni dieses Jahres durch eine verfassungskonforme Regelung zu ersetzen. In Erfüllung dieses Auftrages soll im vorliegenden Ent- wurf nunmehr für den genannten Zeitraum ein Entgeltan- spruch in Höhe des in § 51 Sachenrechtsbereinigungsge- setz vorgesehenen abgesenkten Erbbauzinses eingeführt werden. Dies erscheint auf den ersten Blick konsequent und hinsichtlich der Höhe auch konform mit der Intention der Zinsregelung in § 51 des Sachenrechtsbereinigungsgeset- zes. Die dort geregelte Eingangsphase sollte ja – so auch die Entwurfsbegründung – angesichts der damaligen ge- ringen Leistungsfähigkeit von Wirtschaft und Privathaus- halten einen allmählichen Übergang auf die gesetzlich vorgesehene Verzinsung herstellen. Grundsätzlich können wir dem auch zustimmen. Gleichwohl melden wir Zweifel an der auf den ersten Blick konsequenten Umsetzung des künftigen Entgeltan- spruches hinsichtlich der Höhe an. Hier erscheint uns klärungsbedürftig, inwieweit die Neuregelung nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtsho- fes steht. Dieser hatte bereits mit Urteil vom 18. Februar 2000 entschieden, dass die Verweisung der bisherigen Regelung in Art. 233 § 2 a EGBGB nicht die in § 51 Sa- chenrechtsbereinigungsgesetz vorgesehene Möglichkeit zur Herabsetzung des Erbbauzinses in den ersten Jahren einschließt. Der BGH führt dazu sinngemäß aus, dass im Falle einer Herabsetzung des Erbbauzinses gemäß § 51 Sachen- rechtsbereinigungsgesetz die vom Bundesverfassungsge- richt gerügte Vorenthaltung eines gesetzlichen Anspruches des Grundstückseigentümers auf Nutzungsentschädigung weitergehe, und hat im zu entscheidenden Fall die Höhe des Nutzungsentgelts ausschließlich an § 43 Sachen- rechtsbereinigungsgesetz orientiert. Ich konzediere, dass der Bundesgerichtshof einen Fall zu entscheiden hatte, in dem es sich um die Geltendma- chung von Ansprüchen im Zusammenhang mit einem Bo- densonderungsverfahren handelte, gleichwohl bedarf es der Klärung, inwieweit der Urteilsinhalt auch hier Berücksichtigung finden muss. Zudem stellt sich die Frage, inwieweit die Entgeltrege- lung auch in bereits abgeschlossene Sachverhalte der Sa- chenrechtsbereinigung eingreift und ob die Neuregelung zu Rechtsunsicherheiten in diesen Fällen führt. Auch hinsichtlich der weiteren Maßnahmen in diesem Gesetzentwurf, die der Klarstellung in einigen vermö- gensrechtlichen Fragen und der Verwaltungsvereinfa- chung dienen sollen, besteht unsererseits noch Gesprächs- und Klärungsbedarf. Ich benenne nur einige: Die Begründung zum Beispiel, nach der für die ge- werkschaftlichen Nachfolgeorganisationen im Rahmen der Regelungen des § 2 Vermögensgesetz die gleichen verfahrensrechtlichen Erleichterungen gelten sollen wie für die Conference an Jewish Material Claims, ist unzu- reichend. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10359 (C) (D) (A) (B) Auch die für diese Fälle dann geplante Suspendie- rung der bestehenden Beurkundungsbedürftigkeit der An- spruchsübertragung bedarf im Lichte des § 313 BGB der Prüfung, die ja in der inhaltlichen Auseinandersetzung im Rechtsausschuss sicher erfolgen wird. Klärungsbedarf besteht unsererseits auch hinsichtlich der faktischen Auswirkungen der geplanten Änderungen, so in der Frage der Zusammenfassung von Anteilen an Beteiligungsunternehmen im Rahmen des § 3 Vermö- gensgesetz einschließlich der in der Neufassung des § 3 Abs. l Satz 4 enthaltenen Ausschlussregelung. Auch die künftige Zuständigkeit der treuhänderischen Verwaltung der Vermögen der Parteien und Massenorga- nisationen in der ehemaligen DDR bedarf der ergänzen- den Klärung. Nicht nur die von mir aufgeworfenen Fragen, sondern auch – nach unserer Auffassung – im vorliegenden Ent- wurf bestehende rechtstechnische Detailmängel, die ich hier nicht aufzählen will, machen deutlich, dass wir von der CDU/CSU-Fraktion zur abschließenden Bewertung des Gesetzentwurfes noch Beratungsbedarf haben. Zur Vermeidung von Missverständnissen: Wir werden unsere Mitarbeit an einer zügigen Umsetzung insbeson- dere des vom Bundesverfassungsgericht erteilten Gesetz- gebungsauftrages, der bis zum Monatsende erfüllt sein soll, nicht verweigern. Aber unser Misstrauen gegen Ihre gesetzgeberischen Schnellschüsse ist ja – wie wir oft ge- nug erlebt haben – begründet. In den anstehenden Bera- tungen haben Sie Gelegenheit, diese auszuräumen. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/Die GRÜ- NEN):Auch zehn Jahre nach der Einheit hält die Frage der Vermögensregelung in den neuen Ländern den Gesetzge- ber in Trab. Ich habe es mittlerweile aufgegeben, zu zählen, wie oft in den vergangenen Jahren das Vermö- gensrecht der Regierung Kohl nachgebessert werden musste. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Sowohl bei der Regelung über die Bereitstellung von Er- satzgrundstücken als auch bei den Datschen geht die Dis- kussion weiter. Bei dem vorliegenden Grundstücksrechtsänderungs- gesetz kann es nicht darum gehen, grundlegend neue Wei- chen zu stellen. Auf der Basis der bestehenden Gesetze müssen wir aber eine Reihe von Punkten ändern, die sich in der Praxis als hinderlich erwiesen haben. Zunächst geht es wieder einmal darum, eine Verfas- sungswidrigkeit zu bereinigen, die von der alten Bundes- regierung zu verantworten ist. Das Bundesverfassungsge- richt hatte in seinem Beschluss vom 8. April 1998 be- kanntlich das Fehlen eines Nutzungsentgelts für die Zeit des sachenrechtlichen Moratoriums von 1992 bis 1994 gerügt: Da hier die gesetzliche Umsetzung dieses Be- schlusses bis zum Sommer befristet ist, muss jetzt gehan- delt werden. Es wird von daher dem Eigentümer ein An- spruch auf Zahlung des Nutzungsentgelts für den entspre- chenden Zeitraum eingeräumt. Diese Regelung wird bei den Nutzern der Grundstücke gewiss wenig Begeisterung auslösen. Die Entscheidung des höchsten deutschen Ge- richts lässt aber keine andere Lösung des Problems zu. Die Höhe des Entgelts richtet sich nach dem Sachen- rechtsänderungsgesetz. Sie ist für den Nutzer durchaus tragbar. Bei den weiteren Neuregelungen handelt es sich vielfach um rechtstechnische Vereinfachungen. Einige Punkte möchte ich aber herausgreifen. Sie gehen über die reine Verwaltungsvereinfachung hinaus. Es ist zum einen die Möglichkeit der Übertragung von Rechtsan- sprüchen auf die Jewish Material Claims against Ger- many GmbH und der gewerkschaftlichen BGAG Immo- bilien Ost GmbH. Die Erleichterung der Arbeit für die Jewish Claims Conference war ja schon im Registerver- fahrensbeschleunigungsgesetz geregelt worden. Es ist sachgerecht, nun auch die BGAG Immobilien Ost ebenso zu behandeln. Froh bin ich darüber; dass wir in diesem Zusammen- hang ein nicht unerhebliches Problem bei der Vermö- gensrestitution politisch Verfolgter besser in den Griff be- kommen. Die Regelung der bisherigen Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung hat zu Ungerechtigkeiten geführt. Gerade im Fall der Rehabilitierung durch russische Stellen ist die- ser Zeitpunkt schwer oder gar nicht feststellbar. Es soll deshalb auf den Zugang beim Antragsteller abgestellt werden. Die bisherige Benachteiligung gegenüber ande- ren Betroffenen wird damit abgebaut. Ich hoffe, dass wir die Ausschussberatungen zügig über die Bühne bringen, damit die Neuregelungen in Kraft treten können. Gerade in den von mir aufgezählten Berei- chen sollten wir die Betroffenen nicht zu lange auf die Än- derungen warten lassen. Rainer Funke (F.D.P.): Der vorliegende Entwurf ei- nes Gesetzes zur Änderung des Rechts an Grundstücken in den neuen Ländern ist ein Artikelgesetz mit unter- schiedlichsten rechtlichen Regelungen. Einige Regelun- gen sind von Bedeutung, einige Vorschläge dienen ledig- lich der Klarstellung oder der Reparatur aufgrund der zwi- schenzeitlich erfolgten Rechtsprechung. Dies ist alles normal und nicht zu kritisieren. Kritisch ist zu beurteilen, dass diese Gesetzesvor- schläge – zum Teil kompliziertester Art – als Anträge der Koalitionsfraktionen formuliert worden sind. Man fragt sich automatisch, warum dieser verkürzte Weg beschrit- ten wird und nicht eine abgestimmte Regierungsvorlage dem Bundesrat und anschließend dem Bundestag in ers- ter Lesung vorgelegt wird. Normalerweise geschieht dies nur dann, wenn große Eilbedürftigkeit gegeben ist. Diese liegt erkennbar nicht vor. Oder liegt es gar an der kompli- zierten Materie, bei der gegebenenfalls unterschiedliche Positionen des Bundesrates erst später erkennbar gemacht werden sollen? Oder soll damit verwischt werden, dass doch ein zeitlicher Handlungsbedarf für einzelne Bestim- mungen besteht, weil das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aufgegeben hat, die verfassungswidrigen Regelungen des Sachenrechtsänderungsgesetzes bis zum 30. Juli 2000 durch eine verfassungskonforme Regelung zu ersetzen? Dann hätte man die Novellierung auf das Sachenrechtsänderungsgesetz beschränken können und hätte dies in angemessener Zeit vor Ablauf der gesetzten Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10360 (C) (D) (A) (B) Frist erledigen können. Hinsichtlich dieses merkwürdigen Verhaltens wird es sicherlich noch Aufklärung geben. Die Änderungen des Vermögensgesetzes, soweit die Gewerkschaften besonders begünstigt werden, machen mich misstrauisch. Warum diese Begünstigung der Ge- werkschaften und keine adäquate Lösung für andere Un- ternehmen? Bei der Änderung hinsichtlich des Übergangs volkseigener Forderungen, Grundpfandrechte und Ver- bindlichkeiten auf Kreditinstitute ist die Begründung für diese Regelung nicht sehr erhellend. Sie zeigt die wirt- schaftlichen – sprich: finanziellen – Risiken der Regelung für die Betroffenen – also einschließlich der Kunden der Kreditinstitute – nicht auf. Es ist daher abschließend festzustellen, dass dieser Gesetzentwurf noch gründlich beraten werden muss. Die F.D.P.-Fraktion wird sich dem nicht verschließen und ge- rade im Interesse der neuen Länder dafür sorgen, dass vernünftige Regelungen getroffen werden. Wir erwarten dann aber auch, dass die Bundesregierung in den dazu notwendigen Berichterstattergesprächen offen und ehr- lich die zweifellos vorhandenen Probleme und finanziel- len Risiken offen legt; denn sonst haben solche Be- richterstattergespräche keinen Sinn. Dr. Evelyn Kenzler (PDS): Ich halte – offen gesagt – den Entwurf der Koalitionsfraktionen für eine Enttäu- schung. Anstatt einen durchdachten Entwurf eines Geset- zes vorzulegen, der die aus der DDR überkommenen Grundstückrechtsfragen endgültig und vernünftig regelt, wird – wie schon so oft – ein Sammelsurium von De- tailänderungen von Änderungsgesetzen vorgeschlagen, die das Paragraphengestrüpp immer undurchdringlicher machen. Das Recht der so genannten offenen Vermögens- fragen ist auf einen Umfang angewachsen, der dem des BGB nicht viel nachsteht, mit dem Unterschied, dass sich dieses Recht auf etwa 50 Einzelgesetze verteilt, die auf- einander und auf das BGB verweisen. Die Undurch- schaubarkeit mag Rechtsanwälten auf unabsehbare Zeit Arbeit und Honorare verschaffen. Von den Beteiligten wird sie als Rechtsunsicherheit empfunden. Ich weiß natürlich, dass der Regierung der vom Bun- desverfassungsgericht verordnete Termin des 30. Juni 2000 im Nacken sitzt. Der Gesetzgeber wurde durch den Beschluss des Gerichts vom 8. April 1998 verpflichtet, spätestens bis dahin eine Regelung für die Nachzahlung von Nutzungsentgelten an die Grundstückseigentümer zustande zu bringen. Mehr als zwei Jahre hat das Justiz- ministerium gebraucht, um diese Schularbeit zu machen! Überhaupt tendiert die Bilanz der Regierung kurz vor Ablauf der Hälfte ihrer Amtszeit in puncto Regelung of- fener Grundstückrechtsfragen gegen Null. Nach dem mit einjähriger Verspätung vorgelegten Bericht über die Nut- zungsentgeltverordnung zu urteilen wird sich daran nichts ändern. Die Erwartungen der oft in ihrer Existenz be- drohten Eigentümer und Nutzer von Wohn- und Erho- lungsgrundstücken in Ostdeutschland wurden bitter ent- täuscht. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem genannten Beschluss die Regelungen im EGBGB über den vorläufi- gen Besitzschutz von Gebäudeeigentümern, die nicht zu- gleich Bodeneigentümer sind, für verfassungskonform er- klärt. Insoweit schafft der Beschluss ein Stück Rechtssi- cherheit. Zugleich hält es das Gericht für verfassungswidrig, dass Nutzer fremder Grundstücke, also Eigentümer von Gebäuden auf einem Boden, der nicht ihr Eigentum ist, im Zeitraum vom 22. Juli 1992 bis zum 31. Dezember 1994 kein Nutzungsentgelt entrichten mussten. Bekanntlich konnten sie zu DDR-Zeiten den Boden unentgeltlich nut- zen. Ich halte die Entscheidung des Bundesverfassungs- gerichts für wirklich problematisch. Unter dem Gesichts- punkt des Vertrauens- und Bestandsschutzes, der ja auf jeden Fall bis zum 22. Juli 1992, dem Tag des In- Kraft-Tretens des Zweiten Vermögensrechtsänderungsge- setzes, galt, wäre auch eine andere Entscheidung denkbar gewesen. Die Konsequenz des Beschlusses sind enorme Nach- zahlungsverpflichtungen der Bodennutzer. Die Koaliti- onsfraktionen haben zwar eine Variante gewählt, die das nachzuzahlende Nutzungsentgelt auf den ermäßigten Erb- bauzins nach § 51 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes begrenzt. Es bleibt aber dabei, dass hier ein weiterer Akt finanzieller Strangulierung von ostdeutschen Nut- zern fremden Bodens, von landwirtschaftlichen Genos- senschaften, Wohnungsgenossenschaften und privaten Gebäudeeigentümern vorgesehen ist, der von vielen Be- troffenen nicht mehr verkraftbar ist. Dem werden wir uns widersetzen. Dr. Eckhard Pick, Parl. Staatssekretär bei der Bun- desministerin der Justiz: Im zehnten Jahr nach der Wiedervereinigung sind viele Eigentumsfragen in den neuen Ländern geklärt. Obwohl dabei manche Regelung sicherlich mit Härten für die Betroffenen verbunden war, bleibt zu hoffen, dass die Klärung der Eigentumsverhält- nisse letztlich dazu beitragen wird, dass der Übergang des sozialistischen Bodenrechts in das Eigentumsrecht des Grundgesetzes die Deutschen einigt und nicht dauerhaft trennt. Der vorliegende Gesetzentwurf will und kann nicht die getroffenen Grundentscheidungen revidieren; er will Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten innerhalb des geltenden Systems beseitigen, Lücken füllen und Ver- fahren beschleunigen. Erstens. An erster Stelle ist dabei die notwendige Um- setzung des vom Bundesverfassungsgericht erteilten Ge- setzgebungsauftrags zu nennen, der den engen zeitlichen Rahmen für das vorliegende Vorhaben vorgibt. Das Bun- desverfassungsgericht hatte den im sachenrechtlichen Be- sitzmoratorium – Art. 233 § 2 a EGBGB – bisher enthal- tenen Ausschluss des Grundstückseigentümers von An- sprüchen auf ein Nutzungsentgelt für die Zeit vom 22. Juli 1992 bis zum 31. Dezember 1994 für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 30. Juni 2000 Abhilfe zu schaffen. Nach dem im Entwurf enthaltenen Vorschlag soll dem Grundstückseigentümer im benannten Zeitraum ein Nutzungsentgeltanspruch in der Höhe des nach dem Sachenrechtsbereinigungsge- setz in der Eingangsphase zu zahlenden Erbbauzinses Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10361 (C) (D) (A) (B) zustehen. Dieser Vorschlag vermeidet Brüche in der Höhe des Entgelts im Verhältnis zu dem nach Einleitung der Sa- chenrechtsbereinigung forderbaren Entgelt, denn dessen Höhe bemisst sich anfangs ebenfalls nach den genannten Kriterien. Die vorgeschlagene zeitliche Erstreckung um drei Monate über den vom Bundesverfassungsgericht ge- nannten Zeitraum hinaus stellt sicher, dass der gesetzliche Entgeltanspruch so lange besteht, bis der Grundstücks- eigentümer das Entstehen eines entsprechenden An- spruchs durch aktives Mitwirken an der Sachenrechtsbe- reinigung selbst in der Hand hat. Der Rechtssicherheit dient die Festlegung, dass der nunmehr eingeräumte neue Entgeltanspruch innerhalb von zwei Jahren nach dem In- Kraft-Treten des Gesetzes verjähren soll. Der Entwurf enthält außerdem einen Regelungsvor- schlag zur Frage des Übergangs ehemals volkseigener Forderungen und Grundpfandrechte auf die entsprechen- den Kreditinstitute. Bedeutung erlangt diese Klarstellung vor allem, weil den Kreditinstituten die Sicherheit gege- ben werden muss, dass die in Bezug auf diese Forderun- gen zwischenzeitlich vorgenommenen Kündigungen oder Zinsanpassungen wirksam sind; ferner erleichtert er das Grundbuchverfahren. Schließlich sollen mit dem vorliegenden Entwurf Un- klarheiten beseitigt werden, die in der Rechtspraxis zur Entstehung von rechtlich selbstständigem Gebäudeeigen- tum von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaf- ten aufgetreten sind. Zugegebenermaßen gibt die sprach- liche Fassung der zu ändernden Vorschrift –Art. 233 § 2 b Abs. 1 b EGBGB – den Rechtsanwendern bei bestimmten Sachverhalten Rätsel auf. Es bedarf deshalb der Klarstel- lung, dass die genannte Vorschrift im Verhältnis zum DDR-Recht keine zusätzlichen Tatbestände der Entste- hung von selbständigem LPG-Gebäudeeigentum schaffen sollte, sondern diese Eigentumsrechte nur unter den im ehemaligen DDR-LPG-Recht bestimmten Voraussetzun- gen entstanden sind. Zweitens. Ungerechtigkeiten beseitigen sollen die vor- gesehenen Änderungen des Vermögensgesetzes. Die Nach- folgeorganisationen der Gewerkschaften, die aufgrund nationalsozialistischer Verfolgung aufgelöst wurden und die damals ihr gesamtes Vermögen verloren, haben ihre vermögensrechtlichen Ansprüche vielfach an die BGAG Immobilien Ost abgetreten. Obwohl diese wiederum eine gewerkschaftseigene Gesellschaft ist, wird sie wegen der Abtretung nicht an Verfahren nach dem Investitionsvor- ranggesetz beteiligt, und dies, obwohl sie ihre Ansprüche auf Rückübertragung in diesen Verfahren verlieren kann. Der Gesetzentwurf sieht vor, diese Ungereimtheit zu be- seitigen; die BGAG Immobilien Ost wird zukünftig an Investitionsvorrangverfahren beteiligt werden. Auch eine weitere Änderung wird eine Ungerechtig- keit beseitigen, die sich gerade bei den Gewerkschaften auswirkt. Wurde ein Mutterunternehmen aufgrund natio- nalsozialistischer Verfolgung enteignet, so hat der An- teilseigner nur dann Anspruch auf Einräumung von Bruchteilseigentum an einem Vermögenswert des Toch- terunternehmens, wenn dem Mutterunternehmen über 20 Prozent des Tochterunternehmens gehörten. Damit soll eine zu große Zersplitterung der Eigentumsverhältnisse verhindert werden. Vielfach war es so, dass verschiedene Gewerkschaften Anteile an einem Tochterunternehmen besaßen, die zwar nicht jeder für sich, aber alle zusammen einen Anteil von über 20 Prozent ausmachten. Die da- raus resultierenden vermögensrechtlichen Ansprüche sind heute alle in der Hand der BGAG Immobilien Ost. Und obwohl folglich eine Zersplitterung der Eigentumsver- hältnisse ausgeschlossen ist, wird der BGAG Immobilien Ost kein Bruchteilseigentum eingeräumt. Diese Unge- rechtigkeit soll mit dem Grundstücksrechtsänderungsge- setz beseitigt werden, indem Anteile, die sich heute in ei- ner Hand befinden, addiert werden. Dies gilt natürlich nicht nur für die Gewerkschaften, sondern für alle Rechts- nachfolger. Drittens. Die weiteren in dem Gesetzentwurf vorgese- henen Änderungen sind verfahrensrechtlicher Natur. So sind aufgrund der Umstrukturierung der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben neue Zustän- digkeitsregelungen erforderlich. Außerdem soll das bis- lang sehr kostenintensive Aufgebotsverfahren vereinfacht werden, das erforderlich wird, wenn die Eigentümer früher staatlich verwalteter Grundstücke nicht bekannt sind. Der materielle Rechtsschutz wird dabei nicht ange- tastet. Viertens. Wie Sie sehen, sind alle in dem Gesetzent- wurf vorgesehenen Gesetzesänderungen dringend erfor- derlich, und zwar unabhängig von politischen Grundein- stellungen. Ich appelliere deshalb an Sie, dem Gesetzent- wurf zuzustimmen. Anlage 8 Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben mit- geteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden EU-Vorla- gen bzw. Unterrichtungen durch das Europäische Parla- ment zur Kenntnis genommen oder von einer Beratung abgesehen hat. Rechtsausschuss Drucksache 14/272 Nr. 39 Drucksache 14/272 Nr. 51 Drucksache 14/272 Nr. 55 Drucksache 14/309 Nr. 2.4 Drucksache 14/1188 Nr. 2.1 Drucksache 14/1276 Nr. 1.5 Drucksache 14/2295 Nr. 1.1 Drucksache 14/2747 Nr. 2.30 Drucksache 14/2747 Nr. 2.33 Drucksache 14/2747 Nr. 2.34 Drucksache 14/2747 Nr. 2.35 Drucksache 14/2817 Nr. 2.26 Drucksache 14/3341 Nr. 1.3 Finanzausschuss Drucksache 14/2952 Nr. 2.28 Drucksache 14/3050 Nr. 2.13 Drucksache 14/3050 Nr. 2.19 Drucksache 14/3050 Nr. 2.23 Drucksache 14/3050 Nr. 2.27 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10362 (C) (D) (A) (B) Haushaltsausschuss Drucksache 14/2952 Nr. 2.3 Drucksache 14/3050 Nr. 2.5 Ausschuss fürWirtschaft und Technologie Drucksache 14/2295 Nr. 1.2 Drucksache 14/2554 Nr. 2.3 Drucksache 14/2554 Nr. 2.4 Drucksache 14/2554 Nr. 2.10 Drucksache 14/2747 Nr. 2.28 Drucksache 14/2747 Nr. 2.31 Drucksache 14/2747 Nr. 2.40 Drucksache 14/2747 Nr. 2.44 Drucksache 14/2747 Nr. 2.48 Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 14/3146 Nr. 2.8 Drucksache 14/3341 Nr. 2.44 Drucksache 14/3341 Nr. 2.51 Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Drucksache 14/155 Nr. 1.2 Drucksache 14/595 Nr. 1.3 Drucksache 14/1617 Nr. 2.9 Ausschuss für Gesundheit Drucksache 14/2817 Nr. 1.4 Ausschuss für Verkehr, Bau und Wohnungswesen Drucksache 14/2554 Nr. 2.11 Drucksache 14/3050 Nr. 2.7 Drucksache 14/3050 Nr. 2.11 Drucksache 14/3050 Nr. 2.12 Drucksache 14/3050 Nr. 2.22 Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent- wicklung Drucksache 14/1617 Nr. 2.22 Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Uni- on Drucksache 14/2747 Nr. 1.1 Drucksache 14/2817 Nr. 2.1 Drucksache 14/2817 Nr. 2.3 Der Bundesrat hat in seiner 751. Sitzung am 19. Mai 2000 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen, bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Ab- satz 2 Grundgesetz nicht zu stellen: – Gesetz zu dem Übereinkommen vom 4. August 1995 zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens derVereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fisch- beständen und Beständen weit wandernder Fische – Gesetz zu dem Protokoll von 1996 zur Änderung des Übereinkommens von 1976 über die Beschrän- kung der Haftung für Seeforderungen – Ausführungsgesetz zu dem Protokoll von 1996 zur Änderung des Übereinkommens von 1976 über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen – Gesetz zu dem Protokoll vom 29. November 1996 auf- grund von Artikel K . 3 des Vertrags über die Europä- ische Union betreffend die Auslegung des Überein- kommens über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften durch den Ge- richtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege derVorabentscheidung (EG-Finanzschutz-Auslegungs- protokollgesetz) Die Fraktion der F.D.P. hat mit Schreiben vom 6. Juni 2000 ihren Antrag auf Drucksache 14/3402 zurück- gezogen und durch einen neuen Antrag mit gleichlauten- dem Titel (Mutige EU-Reform als Voraussetzung für eine erfolgreiche Erweiterung) ersetzt. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 109. Sitzung. Berlin, Freitag, den 9. Juni 2000 10363 (C) (D) (A) (B) Druck: MuK. Medien-und Kommunikations GmbH, Berlin
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Joachim Hacker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Vielen Dank, Herr
    Präsident. – Ich bitte Sie gerade auch bei dieser Gesetzes-
    novelle, die wir heute einbringen, um konstruktive Mitar-
    beit.

    Meine Damen und Herren, ich hatte mir noch eine
    ganze Reihe von Einzelfällen aufgeschrieben, die ich gern
    vorgetragen hätte. Der Präsident mahnt mich, zum Ende
    zu kommen.

    Ich will in einem letzten Satz, Herr Präsident, den Mit-
    arbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Ausschuss-
    dienst ganz herzlich danken. Es ist schon gesagt worden:
    Dort wird eine sehr engagierte und fachkundige Arbeit ge-
    leistet. Herzlichen Dank insbesondere Ihnen, Frau von
    Welck. Ich schließe in den Dank auch die Mitarbeiterin-
    nen und Mitarbeiter der einzelnen Abgeordneten und der
    Fraktionen für ihre engagierte Arbeit ein. Ich glaube, wir
    haben im letzten Jahr eine gute Arbeit geleistet und wir
    alle gemeinsam müssen das in den kommenden Jahren so
    weiter machen.

    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)




Rede von Dr. Hermann Otto Solms
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Als letz-
ter Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt erteile ich
der Kollegin Katherina Reiche von der CDU/CSU-Frak-
tion das Wort.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Katherina Reiche


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident!
    Meine Damen und Herren! In einem Punkt möchte ich
    mich meinen Vorrednern ausdrücklich anschließen. Das
    ist der herzliche Dank an die Mitarbeiterinnen und Mit-
    arbeiter des Ausschussdienstes.Ohne sie gäbe es keinen
    Jahresbericht. Seit ich im Petitionsausschuss mitarbeite,
    weiß ich um die akribische Arbeit und um die viele Mühe,
    die sie haben, und ich weiß die Arbeit des Ausschuss-
    dienstes von Mal zu Mal mehr zu schätzen. Vielen Dank!
    Sie leisten einen sehr wichtigen Beitrag zur demokrati-
    schen Kultur in diesem Land.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P. und der PDS)





    Hans-Joachim Hacker

    10291


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Die Petitionen, die uns erreichen, sind so vielfältig wie
    die Probleme, die Emotionen und die Ideen der Menschen
    in Deutschland. Sie reichen von Themen wie der Ab-
    schaffung der Todesstrafe in den Vereinigten Staaten bis
    zum kleinsten Detail des deutschen Sozialversicherungs-
    rechts. Deshalb ist es so schwer, alle Facetten einer ein-
    jährigen Arbeitszeit in einem Jahresbericht zu berück-
    sichtigen, und deshalb ist es so verlockend, den generali-
    sierenden Aspekt der Statistik zu bemühen.

    Die Zahl der Petitionen hat in der Tat – das ist mehr-
    fach angesprochen worden – wieder zugenommen. Nun
    läge es nahe, dies als Kritik an der Bundesregierung zu be-
    werten und zu sagen: Im ersten vollständigen Jahr von
    Rot-Grün haben die Bürger mehr denn je das Bedürfnis,
    ihren Unmut und ihre Kritik dem Deutschen Bundestag
    mitzuteilen. Ich möchte dies nicht tun, sondern mich den
    Kollegen Deittert und Reuter anschließen, die sagten,
    dass sie ebenso wie ich die Petitionen als Ausdruck des
    Vertrauens der Menschen ins Parlament werten.

    Bei anderen Aspekten der Statistik liegt der Fall aller-
    dings anders. Der Anteil der Petitionen aus den neuen
    Ländern hat noch einmal zugenommen und liegt nun mit
    über 32 Prozent weit über dem Bevölkerungsanteil der
    Ostdeutschen. Allein aus meiner Heimat Brandenburg hat
    sich die Zahl der Petitionen seit 1998 fast verdoppelt.

    Wir haben uns in der Debatte im Rahmen des letzten
    Berichtes des Petitionsausschusses ausführlich mit der
    Frage beschäftigt, warum der Anteil der Eingaben aus den
    neuen Ländern so überproportional hoch ist. Positiv kön-
    nen wir aber auch jetzt noch feststellen, dass nach Jahr-
    zehnten staatlicher Willkür und Allmacht viele Menschen
    aus der ehemaligen DDR nach einem Jahrzehnt Einheit
    ihr Recht wahrnehmen, Entscheidungen zu hinterfragen
    und überprüfen zu lassen. Viele wollen mit Vorschlägen
    aktiv Demokratie mitgestalten und suchen über uns den
    Dialog zur Politik.

    Auf der negativen Seite muss ich jedoch feststellen,
    dass die Geduld der Menschen in den neuen Ländern mit
    dem Prozess der Angleichung der Lebensverhältnisse
    auf eine immer größere Probe gestellt wird und dass die
    Menschen in den neuen Ländern sehr wohl unterscheiden
    können, was pure Symbolik ist und was wirklich dazu
    dient, die Lebensverhältnisse anzugleichen. Zur puren
    Symbolik zähle ich beispielsweise Bundeskabinettssit-
    zungen in den neuen Ländern. Hier hat sich meiner Mei-
    nung nach auch der Ausschuss zu symbolischen Gesten
    verleiten lassen.

    Mehrere Petitionen begehrten die sofortige Anglei-
    chung der Löhne in Ostdeutschland und sogar ein gesetz-
    lich festgelegtes Grundgehalt bei Lohnkostenzuschüssen.
    In seinem Beschluss stellte der Ausschuss ganz deutlich
    dar, dass in Deutschland die Löhne durch die organisier-
    ten Tarifvertragsparteien ohne Einmischung staatlicher
    Stellen ausgehandelt werden. Die Tarifautonomie wurde
    zu Recht als Begründung herangezogen, um den Petenten
    zu verdeutlichen, dass der Ausschuss keine rechtliche
    Möglichkeit hat, staatlicherseits eine Lohnangleichung
    oder gar einen gesetzlichen Mindestlohn zu vereinbaren.

    Plötzlich wendet sich jedoch das Blatt und die Eingabe
    wird in letzter Minute dem Bundesministerium für Arbeit
    und Sozialordnung zugeleitet, um sie dort in die Arbeit
    und in die Überlegungen einfließen zu lassen. Die PDS als
    Expertin für unrealistische und falsche Forderungen kann
    nun jubeln und der Petent gewinnt den Eindruck, dass der
    Staat möglicherweise doch in die Tarifautonomie eingrei-
    fen wird.


    (Heidemarie Wright [SPD]: Nein! Aber das ist doch politisches Ziel!)


    Das ist falsch verstandener Aufbau Ost.
    Ein weiterer Grund für das anhaltend große Bedürfnis

    der Menschen in den neuen Ländern nach Petitionen ist
    auch der lange Schatten des DDR-Unrechts, dessen Trag-
    weite oft erst nach Jahren in die Öffentlichkeit dringt. Hier
    will ich insbesondere die Verbrechen an den Sportlerinnen
    und Sportlern in der ehemaligen DDR erwähnen, die
    durch grausame Trainingsmethoden und Doping oft zu
    Krüppeln wurden.


    (Heidemarie Ehlert [PDS]: Die im Westen sind gestorben, nicht die in der DDR!)


    Auch die Bürgerinnen und Bürger, die sich um eine Ver-
    besserung der Rehabilitierung von politischen Opfern der
    SED-Diktatur bemühen, werden in den nächsten Jahren
    weiter zum Mittel der Petition greifen.

    Ich möchte Ihnen nun von einem Fall berichten, in dem
    der Ausschuss sowohl DDR-Unrecht als auch anschlie-
    ßende gesamtdeutsche behördliche Unbeweglichkeit hei-
    len konnte.

    Ein Grundstückseigentümer hatte sein Grundstück zur
    landwirtschaftlichen Nutzung der DDR überlassen. Die
    DDR übergab es dem sowjetischen Militär, ohne jedoch
    den Eigentümer darüber zu informieren. Nach der
    Wiedervereinigung und dem Abzug des russischen Mi-
    litärs erhielt der Petent sein Grundstück zurück, jedoch
    ohne dass man ihm mitteilte, dass es mittlerweile mit
    Kampfmitteln kontaminiert war. Man teilte ihm mit, dass
    er innerhalb von drei Monaten Schadensersatz bei der
    Oberfinanzdirektion fordern könne. Allerdings erhielt er
    den Hinweis auf Kontamination nicht. Erst ein halbes Jahr
    später wurde ihm mitgeteilt, dass sein Grundstück konta-
    miniert sei. Der Petent beantragte daraufhin Schadenser-
    satz, der aber wegen Verfristung abgelehnt wurde. Nun
    forderte die Stadt den Petenten auf, sein Grundstück auf
    eigene Kosten reinigen zu lassen. Nachdem das nicht ge-
    schah, stellte sie ihm einen fünfstelligen Betrag in Rech-
    nung. Später machte ihm die Stadt zwar das Angebot, die
    Kampfmittel selbst zu räumen, aber dafür solle der Petent
    der Stadt das Grundstück für den symbolischen Kaufpreis
    von 1 DM verkaufen. Der Petent empfand das zu Recht
    als nachträgliche Enteignung.

    Der Petitionsausschuss konnte das Anliegen des Peten-
    ten unterstützen und dem Finanzministerium empfehlen,
    die Frist für den Schadensersatz zu ändern. Das Finanz-
    ministerium ist unserer Empfehlung gefolgt. So konnten
    wir die faktische Enteignung des Petenten verhindern.

    Es sind gerade solche Fälle, die die Bedeutung und die
    Wirksamkeit dieses demokratischen Instruments unter




    Katherina Reiche
    10292


    (C)



    (D)



    (A)



    (B)


    Beweis stellen. Es sind oft Fälle, bei denen die Mitglieder
    des Ausschusses über Parteigrenzen hinweg an einem
    Strang ziehen.

    Bemerkenswert finde ich allerdings manche Vorgänge,
    bei denen Petitionsverfahren aus der letzten Legislatur-
    periode durch bestimmte Umstände neu beraten werden.
    Folgende Konstellation ist auffällig; sie ist nicht einmalig,
    sondern uns jetzt mehrfach aufgefallen. Eine Petition
    wurde im Petitionsverfahren von der damaligen Staatsse-
    kretärin im Gesundheitsministerium, Frau Bergmann-
    Pohl, als unbegründet zurückgewiesen. Der Ausschuss
    unter der damaligen Vorsitzenden Frau Nickels empfahl
    dennoch die Überweisung der Eingabe an die Bundesre-
    gierung. Nach dem Regierungswechsel – Frau Nickels be-
    kleidet jetzt selbst das Amt der Staatssekretärin – kommt
    dieselbe Eingabe zu ihr auf den Tisch und sie befindet
    jetzt, dass das Bundesministerium für Gesundheit nichts
    tun könne.