Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt II auf:
Dritte Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2000
– Drucksachen 14/1400, 14/1680, 14/1901 bis
14/1921, 14/1922, 14/1923, 14/1924 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans Georg Wagner
Dietrich Austermann
Michael von Schmude
Oswald Metzger
Jürgen Koppelin
Dr. Christa Luft
Es liegen fünf Entschließungsanträge der Fraktion der
F.D.P. und zwei Entschließungsanträge der Fraktion der
PDS vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung
sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen.
– Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlos-
sen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Adolf Roth, CDU/CSU-Fraktion.
Adolf Roth, (CDU/CSU) (von Abgeordne-
ten der CDU/CSU und der F.D.P. mit Beifall begrüßt):
Guten Morgen, Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Kolleginnen und Kollegen! Zur dritten Lesung des Bun-
deshaushaltes gehört traditionell die politische Wertung
des Haushaltsauschußvorsitzenden, der ebenso traditi-
onsgemäß ein Vertreter der Opposition ist. Herr Kollege
Wagner, bevor Sie sich heute darüber echauffieren, daß
ich aus dem Blickwinkel der CDU/CSU spreche, möchte
ich Ihnen zu Ihrem Geburtstag herzlich gratulieren. –
Bleiben Sie ruhig!
Lassen Sie mich zunächst das positive Ergebnis vor-
anstellen, daß der Etat 2000 am heutigen Tag fristge-
recht verabschiedet werden kann. Das ist ganz und gar
nicht selbstverständlich. Ich spiele jetzt nicht auf frühere
Erfahrungen mit sozialdemokratischen Bundesregierun-
gen an, bei denen die fristgerechte Verabschiedung eher
die seltene Ausnahme gewesen ist und bei denen man-
cher Etat erst verabschiedet wurde, wenn das laufende
Haushaltsjahr schon fast vorüber war und man mit Ist-
Ergebnissen operieren konnte. Nein, ich beziehe mich
auf die Irritationen und die Schwierigkeiten im Vorfeld
dieser Haushaltsdebatte, insbesondere auf die internen
Rebellionsübungen bestimmter Parteiflügel im Koali-
tionslager.
Ich hätte gerne den Bundesfinanzminister angespro-
chen. Er muß aber heute im Bundesrat sein. An seiner
S
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bundesfinanzminister Eichel ist nach wie vorParteivorsitzender der hessischen SPD. Nach seinerNiederlage bei der Landtagswahl ist er, wenn auch miteinem kleinen Dämpfer, wiedergewählt worden. Ich ha-be mir die Schlagzeile von vor wenigen Wochen aufge-schrieben: Aufstand in der SPD; jetzt 34 Abgeordnetegegen Schröder.
Jetzt sind es nicht mehr 34 Abgeordnete, weil ein Kolle-ge zur PDS übergelaufen ist. Von den 33 verbliebenenAbgeordneten gehören immerhin 10 Abgeordnete derhessischen SPD an. Jeder zweite hessische SPD-Abgeordnete läuft also Sturm gegen das Zukunftspro-gramm und gegen das Sparpaket des Bundesfinanzmini-sters Eichel.
Das ist eine sehr bemerkenswerte Situation. Die magman verbrämt als politische Kultur ausgeben; in Wahr-heit ist diese Situation aber alles andere als überzeugend.Meine Damen und Herren, der Haushaltsausschuß hatsich durch diese Irritationen nicht aus der Ruhe bringenSEITE ZURÜCK SEITE VOR
Metadaten/Kopzeile:
6806 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
lassen. Das hängt mit unserem traditionell guten Zu-sammenhalt und mit der Kooperationsbereitschaft überdie Fraktionsgrenzen hinweg zusammen. Es hat aberauch ein Stück weit damit zu tun, daß die strategischeAnlage dieser Haushaltsrunde bei der Koalition vonvornherein eine Verteidigung und nicht etwa eine par-lamentarische Gestaltung dieses Bundeshaushaltes fürdas kommende Jahr gewesen ist. Verteidigt wurde, wasdas Kabinett im internen Schwur verabredet hatte.
Wenn am Ende euphorisch von einer Punktlandunggesprochen wird, dann muß ich anmerken: Wenn manzu einem bestimmten Ziel noch gar nicht aufgebrochenist, dann ist es wahrscheinlich leicht, am Ende einePunktlandung zu konstatieren.
So genau war die Punktlandung übrigens nicht. Immer-hin haben Sie 600 Millionen DM mehr bewilligt, als esvon der Bundesregierung beantragt worden ist. Im übri-gen empfehle ich
– weil es in der öffentlichen Wahrnehmung etwas zukurz gekommen ist, Herr Kollege Schlauch –, sich ein-mal die gewundenen, schriftlichen Erklärungen aus demKoalitionslager zur Abstimmung über das Haushaltssa-nierungsgesetz – fünf Seiten im Protokoll der Sitzungdes Deutschen Bundestages – anzuschauen. Über70 Abgeordnete haben in diesen schriftlichen Erklärun-gen ihre gequälte Zustimmung zu diesem Haushaltskon-zept inhaltlich eingeschränkt und für ihre heimischeParteibasis interpretationsfähig gemacht. Das ist die Si-tuation.
Sie dagegen tun hier so, als sei Sparen das wichtigsteund eigentümlichste Herzensanliegen von Sozialdemo-kraten. Nein, da ist sehr viel Schminke darauf. Das mußin dieser Debatte auch angesprochen werden.Wenn hier gestern der Bundesarbeitsminister Riestervollmundig verkündet hat, er werde im nächsten Jahr16 Milliarden DM mehr ausgeben als im Jahre 1998,und jeder vorher gesagt hat, auch er müsse seinen Spar-beitrag leisten, dann steht das in einem bemerkenswer-ten Kontrast zu dem Bild, das öffentlich erweckt wordenist.
Der gleiche Vorwurf trifft auch den Bundesfinanzmi-nister selbst, denn Herr Eichel hat hier am Dienstag –bei der Beratung mit uns im Haushaltsausschuß hat er eseher beiläufig erwähnt – sehr vollmundig verkündet: Ja,dies ist ein besonderer politischer Akzent, wir haben7 Milliarden DM mehr in den zweiten Arbeitsmarkt hin-eingepumpt.
Aber in der Arbeitslosenstatistik hat man in diesem Jahrüberhaupt keine Ergebnisse gesehen.
Meine Damen und Herren, dessenungeachtet möchteich auch bei dieser Gelegenheit, in der dritten Lesung,allen Kolleginnen und Kollegen des Haushaltsausschus-ses, namentlich aber den Sprechern und Obleuten derFraktionen auf beiden Seiten des Hauses und den Vor-sitzenden der Unterausschüsse meinen herzlichen Dankfür die konstruktive Zusammenarbeit aussprechen. Ichdenke, trotz aller politischen Unterschiede: Irgendwiemögen wir uns ja untereinander.
Ich füge hinzu: Am meisten mögen wir uns, wenn ande-re uns nur als schwer genießbar einstufen. Ich glaube,das verschweißt unsere Truppe in besonderer Weise.
Aber ich möchte auch sagen, daß unser besondererDank auch diesmal den Mitarbeiterinnen und Mitarbei-tern des Sekretariats des Haushaltsausschusses, die hieroben am Saalende Platz genommen haben,
und auch den Mitarbeitern der Ministerien und des Bun-desrechnungshofes gelten muß. Denn ohne stimmigeOrganisation und verläßliche Zuarbeit wäre das wo-chenlange Haushaltsverfahren auf Sand gebaut.Wir haben diesmal durch eine Straffung unserer Be-ratungsarbeit die gefürchteten Nachtsitzungen vermei-den können. Unser Berliner Provisorium in der Luisen-straße mit dem langgestreckten Sitzungssaal hat natür-lich allen Beteiligten ein äußerstes Maß an Konzentrati-on abverlangt, auch der Bundesregierung, die diesmalquasi am Katzentisch am Saalende Platz nehmen mußte.
Sie ist durch die mehr bewilligten 600 Millionen DMentschädigt worden.Ich möchte feststellen, daß trotz aller eklatanten Or-ganisationsschwächen im zwischen Berlin und Bonnzweigeteilten Regierungsapparat die Haushaltsberatun-gen jedenfalls belegt haben, daß die Berliner Kopfstellender sogenannten Bonn-Ministerien den Ansprüchen desParlaments durchaus gerecht werden können, wenn dasGanze richtig organisiert ist und wenn man auch parla-mentarischerseits Wert darauf legt, daß überflüssige undkostspielige Personalausflüge an die Spree auf das Mi-nimum reduziert werden. Ich glaube, darauf müssen wiralle achten.
Adolf Roth
SEITE ZURÜCK SEITE VOR
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6807
(C)
(D)
Meine Damen und Herren, die Zauberformel von deröffentlichen Sparsamkeit bleibt politisches Blendwerk,solange die quantitativen Kürzungen nicht durch einequalitative Haushaltskonsolidierung ergänzt werden,und zwar mit klaren Entscheidungen über Umfang undPrioritäten staatlicher Tätigkeit. Dies fordert nicht nurder Sachverständigenrat. Das haben uns auch alle Insti-tutionen und Experten aufgetragen, die uns bei den An-hörungen zum Bundesetat und zum Haushaltssanie-rungsgesetz in den letzten Wochen begegnet sind.In dieser Woche ist auffällig gewesen, daß sich jederauf die Teile der Expertengutachten bezieht, die ihm be-sonders zupasse kommen. Das ist sicher menschlich,aber ich weise mit Blick zur Koalition darauf hin, daßdas, worin Sie sich in diesen Gutachten bestätigt und be-stärkt fühlen, nämlich in der grundsätzlichen Notwen-digkeit und dem Vorrang von Haushaltskonsolidierungund öffentlicher Sparsamkeit, bei uns zu keiner Minutein irgendeiner Weise in Zweifel gezogen worden ist. Dasist immer unsere politische Position gewesen. Aber dort,wo es kritisch wurde und wo wir die Positionen der Ex-perten übernehmen, haben Sie geglaubt, es genüge,wenn man die Sätze nur bis zum ersten Semikolon liest.Nein, Sie müssen die kritischen Anmerkungen der Ex-perten auch umsetzen.Ich zitiere ein Papier, das mir besonders aufschluß-reich scheint. Darin heißt es:Was not tut, ist eine radikale Modernisierung desöffentlichen Sektors und eine Strukturreform deröffentlichen Verwaltung. Der Weg zur sozialen Ge-rechtigkeit darf nicht mit immer höheren öffentli-chen Ausgaben gepflastert sein, denn soziale Ge-rechtigkeit läßt sich nicht an der Höhe der öffentli-chen Ausgaben messen.Meine Damen und Herren, diese Passage steht im soge-nannten Schröder-Blair-Papier. Nur weil linke Traditio-nalisten dieses Papier für eine Ausgeburt der Hölle hal-ten,
müssen diese Empfehlungen und Auffassungen ja nichtpolitisch falsch sein. Aber Sie müssen sie dann auch indie Praxis umsetzen.
Der Bundesfinanzminister ist in der öffentlichenKommentierung in den letzten Monaten teilweise mitdem Kompliment ausgestattet worden,
er verfüge zum Beispiel über die glückliche Gabe derSturheit. Ich glaube, das gilt für die job-description einesFinanzministers in jedem Fall. Ich möchte, Ihren Beifallaufnehmend, die Hoffnung aussprechen, daß derFinanzminister konservativ genug ist, sich diese Eigen-schaft auch für die Zukunft zu bewahren. Denn nebender Sturheit, die er an den Tag legen muß, wird auch ei-ne gehörige Portion Kreativität von ihm verlangt wer-den, wenn er das wahr macht und umsetzt, was er ange-kündigt hat, nämlich einen Umbau des bundesstaatlichenFinanzsystems,
die Beseitigung der Schieflage, die er selber mit seinerStrategie im Bundesrat bezüglich der Finanzbeziehun-gen zwischen dem Bund und den Ländern in denletzten Jahren mit heraufbeschworen hat.Meine Damen und Herren, dies allerdings hätte einemverantwortlichen Politiker und Ministerpräsidenten auchfrüher auffallen können. Die Verteilung der gesamt-staatlichen Steuermasse sah vor der Wiedervereinigung,nein, sogar bis zum Jahre 1994, noch so aus, daß demBund fast die Hälfte zufiel. Aber nach Übernahme dergesamten kommunistischen Erblastschulden – die habenwir nicht gemacht; die mußten wir übernehmen –, nachder Finanzierung der Aufbautransfers für Ostdeutsch-land in Höhe von 600 Milliarden DM und nach derFinanzierung der Stabilisierung der politischen Ent-wicklung in Osteuropa in Höhe von 160 Milliarden DMmuß der Bund dann am Ende zwar für zwei Drittel derSchulden haften, aber er verfügt selbst nur noch über42 Prozent der Finanzausstattung. Das ist dann in derTat eine Schieflage. Aber das hätten Sie bedenken müs-sen, bevor diese Situation entstanden ist.
Eine Umschichtung in Höhe von 6 Prozent zu Lastendes Bundes bedeutet, daß dem Bund aus dem gesamt-staatlichen Steueraufkommen heute ein Volumen von50 Milliarden DM pro Jahr weniger zur Verfügung stehtals nach dem früheren Verteilungsschlüssel, der bis1994 gegolten hat. Das gesamte Ausmaß der Nettokre-ditaufnahme des Bundes wäre also in diesem Rahmenabgedeckt gewesen.Meine Damen und Herren, wenn der Bundesfinanz-minister diese Situation heute beklagt, ist das ein Einge-ständnis, das wir akzeptieren. Es unterstreicht zugleichaber die Unhaltbarkeit und Grobschlächtigkeit seinesArgumentationsmusters bezüglich der Situation unsererStaatsfinanzen. Wenn die Schuldenstandsveränderungenim Jahrzehnt der deutschen Einheit gebetsmühlenhaft alsschieres Versagen der Vorgängerregierung abgestempeltwerden, dann ist dies nicht nur bösartig,
sondern leugnet auch den historischen Ereignisablauf imZusammenhang mit der deutschen Einheit und den da-mit verbundenen großen Finanzierungsverpflichtun-gen.
Wir stehen zu der Leistung, die Helmut Kohl undTheo Waigel für das Zusammenwachsen in Deutschlandim letzten Jahrzehnt erbracht haben. Genauso deutlichfragen wir aber auch, woher ausgerechnet Sozialdemo-kraten, gerade solche, die wie der Bundeskanzler undder Bundesfinanzminister in der landespolitischen Ver-antwortung standen, ihre Selbstgerechtigkeit in SachenStaatsfinanzen nehmen und von welchen eigenständigenLeistungen sie ihre Vorwürfe an andere ableiten wollen.Adolf Roth
SEITE ZURÜCK SEITE VOR
Metadaten/Kopzeile:
6808 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
Es sind keine Herren ohne Vorleben. Solange diesePosition hier vertreten wird, werden wir darauf zu ant-worten wissen, weil wir nicht bereit sind, diese Argu-mentation politisch zu akzeptieren.
Ich sage noch einmal an die Adresse der Bundesre-gierung: Sie werden mit der CDU/CSU keinen Streitüber die nachhaltige Verringerung der Nettokredit-aufnahme und über die schrittweise Vermeidung vonStaatsschulden haben. Wie kämen wir auch dazu? Allesandere würde einen eigenartigen Bruch unserer politi-schen Tradition bedeuten, die immer auf Absenkung derStaatsquote und auf eine Reduzierung der Steuerlastenin den gesamten Tarifverläufen angelegt war – aber ver-netzt mit der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung:strukturelle Reformen, Auftrieb für Arbeit, Beschäfti-gung und Investitionen. Wir sind damit immer für besse-re Rahmenbedingungen in unserem Land eingetreten.Dazu gehört staatliches Sparen. Es ist vertrauensbil-dend. Es stärkt die wirtschaftliche Dynamik. Aber esmuß Teil eines wirtschaftspolitischen Gesamtkonzep-tes sein. Die Vernetzung mit der Steuerpolitik, mit derArbeitsmarktpolitik und mit der Sozialgesetzgebungstellt drei offene Flanken dar, über die in diesem Land inden nächsten Jahren sehr vehement weitergestrittenwerden muß. Denn auch im Haushalt 2000 haben Sieauf die damit verbundenen Fragen nicht die geringsteAntwort formuliert.
Sie haben die Steuerreform von 1997 eiskalt zunichtegemacht. Sie sind allen strukturellen Reformen für Inve-stitionen und Arbeitsplätze entgegengetreten. Heutewollen Sie für sich eine politische Wende reklamieren.Dazu sage ich Ihnen: Es hat in den fünf Jahren vor demRegierungswechsel bei gleichbleibendem Ausgabenvo-lumen des Staates eine strukturelle Einsparung von weitüber 100 Milliarden DM gegeben – ohne einen Bruch imSozialbudget. Wer das damals als himmelschreiendesUnrecht diffamiert und daraus revisionistische Wahl-kampfversprechungen abgeleitet hat, heute aber dieeigenen Sparleistungen mit vertauschten Rollen undneuen Etiketten als „epochalen Sanierungsbeitrag“ fei-ern lassen will, der beweist, daß er mit seiner Verant-wortung nicht zurechtkommt.Hätte es das verkündete Ende der Bescheidenheitoder die Ausgabenexpansion, die Ausflüge in die inter-ventionistische Nachfragestimulation, mit dem Regie-rungswechsel nicht gegeben, wären Sie vor mancher un-angenehmen Operation bewahrt geblieben.
Ihr Sparpaket ist nichts anderes als ein unausweichlichesWendemanöver, Ihre Antwort auf den folgenschwerenFehlstart von Oskar Lafontaine. Ihr Sparpaket ist derVersuch, die im Wahlkampf gegebenen Versprechungenmit möglichst geringem Gesichtsverlust zurückzuneh-men.
Dafür gibt es keinen besseren Zeugen als den Bun-deskanzler selbst. Er hat am 14. Juli auf einer Pressekon-ferenz in Bonn den Kernsatz formuliert, daß es nach sei-ner – Schröders – Einschätzung besser gewesen wäre,der Linie Eichels von Anfang an zu folgen.„Wie denn das?“ fragt man sich und reibt sich dieAugen. Eichel war zu dieser Zeit ein gesinnungsstarkerAnhänger von Oskar Lafontaine, sozusagen der braveMinistrant an seiner Seite, sein strategischer Gehilfe imBundesrat.
Er hatte die Wahl in Hessen noch nicht verloren unddamit noch nicht sein Erweckungserlebnis nach demVerlust seines Amtes gehabt. Nein, Sie sind mit dem fal-schen Programm gestartet, Sie sind mit dem falschenMann am Geldhahn angetreten, und Sie haben denWählern falsche Versprechungen gemacht. Die müssenSie heute zurücknehmen.
Wenn die zweite Chance erfolgreicher als das ver-masselte erste Jahr Ihrer Amtszeit ausgehen soll, dannwerden Sie mehr als diese in sich nicht stimmigen Spar-operationen leisten müssen. Sie müssen vor allem diealarmierende Fehlentwicklung in der Ausgabenstruk-tur des Bundeshaushalts stoppen. Ich weiß, daß dieseFehlentwicklung nicht neu ist. Sie hat mit den Finanzie-rungen des Einheitsprozesses zu tun.Wir haben in den letzten fünf Jahren allein 25 Milli-arden DM zusätzlich für die Tilgung der Erblastschuldenaufbringen müssen. Wir haben zusätzlich 8 MilliardenDM für den Kohlepfennig aufbringen müssen. Wir ha-ben zusätzliche Rentenzuschüsse finanzieren müssen.Dazu kam eine Verfünffachung der Aufwendungen fürden Arbeitsmarkt. All das ist in einem gleichbleibendhohen Ausgabenvolumen untergebracht worden. Dasheißt, wir mußten zu Lasten aller übrigen Etats sparen.Dies darf keine dauerhafte Entwicklung in Deutschlandsein, wenn wir die Handlungsfähigkeit und die Ent-scheidungsfähigkeit unseres Staates weiter im Auge be-halten wollen.
Lieber Kollege Roth,
Sie müssen leider zum Ende kommen.
Ich stelle fest,daß Sie mit dem folgenden Widerspruch leben müssen:auf der einen Seite sparen, sparen, sparen, auf der ande-ren Seite Milliarden für die Sozialkasse und für denzweiten Arbeitsmarkt; auf der einen Seite ein minimalerEinstieg in die Konsolidierung, aber auf der anderenSeite ein riesiger Korb mit ungelösten Problemen undAdolf Roth
SEITE ZURÜCK SEITE VOR
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6809
(C)
(D)
falschen Weichenstellungen. Sie sind innerhalb vonzwölf Monaten mit zwei verschiedenen Mannschaftenauf zwei verschiedenen Wegen vorangegangen. Dies hatkein Vertrauen geschaffen und keinen Auftrieb für unserLand gebracht. Deshalb werden wir dieser Politik entge-gentreten. Wir lehnen den Bundeshaushalt in der drittenLesung ab.Herzlichen Dank.
Ich erteile nun dem
Kollegen Hans Georg Wagner, SPD, das Wort.
Herr Präsident! Meinesehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es bewun-dernswert, wenn diejenigen, die 16 Jahre lang alles inDeutschland versaubeutelt haben, jetzt fordern: Nacheinem Jahr muß alles geregelt sein.
Damit ist – vor allem dann, wenn dies ständig wieder-holt wird – die Grenze der Lächerlichkeit erreicht.Ich möchte zunächst einmal dem Herrn Bundeskanz-ler für seinen Einsatz am Mittwochabend danken.
Dies war eine tolle Leistung. Sie haben unsere volleUnterstützung. Wir sind wirklich dankbar und froh, daßSie die Sache mit der Firma Philipp Holzmann undden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern – insgesamtsind 60 000 betroffen – geregelt haben.
Ich habe schon gestern abend in einer Diskussion ge-sagt: Der Bundeskanzler kommt genauso wie ich aussogenannten kleinen Verhältnissen. Es war schon Herz-blut dabei angesichts der Tatsache, daß 60 000 Familienin Deutschland vor dem Herannahen der Weihnachts-tage zitterten, weil der Haushaltsvorstand seinen Ar-beitsplatz zu verlieren drohte. Deshalb war das eine tolleLeistung, die auch gewürdigt werden muß.
Herr Kollege Fischer, natürlich waren Sie als Mitgliedder Bundesregierung auch involviert. Sie müssen keineKritik äußern. Wir vergessen nicht, auch Sie zu würdi-gen.
Es gab in Berlin schon oft Demonstrationen vonBauarbeitern. Ich erinnere daran, daß die Bauarbeiteram 17. Juni 1953 gegen das Regime der SED aufgestan-den sind. Sie haben hier demonstriert und ihren Körperfür die Freiheit hingehalten. Später haben Bauarbeiterin Berlin gegen illegale Beschäftigungsverhältnissedemonstriert. Danach haben Bauarbeiter gegen dieSchlechtwettergeldregelung demonstriert. Zuletzt habendie Holzmänner und die Beschäftigten der Zuliefer-firmen in Berlin demonstriert. Ich danke auch diesenBauarbeitern. Sie haben das Recht wahrgenommen, dasihnen unser Grundgesetz garantiert, nämlich frei für ihreRechte und für ihre Arbeitsplätze zu demonstrieren.Dies war eine tolle Leistung, die ich hier ausdrücklichwürdigen möchte.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch einpaar Sätze zu Herrn Merz sagen, der heute morgen über-raschenderweise auch hier ist. Normalerweise ist er nurhier, wenn er eine Rede halten möchte. Herr Merz, einenTag nach dem großen Erfolg Schröders in Frankfurt ha-ben Redner aus Ihren Reihen hier darum gebeten, diesparteipolitisch nicht auszuschlachten. Wir haben geant-wortet: Jawohl, es war eine gemeinsame Leistung; diesakzeptieren wir.Jetzt möchte ich auf das zu sprechen kommen, HerrMerz, was Sie am Mittwoch gesagt haben.
Egal, ob Dienstag oder Mittwoch: Das, was Herr Merzgesagt hat, war jedenfalls eine Unverschämtheit.
Ich zitiere aus dem Protokoll:Wenn Sie im Bundeshaushalt die Mittel für Inve-stitionen einschließlich des Hoch- und Tiefbausnicht in dieser unverantwortlichen Weise zusam-menstreichen würden, dann gäbe es möglicherweisemorgen noch die Philipp Holzmann AG …Eine Unverschämtheit, die durch nichts gedeckt ist!
Sie kennen die Zahlen nicht. Sie reden zwar hier immersehr gescheit – das ist unbestritten –,
aber Sie machen sich nicht über die Realität kundig. Ichsage Ihnen, wie es wirklich aussieht: Herr Waigel hattefür 1999 Investitionsmittel in Höhe von 57,5 MilliardenDM vorgesehen.
Unter Hans Eichel wurden die Investitionen auf 58,2Milliarden DM erhöht. Für das Jahr 2000 hatte Waigel57,7 Milliarden DM vorgesehen. Eichel hat – das kön-nen Sie im Haushaltsplan nachlesen, die dicken Bücherliegen Ihnen vor – 57,5 Milliarden DM vorgesehen. Dasist nur unwesentlich weniger.Adolf Roth
SEITE ZURÜCK SEITE VOR
Metadaten/Kopzeile:
6810 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
Herr Kollege Merz, Sie haben konkret die Bauinve-stitionen angesprochen. Ich muß Sie auf folgendes hin-weisen: Das Ist im Jahre 1998 betrug 11,22 MilliardenDM. Das Soll im Jahre 1999, in unserem Haushalt, be-lief sich auf 11,55 Milliarden DM. Das war also schonmehr als im Jahre 1998. Das Soll für das Jahr 2000 be-läuft sich auf 11,59 Milliarden DM. Das ist nochmalsmehr als im Jahre 1998. Wie Sie angesichts dessen sa-gen können, wir hätten etwas zusammengestrichen, istmir unerklärlich.
Diese Lügen, diese Behauptungen, die Sie – meinet-wegen am Dienstag – aufgestellt haben, gehen ja nochweiter. Ich will an Hand von vier Punkten beweisen, daßSie entweder absolut keine Ahnung haben oder zu faulwaren, sich richtig zu informieren.
Sie haben gesagt, Herr Kollege Merz, die Staatsver-schuldung sei, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, inder Zeit der CDU/CSU-F.D.P.-Regierung zurückgegan-gen. Das ist falsch. Das ist effektiv falsch. Ich will jetztnicht sagen, daß das gelogen war, weil der Präsidentsagt, daß man das Wort Lüge hier nicht verwenden darf.Also tue ich das auch nicht. Aber das war zumindesteinmal haarscharf die Unwahrheit.Die Gesamtstaatsverschuldung, Herr Kollege Merz,betrug im Jahre 1982 641 Milliarden DM, im Jahre 1989969 Milliarden DM und im Jahre 1998, also nach Ihrerglorreichen Regierung,
2 259 Milliarden DM.Die Verschuldung des Bundes – einschließlich derSchattenhaushalte –, Herr Kollege Merz, belief sich1982 auf 349 Milliarden DM, im Jahre 1989 auf 542Milliarden DM und 1998 auf 1 457 Milliarden DM. DerAnteil des Bundes an der Staatsverschuldung insgesamtbetrug im Jahre 1982, als wir die Regierung abgebenmußten, 54,4 Prozent. Dann hat Herr Stoltenberg dieVerschuldung nicht gesenkt, sondern gesteigert. 1989betrug der Anteil des Bundes 55,9 Prozent. Im Jahre1998 hatten Sie den Anteil der Staatsverschuldung desBundes auf 64,5 Prozent gesteigert. Da reden Sie davon,Sie hätten in der Zeit von 1982 bis 1998 etwas Besonde-res getan. Sie haben die Staatsverschuldung gesteigert,und zwar ganz erheblich; das ist richtig.Diese Zahlen räumen auch mit dem Märchen auf, daßHerr Stoltenberg von 1982 bis zur Wiedervereinigungbesonders sparsam gewirtschaftet hätte. Die Wahrheitist: Von 1982 bis 1989, also in nur sieben Jahren, ist dieVerschuldung des Bundes um 55 Prozent, nämlich um193 Milliarden DM gestiegen. Sie ist damit stärker ge-stiegen als die von Ländern und Gemeinden. In diesenJahren gab es weder Öl- noch Weltwirtschaftskrisen,wie sie die sozialliberale Koalition zu bewältigen hatte.Die Staatsverschuldung, gemessen am Bruttoinlands-produkt, ist von 40,4 Prozent im Jahre 1982 auf43,6 Prozent im Jahre 1989 angestiegen und nicht etwagefallen, wie Sie und auch Herr Austermann uns hierimmer wieder vorgaukeln.Herr Merz, Sie haben wahrheitswidrig behauptet –ich habe es eben schon einmal gesagt –, wir würden dieInvestitionen in unverantwortlicher Weise zusammen-streichen. Ich habe eben die Zahlen genannt. Das Ist von11,22 Milliarden DM im Jahre 1998 und das Soll imJahre 2000 von 11,59 Milliarden DM widersprechen allIhren Behauptungen. Wir haben die Mittel also nichtzusammengestrichen, sondern stocken die Mittel fürBaumaßnahmen auf.
Jetzt sage ich noch etwas, was in diesen Tagen gesagtwerden sollte. Wir haben im Bereich des Bundesver-kehrsministers eine Anpassung an die Realität vorge-nommen. Jahrelang haben Sie den Leuten draußen vor-gegaukelt, daß bestimmte Baumaßnahmen im Verkehrs-bereich – sei es Straße oder Schiene, sei es Wasserstraßeoder Flughafen – durchgeführt würden. Das geht jedochvöllig an der Realität vorbei. Der Bundesverkehrswe-geplan, der von uns, vom Gesetzgeber, bis zum Jahre2012 beschlossen worden ist, ist in hoffnungsloser Wei-se unterfinanziert, und zwar von Ihnen, weil Sie nurvorgegaukelt haben, sie würden etwas tun, aber nicht dienotwendigen Mittel eingesetzt haben.
Das sage ich, weil das ein großes Lügengebilde war.Ich bin der rotgrünen Bundesregierung dankbar, daß siees geschafft hat, beim Bundesverkehrswegeplan Reali-tätsnähe herzustellen und den Leuten die Wahrheit zusagen, anstatt sie permanent zu belügen. Das ist Aus-druck des Handelns dieser Koalition.
Ferner haben Sie behauptet, Herr Merz, der Bundschwimme in noch erzielbaren Privatisierungserlösen.Ich weiß nicht, wovon Sie da geredet haben. Offenbarsind Sie nicht informiert oder haben keine Ahnung.Weiter sagten Sie, es gebe insbesondere noch weitereErlöse durch die Privatisierung der Telekom. Siewollten damit den Eindruck erwecken, der Bund brau-che gar nicht zu sparen, es sei eigentlich Unsinn, waswir da veranstalten. Offenbar haben Sie gar nichts ver-standen, wenn sie meinen, die Erlöse aus der Privatisie-rung der Telekom stünden für die Finanzierung desBundeshaushaltes zur Verfügung. Richtig ist leider, daßHerr Waigel 25 Milliarden DM von den Erlösen aus derPrivatisierung der Telekom zum Stopfen seiner Haus-haltslöcher mißbraucht hat bzw. mißbrauchen wollte.„Mißbraucht“ sage ich, weil diese Erlöse nach dem Post-reformgesetz zur Finanzierung der Postunterstützungs-kassen dienen, das heißt, für die Sicherung der Pensio-nen und nicht zur Haushaltsfinanzierung einzusetzensind.
Hans Georg WagnerSEITE ZURÜCK SEITE VOR
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6811
(C)
(D)
Damit Sie, Herr Kollege Merz, einen Begriff davonbekommen, wie lange dieses Geld an die Postunterstüt-zungskassen fließt: Bis zum Jahre 2040 müssen die Er-löse aus der Privatisierung der Telekom jedes Jahr ge-mäß dem Postreformgesetz den Postunterstützungs-kassen zugeführt werden. Das haben Sie wahrscheinlichnicht gelesen. Das ist jedenfalls die Realität. Solche fal-schen Behauptungen sollten Sie künftig nicht mehr auf-stellen.
Wir haben Mißbrauchsmöglichkeiten eingeschränktund, um für klare Verhältnisse zu sorgen, in das Haus-haltsgesetz 2000 hereingeschrieben – das haben Sievielleicht nicht bemerkt –, daß Telekomerlöse, soweitsie im nächsten Jahr über den Zuschußbedarf hinausge-hen, zur Tilgung von Schulden zu verwenden sind. Siesind also nicht frei verwendbar, sondern müssen zurSchuldentilgung eingesetzt werden, damit wir endlichvon dem von Ihnen verursachten Schuldenberg in Höhevon 1 500 Milliarden DM herunterkommen.
Schließlich haben Sie, Herr Kollege Merz, den Ein-druck erwecken wollen, eine Nettoentlastung der Steu-erzahler in Höhe von 30 Milliarden DM sei möglich, dadie gesamten Steuereinnahmen des Staates im Jahre2000 um rund 50 Milliarden DM über denen von 1998lägen und 2001 noch einmal um 27 Milliarden DM an-stiegen.
Das ist billiger Populismus, denn Sie wissen doch ge-nau, daß diese Summe nicht frei verfügbar ist, sondernlängst in die Haushalte und in die Finanzplanung einge-arbeitet wurde. Die von Ihnen geforderte Steuersenkungwäre nur auf Pump zu haben. Eine Politik auf Pump istaber mit uns nicht mehr zu machen, damit das auch ein-mal klar ist!
Nach diesem denkwürdigen Auftritt von Herrn Merzam Dienstag trat am Mittwoch ein neuer Star in dieRunde, nämlich Herr Rühe.
Er versuchte, hier eine große Rede zu halten. Ich mußIhnen aber sagen, daß ich etwas so Enttäuschendes wiedie Rede von Herrn Rühe in einer zweiten Lesung desBundeshaushaltes noch nie erlebt habe.
In Anlehnung an ein Wort von Bernhard Vogel – als erdie Regierungsverantwortung in Mainz abgeben mußte,sagte er: „Gott schütze Rheinland-Pfalz!“ – sage ich nur:„Gott schütze Schleswig-Holstein!“.
Was Herr Rühe hier zur Bundeswehr gesagt hat, wareine Auflistung der Versäumnisse aus seiner Zeit alsMinister. Daß die Bundeswehr technologisch in diesemZustand ist, ist ausschließlich die Schuld von Herrn Rü-he und von niemandem sonst! Das sage ich ganz klarund deutlich, meine Damen und Herren.
Bei seinen großartigen Ausführungen zur Werftin-dustrie war er wahrscheinlich genauso wie Sie, HerrMerz, nicht informiert, daß die Koalition 90 MillionenDM
– schönen Dank, Herr Kollege Koppelin – an Barmittelnfür die Werftindustrie im nächsten Jahr eingestellt hat.In den darauffolgenden Jahren werden es jeweils 80Millionen DM pro Jahr sein, damit die WerftindustrieAufträge einwerben kann und lebensfähig bleibt. Dashat er nicht gewürdigt, obwohl er sich darum bemüht –das wird die Bevölkerung Gott sei Dank verhindern –,Ministerpräsident in einem Land zu werden, das hiervonprofitiert. Auch diesen Punkt muß man einmal würdi-gen. Aber das hat er bei seiner Rede wohl vergessen.Seine Rede war sehr enttäuschend und ohne jeglicheSubstanz. Man hat in ihr weder einen schwarzen nocheinen roten Faden gefunden, es war überhaupt kein Fa-den vorhanden, sondern er ist von Hölzchen auf Stöck-chen gekommen und meinte, das sei etwas ganz Beson-deres.
Gestern hat Herr Brüderle, der heute morgen auchnicht da ist
– natürlich, Sie machen das wahrscheinlich besser, als erselbst das könnte, das ist mir schon klar –, gegen daspolemisiert, was Gerhard Schröder bei Holzmann er-reicht hat,
indem er sagte: Wie kann man denn eine Bundesbürg-schaft für das Unternehmen Holzmann geben?
Er soll sich doch einmal etwas besser über die Ge-schichte informieren. Er war damals zwar Winzerkönigin Rheinland-Pfalz, aber noch nicht auf Bundesebenetätig.
Hans Georg WagnerSEITE ZURÜCK SEITE VOR
Metadaten/Kopzeile:
6812 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
Als nämlich die AEG in Schwierigkeiten war, habenGraf Lambsdorff – der ja noch Mitglied der F.D.P. ist –als Bundeswirtschaftsminister und Manfred Lahnsteinals Bundesfinanzminister ohne viel Worte eine Bürg-schaft in Höhe von 1 Milliarde DM für AEG aufgelegt.Diese brauchte nicht in Anspruch genommen werden,weil allein durch diese Bürgschaft in Höhe von 1 Milli-arde DM die Aktien der AEG so anstiegen, daß sich al-les wieder ausglich.Wenn man sich jetzt die Aktienkurse von Holzmannanguckt, stellt man fest, daß sie genau in die gleicheRichtung gehen, obwohl die Bürgschaft lediglich 100Millionen DM beträgt. Sie sollten also immer wieder inIhre eigene Geschichte hineinforschen – richten Sie dasauch Herrn Brüderle aus –, um sich daran zu erinnern,was Sie in der Vergangenheit alles schon gemacht ha-ben.
Meine Damen und Herren, nun noch ein paar Bemer-kungen zur Beratung des Haushaltes. Ich bin von denHaushaltsberatungen enttäuscht. Am Dienstag hatte ichfür die Koalition – auch für Bündnis 90/Die Grünen –angeboten, daß wir, wenn Sie vernünftige Vorschlägemachen, miteinander darüber reden und sie, sofern siewirklich sinnvoll sind, in den Bundeshaushalt aufneh-men. Leider sind keine solchen Vorschläge gekommen;Sie haben hier überhaupt keine alternativen Positionendargestellt.
Es tut mir furchtbar leid, schließlich sind Sie regierungs-erfahren und erst ein Jahr von der Regierungsmachtentwöhnt. Sie könnten doch Anträge bringen.
Sie als Union haben den Antrag gebracht, man mögealle Zuschüsse zur Bundesanstalt für Arbeit auf Nullstellen. Das hätte bedeutet, daß die Jugendarbeitslosig-keit wieder schlagartig in die Höhe gegangen wäre. DasProgramm, mit dem wir es geschafft haben, 200 000 Ju-gendlichen in Deutschland wieder eine Zukunft zu ge-ben, wäre zunichte gemacht worden, wenn wir IhremAntrag gefolgt wären. Deshalb haben wir diesen Antragabgelehnt.
Wir hätten auch das hohe Niveau der Arbeitsmarkts-unterstützung in den neuen Ländern nicht fortsetzenkönnen, wenn wir Ihrem Antrag gefolgt wären. Siewollten mit dem Antrag, den Sie hier eingebracht haben,eine Erhöhung der Arbeitslosigkeit in den neuen Län-dern erreichen, meine Damen und Herren.
Kollege Wagner, ge-
statten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Niebel?
Nein.Dann haben Sie von der PDS – diese Fraktion kamnatürlich auch mit Anträgen und behauptete sogar noch,sie seien seriös gegenfinanziert – den Verzicht auf denEurofighter als Gegenfinanzierung für Ihre sonstigenForderungen vorgeschlagen. Das wäre eine schöne Sa-che; in ihr steckt auch Herzblut von Sozialdemokratenund Grünen. Aber Sie müssen wissen, daß die Schwarz-gelben die Verträge abgeschlossen und das Zeug bestellthaben. Wir müssen das nun bezahlen, so leid uns diestut. Deshalb sind die Vorschläge der PDS unseriös, wasdie Gegenfinanzierung angeht.
Meine Damen und Herren, mich hat schon gewun-dert, daß zum Beispiel das Wort Kultur in den Redender Opposition gar nicht vorgekommen ist.
– Sie haben zwar für die Deutsche Welle gekämpft, wis-sen aber genau, daß das ein Kampf gegen Windmühlen-flügel ist. Im übrigen hat Kultur bei Ihnen keine Rollegespielt, obwohl ungewöhnlich große Anstrengungender Bundesregierung in den neuen Ländern, in den altenLändern und auch hier in Berlin zur Sicherung der kultu-rellen Aktivitäten zu verzeichnen sind.
Das war Ihnen kein Wort der Erwähnung wert. Ich sagedas nur, damit deutlich wird, daß Sie mit der Förderungvon Kultur in Deutschland nichts im Sinn haben.Den Bemühungen der Bundesregierung – des Bun-desfinanzministers, vertreten durch Karl Diller – ist eszu verdanken, daß am Mittwoch dieser Woche die Euro-päische Kommission beschlossen hat, daß die neuenLänder Ziel-1-Gebiet bleiben.
Durch den Einsatz der Bundesregierung ist es also mög-lich geworden,
daß in den Jahren 2000 bis 2006 19,6 Milliarden Ecu indie neuen Länder zu ihrer weiteren Entwicklung fließenwerden. Das sind etwa 38 Milliarden DM, die allein vonder europäischen Ebene nach Ostdeutschland gegebenwerden. Ich bin sehr dankbar, daß sich die Bundesregie-rung darum bemüht hat, die anderen Mitgliedstaaten da-von zu überzeugen, daß die Förderung im Osten weiter-gehen muß, genauso wie wir die Förderung der neuenLänder auf hohem Niveau fortsetzen.Hans Georg WagnerSEITE ZURÜCK SEITE VOR
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6813
(C)
(D)
Nun zu einem Punkt, der schon am Mittwoch zu einererregten Diskussion geführt hat, zum Thema Spenden.Ich möchte jetzt nicht dem Untersuchungsausschuß vor-greifen. Aber mich wundert schon sehr, wenn an jedemTag in den Presseorganen über neue Dinge berichtetwird, die die Union betreffen. Da gibt es schon Erklä-rungsbedarf; hier hat Kollege Struck völlig recht gehabt.Ich habe gelesen, daß der bayerische Ministerpräsident– Ihr eigentlicher Oberbefehlshaber, wie Sie wissen –sechsmal an der Côte d´Azur in der Villa von HerrnHolzer Urlaub gemacht hat
und daß drei Tage vor dem Minol-Deal im Bundeskabi-nett Herr Dieter Holzer einen Brief an den Bundeskanz-ler mit der Anrede „Lieber Helmut Kohl“ geschriebenhat. Diese vertrauliche Anrede zeigt, daß er im HauseKohl nicht unbekannt gewesen sein kann.Diese Dinge muß man natürlich aufklären. Was dieeine Million betrifft, habe ich gestern scherzhaft FrauKollegin Baumeister gefragt: Geht eine Million eigent-lich auch in einen Kosmetikkoffer?
Sie war etwas erstaunt über die Frage; ich habe ihr abergleich gesagt, daß ich sie persönlich nicht verdächtigenmöchte. Aber es wird zu klären sein: Ist die Politik inDeutschland käuflich? War sie es, ist sie es, wird sie eswerden?
Politik darf in der Bundesrepublik nicht käuflich wer-den, meine Damen und Herren!
Mit dem Bundeshaushalt für das Jahr 2000 rundenwir heute unser Paket ab. Wir sind handlungsfähig undhaben dies auch bewiesen. Die Koalition handelt, sie re-det nicht nur. Deshalb wird es auch zum Guten für dieBundesrepublik werden.
Ich erteile dem Kol-
legen Jürgen Koppelin, F.D.P.-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! LiebeKolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte vor derheutigen Entscheidung über den Haushalt den Mitarbei-terinnen und Mitarbeitern des Haushaltsausschusses sehrherzlich für die Unterstützung danken. Bei dieser Gele-genheit möchte ich auch den Mitarbeitern in unserenAbgeordnetenbüros herzlich für die gute Zuarbeit dan-ken. Sie dürfen, denke ich, heute auch einmal erwähntwerden.
Ich bedanke mich auch dafür, daß alle, die ich eben ge-nannt habe, die Arbeitszeitordnung sehr souverän miß-achtet haben.Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bundesfinanz-minister ist ja mit einem großen Ziel gestartet. Er hat ge-sagt, 30 Milliarden DM wolle er im Haushalt 2000 ein-sparen. Richtig ist jedoch, daß er diesen Betrag über-haupt nicht spart, sondern daß er sich durchmogelt. DerFinanzminister spart weniger am Bundeshaushalt, alsdaß er abkassiert. Das nennt er eben „sparen“.
Nur in drei Bereichen streicht er selbst. Dies ge-schieht erstens bei der Bundeswehr, der er die Mög-lichkeit nimmt, die auf Grund der Auslandseinsätzedringend erforderlichen Investitionen zu tätigen. Zwei-tens kassiert er radikal beim Agrarhaushalt ab undnimmt den Landwirten etwa 25 Prozent ihres Einkom-mens. Da muß man sich fragen: Wo bleiben die beglei-tenden Gesetze, damit unsere Landwirte die gleichenBedingungen haben wie ihre Kollegen in Frankreich,Dänemark oder Holland?
Und es wird beim Straßenbau gestrichen. Herr Kolle-ge Wagner, daran geht kein Weg vorbei: Beim Straßen-bau wird gestrichen. Dadurch werden auch wichtigeStrukturmaßnahmen gestoppt. Herr Eichel verfährt nachdem Motto: Mehr Straßenlöcher zum stopfen von Haus-haltslöchern.
Dieser Haushalt ist weiterhin kommunalfeindlich;denn er kassiert bei den Kommunen und auch bei denLändern radikal ab. Dies wird schließlich zu Lasten derBürgerinnen und Bürger gehen. Statt selbst zu sparen,wird auch bei den Sozialschwachen und beim Mit-telstand abkassiert.Wo der Finanzminister streicht – das ist das Bedauer-liche –, streicht er bei Investitionen. Damit werden Ar-beitsplätze gefährdet; denn für viele Branchen, zum Bei-spiel für den Straßenbau, ist der Bund der einzige Auf-traggeber. Dort, wo es jedoch sinnvoll wäre zu sparen,geschieht dies aus ideologischen Gründen nicht.Wenn die Bundesregierung aus demographischenGründen von einer durchschnittlichen Abnahme der Ar-beitslosigkeit um 200 000 Stellen ausgeht, fragt mansich, warum der Zuschuß an die Bundesanstalt für Ar-beit weiterhin überdimensional bleiben muß.
Bereits 1999 war der Ansatz für die Bundesanstalt fürArbeit völlig überhöht. Was Sie mit Ihrem hohem Zu-schuß wollen, ist völlig klar: Sie wollen eine Aufblä-hung des zweiten Arbeitsmarktes. Damit verzögern Sienotwendige Strukturanpassungen.
Der Bundesfinanzminister nennt öffentlich ehren-werte Ziele. Er will sparen, und er will die VerschuldungHans Georg Wagner
Metadaten/Kopzeile:
6814 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
des Bundes zurückführen. Interessant ist, daß HerrEichel in seiner Amtszeit als hessischer Ministerpräsi-dent bereits die gleichen Ziele verkündet hat.Nun muß man sich einmal das Ergebnis in Hessenanschauen: In der Amtszeit von Herrn Eichel sind inHessen die Personalausgaben von 42 Prozent auf 47Prozent gesteigert worden. Wahr ist auch, daß in derAmtszeit von Herrn Eichel in Hessen, bei rotgrünerLandesregierung – Herr Fischer soll irgendwann aucheinmal dabei gewesen sein; aber das war noch zurAmtszeit des Vorgängers von Herrn Eichel –,
– zwischen 1994 und 1998 pro Jahr durchschnittlich 2,3Milliarden DM neuer Schulden aufgenommen wurden.
Den Höchststand erreichte man 1997. Damals war einNegativrekord in der Geschichte des Landes Hessen zuverzeichnen, und Herr Eichel mußte 2,9 Milliarden DMan neuen Schulden aufnehmen.
Auch ein weiterer Vergleich ist vielleicht zulässig,nämlich bei der Zinsausgabenquote. Man muß das ein-mal vergleichen: Am Ende der Amtszeit von HerrnEichel lag die Quote in Bayern bei 3,7 Prozent, in Ba-den-Württemberg bei 6,8 Prozent und in Hessen beiimmerhin 9,6 Prozent. Das spricht doch wohl Bändehinsichtlich der Arbeitsweise dieses Finanzministers!
Ich kann nur jedem, der immer wieder auf Herrn Eichelhereinfällt, empfehlen, sich anzuschauen, was er in Hes-sen gemacht hat. Dort hat er die gleichen Botschaftenverkündet, aber völlig anders gehandelt. Er hat mit dengleichen Tricks gearbeitet, mit denen er auch hier arbei-tet.Vielleicht darf man aber auch einmal an eine andereFunktion erinnern, die Herr Eichel in Hessen innegehabthat: Er war nämlich auch Oberbürgermeister in Kassel.Dort hat er sich immer gelobt, denn er war damals Chefder ersten rotgrünen Koalition. Seine Forderung war –damit ist er in unrühmlicher Erinnerung –: Kassel mußbundeswehrfrei werden. Da wundert es einen doch nicht,daß er jetzt bei der Bundeswehr so radikal streicht. Dassitzt bei ihm immer noch im Kopf.
Mit diesem Bundeshaushalt werden keine neuen Im-pulse für die Wirtschaft unseres Landes gegeben undkeine sicheren Rahmendaten für Unternehmen und Bür-ger gesetzt. Notwendig wären ein echter Sparhaushalt –das hat auch die Anhörung ergeben – und eine radikaleSenkung der Steuern. Nur so kann man die Rahmen-bedingungen verbessern und neue Arbeitsplätze schaf-fen. Aber das geschieht hier nicht.
Insofern sei den Sozialdemokraten ins Stammbuchgeschrieben: Der Staat sorgt zwar nicht für Arbeitsplät-ze, aber er setzt die Rahmenbedingungen, damit dieWirtschaft und vor allem der Mittelstand Arbeitsplätzeschaffen können. Hier versagt der Bundeshaushalt völ-lig.Im Abkassieren sind dieser Bundesfinanzminister undseine Koalition besonders groß. Nicht einmal das Ver-sprechen, die vollen Einnahmen der Ökosteuer zurSenkung der Rentenbeiträge zu nutzen, hält diese Regie-rung ein. Sie nimmt nur einen Teil davon; mit dem ande-ren stopft sie Haushaltslöcher.Man muß sich übrigens ebenfalls fragen: Wo wardenn – ich sehe sie auch heute nicht – die Familienmi-nisterin damals? Warum hat sie nicht dem Finanzmi-nister gesagt: Das kannst du nicht machen, mit der Öko-steuer belastest du vor allem die Rentner und die Famili-en? – Sendepause!
– Abgetaucht! Genau das ist es.Wie unlogisch die Ökosteuer ist, haben wir Ihnen oftgenug gesagt. Ich denke, auch bei dieser Debatte sollteman es noch einmal sagen. Die Ökosteuer ist völlig un-logisch, denn sie ist darauf angelegt, daß bloß kein Bür-ger Energie sparen möge, denn dann hätte der Finanz-minister weniger Einnahmen.
Das kann doch nicht wahr sein. Die Ökosteuer ist einEtikettenschwindel; sie dient nur zum Abkassieren derBürger.
Oder nehmen wir die Rentenpolitik. Liebe Kollegin-nen und Kollegen von der Koalition, nur weil OskarLafontaine mit 56 Jahren in Rente gegangen ist, mußdoch nicht die ganze Republik mit 60 in Rente gehen!
Dann kommt es noch schlimmer: Frau Simonis ver-kündet fast täglich, wir bräuchten die Vermögensteuer,die Erbschaftsteuer usw.
Da muß ich doch noch einmal den Bundesarbeitsmi-nister ansprechen; er ist leider auch nicht da. Von ihmstammt das Thema Rente mit 60. Herr Riester hat in der„Wirtschaftswoche“ verkündet – so lese ich es zumin-dest als Zitat –: „Ich bin mit Sicherheit kein Umfaller.“
Das will ich gerne bestätigen. Das trifft übrigens ähnlichauf die Grünen zu. Da haben wir als F.D.P. ja ein biß-chen Erfahrung.
Jürgen Koppelin
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6815
(C)
(D)
Umfallen kann man nur, wenn man vorher gestandenhat. Herr Riester steht für gar nichts!
Ich stelle fest: Täglich überall Verunsicherung durchdiese Koalition, und täglich erleben wir, daß man sich indieser Koalition streitet. Das wirkt sich natürlich auchbei den politischen Entscheidungen aus. Da streiten sichRot und Rot, Rot und Grün, Grün und Rot, Grün undGrün. Man hat den Eindruck, in dieser Koalition ist sichüberhaupt niemand mehr grün.
Diese Koalition zeichnet sich durch Zerstrittenheit,Orientierungslosigkeit und Unberechenbarkeit aus, unddas Ganze ist gepaart mit mangelnder Sachkompetenz.Auch das spiegelt dieser Haushalt wider.Die Unterschiede zwischen Herrn Eichel und derF.D.P. sind klar: Im Gegensatz zu Herrn Eichel ist fürdie F.D.P. der Staat eine Instanz, die ordnungspolitischan der Stelle eingreift, an der es erforderlich ist. Anson-sten hat der Staat nur Rahmenbedingungen und Anreizezu schaffen. Für uns ist der Staat nicht – wie bei dieserrotgrünen Bundesregierung – der besserwisserischeÜbervater, der alles bestimmt, alles regelt und seinenBürgern mit Mißtrauen begegnet. Das unterscheidet uns.
Kollege Wagner, ich hätte Schleswig-Holstein janicht angesprochen, aber ich bin Ihnen dankbar für denHinweis. Ich will Ihnen nur zwei Beispiele für das nen-nen, was uns unterscheidet, auch in der Politik.Frau Simonis läuft jetzt durchs Land und verkündetdort, wo tatsächlich ein paar Arbeitsplätze entstandensind, nämlich im Telekommunikationsbereich, das seiihr Erfolg. In diesem Bereich gibt es in Schleswig-Holstein tatsächlich einige neue Arbeitsplätze. Aber werwar denn gegen die Privatisierung? Das waren doch Sie!Wir waren dafür!
Diese Arbeitsplätze wären in Schleswig-Holstein nie-mals entstanden, wenn wir uns nicht dafür eingesetzthätten. Frau Simonis hat das nicht getan.Nun nenne ich noch einmal den Bereich Straßenbau– Herr Kollege Wagner, den haben ja auch Sie ange-sprochen –: Es ist richtig, daß wir, wenn CDU undF.D.P. die Landtagswahl in Schleswig-Holstein gewin-nen sollten, Straßen bauen werden. Wir werden dannnatürlich Widerstand seitens bestimmter Interessengrup-pen bzw. bestimmter Bevölkerungskreise bekommen,die die eine oder andere Straße an der vorgesehenenStelle nicht haben wollen. Das gibt es überall; das wirdes auch hier geben. Aber der Unterschied zu Ihrer jetzi-gen Koalition und zu uns ist: Sie in Schleswig-Holsteinhaben den Widerstand bereits im Kabinett sitzen. Das istdas Entscheidende.
Herr Kollege Wagner, ich verstehe es ja, daß Sie dieLandtagswahl in Schleswig-Holstein ansprechen. Siehaben ja gar nicht so sehr Angst davor, daß Herr Rühegewinnt. Sie haben vielmehr Angst davor, daß der HerrBundeskanzler Frau Simonis einen Kabinettsposten an-bietet. Das ist doch das Problem.
Der Bundeshaushalt, so sagt man, sei das Schicksals-buch der Nation. Von diesem Schicksalsbuch müßten jadann eigentlich Impulse und Bewegungen ausgehen.Doch wo sind sie? Die einzige Bewegung, die von die-sem Haushalt und der rotgrünen Bundesregierung aus-geht, ist Kopfschütteln bei der getäuschten und ent-täuschten Bevölkerung. Nichts anderes ist der Fall.
Wenn man dem Bundesfinanzminister für diesenHaushalt ein Zeugnis ausstellen müßte, dann würde eswohl lauten: Hans Eichel war stets bemüht, konnte je-doch den eigenen Ansprüchen zu keiner Zeit gerechtwerden.Wir Freien Demokraten lehnen den Bundeshaushalt2000 ab.Ich bedanke mich für Ihre Geduld.
Ich erteile das Wortdem Kollegen Matthias Berninger, Bündnis 90/Die Grü-nen.
ich möchte damit beginnen, mich bei den Mitarbeiterin-nen und Mitarbeitern der Ministerien und vor allem beijenen im Haushaltsausschuß zu bedanken. Einen solchenHaushalt zustande zu bringen ist ziemlich viel Arbeit.Das würde ohne diese Mitarbeiter nicht so reibungslosablaufen, wie es jetzt der Fall war. Deswegen an dieserStelle mein Dank an alle Mitarbeiter.
Ein besonderer Dank gilt dem Ausschußvorsitzenden.Im Ausschuß geht es ja manchmal hoch her. KollegeAustermann weiß das. Ich denke, daß der Vorsitzendedie Sitzungen sehr souverän und sehr fair geleitet hat.Auch das ist ein besonderes Dankeschön wert.
Aber trotz so vieler Worte des Dankes, Herr KollegeRoth, sollten wir nicht vergessen, uns politisch zu strei-ten. Sie haben gesagt, Finanzminister Eichel habe eineganze Menge Komplimente bekommen; das habe Siegewundert. Mich überrascht nicht, daß die Union sichwundert, wenn ein Finanzminister Komplimente be-Jürgen Koppelin
Metadaten/Kopzeile:
6816 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
kommt. Bei Waigel war das nie der Fall. Es ist also klar,daß Sie darüber verwundert sind.Dies wird erst recht klar, wenn Sie die Haushaltspoli-tik dieser Legislaturperiode mit jener der letzten verglei-chen. Ich fange einmal mit den Investitionen an; dennsie waren hier schon mehrfach Thema. Sie sind 1994 mitInvestitionen im Schienenbaubereich in Höhe von etwa10 Milliarden DM und im Straßenbaubereich in Höhevon annähernd 9 Milliarden DM angetreten und habenin den nächsten vier Jahren bei den Investitionen umüber 4 Milliarden DM gekürzt. Wenn man uns dann an-gesichts dessen, daß wir den Haushalt ins Gleichgewichtbringen und die Investitionen auf einem hohen Niveauhalten wollen, kritisiert, dann muß man sich den Vor-wurf der Unglaubwürdigkeit gefallen lassen.
Sie haben in den letzten Jahren unter Herrn Rüttgersim Bildungsbereich 800 Millionen DM zusammenge-strichen, während wir für Bildung, Zukunft und For-schung mehr Geld ausgeben. Auch hier müssen Sie sichden Vorwurf gefallen lassen, daß Ihre Haushaltspolitikalles andere als solide war.Kollege Rühe hat in seiner Amtszeit als Verteidi-gungsminister die nette Bilanz zu verzeichnen, daß es imVerteidigungsetat zu Kürzungen von über 11 Prozentkam, und zwar ohne daß er irgendeine Strukturreform inGang gesetzt hat. Es ist zwar vernünftig, die Verteidi-gungsausgaben auf ein realistisches Niveau abzusenken.Aber dazu muß man – das muß man ihm hier vorwerfen– die nötigen Strukturreformen in Gang setzen. Dazuwar die alte Koalition nicht in der Lage.
Es ist viel über die Summe von 1,5 Billionen DMSchulden gesprochen worden. Ein Abgeordneter derCDU war gestern sogar stolz auf diese Schulden. Wirkönnen uns hier lange darüber streiten, wer dafür ver-antwortlich ist. Mich langweilt – offen gestanden – die-ser Streit. Denn er führt zu keinem Ergebnis. Wir habendiese Schulden, und der Finanzminister – das unter-scheidet ihn von seinem Vorgänger – hat sich das Zielgesetzt, diesen Schuldenberg abzubauen. Dafür erhält erdie schon angesprochenen Komplimente.
Niemand bezweifelt, daß die deutsche Einheit zu-sätzliche Lasten mit sich gebracht hat. Was wir Ihnenaber vorwerfen, ist, daß Sie im Zuge der deutschen Ein-heit den Menschen nicht die Wahrheit gesagt haben unddaß Sie von denen, die mehr hätten geben können, kei-nen höheren Solidarbeitrag verlangt haben. Das ist es,was Sie sich von uns vorwerfen lassen müssen.
Meine Damen und Herren, natürlich ist das Ausga-benvolumen in der Ära Waigel gewachsen, auch wennviele Haushaltspolitiker Nebelkerzen werfen, indem siesagen, es sei konstant geblieben. Nein, es ist gewachsen.Weil auf Grund einer strukturellen Änderung beim Kin-dergeld aus vorherigen Ausgaben Einnahmeausfällewurden, konnten Sie den Haushalt rein zahlenmäßigkonstant halten. Aber Sie haben den Haushalt aufge-bläht. Statt die Schulden zu bekämpfen, haben Sie Jahrfür Jahr versucht, das strukturelle Defizit zu vertuschen.Sie haben die Privatisierungserlöse nur für einen Zweckverwandt, nämlich dafür, sich durchzumogeln und mitdem Haushalt noch knapp an der Verfassungswidrigkeitvorbeizukommen – oder diese Grenze auch zu berühren.Sie haben es in den letzten Jahren nicht geschafft, dieEntwicklung des Defizits in den Griff zu bekommen.Deshalb ist die Aufgabe für diese Koalition auch soaußerordentlich schwierig. Wir stehen vor großen Risi-ken. Brutto nehmen wir auch in diesem Jahr annähernd250 Milliarden DM an neuen Schulden auf,
netto unter 50 Milliarden DM; das zeigt, wie schwer dasUmsteuern ist. Wenn sich der Zinssatz nur um 1 Prozenterhöht – allein das ist ein großes Risiko –, dann kostetuns dies weitere 2,5 Milliarden DM. So viel müßten wirdann zusätzlich zu den 82 Milliarden DM, die wir heutefür Zinsen auf den Tisch legen müssen, für die Schuldenausgeben. Deswegen hat sich diese Koalition, auchwenn es schwer ist, für Einsparungen entschieden. Wirwollen den Haushalt ins Gleichgewicht bekommen. Dasist etwas, was Sie nie zustande gebracht haben.
Noch etwas unterscheidet uns von der alten Regie-rungskoalition. Sie haben den Haushalt aus dem Gleich-gewicht gebracht.
Sie haben aber auch die Steuern erhöht. Allein der Ein-gangssteuersatz ist in den letzten 16 Jahren um 4 Prozentgestiegen. Was aber noch viel schlimmer ist: Sie habendie Lohnnebenkosten in den letzten acht Jahren um10 Prozent steigen lassen. Wir betreiben eine Steuersen-kung: Der Eingangssteuersatz wird in vier Jahren um6 Prozent sinken.
Das ist eine Politik, die sozial gerecht ist, weil sie auchden Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen zugutekommt.
Matthias Berninger
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6817
(C)
(D)
Wir senken die Lohnnebenkosten – dadurch werdenwir neue Arbeitsplätze schaffen – und sparen dennoch.Es ist die Leistung von Herrn Eichel, daß das struktu-relle Defizit in Angriff genommen wird, ohne die Men-schen mit neuen Steuern zu belasten.
„Schein und heilig“ ist es in der Tat, wenn Sie hierimmer die Ökosteuer anführen. Ich hätte mir ge-wünscht, die Ökosteuer wäre höher gewesen. Durchmutigere Entlastungen bei den Lohnnebenkosten hättennämlich noch mehr neue Arbeitsplätze geschaffen wer-den können.
– Herr Kollege Ramsauer, ich bin alles andere als eingrüner Raubritter. Das Raubrittertum fällt mir immerdann ein, wenn ich mir die Situation in der letzten Le-gislaturperiode, wenn ich mir Ihre Regierungszeit vorAugen halte. Man kann bei uns von allem reden, nurnicht von Raubrittertum.
Sie haben doch die Mineralölsteuer um 58 Pfennig er-höht, ohne damit irgendeinen Impuls für die Senkungder Lohnnebenkosten erreicht zu haben.
Auch dies ist angesprochen worden: Wieviel Tafel-silber haben wir noch? In diesem Zusammenhang ist esnötig, auf den Kollegen Merz einzugehen. Herr KollegeMerz, wir haben noch 160 Milliarden DM an Privatisie-rungserlösen. Es muß hier noch einmal gesagt werden:Im Unterschied zur alten Koalition wollen wir das Ta-felsilber, die Telekom-Privatisierungserlöse, dafür ver-wenden, die Renten und Pensionen für die Postbedien-steten zu bezahlen. Zum anderen haben wir mit diesemHaushaltsgesetz etwas Mutiges in Angriff genommen.Wir sagen nämlich: Sollten wir darüber hinaus noch Pri-vatisierungserlöse haben, so geben wir sie nicht aus,Herr Kollege Austermann, sondern verwenden sie zumAbbau der Schulden. Das ist eine Weichenstellung, dieSie nie vorgenommen haben.
Wahlweise wird von der Opposition gesagt, es werdegar nicht gespart, es werde an der falschen Stelle ge-spart, es werde zuviel gespart. Wir hören wahlweiseeines dieser Argumente in den Reden der einzelnen Ab-geordneten. Dann werden die sogenannten Alternativ-vorschläge unterbreitet. Ich habe nur einen Vorschlagwirklich wahrgenommen – Kollege Koppelin ist auchstolz darauf –, nämlich den, den Zuschuß für die Bun-desanstalt für Arbeit auf Null zu fahren. Wissen Sie,was mich daran ärgert? Mich ärgert, daß wir dann dasSofortprogramm der Bundesregierung, das wir auf denWeg gebracht haben, von dem einen auf den anderenTag aussetzen müßten. Damit hätten 200 000 Jugendli-che keine Perspektive mehr; das wäre ein Rückfall in dieÄra Kohl.
Was ich noch schlimmer finde: Erst gewinnen Sievon der Union die Wahlen in Ostdeutschland, und dannkommen Sie in den Haushaltsausschuß und sagen, wirstreichen den BA-Zuschuß.
200 000 Menschen in den neuen Ländern hätten dannkeinen Arbeitsplatz mehr, wobei ich zugebe: Jetzt habensie einen öffentlich geförderten. Das ist etwas, was Siesich vor der Wahl nicht getraut hätten zu sagen. Das istgenau Ihre Politik. Das haben Sie zu Ihrer Regierungs-zeit so gemacht, und auch in Oppositionszeiten gehenSie so vor.
Deshalb ist Ihre Politik auch so unglaubwürdig.Bevor ich jetzt auf den Kollegen Koppelin eingehe,gibt es noch den Wunsch zu einer Zwischenfrage desNiebel-Kerzenwerfers. Bitte schön.
Kollege Niebel, bitte
schön.
Herr Kollege Berninger, wennwir über Nebel – oder Niebel-Kerzen reden, dann kön-nen wir vielleicht im Rahmen dieser Frage klären, werwas vernebelt.Mir ist nicht bekannt – vielleicht ist es Ihnen bekannt–, seit wann dieser Zuschuß zweckgebunden sein soll.Sie tun so, als wenn der Bundeszuschuß an die Bundes-anstalt für Arbeit zweckgebunden sei. Nach meinenKenntnissen ist dies nicht der Fall. Nach meinen Kennt-nissen ist es vielmehr so – ich würde mich freuen, wennSie das hier bestätigen können –, daß es eine Faustfor-mel gibt, wonach 100 000 Arbeitslose zirka 4,5 Milliar-den DM Kosten verursachen. Das Institut für Ar-beitsmarkt- und Berufsforschung geht von einem demo-graphischen Rückgang der Arbeitslosigkeit im kom-menden Jahr von 200 000 aus. Das sind dann 9 Milliar-den DM.Sie haben auch gesagt, daß Sie durch Ihre Politik dieArbeitslosigkeit noch senken wollen. Gesetzt den Fall,daß Sie das so tun könnten, könnten Sie die globaleMatthias Berninger
Metadaten/Kopzeile:
6818 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
Minderausgabe durch den Haushalt erwirtschaften, ohneirgendeine Leistung zu kürzen.Stimmen Sie mir zu, daß dieser Zuschuß nichtzweckgebunden ist und daß meine Äußerungen so rich-tig sind?
in den neuen Ländern von heute auf morgen wieder aufder Straße stehen würden.
Herr Niebel hat davon geredet, daß es irgendwelcheZweckbindungen gebe. Wer bestreitet denn, daß die Ar-beitsmarktsituation in den neuen Ländern so ist, daß wirnoch auf Jahre hinaus öffentliches Engagement brau-chen, um neue Arbeitsplätze in den neuen Ländern zuschaffen?
Wir haben im Gegensatz zu Ihnen vor und nach derWahl gesagt, wir wollen eine aktive Arbeitsmarktpolitikin den neuen Ländern finanzieren. Stimmen Sie mit mirüberein – das ist nur eine rhetorische Frage –,
daß der Chef der Bundesanstalt für Arbeit genau auf die-sen Zustand hingewiesen hat, welche Folgen es nämlichhätte, den Zuschuß an die Bundesanstalt für Arbeit aufNull zu setzen? Das erfinden doch nicht wir, sondern esist das, was uns die Leute, die im Bereich der Arbeits-marktpolitik ihre alltägliche Arbeit verrichten, sagen.Das Sofortprogramm für junge Leute wäre über dieWupper. Die Leute würden wieder auf der Straße ste-hen. In den neuen Ländern würden weitere 200 000Menschen ohne Arbeitsplatz sein.
Kollege Berninger,
der Kollege Niebel will noch einmal fragen.
einmal fragen.
Herr Kollege Berninger, stim-men Sie mir zu,
daß die Bundesanstalt für Arbeit über eigene Einnahmenverfügt, die sie selbst auf ungefähr 89,5 Milliarden DMbeziffert. Wenn man das durch den Beitragssatz von6,5 Prozent teilt, kommt man bei ungefähr 7 MilliardenDM auf eine mögliche Senkung des Beitrags an dieBundesanstalt von 0,5 Prozent. Stimmen Sie mir zu, daßall das die Lohnnebenkosten, wenn man die Beitrags-senkung umsetzen würde, verringern würde und dadurchdie Chance, Arbeitsplätze ohne staatliche Förderung zuschaffen, vergrößert werden würde?
von einer Senkung der Lohnnebenkosten reden, fällt mirimmer ein, was Sie gemacht haben. Sie haben, weil SieSteuererhöhungen für die Besserverdienenden vermei-den wollten, die Lohnnebenkosten erhöht.
Es ist doch völlig klar: Wenn ich die gesamte aktiveArbeitsmarktpolitik verwerfe, wenn ich die Leistungender Bundesanstalt für Arbeit verringere, dann verringereich auch den Beitrag der Beschäftigten. – Einen Momentmüssen Sie noch stehenbleiben; Sie stellen die Frage,ich antworte. – Es ist doch völlig klar, Herr KollegeNiebel, daß man die Bundesanstalt für Arbeit zu einerNachtwächterbehörde machen könnte und damit auchdie Beiträge für die Bundesanstalt für Arbeit senkenkönnte. Das ist aber das, was diese Koalition nicht will,was auch die Beschäftigten in Deutschland nicht wollen.Es ist klar, daß die F.D.P. das will. Aber vor diesemHintergrund stehen wir dafür, daß es öffentliches Enga-gement und öffentliche Beschäftigung in diesem Bereichgibt.
Meine Damen und Herren, der Haushalt wird in dennächsten Jahren systematisch mit geringerer Neuver-schuldung auskommen, und er wird, so schnell es ebenmöglich ist, im Gleichgewicht sein. Wir stehen dazu,daß wir die Nettoneuverschuldung auf Null fahren. Wirstehen dazu, daß wir möglichst Überschüsse erwirt-schaften. Wir wollen einen ähnlichen Weg gehen wieviele unserer Nachbarländer – zu nennen ist das BeispielDänemarks –, wo man der jungen Generation sagt:Wenn wir euch schon große Belastungen im Bereich derdemographischen Entwicklung hinterlassen – das dürfteja in diesem Hause unstrittig sein –, können wir euchnicht zusätzlich einen Haushalt, der aus dem Gleichge-wicht geraten ist, hinterlassen. Vor diesem Hintergrundmuß man sagen: Der Weg des Bundesfinanzministersbringt einen Einstieg – diese Koalition steht hinter demBundesfinanzminister – in einen Paradigmenwechsel inder Finanzpolitik, der besagt, daß man eben nicht aufneue Schulden setzen will.
Vielmehr die Ausgaben danach auszurichten, wie hochunsere Einnahmen sind, ist das Ziel der Bundesregie-rung. Ich halte das für einen guten Weg.Übrigens ist das nicht der einzige Punkt, bei dem wirdiesen Weg gegangen sind. Wenn Sie sich vor AugenDirk Niebel
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6819
(C)
(D)
führen, was wir im Bereich der Neuordnung der Ener-giewirtschaft machen, daß wir auf regenerative Energi-en setzen, daß wir eine Umorientierung der Energiewirt-schaft wollen, daß wir die Ökosteuer auch deshalb ein-geführt haben, damit Deutschland auf eine neue Ener-giepolitik setzen kann, dann sehen Sie, daß diese PunkteBeispiele dafür sind, daß wir damit aufhören wollen, zuLasten kommender Generationen Politik zu machen.Ich bin sehr sicher, daß uns das auch bei der Reformdes Rentensystems gelingen wird. Übrigens kann manan dieser Frage erkennen, wie mächtig die Oppositiondenn ist. Als das Sparpaket noch ein geschlossenes Pa-ket und komplett zustimmungspflichtig war, haben Siehier vollmundig Drohungen ausgesprochen, etwa dieDrohung, Sie würden erst dann über eine Rentenreformreden, wenn wir uns von der Maßnahme, die Erhöhungder Renten auf den Inflationsausgleich zu beschränken,verabschieden würden. Dann haben wir Sie von heuteauf morgen im Haushaltsausschuß damit überrascht, dasSparpaket in zwei Teile zu zerlegen, und damit ist Ihregesamte Strategie zusammengebrochen.
Das mag Sie ärgern. Aber, meine Damen und Herren,ich freue mich darüber, daß die Union endlich zur Ver-nunft zurückkehrt und an das anknüpft, wo sie sich inder letzten Legislaturperiode befunden hat,
nämlich zu erkennen, daß wir alle in diesem Haus ge-meinsam das Rentensystem reformieren müssen und daßFundamentalopposition von Ihrer Seite nicht angebrachtist. Sie sind mit in der Verantwortung.
Ich bin für Ihr Gesprächsangebot sehr dankbar. Ichglaube, daß diese Verhandlungen zu einem guten Er-gebnis führen werden. Denn wir alle müßten uns darineinig sein, daß es keinen Sinn macht, der nächsten Gene-ration eine Kostenbelastung zu hinterlassen, die sie nichttragen kann.Mich hat es geärgert, daß Sie Steuerreformvorschlägegemacht haben, die nur auf Pump zu finanzieren wären.Der Kollege Wagner hat völlig recht: Auf Pump ist mituns nichts mehr zu machen. Mich hat das auch deshalbgeärgert, weil Sie dann dazu beitragen würden – unsereWirtschaft ist die Leitökonomie in Europa –, daß derEuro gefährdet würde. Wenn wir die Maastricht-Kriterien nicht erfüllen würden, wenn wir einen Haus-halt vorlegen würden, der das von der Verfassung in Art.115 des Grundgesetzes vorgesehene Gebot verletzenwürde, wonach die neuen Schulden nicht die Höhe derInvestitionen überschreiten dürfen, dann würde schlag-artig die Botschaft an die europäischen Finanzmärktegehen: Das mit dem Euro wird nichts mehr.Für den Euro, denke ich, ist dieser Haushalt deshalbeine gute Nachricht, weil wir den Weg finanzpolitischerSeriosität gehen, weil wir nicht Jahr für Jahr vor derFrage zittern: Schaffen wir die Maastricht-Kriterien odernicht?, sondern weil wir finanzpolitisch auf Stabilitätsetzen. Diese Stabilität wird an den europäischen Fi-nanzmärkten positive Wirkungen haben.Mich ärgert es dann, wenn Herr Stoiber nicht nur zumVerfassungsbruch aufruft,
sondern mit seinen Steuerreformvorschlägen auch nochversucht, den Euro auszuhebeln.
Diese Art Oppositionsvorschläge finde ich nicht in Ord-nung. Wer Vorschläge zur Reform des Steuersystemsmacht – natürlich warten wir auch auf Ihre Vorschläge –,der muß sie seriös gegenfinanzieren.
Der Kollege Ramsauer hat gesagt, ich soll das zu-rücknehmen,
das Wort „Aufruf zum Verfassungsbruch“. Was ist dasdenn sonst, Herr Kollege Ramsauer?
Wenn man einen Vorschlag für eine Steuerreformmacht, der 30 Milliarden neue Schulden vorsieht, waszur Folge hätte, daß wir höhere Schulden als Investitio-nen hätten und damit die Verfassung brechen müßten,was ist das, bitte, anderes als ein Verfassungsbruch?
Diese Aufforderung von Herrn Stoiber weisen jedenfallswir in diesem Haus zurück.
Das Hauptproblem, das die Opposition hat, bestehtdarin, daß sie eigentlich gegen das Sparen nichts hat.Dann schiebt sie allerdings immer das große Kommanach und sagt: Aber nicht an dieser, nicht an jener, nichtan irgendeiner anderen Stelle. Der Kollege Austermannhat immer wieder vollmundig verkündet, es gebe einAlternativkonzept.
Dieses Alternativkonzept lag nie auf dem Tisch.
Matthias Berninger
Metadaten/Kopzeile:
6820 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
Es ist unseriös. Es setzt auf den alten Kurs und auf so-ziale Kälte, wie am Beispiel des Zuschusses für dieBundesanstalt für Arbeit zu sehen war.
Wir erhöhen das Kindergeld. Wir verbessern die Lei-stungen für die Familien in wirklich spürbarem Maße.Wir setzen auf ein neues Steuersystem, auf eine Ergrü-nung des Steuersystems. Wir setzen auf einen Haushalt,der ins Gleichgewicht kommt. Vor diesem Hintergrundempfehle ich Ihnen, meine lieben Kolleginnen und Kol-legen, dem Haushalt zuzustimmen, und danke dieserKoalition dafür, daß sie mit dem finanzpolitischen Voo-doo der Ära Waigel Schluß macht.Vielen Dank.
Ich erteile der Kolle-
gin Christa Luft, PDS-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! VerehrteKolleginnen und Kollegen! In wenigen Minuten wirdhier eine Redeschlacht zu Ende gehen, die seit Dienstagvormittag in diesem Hause um den ersten Haushalt imneuen Millennium tobt. Wenn ich rekapituliere, dannstelle ich fest, daß diese Redeschlacht von lautstarkengegenseitigen Schuldzuweisungen der früheren Koaliti-on an die jetzige Koalition und der jetzigen Koalition andie frühere geprägt gewesen ist. Zwischendurch hat na-türlich – wie sich das gehört – die PDS immer ein paarHiebe abbekommen. Ob das nun aber den Menschen,die am Bildschirm und an den Radiogeräten all die Tageausgeharrt haben, Antworten auf ihre Fragen gegebenhat, ob damit Vertrauen in die Politik zurückgewonnenworden ist, das bleibt noch zu bezweifeln.
Nicht aufgeklärt hat die Koalition, warum sie so mirnichts, dir nichts den Schwerpunkt der Wahlversprechenund den Schwerpunkt der Koalitionsvereinbarungenhinter sich gelassen und einen Schwenk vollzogen hat.In der Koalitionsvereinbarung heißt es noch – das warrichtig –: Der Schlüssel zur Haushaltskonsolidierung istdie energische Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Dafür,liebe Koalitionäre, seid ihr doch gewählt worden undnicht für ein Sparpaket schlechthin.
Beim Sparpaket ist nun fast eine Punktlandung ge-lungen. Was die Bekämpfung der Massenarbeitslosig-keit angeht, da hat sich der Fallschirm noch irgendwieim Gestrüpp verfangen. Bislang jedenfalls hat er seinZiel weit verfehlt.Zum sorgfältigeren und effektiveren Umgang mit öf-fentlichen Geldern – das sind zum ganz großen TeilSteuergelder von abhängig Beschäftigten – sagen wirselbstverständlich ja. Aber wenn für die Zukunft gespartwird, dann sind alle Bevölkerungsgruppen in die Pflichtzu nehmen. Diese Koalition aber fordert besonders jenezur Solidarität mit den Kinder- und Enkelgenerationenauf, die ihre monatlichen Einkünfte für den aktuellenKonsum brauchen und sie nicht auf die hohe Kante le-gen können, nämlich Rentnerinnen und Rentnern, Sozi-alhilfeempfängerinnen und -empfänger und Arbeitslo-senhilfebezieherinnen und -bezieher. Jene aber, die übermehr als ein Jahrzehnt von der wahrlich eskalierendenöffentlichen Verschuldung profitiert haben, für die dieseöffentliche Verschuldung gar zur privaten Melkkuh ge-worden ist, kommen nach wie vor unter dem Regendurch. Das sehen wir nicht ein.
Muß denn die Öffentlichkeit davon ausgehen, daß dieEinnahmeverbesserung öffentlicher Haushalte durchWiedererhebung der privaten Vermögensteuer, wie sievon den heutigen Regierungsparteien zu deren noch garnicht lange zurückliegenden Oppositionszeiten stets ge-fordert wurde, damals auch nur eine populistische For-derung war? Ich meine, wir sollten die Forderung nachsozialer Gerechtigkeit nicht ständig als Populismus dif-famieren.
Nicht ausgeräumt hat die Koalition den Vorwurf, dieAnpassung von Einkommen entsprechend dem Inflati-onsausgleich würde die Binnenkaufkraft reduzieren.Noch einmal, liebe Koalitionäre: Rentnerinnen undRentner, Sozialhilfe- und Arbeitslosenhilfebezieherin-nen und -bezieher haben von der Lohnnebenkostensen-kung durch Erhebung der Ökosteuer nichts. Aber ihnenwird durch die Ökosteuer in die Tasche gegriffen. Dasist doch die Wahrheit.Was das Verlagern von Bundesausgaben auf Länderund Kommunen mit Sparen zu tun hat, hat sich auchnach dieser lautstarken Schuldzuweisung von der einenauf die andere Seite der Öffentlichkeit immer noch nichterschlossen.
Der Kern unserer Kritik aber ist, daß Sie nicht sagen,wie diese Gesellschaft nach einem harten Sparkurs aus-sehen soll. Wie sieht Ihr Gesellschaftskonzept für dieZeit danach aus? Wofür wird die Handlungsfähigkeitdes Staates zurückgewonnen? Wollen wir etwa nochmehr Eurofighter? Doch wohl nicht! Wollen wir nochmehr Transrapids? Wollen wir noch mehr Subventionenfür Daimler-Chrysler?Ich will dem lieben Geburtstagskind, dem KollegenWagner, sagen: Frau Matthäus-Maier hat bis zum letztenTag ihrer Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag, alsobis zum Sommer 1999, den Verzicht auf die Anschaf-fung des Eurofighters und den Verzicht auf den Ein-stieg in dieses Projekt ständig gefordert. Das kann nichtihre Privatmeinung gewesen sein. Sie wurde doch wohlvon der SPD-Fraktion mitgetragen. Wie kann sich dieseMeinung nach nur wenigen Monaten so verändern? DieVorbelastungen für künftige Haushalte – das ist derKern unserer Kritik – reichen bis zum Jahr 2015. Woherwissen wir eigentlich, ob unsere Kinder und EnkelkinderMatthias Berninger
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6821
(C)
(D)
im Jahr 2015 und danach diesen Eurofighter überhauptnoch wollen? Diese Fragen müssen wir stellen.
Eine Konversion wäre zwar nicht billig, aber sie wäremöglich. Sie wäre das Zeichen dafür, daß dieses Landtatsächlich eine antimilitaristische Außenpolitik betrei-ben will.Ob und wie Sie im Zuge der Haushaltskonsolidierungheute brachliegende Arbeit finanzierbar machen wollen,wissen wir noch nicht. Was der Umbau des Sozialstaatestatsächlich bedeutet, wissen wir noch nicht. Wie derökologische Umbau der Gesellschaft aussehen soll, istebenfalls unbekannt. Diese Punkte hätten aber im Zu-sammenhang mit dem harten Sparpaket flankierend dis-kutiert werden müssen, damit die Öffentlichkeit weiß,wohin der Weg führen soll.Wir werden diesen Haushalt als Gesamtpaket ableh-nen. Dabei sitzen wir optisch mit der CDU/CSU und derF.D.P. in einem Boot. Ich will aber sagen, daß es inhalt-lich deutliche Unterschiede gibt. Wir verkennen nämlichnicht solche neuen Akzente in der Haushaltspolitik derjetzigen Koalition – darin besteht der Unterschied zurHaushaltspolitik der vorigen Koalition – wie die Famili-enförderung, die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeitoder das Programm „Soziale Stadt“ und das Inno-Regio-Programm. Wir sehen diese neuen Akzente sehr wohl,die auch einmal von der rechten Seite dieses Hausesneidlos anerkannt werden könnten.
Der zweite Unterschied: CDU/CSU und F.D.P. habenplausible Vorschläge zur Haushaltskonsolidierung nichtgebracht. Wenn man ihre Anträge bilanziert, dannkommt man zu dem Schluß, daß sie zwar Absenkungs-anträge gestellt haben, die aber durch Erhöhungsanträgesozusagen wieder aufgefressen werden. Wenn Sie unse-re Entschließungsanträge vorurteilsfrei lesen, dann wer-den Sie erkennen, wo unsere Konsolidierungsvor-schläge liegen:Erstens. Wir haben einmal zusammengerechnet, wasdie jetzige Koalition noch bis in den Sommer 1998 hin-ein selbst an Kürzungen in ihren Anträgen gefordert hat.Wenn Sie die entsprechenden Zahlen addieren, dannkommen Sie auf einen Betrag von 8 Milliarden DM. Ichdenke, das wäre eine gemeinsame Verständigungsbasisgewesen.Zweitens. Wenn die Ausbildungsplatzumlagefinan-zierung eingeführt würde, worüber sich damals SPD,Bündnisgrüne und PDS eigentlich im Kern immer einigwaren, dann würde das den öffentlichen Haushalt um2 Milliarden DM entlasten. Dieses Geld könnte für an-dere Zwecke zur Verfügung stehen, oder man könntedamit die Neuverschuldung senken.
Drittens. Es gibt nach wie vor beeinflußbare Kostenbeim Umzug von Regierung und Parlament. Ich kannjetzt die Einzelheiten nicht darstellen. Ich kann aber sa-gen, daß ein Einsparvolumen in zweistelliger Millionen-höhe garantiert möglich wäre.Viertens. Wenn Sie die Betriebsprüfungen und dieSteuerfahndung intensivieren würden, dann könnten wirMehreinnahmen erzielen, die wahrscheinlich in derGrößenordnung von 1 Milliarde DM liegen würden.Fünftens. Wenn wir eine befristete Vermögensabgabeerheben und die Erbschaftsteuer reformieren würden,dann stünden uns mehrstellige Milliardenbeträge zurFinanzierung der öffentlichen Ausgaben zur Verfügung.
Ich komme zum Schluß.
So häufig wie hier in den letzten Tagen von Regierungs-politikerinnen und von Regierungspolitikern, auch vomBundeskanzler, über soziale Gerechtigkeit, über dieBedeutung der Binnennachfrage und über Solidaritätgesprochen worden ist, ist dies in den vielen Monatenzuvor nicht geschehen. Ich möchte Ihnen, Herr Bundes-kanzler, sagen, daß meine Fraktion Ihnen großen Re-spekt dafür zollt, daß Sie sich für den Erhalt der Ar-beitsplätze bei dem Unternehmen Philipp Holzmanneingesetzt haben. Ihr Handeln macht doch deutlich, wiewichtig es ist, daß sich die Politik von der Wirtschaftnicht mehr an die Wand spielen läßt. Dafür braucht sieaber entsprechende Einnahmen, um die sie sich küm-mern muß.
Frau Kollegin Luft,
Sie haben Ihre Redezeit schon deutlich überschritten.
Ich sage zum Abschluß: Ich
bedanke mich ganz herzlich bei den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern des Haushaltsausschußsekretariates für
die faire Zusammenarbeit, die immer unabhängig von
der politischen Farbe der Abgeordneten funktioniert.
Jawohl, Herr Kollege Roth, irgendwie mögen wir uns
trotz aller Kontroversen im Haushaltsausschuß doch.
Frau Kollegin Luft!
Dennoch mußte es keine
langen Nachtsitzungen geben, wofür ich mich auch
bedanke. Ich denke, das war auch ein wenig Ihr Ver-
dienst.
Danke schön.
Ich erteile demKollegen Peter Ramsauer, CDU/CSU-Fraktion, dasWort.Dr. Christa Luft
Metadaten/Kopzeile:
6822 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
Sehr geehrterHerr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wennman am Ende dieser Woche das Fazit dieser Haushalts-beratung zieht, muß man sagen – man kann es nicht oftgenug wiederholen –: Rotgrün kann es nicht, Rotgrünwird es nicht lernen. Der Haushalt, der in dieser Wochevorgelegt worden ist, ist kein Zukunftsprogramm für un-ser Land.
Der Herr Bundeskanzler und andere Vertreter dieserBundesregierung und Koalition haben oft genug zuge-geben, es seien viele sogenannte handwerkliche Fehlerpassiert. Aber wenn man diese Worte schon gebraucht –eigentlich ist die Bezeichnung „handwerkliche Fehler“eine totale Beschönigung dessen, was hier passiert ist,der Euphemismus des Jahres und eine Beleidigung fürdas ganze Handwerk –,
muß man schon unterscheiden und sagen: Auch wennim Handwerk Fehler passieren, stimmt dort wenigstensdie Richtung noch. Bei dieser Regierung, bei der rotgrü-nen Koalition, stimmt die ganze Richtung nicht. Das istder wesentliche Unterschied.
Ich habe einmal in den persönlichen Erklärungennachgelesen, die von Kolleginnen und Kollegen aus derSPD – Kollege Roth hat es auch schon angesprochen –vor 14 Tagen bei der Verabschiedung des Haushaltssa-nierungsgesetzes abgegeben worden sind. Hier heißt esbeispielsweise in einer Erklärung vom linken Flügel – esgeht von B wie Barthel bis W wie Wiesehügel, das reimtsich sogar
– das sind jetzt Ihre Worte, passen Sie gut auf –:Gleichwohl haben wir in einigen wesentlichenPunkten deutliche Kritik an der Strategie und denkonkreten Auswirkungen der hiermit beschlossenenKonzeption der Haushaltskonsolidierung.
Was heißt das? Das heißt nichts anderes, als daß dieRichtung nicht stimmt.Wenn man bei den Begriffen „handwerkliche Män-gel“ und „handwerkliche Fehler“ bleibt, muß man sa-gen: Solche Richtungsfehler würden in der freien Wirt-schaft und im Handwerk zur Streichung aus der Hand-werksrolle und zum Entzug des Meistertitels führen.
Ein Korrekturgesetz jagt das andere. Diese Bundesre-gierung ist nichts anderes als eine Nachbesserungsan-stalt. Der Haushalt 2000 ist nichts anderes als eineMogelpackung an der Schwelle zum nächsten Jahrtau-send.
– Lieber Kollege Schlauch, lesen Sie einmal nach, wasder Kollege Metzger zu dem einen oder anderen gesagthat. Eine herbere Kritik können Sie sich gar nicht vor-stellen.In der Einbringungsrede zu diesem Haushalt am 15.September 1999 hat der Bundesfinanzminister gesagt:Mit dem Haushalt 2000 haben wir das größte Kon-solidierungsvorhaben in der Geschichte der Bun-desrepublik Deutschland eingeleitet. Damit kannder Bundeshaushalt endlich wieder solide finanziertwerden – übrigens ohne Steuererhöhungen.„Übrigens ohne Steuererhöhungen“: Das glatte Ge-genteil ist der Fall.
Auf vielfältigste Weise wird hier verkappt und ver-steckt und dem Bürger in die Tasche gegriffen, angefan-gen bei der versteckten Fast-Verdoppelung bei den Ab-schreibungen, was den Menschen ungeheuer weh tut –es gibt kaum eine schlimmere Investitionsbremse –, bishin – jetzt am aktuellsten – zur Ökosteuer. Da satteln Siedrauf.
Sie satteln überall drauf und kalkulieren bis zum Jahre2003 mit einem Anstieg der jährlichen Bundesausgabenum fast 50 Milliarden DM.Unter Bundesfinanzminister Theo Waigel hat es soetwas nicht gegeben. Unter ihm sind die Ausgaben zwi-schen 1993 und 1998 praktisch unverändert geblieben.Das ist die nackte Wahrheit der Zahlen.
Meine Damen und Herren, das einzige, worum Siesich aus der Regierungskoalition bemühen, ist, die La-fontainsche Hinterlassenschaft, die 30 Milliarden DMLafontainscher Erblast abzutragen. Leider sparen Siedabei wirklich ohne Sinn und Verstand
durch das Verschieben von Lasten auf Länder und Ge-meinden und durch das Kürzen von Investitionen.
Lafontaine hat sich aus dem Staub gemacht, als er ge-merkt hat, daß er mit dieser Verteilungspolitik den Kar-ren in Deutschland an die Wand fährt.Ich habe wirklich kein Mitleid mit Bundesfinanz-minister Eichel; in der Tat nicht. Aber eines gesteheich ihm zu: Er muß die Suppe auslöffeln, die Herr La-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6823
(C)
(D)
fontaine in den 135 Tagen seiner Amtszeit hinterlassenhat.
Deswegen gibt es keine schwarzgelbe Erblast. Es gibtkeine CDU/CSU-F.D.P.-Erblast.
Es gibt nur eine Erblast aus den 135 Tagen der Amtszeitvon Herrn Lafontaine.
In diesen 135 Tagen hätten wir auch eine echte Steuerre-form mit einer Nettoentlastung in Höhe von etwa30 Milliarden DM durchführen können, die am 1. Januar2000 hätte in Kraft treten können.
Wir haben alle geglaubt, Sie hätten aus den Fehlernvon Lafontaine gelernt. Das Schlimme ist, Sie habennichts daraus gelernt. Einige Stichworte sind zum Bei-spiel die Wiedereinführung der Vermögensteuer, dieNeueinführung der Vermögensabgabe und die Erhöhungder Erbschaftsteuer. Das sind Stichworte für die Folter-und Marterinstrumente, die Sie sich neuerdings einfallenlassen.Momentan sprechen Sie – das muß man auch sagen –nur halbherzig darüber, weil der SPD-Parteitag bevor-steht. Ich erwarte – Herr Diller, Sie reden zum Abschlußin dieser Haushaltsdebatte nach mir – und wünsche mir,daß Sie die Dinge hier vor der deutschen Öffentlichkeitund vor dem deutschen Parlament klarstellen und daßSie die Menschen nicht aus Rücksicht auf Ihren SPD-Parteitag und die gute Stimmung, die Sie dort erzeugenwollen, im unklaren lassen. Eigentlich müßte der Kanz-ler ein Machtwort sprechen und deutlich machen, werdas Sagen hat: der Kanzler mit seiner Richtlinienkom-petenz oder der linke Parteiflügel mit Herrn Larcher undKonsorten.Meine Damen und Herren, genauso gefährlich wiediese Neidhammelpolitik sind auch die Einschnitte beiden Investitionen. Ich möchte dies deutlich machen: InMilliardenhöhe wird der Etat des Straßenbaus zusam-mengestrichen. Herr Bundeskanzler – er ist gerade nichtanwesend –, die Bauarbeiter werden es Ihnen „danken“.Allein daran zeigen sich die ganzen Widersprüchlich-keiten rotgrüner Politik. Sie sind auf der einen Seite fürsichere Arbeitsplätze in der Baubranche und in derAutomobilbranche. Auf der anderen Seite wollen Siekeine Straßen mehr bauen. Wie paßt dies zusammen?
Ich zitiere aus einer weiteren Erklärung von sozial-demokratischen Bundestagsabgeordneten von vor 14 Ta-gen.
Hier heißt es – ich zitiere –:Wenn Kürzungen die Substanz angreifen, wenn siekonjunkturdämpfend wirken und wichtige Investi-tionen verzögern oder verhindern,
werden sie kontraproduktiv.
Das heißt im Klartext – SPD-Abgeordnete trauen sichallerdings nicht, das so deutlich zu sagen –: Eichel istdie personifizierte Investitionsbremse in unserem Lande.
Vor diesem Hintergrund wirkt die Sanierung beiHolzmann, die sich der Kanzler auf die Fahnen schreibt,
als ein gut inszeniertes Medienereignis, als eine Polit-show dieses Kanzlers, obwohl ich diese Erfolge nichtschmälern möchte.Wichtiger als all dies ist: Deutschland braucht ein in-vestitionsfreundliches, ein wirtschaftsfreundliches Kli-ma für Betriebe, für Unternehmen und für Arbeitsplätze.Das wäre tausendmal besser als Staatszuschüsse in drei-stelliger Millionenhöhe, wenn alles schon in Flammensteht.
Sparen ja, aber an der richtigen Stelle und nicht amfalschen Ort. Seit Monaten versucht diese Bundesregie-rung, ihren wilden Sparhammer damit zu begründen,daß sie von uns eine Erblast in Höhe von1 500 Milliarden DM übernommen habe. Wahr ist:Wenn man sich die gesamte Substanz dieser Altschuldenansieht, stellt man fest, daß sie im wesentlichen, vomSockel her, eine Hinterlassenschaft aus 13 Jahren SPD-Regierung,
und zwar mit Zinseszinsen, und eine Folge des SED-Schuldenschutts nach der Wiedervereinigung sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der PDS,400 Milliarden DM Altschulden des SED-Regimesmußten übernommen werden. Wir können darauf stolzsein, daß es in dem jetzt ablaufenden Jahrzehnt – wennauch mit Opfern – gelungen ist, 600 Milliarden DM fürdie neuen Länder aufzubringen. Das war eine Zu-kunftsinvestition für unser ganzes Land, für unser Va-terland, und eine großartige Leistung der RegierungKohl/Waigel.
Es ist unredlich, unanständig und schlechthin falsch,diese Schulden der Regierung Kohl anzulasten. Wer hierden negativ besetzten Begriff der „Erblast“ benutzt, derhat in Wirklichkeit die deutsche Einheit nicht gewollt.Dr. Peter Ramsauer
Metadaten/Kopzeile:
6824 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
Zu diesen Leuten gehört Schröder genauso wie Lafon-taine.
Die Mitglieder der Regierung sind sich nicht grün,die Regierung ist zerstritten, und sie ist sich nur in demeinen Punkt einig, wie man dem kleinen Mann in dieTasche greift. Die Ökosteuer ist – ich greife es nocheinmal auf – das reinste Abkassiermodell. Wenn im Jahr2003 der Benzinpreis bei 2,10 DM oder 2,20 DM liegt –wir weisen schon heute darauf hin –, dann werden wirsagen: Es war rotgrüne Abzockerpolitik, die zu diesemhohen Spritpreis geführt hat.
Das Ganze ist in mehrfacher Hinsicht ein totalerFehlgriff.Aus den Einnahmen aus der Ökosteuer Geld in dieSozialversicherungssysteme, in die Rentenversicherung,zu stecken ist ein schlimmer Systemfehler, liebe Kolle-ginnen und Kollegen von der Bundesregierung. Dennwir können die Sozialsysteme nicht dadurch sanieren,daß wir in sie immer wieder frisches Geld hineinpum-pen. Es war ein schlimmer Fehler von Ihnen, die sozial-politischen Reformen unserer letzten Regierung zurück-zunehmen.
Man macht die Sozialsysteme in Deutschland nichtdurch die Verweigerung von Reformen fit. Man machtsie nicht fit, indem man in sie immer wieder frischesGeld hineinpumpt. Wenn das frische Geld verpufft ist,dann lassen Sie sich neue Instrumente einfallen, um denMenschen das Geld aus der Tasche zu ziehen und damitdie Lücken in der Sozialversicherung zu schließen.
Im übrigen hat es geheißen, Sie wollten mit den Ein-nahmen aus der Ökosteuer die Beiträge zur Rentenversi-cherung senken. Jetzt heißt es, nur 70 Prozent dieserEinnahmen sollen dazu dienen. In Wirklichkeit fließen4,4 Milliarden DM in den Bundesetat. Damit stopfen Siedie von Lafontaine angerichteten Etatlöcher, die Eicheljetzt zu reparieren versucht.
Ich möchte noch etwas zu den Renten sagen. Am17. Februar 1999 hat der Bundeskanzler gesagt:Ich stehe dafür, daß die Renten in Zukunft so starksteigen wie die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer.Vier Monate später war das alles Schall und Rauch, undes hat geheißen, es gebe nur eine Inflationsanpassung,weil die Rentenkassen sonst zu leer würden. Es warschon der Gipfel der Geschmacklosigkeit,
als sich am letzten Mittwoch der SPD-Frak-tionsvorsitzende bei den Rentnern noch dafür bedankthat, daß sie für dieses Raubrittertum Verständnis hätten.Spätestens als er das Mittwoch früh gesagt hat, hat dasWort „Morgengrauen“ für mich eine ganz neue Bedeu-tung bekommen.
Was sollen die Rentner tun?
Die Rentner sind jetzt bei Ihnen im Schwitzkasten. Ichgehe davon aus, daß die Menschen Sie bei den nächstenWahlen spüren lassen, was sie davon halten. Bei Ver-sammlungen im ganzen Land zwischen Berchtesgadenund Lübeck bekommt man zu hören: Niemand will esmehr gewesen sein, der Sie am 27. September 1998 ge-wählt hat – schon damals nicht und auch heute nicht.
Wer hat sich denn in aller Öffentlichkeit in der Sendungvon Frau Christiansen entschuldigen müssen? Es warder Bundeskanzler persönlich.
Wer glaubt, daß durch die „Rente mit 60“ die renten-politischen, die sozialpolitischen und die arbeitsmarkt-politischen Probleme in unserem Land gelöst werdenkönnten, der ist nicht nur falsch „gezwickelt“, wieMichael Glos es genannt hat, sondern er ist auch falsch„geriestert“ und „geschrödert“. Das alles kommt zu-sammen; denn es gibt nicht nur einen, sondern inzwi-schen drei oder mehr Täter.
Leidtragende dieser gesamten Politik sind die Arbeit-suchenden, die Steuerzahler und die Unternehmen in un-serem Land, die die Zeche dieses rotgrünen Gewürgesbezahlen.Tatsächlich braucht Deutschland zur Jahrtausend-wende, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, mehr denn jeeine Politik, die uns für die Zukunft fit macht.
Genau dies haben die Menschen von der neuen Regie-rung erwartet. Deswegen sind Sie auch gewählt worden.Aber die Menschen sind tief enttäuscht worden. Deswe-gen steht jetzt niemand mehr zu Ihnen.Wir brauchen eine Steuerreform, die diesen Namenauch verdient und mit der nicht wie mit der Ökosteuerdraufgesattelt wird. Wir brauchen eine Politik für mehrWachstum und Investitionen statt Arbeitsplatzhemmnis-se und Jobkiller wie das 630-Mark-Gesetz.Wir brauchen eine nachhaltige Rentenreform, die dieRenten der jetzigen Bezieher sichert und die Solidaritätder Beitragszahler, vor allem die der jüngeren, nichtüberfordert. Der schlimmste Fehler von Rotgrün war,daß die Reformen, die wir durchgeführt haben, zurück-genommen worden sind.
Dr. Peter Ramsauer
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6825
(C)
(D)
Dies bereuen Sie jetzt, weil Sie gemerkt haben, daß un-sere Richtung gestimmt hat. Mit dieser Reformverwei-gerungs- und Reformrücknahmepolitik haben Sie unse-rem Land ein Stück Zukunft genommen.
Herr Kollege Ram-
sauer, Ihre Redezeit ist überschritten.
Ich komme zum
Schluß, noch ein letzter Satz. – Der Bundeskanzler hat
nach der haushoch verlorenen Europawahl gesagt, er
habe die Menschen verstanden. Er hat sie nicht verstan-
den. Als Resümee dieser Haushaltswoche muß ich sa-
gen: Herr Bundeskanzler, Sie und Ihre Mannschaft er-
füllen die Ansprüche der Politik in Deutschland nicht.
Ihr erstes Regierungsjahr war ein verlorenes Jahr für un-
ser Land, ein verlorenes Jahr für die Arbeitslosen.
Deutschland und die Deutschen haben diese Regierung
nicht verdient.
Ich erteile das Wort
dem Parlamentarischen Staatssekretär Karl Diller.
K
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Da-men und Herren! Ich darf Sie alle ganz herzlich vonmeinem Bundesfinanzminister Hans Eichel grüßen.
Er läßt sich entschuldigen; denn er ist zur Zeit ver-pflichtet, im Bundesrat Rede und Antwort zum Haus-haltssanierungsgesetz zu stehen.Wenn ich die Debatte von Dienstag bis heute Revuepassieren lasse – wie Sie wissen, habe ich viele Stundenhier gesessen und intensiv zugehört –,
muß ich feststellen, daß es einige prägende Eindrückegibt. Der erste prägende Eindruck: Die Opposition indiesem Hause ist zu feige, zu ihrer katastrophalen finan-ziellen Erblast zu stehen.
Jetzt redet sie sich mit den Kosten der deutschen Einheitheraus. In der Tat: 1990 starteten Sie mit Schulden inHöhe von 94 Milliarden DM. Diese stiegen bis 1998 aufrund 450 Milliarden DM an. Sie bezeichneten das allesals „Sondervermögen“. In Wirklichkeit war es eine An-sammlung von Schulden. Wenn ich dieses „Sonderver-mögen“ abrechne, dann muß ich feststellen, daß Sie in-nerhalb von 16 Jahren aus 308 Milliarden DM Schulden,aus der Ära Helmut Schmidt, über 900 Milliarden DMSchulden gemacht haben. Sie haben die Schulden desBundes – reine Finanzschulden, ohne die Schulden, diefür die deutsche Einheit gemacht wurden – verdreifacht.Deswegen bleibt das, was ich früher zu Ihnen gesagt ha-be, auch richtig: Sie sind der größte Schuldenmacheraller Zeiten.
Die bittere Folge dieser Entwicklung ist: 1982 reichtenoch jede achte D-Mark, die wir vom Bürger einnehmendurften, aus, um die Zinsen zu zahlen. Am Ende IhrerRegierungszeit müssen wir jede vierte D-Mark, die wiran Steuern einnehmen, für das Zahlen der Zinsen ausge-ben. Darin ist keine müde Mark für Tilgung enthalten.Deswegen gilt auch für den Bund das, was das Bundes-verfassungsgericht bezüglich Saarland und Bremen fest-stellte: Sie haben die Finanzen des Bundes in eine ex-treme Haushaltsnotlage hineinmanövriert;
denn auch diese Bundesländer mußten ein Viertel ihrerSteuereinnahmen für das Zahlen der Zinsen aufbringen.Zweiter prägender Eindruck: Die Opposition ist sichüberhaupt nicht klar darüber, ob kaum oder ob viel zuviel gespart wird. Wenn man Austermann folgt, dannwerden aus 30 Milliarden DM plötzlich nur noch7,5 Milliarden DM. Wenn man aber die vielen Einzel-planberatungen verfolgt, dann stellt man fest: Bei jedemEinzelplan wird gesagt: Da dürft ihr nicht sparen, unddort dürft ihr nicht sparen. Da müßt ihr mehr ausgeben.– Das heißt, die ganze Richtung stimmt nicht bei derOpposition.
Der dritte Eindruck ist folgender: Diese Oppositionhat nach wie vor nichts übrig für das Schicksal von ar-beitslosen Jugendlichen und arbeitslosen Erwachsenen.
Deswegen stellt sie erneut den Antrag, den Zuschuß andie Bundesanstalt für Arbeit in Höhe von 7,8 Milliar-den DM restlos zu streichen.
Dies bedeutet für über 100 000 junge Menschen Hoff-nungslosigkeit hinsichtlich des Einstiegs in das Berufs-leben. Das bedeutet für die Erwachsenen, daß sie keineHoffnung haben dürfen, durch Fortbildung und Um-schulung eine neue Chance für eine Erwerbstätigkeit zubekommen.
Deswegen bin ich den Koalitionsfraktionen dankbar, daßsie diesen unsäglichen Antrag mit Entschiedenheit zu-rückgewiesen haben.
Dr. Peter Ramsauer
Metadaten/Kopzeile:
6826 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
Der vierte bleibende Eindruck von dieser Oppositionist folgender: Sie ist in einer so verzweifelten Situation,
daß sie Zahlen fälscht und Zusammenhänge herstellt,indem sie Äpfel mit Birnen vergleicht, und einen Popanzaufbaut, um endlich angreifen zu können. Wer so mit-einander umgeht, der muß noch viel lernen in der Oppo-sitionszeit. Deswegen wünsche ich Ihnen eine ganz lan-ge Oppositionszeit.
Berüchtigt in diesem Zusammenhang ist der KollegeAustermann inzwischen nicht nur im Haushaltsaus-schuß, sondern auch im Plenum des Deutschen Bundes-tages und bei der Presse.
Zur Ökosteuer stellt er hier Behauptungen auf. Das tutaber nicht nur er, sondern auch der Kollege Koppelinund der Kollege Ramsauer; ihm sehe ich es nach, weil eres vielleicht nicht besser wissen kann.
Die Ökosteuer will ich hier einmal klar auflisten. In1999 nehmen wir 8,4 Milliarden DM ein und geben8,8 Milliarden DM an die Rentenkasse. Wir geben indiesem Jahr damit mehr an die Rentenkasse, als wir überdie Ökosteuer überhaupt einnehmen. Das ist die Wahr-heit. Im nächsten Jahr und in den darauffolgenden Jah-ren ist dieses Geben und Nehmen ausgewogen, so daßwir über den gesamten Zeitraum von 1999 bis 2003 –das habe ich allen Mitgliedern des Haushaltsausschussesschriftlich mitgeteilt – sogar 800 Millionen DM mehr andie Rentenkassen zahlen, als wir in diesen fünf Jahrenüber die Ökosteuer überhaupt einnehmen. Deswegen sa-ge ich Ihnen: Lassen Sie diese Lüge mit der Ökosteuer!
Dann gibt es einen neuen, der in den unedlen Wett-streit mit Austermann tritt. Das ist der Kollege Merz.Am Dienstag dieser Woche sagte Herr Merz – ich zitierewörtlich –:Sie– gemeint sind wir –geben über 7 Milliarden DM mehr für aktive Ar-beitsmarktpolitik, für eine zusätzliche Bewirt-schaftung des Arbeitsmarktes, aus. Gleichzeitig, imselben Zeitraum und im selben Bundeshaushalt,kürzen sie die Mittel für Investitionen um fast ge-nau diesen Betrag.
Herr Merz, das ist die glatte Unwahrheit.
Wenn Sie nur die Freundlichkeit hätten, einmal auf Seite53 des Finanzplans des Bundes nachzuschauen, der Ih-nen vorliegt, dann würden Sie, bezogen auf den Zeit-raum 1998 bis 2000, den Sie herangezogen haben, fest-stellen: 1998, also unter Ihrer Regierung, standen für In-vestitionen 57,1 Milliarden DM zur Verfügung. Im Jahre2000 geben wir 57,6 Milliarden DM aus. Mithin gebenwir 500 Millionen DM mehr aus, als es Ihre Regierungim Jahre 1998 getan hat.Lassen Sie es, mit unwahren Zahlen zu operieren!
Geradezu unverschämt, ja widerlich ist es, mit demSchicksal der Holzmänner zu spielen, indem Sie un-terstellen, wir würden die Bauinvestitionsmittel strei-chen. Der Kollege Wagner hat darauf zu Recht hinge-wiesen. Ich wiederhole, was Sie da gesagt haben:Wenn Sie im Bundeshaushalt die Mittel für Inve-stitionen einschließlich des Hoch- und Tiefbausnicht in dieser unverantwortlichen Weise zusam-menstreichen würden,– so der Kollege Merz am Dienstag –dann gäbe es möglicherweise morgen noch diePhilipp Holzmann AG …
Meine Damen und Herren, ich weise darauf hin: DieMittel für Bauinvestitionen sind seit 1998 – das war zuIhrer Regierungszeit – von 11,2 Milliarden DM um400 Millionen DM auf 11,6 Milliarden DM im Jahr2000 gestiegen. Wir haben nicht gekürzt, wir legen so-gar drauf. Es ist deswegen erbärmlich, was sich der HerrMerz hier leistet.
Jetzt kommt der Gipfel, die Äußerungen des HerrnRamsauer. Sie, Herr Ramsauer, behaupten, wir würdeneinsammeln, was Oskar Lafontaine ausgegeben habe.Herr Ramsauer, Sie sollten sich für solche Behauptun-gen zu gut sein. Wissen Sie denn nicht, warum derHaushalt 1999 gegenüber dem Haushalt 1998 um28 Milliarden DM gestiegen ist?
Ist es Ihnen unbekannt, daß wir Ihre Schattenhaushalte,
nämlich das Defizit der Postunterstützungskassen inHöhe von 9 Milliarden DM, auf der Einnahmen- undAusgabenseite in den Bundeshaushalt einstellten unddaß die Einnahmen aus der erhöhten Mehrwertsteuer– das wurde ja von Ihnen mit unserer Zustimmung be-schlossen – nicht wie 1998 nur ein Dreivierteljahr, son-dern 1999 ein ganzes Jahr im Haushalt zu Buche schlu-gen? Hinzu kommen die Einnahmen aus der Ökosteu-er, die in den letzten drei Quartalen des Jahres 1999 zuBuche schlagen und von uns an die Rentenkassen wei-Parl. Staatssekretär Karl Diller
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6827
(C)
(D)
tergeleitet werden. Die letzten beiden Einnahmequellenmachen zusammen 15 Milliarden DM aus; zusammenmit den 9 Milliarden DM aus der erstmaligen Etatisie-rung der Zahlungen an die Postunterstützungskassen er-gibt das schon 24 der 28 Milliarden DM. Im Haus-halt 2000 wird nichts eingesammelt, sondern diese An-sätze sind wie schon 1999 weiter Bestandteil des Haus-haltes. Hören Sie auf, so erbärmlich mit der Wahrheitumzugehen!
Verlassen wir jetzt das Thema Opposition, und wen-den wir uns den Medien zu. Vor einem halben Jahr hatmein Minister erstmals gegenüber den Fachministerienund der Öffentlichkeit die Notwendigkeit dargestellt,30 Milliarden DM im Bundeshaushalt 2000 zu sparen.
Gerhard Hennemann von der „Süddeutschen Zeitung“hat dieses im Mai wie folgt kommentiert – hören Siebitte einmal zu, was er gesagt hat! –:Mutig, wie er sich seit seiner Amtsübernahme prä-sentiert, will Bundesfinanzminister Hans Eichel so-gar die tiefste Schnittstufe einstellen und30 Milliarden DM an Ausgaben einfach wegneh-men.
Unvorstellbar für diejenigen, die Jahre lang verfolgthaben, wie schwer es einem Theo Waigel gefallenist, auch nur einen Bruchteil dieser Mammutkür-zungen zu realisieren. Sollte es dem neuen BonnerKassenwart dennoch gelingen, auch nur ein Drittelseiner Zielgröße zu erreichen, wäre das ein riesigerErfolg.
Meine Damen und Herren, wir freuen uns heute, daß wirdiesen riesigen Erfolg geschafft haben, ohne das in An-spruch zu nehmen, was Hennemann uns damals in seinerÜberschrift unterstellte: „Höhere Steuern sind abseh-bar“. Wir haben die Steuern zur Finanzierung des Bun-deshaushaltes nicht erhöht.
Ziel unseres Sparens ist, aus der Voodoo-Situationvon Theo Waigel herauszukommen. Zu Ihrer Erinne-rung: Die Aufnahme von 78 Milliarden DM Schuldenim Jahre 1996 war verfassungswidrig. So viele Schul-den wie Sie damals aufgenommen haben, hat man früherin einer ganzen Wahlperiode gemacht. Sie haben 1996gegen die Verfassung verstoßen. Deswegen sind wir1997 vor das Verfassungsgericht gezogen. 1997 tratTheo Waigel dann hier auch den Gang nach Kanossa an.Er mußte den Bundestag händeringend bitten, die Stö-rung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes fest-zustellen, damit er höhere Kredite aufnehmen durfte, alses die Verfassung erlaubt. Im Jahr 1998 hat er sein Le-benswerk gekrönt: Er hat Bundesvermögen im Wertevon 20 Milliarden DM – das war der Gipfel – verkauft,um die Haushaltslöcher zu stopfen. Er hat auf einenSchlag so viel Bundesvermögen verkauft, wie früher in20 Jahren verkauft wurde.
Aus dieser Voodoo-Situation werden wir mit dem 99erHaushalt und mit dem 2000er Haushalt herauskommen.
Insoweit sind wir froh und dankbar, daß der Haushaltfür das Jahr 2000 und die mittelfristige Finanzplanungdazu dienen werden, die Kaufkraft der Arbeitnehmerin-nen und Arbeitnehmer sowie der Familien zu stärkenund damit Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaf-fen. Erneut werden wir im nächsten Jahr die Steuernsenken. Erneut werden wir im nächsten Jahr das Kinder-geld anheben. Erneut werden wir die neuen Bundeslän-der in einem gewaltigen Umfang fördern. Wir werdendie Investitionen in Bildung, Forschung und Hochschul-bau gegenüber diesem Jahr nochmals steigern. Wir wer-den für die aktive Arbeitsmarktpolitik genügend Mittelbereitstellen. Wir werden die Investitionen auf hohemNiveau halten können. Wir werden das 1-Milliarde-DM-Solardachprogramm fortführen können. Wir werden fürdie soziale Sicherung im nächsten Jahr 15 MilliardenDM mehr ausgeben, als Sie es im letzten Jahr Ihrer Re-gierungszeit taten. Das ist ein gigantischer Erfolg, überden wir uns alle freuen können.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang, meineDamen und Herren, darauf hinweisen, daß wir in dermittelfristigen Finanzplanung auch Vorsorge dafür ge-troffen haben, im Jahr 2001 das Wohngeld, das Sie seit1990 nicht mehr erhöht hatten, endlich zugunsten derBeschäftigten und der Rentnerinnen und Rentner in die-sem Lande drastisch erhöhen zu können. Auch werdenwir die Steuern für die Unternehmen in einer sehr be-achtlichen Größenordnung senken können, nämlich um8 000 Millionen DM in jedem Jahr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt nochetwas für haushaltspolitische Feinschmecker.
Die SPD-Fraktion ist unter meiner Führung als Haus-hälter
– Herr Vorsitzender, unter Scharpings Führung – 1997zu dem Schluß gekommen, gegen den verfassungswid-Parl. Staatssekretär Karl Diller
Metadaten/Kopzeile:
6828 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
rigen Haushaltsvollzug von Theo Waigel in Karlsruhezu klagen. Was die Haushälter zusammen mit der Bun-desregierung mittlerweile in den Haushaltsgesetzen1999 und 2000 verankert haben, ist genau das, wofür wirin Karlsruhe gekämpft haben. Wir haben jetzt eine deut-liche Eingrenzung dessen gesetzlich festgeschrieben,was mit Ausschöpfung von Rest-Kreditermächtigungenohne Haushaltsausschuß möglich ist. Ferner haben wirdeutliche Grenzen für das gezogen, was eine Bundesre-gierung bezüglich gesetzlicher Leistungen einfach mehrausgeben kann, ohne das Parlament überhaupt zu befra-gen. Nein, wir werden künftig den Haushaltsausschußbefragen und ihm dadurch die Chance geben, darüber zuentscheiden, ob es einen Nachtragshaushalt geben solloder nicht. Dies ist eine Stärkung des Parlaments. Wirfreuen uns, daß wir das gemeinsam hinbekommen ha-ben.
Zum Schluß möchte ich noch eine Bitte äußern, diesich an die Opposition richtet. Im Haushaltsausschußverstehen wir uns eigentlich immer ganz gut.
Damit wir uns auch in Zukunft ganz gut verstehen, bitteich Sie, in Ihrer Argumentation zur Wahrheit zurückzu-kehren. Mit der Wahrheit läßt sich trefflich argumentie-ren. Aber wenn eine Seite mit falschen, zusammenge-schusterten Zahlen und mit Äpfel-und-Birnen-Ver-gleichen operiert, dann kann man mit dieser Seite desHauses nicht diskutieren, weder im Haushaltsausschußnoch im Plenum.
Ich spreche der Koalition meinen Dank aus. Zunächstrichte ich ihn stellvertretend für alle Haushälter sowiefür die SPD-Fraktion an meinen Freund Hans GeorgWagner, dem ich zu seinem heutigen Geburtstag meinenherzlichen Glückwunsch ausspreche.
Ich bedanke mich auch bei Oswald Metzger, den Haus-hältern von Bündnis 90/Die Grünen und der FraktionBündnis 90/Die Grünen. Wir, die Haushälter, haben eineäußerst schwierige Operation konstruktiv, vertrauensvollund geräuschlos bewältigt. Es war eine Freude zusam-menzuarbeiten. Herzlichen Dank dafür.
Ich möchte dem Vorsitzenden des Haushaltsaus-schusses, Adolf Roth, und seinem Stellvertreter, Man-fred Hampel, für eine exzellente, zügige Sitzungsleitungdanken. Sie war souverän. Herzlichen Glückwunsch,lieber Adolf!
Ich danke dem Sekretariat des Haushaltausschusses,den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die dort hintensitzen, den Haushaltabteilungen von Bundeskanzleramtund allen Ministerien bis hin zum Bundesfinanzministe-rium sowie dem Bundesrechnungshof für die exzellenteZuarbeit.Meine Damen und Herren, das Parlament wird nach-her mit Ihrem Beschluß den Haushalt aus seinen Händenwieder in die Hände der Regierung legen. Wir bedankenuns für Ihre Zustimmung. Dieser Haushalt ist eine guteGrundlage für das Zukunftsprogramm 2000 der Bundes-regierung.
Zwei Kollegen der
CDU/CSU-Fraktion haben für eine Kurzintervention um
das Wort gebeten, und zwar der Kollege Merz und der
Kollege Austermann. – Herr Kollege Merz!
Herr Präsident! LiebeKolleginnen und Kollegen! Ich bin in zwei Debatten-beiträgen persönlich angesprochen worden. Ich erlaubemir, hierzu kurz Stellung zu nehmen.Erstens. Wir können ja verstehen, daß die Koalitions-fraktionen die Rettungsaktion des Herrn Bundeskanzlerszugunsten der Philipp Holzmann AG in dieser Wocheals ein besonderes Ereignis feiern
und die Freude hierüber auch in der Schlußberatung desBundeshaushalts zum Ausdruck bringen. Aber, meineDamen und Herren, vielleicht dürfen wir uns doch denHinweis erlauben, daß nicht der Bundeskanzler den Ver-such unternommen hat, Philipp Holzmann zu retten,sondern daß der deutsche Steuerzahler für dieses Unter-nehmen in Anspruch genommen wird,
und daß zum selben Zeitpunkt viele hundert mittelstän-dische Unternehmen in der Bundesrepublik Deutsch-land, die hier in Berlin niemand kennt, ganz sicher nichtdarauf rechnen können, in einer vergleichbaren Lageauch die Hilfe des deutschen Steuerzahlers in Anspruchnehmen zu können.
Zweitens haben Sie mehrfach kritisiert, daß wir unsdafür ausgesprochen haben, die erhöhten Mittel für diesogenannte aktive Arbeitsmarktpolitik zurückzufahren.Ich will noch einmal ausdrücklich festhalten: Der Bun-desfinanzminister schlägt dem Deutschen BundestagParl. Staatssekretär Karl Diller
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6829
(C)
(D)
vor, die Mittel für die aktive Beschäftigungspolitik um7 Milliarden DM gegenüber dem Jahr 1998 anzuheben,einem Jahr, bei dem Sie uns kritisiert haben, wir hättenaus rein wahlkampfbedingten Gründen die ABM-Mittelerhöht.
Sie schlagen jetzt noch einmal eine Erhöhung um7 Milliarden DM vor. Aber, meine Damen und Herren,wenn diese Mittel nicht gewährt würden, stünden füraktive Beschäftigungspolitik immer noch 38 MilliardenDM zur Verfügung. Es kann also niemand ernsthaft be-haupten, wir würden den Vorschlag machen, die ge-samte Beschäftigungspolitik auf Null zu fahren.
Dritter und letzter Punkt: die Investitionsmittel imBundeshaushalt. Meine Damen und Herren, ich habekritisiert und bestätige und wiederhole das an dieserStelle noch einmal, daß die investiven Mittel ausdem Bundeshaushalt des Jahres 1999 in Höhe von58,2 Milliarden DM bis zum Jahr 2003 kontinuierlich,Jahr für Jahr, auf schließlich 53,3 Milliarden DM zu-rückgeführt werden. Dies wird über eine Zeit von vielenJahren der niedrigste Anteil an investiven Ausgaben imBundeshaushalt sein, in jedem Jahr wird es einen niedri-geren Anteil an investiven Ausgaben im Bundeshaushaltgeben. Dies haben wir kritisiert. Dabei bleiben wir. Die-se Kritik ist berechtigt, meine Damen und Herren.
Nun hat der Kollege
Austermann das Wort.
Ich glaube, daß
es den Grundsätzen der Fairneß entspricht, sich die
eigenen Zahlen konkret vorhalten zu lassen, wenn
man anderen Leuten vorhält, daß die Zahlen, die
bekanntgegeben werden, mit der Realität nicht vereinbar
seien.
Es steht nach den Haushaltsberatungen im Ausschuß
und auch hier im Plenum fest, daß die Ausgaben des
Bundes im kommenden Jahr um 22 Milliarden DM über
den Ausgaben des letzten Jahres liegen. Es steht weiter
fest, daß die Mittel, die in den nächsten Jahren für die
Ökosteuer einkassiert werden, nur zu einem Drittel zur
Senkung des Beitrages für die Rentenversicherung ein-
gesetzt werden.
Das kann man ganz leicht nachvollziehen, wenn man
die Einnahmen aus der Ökosteuer und der Mehrwertsteu-
er auf der einen Seite und die Senkung des Rentenbeitra-
ges auf der anderen Seite gegenüberstellt: Bis zum Jahr
2003 wird der Rentenbeitrag um 0,9 bis maximal
1 Prozentpunkt gesenkt, während etwa 35 Milliarden DM
plus Mehrwertsteuer kassiert werden.
Es handelt sich bei der Ökosteuer also um eine Ökozok-
kerei. Dies muß ganz klar festgestellt werden.
Zweitens zur Jugendarbeitslosigkeit. Im Haushalt
der Bundesanstalt für Arbeit stehen 2 Milliarden DM da-
für bereit. Das Ganze wird unter anderem abgedeckt
durch 600 Millionen DM Einnahmen aus der EU. Hier
den Eindruck zu vermitteln, es gäbe dieses Programm
nicht mehr, wenn der Bundeszuschuß auf Null gefahren
würde, ist irreführend und falsch.
Aus unserer Sicht ist nach dieser Woche als Ergebnis
festzustellen: Das Jahr 1999 war ein verlorenes Jahr für
die Arbeitslosen.
Das Jahr 2000 geht in die gleiche Richtung: weniger In-
vestitionen und mehr Konsum. Das ist die falsche Rich-
tung, und deswegen lehnen wir den Haushalt ab.
Zu einer Kurzinter-
vention hat sich auch der Kollege Joachim Poß gemel-
det. Ich mache aber darauf aufmerksam, daß Sie nur auf
den Staatssekretär antworten können, nicht aber auf die
erfolgten Kurzinterventionen.
Vielen Dank für diesen Hin-weis, Herr Präsident. Genau das wollte ich machen. Ichwollte mit dieser Kurzintervention deutlich machen, daßHerr Diller mit seinen Aussagen, die sich auf HerrnMerz und auf Herrn Austermann bezogen haben, voll-kommen recht hat, Herr Präsident.
Ich glaube, daß es die Regeln des politischen Anstan-des verletzt, wenn in der Situation, in der sich Holzmannund viele Hunderte und Tausende mittelständische Un-ternehmen befanden, Herr Kollege Merz in der Debatteden Eindruck erweckt hat, daß zurückgeführte Bundes-mittel für Bauausgaben das Schicksal der „Holzmänner“herbeigeführt hätten. Das ist der Kontext, den Sie hier inschlimmer Weise hergestellt haben!
Damit haben Sie das, was in der politischen Auseinan-dersetzung zulässig sein sollte, weit überschritten.
Friedrich Merz
Metadaten/Kopzeile:
6830 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
Von daher stelle ich noch einmal fest: Die Ist-Mittelfür die Bauinvestitionen des Bundes betragen, im Jahre1998 11,22 Milliarden DM; Soll 1999: 11,55 MilliardenDM, Soll 2000: 11,59 Milliarden DM. Die Mittel wer-den also aufgestockt und nicht zurückgefahren, im Ge-gensatz zu dem Eindruck, den Sie hier zu erwecken ver-suchen.
Deswegen, Herr Merz, müssen Sie sich zukünftig ge-fallen lassen, daß solche taktischen Spielchen hier aufjeden Fall aufgeklärt werden. Sie treiben im Zusammen-hang mit der Arbeitslosigkeit und den Existenzängstenvon Tausenden von Bauarbeitern ein ganz schlimmesSpiel!
Nun hat das Wort
zur Erwiderung auf alle drei Kurzinterventionen der
Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller.
K
Herr Präsident! Zunächst zu Herrn Au-
stermann. Wir haben gegenüber allen Haushaltsaus-
schußmitgliedern offengelegt und dokumentiert, welche
Einnahmen des Bundes aus der Ökosteuer in den einzel-
nen Haushaltsjahren zu erwarten sind und welche Zu-
führungsbeträge der Bund an die Rentenkassen leistet.
Damit das ganze Haus es jetzt mitbekommt, werde ich
das im einzelnen verlesen: In 1999 kommt es zu Ein-
nahmen aus der Ökosteuer in Höhe von 8,4 Milliarden
DM und im Rahmen des Zuschusses an die Rentenkas-
se zu Ausgaben in Höhe von 8,8 Milliarden DM. Der
Bund gibt mehr.
In 2000 kommt es zu Einnahmen in Höhe von
17,4 Milliarden DM und zu Ausgaben in Höhe von
16,6 Milliarden DM. Der Bund gibt weniger; aber im
Saldo gleicht es sich aus. In 2001 kommt es zu Einnah-
men in Höhe von 22,8 Milliarden DM und zu Ausgaben
in Höhe von 23,1 Milliarden DM. Das heißt, wir geben
mehr aus, als wir einnehmen. In 2002 kommt es zu Ein-
nahmen in Höhe von 28,1 Milliarden DM und zu Aus-
gaben in Höhe von 28,5 Milliarden DM. Wir geben
mehr aus, als wir einnehmen. In 2003 kommt es zu Ein-
nahmen in Höhe von 33,5 Milliarden DM und zu Aus-
gaben in Höhe von 34 Milliarden DM. Wir geben mehr
aus, als wir einnehmen. – So viel zur Wahrheit.
Herr Austermann kennt das alles. Gleichwohl nennt er
wider besseres Wissen falsche Zahlen.
Nun zu Herrn Merz. Herr Merz, Sie hatten soeben die
einmalige Chance,
sich der Frankfurter Oberbürgermeisterin, Frau Roth –
das ist Ihre Parteifreundin –, und dem hessischen Mini-
sterpräsidenten, Herrn Koch, anzuschließen, die heute,
wenn ich es richtig mitverfolgt habe, den Bundeskanzler
für seinen Einsatz ausgesprochen gelobt haben.
Herr Merz, Sie haben eine zweite Chance ausge-
schlagen, nämlich die, sich hier dafür zu entschuldigen,
daß Sie sich in Ihrer Rede am Dienstag dieser Woche in
zwei zentralen Ausführungen versehen haben, falsch in-
formiert waren oder was auch immer.
Die von Ihnen genannten Zahlen stimmen nicht. Sie ha-
ben am Dienstag dieser Woche
– ich kann Ihre Ausführungen vorlesen; ich habe sie hier
– im Vergleich zum Jahre 1998 – das war das letzte Re-
gierungsjahr Ihrer Partei – dargestellt, welche Mittel wir
bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik drauflegen, und
zwar 7,75 Milliarden DM, und haben im gleichen Zu-
sammenhang behauptet, wir würden die Investitionen
im selben Zeitraum um fast den gleichen Betrag kürzen.
Das ist schlicht unwahr.
Kollege Poß hat soeben darauf hingewiesen, daß die
von Ihnen im Zusammenhang mit dem Schicksal der
Beschäftigten bei Holzmann getroffene Aussage, wir
würden die bauinvestiven Mittel kürzen, schlicht un-
wahr ist.
Deswegen sollten Sie jetzt aufstehen und sich ent-
schuldigen. Dann ist diese Sache vergessen.
Ich schließe dieAussprache.Wir kommen zur Schlußabstimmung über das Haus-haltsgesetz 2000, Drucksachen 14/1400, 14/1680 und14/1901 bis 14/1924. Die Koalitionsfraktionen verlan-gen namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführe-rinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzu-nehmen. – Sind alle Urnen besetzt? – Das ist der Fall.Ich eröffne die Abstimmung. –Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seineStimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht derFall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schrift-führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zubeginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnenspäter bekanntgegeben.*)*) Seite 6831 DJoachim Poß
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6831
(C)
(D)
Wir setzen die Beratungen fort und kommen zur Ab-stimmung über die Entschließungsanträge. Ich bitte dieKolleginnen und Kollegen, die den Beratungen folgenmöchten, wieder Platz zu nehmen.Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. aufDrucksache 14/2142. Wer stimmt für diesen Entschlie-ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen des Hau-ses gegen die Stimmen der F.D.P. abgelehnt.Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. aufDrucksache 14/2145. Wer stimmt für diesen Entschlie-ßungsantrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – DerEntschließungsantrag ist mit den Stimmen der SPD unddes Bündnisses 90/Die Grünen bei Enthaltung derCDU/CSU und der PDS gegen die Stimmen der F.D.P.abgelehnt.Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. aufDrucksache 14/2146. Wer stimmt für diesen Entschlie-ßungsantrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – DerEntschließungsantrag ist mit den Stimmen der SPD unddes Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen derOpposition abgelehnt.Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. aufDrucksache 14/2147. Wer stimmt für diesen Entschlie-ßungsantrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – DieserEntschließungsantrag ist mit den Stimmen der SPD unddes Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen derOpposition abgelehnt.Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. aufDrucksache 14/2148. Der Kollege Gerhard Rübenkönigmöchte hierzu eine persönliche Erklärung nach § 31 un-serer Geschäftsordnung abgeben. – Bitte schön.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Der Entschließungsantrag, der von
der F.D.P.-Fraktion vorgelegt wurde, ist in meinen Au-
gen doppelzüngig und heuchlerisch. Deshalb müssen wir
ihn ablehnen.
Herr Kollege Rü-
benkönig, Sie haben gesagt: Deshalb müssen wir ihn
ablehnen. Ich möchte Sie vorsorglich darauf hinweisen,
daß Sie sich zu einer persönlichen Erklärung gemeldet
und dazu das Wort erhalten haben. Bitte sprechen Sie
für Ihre Person!
Ich lehne den Ent-
schließungsantrag ab. Ich habe gestern abend in meinen
Ausführungen zum Einzelplan 12 klargemacht, wie sehr
sich die Bundesregierung momentan in den schwierigen
Verhandlungen einbringt, um dem Projekt Transrapid
zum Durchbruch zu verhelfen. Wir haben 6,1 Milliarden
DM im Haushaltsplan eingesetzt.
Ich komme jetzt auf die Begriffe „heuchlerisch“ und
doppelzüngig zurück. Sie haben gestern abend die Mittel
für den Transrapid abgelehnt und stellen heute morgen
einen Antrag, diese Regierung aufzufordern, sich einzu-
setzen.
Dies halte ich für heuchlerisch und doppelzüngig. Aus
diesem Grunde lehne ich diesen Antrag ab.
Ich stelle noch einmal fest, daß wir mit 6,1 Milliarden
DM diesem Zukunftsprojekt für den Industriestandort
Deutschland mit allen Mitteln zum Durchbruch verhel-
fen. Dieses wird auch die Bundesregierung tun.
Schönen Dank.
Dann kommen wir
zur Abstimmung. Wer stimmt für den Entschließungs-
antrag der F.D.P. auf Drucksache 14/2148? – Gegenpro-
be! – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist mit
den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und
PDS gegen die Stimmen der CDU/CSU und F.D.P. ab-
gelehnt.
Entschließungsantrag der Fraktion der PDS auf
Drucksache 14/2154. Wer stimmt für diesen Entschlie-
ßungsantrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der
Entschließungsantrag ist mit den Stimmen des Hauses
gegen die Stimmen der PDS abgelehnt.
Entschließungsantrag der Fraktion der PDS auf
Drucksache 14/2186 . Wer stimmt für diesen Ent-
schließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Der Entschließungsantrag ist mit dem glei-
chen Stimmenergebnis abgelehnt.
Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen
Schlußabstimmung unterbreche ich die Sitzung.
Die unterbrocheneSitzung ist wieder eröffnet.Ich gebe das von den Schriftführern und Schriftführe-rinnen ermittelte Ergebnis der namentlichen Schluß-abstimmung über das Haushaltsgesetz 2000 bekannt.Abgegebene Stimmen 606. Für das Haushaltsgesetz2000 haben gestimmt 321 Abgeordnete,
mit Nein haben gestimmt 283, Enthaltungen 2.Vizepräsident Rudolf Seiters
Metadaten/Kopzeile:
6832 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 606;davon:ja: 322nein: 282enthalten: 2JaSPDBrigitte AdlerGerd AndresIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldHermann BachmaierErnst BahrDoris BarnettDr. Hans-Peter BartelsEckhardt Barthel
Klaus Barthel
Ingrid Becker-InglauWolfgang BehrendtDr. Axel BergHans-Werner BertlFriedhelm Julius BeucherPetra BierwirthRudolf BindigLothar Binding
Kurt BodewigKlaus BrandnerAnni Brandt-ElsweierWilli BraseDr. Eberhard BrechtRainer Brinkmann
Bernhard Brinkmann
Hans-Günter BruckmannEdelgard BulmahnUrsula BurchardtDr. Michael BürschHans Büttner
Marion Caspers-MerkDr. Peter DanckertDr. Herta Däubler-GmelinChristel DeichmannKarl DillerPeter DreßenRudolf DreßlerDetlef DzembritzkiDieter DzewasDr. Peter EckardtSebastian EdathyLudwig EichMarga ElserPeter EndersGernot ErlerPetra ErnstbergerAnnette FaßeLothar Fischer
Gabriele FograscherIris FollakNorbert FormanskiRainer FornahlHans ForsterLilo Friedrich
Harald FrieseAnke Fuchs
Arne FuhrmannMonika GanseforthKonrad GilgesIris GleickeGünter GloserUwe GöllnerRenate GradistanacGünter Graf
Angelika Graf
Dieter GrasedieckMonika GriefahnAchim GroßmannWolfgang GrotthausKarl-Hermann Haack
Hans-Joachim HackerKlaus HagemannManfred HampelChristel HanewinckelAlfred HartenbachAnke HartnagelKlaus HasenfratzNina HauerReinhold HemkerFrank HempelRolf HempelmannDr. Barbara HendricksGustav HerzogMonika HeubaumReinhold Hiller
Stephan HilsbergGerd HöferJelena Hoffmann
Walter Hoffmann
Iris Hoffmann
Frank Hofmann
Ingrid HolzhüterChristel HummeLothar IbrüggerBarbara ImhofBrunhilde IrberGabriele IwersenRenate JägerJann-Peter JanssenIlse JanzDr. Uwe JensVolker Jung
Johannes KahrsUlrich KasparickSabine KaspereitSusanne KastnerHans-Peter KemperKlaus KirschnerMarianne KlappertSiegrun KlemmerHans-Ulrich KloseWalter KolbowFritz Rudolf KörperKarin KortmannAnette KrammeNicolette KresslVolker KröningAngelika Krüger-LeißnerHorst KubatschkaErnst KüchlerHelga Kühn-MengelUte KumpfKonrad KunickDr. Uwe KüsterChristine LambrechtBrigitte LangeChristian Lange
Detlev von LarcherChristine LehderWaltraud LehnKlaus LennartzDr. Elke LeonhardEckhart LeweringGötz-Peter Lohmann
Christa LörcherErika LotzDr. Christine LucygaDieter Maaß
Winfried ManteDirk ManzewskiTobias MarholdLothar MarkUlrike MascherChristoph MatschieHeide MattischeckMarkus MeckelUlrike MehlUlrike MertenAngelika MertensDr. Jürgen Meyer
Ursula MoggChristoph MoosbauerSiegmar MosdorfMichael Müller
Jutta Müller
Christian Müller
Franz MünteferingAndrea NahlesVolker Neumann
Gerhard Neumann
Dr. Edith NiehuisDr. Rolf NieseDietmar NietanGünter OesinghausLeyla OnurManfred OpelHolger OrtelAdolf OstertagKurt PalisAlbrecht PapenrothDr. Willfried PennerDr. Martin PfaffGeorg PfannensteinJohannes Andreas PflugDr. Eckhart PickJoachim PoßKarin Rehbock-ZureichMargot von RenesseRenate RennebachBernd ReuterDr. Edelbert RichterReinhold RobbeGudrun RoosRené RöspelDr. Ernst Dieter RossmannMichael Roth
Birgit Roth
Gerhard RübenkönigMarlene RupprechtThomas SauerDr. Hansjörg SchäferGudrun Schaich-WalchRudolf ScharpingBernd ScheelenDr. Hermann ScheerHorst SchildOtto SchilyDieter SchlotenHorst Schmidbauer
Ulla Schmidt
Silvia Schmidt
Dagmar Schmidt
Wilhelm Schmidt
Regina Schmidt-ZadelHeinz Schmitt
Carsten SchneiderDr. Emil SchnellWalter SchölerOlaf ScholzKarsten SchönfeldFritz SchösserOttmar SchreinerGerhard SchröderGisela SchröterDr. Mathias SchubertReinhard Schultz
Volkmar Schultz
Ilse SchumannEwald SchurerDr. R. Werner SchusterDietmar Schütz
Dr. Angelica Schwall-DürenErnst SchwanholdRolf SchwanitzBodo SeidenthalDr. Cornelie Sonntag-WolgastWieland SorgeWolfgang SpanierDr. Margrit SpielmannJörg-Otto SpillerDr. Ditmar StaffeltAntje-Marie SteenLudwig StieglerRolf StöckelRita Streb-HesseReinhold Strobl
Dr. Peter StruckJoachim StünkerJoachim TappeJörg TaussJella TeuchnerDr. Gerald ThalheimWolfgang ThierseFranz ThönnesUta Titze-StecherAdelheid TröscherHans-Eberhard UrbaniakRüdiger VeitSimone ViolkaUte Vogt
Hans Georg WagnerHedi WegenerDr. Konstanze WegnerWolfgang WeiermannReinhard Weis
Matthias WeisheitGunter WeißgerberGert Weisskirchen
Hans-Joachim WeltDr. Rainer WendVizepräsident Rudolf Seiters
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6833
(C)
(D)
Hildegard WesterLydia WestrichInge Wettig-DanielmeierDr. Margrit WetzelDr. Norbert WieczorekJürgen Wieczorek
Heidemarie Wieczorek-ZeulHeino Wiese
Klaus WiesehügelBrigitte Wimmer
Engelbert WistubaBarbara WittigDr. Wolfgang WodargVerena WohllebenHanna Wolf
Waltraud Wolff
Heidemarie WrightUta ZapfPeter ZumkleyBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENGila Altmann
Marieluise Beck
Angelika BeerMatthias BerningerEkin DeligözDr. Thea DückertFranziska Eichstädt-BohligDr. Uschi EidHans-Josef FellJoseph Fischer
Katrin Göring-EckardtRita GrießhaberWinfried HermannAntje HermenauKristin HeyneUlrike HöfkenMichaele HustedtDr. AngelikaKöster-LoßackSteffi LemkeDr. Helmut LippeltDr. Reinhard LoskeOswald MetzgerKlaus Wolfgang Müller
Kerstin Müller
Winfried NachtweiChrista NickelsCem ÖzdemirSimone ProbstClaudia Roth
Christine ScheelIrmingard Schewe-GerigkRezzo SchlauchAlbert Schmidt
Christian SimmertChristian SterzingHans-Christian StröbeleJürgen TrittinDr. Antje VollmerDr. Ludger VolmerSylvia VoßHelmut Wilhelm
Margareta Wolf
F.D.P.Paul K. FriedhoffNeinCDU/CSUUlrich AdamIlse AignerPeter AltmaierDietrich AustermannNorbert BarthleDr. Wolf BauerGünter BaumannBrigitte BaumeisterDr. Sabine Bergmann-PohlOtto BernhardtHans-Dirk BierlingRenate BlankPeter BleserDr. Norbert BlümFriedrich BohlDr. Maria BöhmerSylvia BonitzJochen BorchertWolfgang Börnsen
Wolfgang BosbachDr. Wolfgang BötschKlaus BrähmigDr. Ralf BrauksiepePaul BreuerMonika BrudlewskyGeorg BrunnhuberKlaus Bühler
Hartmut Büttner
Dankward BuwittCajus CaesarManfred Carstens
Peter H. Carstensen
Leo DautzenbergWolfgang DehnelHubert DeittertAlbert DeßRenate DiemersThomas DörflingerHansjürgen DossMarie-Luise DöttMaria EichhornRainer EppelmannAnke EymerIlse FalkDr. Hans Georg FaustAlbrecht FeibelUlf FinkIngrid Fischbach
Herbert FrankenhauserDr. Gerhard Friedrich
Dr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. FritzHans-Joachim FuchtelDr. Jürgen GehbNorbert GeisDr. Heiner GeißlerGeorg GirischMichael GlosDr. Reinhard GöhnerDr. Wolfgang GötzerKurt-Dieter GrillHermann GröheManfred GrundHorst Günther
Gottfried Haschke
Gerda HasselfeldtNorbert Hauser
Hansgeorg Hauser
Klaus-Jürgen HedrichUrsula HeinenManfred HeiseSiegfried HeliasHans Jochen HenkeErnst HinskenPeter HintzeKlaus HofbauerMartin HohmannKlaus HoletschekJosef HollerithDr. Karl-Heinz HornhuesSiegfried HornungJoachim HörsterHubert HüppeSusanne JaffkeGeorg JanovskyDr. Harald KahlBartholomäus KalbSteffen KampeterDr. Dietmar KansyManfred KantherIrmgard KarwatzkiVolker KauderEckart von KlaedenUlrich KlinkertManfred KolbeNorbert KönigshofenEva-Maria KorsHartmut KoschykThomas KossendeyRudolf KrausDr. Martina KrogmannDr.-Ing. Paul KrügerDr. Hermann KuesKarl LamersDr. Karl A. Lamers
Dr. Norbert LammertDr. Paul LaufsKarl-Josef LaumannVera LengsfeldWerner LensingPeter LetzgusUrsula LietzWalter Link
Eduard LintnerDr. Klaus Lippold
Dr. Manfred LischewskiWolfgang Lohmann
Dr. Michael LutherErich Maaß
Erwin MarschewskiDr. Martin Mayer
Wolfgang MeckelburgDr. Michael MeisterFriedrich MerzHans MichelbachMeinolf MichelsDr. Gerd MüllerBernward Müller
Elmar Müller
Bernd Neumann
Günter NookeFranz ObermeierFriedhelm OstEduard OswaldDr. Peter PaziorekAnton PfeiferDr. Friedbert PflügerBeatrix PhilippRonald PofallaMarlies PretzlaffDr. Bernd ProtznerThomas RachelHans RaidelDr. Peter RamsauerHelmut RauberPeter RauenChrista Reichard
Katherina ReicheErika ReinhardtHans-Peter RepnikKlaus RiegertFranz RomerHannelore Rönsch
Dr. Klaus RoseKurt RossmanithAdolf Roth
Norbert RöttgenDr. Christian RuckAnita SchäferHartmut SchauerteHeinz SchemkenKarl-Heinz ScherhagGerhard ScheuNorbert SchindlerDietmar SchleeDr.-Ing. Joachim Schmidt
Andreas Schmidt
Michael von SchmudeBirgit Schnieber-JastramDr. Andreas SchockenhoffDr. Rupert ScholzReinhard Freiherr vonSchorlemerClemens SchwalbeDr. Christian Schwarz-SchillingWilhelm-Josef SebastianHorst SeehoferHeinz SeiffertRudolf SeitersBernd SiebertWerner SiemannJohannes SinghammerBärbel SothmannWolfgang SteigerDr. Wolfgang Freiherr vonStettenVizepräsident Rudolf Seiters
Metadaten/Kopzeile:
6834 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
Dorothea Störr-RitterMax StraubingerMatthäus StreblThomas StroblMichael StübgenDr. Rita SüssmuthDr. Susanne TiemannEdeltraut TöpferDr. Hans-Peter UhlGunnar UldallArnold VaatzAngelika VolquartzAndrea VoßhoffDr. Theodor WaigelPeter Weiß
Gerald Weiß
Annette Widmann-MauzHeinz Wiese
Hans-Otto Wilhelm
Klaus-Peter WillschWilly Wimmer
Werner WittlichDagmar WöhrlAribert WolfElke WülfingPeter Kurt WürzbachWolfgang ZeitlmannWolfgang ZöllerF.D.P.Hildebrecht Braun
Ernst BurgbacherJörg van EssenGisela FrickHorst Friedrich
Rainer FunkeDr. Wolfgang GerhardtHans-Michael GoldmannJoachim Günther
Dr. Karlheinz GuttmacherKlaus HauptDr. Helmut HaussmannUlrich HeinrichWalter HircheBirgit HomburgerDr. Werner HoyerUlrich IrmerDr. Klaus KinkelDr. Heinrich L. KolbGudrun KoppJürgen KoppelinIna LenkeJürgen W. MöllemannDirk NiebelGünter Friedrich NoltingHans-Joachim Otto
Detlef ParrCornelia PieperDr. Edzard Schmidt-JortzigGerhard SchüßlerDr. Irmgard SchwaetzerMarita SehnDr. Hermann Otto SolmsDr. Max StadlerDr. Dieter ThomaeJürgen TürkDr. Guido WesterwellePDSMonika BaltDr. Dietmar BartschPetra BlässEva-Maria Bulling-SchröterRoland ClausHeidemarie EhlertDr. Heinrich FinkDr. Ruth FuchsWolfgang GehrckeDr. Klaus GrehnDr. Gregor GysiUwe HikschDr. Barbara HöllCarsten HübnerUlla JelpkeGerhard JüttemannDr. Evelyn KenzlerDr. Heidi Knake-WernerRolf KutzmutzHeidi LippmannUrsula LötzerDr. Christa LuftHeidemarie LüthAngela MarquardtKersten NaumannRosel NeuhäuserPetra PauDr. Uwe-Jens RösselChristina SchenkGustav-Adolf SchurDr. Ilja SeifertDr. Winfried WolfEnthaltenBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENAnnelie BuntenbachMonika KnocheDer Gesetzentwurf und damit das Haushaltsgesetz 2000ist angenommen.Ich rufe die Zusatzpunkte 4a und 4b auf: a) –Zweite und dritte Beratung des von der Bun-desregierung eingebrachten Entwurfs einesZweiten Gesetzes zur Verbesserung rehabi-litierungsrechtlicher Vorschriften für Opferder politischen Verfolgung in der ehemali-gen DDR– Drucksache 14/1805 –
– Zweite und dritte Beratung des von den Ab-geordneten Dr. Michael Luther, Dr. AngelaMerkel, Ulrich Adam, weiteren Abgeordnetenund der Fraktion der CDU/CSU eingebrach-ten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserungder beruflichen Rehabilitation der Opfer poli-
– Drucksache 14/1001 –
aa) Beschlußempfehlung und Bericht des Aus-schusses für die Angelegenheiten der neuenLänder
– Drucksachen 14/2188, 14/2204 –Berichterstattung:Abgeordnete Barbara WittigDr. Michael LutherHans-Christian StröbeleJürgen TürkPetra Pau bb) Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der Geschäftsordnung– Drucksache 14/2189 –Berichterstattung:Abgeordnete Carsten SchneiderHans Jochen HenkeMatthias BerningerDr. Werner HoyerUwe-Jens Rössel b) Beratung der Beschlußempfehlung und Berichtdes Ausschusses für die Angelegenheiten derneuen Länder zu dem Antragder Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIEGRÜNENVerbesserung der SED-Unrechtsbereinigungs-gesetze– Drucksachen 14/1165, 14/2188, 14/2204 –Berichterstattung:Abgeordnete Barbara WittigDr. Michael LutherHans-Christian StröbeleJürgen TürkPetra PauZum Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen einÄnderungsantrag der Fraktion der PDS sowie je ein Ent-schließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und derF.D.P. vor.Vizepräsident Rudolf Seiters
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6835
(C)
(D)
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und gebe für die SPD-Bundestagsfraktion der Kollegin Barbara Wittig dasWort.
Herr Präsident! Meine Da-men und Herren! Ich freue mich, daß wir heute mit derzweiten und dritten Lesung des Regierungsentwurfes zurNovellierung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetzeeinen wichtigen Schritt zur wirklichen Verbesserung re-habilitierungsrechtlicher Vorschriften für die Opfer derpolitischen Verfolgung in der ehemaligen DDR unter-nehmen.Die Rehabilitierung und Entschädigung der Men-schen, die in der DDR und zuvor in der SowjetischenBesatzungszone Opfer politischer Verfolgung gewordensind, ist eine Anerkennung des Leids der Verfolgtenund ihrer Widerstandsleistung. Die hier und heute zurDebatte stehenden Leistungen können nur Nachteileausgleichen; das erlittene Schicksal und das ihnen zuge-fügte Unrecht sind mit Geld sowieso nicht aufzuwiegen.Dies entspricht auch dem Geist der Ehrenerklärung desDeutschen Bundestages vom 17. Juni 1992, in der all je-nen tiefer Respekt und auch Dank bezeugt wird, diedurch ihr persönliches Opfer dazu beigetragen haben,daß nach über 40 Jahren das geteilte Deutschland inFreiheit wieder zusammengeführt werden konnte.Die bestehenden Gesetze der alten CDU/CSU-F.D.P.-Regierung hatten viele Lücken und Mängel. Erinnert seiin diesem Zusammenhang daran, daß im Mittelpunkt derKritik von Anfang an immer folgendes gestanden hat:zum einen die Höhe der Entschädigung für rechtsstaats-widrige politische Haft und die unterschiedlichen Ent-schädigungssätze, des weiteren die fehlenden Möglich-keiten für einen großen Teil der Hinterbliebenen derehemaligen politischen Häftlinge, insbesondere auch dernächsten Angehörigen der Todesopfer, Leistungen nachdem strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz in An-spruch zu nehmen, weiterhin Probleme bei der An-erkennung verfolgungsbedingter Gesundheitsschä-den.Auf all diese Mängel haben wir seit 1992 hingewie-sen, und wir haben entsprechende Verbesserrungen ge-fordert. Nichts ging mit Ihnen, meine Damen und Her-ren von der damaligen Regierungskoalition – leider! ImProtokoll der 97. Sitzung der 12. Wahlperiode des Deut-schen Bundestages finden sich interessante Aussagenaus der Debatte im Zusammenhang mit SED-Unrechtsbereinigung, wie zum Beispiel:Es ist nicht zu verantworten, die Verschuldung un-seres Staates zu Lasen künftiger Generationen zuerhöhen. Jede Entschädigungshöhe löst auch Fra-gen der Haushaltsgerechtigkeit aus.Oder:Liebe Fraktion der SPD, mit Blick auf die ange-spannte Lage der Staatsfinanzen und die finanziel-len Leistungen des Bundes für die neuen Länderwissen wir, daß wir nicht alle notwendigen Ausga-ben gleichzeitig finanzieren können.An dieser Stelle sei aber auch daran erinnert, daß sicham 17. Juni 1992 dennoch viele Abgeordnete der Frakti-on der CDU/CSU, darunter auch Dr. Angela Merkel undDr. Rita Süssmuth, einer Erklärung des AbgeordnetenHartmut Büttner anschlossen, in der klargestellt wird,daß die Unterzeichner eine monatliche Kapitalentschä-digung in Höhe von 600 DM für die Opfer rechtsstaats-widriger Strafverfolgungsmaßnahmen für angemessenhalten.Viele Jahre sind seitdem ins Land gegangen, ohnedaß von seiten der alten Bundesregierung den Forderun-gen der Opferverbände Rechnung getragen worden wä-re, ohne daß die alte Bundesregierung substantielleVerbesserrungen angestrebt hätte. Es ist der neuen Bun-desregierung und der sie tragenden Koalition zu ver-danken, daß bereits in der Koalitionsvereinbarung vomvergangenen Jahr festgeschrieben wurde, die Entschädi-gung und Rehabilitierung von DDR-Unrecht soweit wiemöglich zu verbessern und Härten zu beseitigen.
Das entspricht auch den Forderungen der zentralen Ver-bände. Der vorliegende Gesetzentwurf beseitigt endlichdiese Unzulänglichkeiten der bisher geltenden Gesetze.
Die Verbesserungen rehabilitierungsrechtlicher Vor-schriften betreffen im einzelnen: Es gibt eine einheitli-che Kapitalentschädigung von 600 DM. Eine Nachzah-lung an Berechtigte, die nach dem geltenden Recht be-reits Entschädigung erhalten haben, ist vorgesehen. DieHinterbliebenen der Todesopfer sollen von der Stiftungwiederholt Leistungen erhalten, ohne daß auf die wirt-schaftliche Situation abgestellt wird. Die Antragsfristenwerden um zwei Jahre verlängert. Der Stiftungsfondswird aufgestockt, um den aus den Gebieten jenseits vonOder und Neiße Zivildeportierten bzw. -interniertenUnterstützungsleistungen zu gewähren. Bei der Aner-kennung verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden solleine zentrale Überprüfung in den Fällen erfolgen, in de-nen eine Ablehnung des Antrages beabsichtigt ist. DieBundesregierung bittet in diesem Zusammenhang dieLänder, alle Ablehnungsfälle nochmals von Amts wegenzu überprüfen.
Die Länder haben dazu bereits Bereitschaft signalisiert.Das ist erfreulich. Die Bundesregierung wird außerdemEnde des Jahres 2000 einen Bericht zu dieser Problema-tik vorlegen.Fraktionsübergreifend waren wir uns auch darübereinig, einen Appell an die Länder zu richten, dafür Sorgezu tragen, daß im Wege der Anwendung der Härteklau-sel in § 88 Abs. 3 des Bundessozialhilfegesetzes der Be-zug von Sozialhilfeleistungen nicht vom Einsatz einesVizepräsident Rudolf Seiters
Metadaten/Kopzeile:
6836 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
aus der Kapitalentschädigung nach dem StrafrechtlichenRehabilitierungsgesetz gebildeten Vermögens abhängiggemacht wird.
Noch ein Wort zu den Finanzen. Unser Gesetzesvor-haben ist natürlich nicht kostenneutral. Die Mittel, diezur Finanzierung benötigt werden, sind im Haushalt2000 eingestellt und werden in der mittelfristigen Fi-nanzplanung berücksichtigt.Lassen Sie mich abschließend meine Freude darüberzum Ausdruck bringen, daß der federführende Ausschußfür die Angelegenheiten der neuen Länder die genanntenVerbesserungen rehabilitierungsrechtlicher Vorschriftenfür die Opfer der politischen Verfolgung in der ehemali-gen DDR einstimmig gebilligt hat.Ich danke Ihnen.
Für die CDU/CSU-
Fraktion spricht der Kollege Dr. Michael Luther.
Sehr geehrter HerrPräsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Vorzehn Jahren ist die Mauer gefallen. Aber auch vor zehnJahren ist die SED noch davon ausgegangen, daß derSozialismus auf dem Boden der DDR fortgesetzt werdenkann. Herr Krenz hat es zu diesem Zeitpunkt noch ge-glaubt.Die Menschen wollten damals einfach nur eines: Siewollten die DDR nicht mehr. Sie haben ihre Chance ge-nutzt. Die deutsche Einheit wurde herbeigeführt.
Für die allermeisten Menschen, aber insbesondere fürdie politisch Verfolgten, war das Ende des SED-Regimes eine Befreiung von Willkür und Unterdrük-kung.Dieses System hat politische Opfer hervorgebracht.Wir haben in der Vergangenheit versucht, diesen politi-schen Opfern zu helfen und auszugleichen. Ich erinnerean das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz von1992, an das Verwaltungsrechtliche und an das Be-rufliche Rehabilitierungsgesetz von 1994. Diese Ge-setze haben wir 1997 noch einmal verbessert.Aber es muß auch festgestellt werden: Auch zehnJahre nach dem Fall der Mauer ist es so, daß diejenigen,die politisch verfolgt worden sind, nach wie vor erhebli-che Nachteile erleiden müssen. Ich denke, deswegen istes gut, daß wir uns heute wieder mit diesem Thema be-schäftigen und daß wir versuchen, hier Verbesserungenzu erreichen.
Vor diesem Hintergrund begrüße ich diese Gesetzes-initiative ausdrücklich, die die Bundesregierung auf denWeg gebracht hat und eine Verbesserung der Kapitalent-schädigung für ehemalig politische Häftlinge bedeutet.Meine Damen und Herren, vielleicht darf ich aberauch einige kritische Bemerkungen an dieser Stelle ma-chen. Die SPD ist vor einem guten Jahr mit Wahlver-sprechen in die Wahlauseinandersetzung gezogen. Ichwill sie Ihnen vorlesen. Ich lese aus dem „Stacheldraht“,Ausgabe vom September/Oktober letzten Jahres, vor:Dabei werden vorrangig Veränderungen erfolgen:1. Erhöhung der Kapitalentschädigung auf einheit-lich 600,– DM …Das ist erfüllt.2. Die Einbeziehung der jenseits von Oder undNeiße Verschleppten in die Unrechtsbereinigungs-gesetzgebung.Nicht erfüllt.
3. Die leichter zu erlangende Anerkennung gesund-heitlicher Haftfolgeschäden durch Einbeziehungder Betroffenen in das Bundesentschädigungsge-setz.Nicht erfüllt.4. Die Vererbbarkeit der Kapitalentschädigung aufunmittelbar von der Haft mitbetroffene Ehegattenund Kinder.Nicht erfüllt. – Meine Damen und Herren, Sie haben esversprochen. Aber diese Versprechen haben Sie gebro-chen.
Den berechtigten Erwartungen der Opfer der SED-Diktatur trägt der Gesetzentwurf der Bundesregierungnicht in ausreichendem Maße Rechnung. Aus Sicht derBetroffenen hat sich nach dem Urteil des Bundesverfas-sungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Überfüh-rung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz-versorgungssystemen der DDR in die gesetzliche Ren-tenversicherung die rentenrechtliche Ungleichbehand-lung von Tätern und Opfern verstärkt.Nicht nur deshalb hat die CDU/CSU-Bundestags-fraktion am 17. Juni dieses Jahres einen Gesetzentwurfeingebracht, der einen Gedanken aufgreift, der nicht neuist. Er wurde bereits im Rahmen der letzten Änderungdes Gesetzes 1997 besprochen und hat seitdem seinenNiederschlag im § 8 Berufliches Rehabilitierungsgesetzin Form von Ausgleichsleistungen gefunden.Allerdings gab es damals bei dem Bezug dieser Lei-stungen eine Einkommensgrenze. Wir sind vor demHintergrund der aktuellen Diskussion der Meinung, daßdiese Einkommensgrenze fallen muß. Wir schlagen vor,daß jeder, der mindestens drei Jahre verfolgt wurde,monatlich 200 bis 300 DM mehr Ausgleichsleistungenbekommt. Faktisch ist dies eine Verfolgtenrente.
Barbara Wittig
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6837
(C)
(D)
Außerdem haben wir vorgeschlagen, das Problem derverfolgten Schüler endlich zu lösen. Das gelingt abernur, wenn man sie auf diese Art und Weise in die Aus-gleichsleistungen einbezieht.Diese beiden Anliegen hat auch der Bundesrat in sei-ner Stellungnahme zum Gesetzentwurf zum Ausdruckgebracht. Wir stehen also nicht allein da, sondern habenden Bundesrat auf unserer Seite. Sie haben die Aufnah-me einer Verfolgtenrente, so wie wir sie vorgeschlagenhaben, abgelehnt. Ich nehme daher an, daß Sie heute un-seren Gesetzentwurf ebenfalls ablehnen werden.Wir haben deshalb vorgeschlagen, daß wir im Laufedes nächsten Jahres erneut über dieses Thema reden.Wir bitten die Bundesregierung, bis zum 17. Juni desnächsten Jahres – ich denke, auch dieses Tages sollteweiterhin gedacht werden – einen Gesetzentwurf vor-zulegen, der diesem berechtigen Anliegen der Opfer,endlich eine Verfolgtenrente zu erhalten, Rechnungträgt.
Ich erwarte heute eine Erklärung – Frau Wittig, Siesind diese Erklärung bislang schuldig geblieben –, obSie akzeptieren, daß die Lebensbiographie auch heutenoch – daran ändert eine Verbesserung der Haftentschä-digung nichts – nachhaltig beeinträchtigt sein kann. Diebetroffenen Menschen konnten sich eben nicht qualifi-zieren. Sie leiden noch heute an gesundheitlichen undpsychischen Folgen. Wir haben mit dem Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz versucht, einen Ausgleichohne einzelgesetzliche Maßnahmen, wie das bisher derFall war, zu schaffen. Wir brauchen eine generelle Re-gelung, die nach meiner Meinung nur darin bestehenkann, eine Verfolgtenrente einzuführen. Ich stelle Ihnendaher die Frage, ob Sie bereit sind, darüber nachzuden-ken, über eine Verfolgtenrente zu diskutieren. Wir habeneinen Entschließungsantrag dazu eingebracht. StimmenSie diesem Antrag zu!
Ich möchte an dieser Stelle noch folgendes bemerken:Hören Sie auf, die Mär zu erzählen, der Vorschlag einerVerfolgtenrente sei neu! Er ist nicht neu. Bündnis90/Die Grünen haben bereits in der letzten Legislaturpe-riode vorgeschlagen, 500 DM Entschädigung pro Monatzu zahlen.
– Sie haben jetzt die Gelegenheit dazu; Bündnis 90/DieGrünen sind nämlich jetzt in der Regierungsverantwor-tung.
Dieser Gedanke hat – das hatte ich eben bereits erwähnt– in § 8 Berufliches Rehabilitierungsgesetz schon seinenNiederschlag gefunden.Lassen Sie mich noch auf einen zweiten wichtigenPunkt eingehen, nämlich auf das Thema Anerkennungvon gesundheitlichen Haftschäden. 1992 wurde imRahmen des Gesetzgebungsverfahrens die interessanteFrage gestellt: Wie kann man gesundheitliche Haft-schäden anerkennen? Wer sich das Gesetz von 1992heute durchliest, der kann feststellen, daß man sichwirklich bemüht hat, die Schwierigkeit zu erfassen undeine gesetzliche Regelung zu finden, die den Opfern tat-sächlich hilft.
Als wir bemerkt haben, daß diese Regelung nichtfunktioniert, haben wir in der letzten Legislaturperiodean die Länder appelliert, Gutachter zu schulen und zen-trale Gutachterausschüsse zu bilden, um dem ProblemRechnung zu tragen. Aber auch 1999 müssen wir fest-stellen: 95 Prozent der Anträge werden negativ beschie-den, weil der kausale Zusammenhang zwischen Haftund Gesundheitsschäden nur schwer nachweisbar ist.Deswegen kann ich die Aufregung bei den Opferver-bänden verstehen, die aus guten Gründen fragen: War-um schon wieder ein neuer Versuch, der nichts Neuesbringt?Wir müssen heute feststellen: Die geltende Gesetzes-lage ist nicht ausreichend. Ein Versuch, dem Phänomenauf untergesetzlichem Weg zu begegnen, ist gescheitert.Das muß man an dieser Stelle erklären. Die logischeFolge daraus ist: Ich brauche eine gesetzliche Änderung.Sie haben das im Ausschuß abgelehnt, aber ich gebeIhnen noch eine Frist.
Wir haben das im Ausschuß vereinbart. Wir erwarteneinen Bericht der Bundesregierung über die Auswirkun-gen der Bemühungen, ob sich dort eine Verbesserungeinstellt oder nicht. Wenn wir nach einem Jahr feststel-len, daß es wiederum keine Verbesserung gibt, müssenwir endlich zur Tat schreiten. Dann müssen wir an die-ser Stelle eine Gesetzesänderung erreichen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einpaar Bemerkungen zur Ausschußberatung selbst ma-chen.
Sie haben vor der Wahl angekündigt, das Gesetz zu no-vellieren und das Versprechen in der Regierungserklä-rung und am 17. Juni wiederholt. Das Gesetz ist erstsehr spät in den Deutschen Bundestag gelangt. Wir hat-ten in der letzten Woche eine Sondersitzung in Form ei-ner Anhörung und in dieser Woche eine Sondersitzung,um darüber zu beraten. Sie wollten die Anhörung nicht.Ich weiß auch, warum Sie die nicht wollten, nämlichweil Sie zwar mit einigen ausgewählten Opferverbändenvereinbart hatten, was im Gesetz geregelt werden kann,Dr. Michael Luther
Metadaten/Kopzeile:
6838 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
Sie aber natürlich nicht hören wollten, was die Mehrheitder Opferverbände davon hält.
Die Anhörung fand statt. Wer dabei war, weiß, daßIhr Gesetzentwurf an vielen Stellen sehr herb kritisiertworden ist.
Sie wollten die Kritik nicht hören. Im Gegenteil, Siewollten das Gesetz schnell fertigstellen. Deshalb fand indieser Haushaltswoche die abschließende Ausschußbe-ratung statt. Wenn ich mich recht erinnere, haben Siesich in der Ausschußberatung kaum zu dem Gesetz ge-äußert. Sie wollten überhaupt nicht über die Anhörungreden.
Damit haben Sie die Anhörung zu einer Farce gemacht,die berechtigten Anliegen der Opfer einfach ignoriert
und damit auch das Parlament und die Parlamentsrechtemißachtet.
– Herr Küster, Sie waren nicht dabei. Ich hätte Ihnenempfohlen, bei der Anhörung mit dabei zu sein. Siehätten viel dazulernen können.
Meine Damen und Herren, ich möchte an dieserStelle den Mitarbeitern des Ausschußsekretariats dan-ken, die kurzfristig Tag und Nacht die Beschlußvorlagenzusammenstellen mußten.
Meine letzte Bemerkung: Die CDU/CSU-Bundes-tagsfraktion hat sich immer gegen Diktatur und Willküreingesetzt. Sie hat sich für die politischen Opfer einge-setzt. Wir werden das auch in der Zukunft tun.Schönen Dank.
Für Bündnis 90/Die
Grünen spricht nun der Herr Kollege Hans-Christian
Ströbele.
Herr Kollege Luther, Sie müssen sich schon entschei-
den, ob Sie kritisieren wollen, daß die Regelung nicht
schnell genug gekommen ist, oder ob Sie kritisieren
wollen, daß wir im Ausschuß in dieser Woche gegen Ih-
re Bemühungen Widerstand geleistet haben, dieses Ge-
setz in diesem Jahr zu verhindern. Dann würde es näm-
lich nicht am 1. Januar 2000 in Kraft treten.
Dann hätten die Betroffenen warten müssen; das wollten
wir nicht.
Wir haben uns deshalb geduldig zweieinhalb Stunden
lang angehört, was Sie im Ausschuß immer wieder fili-
bustert haben. Wir sind froh, daß wir dieses Gesetz im
Ausschuß doch noch einstimmig beschließen konnten.
So sollten wir es auch heute im Deutschen Bundestag
halten.
Gestatten Sie, Herr
Kollege Ströbele, eine Zwischenfrage des Abgeordneten
Luther?
Lieber KollegeStröbele, geben Sie mir darin recht, daß wir das Gesetzauch in der nächsten Woche hätten abschließend beratenkönnen, da zu erwarten gewesen wäre, daß der Bundes-rat keine Fristeinrede geltend macht und er so in derBundesratssitzung am 17. Dezember dieses Jahres dasGesetz hätte verabschieden können, und darin, daß esnicht das erste Mal gewesen wäre – was gerade bei die-sem Gesetz immer wieder der Fall gewesen ist –, daßder Bundesrat hier mitgewirkt hätte?
ge. Das gerade ist ja zu kritisieren: daß die Leute, diedavon betroffen sind, schon lange darauf warten, daß esso lange gedauert hat, daß die Opfer und ihre Interes-senvertretungen gewartet haben. Es gab ja eine Anhö-rung dazu und eine ganze Reihe von Besprechungen,erst im Bundeskanzleramt, dann im Ausschuß. Dadurchist natürlich eine erhebliche Verzögerung eingetreten.Die Betroffenen wollen doch nur wissen: Können siedamit rechnen, daß sie die – wenn auch geringen – Be-träge bekommen, oder können sie nicht damit rechnen?Sollen sie jetzt auf den 17. Dezember warten? Auchdann können sie nicht wissen, ob das bis Weihnachtenüber die Bühne geht.
Dr. Michael Luther
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6839
(C)
(D)
– Sie durften doch im Ausschuß alles sagen und habendas doch auch umfassend genutzt.Das jetzt vorgelegte ist dabei herausgekommen. Ichdenke, dieser Gesetzentwurf kann sich sehen lassen.Die wesentlichen Versprechungen, die Bündnisgrüneund SPD vor der Wahl gemacht haben, sind hiermit ein-gelöst worden. Der entscheidende Punkt ist doch der,daß Sie es in den acht Jahren, in denen Sie das hättenanders regeln können und müssen, nicht fertiggebracht,zu sagen: Die Menschen, die in der SBZ oder der DDRaus politischen Gründen im Gefängnis gesessen haben,bekommen mindestens den gleichen Betrag als Aner-kennung – das kann ja keine Entschädigung für verlore-ne Jahre sein – wie derjenige, der in der BundesrepublikDeutschland zu Unrecht in Haft gewesen ist.Sie können das fast an Willi Stoph festmachen: Wenner Haftentschädigung für unschuldig erlittene Untersu-chungshaft in West-Berlin bekommt, dann kann er dochnicht bessergestellt werden als jemand, der jahrelang inBautzen gesessen hat.
Darum geht es: diese Ungerechtigkeit auszugleichen.Dafür sind wir angetreten. Das haben wir mit diesemGesetz hervorragend geleistet. Wir haben damit ein Ver-sprechen eingelöst.Wir haben uns auch in anderen Bereichen bemüht. Esgeht doch nicht darum, daß man nicht viel mehr hättetun können. Natürlich haben Sie recht – genauso wieVertreter der Verbände, die das kritisieren –, daß es vielUnrecht gibt, dessen Folgen noch heute andauern: Ge-sundheitsschäden, Schäden aus beruflicher Benachteili-gung, aus Benachteiligung an Schulen und Universitä-ten. Aber wir können das nicht alles ausgleichen. DieMaßnahmen, die wir jetzt auf den Weg gebracht haben,kosten etwa 400 Millionen DM. Angesichts der ange-spannten Haushaltslage können sich die Bundesregie-rung und die Koalition das ans Revers heften und sagen:Trotz dieser miserablen Haushaltslage haben wir unsbemüht, etwas zu tun, und haben wesentliche Schrittegetan.
Nun kommen Sie mit dem Vorschlag der Ehrenren-te. Herr Kollege, ich habe dagegen überhaupt nichts; dashabe ich ja auch im Ausschuß gesagt. Natürlich kannman weiter darüber nachdenken und darüber reden.Auch dagegen habe ich nichts. Aber ich habe etwas da-gegen, daß Sie, die ehemalige Koalition von CDU/CSUund F.D.P., die lange Zeit die Regierung gestellt hat,dies fordern. Sie hätten acht Jahre lang eine solche Eh-renrente einführen, die Mittel bereitstellen und sie aus-zahlen können. Insofern ist das jetzt gegenüber den Be-troffenen nicht fair.Wir betreiben hier ja ein Spiel: Sie haben früher dieRegierung gestellt, jetzt stellen wir die Regierung. Siewaren früher die Regierungskoalition, jetzt sind wir dieRegierungskoalition. – An diesem Punkt sollte man die-ses Spielchen nicht weitertreiben. Denn wenn man mitder Lage der Opfer spielt, wird das alles nicht nur unver-ständlich, sondern unerträglich. Sie wissen ganz genau:Das Ganze scheitert doch nicht daran, daß das die jetzi-ge Regierungskoalition nicht möchte, sondern es schei-tert an den Finanzen. Eine solche Ehrenrente, wenn mansie einführen würde, kostete pro Jahr wahrscheinlichweit über 1 Milliarde DM.
Dieses Geld ist im Augenblick nicht da.Man kann sicher weiter darüber diskutieren, weil einAusgleich von Schäden, die bisher nicht ausgeglichenwerden konnten, natürlich seine Berechtigung hat. Aberlassen Sie uns jetzt diesen Entwurf gemeinsam Gesetzwerden lassen! Lassen Sie uns dafür sorgen, daß dieBetroffenen endlich davon profitieren und daß diesesGesetz zum 1. Januar 2000 in Kraft tritt. Das wäre einrichtiges und wichtiges Signal dafür, daß diese Regie-rungskoalition die Botschaft verstanden hat, sich anVersprechen hält und auch in Zukunft weiter darübernachdenken wird, wie man Ungerechtigkeiten ausglei-chen kann.Ich jedenfalls vertraue auf die Zusagen der Länder,daß sie in allen Fällen, in denen bisher abgelehnt wordenist, gesundheitliche Schäden wiedergutzumachen, ihreEntscheidung überprüfen. Wir sollten die Länder beimWort nehmen. Diesbezüglich sollten wir im DeutschenBundestag zusammenstehen.
Davon haben die Betroffenen etwas. Die Betroffenenhaben nichts von blanker Polemik, wie Sie sie hier be-trieben haben. Ich hoffe, der Gesetzentwurf wird imPlenum des Bundestages einstimmig verabschiedet.
Herr Kollege Strö-
bele, Ihre Redezeit ist zwar abgelaufen, aber ich frage
Sie dennoch, ob Sie noch bereit sind, eine Frage des
Kollegen Nooke zu beantworten.
Herr Kollege Ströbele,ist Ihnen bekannt, daß das, was Sie jetzt gesagt haben –eine Ehrenpension bzw. eine Verfolgtenrente von weitüber 1 Milliarde DM –, der Zahl entspricht, die die Op-ferverbände – 1 400 DM pro Monat – genannt haben?Das war nicht unser Vorschlag. Wäre das nicht insbe-sondere dann gerechtfertigt – das ist die zweite Frage –,wenn Sie berücksichtigen, wieviel Nachzahlungen ausZusatz- und Sonderrentenversorgungssystemen lautBundesverfassungsgerichtsurteil vom April 1999 – auchüber 1 Milliarde DM – jährlich kosten werden? Ist Ihnenbekannt, daß es um Nachzahlungen in der Größenord-Hans-Christian Ströbele
Metadaten/Kopzeile:
6840 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
nung von 5 bis 10 Milliarden DM geht? Wie will dieKoalition erklären, daß Ihnen die Opfer soviel wenigerals die Täter und die Privilegierten des alten Systemswert sind?
überhaupt nicht. Wenn das Bundesverfassungsgerichtder Bundesregierung und dem Gesetzgeber Auflagenmacht, dann können wir uns dem nicht verschließen, so-fern wir Gewaltenteilung in diesem Lande ernst nehmen.Man kann nicht einfach sagen: Weil der Kollege Nookedas als ungerecht ansieht, lassen wir das. Wir sind viel-mehr an die Entscheidungen des Bundesverfassungsge-richts gebunden. So ist das nun einmal in einem Rechts-staat, in dem es eine Dreigliederung der Gewalten gibt.Die Jurisdiktion kann den anderen Gewalten Vorschrif-ten machen. Deshalb sind Bundestag und Bundesregie-rung an die Entscheidungen des Bundesverfassungsge-richts gebunden.Ungerechtigkeiten beseitigen Sie auch mit Ihrem Ge-setzentwurf nicht. Sie schaffen sogar neue. In Ihrem Ge-setzentwurf ziehen Sie eine Grenze bei drei Jahren. Esgibt überhaupt keinen einsehbaren Grund dafür, daßman beispielsweise Menschen, die zwei Jahre lang imGefängnis gesessen haben, von dieser Rente ausnehmensoll. Nennen Sie mir einen logischen Grund für dieseGrenze.Wir sind in diesem Bereich immer darauf angewie-sen, Signale zu setzen und die Würde der Menschen da-durch zu respektieren, daß wir uns mit den Problemenbefassen. Wir können all das angerichtete Unrecht we-der durch Geld noch durch andere materielle Werte aus-gleichen, sosehr wir uns darum bemühen. Vielmehrkönnen wir nur Versuche in dieser Richtung unterneh-men, und wir können Signale setzen, daß wir uns dieserProbleme annehmen und die größten Ungerechtigkeitenbeseitigen.
Für die F.D.P.-
Fraktion spricht der Kollege Jürgen Türk.
Sehr geehrter Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der heute zur Debatte
stehende Gesetzentwurf schafft für die Betroffenen na-
türlich Verbesserungen; deshalb wird die F.D.P.-
Fraktion ihm zustimmen, auch wenn er weiterhin ver-
besserungswürdig bleibt.
Ich hätte mir gewünscht, daß die Anhörungsergebnis-
se wenigstens zum Teil berücksichtigt worden wären;
denn eine Anhörung macht man nicht nur wegen der
Nabelschau, sondern um schlauer zu werden und das
Gesetz letztlich besser zu machen, Herr Ströbele.
Bei etwas mehr Zeit für die Überarbeitung des Koali-
tionsentwurfes – das Gesetz könnte auch rückwirkend
zum 1. Januar 2000 in Kraft treten – hätte nach unserer
Ansicht folgendes noch aufgenommen werden müssen.
Erstens. Die Opferverbände beklagen – ich glaube, zu
Recht –, daß der Staat mit den Verfolgten der SED-
Diktatur – das sind immerhin rund 1 Million Menschen
– stiefmütterlicher als mit den Opfern der Nazidiktatur
umgegangen ist. Einer, der viele Jahre in Bautzen geses-
sen und schwere gesundheitliche Schäden davongetra-
gen hat, sieht sich verständlicherweise nicht als Opfer
zweiter Klasse. Es geht uns hauptsächlich darum, daß
noch in der laufenden Legislaturperiode eine „Opfer-
pension“ – so nennen wir das – gewährt wird; zumin-
dest sollte man die Chance für eine Option nicht verge-
ben.
Das kann einerseits nur unter Berücksichtigung der
Schwere und der Dauer der Verfolgung erfolgen – wir
bleiben ja Realisten –, und andererseits ist es von der
Höhe der noch zu erschließenden Mittel abhängig. Die-
sen Gesichtspunkt kann man nicht völlig ausschließen.
Ich könnte mir vorstellen, daß das SED-Vermögen oder
andere Quellen etwas hergeben, etwa die Behebung der
Verschwendung öffentlicher Gelder. Der Bund der Steu-
erzahler weist diesbezüglich immer rund 70 Milliarden
DM pro Jahr aus. Davon benötigen wir nur einen klei-
nen Anteil.
Zweitens. Wenig befriedigend ist auch, daß Opfer,
die auf Grund der Verfolgung dauerhafte Gesundheits-
schäden erlitten haben, kaum eine Chance haben, diese
Schäden anerkannt zu bekommen. Herr Luther wies
schon darauf hin: 95 Prozent der Anträge werden abge-
lehnt. Hier kann also etwas nicht in Ordnung sein. Man
muß dies verbessern.
Um trotzdem in der Sache weiterzukommen, schlägt
die F.D.P. vor, Beweiserleichterungen bei der Anerken-
nung von Gesundheitsschäden von politisch Verfolgten
einzuführen. Dies würde den Nachweis verfolgungsbe-
dingter Krankheiten deutlich vereinfachen und die
Chance auf Anerkennung erhöhen.
Wir werden dem Gesetzentwurf der Koalition zu-
stimmen und bitten Sie, unserem Entschließungsantrag
mit den beiden von mir erläuterten Vorschlägen zuzu-
stimmen.
Vielen Dank.
Für die Fraktion der
PDS spricht die Kollegin Petra Pau.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Liebe Kolleginnenund Kollegen! Wir behandeln und verabschieden heuteein Gesetz, das besser als seine Vorläufer, aber schlech-ter ist – das muß man auch sagen –, als es möglich ge-wesen wäre. Damit kritisiere ich nicht nur das Verfah-ren, daß die Betroffenen zwar in der vergangenen Wo-che über drei Stunden angehört wurden, ihre Anliegenaber kaum noch berücksichtigt werden konnten. Ich teilezwar nicht alles, was von den Vertretern der Opferver-Günter Nooke
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6841
(C)
(D)
bände vorgetragen wurde, etwa den gelegentlichen Ver-such, die DDR mit dem NS-Regime gleichzusetzen,oder etwa den erneuten Vorstoß, die Bodenreform rück-gängig zu machen. Aber auf die zentrale Frage, ob diebislang beschlossenen Regelungen hinreichend, hand-habbar oder angemessen sind, gab es für mich zweiAntworten: Sie waren es bislang nicht und werden esauch nicht sein, wenn wir heute dieses Gesetz verab-schieden.Es bleibt nur die alte Formel vom richtigen Schrittauf dem richtigen Weg. Deshalb ist natürlich auch denwesentlichen Verbesserungen, insbesondere der künftigeinheitlichen Entschädigung für Opfer politischer Haftin Höhe von 600 DM, zuzustimmen. Nur, diese Floskelvom richtigen Schritt auf dem richtigen Weg hat nichtnur eine lobende, sondern auch eine ausblendendeFunktion. Wir haben beantragt, daß nunmehr fälligeNachzahlungen von Amts wegen erfolgen sollen, weilwir die Beantragungshürden und andere bürokratischeHemmnisse so niedrig wie nur irgend möglich haltenwollen. Wir meinen, es geht nicht an, daß Haftentschä-digungen auf Sozialhilfe angerechnet werden, sei esauch nur im Einzelfall. Wir wollen hoffen, daß der ge-meinsame Appell des Ausschusses in den Ländern undvor allem in den einzelnen Kommunen tatsächlich Ge-hör findet. Ich glaube, daß Forderungen von Betroffe-nen, etwa die Beweislastumkehr bei gesundheitlichenHaftschäden, ernster zu nehmen sind, als dies bislanggeschehen ist. Die Beispiele ließen sich noch fortsetzen.Die PDS wird diesem Gesetzentwurf zustimmen.Aber ich widerspreche der deutlich formulierten Be-hauptung, er sei alternativlos. Er ist ein Schritt auf einemFeld, das so weit ist, daß wir es heute nicht bestellenkönnen. Ich erinnere nur an die problematische Fragevon betroffenen Schülerinnen und Schülern. Sie bleibtnatürlich zu beantworten. Es geht auch in diesem Ge-setzentwurf um gemeinsame Geschichte und um Men-schenrechte, also um gesellschaftliche Fragen, die des-halb nicht – auch nicht formal – an einen Ausschuß„Neue Bundesländer“ delegiert werden können. Aberzum weiten Feld unserer Geschichte gehören auch dergleich folgende Tagesordnungspunkt zur Zwangsarbei-terentschädigung ebenso wie die politisch gewollten Be-rufsverbote in der alten Bundesrepublik. Diese gemein-same Geschichte und diese schmerzhaften Themen blei-ben uns erhalten.Ich glaube, wir haben hier nicht nur schmerzhafteDebatten vor uns, sondern vor allem Regelungsbedarf,um in dieser Bundesrepublik nicht nur gemeinsam anzu-kommen, sondern gemeinsam unseren Platz zu finden.Danke schön.
Ich gebe nunmehr
das Wort dem Staatsminister im Kanzleramt Rolf
Schwanitz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Wir beraten heute abschließend ein Gesetz, auf das
die Opfer lange gewartet haben. Es ist die umfangreich-
ste Verbesserung zur Entschädigung von Opfern politi-
scher Verfolgung in der SBZ und DDR seit 1992
seit dem Ersten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz. Diese
Verbesserung war längst überfällig und dringend not-
wendig. Deswegen ist dies ein guter Tag für die Opfer.
Das ist es nicht nur wegen der Bedeutung der Rege-
lung. Um übrigens noch einmal auf die Quantität einzu-
gehen: Ein Drittel aller Wiedergutmachungsleistungen,
die seit 1990 gewährt worden sind, werden jetzt im Zu-
sammenhang mit der Verbesserung der Wiedergutma-
chungsleistungen noch einmal draufgepackt. Das Ge-
samtvolumen beläuft sich auf 400 Millionen DM. Zwei
Drittel davon trägt der Bund. Es war ein richtiger Kraft-
akt, dieses wichtige Gesetz zustande zu bringen.
Wichtig ist dieses Gesetz nicht nur wegen der ein-
heitlichen 600 DM Kapitalentschädigung, damit die Op-
fer nicht mehr – wie in der Vergangenheit durch Ihr Ge-
setz – auseinanderdividiert werden, sondern beispiels-
weise auch wegen der Hinterbliebenenregelung. Ich
will darauf einmal näher eingehen, Herr Dr. Luther. Wir
bekommen jetzt eine Hinterbliebenenregelung über die
Stiftung für politisch Verfolgte, in deren Rahmen künf-
tig Einmalleistungen in der Größenordnung von 8 000
DM gewährt werden können und ein Rechtsanspruch –
ohne Bedürftigkeitsprüfungen, also quasi lebenslang –
auf laufende, also jährlich wiederkehrende Leistungen in
einem Volumen von 6 000 bis 8 000 DM besteht. Das ist
für viele Betroffene eine Entschädigung, die weit besser
ist als eine fiktive Kapitalentschädigung. Ich sage noch
einmal: Das ist alles andere als eine Kleinigkeit.
Herr Staatsminister,
gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich trage erst einmal im Zusammenhang vor und bleibeam Schluß am Pult stehen; Sie können Ihre Frage dannnoch stellen.Ich möchte auf die Bemerkung eingehen, wir hättendie Opferinteressen nicht hinreichend berücksichtigt.Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie ha-ben in diesem parlamentarischen Verfahren die Anhö-rung zu dem spätestmöglichen Zeitpunkt beantragt. Siehaben alle möglichen Kapriolen gemacht, zum Beispielgesagt, das Ganze sei im Ausschuß nicht genügend be-raten worden. Drei Stunden lang ist im Ausschuß überjedes Komma in der Vorlage filibustert worden. Ich ha-be gehört, zum Schluß sei sogar versucht worden, nichtzu unterzeichnen. Wir haben so etwas schon einmal ge-Petra Pau
Metadaten/Kopzeile:
6842 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
habt. Es sind also alle möglichen Dinge versucht wor-den.
Aber zum 1. Januar 2000 wird es diese Leistungen ge-ben. Das ist wichtig. Die Opfer warten darauf.
Herr Luther, Sie haben in Ihrer Rede kritisiert, wirwürden Leistungen gewähren, die, bezogen auf eine Eh-renrente, nicht den Erwartungen entsprächen. Ich willdas mit einigen deutlichen Worten kommentieren. Zu-nächst möchte ich nur noch einmal die Aussage un-terstreichen: Sie haben die Opfer acht Jahre lang aufeine ordentliche, bessere, finanziell vernünftig ausge-stattete Rehabilitierung und Wiedergutmachung wartenlassen. Das wird jetzt kommen. Sie haben überhauptkeinen Grund, sich hier zum Sachwalter der Opfer zumachen.Das Verfassungsgerichtsurteil zu den – ich sage eseinmal flapsig – Stasirenten haben Sie selbst provoziert.Sie haben ein Rentenrecht geschaffen, bei dem damalsklar war, daß es in den verfassungswidrigen Raum hin-einreicht. Sie haben das Urteil selbst provoziert und be-nutzen es jetzt, um nicht zugeben zu müssen, daß dieVerbesserung wegen Ihrer eigenen politischen Ver-säumnisse notwendig ist. Sie benutzen das Urteil, umüber Ihre eigenen Fehlleistungen nicht reden zu müssen.Sie haben übrigens den Unmut bei den Opfern in denzurückliegenden Wochen und Monaten auch im Zu-sammenhang mit diesem Urteil ganz gezielt geschürt.Sie haben nichts dafür getan, um den Opferverbändenund den Betroffenen klarzumachen, was wirklich in demUrteil steht. Darin steht nämlich nicht, daß die Renten-ansprüche von Stasi-Bediensteten beliebig ausgedehntwerden können. Vom Verfassungsgericht wurde nur be-schieden, daß der Grundsatz, den die erste frei gewählteVolkskammer aufgestellt hat, nämlich daß die Renten-ansprüche auf die Durchschnittshöhe des Einkommensin der DDR zu begrenzen sind und das Einkommenspri-vileg nicht fortgeschrieben wird, sehr wohl verfassungs-konform ist.
Ich will ausdrücklich noch einmal festhalten, daß dasvon uns vorgelegte Gesetz ein gutes Gesetz ist. Ich be-daure sehr, daß Sie es sich gerade bei diesem Themanicht verkneifen konnten, unter dem Deckmantel vonEhrenhaftigkeit parteipolitische Spielchen zu spielen.Ich bedaure sehr, daß Sie das getan haben. MeinWunsch an die Opposition ist: Kehren Sie – wie in denzurückliegenden Monaten und Jahren – zu einer an kon-struktiven Problemlösungen orientierten Politik zurück!Daran hat es hier – leider – gefehlt.Schönen Dank.
Jetzt bin ich gerne bereit, Ihre Frage zu beantworten.
Vielen Dank, Herr
Staatsminister, für Ihre Bereitschaft, die Frage jetzt zu
beantworten. Der Kollege Luther hat sich aber für eine
Kurzintervention entschieden. Bitte schön, Herr Luther.
Verehrter Präsi-dent! Meine Damen und Herren! Ich habe mich für eineKurzintervention entschieden, weil ich mir meine ur-sprüngliche Frage auf Grund der weiteren Äußerungendes Herrn Staatsministers selbst beantworten kann. Ichmöchte aber noch einiges zu anderen Punkten Ihrer Re-de sagen. Das ist wichtig und zur Aufklärung des Hau-ses notwendig.Erstens. Wecken Sie nicht vielleicht zu viele und zuhohe Erwartungen? Bislang standen der Stiftung fürehemalige politische Häftlinge 10 Millionen DM zurVerfügung, um Hinterbliebenen von Todesopfern zuhelfen, jetzt stehen 20 Millionen DM bereit. Das ist eineVerdoppelung, das gebe ich zu. Ich glaube aber, daßdie hohen Erwartungen, die Sie in Ihrer Rede geradegeweckt haben, dadurch nicht befriedigt werden kön-nen.Zweitens haben Sie gesagt, wir hätten die Anhörungzum spätestmöglichen Zeitpunkt beantragt. Als wir dieAnhörung beantragten, hatte die erste Lesung des Geset-zes noch nicht stattgefunden, und es war noch nicht anden Ausschuß überwiesen worden. Wir haben die Anhö-rung also quasi auf Vorrat beantragt. Wir hätten die An-hörung natürlich auch für Januar beantragen können.Drittens haben Sie von einer Verzögerung bei derUnterzeichnung gesprochen. Ich bitte Sie, sich dafür zuentschuldigen, daß Sie vor diesem Hause einen solchenVorwurf geäußert haben. Ich kann doch kein Blanko-formular unterschreiben! Nach der Anhörung mußte erstder Ausschußbericht erstellt werden. Ich kann nicht aufeinem Blankoformular den Ausschußbericht schon imvoraus bestätigen.
Ich habe daran mitgewirkt und daran mitgearbeitet, daßalles rechtzeitig in Gang gekommen ist. Ihre Unterstel-lung sollten Sie deshalb vor diesem Hause zurückneh-men.
Viertens haben Sie uns vorgeworfen, wir schürtenUnmut bei den Betroffenenverbänden. Schauen Siesich doch einmal die Meldungen in den Medien an:Nach dem Urteil haben zuerst die Betroffenen aufge-schrien. Wir haben uns erst später mit der Thematik be-schäftigt. Wenn Sie uns unterstellen, wir schürten Un-mut bei den Betroffenenverbänden, dann müssen Siedieses auch dem Bundesrat unterstellen. Ich habe ja inmeiner Rede aus der Stellungnahme des Bundesrateszum Gesetzentwurf zitiert. Dort wurde die von uns an-gesprochene Problematik noch einmal verdeutlicht. Sostellt sich die Lage dar. Dieses Thema muß in Zukunftnoch einmal aufgegriffen werden.Staatsminister Rolf Schwanitz
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6843
(C)
(D)
Meine letzte Bemerkung: Trotz der Mängel des Ge-setzes und Ihrer unverschämten Einlassungen
stimmen wir dem Gesetz zu.
Herr Staatsminister
Schwanitz zur Erwiderung.
Den Einschätzungen, die ich am Rednerpult abgege-
ben habe, habe ich nichts hinzuzufügen. So verhält es
sich.
Ich möchte aber Ihre Ausführungen an einigen Stel-
len korrigieren: Der Gesetzentwurf war bereits Mitte
August im Bundesrat. Es ist gute und übliche Praxis im
Deutschen Bundestag, daß Anhörungen auch zu Vorla-
gen durchgeführt werden können, die im Bundesrat an-
hängig sind. Das ist zigmal gemacht worden, Sie aber
haben es bewußt unterlassen. Sie haben die Anhö-
rung statt dessen in den November gelegt, so daß die
Beratung dieses Gesetzentwurfes mit den Beratun-
gen des Finanzausschusses des Bundesrates kollidierte,
um die Stimmungslage noch einmal ordentlich anzuhei-
zen.
– Das ist so! Ich muß ganz offen sagen, daß ich bewun-
dere, wie Sie immer wieder mit ernster Miene den Wi-
derspruch zwischen Ihrem Verhalten in der Praxis
und dem, was Sie nach außen hin kommunizieren, of-
fensichtlich problemlos überbrücken können.
Ich schließe dieAussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzent-wurf der Bundesregierung zur Verbesserung rehabilita-tionsrechtlicher Vorschriften für Opfer politischer Ver-folgung, Drucksachen 14/1805 und 14/2188 Buchstabe a.Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der PDSauf Drucksache 14/2190 vor, über den wir zuerst ab-stimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? –Wer stimmt dagegen?
– Ich frage noch einmal: Wer stimmt dagegen? – Ent-haltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmendes Hauses gegen die Stimmen der PDS und des Kolle-gen Jürgen Türk abgelehnt.
– Es gab eine Enthaltung aus den Reihen der CDU/CSU.Wer stimmt für den Gesetzentwurf in der Ausschuß-fassung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Gesetz-entwurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig ange-nommen.Wir kommen zurDritten Beratungund Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben.– Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetz-entwurf ist einstimmig angenommen.Wir kommen zur Abstimmung über die Entschlie-ßungsanträge. Wer stimmt für den Entschließungsantragder Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/2205?– Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Entschließungs-antrag ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/DieGrünen und PDS gegen die Stimmen von CDU/CSUund F.D.P. abgelehnt.Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Frak-tion der F.D.P. auf Drucksache 14/2191? – Wer stimmtdagegen? – Enthaltungen? – Auch dieser Entschlie-ßungsantrag ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis90/Die Grünen und PDS gegen die Stimmen vonCDU/CSU und F.D.P. abgelehnt.Wir kommen zur Abstimmung über den Entwurfeines SED-Opfer-Rehabilitations-Verbesserungsgesetzesder Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/1001.Der Ausschuß für Angelegenheiten der neuen Länderempfiehlt auf Drucksache 14/2188 Buchstabe b, denGesetzentwurf abzulehnen. Ich lasse über den Gesetz-entwurf der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache14/1001 abstimmen und bitte diejenigen, die demGesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen.– Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Ge-setzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmenvon SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stim-men von CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der PDSabgelehnt.Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung dieweitere Beratung.Nun kommen wir zu der Beschlußempfehlung desAusschusses für Angelegenheiten der neuen Länder zudem Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Verbesserung des SED-Unrechtsbereini-gungsgesetzes, Drucksache 14/2188 Buchstabe c. DerAusschuß empfiehlt, den Antrag auf Drucksache14/1165 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für dieseBeschlußempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Ent-haltungen? – Die Beschlußempfehlung ist einstimmigangenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt III auf: III. Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolf-gang Gehrcke-Reymann, Dr. Heinrich Fink, Dr.Barbara Höll, weiterer Abgeordneter und derFraktion der PDSDr. Michael Luther
Metadaten/Kopzeile:
6844 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
Zügige Entschädigung für Zwangsarbeiterin-nen und Zwangsarbeiter und Errichtung einerBundesstiftung– Drucksache 14/1694 –
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6845
(C)
(D)
und daß alle diejenigen ihren Beitrag in diesen Fondseinzahlen, die damals davon profitiert haben, daß es inDeutschland Zwangsarbeit gab.
Dazu gehörte auch der Staat. Der Staat trug natürlichVerantwortung dafür, daß es überhaupt Zwangsarbeitgab. Deshalb ist es richtig, daß auch der Staat in diesenFonds einzahlt. Gleichzeitig muß er ausreichend Aufklä-rung betreiben, auch in der Öffentlichkeit, um einebreite Zustimmung in der Bevölkerung zu erreichen.Ich füge hinzu: Wir müssen einen Anfang machen.Der Fonds muß eingerichtet werden. Darum geht es inunserem Antrag. Wir haben ihn extra verschoben, umdie Verhandlungen nicht zu gefährden. Denn wir mei-nen, das Wichtigste ist, daß die Opfer eine angemesseneEntschädigung bekommen. Aber jetzt muß das Parla-ment eingeschaltet werden. Wir müssen jetzt darüberdiskutieren. Wir müssen das jetzt als Parlament beglei-ten und versuchen, noch einiges zu ändern. Selbst wennkeine Lösung zustande kommen sollte, müssen wir jetztanfangen, Geld zur Verfügung zu stellen, damit wenig-stens erst einmal eine Mindestsumme an die noch leben-den Opfer ausgezahlt wird. Es darf keine biologischeLösung dergestalt geben, daß hier verzögert und ver-schoben wird, bis immer weniger der Betroffenen leben.Das ist nicht hinzunehmen. Deshalb haben wir unserenAntrag vorgelegt. Er soll eine Unterstützung sein, damitwir endlich zu diesem Fonds und zu einer Lösung kom-men.Daß die Unternehmen die Zahlungen später von derSteuer absetzen dürfen, ist schon ein starkes Stück.
Aber daß sie trotzdem nicht bereit sind, einzuzahlen, istein noch stärkeres Stück. Deshalb sage ich: Hören wirauf, die Unternehmen zu kritisieren, die einzahlen wol-len! Es ist ein bißchen ungerecht, daß die Kritik dieseUnternehmen am meisten trifft. Jetzt müssen wir öffent-lich die benennen, die nicht einzahlen wollen, die sichihrer Verantwortung völlig entziehen wollen. Das istnicht hinnehmbar. Ich hoffe, wir werden in dieser An-gelegenheit alle gemeinsam streiten und kämpfen unddiese Unternehmen nicht aus ihrer Verantwortung ent-lassen.Danke schön.
Für die SPD-
Fraktion spricht der Kollege Ludwig Stiegler.
Herr Präsident! Meine Da-men und Herren! Herr Gysi hat wieder versucht, sich alsgroßen Moralisten darzustellen.
Ich sage nur: Diejenigen unter Ihnen, die früher in derSED waren, sollten ganz ruhig sein.
Wir sind hier mitten in Verhandlungen, und Sie tun so,als ob nichts geschehen sei. Dort, wo Sie früher Verant-wortung hatten, ist – außer Solidaritätsadressen – nichtsgeschehen, während hier eine ganze Menge geschehenist.
Deshalb sollten wir etwas ernster an das Thema heran-gehen.
Wir haben keine Veranlassung, jetzt am Bundes-kanzler herumzumäkeln, denn es ist wahr, daß mit sehrzweifelhaften juristischen Methoden Druck ausgeübtworden ist. Ich stimme allen zu, die sagen, die Wirt-schaft und die ganze Gesellschaft seien zu hartleibig undim Grunde nicht sensibel genug für dieses Thema. Aberwir können auch nicht über die Methoden, die in Ameri-ka teilweise angewandt worden sind, hinwegsehen. Ichhabe zwischendurch schon daran gezweifelt, ob dortnoch ein rechtsstaatliches System gibt. Ich meine, wirsollten hier wirklich aufpassen, daß die Initiative nicht inein falsches Licht gerückt wird.Die Koalition hat in ihrer Koalitionsvereinbarung klargesagt: Wir wollen das Gesetz. Auch in den Wahlpro-grammen war das ein Thema. Ich denke zum Beispiel anHans-Jochen Vogel und seinen Verein „Gegen Verges-sen – Für Demokratie“. Der Druck von unserer Seite,Dr. Gregor Gysi
Metadaten/Kopzeile:
6846 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
endlich zur Tat zu schreiten, war groß und intensiv. Wirsind jetzt mitten in den Verhandlungen. Alle Fraktionenhaben mitgetragen, daß der Bund seinen Anteil nocheinmal erhöht und damit mehr Druck auf die Wirtschaftgemacht hat, damit sie ihren Anteil ebenfalls erhöht. Wirsollten gemeinsam an die Wirtschaft herantreten undvon allen verlangen, daß sie sich an diesem Fonds betei-ligen. Aus dieser moralischen Verpflichtung werden wirsie nicht entlassen.
Herr Kollege
Stiegler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Gehrcke? – Bitte schön.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Stiegler,
finden Sie nicht auch, daß gerade bei diesem Thema, das
die deutsch-deutsche Geschichte berührt, die wir ge-
meinsam zu tragen haben, eine Differenzierung danach,
wer hier etwas sagen darf und wer hier nichts sagen darf,
völlig unangebracht ist?
Finden Sie nicht auch, daß gerade bei dieser Frage die
Demokraten in unserem Lande die Verpflichtung haben,
Meinungsverschiedenheiten bzw. Dinge, die man zu
Recht kritisieren kann, zurückstehen zu lassen zugunsten
einer Lösung für Menschen, die unendlich gelitten ha-
ben?
Wir sind uns darin einig,daß die Menschen unendlich gelitten haben und daß wiralles tun müssen, um sie dafür zumindest ein wenig zuentschädigen. Aber angesichts dessen, daß Herr Gysisich hier hinstellt und sagt, er allein sei der Rächer derEntrechteten,
muß ich darauf hinweisen, daß uns dies in der jetzigenSituation nicht weiterführt. Die PDS hat weder ein Erst-geburtsrecht noch ein Monopol in dieser Frage. Auchalle anderen Parteien haben eine ganze Menge an An-strengungen unternommen.
– Ich lasse nicht zu, daß Sie sich hier in eine Alleinver-treterrolle begeben. Denn die mit diesen Verhandlungenverbundene Arbeit und die anstehenden finanziellenEntscheidungen betreffen uns alle hier.Wir erwarten von der Wirtschaft, daß sie sich massivbeteiligt, damit der Anteil derer, die entschädigt werden,angemessen festgelegt werden kann. Diese unglaublichschwierige Frage ist in den momentan laufende Ver-handlungen zu lösen.Jetzt geht es darum, daß wir uns an die Wirtschaftund an die Bevölkerung wenden, dafür Verständnis auf-zubringen. Wenn Sie so sprechen, wie Sie es hier tun, istes viel schwieriger, in den breiten Schichten der Bevöl-kerung ein entsprechendes Verständnis zu erreichen.Es ist auch nicht angemessen, zu kritisieren, daß dieWirtschaft diese Entschädigungsleistungen als Be-triebsausgaben absetzen kann. Wir wollen durch dieseMöglichkeit höhere Zahlungen erreichen. Ich weise dar-auf hin, daß der Staat auf diese Weise die Hauptlast derZahlungen trägt. Aber es gibt ja sehr viele Unternehmen,die heute gar nicht mehr greifbar sind, zum Beispiel ein-zelne landwirtschaftliche oder ähnliche Unternehmen.Vor diesem Hintergrund ist der staatliche Anteil anden Zahlungen gesellschaftlich gerechtfertigt. DiesenPunkt sollte man nicht kritisieren. Wir alle sollten viel-mehr die Verhandlungen nicht stören. Sie sind schwierigund finden unter großen Belastungen statt.Wir sollten den vorliegenden Antrag der PDS an diezuständigen Ausschüsse überweisen. Für die Umsetzungeines Verhandlungsergebnisses ist der Inhalt dieses An-trages nicht nötig. Ein entsprechender Gesetzentwurf istfertig und liegt praktisch in der Schublade. Er kann indem Moment, in dem die Verhandlungen abgeschlossensind, sofort eingebracht werden. Für die Fraktionsgremi-en gibt es dann keine große Arbeit mehr. Das Stiftungs-gesetz ist in seiner Struktur praktisch fertig. Jetzt aberein Stiftungsgesetz vorzulegen, ohne daß man den Inhaltdes Verhandlungsergebnisses kennt, führt uns insgesamtnicht weiter.
Wichtig ist, daß der Gesetzentwurf faktisch fertig ist undes keine zeitliche Verzögerung mehr geben wird.Jetzt ist zunächst notwendig, die Verhandlungen end-lich zum Abschluß zu bringen. Dabei ist entscheidend,daß der Topf gefüllt wird. Aus diesem Grunde und an-gesichts dessen, daß Hans-Jochen Vogel eine Liste vonFirmen aufgestellt hat, die sich noch nicht beteiligt ha-ben, sind alle betroffenen Unternehmen moralisch in diePflicht zu nehmen, sich zu beteiligen.Herr Gysi, Sie wissen genau, daß die Frage von Be-freiungszahlungen erhebliche völkerrechtliche und an-dere Probleme aufwirft, die wir nicht anpacken wollen,weil wir sagen: Bei diesem Problem handelt es sichnicht um eine Rechtsfrage, sondern eine moralische Fra-ge, die wir zu lösen haben, wobei die moralische Ver-pflichtung aus einer Entschuldigung und aus einer mate-riellen Entschädigung besteht.Das ist unser gemeinsames Ziel. An diesem arbeitenwir am besten, wenn wir die Verhandlungen fördern. Ichkann Ihnen noch einmal zusichern: Die Umsetzungsge-setzgebung ist so weit fertig, daß sie hier unverzüglicheingebracht werden kann. Deshalb kann Ihr Antrag, denSie eingebracht haben, ruhen. Im Ausschuß wird wirk-lich zügig gearbeitet, um endlich voranzukommen. Ent-scheidend ist, daß Graf Lambsdorff und alle Beteiligtenendlich zum Ziel kommen. Wir danken ihnen für ihrenbisherigen Einsatz und hoffen auf einen baldigen Erfolg.Ich möchte aber auch die andere Seite bitten, unsere Si-tuation zu berücksichtigen.Unser gemeinsames Ziel ist es, die Verhandlungenauf der Grundlage, auf der sie gediehen sind, endlich zuLudwig Stiegler
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6847
(C)
(D)
einem Erfolg zu führen. Dies kann nicht hier im Parla-ment geschehen, sondern nur an den Verhandlungsti-schen. Alles weitere wird dann ganz schnell gehen.Vielen Dank.
Für die CDU/CSU-
Fraktion spricht der Kollege Wolfgang Bosbach.
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Formal betrachtet be-
raten wir heute über den Antrag der PDS, zügig eine
Bundesstiftung zur Entschädigung für Zwangsarbeite-
rinnen und Zwangsarbeiter einzurichten und die hierfür
notwendigen Mittel bereitzustellen, damit schon ab
dem 1. Januar mit den Zahlungen begonnen werden
könne.
1,5 Millionen Überlebende sollen nach dem Willen
der PDS zunächst rasch a conto pro Kopf 10 000 DM
erhalten. Hierfür müßte nach Ihren Berechnungen ein
Startkapital von 1 Milliarde DM zur Verfügung gestellt
werden. Es handelt sich also um einen klassischen PDS-
Antrag: Abgesehen davon, daß die Multiplikation von
10 000 mit 1,5 Millionen einen Betrag von 15 Milliar-
den DM ergibt
und daß ein konkreter Finanzierungsvorschlag fehlt,
dürfte nach Addition aller PDS-Forderungen in diesem
Antrag der Betrag sogar weit über den Zahlungsansprü-
chen liegen, die derzeit von den amerikanischen An-
wälten im Rahmen der Verhandlungen über die Stif-
tungsinitiative der deutschen Wirtschaft geltend gemacht
werden.
Niemand kann die PDS daran hindern, derartige An-
träge zu stellen. Es ist allerdings sehr bedauerlich, daß
die PDS auch auf dem sehr sensiblen Gebiet der Wie-
dergutmachung von nationalsozialistischem Unrecht
völlig unseriös agiert
und – das ist für mich der entscheidende Punkt – bei den
Überlebenden und in deren Herkunftsländern Hoffnun-
gen weckt, die in jeder Hinsicht unerfüllbar sind.
Herr Kollege Bos-
bach, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordne-
ten Dr. Fink?
Nein.
Der Zwischenruf
war unparlamentarisch.
Ich weiß, wer dasgesagt hat, und deswegen berührt mich dieser Zwischen-ruf überhaupt nicht.
Weil Sie es so gerne hören, sage ich es noch einmallangsam, zum Mitschreiben: Ihr Engagement für dieWiedergutmachung staatlichen Terrors wäre viel glaub-hafter, wenn Sie nicht unter der alten Firmierung SEDdafür gesorgt hätten, daß die DDR – im Gegensatz zurBundesrepublik Deutschland – die Opfer der Nazi-Barbarei, zumindest diejenigen, die in Ihren Augen diefalsche Gesinnung hatten, nicht entschädigt, und wennSie das erworbene SED-Vermögen sofort den Opfernder DDR-Diktatur zur Verfügung stellten.
Vor diesem Hintergrund macht es wenig Sinn, denAntrag der PDS im Detail zu diskutieren. Er gibt jedochAnlaß zu einigen grundsätzlichen Anmerkungen überdie Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft undden bisherigen Verlauf der Verhandlungen über eineEntschädigung für NS-Zwangsarbeiter – unter dem Ge-sichtspunkt einer freiwilligen humanitären Geste derdeutschen Wirtschaft, genauer gesagt: der Unternehmen,die sich zur Stiftungsinitiative „Erinnerung, Verantwor-tung und Zukunft“ zusammengeschlossen haben.Das Thema „Entschädigung für NS-Zwangsarbeit“wird in der Bundesrepublik seit Jahrzehnten diskutiert.Alle Bundesregierungen, auch die derzeit im Amt be-findliche, haben folgenden Rechtsstandpunkt vertreten:Soweit ausländische Zwangsarbeiter außerhalb des BEG– einschließlich Art. 6 des BEG-Schlußgesetzes – Scha-densersatzansprüche geltend gemacht haben, stehe demdas Londoner Schulden-Abkommen aus dem Jahr 1953entgegen. Bei Forderungen nach Entschädigung wegenNS-Zwangsarbeit handele es sich um Reparationszah-lungen im Zusammenhang mit dem zweiten Weltkrieg.Dies gelte auch für die Forderungen ehemaligerZwangsarbeiter gegenüber privaten Unternehmen. Dem-gemäß konnten und können allein auf Grund vonZwangsarbeit keine Rechtsansprüche gegen Deutschlandoder deutsche Staatsangehörige geltend gemacht wer-den, so zuletzt auch der Bundesminister der Finanzen ineinem Schreiben vom 22. November an den Vorsitzen-den des Innenausschusses.Diese Rechtsansicht ist nicht unumstritten; sie wurdeaber von den Gerichten bislang ganz überwiegend ge-teilt, vor wenigen Wochen auch von einem amerikani-schen Gericht in New Jersey, das über eine Klage gegendie bereits genannte Firma Degussa-Hüls AG zu ent-scheiden hatte.Eine völlig andere Frage ist jedoch, ob man das The-ma Entschädigung für NS-Zwangsarbeit aus der beson-deren historischen Verantwortung gegenüber den Be-troffenen nicht eher unter humanitären als unter rechtli-chen Aspekten betrachten müsse. Gerade auf Grund die-ser Überlegung wurden in der Vergangenheit zunächstmit elf westlichen Staaten Globalabkommen zur Wie-dergutmachung nationalsozialistischen Unrechts abge-schlossen, aus denen auch Zwangsarbeiter entschädigtworden sind.Ludwig Stiegler
Metadaten/Kopzeile:
6848 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
Darüber hinaus hat die Bundesrepublik nach derWiedervereinigung als humanitäre Geste durch die Ein-richtung von Stiftungen in Warschau, Moskau, Kiewund Minsk sowie im Deutsch-Tschechischen Zukunfts-fonds Beträge von insgesamt 1,5 Milliarden DM zurVerfügung gestellt, die auch ehemaligen Zwangsarbei-tern zugute kommen sollten.In den vergangenen Jahrzehnten war es der Staat, dersich zu seiner historischen Verantwortung gegenüberden Opfern der NS-Tyrannei bekannte. Nur einige we-nige private Wirtschaftsunternehmen, die im DrittenReich Zwangsarbeiter beschäftigten, bekannten sichbislang auf Grund ihrer Firmengeschichte zu einer eige-nen historisch begründeten humanitären Verantwortunggegenüber den Opfern und waren bereit, sie für die er-zwungene Arbeitsleistung zumindest teilweise zu ent-schädigen.Wir begrüßen daher ausdrücklich das Engagementderjenigen Unternehmen, die sich zur Stiftungsinitiati-ve der deutschen Wirtschaft zusammengeschlossenhaben. Wir unterstützen ihre Bemühungen, durch eigeneZahlungen und durch die Aufforderung an andere Fir-men, sich ebenfalls mit einem angemessenen Betrag zubeteiligen, dafür zu sorgen, daß ein sowohl für die deut-sche Wirtschaft als auch für die Bundesrepublik insge-samt schwieriges Problem im Interesse der Betroffenen,das heißt der überlebenden Zwangsarbeiter, rasch, fairund möglichst unbürokratisch gelöst wird.
Gelegentlich wird der Wirtschaft entgegengehalten,ihr Engagement sei eher eigennützig als moralisch moti-viert, denn es ginge ihr in erster Linie um die Wahrungvon Exportchancen, nicht um die Wiedergutmachungvon Unrecht.
Zwar kann niemand ernsthaft bestreiten, daß bei diesemThema Moral und Geschäft nahe beieinander liegen.Dennoch sollte zumindest anerkannt werden, daß sichführende deutsche Unternehmen in den letzten Monatenim Zuge der Verhandlungen ausdrücklich zu ihrer histo-rischen Verantwortung bekannt haben und daß sie jen-seits aller rechtlichen Erwägungen bereit sind, erhebli-che Beträge für ehemalige Zwangsarbeiter bereitzustel-len. Diese Leistungen sollen auch jenen zugute kommen,die in Firmen arbeiten mußten, die zum Teil schon seitJahrzehnten nicht mehr existieren, so daß eine klagewei-se Geltendmachung von Zahlungsansprüchen schon ausdiesem einen Grunde völlig aussichtslos wäre.Bedrückend ist jedoch, daß sich bislang noch nichteinmal zehn Prozent derjenigen Unternehmen, die imDritten Reich Zwangsarbeiter beschäftigten, an dieserStiftungsinitiative beteiligen.
Dies muß vor allen Dingen für diejenigen enttäuschendsein, die sich als Gründungsmitglieder in der Stiftungs-initiative zusammengeschlossen haben. Jene Unterneh-men, die sich bisher standhaft geweigert haben, sich zubeteiligen, müssen sich schon die Mühe machen, dieFrage zu beantworten, warum sie im Gegensatz zu ande-ren Unternehmen weder die historische noch die huma-nitäre Verantwortung spüren, am Ende des Jahrhun-derts den überlebenden Opfern auf dem Wege einerfreiwilligen humanitären Geste zumindest eine geringeEntschädigung für das erlittene Leid zukommen zu las-sen.
Vornehme Zurückhaltung kann manchmal sinnvolloder gar notwendig sein. Hier ist sie völlig deplaziert.Die Haltung „Einer trage des anderen Last, man mußnur sehen, daß man der andere ist“ sollte so rasch alsmöglich im Interesse des Ansehens der deutschen Wirt-schaft und unseres Landes insgesamt aufgegeben wer-den. Diejenigen Firmen, die in den vergangenen Jahrenin Deckung gegangen sind, können doch nicht ernsthafterwarten, daß nur wenige Unternehmen die Verantwor-tung und die finanziellen Lasten dafür tragen, daß auchallen anderen durch die beabsichtigte VereinbarungRechtssicherheit und dauerhafter Schutz vor Klagen ga-rantiert werden.In den Verhandlungen konzentriert man sich derzeitauf die Rechtssicherheit in den USA. Das ist wichtig,dürfte aber alleine nicht genügen. Für den Fall einer Ei-nigung müßte es Rechtsfrieden und den Schutz vorweiterer gerichtlicher Inanspruchnahme auch in derBundesrepublik Deutschland geben.Bis vor wenigen Monaten hat sich die Bundesregie-rung darauf beschränkt, entspannt zurückgelehnt dieAktivitäten der deutschen Wirtschaft, wie es so schönhieß, politisch zu begleiten. Erst nachdem ihr klar ge-worden war, daß die Stiftungsinitiative ohne eine ange-messene finanzielle Beteiligung des Bundes zu schei-tern drohe, erklärte man sich bereit, zunächst 2 Milliar-den DM zuzusagen, die mittlerweile auf 3 MilliardenDM aufgestockt wurden.Die Höhe des Gesamtangebotes von zunächst 6 undderzeit 8 Milliarden DM ist von verschiedenen Seiten,auch von Teilen der deutschen Presse, mehr oder weni-ger heftig als viel zu niedrig kritisiert, teilweise sogar alsunwürdig bezeichnet worden. Vergleicht man diesesAngebot mit den Forderungen der amerikanischen An-wälte, so erscheint es in der Tat als niedrig. Auf der an-deren Seite sollte aber bei aller Kritik an der Höhe desAngebotes auch darauf hingewiesen werden dürfen, daßmanche Forderungen derart überzogen sind, daß nichternsthaft erwartet werden kann, daß eine Einigung in derNähe der Forderungen zu erzielen sein wird.Es ist nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflichtvon Anwälten, die Interessen der Mandantschaft zu ver-treten. Das ist nicht zu kritisieren. Aber diejenigen, diemit harten Worten mit der Fortsetzung einer öffentlichenDruck- und Drohkampagne gegen deutsche Unterneh-men oder mit öffentlichen Boykottkampagnen gegenWolfgang Bosbach
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6849
(C)
(D)
Produkte aus Deutschland drohen, müssen sich die Fra-ge gefallen lassen, ob sie mit einer derartigen Vorge-hensweise tatsächlich die Interessen der Opfer vertretenoder ob sie nicht Gefahr laufen, durch derartige Metho-den die ohnehin schon langwierigen und schwierigenVerhandlungen zum Scheitern zu bringen.
Die unausgesprochene Botschaft derartiger Anzeigenkann nur lauten: Man muß die BundesrepublikDeutschland oder – wie in dem Beispiel, das ich hier ge-rade vor mir habe – ein ganz bestimmtes Industrieunter-nehmen öffentlich und heftig an die Greueltaten der Na-zizeit erinnern, und schon werden sie kurze Zeit späterbereit sein, viel mehr Geld auszugeben als bislang ange-boten.
Warum hier eine Firma angegriffen wird, die bereit ist,zu zahlen, und nicht eine Firma, die in Deckung geht, istohnehin nicht erklärbar.
Derartige Vorgehensweisen dürfen schon deshalbkeinen Erfolg haben, weil sich die Methoden zukünftigjederzeit wiederholen könnten – mit unabsehbaren Fol-gen nicht nur finanzieller Art, sondern auch für das Ver-hältnis unseres Landes zu den Vereinigten Staaten undanderen Ländern.Gelegentlich hat man bei der Lektüre von Berichtenund bei einigen Kommentaren zum Stand der Verhand-lungen den Eindruck, als beginne man in der Bundesre-publik erst heute, 54 Jahre nach dem Ende des zweitenWeltkriegs, mit Wiedergutmachung nationalsozialisti-schen Unrechts und als sei es höchste Zeit, endlich Ent-schädigung zu leisten. Nur ganz vereinzelt wurde in denletzten Monaten darauf hingewiesen, daß die Bundesre-publik bereits in den vergangenen Jahrzehnten über 104Milliarden DM Wiedergutmachungsleistungen erbrachthat und auch zukünftig nach jetzt schon geltendemRecht noch weit über 20 Milliarden DM zu zahlen habenwird. Es muß erlaubt sein, im Deutschen Bundestageinmal darauf hinzuweisen, daß sich unser Land in denvergangenen Jahrzehnten, wenn auch manchmal quä-lend, redlich und ernsthaft darum bemüht hat, das dun-kelste Kapitel der Geschichte nicht zu verdrängen odergar zu vergessen, sondern aufzuarbeiten und daraus dienotwendigen Konsequenzen zu ziehen. Wir haben stetsden Worten Taten folgen lassen.
Die Verhandlungspartner der Stiftungsinitiative ha-ben bis Anfang Dezember Zeit, sich zu dem neuen An-gebot zu äußern. Die Wirtschaft hat verkündet, daß sieihren Beitrag von bislang 5 Milliarden DM unter keinenUmständen erhöhen werde. Im Klartext: Sollte das An-gebot von insgesamt 8 Milliarden DM nicht akzeptiertwerden, wird wohl erwartet, daß der deutsche Steuer-zahler die Differenz zwischen diesem Betrag und denForderungen der Verhandlungspartner schließt.Ich bin dem Kollegen Wiefelspütz, der heute leidernicht hier ist, dankbar, daß er klargestellt hat, daß es jawohl nicht sein kann, daß der Beitrag des Bundes – mitanderen Worten: der Beitrag des deutschen Steuerzah-lers – bei einer Stiftungsinitiative der deutschen Wirt-schaft größer ist als der eigene Beitrag der Unterneh-men.
Das ist aber bei genauer Betrachtung schon jetzt derFall. Da die Beträge steuerlich absetzbar sind – was ichnur feststelle und nicht kritisiere; das war die Geschäfts-grundlage für das Engagement –, haben wir schon jetzteine Relation von 2,5 zu 5,5 Milliarden DM zu Lastender öffentlichen Hände. Sollte sich der Direktanteil desBundes weiter erhöhen, würde sich diese Relation weiterzu Lasten des deutschen Steuerzahlers verschieben.Vermutlich vertrauen diejenigen Unternehmen, die bis-lang so tun, als ginge sie die ganze Angelegenheit nichtsan, darauf, daß der Steuerzahler für sie schon einsprin-gen wird. Das sind die gleichen Unternehmen, die unsam Tag darauf auffordern, doch vorsichtiger mit demGeld des Steuerzahlers umzugehen.
Viele unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger habendie Verhandlungen in den vergangenen Monaten mitgroßem Interesse verfolgt, insbesondere jene, die selberverschleppt, gequält und unter grausamen Bedingungenin Rußland oder in anderen Staaten Zwangsarbeit ver-richten mußten. Vermutlich entspricht es nicht der soge-nannten political correctness, wenn auch einmal an de-ren Schicksal erinnert wird. Es geht hierbei nicht umAufrechnung. Es geht auch nicht darum, den Eindruckzu vermitteln, als habe es hüben und drüben in gleicherWeise Unrecht gegeben und man sei quitt, so daß einSchlußstrich gezogen werden könne. Das wäre in jederHinsicht töricht.Aber es muß erlaubt sein, an dieser Stelle darauf hin-zuweisen, daß auch viele Deutsche Opfer von Ausbeu-tung unter unmenschlichen Bedingungen waren. DieseÜberlebenden werden nicht eine finanzielle Entschädi-gung erwarten oder gar einklagen. Aber zumindest aufeine humanitäre Geste haben sie am Ende dieses Jahr-hunderts ebenso ein Recht wie auch alle anderen Opfervon Unmenschlichkeit und Tyrannei.
Wir danken Herrn Bundesminister a.D. Dr. Otto GrafLambsdorff ausdrücklich dafür, daß er in einer schwie-rigen Phase von schwierigen Verhandlungen im Interes-se unseres Landes Verantwortung übernommen hat. Wirdanken ihm für sein unermüdliches Engagement, dassich wohltuend von dem Treiben seines Vorgängers Bo-do Hombach unterscheidet. Wir hoffen, daß seine Be-mühungen, insbesondere im Interesse der noch lebendenWolfgang Bosbach
Metadaten/Kopzeile:
6850 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, erfolgreichsein werden.Danke für Ihr Zuhören.
Zu einer Kurzinter-
vention gebe ich der Abgeordneten Ulla Jelpke das
Wort.
Das hätten Sie sich sparen kön-
nen, Herr Kollege.
Herr Kollege Bosbach, Sie haben gesagt, der PDS-
Antrag sei unseriös und gehe, wenn man alles zusam-
menfaßt, weit über das hinaus, was die Anwälte in Wa-
shington und in Bonn gefordert haben. Sie wissen ge-
nau, daß die Anwälte zunächst mit 38 Milliarden DM
angefangen haben. Auch wissen Sie, daß heute die For-
derung der Anwälte heißt: weit über 10 Milliarden DM.
Wenn wir unseren Antrag noch einmal zur Grundlage
nehmen, dann würden wir tatsächlich auf mindestens 15
Milliarden DM für die Betroffenen kommen, wenn man
pro Kopf 10 000 DM Entschädigung voraussetzt.
Ich meine aber, daß es nicht alleine das sein kann,
wenn wir darüber diskutieren, ob der Antrag nun unseri-
ös ist oder nicht. Es gibt das Gutachten von Thomas
Kuczynski, das übrigens im Beisein der Anwälte in der
vergangenen Woche hier vorgetragen wurde. Thomas
Kuczynski hat ganz sachlich vorgerechnet, was die In-
dustrie mindestens an den Zwangsarbeiterinnen und
Zwangsarbeitern – zwischen 10 und 15 Millionen Men-
schen – verdient hat. Wenn man die damaligen Löhne in
Reichsmark zur Grundlage nimmt, dann hat er errechnet,
daß etwa 180 Milliarden DM an Gewinn durch diese
Zwangsarbeit erwirtschaftet wurde. Das muß man we-
nigstens einmal zur Kenntnis nehmen.
Darüber hinaus möchte ich Sie darauf aufmerksam
machen, daß es in diesen Tagen eine Anfrage von uns
geben wird, die Sie lesen sollten. Dort werden 2 000
Firmen aufgezählt, die noch existieren und belangt wer-
den könnten.
Ich meine, Sie haben hier sehr richtige Dinge gesagt,
was das Verhältnis zwischen Industrie und deutschem
Steuerzahler bei der Entschädigung angeht. Ich stimme
Ihnen da voll zu, bin aber der Meinung, daß wir gemein-
sam viel mehr Druck auf die deutsche Industrie machen
müssen, daß eben mindestens diese 15 Milliarden DM
zustande kommen, um den Mindestbetrag von 10 000
DM für jeden einzelnen Betroffenen zahlen zu können.
Ich bin außerdem der Meinung, daß man eigentlich
denjenigen Firmen, die sich nicht beteiligen, keineswegs
eine Rechtsschutzgarantie geben dürfte.
Das heißt, daß sie weiterhin verklagt werden können.
Das wäre wohl das mindeste. Ansonsten, Herr Bosbach,
weiß ich, daß Sie es nicht ernst gemeint haben – es ist
ein bißchen propagandistisch –, wenn Sie unseren An-
trag hier in diese Ecke stellen.
Wichtig ist uns, daß die Zahlungen möglichst schnell
getätigt werden; denn mindestens 10 Prozent der Opfer
sterben pro Jahr. Es muß unsere Aufgabe sein, schnell
zu einer Entschädigung zu kommen.
Danke.
Zu einer Erwide-
rung hat jetzt der Kollege Bosbach das Wort.
Frau Kollegin
Jelpke, in aller Kürze: Sie sehen, ich habe den Antrag
nicht, weil er von der PDS kommt, mit spitzen Fingern
angefaßt, sondern Zeile für Zeile gelesen. Wenn Sie
das ernst nehmen, was Sie selber geschrieben haben
oder haben schreiben lassen, dann stimmt das mit den
15 Milliarden DM nicht. Die 15 Milliarden DM ergeben
sich aus den auch vom Fraktionsvorsitzenden genannten
1,5 Millionen Menschen. Wir alle wissen nicht, ob
tausend rauf oder runter. Diese Zahl, multipliziert mit
10 000 DM, ergibt nun einmal 15 Milliarden DM. Sie
können Politik gegen die CDU oder die SPD machen,
aber nicht gegen die Mathematik. Es ergibt 15 Milliar-
den DM.
Hinzu kommt, daß weitere 600 DM „für jeden über
ein Jahr hinausgehenden Monat geleisteter Zwangsar-
beit“ gezahlt werden sollen. Nach den mir zur Verfü-
gung stehenden Unterlagen ist das ein Betrag weit jen-
seits von 30 Milliarden DM.
Ich habe vorhin gesagt, daß Sie natürlich solche An-
träge stellen können. Aber wenn noch nicht einmal ne-
bulös angedeutet wird, woher das Geld kommen soll,
dann muß ich sagen – ich drücke es einmal vornehm aus
–, daß das kein seriöses Vorgehen ist.
Ganz schlimm wird es aber, wenn man gegenüber
den Opfern und den Opferverbänden vortäuscht, als sei-
en dies Leistungen, die realistischerweise erbracht wer-
den könnten, und als ob man als Opfer diese Leistungen
erwarten könnte. Dies ist in jeder Hinsicht unseriös. Wir
sollten uns hüten, Hoffnungen zu wecken, die wir nie-
mals werden erfüllen können.
Nun gebe ich derKollegin Annelie Buntenbach das Wort für die FraktionBündnis 90/Die Grünen.
Wolfgang Bosbach
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6851
(C)
(D)
Es ist gut, daß das Parlament heute über die Entschädi-gung ehemaliger Zwangsarbeiter spricht.
Für uns ist das ein zentrales Anliegen, für das wir unsschon seit vielen Jahren einsetzen. Den Antrag der PDS,der Anlaß für die heutige Diskussion ist, halten wir al-lerdings in der vorliegenden Form nicht für geeignet, dasProblem zu lösen. Im einzelnen können und werden wirdarüber sicherlich im Ausschuß sprechen. Ich hoffe al-lerdings, daß die praktische Entwicklung den Antragdann schon überholt hat,
weil wir einen Schritt weiter auf dem Weg zu einerBundesstiftung vorangekommen sind.
Wir haben dafür Sorge getragen, daß das Versprecheneiner Bundesstiftung in die Koalitionsvereinbarung auf-genommen worden ist. Wir sind froh darüber, dafürendlich die Unterstützung bei allen Fraktionen des Par-laments zu finden. Unser Ziel ist es, für die Opfer nachall den Jahren von Ignoranz und Entwürdigung endlicheine spürbare Entschädigung zu erreichen, wohl wis-send, daß es eine Wiedergutmachung der verlorenenJahre, des Schmerzes sowie der seelischen und körperli-chen Schäden nicht geben kann.Gerade bei dieser Diskussion müssen wir uns immerwieder vergegenwärtigen, um welches Ausmaß vonVerbrechen es eigentlich geht: Rund 10 Millionen Men-schen wurden während des zweiten Weltkriegs vomDeutschen Reich zur Zwangsarbeit herangezogen. VieleUnternehmen haben zur Aufrechterhaltung ihrer Pro-duktion Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter vonstaatlichen Stellen angefordert und gezielt ausgesucht.Schätzungsweise jeder dritte Arbeitsplatz wurde von ei-nem Zwangsarbeiter besetzt.Viele Zwangsarbeiter wurden aus der Heimat, insbe-sondere aus Osteuropa, unter Androhung von Gewaltverschleppt. Sie waren in bewachten Barackenlagernuntergebracht. Unterkunft, Ernährung, Kleidung undmedizinische Versorgung waren ungenügend. Gewalt imLager und Schikanen am Arbeitsplatz gehörten zu ihremAlltag. Besonders dramatisch war die Situation für KZ-Häftlinge und jüdische Zwangsarbeiterinnen undZwangsarbeiter, die quasi im Schatten der Vernichtunggearbeitet haben. Die durch die Haftbedingungen ent-kräfteten Menschen mußten schwere Arbeiten verrich-ten; ihre Lebenserwartung betrug oftmals nur wenigeMonate.Es kann also allein um eine spürbare Geste gegenüberden Opfern gehen. Der einzig konkrete Weg dazu ist dasModell einer Bundesstiftung als Solidarlösung.
Eine Lösung, die allein denjenigen zugute käme, diebei heute zahlungswilligen Firmen beschäftigt waren,schließt viel zu viele aus. Auch jahrelange Prozesse, de-ren Ende viele der Betroffenen nicht mehr erleben wür-den, können nicht im Interesse der Opfer sein, auchwenn wir – im Gegensatz zu in Teilen der Bundesregie-rung weiter vorherrschender Meinung – nach wie vordavon ausgehen, daß es berechtigte Ansprüche und daßes auch Rechtsansprüche der Opfer gibt.Deswegen haben wir vehementes Interesse an demErfolg der laufenden Verhandlungen und sind froh überden Durchbruch, der in Bonn im November erzielt wor-den ist, nachdem man jetzt endlich über einen gemein-samen finanziellen Rahmen redet. Ich möchte von hieraus allen, die ihren Anteil an einer würdevollen Lösunghaben, herzlich danken. Das Projekt kann immer nochscheitern; aber gerade im Interesse der Opfer darf esnicht scheitern.
Unsere Fraktion hat zu den Verfolgtenverbänden inOst und West seit Jahren intensive Kontakte. Mit zahl-reichen Gesprächen auch am Rande der Verhandlungenhaben wir versucht, unseren Teil zu einem Erfolg beizu-tragen. Gerade vor diesem Hintergrund will ich deutlichaussprechen, was noch getan werden muß, damit einewirklich würdevolle Entschädigung zustande kommt.Erstens. Wir können der Industrie, gerade den bislangabseits stehenden Firmen, nicht durchgehen lassen, daßnun der Steuerzahler überproportional für alles haftet,was zum Verantwortungsbereich der Industrie gehört.
Die Industrie hat von der Zwangsarbeit erheblich profi-tiert; sie ist zu diesem Profit nicht gezwungen worden.
Wenn Firmen wie Daimler-Chrysler zu über 200Milliarden DM fusionieren und die englische Telefonge-sellschaft Vodafone für die deutsche Firma Mannes-mann 242 Milliarden DM zahlen will, ist kaum zu glau-ben, daß es der gesamten deutschen Wirtschaft nicht ge-lingen soll, mehr als 5 Milliarden DM zusammenzubrin-gen. Dieses Armutszeugnis werden wir ihr auch nichtausstellen.
Auch die Kommunen und der Bauernverband sindgefragt. Ich muß mich ehrlich fragen: Warum sollenüberhaupt gerade die Firmen Rechtssicherheit bekom-men, die sich weigern, in die Bundesstiftung einzuzah-len?
Die Industrie ist im Gegensatz zum ersten Anscheinohnehin in einer komfortablen Lage. Selbst bei einerhälftigen Beteiligung am Stiftungsfonds kann sie ihrenAnnelie Buntenbach
Metadaten/Kopzeile:
6852 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999
(C)
Beitrag teilweise bis zu 50 Prozent steuerlich absetzen.Bei einem möglichen Stiftungsvolumen von 10 Milliar-den DM würde de facto der Steuerzahler bis zu 7,5 Mil-liarden DM zahlen, die Industrie vielleicht nur 2,5 Milli-arden DM. Aus diesem Grund muß die Politik ihrHauptaugenmerk darauf richten, daß mehr Firmen inden Fonds einzahlen und der Finanzierungsanteil der In-dustrie noch deutlich erhöht wird.Der zweite Punkt: Eine würdevolle und für die Betei-ligten akzeptable Lösung kann nur zustande kommen,wenn alle Gruppen, die auf Grund ihres Verfolgungs-schicksals einen Anspruch darauf haben, auch einbezo-gen werden. Über die Höhe der Entschädigungsbeträgefür die verschiedenen Gruppen kann und muß man si-cherlich reden. Aber wir wollen auch deutlich sagen: Esmuß auch eine Lösung für die in der Landwirtschaft ein-gesetzten Zwangsarbeiter gerade aus Polen und derUkraine geben.
Damit komme ich zum dritten und letzten Punkt: DieDebatte des letzten Jahres hat oftmals vergessen lassen,daß es nicht nur um Geld, sondern auch um die Würdeder Opfer geht. Nicht das Schachern um einzelne Geld-beträge, sondern eine würdevolle Behandlung der bis-lang vergessenen Opfer ist die Leitlinie, wenn die Bun-desstiftung auch zu einer würdevollen Befriedung überdie Erbschaft des Nationalsozialismus beitragen soll. Eswird vor allem die Aufgabe der Politik, des DeutschenBundestages, sein, den Opfern auch ihre Würde wieder-zugeben. Einen Schlußstrich unter die gesamte Ge-schichte des NS-Regimes wird es und kann es auch nichtgeben. Aber zu einer würdevollen Lösung für die Opferam Ende ihres Lebens müssen der deutsche Staat unddie deutsche Gesellschaft bereit sein. Ich hoffe, daß dasProjekt deshalb mit diesen Vorzeichen noch in diesemJahr einen guten Abschluß findet.
Für die F.D.P.-
Fraktion spricht der Kollege Dr. Max Stadler.
Herr Präsident! Meinesehr geehrten Damen und Herren! Ich habe den Ein-druck, daß die Debatte in dieser sensiblen Frage in derVergangenheit allzusehr oder gar ausschließlich unterjuristischen Aspekten geführt worden ist. Seit ich imBundestag bin, waren es eigentlich immer nur einzelneKolleginnen und Kollegen, die sich – bei dem bekanntenRechtsstandpunkt, daß solche Ansprüche rein juristischnicht bestünden – gleichwohl dieses Themas in besonde-rer Weise angenommen und immer wieder versucht ha-ben, dafür zu sorgen, daß die Zwangsarbeiterinnen undZwangsarbeiter eine – angemessene Entschädigung magman gar nicht sagen – symbolische Geldleistung erhal-ten.Auch wenn man bei der Aufzählung Einzelner immerGefahr läuft, anderen Unrecht zu tun: Ich habe im In-nenausschuß erlebt, daß sich dort mein früherer Frakti-onskollege Burkhard Hirsch, für die Fraktion der Grü-nen Volker Beck und in ganz besonderer Weise auch –Herr Kollege Stiegler, das will ich der Fairneß halberhier ausdrücklich erwähnen – unsere Kollegin Ulla Jelp-ke des Themas angenommen haben.Es ist erfreulich, daß heute in dieser Plenardebattealle Fraktionen zum Ausdruck gebracht haben, daß siewünschen, daß die Stiftungsinitiative der deutschenWirtschaft nun zu einem Erfolg führt. Wir sind damitnämlich den entscheidenden Schritt über die rein juristi-sche Betrachtungsweise früherer Legislaturperioden hi-nausgegangen. Die F.D.P.-Bundestagsfraktion jedenfallsunterstützt nachhaltig die intensiven Bemühungen vonOtto Graf Lambsdorff als den Beauftragten der Bundes-regierung, endlich eine Vereinbarung über diese Zah-lungen für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter zuerzielen.Diese Verhandlungen waren zu Beginn des Jahresvom damaligen Kanzleramtsminister Bodo Hombachnicht mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl geführtworden.
Sie sind daher leider monatelang nicht vorangekommen.
Durch den hohen persönlichen Einsatz von Otto GrafLambsdorff besteht nun die leise Hoffnung, vielleichtdoch in der nächsten Verhandlungsrunde im Dezember,also noch im Jahr 1999, Einigkeit über die Höhe derEntschädigungssumme und über die wesentlichen Mo-dalitäten zu erzielen.Dabei ist meiner Meinung nach der Streit müßig, obdie Betroffenen Rechtsansprüche geltend machen kön-nen oder ob weiterhin der Rechtsstandpunkt der Bundes-regierung gilt, daß solche Ansprüche nicht bestehen. Je-denfalls besteht eine moralische Pflicht für die deutscheIndustrie und für die Bundesrepublik Deutschland, andie Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter jetzt end-lich diese Geldbeträge zu leisten.
Aus diesem Grunde verdient die Stiftungsinitiativeder deutschen Industrie Anerkennung. Wenn hier Kritikgeübt wird, dann ist die Situation ähnlich wie in der Kir-che, wo der Pfarrer den ohnehin Gläubigen predigt.Diejenigen, die sich daran beteiligen, nehme ich von derKritik aus. Aber es bleibt ein bitterer Nachgeschmack,daß sich von über 2 000 Unternehmen, die in der NS-Zeit Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter beschäf-tigt haben, bisher nur ein ganz geringer Teil der Stif-tungsinitiative angeschlossen hat.
Das ist beschämend und unverständlich. Das böse Wortvon den „Trittbrettfahrern“ ist in diesem Zusammenhangleider berechtigt, genauso wie die massive Kritik be-rechtigt ist, die von außerhalb des Parlaments geübtworden ist, etwa von Michel Friedman oder von Hans-Jochen Vogel.Annelie Buntenbach
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 74. Sitzung. Berlin, Freitag, den 26. November 1999 6853
(C)
(D)
Man fragt sich auch, warum denn die Wirtschaftsver-bände und ihre Vorsitzenden im Laufe der Debatte ihreStimme nicht kräftiger erhoben haben. Denn Zwangs-mittel – wenn man die Rechtskraft auf alle erstreckt, wasdie Bundesregierung in den Verhandlungen ausdrücklichgewünscht hat – stehen dem Parlament ebensowenig wieden Initiatoren der Stiftungsinitiative zur Verfügung.Daher wäre ein größeres Eigenengagement auch derWirtschaftsverbände sehr wünschenswert gewesen.
Im Laufe der Verhandlungen der letzten Monate istvon allen Seiten immerhin ein Aspekt sehr positiv ge-würdigt worden, nämlich die Tatsache, daß der DeutscheBundestag bei diesen Verhandlungen jeweils mit einerDelegation vertreten war, die aus Mitgliedern allerFraktionen bestanden hat. Dadurch hat das Parlamentzum Ausdruck gebracht, daß es sich seiner hohen Ver-antwortung bewußt ist, diese Entschädigungsleistungennunmehr endlich durchzusetzen.Die F.D.P.-Fraktion wird daher nach – hoffentlichbaldigem – Abschluß der Verhandlungen an einer zügi-gen Beratung und Verabschiedung des Stiftungsgesetzesmitwirken. Übrigens verstehe ich nicht, Herr KollegeStiegler, warum das Stiftungsgesetz nicht schon jetzteingebracht wird. Denn die Struktur, die dort festzulegenist, ist bereits jetzt den Grundzügen nach bekannt. Un-abhängig von den Entschädigungssummen, die am Endeausgehandelt werden, könnten wir eigentlich schon jetztmit der Beratung dieses Stiftungsgesetzes beginnen.
Wenn es dazu kommt – dies ist mein letzter Punkt –,dann wäre es, so glaube ich, ein angemessenes Zeichennach außen, wenn der Deutsche Bundestag am Ende indieser Frage zu einer einmütigen Entscheidung kommenwürde. Denn wir wissen alle, daß hier im Haus – etwavon dem Kollegen Bosbach, der für die Union gespro-chen hat – auf der einen Seite noch Überzeugungsarbeitgeleistet werden muß, damit das akzeptiert wird, wasjetzt Stand der Verhandlungen ist. Wir sehen anhand desAntrages, der heute Anlaß der Debatte war, daß es aufder anderen Seite viel weitergehendere Vorstellungengibt. Es wäre aber für die Wirkung nach außen am Endesehr wichtig, daß wir in dieser Frage Parteitaktik hintan-stellen
und zu einer einstimmigen Entscheidung kommen.
Ich schließe die
Aussprache.
Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage
auf Drucksache 14/1694 an die in der Tagesordnung
aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit
einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überwei-
sung so beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am
Ende unserer Tagesordnung. Ich wünsche Ihnen und
auch unseren Gästen auf der Tribüne des Deutschen
Bundestages ein schönes Wochenende.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Mittwoch, den 1. Dezember 1999, 13 Uhr
ein.
Die Sitzung ist geschlossen.