Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist er-
öffnet. Ich begrüße Sie.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettssitzung mitgeteilt: Investitionsprogramm für den
Ausbau der Bundesschienenwege, Bundesfernstraßen
und Bundeswasserstraßen in den Jahren 1999 bis 2002.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesmi-
nister für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen, Lothar
Ibrügger. Herr Staatssekretär, ich gebe Ihnen das Wort.
L
HerrPräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute mor-gen hat das Kabinett das Verkehrsinvestitionsprogrammfür die Jahre 1999 bis 2002 zur Kenntnis genommen.Mit dieser Entscheidung zeigt die Bundesregierung ih-ren Willen zur Gestaltung einer zielgerichteten, verläßli-chen und realistischen Infrastrukturpolitik. Die Verstän-digung, die Bundesminister Reinhard Klimmt mit demKoalitionspartner zu diesem Punkt erzielt hat, belegt:Die Koalition ist auf diesem Feld handlungsfähig.Wir investieren mit diesem Programm in eine moder-ne und leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur. Damitschaffen wir zentrale Voraussetzungen für mehr Wach-stum und Beschäftigung in Deutschland. Die Unterneh-men und die Bürgerinnen und Bürger wissen, daß Aus-bau und Erhalt unserer Verkehrswege für die Wirtschaftund für unsere mobile Gesellschaft unerläßlich sind. Wirhaben uns für eine solide Infrastrukturpolitik entschie-den. Solide Infrastrukturpolitik zeichnet sich durch reali-stische Investitionspläne und klare Prioritäten aus.In diesem Sinne haben die Regierungsparteien, wie inder Koalitionsvereinbarung beschlossen, den alten Bun-desverkehrswegeplan, der eine unverantwortlich hoheFinanzierungslücke von 80 bis 90 Milliarden DM auf-wies, zu überarbeiten. Das von der Bundesregierungvorgelegte Investitionsprogramm 1999 bis 2002 ist einerster Schritt auf dem Weg zu einer verläßlichen, reali-stischen Investitionsplanung. Das Programm schafft fürdie Regionen Planungssicherheit im Bau und Kontinui-tät. Es faßt alle bereits begonnenen und bis zur Vorlagedes neuen Bundesverkehrswegeplans finanzierbarenMaßnahmen zusammen. Damit erreichen wir Investiti-onsklarheit, Investitionswahrheit und Verläßlichkeit.Dieses Programm wurde auch mit den Ländern erör-tert und abgestimmt. Es entspricht den Koalitionsverein-barungen; Wachstum und Beschäftigung werden sicher-gestellt. Die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ wer-den weitergeführt, und der Aufbau Ost wird fortgesetzt.Bereits begonnene Investitionsvorhaben werden zügigumgesetzt.Das Programm setzt sich aus zwei Teilen zusammen:hochprioritären Investitionsmaßnahmen in Höhe von64,5 Milliarden DM und prioritären Investitionsmaß-nahmen in Höhe von 2,85 Milliarden DM. Insgesamtentfallen auf die Neu- und Ausbaumaßnahmen rund36 Milliarden DM. Die restlichen Mittel fließen in dendringend notwendigen Erhalt der in den vergangenenJahren systematisch vernachlässigten Verkehrsinfra-struktur. Mit einem immer größeren Verkehrsnetz wer-den gerade die Investitionen in Ersatz und Erhaltungimmer wichtiger. Wir tragen immerhin für ein Ver-kehrsnetz mit einem Gesamtvermögen von über570 Milliarden DM Verantwortung.Mit dem Investitionsprogramm 1999 bis 2002 setzenwir im übrigen die Akzente. In den alten Bundesländernverteilen sich die Investmittel in Höhe von 28,6 Milliar-den DM bereits jetzt zu 55 Prozent auf die Schienen-wege und zu 45 Prozent auf die Bundesfernstraßen.Inden ostdeutschen Ländern werden wegen des großenNachholbedarfs beim Verkehrswegebau der Bundes-straßen 60 Prozent der Mittel für die Straßen und 40 Pro-zent für die Bundesschienenwege zur Verfügung gestellt.Im übrigen schaffen wir eine Reihe von Maßnahmenzur Angleichung der Straßen- und Schieneninvestitio-nen. Für die Lärmsanierung an Schienenwegen investie-
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ren wir 400 Millionen DM. Viele Jahrzehnte haben Bür-gerinnen und Bürger an vorhandenen Schienenwegenauf Lärmschutz gewartet. Für Eisenbahnkreuzungsmaß-nahmen stehen 800 Millionen DM zur Verfügung, fürS-Bahn-Investitionen 1,2 Milliarden DM. Darüber hin-aus stehen auch noch Mittel für die privat vorfinanzier-ten Schienenwege zur Verfügung.Für die Bundesregierung gilt, daß wir alle Möglich-keiten ausschöpfen wollen, um zusätzliche Mittel für In-vestitionen in den Erhalt und den Ausbau der Verkehrs-infrastruktur zu mobilisieren. Dies betrifft alle Ver-kehrsträger gleichermaßen. Wir sind uns darüber einig,daß aus verkehrs- und klimaschutzpolitischen Gründenein höherer Anteil des Schienenverkehrs am Ver-kehrsaufkommen anzustreben ist. Deswegen sollen nochnicht verausgabte Mittel möglichst für einen höherenAnteil des Schienenverkehrs am Verkehrsaufkommeneingesetzt werden.Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Hinblick auchauf die alten Bundesländer möchte ich betonen: DieVerkehrsprojekte Deutsche Einheit kommen der ge-samten Bundesrepublik Deutschland zugute. Ihre Reali-sierung bedeutet: Deutschland bleibt insgesamt ein erst-klassiger Wirtschaftsstandort mit einer hervorragendenVerkehrsinfrastruktur. Daran muß uns allen gelegensein.Deutschland gewinnt nicht im Gegeneinander, son-dern wir kommen nur gemeinsam voran. Das gilt für dieKonsolidierung der öffentlichen Haushalte und für dieInvestitionen in unsere Stärken, also für die Investitio-nen in Infrastruktur und Bildung, und es gilt für unserenRuf als leistungsfähiges Land insgesamt.
Ich danke Ihnen,
Herr Staatssekretär. – Zur ersten Frage gebe ich der
Kollegin Renate Blank das Wort.
Herr Staatssekretär, zu-
nächst bedaure ich natürlich, daß der Minister nicht an
Ihrer Stelle steht, aber das soll keine Abwertung Ihrer
Person sein, sondern lediglich eine Bemerkung und eine
leichte Kritik am Minister.
Herr Staatssekretär, Sie haben das Investitionspro-
gramm vorgestellt. Meine Frage lautet: Hat sich dieses
Investitionsprogramm finanziell verändert, nachdem
Bündnis 90/Die Grünen reklamiert hatten, und wenn ja,
in welcher Form? Wenn nein, dann erlaube ich mir die
Bemerkung, daß die Grünen wieder einmal eingeknickt
sind.
L
Sehr
verehrte Frau Kollegin Blank, es ist nicht meine Aufga-
be, Bewertungen, die Sie gerade ausgesprochen haben,
zu kommentieren. Aber meine und Ihre verkehrspoliti-
sche Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt, daß fast je-
des Verkehrsprojekt in sich Konflikte birgt. Wir spre-
chen hier über ein Investitionsprogramm, das mehr als
1 000 Projekte im gesamten Bundesgebiet umfaßt. Bei
einer Fülle von Projekten gibt es erhebliche Interessen-
und Auffassungsunterschiede. Dies hat aber nach meiner
Erfahrung weniger mit parteipolitischen Auffassungen,
sondern letzten Endes auch mit der Interessenlage von
Städten und Gemeinden, von Regionen, der Länder ge-
genüber dem Bund und umgekehrt im Hinblick auf die
Priorität einzelner Projekte zu tun.
Dieses Programm, das wir auch den Mitgliedern des
Deutschen Bundestages Anfang September im Entwurf
vorgestellt haben, ist in seinem wesentlichen Kerngehalt
nicht geändert worden, sondern es beruht auf der Zu-
sammenstellung der bereits begonnenen Baumaßnahmen
und enthält eine kleine – aus unserer Sicht leider viel zu
kleine – Zahl von neuen Vorhaben, beispielsweise Orts-
umgehungen zur Entlastung der lärmgeplagten Bevölke-
rung, die wir gerne noch aufgenommen hätten, wenn uns
dafür genügend Geld zur Verfügung gestanden hätte.
Dies ist aber nicht der Fall.
Insofern ist das Investitionsprogramm im Grundsatz
nicht geöffnet worden, sondern so geblieben, wie Sie es
auch zur Kenntnis bekommen haben.
Eine zweite Frage
der Kollegin Blank.
Herr Staatssekretär,
stimmen Sie mir zu, daß keine Veränderung im finanzi-
ellen Bereich eintritt, indem ich die Vorhaben umbenen-
ne und nicht mehr von „vordringlichem Bedarf“, son-
dern von „hochprioritären Projekten“ spreche, und wie
wollen Sie Arbeitsplätze in Deutschland sichern, wenn
die Maßnahmen in den nächsten vier Jahren gestreckt
werden und den Ländern, zum Beispiel Bayern und
Nordrhein-Westfalen, für neue Maßnahmen im Bereich
der Ortsumgehungen, die Sie gerade besonders bewertet
haben, weniger Geld zur Verfügung steht?
L
LiebeFrau Kollegin Blank, allen Beteiligten – den Bundeslän-dern und dieser Bundesregierung, aber auch der Vor-gängerregierung – war klar, daß auf Grund der von derRegierung Kohl eingeleiteten Staatsüberschuldung dieInvestitionsansätze, die das Kabinett für den Bundesver-kehrswegeplan 1992 beschlossen hatte, nicht zu haltenwaren. Dies zeichnete sich schon 1992 gleich nach Be-schlußfassung des Bundeskabinetts über den Bundes-verkehrswegeplan ab, weil es weitaus mehr Maßnahmenim vordringlichen Bedarf des Ausbauplans für die Bun-desfernstraßen und durch das Schienenwegeausbauge-setz gab als überhaupt Finanzmittel zur Verfügung ge-stellt werden konnten. Daraus resultiert bis zur Ver-wirklichung des Bundesverkehrswegeplans im JahreParl. Staatssekretär Lothar Ibrügger
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2012 das Defizit von 80 bis 90 Milliarden DM, das icheben angesprochen habe. Das heißt, alle Beteiligtenwußten, daß dieses ehrgeizige Programm nicht mit denFinanzmitteln in Deckung gebracht werden kann.Im Hinblick auf die hohe Beschäftigungswirkungdurch Investitionen im Verkehrswegebau, auf die wirgroßen Wert legen, werden Sie beim Vergleich derHaupt- und Nichtbautitel feststellen, daß sich die Sum-me dieser Titel seit 1990 – besser: seit der deutschenEinheit und während der Regierung Kohl – so gut wiegar nicht von dem unterscheidet, was wir an Investi-tionsmitteln eingestellt haben. Die Höhe der Investitio-nen pendelt in etwa um 10 Milliarden DM. 1993 lag siebei 10,4 Milliarden; 1998 betrug sie 10,7 MilliardenDM; 1998 lag sie bei 10,4 Milliarden DM. Am Anfangunserer Regierungszeit lag sie bei 10,2 Milliarden DM.In der jetzigen Finanzplanung liegt sie bei 9,9 Milliar-den DM, also bei rund 10 Milliarden DM. Es ist unstrotz der erheblichen finanziellen Nöte, die die Regie-rung Kohl im Hinblick auf unsere Handlungsfähigkeitverursacht hat, glücklicherweise gelungen, Brüche zuvermeiden. Mit 10 Prozent der zu zahlenden Zinsenkönnten wir alle 950 Ortsumgehungen, die wir nochbauen wollen, heute in Auftrag geben. Dafür würden10 Prozent von 82 Milliarden DM Zinsen ausreichen.Deswegen bitte ich um Nachsicht. Es gibt keine wesent-lichen Rückgänge; vielmehr gibt es im Hinblick auf diefinanziellen Verpflichtungen und auch im Hinblick aufdie steigenden Aufwendungen für die private Vorfinan-zierung der entsprechenden Erhaltungsinvestitionen einehöhere Bindungswirkung für künftige Haushaltsjahre,als uns lieb ist. Aber dies war allen Beteiligten von An-fang an klar.
Eine Frage des
Kollegen Manfred Grund.
Herr Staatssekretär, die
Diskussion über das Verkehrswegeinvestitionsprogramm,
das heute im Kabinett besprochen worden ist, ist letzte
Woche verschoben worden, weil es innerhalb der Regie-
rungsparteien Unstimmigkeiten über die Gewichtung von
Straßenbau- und Schienenprojekten gegeben hat.
Eine der ersten Entscheidungen der Regierung war,
das Schienenprojekt, die ICE-Trasse zwischen Nürnberg
und Erfurt, nicht weiterbauen zu lassen. Davon betroffen
sind Bayern, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Damit
wurde ein Investitionsvolumen von ungefähr 8 Milliar-
den DM aus dem Verkehrswegeinvestitionsprogramm
herausgenommen, so daß es jetzt ein leichtes ist, ein
Ungleichgewicht zwischen Schiene und Straße zu dia-
gnostizieren und zu sagen: Es besteht nach wie vor
Handlungsbedarf.
Die Bundesregierung hat uns gegenüber damals in
Thüringen diese Maßnahme so begründet: Wir haben
dadurch mehr Geld zur Verfügung, um die Mitte-
Deutschland-Schienenverbindung auszubauen und die
Bayern-Sachsen-Magistrale bzw. die Franken-Sachsen-
Magistrale beschleunigt auszubauen. Haben diese
Überlegungen heute im Kabinett oder im Vorfeld eine
Rolle gespielt?
L
Herr
Kollege, die Bemühungen, den Anteil der Schiene am
gesamten Investitionsvolumen zu erhöhen, habe ich
schon deutlich bekundet. Dazu zählen alle Projekte auch
im Rahmen der Überlegungen der Deutschen Bahn AG
über den Ausbau ihrer Netze – Netz 21.
Vielleicht sollte ich der Öffentlichkeit auch einmal
den Unterschied zwischen dem Schienenwegeausbauge-
setz und dem Ausbauplan für die Bundesfernstraßen
deutlich machen. Für die Bundesfernstraßen legt das
Parlament die einzelnen Straßenbaumittel fest. Im Rah-
men des Schienenwegeausbaugesetzes müssen wir auch
auf die Eigenmittel und auch auf die Initiativen der
Deutschen Bahn AG als Eigentümerin des Netzes set-
zen, an welchen Stellen und zu welchen Zeitpunkten
entsprechende Planfeststellungsverfahren initiiert wer-
den. Dies liegt nicht in der Hand der Bundesregierung.
Deswegen haben wir immer wieder bei der Beant-
wortung der Fragen im Plenum des Deutschen Bundes-
tages darauf hingewiesen, daß wir im Gegensatz zum
Ausbauplan für die Bundesfernstraßen in hohem Maße
auch auf die Potentialabschätzung künftiger Träger der
Deutschen Bahn AG angewiesen sind. Sie sind in dieses
Investitionsprogramm 1999/2002 mit eingeflossen. Dar-
auf beruhen im Kern nicht nur die beschriebenen Finan-
zierungsschwierigkeiten, sondern auch die Tatsache, daß
es zu Verschiebungen im Ausbau der auch von Ihnen
angesprochenen Magistrale kommt.
Die Bundesregierung verfolgt weiterhin die Zielrich-
tung, die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ mit Vor-
rang zu verwirklichen. Dazu zählt das von Ihnen ange-
sprochene Projekt, dazu zählen aber auch die Mittel-
Deutschland-Bahn, die Sachsen-Magistrale, aber natür-
lich nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel.
Das gebietet schon das Haushaltsgesetz.
Eine zweite Frage
des Kollegen Grund.
Ich stelle zunächsteinmal fest, daß man in einer Fragestunde zumindestlernt, daß man auf konkrete Fragen keine konkretenAntworten zu erwarten hat. Lassen Sie mich noch einekonkrete Frage zu einem anderen Bereich stellen, demStraßenbereich. In der Antwort auf die Frage meinerKollegin Blank haben Sie gesagt, mit 10 Prozent derZinsen, die der Bund zu zahlen habe, könnte man 950Ortsumfahrungen bauen,
die jetzt noch im Bedarfsplan sind. Sie vermitteln immerwieder den Eindruck, als wäre das Geld, das als Kreditaufgenommen worden ist, irgendwann einmal in dieLuft geschossen worden. Mit einem Großteil dieserKredite ist genau die Verkehrsinfrastruktur geschaffenworden, die wir jetzt in den neuen Bundesländern haben,und wir müßten wahrscheinlich noch 2 000 oder 3 000Ortsumfahrungen bauen, hätten wir nicht schon im Vor-Parl. Staatssekretär Lothar Ibrügger
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griff Kredite aufgenommen und Ortsumfahrungen ge-baut. Ich finde diese Argumentation unredlich.Ich möchte Sie etwas fragen, was die Verkehrspro-jekte „Deutsche Einheit“ anbetrifft. Ich spreche jetzt fürThüringen, für mein Bundesland. Im Investitionspro-gramm haben für Thüringen drei Autobahnen eine Rollegespielt, die A 71, die A 73 und die A 38. Ich möchteSie konkret fragen: Hat es zeitlich oder finanziell zu derVorlage, die vor einer Woche ins Kabinett gegangen ist,durch das, was das Kabinett heute beschlossen hat, Ver-änderungen gegeben?L
Erstens, Herr Kollege: Das Kabinett hat nichts be-
schlossen. Das Kabinett hat dieses Investitionspro-
gramm zur Kenntnis genommen. Und wenn Sie fragen,
ob sich gegenüber der vergangenen Woche etwas ge-
ändert hat, sage ich Ihnen: Am Investitionsprogramm
hat sich im Inhalt nichts geändert, sondern es ist heute
eine öffentliche Darstellung des Willens und des Wol-
lens der Bundesregierung dazu gegenüber der Presse,
der Öffentlichkeit und durch meinen Beitrag auch
Ihnen gegenüber erfolgt. Also gegenüber der vergan-
genen Woche keine Änderung im Investitionspro-
gramm. – Erste Antwort.
Die zweite Antwort: Herr Kollege, Sie sagen, die
Kredite sind für Investitionen aufgenommen worden. Ich
widerspreche auch persönlich Ihrer Darstellung hier, als
sei es unredlich, wenn ich auf die Zusammenhänge zwi-
schen Bindungswirkungen von Kreditaufnahmen, Zins-
verpflichtungen und Handlungsfähigkeit der jetzigen
Regierung hinweise. Die Zinsverpflichtungen in Höhe
von 82 Milliarden DM sind eben für andere Aufgaben
und Investitionen nicht mehr zu verwenden. Das ist
Klartext.
Der Investitionstitel ist in den vergangenen Jahren bei
etwa 10 Milliarden DM geblieben, auch zu einem Zeit-
punkt, im Bundestagswahljahr 1998, als Sie noch Bun-
desvermögen in Höhe von 20 Milliarden DM verkauft
haben, ohne daß in irgendeiner Weise erkennbar gewe-
sen wäre, daß Sie damit den Investitionsanteil für die
Verkehrswege erhöht hätten.
Eine Frage des
Kollegen Horst Friedrich .
Verehrter Herr
Staatssekretär, der Bundesminister für Verkehr, Bau und
Wohnungswesen hat heute im Zusammenhang mit dem
Investitionsprogramm der Deutschen Presseagentur er-
klärt, daß der Bahnbau zukünftig von noch offenen
Sparvorgaben verschont werden soll. Meine Frage: Da
in Ihrem Haushalt ausschließlich die noch nicht bezif-
ferte globale Minderausgabe von immerhin 2,3 Milliar-
den DM zur Verfügung steht, heißt das, daß ausschließ-
lich der Straßenbaubereich das Sparvolumen zu tragen
hat, nachdem Sie für diesen für die nächsten vier Jahre
eine Erhöhung der Zahllast von über 20 Milliarden DM
beschlossen haben?
Zur Vereinfachung,
Herr Staatssekretär – ich sehe die fragenden Blicke, die
Sie mir zuwerfen – sollten wir wie folgt verfahren:
Wenn der Fragesteller seine Frage beendet hat, hat der
Staatssekretär grundsätzlich das Wort.
L
Herz-
lichen Dank, Herr Präsident.
Lieber Herr Kollege Friedrich, ich habe heute über
das im Kabinett vorgelegte Investitionsprogramm be-
richtet. Das heißt, die Beratungen über die Haushalte
2001 und 2002 sowie die Erwirtschaftung der globalen
Minderausgabe im Rahmen des Sparkonzeptes stehen
weiterhin an. Deswegen kann ich Ihnen heute keine ex-
akte Antwort darauf geben, in welcher Größenordnung
und zu welchem Anteil im Rahmen der bisher im Spar-
konzept vorgesehenen globalen Minderausgabe gegebe-
nenfalls Kürzungsanteile auf Straße oder Schiene ent-
fallen.
Eine zweite Frage.
Es ist erstaun-
lich, daß der Minister offenbar schon weiter ist.
Zweite Frage. Er hat im Zusammenhang mit diesem
Investitionsprogramm gleichzeitig erklärt, zusätzlich zum
Investitionsprogramm sollten bis 2002 weitere 5,4 Mil-
liarden DM für die Schiene sichergestellt werden. Sie
haben uns aber gerade hinlänglich erklärt, wie schwierig
die Haushaltssituation ist. Wo, um Gottes willen, be-
kommen Sie die zusätzlichen 5,4 Milliarden DM her?
L
HerrKollege Friedrich, ich verweise hier auf die Ansätze inunserem Investitionsprogramm. Sie kennen auch die Fi-nanzierungsbedingungen, die ich eben erläutert habe, dieaber offenkundig nicht überall bekannt sind, wie ichfeststellen muß, wenn von den Kollegen der Vorwurfder Belehrung gemacht wird. Wir haben hier zum einenüber Investitionsanteile aus dem Bundeshaushalt zusprechen und zum anderen über Eigenmittel der Deut-Manfred Grund
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schen Bahn AG, die in der entsprechenden Größenord-nung zusätzlich einzubringen sind.Es ändert sich aber gegenwärtig nichts an dem Ge-samtvolumen, das ich Ihnen für Straße und Schiene ge-nannt habe. Ich habe es deutlich gesagt: Wenn es nachuns ginge, würden wir gern mehr investieren, um denAufgaben der Verkehrsinfrastruktur besser nachkommenzu können.
Eine Frage des
Kollegen Dr. Wolf.
Sehr geehrter Herr Staats-
sekretär, das Ministerium von Herrn Klimmt und die
Bundesregierung wählen den Weg eines Investitions-
programms. Das ist vertretbar; da wird ein Korsett an-
gelegt. Meine Frage lautet: Warum wird das Investiti-
onsprogramm nicht in den Rahmen eines baldigen neuen
Bundesverkehrswegeplans gestellt und durch diesen
untermauert? Stimmen Sie mir zu, daß nach den gesetz-
lichen Vorgaben und den Praktiken der letzten 20 Jahre
im Bundestag alle fünf Jahre ein solcher Bundesver-
kehrswegeplan aufgestellt wurde, daß der letzte 1997
ausgelaufen ist, daß der Verkehrsminister der alten Bun-
desregierung, Herr Wissmann, ihn erneuern wollte und
daß jetzt Herr Müntefering ein Jahr Zeit hatte, einen
neuen Bundesverkehrswegeplan aufzustellen? Warum
kann er erst im Jahr 2002 vorgelegt werden?
L
Herr
Kollege Dr. Wolf, erlauben Sie mir, daß ich die Begriffe
klarstelle. Sie haben einmal vom Bundesverkehrswege-
plan gesprochen, auf den ich auch in meiner Erklärung
abgehoben habe. Er wurde 1992 vom Kabinett beschlos-
sen und sollte bis 2012 umgesetzt werden. Ich habe
ebenso darauf hingewiesen, daß es im Hinblick auf die
zu erwartenden, klar erkennbaren finanziellen Schwie-
rigkeiten schon jetzt zu einer erheblichen Unterfinanzie-
rung gekommen sei, und zwar über alle Verkehrsträger
hinweg: Schiene, Wasser und Straße.
Sie haben gerade einzelne Gesetze angesprochen – das
Schienenwegeausbaugesetz und den Ausbauplan für die
Bundesfernstraßen –, in denen durch das Parlament bei
vordringlichem Bedarf die Vorhaben und Ortsumgehun-
gen festgelegt worden sind, die bis zum Jahr 2012 nach
Möglichkeit verwirklicht werden sollten. Die Erfahrung
zeigt jetzt aber, daß allein angesichts der in der Vergan-
genheit angenommenen Investitionsanteile für die Straße
der Zielzeitpunkt 2012 nicht eingehalten werden kann,
sondern erst 2028 der Verwirklichungszeitpunkt wäre.
Auf Grund dieser völlig unrealistischen Erwartung
haben wir entschieden, daß der Bundesverkehrswege-
plan als Ganzes überarbeitet wird. Der erste Schritt dazu
ist, für die Investitionen bis 2002 unter Maßgabe der Fi-
nanzplanung Klarheit zu schaffen. Der zweite Schritt ist,
alle Prognosen zur künftigen Verkehrsentwicklung von
1992, die in manchen Dingen völlig falsch lagen, die
zum Beispiel die Entwicklung des Güterverkehrs auf der
Straße und des kombinierten Verkehrs auf der Schiene
sowie die Wirkung des Individualverkehrs und des Luft-
verkehrs völlig überschätzt haben, auf eine neue, rea-
listische Grundlage, auch bezüglich des Einwohner-
wachstums, der Bevölkerungsverteilung und des Wirt-
schaftswachstums, zu stellen. Diese Aufträge werden
gegenwärtig durchgeführt.
Wir wollen dem Parlament mit dem Verkehrsbericht
2000 im nächsten Jahr die Ergebnisse der Überprüfung
der bisherigen Annahmen über die künftige Verkehrs-
entwicklung sowie die Schlußfolgerungen, die wir dar-
aus für die Überarbeitung des Bundesstraßenausbauge-
setzes und des Schienenwegeausbaugesetzes ziehen,
vorlegen.
Wir möchten Ihnen auch vorschlagen, in Zukunft den
Ausbau der Wasserstraßen durch eine Entscheidung des
Gesetzgebers als „vordringlichen Bedarf“ einzustufen
und es nicht, wie bisher, allein der Bundesregierung zu
überlassen, in welchem Maß der Ausbau der Bundes-
wasserstraßen finanziert wird.
Eine weitere Frage
des Kollegen Dr. Wolf.
Herr Staatssekretär, mir
ist die Entscheidung, die Sie genannt haben, bekannt.
Ihnen ist aber auch bekannt, daß der Bundesverkehrs-
wegeplan, der bis zum Jahr 2012 angelegt war, alle fünf
Jahre aktualisiert, überarbeitet und zum Teil sogar neu
aufgestellt wird. Selbst wenn man das ausklammert,
bleibt die Frage: Wenn der letzte Bundesverkehrswege-
plan derart entgleist ist, wie Sie es selbst dargelegt ha-
ben – bei der Schiene gibt es im Güterverkehr keinen
Zuwachs, sondern ein Minus von 40 Prozent –, müßte
die rotgrüne Regierung, die angetreten ist, eine Ver-
kehrswende vorzunehmen, dann nicht in erster Linie sa-
gen, daß für einen neuen Bundesverkehrswegeplan eine
neue Prognose erstellt werden muß, um eine wirkliche
Wende hin zur Schiene zu realisieren?
L
Daranarbeiten wir, Kollege Dr. Wolf. Ich hatte Ihnen die er-sten Schritte schon geschildert. Dies geschieht in einemsehr umfangreichen Maß unter Beteiligung von wissen-schaftlichen Instituten und vielen anderen, so daß wir inZukunft beispielsweise in der Lage sein werden, aus je-der einzelnen Verkehrszelle in der BundesrepublikDeutschland die Güterverkehrsbeziehungen und die Per-sonenverkehrsbeziehungen aufzuzeigen. Diese Arbeitenlaufen gegenwärtig.Im Vollzug der laufenden Projekte arbeiten wir stän-dig an der Überprüfung des Bundesschienenwegeaus-baugesetzes und des Ausbauplans für die Bundesfern-straßen. Ich will es Ihnen am Beispiel der Bundesfern-straßen darstellen: 1992 hatte das Kabinett Kohl imHinblick auf die Finanzierung angenommen, man würdemit 108 Milliarden DM für alle Bundesfernstraßen aus-kommen, jetzt sind wir bei Kosten in Höhe von 152Milliarden DM angekommen, so daß auch das gesamteFinanzierungstableau daraufhin zu überprüfen ist, wasParl. Staatssekretär Lothar Ibrügger
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wir unter effizientem Einsatz der Mittel an Verkehrs-wirksamkeit insgesamt erreichen können. Das beinhal-tet, die Netzwirkung zu erhöhen, die Knotenpunkte, beidenen es Schwächen und Engpässe gibt, zu identifizie-ren und darauf die Investitionen ganz gezielt auszurich-ten. Diese Grundlagenarbeit und diese Überprüfungenlaufen gegenwärtig. Wir werden Ihnen dazu im nächstenFrühjahr oder Sommer im Verkehrsbericht 2000 die ent-sprechenden Informationen darlegen.
Mit Blick auf die
vielen Fragesteller, die auf meiner Liste stehen, bitte ich
diese, sich möglichst kurz zu fassen, und den Staatsse-
kretär um eine möglichst kurze Beantwortung.
Der Kollege Eduard Lintner bitte.
Herr Staatssekretär, Sie
haben vorhin davon gesprochen, daß damit eine verläß-
liche Planungsgrundlage für die Kommunen geschaffen
werden soll. Habe ich Sie richtig verstanden, daß die Fra-
ge, ob sich die globale Minderausgabe auf dieses Investi-
tionsprogramm noch einmal vermindernd auswirkt, heute
noch nicht im Kabinett entschieden worden ist?
L
Herr
Kollege Lintner, die Liste der sogenannten hochprioritä-
ren Maßnahmen – das sind weit über 1000 – ist unter
Maßgabe der voraussichtlich zur Verfügung stehenden
Mittel aufgestellt worden. Ich muß hier wiederholen: Es
ist heute verfrüht, zu sagen, in welcher Art und Weise
und mit welchem Anteil sich die globale Minderausgabe
im Haushaltsjahr 2001/2002 bei Schiene oder Straße
niederschlagen wird.
Wir wollen dadurch Planungssicherheit schaffen, daß
wir vor allem die Maßnahmen aufgenommen haben, die
jetzt bereits im Bau sind und für die Aufträge mit erheb-
licher zeitlicher Bindungswirkung bis zum Jahre 2002
erteilt worden sind. Man kann sagen, daß durchschnitt-
lich 85 Prozent der jetzt im Investitionsprogramm aufge-
führten Projekte und die Dotierung der Mittel, die dort
jedem Einzelprojekt zugeschrieben wird, bereits durch
laufende Auftragserteilungen abgedeckt sind und damit
Bindungswirkung bis zum Jahre 2002 auslösen.
Eine weitere Frage
des Kollegen Lintner.
Herr Staatssekretär,
können Sie den Anteil der Mittel beziffern – sei es pro-
zentual oder in absoluten Zahlen –, der für den Beginn
neuer Maßnahmen außerhalb der VDE bis 2002 tatsäch-
lich zur Verfügung stehen wird?
L
Herr
Kollege Lintner, das ist eine Liste von über 55 Maß-
nahmen. Wenn Sie erlauben, stelle ich sie Ihnen schrift-
lich zur Verfügung.
Eine Frage der
Kollegin Karin Rehbock-Zureich.
Herr Staatssekre-
tär, sind auch Sie der Auffassung, daß das, was wir
heute abgefragt haben, im Grunde genommen die Bi-
lanz der Mangelverwaltung der vergangenen Regierung
Kohl ist?
L
Frau
Kollegin Rehbock-Zureich, ich sagte es vorhin schon:
Ich möchte mich als Mitglied der Regierung nicht an der
Bewertung der im Bundestag vertretenen Parteien und
ihrer verkehrspolitischen Auffassungen beteiligen. Ich
habe aber deutlich genug beschrieben, daß im Hinblick
auf die Verwirklichung von Projekten des Bundesver-
kehrswegeplans in der Vergangenheit eine völlig über-
spannte Erwartungshaltung aufgetreten ist. Die Schere
zwischen den Erwartungen und den tatsächlichen Mög-
lichkeiten, die Vorhaben, die wir alle als dringlich anse-
hen, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger zu ver-
wirklichen, ist durch die Staatsverschuldung größer ge-
worden. Sie lähmt uns in gewisser Hinsicht, zusätzliche
Gelder bereitzustellen. Wir arbeiten aber daran. Ich habe
es deutlich erklärt: Wir bemühen uns um mehr Investi-
tionen für die künftigen Haushalte, insbesondere auch
um die Einbeziehung der streckenbezogenen Lkw-
Gebühr ab 2002 als zusätzliche Einnahme für den Ver-
kehrswegehaushalt und damit für die Unterhaltung unse-
res Verkehrswegenetzes.
Ich bitte die näch-
sten Fragesteller, sich auf eine Frage zu konzentrieren.
Kollege Dirk Fischer, bitte
Herr Staats-sekretär, angesichts der Tatsache, daß bis 2002 dieStraßenbauinvestitionen um 5 Milliarden DM gekürztwerden, Sie, wie heute vom Kabinett festgelegt wurde,bei der Verteilung von 5 Milliarden DM globaler Min-derausgabe die Schiene vollständig verschonen wollenund also davon auszugehen ist, daß fast alles weitüberwiegend erneut zu Lasten der Straßenbauinvesti-tionen gehen muß, und angesichts der Auswirkungenauf viele Projekte, auch die VDE, auf das Schicksal derTiefbauunternehmen – gut 100 000 Arbeitsplätze in derTiefbauwirtschaft sind betroffen – und der volkswirt-schaftlich negativen Effekte für Deutschland und Eu-ropa frage ich Sie, ob Sie eine andere Prioritätenset-zung als zu Lasten der Straßenbauinvestitionen fürmöglich halten. Ist es vertretbar, so einseitig zu Lasteneines Investitionsbereichs vorzugehen? Heute hat dasKabinett mit den zusätzlich 5,4 Milliarden DM fürSchieneninvestitionen, die plötzlich da sind, unter Be-weis gestellt, daß Prioritätensetzungen möglich sind.Ich frage mich, warum nicht auch eine Prioritätenset-zung zugunsten des Straßenbaus möglich ist, zumal Siemit der Ökosteuer bis 2003 zusätzlich 47 MilliardenDM überwiegend aus dem Bereich des Straßenverkehrsschöpfen.Parl. Staatssekretär Lothar Ibrügger
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999 5789
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(D)
Herr Kollege Fi-
scher, Sie sollten aber nicht sich fragen, sondern den
Staatssekretär.
L
Lieber
Kollege Fischer, aus der allgemeinen verkehrspoliti-
schen Debatte wissen Sie, daß wir als Koalition die Ver-
kehrsträger Schiene und Straße auch in den nächsten
Jahren dieser Legislaturperiode gleichgewichtig behan-
deln werden. Das hat ganz eindeutig objektive Gründe.
Wir wollen nicht die Straße auf der einen oder die
Schiene auf der anderen Seite vernachlässigen. – Bei Ih-
rer Fragestellung hatte ich den Eindruck, daß das eine
gegen das andere ausgespielt werden sollte. Das ist nicht
unsere Politik. – Denn jede Verstärkung der Effizienz
der Schiene hilft auch staugeplagten Autofahrern. Jede
Verbesserung des Schienenpersonennahverkehrs hilft
auch, Knotenpunkte und Engpässe im Straßennetz, in
Stuttgart, in München oder in Frankfurt, zu entlasten. In-
sofern möchten wir uns an Ihrem Spiel nicht beteiligen.
Wir wollen die entsprechende Stärkung der Verkehrs-
träger Schiene und Straße. Jede Investition – 1 Mil-
liarde DM sichert 12 000 Arbeitsplätze – ist wichtig für
Wachstum und Beschäftigung. Davon lassen wir uns
leiten.
Der Kollegin Reh-
bock-Zureich stand noch eine zweite Frage zu.
Herr Staatssekretär,
sehe ich es richtig, daß dieses Investitionsprogramm als
Brücke zum neuen Verkehrswegeplan zu gelten hat?
Spielen in der anstehenden Entscheidung bezüglich
eines neuen Bundesverkehrswegeplanes die Integration
der unterschiedlichen Verkehrsträger und deren Ver-
knüpfung eine wesentliche Rolle? Sehe ich es richtig,
daß dieser Gesichtspunkt in diesem Zusammenhang ein
wesentlicher Schwerpunkt ist?
L
In der
schon jetzt begonnenen Überarbeitung des Bundesver-
kehrswegeplanes bemühen wir uns, gerade die Schwä-
chen aufzuzeigen, in denen durch Überlastungen im Be-
reich von Straße und Schiene an Knotenpunkten Eng-
pässe entstehen, und mit einem gezielten Einsatz von
Mitteln zu einer Integration der Verkehrsträger im Sinne
von Transportketten beizutragen.
Jedes Verkehrsnetz kann nur so leistungsfähig sein
wie die Knoten, die in diesem Netz geknüpft werden.
Einer der Schwerpunkte der Überprüfung des Bundes-
verkehrswegeplanes liegt darin, diese Knotenpunkte im
Personen- und Güterverkehr, wobei innerhalb der
Transportketten durch entsprechende Verlagerungspro-
zesse eine Integration stattfinden kann, zu stärken und
mit besonderem Vorrang zu berücksichtigen.
Eine Frage der
Kollegin Christine Ostrowski.
Ich habe folgendes
Problem: Sie haben gesagt, daß in den entsprechenden
Investitionsplan alle Projekte aufgenommen werden, mit
deren Durchführung schon begonnen worden ist und die
bis 2002 finanzierbar sind. Da Sie die Bewertungskrite-
rien überarbeiten und daher auch die bestehende Pro-
gnose überprüfen werden – diesbezügliche Ergebnisse
wollen Sie uns ja bis zum nächsten Frühjahr vorlegen –,
frage ich mich, wie diese beiden Aspekte zusammenpas-
sen. Denn es könnte ja folgendes zustande kommen: Sie
überprüfen die bestehenden Bewertungskriterien bzw.
die Richtigkeit der Prognose und stellen dann, obwohl
Sie jetzt unter den von Ihnen genannten Voraussetzun-
gen mit der Durchführung eines Projektes beginnen, im
nächsten Jahr fest, daß mit der Durchführung eines be-
stimmten Projektes nach den neuen Kriterien und der
neuen Prognose gar nicht hätte begonnen werden dürfen.
L
Frau
Kollegin Ostrowski, alle die jetzt von uns im Investiti-
onsprogramm vorgestellten Projekte stimmen mit dem
Baurecht überein, sind rechtlich unanfechtbar und bilden
damit eine rechtlich verläßliche Grundlage und übrigens
auch eine Anspruchswirkung im Hinblick auf die Erfül-
lung des gesetzlichen Auftrages, den das Parlament uns
gegeben hat, nämlich den Ausbauplan für die Bundes-
fernstraßen zu verwirklichen.
Das heißt, hier sind Maßnahmen aufgenommen wor-
den, die – erstens – dem vordringlichen Bedarf entspre-
chen und mit deren Durchführung – zweitens – begon-
nen worden ist oder mit deren Durchführung auf Grund
der rechtlichen Unanfechtbarkeit innerhalb der nächsten
Jahre begonnen werden kann. Diese Maßnahmen wer-
den damit keiner erneuten Bewertung unterzogen. Dies
betrifft Projekte in einer Größenordnung von etwa 33
Milliarden DM im Straßenbereich. Nach 2002 führen
allein diese Maßnahmen zu einem Aufwand in Höhe
von weiteren 50 Milliarden DM, um sie überhaupt zu
Ende finanzieren zu können. Aus dem jetzigen Bundes-
verkehrswegeplan Straße ergibt sich ein Volumen von
110 Milliarden DM, die in diese Überprüfung einzube-
ziehen sind.
Eine letzte Frage
zum einleitenden Bericht hat der Kollege Wolfgang
Dehnel.
Herr Staatssekretär,Sie haben in Ihrem einleitenden Vortrag – genauso wiegerade der Bundesminister im entsprechenden Ausschuß– berichtet, daß dem Aufbau Ost und damit dem Aufbauder Infrastruktur in den neuen Bundesländern eine hohePriorität eingeräumt wird.Sie wissen doch, daß das Verkehrswegeplanungs-beschleunigungsgesetz, das wir in der vergangenenWoche beraten haben, durch Ihre Mehrheitsentschei-dung nicht, wie ursprünglich im Bundesratsentwurfvorgesehen, um zehn Jahre verlängert worden ist, son-dern nur um drei, also bis zum Jahre 2002. Vor demHintergrund, daß die Planungen für viele Umgehungen
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5790 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999
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in den ostdeutschen Ländern im Gegensatz zu denen inden westdeutschen Ländern noch nicht erfolgt sind undsich diese Umgehungen erst in der vorausschauendenPlanung befinden, frage ich Sie, wie sich die Bundes-regierung dazu stellt.L
Herr
Kollege, gerade weil wir den Vorrang der Verkehrspro-
jekte „Deutsche Einheit“ nachvollziehbar und solide fi-
nanziert verwirklicht wissen wollen, fließen fast die
Hälfte der vorgesehenen Mittel in Projekte in Ost-
deutschland. Diese Projekte dienen gleichzeitig der Ver-
besserung der Verkehrsverbindungen innerhalb Deutsch-
lands und kommen damit allen Bundesländern im Hin-
blick auf den Güter- und Leistungsaustausch zugute.
Ich sehe keine Besorgnis darin, daß das Parlament
eine Verkürzung der Verlängerung der Geltung des Ver-
kehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes auf drei
Jahre beschlossen hat. Denn ich sehe darin ein hervorra-
gendes Mittel, die von mir soeben beschriebene Ziel-
richtung zu verwirklichen. Jeder der Planungsträger
weiß jetzt, daß er sich gehörig auf die Hinterbeine zu
setzen und seine Planungen sowie Schularbeiten zu ma-
chen hat, damit wir diese Projekte dann auch finanzieren
können. Dieser Gedanke steht dahinter. Deswegen wol-
len wir die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ im we-
sentlichen bis zum Jahre 2004/2005 fertiggestellt haben.
Für alle Projekte, deren Planung bis zum Jahre 2003 be-
gonnen wird, gelten die von Ihnen gerade angesproche-
nen Bestimmungen.
Alle Beteiligten in Ostdeutschland müssen wissen,
daß wir die Projekte in ihrem Sinne so schnell wie mög-
lich verwirklichen wollen. Die Planung für diese Pro-
jekte muß jetzt also unverzüglich in Angriff genommen
werden, damit sie im wesentlichen bis zum Jahre 2005
fertiggestellt sein können.
Herr Parlamentari-
scher Staatssekretär, ich danke Ihnen für den Bericht
und die Beantwortung der Fragen.
Gibt es außerhalb der Fragestunde weitere Fragen an
die Bundesregierung? – Das ist nicht der Fall.
Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 2 auf:
Fragestunde
– Drucksache 14/1836 –
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Re-
aktorsicherheit. Zur Beantwortung steht die Parlamenta-
rische Staatssekretärin Simone Probst zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Dr. Paul Laufs
auf:
Wie ist der aktuelle Stand der Genehmigungsverfahren fürGlaskokillentransporte aus dem Ausland sowie für Transportevon abgebrannten Brennelementen ins Ausland zur Wiederauf-arbeitung?
Si
Herr Kollege Dr. Laufs, Sie fragen nach dem
Stand der Genehmigungsverfahren. Das Bundesamt für
Strahlenschutz hat am 11. Februar letzten Jahres – also
im Jahre 1998 – der Firma Nuclear Cargo Service eine
bis zum 31. Oktober dieses Jahres – also 1999 – gültige
Beförderungsgenehmigung für den Transport von sechs
Glaskokillenbehältern von der Cogema nach Gorleben
erteilt. Beim Bundesamt für Strahlenschutz liegt nun seit
dem 28. Juli dieses Jahres ein neuer Antrag der NCS
vor. Da die zur Genehmigung erforderlichen Unterlagen
zur Zeit allerdings noch unvollständig sind, kann das
Bundesamt für Strahlenschutz keine neue Genehmigung
erteilen.
Anträge auf den Abtransport abgebrannter Brennele-
mente aus den Kraftwerken Biblis, Neckarwestheim,
Philippsburg und Stade wurden von der NCS beim Bun-
desamt für Strahlenschutz gestellt, um Lagerengpässe
und in der Folge Betriebsunterbrechungen im nächsten
Jahr zu vermeiden.
Zur Kontaminationsproblematik hat das Eisenbahn-
Bundesamt, EBA, ein Gutachten in Auftrag gegeben,
das sich mit Fragen der Beförderung von bestrahlten
Brennelementen zu den Wiederaufarbeitungsanlagen der
Cogema in Frankreich und der BNFL in Großbritannien
beschäftigt. Der Gutachtenentwurf ist dem EBA am
28. Oktober dieses Jahres – also 1999 – übergeben wor-
den. Ich versichere Ihnen, daß das Bundesumwelt-
ministerium bemüht ist, die Arbeiten sehr zügig zum
Abschluß zu bringen. Gerne informiere ich Sie dann
auch über die konkreten Ergebnisse.
Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin,
zunächst möchte ich fragen, wann den Mitgliedern des
Umweltausschusses der in der Fragestunde vor acht
Wochen für die nächsten Tage, wie Ihre Kollegin Frau
Altmann damals sagte, angekündigte Bericht vorgelegt
wird? Dieser sollte im einzelnen den Stand der verschie-
denen Genehmigungsverfahren darlegen und, wie Frau
Altmann ebenfalls sagte, auf Herz und Nieren geprüft
werden können.
Si
Selbstverständlich können wir mit den Obleu-ten des Ausschusses sofort einen Termin hierfür verein-baren. Wenn Sie zusätzliche Fragen zu den Genehmi-gungsverfahren haben – ich glaube allerdings, daß wirschon hinreichend und ausführlich geantwortet haben –,geben wir Ihnen gerne unsere Informationen dazu wei-ter. Sie wissen, daß wir in den letzten Wochen im Um-weltausschuß sehr unkompliziert mit den Obleuten derFraktionen Vereinbarungen getroffen und sie sehr aus-führlich informiert haben. Ich freue mich natürlich überjeden Bericht, den ich im Ausschuß von seiten des Um-weltministeriums geben kann, und über ausführlicheDiskussionen. Hier sind wir uns doch wohl einig. AllesWolfgang Dehnel
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999 5791
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weitere sollten wir über die Obleute und den Ausschuß-vorsitzenden einfach gemeinsam in die Wege leiten.
Zweite Frage des
Kollegen Laufs.
Frau Staatssekretärin,
wird sich die Bundesregierung der Forderung, die sich
heute in Pressemeldungen findet, anschließen, Atom-
transporte von einer Einigung mit der Energiewirtschaft
über den Atomausstieg abhängig zu machen?
Si
Sie wissen, daß es hier auf Grund von Recht
und Gesetz keinen unmittelbaren Zusammenhang gibt.
Für uns ist es wichtig, daran festzuhalten, daß Atom-
transporte erst dann stattfinden können, wenn alle si-
cherheitsrelevanten Fragen von der zuständigen Geneh-
migungsbehörde, dem Bundesamt für Strahlenschutz,
geklärt sind. Wenn alle Unterlagen vorliegen und alle
Fragen – auf entsprechende Einzelheiten gehe ich noch
im Rahmen der Beantwortung Ihrer nächsten Frage ein –
geklärt sind, sind die Voraussetzungen für die Durchfüh-
rung der Transporte gegeben.
Ich rufe die Frage 2
des Abgeordneten Dr. Laufs auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Zwischenlagerungvon abgebrannten Brennelementen in Transportbehältern amKraftwerksstandort, und wie ist der aktuelle Stand der Genehmi-gungsverfahren für innerdeutsche Atomtransporte zu Zwischen-lagern?
Bitte, Frau Staatssekretärin, Sie haben das Wort.
Si
Sie fragen zum einen nach der Zwischen-
lagerung von abgebrannten Brennelementen in Trans-
portbehältern am Kraftwerksstandort und zum anderen
nach dem aktuellen Stand der Genehmigungsverfahren
für innerdeutsche Atomtransporte zu den Zwischen-
lagern.
Ich muß folgenden Punkt vorausschicken, weil es in
diesem Zusammenhang zwei verschiedene Begriffsbe-
stimmungen gibt: Soweit mit der Zwischenlagerung be-
strahlter Brennelemente an den Kraftwerksstandorten
eine mehrmonatige Aufbewahrung gemeint ist, kommt
diese in reinen Transportbehältern nicht in Betracht.
Transportbehälter sind nämlich für die Zwischenlage-
rung sicherheitstechnisch nicht ausgelegt. Eine Zwi-
schenlagerung von Transport- und Lagerbehältern an
den Kraftwerksstandorten ist dagegen bei Beachtung der
für die Zwischenlagerung erforderlichen Schadensvor-
sorge nach dem Stand von Wissenschaft und Technik
möglich. Sie bedarf einer genehmigungsrechtlichen Ge-
stattung.
Grundsätzlich – diesen Punkt möchte ich betonen,
weil er in der Presse sehr ausführlich diskutiert und
kommentiert wurde – ist die Bundesregierung der Auf-
fassung, daß eine Zwischenlagerung von abgebrannten
Brennelementen am Kernkraftwerksstandort einer Ge-
nehmigung bedarf. Hierzu müssen noch sehr umfangrei-
che technische und rechtliche Fragestellungen geklärt
werden. Erste Gespräche dazu haben mit Landesvertre-
tern und mit Vertretern der EVUs stattgefunden.
Den zweiten Teil der Frage nach den innerdeutschen
Atomtransporten kann ich wie folgt beantworten. Für
die Kraftwerke Biblis, Neckarwestheim und Philipps-
burg wurden von der NCS beim Bundesamt für Strah-
lenschutz Anträge auf den Abtransport abgebrannter
Brennelemente in innerdeutsche Zwischenlager gestellt.
Einerseits ist die Kontaminationsproblematik für diese
Transporte abgearbeitet, aber andererseits müssen für
die zu verwendenden Transport- und Lagerbehälter noch
die Fragen der Moderatorausdehnung und der Handha-
bung im Zwischenlager abschließend geklärt werden,
bevor das Bundesamt für Strahlenschutz eine Beförde-
rungsgenehmigung erteilen kann.
Zusatzfrage, Herr
Kollege Laufs.
Frau Staatssekretärin,
da in der heutigen Ausgabe der „Frankfurter Rund-
schau“ der Bundesumweltminister mit der Aussage zi-
tiert wird, eine mögliche Selbstverstopfung des Atom-
kraftwerks Stade sei nicht an der Bundesregierung, son-
dern an zu spät gestellten Transportanträgen festzuma-
chen, frage ich Sie: Wann hätten nach Auffassung der
Bundesregierung diese Anträge gestellt werden müssen?
Von welchen Genehmigunszeiten geht die Bundesregie-
rung hierbei aus?
Si
Sie wissen, daß im Moment das Genehmigungsver-
fahren für das Kraftwerk Stade beim Land Niedersach-
sen liegt. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß die Vor-
sorge und die Frage der Entsorgungssicherheit in Ver-
antwortung der Betreiber liegen. Falls sie Engpässe zu
befürchten haben, müssen sie die Anträge sofort stellen.
Unsererseits sind wir sehr daran interessiert, diese An-
träge schnell, aber auch unter Beachtung aller sicher-
heitsrelevanten Maßgaben zu prüfen und dann zu ent-
scheiden.
Weitere Zusatz-
frage.
Frau Staatssekretärin,weshalb hat sich die Zahl der zu erfüllenden Auflagenseit Herbst 1998 von 10 auf rund 100 nahezu verzehn-facht? Diese Zahl muß im Vergleich zum Ausland – Siewissen, daß in der Schweiz, in Frankreich und in Belgi-en die Atomtransporte seit langem wieder durchgeführtwerden – als außerordentlich erstaunlich bezeichnetwerden.Parl. Staatssekretärin Simone Probst
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5792 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999
(C)
Si
Zunächst muß man feststellen, daß die Konta-
mination der Behälter, die lange Zeit nicht bemerkt wor-
den ist, sowohl die Politik – und zwar fraktionsübergrei-
fend; es war nämlich Frau Merkel, die den Trans-
portstopp verhängt hat – als auch die Öffentlichkeit sehr
bewegt hat. Ich denke, daß wir es insbesondere der Be-
völkerung aus Sicherheitsgründen – gerade in der sensi-
blen Frage der Transporte – schuldig sind, alle sicher-
heitsrelevanten Fragen zu klären. Die Entscheidung
hängt von den Gutachten ab, die in Auftrag gegeben
worden sind.
Ich informiere Sie sehr gerne darüber, wer die Gut-
achten in Auftrag gegeben hat und zu welchen Schluß-
folgerungen sie kommen.
Es war das Eisenbahn-Bundesamt, das als zustän-
dige atomrechtliche Aufsichtsbehörde für die Beförde-
rung radioaktiver Stoffe im Schienenverkehr der Deut-
schen Bahn das Öko-Institut und die Gesellschaft für
Anlagen- und Reaktorsicherheit beauftragt hat, ein Gut-
achten zu innerdeutschen Brennelementetransporten in
deutsche Zwischenlager und ein Gutachten zur Beför-
derung von verglasten, hochradioaktiven Abfällen anzu-
fertigen.
Das Gutachten zu innerdeutschen Brennelemente-
transporten in deutsche Zwischenlager wurde im Mai
1999 fertiggestellt. Die Gutachter kommen darin zu dem
Ergebnis, daß das vorgestellte Gesamtsystem für die in-
nerdeutschen Transporte bei Umsetzung der 64 Emp-
fehlungen und Hinweise der Gutachter in allen wesentli-
chen Punkten die Kriterien zur Beförderung von ent-
leerten Brennelementebehältern, Behältern mit be-
strahlten Brennelementen aus Leistungsreaktoren und
Behältern mit verglasten, hochradioaktiven Spaltpro-
duktlösungen im Maßnahmenkatalog die im Gutachten
zu prüfenden Aspekte erfüllt.
Zur Abarbeitung der Empfehlungen und Hinweise der
Gutachter haben die Gesellschaft für Nuklear Service
und die Betreibergesellschaften Vorschläge vorgelegt,
die von den Gutachtern geprüft und bestätigt wurden.
Auf dieser Grundlage werden die zuständigen Behörden
– das Bundesamt für Strahlenschutz, das Eisenbahn-
Bundesamt und die Landesbehörden; es ist nicht nur das
Bundesumweltministerium involviert – die Entschei-
dung treffen, ob Genehmigungen für zukünftige Trans-
porte erteilt werden können.
Das Eisenbahn-Bundesamt hat ein weiteres Gutach-
ten in Auftrag gegeben – das habe ich schon in der
Beantwortung Ihrer ersten Frage erwähnt –, dessen
Entwurf am 28. Oktober 1999 dem EBA übergeben
wurde.
Ich glaube, daß es richtig ist, die Empfehlungen die-
ser Gutachten ernst zu nehmen und abzuarbeiten, wenn
die Transporte wieder genehmigt werden sollen.
Ich danke der Par-
lamentarischen Staatssekretärin Probst.
Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesmini-
steriums für Bildung und Forschung auf. Zur Beant-
wortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Wolf-
Michael Catenhusen zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 3 der Kollegin Gudrun Kopp auf:
Trifft es zu, daß mehr als die Hälfte der öffentlich finanzier-ten außerbetrieblichen Lehrstellen an Jugendliche mit mittleremoder höherem Schulabschluß – also nicht an die eigentlich bil-dungsschwache Zielgruppe – vergeben werden?
W
Frau
Kollegin Kopp, die originäre Zielgruppe des „Sofortpro-
gramms zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit, zur
Ausbildungs-Qualifizierung und Beschäftigung Jugend-
licher“, sind diejenigen Jugendlichen, die im Herbst des
vergangenen Jahres als unvermittelte Bewerber für eine
Berufsausbildungsstelle oder als Arbeitslose bei der
Bundesanstalt für Arbeit gemeldet waren.
Ende September 1998 hatten wir 35 700 unvermit-
telte Ausbildungsbewerber. Interessanterweise verfügten
61 Prozent – 21 672 Bewerber – davon über einen mitt-
leren oder höheren Bildungsabschluß. Nach der aktuel-
len Statistik der Bundesanstalt für Arbeit haben bis Ende
September 1999 14 767 Jugendliche mit mittlerem oder
höherem Schulabschluß im Rahmen des Sofortpro-
gramms eine außerbetriebliche Ausbildung aufgenom-
men – darauf bezieht sich Ihre Frage –; dies macht
53 Prozent der Eintritte in eine außerbetriebliche Aus-
bildung aus. Die Aufnahme in das Sofortprogramm er-
folgte, weil diese Jugendlichen auch nach intensiven
Nachvermittlungsbemühungen der Bundesanstalt für
Arbeit keinen betrieblichen Ausbildungsplatz gefunden
haben. Setzt man diese Zahl in Beziehung zu dem Anteil
der unvermittelten Ausbildungsbewerberinnen und -be-
werbern, so kann man feststellen, daß Jugendliche mit
mittlerem oder höherem Schulabschluß in diesem Pro-
gramm nicht überdurchschnittlich berücksichtigt wur-
den.
Wir möchten Sie darauf hinweisen, daß das Sofort-
programm auch nicht primär oder ausschließlich als Be-
nachteiligtenprogramm konzipiert wurde. Sie wissen,
daß für die Benachteiligten auf dem Ausbildungsmarkt
ein umfangreiches Instrumentarium abgestimmter Hilfen
und Angebote nach dem Sozialgesetzbuch III zur Ver-
fügung steht. Der finanzielle Aufwand für die Förde-
rung der Berufsausbildung benachteiligter Auszubil-
dender nach § 235 und § 240 bis § 247 des Sozial-
gesetzbuches III belief sich allein im Jahr 1998 auf ins-
gesamt 1,5 Milliarden DM. Das Sofortprogramm muß
also als Ergänzungsprogramm zu den ohnehin in Kraft
befindlichen Maßnahmen nach dem Sozialgesetzbuch
gesehen werden.
Eine Zusatzfrage,
Frau Kollegin Kopp.
Ich bedanke mich zunächstfür die Beantwortung meiner Frage.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999 5793
(C)
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Mir geht es darum, herauszufinden, ob und inwieweithier ein Mitnahmeeffekt auftritt, der ja eigentlich zu ver-meiden wäre. Wie läßt sich miteinander verbinden, daßauf der einen Seite 2 Milliarden DM für dieses Programmzur Verfügung gestellt werden und auf der anderen Seitedie für Lehrstellenwerber in den neuen Bundesländernvorgesehenen Mittel um genau diesen Betrag gekürztwerden? Immerhin ist in den neuen Ländern die Arbeits-losigkeit bei Jugendlichen, die einen Ausbildungsplatzsuchen, viel dramatischer als in Westdeutschland.W
Frau
Kopp, wir haben vom Bundesministerium für Bildung
und Forschung die Zahl der sogenannten Lehrstellen-
entwickler in diesem Ausbildungsjahr noch einmal er-
höht. Dabei handelt es sich um Leute, die im wesentli-
chen für die Handwerkskammer im Kontakt mit den
Betrieben neue betriebliche Ausbildungsstellen zu schaf-
fen versuchen. Des weiteren haben wir ein stabiles Ni-
veau der Zahl außerbetrieblicher Ausbildungsplätze im
Sonderprogramm für Ostdeutschland vorgesehen. Es
kann also keine Rede davon sein, daß unser Haus auf
diesem Gebiet eingespart hätte.
Ich wiederhole: Das 2-Milliarden-DM-Programm ist
ein Zusatzprogramm. Angesichts der vorliegenden Zah-
len kann man im Ausbildungsjahr 1998/99 auch nicht
von einem Rückgang der Personenzahl im Bereich der
Maßnahmen nach SGB III reden. Wir gehen vielmehr
davon aus, daß wir das Niveau gehalten haben und zu-
gleich durch das Sonderprogramm neue Wege zu Lehr-
stellen und Arbeitsplätzen erschlossen haben.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Seifert.
Herr Staatssekretär, ich bin
ein bißchen darüber verwundert, daß Sie ausdrücklich
betonten, es handele sich um ein Zusatzprogramm, und
andererseits in bezug auf benachteiligte Jugendliche
mehrfach auf das SGB III verwiesen. Wenn es ein Zu-
satzprogramm ist, brauchen Sie nicht auf SGB III zu
verweisen. Ich hatte ohnehin den Eindruck, daß es dar-
um gehen solle, benachteiligten Jugendlichen dadurch,
daß sie eine eher allgemein gehaltene Ausbildung be-
kommen, eine größere Chance zu geben, auf dem allge-
meinen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Ich möchte von
Ihnen wissen, wie sich das innerhalb dieses Programmes
realisiert oder ob das tatsächlich über SGB III geht.
W
Aus
unserer Sicht hat es keinen Sinn, die Maßnahmen ge-
geneinander zu diskutieren; vielmehr sollten sie im Zu-
sammenhang diskutiert werden. Wir sehen eine sinn-
volle Ergänzung zwischen diesen beiden Strukturen:
Einerseits gibt es die klassische Struktur besonderer
Maßnahmen für benachteiligte Jugendliche, die, bevor
sie in eine reguläre Ausbildung eintreten, dringend vor-
bereitender Maßnahmen bedürfen. Auf der anderen Seite
geht das Sonderprogramm von denjenigen aus, die jetzt
– zum Teil schon seit längerer Zeit – als arbeitslos ge-
meldet sind oder in einer konkreten Situation keinen
Ausbildungsplatz gefunden haben. Beide Strukturen er-
gänzen sich in gewisser Weise gegenseitig dadurch, daß
50 Prozent der jungen Menschen, die über das Sofort-
programm gefördert werden, über einen Hauptschulab-
schluß verfügen oder nicht, während sich das Benach-
teiligtenprogramm vor allem auf diejenigen konzentriert,
die besondere Schwierigkeiten – zum Beispiel keinen
Hauptschulabschluß – haben.
Allerdings ist auch wichtig, daß wir über das Sofort-
programm andere Wege auf dem Arbeitsmarkt öffnen.
Ich meine damit etwa das Thema überbetriebliche Aus-
bildungsplätze. Häufig wird in der Diskussion auch ver-
gessen, daß wir etwa 6 000 bis 7 000 zusätzliche Aus-
bildungsstellen mit den sogenannten regionalen Projek-
ten geschaffen haben. Diese 7 000 Personen tauchen
aber in den Sofortprogramm-Statistiken der Bundes-
anstalt für Arbeit nicht auf. Wir haben auch über die
Qualifizierungs-ABM und die Lohnkostenzuschüsse ein
sehr breit gefächertes Angebot entwickelt, um arbeits-
losen Jugendlichen den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu
ermöglichen. Auf Grund unseres Erfahrungsaustausches
mit den Arbeitsämtern wissen wir eigentlich relativ
präzise, daß die Arbeitsverwaltung hier keine Über-
lappungsprobleme hat, sondern es, da sie beide Projekte
integriert managt, im Output zu einer sinnvollen Ergän-
zung und Verzahnung dieser beiden Maßnahmebereiche
kommt. Wir sehen auf Grund der Erfahrungen des ersten
Jahres kein generelles Überschneidungs- oder Abgren-
zungsproblem, weil diese Programme von einer Stelle,
nämlich von der Arbeitsverwaltung, gefahren werden.
Vielen Dank, Herr
Staatssekretär.
Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundes-
kanzleramtes auf. Die Beantwortung übernimmt der
Staatsminister Rolf Schwanitz. Ich rufe die Frage 4 des
Kollegen Norbert Geis auf:
Trifft es zu, daß die Sitzungen des Bundessicherheitsrates,wie zum Beispiel auch die, in der über den Export eines PanzersLeopard 2 in die Türkei entschieden wurde, geheim bzw. strenggeheim sind?
Herr Kollege Geis, es trifft zu, daß die Sitzungen des
Bundessicherheitsrates geheim sind.
Eine Zusatzfrage.
Wie beurteilen Sie dann
den Sachverhalt, daß der Bundesaußenminister nach
dem Urteil des Fraktionsgeschäftsführers der SPD, Wil-
helm Schmidt – das ist im Bonner „General-Anzeiger“
vom 28. Oktober nachzulesen –, mit dem Thema der
Panzerlieferung an die Türkei – das war Gegenstand der
Verhandlungen des Bundessicherheitsrates – an die Öf-
fentlichkeit gegangen ist?
Herr Kollege Geis, die Bundesregierung sieht keine Ver-anlassung, zu Presseberichten über vertrauliche Angele-genheiten des Bundessicherheitsrates Stellung zu nehmen.Gudrun Kopp
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5794 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999
(C)
Eine weitere Zu-
satzfrage des Kollegen Geis.
Meine Frage geht dahin,
wie Sie den Sachverhalt beurteilen, daß der Bundesau-
ßenminister mit dem von mir vorher genannten Thema
an die Öffentlichkeit gegangen ist.
Ich verweise noch einmal auf meine Antwort zur eben
gestellten Frage: Zu Presseberichten über vertrauliche
Angelegenheiten des Bundessicherheitsrates Stellung zu
nehmen, sieht die Bundesregierung keine Notwendig-
keit.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Hörster.
Herr Staatsminister,
ist Ihnen bekannt, daß der Bruch des Geheimschutzes
der Beratungen des Bundessicherheitsrates strafrechtlich
verfolgt wird
– nein, nein; „strafrechtlich verfolgt wird“; das ist ein
Offizialdelikt, Herr Kollege –, und ist der Bundesregie-
rung bekannt, ob gegen den Bundesaußenminister er-
mittelt wird?
Herr Kollege, ich verweise darauf, daß mein Kollege,
der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper,
zu der strafrechtlichen Seite mit den Antworten auf die
Fragen 26 und 27 Stellung nehmen wird.
Die zweite Frage wird verneint.
Keine weiteren Zu-
satzfragen. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister.
Ich rufe dann den Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Der Kol-
lege Johannes Singhammer hat um schriftliche Beant-
wortung seiner Fragen 5 und 6 gebeten.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Gesundheit. Die Kollegin Dr. Sabi-
ne Bergmann-Pohl hat ihre beiden Fragen, die Fragen 7
und 8, zurückgezogen; der Kollege Dietmar Schlee hat
um schriftliche Beantwortung seiner Fragen 9 und 10
gebeten.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswe-
sen. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische
Staatssekretär Lothar Ibrügger zur Verfügung. Ich rufe
die Frage 11 der Kollegin Ulrike Flach auf:
Zu welchen Streichungen bzw. Bauverzögerungen beimAusbau des Kölner Rings wird es durch die Kürzungen bei derBundesfernstraßenplanung kommen, und wann ist mit einer de-finitiven Entscheidung über den Bau zu rechnen?
L
Frau
Kollegin Flach, von den einzelnen Ausbaumaßnahmen
des Kölner Autobahnringes konnten nur die Bauwerke
Ostmerheimer Straße und Wilhelm-Griesinger-Straße im
Verlauf der A3 und der Umbau des Autobahnkreuzes
Köln-West im Verlauf der A4 in den Entwurf des Inve-
stitionsprogramms 1999 bis 2002 aufgenommen werden.
Damit ist mit einem Baubeginn der übrigen Ausbauab-
schnitte des Kölner Autobahnringes, für die das
Baurecht auch noch nicht vorliegt, voraussichtlich nicht
vor dem Jahr 2002 zu rechnen. Eine definitive Aussage
über einen möglichen Baubeginn ist daher gegenwärtig
nicht möglich.
Zu einer Zusatzfra-
ge die Kollegin Flach.
Haben Sie diese doch sehr
drastische Einschränkung für das Land Nordrhein-
Westfalen in irgendeiner Weise mit dem Verkehrsmi-
nister des Landes Nordrhein-Westfalen, Herrn Stein-
brück, abgestimmt, der ja nun definitiv gefordert hat, die
Mittel aus dem Osten in den Westen zurückzuverlagern
und sie in Nordrhein-Westfalen einzusetzen?
L
FrauKollegin Flach, diese grundsätzliche Debatte über dieVerteilung der Straßenbaumittel nach Länderquoten istzwar in diesem Briefwechsel zum Ausdruck gekommen.Aber Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt wieauch die gesamte Bundesregierung haben deutlich er-klärt, daß sie nicht daran denken, jetzt einen Streit überdie Länderquoten zwischen den Bundesländern zu er-öffnen. Vielmehr kann sich jedes Land – so wie in derVergangenheit – in Zukunft darauf einstellen, daß wireine Finanzierung der Maßnahmen nach Länderquotenvorsehen wollen.Daran gibt es eine aus der Sicht des Landes berech-tigte Kritik; daran gibt es auch nichts auszusetzen: Aberes wirft die Grundsatzfrage auf, wie denn in Zukunft dieMittel auf die Länder verteilt werden sollen. Deswegenhaben wir hier in Berlin die Sachlage erörtert – in engemKontakt mit Minister Steinbrück und dem Staatssekretär– und uns darauf verständigt, daß der Kölner Autobahn-ring im Investitionsprogramm bis 2002 Vorrang genießtund weiter ausgebaut wird.Ich will Ihnen dazu ein Beispiel nennen: Die aktuel-len Kosten für den Ausbau der Strecke vom Autobahn-kreuz Leverkusen bis zum Autobahnkreuz Köln-Nord –das sind 10 Kilometer – betragen 181 Millionen DM.Teile davon sind Bestand des Investitionsprogramms bis2002. Der Abschnitt Köln-West bis Köln-Süd – eben-falls 10 Kilometer – schlägt mit Kosten von 123 Millio-nen DM zu Buche; auch dies ist in Teilen im Investpro-gramm enthalten. Schließlich belaufen sich die Gesamt-kosten für den Abschnitt Köln-Süd bis AutobahndreieckHeumar – 5,6 Kilometer – auf 417 Millionen DM, vondenen Teile im Investprogramm stehen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999 5795
(C)
(D)
Sie sehen: Wir wollen weiter mit Vorrang zur Ver-besserung der Verkehrsverhältnisse im Kölner Raumbeitragen, natürlich unter Maßgabe der zur Verfügungstehenden Mittel. Diese drei Teilstrecken sind im In-vestprogramm eingestellt. Die anderen Maßnahmen, diebeim Kölner Ring mit zu bedenken sind, sind alle nochin einem Planungsstadium, bei dem wir nicht mit Be-stimmtheit sagen können, ob die Baureife bis zum Jahre2002 erreicht wird. Ich kann Ihnen das im Anschlußauch im einzelnen belegen.
Die Kollegen Wolf-
gang Börnsen, Georg Girisch und Klaus Hofbauer haben
um schriftliche Beantwortung ihrer Fragen gebeten; es
handelt sich um die Fragen 12 bis 16. Damit sind wir am
Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen, Herr
Staatssekretär, und rufe den Geschäftsbereichs des Aus-
wärtigen Amtes auf. Die Fragen werden von Staatsmi-
nister Dr. Ludger Volmer beantwortet. Die Fragen 17
und 18 von Dr. Max Stadler werden schriftlich beant-
wortet. Also rufe ich die Frage 19 der Kollegin Ilse
Aigner auf:
Hält die Bundesregierung im Sinne der von ihr immer bean-spruchten Kontinuität in der Außenpolitik an der berechtigtenund bewährten Haltung fest, Präsentationen der sogenannten„Wehrmachtsausstellung“ im Ausland auf keine wie auch immergeartete Weise zu unterstützen und zu fördern?
D
Frau Aigner, zur Frage 19 nehme ich wie folgt
Stellung: Die Bundesregierung plant nicht, den Organi-
satoren der Ausstellung finanzielle Unterstützung zu
gewähren. Soweit erforderlich, ist das Auswärtige Amt
bereit, den Verein bei der Vorbereitung und Durchfüh-
rung der Ausstellung im Ausland zu unterstützen.
Eine Zusatzfrage.
Wie beurteilen Sie die
Kritik an der Ausstellung, die jetzt in der Presse aufge-
bracht worden ist, bezüglich der nicht ganz authenti-
schen Bilder, die dort gezeigt werden?
D
Dazu gibt es selbstverständlich keine offizielle
Meinung der Bundesregierung. Wenn Sie meine pri-
vate wissen wollen: Es wäre besser, solche Fehler wür-
den vermieden. Es ist auch gut, wenn Anstrengungen
unternommen werden, um die Ausstellung zu verbes-
sern.
Insgesamt erfüllt die Ausstellung aber ihren Zweck,
nämlich über üble Machenschaften aufzuklären, die die
Wehrmacht – jenseits der Tatsache, daß sie ohnehin In-
strument eines verbrecherischen Angriffskriegs war –
begangen hat. Wir hoffen, daß diese Ausstellung dazu
beiträgt, daß die öffentliche Auseinandersetzung über
die Rolle der Wehrmacht weiterhin in Gang bleibt.
Eine zweite Zusatz-
frage.
Über das generelle Ziel be-
steht Einvernehmen. Aber plant die Bundesregierung
begleitende Maßnahmen mit dem Ziel einer diesbezügli-
chen Richtigstellung?
D
Die Bundesregierung ist nicht der Organisator der
Ausstellung. Wir begrüßen allerdings, daß eine Korrek-
tur vorgenommen wird. Ansonsten plant die Bundesre-
gierung, nur dann – dies ist schon eine Teilantwort auf
Ihre nächste Frage – ihre Auslandsvertretungen zu be-
teiligen, wenn im Zusammenhang mit der Ausstellung
Symposien, wissenschaftliche Veranstaltungen usw.
vorgesehen sind. Dies wird dann in Zusammenarbeit mit
den Goethe-Instituten geschehen, etwa bei der Einla-
dung der Referenten.
Herr Kollege Lip-
pelt, ich denke, Sie sind einverstanden, wenn der
Staatsminister zunächst die Frage 20 der Kollegin Aig-
ner beantwortet und ich Sie dann aufrufe.
– Ja, natürlich, Sie haben dann zwei Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 20 der Abgeordneten Aigner
auf:
Wenn nein, hat die Bundesregierung die Absicht, die um-strittene Wehrmachtsausstellung indirekt finanziell zu fördern,vor allem dadurch, daß kulturelle Mittlerorganisationen, wie bei-spielsweise das Goethe-Institut im Ausland, begleitende Kollo-quien zur Ausstellung veranstalten?
D
Frau Aigner, die Frage 20 beantworte ich wie
folgt: Die Zweigstellen des Goethe-Instituts im Ausland
sind im Rahmen ihrer Möglichkeiten behilflich, die
Ausstellung in ihren Gastländern zu zeigen. Bei Rah-
menprogrammen, die aus Anlaß der Ausstellung veran-
staltet werden, will das Goethe-Institut eine aktive Rolle
zum Beispiel durch die Vermittlung von Referenten oder
durch die Beteiligung an Kolloquien übernehmen.
Eine Zusatzfrage.
In der Debatte am
13. März 1997 ist zur Wehrmachtsausstellung von
einem Ex-Kollegen von Ihnen, von Herrn Häfner, gesagt
worden:
Es werden diejenigen angeprangert, die heute die
Wahrheit über die historische Vergangenheit fest-
stellen wollen.
Distanzieren Sie sich davon, nachdem klar ist, daß
nicht alles die historische Wahrheit ist?
D
Es gibt keinen Grund für eine Distanzierung. DieAusstellung ist außerordentlich wertvoll und wichtig.Parl. Staatssekretär Lothar Ibrügger
Metadaten/Kopzeile:
5796 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999
(C)
Wenn dort Fehler unterlaufen sind, ist dies den Veran-staltern selbst sicherlich am peinlichsten.
Sie tun gut daran, dies zu korrigieren. Dies schmälertaber die Gesamtaussage und den Grundgehalt der Aus-stellung überhaupt nicht.
Jetzt hat der Kolle-
ge Lippelt zwei Zusatzfragen.
Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung bekannt,
daß von den in der Ausstellung gezeigten 1 433 Bildern
und Fotos jetzt genau 17 als falsch zugeordnet bezeich-
net werden und daß das eine hervorragende Quote für
eine so schwierige Ausstellung mit so schwierigem Ma-
terial ist? Dies gilt besonders, wenn man bedenkt, daß es
sich um einen Raum handelt, in dem auch sowjetische
Massenverbrechen beim Rückzug der Sowjets aus Ost-
polen vorgekommen sind.
D
Herr Kollege Lippelt, das ist mir bekannt. Bekannt
ist auch, daß sich heute die historische Forschung insge-
samt damit schwertut, historisches Bildmaterial richtig
einzuordnen. Daher ist die Quote der richtigen Zuord-
nung – wie Sie sagen – sehr hoch.
Hinsichtlich der gesamten Problematik möchte ich
auf einen Artikel verweisen, den ich gestern im Feuille-
ton der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ auf Seite 49
gelesen habe. Diese ist sicherlich nicht verdächtig, bei
ihrer Kritik an der Wehrmacht über das Ziel hinauszu-
schießen. Dort ist eine meines Erachtens ziemlich gute
Einordnung sowohl der Fehler als auch der Bedeutung
der gesamten Ausstellung gelungen.
Eine zweite Zusatz-
frage?
Herr Staatsminister, da Sie die „FAZ“ gelesen haben,
haben Sie sich möglicherweise auch einmal den Ur-
sprungsaufsatz in den „Vierteljahrsheften für Zeitge-
schichte“ angesehen, auf den die ganze Kontroverse zu-
rückgeht, und haben darin den Satz gelesen:
Daß die Wehrmacht an Verbrechen, besonders im
Gebiet der ehemaligen Sowjetunion und auf dem
Balkan, zum Teil massiv beteiligt war, ist mittler-
weile hinreichend belegt, wenngleich auch noch
längst nicht flächendeckend erforscht.
Glauben Sie nicht, daß es angesichts eines solchen
Satzes geradezu die Aufgabe der Bundesregierung und
ihrer Mittlerorganisationen, wie zum Beispiel des
Goethe-Instituts, ist, solche Ausstellungen im Ausland
massiv mit Symposien zu begleiten?
D
In der Tat, Herr Kollege. In dem von mir ange-
sprochenen Artikel, der übrigens von einem Historiker
verfaßt worden ist, wird darauf hingewiesen, daß die hi-
storische Forschung selbst in der Regel keine Aufklä-
rung betreibt, sondern lediglich Material zur Verfügung
stellt, daß die Aufklärung selber hingegen durch Kultur-
politik, in diesem Fall durch auswärtige Kulturpolitik, zu
leisten ist. Daran beteiligt sich nicht nur diese Ausstel-
lung, sondern – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – auch
die Bundesregierung.
Wir kommen zu den
Fragen 21 und 22 des Abgeordneten Aribert Wolf. Der
Fragesteller ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie
in der Geschäftsordnung vorgesehen. Ich danke Ihnen,
Herr Staatsminister.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums
des Innern auf. Die Fragen werden vom Parlamentari-
schen Staatssekretär Fritz Rudolf Körper beantwortet.
Der Kollege Hartmut Koschyk hat um schriftliche
Beantwortung seiner Fragen, der Fragen 23 und 24, ge-
beten. Das gleiche gilt für die Frage 25 der Kollegin
Cornelia Pieper.
Ich rufe die Frage 26 des Abgeordneten Eckart von
Klaeden auf:
Trifft es zu, daß der Bundesminister des Innern, Otto Schily,wie in der „FAZ“ vom 27. Oktober 1999 berichtet, beklagt hat,es sei gegen die strafrechtlich bewehrte Geheimhaltung der Be-ratungen des Bundessicherheitsrates mehrfach verstoßen wor-den, und welches ist die einschlägige Vorschrift des Strafgesetz-buches?
F
Ich darf folgende Antwort auf
die Frage 26 geben: Bundesinnenminister Schily kom-
mentiert grundsätzlich nicht Zeitungsmeldungen über
vertrauliche Angelegenheiten.
Allgemein ist festzustellen, daß Sitzungen des Bun-
dessicherheitsrates, wie schon vorhin einmal erwähnt,
der Geheimhaltung unterliegen und daß daher Verstöße
gegen die Geheimhaltungspflicht nach § 353 b Strafge-
setzbuch strafbar sein können.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatsse-kretär, ist Ihnen entgangen, daß ich gar nicht nach derKommentierung eines Zeitungsartikels frage? Ich fragevielmehr nach der Richtigkeit der Aussage des HerrnBundesinnenministers. Das ist in der Tat etwas anderes.Meine zweite Frage: Ist Ihnen bekannt, daß nichtnur gegen § 353 b Strafgesetzbuch, sondern auch gegenverschiedene Vorschriften der Geschäftsordnung derBundesregierung verstoßen wurde? Insbesondere durchStaatsminister Dr. Ludger Volmer
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999 5797
(C)
(D)
§§ 12 und 22 Abs. 3 der Geschäftsordnung der Bundes-regierung soll gewährleistet werden, daß die Sitzungender Bundesregierung vertraulich sind.F
Sie beziehen sich auf eine Zei-
tungsmeldung der „FAZ“ vom 27. Oktober 1999, in der
eine Formulierung „dem Vernehmen nach“ – das ist
kein wörtliches Zitat – enthalten ist. Ich gehe davon aus,
daß ich solche Zeitungsmeldungen nicht zu kommentie-
ren habe.
Was die Geschäftsordnung der Bundesregierung an-
belangt: Sie haben die entsprechenden Paragraphen
richtig wiedergegeben.
Eine zweite Zusatz-
frage.
Herr Staatsse-
kretär, in § 353 b Strafgesetzbuch ist als Tatbestands-
voraussetzung genannt, daß durch den Geheimnisverrat
wichtige öffentliche Interessen der Bundesrepublik
Deutschland gefährdet werden. Ist es Ansicht der Bun-
desregierung, daß durch das unbestreitbare In-die-
Öffentlichkeit-Dringen dieser Beschlüsse und durch die
Diskussion im Bundessicherheitsrat eine Gefährdung der
öffentlichen Interessen der Bundesrepublik Deutschland
eingetreten ist?
F
Wie die Gefährdungslage einzu-
ordnen ist, das überlasse ich Ihrer Interpretation. Jeden-
falls ist die Rechtsgrundlage für § 353 b Strafgesetzbuch
eindeutig.
Ich rufe die Frage 27
des Abgeordneten Eckart von Klaeden auf:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, da-mit die zuständigen Strafverfolgungsbehörden solche Geheim-haltungsverstöße verfolgen?
F
Herr Kollege, Sie fragen danach,
welche Maßnahmen die Bundesregierung ergriffen hat,
damit die zuständigen Strafverfolgungsbehörden solche
Geheimhaltungsverstöße verfolgen. Ich antworte darauf:
Die Bundesregierung nimmt Verstöße gegen Geheim-
haltungsvorschriften ernst. Sie entscheidet im Einzelfall
– das ist wichtig –, ob und wie die Strafverfolgungsbe-
hörden einzuschalten sind.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatsse-
kretär, in der öffentlichen Diskussion ist bisher un-
bestritten geblieben, daß – erstens – die Äußerungen
vom Bundesaußenminister in die Öffentlichkeit getragen
worden sind und daß – zweitens – die Aussage richtig
ist. Ist der Bundesaußenminister im Sinne von § 353 b
Strafgesetzbuch befugt gewesen, diese Äußerungen in
die Öffentlichkeit zu tragen?
F
Ich habe Ihnen auf Ihre Frage ge-
antwortet, daß die Bundesregierung im Einzelfall ent-
scheiden wird. Bei dieser Antwort bleibt es – auch im
Hinblick auf die von Ihnen zitierte öffentliche Diskussion.
Eine weitere Zu-
satzfrage.
Muß ich Ihre
Antworten auf meine Zusatzfragen zu Ihren Antworten
auf die Fragen 26 und 27 unter dem Kapitel „Keine
Antwort ist auch eine Antwort“ verbuchen?
F
Herr Kollege, wie Sie diese
Antwort interpretieren, ist Ihre Sache. Ich habe darauf
hingewiesen, daß die Bundesregierung auf Grund der
gesetzlichen Vorschriften im Einzelfall entscheiden
wird. Das ist weiterhin meine Antwort.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Hörster.
Herr Staatssekretär,
da die Angelegenheit schon seit längerem die Öffent-
lichkeit beschäftigt: Wann ist damit zu rechnen, daß die
Bundesregierung eine Entscheidung darüber treffen
wird, ob die Belange der Bundesrepublik Deutschland
durch diesen Vorgang beeinträchtigt worden sind?
F
Über Zeitpunkt und Zeitschiene
kann ich Ihnen keine konkrete Auskunft geben. Ich kann
Ihnen nur darüber Auskunft geben, wie die Gesetzes-
grundlage ist und daß sich die Entscheidung an dem
Einzelfall orientiert.
Eine weitere Zu-
satzfrage des Kollegen Hörster.
Herr Staatssekretär,
das haben wir alles schon zur Kenntnis genommen.
Mir geht es um folgende Frage: Betreibt die Bundesre-
gierung ein Verfahren, um zu den entsprechenden Fest-
stellungen zu kommen, ja oder nein?
F
Ich habe Ihnen noch einmal ge-sagt, wie sich die gesetzliche Grundlage darstellt. DiesEckart von Klaeden
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5798 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999
(C)
orientiert sich am Einzelfall. Ich habe Ihnen auch gesagt,daß ich es im Hinblick auf die Zeitschiene und auf diezeitliche Abfolge nicht konkretisieren kann.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Polenz.
Herr Staatssekretär,
Sie haben ausgeführt, daß die Bundesregierung eine
Entscheidung herbeiführen werde.
– Doch, so haben Sie wörtlich ausgeführt. Können wir
also davon ausgehen, daß es, auch wenn Sie heute über
die Zeitschiene nichts sagen können, irgendwann eine
Entscheidung darüber geben wird, ob ein strafrechtliches
Verfahren eingeleitet wird?
F
Ich habe gesagt, daß sich die
Bundesregierung auf Grund der gesetzlichen Grundla-
gen am Einzelfall orientieren wird. Zu der Frage, ob ein
Verfahren eingeleitet wird oder nicht, und insbesondere
auf die Frage hinsichtlich der Zeitschiene habe ich ge-
sagt, daß ich dies nicht konkretisieren kann.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Lippelt.
Herr Staatssekretär, in den letzten 16 Jahren hat es im
Bundessicherheitsrat prominente Kontroversen – auch
über Panzerlieferungen – gegeben, die anschließend in
aller Breite in der Presse kommentiert worden sind. Ist
der Bundesregierung bekannt, daß die frühere Bundes-
regierung jemals gegen ein Mitglied des Bundessicher-
heitsrates ein solches Verfahren eingeleitet hätte?
F
Herr Kollege Lippelt, dies ist
mir nicht bekannt. Das bedeutet aber nicht, daß dies den
objektiven Tatbestand wiedergibt.
Herr Staatssekretär,
wir haben damit alle Fragen aus Ihrem Geschäftsbereich
behandelt. Ich danke Ihnen.
Nun würde ich gerne den Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums der Finanzen aufrufen, aber dies ist mir
leider nicht möglich. Herr Staatsminister Schwanitz, ich
bitte darauf zu achten, daß die Ressorts rechtzeitig im
Plenum vertreten sind.
Ich schlage vor, daß wir den Geschäftsbereich der
Verteidigung vorziehen. Dies ist der letzte aufzurufende
Geschäftsbereich; denn die Fragen aus dem Geschäfts-
bereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Technologie, die Frage 38 der Kollegin Gudrun Kopp,
die Frage 39 des Kollegen Wolfgang Zöller und die Fra-
ge 40 des Kollegen Wolfgang Börnsen werden schrift-
lich beantwortet, und die Frage des Kollegen Werner
Lensing ist zurückgezogen worden.
Ich rufe also nunmehr den Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums der Verteidigung auf. Die Parlamenta-
rische Staatssekretärin Brigitte Schulte steht zur Beant-
wortung zur Verfügung. Die Fragen 44 und 45 des Kol-
legen Siemann werden schriftlich beantwortet.
Wir kommen jetzt zur Frage 42 des Kollegen Nolting:
Trifft es zu, daß die Stelle des hauptamtlichen Jugendoffi-ziers in Frankfurt/Oder in der Praxis seit längerer Zeit nichtmehr besetzt ist bzw. wahrgenommen wird, und wenn ja, wannist damit zu rechnen, daß hier Abhilfe geschaffen wird?
Frau Staatssekretärin, ich gebe Ihnen das Wort.
B
Herr Präsident! Meine
lieben Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege
Nolting, es stimmt leider, daß der Jugendoffiziersdienst-
posten in Frankfurt/Oder erst seit April 1999 wieder be-
setzt worden ist. Der Dienstposteninhaber wird seinen
Dienst als hauptamtlicher Jugendoffizier allerdings erst
nach seiner bisherigen Verwendung im Einsatz im ehe-
maligen Jugoslawien am 1. Januar 2000 aufnehmen
können.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Nolting.
Frau Staatsse-
kretärin, sind Sie nicht der Meinung, daß die Stelle im
Interesse einer kontinuierlichen Arbeit eher hätte wie-
derbesetzt werden sollen und daß das Ministerium auf-
passen sollte, daß sie auch tatsächlich wiederbesetzt
wird?
B
Herr Kollege Nolting, ichwürde Ihnen gerne ausdrücklich zustimmen. Der Fall istnur etwas schwieriger. Deswegen war ich Ihnen auchsehr dankbar, daß Sie die Frage gestellt haben.
Im Zuge der Auflösung des Wehrbereichskomman-dos VIII mußte damals der Jugendoffiziersdienstpostenim Bereich des Wehrbereichskommandos VII/13. Pan-zergrenadierdivision herabgestuft werden. Nunmehrhandelt es sich um einen Dienstposten nach A 10. Eswar in der Tat schwierig, einen qualifizierten und vomProfil geeigneten Offizier mit der Eingruppierung A 10zu gewinnen. Wir haben deshalb eine Weile suchenmüssen, bis wir einen passenden Bewerber fanden. Siesehen ja auch: Der Betreffende befindet sich zur Zeitnoch im Einsatz in Jugoslawien.Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, daß dies schadeist; aber es gab die beschriebenen Probleme. Ich rechnefest mit Ihnen, damit wir im Rahmen der Strukturreformzu einer anderen Besoldung kommen können.Parl. Staatssekretär Fritz Rudolf Körper
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999 5799
(C)
(D)
Keine weitere Zu-
satzfrage. – Frau Staatssekretärin, ich bitte Sie nun, die
Frage 43 zu beantworten.
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Jugendof-fiziere wichtige gesellschaftliche Entwicklungen und Trendskennen und nachvollziehen sollten, und wenn ja, bis wann beab-sichtigt sie, zumindest die hauptamtlichen Jugendoffiziere derBundeswehr mit einer internetfähigen Computerausstattung aus-zurüsten?
B
Herr Kollege Nolting, ich
teile auch Ihre Auffassung, daß Jugendoffiziere wichtige
gesellschaftliche Entwicklungen und Trends kennen und
nachvollziehen wollen. Aus diesem Grunde wurden die
hauptamtlichen Jugendoffiziere bereits seit 1995 mit
Computern ausgestattet.
Seit 1998 haben die Jugendoffiziere auch Zugang zu
der sogenannten Infobörse, einem speziellen Informati-
onssystem für Fachpersonal der Presse und Öffentlich-
keitsarbeit der Bundeswehr, über das sie mit wichtigen
Informationen aus dem Bundesministerium der Vertei-
digung versorgt werden. Wenigstens behaupten wir, daß
es wichtige Informationen seien.
Die Computerausstattung ist technisch bereits für eine
Internetnutzung geeignet. Aber weil die Jugendoffiziere
auch Nutzer von weiteren spezifischen Anwendungen
des Bundesministeriums der Verteidigung sind, müssen
besondere Sicherheitsvorkehrungen – danach haben Sie
gefragt – für den Internetanschluß der Jugendoffiziere
getroffen werden, um das Offenlegen interner Daten des
Verteidigungsministeriums zu verhindern. Eine techni-
sche Lösung ist gefunden. Ihre Umsetzung wird nach
gegenwärtiger Planung im ersten Halbjahr 2000 abge-
schlossen sein.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Nolting.
Frau Staatsse-
kretärin, sind im Ministerium Überlegungen angestellt
worden, durch das Leasen von Computern das Verfah-
ren zu beschleunigen und eventuell Kosten zu sparen?
B
Herr Kollege, der ganze
Bereich der Computerausstattung befindet sich in einem
Umstrukturierungsprozeß. Sie wissen dies ja auch aus
der Debatte im Verteidigungsausschuß. Der Haus-
haltsausschuß hatte bis zur letzten Woche auch einen
Teil der zur Verfügung gestellten Mittel gesperrt, weil er
ein Leasing-Konzept auch schon zur Zeit der alten Re-
gierung eingeklagt hat. Wir bemühen uns darum, unsere
Leute modern auszustatten. Auch deswegen wird daran
gedacht, Computer nicht mehr zu kaufen.
Keine weitere Zu-
satzfrage. Dann danke ich Ihnen, Frau Staatssekretärin.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums der Finanzen. Da das Finanzministe-
rium nicht vertreten ist – das ist nicht in Ordnung –,
könnte Ziffer 11 der Anlage 4 der Geschäftsordnung in
Betracht kommen; es sei denn, die Fraktionen melden
sich zu Wort. – Bitte, der Kollege Hörster und der Kol-
lege Solms.
Herr Präsident, da
durch die Abwesenheit des Vertreters des Bundesmi-
nisteriums der Finanzen auch Fragen aus unserer Frakti-
on betroffen sind, möchte ich darum bitten, die Sitzung
zu unterbrechen, bis einer der Parlamentarischen Staats-
sekretäre aus dem Finanzministerium eingetroffen ist. Es
ist grundsätzlich unmöglich, daß in einer Fragestunde, in
der auch die Abgeordneten warten müssen und auch
nicht kalkulieren können, wann und ob ihre Fragen
überhaupt aufgerufen werden, die Vertreter eines Res-
sorts, an die eine ganze Reihe von Fragen gerichtet wor-
den sind, nicht anwesend sind.
– Ich sehe gerade, daß Herr Diller den Plenarsaal betritt.
Er dürfte nun in der Lage sein, die Fragen zu beantwor-
ten. Damit ziehe ich meinen Antrag zurück.
Damit erübrigt sich
die Wortmeldung des Kollegen Solms.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung ist
jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Karl Diller an-
wesend.
Ich rufe die Frage 28 des Kollegen Hermann Otto
Solms auf:
Welche Gründe sind dafür maßgeblich, daß Taxifahrten nurinnerhalb einer Gemeinde oder bis zu einer Entfernung von 50km mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 Prozent besteu-ert werden, und welche Auswirkungen hat dies für die prakti-sche Durchführung der Besteuerung?
K
Herr Präsident, ich bitte um Nachsicht.Ich komme soeben aus der Haushaltsausschußsitzung.Gerade ein Fraktionskollege von Herrn Solms, nämlichHerr Koppelin, wollte unbedingt, daß ich dort bleibe. Ichhabe mich dann bei ihm damit entschuldigt, daß ichhierhin muß.Herr Kollege Dr. Solms, nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 desUmsatzsteuergesetzes ist der ermäßigte Umsatzsteuer-satz von 7 Prozent nicht nur bei Personenbeförderung imVerkehr mit Taxen innerhalb einer Gemeinde oder beieiner Beförderungsstrecke von nicht mehr als 50 Kilo-metern anzuwenden, sondern unter anderem auch beiPersonenbeförderung im Schienenbahnverkehr – mitAusnahme der Bergbahnen –, im Verkehr mit Oberlei-tungsomnibussen, im genehmigten Linienverkehr mitKraftfahrzeugen und bei Beförderung im Fährverkehr,wenn, ebenfalls wie bei der Personenbeförderung imVerkehr mit Taxen, die Beförderung innerhalb einerGemeinde ausgeführt wird oder die Beförderungsstreckenicht mehr als 50 Kilometer beträgt. Beförderungslei-stungen für Strecken, die diese Grenze überschreiten,
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5800 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999
(C)
unterliegen dann insgesamt gemäß § 12 Abs. 1 des Um-satzsteuergesetzes dem allgemeinen Steuersatz von 16Prozent.Der ermäßigte Umsatzsteuersatz für die Personenbe-förderung im öffentlichen Nahverkehr wurde bei Ein-führung der neuen Umsatzsteuer – das war im Januar1968 – geschaffen, um diesen Verkehr mit seinen vor-wiegend sozialen Tarifen weiter zu begünstigen und umden besonderen Verkehrsverhältnissen in den Ballungs-gebieten Rechnung zu tragen.
Zusatzfrage.
Meine Bitte wä-
re, daß die zweite Frage gleich beantwortet wird.
Einverstanden. Ich
rufe also noch die Frage 29 auf:
Wie hoch ist der administrative Aufwand der Unterschei-dung zwischen Taxifahrten, die mit dem ermäßigten Steuersatzeinerseits und dem vollen Steuersatz andererseits besteuert wer-den, und welches Steuermehraufkommen resultiert aus der Be-steuerung der Fahrten außerhalb einer Gemeinde oder über eineEntfernung von 50 km hinaus mit dem vollen Umsatzsteuersatz?
K
Die zweite Frage ist durch die Bundesre-
gierung wie folgt zu beantworten. Es ist davon auszuge-
hen, daß Taxifahrten ganz überwiegend innerhalb des
Bereichs durchgeführt werden, für den der ermäßigte
Umsatzsteuersatz gilt. Der Unternehmer muß die Ent-
gelte für die Fahrten, für die der allgemeine Umsatzsteu-
ersatz anzuwenden ist, gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 Umsatz-
steuergesetz gesondert aufzeichnen. Insoweit ist der
nicht quantifizierbare Aufwand nicht höher als bei ande-
ren Unternehmern, die ihre Umsätze nach unterschied-
lichen Steuersätzen versteuern. Mangels statistischer
Aufzeichnungen über Taxifahrten ist eine Angabe zu
den finanziellen Auswirkungen der Fahrten, die dem
allgemeinen Umsatzsteuersatz unterliegen, leider nicht
möglich.
Erste Zusatzfrage
des Kollegen Solms.
Kann ich diese
Antwort so verstehen, daß der Mehraufwand so hoch
beziehungsweise das Mehraufkommen durch die höhere
Besteuerung bei Fahrten von mehr als 50 Kilometern so
niedrig ist, daß das nicht erfaßt werden kann, daß also
bei dieser komplizierten Regelung Aufwand und Ertrag
in einem solchen Mißverhältnis stehen, daß eigentlich
nur die administrative Gängelung der Taxifahrer übrig
bleibt?
K
Herr Kollege Dr. Solms, ich habe darauf
aufmerksam gemacht: Diese Regelung hat seit über 30
Jahren Bestand, und es ist nie irgendeine Klage an unser
Haus herangetragen worden.
Eine weitere Zu-
satzfrage.
Die Klage
kommt selbstverständlich aus der Praxis; sonst würde
ich es nicht vortragen und hätte gar keine Kenntnis da-
von. Also muß es ja Klagen geben.
Dann will ich andersherum fragen: Teilen Sie meine
Meinung, daß eine solche Vorschrift, das komplizierte
Aufschreiben der gefahrenen Kilometer, die Betroffenen
geradezu dazu verleitet, Dinge nicht anzugeben, die sie
nach dem Gesetz eigentlich angeben müßten, und daß
deswegen dadurch auch kein Steuermehraufkommen er-
zielt wird?
K
Wir gehen von der Steuerehrlichkeit der
Beteiligten aus.
Im übrigen muß ich darauf hinweisen, daß weder nach
der Abgabenordnung noch nach dem Umsatzsteuerge-
setz eine bestimmte Weise vorgeschrieben ist, in der ein
Taxiunternehmer seine Betriebseinnahmen beziehungs-
weise Umsätze zu ermitteln hat. Alle Aufzeichnungs-
methoden, die zu dem steuerlich zutreffenden Ergebnis
führen, sind zulässig. Wenn das beispielsweise mittels
Taxametern gemacht werden kann, weil die Taxifahrer
unterschiedliche Tarife in den Taxameter eintippen, ist
auch dies möglich.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Hauser.
Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin davon gesprochen,
bei der Einführung dieses ermäßigten Steuersatzes sei
berücksichtigt worden, daß der Personennahverkehr be-
sonders begünstigt werden soll. Sind Sie nicht auch der
Meinung, daß die Ökosteuer, die jetzt eingeführt worden
ist und – bei der Mineralölsteuer – jährlich um sechs
Pfennig erhöht werden soll, genau dieses Vorhaben
konterkariert?
K
Herr Kollege Hauser, wie Sie wissen, gibt
es Überlegungen gerade bezüglich Ökosteuer und
ÖPNV im Zusammenhang mit dem zur Zeit in der Pipe-
line befindlichen Gesetz. Warten Sie doch mal ab, was
die Koalitionsfraktionen da beschließen werden!
Eine weitere Zu-
satzfrage des Kollegen Hauser.
Ist das so zu verstehen, daß auch die Taxen in diesemBereich des öffentlichen Nahverkehrs bei der Ökosteuerbesonders berücksichtigt werden?Parl. Staatssekretär Karl Diller
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999 5801
(C)
(D)
K
Nein.
Eine Zusatzfrage
des Kollegen Burgbacher.
Herr Staatssekretär,
halten Sie es wirklich für vertretbar, wenn wir auf diese
Weise Steuern kassieren? Ich habe im Zusammenhang
mit anderen Beispielen, etwa beim Trinkgeld, von Ihnen
erfahren, daß keine Aussagen über Verwaltungskosten
oder die Höhe des Steuerertrags gemacht werden kön-
nen. Glauben Sie nicht mit mir, daß so die Politikver-
drossenheit weiter geschürt wird?
K
Darf ich Sie darauf aufmerksam machen,
daß in diesem Bereich keine Steuererhöhung geplant ist.
Eine weitere Zu-
satzfrage? – Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 30 des Kollegen Hauser auf:
Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Steuermehrein-nahmen durch den Wegfall der Besteuerung von selbstgenutztenZweifamilienhäusern seit dem 1. Januar 1999?
K
Der Bundesregierung liegen keine Daten
oder Schätzungen über den Umfang der auf Grund des
Wegfalls der Besteuerung von Zweifamilienhäusern nicht
mehr abziehbaren Aufwendungen und die damit verbun-
denen Auswirkungen auf das Steueraufkommen vor.
Zusatzfrage.
Eine solche Antwort habe ich eigentlich befürchtet, auch
– das möchte ich in Klammern dazu anführen – aus
meinen eigenen Erfahrungen. Ich bitte Sie, mir zu sagen,
ob es Ihnen möglich wäre, uns die Zahl der Fälle, die
davon betroffen sind, schriftlich mitzuteilen, das heißt,
bei den Ländern diese Zahlen abzufragen? Ich bin davon
überzeugt, daß es dafür statistische Unterlagen gibt.
K
Herr Kollege Hauser, ich bin gern bereit,
mein Haus zu bitten, bei den Ländern einmal nachzuhö-
ren, inwieweit statistische Unterlagen herangezogen
werden können, sei es der Mikrozensus oder tatsächlich
finanzamtsbezogen, so daß man das hochrechnen könn-
te. Den Versuch wollen wir gerne machen.
Es hat also keine Nachfrage bei den Ländern gegeben?
K
Uns liegen keine Zahlen vor. Wir wissen
nicht, ob die Länder welche haben. Deswegen muß ich
jetzt erst einmal mein Haus bitten nachzufragen. Das
wollen wir aber gerne tun.
Dann rufe ich jetzt
die Frage 31 des Kollegen Hauser auf:
Trifft es zu, daß die Neuregelung der sog. 630-DM-Jobs zuca. 2 Millionen Freistellungsanträgen geführt hat und daß durchdie Bearbeitung der Anträge Kosten für die Finanzverwaltung inHöhe von ca. 40 bis 75 DM pro Antrag und ca. 20 DM Bürokra-tiekosten für den Arbeitgeber entstehen?
Herr Staatssekretär.
K
Herr Kollege Hauser, nach den Meldun-
gen der Länder sind bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt
2,9 Millionen Anträge auf Erteilung einer Freistellungs-
bescheinigung bei den Finanzämtern eingegangen. Es
sind insgesamt zirka 2,5 Millionen Bescheinigungen
ausgestellt worden. Wie meine Kollegin Frau Dr. Hen-
dricks bereits am 12. Juli 1999 in der Antwort auf die
schriftliche Frage des Kollegen Fromme ausgeführt hat
– das ist die Bundestagsdrucksache 14/1410, Frage 13 –,
dürfte die Zeit für die Bearbeitung eines Freistellungs-
antrags beim Finanzamt zehn Minuten nicht überschrei-
ten.
Die von Ihnen genannten Kosten, die durch die Bear-
beitung eines Freistellungsantrags beim Finanzamt und
einer Freistellungsbescheinigung beim Arbeitgeber ent-
stehen sollen, kann die Bundesregierung nicht bestäti-
gen. Bei der Belastung des Arbeitgebers durch die Be-
scheinigung ist zu berücksichtigen, daß dadurch die
Entgegennahme der Lohnsteuerkarte des Arbeitnehmers
bzw. die pauschale Lohnversteuerung entfällt.
Zusatzfrage.
Ich beziehe mich bei meinen Angaben auf die Aussa-
gen des Präsidenten des Deutschen Steuerberaterver-
bandes, Herrn Pinne, der diese Zahlen auf Grund von
Informationen der Finanzverwaltung genannt hat. Wä-
ren Sie bereit, uns – möglicherweise schriftlich – dar-
zustellen, welche Arbeitsabläufe für die Bearbeitung
dieser Anträge notwendig sind, damit man Ihre Aus-
sage, daß sie bestenfalls zehn Minuten dauert, nach-
vollziehen kann?
K
Wir wollen das gerne tun. Ich möchte aberdarauf hinweisen, daß ich an dem Verbandstag einergroßen Gewerkschaft in diesem Bereich teilgenommenhabe. Der dortige Vorsitzende meinte, daß diese großeWelle schon über die Finanzämter hinweg sei und derArbeitsaufwand wieder normale Ausmaße angenommenhabe.Was den anderen Teil Ihrer Frage angeht, wollen wirdas gerne noch einmal überprüfen.
Metadaten/Kopzeile:
5802 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999
(C)
Dann rufe ich die
Frage 32 des Kollegen Ruprecht Polenz auf:
In welchem Umfang enthält der Bundeshaushalt für 1999 Fi-nanzmittel für die Türkei?
K
Herr Kollege Polenz, für die Türkei sind
im Einzelplan 23, Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung, in diesem Jahr
25,9 Millionen DM vorgesehen, davon anläßlich der
Erdbebenkatastrophe für die Herstellung winterfester
Unterkünfte 20 Millionen DM sowie für Projekte der
Technischen Zusammenarbeit 5,9 Millionen DM. Das
Auswärtige Amt hat aus seinem Einzelplan für humani-
täre Hilfe 6,2 Millionen DM bereitgestellt.
Zusatzfrage.
Trifft es zu, daß bei
der Vergabe der Mittel, die aus dem Ministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur
Verfügung gestellt werden, auch die in dem Katalog, der
bei der Bereitstellung solcher Mittel zu berücksichtigen
ist, geforderte Beachtung der Menschenrechte eine Rolle
gespielt hat?
K
Herr Kollege, diese Antwort müßte Ihnen
das BMZ geben. Das entzieht sich meiner Kenntnis.
Ich rufe die Fra-
ge 33 des Kollegen Ruprecht Polenz auf:
In welchem Umfang und wofür sind diese Finanzmittel be-reits an die Türkei abgeflossen?
K
Die Mittel in Höhe von 6,2 Millionen DM
aus dem Einzelplan 05 wurden bereits ausgezahlt. Aus
den zugesagten Mitteln des Einzelplans 23, also BMZ,
werden bis zum 31. Dezember 1999 zirka 16,5 Millio-
nen DM für die winterfesten Unterkünfte abfließen.
Es gibt keine Zu-
satzfrage.
Ich rufe die Frage 34 der Kollegin Christine Ostrows-
ki auf:
Welche Schlußfolgerungen zieht die Bundesregierung ausdem vom Bund der Steuerzahler vorgelegten Gutachten „Zu-wendungen des Bundes 1999 – Das ungenutzte Einsparpotenti-al“ insbesondere hinsichtlich des Vorschlags der Vorlage einesregelmäßigen Zuwendungsberichtes?
K
Frau Kollegin, die Bundesregierung hat
unabhängig vom Gutachten des Steuerzahlerbundes be-
reits im Zukunftsprogramm 2000 Reduzierungen bei den
Zuwendungen in ganz erheblichem Umfang vorgesehen.
Allein im Jahr 2000 werden bei den Zuwendungen des
Bundes rund 3 Milliarden DM gegenüber der bisherigen
Finanzplanung – ich unterstreiche: Finanzplanung – ein-
gespart.
Ein gesonderter Zuwendungsbericht ist nicht erfor-
derlich. Die Bundesregierung erstellt auf der Grundlage
des Stabilitäts- und Wachstumsgesetzes alle zwei Jahre
einen Subventionsbericht, der die wirtschaftsbezogenen
Finanzhilfen und damit den wichtigsten Bereich der
Zuwendungen erfaßt.
Der Subventionsbericht stellt daneben auch die steu-
erlichen Hilfen für die Wirtschaft dar und ist insofern
umfassender als ein lediglich auf die Ausgaben abstel-
lender Zuwendungsbericht.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
mir ist natürlich bekannt, daß es alle zwei Jahre auf der
Grundlage des entsprechenden Gesetzes einen Subventi-
onsbericht gibt. Mir ging es gerade darum, daß die Zu-
wendungen nach der Bundeshaushaltsordnung in diesem
Subventionsbericht nicht erscheinen. Ich bitte Sie, zu
überlegen, ob Sie nicht unter Beachtung folgender Prä-
missen in dieser Richtung aktiv werden wollen: Erstens
beträgt das Potential der Zuwendungen – wenn ich dem
Bund der Steuerzahler glauben kann – im Jahre 1999
34,6 Milliarden DM. Das ist eine erkleckliche Summe.
Zweitens haben der Bundesrechnungshof und Rech-
nungshöfe der Länder solche Zuwendungsberichte ge-
fordert. Drittens sind die Zuwendungen nicht transpa-
rent. Sie entziehen sich weitgehend der parlamentari-
schen Kontrolle. Viertens gibt es praktische Beispiele
dafür – so in der Bürgerschaft Hamburg –, daß solche
Zuwendungsberichte erstellt werden.
Meine Frage geht also dahin: Wären Sie unter Be-
rücksichtigung all dieser Gesichtspunkte wie des Ein-
sparpotentials, der Transparenz und der parlamentari-
schen Kontrolle nicht doch bereit, in dieser Richtung
aktiv zu werden und über die Erstellung eines Zuwen-
dungsberichts nachzudenken?
K
Frau Kollegin, ich möchte noch einmaldarauf aufmerksam machen, daß der Subventionsberichtumfassender ist, weil er nicht nur die Ausgabenseite desHaushalts beleuchtet, sondern auch die Einnahmenseite.Es gibt auch steuerliche Subventionstatbestände. Diesesind dem Verfasser möglicherweise weniger wichtig alsdie Ausgabenseite. Insofern ist es objektiver, beide Sei-ten zu betrachten.Im übrigen muß man festhalten, daß der Haus-haltsausschuß parteiübergreifend schon seit langem eineRücknahme aller institutioneller Förderungen fordertund immer wieder darauf drängt, daß keine neuen insti-tutionellen Förderungen entstehen und statt dessen nurnoch Projekte gefördert werden.Sie sehen, wir stellen uns dieser Frage unabhängigvon Forderungen Dritter.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999 5803
(C)
(D)
Eine zweite Zusatz-
frage.
Stichwort Projekte:
Können Sie mir sagen, wie hoch der Anteil der Projekte
ist, die immer wieder aufs neue fortgeführt werden, die
sich quasi zu einer institutionellen Förderung entwickelt
haben? Vielleicht können Sie mir auch die Anzahl der
Projekte sagen, die insgesamt gefördert werden, sowie
den Anteil derer, die von Jahr zu Jahr über Anschluß-
projekte Zuwendungen bekommen?
K
Frau Kollegin, ich fürchte, es ist eine Rie-
senarbeit, das Ihnen jetzt in Prozentsätzen mitzuteilen.
Deshalb möchte ich mich darauf beschränken, Ihnen das
Angebot zu machen, daß Sie mir einen Einzelplan nen-
nen, der Ihnen in diesem Zusammenhang besonders
wichtig ist, und wir Ihnen einzelplanbezogen eine solche
Übersicht erstellen.
Frage 35 der Kolle-
gin Ostrowski:
Welche Auffassung vertritt die Bundesregierung zum ab-schließenden Ergebnis eines Gutachtens der Baseler PrognosAG „Wirkungen staatlicher Bausparförderung“, das dem Bun-desministerium der Finanzen vorliegen soll und nach dem dieWirkungen des Wohnungsbauprämiengesetzes als auch desVermögensbildungsgesetzes in der Praxis die vom Gesetzgeberdamit verknüpften Intentionen nicht erreichen und der Nutzenbeider Fördermaßnahmen in Frage gestellt werden soll?
K
Das im Jahre 1998 vorgelegte Gutachten
der Prognos AG mit dem Titel „Wirkungen staatlicher
Sparförderung“ – damit ist übrigens im Gegensatz zu
Ihrer Frage nicht nur die Bausparförderung angesprochen,
sondern die Sparförderung insgesamt – befaßt sich in aus-
gewogener Weise mit einer Wirkungsanalyse der staat-
lichen Sparförderung und Vermögensbildung aus subven-
tionspolitischer Sicht und untersucht die Effizienz des
eingesetzten Instrumentariums und den damit verbunde-
nen Verwaltungsaufwand. Untersucht werden die Förde-
rung nach dem Fünften Vermögensbildungsgesetz, dem
Wohnungsbauprämiengesetz und § 19a des Einkom-
mensteuergesetzes. Die Bundesregierung hat wesentliche
Ergebnisse dieser Studie im Hinblick auf die Bedeutung
der Subventionsgewährung im 17. Subventionsbericht
– das ist die Bundestagsdrucksache 14/1500 vom 13. Au-
gust 1999 – in Kapitel V, „Erfolgskontrolle in wesent-
lichen Bereichen“, Textziffer 72 ff. wiedergegeben.
Zusatzfrage.
Trifft es zu, daß, jetzt
auf die Bausparförderung im speziellen bezogen, mit
diesem Instrument, so wie es im Gutachten ausgesagt
ist, das angestrebte Ziel einer Stimulierung der Vermö-
gensbildung nicht erreicht wird, daß auch unerwünschte
Effekte, Mitnahmeeffekte – das Gutachten spricht kon-
kret von Marketingeffekten –, auftreten? Ist die Bundes-
regierung der Auffassung, daß ein solches Gutachten,
wenn es derartige kritische Wirkungen aufzeigt, auch in
Anbetracht der Summe, die für die Bausparförderung
Jahr für Jahr bereitgestellt werden muß, zu Konsequen-
zen anregen sollte?
K
Frau Kollegin, ich habe hier den Auszug
aus dem 17. Subventionsbericht. Die entsprechende Pas-
sage zieht sich über mehrere Seiten hinweg. Zunächst
einmal ist dargestellt worden, was das Gutachten der
Prognos AG im einzelnen besagt, zweitens wird darauf
hingewiesen, welche Position die Bundesregierung hat,
und drittens wird verdeutlicht, in welcher Weise die
Bundesregierung schon Änderungen vorgenommen hat.
Ich rege an, daß wir anhand dieses umfangreichen
Textes die Diskussion dann mit dem Fachressort, dem
BMVBW, führen.
Ich rufe die Frage
36 des Kollegen Hans Peter Bartels auf.
Wie reagiert die Bundesregierung auf die Behauptung derDeutschen Post AG, daß „jene vier Politiker, die stellvertretendfür 50 Jahre Bundesrepublik Deutschland stehen“, die Christde-mokraten Konrad Adenauer, Ludwig Erhard und Helmut Kohlsowie der Liberale Theodor Heuss sind ?
K
Herr Kollege Dr. Bartels, die Deutsche
Post AG unterliegt als Aktiengesellschaft den Bestim-
mungen des deutschen Aktienrechts. Die Herausgabe
von Werbebroschüren durch den Geschäftsbereich Phil-
atelie der DP AG ist Teil der Geschäftspolitik des Un-
ternehmens, die in der Verantwortung des Vorstands der
Deutschen Post AG liegt. Für den Inhalt der Werbebro-
schüren ist ausschließlich das Unternehmen verantwort-
lich.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
halten Sie es denn überhaupt für notwendig, daß eine
bundeseigene Aktiengesellschaft Medaillen mit Politi-
kerköpfen herausgibt? Sie gibt ja auch Briefmarken mit
Politikerköpfen heraus.
K
In der Tat wird es auch eine Briefmarke
geben. Wenn Sie vielleicht auf die politische Ausgewo-
genheit abheben, möchte ich Sie darauf aufmerksam
machen, daß am 13. Januar des Jahres 2000 zum zehnten
Todestag von Herbert Wehner ein Sonderpostwertzei-
chen durch dasselbe Unternehmen herausgegeben wird.
Ich rufe die Frage37 des Kollegen Bartels auf:Wird die Bundesregierung über ihre Vertreter im Aufsichts-rat der Deutschen Post AG darauf hinwirken, das in dieser Bro-schüre dargestellte Geschichtsbild zu ergänzen?
Metadaten/Kopzeile:
5804 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999
(C)
K
Ein Einwirken der Bundesregierung auf
den Inhalt der Werbebroschüre ist im Hinblick auf ein-
schlägige Regelungen des Aktienrechts nicht sachge-
recht.
Es gibt keine Zu-
satzfrage mehr. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär
Diller.
Damit sind wir am Ende der Fragestunde.
Ich teile mit, daß die Fraktion der F.D.P. eine Aktu-
elle Stunde zu dem Thema „Steuermehreinnahmen zu
größeren Steuersenkungen für die Bürger nutzen“ ver-
langt. Die Antragstellerin hat darum gebeten, die Aktu-
elle Stunde erst um 15.30 Uhr aufzurufen. Das ist mit
den anderen Fraktionen abgestimmt.
Ich bitte unsere Zuhörerinnen und Zuhörer auf den
Tribünen um Verständnis für diese parlamentarischen
Abläufe. Gleichzeitig darf ich Ihnen noch einen schönen
Tag in Berlin wünschen.
Die Sitzung ist bis 15.30 Uhr unterbrochen.
Die unterbrochene
Sitzung ist wiedereröffnet.
Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der F.D.P.
Steuermehreinnahmen zu größeren Steuer-
senkungen für die Bürger nutzen
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Thiele von der F.D.P.-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Prä-sidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! DieF.D.P. hat diese Aktuelle Stunde beantragt, weil schonheute feststeht, daß die Steuereinnahmen in diesem Jahr,1999, gegenüber 1998 um 50 Milliarden DM steigenwerden. Die Behauptungen seitens der rotgrünen Koali-tion, daß Bürger und Arbeitsplätze in diesem Landeentlastet würden, werden allein schon durch diese Zah-len widerlegt. Im Gegenteil: In diesem Jahr liegen dieSteuerbelastungen um 50 Milliarden DM höher. Nochnie hat eine Regierung ihr Wahlversprechen auf durch-greifende Entlastung der Bürger in der Form wie dieseRegierung gebrochen.
Noch nie mußte die deutsche Bevölkerung unter einersolchen Unfähigkeit der Regierung leiden wie währendder Amtszeit der rotgrünen Koalition.
Steuermehreinnahmen in Höhe von 50 MilliardenDM für den Staat bedeuten nämlich, daß die Bürger indiesem Jahr eine um 50 Milliarden DM höhere Steuer-belastung zu tragen haben.
Bundesfinanzminister Eichel und seine rotgrüne Koalitionsprechen immer davon, daß die Bürger in diesem Landeentlastet würden. Wenn aber 50 Milliarden DM mehr anSteuern gezahlt werden, zeigt das, daß die Bürger vonRotgrün nicht entlastet, sondern hemmungslos belastetwerden; denn die Einnahmen der Bürger werden so starkbesteuert, daß Steuermehreinnahmen in Höhe von 50 Mil-liarden DM in diesem Jahr zustande kommen konnten.Die Regierung hat es bislang einzig und allein ge-schafft, daß die Bürger das Vertrauen in die Regierungund die Zukunftsfähigkeit unseres Landes verloren ha-ben. Wer mehr Arbeitsplätze in unserem Lande schaffenwill, der muß die Rahmenbedingungen für mehr Wachs-tum und Investitionen in unserem Lande schaffen.
Das geschieht nicht dadurch, indem man die Bürger ab-kassiert und Arbeitsplätze belastet. Das ist auch derGrund dafür, daß die Arbeitslosenzahlen nicht sinken.Die F.D.P. fordert deswegen eine deutliche Senkung derSteuersätze und eine deutliche Entlastung der Steuer-pflichtigen.
Angesichts der Behauptung der SPD, Steuersenkun-gen seien jetzt nicht zu finanzieren, sollte man sich ein-mal anschauen, was die Sachverständigen, auch dieSachverständigen des Ifo-Instituts, sagen: Auf Grunddieser Steuermehreinnamen sind die Bürger sehr wohlzu entlasten und die Steuersätze zu senken. – Wer sichvor diesen Steuersenkungen drückt, der zeigt, daß er sienicht will, sondern daß er bei den Bürgern weiter abkas-sieren will.Es ist deshalb unseriös, wenn behauptet wird, daß dieVorschläge der F.D.P. zur Steuerreform nicht finanzier-bar seien. Es ist unseriös, den Bürgern vorzugaukeln, siewürden von Rotgrün entlastet. Das Steuerentlastungsge-setz ist für die Bürger und Unternehmen in Wirklichkeitein Steuerbelastungsgesetz, was an Hand der vorliegen-den Zahlen zur Steuerbelastung immer deutlicher wird.
Die Ökosteuer ist eine reine Erhöhung der Steuer aufEnergie, die alle Bürger zu tragen haben und die dieWettbewerbsfähigkeit unseres Landes schwächt.
Mit dem Steuerbereinigungsgesetz wollen Sie sogar denkleinen Leuten hinsichtlich ihrer Lebensversicherungans Portemonnaie, obwohl es dafür überhaupt keinenGrund gibt.
Rotgrün räumt zumindest ein, daß die Rente nicht mehrganz so sicher ist.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999 5805
(C)
(D)
Wir haben einen überparteilichen Konsens, daß mehrfür die private Altersvorsorge getan werden muß.
Aber das Instrument, durch das der Normalbürger seinezusätzliche Altersvorsorge sicherstellt, nämlich die Le-bensversicherung, wird von Ihnen zukünftig besteuertwerden ohne jegliches Konzept, was die Besteuerungder Alterseinkünfte insgesamt angeht. Diese Situationkönnen wir als F.D.P. nicht hinnehmen, sondern wirwerden sie anprangern. Wir werden Sie so lange drän-gen, bis Sie von diesen Plänen ablassen.
Eine gute Finanzpolitik bedeutet eben nicht nur einAbkassieren bei den Bürgern.
Es ist vollkommen richtig, daß gespart werden muß.Aber wer den Haushalt 1999 um 6,3 Prozent aufbläht,um Wahlgeschenke unter das Volk zu streuen, dem fehltnatürlich das Geld, die Bürger zu entlasten. Deshalb ha-ben wir die Wahlgeschenke kritisiert und fordern an die-ser Stelle die deutliche Entlastung aller steuerpflichtigenBürger, die durchaus möglich ist.Wenn Sie von der SPD einmal etwas mehr Mut hätten,dann würden Sie diese unsägliche Unternehmensteuer-reform mit der Unterscheidung zwischen Einkünften vonKapitalgesellschaften und Personengesellschaften nichtdurchführen. Ich möchte Sie einfach bitten: Halten Siesich doch einmal in diesem Punkt an den SPD-Fraktions-vorsitzenden Peter Struck, der das F.D.P.-Steuerkonzeptfür das beste Steuerkonzept hält! Folgen Sie seinem Vor-schlag! Senken Sie den Eingangssteuersatz auf 15 Prozentund den Spitzensteuersatz auf 35 Prozent! Entlasten Siedie Bürger, und sorgen Sie für mehr Planungssicherheitund Vertrauen in die Kräfte unseres Landes, die die Ar-beitsplätze schaffen! Dann könnte es um unser Land bes-ser bestellt sein als nach diesem reinen Abkassieren, wel-ches Rotgrün momentan praktiziert.
Das Wort hat nun die
Parlamentarische Staatssekretärin Barbara Hendricks.
D
Die von Ihnen beantragteAktuelle Stunde zu möglichen Steuermehreinnahmenund ihrer Verwendung zeigt zunächst vor allem folgendeTatsachen: Die Wirtschaftsentwicklung verläuft gut, wasauch die Institute in ihrem Herbstgutachten dargelegthaben.
Im Gegensatz zur alten Bundesregierung haben wirvon Beginn an mit realistischen wirtschaftlichen An-nahmen bei der Steuerschätzung gearbeitet. Das zahltsich jetzt aus.
Der Herr der Löcher wird auf ewige Zeiten Theo Waigelbleiben.
Auch die Finanz- und Wirtschaftspolitik der Bundes-regierung hat zu dieser positiven Entwicklung beigetra-gen. Das Zukunftsprogramm und die Steuerpolitik habenzur Stabilisierung der Erwartungen und damit zu einemstetigen und aufwärtsgerichteten Konjunkturverlauf bei-getragen.Ich halte fest: Wenn die Opposition heute glaubt, eineDiskussion über Steuersenkungen eröffnen zu können,lobt sie damit die Politik der Bundesregierung, wasdurchaus richtig ist.
So befriedigend diese Entwicklung an sich auch ist,so besteht doch für Forderungen nach zusätzlichen Steu-ersenkungen kein Anlaß.
Es ist vielmehr höchst unseriös, aus sich abzeichnendengeringen Steuermehreinnahmen gleich neue populisti-sche Steuersenkungsforderungen abzuleiten.
– Herr Thiele, Sie wissen doch selber: 50 MilliardenDM müssen doch ein entsprechend höheres gewachse-nes Einkommen der Bürgerinnen und Bürger gegen-überstehen. Es bedarf doch mindestens 200 MilliardenDM an zusätzlichen Einkünften für die Bürgerinnen undBürger und die Unternehmen, um durch die Umsatz-,die Verbrauch- und die Einkommensteuer 50 MilliardenDM Mehreinnahmen erzielen zu können. Und das istkein Abkassieren, sondern die logische Folge des gel-tenden Steuerrechtes.Im übrigen haben wir schon in diesem Jahr für deutli-che Entlastungen gesorgt.
Das Steuerentlastungsgesetz 1999 hat bisher bei den Ar-beitnehmerinnen und Arbeitnehmern und bei den Famili-en ausschließlich Entlastungswirkungen gezeigt. Steuer-mehreinnahmen können frühestens zum Bilanzstichtag,also zu Beginn des nächsten Jahres, wirksam werden.Sie haben davon gesprochen, daß wir schon in diesemJahr 50 Milliarden DM an Steuermehreinnahmen habenwerden. Das kann aber wegen des Steuerentlastungsge-setzes gar nicht sein. Dies wird erst später Wirkung zei-gen, und dies ist auch beabsichtigt.
Carl-Ludwig Thiele
Metadaten/Kopzeile:
5806 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999
(C)
– Sie wissen doch, daß wir keine Abschreibungen ver-schlechtert haben. Wie kommen Sie also darauf, soetwas zu sagen? Außerdem haben Sie behauptet, siewürden schon jetzt gelten. Das kann doch gar nichtsein.Die von Ihnen angezettelte Diskussion paßt zu kürz-lich bekanntgewordenen Steuersenkungsplänen aus denReihen der Opposition, die keinerlei solide Finanzie-rungsgrundlage haben. Das einzige, was Sie so erreich-ten, wäre, daß die von Ihnen bereits in den letzten 16Jahren dramatisch gesteigerte Staatsverschuldung weiternach oben getrieben würde.Wie sehen denn die Fakten aus? Die Entwicklung derSteuereinnahmen ist bisher in diesem Jahr, wie von unsvorausgeschätzt, gut verlaufen. Dies kommt allen Bür-gerinnen und Bürgern zugute; denn wenn der Staat armist, kann er nicht all das für die Bürgerinnen und Bürgertun, was sie zu Recht vom Staat erwarten können.
Bei der Befragung der Bundesregierung hat Ihre gan-ze Fraktion gerade moniert, wir gäben nicht genügendfür den Straßenbau aus.
Wie wäre es denn, wenn Sie sich jetzt wenigstens ent-scheiden würden und sagten: Die zusätzlichen Einnah-men verwenden wir für den Straßenbau? Sie könnendoch nicht gleichzeitig Mittel für den Straßenbau undSteuersenkungen fordern, und all das auch noch aneinem Tag.
– Aber das haben Sie ja schließlich vor einer Stunde ge-sagt, und das Geschwätz von vor einer Stunde interes-siert Sie wahrscheinlich nicht mehr. Das ist häufiger so.Konsistenz ist eben nicht das Markenzeichen der Politikder versammelten Opposition.
Bis einschließlich September betrug das Aufkommenan Gemeinschaftssteuern, der Bundes- und Ländersteu-ern zusammen 582,9 Milliarden DM. Das ist gegenüberdem Vorjahr ein Zuwachs von 6,8 Prozent. Der Einmal-effekt der zum 1. April des vergangenen Jahres erfolgtenErhöhung der Mehrwertsteuer um einen Punkt muß da-bei noch herausgerechnet werden. Die Steuerschätzungvom Mai ging bei diesen Steuern für das gesamte Jahr1999 von einem Plus von 5,6 Prozent aus.Falsch ist es, die Entwicklung der ersten drei Quartaleeinfach auf das letzte Vierteljahr zu übertragen. Wirstellen aber dennoch fest, daß auf Grund der guten Auf-kommensentwicklung bei den Veranlagungssteuern undden Ländersteuern gegenwärtig für das laufende Jahrleichte Mehreinnahmen zu erwarten sind. Wie sich dieseetwaigen leichten Steuermehreinnahmen auf die Ebenenim föderalen Staat verteilen, wird häufig – heute auchvon Ihnen – übersehen.Steuereinnahmen kommen 17 Finanzministern undmehr als 14 000 Kämmerern in der BundesrepublikDeutschland zugute. Wenn es wirklich zu Mehreinnah-men kommt, werden wohl vor allem die Länder davonprofitieren. Zusätzliche Steuereinnahmen werden ebenüberwiegend nicht zu „Eichel-Milliarden“. Kein seriöserFinanzminister wird bei dieser Datenlage über weitereSteuersenkungen reden, auch nicht ein Landesfinanzmi-nister oder Kämmerer der CDU.
Das Bundesministerium der Finanzen wird jedenfallsdie Solidität bei der Beachtung der Wirtschaftsdaten undin der Steuerschätzung nicht aufgeben; damit unter-scheidet es sich fundamental von der Vorgängerregie-rung. Unsere Haushaltsplanung für 1999 und 2000 fußtauf realistischen Einnahmeerwartungen. Wer jetzt überzusätzliche, nicht finanzierbare Steuersenkungen disku-tiert oder gar eine Abkehr vom Sparkurs fordert, setztmit Sicherheit das falsche Signal.Wir haben außerdem bereits erhebliche Steuerentla-stungen umgesetzt. Weitere werden im Rahmen derUnternehmensteuerreform folgen; sie sind fest vorgese-hen.Unser Kurs bei Steuern und Abgaben bleibt daraufgerichtet, Konsum und Investitionen als Basis für einbeschäftigungschaffendes, nachhaltiges Wachstum zustärken. Mit den Strukturreformen im Steuersystemstellen wir zugleich die Weichen für ein internationalwettbewerbsfähiges Steuersystem der Zukunft.Im ersten Halbjahr 2000 werden wir die Diskussionüber die Unternehmensteuerreform führen. Hier bietenwir der Opposition die konstruktive Mitarbeit an. Guteund darüber hinaus natürlich auch finanzierbare Ideensind immer willkommen.
– Sie können es sich auf Dauer nicht so einfach machen,wie Sie es hier tun.
Mit zwei, drei populistischen Sprüchen überzeugen Sieweder die Fachwelt noch die Bevölkerung.
Bis dahin sollten wir uns aber an die Fakten halten.Am Donnerstag und am Freitag tagt der „ArbeitskreisSteuerschätzungen“ in Hannover und überprüft seineSchätzungen vom Mai für das laufende und das kom-mende Jahr. Erst dann wissen wir mehr. Ich bin mir aberjetzt schon sicher, daß wir unsere bisherigen Planungennicht werden revidieren müssen.Danke schön.
Parl. Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999 5807
(C)
(D)
Das Wort hat der
Kollege Hansgeorg Hauser, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen undKollegen! Sicherlich hat sich schon jeder die Frage ge-stellt, was er macht, wenn er mehr Geld zum Ausgebenzur Verfügung hat.
Der eine sagt, er wolle das Geld sparen. Der andere sagt,er wolle es in den Konsum geben. Der dritte ist ein vor-sichtiger Mensch und sagt, er wolle es investieren. Aberdas sind natürlich alles individuelle Entscheidungen undsubjektive Betrachtungen. Wenn es um die staatlichenEinnahmen geht, also um die Steuereinnahmen, dannmuß man feststellen, daß es um das Geld des Bürgersgeht.
Deswegen ist vollkommen richtig, was hier festgestelltworden ist: daß man Mehreinnahmen aus dem Geld-beutel des Bürgers auch wieder zurückgeben muß.
Die Mehreinnahmen resultieren in sehr starkem Maßeaus der Progression. Das bedeutet die Besteuerung nachder Leistungsfähigkeit. Wer viel verdient, muß vielSteuern zahlen, wer weniger verdient, zahlt weniger.
Mit steigenden Gehältern und Löhnen greift die Progres-sion natürlich in einem sehr großen Ausmaße ein. Des-wegen müssen solche Steuermehreinnahmen wieder anden Bürger zurückgegeben werden.Wenn es sich hier um Mehreinnahmen in Höhe von50 Milliarden DM handelt, dann ist das kein Pappenstielmehr. Deshalb sollten wir ernsthaft über diese Fragenachdenken. Leider muß man hier feststellen, daß derFinanzminister den Bürgerinnen und Bürgern eine Steu-erreform mit niedrigeren Steuersätzen schlicht und ein-fach verweigert.
Meine Damen und Herren, da Sie immer so abfälligvon der Steuer- und Finanzpolitik der bisherigen Bun-desregierung reden, möchte ich einen Artikel aus dem„Handelsblatt“ zitieren. Unter der Überschrit „Das leereGerede von der Tilgung der Erblasten“ stellt das „Han-delsblatt“ fest:In einer neuen Broschüre des Bundesfinanzministe-riums werden mit eindrucksvoller Objektivität diesteuerreformerischen Leistungen der heute so dif-famierten Vorgängerregierung gewürdigt. Eichelerteilt offensichtlich der steuerpolitischen Bilanzder Regierungsarbeit von 1982 bis 1998 ein hervor-ragendes Testat.
Der Artikel zählt daraufhin alle Leistungen der letz-ten Bundesregierung auf – sie sind der Broschüre ent-nommen –, und zum Abschluß heißt es:Diese Reformen führten zu Entlastungen der Fami-lien und Unternehmen in einem Ausmaß, von demdie rotgrüne Koalition nur träumen kann. Wer im-mer der Regierung Kohl diese Verdienste heute ab-sprechen möchte, wird sich von Hans Eichel einesBesseren belehren lassen müssen.
Herr Poß, ich kann Ihnen nur empfehlen, sich diese Bro-schüre einmal näher anzusehen.Meine Damen und Herren, wir haben immer von ei-ner symmetrischen Finanzpolitik gesprochen.
einer Politik, die die Ausgabenzuwächse begrenzt unddie Einnahmenseite durch eine investitionsfreundlicheSteuer- und Finanzpolitik verbessert. Die rotgrüne Poli-tik macht genau das Gegenteil.
Sie haben Reformen zurückgenommen, und niemandweiß, wie es beispielsweise bei der Rente weitergehensoll, sieht man von der Kakophonie ab, die aus IhremArbeitsministerium kommt. Sie haben mit Ihrem Spar-paket Lasten auf andere Ebenen verschoben. Sie habenneue Steuern erfunden und bestehende Steuern erhöht.Als Beispiel denke ich an die Ökosteuer, die wederökologisch noch sozial gerecht ist.
Das wird nur gemacht, um Ausgabenstrukturen zuverschleiern und um an Ausgabenstrukturen nicht he-rangehen zu müssen. Das ist Ihr entscheidender Fehler.Es wird lediglich etwas von einer Tasche in die andereumverteilt.Das Sparpaket ist schon vielfach als Mogelpackungentlarvt worden. Früher haben Sie immer wieder vomKaputtsparen gesprochen und ein intelligentes Sparenverlangt. Ich glaube, mit dem Regierungswechsel habenSie offensichtlich auch das Denken abgelegt;
Metadaten/Kopzeile:
5808 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999
(C)
denn sonst würden Sie jetzt von Ihrer Intelligenz Ge-brauch machen und intelligent sparen.
Statt einer investitionsfreundlichen Steuer- undFinanzpolitik haben Sie die Wirtschaft neu belastetdurch das Gesetz zu den 630-Mark-Arbeitsverhältnissen,durch das Steuerentlastungsgesetz, durch das wir über30 Milliarden DM mehr Belastungen haben, oder durchdie Diskussion um die Scheinselbständigkeit.
Sie reden ständig von neuen Steuern – im Bereich derErbschaftsteuer, der Vermögensteuer oder der Vermö-gensabgabe. Diese Namen ändern Sie je nachdem, wieSie es so brauchen. Allein diese chaotischen Diskussio-nen haben in der Wirtschaft, beispielsweise in der Bau-wirtschaft,
einen riesigen Attentismus hervorgerufen, der Investi-tionen verhindert. Hören Sie endlich auf, es mit den Be-lastungen weiterzutreiben, wie Sie das jetzt mit demSteuerentlastungsgesetz machen.
Herr Kollege, die
fünf Minuten sind um.
Sie sollten besser auf die Wirtschaftsinstitute hören, die
eine entsprechende Steuerentlastungspolitik von Ihnen
verlangen.
Ich kann nur noch einmal feststellen: Trotz Ihrer
Politik hat es einen Konjunkturaufschwung gegeben.
Ich denke, Sie sollten das nutzen und eine investitions-
freundliche Steuerpolitik betreiben.
Danke schön.
Das Wort hat jetztder Kollege Klaus Müller, Bündnis 90/Die Grünen.Klaus Wolfgang Müller (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Verehrter Herr Thiele, wenn Sie hier einTheater aufführen,
wenn Sie versuchen, den Eindruck zu erwecken, als obwir im Geld schwimmen würden, wenn Sie den Ein-druck zu erwecken versuchen, hier gäbe es plötzlichgigantische Finanzmassen, die irgendwo auf der Straßeherumliegen, muß ich Ihnen sagen: Das ist leider nichtwahr. Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn Sie hier auchnoch so oft stehen und behaupten, wir würden die Men-schen belasten, kann ich Ihnen immer nur antworten:Das stimmt nicht. Ich werde Ihnen das gerne zum wie-derholten Male belegen. Ich betone: Wir werden dieMenschen entlasten, und wir tun das wesentlich nach-haltiger, als Sie das in Ihrer Regierungszeit getan haben.
Sie verwechseln in dieser Debatte Steuermehrein-nahmen, die absolut planmäßig sind, mit unerwartetenSteuermehreinnahmen. Über letztere bin ich gerne bereitzu reden; über die können wir uns gerne austauschen.Nur sage ich klipp und klar: Die 50 Milliarden DM, dieSie zur Zeit in den Raum stellen, sind nicht unerwartetzusammengekommen, sondern sie sind durchaus plan-mäßig gekommen, unter anderem auf Grund der Öko-steuer, die Sie immer gegeißelt haben.
Wir, Herr Thiele, haben immer gesagt: Wenn man einewirklich seriöse Finanzpolitik betreiben will, muß mandie Steuerbelastung und die Abgabenbelastung sehen.
Ich weiß, daß Ihnen der Begriff Abgabenbelastungnichts sagt; darum werde ich Ihnen das gerne noch ein-mal erklären. Das sind die Lohnnebenkosten, die Sie inIhrer Regierungszeit sukzessive erhöht haben.
Sie haben sie jedes Jahr immer weiter erhöht; Sie sinddie Partei der Lohnnebenkostenerhöhung.
Rotgrün hat gesagt: Das zentrale Problem, das wir lösenmüssen, ist zum einen die Einkommensteuerbelastung.Darum senken wir die Steuersätze. Ich weiß, Herr Hau-ser, daß es weh tut, daß Sie in der letzten Legislaturperi-ode in dieser Beziehung nichts erreicht haben.
Wenn Sie eine soziale Steuerreform vorgelegt hätten,die ohne Mehrwertsteuerbelastung ausgekommen wäre,
dann wären wir sicherlich auch zusammengekommen.Aus den oben beschriebenen Gründen ist daher das er-ste, was Rotgrün macht: Wir senken die Einkommen-Hansgeorg Hauser
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999 5809
(C)
(D)
steuersätze im Spitzensteuerbereich von 53 Prozent auf48,5 Prozent,
im Eingangssteuerbereich von 25,9 Prozent auf 19,9Prozent. Wir erhöhen das steuerfreie Existenzminimumauf 14 000 DM, und wir erhöhen das Kindergeld uminsgesamt 50 DM zum 1. Januar nächsten Jahres. Dassind übrigens 10 Milliarden DM mehr Kindergeld, dieRotgrün an die Menschen zurückgibt, und zwar da, woes notwendig ist.
Das ist der Bereich der Einkommensteuer.
Zum anderen sagen wir: Viel zentraler ist das Pro-blem der Abgabenbelastung. Wenn Sie schauen, wiehoch die Abgabenbelastung ist, dann werden Sie sehen:Sie beträgt 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. DieSteuerbelastung, so schlimm sie ist, Herr Thiele, liegtbei etwa 12 Prozent. Das heißt, der Bereich, wo dieMenschen wirklich belastet werden, wo die Entstehungvon Arbeitsplätzen verhindert wird, wo Unternehmenbelastet werden, ist der Bereich der Abgaben. Darübermüssen wir reden. Genau das hat Rotgrün getan, und wirhaben nicht nur darüber geredet. Vielmehr sinken zumerstenmal die Lohnnebenkosten. Das geschieht unter derRegierung von Rotgrün.Das erklärt natürlich, warum wir höhere Steuerein-nahmen haben. Denn diese Abgabenentlastung habenwir sauber durch höhere Energiesteuern gegenfinanziert.Das steht übrigens auch im Grundsatzprogramm derCDU; insofern sind wir gar nicht weit entfernt. Wir ha-ben Innovationsanreize gesetzt, um im Energiebereichetwas zu bewegen, und dafür Arbeitgeber und Arbeit-nehmer durch die Senkung der Lohnnebenkosten entla-stet. Da bewegen wir uns in einer Größenordnung von8,4 Milliarden DM.Sie erinnern sich an die Mehrwertsteuererhöhung,Herr Thiele, die noch unter Ihrer Regierungszeit be-schlossen worden ist, nämlich zum 1. April 1998. Diedadurch entstehenden Steuermehreinnahmen schlagen1999 erstmals auch im ersten Quartal zu Buche, und dieserhöht natürlich das Steueraufkommen. Aber das war jaim Sinne des Hauses – auch in Ihrem Sinne –, die Lohn-nebenkosten durch die Mehrwertsteuererhöhung zu sta-bilisieren. Auch an dieser Stelle wünschte ich mir einbißchen mehr Redlichkeit.Zum Schluß noch zwei Sätze dazu, was wir im Augebehalten müßten, wenn wir – wie wir es uns wünschenwürden – unerwartete Mehreinnahmen hätten: Erstens.Die Staatsverschuldung ist nach wie vor gigantisch. Ichwürde mir wünschen, daß wir bei der Reduzierung derNettoneuverschuldung noch viel weiter gehen könnten.Ich glaube, das ist eine zentrale Aufgabe, die wir zuschultern haben.Zweitens. Ihr Kollege Lambsdorff, der zur Zeit imAuftrag der rotgrünen Bundesregierung – ich hoffe, sehrerfolgreich und mit Fingerspitzengefühl – über die Ent-schädigung von Zwangsarbeitern verhandelt, wird unshoffentlich eine Regelung vorlegen, die wir bezahlenkönnen. Zur Zeit ist ein Beitrag des Staates von 2 Milli-arden DM im Gespräch. Ich weise nur vorsichtig daraufhin, daß auch diese Last, die wir alle schultern wollen,finanziert werden muß. Insofern wäre ich vorsichtig,jetzt Geld zu versprechen, bei den Menschen Erwartun-gen zu wecken, die Sie als Opposition sowieso nicht er-füllen müßten.Rotgrün macht eine seriöse Entlastungspolitik, undzwar bei Steuern und Abgaben. Diesen Weg sollten wir,so glaube ich, so weitergehen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt
die Kollegin Dr. Barbara Höll, PDS-Fraktion.
Frau Präsidentin! LiebeKolleginnen und Kollegen! Die F.D.P. fordert, Steuer-mehreinnahmen zu größeren Steuersenkungen für dieBürger zu nutzen. Herr Thiele, ich würde mir wünschen,Sie forderten das auch für die Bürgerinnen. Das sollteman mitbedenken.
Ihre Steuervorschläge, die Sie noch einmal dargelegthaben, bedeuten: eine gewisse Steuerentlastung im unte-ren Einkommensbereich und – das ist eindeutig IhrHauptziel; Sie haben das noch einmal erklärt – einemassive Entlastung im oberen Einkommensbereichdurch Senkung des Spitzensteuersatzes auf sage undschreibe 35 Prozent. Dazu muß man ganz klar sagen:Dieser Ansatz ist sozial ungerecht. Denn während vonder Anhebung des Grundfreibetrages und der Absen-kung des Eingangssteuersatzes alle etwas haben – dieBezieher niedriger, mittlerer, hoher und höchster Ein-kommen –, bedeutet die Senkung des Spitzensteuersat-zes nur für sehr wenige Menschen in diesem Lande gro-ße Vorteile.
Bereits das, was die rotgrüne Regierung für das näch-ste Jahr beschlossen hat, die Senkung des Spitzensteuer-satzes von 53 Prozent auf 51 Prozent, ist ihr 1,7 Milliar-den DM – auf diese Höhe belaufen sich nämlich dieSteuermindereinnahmen – wert. Im nächsten Schritt ver-zichtet sie noch einmal auf 2,4 Milliarden DM. Dafürmuß man auch sie kritisieren. Aber Ihr Konzept, das Siehier wieder vorgetragen haben, ist weder im internatio-nalen Vergleich erforderlich, noch werden dadurch Ar-beitsplätze geschaffen. Herr Hauser, Sie haben ja16 Jahre lang versucht, auf diese Art und Weise Ar-beitsplätze zu schaffen. Es ist Ihnen nicht gelungen. Siewurden abgewählt, unter anderem weil wir in der Bun-desrepublik Deutschland Massenarbeitslosigkeit haben.Klaus Wolfgang Müller
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5810 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999
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Frau Hendricks, ich war allerdings ein bißchen er-staunt darüber, daß Sie so lapidar von „geringen Steu-ermehreinnahmen“ gesprochen haben. 1999 sind es im-merhin 6,4 Milliarden DM, im Jahre 2000 wahrschein-lich 10,6 Milliarden DM, die Bund, Länder und Kom-munen mehr zur Verfügung haben. Dabei handelt es sichum reale Mehreinnahmen; denn das, was Sie für dieEntlastung der Familien und für die Senkung der Ren-tenbeiträge angesetzt haben, ist bereits in den Haus-haltsplan eingearbeitet. Deshalb, so finde ich, sollte sichdie rotgrüne Regierung hier profilieren, indem sie we-nigstens die gröbsten sozialen Ungerechtigkeiten ihresHaushaltssanierungsgesetzes zurücknimmt.
Lassen Sie uns also bei den Mehreinnahmen in Höhevon 6,4 Milliarden DM für dieses Jahr und von 10,6Milliarden DM für das nächste Jahr bleiben. Dies ist an-geblich ein niedriger Betrag, eine geringe Steuermehr-einnahme. Aber was heißt das? Sie sind sich nicht zuschade, in Ihrem Paket zum Beispiel bei der Künstlerso-zialkasse eine Änderung einzuführen, die im Bundes-haushalt gerade einmal zu Mehreinnahmen in Höhe von38 Millionen DM führen wird. Dazu sind Sie sich nichtzu schade. Aber an dieser Stelle sagen Sie ganz locker:10,6 Milliarden DM sind nicht viel.Sie wissen – wir haben das zigmal kritisiert –, daß Ih-re Politik des Einsparens so, wie Sie sie verwirklichen,sozial ungerecht und einseitig ist, weil Sie nur die Ein-sparungen, also nur die Ausgabenseite, aber nicht dieEinnahmenseite betrachten. Solange Sie sich taub undblind etwa hinsichtlich einer konsequenten Vermögens-besteuerung, einer Vermögensabgabe oder einer Erb-schaftsbesteuerung stellen, solange Sie den Eurofighterweiterhin im Haushaltsplan haben,
sollten Sie sich nicht bei den Rentenansprüchen zumBeispiel von Arbeitslosen schadlos halten.
30 Milliarden DM wollte Herr Eichel im nächstenJahr einsparen. Jetzt werden dem Bund von den 10,6Milliarden DM auf jeden Fall 2 bis 3 Milliarden DM zu-fließen. Es können auch durchaus 4 Milliarden DM sein.Das heißt, daß der Druck gar nicht mehr so stark ist.Bitte äußern Sie sich dazu! Wir fordern Sie hiermit auf,wenigstens die Nettolohnanbindung der Renten auf-rechtzuerhalten.
Der nächste Punkt ist die Besoldung der Beamten.Auf deren Kosten wollen Sie im nächsten Jahr beimBund 327 Millionen DM, bei den Ländern 1,3 Milliar-den DM und bei den Kommunen 160 Millionen DMeinsparen. Bei den Renten geht es insgesamt um 2,8Milliarden DM, die Sie einsparen wollen. Diese Einspa-rungen in Höhe von 2,8 Milliarden DM bei den Rentensowie die 327 Millionen DM bei der Beamtenbesoldungim nächsten Jahr können Sie auf jeden Fall durch Steu-ermehreinnahmen ausgleichen,
wobei Sie an dem Sparziel von 30 Milliarden DM – mankann darüber streiten, ob das berechtigt ist oder nicht –nicht einmal rütteln müssen. Sie können dieses Einspar-ziel erreichen und müssen trotzdem die gröbsten sozia-len Ungerechtigkeiten nicht mehr durchführen. Diesenfinanziellen Spielraum haben Sie.Zum Abschluß möchte ich noch eines an die Adresseder F.D.P. sagen: Sie weisen mit Recht auf Steuermehr-einnahmen hin. Aber Ihre Antwort darauf lautet wiedernur: Steuersenkungen.
Wenn man sich aber ansieht, woraus die Steuermehrein-nahmen resultieren, –
Frau Kollegin, den-
ken Sie an die Redezeit?
– ja, ich möchte nur kurz
diesen Gedanken abschließen – stellt man fest, daß sie in
erster Linie aus Umsatz und Verbrauch resultieren. Man
muß dann auch Geld an die Menschen zurückgeben, die
von den Steuersenkungen nichts, aber trotzdem den ent-
sprechenden Verbrauch haben. Dies ist der Rentner, der
Auto fährt, der von keiner Steuersenkung etwas hat.
Frau Kollegin,
kommen Sie bitte zum Schluß.
Dies sind die Studenten,
die natürlich auch Energie verbrauchen, aber keinen
Ausgleich für die Ökosteuer bekommen.
Ich danke Ihnen.
Sie wissen, liebe
Kolleginnen und Kollegen, daß wir in einer Aktuellen
Stunde sind und die Redezeit fünf Minuten beträgt. Das
wird auch angezeigt. Wenn die Redezeit zu Ende ist,
leuchtet ein rotes Lämpchen. Ich bitte, darauf zu achten.
Das gilt für diejenigen, die dies noch nicht so genau wis-
sen.
Jetzt erteile ich dem Kollegen Ludwig Eich, SPD-
Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Da-men und Herren! Ich danke der F.D.P. ausdrücklich fürdiese Aktuelle Stunde. Sie transportiert hier nämlich ei-ne Nachricht von einem Erfolg: Die Steuereinnahmensteigen.
Dr. Barbara Höll
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999 5811
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Wir haben lange auf diese gute Nachricht warten müs-sen. Wenn ich sage „wir“, meine ich insbesondere dieLänder und die Kommunen mit ihren geplagten Haus-halten. Seit Jahren mußten in Ihrer Regierungszeit diePrognosen mit problematischen Folgen für alle Haus-halte dieses Staates nach unten korrigiert werden.Bevor Sie von der Opposition das völlig verdrängen:Der Grund für die rückläufigen Steuereinnahmen dervergangenen Jahre war die Wettbewerbsschwäche derdeutschen Wirtschaft. Das hat mit den hohen Lohnne-benkosten zu tun, die Sie verursacht haben. Ich denke,das muß man heute noch einmal dazusagen.
Es ist ganz einfach so: Die Finanzierung der deut-schen Einheit über die Sozialkassen war ein schwerwie-gender Fehler.Die Wettbewerbsschwierigkeiten scheinen überwun-den zu sein; die Wettbewerbslage der deutschen Wirt-schaft hat sich grundlegend verbessert. Dies ist in ersterLinie das Verdienst der Wirtschaft selbst; aber es istauch ein Erfolg sozialökologischer Politik. Die Lohnne-benkosten steigen nicht, wie unter der Regierung Kohl,sondern sie sinken erst einmal. Auch das ist von Einfluß.Die Wachstumssignale sind unübersehbar, und sie wir-ken sich in Form steigender Steuereinnahmen und stei-gender Beschäftigung aus.Die sozialökologische Mehrheit mußte vor einemJahr ein Steuersystem übernehmen, das wie ein Schwei-zer Käse durchlöchert war. Die große Mehrheit der Be-völkerung, Menschen mit mittlerem und unterem Ein-kommen, mußte ihre Steuern zahlen, während Einkom-mensmillionäre ihre Steuerzahlungen auf Null reduzie-ren konnten. Das war nicht nur extrem ungerecht;
das Steuersystem mit seinen Abschreibungsmodellenund mit seinen Verlustzuweisungen, das CDU/CSU undF.D.P. hinterlassen haben, hat auch zu enormen Steuer-ausfällen zu Lasten aller staatlichen Ebenen geführt. Dasbeweisen diese Zahlen sehr deutlich.Mit dem Steuerentlastungsgesetz senkt die neueMehrheit von SPD und Bündnis 90/Die Grünen dieSteuern für untere und mittlere Einkommen um 25 Mil-liarden DM. Dazu kommt eine Förderung der Familienum gut 5 Milliarden DM.
Wir kommen damit zur Frage der sozialen Gerechtig-keit. Es ist praktisch erreicht, daß – wenn wir das Kin-dergeld gegenrechnen – eine Familie mit zwei Kindernbei einem Jahreseinkommen von 60 000 DM heute kei-ne Mark Steuern zahlt.
Wann hat es das unter Kohl oder unter Waigel je gege-ben?
Wir fördern die Familien mit Kindern, und wir sorgendafür, daß auch auf hohe Einkommen Steuern gezahltwerden müssen. Das schafft Gerechtigkeit und sorgtauch für Nachfrage im eigenen Land.Was machen CDU/CSU und F.D.P. in den jetzt lau-fenden Gesetzgebungsverfahren? Sie versuchen, inpuncto Abschreibungsgesellschaften und Verlustver-rechnung den alten Rechtszustand wiederherzustellen.Sie wollen, daß Steuertrickser und Abzocker auf Kostender Steuerzahler weiterhin ihren Reibach machen.
Sie sind die Parteien der Steuertrickser und Abzocker!Das ist die Wahrheit. Was muten Sie den deutschenSteuerzahlern eigentlich zu?Ohne die konkreten Zahlen zu kennen und ohne daßdie Fachgremien sie hätten bewerten können, weiß dieOpposition, was mit den Steuermehreinnahmen gesche-hen soll. Mit dieser Methode haben Sie den größtenSchuldenberg in der Geschichte unseres Landes ange-häuft. Das ist keine solide Politik. Ihr Verhalten ist zu-tiefst unseriös.
Die sozialökologische Mehrheit wird den eingeschla-genen Weg der Haushaltskonsolidierung fortsetzen. Wirwerden dennoch die Steuern für die Familien und für dieUnternehmen senken. Diese Politik hat Erfolg. Das zei-gen eben auch die Steuermehreinnahmen.Vielen Dank.
Jetzt hat die Kolle-
gin Gisela Frick, F.D.P.-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Da-men und Herren! Herr Eich, wenn Sie ständig behaup-ten, Sie würden Steuern senken,
dann handelt es sich nur um Ankündigungen.
Fakt sind die Steuermehreinnahmen. Die Kollegen vonder Opposition haben schon darauf hingewiesen: Steu-ermehreinnahmen für den Staat bedeuten Steuerbela-stungen für den einzelnen Bürger. Anders wären dieseSteuermehreinnahmen überhaupt nicht zu erklären.
Ludwig Eich
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5812 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999
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– Zur besseren Konjunktur – ein wunderschönes Stich-wort, Herr Eich –: Wenn ich mich recht erinnere, dannhaben wir heute im „Handelsblatt“ lesen können, dasBruttoinlandsprodukt wachse um rund 2 Prozent. DieSteuermehreinnahmen liegen aber, soweit ich mich erin-nere, bei 6,3 Prozent; das heißt, sie sind dreimal so hoch.Die Steuermehreinnahmen können Sie nicht nur der ge-sunden Konjunktur anlasten. In erster Linie haben wir esmit dem Ergebnis Ihrer Steuererhöhungspolitik zu tun:Durch die Ökosteuer und durch das sogenannte Steuer-entlastungsgesetz belasten Sie die Wirtschaft deutlichmehr.
Sie haben natürlich im unteren Bereich etwas entla-stet,
wobei es aber auch dort bisher in erster Linie Ankündi-gungen und noch keine Taten gibt; aber das, was Sie imMoment entschieden haben, bedeutet Zusatzbelastungenfür die Wirtschaft insbesondere auch im Rahmen derÖkosteuer. Unter anderem hieraus resultieren dieseMehreinnahmen.Sie resultieren aber auch aus etwas anderem, was Siesich zu Unrecht als Erfolg anrechnen: Wir haben nochzu unserer Regierungszeit die Sonderabschreibungennach dem Fördergebietsgesetz geändert.
Das fängt jetzt an zu greifen.
Wenn Sie uns vorwerfen, wir seien die Partei der Steu-ertrickser und der Absahner, dann ist das einfach nichtrichtig, Herr Eich, dann ist das in hohem Maße unseriös.
Wir haben deshalb gegen den § 2 b des Einkommens-steuergesetzes argumentiert, weil er in der Praxis nichtanwendbar ist, weil die Zielrichtung nur unrichtig ver-folgt worden ist. Wir haben sowohl in der Anhörung alsauch in der Befragung im Finanzausschuß ganz häufiggehört, daß dieser § 2 b, die Regelung über die soge-nannten Verlustzuweisungsgesellschaften, schlicht undergreifend nicht praktikabel ist. Deshalb sind wir gegendiese Vorschrift und nicht, weil wir von der Sache hernicht auch überzeugt wären, daß bestimmte Abschrei-bungen, die die Bemessungsgrundlage durchlöchern,abgeschafft werden müssen. Wir sehen im Moment dieBestätigung genau für unsere Steuerpolitik, nämlich daßwir die Tarife deutlich senken müssen und umgekehrtdie Bemessungsgrundlage konsequent verbreitern müs-sen.
Dies fängt im Bereich des Fördergebietsgesetzes jetzt anzu greifen. Insofern fühlen wir uns in unserem Vor-schlag zur Steuerreform bestätigt, der eine klare unddeutliche Senkung der Steuersätze und eine konsequenteVerbreiterung der Bemessungsgrundlage vorsieht.Wenn Sie uns immer vorhalten, das sei unseriös undnicht finanzierbar, so zeigen uns die neuesten Steuerzah-len, daß dies nicht stimmt, daß das also sehr wohl geht.
In diesem Jahr – dies wird auch falsch dargestellt –haben wir in absoluten Zahlen Mehreinnahmen in Höhevon 51 Milliarden DM zu verzeichnen.
Das darf man nicht immer mit den geschätzten Zahlenvergleichen, sondern das muß man mit den tatsächlichenZahlen des Vorjahres vergleichen.
Wir werden den Schätzungen zufolge im nächsten Jahrmindestens noch einmal 31 Milliarden DM Mehrein-nahmen zu verzeichnen haben. Wenn das nicht wirklichdazu dienen kann, die Finanzierbarkeit unseres Steuer-vorschlages darzustellen, dann weiß ich nicht mehr, wiedas überhaupt möglich sein soll.
– Sie versprechen es immer nur. Wir hätten keine Steu-ermehreinnahmen, wenn Sie wirklich senken würden.Sie haben doch nicht wirklich gesenkt. Das sieht mandoch.
– Jetzt sollte aber Schluß sein mit der Aufregung! – In-sofern möchte ich auch die Staatssekretärin Hendrickskorrigieren. Das ist finanzierbar.
Man muß nur das Richtige wollen. In der Entwicklungs-politik gibt es einen schönen Spruch, den wir ruhig aucheinmal auf unsere Innenpolitik anwenden sollten. Erlautet: Gib den Leuten einen Fisch, und sie sind für ei-nen Tag satt; gib ihnen eine Angel, und sie sind ein Le-ben lang satt.
Nutzen wir jetzt die Steuermehreinnahmen für eineechte Steuerstrukturreform, die für Investitionen undArbeitsplätze wirken wird! Folgen wir dem Beispiel dererfolgreichen Nationen wie der USA, aber auch europäi-scher Nachbarn. Dann werden wir einen weiteren Auf-schwung und auch weitere Steuermehreinnahmen haben,dann aber nicht auf Grund Ihrer Steuererhöhungen, son-dern weil dann tatsächlich mehr investiert werden wirdund weil mehr Arbeitsplätze vorhanden sein werden.Das wird uns helfen. Jetzt ist der richtige Augenblickdafür. Darum sollten wir es jetzt auch machen.
Gisela Frick
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999 5813
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Jetzt hat der Kollege
Dieter Grasedieck, SPD-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Meinesehr verehrten Damen und Herren! Eine Werbung sagt:Ich will Genuß – sofort. Diese Botschaft war 16 Jahrelang Ihr Motto, meine Damen und Herren von der F.D.P.und von der CDU/CSU. Sie lebten nicht alleine auf Ko-sten unserer Kinder, Sie lebten auch auf Kosten unsererEnkel und Urenkel.
Frau Frick, nach dem, was Sie gesagt haben, kannman bei Ihnen eigentlich nur von einer Steuersenkungauf Pump sprechen.
Sie haben in den letzten Jahren Ihrer Regierungszeitviele Steuern mehrfach erhöht. Ich möchte Ihnen nur ei-nige wenige Beispiele nennen: Die Mineralölsteuer ist infünf Jahren fünfmal erhöht worden. 21 Milliarden DMsind dabei herausgesprungen. Sie haben weitere Steuernerhöht – ich möchte das nur punktuell aufführen –: dieKfz-Steuer, die Grunderwerbsteuer, die Tabaksteuer, dieUmsatzsteuer und die Versicherungssteuer.
Diese Steuern sind ungefähr in den letzten zehn JahrenIhrer Regierungszeit angehoben worden.Herr Hauser, Sie sagten vorhin: Es geht um das Gelddes Bürgers. Vorsichtig sind Sie mit diesem Geld nichtumgegangen;
denn man muß auf eines hinweisen: Trotz der steuerli-chen Mehreinnahmen sind sehr viele Schulden gemachtworden.
Der Schuldenabbau ist nicht vorgenommen worden.
Sie sprachen und diskutierten zwar viel vom Schulden-abbau, aber Sie haben nie gehandelt, Herr Hauser.Ich möchte auf das eingehen, was Sie vorhin sagten:1982 betrug der Schuldenberg 350 Milliarden DM. Da-mals regierte noch Helmut Schmidt.
Sieben Jahre später und vor der deutschen Einheit betrugder Schuldenberg, Herr Fromme, 700 Milliarden DM.1998 lag er bei 1,5 Billionen DM. Jede vierte Haus-haltsmark gibt der Bund heute für Zinsen aus. Das sindinsgesamt 82 Milliarden DM. Wenn man dies in Eigen-tumswohnungen umrechnet, eine Eigentumswohnung à300 000 DM, dann sind es – Sie werden staunen, FrauFrick – 275 000 Eigentumswohnungen. Eine Stadt wieEssen hat 260 000 Haushalte. Dies bedeutet: Wir könn-ten allein mit den Zinsen jedes Jahr eine Stadt wie Essenund zusätzlich ein kleines Dorf errichten.
Mit der Verschuldung muß Schluß sein. Wir wollen da-mit Schluß machen.Jetzt wollen Sie die Steuereinnahmen für Steuersen-kungen einsetzen. Sie wollen Ihre unverantwortlicheSchuldenpolitik fortsetzen. Wir Sozialdemokraten sagendazu: nein! Wir meinen, Politik und Staat müssen wie-der handlungsfähig sein. Unsere Gesellschaft und vorallem unsere Jugend
brauchen wieder Perspektive und Zukunft. Unser Zu-kunftsprogramm setzen wir trotz der Probleme, die hierund dort auftreten, entschlossen um.Herr Thiele, Sie sagten, Bürger und Betriebe müßtendas Geld zurückbekommen. Davon sprachen Sie 16 Jah-re. Gehandelt haben Sie nicht.
Wir machen es; wir handeln.
Die Steuerreform bringt eine Entlastung von 40 Milliar-den DM.
Lesen Sie bitte einmal nach: Durch das Steuerentla-stungsgesetz zahlen die Bürgerinnen und Bürger 26Milliarden DM weniger an Steuern.
– Auch wenn Sie jetzt lachen: Wenn Sie es nachlesen,werden Sie überrascht sein, daß diese Zahl stimmt.Herr Eich hat schon vorhin darauf hingewiesen, daßeine normalverdienende Familie mit zwei Kindern imnächsten Jahr 3 000 DM an Steuern zurückerhält. Diesist ein wichtiger Punkt. An die Familie haben Sie niegedacht. Wir haben an sie gedacht. Wir haben Lösungengeschaffen. Wir geben den Familien insgesamt 6,1 Mil-liarden DM zurück.Durch unsere neue Unternehmensteuerreform werdenauch wieder Arbeitsplätze geschaffen. Der Kleinbetrieb
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5814 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999
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wird genauso berücksichtigt wie der Mittelbetrieb undder Großbetrieb.
Wir werden in den kommenden Jahren Wert auf die För-derung des Mittelstands legen. Das sind insgesamt 8 Mil-liarden DM. Sie haben dies sicherlich schon nachgelesen.Durch Ihre unsoziale und unsolide Politik ist derSchuldenberg aufgebaut worden. Wir wollen diesenSchuldenberg abbauen. Wir wollen nicht länger auf Ko-sten unserer Jugend leben. Unsere Jugend und unsereGesellschaft brauchen Perspektiven und Zukunftshoff-nungen. „Genuß heute und sofort“ wird es mit uns nichtgeben.
Jetzt erteile ich das
Wort dem Kollegen Norbert Schindler, CDU/CSU-
Fraktion.
Frau Präsidentin!Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kol-legen! Herr Grasedieck, eines muß man euch Sozialde-mokraten immer wieder sagen – und die Grünen sind damanchmal noch unvernünftiger –: Zwar haben wir – ichhabe die vier Rechenarten gelernt, Sie hoffentlich auch –1,5 Billionen DM Schulden, aber auf diese Schulden binich stolz.
Das sage ich als Westdeutscher ausdrücklich. Ich sageIhnen auch, wie sich diese Schulden zusammensetzen,damit Sie es endlich einmal begreifen.
– Hören Sie doch einmal zu! Ich habe Ihnen doch auchzugehört.400 Milliarden DM waren Altschulden der DeutschenDemokratischen Republik. 700 Milliarden DM sindNettotransferleistungen zum Aufbau Ost; das haben wir,auch mit Ihren Stimmen, im Deutschen Bundestag undim Bundesrat beschlossen. Das sind 1,1 Billionen DM.
Und dann haben wir noch die 400 Milliarden DM Alt-schulden Ihres Kanzlers Schmidt. Damit bin ich bei 1,5Billionen DM. Wenn Sie das anders rechnen wollen,dann legen Sie mir das einmal schwarz auf weiß vor.
Dann noch etwas: Genuß sofort? – Im Zuge der deut-schen Einheit wurden uns allen Belastungen auferlegt,und ich habe sie freudig – auch in dem Stolz, heute hierim Reichstag reden zu können – mitgetragen. Wir habendas draußen auch alle so vertreten. Dies jetzt als Bela-stung und als Fehlleistungen unserer Regierung hinzu-stellen – also, waren Sie auf einem anderen Stern, oderhaben Sie in Deutschland gelebt, als die deutsche Ein-heit vollzogen wurde?
Meine Damen und Herren, ich bin ja froh, daß sichdas griesgrämige Gesicht des Herrn Finanzministersvielleicht ein bißchen aufhellt. Er erinnert mich, wenn erso dasitzt, manchmal an Büroklammern.
Wenn wir mehr Einnahmen haben, dient das natürlichzu unser aller Entlastung. Darüber bin ich natürlich zu-nächst einmal froh.
– Herr Eich, dann stimmen Sie sich in den Reden ab!Wenn die Frau Staatssekretärin anders interpretiert alsSie, welche Auswirkungen das jetzt schon hätte, dannmöchte ich doch festhalten – auch Frau Frick sagte es –,was wir an Beschlüssen für die Jahre 1998 und 1999 ge-faßt haben. Was man jetzt sieht, sind die Auswirkungen.
Bei der wirtschaftlichen Entwicklung hat bis jetzt keinergesagt, daß die exportorientierte Industrie wesentlichdazu beiträgt. Die Inlandsnachfrage ist ja nicht so, wiewir es gern hätten.
Bei diesen Geschichten möchte ich als Vertreter desländlichen Raumes auch einmal auf Punkte hinweisen,die in der Freude einfach so untergehen. Sie haben Lei-stungsgesetze beschlossen, im Januar umgesetzt, undjetzt holt man im Sparpaket mit großer Ankündigungtatsächlich 6 bis 7 Milliarden DM wieder zurück –eigentliches Sparpotential –, was Herr Waigel in jedemJahr getan hat. Das wird großartig als Einsparungen von30 Milliarden DM verkündet. Bei den Steuergesetzenaber ist die deutsche Landwirtschaft auf Grund derSchätzungen, die jetzt vorliegen, mit netto 2,5 bis3 Milliarden DM beteiligt.
Darauf bin ich nicht stolz. Das ist der Wermutstropfen inder Schätzung.
Sie haben uns Bauern 1,4 Milliarden DM Mehrbelastungpro Jahr zugemutet. Davon werden 900 Millionen DMschon im Jahr 1999 wirksam. Die Schätzungen gehenbis 2003. Man erkennt an: Großen Blutzoll habt ihrBauern bei der Agenda 2000 geleistet.
Dieter Grasedieck
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999 5815
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Frage: Warum machen Sie bei diesen Vorzeichen dennkeine Landwirtschaft mehr, Herr Eich?Was aber jetzt noch weiter beschlossen und in derSchätzung mit aufgelistet wird, ist eben zum Beispiel dieRücknahme der Vorsteuerpauschale. Ihre Fraktion hattevor 18 Monaten bei der Heraufsetzung auf 10 Prozentmitgestimmt. Noch kein Jahr Wertigkeit Ihrer Beschlüs-se, und Sie holen das wieder zurück! Steuerbelastung:netto 1,4 bis 1,5 Milliarden DM pro Jahr!
Dazu kommen jetzt die Haushaltskürzungen, die manunter dem Sparpaket von 30 Milliarden DM ankündigt.Wenn ich höre, mit welchem Verständnis Sie sonst redenund wie Sie draußen angeblich auch für den ländlichenRaum Politik gestalten wollen, und dann sehe, wie dashier umgesetzt wird, verstehe ich die Welt nicht mehr.
(CDU/CSU): Der Kanzler
Wenn man die Steuerschätzungen so aufgreift, sollteman in den Beratungen, die jetzt aktuell anstehen, nichtnur im Finanzausschuß, sondern auch im Haushaltsaus-schuß ein Zeichen setzen, daß man auch draußen aufdem Land Strukturpolitik noch mit Hilfe der Instrumentebetreibt, die wir in Deutschland besitzen, nämlich maß-geblich in der Steuer- und in der Finanzpolitik.Abschließend möchte ich sagen: Was Karl-HeinzFunke als verantwortlicher Minister in acht oder neunMonaten auf den Weg gebracht hat, haben Kiechle undBorchert in 20 Jahren nicht fertiggebracht. Damit zieheich nicht den Hut vor seiner Leistung, sondern drücketiefe Traurigkeit aus.Vielen Dank.
Nun hat die Kollegin
Christine Scheel, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Ich möchte an diesem Punkt ein bißchen abräumen,
und zwar hinsichtlich einiger Überlegungen der Opposi-tion, und möchte Sie, wenn möglich, auf den Boden zu-rückholen.
Es ist schlicht und ergreifend so, daß zweimal im Jahreine Steuerschätzung stattfindet.
Das war schon immer so. Da sitzen 25 Experten – ichglaube, es sind nur Männer; ich weiß es nicht genau –samt ihren Computern beisammen und machen sich übermehrere Stunden, manchmal sogar zwei, drei Tage, Ge-danken über die Steuereinnahmen. Oftmals sind die Er-gebnisse einigermaßen richtig. Es gab aber auch schonJahre, in denen die Steuerschätzungen ganz anders wa-ren als die realen Steuereinnahmen.
Eine Regierung, egal, wie zusammengesetzt, hat diePflicht, auf der Grundlage der Steuerschätzungen ihreFinanzplanung zu machen. Diese Regierung hat das ge-nauso getan wie vor ihr jede andere Regierung.
Gott sei Dank ist es so, daß auf Grund der Veränderun-gen in der Steuergesetzgebung die Schätzungen derjeni-gen, die sie vorzunehmen haben, etwas realitätstaugli-cher sind, so daß nicht die schwierige Situation entsteht,daß man Prognosen drastisch korrigieren muß.Ich kann mich noch gut daran erinnern, daß Finanz-minister Waigel 1996 und 1997 nach drastisch nach un-ten korrigierten Zahlen regelrecht vor einem Loch stand.Er hatte damals massive Probleme; Sie erinnern sich si-cher daran.
Wir sprechen heute über ein voraussichtliches Volu-men in einer Größenordnung von 5 Milliarden DM fürBund, Länder und Kommunen. Alles andere, was Siehier an Zahlen angesprochen haben, auch der Vergleichzum letzten Jahr, ist natürlich bereits in die Finanzpla-nung eingeflossen. Es ist ja nicht so, daß man plötzlicheine Menge Geld übrig hat. Man muß davon ausgehen,daß für die drei Ebenen, die ich angesprochen habe,Mehreinnahmen von 5 Milliarden DM entstehen wer-den. Der Anteil des Bundes beträgt etwa 1 MilliardeDM.Wenn ich dann von seiten der F.D.P. und derCDU/CSU höre, man solle doch bitte schön diese giganti-schen Mehreinnahmen auf Grund der Schätzung – –
– Nur das ist seriös, Herr Thiele! Es gibt nur einen seriö-sen Vergleich, und zwar den der Schätzung vom Früh-jahr mit der Schätzung vom Herbst. Einen anderen se-riösen Vergleich gibt es nicht; Sie können nicht dieZahlen der Steuerschätzung vom Herbst mit den Steuer-einnahmen vom letzten Jahr vergleichen.Norbert Schindler
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5816 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999
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Ich sage es noch einmal: Die Finanzplanung hat aufGrund der Einnahmen und der Schätzungen vom letztenJahr, die sehr eng beieinander lagen, stattgefunden. Dasheißt, diese Einnahmen sind bereits in die Finanzpla-nung eingeflossen. Sie sind jetzt nicht übrig, sondern imTableau mit vorgesehen. Das muß man auch von IhrerSeite zur Kenntnis nehmen. Man muß eine realistischeDatenbasis voraussetzen und kann nicht so tun, als hät-ten wir hier plötzlich 50 Milliarden DM übrig.
Das ist eine Irreführung der Öffentlichkeit, das ist unso-lide, es ist populistisch, und es nutzt letztendlich nie-mandem, wenn Sie eine solche Verunsicherungsstrategiefahren.
Ich finde es ein bißchen eigenartig, daß die F.D.P.eine Aktuelle Stunde beantragt, bevor die Steuerschätzerüberhaupt die Chance hatten, ihre Berechnungen vorzu-legen. Das heißt, es wird über Zahlen verhandelt, dieniemand konkret vor sich liegen hat.
Der Arbeitskreis „Steuerschätzung“ hat die Zahlen im-mer publiziert, bevor wir eine Debatte darüber geführthaben; so gehört es sich auch im normalen Umgang miteinem solchen Arbeitskreis.
Wir wissen natürlich auch, daß bestimmte Effekte –das sind einmalige Effekte, auslaufende Effekte – be-rücksichtigt werden müssen. Dazu gehört auch das, washeute angesprochen worden ist: Umsatzsteuererhöhung– Effekte bis ins erste Quartal 1999 hinein – und Weg-fall bestimmter Abschreibungstatbestände der altenBundesregierung. In diesem Zusammenhang muß mankorrekterweise sagen, daß die neuen bisher nicht greifenkönnen, da die Einkommensteuererklärungen für 1998noch nicht alle ausgewertet sind, das heißt, sie könnennoch nicht als Grundlage herangezogen werden.Wenn bestimmte Sonderregelungen auslaufen, gibt esimmer auch Konservierungsmodelle. Das bedeutet: DieBanken halten bestimmte Abschreibungsobjekte vor, beidenen der Grundstein schon gelegt ist, und die Bürgerund Bürgerinnen können dann noch Abschreibungen tä-tigen, wenn sie in die Projekte einsteigen; da gibt es be-kanntlich immer das November/Dezember-Fieber. Auchdas ist noch nicht berücksichtigt.
Frau Kollegin, Ihre
Redezeit ist abgelaufen.
Ich bin sofort am Ende, Frau Präsidentin.
Das heißt letztendlich, daß mit Mindereinnahmen bei
der Einkommensteuer für 1998 gerechnet werden muß.
Ich sage das ganz vorsichtig. Die Schätzer werden das
sehen.
Letzter Satz: Wir haben uns die Senkung der Netto-
neuverschuldung, die solide finanzierte steuerliche Ent-
lastung von Unternehmen und Familien mit Kindern
zum Ziel gesetzt. Das darf nicht durch eine unsachge-
mäße Verwendung von windfall profits in Frage gestellt
werden.
Danke schön.
Jetzt erteile ich das
Wort dem Kollegen Jochen-Konrad Fromme, CDU/CSU.
Frau Präsi-dentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! FrauScheel, ich bin von Ihnen sehr enttäuscht. Ich hätte er-wartet, daß Sie heute hier einmal das sagen, was Sie je-den Tag in der Presse verkünden, nämlich daß Sie fürunseren Vorschlag sind. Sie erzählen draußen etwasganz anderes, als Sie im Bundestag tun.
Das trägt nicht zur Glaubwürdigkeit der Politik bei, Siebrauchen sich daher nicht zu wundern, wenn die WählerIhnen scharenweise weglaufen. Die merken nämlich,daß Sie hier etwas anderes tun, als Sie draußen sagen.Die Steuermehreinnahmen kommen natürlich aus derveranlagten Steuer, wie wir gerade schon festgestellt ha-ben. Sie resultieren nicht aus wirtschaftspolitischen Er-folgen.
– Herr Kollege Eich, die wirtschaftspolitischen ErfolgeIhrer Regierung können Sie an der Schröder-Uhr able-sen. Die steht seit Monaten auf minus 367 000.
Wir sollten die Chance nutzen und die Steuern senken– es geht nicht darum, daß wir sagen, es gibt50 Milliarden DM mehr, sondern wir unterhalten unsdarüber, wie sie sinnvoll eingesetzt werden –,
um damit das Fundament für künftige Steuereinnahmenzu schaffen. Denken Sie einmal an die Stoltenberg-Kurve – wie ich sie nenne. Durch Steuersenkungen gin-gen von 1986 bis 1989 die Steuereinnahmen zunächstum 41 Milliarden DM zurück, aber am Ende hatten wirChristine Scheel
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130 Milliarden DM mehr. Das ist mehr als das Dreifa-che. Die Institute raten uns nicht umsonst zu diesemKurs. Sie sollten ihn befolgen. Durch Ihre Politik stehenSie aber vor der Notwendigkeit, ständig Mehreinnahmenzu erzielen, statt die Steuern zu senken,
weil Sie Ihre Wahlversprechen einlösen müssen.
– Herr Kollege Poß, wenn Sie einmal etwas Vernünfti-ges machen wollen – hören Sie mir zu! –, dann führenSie doch eine Abgeltungssteuer auf dem Niveau IhrerKommunalwahlergebnisse ein. Dann werden inDeutschland Steuern gezahlt und nicht im Ausland.Dann haben Sie auch 6 oder 8 Milliarden DM mehr.
Schauen Sie mal nach Österreich.Ihre Steuerpolitik ist durch drei Linien gekennzeich-net: Die erste Linie ist gekennzeichnet durch Neid.Deswegen kommen Sie nicht zu dem vernünftigen Ent-schluß, den Spitzensteuersatz auf das internationale Ni-veau zu senken. Deswegen werden viele Steuern imAusland gezahlt, die in Deutschland gezahlt werdenkönnten. Da Sie aber Ihre Staatsausgaben finanzierenmüssen, müssen Sie die Steuern, die Ihnen „oben“ feh-len, dem kleinen Mann abnehmen,
und das nennen Sie sozial gerecht.
Die zweite Linie ist dadurch gekennzeichnet, daß Sieohne Rücksicht auf die Folgen für die künftigen JahreLiquidität aus den Betrieben abziehen.
Nehmen Sie einmal die Abschreibungen: Es geht um dieFrage, wann die Steuern hereinkommen, wie Sie sagen.Ich kann Ihnen sagen, daß die Wirkung Ihres Vorhabensverheerend ist. Großbetriebe mit praktisch 100 ProzentEigenkapital haben nur den Zinsverlust. Aber den stabi-len mittelständischen Betrieben, die Arbeitsplätze schaf-fen könnten,
die ein Eigenkapital von weniger als 20 Prozent haben
– Herr Kollege Eich! –, tut das bitter weh, denen fehlendie Finanzierungsmittel für Investitionen. Nur durch In-vestitionen aber können Arbeitsplätze entstehen.
Das ist Ihre Politik, das sind die Folgen Ihrer Politik.Deswegen entstehen eben keine Arbeitsplätze, und des-wegen ist das ungerecht.
Sie produzieren – das ist die dritte Linie, die Sie mitIhrer Politik verfolgen – einen Riesenhaufen an Büro-kratie, um Scheingerechtigkeit zu erzeugen. Ich nehmenur einmal das Modell der Kontrollmitteilung bei derZinsbesteuerung. Ich sehe es bildlich vor mir, wie Hun-derttausende von Finanzbeamten in Zukunft Millionenvon Kontrollmitteilungen in die Steuerakten einordnen,630-DM-Bescheinigungen ausstellen. Das aber hat zurFolge, daß sie für das, was sie eigentlich tun müßten,nämlich Steuererklärungen zu prüfen, überhaupt keineZeit mehr haben werden, weil sie dann mit sinnlosenDingen beschäftigt sind.
Meine Damen und Herren, das ist ein völlig falschesSignal,
denn damit wird noch mehr Kapital ins Ausland getrie-ben. Durch dieses Vertreiben von Kapital ins Auslandwerden in Deutschland noch weniger Steuern gezahlt.Ihre Politik geht in eine völlig falsche Richtung! Sieproduzieren Bürokratie und Arbeitsbeschaffung bei denFinanzämtern, was wir aber brauchen, sind Arbeitsbe-schaffungsmaßnahmen am Arbeitsmarkt.
Herr Müller, Frau Scheel, tun Sie im Bundestag docheinmal das, was Sie – ich wiederhole es – jeden Tag inder Presse verlauten lassen! Stehen Sie doch einmal zuder Politik, die Sie vertreten! Beim Ausstieg aus derAtomenergie, beim Rüstungsexport, überall geben Sienach. Nicht einmal in der Steuerpolitik machen Sie das,was Sie sagen und den Leuten versprochen haben, son-dern Sie machen genau das Gegenteil und sorgen fürPolitikverdrossenheit.
Durch Ihre Politik, jetzt Liquidität hereinzuholen, dieuns in den nächsten Jahren fehlen wird, werden Sie inder Zukunft Riesensteuerlöcher produzieren. Aber eineskann ich Ihnen versprechen: Diese Steuerlöcher werdenSie nicht mehr verwalten; denn bis es soweit ist, gibt eseine Wahl.
Das Wort hat jetzt
der Kollege Wolfgang Grotthaus, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Mei-ne Damen und Herren! Wenn das Thema nicht so ernstwäre, dann könnte man sich über die Opposition tat-sächlich amüsieren.
Ich glaube, daß von Ihrer Seite schon ein bißchen Sy-stematik dahintersteckt; das will ich Ihnen sehr deutlichJochen-Konrad Fromme
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sagen. Ich bin leider noch nicht sehr lange in diesemHohen Hause. Ich habe hier aber gelernt, daß innerhalbvon 12 Monaten die Probleme, die Sie in dieser Repu-blik angehäuft haben, die Probleme der neuen Regierungsind.
– Natürlich! – Ich habe in dem Ausschuß, in dem ich tä-tig bin, mit Frust festgestellt, daß schon nach drei Mo-naten von „unseren“ Arbeitslosen gesprochen wordenist.
Ich glaube, daß Systematik dahintersteckt, wenn Siedie Mehreinnahmen, die tatsächlich anfallen, nun ver-ausgaben wollen. Dies geschieht vor dem Hintergrund,uns vielleicht in einem halben Jahr auch die 1,5 Billio-nen DM, die Sie an Schulden hinterlassen haben, anhän-gen zu können.
Dies werden wir nicht mitmachen. Wir werden deut-lich aufzeigen, daß Sie, die Schuldenmacher von ge-stern, sich heute als Haushaltshüter darstellen wollen,daß Sie, die Steuer- und Lohnnebenkostenerhöher vongestern, sich heute als Steuersenker darstellen wollen.Die Menschen draußen wissen dies und werden Ihnendabei nicht auf den Leim gehen.Sie spielen sich als die Vertreter der kleinen Leuteauf. Ich spreche auch in Erinnerung an die gerade been-dete Finanzausschußsitzung. Es ist noch keine Stundeher, daß wir das Steuerbereinigungsgesetz diskutiert ha-ben. Für uns gab es wieder den Aha-Effekt, daß Sie op-poniert haben, Steuerschlupflöcher zu schließen.
Sie haben sich mit aller Kraft dagegen ausgesprochen,daß denjenigen in diesem Land, die schon viel haben,etwas weggenommen wird; sie sollen alles weiter be-halten dürfen – so Ihre Auffassung.
Diese Politik, Herr Hauser, machen wir nicht mit.
Dies – ich sage es nochmals – haben die Menschen indiesem Land verstanden.Lassen Sie mich zur Sache kommen: Es ist ganz er-staunlich, daß, bevor überhaupt der Arbeitskreis Steuer-schätzung zusammengekommen ist, diese AktuelleStunde zustande kommt, und zwar auf Grund einer Pres-semeldung. Dazu hat die Kollegin Scheel schon Stellungbezogen. Ich will dies hier nicht tun. Nur, ich verstehenur Ihre Aufgeregtheiten nicht. Denn Kollegin Scheelhat sehr deutlich gesagt, um welche Mehreinnahmen essich handelt und wie man diese Mehreinnahmen zu re-lativieren hat. Sie als ehemaliger Staatssekretär, HerrHauser, haben ja wohl mit der Aufgabe Ihres Amtesnicht auch Ihr Gedächtnis abgegeben.
Sie hätten sich daran erinnern sollen. Dann wären Sievielleicht im Umgang mit den Mehreinnahmen ein biß-chen fairer gewesen. Es stellt sich natürlich die Frage,ob man ein Jahr zurückdenken und sich an diese Gege-benheiten tatsächlich erinnern will.Ich möchte sehr deutlich feststellen, daß die Mehr-einnahmen, wie sie sich unter der neuen Regierung dar-stellen, nicht, wie Herr Thiele es formuliert hat, durchzusätzliche Belastungen der Bürger zustande kommen.Herr Thiele, dazu sagt man im Ruhrgebiet – ich drückees vorsichtig aus –: Dieser Beitrag von Ihnen wardumm. Wenn ich in der Sprache des Ruhrgebietes nochdeutlicher werden würde, würde ich wahrscheinlich vonder Präsidentin einen Verweis bekommen.
Sie sollten wissen, daß dieser Zuwachs an Steuerein-nahmen durch den Anstieg des wirtschaftlichen Wach-stums zustande gekommen ist. Sie sollten wissen, daßder Zuwachs durch das Auslaufen der Sonderabschrei-bungen in den neuen Ländern zustande gekommen ist.Sie sollten wissen, daß der Zuwachs durch die Nachwir-kung der Mehrwertsteuererhöhung, die wir gemeinsamim Jahre 1998, noch zu Zeiten der alten Regierung, be-schlossen haben, zustande gekommen ist. Was dies allesmit einer zusätzlichen Belastung der Bürgerinnen undBürger zu tun hat, das bleibt mir – und wahrscheinlichauch Ihnen – schleierhaft.Mehrbelastungen sind dort entstanden – das gebenwir offen zu –, wo wir dies auch wollten, wo wir aberauf Ihren energischen Widerstand gestoßen sind, näm-lich beim Schließen der Steuerschlupflöcher im Rah-men des Steuerentlastungsgesetzes. Wenn Herr Thielehier von Wahlgeschenken spricht, dann ist dazu sehrdeutlich zu sagen: Wir sind stolz darauf, daß wir dasKindergeld zum 1. Januar 2000 um insgesamt 50 DMerhöht haben.
Wir sind stolz darauf, daß wir die Steuersätze gesenkthaben. Wir sind stolz darauf, daß wir die Steuerfreibe-träge erhöht haben. Sie können das nachrechnen: ImJahre 2002 werden die Menschen in diesem Land, undzwar die Normalverdiener, nicht diejenigen, die extremhohe Einkommen haben, bis zu 3 000 DM mehr imPortemonnaie haben,
Wolfgang Grotthaus
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ohne daß sich die Tarifvertragsparteien damit auseinan-dersetzen müssen. Es werden aber diejenigen wenigerim Portemonnaie haben, die sich bisher durch das Aus-nutzen von Steuerschlupflöchern reich gemacht haben.Wir werden dies nicht mitmachen.Sie propagieren zusätzliche Ausgaben und damit einehöhere Staatsverschuldung.
Sie scheinen aus Ihrer langjährigen Finanzpolitik, die zueiner Rekordverschuldung von 1,5 Billionen DM geführthat, nichts gelernt zu haben.
Meine Damen und Herren von der Opposition, dasMotto „Weiter so!“ geht nicht mehr. Sie waren stark imAusgeben von Geld, aber schwach in solider Haushalts-führung.
Risiken wurden von Ihnen ignoriert.
Herr Kollege, kom-
men Sie bitte zum Schluß.
Ich komme sofort zum
Schluß. – Sie sollten einmal nachrechnen, was eine
Zinserhöhung von einem halben Prozent im Haushalt
ausmachen würde. Dann würden Sie hier und heute
nicht so leichtfertig über Mehrausgaben sprechen.
Wir wollen unseren Kindern eine Zukunft geben.
Deswegen dienen diese Mehreinnahmen letztendlich da-
zu, den durch Sie überschuldeten Haushalt zu sanieren.
Jetzt hat das Wort
der Kollege Klaus-Peter Willsch, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin!Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr KollegeGrotthaus, ich möchte noch einmal die entsprechendenZahlen in Erinnerung rufen: 884 Milliarden DM werdendie Bürger unseres Landes in diesem Jahr an Steuernzahlen. Das sind 50 Milliarden DM mehr als das Ist1998. Die Steuerquellen sprudeln wie nie zuvor. AberFinanzminister Eichel lehnt niedrigere Steuersätze ab.Herr Grotthaus, ich halte es für wichtig, zu berück-sichtigen, wie die Verantwortlichen in der Vergangen-heit gesprochen haben und wie sie heute sprechen. Des-halb habe ich in der „taz“ von gestern nachgelesen.
– Ja. – Dort steht, daß mein Kollege Austermann HerrnEichel aufgefordert hat, jetzt endlich eine durchgreifen-de Senkung der Steuersätze durchzuführen. Herr Eichelhat daraufhin gefragt – so steht es in der „taz“ –, „war-um die CDU den Steuernachlaß, den sie nun fordere,nicht zu ihren Regierungszeiten gegeben habe.“Was er dort festgestellt hat, ist eine ungeheure Frech-heit. Dies war der gleiche Hans Eichel, der im Bundesratals finanzpolitischer Sprecher der SPD gemeinsam mitdem desertierten Saarländer und dem damaligen nieder-sächsischen Ministerpräsidenten und Noch-KanzlerSchröder die Senkung der Steuersätze zwei Jahre langblockiert hat.
Sie alle wissen ja selbst – nicht nur die Nordrhein-Westfalen unter Ihnen –, wie die Stimmung im Landeist, da auch Sie in den Wahlkreisen unterwegs sind. Ichhoffe, daß Sie sich da noch hintrauen. Ich jedenfalls ge-he mit Freude dahin. Wenn man sich mit den Bürgernunterhält, ist man sich schnell mit ihnen darüber einig,daß Ihr Motto „Wir sind bereit“, das Sie letztes Jahr aufdie Plakate geschrieben haben, weit weg von der Wahr-heit ist.
Das Urteil der Leute vor Ort ist einhellig: Die können esnicht – das sagen sie überall.
Meine Damen und Herren von der SPD, um etwas zukönnen, muß man ja erst einmal wissen, was man will.Schon daran fehlt es aber bei Ihnen. Sie wissen nicht,was Sie wollen. Finanzminister Eichel sagt, er könne dieEinkommensteuersätze nicht senken, da sonst nicht ge-nügend Luft für eine Nettoentlastung im Rahmen derUnternehmensteuerreform bleibe.
In seiner eigenen Landespartei sieht man es anders. Amvergangenen Samstag hat sich der SPD-Bezirk Hessen-Süd nicht nur für die Wiedereinführung der Vermö-gensteuer und für eine Ausbildungsplatzabgabe, sondernauch gegen die von der Bundesregierung geplante Steu-erentlastung für Unternehmen ausgesprochen.
Das Ganze geschah nicht irgendwo, sondern im zweit-größten Bezirk der SPD, nachdem die Frau und Ratge-berin des durchgebrannten Finanzministers Lafontaine,Christa Müller, zunächst ihre Vorstellungen vorgetragenhatte; das Ganze geschah nach einem eindringlichenAppell zur Geschlossenheit durch den Partei-VizeScharping;
das Ganze geschah in Anwesenheit der Bundesministe-rin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-lung, Frau Wieczorek-Zeul, der früheren Bezirksvorsit-zenden Hessen-Süd, die auch keine Hand gerührt hat,um das zu verhindern; das Ganze geschah in Hessen, woWolfgang Grotthaus
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Finanzminister Eichel SPD-Landesvorsitzender ist. Wasist denn das für ein Chaosladen bei Ihnen?
Fr
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn Sie die links schlagenden Herzen der von
Larchers & Co. ohnehin nicht gewinnen können, dann
lassen Sie endlich ab von Ihrem untauglichen Versuch,
eine Unternehmensteuerreform isoliert für juristische
Personen zu machen. Sie planen eine Reform für gut 10
Prozent der Unternehmen, während die restlichen
90 Prozent, insbesondere die kleineren und mittleren
Unternehmen, auf der Strecke bleiben. Sie können da so
viele Planspiele machen, wie Sie wollen;
dadurch ändert sich auch nichts.
Herr Eichel möge sich einmal umschauen – das emp-
fehle ich Ihnen, Frau Hendricks, ebenfalls –: Die Trup-
pen, die Sie anzuführen glauben, befinden sich in Auflö-
sung. Ich nenne eine Schlagzeile der letzten Woche:
Grüne lehnen Eichels Unternehmensteuerpläne ab
Die Finanzausschußvorsitzende Frau Scheel sagte wort-
wörtlich:
Wir brauchen ein psychologisches Signal für Inve-
storen.
Ein weiteres Zitat – Originalton der Finanzausschußvor-
sitzenden der Grünen –:
Nur wenn wir noch einmal an den Tarif gehen,
kommt es zu einer echten Entlastung.
Mein Appell richtet sich an den Finanzminister: Be-
freien Sie sich endlich aus dieser selbstgewählten Isola-
tion. Machen Sie gemeinsam mit Ihrem Koalitionspart-
ner – entsprechend den Empfehlungen der Wirtschafts-
sachverständigen –, mit der Opposition, mit uns, eine
ordentliche Steuerreform, die diesen Namen verdient. So
hat es ja auch Herr Struck formuliert.
Die Sätze müssen im gesamten Tarif herunter, vom Ein-
gangssteuersatz bis hin zum Spitzensteuersatz.
Ich will zum Schluß entgegen meiner sonstigen Pra-
xis zitieren, was die „FAZ“ über meinen Wahlkreiskol-
legen von der SPD auf dem Bezirksparteitag in Südhes-
sen berichtet:
Der Bundestagsabgeordnete Schuster stellte fest,
– hören Sie einmal zu, das hört sich gut an –
die SPD habe ihre Glaubwürdigkeit verloren und
werde bei Wahlen „dafür abgewatscht“;
es fehle in Berlin an der „Professionalität der Koor-
dination“;
Herr Kollege, den-
ken Sie bitte an Ihre Redezeit!
die SPD habe „eine ganze Reihe nicht ausgetrage-
ner Konflikte“, kurzum: es gebe „Bedarf an Hirn“.
Ich gratuliere Ihnen.
Nun hat das Wort
der Kollege Hans Georg Wagner, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin!Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Als die „Bild“-Zeitung spekulierte, wie hoch die Steu-ermehreinnahmen seien, war mir vollkommen klar, daßdie F.D.P. mit beiden Füßen auf diesen Zug aufspringtund hier eine Aktuelle Stunde beantragt; denn sie ist jamittlerweile keine mehr etwa der „Frankfurter Rund-schau“ nahestehende Partei, sondern eine, die denpopulärsten Themen nachrennt, ohne daß dabei nochliberale Überzeugungen zu erkennen wären. Es tut mirfurchtbar leid, aber das ist nun einmal so.Ich habe in einer Aussprache zu einem ähnlichenThema schon einmal gesagt: Der himmelweite Unter-schied zwischen der neuen und der alten Koalition ist –mit Ausnahme der PDS, die weder damals noch heuteeiner Koalition angehörte bzw. angehört –, daß wir dieMillionäre zugunsten der Millionen abzocken werden.Sie aber haben umgekehrt jahrelang die Millionen zu-gunsten der Millionäre abgezockt. Das hat sich geändert,was die Steuermehreinnahmen zeigen.
Wir haben eine ganze Reihe von Steuerschlupflö-chern gestopft, die Sie geöffnet hatten, um Ihrer Klientelzu helfen. Das Ergebnis war, daß am Ende des Jahres1998 1 500 Milliarden DM an Schulden aufgelaufen wa-ren. Jeder einzelne – auch das neugeborene Kind und einüber 100jähriger – hat 200 000 DM Schulden von dieserKoalition auf den Buckel gepackt bekommen. Davonentfallen jährlich 10 000 DM an Zinsleistungen. Solangedieser Mißstand nicht beseitigt ist, ist der Handlungs-spielraum für die Politik eingeengt. Wir werden diesSchritt für Schritt ändern.
Sie wollten doch den Staat kaputtmachen; Sie wolltenden Bankrott des Staates, weil ein schwacher Staat immergut für die Herrschenden ist. Wir aber wollen einen star-ken Staat, der auch für die Schwachen der Gesellschaft daist. Darin liegt der Unterschied zwischen Ihnen und uns.
Klaus-Peter Willsch
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Schauen Sie sich einmal an, gegen welche Maßnah-men Sie eingetreten sind – es wurde vorhin schon er-wähnt; ich möchte es wiederholen –: Sie waren gegendie Erhöhung des Kindergeldes und gegen die Anhe-bung des Existenzminimums. Sie waren gegen alle ge-setzlichen Regelungen im sozialen Bereich. Sie warenimmer für Regelungen, die den Besserverdienenden zu-gute kamen. Herr Solms hat gesagt: Wir sind die Parteider Besserverdienenden.
Lassen Sie mich noch einen Satz zu Ihnen, Frau Dr.Höll von der PDS, sagen. Wenn Sie hier die Anpassungder Renten an die Preissteigerungsrate beklagen, dannmüssen Sie ehrlicherweise auch sagen, daß diese Anpas-sung eine Verdopplung der Rentenerhöhung im Ver-gleich zu den Rentenmachenschaften der alten Koalitionbedeutet.
Zur Klarstellung will ich sagen: Herr Schindler, Siehaben jahrelang – seit 1982 – mit den Rentnerinnen undRentnern Schindluder getrieben.
Im Jahre 2001 wird die Rentenerhöhung dreimal so hochsein wie die, die den Rentnerinnen und Rentnern jahre-lang zugemutet wurde. Überlegen Sie sich also Ihre Ar-gumentation genau, Frau Dr. Höll!Eben wurde die Künstlersozialkasse angeführt. Mirkommen fast die Tränen, wenn ich bedenke, daß bisher– gesetzlich geregelt – die Sozialkassen der Künstler zu50 Prozent für die Selbstvermarkter bedient wordensind. Wie jeder weiß, ist die Zahl der Selbstvermarktererheblich zurückgegangen, so daß der tatsächliche An-teil des Bundes an der Finanzierung der Künstlersozial-kasse bei genau 40 Prozent liegt. Das entspricht38 Millionen DM, die im Haushaltssanierungsgesetzenthalten sind.Das Haushaltssanierungsgesetz wird in wenigen Mi-nuten im Haushaltsausschuß als Paket verabschiedetwerden. Die Koalition zeigt große Geschlossenheit injedem Punkt. Wir haben nämlich keine Alternative.
– Herr Kollege Hauser, die F.D.P. hat doch damals allihre Vorschläge verhindert. Sie wollten die 630-DM-Jobs regeln, was aber an der F.D.P. gescheitert ist. Wirhaben die entsprechenden Regelungen auf den Weg ge-bracht.
Ein letzter Punkt: 82 Milliarden DM Zinsen bedeutennatürlich, daß wir handeln müssen. Jede Mark Steuer-mehreinnahmen muß zur Reduzierung der Nettokredit-aufnahme eingesetzt werden, um den Staat wiederhandlungsfähig zu machen, und darf nicht gleich wiederausgegeben werden. Die entsprechende Diskussion isteine seltsame Diskussion in der sich frei und demokra-tisch nennenden Partei.
Wir hatten eine Anhörung im Haushaltsausschuß.Meistens waren Sie aber nicht anwesend. Erst wurde dieAnhörung beantragt, aber dann, wenn es darauf ankam,erschien keiner. Dort haben alle Experten, auch die – dasist das Schönste daran –, die von Ihnen benannt wordensind, gesagt, die Haushalts- und Finanzpolitik dieserBundesregierung sei auf dem richtigen Wege. Warumsoll man den Vorschlägen der Experten nicht folgen?
Wenn Sie schon Ihren eigenen Experten nicht glauben,dann schauen Sie sich einmal an, was die Institute vori-ge Woche gesagt haben. Diese haben gesagt, daß wir aufdem richtigen Wege seien. Die Experten haben gesagt,wir sparten noch zuwenig. Ich möchte einmal Ihr Ge-schrei hören, wenn wir noch mehr sparen würden, alswir dies schon jetzt tun.Herr Kollege Thiele, mit dem Antrag, den Sie undIhre Kollegen im Haushaltsausschuß gestellt haben, ha-ben Sie eine Erhöhung um – unterm Strich –120 Milliarden DM gefordert.
Herr Kollege, den-
ken Sie an die Redezeit!
Ein letzter Satz.
– Ja, Clowns verlangen immer Zugaben.
In diesen Tagen wird der Internationale Währungs-
fonds ein bisher geheimgehaltenes Gutachten über die
Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung
veröffentlichen.
– Einen dümmeren Zuruf gibt es gar nicht. Herrr
Schindler, Sie haben sich als Bauernpräsident von Herrn
Schartz hereinlegen lassen. – Sie hören es nicht gerne,
aber in diesem Gutachten wird die Wirtschafts- und
Finanzpolitik dieser Bundesregierung als richtig be-
zeichnet. Wir sind dankbar für diese Bestätigung.
Die aktuelle Stundeist beendet. Wir sind damit am Schluß unserer heutigenTagesordnung.Hans Georg Wagner
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5822 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 65. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 3. November 1999
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Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-destages auf morgen, Donnerstag, den 4. November1999, 9 Uhr ein.Die Sitzung ist geschlossen.