Gesamtes Protokol
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Ich begrüße Sie recht herzlich. Die Sitzung
ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur
Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechts-
ausübung .
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin der Justiz, Herta Däubler-
Gmelin.
Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin der
Justiz: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle-
gen! Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines
Gesetzes zur Namensaktie und zur Erleichterung der
Stimmrechtsausübung, Namensaktiengesetz genannt,
verabschiedet. Dieses Gesetz enthält einige wichtige Än-
derungen. Auf der einen Seite wird das Recht der
Namensaktie grundlegend modernisiert. Wie Sie viel-
leicht wissen, gibt es dafür erheblichen Anlass. Ich darf
das kurz ausführen. Große deutsche Aktiengesellschaften –
ich will jetzt die Namen nicht nennen – sind von der so ge-
nannten Inhaberaktie auf die Namensaktie umgestiegen.
Die Gründe dafür sind klar. Wenn man weiß, wem die Ak-
tie gehört – auf der Aktie steht dann der Name –, ist es für
ein Unternehmen sehr viel leichter möglich, einen Ak-
tionär nicht nur ausfindig zu machen, sondern auch anzu-
sprechen. Auf der anderen Seite erhöht die Namensaktie
die Bindung der Aktionäre an das Unternehmen.
Der Umstieg hat allen gezeigt, dass das Recht der Na-
mensaktie in unserem Aktiengesetz grundlegend moder-
nisiert werden muss, damit es den neuen technischen An-
forderungen der elektronischen Datenübermittlung von
den Börsen über die Clearingstelle bis hin zu den EDV-ge-
führten Aktienregistern und einigen anderen Erfordernis-
sen, die wir für wichtig halten, gerecht wird.
Mit diesem Gesetzentwurf haben wir alle bürokrati-
schen Formvorschriften rund um die Hauptversammlung
eines großen Unternehmens überprüft und so weit wie
möglich abgeschafft. Damit bereiten wir diese Bereiche
des Aktienrechtes auf das Internetzeitalter vor. Das tun an-
dere Industriestaaten auch. Mit unserem Entwurf bringen
wir das deutsche Recht in diese Gesamtentwicklung ein
und sind dabei sehr weit vorne. Das ist sehr gut. Das ist
auch ein Grund dafür, dass gerade dieses Gesetz auf ein
sehr positives Echo gestoßen ist. Die Wirtschaft hat den
dringenden Wunsch, dass bis zur Saison der Hauptver-
sammlungen im Jahre 2001 das Gesetz im Bundestag be-
schlossen und in Kraft getreten sein soll. Ich schließe
mich diesem Wunsch an und bitte den Deutschen Bun-
destag, mich bei der Verabschiedung dieses Gesetzes zu
unterstützen.
Lassen Sie mich zwei Punkte herausheben, die mir
ganz besonders am Herzen liegen und die mit dem Wech-
sel von der Inhaber- zur Namensaktie zu tun haben. Viele
Aktienbesitzer – aber auch in der Öffentlichkeit ist das
deutlich geworden – haben die Sorge, dass dann, wenn ihr
Name auf der Aktie steht, mit dem Namen oder der Kennt-
nis der Eigentumsverhältnisse Missbrauch getrieben wer-
den kann. Sie haben daneben die Sorge, dass jeder andere
Aktionär, aber auch die Öffentlichkeit durch den Einblick
in das Aktienregister mehr erfahren können, als ihnen ei-
gentlich zusteht. Deswegen haben wir die datenschutz-
rechtlichen Bestimmungen in Bezug auf das Aktienregis-
ter und in Bezug auf die Frage, was die Unternehmen sel-
ber mit den Daten, insbesondere mit den sensiblen Daten,
machen dürfen, entsprechend modernisiert.
Noch ein Wort zu den elektronischen Medien im Ge-
sellschaftsrecht. Der Entwurf des Namensaktiengesetzes
kommt ganz unscheinbar im Gewand einer technischen
Novelle daher, hat aber das Potenzial, einen Innovations-
schub auszulösen. Dies wollen wir auch; darauf legen wir
großen Wert. In wenigen Jahren könnte die herkömmliche
Stimmrechtslandschaft im deutschen Aktienrecht und auf
deutschen Hauptversammlungen ganz anders als heute
aussehen. Die Aktiengesellschaften bereiten sich darauf
vor, und zwar mit Vorratsbeschlüssen. Sie setzen verstärkt
auf ein Verfahren der unmittelbar erteilten Stimmrechts-
vollmacht, an dem die Banken gar nicht mehr beteiligt
sind.
Mit Blick auf die immer wieder und nicht ganz ohne
Grund aufflackernde Diskussion um die Macht der
9439
101. Sitzung
Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000
Beginn: 13.00 Uhr
Banken und im Hinblick auf die Kritik an dem Voll-
machtsstimmrecht der Banken halte ich diese Entwick-
lung für sehr gut. Der Entwurf macht sie möglich und eb-
net ihr den Weg.
Außerdem konnte man vernehmen, dass bereits jetzt
eine ganze Reihe von Serviceleistern aus dem IT-Bereich
in den Startlöchern sitzen, um künftig neue Dienstleistun-
gen anzubieten, die im Rahmen der elektronischen Kom-
munikation mit dem Investor und der Stimmrechtsaus-
übung anfallen, wie zum Beispiel Konzepte für Online-,
Tele- und Cyber-Hauptversammlungen, die natürlich
auch über die Landesgrenzen hinweg – das heißt, nicht
nur im nationalen Rahmen – möglich wären. Das ist viel-
leicht noch Zukunftsmusik. Aber im Hinblick auf die
elektronischen Möglichkeiten, die manchmal schneller
umgesetzt werden, als wir glauben, ist der vorliegende
Gesetzentwurf hilfreich. Das Namensaktiengesetz ist ein
guter Weg. Es wird nicht das einzige Gesetz sein, das wir
ändern müssen. Aber es ist ein sehr guter Anfang.
Herzlichen Dank.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Danke, Frau Ministe-
rin. Ich bitte, zunächst Fragen zu dem soeben aufgerufe-
nen Themenbereich zu stellen.
Herr Kollege Funke, bitte.
Frau Ministerin, vielen Dank
für Ihren ausführlichen Vortrag. Wir beglückwünschen
Sie sehr zu dem vorliegenden modernen Gesetz; denn ge-
rade in den letzten Jahren hat sich die Entwicklung von
der Inhaberaktie zur Namensaktie, also hin zum amerika-
nischen Modell, vollzogen. Dieser Entwicklung muss
man genauso Rechnung tragen wie dem, was heute in der
Informationstechnik möglich ist. Ich glaube, dass Sie mit
dem vorliegenden Gesetz die wesentlichen Grundlagen
dafür schaffen. Wir von der F.D.P.-Fraktion sagen Ihnen
sehr gerne zu, dass wir im Rechtsausschuss für eine
schnelle Beratung dieses Gesetzes sorgen werden.
Ich habe zwei Fragen. Erste Frage: Was halten Sie von
dem Vollmachtsstimmrecht in § 3 des VW-Gesetzes? Soll
die dortige Regelung aufgegeben werden?
Zweite Frage: Sie beabsichtigen, ein Übernahmegesetz
auf den Weg zu bringen. Inwieweit wird die Neutralitäts-
pflicht, der die Verwaltung unterliegt, unter Umständen
durch das Führen eines Namensregisters untergraben,
weil der Vorstand jederzeit auf die Namen der Aktionäre
zugreifen und deren Entscheidungen beeinflussen kann?
Wie wollen Sie das regeln?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Ministerin, bitte
sehr.
Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin der
Justiz: Danke schön, verehrter Kollege Funke, für die
grundsätzliche Zusage der Unterstützung. Vielleicht lässt
sich die eine oder andere Anregung im Rahmen einer An-
hörung – ich weiß noch nicht, ob der Bundestag eine An-
hörung wünscht – in das Gesetz aufnehmen.
Wir haben nicht die Absicht, das VW-Gesetz in diesem
Punkt zu ändern, weil es dort um eine andere Materie
geht. Sie wissen, dass sich gerade eine Arbeitsgruppe mit
den Übernahmeregelungen befasst. Aber die Überlegun-
gen dieser Gruppe sind noch nicht so weit gediehen, dass
man schon sagen könnte, wie die Übernahmeregelungen
im Einzelnen aussehen werden.
Ich weiß nicht, ob sich Ihre Fragen bezüglich des Na-
mensregisters ausschließlich auf die beiden eben darge-
stellten Bereiche bezogen oder ob ich Ihnen auch noch
darstellen soll, was im Gesetzentwurf zum Namensakti-
engesetz dazu vorgesehen ist. Ich vermute, dass ich das
nicht tun soll, weil Sie das schon wissen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Funke,
bitte, eine zweite Frage.
Ich möchte gern noch einmal
auf das VW-Gesetz eingehen. Ich glaube, dass wir von un-
terschiedlichen Tatbeständen ausgehen. Es ist so: Bei VW
gibt es Inhaberaktien. Als Besitzer einer Inhaberaktie
kann man der Bank normalerweise eine 15-Monats-Voll-
macht erteilen. Diese 15-Monats-Vollmacht ist im VW-
Gesetz aber ausgeschlossen. VW ist als einzige Gesell-
schaft in Deutschland, ja sogar in ganz Europa von diesem
Ausschluss betroffen; insofern hat VW eine Sonderstel-
lung. Für den Kapitalmarkt ist es eigentlich sinnvoll, dass
Derartiges einheitlich geregelt wird und dass eine Aktien-
gesellschaft, die wie jede andere auch ist, keine Sonder-
stellung einnimmt. Da Sie jetzt die 15-Monats-Vollmacht
für die Banken unbefristet ermöglichen, frage ich mich,
warum Sie jetzt überhaupt noch an dieser Sondervor-
schrift in § 3 des VW-Gesetzes festhalten wollen. Das ist
mir nicht ganz einsichtig.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Ministerin, bitte.Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin derJustiz: Lieber Herr Funke, Sie wissen: Es gibt gewisse tra-ditionelle Sonderregelungen. Mit einer solchen haben wires hier zu tun. Ich nehme Ihre Anregung gerne auf. Einentsprechendes Vorhaben gibt es bisher nicht; aber lassenSie uns doch einfach während der gesetzgeberischenÜberlegungen die Frage aufgreifen, ob es sinnvoll wäreoder nicht.Sie haben die Aufhebung der 15-Monats-Vollmachtenfür die Banken angesprochen. Obwohl Sie es wissen, las-sen Sie mich dazu noch ein Wort doch sagen. Es gibt zweiGründe, warum wir das getan haben: Auf der einen Seitebefreien wir hiermit die Wirtschaft von bürokratischenVorschriften – das ist gut –; auf der anderen Seite – des-wegen ist diese Anregung aus dem Kreis der Aktionäregekommen – nehmen wir den Schutz der Aktionäre nichtweg.Wir erhöhen auch nicht unbedingt den Einfluss derBanken, weil wir dafür sorgen, dass in jedem Jahr die Ak-tionäre darüber informiert werden müssen, ob eine Voll-macht gegeben wurde. Im Bereich der Namensaktie istdas völlig unproblematisch möglich. Wir gehen auch da-von aus, dass dieser Bereich durch die in Zukunft vor-handenen und sehr viel stärker eingesetzten elektroni-schen Möglichkeiten, so wie ich es ausgeführt habe, er-heblich verbessert werden kann.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000
Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin9440
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gibt es weitere Fragen
zu diesem Themenkomplex? – Das ist nicht der Fall. Ich
rufe dann den offenen Teil der Regierungsbefragung auf.
Herr Kollege Koppelin, bitte.
Ich möchte die Bundesre-
gierung fragen, ob sie sich mit der dramatischen Geisel-
nahme in Südostasien beschäftigt hat. Können Sie uns
Auskunft geben, wie die Situation der Geiseln ist? Welche
Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, noch aktiver zu
werden? Mir ist völlig klar, dass es bestimmte Auskünfte
nicht geben kann, um die Geiseln nicht zu gefährden.
Aber wenn sich das Kabinett heute damit beschäftigt hat,
dann wäre ich für einen allgemeinen Bericht dankbar.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Staatsminister
Bury antwortet für die Bundesregierung.
H
Herr Kollege Koppelin, selbstverständlich hat sich die
Bundesregierung auch heute mit diesem Thema in der Ka-
binettssitzung beschäftigt. Der Bundesaußenminister hat
über die Mission von Herrn Solana berichtet, der heute
zurückgekehrt ist und der dort – den Umständen entspre-
chend – erfolgreiche Gespräche führen konnte. Ihm
wurde in den Gesprächen mit dem philippinischen Präsi-
denten zugesichert, dass die philippinische Regierung auf
keinen Fall militärische Gewalt einsetzen will – das war
für uns ein wichtiger Punkt – um das Leben der Geiseln –
das hat höchste Priorität – nicht zu gefährden.
Es ging in dem Gespräch darum, humanitäre Versor-
gungsmöglichkeiten zu verbessern. Außerdem ging es um
die Entsendung von Beauftragten mit dem Ziel, eine um-
gehende Freilassung der Geiseln, insbesondere von Frau
Wallert, zu erreichen. Ich bedaure, dass in diesem Punkt
bis zur Stunde noch keine Fortschritte erzielt werden
konnten.
Der Bundesaußenminister hat insgesamt, was die Si-
tuation angeht – ich zitiere ihn –, „äußerst vorsichtigen
Optimismus“ geäußert. Es ist gut, dass es gelungen ist –
nicht zuletzt dank der Bemühungen des Asien-Beauftrag-
ten der Bundesregierung –, Nahrungsmittel, Medika-
mente und Wasser zu den Geiseln zu bringen.
Wir haben durch das Engagement von Herrn Solana
und durch die Gespräche, die er geführt hat, jetzt faktisch
einen Schritt in Richtung internationale Vermittlung ge-
tan. Es gibt Vermittlungsversuche einer gemischten hu-
manitären Gruppe, der Vertreter des Roten Halbmondes
und der frühere Botschafter Libyens in Manila angehören,
die Kontakt zu den Entführern aufnehmen soll. Der Kri-
senstab im Auswärtigen Amt arbeitet sehr gut, auch im
Kontakt mit den anderen Ressorts, und wir tun das, was
aus Sicht der Bundesregierung möglich ist, um rasche
Fortschritte zu erzielen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer Nachfrage
Herr Kollege Koppelin, bitte.
Herr Staatsminister, kön-
nen Sie Meldungen von heute Morgen bestätigen, wonach
die Vertreter des Roten Kreuzes nicht die Chance bekom-
men haben, die kranke deutsche Geisel mitzunehmen,
sondern unverrichteter Dinge wieder gehen mussten?
H
Wie ich Ihnen gerade sagte, ist es bisher leider nicht
gelungen, die Freilassung der erkrankten Geisel zu errei-
chen. Insofern kann ich entsprechende Meldungen leider
nicht dementieren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gibt es darüber hinaus
Fragen an die Bundesregierung? – Herr Kollege Hauser,
bitte.
Ich möchte die
Bundesregierung fragen, ob die Verhandlungen zwischen
der Bundesregierung und der Bundesstadt Bonn über den
so genannten Bonn-Vertrag für den Zeitraum 2000 bis
2003, die Staatsminister Naumann am 30. Juni 1999 in ei-
ner Fragestunde bereits als de facto abgeschlossen be-
zeichnet hat, nunmehr auch tatsächlich und nicht nur de
facto abgeschlossen sind und wann mit der Unterzeich-
nung des Bonn-Vertrages gerechnet werden kann. Es ging
um das Jahr 1999, nicht um das Jahr 2000.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zur Beantwortung
bitte Herr Staatsminister Naumann.
D
Herr Abgeordneter Hauser, die Bonn-Vereinba-
rung berührt die Belange mehrerer Ressorts,
zum Beispiel die des Bundesministeriums der Finanzen,
die meines Ressorts sowie die des Bundesministeriums
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Die Verhandlun-
gen zwischen der Bundesregierung unter Federführung
des Bundesfinanzministeriums und der Bundesstadt Bonn
sind noch nicht in vollem Umfang abgeschlossen. Abge-
schlossen sind aber seit Juni 1999 die in der Zuständigkeit
meiner Behörde liegenden Verhandlungen über die Kul-
turleistungen des Bundes in den Jahren 2000, 2001, 2002
und 2003. Nur auf diesen Teil der Bonn-Vereinbarung be-
zog sich meine Antwort vom 30. Juni 1999, die Sie eben
zitiert haben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Hauser, bitte,
eine Nachfrage.
Auch wenn ichdas damals falsch verstanden haben muss – aber ich werdeselbstverständlich gern noch einmal nachlesen, ob dastatsächlich so zu verstehen war –,
möchte ich die Frage anschließen: Welche Überlegungengibt es in Ihrem Hause, über das Jahr 2003 hinaus dieBundesstadt Bonn bei ihren kulturellen Aufgaben,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000
Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin9441
insbesondere auch bei den gesamtstaatlichen Repräsenta-tionsaufgaben nach § 6 Absatz 4 des Berlin-Bonn-Geset-zes vom 26. April 1994, zu unterstützen?D
Herr Abgeordneter, ad 1: Die Bundesregierung
ist durchaus zufrieden und stolz darauf, dass sie in einem
wesentlich höheren Maße, als das die vorige Regierung
vorgesehen hatte, nach den damals anstehenden und jetzt
fast abgeschlossenen gesetzlichen und auch politischen
Sanierungsmaßnahmen an dem bekanntermaßen in nicht
gerade solidestem Zustand übergebenen Bundeshaushalt
in der Lage war, die Stadt Bonn – sowohl hinsichtlich ih-
rer Bevölkerungszahl als auch hinsichtlich des Sachver-
halts, dass die berühmte Museumsmeile ganz vom Bund
finanziert wird – zur vollen Zufriedenheit sowohl der
Oberbürgermeisterin, Frau Dieckmann, wie auch des Kul-
turreferenten, Herrn von Uslar, mit Mitteln auszustatten.
Ad 2: Die Frage, wie es ab 2003, das heißt in drei Jah-
ren, weitergeht, könnte man als ein bisschen voreilig be-
trachten; denn schließlich sind wir mit der berühmten
Haushaltssanierung noch nicht zu einem Ende gekom-
men. Ich weiß aber sehr wohl, warum Sie diese Frage stel-
len. In Nordrhein-Westfalen wird nämlich gewählt.
Tatsache ist, dass ich in meiner ersten Erklärung nach
Amtsantritt der neuen Regierung vor diesem Hohen
Hause darauf hingewiesen habe, dass die kulturelle Be-
deutung der gesamten Mittelrhein-Region nicht vergessen
werden darf und offenkundig nicht vergessen wird. Sie
hat in der Tat – das darf man wirklich sagen – über Jahr-
hunderte hinweg für ganz Deutschland kulturell Maß-
stäbe gesetzt. Ihre Förderung bleibt auch in Zukunft einer
der wesentlichen Kernpunkte der kulturpolitischen Über-
legungen dieser Bundesregierung.
Wenn Sie mich jetzt aber auf eine gewisse Summe, ei-
nen irgendwie festzuschreibenden Betrag, festnageln
wollen, dann kann ich Ihnen nur entgegnen, dass wahr-
scheinlich selbst Sie, wenn Sie in meinen Schuhen
stecken würden, dieses nicht bekannt geben wollten, da
wir uns in Verhandlungen befinden. Verhandlungen lassen
sich ja dadurch ganz kurzfristig beenden, dass die eine
Seite ihre Argumente, in diesem Fall ihr Zahlenwerk, vor-
legt und dass die andere Seite dann entweder sagt, dass sie
das annimmt, oder sagt, dass das zu wenig ist. Das sollte
man aber nicht in aller Öffentlichkeit tun.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Gibt es weitere Fragen
an die Bundesregierung? – Da das offensichtlich nicht der
Fall ist, beende ich jetzt die Regierungsbefragung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind mit dem sel-
tenen Fakt konfrontiert, dass die vorgesehene Zeit nicht
ausgeschöpft wurde. Deshalb unterbreche ich jetzt die Sit-
zung bis 13.35 Uhr. Dann fangen wir regulär mit der Fra-
gestunde an.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröff-
net.
Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksache 14/3276 –
Die Fragen 1 und 2 aus dem Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums der Finanzen werden schriftlich beant-
wortet.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-
teriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur
Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär
Dr. Gerald Thalheim bereit.
Ich rufe jetzt Frage 3 des Abgeordneten Georg Girisch
auf:
Hat die Bundesregierung die Verpflichtung aus dem dieser Re-gierung zugrunde liegenden Koalitionsvertrag aufgegeben, wo-nach „der Bereich Vertrags-Naturschutz erweitert“ werden soll,oder was beabsichtigt sie konkret zur Umsetzung dieses Ziels zuunternehmen?
D
Sehr geehrter Herr Kollege Girisch, die Bundesregierung
misst der Stärkung und Erweiterung des Vertrags-
Naturschutzes insbesondere auch im Hinblick auf eine
nachhaltige ländliche Entwicklung eine große Bedeutung
bei. Unter deutscher Präsidentschaft wurde im Rahmen
der Agenda 2000 die EG-Verordnung über die Förderung
der Entwicklung des ländlichen Raumes verhandelt und
verabschiedet. In dieser Verordnung wurde der Ausbau
der bereits im Zuge der Agrarreform von 1992 eingeführ-
ten Agrarumweltmaßnahmen sichergestellt. Im Rahmen
dieser Maßnahmen werden freiwillige Leistungen der
Landwirte gefördert, die dem Schutz und der Verbes-
serung von Natur und Umwelt sowie der Erhaltung des
ländlichen Lebensraumes dienen. Außerdem wurde darin
eine gemeinschaftliche Beteiligung an Ausgleichszahlun-
gen für Gebiete mit umweltspezifischen Einschränkun-
gen, so genannte Natura-2000-Gebiete, verankert.
Der Planungsausschuss für Agrarstruktur und Küsten-
schutz hat mit den Beschlüssen zum Rahmenplan der Ge-
meinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und
des Küstenschutzes“ für den Zeitraum 2000 bis 2003 die
auf Bundesebene bisher bereits angebotenen Agrar-
umweltmaßnahmen attraktiver gestaltet und durch Auf-
nahme der mehrjährigen Stilllegung ausgebaut. Mit der
Förderung der zehnjährigen Stilllegung von Ackerflächen
und bestimmten Grünlandflächen wird ein wesentlicher
Beitrag zur Schaffung von natürlichen Strukturelementen
in der Landschaft sowie zur ökologischen Selbstregulie-
rung von Biotopvernetzungen geleistet. Damit wird ein
wichtiger Schritt zur Erweiterung des Vertrags-Natur-
schutzes realisiert.
Die Möglichkeit einer Förderung in besonderen
Schutzgebieten nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie
sowie nach der Vogelschutz-Richtlinie im Rahmen der
Gemeinschaftsaufgabe soll zunächst durch eine Bund-
Länder-Arbeitsgruppe geprüft werden.
Unser Fazit ist: Die Bundesregierung hat bereits eine
Reihe konkreter Maßnahmen zur Stärkung und Erweite-
rung des Vertrags-Naturschutzes ergriffen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer Zusatzfragebitte Herr Kollege Girisch.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000
Norbert Hauser
9442
Herr Staatssekretär, in
Ihrer Koalitionsvereinbarung heißt es:
In der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur ... wer-
den der Bereich Vertrags-Naturschutz und Ökologi-
scher Landbau erweitert und Regionale Verarbeitung
und Vermarktung aufgenommen.
Können Sie mir sagen, ob dies alles geschehen ist und wie
sich dies für unsere Landwirtschaft in Zahlen auswirkt?
D
Was den ökologischen Landbau anbelangt: Hier ist es
Bundesminister Funke auf europäischer Ebene gelungen,
einige wesentliche Verbesserungen zu erreichen. Als Er-
stes sei erwähnt, dass wir endlich eine Verordnung für den
tierischen Bereich haben, durch die dieser insgesamt at-
traktiver gestaltet wird. Zweitens sind die Fördersätze für
eine ganze Reihe von Kulturen und insbesondere Gemü-
sekulturen verbessert worden.
Was den Kernbereich des Naturschutzes anbelangt, ist
festzuhalten, dass hier die Kompetenz bei den Ländern
liegt. Alle in der Koalitionsvereinbarung festgeschriebe-
nen Bemühungen können natürlich nicht die verfassungs-
mäßige Ordnung der Bundesrepublik außer Kraft setzen.
Naturschutz ist Ländersache. Wir sind hier, wie das auch
aus meiner Antwort hervorging, im Dialog mit den Bun-
desländern, um Fortschritte zu erreichen. Mit der letzten
PLANAK-Runde ist das bereits gelungen. Im Rahmen der
erwähnten Arbeitsgruppe bezüglich der Umsetzung der
Natura-2000-Richtlinie wird es in nächster Zeit zu greif-
baren Ergebnissen kommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Girisch, bitte
Ihre zweite Zusatzfrage.
In der Koalitionsverein-
barung heißt es weiter, dass das Absatzfondsgesetz refor-
miert und auf regionale und ökologische Produkte ausge-
weitet werden soll. Wie ist der jetzige Stand?
D
Das Absatzfondsgesetz hat vordergründig nichts mit dem
Naturschutz zu tun. Aber da Sie es ansprechen, möchte ich
feststellen, dass es über den Absatzfonds, durch den die
CMA mitfinanziert wird, gelungen ist, ein Ökolabel, das
heißt ein Ökoprüfzeichen, zu kreieren. Mit diesem wich-
tigen Schritt, der dazu geführt hat, dass die CMAmit den
Verbänden im Bereich des ökologischen Landbaus
zusammengearbeitet hat und in Zukunft weiter intensiv
zusammenarbeiten wird, erreichen wir für den Verbrau-
cher die Verbesserung der Erkennung von ökologisch er-
zeugten Produkten, schaffen wir Vertrauen und gelingt
uns insgesamt ein wesentlicher Fortschritt auf diesem Ge-
biet.
Von dieser Stelle aus kann ich nur an den Handel ap-
pellieren, diese Vorschläge aufzugreifen und von der
Lizenzmöglichkeit im Rahmen des Ökoprüfzeichens Ge-
brauch zu machen, um am Ende dem, was an Vorarbeit er-
bracht worden ist, in der Praxis zur Geltung zu verhelfen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt eine weitere
Zusatzfrage des Kollegen Deß.
Herr Staatssekretär, wie Sie
richtig ausgeführt haben, sind für den Vertrags-Natur-
schutz die Bundesländer zuständig. Können Sie mir ein
Bundesland nennen, das, prozentual gesehen, mehr
Flächen im Vertrags-Naturschutz ausweist als Bayern,
und können Sie mir ein Bundesland nennen, das für die-
sen Bereich mehr Mittel aufwendet als Bayern?
D
Herr Deß, ich will Ihnen gerne den Gefallen tun: Bayern
ist sicher das Bundesland, das an dieser Stelle eine hervor-
ragende Politik macht. Mein Heimatland Sachsen braucht
sich aber nicht dahinter zu verstecken. Auch hier wird in
diesem Bereich sehr viel getan, wobei man die natürlichen
und geographischen Gegebenheiten mit in das Kalkül zie-
hen muss. Es ist ein Unterschied, ob ich in einem Land
wie Sachsen-Anhalt in der Magdeburger Börde wirt-
schafte, wo die natürlichen Voraussetzungen anders sind,
oder zum Beispiel im Allgäu und in anderen Regionen.
Die von der Bayerischen Staatsregierung auf diesem Ge-
biet verfolgte Politik ist sicher verdienstvoll; aber auch
andere Aspekte spielen hier eine wichtige Rolle.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dann rufe ich jetzt die
Frage 4 des Abgeordneten Albert Deß auf:
Mit welchen Initiativen will die Bundesregierung dem Ein-druck entgegenwirken, sie nehme die Verpflichtung aus der dieserRegierung zugrunde liegenden Koalitionsvereinbarung nichternst, „bei den anstehenden WTO-Verhandlungen müssen in derinternationalen Agrarpolitik ökologische und soziale Mindest-standards durchgesetzt werden“?
D
Herr Kollege Deß, die Bundesregierung weist mit Nach-druck die Unterstellung zurück, sie nehme das in derKoalitionsvereinbarung formulierte Ziel nicht ernst, imRahmen der WTO-Folgeverhandlungen im Agrarbereichökologische und soziale Mindeststandards durchzu-setzen.Das Gegenteil ist der Fall. Das Thema der Absicherungvon ökologischen und sozialen Mindeststandards in derinternationalen Agrarpolitik wurde bei der Erarbeitungder europäischen Verhandlungsposition für die WTO-Verhandlungen maßgeblich von deutscher Seite vorange-trieben. Klare Formulierungen hierzu haben in denSchlussfolgerungen des Agrarrates vom 27. September1999 und des Allgemeinen Rates vom 26. Oktober 1999ihren Niederschlag gefunden. Danach müssen im Bereichder nicht handelsbezogenen Themen unter anderem diemultifunktionale Rolle der Landwirtschaft, die Lebens-mittelsicherheit und -qualität einschließlich des Vorsorge-prinzips sowie die tiergerechte Nutztierhaltung in denVordergrund gerückt werden.Es war und ist Haltung der Bundesregierung, dass eineweitere Liberalisierung des Welthandels im Agrarbereichnur zu fairen Rahmenbedingungen akzeptabel sein kann.In Umsetzung der Koalitionsvereinbarung verfolgt die
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000 9443
Bundesregierung eine Strategie, die grundsätzlich zweiPfade umfasst, und zwar erstens die Einführung undAnpassung von Standards für den Verbraucher-, Tier- undUmweltschutz in Fachübereinkommen außerhalb desWTO-Vertrages und zweitens die Verbesserung bzw.Neuregelung der Verknüpfung dieser Standards mit denRegeln der WTO in den WTO-Verhandlungen.Gemeinsam mit der Europäischen Kommission undanderen EU-Mitgliedstaaten setzt sich die Bundesregie-rung in einer ganzen Reihe internationaler Fachabkom-men dafür ein, die Arbeiten zur Einführung und Anpas-sung von Standards voranzubringen. Die WTO-Minister-konferenz in Seattle hat allerdings gezeigt, dass dieDiskussion über soziale und ökologische Mindeststan-dards ein schwieriges Unterfangen ist. Ein Großteil derEntwicklungsländer vermutet dahinter eine neue Formdes Protektionismus und steht dem eher ablehnend ge-genüber. Hier wird es in Zukunft ganz besonders daraufankommen, zusammen mit den europäischen Partnernsachliche Überzeugungsarbeit zu leisten und für unserePosition zu werben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage? –
Bitte, Herr Kollege Deß.
Herr Staatssekretär, ich
wollte Ihnen mit meiner Frage nichts unterstellen, son-
dern nur die Chance geben, dass Sie dem Eindruck entge-
genwirken, der in diesem Punkt in der Öffentlichkeit vor-
herrscht.
Meine weitere Frage: Wie sehen Sie die Chancen, dass
solche ökologischen und sozialen Mindeststandards
tatsächlich durchgesetzt werden?
D
Diese Chancen sind in den einzelnen Bereichen sehr un-
terschiedlich. Sie wissen zum Beispiel, dass es mit Ab-
schluss der Verhandlungen zum Bio-Sicherheits-Proto-
koll gelungen ist, deutliche Fortschritte zu erreichen. Im
Bereich des Verbraucherschutzes ist das schon schwieri-
ger. Hier haben wir schon das SBS-Abkommen aus dem
letzten WTO-Vertrag, wodurch die Standards internatio-
nal abgesichert werden. Allerdings ist es notwendig, im
Einzelfall die Belange des Verbraucherschutzes oder –
umgekehrt – die Gefährdungen nachzuweisen. Noch
schwieriger sieht es beim Tierschutz aus, weil ihm auf-
grund kultureller Unterschiede weltweit eine unterschied-
liche Bedeutung beigemessen wird. Ich denke, bei den
Umweltstandards ist wieder eine eher positive Entwick-
lung zu verzeichnen.
Das sind Bemühungen, die Probleme durch internatio-
nale Verträge zu lösen. Intern spielen natürlich der Außen-
schutz und die Beibehaltung der Ausgleichszahlungen –
Stichwort: Green-Box – eine große Rolle. Indem wir den
Außenschutz für die Zukunft sichern, halten wir inner-
europäisch ein bestimmtes Niveau an Preisen und damit
am Ende auch an sozialen Standards aufrecht. Das heißt,
man muss diese Frage immer in zwei Richtungen, nach
außen und nach innen, diskutieren.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Deß zu einer
zweiten Frage, bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie
mit mir der Meinung, dass es im Interesse unserer Land-
wirtschaft in Europa eine Zielvorstellung sein müsste, bei
der WTO zu erreichen, dass in das europäische Gebiet nur
solche Nahrungsmittel geliefert werden dürfen, die unse-
ren ökologischen und sozialen Standards entsprechen?
D
Dieser Aussage kann ich nicht zustimmen. Die Schluss-
folgerung aus Ihrer Forderung wäre doch, dass in der Drit-
ten Welt Löhne wie in Deutschland zu zahlen wären. Da-
mit würden wir letztendlich jeden Export nach Deutsch-
land unmöglich machen. Aber gerade die Ermöglichung
des Exports zum Beispiel von Südfrüchten ist ein ganz
wichtiger Beitrag zur Wirtschaftsförderung dieser Länder.
Wenn man sich die Zahlen der Importe und Exporte an-
sieht, muss man klar festhalten: Trotz der hohen Löhne in
Deutschland ist es uns gelungen, die Exporte von land-
wirtschaftlichen Erzeugnissen in den letzten Jahren deut-
lich auszuweiten. Sie belaufen sich immerhin auf einen
Umfang von über 40 Milliarden DM; dem stehen Importe
von etwas über 70 Milliarden DM gegenüber. Hier muss
man also im Einzelfall abwägen: Was sind unsere Interes-
sen als Exporteure und Importeure und was sind die In-
teressen insbesondere der Entwicklungsländer, die nach
Deutschland liefern wollen?
Diese Aussage bezog sich auf die sozialen Standards.
Bei den ökologischen Standards ist dies etwas anders zu
sehen. Wenn Exporte nach Deutschland erfolgen und da-
mit der Raubbau in den Produktionsländern in Kauf ge-
nommen wird, dann ist es geboten, im Interesse dieser
Länder einzuschreiten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Fragen 5 und 6 der
Kollegin Beatrix Philipp zu dem Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Gesundheit werden schriftlich
beantwortet.
Deshalb rufe ich jetzt den Geschäftsbereich des Bun-
deskanzleramtes auf. Zur Beantwortung steht Herr Staats-
minister Dr. Michael Naumann zur Verfügung. Die Fra-
gen 7 und 8 des Kollegen Hauser wurden zurückgezogen.
Deshalb rufe ich jetzt die Frage 9 des Abgeordneten
Wilhelm Josef Sebastian auf:
Liegt der Bundesregierung mittlerweile der Bericht der rhein-land-pfälzischen Landesregierung zur neuen Konzeption des Arp-Museums in Remagen-Rolandseck vor und – falls ja – wiebewertet die Bundesregierung das neue Konzept?
D
Ich kann direkt antworten, Herr Abgeordneter;das fällt mir leicht.Der Bericht der rheinland-pfälzischen Landesregie-rung zur neuen Konzeption des Arp-Museums ist am8. Mai dieses Jahres bei uns eingegangen. Die erste Erör-terung dieser neuen Konzeption in den Gremien der sogenannten Ausgleichsvereinbarung ist für den 22. diesesMonats vorgesehen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000
Parl. Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim9444
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Sebastian,
Ihre Zusatzfrage, bitte.
Herr Minis-
ter, glauben Sie, dass es trotzdem irgendwann noch zu ei-
nem Neubau des Museums kommen wird, und wann rech-
nen Sie zeitlich in etwa damit?
D
Erstens mache ich kein Hehl daraus, dass ich den
Entwurf des Architekten Meier außerordentlich schätze
und für sehr überzeugend halte.
Zweitens wissen auch Sie, dass es zu rechtlichen
Auseinandersetzungen zwischen den Arp-Stiftungen –
deren gibt es ja, glaube ich, mindestens drei – und Frank-
reich gekommen ist. Das betrifft auch die Ausstattung des
in Rede stehenden Museums. Diese rechtlichen Ausei-
nandersetzungen zwischen der Stiftung und Frankreich –
das möchte ich an dieser Stelle feststellen – bedauere ich
außerordentlich; ich halte sie auch nicht für angemessen.
Diese Auseinandersetzungen sind übrigens nicht von der
Stiftung initiiert worden, sondern vom französischen Zoll
und von der französischen Kulturbehörde. Näheres
könnte ich Ihnen bei Gelegenheit erläutern.
Es stellt sich also prinzipiell die Frage: Was soll einst-
mals in diesem Museum von Richard Meier stehen? Ei-
nerseits glaube ich, dass die Bestände der Arp-Stiftung
insgesamt groß genug und historisch wertvoll genug sind,
um diese Konstruktion zu rechtfertigen. Andererseits
wird – das sehen wir ja auch bei Museumsbauten hier in
Berlin – sehr viel Zeit mit Projektionsmaßnahmen, Über-
legungen, Diskussionen und Finanzierungsmodellen ver-
schwendet, sodass ich sagen muss: Die Zwischenlösung,
die im Augenblick in Rheinland-Pfalz angedacht wird,
wäre meines Erachtens zumindest für das Publikum, das
die weltberühmten Werke von Arp sehen möchte, akzep-
tabel.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Frage,
bitte, Herr Kollege Sebastian.
Herr Minis-
ter, ich darf noch einmal nachfragen: Glauben Sie, dass es
irgendwann zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Mu-
seumsbau kommt?
D
Glaube, Liebe und Hoffnung sind drei Katego-
rien, die Ihrer Partei ganz besonders gut bekannt sind, ge-
rade in dieser Lage jetzt, kurz vor den Wahlen.
Ich bin sicher, dass es zu dem Bau kommen wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Damit kommen wir
zur Frage 10 des Kollegen Sebastian:
Welche Folgerungen zieht die Bundesregierung aus der Aus-sage des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten WolfgangClement im Bonner „General-Anzeiger“ vom 26. April 2000 imZusammenhang mit der Errichtung des Arp-Museums, das LandNordrhein-Westfalen wolle sich an der Verwirklichung des Neu-baus nach Plänen des amerikanischen Architekten gemeinsam mit
dem Land Rheinland-Pfalz beteiligen, und wie beurteilt die Bun-desregierung vor diesem Hintergrund die Notwendigkeit, die Gre-mien der Ausgleichsvereinbarung mit diesem neuen Sachstand zubefassen?
D
Die Antwort lautet sehr pragmatisch: Der über
die Ausgleichsmaßnahmen entscheidende Koordinie-
rungsausschuss setzt sich gleichberechtigt aus Vertretern
des Bundes und der Länder zusammen. Wenn Nordrhein-
Westfalen hier mitmachen und sich auch finanziell enga-
gieren will, so ist das außerordentlich zu begrüßen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Sebastian,
bitte, eine Zusatzfrage.
Herr Minis-
ter Naumann, haben Sie keine Bedenken, dass dann, wenn
die Mittel, diese 13 Millionen DM, für eine Renovierung
gebraucht werden und das Gremium dagegen Bedenken
äußert, diese Mittel umgewidmet werden können?
D
Bedenken habe ich immer, was Umwidmungen
von Haushaltsmitteln betrifft. Aber ich appelliere immer
an den Common Sense der Beteiligten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe jetzt den Ge-
schäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beant-
wortung steht der Staatsminister Dr. Ludger Volmer zur
Verfügung. Die Frage 11 des Kollegen Zierer wird schrift-
lich beantwortet.
Deshalb kommen wir jetzt zur Frage 12 des Abgeord-
neten Hartmut Koschyk:
Über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung überAusführungen eines ehemaligen Beraters des seinerzeitigen tsche-chischen Ministerpräsidenten Klaus auf einem deutsch-tschechi-schen Symposium der Sudetendeutschen Ackermann-Gemeindein Iglau Mitte April 2000, in denen unter anderem die Errichtungeines tschechischen Versöhnungsfonds zur Entschädigung sude-tendeutscher Heimatvertriebener vorgeschlagen wurde, und siehtdie Bundesregierung Möglichkeiten, diesen Vorschlag gegenüberder tschechischen Seite zu unterstützen?
D
Herr Koschyk, der Bundesregierung sind Aus-
führungen des Politikwissenschaftlers Bohumil Dolezal
in Iglau bekannt geworden, die von Ihnen zitiert worden
sind. Die Bundesregierung sieht in ihnen einen bemer-
kenswerten Beitrag zur andauernden innertschechischen
Debatte um die Vertreibung. Diese Debatte wird von der
Bundesregierung mit Interesse verfolgt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Koschyk,
bitte.
Ist denn die Bundes-regierung bereit, diese Idee von Bohumil Dolezal, die Sie,Herr Staatsminister, soeben als bemerkenswerten Beitragzur innertschechischen Diskussion bezeichnet haben, inden deutsch-tschechischen Dialog mit aufzunehmen, bei-spielsweise bei den gegenwärtigen Gesprächen von
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000 9445
Mitgliedern der Bundesregierung mit dem ja in Berlinweilenden tschechischen StaatspräsidentenVaclavHavel?D
Ich werde heute beim Abendessen des Bundespräsi-
denten merken, ob Vaclav Havel auf dieses Thema ein-
geht. Ich denke, wir sollten eine entsprechende inner-
tschechische Diskussionsentwicklung abwarten. Wenn
die tschechische Regierung diesen Punkt von sich aus of-
fiziell anspricht, sollten wir darauf eingehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatz-
frage, Herr Kollege Koschyk? – Bitte.
Herr Staatsminister,
halten Sie es nicht im Sinne der sich positiv entwickeln-
den deutsch-tschechischen Beziehungen für geboten, dass
die Bundesregierung ein solches Thema von sich aus im
Verlauf des deutsch-tschechischen Dialoges aufgreift?
D
Wie Sie richtig bemerkt haben, sind wir sehr intere-
ssiert daran, dass sich das Verhältnis positiv entwickelt.
Es hatte vieles schwierig begonnen und man soll die
Dinge sich in Ruhe entwickeln lassen, ohne durch beson-
deren Eifer bei einzelnen Fragen zu neuen Irritationen
beizutragen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir kommen nun zur
Frage 13 des Abgeordneten Koschyk:
Über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung hin-sichtlich der Anliegen der Landesselbstverwaltung der Ungarn-deutschen, die Fragen der deutschen Sprachförderung in Ungarnund der Entsendung von Deutsch-Lehrkräften nach Ungarn be-treffen, die die Vertreter der Landesselbstverwaltung der Ungarn-deutschen zuletzt im Rahmen eines informellen Treffens von elfStaatspräsidenten aus Mittel- und Osteuropa in Ungarn Ende April2000 vorgetragen haben, und in welcher Weise beabsichtigt dieBundesregierung, diesen Anliegen entgegenzukommen?
D
Herr Koschyk, der Vorsitzende der Landesselbst-
verwaltung der Ungarndeutschen, Otto Heinek, äußerte
sich im Gespräch mit dem Bundespräsidenten am Rande
des informellen Treffens von elf mitteleuropäischen
Staatspräsidenten am 29. April 2000 in Ungarn sehr posi-
tiv über die Maßnahmen der Bundesregierung und der
Länder zur Sprachförderung und Entsendung von Lehr-
kräften nach Ungarn.
Die Bundesregierung und die ungarische Regierung
stimmen sich alle zwei Jahre – zuletzt im Oktober 1999 –
in einer gemischten Kommission, in der auch die Un-
garndeutschen vertreten sind, über die Maßnahmen des
Sonderprogramms zur Förderung der deutschen Minder-
heit und des Deutschunterrichts in der Republik Ungarn
ab. Im Protokoll der letztjährigen Sitzung, dem eine um-
fangreiche Projektliste für das Jahr 2000 beigefügt ist,
wird die „wertvolle Unterstützung, die durch das Sonder-
programm in nun schon lange bewährter Weise geleistet
wird, gewürdigt. Die deutsch-ungarische kulturelle Zu-
sammenarbeit wird darin auch für den Bereich der Min-
derheiten als vorbildlich bezeichnet.
Die Unterstützung im Rahmen dieses Sonderpro-
gramms wird die Bundesregierung weiterführen. Ungarn
wird seine herausgehobene Stellung im Lehrerentsende-
programm – bei deutlich geringerer Bevölkerungszahl als
Polen die zweitmeisten entsandten Lehrkräfte – behalten.
Das Lehrerentsendeprogramm wird sich künftig beson-
ders auf Schulen konzentrieren, die aufgrund der Qualität
ihres Deutschunterrichts das Deutsche Sprachdiplom II
der Kultusministerkonferenz anbieten oder die für die
Versorgung der deutschen Minderheiten von besonderer
Bedeutung sind.
Die große Bedeutung Ungarns für die schulische Zu-
sammenarbeit unterstreicht zusätzlich, dass mit Unter-
stützung des Auswärtigen Amts am Ungarndeutschen Bil-
dungszentrum in Baja ein deutsch-ungarisches Spezial-
gymnasium im Aufbau ist und in Fünfkirchen ein
regionales Lehrerfortbildungszentrum eingerichtet wird.
Beides sind Orte mit stark ungarndeutscher Bevölkerung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege Koschyk, bitte.
Herr Staatsminister,
ist vonseiten der Landesselbstverwaltung der Ungarn-
deutschen bei den Gesprächen mit dem Herrn Bundesprä-
sidenten nicht auch die Sorge geäußert worden, dass all
die positiven Entwicklungen, die Sie in Ihren Ausführun-
gen dargestellt haben, ein Stück unter den Sparmaßnah-
men im Bereich der Auswärtigen Kulturpolitik leiden
könnten? Ich darf darauf hinweisen, dass beispielsweise
die Zahl von nach Ungarn entsandten Programmlehrkräf-
ten, die sich in den Jahren 1998/99 auf 87 belief, in den
Jahren 2000/01 auf 65 Lehrkräfte reduziert werden soll.
Überlegt man sich, dass wir gerade in Ungarn diese posi-
tive Entwicklung im Hinblick auf eine gemeinsame
deutsch-ungarische Förderpolitik für die deutsche Min-
derheit erst in den letzten Jahren haben erreichen können,
so muss man feststellen, dass festgelegte Schwerpunkte
der Förderung durch die nicht unerhebliche Reduzierung
der Zahl der Programmlehrkräfte leiden könnten.
D
Herr Koschyk, Sie haben die Zahlen richtig zitiert.Dies ist eine Entwicklung, die wir selber bedauern. Aber –wie Sie wissen – wir haben einen Haushalt mit einer ge-fährlichen Schieflage übernommen,
woraufhin wir verpflichtet waren, in allen Bereichen zusparen. Das empfinden wir selber in einigen Bereichen alssehr schmerzhaft. Im Bereich der Auswärtigen Kulturpo-litik insgesamt würden wir gern mehr investieren.
Ich halte es für angebracht, wenn all diejenigen, die derAuswärtigen Kulturpolitik Bedeutung beimessen, auch inder Öffentlichkeit darauf hinweisen, dass dies kein kon-sumtiver Bereich ist, in dem Kulturgenuss zulasten desdeutschen Steuerzahlers finanziert wird. Dies betrifft viel-mehr investive Bereiche, die sich mittelfristig in jeder Be-ziehung lohnen. Ich hoffe, dass wir zumindest an dem
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000
Hartmut Koschyk9446
Punkt, die Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren, zusam-menarbeiten können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer zweiten Zu-
satzfrage bitte, Herr Kollege Koschyk.
Herr Staatsminister,
nachdem Sie selbst Ihr Bedauern über die Rückführung
der Mittel für die Auswärtige Kulturpolitik ausgedrückt
haben, frage ich Sie: Kann ich Ihren Worten des Bedau-
erns entnehmen, dass sich das Auswärtige Amt bei den
Haushaltsberatungen für das Jahr 2001 im Hinblick auf
unerwartete Haushaltseinnahmen dafür einsetzen wird,
die Haushaltsmittel für die Auswärtige Kulturpolitik zu
erhöhen?
D
Wenn es Spielräume im Etat des Auswärtigen Am-
tes gibt, ist die Auswärtige Kulturpolitik mit bei den Poli-
tikfeldern, die am ehesten und als Erste bedient werden.
Den Etatberatungen insgesamt kann ich nicht vorgreifen.
Der Finanzminister hat hinsichtlich der Zusatzeinnahmen
die klare Linie, zunächst einmal die Verschuldung zurück-
zufahren, damit die Spielräume insgesamt wieder wach-
sen. Über den Umweg der dann gewachsenen Spielräume
wird dies dann der Auswärtigen Kulturpolitik zugute
kommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir kommen nun zum
Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern.
Die Frage 14 der Kollegin Gudrun Kopp sowie die Fragen
15 und 16 der Kollegen Wolfgang Zeitlmann und
Dr. Hans-Peter Uhl werden schriftlich beantwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Auch hier
werden die Frage 17 des Kollegen Matthäus Strebl sowie
die Fragen 18 und 19 des Kollegen Helmut Heiderich
schriftlich beantwortet.
Deshalb rufe ich jetzt den Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung
steht die Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte
Schulte zur Verfügung. Wir kommen zunächst zur Frage
20 des Abgeordneten Erich G. Fritz:
Sind die Informationen in dem Bericht des Hamburger Maga-zins „Stern“ vom 23. März 2000 zutreffend, dass die Bundeswehrgegenwärtig mit der Aufrüstung der „Fuchs“-Spürpanzer befasstist, und wie erklärt sich die Bundesregierung Informationen des-selben Magazins, wonach zwischen der Spürpanzer-Hersteller-firma H. und Bundeswehrexperten vereinbart wurde, dass dieWehrtechnische Dienststelle für Schusstests der Bun-deswehr die Schießerprobung der „Fuchs“-Spürpanzer über-nimmt?
B
Herr Kollege Fritz, die Bun-
deswehr ist mit der Aufrüstung des Spürpanzers „Fuchs“
nicht befasst. Richtig ist, dass die Vereinigten Arabischen
Emirate seit langem den Wunsch haben, den Spürpanzer
„Fuchs“ von einem deutschen Hersteller zu beschaffen.
Sie wünschen in diesem Fall die amtliche Erprobung
durch wehrtechnische Dienststellen der Bundeswehr. Das
geschieht dann gegen Kostenerstattung. Voraussetzung
für die Umsetzung dahin gehender Planungen ist der Ab-
schluss entsprechender Verträge zwischen den Vereinig-
ten Arabischen Emiraten und dem deutschen Hersteller
bzw. dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Fritz zu
einer Nachfrage? – Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich die Frage 21 des Kollegen Erich G. Fritz
auf:
Ist es zutreffend, dass die Waffenanlage des Fahrzeugs einervollständigen Erprobung unterzogen wird, die neben dem Schieß-bereich auch die Feuerleitanlage, die Waffensicherung, den Funk-tions- und Lebensdauerbeschuss, den Treffbildbeschuss sowie dieCo-Messung einschließt, und wie erklärt sich die Bundesregie-rung einen solch beträchtlichen Aufwand für einen Spürpanzer,der nach Aussagen des Bundesministers der Verteidigung, RudolfScharping, unbewaffnet sein soll?
B
Diese Frage befasst sich mit
dem gleichen Thema. Herr Kollege Fritz, die Vereinigten
Arabischen Emirate beabsichtigen, den „Fuchs“-Spür-
panzer zur Selbstverteidigung der Besatzung gegebenen-
falls auch mit der im „Stern“-Artikel vom 23. März 2000
skizzierten Waffenanlage, dem schweren Maschinenge-
wehr, ausrüsten zu lassen, wobei die Waffe selbst nicht
zum gewünschten Lieferumfang des deutschen Herstel-
lers gehört.
Der Erprobungsumfang würde dem bei einer ver-
gleichbaren Anlage erforderlichen Aufwand entsprechen.
Er würde die Wechselbeziehung – das ist nun technisch –
zwischen der Plattform und der Bewaffnung im techni-
schen Systemverbund berücksichtigen müssen und würde
dann auch eine entsprechende Aufgabe haben. Aber auch
hier gilt: Es gibt dazu keine Entscheidung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Kollege Fritz zu
einer Zusatzfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin, Sie
haben gerade versucht, den Zweck der Bewaffnung des
Panzers auf die Selbstverteidigung der Besatzung zu re-
duzieren. Geben Sie mir Recht, dass es sich bei dem zu er-
probenden Waffensystem durchaus um ein Waffensystem
handelt, das auch als Unterdrückungsmittel in inneren
Konflikten eingesetzt werden kann? Und stimmen Sie mir
insbesondere zu, dass aufgrund dieser Form der Bewaff-
nung die Aussage des Bundesverteidigungsministers, es
handele sich bei dem Gerät sozusagen um fahrende La-
bors, auf keinen Fall zutreffen kann?
B
Nein, da gebe ich Ihnen nichtRecht. Selbstverständlich ist ein schweres Maschinenge-wehr eine Waffe. Selbstverständlich kann sie auch gegenMenschen im Inland eingesetzt werden. Aber ein Spür-panzer, dessen eigentliche Aufgabe der Schutz vor ABC-Waffen ist, wird sicherlich von niemandem wegen desschweren Maschinengewehrs eingesetzt. Das kann manleichter und billiger haben und zudem kann man das auchwoanders draufsetzen.Der Minister hat in dieser Diskussion auch ausdrück-lich gesagt, dass es nicht um die Bewaffnung geht. DieVereinigten Arabischen Emirate und andere kaufen diesesSystem wegen der ABC-Spürfähigkeit. Diese macht es
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000
Staatsminister Dr. Ludger Vollmer9447
interessant auch für andere Staaten. Insofern ist die Ver-knüpfung meiner Meinung nach falsch. Denn für einenKampfpanzer würde natürlich ein ganz anderes Kaliberund nicht ein schweres Maschinengewehr infrage kom-men. Aber selbstverständlich ist jedes Maschinengewehreine Waffe.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine weitere Zusatz-
frage. Bitte, Herr Kollege Fritz.
Stimmen Sie mir zu, Frau
Staatssekretärin, dass jedes gepanzerte Fahrzeug, wie im-
mer es bewaffnet ist und welchem eigentlichen Zweck es
dient, in Situationen massiven Militäraufmarsches – wenn
in einer Stadt oder einer Region öffentlich Präsenz gezeigt
werden soll – der Einschüchterung, der Repression dienen
kann?
B
Diese Aussage halte ich für
sehr gewagt. Wenn es sich um einen schweren militäri-
schen Konflikt handelt, dann wird man gepanzerte Ver-
bände weiß Gott nicht mit einem schweren Maschinenge-
wehr bekämpfen.
– Entschuldigung! – Den Spürpanzer „Fuchs“ würde man
einsetzen, wenn man damit rechnen muss, dass ABC-
Waffen eingesetzt worden sind oder eingesetzt werden.
Abgesehen davon wiederhole ich – auch Sie werden ja
wahrscheinlich ein bisschen davon verstehen –: Ein
schweres Maschinengewehr kann in vielerlei Formen und
Arten eingesetzt werden. Man kann es sogar auf einen
leichten Jeep stellen. Es stellt immer eine Bedrohung dar.
Aber dies macht das Waffensystem nicht zu einem An-
griffssystem. Darum ging es ja in dieser Sache. Es ging
darum, dass dieses System ein reines Verteidigungssys-
tem ist, was bei der Aufspürung von ABC-Kampfmitteln
hilft. Das hat nichts mit einem Kampfpanzer zu tun. Ein
Kampfpanzer wird in der Tat anders definiert.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe jetzt die
Frage 22 des Abgeordneten Werner Siemann auf:
Welche konkreten Initiativen im Hinblick auf Rüstungskoope-ration als vertrauensbildende Maßnahme mit Osteuropa hat dieBundesregierung bisher ergriffen und was hat die Bundesregie-rung unternommen, bei unseren westeuropäischen Partnern füreine verstärkte Rüstungskooperation mit Osteuropa zu werben?
B
Herr Kollege Siemann, die
Bundesregierung misst der Rüstungskooperation mit Ost-
europa als vertrauensbildende Maßnahme eine besondere
Bedeutung bei. Im Übrigen gehören die meisten dieser
Staaten ja heute zum „partnership for peace“-Programm
der NATO.
Seit 1995 wurden mit neun ost-, mittel- und südosteu-
ropäischen Staaten Rüstungsrahmenabkommen verein-
bart. Dafür wurden bilaterale Rüstungskommissionen
eingesetzt, die einmal jährlich tagen. Mit anderen Staaten
aus diesem Bereich findet mindestens einmal jährlich ein
rüstungswirtschaftliches Gespräch statt. Diese Staaten
werden beim Aufbau einer funktionsfähigen Organisation
des Rüstungsbereichs, bei Fragen der Privatisierung der
staatlichen Industrie und der Konversion beraten. Im Rah-
men der Möglichkeiten werden diese Staaten durch die
unentbehrliche Abgabe ausgesonderten Materials der
Bundeswehr unterstützt.
Multilateral regte die Bundesregierung ein Nutzerstaa-
tenkonzept für das Luftfahrzeug MiG-29 an. Russland,
die Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien nahmen
daran teil. Am 28. April 2000 wurde Einvernehmen über
den Entwurf eines Übereinkommens über gemeinsame
Standardisierung, Modernisierung und technisch-logisti-
sche Versorgung des Flugzeuges MiG-29 erzielt. Wenn
ich richtig unterrichtet bin – das steht hier in meiner
schriftlichen Vorlage noch nicht –, kann dieser Vertrag auf
der ILA auch unterschrieben werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Siemann zu
einer Nachfrage, bitte.
Frau Staatssekretärin,
auf welche Resonanz ist das, was Sie gerade dargestellt
haben, bei unseren westeuropäischen Partnern gestoßen?
B
Es trifft sich gut, dass ich vieleJahre Vorsitzende der Sozialdemokraten bei der NATOwar und mich intensiv um diese Staaten gekümmert habe.Es gibt zwei Probleme, die wir als Westeuropäer immerfestgestellt haben. Auf der einen Seite kamen unsere ame-rikanischen Freunde und haben diesen Staaten – die meis-ten Empfehlungen betrafen Rumänien, wo das besondersschlimm war – empfohlen, sie sollten doch alles weg-schmeißen, was sie als Rüstungsmaterial bis dahin beses-sen haben, und sollten nach Möglichkeit das neue Mate-rial aus dem Westen kaufen.Dann sind auf der anderen Seite unsere klugen Mi-litärattaches oder Rüstungsattaches hingegangen und ha-ben gesagt: Mein Gott, ihr habt jetzt genügend andereAufgaben zu erfüllen; überlegt doch einmal, welches voneurem Gerät bei den verkleinerten Streitkräften – sie ha-ben ja alle die Streitkräfte verkleinert – noch einsatzfähigist. Ich glaube, wir haben da eine gute Arbeit geleistet. Ichdenke, dass die Staaten inzwischen auch begriffen haben,dass wir ihnen helfen wollten.Zusätzlich hatten wir noch einen Vorteil gegenüber al-len anderen. Wir kannten ihr Gerät durch die deutscheEinheit. Wir haben fast alle diese Waffen des Ostblocksmit der NVAgeerbt und konnten ihnen technisch ein biss-chen helfen und sie damit von dem Druck der damaligenSowjetunion und auch von den Kostenentwicklungen et-was unabhängiger machen.Ich glaube, der Westen ist daran nur interessiert, wennes um neues Gerät geht – da ist dann die normale Kon-kurrenz vorhanden –, aber bei der Hilfe für das bestehendeMaterial – alle diese Staaten haben sehr viel Material ge-habt – haben wir eine gute Arbeit gemacht. Ich habe niegehört, dass das einer kritisiert hat.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000
Parl. Staatssekretärin Brigitte Schulte9448
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dann rufe ich die
Frage 23 des Kollegen Siemann auf.
Wie bewertet die Bundesregierung die in der „Bild am Sonn-tag“ vom 23. April 2000 abgedruckte Äußerung des Bundesmini-sters für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, JürgenTrittin, die Wehrpflicht solle möglichst bald und ohne viel Aufhe-bens abgeschafft werden, denn sie sei heute nicht mehr bezahlbar?
B
Ach, Herr Kollege Siemann!
Die Äußerungen des Bundesministers Trittin stellen eine
persönliche Meinungsäußerung im Rahmen der öffentli-
chen Debatte über die Beibehaltung der Wehrpflicht dar.
Unser Bundeskanzler Schröder und unser Verteidi-
gungsminister Scharping haben sich deutlich zur Wehr-
pflicht bekannt.
Gerhard Schröder hat in seiner unnachahmlichen Art ge-
sagt: Die Gedanken sind frei.
Dennoch wird sich die Bundesregierung erst nach der
Vorlage des Berichts der Kommission „Gemeinsame Si-
cherheit und Zukunft der Bundeswehr“ am 23. Mai 2000
ein abschließendes Urteil bilden und sie hofft dabei auf
die tatkräftige Unterstützung auch Ihrer Partei. Die Bun-
desregierung bewertet in den Medien abgedruckte Äuße-
rungen von Mitgliedern der Bundesregierung nicht.
Ich kann nur sagen: Die Gedanken sind frei.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich erteile Herrn Kol-
legen Siemann zu einer Zusatzfrage das Wort.
Nur eine Zusatzfrage:
Frau Staatssekretärin, Sie geben mir aber Recht, dass die
Meinung von Herrn Trittin nicht mit der Meinung unseres
Verteidigungsministers Scharping identisch ist?
B
Nicht nur mit dessen Meinung
ist sie nicht identisch. Ich habe extra deswegen den Bun-
deskanzler erwähnt, der nebenbei auch noch Parteivorsit-
zender der Sozialdemokratischen Partei ist.
Ich halte es für völlig normal, dass es auch in der
CDU/CSU Leute gibt, die sagen, wir brauchen eigentlich
keine Wehrpflicht; da fallen mir einige Namen ein. Ich
habe auch überhaupt keine Probleme, dass Vertreter der
Grünen das sagen. Nur: Wir haben hier eine klare Äuße-
rung des Verteidigungsministers und eine klare Äußerung
des Parteivorsitzenden und Bundeskanzlers. Wir haben
Gott sei Dank auch klare Äußerungen von Ihnen und von
mir und von anderen dazu, sodass ich ganz gelassen bin,
was diese Frage betrifft.
– Ich bitte Sie, sich sehr genau zu überlegen, was Sie da
sagen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir kommen jetzt
zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Fami-
lie, Senioren, Frauen und Jugend. Zur Beantwortung
der Fragen steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin
Dr. Edith Niehuis zur Verfügung.
Ich rufe Frage 25 des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert auf:
Mit welcher Aufgabenstellung und mit welchen Ergebnissen
wurde am 4. Mai 2000 unter Federführung des Bundesministeri-
ums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine Ta-
gung des Ausschusses „Zukunft des Zivildienstes“ durchgeführt?
D
Herr Kollege Seifert, die Arbeitsgruppe „Zukunft des Zi-
vildienstes“ ist von der Bundesministerin für Familie, Se-
nioren, Frauen und Jugend einberufen worden und hat
sich am 4. Mai 2000 konstituiert. Sie soll unter Berück-
sichtigung der Ergebnisse der Kommission „Gemeinsame
Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr“ und der Be-
schlüsse der Bundesregierung Empfehlungen für die Aus-
gestaltung des Zivildienstes vorlegen.
Der Arbeitsgruppe gehören 16 Vertreterinnen und Ver-
treter von Verbänden und Organisationen an, die Zivil-
dienst durchführen oder die den Zivildienst im Beirat für
den Zivildienst begleiten. Ihre Empfehlungen sollen im
Herbst vorliegen. Die Arbeitsgruppe wird vom Bundes-
beauftragten für den Zivildienst geleitet.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Seifert, eine
Zusatzfrage, bitte.
Vielen Dank, Frau Niehuis. –
Die Situation ist aber so, dass im Zivildienst jetzt, im Mai,
im Juni und Juli bis September, dieses Jahres echte Pro-
bleme auftauchen. Wird sich denn diese Kommission da-
mit überhaupt nicht befassen bzw. spielt das keine Rolle
in den Überlegungen Ihres Ministeriums?
D
Frau Präsidentin, der Kollege Seifert hat in seiner Zusatz-
frage schon die nächste Frage angeschnitten. Sie fragen in
Ihrer nächsten Frage, ob sich die Ergebnisse auch mit der
Gegenwart beschäftigen. Insofern bitte ich darum, die
nächste Frage beantworten zu dürfen. Dann reden wir
noch einmal darüber. Können wir es so machen?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das können Sie tun,Frau Parlamentarische Staatssekretärin.Ich rufe dann auch die Frage 26 auf:Welche dieser Ergebnisse sind darauf gerichtet zu verhindern,dass die – aufgrund der im Haushaltssanierungsgesetz 1999 fest-gelegten Einsparmaßnahmen – beim Zivildienst erfolgten Verän-
beiführen, bei denen die bisher erbrachten Leistungen im sozialenBereich vor Ort entweder reduziert werden oder aber zu höherenKostenbelastungen für die zu betreuenden Menschen – vor allemKinder und Jugendliche, alte und pflegebedürftige Menschen so-wie Menschen mit Behinderungen – führen?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000 9449
D
Wie bereits ausgeführt, dient die Arbeitsgruppe den Über-
legungen zum Zivildienst, bezogen auf die Empfehlungen
der Kommission „Gemeinsame Sicherheit und Zukunft
der Bundeswehr“ bzw. auf die damit verbundenen Be-
schlüsse der Bundesregierung. Da sich die Arbeitsgruppe
erst am 4. Mai konstituiert hat und die Entscheidungen
hinsichtlich der künftigen Struktur der Bundeswehr noch
nicht gefallen sind, können naturgemäß noch keine Er-
gebnisse vorliegen.
Mit den Wohlfahrtsverbänden sind die Auswirkungen
der Dienstzeitverkürzung und der Einberufungshöchst-
grenzen rechtzeitig erörtert worden. Die Wohlfahrtsver-
bände haben es übernommen, die Einberufung der Zivil-
dienstpflichtigen im Rahmen der vom Bundesamt für den
Zivildienst vorgegebenen Obergrenzen zu steuern. Nach
derzeitigem Kenntnisstand werden in den Sommermona-
ten Juli bis September, das heißt in der Zeit, in der die mei-
sten Entlassungen aufgrund der Dienstzeitverkürzungen
vollzogen werden, gleichwohl zwischen 100 000 und
110 000 Zivildienstleistende im Dienst sein.
Da es die Verbände im Rahmen der Einberufungs-
steuerung, die sie seit Januar dieses Jahres in eigener Ver-
antwortung vornehmen, verstanden haben, Prioritäten im
engeren sozialen Bereich zu setzen, ist weitestgehend si-
chergestellt, dass Plätze in der Betreuung von alten, pfle-
gebedürftigen und behinderten Menschen sowie in der in-
dividuellen Schwerstbehindertenbetreuung und der indi-
viduellen Schwerstbehindertenbetreuung von Kindern
rechtzeitig nachbesetzt werden können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Dr. Seifert,
bitte Ihre Zusatzfragen.
Frau Kollegin Niehuis, da Sie
jetzt die beiden Fragen gemeinsam beantworten, möchte
ich zwei Dinge etwas detaillierter erklärt haben. Sie sag-
ten, dass es weitgehend gesichert sei, dass über die
Wohlfahrtsverbände in bestimmten sozialen Bereichen,
die Sie genannt haben und die besonders wichtig sind,
hinreichende Nacheinberufungen erfolgen können. Es ist
aber doch bekannt, dass es zwischen Oktober und De-
zember vergangenen Jahres in einigen Bundesländern
sehr viele Einberufungen gegeben hat, sodass es sozusa-
gen innerhalb des Haushaltsjahres des Zivildienstes
tatsächlich zu Lücken kommen wird.
Wie können wir an dieser Stelle sicherstellen, dass kein
einziger schwerbehinderter Mensch, kein einziger alter
Mensch, kein einziges schwerbehindertes Kind – um bei
diesem Beispiel zu bleiben –, das auf individuelle Betreu-
ung angewiesen ist, auch nur einen einzigen Tag ohne die
entsprechende Betreuung ist? Es kann einfach nicht einen
Tag ohne Betreuung sein.
D
Wir müssen über die Selbststeuerung sprechen, die dieWohlfahrtsverbände übernommen haben. Sie haben vomletzten Jahr geredet. Im Oktober letzten Jahres haben wirmit den Wohlfahrtsverbänden vereinbart, dass sie im Jahr2000 ihren Bereich steuern. Das haben die meisten Wohl-fahrtsverbände sehr geschickt und verantwortungsvoll ge-macht. Wir sitzen zur Zeit ständig mit den Wohlfahrtsver-bänden zusammen und werden das noch einmal Ende Maitun, um die aktuelle Situation im Sommer abzuklären undum die Problembereiche, die Sie ansprechen, zu diskutie-ren.Es gibt unterschiedliche Bemühungen in den Wohl-fahrtsverbänden, diese Selbststeuerung zu realisieren. Diemeisten Wohlfahrtsverbände – das sind 90 Prozent – ha-ben es so gesteuert, dass sie in der Sommerzeit alle zu-sammen 100 000 bis 110 000 Zivildienstleistende zur Ver-fügung haben. Im sozialen Bereich standen im letzten Jahr90 000 Zivildienstleistende zur Verfügung, sodass mit derSteuerungsleistung der Wohlfahrtsverbände gesichert ist,dass im Juli/August – das sind die beiden kritischen Mo-nate – keine Lücke entsteht. Wir werden uns aber nocheinmal Ende Mai zusammensetzen – wir haben auch imApril zusammengesessen –, um zu einer endgültigen Be-standsaufnahme zu kommen.Sie haben den Bereich der individuellen Schwerstbe-hindertenbetreuung gesondert angesprochen. In diesemBereich sind nicht so viele tätig. Von 127 000 Zivildienst-leistenden sind 3 800 in diesem Bereich tätig. Das ist nurein kleiner Bereich, aber – hier stimme ich Ihnen zu – einsehr wichtiger Bereich, weil die selbstständige Lebens-führung der Behinderten zu Hause von dem Einsatz derindividuellen Schwerstbehindertenbetreuung mit abhän-gig ist.Im Bereich der individuellen Schwerstbehindertenbe-treuung gibt es seit 1991 ein grundsätzliches Problem, dasmit den Maßnahmen der Bundesregierung für das Jahr2000 gar nichts zu tun hat: Immer weniger Zivildienstleis-tende wollen freiwillig im Bereich der individuellenSchwerstbehindertenbetreuung arbeiten. Die in diesemBereich anfallende Arbeit muss freiwillig – das ist zuRecht so geregelt – von den Zivildienstleistenden über-nommen werden. Das Problem, dass in diesem Bereichimmer weniger Zivildienstleistende arbeiten wollen, gibtes, wie gesagt, seit 1991. Vor diesem Problem stehen wirauch in diesem Jahr. Aber ich möchte Ihnen versichern,dass wir versuchen werden, die Schwierigkeiten, die esnoch im Bereich der Schwerstbehindertenbetreuung gibt,bis Ende Mai bzw. bis zum Sommer zu lösen, weil auchwir die Arbeit in diesem Bereich für eine wichtige Auf-gabe halten.Ich möchte Ihnen die aktuellen Zahlen vortragen: Der-zeit sind von 127 000 Zivildienstleistenden circa 3 800 imISB-Erwachsenenbereich bzw. ISB-Kinderbereich einge-setzt. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dassseit geraumer Zeit die Zahl der belegten ISB-Plätze rück-läufig ist. Dies lässt sich mit den folgenden Zahlen bele-gen: 1991 standen 7 843 Zivildienstplätze in den beidenISB-Bereichen zur Verfügung, von denen 3 625 mit Zivil-dienstleistenden belegt waren. Das heißt, es standen auch1991 sehr viel mehr Plätze zur Verfügung, als tatsächlichbelegt werden konnten. Per 15. April 2000 stehen 7 174Zivildienstplätze zur Verfügung, von denen 2 790 mitZivildienstleistenden belegt sind. Ein wesentlicherGrund – darauf habe ich bereits hingewiesen –, warum soviele Betreuungsplätze nicht belegt sind, ist die man-gelnde Nachfrage geeigneter Bewerber nach solchen Zi-vildienstplätzen.Eine gegenläufige Entwicklung ist allerdings im Be-reich ISB von Kindern zu beobachten. Hier standen 1991
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 20009450
lediglich 493 Plätze zur Verfügung, von denen 310 mit Zi-vildienstleistenden besetzt waren. Am 15. April 2000standen 1 552 Plätze in diesem Bereich zur Verfügung,von denen 1 003 mit Zivildienstleistenden besetzt waren.Im Bereich der Betreuung von schwerstbehinderten Kin-dern steigt also die Zahl der Zivildienstleistenden,während sie im Bereich der Betreuung von schwerstbe-hinderten Erwachsenen sinkt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer weiteren Zu-
satzfrage Herr Kollege Dr. Seifert, bitte.
Vielen Dank für die ausführli-
che Darstellung der Zahlen. – Habe ich noch zwei Zu-
satzfragen, Frau Präsidentin?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie haben insgesamt
vier Zusatzfragen, weil die zwei schriftlich von Ihnen ein-
gereichten Fragen zusammen beantwortet wurden.
Dann möchte ich auf meine
zweite schriftlich eingereichte Frage zurückkommen.
Welche Erkenntnisse liegen dem Ministerium über die
Auswirkung der durch das Haushaltssanierungsgesetz
hervorgerufenen zusätzlichen Belastungen auf die Ein-
satzstellen vor, wenn sie zum Beispiel 30 Prozent des Ent-
lassungsgeldes selbst zahlen müssen? Die Einsatzstellen
haben doch keine andere Möglichkeit, als diese Belastun-
gen auf ihre Klienten umzulegen. Bedeutet dies für die
Betreuungsbedürftigen nicht eine zusätzliche Zuzahlung,
die man ihnen eigentlich nicht mehr zumuten kann?
D
Ich glaube, wir müssen die Kirche im Dorf lassen. Worum
geht es eigentlich? Die Tatsache, dass die Beschäfti-
gungsstellen mit 30 Prozent am Entlassungsgeld beteiligt
wurden und dass sie sich statt wie bisher nicht mehr mit
25 Prozent, sondern mit 30 Prozent am Sold der Zivil-
dienstleistenden beteiligen müssen – das entspricht einer
Erhöhung von 5 Prozentpunkten –, bedeutet für die Wohl-
fahrtsverbände Mehrausgaben in Höhe von 2 DM pro Zi-
vildienstleistenden und Tag.
Ich möchte auf die Kalkulationspraxis der Wohlfahrtsver-
bände eingehen. Die Wohlfahrtsverbände führen sehr
häufig Mischkalkulationen durch, in deren Rahmen sie
die Beschäftigung von Zivildienstleistenden nutzen, um
zusätzliche Einnahmen zu erzielen bzw. ihr übriges Per-
sonal mit zu finanzieren. Ich glaube nicht, dass sich die
zusätzliche Belastung in Höhe von 2 DM pro Zivildienst-
leistenden und Tag – Klagen von Wohlfahrtsverbänden
darüber liegen uns auch nicht vor – auf die Beteiligung der
Betroffenen an den Kosten auswirken wird, wenn sie Zi-
vildienstleistende in Anspruch nehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Kollege Dr. Seifert,
Ihre nächste Zusatzfrage.
Frau Niehuis, Ihr Glaube in al-
len Ehren; ich hoffe, dass er zutrifft.
Ich möchte auf die längerfristig tätige Kommission, die
sich mit der zukünftigen Struktur befasst und auf die ich
in meiner ersten Zusatzfrage eingegangen bin, zurück-
kommen. Können Sie mir nach der Konstituierung dieser
Kommission sagen, mit welchen strukturellen Fragen sich
diese Kommission befassen wird? Gibt es Szenarien für
den so genannten schlimmsten Fall, falls zum Beispiel der
Zivildienst nicht mehr existiert, weil – theoretisch mög-
lich – die Wehrpflicht abgeschafft wird? Welcher Ersatz
für den Zivildienst ist angedacht? Welche Übergangs-
vorschläge – das ist mindestens genauso wichtig – kann
man von dieser Kommission überhaupt erwarten?
D
Herr Kollege Dr. Seifert, wir waren beide schon im Raum,
als meine Kollegin Frau Schulte zu diesem Punkt Ant-
worten gegeben hat. Sie hat zum einen nicht in Aussicht
gestellt, dass die Wehrpflicht abgeschafft wird; zum an-
deren hat sie – das beantwortet Ihre Frage – darauf auf-
merksam gemacht, dass das Verteidigungsministerium
zunächst einmal abwartet, bis am 23. Mai das Ergebnis
und in der Folge die Beschlüsse der Bundesregierung vor-
gelegt werden.
Das, was im Moment in den Medien stattfindet – es
wird über etwas diskutiert, was irgendwie dorthin gelangt
ist; ob es vollständig ist, kann ich nicht beurteilen –, ist
kein fairer Umgang mit der Zukunftskommission und
schon gar nicht mit ihrem Vorsitzenden. Ich möchte mich
daran eigentlich nicht beteiligen.
Ich möchte, dass durch die Besetzung dieser Arbeits-
gruppe mit Expertinnen und Experten aus der Praxis des
Zivildienstes und durch die verteidigungspolitischen Be-
schlüsse sichergestellt wird – wie auch immer das Ergeb-
nis sein wird –, dass der soziale Bereich, um den es ins-
besondere geht, auch weiterhin betreut werden kann.
Dennoch muss ich grundsätzlich anmerken, dass der Zi-
vildienst keinen Sicherstellungsauftrag für den sozialen
Bereich hat; vielmehr hat er grundsätzlich einen Sicher-
stellungsauftrag, was Wehrgerechtigkeit anbetrifft.
Es ist wichtig, dass wir uns das vergegenwärtigen, weil
die Zahl der Zivildienstleistenden – ganz unabhängig da-
von, was in Zukunft entschieden werden muss – so vari-
iert, dass es fahrlässig wäre, wenn man den sozialen Be-
reich nur darauf fußen lassen würde. Zu Beginn der
90er-Jahre hatten wir im Durchschnitt etwa 90 000 Zivil-
dienstleistende: 1990 waren es 89 051. 1991 hatten wir
79 091 und im letzten Jahr waren es 138 364. Der Spiel-
raum liegt bei ungefähr 40 000 Zivildienstleistenden.
Jeder Wohlfahrtsverband sollte vorsichtig sein, wenn
er darüber entscheidet, ob er pflegebedürftige Menschen
nur von Zivildienstleistenden betreuen lässt. Ein solches
Vorgehen steht immer auf wackligen Füßen; denn man ist
abhängig von der Geburtenstärke der jeweiligen Jahr-
gänge und von der individuellen Gewissensentscheidung
der jungen Männer. Diese zwei Variablen können weder
die Bundesregierung noch die Wohlfahrtsverbände beein-
flussen. Hierüber wird Jahr für Jahr neu entschieden. In-
sofern ist es schwierig, mit den Zivildienstleistenden den
Personalbedarf im sozialen Bereich abzudecken.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage 24 des Ab-geordneten Klaus Haupt entfällt wegen Abwesenheit des
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000
Parl. Staatsekretärin Dr. Edith Niehuis9451
Kollegen. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsord-nung vorgesehen.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesminis-teriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.Die Fragen 27 und 28 des Kollegen Hans-MichaelGoldmann werden nicht beantwortet, weil der Fragestel-ler ebenfalls nicht anwesend ist. Es wird verfahren, wie inder Geschäftsordnung vorgesehen.Die Fragen 29 und 30 der Kollegin Brunhilde Irberwerden schriftlich beantwortet.Wir kommen zur Frage 31 des Kollegen Georg Girisch:Wie erklärt die Bundesregierung den Unterschied zwischendem im Koalitionsvertrag erklärten Ziel, durch solidarische Hil-fen zur ökonomischen und demokratischen Stabilisierung derMOE-Staaten beitragen zu wollen, und ihrem tatsächlichen poli-tischen Handeln, keine ausreichenden Investitionsmittel für einerasche Fertigstellung der Ost-West-Magistrale A 6, die einenLückenschluss bei einer europäischen Autobahn zwischen derfranzösischen Atlantikküste bis fast zum Schwarzen Meer dar-stellt, einzuplanen – weder im aktuellen Investitionsprogrammdes Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesennoch im so genannten Anti-Stau-Programm?Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatsse-kretär Siegfried Scheffler zur Verfügung.S
Lie-
ber Kollege Girisch, die Frage ist bekannt, auch wenn sie
recht lang ist, sodass ich mir die Wiederholung erspare.
Die Bundesregierung verfolgt das in der Koalitions-
vereinbarung genannte Ziel, die Europäische Union aktiv
dabei zu unterstützen, durch eine wirksame Heran-
führungsstrategie und solidarische Hilfen zur ökonomi-
schen und demokratischen Stabilisierung der mittel- und
osteuropäischen Länder beizutragen, mit Nachdruck.
Deutlich wird dies zunächst in der konzentrierten und en-
gagierten Mitarbeit in den entsprechenden Arbeitsgrup-
pen der Europäischen Kommission. Darüber hinaus ent-
halten die den MOE-Ländern von der Europäischen
Union zur Verfügung gestellten Finanzmittel wesentliche
deutsche Anteile.
Über dieses europäische Engagement hinaus verfolgt
die Bundesregierung den Ausbau des Bundesautobahn-
netzes, insbesondere auch unter Berücksichtigung trans-
europäischer Verkehrsverbindungen. Dies gilt auch für
die A 6. Diese Aussage hat Minister Klimmt zuletzt in der
Debatte am 14. April dieses Jahres im Deutschen Bun-
destag bestätigt. Im Hinblick auf die parallel laufenden
europäischen und nationalen Aktivitäten gibt es keinen
Unterschied im Verhalten der Bundesregierung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Girisch, bitte Ihre Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wel-
che Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, für dieses
Projekt, das eng mit der EU-Osterweiterung zusammen-
hängt, von der EU zusätzliche Mittel zu erhalten, ohne
dass andere EU-Mittel für Deutschland geschmälert wer-
den?
S
Herr
Kollege Girisch, Sie heben auf die Koalitionsvereinba-
rung vom 20. Oktober 1998 ab. Ich darf daraus zitieren.
In dem betreffenden Absatz, der Ihnen vorliegt, heißt es:
Die neue Bundesregierung wird die Europäische
Union aktiv dabei unterstützen ...
Es ist also nicht von einem umgekehrten Verhältnis die
Rede. Wir unterstützen die Europäische Union durch eine
wirksame Heranführungsstrategie und solidarische Hilfen
dabei, zur ökonomischen und demokratischen Stabilisie-
rung der mittel- und osteuropäischen Länder beizutragen.
Voraussetzung für die Inanspruchnahme von zusätzli-
chen EU-Mitteln zum Bau der Autobahn zwischen den
Anschlussstellen Amberg-Ost und Waidhaus – das haben
sehr viele Gespräche ergeben – ist natürlich die vorhan-
dene Baureife. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass
unsere tschechischen Partner gleichfalls mit europäischen
Mitteln und – ich sagte es bereits – auch deutschen Antei-
len im letzten Bauabschnitt die Verbindung von Pilsen bis
zur tschechisch-deutschen Grenze vorantreiben. Ihnen ist
natürlich auch bekannt, dass bei einzelnen Streckenab-
schnitten – ich denke nur an Amberg-Ost–AK Pfreimd,
Pfreimd–Woppenhof–Kaltenbaum oder Kaltenbaum–
Lohma, während Lohma–Waidhaus bereits unter Verkehr
ist – hier noch erhebliche Probleme zu erwarten sind oder
Gerichtsverfahren anhängig sind.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Girisch, bitte Ihre zweite Frage.
Herr Staatssekretär, kön-
nen Sie sich vorstellen, dass auch andere Verkehrspro-
jekte, die eng mit der europäischen Einigung zusammen-
hängen, durch eine gemeinsame Finanzierung aus Mitteln
der EU schneller gebaut werden können, und können Sie
mir auch sagen, wer in der Bundesregierung der An-
sprechpartner für die gesamte Thematik EU-Osterweite-
rung ist?
S
Herr
Kollege Girisch, Sie wissen natürlich – das habe ich mit
der Beantwortung der vorherigen Frage deutlich zu ma-
chen versucht –, dass entsprechendes Planungsrecht und
auch die Baureife für die Abschnitte glaubhaft gemacht
werden müssen, bevor EU-Hilfen beantragt werden kön-
nen. Das ist die Voraussetzung für derartige Anträge.
Bei Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen im transeuro-
päischen Verkehrsnetz – im vorliegenden Falle geht es ja,
wenn Sie so wollen, um eine europäische Transversale –
ist das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Woh-
nungswesen federführend. Unabhängig davon können wir
entsprechend Ihrer Fragestellung davon ausgehen, dass
das Auswärtige Amt hier natürlich ebenfalls koordinie-
rend wirken könnte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Eine Zusatzfrage desKollegen Deß, bitte.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000
Vizepräsidentin Petra Bläss9452
Herr Staatssekretär, die
Bundesregierung sagt, dass das Ökosteueraufkommen zur
Entlastung der Lohnnebenkosten verwendet werden soll.
Es ist aber bekannt, dass ein großer Teil dieses Aufkom-
mens nach Umsetzung der dritten Stufe der Ökosteuer
nicht mehr zur Entlastung der Lohnnebenkosten verwen-
det wird. Wäre es hier nicht angebracht, einen Teil dieser
Mittel zum Ausbau der Verkehrswege zu verwenden?
S
Sie
wissen natürlich, dass der Bundesminister entsprechend
dem Auftrag und in enger Abstimmung mit der
Verkehrsministerkonferenz nach zusätzlichen finanziel-
len Mitteln für den Neu- und Ausbau, aber auch für den
Erhalt unserer Verkehrsinfrastruktur nicht nur Ausschau
hält, sondern er hat auch eine unabhängige Kommission
eingesetzt – das möchte ich betonen –, die dem Bundes-
minister entsprechende Vorschläge unterbreitet. Unab-
hängig davon hat der Bundesminister für Verkehr, Bau-
und Wohnungswesen dem Kabinett und dem Deutschen
Bundestag das Anti-Stau-Programm vorgestellt, gemäß
dem über 7 Milliarden DM sowohl für Straßen- als auch
für Schienen- und Bundeswasserstraßenprojekte einge-
setzt werden.
Sie haben die dritte Stufe der ökologischen Steuerre-
form angesprochen. Wir können natürlich heute noch
nicht über ungelegte Eier und Abschlüsse reden. Insofern
können über konkrete Finanzierungszusagen im Rahmen
der jährlichen Abstimmung der Haushalte keine Abspra-
chen getroffen werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die nächste Zusatz-
frage kommt vom Kollegen Brüderle. Bitte.
Herr Staatssekretär, die
Bundesregierung hat ja anders als ihre Vorgängerregie-
rung die Privatfinanzierung zurückgenommen bzw. nicht
fortgeführt. Es sind damals 12 Projekte, wenn ich mich
richtig erinnere, privat finanziert worden. Ist die Bundes-
regierung bereit, angesichts der drängenden Engpässe auf
dem Verkehrssektor ihre negative Haltung gegenüber der
Privatfinanzierung zu überdenken?
S
Kol-
lege Brüderle, ich bitte, hier zu unterscheiden. Wir haben
ja die Möglichkeit, das seit 1994 geltende Fernstraßen-
bauprivatfinanzierungsgesetz in einer größeren Band-
breite, als Sie es hier deutlich gemacht haben, anzuwen-
den. Die damalige Bundesregierung hat insbesondere
Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur
in den neuen Bundesländern, aber auch, um Zeit zu spa-
ren, in den alten Bundesländern nach dem Betreibermo-
dell bzw. durch private Vorfinanzierung vorgezogen.
Nach dem ersten Modell werden die Ihnen bekannte War-
now-Querung und die Trave-Querung bei Lübeck reali-
siert. Wir werden darüber hinaus andere Modelle – ich
verwies bereits auf die nach dem Vorsitzenden benannte
Pällmann-Kommission – in Betracht ziehen.
Die Bundesregierung wird aber vorfinanzierten Pro-
jekten aus den folgenden Gründen nicht zustimmen. Ein-
mal müssen wir schon mit dem Jahr 2000 für zehn Jahre
jährlich Millionen in die Haushalte einstellen; gegen-
wärtig werden sie alleine mit 560 Millionen DM belastet.
Hier werden übrigens nicht nur die Länder, in denen diese
vorfinanzierten Projekte realisiert werden, belastet, son-
dern es sind alle Bundesländer davon betroffen. Die
finanzschwächeren Länder in der Bundesrepublik –
das sind nicht nur die neuen Bundesländer, sondern auch
andere – müssen letztendlich zur Refinanzierung von Pro-
jekten mit beitragen. Insofern werden wir das Modell der
privaten Vorfinanzierung von Projekten nicht weiter ver-
folgen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe jetzt die
Frage 32 des Kollegen Klaus Hofbauer auf:
Trifft es zu, dass geplant ist, die Ökopunkte im Lkw-Verkehrzwischen Deutschland und Österreich im laufenden Jahr zusätz-lich zu reduzieren, und – wenn ja – welche Auswirkungen hatdiese Reduzierung im Hinblick auf die EU-Osterweiterung?
Zur Beantwortung der Frage steht der Parlamentari-
sche Staatssekretär Kurt Bodewig zur Verfügung.
K
Sehr ge-
ehrter Herr Kollege Hofbauer, die EU-Kommission plant
eine zusätzliche Reduzierung der Ökopunkte für alle EU-
Lastkraftwagen über 7,5 Tonnen, ich sage ausdrücklich:
im Transit durch Österreich. Der Kürzungsvorschlag der
EU bezieht sich nicht auf den Lkw-Verkehr zwischen
Deutschland und Österreich, wie es in Ihrer Frage enthal-
ten ist.
Es steht bisher nicht fest, ob und in welchem Ausmaß
die Kürzung erfolgt. Alle Mitgliedstaaten, auch Deutsch-
land, mit Ausnahme Österreichs haben sich bisher gegen
eine zusätzliche Reduzierung der Ökopunkte ausgespro-
chen. Die derzeit vorgesehene Reduzierung der Gesamt-
zahl der Ökopunkte für das Jahr 2000 hat keine Auswir-
kung auf die EU-Osterweiterung und steht damit auch in
keinem zeitlichen Zusammenhang. Das Ökopunktesys-
tem läuft Ende 2003 aus, wie es damals im Protokoll zum
EU-Beitritt Österreichs festgelegt worden ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Hofbauer, bitte Ihre Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,Sie teilen sicher meine Auffassung, dass diese Ökopunkteein Problem sind, insbesondere für das wirtschaftlicheZusammenwachsen der Länder. Kann ich Ihrer Antwortentnehmen, dass für den Durchgangsverkehr zum Bei-spiel von Deutschland nach Ungarn eine Reduzierung derÖkopunkte nicht erfolgt? Was wird die Bundesregierungtun, damit es keine Reduzierung gibt?KurtBodewig,Parl.StaatssekretärbeimBundesminis-ter für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Ich kommezunächst zu Ihrer zweiten Frage. Die Bundesregierung hathier eine klare Position und wird sie im Rahmen der Ge-spräche mit der EU-Kommission, von der ja die Initi-ative stammt, eindeutig vertreten. Wie Sie sich vorstellen
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000 9453
können, wird sie natürlich versuchen, hier einen Konsensmit den anderen Mitgliedstaaten der EU zu erreichen.Zu Ihrer ersten Frage. Das Ökopunktesystem ist Be-standteil des Protokolls Nr. 9 zu den Beitrittsverhandlun-gen mit Österreich. Insofern gilt es bis zum Jahr 2003. Esist nicht erfolgversprechend, zu versuchen, einzelneTransitverkehre herauszunehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bitte, Herr Kollege,
Ihre zweite Zusatzfrage.
Besteht die Möglich-
keit, dass die Liste der Fahrten, die nicht aufgenommen
worden sind, zum Beispiel für den Werkverkehr ausge-
dehnt wird? Kann man davon ausgehen, dass ab 2003
diese Ökopunkte nicht mehr gelten?
K
Ich schil-
dere einmal kurz die Ausgangslage, weil sie entscheidend
ist. Sie melden jetzt zusätzliche Wünsche an. Ich sage im
Umkehrschluss: Es gibt eine Initiative der EU-Kommis-
sion unter Bezug auf dieses Protokoll, das eben eine Re-
duktion dieser Ökopunkte vorsieht. Insofern ist die
Hauptaufgabe der Bundesregierung zurzeit, dieser Initia-
tive der EU im Interesse der Transitverkehre zu begegnen,
zumal die Bundesregierung sehr deutlich darauf hinweist,
dass der Schienenverkehr in Österreich die zusätzlichen
Volumen, die durch eine Reduzierung der Ökopunkte auf
den Verkehr zukommen würden, überhaupt nicht bewälti-
gen könnte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe jetzt die
Frage 33 des Kollegen Hofbauer auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Einführung eines Flügel-konzeptes bei der Bahnlinie München–Hof mit umsteigefreienVerbindungen in Neufahrn nach Bogen, in Schwandorf nach Furthi. W. und Amberg und weitere Verbindungen im Taktverkehr zumBeispiel über ihre Vertreter im Aufsichtsrat der Deutschen BahnAG voranzutreiben und eine Ausweitung nach Tschechien, zumBeispiel nach Pilsen, unter anderem durch Verhandlungen mit dertschechischen Regierung zu unterstützen?
Diese Frage wird wiederum vom Kollegen Siegfried
Scheffler beantwortet.
S
Herr
Kollege Hofbauer, seit der Eisenbahnstrukturreform sind
gemäß Entscheidung des Gesetzgebers die Einflussmög-
lichkeiten der Bundesregierung auf das neu entstandene
Wirtschaftsunternehmen Deutsche Bahn AG begrenzt.
Die Einführung eines Flügelkonzeptes für die Bahnlinie
München–Hof – sofern es aus verkehrlichen und betrieb-
lichen Aspekten darstellbar wäre – fällt ausschließlich in
den unternehmerischen Verantwortungsbereich der nach
dem Aktiengesetz arbeitenden Gesellschaft. Nach § 76
Aktiengesetz ist der Vorstand des jeweiligen Unterneh-
mens für die Führung der Geschäfte verantwortlich.
Im Übrigen wird auf die Entscheidung des Ausschus-
ses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
im 13. Deutschen Bundestag zur Zuständigkeitsabgren-
zung zwischen staatlicher und unternehmerischer Verant-
wortung verwiesen, die in der Anlage 1 der Bundestags-
drucksache 13/6149 veröffentlicht wurde.
In Verhandlungen mit der tschechischen Regierung
kann die Bundesregierung bei der dargelegten Zuständig-
keitsabgrenzung auf die Rahmenbedingungen gestaltend
Einfluss nehmen. Sie begrüßt die Anstrengung zur ver-
stärkten Nutzung der Schiene für die Verkehrsleistung
auch von und nach Tschechien.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Hofbauer, bitte Ihre Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
Sie haben vielleicht dafür Verständnis, dass diese Antwort
nicht gerade befriedigend ist, weil für den politischen
Raum die Möglichkeiten, bei der Bahn Einfluss zu neh-
men, sehr geschmälert werden. Ich frage Sie deshalb:
Welche Gespräche hat die Bundesregierung mit der Bahn
geführt, dass hier ein solches Konzept, das vor Ort immer
wieder angekündigt wird, umgesetzt werden kann? Wel-
che Gespräche führt die Bundesregierung mit der
Bahn AG?
Das Zweite: Sind bereits mit der tschechischen Regie-
rung Gespräche geführt worden, hier ein grenzüber-
schreitendes Nahkonzept aufzubauen?
S
Lie-
ber Herr Kollege Hofbauer, ich möchte Ihnen jetzt nicht
das vortragen, was in der entsprechenden Drucksache
steht und was der Deutsche Bundestag – wir waren beide
gemeinsam dabei – dazu festgelegt hat, nämlich die Ab-
grenzung der Zuständigkeiten des Bundes, der Deutschen
Bahn AG und übrigens auch der Länder in Folge der
Bahnreform. Das würde zu weit führen. Soweit das in der
Anlage nicht schriftlich erfolgt ist, würde ich Ihnen das
gerne zur Verfügung stellen. Insofern können die Bundes-
regierung und der zuständige Bundesverkehrsminister
keinen direkten Einfluss auf die Deutsche Bahn AG neh-
men.
Was zum Beispiel den Ausbau und die Elektrifizierung
der Strecke Nürnberg–Prag, Marktredwitz oder die Wei-
terentwicklung der Eisenbahn Berlin–Prag–Wien betrifft
bzw. auch andere Räume, da kann ich gerne über die Akti-
vitäten der alten und der neuen Bundesregierung infor-
mieren. Im Nahverkehrsbereich oder im Verkehrsbereich
Regionalverkehr kommt hinzu, dass die Verantwortlich-
keiten nach der Bahnreform und nach der Grundge-
setzänderung – übrigens aufgrund der Forderung der ein-
zelnen Länder – bei den Ländern liegen. Da kann die
Bundesregierung schlecht Einfluss nehmen. Sie stellt, da-
mit die Länder Verkehre nicht nur entwickeln, sondern bei
der Deutschen Bahn AG auch bestellen, die entsprechen-
den Mittel zur Verfügung.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es gibt eine weitere
Zusatzfrage. Bitte, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, Ih-nen ist sicher bekannt, dass nach dem Grundgesetz dieBundesregierung im Fernverkehr verantwortlich ist. In
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000
Parl. Staatssekretär Kurt Bodewig9454
meinem Wahlkreis werden mit Einführung desSommerfahrplans in der kommenden Woche drei Interre-gio-Strecken stillgelegt. Das heißt, der Zug von Dresdennach Oberstdorf fährt künftig nicht mehr siebenmal, son-dern nur mehr viermal. Das ist, wenn ich das recht sehe,eine Verantwortung der Bundesregierung. Wenn die Bun-desregierung für den Fernverkehr die Verantwortung trägtund diese Strecken gestrichen werden, dann sollte siezumindest dafür sorgen, dass ein Flügelkonzept, so wie esder Herr Kollege Hofbauer sich vorstellt, eingeführt wird.S
Auch
Ihnen, lieber Herr Kollege Girisch, würde ich gerne eine
Kopie der entsprechenden Drucksache mit der Abgren-
zung der Zuständigkeiten geben. Ich erspare mir das. In
Punkt 2 steht etwas zur unternehmerischen Verantwor-
tung der DB AG und zur staatlichen Verantwortung des
Bundes. Das, was Sie hier eben eingeklagt haben, steht
ganz klar in der unternehmerischen Verantwortung. Die
Deutsche BahnAG ist natürlich für die Ausgestaltung des
Fahrplanes und im Übrigen auch für die Festlegung der
Takte und für die Entscheidung, welche Strecken sie letzt-
endlich fährt oder eine Streckenübernahme durch Dritte,
zuständig. Das ist ganz klar geregelt. Ich selbst war 1993
im zuständigen Verkehrsausschuss. Mit einem breiten,
parteiübergreifenden Konsens – übrigens auch gemein-
sam mit den Gewerkschaften und den Ländern – wurde
hier die Festlegung der Bahnreform getroffen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Fragen 34 und 35
des Kollegen Kolb entfallen wegen Abwesenheit des Ab-
geordneten. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsord-
nung vorgesehen.
Ich rufe als letzten Geschäftsbereich den des Bundes-
ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsi-
cherheit auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentari-
sche Staatssekretärin Gila Altmann zur Verfügung.
Wir kommen zur Frage 36 des Abgeordneten
Dr. Christian Ruck:
Mit welchen Initiativen will die Bundesregierung dem Eindruck
entgegenwirken, sie nehme die Verpflichtung aus der dieser Re-
gierung zugrunde liegenden Koalitionsvereinbarung nicht ernst,
„eine größere Harmonisierung der Umweltvorschriften in der Eu-
ropäischen Union auf hohem Niveau“ anzustreben?
G
Die Frage, Herr Kollege Dr. Ruck, der ich einen durchaus
suggestiven Charakter zuordnen würde, möchte ich
folgendermaßen beantworten:
Die Bundesregierung nimmt die Koalitionsvereinba-
rung in Bezug auf eine größere Harmonisierung von Um-
weltvorschriften auf hohem Niveau natürlich sehr ernst.
Sie setzt sich mit Nachdruck und erfolgreich für eine
Harmonisierung des europäischen Umweltrechts auf ho-
hem Niveau ein.
Die deutsche Präsidentschaft konnte 1999 im Umwelt-
bereich viele schwierige Vorhaben voranbringen. Eine ge-
meinschaftsweite Begrenzung des höchstzulässigen Ab-
gasausstoßes, etwa bei Dioxin, war Gegenstand der
politischen Einigung in Form eines gemeinsamen Stand-
punktes zur geplanten Abfallverbrennungsrichtlinie.
Ein gemeinsamer Standpunkt konnte weiterhin bei der
Änderung der Richtlinie über die Freisetzung gentech-
nisch veränderter Organismen erreicht werden. Einheitli-
che Kriterien für die Erreichung eines guten Gewässerzu-
stands konnten mit dem gemeinsamen Standpunkt zur
Wasserrahmenrichtlinie festgelegt werden. Einigung er-
zielte der Rat auch über fünf weitere Vorhaben, darunter
neue Verordnungen zum Umweltmanagement und zur Fi-
nanzierung von Umweltinvestitionen, das LIFE-III-Pro-
jekt. Schließlich ist es gelungen, durch Ratsschlussfolge-
rungen die dringend notwendige Fortentwicklung der
europäischen Chemiepolitik anzustoßen.
Darüber hinaus setzt sich die Bundesregierung zum
Beispiel bei den Verhandlungen über die Änderung der
Richtlinie zur Begrenzung von Schadstoffemissionen von
Großfeuerungsanlagen in die Luft aus Umwelt- und Wett-
bewerbsgründen gegen den erheblichen Widerstand aus
anderen Mitgliedstaaten für eine effektive Altanlagenre-
gelung ein.
Die Bundesregierung wird auch in Zukunft nachdrück-
lich für die Harmonisierung weiterer Umweltvorschriften
der Europäischen Union auf hohem Niveau eintreten.
Dies entspricht ihrem Ziel einer am Leitbild der nachhal-
tigen Entwicklung ausgerichteten Umweltpolitik.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu einer ersten Zu-
satzfrage Herr Kollege Ruck, bitte.
Frau Staatssekretä-
rin, welche konkreten Schritte und Initiativen hat denn die
Bundesregierung unternommen, um auf EU-Ebene die
ökologisch bedingten oder klimaschutzrelevanten Steu-
ern zu harmonisieren?
G
Ich denke, ich habe Ihnen eben eine umfassende Über-
sicht gegeben.
– Das ist leider auch nicht aus Ihrer Frage hervorgegan-
gen. Insofern würde sich zum Steuerrecht jetzt besser das
Finanzministerium weitergehend äußern. Das wäre ein-
mal eine ganz neue Form der umfassenden Beantwortung.
D
Das ist kein Problem. Die
Fragen werden ja an die Bundesregierung gerichtet. Des-
halb können wir sie auch gemeinschaftlich beantworten.
Die Bundesregierung hat alle Anstrengungen unter-
nommen, um auf der europäischen Ebene zu einer ein-
heitlichen Besteuerung von Energie zu kommen. Insbe-
sondere zur Zeit ihrer Präsidentschaft hat sie alle
Anstrengungen dazu unternommen. Die einheitliche Be-
steuerung ist allerdings an der einzigen konservativen Re-
gierung in Europa, nämlich an der spanischen Regierung,
gescheitert.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Ruck zueiner zweiten Zusatzfrage, bitte.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000
Georg Girisch9455
Diese Frage geht in
dieselbe Richtung. Wie groß sehen Sie die Chancen, in
nächster Zeit in Brüssel zu einer weiteren Harmonisie-
rung klimaschutzrelevanter Steuern zu kommen?
D
Diese Chance ist nur dann
vorhanden, wenn die spanische Regierung sich einsichtig
zeigt. Es gibt Anzeichen dafür, dass die spanische Regie-
rung diese Einsicht nach der erfolgten Neuwahl, obwohl
sie in unveränderter Zusammensetzung regiert, vermehrt
gewinnt.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir kommen jetzt zur
Frage 37 des Abgeordneten Dr. Paul Laufs:
Wie begründet die Bundesregierung zusätzliche Organdosis-werte zur Begrenzung deterministischer Strahlenrisiken, da nachAbsenkung der Strahlenschutz-Grenzwerte gemäß der neuen Eur-atom-Grundnormen die effektive Dosis bereits so niedrig liegt,dass deterministische Strahlenschäden ausgeschlossen sind ?
G
Die den Verbänden zugeleitete und in das Internet einge-
stellte Entwurfsfassung zur Novellierung der Strahlen-
schutzverordnung enthält über die Euratom-Grundnor-
men hinausgehend sowohl für den Schutz bei beruflicher
Strahlenexposition als auch für den Schutz der Bevölke-
rung hinsichtlich der Begrenzung von Ableitungen radio-
aktiver Stoffe zusätzliche Organdosisgrenzwerte. Die Or-
gandosisgrenzwerte sind dabei identisch mit denen der
derzeit geltenden Strahlenschutzverordnung in der Fas-
sung vom 30. Juni 1989. Die Änderungsfassung folgt in-
soweit nicht den Euratom-Grundnormen, die, abweichend
von den bisherigen Euratom-Grundnormen, Orgando-
sisbegrenzungen nur noch für die Augenlinse, die Haut,
die Hände, Unterarme, Füße und Knöchel vorsehen.
Ziel ist es, zusätzlich zur Absenkung des Grenzwertes
für die effektive Dosis zu verhindern, dass künftig Einzel-
organe höher belastet werden können, als dies im Augen-
blick zulässig ist. Dies betrifft den beruflichen Strahlen-
schutz. Hinsichtlich des Bevölkerungsschutzes wird
durch die Beibehaltung der Organdosisbegrenzungen bei
Ableitungen verdeutlicht, dass diese Werte auch künftig
maßgebend für die Bestimmung der Rückhaltetechniken
bleiben.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Laufs,
bitte Ihre erste Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin,
können Sie bestätigen, dass die effektive Dosis das Maß
für die Eintrittswahrscheinlichkeit von deterministischen
und stochastischen Schäden ist und dass der Strahlen-
schutz durch die zusätzliche Festlegung sehr niedriger
Grenzwerte für Teilkörperdosen nicht wirklich verbessert
werden kann?
G
Herr Kollege Laufs, Sie wissen, dass die effektive Strah-
lendosis eine Gesamtschau bzw. einen Querschnitt der
Belastung darstellt. Die Teilkörperdosen beziehen sich
aber auf die einzelnen Organe. Einzelne Organe sind un-
terschiedlich belastbar. Deshalb wird in Art. 9 der Eura-
tom-Grundnormen für die Bereiche, die ich soeben ge-
nannt habe, auch weiterhin die Bestimmung von Organ-
dosen vorgesehen.
Aus diesem Grunde hat sich die Bundesregierung da-
hin verständigt, dass sie auf nationaler Ebene das Konzept
der Einzelbetrachtung weiterhin verfolgen will, was nach
Art. 54 der Euratom-Grundnormen ausdrücklich erlaubt
ist.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Laufs,
bitte Ihre zweite Zusatzfrage.
Habe ich Sie richtig ver-
standen, Frau Staatssekretärin, dass nach wie vor in ganz
Europa im Rahmen der Euratom-Grundnormen Teilkör-
perdosisgrenzwerte für bestimmte Organe gemessen und
festgelegt werden?
G
Da
haben Sie mich richtig verstanden. Ich habe Ihnen die ent-
sprechenden Organe genannt: Das betrifft die Augenlinse,
die Haut, die Hände, die Unterarme, die Füße und die
Knöchel. Um hier die Unterschiede deutlich zu machen:
Die Haut zum Beispiel ist unsensibler als andere Organe.
Dass wir die nationale Regelung, was die Organdosen an-
geht, beibehalten, hat auch damit zu tun, dass wir vom
Bundesrat aufgefordert worden sind, im Rahmen der
neuen Konzeption den bisherigen Standard auf alle Fälle
zu garantieren. Das tun wir hiermit.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich rufe jetzt die letzte
Frage, die Frage 38 des Kollegen Dr. Laufs, auf:
Wie vereinbart die Bundesregierung die über die neuen Euratom-Grundnormen hinausgehende Beibehaltung von Teil-körperdosisgrenzwerten mit dem Anspruch einer EU-weiten Harmonisierung von Rechtsvorschriften und dem Abbau vonHandelshemmnissen auch für Serviceleistungen?
G
Mit der Beibehaltung der zusätzlichen Teilkörperdosis-grenzwerte wird von der in Art. 54 der Euratom-Grund-normen den Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeit,strengere Dosisgrenzwerte zu erlassen, Gebrauch ge-macht. Diese Abweichung ist damit europarechtlichzulässig. In der Entwurfsfassung wird dadurch vermie-den, dass künftig sowohl bei den Arbeitskräften als auchbei der Bevölkerung höhere Strahlenexpositionen, alsnach der geltenden Fassung der Strahlenschutzverord-nung vorgesehen, zulässig wären. Sie verfolgt damit dasZiel, das Niveau des Strahlenschutzes im Rahmen dervorgesehenen Novellierung nicht abzusenken.Damit habe ich Ihnen noch einmal das vorgetragen,was ich auf Ihre Nachfragen hin zu verdeutlichen schonversucht habe.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 20009456
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Laufs
hat eine Zusatzfrage. Bitte.
Frau Staatssekretärin,
bedeutet dies nicht, dass deutsche Unternehmen ange-
sichts dessen, dass die Bundesregierung in diesem Be-
reich auf nationaler Ebene sehr viel weiter gehen will als
andere Länder, ihre Mitarbeiter nicht mehr in solche Län-
der schicken können, in denen die Messung von Teilkör-
perdosen aufgrund der Euratom-Grundnormen nicht mehr
durchgeführt wird?
G
Zunächst einmal sollten wir bei diesem Thema daran den-
ken, den Schutz der Bevölkerung – hier geht es in erster
Linie um den Teil der berufstätigen Bevölkerung, der mit
solchen Strahlenexpositionen konfrontiert wird – in den
Vordergrund zu stellen.
Zum Zweiten aber kann ich Ihnen versichern, dass
nach Angaben der GRS zum Beispiel bei den Atomkraft-
werken keine Probleme zu erwarten sind, die niedrigeren
Grenzwerte zu erreichen; denn sie sind so ausgelegt, dass
sie schon jetzt die Grenzwerte unterschreiten. Das heißt,
eine Wettbewerbsverzerrung, wie Sie sie gerade beschrie-
ben haben, liegt bei den Atomkraftwerken nicht vor.
Herr Kol-
lege Laufs, Sie haben eine weitere Zusatzfrage? – Bitte
schön.
Frau Staatssekretärin,
damit bestätigen Sie ja den Hintergrund meiner Fragen,
nämlich dass durch die Absenkung der Dosisgrenzwerte
die Notwendigkeit entfällt, noch im Einzelnen Organ-
dosisgrenzwerte vorzugeben, dies auch zu verfolgen und
dafür zu sorgen, dass sie allgemein durchgesetzt werden,
was im Ausland zu großen Schwierigkeiten führt.
G
Diese Konsequenz kann ich darin nicht sehen. Es ist die
Aufgabe der Politik, mit Blick auf das Sicherheitsbedürf-
nis der Bevölkerung, insbesondere der in diesem Bereich
Berufstätigen, zu verfahren, das Ganze zu dokumentieren
und zu kontrollieren. Deshalb sind solche Grenzwerte die
Voraussetzung. Sie können uns aber nicht in Sicherheit
wiegen und für uns Anlass sein, hier nichts zu tun.
Die Fra-
gestunde ist beendet, wenn es keine Zusatzfragen mehr
gibt. – Das ist, wie ich sehe, der Fall.
Dann rufe ich den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
Pläne der Bundesregierung, die Erbschaft-
steuer zu erhöhen
Die Fraktion der CDU/CSU hat diese Aktuelle Stunde
beantragt.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der
Kollege Heinz Seiffert von der CDU/CSU-Fraktion das
Wort.
Herr Präsident! Meineverehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Erbschaft- undSchenkungsteuer war ebenso wie die Vermögensteuer fürdie SPD immer ein ideologisches Neidinstrument. Bereitsunserer Reform haben die damals von Lafontaine geführ-ten Länder kurz vor Weihnachten 1996 nur widerwilligzugestimmt. Sie haben es letztendlich nur deshalb getan,weil das Bundesverfassungsgericht entschieden hatte,dass, wenn wir keine neue Erbschaft- und Schenkung-steuer zustande bekämen, es gar keine Steuer mehr gebensolle.Für die damalige Opposition wie für die heutige Re-gierung war die Erbschaftsteuer immer ein Instrument,um Geld abzukassieren. Mit dieser Steuer kann man dasGeld dort abholen, wo es sitzt, und deshalb war sie Ihnenschon damals zu niedrig. Das ist bis heute so geblieben.Insofern überrascht uns Ihre Absicht, sie zu erhöhen,überhaupt nicht.Immer dann, wenn in der SPD der linke Flügel ruhiggestellt werden muss, ist es wieder so weit: Dann redetman von der Wiedereinführung der Vermögensteuer oderder Einführung einer Vermögensabgabe. Und wenn dasnicht klappt, muss das Neidinstrument Erbschaftsteuerherhalten. Dabei nehmen Sie in Kauf, dass von einer dras-tischen Höherbewertung der Ein- und Zweifamilienhäu-ser, wie sie die Experten vorbereiten, gerade die so ge-nannte Neue Mitte, die Sie immer verbal umwerben, be-troffen wird. Sie verkennen auch, dass es sich gerade beiden Immobilien um Vermögenswerte handelt, die bereitsmehrfach versteuert worden sind. Das alles ignorierenSie.
Es geht jetzt auch nicht darum – wie Sie vorgeben –,das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gerechter um-zusetzen, als wir dies getan hätten. Es geht allein darum,den Parteitagsbeschluss der SPD vom November 1999 zuerfüllen. Es gibt nicht den geringsten sachlichen Grund,die Erbschaftsteuer zu erhöhen, auch nicht den, den Auf-trag des Verfassungsgerichts besser zu erfüllen. Wir habendie Bewertung des Grundvermögens 1997 auf eine ver-fassungsmäßig tragfähige und gerechte Basis gestellt. DasVerfassungsgericht hat ausdrücklich zugelassen, dassGrundvermögen aufgrund der mangelnden Fungibilitätnicht zum Verkehrswert veranschlagt werden muss. WennSie jetzt das Grundvermögen deutlich höher bewerten,dann geht es nicht um mehr Steuergerechtigkeit, sondernnur um das Abkassieren.
Mit den Mehreinnahmen aus der Erbschaftsteuer wol-len Sie außerdem den Ländern einen Köder hinwerfenund sie für Ihre misslungene Steuerreform gefügig ma-chen.
Aber auch das wird nicht gelingen.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000 9457
Diese rot-grüne Regierung redet, seit sie im Amt ist,von Steuersenkungen. Aber sie tut genau das Gegenteil.Bei jeder Ihrer glorreichen Reformen haben Sie sich inSuperlativen selbst gelobt: Das, was Sie anbieten, war im-mer das Größte und das Beste in der Nachkriegszeit. Tat-sache ist aber leider, dass Sie die Steuer- und Staatsquote1999 auf ein Rekordniveau hochgetrieben haben,
und diesen Weg wollen Sie nun unbeirrt weiter gehen. DiePläne dazu liegen bereits in den Schubladen.Nach dem kommenden Sonntag – davon sind wir über-zeugt – werden Sie die Katze aus dem Sack lassen. Nebenden Plänen für die Erbschaft- und Schenkungsteuer berei-ten Sie die Grundlagen für die Erhöhung der Grundsteu-ern vor. Auch die Mehrwertsteuer ist vor Ihnen nicht si-cher. Dazu kommen die regelmäßigen Erhöhungsstufender Ökosteuer, die den Grünen, insbesondere Ihnen, FrauScheel, noch längst nicht weit genug gehen.Mit Ihrer Absicht, den Menschen noch mehr Steuernaufzuerlegen, die Fleißigen und Leistungsbereiten nochmehr zu bestrafen und bei den Erben der Sparsamen nochmehr abzukassieren, gefährden Sie die Wirtschafts-entwicklung und das Vertrauen der Menschen in diesenStaat.
„Steuererhöhungen passen überhaupt nicht in dieLandschaft“.
Dieser Feststellung des Koalitionsabgeordneten OswaldMetzger kann ich nur zustimmen.
Für uns gilt dies allerdings auch nach der Wahl in NRW.Vielen Dank.
Herr Kol-
lege Poß, darf ich zu Ihrer Beruhigung sagen: Die Rede-
zeit war noch nicht abgelaufen; vielmehr war die Rede
16 Sekunden vor Ablauf der Zeit zu Ende.
– Manchmal kommen einem Reden länger vor, wenn man
sie nicht gern hört.
Als nächster Redner hat der Kollege Klaus Lennartz
von der SPD-Fraktion das Wort.
Meine sehr verehrten Damenund Herren! Herr Kollege Seiffert, wenn Sie einmal einTaschentuch nehmen könnten und sich den Mund rechtsund links abwischen würden: Sie haben etwas Schaumvor dem Mund.
Das ist bei diesem Thema nicht angebracht. Etwas mehrWahrheitsgehalt wäre in Ihrer Rede angebracht gewesen.Sie haben Polemik gebracht, die wirklich keinen Wahr-heitsgehalt hatte.
Wenn Sie weiterhin Ihre Zeit damit verschwenden, gutzwei Wochen nach Ostern über ungelegte Eier nachzu-denken,
braucht man sich nicht zu wundern, wenn Sie politischnichts auf den Weg bringen. Diese Aktuelle – ich kannauch sagen: unaktuelle – Stunde über eine angebliche Er-höhung der Erbschaftsteuer ist so überflüssig und so er-folglos wie die Kandidatur von Herrn Dr. Rüttgers inNordrhein-Westfalen, der nämlich versucht, mit diesemThema Wahlkampf zu machen.
Schlimm ist, dass Sie bewusst bei den Menschen eineVerunsicherung herbeiführen, die jeder, aber auch wirk-lich jeder Grundlage entbehrt. Ohne dass ein konkreterVorschlag der Bund-Länder-Kommission oder ein Ge-setzentwurf hier auf dem Tisch liegen würde, wollen Siemit dieser Debatte den Eindruck erwecken, die jetzigeBundesregierung wolle Omas klein Häuschen enteignen.Dies ist unredlich, dies ist falsch. Dies ist Hetze, nichts alspure Hetze.
Bleiben wir doch einmal zur Abwechslung bei derWahrheit.
Tatsacheist,HerrKollege:DieErbschaftsteuerwurde1996unter Ihrer Regierung, unter der Regierung Kohl, erhöht.Dabei haben Sie die Spitzensteuersätze für große Erb-schaftengesenktunddieSteuersätze fürkleineErbschaftendeutlich erhöht. Eine Erhöhung um 40 Prozent – das warIhre Politik unter Kohl. Das scheinen Sie vergessen zu ha-ben. Deshalb lese ich Ihnen einmal § 138 Abs. 4 des Be-wertungsgesetzes vor: „Die Werteverhältnisse zum 1. Ja-nuar 1996 gelten für die Feststellung von Grundbesitz-werten bis zum 31. Dezember 2001“. Sie haben durchdieses Gesetz diese Kommission überhaupt erst geschaf-fen. Dies war kein Neidkomplex der SPD-Bundestags-fraktion und kein Parteitagsbeschluss.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000
– Das waren Sie. Sie haben es damals ins Gesetz hinein-geschrieben. Sie müssen das Gesetz lesen. Lesen ist nichtnur das Aneinanderreihen von Buchstaben, sondern dazugehört auch das Verstehen dessen, was Sie beschlossenhaben. Das haben Sie anscheinend nicht.
Wir wissen, dass in den nächsten Jahren bei mehr als700 000 mittelständischen Unternehmen in Deutschlandein Generationswechsel bevorsteht.
Der Mittelstand, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft,kann sich darauf verlassen, dass es mit dieser Regie-rungskoalition keine Lösungen geben wird – gleichgültig,wie die Ergebnisse der Expertenkommission auch ausfal-len werden –, die ihm Schaden zufügen werden. Wir wer-den nur Lösungen akzeptieren, die die Probleme der mit-telständischen Wirtschaft auch berücksichtigen. Das istunsere Aussage.Sie dagegen haben in den letzten 16 Jahren keine Poli-tik für den Mittelstand gemacht. Das Gleiche gilt auch fürden Fall der Vererbung von Omas klein Häuschen. Wirwollen in diesem Fall Freibeträge von bis zu 1,5 Milli-onen DM einsetzen, damit in diesem Bereich keine Belas-tungen entstehen. Für uns bleibt Eigentum die Grundlageder Freiheit. Die Bundesregierung hat keine Pläne, dieErbschaftsteuer zu erhöhen.
Im Übrigen erwarten wir von den Ländern, zum Bei-spiel von Herrn Faltlhauser von der CSU, eine Gesetzge-bungsinitiative. Sie sind doch die Profiteure dieser Erb-schaftsteuer. Der Bund müsste doch mit dem Klammer-beutel gepudert sein, wenn er Ihre Arbeit in den Ländernerledigen würde. Kommen Sie aus Ihrem Schneckenhausheraus und sagen Sie die Wahrheit! Sagen Sie, was Sievorhaben und was Sie in den 16 Jahren bis 1996 getan ha-ben!Darüber hinaus wäre es doch absurd, wenn wir auf dereinen Seite der privaten Altersvorsorge das Wort redeten,um dann über die Hintertür Eigentum zu belasten. SolcheKonstruktionen spinnt sich der Kollege Dr. Rüttgers inseinen Wahlkampfauftritten zurecht. Das offenbart aberauch, wie es Herr Dr. Rüttgers mit der Wahrheit hält. Werso unehrlich und so schamlos mit den Gefühlen und denÄngsten der Menschen umgeht, hat auf dem Sessel desMinisterpräsidenten von Nordrhein-Westfalen nichts ver-loren. Diese Quittung wird ihm auch am Sonntag erteiltwerden.Diese Bundesregierung hat mit dem Steuerentlastungs-gesetz 1999/2000/2002, mit dem Familienförderungsge-setz und der Unternehmensteuerreform Steuerentlastun-gen in Höhe von rund 40 Milliarden DM verwirklicht.Herr Kollege Spiller und Frau Vorsitzende Scheel, wir ha-ben vor gut einer Stunde im Finanzausschuss das Steuer-entlastungsgesetz verabschiedet. Dieses sieht bis zumJahre 2005 eine Steuerentlastung von mehr als 70 Milli-arden DM vor, wobei allein 20 Milliarden DM auf denMittelstand entfallen. Das ist – im Gegensatz zu den 16Jahren Ihrer Regierung – eine nachvollziehbare Politik.
Wir haben – im Gegensatz zu Ihnen – den Wirtschafts-standort Deutschland wieder attraktiv gemacht.
Es lohnt sich wieder, bei uns zu investieren.
Sie können hier noch so viele unaktuelle Aktuelle Stundenbeantragen und ändern dennoch nichts an den Fakten.Mit 37,1 Prozent liegen wir weit unter dem Durch-schnitt der steuerlichen Belastung innerhalb der EU. Dasist unsere Arbeit gewesen. Sie haben das in Ihrer Regie-rungszeit noch nicht einmal ansatzweise geschafft. Wirwerden auch in Zukunft dafür sorgen, dass diese Politikkonsequent weiter durchgeführt wird. Hinzu kommt dieEntschuldungspolitik, die Herr Kollege Eichel geschaffthat. Dies ist eine Konzeption, nämlich Wirtschafts- undEntschuldungspolitik im Interesse unseres Landes, unse-rer Wirtschaft und nicht zuletzt der Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer. Darum geht es.Ich bedanke mich.
Als
nächstem Redner gebe ich dem Kollegen Carl-Ludwig
Thiele von der FDP-Fraktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Prä-sident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr ge-ehrter Herr Kollege Lennartz, nachdem Ihre Wahl-kampfrede hier verklungen ist, können wir uns vielleichtdoch einmal mit den Fakten beschäftigen, die dazu ge-führt haben, dass wir heute eine Aktuelle Stunde durch-führen.
Für die F.D.P. erkläre ich vorab: Wir lehnen eine Er-höhung der Bemessungsgrundlage, die zu einem erhöhtenErbschaftsteueraufkommen führen wird, rundheraus ab.
Zu den Fakten – um bei der Wahrheit zu bleiben, HerrLennartz –: Erstens. Bund und Länder haben eine Arbeits-gruppe eingesetzt, die das Ziel hat, das Erbschaftsteuer-aufkommen zu erhöhen.
Die F.D.P. lehnt diese Erhöhung ab. Sie haben überhauptnicht bestritten, dass es diese Arbeitsgruppe gibt.
Nach meinem Kenntnisstand sind auch Mitarbeiter desBundesfinanzministeriums in der Arbeitsgruppe. Das
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Klaus Lennartz9459
heißt, es wird momentan daran gearbeitet, die Bemes-sungsgrundlage zu erhöhen.Zweitens. 1996 ist die Bewertung des Grundvermö-gens in Deutschland erheblich geändert worden. Seitdembesteuern wir Grundvermögen im Erbfall höher. DieseRegelung ist mit den Stimmen des damals SPD-geführtenBundesrates Gesetz geworden. Insofern sage ich: Sie soll-ten ein Gesetz, das gerade beschlossen wurde, dem Sie ge-rade zugestimmt haben, nicht morgen wieder ändern, nurweil Sie höhere Steuereinnahmen wollen.
Diese Änderungen haben unter anderem dazu geführt –auch das muss man der Bevölkerung deutlich machen –,dass das Steueraufkommen in diesem Bereich von 4 Mil-liarden DM in 1996 auf über 6 Milliarden DM in diesemJahr, das heißt, um über 50 Prozent, gestiegen ist. Das Ver-mögen, in diesem Fall das geerbte Vermögen, unterliegtalso weiterhin der Steuerpflicht. Dazu stehen wir auch.Aber wir lehnen eine Übermaßbesteuerung an dieserStelle ab. Wenn Sie das wollen, werden Sie weiterhin mitunserer Kritik rechnen müssen.
– Sie.
Diese Steuererhöhungspläne werden derzeit zwarpflichtgemäß dementiert – Herr Lennartz hat auch deut-lich gemacht, warum, nämlich weil am nächsten Sonntagdie Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen stattfindet –,
aber die Fakten, nämlich dass erstens eine Arbeitsgruppeeingesetzt wurde,
dass zweitens diese Arbeitsgruppe schon entsprechendeErgebnisse erarbeitet hat und dass drittens diese Ergeb-nisse zu einer massiven Mehrbelastung insbesondere fürHausbesitzer in unserem Lande führen, zeigen, dass Rot-Grün an das sauer erarbeitete und ersparte Geld der Bür-ger in unserem Land heran will.
Ich möchte kurz zu vier Punkten Stellung nehmen. Ers-tens zu den Hauseigentümern: Das, was Sie durch eineÄnderung der Bewertungsvorschriften derzeit vorhaben,stellt eine massive Mehrbelastung der Hauseigentümer inunserem Lande dar. Die Erhöhung der Erbschaftsteuersteht auch nicht alleine. Sie haben sich eine Summe vonBelastungen für die Eigentümer von Immobilien sowiedie Bauwirtschaft in unserem Lande ausgedacht: Ein-schränkung der Verlustverrechnung, Verfünffachung derSpekulationsfrist, Verschärfung des Mietrechts, Senkungder Einkommensgrenze für die Eigenheimzulage. Dies al-les sind Maßnahmen, die nicht zu mehr, sondern zu weni-ger Wohnungsbau in unserem Lande führen. Das aber istdie falsche Weichenstellung. Wir brauchen mehr Woh-nungsbau, wir brauchen mehr Beschäftigung in diesemBereich. Das machen Sie kaputt.
Zweitens zum Mittelstand: Der Mittelstand brauchtKredite. Der Existenzgründer braucht einen Kredit. Wermit den Banken Erfahrungen gesammelt hat, weiß, dassGrundvermögen in der Regel deshalb erforderlich ist, umeinen solchen Kredit überhaupt erhalten zu können. Wenndann das Grundvermögen zusätzlich besteuert wird, wirddie Kreditfähigkeit eines Existenzgründers, eines Mittel-ständlers beeinträchtigt.
– Sie wollen es, denn die Arbeitsgruppe ist von den Län-dern – ohne Baden-Württemberg – eingerichtet worden.Nach meiner Kenntnis hat die SPD bei den Ländern im-mer noch die Mehrheit.
Das kann aber geändert werden. Wenn Sie so weiterredenund weiterhin dazwischenbrüllen, Herr Lennartz, wirddies vermutlich auch geändert werden.
Drittens zur Altersvorsorge: Wir diskutieren eine Ver-besserung der Altersvorsorge auch neben der Rente. Wirbrauchen eine zusätzliche Altersvorsorge. Wir brauchenmehr Eigentum, um die zusätzliche Altersvorsorge in un-serem Land finanzieren zu können. Wer zu diesem Zeit-punkt eine zusätzliche Steuerbelastung auf Eigentumplant, der will das genaue Gegenteil dessen. Aus diesemGrunde werden wir dem auch nicht zustimmen.
Viertens zum Problem der Doppelbesteuerung. Einesmüssen Sie sehen: Das ganze ererbte Vermögen ist schoneinmal versteuert worden, und zwar von denjenigen, diedas Vermögen angesammelt bzw. aufgebaut haben.
Insofern brauchen wir hier keine stärkere Besteuerung. ImGegenteil: Wir brauchen eine erhebliche Erleichterung fürBetriebsnachfolger beim Erbschaftsteuerrecht.
Die F.D.P. ist der Auffassung, dass für einen Betriebs-nachfolger die Erbschaftsteuer auf zehn Jahre gestundetwerden soll. Wenn der Betrieb auch noch nach zehn Jah-ren fortgeführt wird, dann soll die Erbschaftsteuer gänz-lich entfallen. Denn wir erleben heute, dass die großenAktiengesellschaften von der Erbschaftsteuer überhauptnicht tangiert sind. Aber wenn ein Handwerker sein mit-telständisches Unternehmen, wenn ein Anwalt seineKanzlei, wenn ein Arzt seine Praxis weitergeben will,dann wird der Fiskus voll zugreifen. Das kann nicht rich-tig sein. Denn das Geld liegt nicht einfach parat, sondernmuss aus dem Betrieb herausgenommen werden, mit derFolge, dass Teile des Betriebes veräußert werden müssenoder der gesamte Betrieb veräußert werden muss.
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Carl-Ludwig Thiele9460
Deshalb brauchen wir für eine stärkere Förderung desMittelstandes nicht eine Erhöhung der Bemessungs-grundlage, sondern eine weiter gehende steuerliche Frei-stellung für diejenigen Unternehmen und Unternehmer,die bereit sind, ihre Betriebe auch zukünftig weiterzu-führen.
Hier werden wir Sie drängen, hier werden wir Sie treiben.Es darf nicht dazu kommen, dass alleine die Kapitalge-sellschaften entlastet werden und der Mittelstand bei Ih-nen im Regen steht.
Als
nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Christine
Scheel vom Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Herr Thiele,so langsam wird deutlich, was Sie wollen. Sie wollen,dass am besten überhaupt keine Steuern mehr gezahltwerden. Zudem wollen Sie, dass alle Vergünstigungen,die es in den letzten Jahren gab und die wir mühsam ab-geschafft haben – durch die Verbreiterung der Bemes-sungsgrundlage, die auch immer F.D.P.-Ziel war –, wie-derbelebt werden, was unter dem Strich wahrscheinlichdazu führt, dass der Staat den Bürgerinnen und Bürgern,am besten wahrscheinlich noch denen mit hohem Ein-kommen, etwas hinterherschmeißt, ohne dass sie einenPfennig Steuern bezahlen.
Das ist F.D.P.-Politik pur, die mit solider Finanzpolitiknichts mehr zu tun hat. Das ist reiner Populismus.
Außerdem – da werde ich langsam wirklich sauer –kann ich mich verdammt gut daran erinnern, dass wir imFinanzausschuss bereits in der letzten Legislaturperiodeintensiv darüber beraten haben, ob sich bei der Erbschaft-steuer im Zusammenhang mit Betriebsübergaben nichteine Regelung finden lässt, die die Existenz eines solchenBetriebes nicht gefährdet.
Wir haben damals gemeinsam beraten und, was die be-triebliche Seite betrifft, letztendlich gemeinsam entschie-den, dass dann, wenn es bei Betriebsübergaben zu exis-tenziellen Gefährdungen kommt, Stundungen möglichsind. Das, was Sie hier anmahnen, ist also gesetzlichlängst umgesetzt
und wird auch von den Finanzämtern so gehandhabt. Ichbitte Sie auch an dieser Stelle, bei der Wahrheit zu blei-ben, anstatt die Leute zu verunsichern und zu suggerieren,bei der Regelung zur Betriebsübergabe finde eine Ver-schlechterung statt.
Wir haben vor einer knappen Stunde – das hat der Kol-lege Lennartz zu Recht angesprochen – die Steuerreformim Finanzausschuss beschlossen. Die Gesamtentlastungdurch alle Maßnahmen, die diese Bundesregierung unddie sie tragenden beiden Fraktionen seit 1998 beschlossenhaben, beträgt rund 74 Milliarden DM.
Dieses Nettoentlastungsvolumen muss, wie Sie wissen,anteilig auch von den Ländern getragen werden. Wir wis-sen, dass die Länder riesige Probleme damit haben. Des-halb kann man nur an Sie appellieren, dass Sie, was dasweitere Verfahren betrifft – Bundesrat, Vermittlungsver-fahren –, auf dem Boden bleiben und Bund und Ländernicht in eine Situation manövrieren, in der die Haushaltenicht mehr den verfassungsrechtlichen Vorgaben hin-sichtlich der Verschuldungskriterien entsprechen. Daswürde dem Ansehen der Bundesrepublik insgesamt undim Übrigen – um auch das an dieser Stelle einmal zu sa-gen – der Entwicklung des Euro schaden.
Für uns stehen Steuererhöhungen nicht zur Diskussion.Es ist richtig, dass eine Expertenkommission von Bundund Ländern eingesetzt worden ist.
– Natürlich, das ist richtig. Es gibt viele Kommissionen,es gibt viele Arbeitskreise, die sich mit den unterschied-lichsten Themen beschäftigen. Aber weder der Bundesre-gierung – dazu wird Frau Hendricks mit Sicherheit nochetwas sagen – noch uns Abgeordneten oder dem Parla-ment insgesamt liegt ein Abschlussbericht vor.Wenn von dem Berliner CDU-Finanzsenator KurthZwischenergebnisse an die Presse gegeben werden, dannhat dies nicht die Qualität eines Abschlussberichtes undnicht im weitesten Sinne das zum Inhalt, was hier bei unsüberhaupt erst einmal anberaten wird,
geschweige denn, dass wir überhaupt zu irgendwelchenEntscheidungen in diesem Zusammenhang kommen wol-len.
Richtig ist auch, dass im Zuge der Erbschaftsteuerre-form der Regierung Kohl/Waigel
damals eine Korrektur der Bemessungsgrundlagen für dasImmobilienvermögen vorgenommen worden ist. Wir ha-ben damals das Ertragswertverfahren beschlossen. Wir
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000
Carl-Ludwig Thiele9461
Grüne haben uns, was dieses Verfahren betrifft, bei derAbstimmung positiv verhalten und sind auch nach wie vorder Meinung, dass dies richtig ist.
Wir sehen überhaupt keinen Grund – das kann ich Ihnenoffen sagen –, an dieser Stelle irgendetwas ändern zu wol-len.
Über die Frage, über die die Länder hier diskutieren,sollen sie sich verständigen. Sie wissen doch ganz genau,dass die Erbschaftsteuer den Bund, was die Einnahme-seite betrifft, überhaupt nicht interessiert. Es gibt keinenGesetzesvorschlag von einem Land, es gibt keinen Ab-schlussbericht. Ich möchte Sie daher bitten, endlich aufeine solide Diskussionsebene zurückzukehren und nichtimmer wieder diesen unsäglichen Versuch zu starten, derRegierung irgendwelche Steuererhöhungsvorhaben an-zuhängen, weil Ihnen ansonsten die Argumente ausge-gangen sind.
Das ist doch der Hintergrund Ihrer gesamten Aktion.Sie wollen Stimmung machen, Sie wollen der Bevölke-rung suggerieren, dass wir sie belasten würden.
Sie wissen ganz genau, dass wir durch unsere Steu-ergesetzgebung eine massive Entlastung vorgenommenhaben.Sie wissen auch – wenn ich das abschließend als letz-ten Satz noch sagen darf, Herr Präsident –, dass wir einStiftungsgesetz verabschiedet haben, mit dem wir denje-nigen, die viel Vermögen zur Verfügung haben, dieChance geben wollen, sich an gemeinnützigen Stiftungenzu beteiligen, damit gemeinwohlorientiert Einlagen gege-ben werden können. Das war das Interesse der Bundesre-gierung. Ich kann nur sagen: Ich bedauere es sehr, dassselbst dieses Vorhaben vonseiten der CDU/CSU- und derF.D.P.-Fraktion damals abgelehnt wurde.
Danke schön.
Das Wort
hat jetzt Kollegin Dr. Barbara Höll von der PDS-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Da-men und Herren! Das Anliegen, das die CDU/CSU mitdieser Aktuellen Stunde verfolgt, kann auch ich relativschnell abhaken. Wider besseres Wissen versuchen Sieaus dem Vorschlag der Bund-Länder-Gruppe, die Bewer-tung des Grundvermögens von derzeit 53 Prozent auf 80Prozent des Verkehrswertes anzuheben, billig Wahl-kampfkapital zu schlagen. Sie wissen, dass sich aus derHöherbewertung nicht automatisch eine höhere Erb-schaftsbesteuerung ergibt. Über höhere Freibeträge wäredas ganz einfach zu regeln.
Allerdings bedaure ich sehr – was jetzt auch noch ein-mal durch meinen Vorredner von der SPD und meine Vor-rednerin von den Grünen bestätigt wurde –, dass wir hierim Parlament nicht endlich zu einer ernsthaften Debattekommen; denn auch bei Ihnen ist der Wille nicht vorhan-den, die Erbschaftsbesteuerung richtig anzufassen. Bisherstehen ja nur kleine kosmetische Veränderungen an unddie will Herr Eichel durchaus den Ländern überlassen.
Herr Thiele hat sich schon vor vier Jahren über die Ver-dopplung bei der Erbschaftsbesteuerung sehr mokiert –sage und schreibe von 4 Milliarden DM auf 6 MilliardenDM bei einer jährlich anfallenden Erbmasse von mindes-tens 400 Milliarden DM! Wo bleibt da denn überhauptnoch die Verhältnismäßigkeit?Ich meine, Herr Eichel müsste genau hier ein wesent-liches Potenzial zur Einnahmeerzielung sehen. Es ist jaauch gut, dass diese Einnahmen den Ländern zugute kä-men, denn mit der in der nächsten Woche zu beschließen-den Unternehmensteuerreform werden ja gerade die Län-der massiv belastet. Ich meine, in den neuen Bundeslän-dern wird das tatsächlich zu vielen Problemen führen, dasdadurch entstehende Defizit im Haushalt abzudecken.Ich würde es auch sehr begrüßen, wenn man einerseitsnicht nur vor allem für jene, die wirklich viel Geld haben,eine Steuersenkungspolitik macht, andererseits – wie indiesem Jahr nun Realität geworden – den Menschen, diegar keine Steuern zahlen, immer tiefer in die Tasche greift –siehe Rentnerinnen und Rentner, siehe Arbeitslose undStudenten. Vielmehr muss man tatsächlich einmal die ge-samte Gesellschaft betrachten.Dazu muss man sich selbstverständlich überlegen, wieman Einnahmen erzielt. Ich sage aber auch klar und deut-lich: Natürlich ist auch die Partei der demokratischenSozialistinnen und Sozialisten, die PDS, nicht dafür, dassim Erbfall Einfamilienhäuser wegbesteuert werden oderder Fortbestand von Familienbetrieben gefährdet wird.Wir sind aber gegen eine weitere Privilegierung vonReichtum, der ja immer damit verbunden ist, dass sozialeund politische Machtpositionen zementiert werden.Es kann auch nicht sein, dass über die Erbschafts-besteuerung die Diskriminierung nichtehelicher Lebens-gemeinschaften fortbesteht. Noch einmal zur Verdeutli-chung: Heute ist es so, dass selbst der geschiedene Ehe-gatte durch die Einstufung in eine günstigere Steuerklasseim Erbfall immer noch besser behandelt wird als der über-lebende nichteheliche Lebenspartner. Das kann dochkeine Politik von Rot-Grün sein! Wenn Sie das endlich an-fassen, werden Sie unsere Unterstützung haben.Wir meinen, dass es Not tut, auch bei der Gleichbe-handlung verschiedener Vermögensarten endlich voran-zukommen. Die bestehende pauschale Privilegierungvon Betriebsvermögen durch einen Freibetrag von500 000DM und den Bewertungsabschlag von 25 Prozent
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Christine Scheel9462
wurde bei ihrer Einführung von der SPD noch kritisiert.Warum fassen Sie das nicht endlich an?Die PDS hat bereits in der letzten Legislaturperiode einumfassendes Konzept zur Reform der Erbschaftsbesteue-rung vorgelegt. Wir wollen Reichtumsumverteilung –Reichtum: da, wo wirklich viel Geld ist,
keine Einfamilienhäuser –, Entdiskriminierung außerehe-licher Lebensformen und Gleichbehandlung der verschie-denen Vermögensarten. Das verkommt bei uns nicht zuleeren Worthülsen. Wir haben Ihnen einen eigenständigenVorschlag vorgelegt, über den es sich nachzudenken lohntund den man endlich anfassen muss. In anderen Ländernwie zum Beispiel in den USA funktioniert es nämlich.Man sollte eine Nachlasssteuer für große Vermögen ein-führen. Herr Lennartz, ab 1 Million DM können wir da-rüber reden, eine Nachlassbesteuerung einzuführen. Le-sen Sie das noch einmal nach. Es ist in der Drucksache zufinden.Vor vier Jahren haben wir einen Freibetrag von250 000 DM für jeden Erben und weitere 150 000 DMFreibetrag für Erben im Alter von über 55 Jahren vorge-schlagen. Man muss klar und deutlich sagen: Mit diesenFreibeträgen ist die Mehrheit der Erben von der Erb-schaftsteuer freigestellt, denn 60 Prozent aller Erbschaf-ten liegen heute bei unter 200 000 DM. Es geht aber umdie Erbschaften, die weit darüber liegen. Hier muss end-lich angefasst werden.Wir fordern weiter eine konsequente Individualisie-rung des Steuerrechts. Es kann nicht mehr sein, dass mandanach geht, ob man blutsverwandt oder verheiratet istoder nicht, sondern man muss von den Lebensrealitätender Menschen in unserer Gesellschaft ausgehen. Wir for-dern deshalb eine einheitliche Steuerklasse und ein-heitliche Freibeträge. Das ist unsere Antwort auf die Plu-ralisierung der Lebensformen.
Ich bitte
Sie, jetzt zum Schluss zu kommen.
Die Gleichbesteuerung der
verschiedenen Vermögensarten habe ich schon angeführt.
Wenn Sie das einmal nachlesen, sehen Sie, dass man mit
unserem Vorschlag jährlich 15 Milliarden DM Mehrein-
nahmen erzielen kann. Herr Eichel hätte dann darauf ver-
zichten können, seine sozial ungerechten Maßnahmen,
die er in diesem Jahr gemacht hat, durchzuführen. Geld ist
da, aber man muss es an der richtigen Stelle abholen.
Ich danke Ihnen.
Das Wort
hat jetzt die Parlamentarische Staatssekretärin Barbara
Hendricks.
D
Herr Präsident! Liebe Kol-leginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat keinePläne, die Erbschaftsteuer zu erhöhen. Diese Aussagesollte eigentlich genügen, um dieses Thema in dieser völ-lig unaktuellen Stunde erschöpfend zu behandeln.
Offenbar muss man aber mit Ihnen argumentieren, weilSie wider besseres Wissen Behauptungen in die Welt set-zen.Die Bundesregierung ist sich im Übrigen aber bewusst,dass das geltende Erbschaftsteuerrecht wegen seiner un-gleichen Belastungswirkungen je nach Art des erworbe-nen Vermögens auf durchaus begründete verfassungs-rechtliche Kritik stößt.
– Das ist gar nicht neu. Wir haben in diesem Hause schonmehrfach darüber diskutiert und ich habe dazu schonmehrfach Stellung genommen. Es hat auch nichts damitzu tun, dass am Sonntag Wahlen in Nordrhein-Westfalensind. Schon in der Koalitionsvereinbarung vom 20. Okto-ber 1998 hat die Koalition vorgesehen, eine Sachverstän-digenkommission einzuberufen, die die Grundlagen füreine wirtschafts- und steuerpolitisch sinnvolle Vermö-gensbesteuerung erarbeiten soll. Sie beschäftigt sich mitdem Hauptproblem bei der Besteuerung des Vermögens;das ist die sachgerechte Bewertung des Grundbesitzes.Dafür ist ein Verfahren notwendig, das möglichst einfachist und in dessen Rahmen trotzdem der Grundbesitz nachgleichen Maßstäben bewertet wird. Diesen Prüfauftraghat die vom Bundesministerium der Finanzen eingesetzteKommission zu erfüllen, nicht mehr, aber auch nicht we-niger. Sie setzt sich aus Praktikern der Finanzverwaltun-gen aller Länder zusammen. Daneben sind auch Bau-sachverständige und Vertreter des Bundesministeriumsfür Verkehr, Bau- und Wohnungswesen an der Kommis-sion beteiligt. Die Mitglieder der Kommission kennensich also in der zu untersuchenden Materie aus, was nichtjeder, der sich an der jetzigen Debatte beteiligt, von sichbehaupten kann.
Die Kommission ist dabei, den Abschlussbericht zuverfassen. Er liegt noch nicht vor. Sie wird ihn, wenn erfertig gestellt ist, dem auftraggebenden Bundesministe-rium der Finanzen übergeben, wahrscheinlich am Endedieses Monats oder im nächsten Monat.
Wir reden insofern noch immer über ungelegte Eier. Erstnach Vorlage des Berichts können wir die vorgeschla-genen Lösungsansätze prüfen.
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Dr. Barbara Höll9463
Wir werden dann – selbstverständlich in Abstimmung mitden Ländern, denen das Steueraufkommen zusteht – ent-scheiden, ob und gegebenenfalls welche Initiativen er-griffen werden sollen, um als richtig erachtete Lösungs-ansätze umzusetzen. Dabei wird ebenso zu prüfen sein, obdie bisherige Bewertung den Geboten des Verfassungs-rechts entspricht. Sollte dies nicht der Fall sein, dann wer-den wir das ändern müssen und eine verfassungskon-forme Ausgestaltung der Erbschaftsteuer anstreben. Einverfassungswidriges Steuerrecht darf es nicht geben!Dazu müssten auch Sie sich eigentlich bekennen!
Sie müssen im Übrigen berücksichtigen – HerrKollege Seiffert, bitte hören Sie gut zu –, dass schon in§ 138 Abs. 4 des geltenden Bewertungsgesetzes vorgese-hen ist, die Bewertung des Grundbesitzes zum 1. Januar2002 einer Überprüfung zu unterziehen. Das Bewer-tungsgesetz mit dieser Vorschrift hat der Deutsche Bun-destag – man höre und staune – am 12. Dezember 1996nach einem langwierigen Vermittlungsverfahren be-schlossen, übrigens mit den Stimmen der CDU/CSU undder F.D.P. bei Stimmenthaltung der SPD und gegen dieStimmen des Bündnisses 90/Die Grünen. Auch der Bun-desrat hat dem Gesetz am 19. Dezember 1996 mehrheit-lich zugestimmt.Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass wir, wenn wirnur die Gesetze einhalten, die Sie mit Ihrer Mehrheit indiesem Hause beschlossen haben, die Bewertung desGrundbesitzes sowieso überprüfen müssen. Diese Über-prüfung ist ergebnisoffen. Aber sie muss jedenfalls ver-fassungsrechtlichen Gesichtspunkten genügen.
Ihnen, Herr Kollege Thiele, möchte ich bezüglich derVerunsicherung, die Sie beim Mittelstand auslösen – esgibt ja im Moment viele Zuhörerinnen und Zuhörer, alsoeine gewisse Öffentlichkeit –, noch sagen: Beim Vererbenvon Betriebsvermögen ist grundsätzlich ein Freibetragvon 500 000 DM vorgesehen. Des Weiteren gilt grund-sätzlich ein Bewertungsabschlag von 40 Prozent. Es wer-den also zuerst 500 000 DM und von dem dann noch übriggebliebenen Rest 40 Prozent abgezogen. Erst dann wirddas Erbe der Besteuerung unterworfen, natürlich nach denjeweiligen Steuerklassen. Egal, wer erbt: Es wird immerdie günstigste Steuerklasse herangezogen. Der Verwandt-schaftsgrad wird nicht berücksichtigt.
– Beim Betriebsnachfolger, das stimmt. Wenn es um denErhalt von Unternehmen geht, dann geht es doch wohl umdie Betriebsnachfolge. In diesem Zusammenhang mussauch Folgendes berücksichtigt werden, was ich an einemBeispiel deutlich machen möchte: Ein Betriebsinhaberhat zwei Kinder. Im Erbschaftsfall muss der- oder dieje-nige, der oder die den Betrieb nicht fortführt und einenAusgleich in Geld erhält, im Durchschnitt zehnmal so vielErbschaftsteuer zahlen wie der Bruder oder die Schwes-ter, der oder die den Betrieb fortführt. Natürlich muss derAusgleich in Geld von demjenigen, der auch Erbe ist undder den Betrieb fortführt, erst einmal erbracht werden.
– Ich mache Sie darauf aufmerksam. Natürlich gibt es sol-che Fälle. Wieso können Sie damit nichts anfangen?Wenn ein Betrieb, der einen Wert von 10 Millionen DMhat, vererbt wird, dann muss derjenige, der einen Aus-gleich in Geld erhält, mindestens zehnmal so viel Erb-schaftsteuer zahlen wie sein naher Blutsverwandter –Bruder oder Schwester –, der den Betrieb fortführt. Wenndann tatsächlich noch Erbschaftsteuer anfällt, dann wirdsie zehn Jahre lang zinsfrei gestundet.
Wenn ein Unternehmer, der einen Betrieb erbt, ihn alsosteuerfrei erwirbt, nach zehnjähriger zinsfreier Stundungnicht in der Lage ist, die Erbschaftsteuer zu zahlen, dannist er offenbar ein erfolgloser Unternehmer und sollte sei-nen Betrieb schließen.
Als
nächster Redner hat der Kollege Jochen-Konrad Fromme
das Wort.
Herr Kol-lege Lennartz, wie gut das Steuergesetz, das Sie heuteMorgen verabschiedet haben, bei den Betroffenen an-kommt, können Sie in der Zeitschrift „Das Handwerk“ le-sen: „Nur eine kosmetische Korrektur“, die „keine echteEntlastung des Handwerks“ bedeute.
Wo Rauch ist, ist auch Feuer. Das gilt ganz besondersfür die Diskussion über die Erbschaftsteuer.
Ihre Beteuerungen, da passiere nichts, sind so viel wertwie die Aussagen Ihres Kanzlers vom 17. Februar 1999 –ich darf zitieren –:Ich stehe dafür, dass die Renten steigen wie dieNettoeinkommen.Schauen Sie sich die Tatsachen an: Etwas völlig anderesist geschehen.Eine weitere Aussage des Kanzlers hat denselben Wert:Wenn die Arbeitnehmer und die Betriebe von Abga-ben entlastet werden, dann lasse ich mit mir über eineErhöhung der Mineralölsteuer um 6 Pfennig reden.Aber das ist dann auch das Ende der Fahnenstange.
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Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks9464
Wenn Sie sagen, es gebe keinen aktuellen Anlass zurDiskussion: Warum hat dann Frau Simonis in ihrer Re-gierungserklärung heute Morgen exakt dieses Thema an-gesprochen? Sie sagte, die Erbschaftsteuer müsse andersgestaltet werden, um ein Stück soziale Gerechtigkeit zuschaffen. Was heißt denn das? Ein Stück soziale Gerech-tigkeit zu schaffen heißt doch, dass Sie die Erb-schaftsteuer erhöhen wollen, und zwar nicht für jeder-mann, sondern für Einzelne. Das hat auch Ihr Fraktions-vorsitzender Herr Struck im November gesagt und Siehaben es auf dem Parteitag beschlossen.Es ist natürlich peinlich, dass entsprechende Aussagen14 Tage vor einer wichtigen Landtagswahl das Licht derÖffentlichkeit erblicken. Aber wenn man etwas auf dieReise schickt, dann kommt die Wahrheit Gott sei Dank ir-gendwann – nun ist es so weit – auf den Tisch.Ihre Partei ist die Partei der Steuererhöhungen – entge-gen all Ihren Beteuerungen.
Ich erinnere an die 630-Mark-Regelung, die Ökosteuerund die Diskussion über die Grundsteuer. Außerdem dis-kutieren Sie über die Mehrwertsteuer und Sie spekulierenüber die Vermögensteuer.Lassen wir doch einmal die Fakten sprechen. Im Jahr1999 sind das Bruttosozialprodukt um 2,3 Prozent und dieSteuereinnahmen um 6,5 Prozent gestiegen. Die Faktensprechen doch ganz klar dafür, dass Sie die Steuern erhöhthaben – nichts anderes ist wahr. Nehme ich das Kinder-geld, das die Steuereinnahmen vermindert, aus der Be-rechnung heraus, dann komme ich zu dem Ergebnis, dassdie Steuereinnahmen nicht nur um 6,5 Prozent, sondernum 8,7 Prozent stiegen. Das heißt, die Steuereinnahmensind fast viermal so schnell wie das Bruttosozialproduktgestiegen.Wenn Sie behaupten, dass Sie die Steuern nichterhöhen wollen, dann sage ich: Die Fakten sprechen ge-gen Sie; nichts anderes ist wahr.
– Dagegen ist gar nichts einzuwenden, wenn die Steuer-mehreinnahmen auf Wirtschaftswachstum und nicht aufSteuererhöhungen beruhen. Wenn die Steuereinnahmenaber wesentlich schneller als das Bruttosozialproduktsteigen, dann sind darin Steuererhöhungen versteckt. Soist Ihre Politik.
Wie immer stimmen bei Ihnen Überschriften und In-halte überhaupt nicht überein. Bei Ihrer viel gerühmtenSteuersenkung haben Sie den Unternehmen versprochen:Wer nicht von der Körperschaftsteuer entlastet wird, derdarf zukünftig seine Gewerbesteuer mit der Einkommen-steuer verrechnen. Das haben die Menschen für bareMünze genommen. Am Montag haben wir im Finanz-ausschuss gehört, dass nur die gewerblichen Einkünftebevorzugt behandelt werden sollen. Damit schließen Sieweitere Unternehmen von dieser Vergünstigung aus.Sie machen ein Steuerentlastungsgesetz und belastendie Wirtschaft. Das hat Herr Eichel selbst am 28. April inder „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ eingeräumt.Eichel gestand ein, dass das Steuerentlastungsgesetz fürgroße Teile der Wirtschaft ein Steuerbelastungsgesetz ge-wesen ist. Jetzt wollen Sie den Menschen wieder weis-machen, es gebe keine Erbschaftsteuererhöhung. Gleich-zeitig beraten Sie darüber, Sie setzen Kommissionen einund Sie wollen eine Erbschaftsteuererhöhung durchset-zen.Der größte Sündenfall der Steuererhöhung war dieÖkosteuer. Sie haben damit jedem in die Tasche gegriffen.Sie wissen überhaupt nicht, was Sie steuerpolitisch ei-gentlich wollen, oder Sie täuschen die Menschen. Dennwarum mussten wir in dieser Woche ständig ErgänzungenIhrer Vorlage hinnehmen? Sie haben monatelang darübergebrütet, und über jeder zweiten Vorlage stand „Konkre-tisierung des Gewollten“.Meine Damen und Herren, haben Sie denn vor Mona-ten, als Sie das beraten haben, nicht gewusst, was Sie wol-len? Ich glaube, es ist so. Wenn ich mir den § 2 b anschaue,der nicht zu Unrecht als „Fallenstellerparagraph“ be-schrieben wird, so ist ein Jahr nach seinem In-Kraft-Tre-ten immer noch nicht klar, wie seine Auslegung ist. Sei-tenlange BMF-Schreiben zur Interpretation schaffenüberhaupt keine Klarheit. Das ist Ihre Steuerpolitik!Meine Damen und Herren, nachdem Sie die Richtungverloren hatten, verdoppelten Sie Ihre Anstrengungen.Gleichzeitig mit dem Gesetz verfassen Sie Entschließun-gen, um den Gesetzestext zu interpretieren, weil Sie nichtin der Lage sind, vernünftige Gesetzestexte zu formulie-ren.Meine Damen und Herren, die Überschrift vom Deut-schen Siedlerbund – das ist ja nicht irgendeine Organisa-tion, sondern eine Organisation der kleinen Leute – „Ein-familienhaus vor dem Fiskus retten“ sollte Ihnen zu den-ken geben, und deswegen sollten Sie endlich zu einervernünftigen Steuerpolitik kommen.
Schönen Dank.
Als nächsteRednerin hat jetzt die Kollegin Franziska Eichstädt-Bohlig von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dasWort.
legen! Ich kann mich den Vorrednern und Vorrednerinnenvon der Koalition nur anschließen: Es ist offenbar Ihr letz-ter Versuch, im Wahlkampf nicht Sachargumente zu an-stehenden Themen zu erörtern,
sondern erst Punkte, die völlig ungelegte Eier sind, in dieWelt zu setzen und dann dazu Aktuelle Stunden zu bean-tragen.
Wenn Sie meinen, dass wir unsere Zeit so verbringen sol-len, dann machen wir das; ich fände es besser, dieses sehrernste und einer detaillierten Erörterung würdige Thema
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Jochen-Konrad Fromme9465
würde nicht in lauter kleinen Fünfminutenbeiträgen, son-dern intensiv in der parlamentarischen Arbeit behandelt.
– Das haben ja einigeKolleginnen undKollegen schon ge-sagt. Frau Staatssekretärin Hendricks hat es auch gesagt.Zunächst gilt das – und ich kann es nur wiederholen –,
was schon von unserer Seite gesagt worden ist.
– Ich will ja noch ein paar Sätze mehr sagen, wenn Sie ge-statten, Herr Kollege.Die Erbschaftsteuer – Herr Eichel hat es häufig genuggesagt, Frau Hendricks hat es eben noch einmal gesagt –ist eine Steuer, die im Interesse der Länder liegt und vonihnen vereinnahmt wird, und wenn, dann geht von denendie Initiative aus und nicht von uns. Lassen Sie also bittediese zwei Ebenen so, wie sie sind, und nehmen Sie end-lich das zur Kenntnis, was Frau StaatssekretärinHendricks eben noch einmal deutlich gesagt hat. Wir ha-ben das auch gesagt, und ich sage es Ihnen ein weiteresMal.Das Zweite aber, und da fängt es an, inhaltlich interes-sant zu werden: Ich bin etwas irritiert über das, was Sie indie Zeitungen lanciert haben. Vielleicht kennt sich IhrKronzeuge, der Berliner Finanzsenator, nicht so recht ausmit dem Bewertungsgesetz, das Sie 1996 für das Jahres-steuergesetz 1997 auf den Weg gebracht haben.
Damals haben Sie nämlich die 80-Prozent-Formel, die Siejetzt dieser Regierung in die Schuhe schieben wollen, ge-setzlich geregelt. Ich habe wirklich das Gefühl, dass Siedas Bewertungsgesetz selbst gar nicht so genau kennen.Ich lese zuerst das, was offenbar auf Initiative vonHerrn Kurth im „Handelsblatt“ gestanden hat. Danachsollen künftig – also durch Rot-Grün – Immobilien bei derVeranlagung zur Erbschaftsteuer mit 80 Prozent statt bis-her mit rund 53 Prozent des Verkehrswertes angesetztwerden. Ich habe mir aber noch einmal – ich hatte dasschon damals getan – das Bewertungsgesetz vorgenom-men und kann nur sagen, dass in ihm deutlich steht, dassder nach dem Ertragswertverfahren ermittelte Wert nichtniedriger sein darf als der Wert, den das Grundstück hätte,wenn es unbebaut wäre. Danach wird das Grundstück ge-nau mit der Formel „20 Prozent unter dem Bodenricht-wert“ definiert, und der Bodenrichtwert steht als Maßstabfür den Verkehrswert.
Für unbebaute Grundstücke haben Sie per se 80 Pro-zent des Bodenrichtwertes festgelegt. Von daher weiß ichüberhaupt nicht, was für eine Debatte Sie führen. StellenSie sich vor die nordrhein-westfälischen Wähler und sa-gen Sie ihnen, dass Sie die 80-Prozent-Formel eingeführthaben,
von der Sie behaupten, die jetzige Regierung wolle sieeinführen.
Also, seien Sie an dieser Stelle endlich einmal redlich mitden Sachargumenten.
Nun will ich Ihnen das Thema nennen, das zu disku-tieren ich wichtig finde und dem wir uns auch stellen soll-ten. Unser Problem ist – Frau Hendricks hat es eben schonangesprochen –, dass wir die Bewertungsregelungen imPlanungsrecht über die Verkehrswertermittlung und überdie Bodenrichtwerte in einer anderen Form definieren, alswir sie im Bewertungsgesetz einerseits für die Grund-steuer mit der Einheitsbewertung und andererseits in dervereinfachten Form des Ertragswertverfahrens haben, wieSie es für die Erbschaft- und die Schenkungsteuer festge-legt haben.Richtig ist, dass Bedarf besteht, diese unterschiedli-chen Regelungen zusammenzuführen, um zu einer ange-messenen Form der Grundstücksbewertung zu kommen.Ich halte es für vernünftig, wenn sich dieses Haus dieserAufgabe stellt, aber das muss ohne Aufregung und ohnegroßes Klabastern geschehen.
Da wird es an der einen Stelle vielleicht einmal eine etwashöhere und an der anderen Stelle vielleicht eine etwasniedrigere Bewertung geben. Aus meiner Sicht ist diewichtigste und vordringlichste Aufgabe, dass wir an dasPlanungsrecht und die Bodenwertermittlung herangehenund die Bodenrichtwerte differenzierter erfassen. Diesesind viel zu pauschal angesetzt. Das gilt für das von Ihnenvorgelegte Bewertungsgesetz, das gilt aber auch dann,wenn wir später einmal über eine Neudefinition derGrundlagen der Grundsteuer diskutieren. Hier bestehtHandlungsbedarf; den sollten wir ruhig und anständigaufarbeiten.
Sich aufzuregen und zu behaupten, wir würden einenSatz von 80 Prozent einführen, nachdem Sie ihn längsteingeführt haben, ist verfehlt. Ich bitte Sie, endlich einmalmit Ihren eigenen Gesetzesprodukten korrekt umzugehen.
Alsnächster Redner hat der Kollege Hans Michelbach vonder CDU/CSU-Fraktion das Wort.
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Franziska Eichstädt-Bohlig9466
Sehr geehrter Herr
Präsident! Der heutige Abschluss der Finanzausschussbe-
ratungen stellt, wie ich meine, keinen Freudentag für die
mittelständische Wirtschaft dar. Diskriminierungen,
Mehrbelastungen und Komplizierungen finden statt.
Hinzu kommen jetzt weitere Verunsicherungen durch
neue Steuererhöhungsplanungen. Meine Damen und Her-
ren, der Steuerdschungel der rot-grünen Koalition wird
immer dichter.
Eichels Steuerpolitik hat das neue PC-Virus „I love you“.
Von ihr geht zwar der Reiz von Steuerentlastungen aus,
aber letztendlich handelt man sich damit Steuermehrbe-
lastungen ein. Es ist doch Realität, dass die Abgabenquote
unter der rot-grünen Koalition um 0,8 Punkte auf den Re-
kordsatz von 43,7 Prozent gestiegen ist.
Die jetzt wieder auf 49 Prozent gestiegene Staatsquote
schränkt zusätzlich privatwirtschaftliches Handeln erheb-
lich ein.
Nach den bisherigen massiven Steuererhöhungen für
die Bürger und Betriebe durch das so genannte Steuerent-
lastungsgesetz und die Ökosteuer sollte eigentlich selbst
dieser auf Umverteilung setzenden Regierung einmal der
Gedanke kommen, dass das Ende der Fahnenstange in der
Steuerpolitik und der Steuerbelastung erreicht ist.
Doch auf diese Erkenntnis, meine Damen und Herren,
werden die durch Steuern und Abgaben geschröpften
Bürger und Unternehmer sicher noch lange warten dür-
fen. Stattdessen werden munter weitere Steuererhöhun-
gen geplant. Ich wiederhole eigentlich nur, was von Ihnen
selbst öffentlich diskutiert wurde und nachzulesen ist.
Da wird eine Mehrwertsteuer für die Rente vorge-
schlagen, da wird die Verschlechterung der Abschrei-
bungstabellen der Betriebe zur Erhöhung der Einkom-
men- und Körperschaftsteuer vorgeschlagen, da ist eine
Grundsteuererhöhung vorgesehen, die mit Blick auf eine
eventuelle zusätzliche Vermögensteuer Dauerbewer-
tungsmaßstäbe anlegt. Da werden die mittelständischen
Unternehmen im Rahmen der Unternehmensteuerreform
durch die unzureichende Senkung des Einkommensteuer-
spitzensatzes per saldo durch den Rückgang der Einkom-
mensgrenze mehr belastet. Wissen Sie eigentlich, dass die
Steuerzahler bis zum Jahr 2005 mit 150 Milliarden DM
mehr belastet werden und durch die mutlose rot-grüne
Steuerreform nur 44 Milliarden DM zurückerhalten?
Diese Situation haben wir jetzt.
Jetzt soll nun auch noch die Erbschaftsteuer durch die
Veränderung der Bemessungsgrundlage für Immobilien
erhöht werden. Von einer Erhöhung der Freibeträge spre-
chen Sie nicht. Sie wollen weiter Kasse machen. Sie
testen wieder – wie schon einmal – die Belastungsfähig-
keit der Wirtschaft, wobei gerade die mittelständischen
Unternehmen, die immerhin etwa 85 Prozent aller Unter-
nehmen in Deutschland ausmachen und damit das Rück-
grat der deutschen Wirtschaft darstellen, durch diese
Maßnahmen wieder stark belastet werden. 380 000 mit-
telständische Betriebe werden in den nächsten Jahren zur
Übertragung anstehen. Über 57 Prozent von ihnen gelten
als besonders mit Risiken behaftet. 4,8 Millionen Arbeits-
plätze können nur dann gesichert werden, wenn dem Ge-
nerationenwechsel in den nächsten Jahren ein Erfolg be-
schieden ist. Die Erbschaftsteuer als wirtschaftlich schäd-
liche Substanzsteuer darf zur Erhaltung der Arbeitsplätze
in den mittelständischen Betrieben nicht unbekümmert
erhöht werden, sondern muss eher gesenkt werden.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Gleich-
behandlung von Geld- und Immobilienvermögen bei der
Erbschaftsteuer wurde 1996 durch einen gut austarierten
Kompromiss umgesetzt. Zusätzlich wurde die belastende
Vermögensteuer abgeschafft. Diese Tatsache darf man bei
dieser Diskussion nicht unterschlagen.
Jetzt wollen Sie ab 80 Prozent des Verkehrswertes eine
neue Belastungsspirale antreiben. Sie leugnen heute die
Planung, sagen aber, dass Sie das prüfen wollen. Das ist
unglaubwürdig.
Darf ich Sie mit Ihren eigenen Parteitagsbeschlüssen kon-
frontieren? Die von Ihnen geplante Erhöhung der Erb-
schaftsteuer ist doch eine Verbeugung vor den Linken in
der SPD und gegen jede Vernunft. Sie haben deutlich ge-
macht, dass Sie das wollen. Sie sollten dieses Thema da-
her hier nicht verniedlichen. Wir werden Ihrer Verniedli-
chungstaktik nicht auf den Leim gehen.
Es ist unredlich, die alten Gesetzesentscheidungen von
1996 heranzuziehen. Ich kann Ihnen deutlich sagen, dass
wir damals die unbebauten Grundstücke mit einem Min-
destwert versehen haben. Sie dürfen das aber nicht mit
dem von uns eingeführten Ertragswert verwechseln.
Wir haben die Besteuerung nach der Leistungsfähig-
keit auch im Bereich der Erbschaftsteuer durch die Er-
tragswertbesteuerung eingeführt. Das war ein wesentli-
cher Schritt. Sie wollen aber die alten Steuern revitalisie-
ren und damit die Betriebe stärker belasten, was ihre
Zukunft gefährdet. Damit werden Sie weder Wachstum
noch mehr Beschäftigung erzielen. Sie wollen die Wirt-
schaft immer wieder stärker belasten. Das ist der falsche
Weg.
Ich sage Ihnen deutlich: Lassen Sie die Finger von wei-
teren Steuererhöhungen! Was Sie jetzt vorhaben, ist nicht
der richtige Weg. Zusätzliche Steuererhöhungen werden
weiteren Schaden in unserer Volkswirtschaft anrichten.
Alsnächste Rednerin hat die Kollegin Ingrid Arndt-Brauervon der SPD-Fraktion das Wort.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000 9467
Sehr geehrter Herr Prä-sident! Meine Damen und Herren! Es hat mich einbisschen verwundert, dass heute eine Aktuelle Stundeüber dieses Thema, von der CDU beantragt, stattfindet,obwohl noch kein Kommissionsbericht vorliegt. Esscheint Sie aber nicht zu stören. Ich möchte Ihnen nichtunterstellen, dass dies ein paar Tage vor der Landtagswahlim Zusammenhang mit dem Wahlkampf in NRW steht.
– Ich denke immer nur das Beste. Ich hoffe, das tun auchSie.Ich möchte aber doch einer gewissen Verunsicherungentgegenwirken. Herr Seiffert hat gesagt und HerrFromme hat angedeutet, wir würden ständig Steuern er-höhen.
Ich denke, man muss ein bisschen gegen diesen Eindruckangehen.Die kleinen Leute und die Mittelständler, die Sie mehr-fach angesprochen haben, haben in den vergangenen an-derthalb bis zwei Jahren sehr von unseren neuen Ideenund von unseren Maßnahmen profitiert.
– Lassen Sie mich bitte ausreden.
Wie Sie wissen, haben wir am 1. Januar 1999 das Kinder-geld erhöht. Gerade die kleinen Leute profitieren davon.
Wir haben den steuerlichen Grundfreibetrag erhöht.
Ich zähle jetzt die weiteren Punkte auf, die ich nichtnäher erläutern muss: Wir haben die Renten gesichert. Wirhaben die volle Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wie-der in Kraft gesetzt. Wir haben das Krankenhausnotopferwegfallen lassen. Wir haben die Zuzahlungen zu Medika-menten reduziert. Wir haben bei den Jugendlichen dieKostenübernahme beim Zahnersatz wieder gesichert. Wirhaben den Kündigungsschutz auch in Kleinbetrieben wie-der eingeführt. Wir haben das Lohndumping erschwert.Wir haben ein Zwei-Milliarden-Programm gegen die Ju-gendarbeitslosigkeit erfolgreich aufgelegt. Wir haben dasBündnis für Arbeit wieder in Gang gebracht. Wir habendank der Ökosteuer, die wir auch anders nennen könnten,die Lohnnebenkosten gesenkt.
Wir haben das Steuerentlastungsgesetz durch den Bun-destag und den Bundesrat gebracht.
Wir haben die geringfügigen Beschäftigungsverhältnissesozialversicherungspflichtig gemacht, was wir als Fort-schritt betrachten.
Wir haben das BAföG angepasst. Wir haben die Ge-spräche zum Energiekonsens wieder aufgenommen. Wirhaben erneuerbare Energien gefördert.
Des Weiteren haben wir das Schlechtwettergeld fürBauarbeiter wieder eingeführt. Wir haben das Staatsan-gehörigkeitsrecht novelliert. Wir haben eine Trendwendebei der Konsolidierung des Bundeshaushalts eingeleitet.
Wir haben das Familienförderungsgesetz in Gang ge-bracht. Wir haben das Wohngeld reformiert. Wir habendie Eigenheimförderung zuverlässig – ich denke, auchsicher – in die nächsten Jahre geleitet, sodass der Eigen-heimbau nicht wegbrechen wird, da bin ich ganz zu-versichtlich. Wir haben die Übungsleiterpauschale er-höht. Wir haben das Gesetz zur Beschleunigung fälligerZahlungen vor allem für den Mittelstand, der HerrnMichelbach so am Herzen liegt, in Gang gesetzt.
Alle diese Vorhaben zeigen, dass wir keine Steuerer-höhungen vorgenommen haben, sondern dass wir geradeden Menschen, die Ihnen und uns so am Herzen liegen,das Leben erleichtert haben. Wir werden auch in Zukunftdafür sorgen, mit all den Dingen, die wir noch vorhaben,dass es gerade den Beziehern kleinerer und mittlerer Ein-kommen besser gehen wird.
– Zu Ihrer Zwischenfrage: Die Menschen sind in der Tatsehr zufrieden mit uns. Die Schaffung eines modernenUnternehmensteuerrechts hat es gezeigt. Sie werden mor-gen in den Zeitungen die Reaktionen darüber lesen. Ichdenke, die werden positiv sein.
Wir werden die Renten im Laufe des Jahres dauerhaft si-chern. Wir werden das Bündnis für Arbeit fortsetzen. Wirwerden eine vernünftige Familienpolitik weiterführen.Auch Qualifikation und Ausbildung werden weiter be-trieben und wir werden natürlich den Energiekonsensweiter betreiben. Des Weiteren – ich muss das alles auf-zählen, es sind so viele Punkte –: Die Entwicklung des so-zialen Mietrechts, die Reform des Betriebsverfassungsge-setzes, die Reform der Bundeswehr und natürlich der Auf-bau Ost werden ebenfalls weiter betrieben.Ich denke, das alles zeigt, dass wir hier zum Wohle un-serer Mitmenschen arbeiten und dass wir die Mitmen-schen nicht verunsichern. Im Gegenteil, sie können ganzvertrauensvoll mit uns in die Zukunft schauen.Vielen Dank.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 20009468
Das Wort
hat jetzt der Kollege Hansjürgen Doss von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident!Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich meine,über diese Themen zu reden hat sicher auch einen gewis-sen Unterhaltungswert. Aber es hat auch einen sehr erns-ten Hintergrund,
weil nämlich das, was wir hier beschließen, die Rahmen-bedingungen sind für Menschen, die in eigener Verant-wortung als Unternehmer tätig sind.Wenn man die Mehrheit in einem Parlament wie dem un-seren hat, ist es auch eine Frage nach dem guten Stil, obman die Opposition zu Wort kommen lässt oder ob mansich lärmend und lachend über das, was aus tiefer Sorgevorgetragen wird, erhebt.
So eine Art von Arroganz, wie man sie hier erkennenkann, halte ich nicht für besonders weiterführend.
– Sie sollten einmal zuhören! Vielleicht kriegen Sie danndie eine oder andere Anregung. Ich halte das für keinenguten Stil.
Wir, die Opposition, sind gut beraten, dass wir auf Sie auf-passen, Ihre Überlegungen frühzeitig zur Kenntnis neh-men,
und uns dagegen wenden, wenn Gefahr im Verzug ist.Nach dem, was hier vorgetragen worden ist, ist der Ver-dacht zwingend – Frau Hendricks, Sie konnten ihn nichtzerstreuen –, dass auf Länderebene zur Zeit überlegt wird,an der Erbschaftsteuerschraube zu drehen. Zwar ist daseine Steuer, die den Ländern zugute kommt, aber klar ist:Wir sind der Bundesgesetzgeber und Entscheidungen die-ser Art werden bei uns getroffen. Also gehört das Themahier in den Deutschen Bundestag, und zwar frühzeitig ge-nug, damit wir Schaden vermeiden können. Das ist unsereAufgabe, dafür sind wir gewählt.
Wenn ich mir Ihre Politik anschaue – Sie sind ja sostolz auf das, was Sie alles in den letzten eineinhalb Jah-ren, so sage ich einmal, angerichtet haben –, dann wirderkennbar: Wie ein roter Faden durchzieht Skepsis ge-genüber dem freien, selbst verantwortlichen Unternehmerall Ihr Handeln.
Alles, was Sie getan haben, richtet sich am Ende gegenden Mittelständler. Mein Freund Hans Michelbach ist imÜbrigen einer von denen, die in ihrem Privatberuf dasverantworten, was wir hier beschließen. Das heißt, er re-det nicht wie der Blinde von der Farbe, wie das eine ganzeReihe von Leuten aus Ihren Reihen tut.Was haben Sie in der Zwischenzeit denn alles ge-macht? Sie haben den mittelständischen Betrieben dieflexiblen Arbeitskräfte in den 630-Mark-Beschäfti-gungsverhältnissen genommen, das Gesetz zur Bekämp-fung der Scheinselbstständigkeit hatte große Auswirkun-gen auf das Selbstständigmachen in unserer Gesellschaft,und die so genannte Ökosteuer – das ist wohl das Schlam-pigste, was Sie sich geleistet haben –
steht bereits heute vor dem Bundesverfassungsgericht zurVerhandlung an.Durch die Erhöhung der durchschnittlichen Bewertungvon Immobilienvermögen und die Veränderung der Be-rechnungsgrundlagen kommt es zu einer verdeckten, abermassiven Steuererhöhung. Sie sollten sich keine Illusio-nen machen: Wir werden aufpassen und uns dagegenwenden, wenn Sie mit solchen Überlegungen kommen,weil wir nicht wollen, dass die fleißigen Menschen vonIhnen wieder einmal abkassiert werden.
Dabei geht es uns nicht um eine Schonung der Erben-generation, sondern es geht uns darum, die Tausende vonmittelständischen Betrieben, deren Vererbung jetzt an-steht, mit ihren Arbeitsplätzen zu erhalten. Das ist unserZiel. Diesen volkswirtschaftlichen Wert wollen und müs-sen wir erhalten.
Das darf nicht manipulatives Material für ideologischeSpielchen sein, die sich wie ein roter Faden durch Ihre Po-litik ziehen.Wir werden die unterschiedliche Behandlung von Un-ternehmen und Unternehmern auch in der Steuergesetz-gebung wieder zu diskutieren haben. Was Sie hier vorha-ben – es liegt auf dem Tisch –, ist eine Veränderung unse-rer Unternehmenskultur mit weitreichenden Folgen. Dasist überhaupt nicht auf die leichte Schulter zu nehmen.Die Vererbung von über 700 000 Betrieben steht an.Die Betriebe sind unterkapitalisiert; das sollten Sie we-nigstens wissen. Mit 10 Prozent Eigenkapital im Durch-schnitt kann ich keine großen Sprünge machen.
– Frau Hendricks, übernehmen Sie einmal die Verantwor-tung für einen solchen Betrieb. Sie würden geläutert ent-lassen wieder in Ihr Amt zurückkehren – oder vielleichtauch nicht, das kommt auf den Wähler an.Auf jeden Fall sage ich Ihnen: Es ist dort keine Sub-stanz mehr vorhanden, die beliehen oder besteuert werdenkönnte. Die Betriebe sind mit ihrer Eigenkapitalausstat-tung wirklich an einem kritischen Punkt angelangt.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000
Ingrid Arndt-Brauer9469
Sich darüber so zu äußern, wie Sie das getan haben, ist et-was unsensibel. Sie müssen wissen, dass bei den Kon-junkturschwankungen, die wir erleben, eine ganze Reihevon Betrieben hart um ihre Existenz kämpfen muss. An-ders als bei Holzmann gibt es dort meistens ein Inhaber-ehepaar, das alles das verantworten muss, was auf es zu-kommt. Das hat eine moralisch ganz andere Dimension.Deswegen lehnen wir jegliche Form der Erhöhung vonErbschaftsteuern nachdrücklich ab. Wir werden aufpas-sen, Sie stellen und Ihr Vorhaben verhindern, wo immerwir das können.Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Nächster
Redner ist der Kollege Dieter Grasedieck von der SPD-
Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsi-dent! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kannwirklich überrascht sein, wenn man hört, was die Op-position hier vorträgt. Herr Seiffert spricht von Steuerbe-lastung, Herr Michelbach von Steuererhöhung, HerrThiele spricht davon, das sauer erarbeitete Geld der Bür-ger solle noch zusätzlich besteuert werden. In den letztensieben Jahren Ihrer Regierung haben Sie die Steuern um100 Milliarden DM erhöht.
Wir werden die Steuern innerhalb von sieben Jahren, alsogenau in demselben Zeitraum, um 76 Milliarden DM re-duzieren. Wie Sie mit dem sauer erarbeiteten Geld derBürger umgehen, haben Sie bewiesen.
Aber eines ist ja klar: Sachkenntnis ist das Letzte, wasdie CDU/CSU in dieser Aktuellen Stunde will. DieCDU/CSU will sich durch Tatsachen nicht verwirrenlassen. Tatsache ist: Es gibt keine Pläne zu den Erb-schaftsteuern. Das sagte vorhin zum wiederholten Maleunsere Steuerstaatssekretärin.
Es gibt nur ein Ziel unserer Regierung: Wir wollen Steu-ern reduzieren.
Sie wissen das natürlich; das ist gar keine Frage. Aber siewollen diese Phantomdiskussion. Sie streuen Wahl-kampfgerüchte. Durch Ihre Erbschaftsteuerdebatte wol-len Sie die Menschen verunsichern. Sie schüren Ängste –nicht mehr.Es ist schwierig, entsprechende Themen zu finden,meine Damen und Herren von der Opposition. Es istschwierig, der Koalition Fehler nachzuweisen.
Es ist äußerst schwierig, Schwachstellen nachzuweisen.Was hat diese Bundesregierung – vieles ist bereits vonmeinen Kolleginnen und Kollegen genannt worden –nicht alles verbessert!
Eine Familie mit zwei Kindern – Herr Michelbach, daswissen Sie genauso gut wie wir – wird effektiv rund4 000 DM netto weniger Steuern zahlen müssen.
Für eine Familie ohne Kinder werden wir – HerrMichelbach, auch das wissen Sie – den Steuerfreibetragwesentlich erhöhen, und zwar um 7 000 DM. Wir gehenvon 33 000 DM auf 40 000 DM. Ein verheirateter Unter-nehmer, der 100 000 DM verdient, zahlt pro Jahr knapp3 000 DM weniger Steuern.
Das entspricht 19 Prozent. In den Genuss dieser Steuer-senkung kommen insgesamt 78 Prozent der Unternehmer.Unsere Politik entlastet den Kleinverdiener und denMittelstand.
Neue Arbeitsplätze werden geschaffen, und zwar – das sa-gen die fünf Weisen – 600 000, nämlich 300 000 in die-sem und noch einmal 300 000 im nächsten Jahr. Das istnatürlich eine wesentliche Verbesserung.
Über diese erfolgreiche Politik sollten Sie sich eigentlichfreuen. Stattdessen sind Sie maßlos über Ihre eigene Par-tei enttäuscht. Es gibt keine Alternativen zu unserer Poli-tik.
Enttäuschungen sollten normalerweise kreative Kräftefreisetzen. Das ist bei Ihnen offensichtlich nicht der Fall.So werfen Sie uns zum Beispiel vor, dass wir eine Beam-tenkommission eingerichtet haben, die alternative Be-wertungsverfahren im Rahmen der Erhebung der Grund-steuer erarbeitet.
Sie haben im Jahre 1996 bei der Verabschiedung des ent-sprechenden Gesetzes eine Befristung bis zum 31. De-zember 2001 vorgesehen. Wir müssen handeln. Wir habenkeine Alternative. Welch eine Heuchelei!
– Eine Befristung ist mit eingebaut worden.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000
Hansjürgen Doss9470
Die Beamtenkommission wird also in diesem Jahr al-ternative Lösungen hinsichtlich der Bewertung vorlegen.Dann werden wir darüber ausführlich diskutieren.Sie ärgern sich, weil unsere Steuerpolitik von den Ver-bänden, von den Kirchen, vom DGB, von der Gesellschaftund der Industrie mit getragen und gelobt wird.
– Das haben auch Sie festgestellt. Deshalb waren Sie soenttäuscht. – Die Bürgerinnen und Bürger merken natür-lich ganz deutlich, dass sie schon jetzt weniger Steuernzahlen.
Diese erfolgreiche Politik werden wir auch im Rahmender Diskussion über die Erbschaftsteuer fortsetzen. DieBundesregierung und die Koalitionsfraktionen haltenan ihrer erfolgreichen Politik fest. Daran wird IhrePhantomdiskussion im nordrhein-westfälischen Land-tagswahlkampf nichts ändern.
Als
nächster Redner hat der Kollege Leo Dautzenberg von der
CDU/CSU-Fraktion das Wort.
Herr Präsident!Meine Damen und Herren! Wenn man den KollegenGrasedieck so hört, dann hat man den Eindruck, als ob wirin paradiesischen Zuständen lebten, in denen es keine Pro-bleme mehr gibt und die Regierung alle Dinge gut auf denWeg gebracht hat.
Ein weiterer Punkt: Herr Lennartz, Sie haben wieder-holt Nordrhein-Westfalen angesprochen. Es wäre gut ge-wesen, wenn Sie sich mehr der Sache gewidmet und sichweniger mit Herrn Clement und Herrn Rüttgers auseinan-der gesetzt hätten.
Zur Sache ist zunächst einmal festzustellen, dassscheinbar auch bei den Grünen, Frau Scheel und FrauEichstädt-Bohlig, keine Einigkeit darüber besteht, wasgetan werden soll.
Sie, Frau Scheel, haben ausgeführt, Sie würden nichts än-dern. Frau Eichstädt-Bohlig hat – wenn auch sachlichfalsch – ausgeführt, man arbeite bei diesen und jenenPunkten an einer Neubewertung, was – neben der Ände-rung der Erbschaftsteuer – auch noch zu einer Erhöhungder Grundsteuer führen werde.
Wenn Sie hier ausführen, dass die vorherige Bundesre-gierung im Bewertungsgesetz bereits 80 Prozent des zuBewertenden festgelegt habe, ist das sachlich schlichtfalsch, Frau Eichstädt-Bohlig.
Das bezieht sich ausschließlich auf den Grund und Bodenund nicht auf bebaute Grundstücke; da muss der Gesamt-wert betrachtet werden. Die Vorgabe von 80 Prozent be-zieht sich ausschließlich auf Bodenrichtwerte und nichtauf das Gesamtprojekt, das jetzt Diskussionspunkt ist undwozu die Kommission von Bund und Ländern Vorschlägeerarbeitet hat.Nun zum Stichtag der Veröffentlichung dieser Vor-schläge: Dies ist hier heruntergekocht worden, als hättedas nichts mit der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalenzu tun. Die Ergebnisse der Kommission sollen am15. Mai, also am Montag, veröffentlicht werden.
Gott sei Dank sind Eckpunkte dieser Überlegungen vor 14Tagen öffentlich geworden.
So wissen die Bürger wenigstens, was Sie im Grunde wol-len, nämlich eine Erhöhung der Erbschaftsteuer.Wenn hier darauf abgestellt wird, dass die Vorgänger-regierung dies schon 1996/97 vollzogen hat, HerrLennartz, so muss deutlich gemacht werden, dass derGrund dafür – das hat Herr Michelbach schon betont – inder Abschaffung der Vermögensteuer zu sehen war. Allehatten sich damals dafür ausgesprochen, die betrieblicheVermögensteuer abzuschaffen.
– Mit Ausnahme von Ihnen.
Dann ist gesagt worden, der Aufwand, die private Vermö-gensteuer mit einem Aufkommen von 3,2 bis 4 Milliar-den DM zu erheben, sei viel zu hoch. Der Ausgleich solltedurch eine Neubewertung der Grundlage für die Erb-schaft- und Schenkungsteuer geschaffen werden. Genaudas ist gemacht worden.Sie haben damals nur deshalb nicht zugestimmt, weilIhnen das noch nicht weit genug ging.
Und daher ist das heute wieder Thema bei Ihnen.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000
Dieter Grasedieck9471
Heute müssen Sie das einlösen, was auf dem Parteitag derSPD im Dezember letzten Jahres beschlossen worden ist.Auch Herr Clement muss klipp und klar sagen, ob erals stellvertretender Bundesparteivorsitzender zu demsteht, was hier erarbeitet worden ist. Die vorauseilendenBotschaften sind schon da. Es ist vorhin schon zitiert wor-den, was Frau Simonis heute in ihrer Regierungserklärunggesagt hat – ich darf zitieren –: Zur teilweisen Gegenfi-nanzierung für die Landeskassen halte ich außerdem eineReform des Erbschaftsteuerrechts für unverzichtbar. Da-mit wird auch ein weiteres Stück sozialer Gerechtigkeitgeliefert. – Meine Damen und Herren, die Vorarbeiten fürdiesen Weg sind in der Tat von der Kommission geleistetworden. Das wird nachher so umgesetzt.
Herr Poß, es ist schon phänomenal, feststellen zu kön-nen, dass Sie sich in der steuerpolitischen Diskussion, zu-mindest durch Ihre Anwesenheit, zurückgemeldet haben.Als letzter Prätorianer Lafontaines haben Sie noch vor et-was mehr als anderthalb Jahren, was die Unternehmen-steuerreform anbelangt, etwas anderes vertreten,
nämlich dass es keinen Raum für eine steuerliche Ent-wicklung gebe.
Wir haben noch in den letzten Tagen in Bonn die Aus-einandersetzung darüber geführt, als Sie mit getürktenZahlen der OECD versucht haben, uns weiszumachen,dass wir bezüglich der Belastung der Unternehmen iminternationalen Vergleich gar nicht so schlecht lägen.Nachher hat sich herausgestellt, dass das falsch war.
Innerhalb eines halben Jahres gab es dann einen Paradig-menwechsel. Auf einmal will man, ausgehend von eineranderen Unternehmenskultur, die Entlastung der Unter-nehmen und nicht der Unternehmer.
Es ist heute schon mehrmals gesagt worden, dass das einAbgehen von unserer Unternehmenskultur bedeutet. AberSie werden entlarvt. Es geht nur von der rechten in dielinke Hosentasche: Auf der einen Seite geben Sie, auf deranderen Seite wiederum nehmen Sie.
Diesen Weg werden wir nicht mitgehen. Wir wollenkeine schleichende Erhöhung der Steuer; Ihre Vorstellun-gen zur Erbschaftsteuer lehnen wir ab. Sie wollen imGrunde nur die linke Ecke beruhigen. Damit gefährdenSie die Gestaltung der Zukunft unseres Landes. Das wer-den wir nicht mitmachen.
Als letz-
ter Redner in dieser Aktuellen Stunde hat der Kollege
Wolfgang Grotthaus von der SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meinesehr geehrten Damen und Herren! Herr Dautzenberg, wirwären auch enttäuscht und überrascht, wenn Sie mit-machten. Ich sage es Ihnen ganz deutlich: Wenn Sie mit-machten, würde vieles von dem, was wir wollen, ver-fälscht. Das wollen wir nicht. Von daher sind wir froh,dass Sie nicht mitmachen.
Gestatten Sie mir eine Anmerkung zu dem, was HerrThiele gesagt hat. Für mich ist es in diesem Haus immerein besonderes Erlebnis, wenn ich spätestens im zweitenSatz höre: „um bei der Wahrheit zu bleiben“. Ich sage Ih-nen: Seit ich in diesem Hause sitze, habe ich immer be-wusst zugehört. Das tun auch die Menschen in diesemLande. Sie stellen dann fest, dass sie an vielen Stellen fürdoof verkauft werden sollen, wenn man immer wieder die„Wahrheit“ zitiert.
Wenn Herr Thiele und Sie bei der Wahrheit gebliebenwären,
dann hätten Sie sagen müssen: Jawohl, sie – die neue Re-gierung – haben zu Recht die Bund-Länder-Kommissioneinberufen. Sie verwirklichen konsequent das Gesetz, daswir 1996 beschlossen haben, nämlich dass eine Überprü-fung der Grundstückswerte erfolgen soll. – Sie haben dasnicht gesagt. Sie hätten auch noch hinzufügen können,dass wir das, was die alte Regierung politisch wollte, wei-terführen. Sie haben das nicht gemacht. Stattdessen ver-leugnen Sie das von Ihnen 1996 selbst beschlossene Ge-setz.
Ich will es einmal so ausdrücken: Der Täter nutzt seine ei-gene Gesetzgebung aus, um sich als Verteidiger angebli-cher Opfer darzustellen. Nichts anderes ist es. Das lassenwir Ihnen nicht durchgehen!
– Genauso sieht das aus.Wir werden uns von Ihnen auch nicht in eine Eckedrängen lassen, als würden wir denjenigen etwas weg-nehmen wollen, die über Jahre oder Jahrzehnte Eigentumgeschaffen haben und dieses im Alter auch genießen wol-len. Die Menschen in diesem Land spüren, dass seit demRegierungswechsel eine andere, eine sozialere PolitikEinzug gehalten hat.
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 101. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. Mai 2000
Leo Dautzenberg9472
– Ja, Herr Fromme, sie haben mitbekommen – auch Siemüssten das in Ihrem Portemonnaie merken; denn manch-mal stelle ich fest, dass Sie schwer zu tragen haben –, dasswir eine Steuerpolitik mit mehr Gerechtigkeit beschlossenhaben und noch beschließen werden.
Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sollteneinmal bedenken, dass wir heute eine Steuerreduzierungum 55 Milliarden DM für den Normalbürger
und um 20 Milliarden DM für den Mittelstand beschlos-sen haben.
– Herr Michelbach lassen Sie sich eines sagen: Im Ruhr-gebiet heißt es: Wer schreit, hat kein Recht. Sie können ru-hig weiter schreien; die Bürgerinnen und Bürger werdenfeststellen, dass Lautstärke keine Argumente ersetzt.
Über eine Reduzierung des Eingangsteuersatzes von25,9 auf 15 und des Spitzensteuersatzes von 53 auf45 Prozent brauchen wir, glaube ich, nicht zu diskutieren.Auch dies ist draußen angekommen; denn die Bürgerin-nen und Bürger stellen fest: Es steht mehr Geld zur Ver-fügung: Sie stellen ferner fest, dass unsere Steuerpolitikzu mehr Arbeitsplätzen geführt hat.
Denn zum ersten Mal seit 1996 liegt dieses Jahr die Ar-beitslosenziffer im April unter 4 Millionen.
Sie, meine Damen und Herren von der Opposition,stellen mit Frustration – deswegen auch Ihre Überreak-tion – fest, dass die Wirtschaftsverbände die sozialdemo-kratische und bündnisgrüne Politik loben; Sie stellen fest,dass Ihre früheren Verbündeten jetzt auf einmal die SPDund die Bündnisgrünen dafür loben, welch hervorragendeSteuerpolitik sie machen.
Dass man dann knatschig ist, das ist klar; dafür haben wirVerständnis.
Sie stellen mit großer Frustration fest, dass die sechsWirtschaftsweisen
gesagt haben, dass die eingeleiteten Maßnahmen richtigsind. Sie haben in ihrem hundertsten Gutachten betont,dass die Maßnahmen zu mehr Wirtschaftswachstumführen, der Wirtschaftsstandort Deutschland gestärkt unddie Inlandsnachfrage gesteigert wird. All dies haben Siewährend Ihrer Regierungszeit von den Wirtschaftsweisennicht attestiert bekommen.
Es ist ja ganz klar, dass Sie dann eine solche Reaktion zei-gen.Viele Menschen erkennen
die veränderte Situation; nur Sie, die Opposition, stehenabseits. Statt konstruktiver Oppositionspolitik betreibenSie destruktives Herummäkeln und Verunsicherung derBevölkerung.
Sie glauben, dass Ihnen das hilft; Sie hoffen, dass Siekurzfristig in Nordrhein-Westfalen davon profitieren kön-nen. Der Sonntag wird zeigen, dass Sie sich täuschen. Al-ternativen zu unserer Politik wären erwünscht. Sie habendiese Alternativen nicht. Deswegen sage ich Ihnen: Siesind zu Recht in der Opposition und mit Ihrem politischenVerhalten werden Sie, weiß Gott, noch lange in der Op-positionsrolle bleiben.
Die Aktu-
elle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unse-
rer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages ein auf morgen, Donnerstag, den 11.Mai, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.