Gesamtes Protokol
Guten Tag, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Ka-
binettsitzung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur Reform
der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr
2000. Außerdem hat sich das Kabinett mit der Aufstel-
lung des Haushaltsplanes 2000 befaßt.
Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht
hat die Bundesministerin für Gesundheit, Andrea Fi-
scher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundes-kabinett hat heute den Gesetzentwurf zur Reform dergesetzlichen Krankenversicherung verabschiedet. Mitdiesem Gesetzentwurf soll die Beitragssatzstabilität dergesetzlichen Krankenversicherung bei zugleich hohemLeistungsniveau unseres deutschen Gesundheitssystemsauf Dauer gewährleistet werden. Der Gesetzentwurfsetzt dabei vor allen Dingen auf eine Strukturverände-rung, die es allen Beteiligten ermöglichen soll, besserund in neuen Versorgungsformen zusammenzuarbeiten.Es soll dabei die Möglichkeit eröffnet werden, daß dieGrenzen zwischen dem stationären und dem ambulantenBereich, die bislang sehr stark abgegrenzt sind, durch-lässiger werden. Außerdem stärken wir die Rechte vonPatientinnen und Patienten.Der Gesetzentwurf sieht dazu eine Vielzahl von Be-stimmungen vor, die der Selbstverwaltung im Gesund-heitswesen einen hohen Stellenwert einräumen. Es wer-den neue Formen der Zusammenarbeit geschaffen, zumBeispiel indem integrierte Versorgungsformen ermög-licht werden. Hier geht es darum, daß Fachärzte ver-schiedener Fachrichtungen zur Versorgung von Krankenzusammenarbeiten können, aber auch darum, daß neue,den ambulanten und stationären Bereich übergreifendeVersorgungsformen geschaffen werden können.Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus vor, dieKrankenhäuser durch veränderte Finanzierungsformenfür eine Veränderung in die Zukunft hinein fit zu ma-chen. Hier geht es vor allen Dingen um ein neues Preis-system in den Krankenhäusern. Der Gesetzentwurf er-teilt den Organen der Selbstverwaltung den Auftrag, einsolches neues Preissystem zu entwickeln. Darüber hin-aus soll durch eine Veränderung der Finanzierung derInvestitionen mit einer allmählichen Verlagerung derVerantwortung von den Bundesländern auf die Kran-kenkassen erreicht werden, daß die Krankenhäuser mehrFlexibilität bei der Planung ihrer Infrastruktur haben.Dafür sieht der Gesetzentwurf einen relativ langen Zeit-raum vor, weil es hier immerhin um beträchtliche Beträ-ge geht, die von den heute verantwortlichen Ländern aufdie Krankenkassen zu übertragen sind; es braucht Zeit,die dafür erforderlichen Mittel zu erwirtschaften.Ich will hier aus gegebenem Anlaß darauf hinweisen,daß bei dieser Übertragung der Finanzierungsverant-wortung für die Investitionen in Krankenhäusern nichtdaran gedacht ist, die Bundesländer vollständig aus derpolitischen Verantwortung für die Krankenhausplanungzu entlassen. Vielmehr ist vorgesehen, daß die Ländergemeinsam mit den Kassen und den Krankenhäuserndarüber entscheiden, welchen Rahmen sie für die Kran-kenhausplanung setzen, welche Struktur gebraucht wird.Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus vor, auf ver-schiedenen Wegen eine Stärkung der Funktion desHausarztes zu erreichen. Es ist uns ein großes Anliegen,daß den Versicherten in der gesetzlichen Krankenversi-cherung in verstärktem Maß Hausärzte als Lotsen durchdas immer komplexer werdende System zur Verfügungstehen. Dafür muß die Rolle des Hausarztes gegenüberdem heute erreichten Zustand wieder gestärkt werden.Wir wollen dies vor allen Dingen durch eine Sicherungder Honorarbedingungen für die Hausärzte und durchverbesserte Weiterbildung der Hausärzte erreichen, wo-zu der Gesetzentwurf vorsieht, bereits bestehende Re-gelungen weiterzuentwickeln.Wir werden, was die Grundausbildung von Ärztenanbelangt, im Bereich der Allgemeinarztbildung weitere
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Anstrengungen unternehmen müssen. Regelungen dazuwird ein anderes Gesetz treffen.Von all diesen Maßnahmen, die ich jetzt in diesemkurzen Beitrag sicherlich nur kursorisch benennen kann,erwarten wir, daß durch eine verstärkte Qualitätssiche-rung und durch verbesserte Zusammenarbeit die um-fangreichen Ressourcen, die wir unserem Gesundheits-wesen durch die Beiträge der gesetzlichen Krankenver-sicherung zur Verfügung stellen, besser als bislang ge-nutzt werden können und daß wir deswegen auch beistabilen Beitragssätzen weiterhin das hohe Versor-gungsniveau unserer Bevölkerung halten können.Ich danke Ihnen.
Ich bitte zunächst
Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den so-
eben berichtet wurde. Wer wünscht das Wort? – Kollege
Seifert, bitte.
Frau Ministerin, ich danke Ih-
nen für diesen kurzen Abriß. Leider sind die meisten
Kolleginnen und Kollegen des Gesundheitsausschusses
nicht anwesend, weil sie noch bei der Anhörung sind, so
daß sich viele Fragen jetzt gar nicht stellen lassen. Viel-
leicht erlauben Sie mir, zumindest zwei Fragen zu stel-
len.
Erstens. Wie wollen Sie die Situation in den Kran-
kenhäusern im Osten, die bekanntermaßen besonders in
der Bredouille sind, lösen?
Zweitens. Eine Frage in bezug auf das Hausarztsy-
stem, das Sie stärken wollen. Können Sie nähere Aus-
künfte darüber geben, wie Sie dieses Honorarsystem ge-
stalten wollen? Wie können die Hausärzte ein Interesse
daran gewinnen, gegebenenfalls Patientinnen und Pati-
enten zu überweisen? Sie sollen ja die Übersicht behal-
ten und nicht nur die Verantwortung tragen.
Bitte schön, Frau
Ministerin.
Herr Kollege Seifert, was die Lage der Krankenhäuser
im Osten anbelangt, insbesondere, was dieses Jahr an-
betrifft, sind wir zur Zeit im Gespräch sowohl mit den
Krankenhausgesellschaften als auch mit den Kranken-
kassen. Es gibt dort noch Unstimmigkeiten unter den
Beteiligten über die Datengrundlage. Wir sind aber sehr
zuversichtlich, daß wir in absehbarer Zeit eine Einigung
in der Frage erzielen werden, ob es für die Krankenhäu-
ser in Ostdeutschland gesonderter Maßnahmen auch jen-
seits dieses Reformgesetzes in diesem Jahr bedarf, um
deren Finanzen für das laufende Jahr sicherzustellen.
Zur Frage des Hausarztsystems und des Interesses des
Hausarztes, seinen Patienten dann, wenn es not tut,
weiterzugeben. Ich denke, dieses Interesse wird man nur
auf verschiedenen Wegen erreichen können.
Insgesamt finde ich es wichtig, sich klarzumachen,
daß es sich bei der Stärkung des Hausarztes, von der wir
sprechen, um einen Prozeß handelt. Das soll nicht mit
dem 1. Januar 2000 verordnet werden. Deswegen wird
es auch weiterhin bei der freien Arztwahl bleiben.
Bei der Frage, bis wann der Hausarzt der richtige An-
sprechpartner für den Patienten ist und wann dies ein
anderer Arzt sein muß, sind meiner Meinung nach die
integrierten Versorgungsformen ein ganz zentraler
Punkt. Dort kann über genau dieses Problem gesprochen
werden, und dort kann es Absprachen zwischen den be-
teiligten Ärzten geben.
Ich glaube, diese integrierten Versorgungsformen
werden insbesondere in dem Bereich der Behandlung
von chronisch Kranken sehr bedeutsam sein können,
weil dort häufig ein sehr komplexer Krankheitsverlauf
die gute Zusammenarbeit von verschiedenen Ärztinnen
und Ärzten verlangt. Wenn man das in einer Art neuem
Versorgungsnetz organisierte, müßte damit eigentlich
auch die heute noch vorhandene Angst der Ärzte entfal-
len, durch eine Überweisung den betreffenden Patienten
auf Dauer zu verlieren. Es geht uns darum, daß der Pati-
ent zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist, daß der eine
Arzt ihn dann abgibt, wenn es not tut, ihn aber auch zu-
rücknimmt, wenn es wieder sinnvoll ist.
Ich glaube schon, daß das Verhältnis der Inanspruch-
nahme von Leistungen des Hausarztes und von Leistun-
gen des niedergelassenen Facharztes wieder ins Lot
kommen könnte.
Wir erwarten auch einiges von den Vorgaben, die wir
der ärztlichen Selbstverwaltung gemacht haben, zum
Beispiel die Honorierung von Hausärzten dadurch zu si-
chern, daß es einen fest verfügbaren Topf für die Haus-
ärzte gibt, der nicht von den anderen Ärztegruppen in
Anspruch genommen werden kann. Wir hoffen, daß wir
damit etwas mehr Ruhe in diesen innerärztlichen Ver-
teilungskampf bringen. Die Ausfüllung dessen wird
wieder Aufgabe der ärztlichen Selbstverwaltung sein.
Aber wir hoffen, daß wir dadurch auch an diesem Punkt
einen richtigen Anreiz setzen können.
Eine Nachfrage des
Kollegen Seifert.
Frau Ministerin, ich möchte
Ihren Gedanken zu den chronisch kranken Menschen
gern noch einmal aufgreifen; dort ist ja die Angst, was
den Hausarzt angeht, weit verbreitet: Sieht denn Ihr Ge-
setzentwurf vor, daß zum Beispiel auch ein Spezialist
für Diabetes oder etwas anderes die Hausarztfunktion
übernehmen kann? Wenn ja, wie soll das funktionieren?
Für viele Menschen mit chronischen Krankheiten wäre
eine solche Regelung sehr, sehr wichtig.
Herr Kollege Seifert, ich fürchte, da ist zum Teil auchein Mißverständnis in der öffentlichen Debatte entstan-den. Unser Gesetzentwurf enthält keinerlei Vorschrift,wer zu welchem Arzt zu gehen hat und wo er eventuellnicht hingehen darf. Wenn wir von einer Stärkung desHausarztes sprechen, dann meinen wir damit, daß esBundesministerin Andrea Fischer
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Sinn macht – das zeigen die internationalen Erfahrungenund auch die Erfahrungen der Menschen in Ostdeutsch-land –, daß ich mich als Patientin einer Ärztin meinesVertrauens anvertraue, die dann auch kompetenter alsich entscheiden kann, wo ein Facharzt besser ist als sie.Habe ich aber zum Beispiel Diabetes und habe eine Dia-betologin gefunden, die eine andere Grundausbildungals Allgemeinmedizin hat, und komme ich mit dieserFachärztin wunderbar zurecht, dann brauche ich sienicht zu wechseln, dann ist sie sozusagen die Lotsin, vonder ich vorhin gesprochen habe.Es geht – ich sage es noch einmal deutlich – nicht umeine Einschränkung der freien Arztwahl, sondern es gehtdarum, daß wir die Arbeitsbedingungen für die Haus-ärzte verbessern wollen, so daß es dort aus der Perspek-tive von Ärzten auch andere Möglichkeiten gibt. Aus derPerspektive von Patientinnen und Patienten soll jeder dieMöglichkeit haben, sich den Arzt oder die Ärztin zuwählen, den oder die er für sich als richtig empfindet.
Eine Zusatzfrage der
Kollegin Wolf.
Margareta Wolf (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Ministerin, wir wissen
alle, daß der medizinisch-technische Fortschritt immer
mehr voranschreitet. Wie läßt sich das mit dem von Ih-
nen vorgesehenen Globalbudget vereinbaren?
Der Begriff des Globalbudgets hat ja verschiedene
Aspekte. Einer davon ist, daß wir sagen: Die Ausgaben,
die wir in die solidarisch finanzierte gesetzliche Kran-
kenversicherung geben, sollen jedes Jahr so steigen, wie
auch die Löhne steigen. Bei stabilem Beitragssatz wer-
den also höhere Löhne entsprechend mehr Geld in die
gesetzliche Krankenversicherung bringen. Nur damit
man sich die Größenordnung klarmachen kann: Wenn
zum Beispiel im nächsten Jahr in Deutschland alle Löh-
ne um zwei Prozent steigen würden, wären das fünf
Milliarden DM mehr für die gesetzliche Krankenversi-
cherung.
Daß einiges von dem, was es inzwischen an medizi-
nisch-technischem Fortschritt gibt, ausgesprochen kost-
spielig ist, ist unbestritten und könnte eventuell auch ei-
ne stärkere Preisentwicklung haben, als sie sich in den
Löhnen ausdrückt. Deswegen ist es so wichtig, daß wir
im Rahmen des Gesetzentwurfs versuchen, über Quali-
tätssicherung und Leitlinien für die Therapierung mehr
Gewißheit über das, was man im Gesundheitswesen
macht, hineinzubringen.
Es geht im Grunde darum, dem gesamten Gesund-
heitswesen Mittel zu einer ständigen kritischen Selbst-
überprüfung dessen an die Hand zu geben, was sie ma-
chen. Wir dürfen nicht immer nur auf das, was es bis-
lang schon gibt, etwas Neues draufsatteln, sondern wir
müssen das Neue daraufhin überprüfen, ob es besser ist
und ob man dadurch Altes ersetzen kann. Es geht also
nicht darum, unbegrenzt immer nur Neues zu entwik-
keln, sondern es geht darum, dieses Neue sehr gut zu
überprüfen und das System einem ständigen Erneue-
rungsprozeß auszusetzen.
Ich bin der festen Überzeugung, daß man mit einer
solchen Steigerung, die der Lohnsteigerung entsprechen
soll, und mit diesem Überprüfungsprozeß den medizini-
schen Fortschritt im Rahmen der gesetzlichen Kranken-
versicherung, so er denn sinnvoll ist, auch in Zukunft
gewährleisten kann.
Nächste Frage, Herr
Kollege Lohmann.
Frau Ministerin, Sie haben eben – ich möchte darauf zu-
rückkommen – im Zusammenhang mit dem Vorhaben
der Stärkung des Hausarztsystems auch die materielle
Seite angesprochen. Es ist offensichtlich beabsichtigt,
auch für diesen Bereich mehr Mittel zur Verfügung zu
stellen. Eben ist hier schon die Frage nach dem Global-
budget gestellt worden. Ich möchte sie gern vertiefen.
Wenn sowieso in diesem Jahr wahrscheinlich mit De-
fiziten zu rechnen ist – die Gründe will ich jetzt nicht
diskutieren – und andererseits wegen der engen Anbin-
dung an die Grundlohnsumme, die sich ja nach mensch-
lichem Ermessen nur sehr bescheiden entwickeln wird,
beim Globalbudget in den nächsten Jahren keine großen
Steigerungen möglich sind, müßten Sie dann nicht auch
sagen, daß das gesamte Honorarbudget der Ärzteschaft
eine Neuaufteilung erfahren soll, nämlich daß die Haus-
ärzte, wie Sie dies wünschen, mehr bekommen, die
Fachärzte aber wohl weniger als bisher bekommen, und
das, obwohl durch die EBM-Neuordnung und durch
Verschiebungen auch schon in der Vergangenheit eine
Besserstellung der sprechenden Medizin zu Lasten der
Apparatemedizin stattgefunden hat?
Ja, Herr Kollege Lohmann, es geht um eine solche Ver-schiebung, weil wir davon ausgehen, daß bei einer sinn-vollen Arbeitsteilung im ambulanten Bereich der Anteilder hausärztlichen Versorgung mas o menos bei 60 Pro-zent und der der fachärztlichen Versorgung bei 40 Pro-zent liegt. Dies ist nicht unbedingt in allen Bezirken derKassenärztlichen Vereinigung der Fall. Die Steigerun-gen sind, wie Sie selbst gesagt haben, begrenzt. Deswe-gen geht es selbstverständlich auch um die Verteilungs-frage.Allerdings hat sich bei den Versuchen der letzten Jah-re, zu einer anderen Bewertung zu kommen – die auchim Rahmen der ärztlichen Selbstverwaltung unternom-men wurden –, erwiesen, daß das, was als Stärkung derhausärztlichen Versorgung gedacht war, auch von seitender Fachärzte als eine weitere Abrechnungsmöglichkeitgenutzt wurde. Wir sehen deshalb eine Abgrenzung derTöpfe vor. Weiterhin sollen verbindliche Regelungendazu führen, daß die unterschiedlichen EBM für die Be-reiche der fachärztlichen und der hausärztlichen Versor-gung nicht miteinander vermischt werden.Man wird keine endgültige Lösung finden können,die alle zufriedenstellt. Ich glaube, daß man nur versu-Bundesministerin Andrea Fischer
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chen kann, in diesem – wie wir alle wissen – sehrschwierigen Konflikt zwischen den verschiedenenGruppen etwas mehr Angemessenheit der Vergütungherzustellen. Dafür sind wir aber auch darauf angewie-sen, daß die ärztliche Selbstverwaltung dies entspre-chend unterstützt, wie dies derzeit schon in der ärztli-chen Selbstverwaltung unter dem Stichwort EBM 2000diskutiert wird.
Kollegin Schmidt-
Zadel.
Frau Ministerin, in
der Diskussion um das Gesundheitswesen melden sich
sehr viele Gruppen zu Wort. Nach dem erklärten Willen
des Ministeriums, aber auch der Fraktionen von SPD
und Bündnis 90/Die Grünen sollen die Patientinnen und
Patienten im Mittelpunkt der Gesundheitsreform stehen,
die oft viel zu kurz kommen. Welchen Nutzen haben die
Regelungen des Kabinettsentwurfes für die Patientinnen
und Patienten? Ich wäre dankbar, wenn Sie das einmal
näher erläutern könnten.
Frau Kollegin Schmidt-Zadel, ich denke, man kann an
verschiedenen Stellen unseres Gesetzentwurfes festma-
chen, wie wir versuchen wollen, die Position von Pati-
entinnen und Patienten zu stärken. Ich habe vorhin im
Zusammenhang mit der Frage des Kollegen Seifert
schon darauf hingewiesen, daß wir in den nächsten Jah-
ren – das hat mit dem demographischen Wandel, also
mit dem Alter der Patientinnen und Patienten zu tun –
eine wachsende Zahl von Menschen mit chronischen
und Mehrfacherkrankungen bekommen. Dafür bedarf es
neuer Versorgungsformen mit besserer Zusammenarbeit.
Gerade für Patientinnen und Patienten mit komplizierten
Krankheitsverläufen wird die Stärkung ihrer Position ein
ganz wichtiger Aspekt sein.
Ich bin auch ganz persönlich davon überzeugt, daß
für die Patientinnen und Patienten etwas zu gewinnen
ist, wenn es uns gelingt, die Position von Hausärzten
wieder zu stärken und den Patientinnen und Patienten
wieder das Vertrauen zu geben, daß es Sinn macht, sich
dem Hausarzt als Lotsen anzuvertrauen.
Ein weiterer Punkt ist, daß wir erste Schritte in Rich-
tung einer Stärkung von Patientenrechten gehen wollen.
Die beiden Fraktionen, die die Regierung stellen, haben
sich vorgenommen, ein eigenständiges Patientenschutz-
gesetz in Angriff zu nehmen, wobei man das nicht alles
in ein Gesetz packen kann. Aber wir haben schon im
vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehen, daß zum Bei-
spiel die Krankenkassen die Möglichkeit erhalten sollen,
Patienten bei Behandlungsfehlern zu unterstützen. Ich
denke, das ist für viele, die sich in diesem Bereich
alleingelassen fühlen, ein ganz wichtiger Aspekt.
Ich halte es auch für ein ganz wichtiges Signal, daß
wir sehr stark über die Eigenverantwortung von Patien-
tinnen und Patienten sprechen. Das wird aber aus unse-
rer Perspektive mit Selbsthilfe und Gesundheitsförde-
rung buchstabiert, wobei wir, aus den Erfahrungen der
letzten Jahre lernend, mit entsprechend hohen Quali-
tätsmaßstäben neue Möglichkeiten eröffnen wollen, daß
Selbsthilfe und Gesundheitsförderung betrieben werden.
Das ist zunächst einmal eine positive Botschaft für Pati-
entinnen und Patienten, aber sie bedeutet natürlich auch,
daß wir etwas von ihnen verlangen, nämlich daß sie sich
um ihre eigene Gesundheit kümmern.
Das Wort erhält Herr
Kollege Heil.
Frau Ministerin, unser System
leidet im wesentlichen unter der starken Abschottung
der Versorgungsstrukturen, sowohl was Wirtschaftlich-
keitsreserven betrifft als auch was die Zielgenauigkeit
im Interesse von Patientinnen und Patienten betrifft.
Können Sie uns erläutern, in welcher Weise der Kabi-
nettsentwurf in dieser Richtung eine positive Verände-
rung bringt, das heißt, die Verzahnung zwischen ambu-
lanter und stationärer Versorgung beispielsweise för-
dert?
Da ich hier niemanden langweilen will, sage ich nocheinmal stichwortartig, daß die Versorgungsverträge, vondenen ich gerade sprach, vom ambulanten in den statio-nären Bereich hineinragen sollen. Das wird gerade beikomplizierten Krankheitsverläufen der Fall sein. Wirhaben deswegen auch vorgeschlagen, daß die Kranken-häuser die Möglichkeit erhalten sollen, sich bei hoch-spezialisierten Krankheiten an der ambulanten Betreu-ung zu beteiligen, wenn die Krankenhäuser dafür gutgeeignet sind. Das wird durch entsprechende Vereinba-rungen zwischen dem ambulanten Bereich und dem sta-tionären Bereich zu gewährleisten sein.Wir haben es hier mit einem sehr konfliktträchtigenFeld zu tun, weil alle Beteiligten sich ein wenig besorgtfragen, in welche Art von Wettbewerb sie damit getrie-ben werden. Wir haben dafür eine, wie ich meine, be-dachtsame Lösung gefunden, indem wir sagen: Manmuß genau vereinbaren, wofür die Krankenhäuser diesdürfen und wo die Grenze ist. Denn wir wollten hierauch nicht die Interessen des niedergelassenen Sektorsverletzen.Wir wollen sozusagen beim Übergang zwischenKrankenhaus und ambulanter Betreuung mehr Flexibi-lität erreichen, indem wir dort neue Fristen einführen.Ich denke, daß es gerade dieser Übergang ist, wo es häu-fig noch hakt. Alle, die in Krankenhäusern arbeiten, wis-sen, daß die Entlassung häufig daran scheitert, daß dienachstationäre Betreuung nicht unbedingt gewährleistetist.Wir wollen auf der anderen Seite aber auch den Ka-talog mit ambulanten Operationen erneuern und moder-nisieren, um klarzustellen, wann ein Krankenhausauf-enthalt gar nicht mehr notwendig ist. Ein wichtigerPunkt ist auch, daß wir bei den Notfallambulanzen durchVerträge, die mit dem niedergelassenen Bereich verein-bart werden können, erreichen wollen, daß unnötigeBundesministerin Andrea Fischer
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Einweisungen ins Krankenhaus infolge eines Notfallsentfallen.Es ist immer eine Frage der Perspektive, ob es vieloder wenig ist, was wir hier tun, gerade weil dieser Be-reich zwischen allen Seiten so konfliktträchtig ist. Dashat eine lange Vorgeschichte. Es gibt ja Ursachen fürdiese strikte Trennung zwischen ambulant und stationärbei uns. Deshalb sind wir hier bedachtsam vorgegangenund arbeiten auch mit diesen Katalogen. Ich glaube, daßdas ein guter Kompromiß ist, mit dem wir aber auf jedenFall mit dem Vorhaben weiterkommen, daß wir dieSektorengrenze zwischen dem ambulanten und dem sta-tionären Bereich durchlässiger machen wollen.
Kollegin Göring-
Eckardt, bitte.
entwurf – von den Eckpunkten über den Arbeits- bis hin
zum Referentenentwurf – ist schon sehr lange diskutiert
worden. Ich würde Sie gerne fragen, welche Punkte sich
nach dieser Diskussion im Kabinettsentwurf geändert
haben, beispielsweise welche Modellvorhaben in den
Kabinettsentwurf eingearbeitet worden sind.
Frau Ministerin, ich
möchte Sie bitten, sich etwas kürzer zu fassen. Es liegen
noch eine ganze Reihe von Fragen vor.
Ich denke schon, daß nach dem umfangreichen Diskus-
sionsprozeß klar wird, daß sich an den Eckpunkten, die
ich eingangs beschrieben habe, nichts geändert hat.
Vielmehr wurde manches während dieser Diskussions-
zeit konkreter gemacht bzw. modifiziert, nicht zuletzt
auf Grund von Einwendungen, die wir von anderer Seite
erhalten haben.
Wir haben vorgesehen, in verschiedenen Bereichen
modellhaft vorzugehen, zum Beispiel in bezug auf die
unabhängige Patientenberatung, die finanziert werden
kann. Ebenso wie wir die Möglichkeit eröffnet haben,
daß die integrierte Versorgung zu einem Teil der Regel-
versorgung werden kann, soll sie auch weiterhin in Mo-
dellversuchen fortentwickelt werden können. – Damit
beende ich – denn der Präsident schaut schon vorwurfs-
voll – meine Antwort.
Kollege Schuster,
bitte.
Frau Ministerin, ich
gehe davon aus, daß wir in der nächsten Woche die
eigentliche inhaltliche Debatte in aller Deutlichkeit mit-
einander führen werden. Deswegen möchte ich mich auf
einen ganz anderen Aspekt beschränken. Sie wissen
selbst, daß das Gesundheitsversorgungssystem ein ver-
mintes System ist. Manche sprechen von einem Hai-
fischbecken. Ihr Vorgänger kann davon ein Lied singen.
Nun wird in der Öffentlichkeit der nach meinem Ver-
ständnis wahrheitswidrige Eindruck erweckt, als ob Ihr
Haus nicht bereit wäre, während des weiteren Verfah-
rens die Interessentengruppierungen zu einem Dialog
einzuladen. Könnten Sie uns bitte darstellen, wie Sie Ih-
re Dialogbereitschaft mit den entsprechenden Lobby-
gruppen organisieren wollen und daß Sie dialogwillig
sind.
Herr Kollege Schuster, teilweise war es ja der Presse zu
entnehmen, daß ich den Dialog mit niemandem aus dem
Bereich des Gesundheitswesens scheue. Aber grund-
sätzlich ist zu sagen: An den drei verschiedenen Etap-
pen, die der Gesetzentwurf jetzt hinter sich hat, können
zumindest diejenigen, die sich in der Gesundheitspolitik
gut auskennen, erkennen, daß es Bewegung gegeben hat.
Ergebnisse aus Gesprächen sind sicherlich in den jetzt
vorliegenden Gesetzentwurf mit eingeflossen. Es hat al-
so entgegen landläufiger Darstellung erheblich mehr
Gespräche gegeben.
Wir werden am kommenden Sonntag eine große
Kampagne eröffnen, die „Dialog Gesundheit“ heißt und
die ganz wesentlich darin besteht, daß ich mich persön-
lich, daß sich weitere Mitglieder meines Hauses, aber
selbstverständlich auch Abgeordnete der Koalitions-
fraktionen der öffentlichen Debatte stellen. Das wird üb-
rigens eine Debatte nicht nur mit den Leistungserbrin-
gern sein – so wichtig die im Gesundheitswesen sind –,
sondern natürlich auch mit Patientinnen und Patienten,
die eine Menge an Fragen bezüglich dessen haben, was
wir im Gesundheitsbereich vorhaben. Das heißt, wir
werden sozusagen über Land ziehen, mit den Menschen
sprechen und alle Möglichkeiten wahrnehmen, die es
gibt.
Ich will bei dieser Gelegenheit feststellen: Dieser Ge-
setzentwurf wird mit Sicherheit von den Parlamentariern
während der Beratungen verändert werden. Da werden
solche Debatten mit einfließen. Ich habe mich immer
gewundert, wie aufgeregt über erste Entwürfe dieses
Gesetzentwurfes gesprochen wurde, als sei das nicht der
Auftakt zu einem langen Beratungsprozeß. Den werden
wir jetzt in eine organisierte Form überführen.
Herr Kollege Pfaff.
Frau Ministerin, stimmen
Sie mir zu – ich frage dies im Hinblick auf die vom
Kollegen Lohmann gestellte Frage –, daß zwar einige
Reformen des Vergütungssystems im ambulant-
ärztlichen Bereich die zuwendungsorientierte Medizin
stärken sollten, daß aber trotz dieser Reformschritte der
Ärzteschaft noch eine sehr große Ungleichheit in der
Verteilung der Einkommen besteht, die von der Sache
her nicht zu rechtfertigen ist, und daß der Hausarzt in
seiner Funktion auf jeden Fall gestärkt werden muß?
Herr Kollege Pfaff, da stimme ich Ihnen zu. Das ist ei-ner der Gründe dafür, warum wir die von mir soebenBundesministerin Andrea Fischer
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schon beschriebenen Maßnahmen ergriffen haben undwarum versucht wurde, diesbezügliche Signale an dieärztliche Selbstverwaltung zu senden.Ich bin mir nicht sicher, ob da schon das letzte Wortgesprochen ist. Wir haben dem Sachverständigenrat fürdas Gesundheitswesen den Auftrag gegeben, sich nocheinmal genau mit den Vergütungsstrukturen zu beschäf-tigen, weil wir wissen, daß diese eine starke Anreizwir-kung und einen starken Einfluß darauf haben, wie be-handelt wird und wie das Verhältnis zwischen den ver-schiedenen Arztgruppen ist. Wir hoffen, daß wir durchdieses Gutachten Anregungen bekommen, wie weiter zuverfahren ist. Das ist etwas, was wir im Einklang mit derärztlichen Selbstverwaltung machen müssen. Aber dierelativ stiefmütterliche Behandlung der Hausärztemöchten wir gerne überwinden.
Kollege Holetschek,
bitte.
Frau Ministerin,
warum sind Sie in Ihrem Gesetzentwurf im Bereich Ku-
ren weit hinter dem zurückgeblieben, was Sie zu Oppo-
sitionszeiten gefordert haben und was auch der Freistaat
Bayern gefordert hat, und warum haben Sie zudem mit
dem Globalbudget ein Instrument geschaffen, das in die-
sem Bereich wieder zu Kürzungen führen wird?
Herr Kollege Holetschek, so ganz mag ich mir den
Schuh nicht anziehen, wir täten im Bereich der Kuren
nicht genug. Zugegebenermaßen werden wir nicht zu
dem Status quo vor der Reform der Regierung, die unter
anderem von Ihrer Partei gestellt wurde, zurückkehren.
Das können wir nicht. Ich finde auch, es würde die
Grundlage für weitere Gespräche in der Gesundheits-
politik verbessern, wenn wir gegenseitig anerkennen
würden, daß die Bewältigung der Finanzprobleme in der
Gesundheitspolitik eine ständige Aufgabe ist. Diese
hatten Sie zu leisten, als Sie die Regierung stellten, re-
spektive mein Vorgänger, und diese habe auch ich zu
leisten.
Ich glaube, daß die Wege, die wir zur Stärkung der
Rehabilitation, insbesondere der ambulanten Rehabilita-
tion, eingeschlagen haben, moderat sind, so daß man sie
mit dem Ziel der Beitragssatzstabilität in Einklang brin-
gen kann. Sie werden mit Sicherheit die Lage in den
Kurorten deutlich entspannen – dies zu dem struktur-
politischen Argument. Angesichts dessen, was die Vor-
gängerregierung im Bereich der Kuren gemacht hätte,
braucht man uns nicht den Vorwurf zu machen, wir tä-
ten da nicht genug.
Es hat sich noch eine
ganze Reihe von Fragestellern gemeldet. Ich will nur
darauf hinweisen, daß, wenn wir die Regierungsbefra-
gung verlängern, die Fragestunde um diese Zeit verkürzt
wird.
Zudem gibt es Fragen, die sich an andere Mitglieder
des Kabinetts richten. Es liegt in Ihrem Ermessen, ob
wir noch weitere 10 oder 15 Minuten beim Bereich der
Gesundheitsministerin bleiben oder ob wir das Thema
wechseln. Wer zieht seine Fragen zurück? So können
wir am einfachsten vorgehen. – Dann ist der nächste der
Kollege Dörflinger.
Frau Bundesmi-
nisterin, Sie hatten angekündigt, vom bislang geltenden
dualistischen Prinzip der Krankenhausfinanzierung zur
monistischen Finanzierung übergehen zu wollen. Ich
frage Sie: Können Sie mir erklären, wer den finanziellen
Beitrag erbringen soll – und aus welchen Mitteln –, der
bisher von den Bundesländern erbracht wurde, ange-
sichts der Tatsache, daß die gesetzliche Krankenversi-
cherung Beitragssatzstabilität gewährleisten soll?
Einer der Gründe, warum wir für den Übergang zur mo-
nistischen Finanzierung einen relativ langen Zeitraum
vorgesehen haben, ist, daß wir Zeit brauchen. Wir brau-
chen Zeit, bis die Wirtschaftlichkeitsreserven in den
Krankenhäusern erschlossen werden. Wir brauchen Zeit,
um das Preissystem in den Krankenhäusern so umzu-
stellen, daß es eher der betriebswirtschaftlichen Wahr-
heit entspricht als das heutige. Für diejenigen, die die
Krankenhäuser zu organisieren haben, wird dies ein
wichtiger Anhaltspunkt dafür sein, wie man die Kran-
kenhäuser für die Zukunft fit macht.
Zum Teil wird es eine Gegenfinanzierung seitens der
Länder geben. Diese soll in einigen Jahren über die
Steuerfinanzierung von sogenannten versicherungsfrem-
den Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung
einsetzen.
Ich glaube, daß wir auf dem richtigen Weg sind, bei-
des zu gewährleisten. Ich bin der Überzeugung, daß wir
mit der monistischen Finanzierung eine zukunftsge-
rechte Finanzierung haben. Es macht ökonomisch Sinn,
daß diejenigen, die für den laufenden Betrieb verant-
wortlich sind, auch über die Investitionen in den Kran-
kenhäusern mit entscheiden können, was heute nicht der
Fall ist.
Kollege Koppelin.
Frau Ministerin, ist meinEindruck auf Grund der vielen Fragen aus den Koaliti-onsfraktionen an Sie richtig, daß die Koalitionsfraktio-nen anscheinend überhaupt nicht an diesem Gesetzent-wurf beteiligt oder darüber informiert gewesen sind?Denn sonst würden ja nicht so viele Fragen kommen.
Ist darüber hinaus mein Eindruck richtig, daß die Koali-tionsfraktionen von diesem Gesetzentwurf aus IhremHause anscheinend völlig überrascht worden sind? Oderkönnte mein Eindruck richtig sein, daß Sie von denKoalitionsfraktionen so intensiv befragt werden und daßIhre Antworten so lang sind, um zu vermeiden, daßBundesministerin Andrea Fischer
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Bundesminister Eichel hier spricht, was ich natürlichverstehen könnte?
Herr Kollege Koppelin, es mag sein, daß Sie in den
letzten drei Monaten nicht Zeitung gelesen haben und
deswegen von diesem Gesetzentwurf überrascht worden
sind.
– Aber Herr Kollege Koppelin, jetzt machen Sie sich
doch nicht weniger klug, als Sie sind. Ich glaube, man
muß nicht Mitglied einer der beiden Fraktionen, die die
Regierung stellen, sein, damit man in den letzten Wo-
chen und Monaten mitbekommen konnte, daß wir eine
sehr lebhafte und ausführliche Auseinandersetzung und
Debatte über diesen Gesetzentwurf hatten. Sie können
davon ausgehen, daß die Fraktionen bestens informiert
sind. Gleichwohl ist es natürlich ein ausführliches Pro-
jekt von einem Gesetzesvorhaben mit sehr vielen Facet-
ten. Ich meine, daß es auch für Mitglieder von Fraktio-
nen in diesem Haus, die die Regierung stellen, zu ihrer
guten parlamentarischen Pflicht gehört, die Ministerin,
die sie prinzipiell unterstützen, in dieser Angelegenheit
zu befragen.
Das Parlament kann sich heute alle Zeit der Welt neh-
men, meinen Kollegen Eichel und andere ebenfalls zu
befragen.
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, als letzten Fragesteller in der Regierungs-
befragung rufe ich den Kollegen Michelbach auf, der
eine Frage an den Finanzminister angemeldet hat.
Herr Bundesfi-
nanzminister, meine Frage geht dahin, welche Auswir-
kungen die steuerpolitischen Maßnahmen der Bundesre-
gierung auf die Konjunktur und die Ziele der Bekämp-
fung der Arbeitslosigkeit haben. Ist es nicht absolut Gift
für mehr Wachstum und Beschäftigung, wenn Sie jetzt
neue Ökosteuerstufenbelastungen schaffen,
bei der halbherzigen Reduzierung der Unternehmen-
steuersätze
gleichzeitig weitere Gegenfinanzierungen vornehmen,
die degressive Abschreibung von 30 auf 20 Prozent ver-
schlechtern und damit Liquidität und Investitionsmög-
lichkeiten weiter zu Lasten der Arbeitsplätze einschrän-
ken?
Herr Minister Eichel,
bitte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr
Abgeordneter, was die Bewertung betrifft, so beziehe
ich mich auf den Bericht, den Sie heute im „Handels-
blatt“ über die Ausführungen des Chefvolkswirts der
Dresdner Bank, Herrn Friderichs, lesen können, der die
von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen genau
entgegen dem beurteilt, wie Sie sie eben beurteilt haben,
nämlich außerordentlich positiv.
Zweitens ist es grundfalsch, was Sie gesagt haben.
Die Bundesregierung hat bereits mit der geltenden Ein-
kommensteuerreform, die die größte jemals veranstaltete
Einkommensteuerreform in der Geschichte der Bundes-
republik ist,
für diese Wahlperiode eine Entlastung am unteren Ende
der Einkommensteuerskala von 6 Punkten – das ist ex-
trem wichtig für den Arbeitsmarkt; das wird bis 2002 in
drei Stufen erreicht –, das heißt nachhaltig von 36 Milli-
arden DM, beschlossen.
Was die Unternehmensteuerreform betrifft, so hat das
Kabinett heute die Eckpunkte beschlossen, auf deren
Basis jetzt die notwendigen Planspiele angestellt wer-
den. Von da aus werden wir im Herbst ins Gesetzge-
bungsverfahren kommen. Es geht an dieser Stelle um
eine Nettoentlastung von 8 Milliarden DM im Entste-
hungsjahr, und es geht um einen Körperschaftsteuersatz
von 25 Prozent.
– Natürlich zuzüglich der Gewerbesteuer. Sie können
einen nach unten offenen Wettbewerb veranstalten. Wir
liegen – die Unternehmen sind sehr froh darüber – mit
einem solchen Steuerrecht im europäischen Vergleich an
dieser Stelle systematisch hervorragend und, was den
Steuersatz betrifft, im unteren Bereich der Mitte. Das ist
die Situation. Das heißt, Deutschland positioniert sich
mit einem solchen Unternehmensteuerrecht in Europa
hervorragend.
Das sind massive Verbesserungen der Rahmenbedin-
gungen sowohl für die Investitionen und damit für die
Angebotsseite wie auch für die Nachfrageseite, für die
Arbeitnehmer genauso wie für die Unternehmen. Des-
wegen haben wir auch die enormen Anstrengungen
eines 30-Milliarden-DM-Sparpakets unternommen, da-
mit wir mit diesen Steuersenkungen Vorteile sowohl für
die Arbeitnehmer wie für den reinvestierten Gewinn und
damit wesentlich bessere Voraussetzungen für Wachs-
tum und Beschäftigung schaffen können.
Da wir schon deut-lich über die Zeit der Regierungsbefragung sind, beendeich die Regierungsbefragung.Jürgen Koppelin
Metadaten/Kopzeile:
3854 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999
(C)
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:Fragestunde– Drucksachen 14/1189, 14/1201 –Zunächst behandeln wir zwei Dringliche Fragen desKollegen Koppelin zum Geschäftsbereich des Bundes-kanzlers und des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwor-tung der Fragen hat Staatssekretär Steinmeier das Wort.Wir kommen zur ersten Dringlichen Frage des Kolle-gen Koppelin:Treffen verschiedene Pressemeldungen zu, wonach Bundes-kanzler Gerhard Schröder sich vom Bundesminister für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, persönlichdesavouiert gefühlt hat und dieses gegenüber dem Bundesmini-ster des Auswärtigen, Joseph Fischer, deutlich gemacht hat?D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Koppelin, Sie hatten gefragt,
ob sich der Bundeskanzler durch Äußerungen des Bun-
desumweltministers – wörtlich – desavouiert gefühlt
habe. Ich will Ihnen dazu antworten: Pressemeldungen,
die dieses behaupten, treffen nicht zu.
Nachfrage.
Darf ich fragen, ob auch
die Pressemitteilungen nicht zutreffen, daß Herr Bun-
desaußenminister Fischer ins Kanzleramt bestellt wurde,
um die Angelegenheit mit ihm zu bereden?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Bundesaußenminister wird re-
gelmäßig nicht ins Kanzleramt bestellt, sondern er folgt
dann, wenn er eingeladen wird, in der Regel dieser Ein-
ladung.
Es hat in der Tat in der letzten Zeit eine Reihe von
Gesprächsanlässen gegeben.
Eine weitere Nach-
frage.
Vielen Dank für den
Hinweis, daß es diese Gespräche gegeben hat. Da an-
scheinend so viele Falschmeldungen in den Medien wa-
ren, darf ich Sie fragen, wie der richtige Ablauf und der
richtige Gesprächsinhalt gewesen sind. Dann wären
auch die Medien richtig informiert und müßten nicht
weiter falsch berichten.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Über interne Gespräche zwischen
dem Bundeskanzler und dem Außenminister, die zur
internen Meinungs- und Willensbildung der Bundesre-
gierung gehören, will ich in dieser Stunde hier nichts
zum Ausdruck bringen.
Ich rufe die zweite
Dringliche Frage des Kollegen Koppelin auf:
Aus welchen Gründen hat Bundeskanzler Gerhard Schröderzu den koalitionsinternen Diskussionen in der ZDF-Sendung am20. Juni 1999 „Berlin direkt“ erklärt: „Ich kann das nicht laufenlassen“, und was genau will Bundeskanzler Gerhard Schröder sonicht mehr weiterlaufen lassen?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die zweite Frage bezieht sich auf die
Sendung „Berlin direkt“ am 20. Juni 1999, in der der
Bundeskanzler den Satz geäußert hat: „Ich kann das so
nicht laufen lassen.“
Herr Abgeordneter Koppelin, es gab vor dieser Sen-
dung in der Tat einen koalitionsinternen Streit, eine
koalitionsinterne Auseinandersetzung um die Zukunft
der Alterssicherung. Diese wurde sehr zum Bedauern
des Bundeskanzlers auch öffentlich ausgetragen.
Da die Zukunft der Alterssicherung, die Eckpunkte
der Rentenreform zu einem Reformpaket gehören, mit
dem sich das Kabinett heute vormittag befaßt hat – dazu
gehören der Haushalt 2000, der Familienlastenausgleich
und die Reform der Unternehmensteuer; das klang gera-
de in dem Beitrag von Herrn Finanzminister Eichel an –,
schien es untunlich, daß diese Auseinandersetzungen
oder Meinungsdifferenzen öffentlich ausgetragen wur-
den. Dem Bundeskanzler kam es darauf an, daß die
Vorlagen, die dazu in Erarbeitung befindlich waren, in
einem ordentlichen Abstimmungsverfahren abgearbeitet
und dann demnächst dem parlamentarischen Verfahren
zugeführt werden.
Kollege Koppelin.
Da der Bundeskanzlergesagt hat, daß er das so nicht weiterlaufen lassen kann,möchte ich fragen, ob Sie etwas zu folgender AFP-Meldung sagen können:Knapp drei Stunden saßen die Koalitionäre amMontag abend zusammen, doppelt so lange wie ge-plant.Dagegen ist nichts zu sagen.An irgendeiner Stelle des Gesprächs soll Schrödersehr laut geworden sein, hieß es am Morgen danachin Bonn.Präsident Wolfgang Thierse
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999 3855
(C)
(D)
Können Sie mir sagen, an welcher Stelle der Bundes-kanzler besonders laut geworden ist und worum es dabeiging? War es das, von dem er meinte, daß er das so nichtweiterlaufen lassen könnte?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann das nicht bestätigen.
Können Sie das Treffen
nicht bestätigen, oder können Sie nicht bestätigen, daß
der Bundeskanzler laut geworden ist?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter, ich bin nicht Zu-
schauer der Sendung „Berlin direkt“ gewesen. Ich habe
mir also aus den Medien den Zusammenhang zusam-
mensuchen müssen, und ich habe gerade versucht, das
darzulegen. Ich bin auch nicht Zuhörer eines Gesprächs
gewesen, über dessen genauen Verlauf Sie Informatio-
nen hören wollen. Ich bin also nicht in der Lage, das
weiter zu kommentieren.
Wir kommen damit
zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Um-
welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Ich rufe die hierzu vorliegende Frage 1 des Kollegen
Paul Laufs auf:
Welches sind die Gründe, die den Präsidenten des Bun-desamtes für Strahlenschutz zu der Feststellung veranlaßten, imEndlager Morsleben würden keine Einlagerungen mehr vor-genommen werden?
Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staats-
sekretärin Simone Probst zur Verfügung.
Si
Herr Kollege Laufs, Sie haben nach dem End-
lager Morsleben gefragt. Der Präsident des Bundesamtes
für Strahlenschutz hat in einer Presseerklärung vom
21. Mai dieses Jahres mitgeteilt, es solle zu keiner Wie-
deraufnahme der Einlagerung weiterer Abfälle in das
ERAM kommen. Das Bundesamt für Strahlenschutz
halte die weitere Einlagerung für nicht mehr vertretbar.
Nach dem derzeitigen Stand der Überprüfung der Lang-
zeitsicherheitsbewertung sei es mit dem Vorsorgegedan-
ken nicht vereinbar, weitere Fakten zu schaffen.
Diese Auffassung des Präsidenten des Bundesamtes
für Strahlenschutz ist auch die Auffassung des Bun-
desumweltministeriums.
Kollege Laufs.
Frau Staatssekretärin,
welche neuen fachlichen Erkenntnisse liegen tatsächlich
im einzelnen vor, die die Feststellung rechtfertigen, die
Langzeitsicherheit von Morsleben sei nicht mehr ge-
währleistet?
Si
Die Langzeitsicherheit war ja immer eine der
Begründungen dafür, daß das Lager in Morsleben über-
haupt betrieben werden konnte. Es gibt neuere Hinweise
und Untersuchungen vor allen Dingen im Hinblick auf
das Isolationsvermögen und auf die Gasproduktion aus
den Abfallgebinden. Diese Aspekte sind bei den bisheri-
gen Langzeituntersuchungen nur unzureichend berück-
sichtigt worden. Deshalb müssen diese in die jetzigen
Langzeituntersuchungen mit einbezogen werden. Sie
wissen, daß die GRS hier im Auftrag des Bundesamtes
für Strahlenschutz Untersuchungen vornimmt.
Kollege Laufs.
Frau Staatssekretärin,
was tut die Bundesregierung in Konsequenz ihrer Ent-
scheidung hinsichtlich der noch bestehenden beträchtli-
chen, vertraglich abgesicherten Einlagerungsverpflich-
tungen sowie hinsichtlich der Entwicklung von Sozial-
plänen angesichts der nun anstehenden Kündigungen in
Morsleben?
Si
Dieser Einlagerungsstopp ist vor allen Dingen
eine Konsequenz aus der Langzeituntersuchung. Sie
wissen, daß es für die Entsorgung des radioaktiven
Mülls zur Zeit genügend Zwischenlagerkapazitäten gibt
und daß die Bundesregierung in ihrer Koalitionsverein-
barung festgehalten hat, daß das bisherige Endlagerkon-
zept gescheitert ist, und deswegen eine Kommission ins
Leben gerufen hat, die darüber berät und überhaupt erst
einmal Kriterien für eine mögliche Endlagerung festlegt.
Zu den in Ihrer Frage implizierten Verpflichtungen zur
Einlagerung ist zu sagen, daß die Grundlage für diese
Verpflichtungen die Langzeitsicherheit gewesen ist.
Deswegen entstehen aus dem Einlagerungsstopp keine
Schadenersatzansprüche.
Danke schön.Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-desministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeitund Entwicklung. Es liegen hierzu zwei Fragen vor.Ich rufe zunächst die Frage 2 des Kollegen Irmer auf:Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zu dem von derWeltbank geplanten Projekt in Höhe von 334 Mio. US-Dollarein, mit dem die Ansiedlung von ca. 62 000 Han-Chinesen undanderen nicht-tibetischen Volksgruppen im Tsaidam-Becken imNordosten von Tibet finanziert werden soll?Jürgen Koppelin
Metadaten/Kopzeile:
3856 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999
(C)
Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staats-sekretärin Dr. Eid zur Verfügung.Dr
Hochgeschätzter Kollege Irmer, Sie haben
nach der Haltung der Bundesregierung zu einem von der
Weltbank in China geplanten Projekt gefragt. Die Bun-
desregierung drängt darauf, daß die Beschlußfassung
über die Finanzierung des Vorhabens „China – Armuts-
bekämpfung in der Westprovinz“ im Direktorium der
Weltbank angesichts der von vielen Seiten geäußerten
Kritik verschoben wird, um so Gelegenheit für eine ein-
gehende Prüfung der beanstandeten Mängel zu erhalten.
Die nun beim Inspection Panel der Weltbank beantragte
Untersuchung wird daher von der Bundesregierung aus-
drücklich begrüßt. Wenn eine Überprüfung des Projekts
vor einer Beschlußfassung nicht möglich ist, kann die
Bundesregierung diesem Projekt nicht zustimmen.
Kollege Irmer.
Höchstgeschätzte Frau Staats-
sekretärin,
darf ich Sie zusätzlich fragen, ob die Bundesregierung
auch der Auffassung ist, daß dieses Projekt der chinesi-
schen Seite dazu dienen soll, die kulturelle Identität der
Tibetaner weiter zu unterminieren?
Dr
Das ist der Inhalt Ihrer nächsten Frage. Ich
werde darauf noch zu sprechen kommen.
Dann rufe ich die
Frage 3 des Abgeordneten Ulrich Irmer auf:
Befindet sich nach Auffassung der Bundesregierung die Tat-sache, daß durch die Ansiedlung der Anteil der Tibeter in derRegion auf 9 % reduziert werden würde, im Einklang sowohlmit dem von der Bundesregierung unterstützten Anspruch derTibeter auf weitreichende kulturelle Autonomie als auch mit denStatuten der Weltbank, wonach bei Ansiedlungsprojekten orts-ansässige Bevölkerungsgruppen nicht beeinträchtigt werden dür-fen?
Dr
Nach Angaben der Weltbank verringert
sich der Anteil der Tibeter auf Kreisebene, und zwar im
Kreis Dulan, von 22,7 Prozent auf 14 Prozent und auf
Bezirksebene von 11,1 Prozent auf 10,3 Prozent. Im ei-
gentlichen Projektgebiet hingegen steigt der Anteil von
null Prozent auf 14 Prozent. Ob das Vorhaben eine Be-
einträchtigung der ortsansässigen Bevölkerungsgruppen
zur Folge haben wird – es leben zur Zeit rund 4 000
Menschen in dem Projektgebiet; davon sind rund
70 Prozent Mongolen –, kann auf der Basis der bisher
vorliegenden Unterlagen nicht ausreichend beurteilt
werden.
Unabhängig davon unterstützt die Bundesregierung
auf jeden Fall den Anspruch der Tibeter auf Erhaltung
ihrer kulturellen Identität.
Herr Kollege Irmer.
Frau Staatssekretärin, habe ich
Sie richtig verstanden – –
– Also, Herr Kollege! – Die Abstimmung in der Welt-
bank soll wohl morgen erfolgen. Wird die Bundesregie-
rung das Projekt ablehnen, wenn der Aufschub nicht er-
reicht werden kann?
Dr
Das haben Sie richtig verstanden, wir
werden nicht zustimmen.
Herr Irmer, eine Zu-
satzfrage.
Die Frau Staatssekretärin hat
zu meiner zweiten Frage meines Erachtens noch nicht in
vollem Umfang Stellung genommen.
Dr
Doch.
Daher habe ich zu meiner
zweiten Frage noch zwei Zusatzfragen.
Bitte, Herr Kollege
Irmer.
Inwieweit, Frau Staatssekretä-
rin, ist die entwicklungspolitische Zielrichtung des Pro-
jekts der Besiedlung bevölkerungsarmer Regionen
zwecks Aufbau von Infrastruktur für Industrialisierung
mit den entwicklungspolitischen Leitlinien der Bundes-
regierung vereinbar?
Dr
Herr Kollege Irmer, soweit mir bekannt
ist, ist dieses Projekt ein armutsorientiertes Projekt. Es
geht vordringlich darum, die Lebensverhältnisse der dort
lebenden Menschen zu verbessern. Es geht nicht in er-
ster Linie um Industrialisierung.
Meine zweite Zusatzfrage:Welche ökologischen Auswirkungen wird die Durchfüh-rung des Projekts „Landwirtschaftliche Urbarmachung“auf die wüstenähnliche Region haben? Wie beurteilt dieBundesregierung diese?Präsident Wolfgang Thierse
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999 3857
(C)
(D)
Dr
Die Untersuchung, die es dazu bisher gab,
halten wir für nicht ausreichend. Deswegen begrüßen
wir, daß die in den USA ansässige Nichtregierungsorga-
nisation der Tibeter beantragt hat, daß das Inspekti-
onspanel noch einmal eine Untersuchung durchführt.
Wir würden es begrüßen, wenn da ganz besonders die
sozialen und ökologischen Konsequenzen unter die Lu-
pe genommen würden. Wir erhoffen uns davon mehr In-
formationen über die ökologischen Auswirkungen.
Wir kommen zum
Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz.
Die Frage des Kollegen Beck wird schriftlich be-
antwortet.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums für Gesundheit. Hierzu liegen zwei
Fragen des Kollegen Heinrich vor. Da ich den Kollegen
Heinrich nicht sehe, entfällt die Beantwortung. Es wird
verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun-
deskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Zur Beant-
wortung steht der Staatsminister Dr. Michael Naumann
zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Hans-Joachim Otto
auf:
Mit welchen konkreten Auswirkungen auf die Anzahl vonFremdsprachenprogrammen, Studios und Mitarbeitern bei derDeutschen Welle rechnet die Bundesregierung, sofern die Mit-telfristige Finanzplanung des Beauftragten der Bundesregierungfür Angelegenheiten der Kultur und der Medien, StaatsministerDr. Michael Naumann, für diesen Sender realisiert würde, worinkumulierte Kürzungen bis zum Jahre 2003 in Höhe von fast300 Mio. DM vorgesehen sein sollen?
Bitte schön, Herr Naumann.
D
Herr Abgeordneter, wie Sie wissen, liegen
fast zwei Jahrzehnte einer kontinuierlich wachsenden
Nettoverschuldung des Bundes bei gleichzeitiger Versil-
berung – so muß man das wirklich nennen – des Famili-
enbesitzes hinter uns. Eine Konsolidierung des Haus-
haltes ist absolut unabdingbar. Wie Sie der Presse dieser
Tage entnehmen können, wird sie auch von den Ihrer
Partei nahestehenden Kreisen begrüßt, und zwar zu
Recht; denn das Vertrauen in die Solidität unseres
Haushalts muß nunmehr wiederhergestellt werden.
Das sage ich Ihnen auch als ehemaliger Geschäftsführer
eines mittelständischen Betriebes.
Ebenfalls bekannt ist, daß der Bundesminister der
Finanzen auf einen unabweisbaren Konsolidierungsbe-
darf hingewiesen hat, und zwar im Haushalt 2000 in
einer Höhe von 32 Milliarden DM, der bis 2003 auf eine
Höhe von 50 Milliarden DM ansteigen wird. Er hat dann
die Bundesminister gebeten, Konsolidierungsmaßnah-
men vorzubereiten. Das haben alle Mitglieder des Kabi-
netts getan, auch ich. Von dieser Sparauflage ist der Etat
des Beauftragten der Bundesregierung für Angelegen-
heiten der Kultur und der Medien im Haushaltsjahr 2000
mit einer Summe von rund 132 Millionen DM betroffen.
Das entspricht einer Sparauflage von 7,42 Prozent. Die-
se Sparauflage wird bis zum Haushaltsjahr 2003 auf eine
Summe von etwa 220 Millionen DM – rund 12,4 Pro-
zent des Ansatzes – ansteigen. Ausgangsbasis für diese
Berechnung ist der Plafond des Haushaltsansatzes 1999.
Die Deutsche Welle hat mit einem Finanzvolumen
von zirka 600 Millionen DM einen Anteil von einem
Drittel an meinem Gesamthaushalt. Es ist daher unab-
weisbar, die Deutsche Welle an den Konsolidierungs-
maßnahmen in den Haushaltsjahren 2000 bis 2003 zu
beteiligen.
Die Bundeszuschüsse zum Betriebshaushalt der
Deutschen Welle sinken in der Finanzplanung bis zum
Haushaltsjahr 2000 entsprechend den prozentualen jähr-
lichen Kürzungen des Haushalts des Beauftragten der
Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und
der Medien. Dies bedeutet im einzelnen: Im Jahr 2000
beträgt die geplante Kürzung – natürlich vor Beschluß
durch den Bundestag – rund 44,6 Millionen DM, im Jahr
2001 rund 56,5 Millionen DM, im Jahr 2002 rund 63,7
Millionen DM und im Jahre 2003 rund 73,9 Millionen
DM. Diese Berechnungen gehen jeweils vom Haushalts-
ansatz 1999 aus. Die Zuschüsse für Investitionen bleiben
in den Haushaltsjahren 2000 bis 2003 mit 19 Millio-
nen DM konstant.
Die Rundfunkanstalt wird mit Hilfe ihrer eigenen
Gremien entscheiden müssen, wie und mit welchen
konkreten Auswirkungen im einzelnen die Kürzungen
umgesetzt werden. Dabei werden angesichts der Grö-
ßenordnung der Einsparungen in den kommenden Jah-
ren auch einschneidende strukturelle Maßnahmen von
der Leitung des Hauses in Betracht gezogen werden
müssen. Lassen Sie mich gleich vorbeugend sagen: Dies
ist kein Eingriff in die Informations- und Pressefreiheit
der Deutschen Welle, sondern eine Maßnahme – ich
weise ausdrücklich darauf hin –, die die Haushaltspolitik
der letzten 16 Jahre erforderlich macht.
Kollege Otto, eine
Zusatzfrage.
Herr
Staatsminister, bei jeder Änderung, die von der Bundes-
regierung in der mittelfristigen Finanzplanung vorge-
nommen wird, muß man sich auch Gedanken über die
Konsequenzen machen. Halten Sie die vom ARD-
Vorsitzenden Voß vorgenommene Einschätzung, näm-
lich daß Ihre mittelfristige Finanzplanung zu betriebsbe-
dingten Kündigungen von 200 festangestellten Mitar-
beitern der Deutschen Welle führen könne und daß die
Deutsche Welle mehrere ihrer bislang gesendeten 35
fremdsprachigen Programme einstellen müsse, für reali-
stisch?
D
Herr Abgeordneter Otto, bereits bei den vor-
Metadaten/Kopzeile:
3858 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999
(C)
angegangenen, ebenso schmerzhaften Haushaltskürzun-gen hat der von Ihnen angesprochene Intendant daraufhingewiesen, daß Hunderte von freien festen Mitarbei-tern, aber auch von angestellten Redakteuren auf Grunddes neuen Ansatzes des Haushaltsjahres 1999 gekündigtwerden müßten. Soweit mir bekannt ist, ist keinem ein-zigen gekündigt worden.
Der derzeitige Vorsitzende der ARD, der IntendantVoß, spricht sicherlich nicht für alle Intendanten derARD. Auf alle Fälle muß er sich mit der Tatsache aus-einandersetzen, daß es seit Jahren Bemühungen gibt,eine synergetische Kooperation zwischen den öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD und ZDF auf der einen Seiteund der Deutschen Welle auf der anderen Seite herzu-stellen. Der Sachverhalt, daß diese Kooperation bisheroffenkundig an vielerlei Unwilligkeiten der Beteiligtenzu scheitern droht, ist sicherlich in Anschlag zu bringen,wenn wir gleichzeitig Ermahnungen von einem Inten-danten erhalten, der in dieser Sache eher für alle Journa-listen, aber nicht unbedingt für die Anstalt der Deut-schen Welle spricht.
Herr Kollege Otto,
Ihre zweite Zusatzfrage. Danach Herr Lammert mit ei-
ner Frage.
Herr
Staatsminister, halten Sie den auf einer Tagung aller In-
tendanten der ARD geäußerten Vorwurf des ARD-
Intendanten Voß für berechtigt, der heute veröffentlicht
wurde und folgenden Wortlaut hat:
Der ARD-Vorsitzende Peter Voß erklärte, er habe
den Eindruck, daß die Bundesregierung an einer
deutschen TV-Berichterstattung im Ausland kein
Interesse habe oder aber die Last dieser Aufgabe
auf die Landesrundfunkanstalten der ARD abwäl-
zen wolle. Während alle anderen großen Industrie-
nationen des Westens ihre Auslandssender ausbau-
ten, sei damit die Bundesrepublik der einzige Staat,
der seine Berichterstattung reduziere.
Herr Staatsminister, ich gebe Ihnen Gelegenheit, zu
diesem Vorwurf Stellung zu nehmen.
Das können Sie aber
gar nicht machen. Sie können ihm eine Frage stellen.
Was hal-
ten Sie von diesem Vorwurf?
Schon besser, Herr
Kollege.
D
Herr Abgeordneter Otto, ich halte von die-
sem Vorwurf herzlich wenig und will Ihnen auch erklä-
ren, warum. Erstens gibt es ja schon seit Jahren – so
nehme ich einmal an –, auf jeden Fall aber, seitdem ich
im Amt bin, Gespräche zwischen ARD und ZDF und
der Deutschen Welle über Kooperation auf dem Gebiet
der TV-Sendungen. Ich begrüße das, warte allerdings
nunmehr, wie viele andere, auf Ergebnisse.
Der ARD-Vorsitzende Voß hat sicherlich eine frucht-
bare Aufgabe, die ich als Rechtsaufsicht der Deutschen
Welle gerne und mit Enthusiasmus begleiten möchte.
Bisher habe ich aber noch keine konkreten Ergebnisse
gesehen.
Zweitens nimmt die Bundesregierung selbstverständ-
lich den Auftrag ernst – das ist ja auch Teil unserer Ko-
alitionsvereinbarung –, die mediale Außenrepräsentanz
der Bundesrepublik zu verstärken und zu verbessern.
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang eine
Anmerkung. Wir reden über Finanzvolumen, die in Re-
lation zu den Bemühungen anderer Länder gesetzt wer-
den müssen. Wenn ich feststelle, daß die Voice of Ame-
rica mit 53 – also nicht 35, wie bei uns – Rundfunkspra-
chen, mit 12 Fernsehsprachen, mit 23 Internetsprachen
und mit 1 100 Mitarbeitern einen fast genau so großen
Haushalt wie die Deutsche Welle hat, dann muß ich sa-
gen: Die Strukturdiskussionen, die auf uns zukommen,
müssen sich auch an den Vergleichszahlen anderer In-
stitutionen messen lassen.
Es reicht nicht, darauf hinzuweisen, daß man nicht Äpfel
mit Birnen vergleichen könne. In diesem Zusammen-
hang ist Amerika ein „big apple“ – und wir zahlen für
unsere Außenrepräsentation fast dasselbe.
Eine Frage von
Herrn Dr. Lammert, bitte.
Herr Kollege
Naumann, gibt es nach Ihrer Auffassung ernsthaft kei-
nen Zusammenhang zwischen der Mittelausstattung der
Deutschen Welle auf der einen Seite und dem Grund-
recht auf Informationsfreiheit bzw. der Erledigung des
gesetzlichen Auftrages dieses Senders auf der anderen
Seite? Wenn es doch irgendeinen Zusammenhang geben
sollte, von welchem Maß an Haushaltskürzungen an,
vermuten Sie, treten solche Wirkungen ein?
D
Herr Lammert, selbstverständlich gibt esdiesen Zusammenhang.
Das wird doch von niemandem bestritten. Die Frage istganz einfach: Wie gestaltet der Intendant seinen Auf-trag? Es ist nicht die Aufgabe des Bundesbeauftragten,Programmvorschläge zu machen. Vielmehr muß der In-Staatsminister Dr. Michael Naumann
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999 3859
(C)
(D)
tendant in Zusammenarbeit mit den Gremien die nun-mehr vorgegebenen und – ich gebe es ja zu – schwieri-gen Einsparungsmaßnahmen realisieren, ohne daß dieserAuftrag verletzt wird.
Vor dem Hintergrund der eben genannten Vergleichs-zahlen wird das so schwer auch nicht fallen.
Ich danke dem
Herrn Staatsminister für die Beantwortung der Fragen.
Nunmehr steht Herr Staatssekretär Steinmeier für die
Beantwortung zur Verfügung.
– Herr Hörster, zur Geschäftsordnung bitte.
Frau Präsidentin, ich
beantrage namens meiner Fraktion die Herbeirufung von
Herrn Bundesminister Hombach zur Beantwortung des
ihn betreffenden Fragenkomplexes.
Ich weiß zwar, daß eine Reihe von Kolleginnen und
Kollegen aus der SPD-Fraktion mit dem Erscheinungs-
bild von Herrn Bundesminister Hombach nicht einver-
standen sind
und voraussichtlich deswegen seiner Herbeirufung wi-
dersprechen werden. Aber ich bin der Auffassung, daß
es Herrn Staatssekretär Steinmeier nicht zuzumuten ist,
fortdauernd Fragen zu beantworten, die Herrn Bundes-
minister Hombach betreffen – zumal die Kenntnisse, die
Herr Steinmeier erlangt hat, wiederum nur von Herrn
Hombach stammen können. Das birgt das Risiko, daß
sich Fehler einschleichen, für die Herr Steinmeier den
Kopf hinhalten muß, obwohl Herr Hombach eigentlich
dafür verantwortlich ist.
Deswegen fände ich es gut, wenn Herr Hombach hier
zugegen wäre und für die Beantwortung der Fragen ge-
radestünde.
Das war ein Antrag
zur Geschäftsordnung. Möchte jemand etwas dazu sa-
gen? – Frau Kollegin Kastner, bitte sehr.
Herr Kollege Hörster, wir
bedanken uns von unserer Seite recht herzlich für die
Fürsorge Ihrerseits.
Ich möchte darauf hinweisen, daß es während Ihrer
Regierungszeit Herr Bohl war, der die Fragen des Par-
laments zur Plutoniumaffäre beantwortet hat, und zwar
aus guten Gründen:
weil Herr Schmidbauer wegen Befangenheit nicht ant-
worten sollte. Insofern ist das guter parlamentarischer
Brauch.
Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß wir
nach Durchsicht der Fragen – sicherlich hat sie jeder
gelesen – feststellen müssen: Die Fragen sind von so ge-
ringer Substanz, daß sie durchaus von Staatssekretär
Steinmeier beantwortet werden können.
Ich sage es noch einmal: Ihre Fragen sind von so gerin-
ger Substanz, daß die Gefahr, daß Herr Steinmeier sie
nicht beantworten kann, nicht gegeben ist.
Herr Hörster, was Sie machen, ist zwar legitim als
Opposition – völlig richtig –, aber auch in Ihren Reihen
wird das inzwischen eindeutig als Störung des Parla-
mentsbetriebes empfunden.
Im Augenblick sind viele Ausschüsse tätig. Wir haben
Signale aus Ihren Reihen, die darauf hindeuten, daß sich
Ihre Kolleginnen und Kollegen in solche Geschäftsord-
nungsspielchen nicht mehr einbinden lassen. Wir lehnen
den Antrag ab.
Wir kommen zurAbstimmung. Wer dem Geschäftsordnungsantrag vonHerrn Hörster folgen möchte, den bitte ich um dasHandzeichen. – Gegenprobe! – Damit ist der Antrag ab-gelehnt.
Wir kommen zur Frage 8:Ist die in der Presse wiedergegebene Aussage des Steuerbe-raters von Bundesminister Bodo Hombach zutreffend, BodoHombach habe für seinen Hausbau einen Zinssatz von 7 Prozentbei zehn Jahren Laufzeit erhalten – an den Effektivzins erinnertesich der Steuerberater nicht genau –, der „leicht über dem nor-malen Satz“ gewesen sei , und wenn ja, wie erklärt Bundesminister Bodo Hom-bach, daß dieser Zinssatz noch unterhalb der niedrigsten Effek-tivzinssätze lag, die die Bundesbank in einer Übersicht entspre-chender Kredite für das Jahr 1986 ausweist?Zur Ermutigung möchte ich Herrn Dr. Steinmeier sa-gen: Das war von unserer Kollegin Susanne Kastner alsKompliment gedacht.
Staatsminister Dr. Michael Naumann
Metadaten/Kopzeile:
3860 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999
(C)
Wir sind bei Frage 8 des Kollegen Norbert Geis. Bittesehr, Herr Staatssekretär.D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, nachdem
Frau Kastner ihre Erwartung an meine Antwort so ge-
mindert hat, hoffe ich, noch schlüssiger als sonst ant-
worten zu können.
Zu Ihrer Frage, Herr Abgeordneter Geis, die sich auf
den Unterschied zwischen dem im Zusammenhang mit
dem Hausbau des Bundesministers Bodo Hombach ver-
einbarten Zinssatz von 7 Prozent bei zehn Jahren Lauf-
zeit und dem üblichen Effektivzinssatz bezieht, antworte
ich wie folgt: Die WestLB hat mehrfach bestätigt, auch
als Reaktion auf den genannten Presseartikel, daß der
Bundesminister Bodo Hombach gewährte Kredit sich
sowohl vom Volumen als auch von den Konditionen her
in dem Rahmen bewegte, der für Tausende von Immo-
bilienkunden der WestLB galt. Auch Angebote anderer
Banken, die der Steuerberater von Herrn Bundesminister
Hombach eingeholt hat, lagen auf einem vergleichbaren
Niveau.
Die Angabe des Effektivzinssatzes war seinerzeit –
ich erinnere daran, das war alles 1986 – noch nicht üb-
lich und erforderlich; daher ist er im Darlehensvertrag
nicht angegeben. Der Effektivzins war aber schon da-
mals in der Regel höher als der Nominalzins. Deshalb
sind weder die vereinbarten Konditionen mit Blick auf
die Aussage der WestLB unüblich gewesen, noch ist Ih-
re insoweit getroffene Feststellung deshalb erstaunlich.
Herr Kollege Geis,
eine erste Zusatzfrage.
Hat Bundesminister Bo-
do Hombach mit einem Mitglied des Vorstandes der
Westdeutschen Landesbank oder einem leitenden Ange-
stellten Gespräche über die Gewährung des Darlehens,
über die Abwicklung und über die Auszahlung des Dar-
lehens geführt, und wenn ja, mit wem?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das entzieht sich meiner Kenntnis.
Ich weiß nicht, mit wem Herr Hombach damals die
Zinsverhandlungen geführt hat.
Eine weitere Zusatz-
frage, Herr Kollege Geis?
Keine.
Dann kommt die
Frage 9 des Kollegen Norbert Geis:
Ist es zutreffend, daß die Kosten für den Hausbau von BodoHombach beim Richtfest im August 1986 die Millionengrenzelängst überschritten hatten , und wenn ja, wie setzten sich die Kosten zusammen?
Herr Staatssekretär, bitte.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Geis, Ihre Frage
richtet sich darauf, ob zum Zeitpunkt des Richtfestes im
August 1986 die Millionengrenze bei den Kosten des
Hausbaus bereits überschritten war.
Dieses Richtfest fand nicht im August 1986 statt. Der
Keller war zu diesem Zeitpunkt im Rohbau fertigge-
stellt. Der Rohbau des Erdgeschosses hatte gerade erst
begonnen. Schon diese Abläufe zeigen, daß die zitierte
Behauptung nicht stimmen kann. Alle Rechnungen und
Zahlungsvorgänge lagen den Gutachtern vor, wurden
von diesen zeitlich geordnet und gewertet. Im August
1986 war danach die Millionengrenze keineswegs
„längst überschritten“. Allerdings liefen zu diesem Zeit-
punkt Nachkalkulationen, denen zufolge am Bauende
die Millionengrenze überschritten werden würde. Bun-
desminister Bodo Hombach hat daher zeitgerecht eine
Nachfinanzierung durch Erhöhung des Kreditvolumens
vorgenommen.
Erste Zusatzfrage,
Herr Kollege Geis, bitte.
Hat Herr Bundesminister
Bodo Hombach nach dem Richtfest – um es nicht auf
das Jahr 1986 festzulegen – den damaligen Landes-
schatzmeister der SPD, Fritz Ziegler, um Hilfe bei der
weiteren Durchführung seines Hausbaus gebeten, und
inwieweit wurde sodann Herr Fritz Ziegler für Herrn
Hombach tätig, insbesondere in bezug auf die VEBA?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Mir ist bekannt, daß Bundesminister
Bodo Hombach und Fritz Ziegler sich kennen. Ob sie
bei ihren Begegnungen auch darüber gesprochen haben,
weiß ich nicht.
Zusatzfrage, Herr
Kollege Hörster.
Nein, Frau Präsi-dentin, ich habe einen Antrag zur Geschäftsordnung. Ichmöchte meinen Antrag von vorhin wiederholen, weil dieAntworten, die Herr Steinmeier uns geben kann, bele-gen, daß er nicht in der Lage ist, aus eigener Kenntnisdie Fragen des Parlamentes zu beantworten.
Von daher bitte ich erneut darum, darüber abzustimmen,Herrn Bundesminister Bodo Hombach herbeizurufen.Vizepräsidentin Anke Fuchs
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999 3861
(C)
(D)
Frau Kollegin
Kastner, bitte sehr.
Frau Präsidentin! Das ist
ein wiederholter Antrag. Deswegen beantrage ich die
Unterbrechung der Fragestunde.
Ich hätte sonst eben-
falls für Unterbrechung plädiert. Ich frage die
CDU/CSU-Fraktion, ob sie diesen Antrag zu wiederho-
len wünscht.
Wenn das der Fall ist, dann unterbreche ich die Sitzung
für eine Viertelstunde. Um 14.30 Uhr treffen wir uns
wieder. –
– Da es Zweifel darüber gibt, ob ich die Sitzung un-
terbrechen durfte oder nicht, berufe ich hiermit den Äl-
testenrat ein. Wir treffen uns um 14.30 Uhr zu einer Sit-
zung des Ältestenrates. Danach gibt es eine Fraktionssit-
zung der SPD. Sie können sich darauf einrichten, daß
wir eine gute Stunde in Verzug kommen werden.
Um 14.30 Uhr trifft sich also der Ältestenrat.
Die unterbrochene
Sitzung wird fortgesetzt.
Der Abgeordnete Hörster hatte den Geschäftsord-
nungsantrag eingebracht, Herrn Minister Hombach ins
Parlament zu bitten.
Ich lasse jetzt über diesen Geschäftsordnungsantrag
abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzei-
chen. – Die Gegenprobe! – Letzteres war die Mehrheit.
Damit ist der Antrag des Kollegen Hörster abgelehnt.
Wir fahren mit der Fragestunde fort. Wir waren bei
der Frage 9 des Kollegen Norbert Geis. Herr Staatsse-
kretär Steinmeier steht zur Beantwortung zur Verfü-
gung.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter
Geis! Nach meiner Erinnerung war die eingangs ge-
stellte Frage 9 im Grunde beantwortet.
Herr Abgeordneter Geis, ich würde gerne auf Ihre er-
ste Zusatzfrage zurückkommen, die zum Inhalt hatte, ob
Minister Hombach persönlich Verhandlungen über Kre-
ditverträge mit Mitgliedern des Vorstands der Westdeut-
schen Landesbank geführt hat. Ich habe eben nachsu-
chen lassen: Die Antwort auf diese Frage ist bereits in
der schriftlichen Antwort auf die Kleine Anfrage der
Abgeordneten Pofalla, Brauksiepe, Geis und weiterer
Abgeordneter vom 19. Mai enthalten. Wir haben in der
Antwort zu Ziffer 24 ausgeführt:
Die Verhandlungen mit der WestLB hat für Bun-
desminister Bodo Hombach dessen Steuerberater,
Herr Dr. Lein, geführt. Herr Dr. Lein hatte zuvor
Angebote bei mehreren Banken eingeholt. Sie la-
gen bei vergleichbaren Konditionen. Herr Dr. Lein
hat weder mit dem Präsidenten der WestLB noch
mit einem anderen Vorstandsmitglied über das
Darlehen für Bundesminister Hombach gesprochen.
Zusatzfrage, Herr
Kollege Geis.
Meine Frage ging dahin,
ob auch Herr Bundesminister Hombach mit Vertretern
der Landesbank – Vorstand oder leitende Angestellte –
über die Abwicklung, über die Gewährung und über die
Rückzahlung des dort beantragten Darlehens gesprochen
hat, nicht nur sein Steuerberater.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In diese Richtung gingen auch schon
die schriftlich beantworteten Fragen. Aus den Antworten
entnehme ich, daß Minister Hombach damals keine
eigenen Verhandlungen mit Vorstandsmitgliedern ge-
führt hat.
Eine weitere Zusatz-
frage? – Nein.
Dann kommen wir zu Frage 10 des Abgeordneten Jo-
chen-Konrad Fromme:
Hat Bundesminister Bodo Hombach für den Monat Oktober1998 neben seinen Amtsbezügen als Bundesminister und seinerAbgeordnetenentschädigung als Mitglied des Landtages Nord-rhein-Westfalen Amtsbezüge als Minister für Wirtschaft, Mittel-stand, Technologie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen erhalten?
Herr Staatssekretär, bitte.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage richtet sich darauf, obHerr Hombach neben seinen Amtsbezügen als Bundes-minister weiter Amtsbezüge als Minister für Wirtschaftund Mittelstand, Technologie und Verkehr des LandesNordrhein-Westfalen erhalten hat.Die Antwort lautet: Ja. Bundesminister Bodo Hom-bach hat für den Monat Oktober 1998 gemäß § 7 desLandesministergesetzes von Nordrhein-Westfalen Amts-bezüge als Bundesminister erhalten. Bei seiner Nach-frage hat man ihn auf die rechtliche Korrektheit hinge-wiesen. Ein Verzicht auf eines der Amtsgehälter warrechtlich nicht möglich. Für die von ihm erwartete Ver-rechnung fehle – so war die Auskunft, die ihm damalsgegeben worden ist – eine rechtliche Grundlage. Erhat daraufhin erklärt, einen entsprechenden Betrag sei-nen freiwilligen Spenden zuzuführen, und hat dies auch
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3862 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999
(C)
tatsächlich getan, zuletzt durch eine Spende für dieHochwassergeschädigten in der Größenordnung von10 000 DM.
Erste Zusatzfrage,
Herr Kollege Fromme.
Herr Staats-
sekretär, gilt das auch für die Monate November und
Dezember 1998 sowie für Januar 1999?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach den mir vorliegenden Unterla-
gen sind Amtsbezüge, soweit sie in der Frage angespro-
chen sind, nur für den Monat Oktober gezahlt worden.
Ihre Zusatzfrage richtet sich, glaube ich, eher auf die
Frage der Diäten, die schon einmal gestellt und beant-
wortet worden ist. Dazu habe ich hier im Parlament
schon einmal ausgeführt, daß auch für die hälftigen
Diäten entsprechende Spenden – sogar über das netto
von ihm Erhaltene hinaus – abgeführt worden sind.
Zweite Zusatzfrage,
Herr Kollege.
Sind die
Diäten, die Aufwandsentschädigungen steuerfrei gezahlt
oder versteuert worden?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kann ich Ihnen nicht beantwor-
ten.
Damit kommen wir
zur Frage 11 des Kollegen Fromme:
Hat Bundesminister Bodo Hombach in seiner Zeit als Bun-desminister Aufwandsentschädigung auf Grund seines Land-tagsmandats und Übergangsgelder nach seinem Ausscheiden alsLandtagsabgeordneter erhalten?
Herr Staatssekretär.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frage 11 richtet sich darauf, ob
Bundesminister Hombach in seiner Zeit als Bundesmini-
ster Aufwandsentschädigung auf Grund seines Land-
tagsmandats und Übergangsgelder nach seinem Aus-
scheiden als Landtagsabgeordneter erhalten hat.
Herr Bundesminister Hombach hat selber mehrfach in
der Öffentlichkeit dargestellt – nach meiner Erinnerung
habe ich auch hier im Parlament dazu bereits Stellung
genommen –, daß er auf Wunsch des Ministerpräsiden-
ten von Nordrhein-Westfalen sein Landtagsmandat bis
zum Ablauf des Jahres 1998 beibehalten hat, um die
Haushaltsberatungen begleiten zu können.
Bis zu seinem Ausscheiden aus dem Landtag des
Landes Nordrhein-Westfalen erhielt er die in § 6 des
Abgeordnetengesetzes Nordrhein-Westfalen zur Abdek-
kung der durch sein Landtagsmandat veranlaßten Auf-
wendungen vorgesehenen Geld- und Sachleistungen.
Die Fahrkostenpauschale hat er im Hinblick auf seinen
ihm als Bundesminister zustehenden Dienstwagen zu-
rückgezahlt.
Die erworbenen Ansprüche auf Übergangsgeld aus
seinem Landtagsmandat wurden mit dem neuen Ein-
kommen verrechnet. Ergebnis: Es wurde kein Pfennig
ausgezahlt.
Zusatzfrage, Herr
Kollege?
Danke.
Vielen Dank.
Damit kommen wir zur Frage 12 des Kollegen Ro-
nald Pofalla:
Ist der Bundesregierung nicht bekannt, mit Ablauf welchenKalendertages die Immunität und das Mandat von Bundesmini-ster Bodo Hombach als Abgeordneter des Landtages Nordrhein-Westfalen endeten, wie aus ihren Antworten vom 19. März 1999(Drucksache 14/577) und vom 19. Mai 1999 zu schließen ist?
Herr Staatssekretär, bitte.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter Pofalla, ich
glaube, diese Frage habe ich hier auch schon einmal be-
antwortet. Sie richtet sich darauf, ob Immunität und
Mandat von Herrn Hombach am 31. Dezember1998
oder zu einem anderen Zeitpunkt endeten. Meine Ant-
wort erneut: Wir haben den bisherigen, in Ihrer Frage
zitierten Ausführungen nichts hinzuzufügen.
Ob die Immunität und das Mandat von Bundesmini-
ster Hombach nach seinem Erklärungswillen zum Ab-
lauf des 31. Dezember 1998 endeten, ob die Rücküber-
weisung der Diäten und der Kostenpauschale für den
Monat Januar an die Landeskasse dabei Auswirkungen
hat oder ob die Immunität 24 Stunden später, mit Ablauf
des 1. Januar 1999, endete, können nur die zuständigen
Behörden in Nordrhein-Westfalen feststellen.
Erste Zusatzfrage,
Herr Kollege.
Herr Staatssekretär,
Sie haben auf meine Fragen in der Tat in der Fragestun-
de vom 21. April 1999 geantwortet, aber Sie haben die
Frage nach der Immunität nur mit der Aussage beant-
wortet, an welchem Tag Herr Hombach was erklärt hat,
damit aber offengelassen – –
Herr Kollege, wirsind in der Fragestunde, nicht in der Debatte.Staatssekretär Dr. Frank-Walter Steinmeier
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999 3863
(C)
(D)
Ja, ich stelle jetzt die
Frage, ob der Bundesregierung nicht bekannt war, daß
im Ministerialblatt des Landes Nordrhein-Westfalen –
ich könnte Ihnen die genaue Quelle angeben – zum
Zeitpunkt der Beantwortung dieser Frage bereits veröf-
fentlicht war, daß das Mandat von Herrn Hombach am
1. Januar 1999 endet.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Pofalla, nach meiner Erinne-
rung habe ich am 19. Mai – ich habe das Protokoll hier,
es steht kein Datum darauf – auf eine ähnliche Frage
von Ihnen unter anderem wie folgt geantwortet – ich
mache es kurz, um diesen Punkt zu erfassen –:
Er hat dazu in das vorbereitete Formular das Datum
1. Januar 1999 eingetragen. Nach dem der Man-
datsaufgabe zugrunde liegenden Erklärungswillen
endete seine Immunität als Abgeordneter des nord-
rhein-westfälischen Landtags mit dem Ablauf des
31. Dezember 1998, nach dem Inhalt möglicher-
weise jedoch erst 24 Stunden später.
Die Bundesregierung kann dazu jetzt keine abwei-
chende Bewertung abgeben.
Zusatzfrage, Herr
Kollege.
Das bezieht sich jetzt
auf das Wort „möglicherweise“: Im Amtsblatt des Lan-
des Nordrhein-Westfalen ist der genaue Zeitpunkt fest-
gelegt, an dem das Mandat von Herrn Hombach endete.
Wieso antwortet dann die Bundesregierung „möglicher-
weise“?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie weisen darauf hin, daß das
Amtsblatt etwas anderes zum Ausdruck bringt?
Nein, ich weise darauf
hin, daß Sie eine Formulierung unter Verwendung des
Wortes „möglicherweise“ im Blick auf das Ende des
Mandats gebraucht haben, obwohl die amtlichen Mit-
teilungen des Landes Nordrhein-Westfalen darüber defi-
nitiv Auskunft geben.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Dann muß ich bekennen, daß ich die
Ausführungen aus diesem Amtsblatt bisher nicht zur
Kenntnis nehmen konnte.
Ich gebe es Ihnen
gleich.
Es gibt keine weite-
ren Zusatzfragen. Wir kommen zu Frage 13 des Kolle-
gen Eckart von Klaeden:
Welche rechtlichen Vereinbarungen bestanden zwischen derVeba bzw. dem Bauleiter von Bodo Hombachs Hausbau und
Bodo Hombach betreffend die Leistungen für den Hausbau vonBodo Hombach, und ist es zutreffend, daß der Bauleiter „ver-tragsgemäß nach üblichen Sätzen“ bezahlt wurde ?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
– Der Herr Staatssekretär hat das Wort zur Beantwor-
tung der Fragen, Herr Kollege. Wir wollen fortfahren in
der Fragestunde.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Abgeordneter von Klaeden, Ih-
re Frage richtete sich auf die vertraglichen Verbindun-
gen mit dem Bauleiter Herrn Hombachs und mit Herrn
Hombach selbst.
Zwischen der BWB Wohnstättenbau und -betriebsge-
sellschaft mbH und Herrn Bundesminister Hombach be-
stand ein Vertrag, der die zeit- und leistungsanteilige
wirtschaftliche und technische Betreuung des Bauvorha-
bens betraf.
Die Bezahlung erfolgte pauschal in Anlehnung an die
Gebührenordnung und gemäß einer Vereinbarung über
die Arbeitsteilung zwischen Architekt und dem Baulei-
ter. Die Details sind im C & L-Gutachten aufgeführt,
und nach meiner Erinnerung habe ich dieses hier auch
schon einmal ausgeführt.
Eine Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden, bitte
sehr.
Herr Staats-
sekretär, um den Vorgang ein wenig zu präzisie-
ren: Dem Nachrichtenmagazin „Focus“ vom 8. Februar
1999 entnehme ich, daß die VEBA Herrn Hombach
15 000 DM für diese Tätigkeit des Bauleiters in Rech-
nung gestellt hat. Können Sie erstens diesen Vorgang
bestätigen, und können Sie zweitens erläutern oder Aus-
kunft geben, welche Leistungen dem Vertrag exakt zu
Grunde lagen?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich habe keinen Anhaltspunkt dafür,Herr von Klaeden, daß diesem Vertragsverhältnis, demBauleitervertrag, unübliche Vereinbarungen zu Grundelagen. Insofern gehe ich davon aus, daß es das Entgeltfür seine Bauleiterleistungen war.
Metadaten/Kopzeile:
3864 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999
(C)
Nun kommen wir
zur Frage 14 des Kollegen von Klaeden:
Ist die in der Presse wiedergegebene Aussage des Bauleitersvon Bodo Hombach zutreffend, daß „Herr Hombach definitiv inden tatsächlichen Kostenrahmen eingebunden war“ und er ihmdie zu erwartende Mehrarbeit „persönlich mitgeteilt“ habe(„Stern“ vom 11. März 1999)?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage des Abgeordneten von
Klaeden richtet sich darauf, ob Herr Hombach definitiv
in den tatsächlichen Kostenrahmen eingebunden war,
wie es in einer Aussage des Bauleiters heißt, die wieder-
um in der Presse wiedergegeben wird. Unsere Antwort:
Herr Bundesminister Hombach hat nachweislich alle
Rechnungen bezahlt, die ausweislich der Gutachten den
tatsächlich entstandenen Kosten beim Hausbau entspra-
chen. Insofern – und auf nichts anderes kann sich die
Frage richten – war er in den Kostenrahmen eingebun-
den. Er hat sich über die Kostenentwicklung informieren
lassen. Wenn es zwischen Architekt und Bauleiter Kon-
flikte gab, hat sich Bundesminister Hombach in aller
Regel für die kostensparenden Vorschläge des Baulei-
ters – ich erwähnte das hier in einer anderen Sitzung
unter Verweis auf das Gutachten – entschieden.
Herr Kollege von
Klaeden, die erste Zusatzfrage.
Herr Staatsse-
kretär, ich beziehe mich auf einen Bericht des „Spiegel“
vom 8. Juni 1998. Hat der Bauleiter von Herrn Bodo
Hombach, Herr Hans Hebers, den Hombachschen Haus-
bau von Anfang an betreut, und, wenn nicht, wann ist er
von Herrn Hombach mit dieser Aufgabe betraut wor-
den?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Könnten Sie den Anfang der Frage
wiederholen?
Der Anfang der
Frage ist, ob der Bauleiter, Herr Hans Hebers, von An-
fang an den Hausbau betreut hat oder erst später mit der
Betreuung beauftragt worden ist.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nach meiner Erinnerung an frühere
Ausführungen, die ich nach entsprechender Vorberei-
tung auf diese Frage bereits gemacht habe, ist der Bau-
leiter erst im Laufe des Baus mit seiner Aufgabe beauf-
tragt worden.
Die zweite Zusatz-
frage, Herr Kollege von Klaeden.
Können Sie das
genaue Datum nennen?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein.
Wenigstens den
Monat?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein.
Wir kommen damit
zur Frage 15 des Kollegen Dr. Ralf Brauksiepe:
Ist aus der Antwort der Bundesregierung vom 19. Mai 1999(Drucksache 14/1701, Antwort auf die Frage 12) zu schließen,daß nach dem Inhalt der Ermittlungsakten der StaatsanwaltschaftBochum in der sog. Veba Immobilien-Affäre zwar nicht Zeugen,wohl aber Beschuldigte behaupten, daß Bodo Hombach im Zugeseines Hausbaus um Vergünstigungen bat oder er mit Beschul-digten darüber gesprochen hat?
Herr Staatssekretär, bitte.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage des Herrn Abgeordneten
Brauksiepe richtet sich darauf, ob sich aus dem Inhalt
der Ermittlungsakten ergibt, daß Bodo Hombach im Zu-
ge seines Hausbaus um Vergünstigungen gebeten hat
oder mit Beschuldigten in dem Strafverfahren, das in
Nordrhein-Westfalen anhängig ist, gesprochen hat. Un-
sere Antwort lautet: Nein. Nach den Erkenntnissen, die
Bundesminister Bodo Hombach aus der Akteneinsicht
durch seinen Anwalt gewonnen hat, haben weder Zeu-
gen noch Beschuldigte behauptet, daß Bundesminister
Bodo Hombach jemals um Vergünstigungen gebeten
habe, diese ihm angeboten worden seien oder mit ihm
jemals darüber gesprochen worden sei.
Die erste Zusatzfra-
ge, Herr Kollege, bitte sehr.
Herr Staatsse-
kretär, es geht hier ja um die schriftliche Beantwortung
von Fragen, die aus meiner Sicht wiederum weitere Fra-
gen aufwerfen. Sie sagen in dem Zusammenhang unter
anderem, Herr Hombach habe die Akteneinsicht in die-
ser Sache seinem Rechtsanwalt überlassen. Ist daraus zu
schließen, daß Herrn Hombach ursprünglich persönliche
Akteneinsicht gewährt bzw. angeboten worden ist?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Da ich selbst Jurist bin, Herr Abge-ordneter Brauksiepe, und ein bißchen Erfahrung habe,finde ich darin nichts Ungewöhnliches, so daß es vonseiten der Bundesregierung erklärungsbedürftig wäre.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999 3865
(C)
(D)
Die zweite Zusatz-
frage, Herr Kollege.
In Ihrer Antwort
verweisen Sie darauf, daß der Antrag auf Akteneinsicht
in bezug auf die hier behandelten Ermittlungsakten mit
dem berechtigten Interesse von Bundesminister Bodo
Hombach an Akteneinsicht begründet worden ist. In
einem Artikel in der „Rheinischen Post“ vom letzten
Wochenende wird die Staatsanwaltschaft Bochum dahin
gehend zitiert, daß der Name Hombach in den besagten
Akten nicht auftauche. Wie erklären Sie diesen Wider-
spruch?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Zeitungsberichte sind hier viel-
fach zitiert worden, die bei jedem öffentlich Angeschul-
digten das berechtigte Interesse wecken, im laufenden
Strafverfahren durch einen Anwalt nachsehen zu lassen,
ob es Anlaß für die öffentliche Berichterstattung gibt.
Nun kommen wir
zur Frage 16 des Kollegen Dr. Ralf Brauksiepe. – Einen
Moment bitte. Zu dieser spannenden Sache – Frage 15 –
möchte der Kollege Profalla noch eine Frage stellen. –
Ich weiß, Herr Hörster, das ist wieder ungebührlich.
Bitte, Herr Kollege, Sie haben das Wort zu einer Zusatz-
frage.
Herr Staatssekretär,
Sie hatten auf die Frage des Kollegen Brauksiepe ge-
antwortet, es gebe keinen Beschuldigten, der die Be-
hauptung aufstelle, daß es im Zusammenhang mit dem
Hausbau Verfehlungen gegeben habe. Gibt es mögli-
cherweise Angeschuldigte oder gar Angeklagte, die die-
se Behauptung aufstellen?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie weisen auf den prozessualen
Unterschied hin. Dafür habe ich jedes Verständnis der
Welt. In der Frage ging es – das war die Unterscheidung
– um Zeugen oder Beschuldigte. Ich gebe Ihnen recht:
Man hätte Zeugen oder Angeschuldigte sagen müssen.
Meine Frage war, ob
es Angeschuldigte oder Angeklagte gibt, die diese Be-
hauptung aufstellen.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Nein.
Nun rufe ich Fra-
ge 16 des Kollegen Dr. Ralf Brauksiepe auf:
Inwieweit vermitteln ausweislich dieser Akten die Aussagenvon Zeugen und Beschuldigten ein Bild, das im Hinblick auf denHausbau von Bodo Hombach mit dem tatsächlichen Gesche-hensablauf nicht übereinstimmt, und inwieweit geben diese Aus-sagen Aufschluß darüber, daß Kosten für Leistungen für denHausbau von Bodo Hombach auf zum Veba-Konzern gehörendeUnternehmen bzw. deren Projekte verlagert worden sein sollen?
Herr Staatssekretär, bitte.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Abgeordnete Brauksiepe fragt
nach, inwieweit sich aus den Akten ein Bild ergibt, das
im Hinblick auf den Hausbau von Bodo Hombach mit
dem tatsächlichen Geschehensablauf nicht überein-
stimmt. Unsere Antwort: Die Fragen beziehen sich auf
die Akten eines laufenden Meineidverfahrens – hier
eben mehrfach erwähnt – gegen einen Dritten vor einem
Gericht des Landes Nordrhein-Westfalen. Vor diesem
Hintergrund nimmt die Bundesregierung davon Ab-
stand, diese Frage detailliert zu beantworten. Herr Bun-
desminister Hombach hat aber durch seine Rechnungen
und Zahlungsbelege sowie durch die Feststellungen in
zwei Gutachten, die wir hier vorgetragen haben, aus un-
serer Sicht zweifelsfrei bewiesen, daß er alle im Zu-
sammenhang mit seinem Hausbau entstandenen Kosten
selbst bezahlt hat.
Nun folgt die erste
Zusatzfrage des Kollegen Brauksiepe.
Herr Staatsse-
kretär, können Sie dann zumindest sagen, ob Herr Bun-
desminister Hombach auch nach der Einsichtnahme in
die Ermittlungsakten bei seiner früher einmal zitierten
Äußerung bleibt, daß die bisher vorliegenden Gutachten
für ihn einen „Freispruch erster Klasse“ bedeuteten?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Er hat keinen Anlaß, von dieser
Aussage abzuweichen.
Die zweite Zusatz-
frage des Kollegen Brauksiepe.
Hat denn Herr
Bundesminister Hombach nach der Akteneinsicht eine
Stellungnahme zu den Erkenntnissen aus diesen Akten
abgegeben und, wenn ja, welchen Inhalts?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meines Wissens nicht. Ich kenne
Metadaten/Kopzeile:
3866 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999
(C)
eine solche Stellungnahme nicht, insbesondere keine,die gegenüber der Öffentlichkeit abgegeben wurde.
Nun rufe ich die
Frage 17 des Kollegen Volker Kauder auf:
Wie ist die Behauptung von Bundesminister Bodo Hombach,er habe „alle angefallenen Baukosten für sein Haus ausnahmslosselbst bezahlt“ vereinbar mitseiner späteren Aussage, daß Kosten für Sicherheitsmaßnahmenin seinem Haus von seinem damaligen Arbeitgeber übernommenworden seien („Stern“ vom 11. März 1999), und wie hoch warendie Kosten für diese Sicherheitsmaßnahmen?
Ich darf mir die Bemerkung erlauben, daß es nicht
notwendigerweise sinnvoll sein muß, Zusatzfragen zu
stellen.
Das durfte ich sagen, Herr Hörster.
Herr Staatssekretär, bitte sehr.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage richtet sich auf einen
vermeintlichen Widerspruch, der sich daraus ergibt, daß
Herr Bundesminister Hombach zum Ausdruck gebracht
hat, daß er die Baukosten für sein Haus ausnahmslos
selbst bezahlt hat, und einer ebenfalls von ihm gemach-
ten Aussage, daß Kosten für Sicherheitsmaßnahmen in
seinem Haus von seinem damaligen Arbeitgeber bezahlt
worden sind. Unsere Antwort: Herr Bundesminister Bo-
do Hombach hat die Baukosten für sein Haus selbst be-
zahlt. Das ist belegt und gutachterlich bestätigt. Die am
Haus von Bundesminister Bodo Hombach ausgeführten
Sicherungsmaßnahmen wurden auf Grund seiner dama-
ligen beruflichen Tätigkeit von den Sicherheitsbehörden
für notwendig erachtet. Die daraus entstandenen Kosten
wurden daher von seinem damaligen Arbeitgeber über-
nommen. Wesentlich war dabei eine bei der Polizei auf-
geschaltete Alarm- und Überfallmeldeanlage. Den Gut-
achtern waren bei ihren Schlußfolgerungen die vom Ar-
beitgeber finanzierten Sicherheitsmaßnahmen bekannt.
Da hier auch aktuelle sicherheitsrelevante Fragen
tangiert sind, sehe ich davon ab, dazu weitere Äußerun-
gen zu machen.
Eine Zusatzfrage des
Kollegen Kauder.
Herr Staatssekretär, la-
gen der C & L Deutsche Revision vor Erstellung des
Gutachtens vom 10. Juni 1998 auch die Belege des da-
maligen Arbeitgebers von Herrn Hombach über die
übernommenen Kosten für die eingebauten Sicherheits-
maßnahmen vor? Wenn nein, wie erklärt sich Herr
Hombach die Feststellung der C & L Deutsche Revision
in diesem Gutachten, es hätten sich „keine Anhalts-
punkte dafür ergeben, daß andere als die durch die vor-
genannten Unterlagen belegten Arbeiten zur Errichtung
des Gebäudes geleistet wurden“?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich sehe auch darin keinen Wider-
spruch, Herr Abgeordneter, weil die C & L nach meiner
Erinnerung – auch darüber haben wir in diesem Parla-
ment bereits gesprochen – davon ausgegangen ist, daß
diese Kosten nicht zu den von ihnen untersuchten Ko-
sten gehören. Nach meiner Erinnerung lagen aber da-
mals die Belege schon vor und sind von C & L gesehen
worden.
Wir kommen zur
Frage 18 des Kollegen Kauder:
Wie erklärt Bundesminister Bodo Hombach, daß er lautSüddeutscher Zeitung vom 8. Februar 1999 ausweislich der vor-gelegten Zahlungsnachweise für Rechnungen im Zusammen-hang mit seinem Hausbau „für einen 200 Quadratmeter großenGarten und die Pflasterung“ 154 459,40 DM überwiesen habensoll, die C & L Deutsche Revision hingegen in ihrem Gutachtenvom 10. März 1999 Kosten für Grünflächen und Bepflanzungfür 300 Quadratmeter zugrunde gelegt hat?
Herr Staatssekretär, bitte.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage 18 bezieht sich auf die
Größe des Gartens.
Unsere Antwort: Der Garten von Bundesminister Bodo
Hombach ist tatsächlich zirka 200 Quadratmeter groß.
In dem C & L-Gutachten sind unter der Kostengruppe
„500/Außenanlagen“ die Gelände- und Verkehrsflächen
außerhalb des Bauwerks, also vor, neben und hinter dem
Bauwerk, erfaßt. Insgesamt sind dafür Kosten – so das
Gutachten – von 163 000 DM angefallen. Diese Fläche
wird im Gutachten als Bezugsfläche bezeichnet. Der ei-
gentliche Garten von zirka 200 Quadratmetern, die Flä-
che neben dem Bauwerk und die gepflasterten Flächen
ergeben zusammen 300 Quadratmeter Bezugsfläche.
Die erste Zusatzfra-
ge des Kollegen Kauder.
Frau Präsidentin, ich
bitte, eine Klarstellung im Hinblick auf meine Frage
machen zu dürfen.
Bitte sehr.
Der Herr Staatssekretärhat erklärt, es gehe um die Größe des Gartens. Diese in-haltliche Zusammenfassung meiner Frage ist nicht zu-treffend. Es ging nicht um die Größe des Gartens, son-Staatssekretär Dr. Frank-Walter Steinmeier
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999 3867
(C)
(D)
dern es ging um das Verhältnis der Größe des Gartenszu den ausgewiesenen Kosten.
Wollen Sie nun eine
Zusatzfrage stellen? – Bitte sehr.
Wieso belaufen sich
die Kosten für die Fensterarbeiten an Herrn Bodo Hom-
bachs Haus laut Gutachten vom März 1999 auf rund
86 000 DM, während im „Stern“ mitgeteilt wurde, daß
auf Grund einer eindeutig vorliegenden Rechnung nur
Kosten in Höhe von 78 483 DM entstanden sind?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich kann diese Frage aus eigener
Kenntnis im Augenblick nicht beantworten, bin aber
gern bereit, Ihnen schriftlich die Begründung dafür
nachzureichen.
Die zweite Zusatz-
frage des Kollegen Kauder.
Herr Staatssekretär,
haben Sie zur Vorbereitung der Antworten, die Sie heute
geben, mit Herrn Minister Hombach über diese Fragen
gesprochen?
Ich lasse diese Frage
nicht zu, weil sie nicht zum Sachverhalt gehört. Die Fra-
ge, wie sich ein Minister auf eine solche Fragestunde
vorbereitet, sollte nicht Gegenstand der Fragestunde des
Bundestages sein.
Damit kommen wir zur Frage 19 der Kollegin Andrea
Voßhoff:
Hält Bundeskanzler Gerhard Schröder den Bundesministerund Chef des Bundeskanzleramtes Bodo Hombach für seineAufgaben als Chef des Bundeskanzleramtes für geeignet, nach-dem die Bundesregierung in ihrer Antwort vom 19. Mai 1999auf eine Kleine Anfrage erklärt hat, daßBundesminister Bodo Hombach als Zeitpunkt der Niederlegungseines Landtagsmandates den 31. Dezember 1998 erklärenwollte, er dies aber tatsächlich nicht erklärte?
Herr Staatssekretär, bitte sehr.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage richtet sich danach, ob der
Bundeskanzler Herrn Minister Hombach nach wie vor
als Chef des Bundeskanzleramtes für geeignet hält,
nachdem die Bundesregierung erklärt hat, daß Bundes-
minister Bodo Hombach als Zeitpunkt der Niederlegung
seines Landtagsmandats den 31. Dezember 1998 erklä-
ren wollte, er dies aber tatsächlich nicht erklärte. Diesen
Vorgang hatten wir vorhin bei der Beantwortung einer
anderen Frage behandelt. Unsere Antwort lautet: Ja. Der
Bundeskanzler hat mehrfach betont, daß Bundesminister
Hombach sein volles und uneingeschränktes Vertrauen
genießt.
Eine Zusatzfrage,
Frau Kollegin.
Auf Grund dieser
Angabe des Herrn Hombach gehe ich davon aus, daß
ihm noch im Januar dieses Jahres Abgeordnetenentschä-
digung gezahlt wurde. Sie haben in der Fragestunde vom
21. April 1999 dazu geäußert, daß die für den Monat Ja-
nuar gezahlte Entschädigung zurückgezahlt worden sei.
Können Sie mir mitteilen – falls es jetzt nicht mündlich
möglich ist, dann möglicherweise schriftlich –, wann er
diese Entschädigung zurückgezahlt hat?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das will ich gerne tun.
Dann kommen wir
zur Frage 20 der Kollegin Andrea Voßhoff:
Welche Konsequenzen zieht Bundeskanzler Gerhard Schröderaus den Ergebnissen der Einsicht in die staatsanwaltschaftlichenAkten der sog. Veba-Immobilien-Affäre durch den Rechtsanwaltvon Bundesminister Bodo Hombach, wonach die in den Aktenenthaltenen Aussagen von Zeugen und Beschuldigten ein ande-res Bild über das Hausbaugeschehen von Bundesminister BodoHombach vermitteln, als es Bundesminister Bodo Hombach fürrichtig hält?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Die Frage richtet sich darauf, welche
Konsequenzen der Bundeskanzler aus den Ergebnissen
der Einsicht in die staatsanwaltschaftlichen Akten der
sogenannten Veba-Immobilien-Affäre usw. zieht. Unse-
re Antwort lautet: Keine. Zunächst ist darauf hinzuwei-
sen, daß der Bundeskanzler selbst keine Akteneinsicht
genommen hat. Das ging bereits aus meinen Antworten
hervor, die ich zur vorletzten Frage gegeben habe. Der
Bundeskanzler weiß aber, daß niemand vor falschen An-
schuldigungen gefeit ist. Er weiß auch, daß Bundesmini-
ster Hombach durch Einholung von Gutachten die Vor-
würfe im Detail widerlegt hat.
Die erste Zusatzfra-
ge, Frau Kollegin.
Können Sie mir sa-
gen, wann Bundeskanzler Schröder Kenntnis – sei es di-
rekt oder indirekt – von dem Inhalt der Ermittlungsakten
der Staatsanwaltschaft Bochum erhielt?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das kann ich Ihnen nicht mit Tagund Datum sagen. Aber es hat – davon gehe ich aus –Volker Kauder
Metadaten/Kopzeile:
3868 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999
(C)
nach der Einsichtnahme durch den Rechtsanwalt vonHerrn Hombach und nach der Übermittlung der Ergeb-nisse dieser Akteneinsichtnahme zwischen Herrn Hom-bach und dem Bundeskanzler irgendwann ein Gesprächstattgefunden.
Die zweite Zusatz-
frage, Frau Kollegin.
Wann war Bundes-
kanzler Schröder erstmals mit den Vorgängen bezüglich
des Hausbaus von Herrn Hombach befaßt?
D
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zum Zeitpunkt, als dies im vergan-
genen Jahr erstmals durch die Presse ging.
Herr Staatssekretär
Steinmeier, vielen Dank für die Beantwortung der Fra-
gen.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Auswärtigen
Amtes auf. Zur Beantwortung ist Staatsminister Ludger
Volmer anwesend.
Die Fragen 21 und 22 werden schriftlich beantwor-
tet.
Wir kommen zur Frage 23 des Kollegen Werner Sie-
mann:
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, daß es Kräftein der Bundesrepublik Jugoslawien gibt, die darauf hinwirken,daß Präsident Milosevic sein Amt niederlegt, und wie bewertetdie Bundesregierung die Erfolgsaussichten?
Herr Staatsminister, bitte.
D
Herr Kollege Siemann, Sie fragten, inwieweit wir
Erkenntnisse über oppositionelle Bestrebungen in Bel-
grad haben. Unsere Antwort lautet: Die Heilige Bi-
schofssynode der Serbisch-Orthodoxen Kirche hat in ei-
ner Erklärung vom 15. Juni 1999 Präsident Milosevic
und die gegenwärtige Regierung Jugoslawiens aufgefor-
dert, sich im Interesse des Volkes und seiner Rettung
zum Rücktritt zu entschließen. Der montenegrinische
Präsident Milo Djukanovic hat in den letzten Wochen
wiederholt erklärt, daß eine Fortführung der Politik von
Präsident Milosevic den Fortbestand der Bundesrepublik
Jugoslawien gefährde. Dieser Auffassung haben sich
zahlreiche montenegrinische Politiker ebenso wie Ver-
treter der demokratischen Opposition in Serbien ange-
schlossen.
Die Bundesregierung betrachtet diese Meinungsäuße-
rungen als Ausdruck wachsender Unzufriedenheit in der
Bundesrepublik Jugoslawien mit den Ergebnissen der
Politik von Präsident Milosevic.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege, bitte sehr.
Herr Staatsminister,
gibt es konkrete Erkenntnisse der Bundesregierung dar-
über, wer Milosevic tatsächlich, wenn er einmal nicht
mehr an der Regierung wäre, nachfolgen könnte?
D
Solche Erkenntnisse haben wir nicht. Die Bundes-
regierung sowie alle anderen westlichen Staaten versu-
chen, den Kontakt zu Oppositionspolitikern so weit zu
entwickeln und auszubauen, daß in diesem Kreise über
kurz oder lang eine alternative Führungsfigur für Serbi-
en und Jugoslawien aufgebaut werden kann.
Dann kommen wir
zur Frage 24 des Kollegen Siemann:
Was unternimmt die Bundesregierung, um zu erreichen, daßder jugoslawische Präsident Milosevic sein Amt aufgibt?
Herr Staatsminister, bitte.
D
Herr Siemann, Sie fragen danach, was die Bundes-
regierung unternimmt, damit Milosevic sein Amt auf-
gibt. Das habe ich im Grunde schon mitbeantwortet. Die
Bundesregierung setzt sich gemeinsam mit den westli-
chen Partnern dafür ein, den politischen Meinungsbil-
dungsprozeß in der Bundesrepublik Jugoslawien dahin
gehend zu beeinflussen, daß sich dort die Überzeugung
von der Notwendigkeit eines Wechsels der politischen
Führung durchsetzt. Dies könnte man im einzelnen aus-
führen. Ich möchte Sie bitten, Ihre Kollegen aus dem
Auswärtigen Ausschuß über Einzelheiten zu befragen,
denn wir haben heute morgen im Auswärtigen Ausschuß
sehr ausführlich über dieses Thema gesprochen.
Die Frage 25 wird
schriftlich beantwortet.
Herr Staatsminister, wir bedanken uns für die Beant-
wortung der Fragen.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bun-
desministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht
Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Sonntag-
Wolgast zur Verfügung.
Die Frage 26 wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen zur Frage 27 des Kollegen Norbert
Barthle:
Wie bewertet die Bundesregierung die Gefahr durch dassogenannte „Jahr-2000-Problem“ für die BundesrepublikDeutschland, insbesondere auch hinsichtlich der Computer undDatenverarbeitungssysteme in der öffentlichen Verwaltung, undhat die Bundesregierung das Erforderliche unternommen, ummögliche Sicherheitsrisiken im Bereich der öffentlichen Ver-waltung auszuschließen?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Parl. Staatssekretä-
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr KollegeBarthle, Sie fragten danach, wie die Bundesregierungdie Gefahr durch das sogenannte Jahr-2000-Problem fürStaatssekretär Dr. Frank-Walter Steinmeier
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999 3869
(C)
(D)
die Bundesrepublik einschätze, insbesondere hinsicht-lich der Computer und der Datenverarbeitungssystemein der öffentlichen Verwaltung. Sie fragten auch, ob dieBundesregierung das Erforderliche unternommen habe,um mögliche Risiken im Bereich der öffentlichen Ver-waltung auszuschließen.Die Bundesregierung antwortet darauf wie folgt: DieBundesregierung hat seit 1996 auf verschiedenen Ebe-nen Organisationsstrukturen zur Behandlung des Jahr-2000-Problems eingerichtet, wie zum Beispiel die in-terministerielle Task-force beim Wirtschaftsministeriumund den ebenfalls beim Wirtschaftsministerium angesie-delten Sachverständigenkreis. Die Bundesverwaltungstimmt die erforderlichen Maßnahmen unter Federfüh-rung des BMI im sogenannten Interministeriellen Koor-dinierungsausschuß für Informationstechnik, IMKA, ab.Bund und Länder kooperieren in den einschlägigen Ar-beitskreisen der Innenministerkonferenz, im „Koopera-tionsausschuß ADV Bund/Länder/Kommunaler Be-reich“ und in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Jahr2000“ der Senats- und Staatskanzleien der Länder.Die Bundesverwaltung wird hinsichtlich der techni-schen Systeme den Jahrtausendwechsel voraussichtlichohne nennenswerte Beeinträchtigungen bewältigen.Durch Einrichtung von Notfallprogrammen und Bereit-schaftsdiensten sind ungeachtet dessen Vorkehrungengegen Ausfälle getroffen worden.Weitere Einzelheiten, unter anderem zum Vorberei-tungsstand in den Landes- und Kommunalverwaltungen,sind – Sie werden sich erinnern – im Fortschrittsberichtder Bundesregierung zum Jahr-2000-Problem, der am21. April dieses Jahres vom Kabinett angenommen wur-de, ausführlich dargestellt.So weit die Antwort auf diese Frage des KollegenBarthle.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege, bitte.
Frau Staatssekretärin,
ich danke für die sehr informative Beantwortung und
habe nur eine kleine Nachfrage: Gelten die Aussagen
bezüglich der IMKA für alle Zuständigkeitsbereiche in-
klusive Polizei, Verteidigung und Verkehr?
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Parl. Staatssekretä-
Rede von: Unbekanntinfo_outline
So ist es; dies wird
für alle Ressorts ausgesprochen. Wo noch Koordinie-
rungsbedarf besteht, sind die Arbeitsgruppen weiter
tätig. Die Arbeiten werden aber zu gegebener Zeit, auf
jeden Fall rechtzeitig vor dem bewußten Datum, dem
1. Januar 2000, abgeschlossen sein.
Keine weitere Zu-
satzfrage.
Dann rufe ich die Frage 28 des Kollegen Dr. Martin
Mayer auf:
Bis wann ist die Bundesregierung in der Lage, den Abgeord-neten die Antworten auf schriftliche Fragen an die Bundesre-gierung auf Wunsch auch über elektronische Post(E-Mail) zuzusenden?
Frau Staatssekretärin, bitte.
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Parl. Staatssekretä-
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege
Mayer, Sie fragten danach, bis wann die Bundesregie-
rung in der Lage sei, den Abgeordneten die Antworten
auf schriftliche Fragen an die Bundesregierung auf
Wunsch auch über elektronische Post, E-Mail, zuzusen-
den. Ich erinnere mich, daß wir diese Thematik in der
letzten Legislaturperiode in der Enquete-Kommission
„Zukunft der Medien“ öfter behandelt haben.
Die Bundesregierung antwortet wie folgt: Da die Mi-
nisterien und obersten Bundesbehörden über E-Mail er-
reichbar sind, sehen wir keine Hinderungsgründe dafür,
Abgeordneten ab sofort die Antworten auf schriftliche
Fragen an die Bundesregierung auf Wunsch auch über
elektronische Post, also in Form von E-Mails zuzusen-
den. Ich nehme Ihre Frage aber zum Anlaß, mit den
Ressorts einen Termin abzustimmen, ab dem dieser zu-
sätzliche Kommunikationsweg wirklich allen offensteht.
Über das Ergebnis werden wir dem Deutschen Bundes-
tag berichten.
Die erste Zusatzfra-
ge, Herr Kollege, bitte sehr.
Frau
Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, daß bisher zwar
freundlicherweise Disketten mitgeschickt wurden, daß
es aber nicht möglich war, die Antworten per E-Mail zu
erhalten, und daß damit letztlich eine große Lücke zwi-
schen Anspruch und Wirklichkeit der Bundesregierung
besteht, die einerseits von jedem Schüler verlangt, daß
er mit E-Mails umgehen kann, selber aber nicht in der
Lage ist, derartige E-Mails zu versenden?
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Parl. Staatssekretä-
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Von diesen Pro-
blemen haben wir gehört. Das war auch Anlaß, noch
einmal zu sagen, daß mit allen Ressorts abgestimmt
werden muß, wo diese Kommunikationswege noch
stocken. Ich kann nur für unser Haus, das Bundesmi-
nisterium des Innern, und für die oberen Behörden, die
uns nachgeordnet sind, sagen, daß dies ab sofort mög-
lich ist.
Die zweite Zusatz-
frage, Herr Kollege.
Können Sie ein Beispiel benennen, daß einem Abgeord-
neten schon eine Antwort per E-Mail übermittelt worden
ist?
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Parl. Staatssekretä-
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wollen Sie jetztden Namen eines Kollegen wissen?Parl. Staatssekretärin Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast
Metadaten/Kopzeile:
3870 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999
(C)
Nein, ich möchte wissen, ob schon vor meiner Frage je-
mals einem Abgeordneten eine Antwort per E-Mail
übermittelt worden ist.
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast, Parl. Staatssekre-
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wir werden
dies prüfen und Ihnen dann eine Antwort zukommen
lassen.
Ich danke der Frau
Staatssekretärin Dr. Sonntag-Wolgast für die Beant-
wortung der Fragen.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fra-
gen steht Frau Staatssekretärin Barbara Hendricks zur
Verfügung.
Die Frage 29 wird schriftlich beantwortet.
Ich rufe also die Frage 30 des Kollegen Matthäus
Strebl auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, das Er-ziehungsgeld zu kürzen, um den Kinderfreibetrag anzuheben,und plant die Bundesregierung, die Vorgaben des Bundesver-fassungsgerichts nur durch die Anhebung des Kinderfreibetragszu erfüllen?
Frau Staatssekretärin, bitte.
D
Herr Kollege Strebl, heute
hat die Bundesregierung die Eckwerte des Konzepts zur
gesetzgeberischen Umsetzung der Vorgaben des Bun-
desverfassungsgerichts vorgelegt. Zur Entlastung der
Familien wird die Bundesregierung den Entwurf eines
Familienentlastungsgesetzes erarbeiten, der unter Be-
rücksichtigung der Vorgaben des Bundesverfassungsge-
richts folgende Maßnahmen enthalten wird: In einer er-
sten Stufe wird ein einheitlicher Betreuungsfreibetrag
von 3 024 DM für Kinder bis 16 Jahre zusätzlich zum
bisherigen Kinderfreibetrag unter Anrechnung des Kin-
dergeldes eingeführt. Der bisher mögliche Abzug von
Kinderbetreuungskosten entfällt. Das Kindergeld für er-
ste und zweite Kinder wird um 20 DM von 250 DM auf
270 DM monatlich angehoben.
Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen,
daß die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung
somit dafür sorgen, daß innerhalb von nur zwölf Mona-
ten das Kindergeld für erste und zweite Kinder um 50
DM steigt.
Mit diesen Verbesserungen wird den Anforderungen
des Familienurteils des Bundesverfassungsgerichts für
die Jahre 2000 und 2001 voll und ganz Rechnung getra-
gen.
Der Ansatz für das Erziehungsgeld im Bundeshaus-
halt 2000 ist in der gleichen Höhe ausgebracht wie für
das Jahr 1999. Eine Kürzung des Erziehungsgeldes fin-
det nicht statt.
Keine Zusatzfrage.
Die Frage 31 wird schriftlich beantwortet.
Wir kommen damit zur Frage 32 des Kollegen Strobl:
Plant die Bundesregierung die Streichung der steuerlichenAbsetzbarkeit der Bewirtungsspesen, und wie beurteilt die Bun-desregierung die Kritik des Hotel- und Gaststättenverbandes,daß durch eine solche Maßnahme „einer noch halbwegs funktio-nierenden Branche der Dolchstoß versetzt würde“ ?
Bitte sehr, Frau Staatssekretärin.
D
Nein.
Keine Zusatzfrage.
Die Frage 33 wird schriftlich beantwortet.
Damit bedanken wir uns bei der Frau Staatssekretärin
Hendricks für die Beantwortung der Fragen.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Wirtschaft und Technologie. Die Fra-
gen 34, 35, 36, 39, 40 und 41 werden schriftlich beant-
wortet.
Die Fragen 37 und 38 wurden zurückgezogen.
Damit rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesmi-
nisteriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Be-
antwortung der Fragen ist die Kollegin Staatssekretärin
Ulrike Mascher anwesend.
Die Fragen 42 und 43 des Kollegen Johannes Sing-
hammer sowie die Frage 44 des Kollegen Dietrich
Austermann werden schriftlich beantwortet.
Nun kommen wir zur Frage 45 der Kollegin Birgit
Schnieber-Jastram:
Wie begründet die Bundesregierung die Tatsache, daß es seitJanuar 1999 keine neuen Angaben über die Entwicklung derZahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutsch-land gibt und die Fortschreibung der monatlichen Entwicklungder Zahl der Erwerbstätigen zuletzt im Februar 1999 erfolgte?
Frau Staatssekretärin, bitte.
U
Frau Kolle-gin Schnieber-Jastram, die neue Datenerfassungs- und-übermittlungsverordnung wurde am 10. Februar 1998im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Mit ihrem Inkraft-treten zum 1. Januar 1999 haben sich beim allgemeinenMeldeverfahren zur Sozialversicherung Verzögerungenund Fehler im Datenfluß eingestellt. In erster Linie istdies auf den Umstand zurückzuführen, daß viele Arbeit-geber auch nach dem Stichtag 1. Januar 1999 noch dasalte Meldeverfahren angewendet haben.Dies hat dazu geführt, daß nach anfänglich völligemStillstand bisher nur etwa 60 Prozent der ansonsten übli-chen Datenmenge bei der Bundesanstalt für Arbeit ein-gegangen ist und somit eine Auswertung des Datenmate-rials nur unplausible Ergebnisse liefern würde. Da je-doch die monatlichen Schätzungen des Statistischen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999 3871
(C)
(D)
Bundesamtes zu den Erwerbstätigen, insbesondere fürden Jahreswechsel, in hohem Maße auf den Ergebnissender Beschäftigtenstatistik der Bundesanstalt für Arbeitberuhen, konnten diese für Januar 1999 nicht mehr er-mittelt und veröffentlicht werden.
Den Wunsch nach
einer Zusatzfrage gibt es nicht.
Die Frage 46 wird schriftlich beantwortet.
Frau Kollegin Mascher, damit sind Sie aus der Be-
antwortung für heute schon entlassen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri-
ums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung der Fragen
steht Frau Staatssekretärin Brigitte Schulte zur Verfü-
gung.
Ich rufe die Frage 47 des Kollegen Wolfgang
Gehrcke auf. – Er ist nicht da. Damit brauchen wir die
Frage nicht zu behandeln. Das gilt auch für die Frage 48
des Kollegen Wolfgang Gehrcke. Es wird verfahren, wie
in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Ich rufe die Frage 49 des Kollegen Klaus Rose auf:
Welche Zukunft sieht die Bundesregierung für die Standort-bekleidungskammern der Bundeswehr, und welche Möglich-keiten sieht sie insbesondere für den Fortbestand der Standort-bekleidungskammer in Kirchham?
Frau Staatssekretärin, bitte sehr.
B
Herr Kollege Rose, als
jemand, der auf diesem Gebiet fachlich besonders ver-
siert ist – schließlich sind Sie mein Vorgänger in diesem
Amt gewesen –, haben Sie nach der Aufgabe der Stand-
ortbekleidungskammern, vor allem nach der Regelung
für die Standortbekleidungskammer in Kirchham, ge-
fragt. Sie wissen, daß die Standortbekleidungskammern
ihre Aufgabe im wesentlichen darin sehen, Berufs- und
Zeitsoldaten, Wehrpflichtige und Reservisten der Bun-
deswehr ein- und auszukleiden. Diese Aufgabe werden
sie natürlich auch in der Zukunft wahrnehmen.
Der Bundesrechnungshof hat aber bei einer Überprü-
fung festgestellt, daß einige Standortbekleidungskam-
mern wegen zu geringer Auslastung mit anderen Stand-
ortbekleidungskammern zusammengelegt werden soll-
ten. – Sie kennen dieses Gutachten, weil Sie damals im
Verteidigungsministerium dafür zuständig waren. – Die
Standortbekleidungskammer Kirchham in Passau gehört
zu diesen vom Rechnungshof genannten kleinsten
Kammern. Nach seinen Empfehlungen sind Standortbe-
kleidungskammern nur dann gerechtfertigt, wenn min-
destens 2 700 Ein- und Auskleidungen jährlich stattfin-
den und darüber hinaus eine Versorgungsstärke von zir-
ka 2 300 Soldaten nicht unterschritten wird.
Beide Voraussetzungen sind – leider – für den Stand-
ort Kirchham bei weitem nicht gegeben. In Kirchham
sind nur zirka 600 Soldaten stationiert, und im vergan-
genen Jahr waren es lediglich 1 300 Reservisten und
Rekruten, die aus- und eingekleidet worden sind. Im
Zuge der Reorganisation der Territorialen Wehrverwal-
tung und der Neuorganisation der Standortbekleidungs-
kammern wäre deshalb ein Fortbestand der Standortbe-
kleidungskammer Kirchham in Passau wirtschaftlich
nicht gerechtfertigt. Es ist deshalb geplant – Sie werden
das sicherlich bedauern –, ihre Aufgaben der Standort-
bekleidungskammer in Bogen zu übertragen.
Erste Zusatzfrage,
Herr Kollege, bitte sehr.
Frau Staatssekretärin,
als Mitglied einer Bundesregierung, die unter dem
Motto, nicht alles anders, aber vieles besser machen zu
wollen, angetreten ist, frage ich Sie, ob Sie es im Inter-
esse der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer an diesem Standort nicht besser machen möch-
ten. Diese setzen alle ihre Hoffnungen in die neue Bun-
desregierung.
B
Sehr geehrter Herr Kolle-
ge Rose, natürlich bemüht sich eine neue Bundesregie-
rung, vieles besser zu machen. Aber Sie wissen, daß die
Rechnungshöfe unabhängig von Regierung und Parla-
ment arbeiten. Der Bundesrechnungshof hat natürlich
die Aufgabe, darauf zu achten, daß die Mittel der Steu-
erzahler sinnvoll ausgegeben werden. So ist es ver-
ständlich, daß wir aufgefordert werden, kleine Einheiten
zu überprüfen und gegebenenfalls mit größeren zusam-
menzulegen.
Ich persönlich habe eine große Sympathie für kleine-
re Einheiten, weil die persönliche Betreuung und der
Umgang mit den Menschen dort besser möglich sind. In
diesem Fall werden wir uns aber, wie auch unsere Vor-
gängerregierung, dem Sachzwang zu beugen haben.
Der Wunsch nach
einer zweiten Zusatzfrage besteht nicht.
Ich rufe die Frage 50 des Kollegen Rose auf:
Sieht die Bundesregierung bei der bisherigen Vorgehens-weise zur Auflösung von Standortbekleidungskammern einenVerstoß gegen die Grundsätze des Bundespersonalvertretungs-gesetzes, besonders gegen die §§ 72 und 78?
Frau Staatssekretärin, bitte.
B
Herr Kollege Rose, nach§ 78 Abs. 1 Nr. 2 des Bundespersonalvertretungsgeset-zes hat der Personalrat unter anderem bei der Auflösung,Verlegung und Zusammenlegung von Dienststellen oderwesentlichen Teilen von ihnen mitzuwirken. Die Stand-ortbekleidungskammern sind organisatorischer Be-standteil der Standortverwaltung. Um den „wesentlichenTeil“ einer Dienststelle handelt es sich nach dem Gesetznur dann, wenn dieser Teil in organisatorischer undräumlicher Hinsicht eine gewisse Selbständigkeit besitztund seine Aufgabenstellung für die gesamte Dienststellevon prägender Bedeutung ist. Seine Auflösung muß dieRestdienststelle, hier also die Standortverwaltung, der-Parl. Staatssekretärin Ulrike Mascher
Metadaten/Kopzeile:
3872 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999
(C)
maßen verändern, daß sie sich als Folge der Organisa-tionsmaßnahmen zu einer in ihrem Wesen anderenDienststelle wandelt. Diese Rechtsauffassung wird – wieSie schon an der Sprache erkennen können – durch diehöchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesverwal-tungsgerichts gestützt.Die Standortbekleidungskammer ist danach nicht„wesentlicher Teil“ der Standortverwaltung, denn dieAufgabenstellung der Standortbekleidungskammer istfür die Gesamtdienststelle nicht von prägender Bedeu-tung. Sie ist lediglich Bestandteil des Teilsachgebiets III2, „Bekleidung“. Bei der organisatorischen Auflösungvon Standortbekleidungskammern oder bei der Zusam-menlegung mit anderen Dienststellen ist daher die Mit-wirkung des Personalrats unter Beachtung der Vor-schriften des Bundespersonalvertretungsgesetzes nichtvorgesehen. Allerdings ist der Personalrat bei Perso-nalmaßnahmen im Rahmen der Mitbestimmung zu be-teiligen.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege? – Bitte sehr.
Frau Staatssekretärin,
mir ist die Meinung der ÖTV immer wichtig: Da sie mir
geschrieben hat, daß hier ein Verstoß gegen das Perso-
nalvertretungsgesetz bzw. sonstige Bestimmungen ge-
geben ist, frage ich Sie, ob ich Ihrer Antwort entnehmen
und der ÖTV mit Ihrer Erlaubnis mitteilen darf, daß die
jetzige Bundesregierung nicht der Meinung ist, daß hier
gegen Grundsätze des Personalvertretungsgesetzes ge-
handelt wird.
B
Ihnen wird die ÖTV das
natürlich nicht glauben. Sie pflegt aber selbstverständ-
lich auch engen Kontakt mit dieser Bundesregierung,
mit dem Bundesminister der Verteidigung, Herrn Rudolf
Scharping, dem die ÖTV Straubing selbst geschrieben
hat, und mit der vor Ihnen stehenden Kollegin, die sich
besonders um die Vertretung der Arbeitnehmer bemüht.
Natürlich haben wir alles geprüft. Ich kann festhalten,
daß eine sozial verträgliche Regelung für die Inhaber der
elf Dienstposten – davon sind vier Halbtagskräfte – ge-
sucht wird. Ein Mitarbeiter scheidet am 30. Juni 1999
aus. Die anderen sollen sozial verträglich auf derzeit
freien und freiwerdenden Dienstposten in Kirchham
untergebracht werden. Wir haben im Rahmen unserer
Möglichkeiten alles getan, damit es nicht zu einem
Ortswechsel, sondern nur zu einem Arbeitsplatzwechsel
kommt.
Noch eine Zusatz-
frage? – Bitte sehr, Herr Kollege Rose.
Frau Staatssekretärin,
wären Sie so nett, zur Kenntnis zu nehmen, daß die
ÖTV zwar dem Minister geschrieben und auch Ab-
schriften dieses Briefes an mehrere Abgeordnete ver-
schiedener Fraktionen des Deutschen Bundestages
geschickt hat, sich aber nur der Abgeordnete der CSU
dieser Frage angenommen hat?
B
Das erkenne ich, lieber
Kollege Rose, gerne an. Nach den vielen Jahren der Zu-
sammenarbeit im Parlament geniere ich mich nicht, zu
sagen, daß Sie sich in der Zeit, in der wir zusammen im
Haushaltsausschuß des Bundestages tätig waren, ganz
besonders der sozialen Belange der Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer angenommen haben. Ich finde das
sehr erfreulich. Ich kann den Arbeitnehmervertretern zu
„ihrem“ Abgeordneten nur gratulieren und hoffe, daß
sich die anderen Abgeordneten, wenn sie es denn noch
nicht getan haben, daran ein Beispiel nehmen.
Vielen Dank, Frau
Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeri-
ums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen auf. Zur
Beantwortung ist Herr Staatssekretär Scheffler anwe-
send.
Ich rufe die Frage 51 des Kollegen Hans-Joachim
Fuchtel auf. – Ich stelle fest, daß der Abgeordnete nicht
da ist. Somit wird verfahren, wie in der Geschäftsord-
nung vorgesehen. Das gilt auch für die Frage 52.
Die Fragen 53 und 54 werden schriftlich beantwortet.
Nun kommen wir zur Frage 55 des Kollegen Wolf-
gang Dehnel:
Beabsichtigt die Bundesregierung, ein besonderes Programmzur Finanzierung des kommunalen Straßenbaus in den neuenBundesländern zu erarbeiten, und wenn ja, würde dieses mitMitteln aus dem Bundeshaushalt finanziert werden?
Herr Staatssekretär, bitte.
S
Werter Kollege Dehnel, Sie fragen, ob die Bundesregie-
rung bei einem Programm zur Finanzierung des kom-
munalen Straßenbaus hilfreich zur Seite stehen kann.
Darauf möchte ich antworten, daß der Bund nach dem
Grundgesetz die Regelungskompetenz für Bundesfern-
straßen, nicht aber für den kommunalen Straßenbau hat.
Die Erarbeitung eines besonderen Bauprogramms für
kommunale Straßen ist ihm deshalb verwehrt. Den je-
weiligen Straßenbaulastträgern obliegen Planung und
Finanzierung ihrer Straßenbauvorhaben in eigener Ver-
antwortung. Einer Finanzierung von kommunalen Stra-
ßenbauvorhaben durch den Bundeshaushalt steht Art.
104 a des Grundgesetzes entgegen.
Eine Zusatzfrage,
Herr Kollege? – Bitte sehr.
Herr Staatssekretär,es ist mir bekannt, daß normalerweise die Landesregie-rungen bzw. die Kommunen verantwortlich sind. AberParl. Staatssekretärin Brigitte Schulte
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999 3873
(C)
(D)
Ihnen ist ja auch bekannt, daß die Kommunen in denneuen Bundesländern noch enorme Zahlungsschwierig-keiten haben und noch nicht die finanziellen Mittel auf-bringen können wie die Altbundesländer. Ihnen ist auchbekannt, daß die Kommunen gerade in den neuen Bun-desländern Unterstützung brauchen, da sie enormeSchwierigkeiten mit Brücken und Straßen haben, dieüber 100 Jahre alt sind und auf Grund des seit ihrem Bauverzehnfachten Verkehrs enormen Belastungen ausge-setzt sind. Ist Ihnen bekannt, daß die vorherige Bundes-regierung die Kommunen in den neuen Bundesländerndeshalb mit mehreren 100 Millionen DM unterstützthat? Meine Mutter hat immer gesagt: Wo ein Wille ist,ist auch ein Weg. – Sieht auch die Bundesregierungeinen Weg, dort zu helfen?S
Werter Kollege Dehnel, mir ist natürlich bekannt, in-
wieweit die alte Bundesregierung in den vergangenen
acht Jahren die Finanzierung entsprechend der Geset-
zeslage unterstützt hat.
Sie haben mehrere Punkte angesprochen, zum Bei-
spiel die Finanzierung von Straßenbrücken bzw. Brük-
ken über Schienenverkehrsanlagen. Sie wissen, daß sich
gerade die Abgeordneten aus den neuen Ländern, ge-
meinsam mit dem Berichterstatter der SPD-Fraktion in
der vergangenen Legislaturperiode, Herrn Lothar Ibrüg-
ger, der jetzt Parlamentarischer Staatssekretär ist, partei-
übergreifend dafür eingesetzt haben, daß das Eisenbahn-
kreuzungsgesetz hier zur Anwendung kommt und daß
die entsprechenden Maßnahmen – so eine Regelung
seitens der alten Bundesregierung – vom Bund, von
der DB AG, aber auch von den Ländern gefördert wer-
den.
Das, was Sie angesprochen haben, ist natürlich keine
Schenkung. Wir haben mehrere Förderinstrumente, um
den Kommunen in dem Bereich zu helfen, zum Beispiel
die Mittel nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsge-
setz, die auch die neue Bundesregierung trotz fehlenden
Gesetzesrahmens für 1999 und auch für 2000 auf hohem
Niveau eingeplant hat. Diese Förderung wird also konti-
nuierlich fortgesetzt. Wir müssen aber mit Blick auf den
Haushalt 2000 abwarten, wie wir zusätzliche Maßnah-
men fördern. Doch noch einmal: Es gab auch in der al-
ten Bundesregierung keine Schenkungen. Alles hatte
den entsprechenden gesetzlichen Hintergrund.
Zusatzfrage, Herr
Kollege, bitte sehr.
Trifft es zu, daß die
Bundesregierung ein Brückensanierungsprogramm ge-
rade für besonders betroffene Regionen plant bzw. aus-
arbeiten läßt?
S
Der Finanzrahmen des Bundes ist beschränkt, auch nach
der heutigen Sitzung des Kabinetts. Wir müssen den
endgültigen Haushalt abwarten, der nach der Sommer-
pause vorliegen wird und vom Parlament bestätigt wer-
den muß.
Sie wissen, daß wir die Verkehrsprojekte „Deutsche
Einheit“, Maßnahmen im Vordringlichen Bedarf – seien
es Schienenverkehrsprojekte, seien es Bundesfernstra-
ßenprojekte, bei denen wir eine erhebliche Unterfinan-
zierung haben – und durch erste Spatenstiche schon ein-
geleitete Maßnahmen finanziell absichern. Dann könn-
ten die Länder einen entsprechenden Antrag stellen.
Dann könnte man sich weiter darüber unterhalten. Na-
türlich gibt es Finanzengpässe. Aber auch Art. 104 a des
Grundgesetzes ist zu beachten.
Die Frage 56 wird
schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 57.
Ich rufe die Frage 58 des Kollegen Bernward Müller
auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die Europäi-sche Union für den Aufbau von transeuropäischen Verkehrsnet-zen zusätzlich weitere Mittel bereitstellen könnte, wenn die EUaus dem Strukturfonds bereits mit 3 Mrd. DM Verkehrsprojektein den neuen Bundesländern fördert, die nicht zu den transeuro-päischen Netzen zählen?
Herr Staatssekretär, bitte sehr.
S
Ih-
re Frage möchte ich wie folgt beantworten: Die Bundes-
regierung sieht keinen Widerspruch in der Aufstockung
der TEN-Mittel – also der Mittel für die transeuropäi-
schen Verkehrsnetze – für den Zeitraum 2000 bis 2006
auf insgesamt 4 Milliarden Euro und der möglichen
Förderung von Verkehrsinfrastrukturvorhaben aus EU-
Strukturfondsmitteln, da jeweils unterschiedliche EU-
Rechtsgrundlagen gelten. Vorhaben des transeuropäi-
schen Verkehrsnetzes sind nur ein möglicher Förder-
schwerpunkt, an dem sich der Europäische Fonds für re-
gionale Entwicklung in den Ziel-1-Gebieten beteiligen
kann.
Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß die von
der Bundesregierung beabsichtigte Förderung von Ver-
kehrsinfrastrukturvorhaben des Bundes im Rahmen der
EU-Strukturfonds überwiegend transeuropäische Pro-
jekte umfaßt und in Deutschland erstmalig ab dem Jahr
2000 erfolgen soll. Eine positive Entscheidung der EG-
Kommission ist natürlich Voraussetzung.
Zusatzfrage, Herr
Kollege, bitte sehr.
Herr Staats-sekretär, bisher wurden Mittel des Europäischen Struk-turfonds für Projekte, die nicht zu den transeuropäischenVerkehrsnetzen gehörten, den Ländern überwiesen. Dasist diesmal nicht der Fall. Sie entziehen den Länderndamit finanzielle Mittel. Sind dafür Kompensationen ausdem Bundeshaushalt vorgesehen?Wolfgang Dehnel
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3874 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999
(C)
S
Mir ist nicht bekannt – das möchte ich ausdrücklich zu-
rückweisen –, daß den Ländern, insbesondere den neuen
Bundesländern, Mittel entzogen werden. Die entspre-
chenden Projekte werden fortgeschrieben. Es werden
sogar neue Projekte ins Leben gerufen. Ich darf nur das
Beispiel des Flughafens Berlin/Brandenburg nennen, der
in den Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswege-
plans eingestellt worden ist.
Die alte Bundesregierung hatte für dieses Projekt –
weder in der kurzfristigen noch in der mittelfristigen Fi-
nanzplanung – bis zum Jahr 2007 keine einzige Mark
vorgesehen. Insofern sind die jetzigen Mittel aus dem
Bundeshaushalt zusätzliche Mittel. Ich möchte betonen,
daß mit der Entscheidung des Bundeskabinetts vom 26.
Mai 1999 erstmals ein Grundsatzbeschluß zur Aufstel-
lung eines Bundesprogramms „Verkehrsinfrastruktur in
Ziel-1-Gebieten“ verabschiedet wurde. Im Rahmen die-
ses Beschlusses werden zusätzliche Mittel, nämlich 3
Milliarden DM, aus dem entsprechenden EU-Topf her-
angezogen.
Eine Zusatzfrage,
bitte sehr.
Herr Staatssekretär,
Sie haben bestätigt, daß der Europäische Rat zusätzliche
Mittel für transeuropäische Verkehrsnetze zur Verfü-
gung stellt. Wie erklären Sie dann, daß ein planfestge-
stelltes Projekt in Deutschland, das zu den transeuropäi-
schen Verkehrsnetzen gehört und das baureif ist, näm-
lich die ICE-Strecke zwischen Nürnberg und Erfurt, zu-
rückgestellt wird – mit der Perspektive, daß Ende näch-
sten Jahres der Planfeststellungsbeschluß verfällt, ob-
wohl der Europäische Rat zusätzliche Mittel zur Verfü-
gung stellt?
S
Gemäß Art. 1 stellen die Leitlinien über die transeuro-
päischen Netze nur einen allgemeinen Bezugsrahmen
dar, durch den die Maßnahmen der Mitgliedstaaten und
gegebenenfalls die gemeinschaftlichen Maßnahmen, die
auf die Durchführung von Vorhaben von gemeinsamem
Interesse zur Sicherstellung der Kohärenz, der Verknüp-
fung und der Interoperabilität des transeuropäischen
Verkehrsnetzes sowie auf den Zugang zu diesem Netz
ausgerichtet sind, gefördert werden sollen.
Mir ist auch bekannt, was der Verkehrsausschuß des
Bundesrates heute entschieden hat und wie seine Emp-
fehlung an den Bundesrat lautet. Mir ist nicht bekannt,
daß die Bundesrepublik Deutschland, insbesondere der
Minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
das transeuropäische Netz Malmö – Verona grund-
sätzlich in Frage stellt. Hier könnte es einen qualifizier-
ten Zwischenschritt geben. Insofern hält auch diese
Bundesregierung an dem transeuropäischen Vorhaben
fest.
Ich rufe die Frage 59
der Kollegin Claudia Nolte auf. – Sie ist nicht da. Es
wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgese-
hen.
Ich rufe die Frage 60 der Kollegin Vera Lengsfeld
auf:
Kann die Bundesregierung bestätigen, daß der EU-Fördermittelanteil für grenzüberschreitende transeuropäischeVerkehrsnetze bis zu 20 Prozent betragen kann, und wenn nicht,wie hoch ist der maximal mögliche Förderbetrag der EU?
Herr Staatssekretär, bitte.
S
Die
Frage, ob der EU-Fördermittelanteil für grenzüber-
schreitende transeuropäische Verkehrsnetze bis zu 20
Prozent betragen kann, beantworte ich mit einem klaren
Nein. Der Fördersatz für transeuropäische Projekte be-
trägt auch nach der am 7. Juli 1999 vom Europäischen
Rat verabschiedeten Änderung der TEN-Zuschußverord-
nung grundsätzlich 10 Prozent bei Investitionen und
50 Prozent bei Studien.
Lediglich der Zuschuß für Investitionen in satelliten-
gestützte Ortungs- und Navigationssysteme kann gemäß
den TEN-Leitlinien ab dem Jahr 2003 nach jeweiliger
Zustimmung durch die Mitgliedstaaten auf bis zu 20
Prozent erhöht werden. Für den durch die Bundesregie-
rung immer unterstützen Vorschlag der EU-Kommis-
sion, grenzüberschreitende TEN-Projekte mit bis zu
20 Prozent zu fördern, gab es im Europäischen Rat keine
Mehrheit.
Zusatzfrage, Frau
Kollegin? – Nein.
Dann rufe ich die Frage 61 des Kollegen Manfred
Grund auf:
Wie viele Fördermittel der Europäischen Union kann dieBundesregierung für die Realisierung der Hochgeschwindig-keitsschienenverbindung „Verona–München–Erfurt–Halle/Leip-zig–Berlin–Malmö“ auf deutschem Boden einsetzen, und welche Mittel stehen füralle transeuropäischen Verkehrswege insgesamt zur Verfügung?
S
Wenn Sie, Kollege Grund, gestatten, dann möchte ich
die Fragen 61 und 62 im Zusammenhang beantworten.
Geht das in Ord-
nung? – Dann rufe ich auch die Frage 62 des Kollegen
Grund auf:
Hält die Bundesregierung die vom Europäischen Rat vorge-schlagene Möglichkeit einer öffentlich-privaten Mischfinanzie-rung des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. 8 für realisier-bar?
S
DieFörderhöchstsätze der EU belaufen sich bei Investitio-nen in Verkehrsinfrastrukturvorhaben auf maximal
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999 3875
(C)
(D)
10 Prozent im Rahmen der Haushaltslinie „Transeuro-päische Netze“ und 75 Prozent der zuschußfähigen öf-fentlichen Gesamtausgaben im Rahmen der EU-Strukturförderung. Eine gemischte Förderung für glei-che Projekte oder Teilprojekte ist in der Regel ausge-schlossen.Für das VDE-Projekt Nr. 8 wurden zwischen 1995und 1999 durch die EU-Kommission aus der Haus-haltslinie TEN insgesamt 91,1 Millionen Euro als Inve-stitionszuschüsse bewilligt. Davon entfallen 15,5 Mil-lionen Euro auf das Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“,und zwar in diesem Fall auf das Teilprojekt 8.1 Nürn-berg–Erfurt. Aussagen über mögliche Beantragungenweiterer Zuschüsse können erst nach erneuter Ab-stimmung getroffen werden. Insgesamt sieht die EU-Finanzplanung 4,6 Milliarden Euro für TEN-Vorhabenim Zeitraum 2000–2006 vor, davon rund 90 Prozent fürVerkehrsvorhaben. Eine Bezifferung der Mittel fürTEN-Vorhaben aus den EU-Strukturfonds ist der Bun-desregierung nicht möglich.Auf die Frage 62 antworte ich: Eine öffentlich-privateFinanzierung des VDE-Projektes Nr. 8 hält die Bundes-regierung für nicht realistisch.
Herr Kollege Grund,
Ihre erste Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär,
Sie sprachen davon, daß 15,5 Millionen Euro für den
Abschnitt 8.1, Nürnberg–Erfurt, des Verkehrsprojektes
ausgegeben worden sind. Können Sie ausschließen, daß
diese 15,5 Millionen Euro bei dem von Ihnen so ge-
nannten qualifizierten Zwischenschritt qualifiziert in den
Sand gesetzt worden sind?
S
Das muß ich zurückweisen. Wenn die Verbindung Er-
furt mit der Bündelungstrasse südlich von Erfurt denn so
kommt, ist das ein qualifizierter Zwischenschritt. Die
Entscheidung dazu ist überhaupt noch nicht getroffen.
Es wurde überhaupt nichts in den Sand gesetzt. Wie
vom Kanzler und von Minister Franz Müntefering ange-
kündigt, wird es keine Investruine geben. Zur Verdeutli-
chung will ich Ihnen sagen, wie sich die 91,1 Millionen
Euro zusammensetzen: Wittenberg–Bitterfeld mit aus-
gezahlten 17,43 Millionen Euro, Elbequerung bei
Wittenberg mit ausgezahlten 3,88 Millionen Euro, Grö-
bers–Leipzig mit ausgezahlten 6,40 Millionen Euro,
Bündelungsabschnitt mit ausgezahlten 6,20 Millionen
Euro und Knoten Berlin – der gehört auch dazu; das
wird immer wieder verschwiegen – mit ausgezahlten
10,00 Millionen Euro. Bisher handelt es sich um eine
Inanspruchnahme von insgesamt 43,91 Millionen Euro.
Die insgesamt bewilligten Mittel belaufen sich auf
91,10 Millionen Euro.
Eine weitere Zusatz-
frage, Herr Kollege Grund? – Bitte.
Herr Staatssekretär,
bisher sind wir immer mit der Aussage, daß dann das
Kabinett beschlossen habe und dem Bundestag weitere
Erkenntnisse vorgelegt werden würden, was die transeu-
ropäischen Netze, aber auch die Verkehrsprojekte
„Deutsche Einheit“ betrifft, auf den 30. Juni vertröstet
worden. Nun sind wir so weit: Der Bundeskanzler ist
heute auf der Bundespressekonferenz gewesen; der
Haushalt 2000 liegt in groben Zügen vor. Welche Aus-
wirkungen hat der Haushalt 2000 auf das Verkehrspro-
jekt 8.1 Nürnberg–Erfurt?
S
Sie
haben das Datum 30. Juni genannt. Anfang Juli werden
wir entscheiden. Da der Haushalt in den einzelnen Res-
sorts gerade erst abgestimmt worden ist, können Sie
nicht verlangen, daß die finanziellen Entscheidungen für
die verkehrspolitischen Projekte heute schon vorliegen.
Anfang Juli werden wir die Entscheidung der Bundesre-
gierung dem Parlament vorlegen.
Eine weitere Zusatz-
frage? – Herr Kollege, bitte sehr.
Aber das Parlament
tritt Anfang Juli nicht mehr zusammen. Heißt das, daß
Sie das dem Parlament erst nach der Sommerpause mit-
teilen werden?
S
Wir werden das nicht nach der Sommerpause machen.
Vielmehr liegen die entsprechenden Veröffentlichungen
Anfang Juli vor.
Keine weiteren Zu-
satzfragen mehr. Damit, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, sind wir am Ende der Fragestunde.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU
Haltung der Bundesregierung zur Zukunft der
sozialen Sicherungssysteme
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Karl-Josef Laumann, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsiden-tin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Wir haben heute die, soglaube ich, seit Jahren wichtigste Aktuelle Stunde imBereich der Sozialpolitik, geht es doch heute darum,über Wählertäuschung und Rentenbetrug zu reden.Ich habe bis vor wenigen Wochen geglaubt, daß eshier im Deutschen Bundestag unter SozialpolitikernÜbereinstimmung dahin gehend gibt, daß die Sozialver-Parl. Staatssekretär Siegfried Scheffler
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3876 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999
(C)
sicherung etwas Wichtiges in diesem Lande ist, daß dieSozialversicherung davon lebt, daß Menschen Beiträgezahlen – oft über viele Jahrzehnte – und sie sich daraufverlassen können, daß in der Frage, was mit diesen Bei-trägen geschieht, fest vereinbarte Spielregeln gelten.
Das stimmt seit heute nicht mehr: Herr Riester – dieRegierung – kappt die anstehende Rentenerhöhung inder Art eines Handstreiches schlicht und ergreifend um75 Prozent.
Das heißt, daß Sie einem Rentner, der nach dem jetzigenSystem 2 000 DM Rente bekommt, eine Rentenerhö-hung von 102 DM streichen. Das ist für jemanden, der2 000 DM Rente bekommt, eine Menge Geld.
Ich glaube, es stellt einen Systembruch und einenVertrauensbruch dar, wenn man Rentenerhöhungen nachGutsherrenart vornimmt, wenn man eingreift, ohne dafürein fest vereinbartes Muster zu haben.
Wir müssen zurückfinden – wie es bei Norbert Blümwar – zu einer Sozialpolitik, in der sich Moral undKlugheit miteinander verbinden.
Beides kann ich in Ihrer Sozialpolitik, Herr Riester, zurZeit nicht finden: Da wird im Bundestagswahlkampf ineiner riesigen Kampagne der demographische Faktor inder Rentenformel der alten Regierung als unsozial be-zeichnet.Da wird in einer riesigen Kampagne der Gewerk-schaften für Arbeit und Gerechtigkeit die Rentenreformvon Norbert Blüm angegriffen. Damals trugen Sie, HerrRiester, als zweitwichtigster Mann der IG Metall fürdiese Aktion persönlich Verantwortung. Kaum sind Sieacht Monate im Amt, da setzen Sie eine Rentenniveau-absenkung um 5 Prozent innerhalb von zwei Jahren –außerhalb der bestehenden Systematik – durch. Ich weißnicht, wie Sie sich als Gewerkschafter noch im Spiegelanschauen können.
Da wird im Deutschen Bundestag eine Ökosteuerverabschiedet. Wir haben damals in der Debatte um dieÖkosteuer gesagt, daß damit insbesondere die Rentnerbelastet würden. Gucken Sie, meine Damen und HerrenSPD-Sozialpolitiker, sich einmal die Protokolle an!
Damals haben Sie gesagt: Ja, natürlich werden die Rent-ner belastet. Aber dafür, daß wir den Sozialversiche-rungsbeitrag senken, bekommen die Rentner ein Jahrspäter eine stärkere Rentenerhöhung.
Jetzt kappen Sie die Rentenerhöhung, aber die Belastungder Rentner durch die Ökosteuer bleibt.Da erklärt der Bundeskanzler am 17. Februar 1999anläßlich des Politischen Aschermittwochs in Bayern:Ich stehe dafür, daß die Rente auch in Zukunft so steigtwie die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer.
Auch der Bundeskanzler steht nicht mehr. Allerdingswar ich schon immer der Meinung, daß er nicht steht.
Nettoanpassung bedeutet für Riester und Schröder:Gemäß den Nettolöhnen passen wir an, wenn die Löhnewenig steigen. Steigen die Löhne stärker, machen wirInflationsausgleich. Wer so willkürlich arbeitet, ist da-bei, das Sozialversicherungssystem kaputtzumachen.
Ich glaube, es wird höchste Zeit, daß dieser Dilettan-tismus, dieses Chaos und die Täuschungen, die im Ar-beitsministerium mit Walter Riester Einzug gehalten ha-ben, aufhören.
Und noch eines: Über viele Jahrzehnte war es in die-sem Lande Tradition, in der Rentenpolitik die scharfeparteipolitische Auseinandersetzung möglichst zu ver-meiden.
Aber wer vor einer Strukturreform solch einen „Renten-klau“ begeht, kann auf die Unterstützung der Oppositionbei der Strukturreform nicht mehr rechnen. Denn wirwerden nicht bereit sein, uns mit Rentendieben an einenTisch zu setzen.
Das Wort hat nun
die Kollegin Angelika Krüger-Leißner, SPD-Fraktion.
Sehr geehrte FrauPräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es istschon verwunderlich, welchen Aktionismus die CDU/CSU-Fraktion in Sachen Renten in den letzten Wochenentwickelt hat.
Die letzte Aktuelle Stunde auf Ihren Antrag hin ist gera-de erst zwei Wochen her. Hätten Sie doch nur in denletzten 16 Jahren die gleiche Energie in die ErarbeitungKarl-Josef Laumann
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999 3877
(C)
(D)
einer umfassenden Reform der sozialen Sicherungssy-steme gesteckt!
Aber von Ihnen kam nur die Antwort: Die Renten sindsicher. – Aber sicher war doch nur, daß zum einen dieBeiträge zur Rentenversicherung stiegen und zum ande-ren die Rentenleistungen sanken.
Mittlerweile weiß auch der letzte in unserem Lande,daß wir aus der großen Verschuldungsfalle nur mit ge-meinsamen Kraftanstrengungen wieder herauskommen.Denn wenn jede vierte Mark für den Schuldendienststatt für aktive Arbeitsmarktpolitik oder soziale Siche-rung ausgegeben wird, ist das zutiefst ungesund.
Diese Entwicklung der letzten Jahre hat die Bürge-rinnen und Bürger, ob alt oder jung, ob in Ost oderWest, verunsichert. Sie erwarten zu Recht, daß verant-wortliche Politiker auf die drängendsten Fragen nach so-zialer Sicherung für das Alter klare Antworten geben,die langfristig und umfassend wirken werden, und nichtnoch Ängste schüren.Dabei wollen wir am Generationenvertrag in unsererGesellschaft festhalten. Wir brauchen auf der einen Seitedie Solidarität der Jüngeren für die Älteren; aber auf deranderen Seite brauchen die Jungen auch die Solidaritätder Älteren. Dieser Generationenvertrag kann aber nurwirken, wenn auch die veränderte Situation in Deutsch-land Beachtung findet, angefangen bei der demographi-schen Entwicklung über die viel zu hohe Arbeitslosig-keit bis hin zu den Anstrengungen um die innere Einheitin Deutschland auch im sozialen Bereich.Auf die veränderte Arbeits- und Einkommenssituati-on vieler Menschen in unserem Lande – Sie wissenselbst, daß wir eine Rentnerin oder einen Rentner, dieoder der 45 Jahre lang in einem Vollzeitjob gearbeitethat, heute nur noch selten finden – müssen wir eine zeit-gemäße Antwort für die Zukunft finden. Das neue Al-tersvorsorgepaket, das Bundesminister Riester vorge-schlagen hat, ist für mich eine solche ernsthafte undehrliche Antwort auf die Fragen der Zeit.
Ich will Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wennSie jetzt zuhören, sagen, warum das für mich der Fall ist.Erstens. Ein wichtiger Bestandteil dieser strukturellenReform ist die Stabilisierung der ersten Säule unsererAlterssicherung, nämlich der solidarischen und umla-genfinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung. Daranwollen wir festhalten.
Wir wollen sie aber – das ist der Unterschied – zukünf-tig durch Beitragssicherheit auf lange Sicht und durchdas Halten des Rentenniveaus berechenbarer machen.
Ich denke, das ist eine ganz wichtige Information für un-sere jetzigen Rentnerinnen und Rentner. Für die Renten-höhe der nächsten Jahre nennen wir ihnen auch klareund ehrliche Zahlen, anders als Herr Laumann.Angesichts dessen halten ich es für unverantwortlich,hier von einer Rentenkürzung zu sprechen. Ich ver-schweige nicht: Wir brauchen auch die Solidarität unse-rer älteren Bürger, wenn wir von ihnen in den nächstenzwei Jahren einfordern, einen geringeren Rentenanstieghinzunehmen, nämlich in der Höhe der Preissteigerung.Das werden im nächsten Jahr 0,7 Prozent und im fol-genden Jahr 1,6 Prozent sein.
2002 wird die Anpassung wieder nach den Nettolöhnenerfolgen.Zweitens geben wir auch der jungen Generation eineehrliche Antwort, wenn wir ihr sagen, daß die ersteSäule allein nicht ausreichen wird, um den Lebensstan-dard im Rentenalter zu sichern. Hier wird eine zusätzli-che Eigenvorsorge in Ergänzung zu den bestehendenSystemen notwendig werden. Viele tun das ohnehinschon. Hier werden wir aber auch Anreize und Angebotefür Menschen mit unterschiedlichem Einkommen ent-wickeln müssen.
Drittens werden wir mit der Einführung einer be-darfsorientierten und steuerfinanzierten sozialen Grund-sicherung im Alter endlich in diesem Lande einen wir-kungsvollen Beitrag gegen Altersarmut leisten. Der ent-würdigende Weg zum Sozialamt wird für die Älterendann der Vergangenheit angehören.Viertens werden gerade Frauen, die den größten An-teil an der Altersarmut tragen, von der neuen Altersvor-sorge profitieren und eine eigenständige Absicherungnach ihrer Wahl erhalten können.
Frau Kollegin, den-
ken Sie bitte an Ihre Redezeit? Wir sind in der Aktuellen
Stunde.
Wie bitte?Angelika Krüger-Leißner
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3878 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999
(C)
Sie haben keine Re-
dezeit mehr; es tut mir furchtbar leid. Einen Schlußsatz
gestatte ich Ihnen noch.
Ein Schlußwort,
ja.
Wir brauchen in Zukunft eine ehrliche Antwort auf
diese Fragen der Zeit.
Soziale Grundsicherung können wir nur durch gemein-
sames Handeln sichern. Dazu gehört eine gerechte La-
stenverteilung zwischen Alt und Jung. Um diese Wahr-
heit kommen wir nicht herum.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,
ich würde mir wünschen, daß Sie an dieser herausragen-
den politischen Aufgabe,
die vor uns steht, mitarbeiten und daß Sie – das erwarten
unsere Bürger, und zwar von allen Politikern – einen
Beitrag leisten, dem ich die Überschrift „Koalition der
Vernunft“ geben möchte.
Frau Kollegin, Ihre
Redezeit ist beendet.
Das Wort hat nun Kollegin Dr. Irmgard Schwaetzer,
F.D.P.-Fraktion.
Frau Präsidentin!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann es wirklichnur mit einem Wort sagen: Die Rentenpolitik von HerrnRiester und der sie tragenden Koalition ist ein Skandal.
Erst – das muß man wirklich so formulieren – er-schleichen Sie sich im September des letzten Jahreseinen Wahlsieg mit Versprechen an die Rentner.
Sie haben den Rentnern versprochen, daß Sie alles zu-rücknehmen wollen, was die alte Koalition an verläßli-chen, für die Rentner berechenbaren, zwischen den Ge-nerationen sehr sorgfältig verteilten Belastungen einge-führt hat. Das haben Sie den Rentnern versprochen. Undwas tun Sie? – Sie kürzen auf einen Schlag das Renten-niveau von heute 70 Prozent auf 66 Prozent im über-nächsten Jahr.Das, meine Damen und Herren, muß wirklich jederVernünftige einen Wählerbetrug nennen, und das ist einSkandal.
Frau Krüger-Leißner, ich kann mir vorstellen, daß esIhnen nicht leichtgefallen ist, dies alles zu verteidigen,denn so sehr können Sie Ihren eigenen Wahlkampf imGedächtnis nicht ausgeblendet haben, genau wie alleanderen Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfrak-tionen. Das kann einfach gar nicht sein.
Wenn Sie sich jetzt hier hinstellen und Ehrlichkeiteinfordern, dann sollten Sie sagen: Jawohl, es war einFehler, daß der Demographiefaktor der alten Koalitionzu Beginn Ihrer Regierungszeit zurückgenommen wor-den ist.
Das ist der eigentliche Fehler. Damit haben Sie einenguten Teil des Chaos in der Rentenversicherung produ-ziert, von dem Sie jetzt behaupten, daß Sie es wieder be-seitigen müßten.
Kanzler Schröder hat im Wahlkampf starke Wortegebraucht. Unanständig sei es, was wir von den Rent-nern und natürlich auch von den Beitragszahlern ver-langten. Was wir von den Rentnern verlangt haben, wardeutlich weniger als das, was Sie ihnen jetzt auf einenSchlag in den nächsten Wochen aufoktroyieren.
Das war viel weniger. Deswegen kann ich nur sagen:Was Sie machen, ist unanständig. Was wir gemacht ha-ben, war eine verläßliche, eine berechenbare Rentenre-form, und Sie hätten besser daran getan, sie nicht auszu-setzen.Ich zitiere jetzt einmal Herrn Kollegen Dreßler, heutenachzulesen in der Zeitung.
– Er kommt schon gar nicht mehr zu diesen Debatten. –Er hat in einer Journalistenrunde gesagt:Wenn Blüm sich das getraut hätte,was wir jetzt machen,hätte die SPD den Dritten Weltkrieg ausgerufen.Das sagt Ihr eigener Kollege, das ist seine Einschätzung.
Meine Damen und Herren, lügen Sie sich nicht selbstetwas in die Tasche, sondern sagen Sie: Es war ein Feh-ler, wie wir in dieser Legislaturperiode begonnen haben!
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Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999 3879
(C)
(D)
Es hat einmal einen Arbeitsminister Arendt gegeben,der vor der Wahl eine Rentenerhöhung angekündigthatte, die er nach der Wahl wieder kassieren mußte. DerMann trat zurück.
Der Mann hatte Rückgrat, und ich denke, er könnteHerrn Riester als Beispiel dienen.
Die Koalition absolviert gerade in Sachen Renten denLernprozeß nach Art der Echternacher Springprozessi-on. Das kennen wir ja schon von einer ganzen Reihe an-derer Themen. Aber da gibt es wenigstens ein begrü-ßenswertes Ergebnis: Herr Riester verzichtet auf dieZwangsbeiträge zur privaten Vorsorge. Dieser Zwang,meine Damen und Herren, hätte in der Tat die wichtigezweite Säule der Altersversorgung neben der gesetzli-chen Rentenversicherung, die private Vorsorge, diskre-ditiert. Deswegen war es gut, daß das jetzt offensichtlichvom Tisch ist. Es durch einen Tariffonds zu ersetzen istallerdings so, wie den Teufel mit Beelzebub auszutrei-ben. Deswegen hoffe ich sehr, daß dieses nicht Platzgreifen wird.Was Sie uns bei der privaten Vorsorge damals vorge-halten haben, wovon Sie aber offensichtlich nicht begrif-fen haben, daß Sie es jetzt auch tun müssen, ist die Not-wendigkeit einer Steuersenkung, damit vor allen DingenFamilien mit kleinem Einkommen das Geld haben, pri-vate Vorsorge zu betreiben. Wir haben das damals ge-macht.
Wir haben eine Steuerreform mit einer Tarifsenkungfür alle gemacht und vor allen Dingen mit einer starkenAbsenkung des Eingangsteuersatzes – das ist der ent-scheidende Punkt –,
damit auch Bezieher kleiner Einkommen die Möglich-keit haben, Geld für private Vorsorge abzuzweigen. Ichkann Ihnen nur sagen: Wenn Sie das nicht tun, wennSie das nicht endlich anpacken – aber das haben Sie janicht vor –, werden Sie auch hier neben dem Ziel lan-den.
Meine Damen und Herren, die ganze Konfusion, dieSie mit Ihren Rentenbeschlüssen vorführen, ruiniert diegesetzliche Altersvorsorge, und das ist wirklich ein Pro-blem. Alte Menschen brauchen Verläßlichkeit und keinekassierten Wahlversprechen.Ich danke Ihnen.
Nun erteile ich das
Wort der Kollegin Thea Dückert, Bündnis 90/Die Grü-
nen.
Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Prä-sidentin! Veränderung braucht Mut, und Realitäten an-zuerkennen braucht auch Mut. Den haben wir in denletzten Tagen bewiesen.
– Ja, das ist so. Ehrlichkeit und Mut haben wir in denletzten Tagen bewiesen.
Das vorgelegte Sparpaket ist das ehrgeizigste, was dieBundesrepublik jemals gesehen hat: 30 Milliarden DMim ersten Schritt, 150 Milliarden DM Einsparungen invier Jahren. Es ist völlig klar, daß das sehr schwierigeEinschnitte mit sich bringt, und zwar für alle Haushaltegleichermaßen, natürlich auch für den Sozialhaushalt.Das bedeutet jetzt für die Renten, aber auch für die an-deren Alterseinkommen, zum Beispiel für die Pensio-nen, daß die Rentenanpassung in den nächsten zwei Jah-ren entlang der Inflationsrate laufen wird.
– Aber Frau Schwaetzer zum Beispiel oder Herr Lau-mann, wir sollten doch die Kirche im Dorf lassen, derEhrlichkeit halber. Meine Damen und Herren, wir habenzum 1. Juli die Renten erhöht. Das wird jetzt eintreten.In den nächsten zwei Jahren wird die Rentenerhöhungentlang der Inflationsrate erfolgen. Das ist in der Summedessen, was bei den Rentnerinnen und Rentnern an-kommt, mehr als das, was Sie nach Ihrem BlümschenKonzept in den drei Jahren erbracht hätten.
Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren, wennSie hier von der Rentenlüge reden.
Gleichzeitig, trotz dieser Sparanstrengungen, wird dasKindergeld erhöht, wird der Kinderfreibetrag erhöht,gehen wir in der Bildung voran.Das zeigt eines: Wir nehmen die Verantwortung fürdie zukünftigen Generationen ernst. Wir handeln überden Tag hinaus, und wir stellen uns deshalb auch einerschwierigen Debatte.Meine Damen und Herren, Sie hören es: Die CDUund die F.D.P. schreien am lautesten. Das ist nicht ver-wunderlich. Sie spielen sich plötzlich als die Rächer derEnterbten auf.
Dr. Irmgard Schwaetzer
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3880 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999
(C)
Sie sind es doch, die das Erbe der jungen Generation fastverspielt hatten.
Sie sind es doch, die die Erosion der Sozialkassen zuverantworten haben! Deswegen, meine Damen und Her-ren, gehen wir einen anderen Kurs: den Kurs der Kon-solidierung und der Reform des Sozialstaates. Damitwerden wir die Zustimmung zum Sozialstaat wieder zu-rückgewinnen.
Unser Ziel ist die Zukunftssicherung. Das lohnt jederAnstrengung.
Wir wollen die Handlungsfähigkeit des Sozialstaates zu-rückgewinnen, und zwar ohne Mehrwertsteuererhöhungund mit Entlastung der kinderreichen Familien und derkleinen Einkommen.
– Wieso? Das haben wir gerade auf den Tisch gelegt,meine Damen und Herren.
In keinem politischen Bereich kann so weitergemachtwerden, wie die alte Bundesregierung gehandelt hat, undzwar auf Grund Ihrer Erblast, aber auch auf Grund dergesellschaftlichen Veränderungen. Dies gilt auch fürdie Sozial- und für die Rentenpolitik. Wir haben denBeitrag zu den Renten bereits gesenkt. Die jetzige Ver-ringerung der Rentenanpassung und auch der übrigenAlterseinkommen ist ein schwieriger Schritt, aber er istein erster wichtiger Schritt hin zu einer Rentenstruktur-reform.
Wir orientieren uns an der Inflationsrate, und zwarauch deshalb, weil es nicht möglich ist, das, was not-wendig ist und was uns das Bundesverfassungsgerichtzu Recht aufgegeben hat, nämlich die Verbesserung desFamilienausgleichs, an die Rentnerinnen und die Rent-ner weiterzugeben. Die Lasten des Systems selbst, dieverlängerten Rentenlaufzeiten durch den verändertenAltersaufbau unserer Gesellschaft müssen von allen Ge-nerationen, von den Rentnerinnen und Rentnern und vonder jungen Generation, gemeinsam getragen werden.
Dies ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Ichsage Ihnen: Der beherzte Schritt von Herrn Riester inden Haushalt 2000, der hier einer erheblichen Kritikausgesetzt ist, findet auch deshalb unsere Unterstützung.
Aber mir ist es auch wichtig, daß wir jetzt die not-wendige Strukturreform des Rentensystems ganz in Ru-he angehen. Wichtige Punkte sind genannt worden. Wirunterstützen sie voll.
Frau Kollegin,
kommen Sie bitte zum Schluß!
Ich komme zum Schluß. – Dies sind der Aufbau der pri-
vaten Altersvorsorge, der engagierte Versuch, die Rente
für die junge Generation armutsfest zu machen, der en-
gagierte Versuch, eine eigenständige Altersabsicherung
für Frauen aufzubauen.
Sie sollen aber
trotzdem zum Schluß kommen.
Dies sind Schritte einer Sozialpolitik, einer Reform, die
wir auf dem Sparkonzept aufbauen, das wir heute von
der Bundesregierung vorgelegt bekommen haben.
Danke schön.
Das Wort hat nun
die Kollegin Dr. Knake- Werner, PDS-Fraktion.
Frau Präsidentin!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Dük-kert, den von Ihnen so häufig bemühten kleinen Leutenvors Schienbein zu treten verlangt offenbar nicht sovielMut. Aber darauf komme ich gleich noch zurück.Ich will mich zunächst an die Kolleginnen und Kolle-gen auf der rechten Seite wenden. Ich finde es abenteu-erlich, daß Sie sich heute Sorgen um die Zukunft der so-zialen Sicherungssysteme und um das Rentensystemmachen. Wenn wir dieses Thema heute diskutieren,dann liegt der Grund dafür ja wohl darin, daß die Sozi-alversicherungssysteme und insbesondere das Rentensy-stem Finanzierungsprobleme haben. Diese sind bekann-termaßen nicht vom Himmel gefallen. Die finanzielleEbbe in den sozialen Kassen ist ja wohl eindeutig poli-tisch verursacht, und die Verantwortung dafür tragenimmer noch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen vonder Rechten.
– Nein. Lenken Sie nicht ab! Das ist Tobak von vor zehnJahren. Wir beschäftigen uns jetzt mit dem, was aktuellist.Ich kann Ihnen nur sagen: Vieles, was diese Koali-tion heute an Lasten zu schultern hat, haben CDU/CSUDr. Thea Dückert
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999 3881
(C)
(D)
und F.D.P. während ihrer Regierungszeit mit verur-sacht.
Ich will Sie nur an einige Ihrer Fehlleistungen erinnern:Sie haben es nicht geschafft, die Massenarbeitslosigkeiteinzudämmen,
und damit dazu beigetragen, daß es immer weniger Bei-tragszahler und Beitragszahlerinnen gibt und immermehr Leistungen verlangt worden sind. Sie haben nichtdamit aufgehört, die immense Ausweitung geringfügigerBeschäftigung einzudämmen, und damit den Sozialkas-sen einen enormen Verlust zugemutet. Sie haben nichtdie Flucht der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ausden Sozialkassen gestoppt. Schließlich haben Sie dieKosten der deutschen Einheit allein den Beitragszahle-rinnen und Beitragszahlern übergehäuft, obwohl Sie sehrgenau wußten, daß das ein Problem ist, das aus Steuernhätte finanziert werden müssen, weil es im Interesse derAllgemeinheit lag.Sie haben sich aus dieser ganzen Misere über Jahrehinausgelogen, indem Sie Sozialleistungen gekürzt ha-ben und Beiträge erhöht haben, nämlich über die jetztvorhandenen 40 Prozent. Sie wissen genau, daß das eineKostenspirale ohne Ende war und keine Lösung derProbleme bedeutet.Das Schwierige ist jetzt, liebe Kolleginnen und Kol-legen von der Koalition, daß Sie leider auf dem bestenWeg sind, die Fehler der Vorgängerregierung zu wie-derholen und die Weichen für ein zukunftsfähiges so-ziales Sicherungssystem falsch zu stellen. Das ist ebenalter Wein in neuen Schläuchen, wenn auch Ihnen nichtsanderes einfällt, als soziale Risiken zu privatisieren, So-zialleistungen zu kürzen und die Unternehmer mit weite-ren Steuergeschenken zu beglücken. Mit sozialer Ge-rechtigkeit hat das nun wirklich nichts zu tun. Aber dashatten Sie sozusagen zu Ihrem Wahlkampfslogan ge-macht.Wie weit muß eigentlich die Schere – ich möchte Siedaran wirklich noch einmal erinnern – zwischen explo-dierenden Gewinnen und sinkenden Unternehmensteu-ern noch auseinandergehen, ehe die SPD und auch dieBündnisgrünen darüber nachdenken, daß es vorrangigkein Ausgabenproblem, sondern vor allem ein Einnah-meproblem ist, was die sozialen Sicherungssysteme imMoment haben? Wer gerecht ausgeben will, liebe Kol-leginnen und Kollegen von der Koalition, der muß auchgerecht einnehmen. Es gibt nun einmal keinen drittenWeg.Daß Sie von der Erkenntnis, daß es sich hier um einEinnahmeproblem handelt, relativ weit weg sind, zeigenallerdings schon Ihre Rentenpläne. Rentenerhöhungennach Kassenlage zu machen schafft in der Tat Rechtsun-sicherheit und ist ein wirklicher Betrug an den Rentne-rinnen und Rentnern. Wenn Sie heute sagen, Sie setzendie Nettobezogenheit der Rente nur für zwei Jahre aus,dann sage ich Ihnen auch: Das hilft Ihnen überhauptnichts, weil allein schon diese zwei Jahre dazu beitra-gen, daß das Rentenniveau auf Dauer auf etwa 67 Pro-zent abgesenkt wird. Das geht zu Lasten der kleinenRentenbezieherinnen und Rentenbezieher. Das wissenSie ganz genau. Deshalb ist dieser Weg einfach sozialunakzeptabel.Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koali-tion, sich ernsthaft um die Einnahmenseite zu kümmernheißt, vor allen Dingen dafür zu sorgen, daß Menschenwieder in Arbeit kommen und Beiträge zahlen können.Das kann zum Beispiel durch den Abbau von Überstun-den, durch Arbeitszeitverkürzung, durch Schaffung neu-er Arbeit in einem öffentlich geförderten Beschäfti-gungssektor erreicht werden. Das sind alles Vorschläge,die Sie selber mit uns in der Vergangenheit diskutierthaben und die Sie jetzt im Bündnis für Arbeit auf dielange Bank schieben.Sich um die Einnahmeseite zu kümmern heißt, dieBeitragspflicht dadurch auszuweiten, daß Freiberufler,Selbständige, Beamte, Abgeordnete und Minister einbe-zogen werden. Wenn man die Einnahmeseite verbessernwill, bedeutet das, die Beitragsbemessungsgrenze zu er-höhen, und das heißt vor allen Dingen, die Arbeitgeber-beiträge, so wie wir es seit Jahren hier vorschlagen, aufeine neue Grundlage zu stellen und als Wertschöpfungs-abgabe zu konzipieren, die Beiträge also nicht längernach der Lohnsumme zu berechnen, sondern die Arbeit-geber nach ihrer wirklichen wirtschaftlichen Leistungs-kraft heranzuziehen.
Frau Kollegin, den-
ken Sie bitte an Ihre Redezeit.
Ich komme zum
Schluß. – Wenn Sie es uns nicht glauben wollen, dann
erinnern Sie sich an Ihren Kollegen Ehrenberg. Er hat
noch mehr gute Vorschläge, was die Einnahmeseite an-
geht.
Frau Kollegin, Sie
müssen bitte zum Schluß kommen.
Ich möchte Sie
daran erinnern: Sie wollten die Umverteilung von oben
nach unten. Das war Ihr Wahlkampfslogan. Damit haben
Sie Wahlen gewonnen. Erinnern Sie sich daran! Sonst
geht es demnächst in die Hose.
Das Wort hat der
Kollege Kurt Bodewig, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrteKolleginnen und Kollegen! Sie haben es vielleicht schonfestgestellt: Die öffentliche Berichterstattung verändertsich. Die Schlagzeilen der letzten Woche sind sehr diffe-renziert geworden.
Dr. Heidi Knake-Werner
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3882 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999
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Sie lesen in der „SZ“: Eichels großer Wurf. Man kannfeststellen, daß es sehr wohl eine intensive Debatte dar-über gibt, ob ein Staat, eine Gesellschaft, noch hand-lungsfähig ist.
– Sie, Frau Schwaetzer, haben etwas mit der Handlungs-fähigkeit zu tun, mit der wir uns im Moment herum-schlagen. Denn Sie von der Opposition sind diejenigen,die die Fesseln, die es zur Zeit in der Finanzpolitik gibt,verursacht haben.
Das kann man auch mit Zahlen belegen. Ihre Lei-stung in den letzten 16 Jahren: Eine vorherige Verschul-dung von rund 300 Milliarden DM stieg auf 1,5 Billio-nen DM. Im jetzigen Haushalt sind Zinsen in Höhe von82 Milliarden DM zu zahlen. Das ist der zweitgrößteEtatposten des Bundes. Dies führt zu einer Zinssteuer-lastquote von 25 Prozent. – Das ist das, was Sie durchIhre Politik verursacht haben.
Unser Angebot an die Gesellschaft ist das Gegenteil:Wir setzen Ihre fahrlässige Verschuldung nicht mehrfort. Wir führen vielmehr eine Haushaltskonsolidierungdurch und versuchen, für die zukünftigen Generationenerneut Spielräume zu entwickeln. Wir senken das Haus-haltsvolumen, wir senken die Nettokreditaufnahme, undwir senken die Neuverschuldung.
Obwohl wir dies tun, schaffen wir es gleichzeitig, ei-ne aktive Arbeitsmarktpolitik auf dem Niveau diesesJahres auch in den nächsten Jahren fortzusetzen. Dasmuß man uns erst einmal nachmachen!
Es ist nämlich keine leichte Übung, ein so wichtiges undfunktionales Programm wie das gegen die Jugendar-beitslosigkeit auch im kommenden Jahr fortzusetzen.Darauf können wir stolz sein, und wir sind es auch.Jetzt sage ich etwas zur Legendenbildung der PDS,daß wir das Einnahmenproblem nicht sehen würden.Natürlich ist die Arbeitsmarktpolitik das Leitziel derrotgrünen Koalition. Es ist unser Leitziel, Beschäftigungherzustellen, weil dies eine direkte Auswirkung auf diesozialen Sicherungssysteme hat. Aber – auch das ist klar– es besteht das Problem, daß wir zur Zeit ganz engeSpielräume haben. Wir versuchen, der Gesellschaft einAngebot zu machen, nämlich einen neuen Generatio-nenpakt abzuschließen. Ich fand, daß es BundesministerWalter Riester in der Fernsehsendung von Sabine Chri-stiansen sehr gut formuliert hat: Wir wollen ein zu-kunftsfähiges Konzept und keine Übertünchung bis zurnächsten Wahl. Wir wollen etwas, was dauerhaft trägt.Dazu haben wir uns mit unserem Vorsorgeprogrammauf die demographische Entwicklung auf andere Weiseeingestellt, als Sie es mit Ihrem Demographiefaktor vor-hatten, auf den ich gleich noch zu sprechen komme. Wirwollen nicht die Probleme auf zukünftige Generationenverschieben, sondern wir wollen, daß Generationensoli-darität wechselseitig ausgeübt wird.
Wir leisten dazu auch als Gesellschaft einen Beitrag, in-dem wir mit einer steuerfinanzierten bedarfsorientiertensozialen Grundsicherung sozusagen die Basis für diesesKonzept schaffen.
Wir lösen darüber hinaus die Probleme der Hinter-bliebenenversorgung im Sinne einer freiheitlichen Ge-sellschaft. Wir bieten drei Modelle an; die KolleginKrüger-Leißner hat sie im einzelnen beschrieben. Diesist ein Zeichen dafür, daß wir mit diesem Altersvorsor-gekonzept sehr wohl Angebote machen. Ich glaube, daßdiese Angebote an- und wahrgenommen werden. Auchdie Neuordnung der BU- und EU-Renten spielt hierbeieine wichtige Rolle.Angesichts meiner kurzen Redezeit will ich nun dievierte Säule der Altersvorsorge beschreiben, eine Säule,mit der Sie sich von der Opposition sehr intensiv undmit großer Lautmalerei auseinandergesetzt haben. Ichkann Ihnen nur sagen: Das stand in unserem Wahlpro-gramm.
Wir wollen als vierte Säule die Eigenvorsorge einführen.Wir werden damit ein höheres Versorgungsniveau ge-währleisten.Ich will Ihnen die entsprechenden Zahlen nennen:Von 32 Millionen versicherungspflichtigen Arbeitneh-mern verfügen bereits zirka 70 Prozent über eine zu-sätzliche Altersversorgung. Das besagt eine Emnid-Umfrage, die Sie kennen. Wir möchten, daß auch dierestlichen 30 Prozent unserer Gesellschaft eine zusätzli-che Versorgung haben. Das hat etwas mit gesellschaftli-cher Gleichheit in den Chancen zu tun.Wir bieten als neue Lösung eine kapitalgedeckte pri-vate Altersvorsorge an, die zusätzlich begünstigt wird.Auch das ist ein Angebot, das für den einzelnen Arbeit-nehmer bzw. die einzelne Arbeitnehmerin ganz ent-scheidend ist. Wir sagen darüber hinaus: Wir wollen,daß diese private Vorsorge freiwillig bleibt. Aber wirwerden sie so ausgestalten, daß wir eine hohe Quote derVorsorge erreichen werden. Das liegt vor allem im In-teresse der jüngeren Generation.Nun komme ich konkret zu Ihrer Kritik. Da behauptetder Kollege Laumann, den ich sonst sehr schätze, wirwürden das Rentenniveau um 5 Prozent absenken. Sieglauben wohl den Leserbriefen und Schlagzeilen, die SieKurt Bodewig
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selbst produzieren. – Ich zeige Ihnen die Entwicklungauf: Das Rentenniveau wird von 70,1 Prozent über 68,5Prozent, 67,6 Prozent, 66,3 Prozent, dann wieder anstei-gend über 67,8 Prozent auf 67,3 Prozent bis zum Jahr2030 sinken. Das Rentenniveau ist dann um 3 Prozenthöher als unter Beibehaltung Ihres demographischenFaktors. Unser Ansatz hat vor allem eine andere Wir-kung: Wir werden jetzt sozusagen eine Basis dafürschaffen, daß die nächsten Generationen nicht überpro-portional belastet werden.
Herr Kollege, den-
ken Sie bitte an die Zeit. Wir sind in einer Aktuellen
Stunde.
Gut, ich gehe nicht auf die
Zwischenrufe ein und rede zu Ende. Ich will ja nicht
übermäßig überziehen.
Sie dürfen gar nicht
überziehen, Herr Kollege. Wir sind in einer Aktuellen
Stunde.
Gut, ich will gar nicht über-
ziehen. – Ich habe mit dem Zukunftskonzept 2000 be-
gonnen und will damit auch enden. Die Ausgangsbasis
all unserer politischen Entscheidungen haben Sie zu ver-
antworten. Ich möchte gerne den Präsidenten des Deut-
schen Kinderschutzbundes, Hilgers, zitieren; denn ich
glaube, treffender als er kann man es nicht ausdrücken.
Er sagte:
Den von den Herren Kohl und Waigel hinterlasse-
nen Schuldenberg kann ich nur als Gewalt gegen
Kinder und Kindeskinder bezeichnen.
Dem kann ich nichts hinzufügen, außer daß wir wieder
Zukunft schaffen.
Vielen Dank.
Jetzt hat die Kolle-
gin Birgit Schnieber-Jastram, CDU/CSU-Fraktion, das
Wort.
Wenn ichSie in Aufregung versetzen kann, Herr Andres, freutmich das.Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Im Verlaufe der Debatte hatte ich manchmal den Ein-druck, Sie wissen gar nicht, wovon Sie reden. Als Siediese Regierung übernommen haben, ist mir schon klargewesen, daß Sie nicht mit Geld umgehen können. Siekönnen ganz ruhig sein; das wird sich sehr bald zeigen.
Daß Sie aber mit den Menschen so umgehen würden,wie Sie es zur Zeit tun, daß Sie sie in schlimmster Artund Weise belügen werden, hätte ich mir in diesem we-sentlichen Feld der Sozialpolitik wirklich nicht vorstel-len können.
Liebe Frau Dückert, was Sie eben über die Rentengesagt haben, ist wirklich unglaublich. Nach Ihren Plä-nen werden die Renten jetzt sturzflutartig abgesenkt: In-nerhalb von zwei Jahren – das schien hier nicht klar zusein – soll das Rentenniveau von 70 Prozent auf 64 Pro-zent sinken. Unter Beibehaltung unseres demographi-schen Faktors wäre ein solches Rentenniveau erst in15 Jahren erreicht worden. – Nach Ihren Plänen soll zum1. Juli 2001 eine Rentenanpassung von schätzungsweise1,6 Prozent erfolgen. Unter Zugrundelegung des demo-graphischen Faktors wäre die Anpassung mit 3,5 Pro-zent mehr als doppelt so hoch gewesen.
Um einmal konkret zu werden und für die Leute, dieRente beziehen, verständlich: Statt einer Rentenanpas-sung in 2001 von 73 DM nach unserer Variante bekom-men die Rentner von Ihnen noch 33 DM. Sie belastendie Rentner noch viel, viel mehr, als es unsere Pläne jevorgesehen hätten. Das ist die Wahrheit.
Allein Ihre Rentenkürzungen bedeuten für den Stan-dardrentner im nächsten Jahr – da können Sie reden, solange Sie wollen; Sie müssen sich an das erinnern, wasSie beschlossen haben – einen Verlust von mehr als100 DM pro Monat. Hinzu kommen noch einige andereSachen: 20 DM pro Monat für die Ökosteuer, von denweiteren Stufen der Ökosteuer noch gar nicht zu reden.– Das ist für die Rentner eine Ohrfeige. Sie belügen undbetrügen sie und nehmen ihnen im durchschnittlichenRentnerleben 20 000 DM.
Was Sie hier machen – ich muß einmal an die Sozialpo-litiker appellieren –, grenzt an Selbstverleugnung. Sietragen mit lachendem Gesicht ein Konzept vor, das Siedraußen nicht mehr werden vertreten wollen. Das wirddie Situation sein.
Ich will Ihnen noch etwas sagen: Sie haben begon-nen, den Rentenkonsens, den wir viele Jahre gepflegthaben, aufzukündigen.
Kurt Bodewig
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3884 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999
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Sie betreiben dieses Spielchen beliebig weiter. Wir ha-ben und werden in den nächsten Jahren eine politischeDiskussion um die Rente führen müssen – und dies ha-ben Sie zu verantworten. Ich sage Ihnen: Niemand wirdes uns allen danken. Ein ganz schlimmer Akt der Will-kür ist das.
Dieses Konzept ist nicht das Konzept eines Arbeitsmi-nisters, ist nicht das Konzept eines Sozialministers. Esist überhaupt kein Konzept, und es ist schon gar nichtdas Konzept eines Ministers, der hier angetreten ist, umetwas für Arbeitnehmer und für Arbeitslose zu tun. Die-ser Minister verpaßt allen einen Tritt in den Hintern. Sielügen und betrügen nach Strich und Faden. Ich scheuemich keine Sekunde, dies hier laut zu sagen.
Es muß erlaubt sein, einmal ein paar Fragen zu denPlänen zu stellen. Was bringt dieses Papier, was bringendiese Pläne für den Arbeitsmarkt? Nichts! Niemandsagt, es bringt etwas für den Arbeitsmarkt. Was bringtdieses Papier, was bringen diese Pläne für eine wirklicheModernisierung des Sozialstaats? Sie haben keine Pläne!Die letzte Frage: Welches gesellschaftspolitische Bildsteht eigentlich hinter Ihrer Politik?
– Raubrittertum. – Offenbarungseid auf der ganzen Li-nie.Ich will hier gerne noch einmal sagen, welche Leitli-nien wir für notwendig halten: Flexibilität und Stabilitätmüssen die Leitlinien sein. Rechte, Pflichten und Nach-haltigkeit sind unsere Leitlinien. Aber was ist Ihr Kon-zept? Sie verlangen Flexibilität und signalisieren dasEnde der Stabilität und der Berechenbarkeit. Das ist einschwerer Vorwurf. Renten- und Arbeitslosengelder nachKassenlage, das ist nicht unser Konzept, sondern dashaben Sie alleine zu verantworten.Herr Schröder, Sie haben gestern abend den JungenChancen und den Alten Sicherheit versprochen.
Im Sprücheklopfen sind Sie immer gut. Aber Sie ver-bauen jungen Menschen die Chancen und nehmen denAlten die Sicherheit. Noch einmal: Sie belügen und be-trügen die Menschen nach Strich und Faden. Dies istnicht unser Konzept.
Ein Letztes. Was Sie mit den Menschen im Ostenmachen, sehr geehrter Herr Minister, ist schon mehr alseine Katastrophe. Sie nehmen ihnen wirklich die letzteHoffnung, daß es im Osten am Ende besser werdenkönnte. Was Sie unter „Aufbau Ost“ verkaufen, ist einAbbau Ost. Das werden Sie zu verantworten haben,auch bei allen Wahlen, die bevorstehen.
Nun hat das Wort
die Kollegin Gudrun Schaich-Walch, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin!Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Ihre Bemerkungzum Osten aufgreifen: Was Sie im Osten hinterlassenhaben, sind fast 2 Milliarden DM Schulden der gesetzli-chen Krankenversicherung
– so ist es –, um deren Sanierung wir uns in den näch-sten Tagen und Wochen kümmern werden.
Sie haben in der gesetzlichen Krankenversicherung inzehn Jahren nichts anderes gemacht, als die Zuzahlun-gen für Patientinnen und Patienten einseitig zu erhöhen,und das in einer Größenordnung von über 20 MilliardenDM. Sie haben gesagt, Sie wollten damit die Eigenver-antwortung stärken. Aber statt die Eigenverantwortungzu stärken, haben Sie alles abgebaut, was wir im Bereichder Selbsthilfe und Prävention hatten.
Sie haben sich schützend vor Ihre Klientel, die Apo-theker- und die Ärzteschaft, und im letzten Jahr bis zumGeht-nicht-mehr vor die Zahnärzteschaft gestellt, wasdazu beigetragen hat, daß wir im letzten Jahr Einbrüchevon über 30 Prozent in der zahnärztlichen Versorgungund in der Prothetik hatten und Zahnlabors in den Un-tergang getrieben worden sind. Das war Ihre Klientel-politik, die immer zu Lasten von Versicherten ging.Aber an Strukturreformen haben Sie sich nicht herange-traut.
Mit den Zuzahlungserhöhungen haben wir nach derWahl Schluß gemacht. Wir werden dafür sorgen, daß dieGKV wieder das wird, was sie einmal war: ein solida-risch finanziertes Vollversicherungssystem für alle.
Das wird uns auch im Osten gelingen. Wenn Sie immerglauben, „Vollkaskomentalität“ sei etwas Schlechtes,muß ich Ihnen sagen: Die Menschen in diesem Landzahlen unglaublich hohe Beiträge zur Krankenversiche-rung. Sie leisten auf Grund Ihrer Politik unheimlich ho-he Zuzahlungen. Das hat sich nicht in der Verbesserungder Qualität der Versorgung niedergeschlagen, bei wei-tem nicht. Für diese Verbesserung der Qualität werdenwir letztendlich sorgen. Wir werden dazu beitragen, daßBirgit Schnieber-Jastram
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wieder das geschieht, was sich gehört, daß Präventionbetrieben wird, denn Krankheit verhindern ist besser alsKrankheit heilen.
Wir werden dafür sorgen, daß es eine Positivliste fürMedikamente geben wird, deren nachgewiesener thera-peutischer Nutzen zur qualitativen Verbesserung derArzneimittelversorgung beiträgt. Wir werden das unse-lige Nebeneinander von stationärer und ambulanter Ver-sorgung, das nur dazu geführt hat, daß es Doppel-untersuchungen gab und Menschen zum Teil mehr Be-lastungen als notwendig ertragen haben, beseitigen. Wirwerden dafür sorgen, daß es ein Versorgungssystemgibt, das sich an den Patienten und nicht an den ver-schiedenen Sektoren orientiert.
Wir wollen, daß alle besser zusammenarbeiten kön-nen, die in diesem Leistungsbereich arbeiten.Ich möchte Ihnen jetzt noch etwas zur Pflegeversi-cherung sagen. Sie haben am Ende der letzten Wahlpe-riode nicht einmal mehr die Kraft gehabt, mit uns ge-meinsam notwendige Verbesserungen in der Pflegever-sicherung zu beschließen. Wir waren schon ziemlichweit, und dann haben Sie den Ausstieg vorgenommen,weil Sie, F.D.P. und CDU/CSU, so zerstritten waren,daß Sie nicht einmal ein paar wenige Dinge für Pflege-bedürftige organisieren konnten. Deshalb werden wirdas in dieser und der nächsten Woche verändern.Es wird dafür gesorgt werden, daß es im teilstationä-ren Bereich Leistungsverbesserungen gibt. Es wird dafürgesorgt werden, daß Pflichtpflegeeinsätze, mit denen dieQualität der Versorgung, wenn zu Hause gepflegt wird,kontrolliert wird, verbessert werden. Es wird dafür ge-sorgt, daß sie nicht mehr von den Einnahmen der Pfle-gebedürftigen getragen werden müssen, sondern von derPflegekasse übernommen werden.Wir werden auch dafür sorgen, daß Müttern, die ge-schieden sind und pflegebedürftige Kinder betreuen, dasPflegegeld nicht mehr auf ihren Unterhalt angerechnetwird. Wir werden auch dafür sorgen, daß im Bereichvon Verhinderungsfällen in der Pflege der Betrag von2 800 DM voll ausgeschöpft werden kann.Für diese wenigen Möglichkeiten waren Sie nichtmehr zu gewinnen.
Wir werden sie jetzt beschließen. Ich hoffe, Sie kön-nen sie mitbeschließen. Wir machen das in einem ver-antwortbaren Schritt.
– Über die Problematik der Demenzkranken werden wirweiterhin diskutieren.Wir gehen jetzt die ersten Schritte. Wir gehen sie ver-antwortungsvoll, und wir werden auch noch weitereProbleme lösen.
Jetzt hat das Wortdie Kollegin Katrin Göring-Eckardt, Bündnis 90/DieGrünen.
Vertreter der Regierungskoalition nacheinander hörenmöchten. Ich rede hier natürlich gern.Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ichfreue mich, daß wir heute über die Zukunft der sozialenSicherungssysteme debattieren. Allerdings – das mußich gestehen – hätte es mich noch mehr erfreut, wennSie einmal während Ihrer Regierungszeit diese Zu-kunftsfrage gestellt hätten, statt sich immer nur durch-zuwursteln.
Genau das ist die Ausgangslage unserer heutigen De-batte. Die Bankrotterklärung der alten Regierung vor derVerantwortung gegenüber den heute Jungen hat docherst dazu geführt, daß heute über Systemreform und Ein-sparungen gesprochen werden muß. Bei dem Einschnitt,den wir jetzt mit der Haushaltskonsolidierung vorhaben,geht es nicht darum, daß man einfach einmal einspart,sondern es geht um einen ersten, wichtigen und sehrmutigen Schritt zu einer generationenverträglichenRentenpolitik.Wer hat denn die umlagefinanzierte Altersvorsorge soin Mißkredit gebracht? Wer ist das gewesen? Natürlichhaben die Angehörigen meiner Generation keinerleiVertrauen mehr, daß sie aus dem System, in das sie inder Vergangenheit immer mehr einzahlen mußten, auchspäter adäquat etwas herausbekommen werden. Hierbrauchen wir neue Wege, und die werden wir gehen.Das ist der Hintergrund für das, was wir sagen: Ne-ben der solidarisch finanzierten Rente brauchen wirnoch andere Elemente, in die das Vertrauen der heutigenjungen Generation auch tatsächlich gesetzt wird.
Deswegen wollen wir bei einer privaten Zusatzvorsorgefür stärkere steuerliche Bevorteilung sorgen und mitdem Kleinklein der Vergangenheit – hier mal ein kleinerSteuervorteil und dort mal etwas drauflegen, hier malein Bausparvertrag und dort eine Lebensversicherung –aufhören. Wir brauchen ein kompaktes Konzept, das dieLeute sehr viel stärker in Richtung auf diesen Bereichführt. Ich denke übrigens, daß wir in Zukunft ganz neueEntwicklungen bei den Tarifverhandlungen erlebenGudrun Schaich-Walch
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werden, zum Beispiel in Form der Beteiligung der Ar-beitgeber an solchen Modellen.
Eine zentrale Frage für Bündnis 90/Die Grünen bleibtdie Herstellung der Generationengerechtigkeit. Um daszu erreichen, ist das Verhältnis von Renten auf der einenSeite und den verfügbaren Einkommen der im Erwerbs-leben stehenden Generation auf der anderen Seite end-lich vertretbar zu gestalten.
Erst wenn das gegeben ist, erhöht sich wieder die Ak-zeptanz der umlagefinanzierten Altersvorsorge. Mit demjetzt getätigten Einschnitt haben wir einen ersten Schrittgetan.
Ich finde, die Vorschläge zu einer langfristig angelegtenReform, die Bundesminister Riester vorgelegt hat, sindes wert, diskutiert zu werden. Wir werden das mit dernotwendigen Offenheit und Transparenz tun. Daraufkönnen Sie sich verlassen.
Neben dem fairen Ausgleich zwischen den Genera-tionen ist es natürlich wichtig, daß auch die Versorgungim Alter sozial abgesichert wird. Deswegen bin ich un-heimlich froh, daß zum erstenmal die Einführung einerbedarfsorientierten Grundsicherung ins Haus steht, diemit Pauschalen arbeitet. Damit machen wir die Betrof-fenen nicht mehr wie in der Vergangenheit zu Bettlern,und verschämter und offener Altersarmut wird damitendlich ein Ende bereitet.
Meine Damen und Herren, wir machen Schluß mitder Vogel-Strauß-Politik der alten Regierung. Wenn Sieden Kopf endlich aus dem Sand gehoben haben, sehenSie sich genau an, was Sie angerichtet haben. Sie wärenes der jungen Generation eigentlich schuldig gewesen,ihr Handlungsspielräume für politische und gesell-schaftliche Veränderungen in der Zukunft zu lassen. Umdiese zu ermöglichen, gehört es sich neben der Reformdes Altervorsorgesystems auch, daß wir unseren Haus-halt insgesamt nicht auf Kosten unserer Kinder undKindeskinder finanzieren und das Gesundheitssystemzukunftssicher gestalten. Daß wir heute schon an mor-gen denken, mag Sie ob Ihrer Versäumnisse ärgern. Dasist aber für den gesellschaftlichen Zusammenhalt not-wendig. Dafür werden wir mit modernen Konzepten undder Ehrlichkeit, die Fairneß zwischen den Generationenverlangt, sorgen.Vielen Dank.
Das Wort hat nun
der Kollege Matthäus Strebl, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin!Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bun-desminister Riester, wer Ihre Politik erlebt, der lernt,Norbert Blüm zu lieben.
Erst setzen Sie ein fein abgestimmtes, sozialverträgli-ches Rentenkonzept außer Kraft, dann fahren Sie einenCrash-Kurs gegen die Betroffenen.
– Die Wahrheit können Sie wohl nicht hören.Vor der Wahl hat die SPD gesagt, die nettolohnbezo-gene Rente bleibt erhalten, nach der Wahl setzen Sie aufden Gedächtnisschwund der Rentnerinnen und Rentner.So nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren derRegierungskoalition!
Ihr Wahlbetrug besteht nicht darin, daß Sie sich bemü-hen, etwas zu tun, Herr Minister. Ihr Wahlbetrug drücktsich in einer Gerechtigkeitslüge aus. Was Sie hier vorle-gen, ist Lichtjahre von Gerechtigkeit entfernt. UnterNorbert Blüm war die Rente sicher und auf Zukunftausgelegt: sicher vor Manipulationen – bewirkt durchdie Abkehr von der Nettoanpassung –, sicher davor, alsReservekasse des Finanzministers mißbraucht zu wer-den, sicher vor Systemveränderern, die statt Generatio-nensolidarität eine Grundrente mit Almosencharakterbasteln wollen.Unser Sozialstaat ist kein Lazarettwagen für die Ver-sehrten. Er sorgt vielmehr für organisierte Solidaritätzwischen den Generationen und für die Wahrnehmungvon Eigenverantwortung. Blüms Konzept war glasklar:Durch den demographischen Faktor sollten die Renten-steigerungen in den nächsten 30 Jahren so abgeflachtwerden, daß sich die Rente auf einem Niveau von 64Prozent stabilisiert und die Beitragszahler geschont wer-den. Hinzunehmen muß man das neue Vermögensbetei-ligungsgesetz, das eigenverantwortliche Eigenvorsorgefördert. Durch die zum 1. Januar in Kraft getretenenneuen Regelungen zur Vermögensbildung besteht dieChance, parallel zur Rentenreform mit Bausparen undProduktivsparen individuell, betrieblich oder tariflicheine zusätzliche Einkommensquelle für die Alterssiche-rung zu erschließen.Rentenreform und Vermögensbeteiligung waren zweiSeiten der gleichen Medaille. Wir hätten uns die Ver-mögensbeteiligung wesentlich früher gewünscht. UlfFink, ehemaliger DGB-Vize, kann bestätigen, daß denGewerkschaften der Investivlohn schon Anfang der 90erJahre im Rahmen des Solidarpaktes für die deutscheEinheit angeboten wurde. Es war die IG Metall mitFranz Steinkühler, die immer wieder abgewehrt hat. Daswar wirklich Hochverrat an den Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmern. Seit 1992 steigen die KapitaleinkünfteKatrin Göring-Eckardt
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fünfmal so schnell wie die Einkünfte aus Arbeit. Das hateinen klaren Grund, nämlich den technischen Fortschritt.Mit dem Investivlohn hätten Sie eine intelligente Lohn-politik gemacht und die Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmer an den Gewinnen beteiligt. Es ist schon einTreppenwitz der Geschichte, daß gerade Franz Stein-kühler, der dieses Konzept verhinderte, später über Insi-derwissen im Börsengeschäft stolperte. So ist das imLeben, wenn man den Arbeitnehmern reines Wasserpredigt und selbst im Sekt badet.Herr Riester, Sie stehen in einer schlechten Tradition.Zuerst wollten Sie eine Zwangsabgabe für die Rente ab60 ohne Arbeitgeberbeteiligung, nach dem Motto: Laßtdie Arbeitnehmer die Entlassungen nur selbst finanzie-ren. Nun wollen Sie eine ergänzende private Rentenver-sicherung zentralistisch regeln. Das ist der alte Ballon-mützen-Sozialismus: alles von oben, zentral verordnet –so, wie in der ehemaligen DDR Rentenpolitik gemachtworden ist.
Sehr geehrter Herr Riester, wir, die CDU/CSU, wol-len den Rentenkonsens. Wir sind zu Gesprächen mit Ih-nen bereit. Berufen Sie einen Rentengipfel ein! Verlas-sen Sie das Rotstiftmilieu! Lieber Herr Riester, sorgenSie für ein vernünftiges Klima, indem Sie Ihre Eckdatenzur Rentenmanipulation vom Tisch nehmen! Sonst heißtes in diesem Sommer: Es riestert und eichelt ohne Ruh,Leute, näht euch bloß die Taschen zu!
Nun hat das Wort
die Bundesministerin für Gesundheit, Andrea Fischer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie wolltendoch heute mit uns über die Zukunft der sozialen Siche-rungssysteme diskutieren. Nun erleben wir hier aber ei-ne rückwärtsgewandte Debatte, die sich mit unseremWahlkampf aus dem letzten Jahr auseinandersetzt.
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Sie sich nicht unge-rechtfertigterweise zu Sprechern unserer Wählerinnenund Wähler machen, wenn Sie behaupten, wir hätten ir-gend etwas erschlichen. Ich glaube schon, daß die Leutegewußt haben, wen sie wählen. Wir werden das mit un-seren Wählerinnen und Wählern selber ausmachen. Da-für brauchen wir Sie nicht.
Ich glaube, wir haben auch in diesem Hause schonniveauvollere Debatten über Sozialpolitik geführt. Icherkläre mir einen Teil der Aufgeregtheit, die ich in die-ser Diskussion gespürt habe, auch dadurch, daß Sie imGrunde natürlich genau wissen – bei aller Selbstkritik,die diese Regierung in den ersten Monaten ihrer Amts-zeit zu üben hat –,
daß das alles Ihre Hinterlassenschaft ist. Wir haben hi-storisch hohe Beiträge zu den Sozialversicherungen. Wirhaben eine historisch hohe Staatsverschuldung.
Das zwingt uns in einen außerordentlich schmerzhaftenProzeß.
– Ich rede einfach weiter. Falls es Sie stört, daß ich hiervorne rede, während Sie sich miteinander unterhalten,lassen Sie es mich wissen.
In diesem Prozeß werden wir auf der Ausgabenseite,auf der Einnahmenseite und auch innerhalb der Systemedazu gezwungen, etwas zu verändern. Ich finde, Sie allesollten sich nicht als weniger schlau ausgeben, als Sieeigentlich sind.Zur Einnahmenseite. Wir haben bei einem Sozialver-sicherungssystem wie dem unseren, das die Beiträge andie Löhne koppelt, immer das Problem, daß die Folgenfür den Arbeitsmarkt um so gravierender sind, je höherdie Beiträge sind. Das übt einen ganz starken Zwangaus. Diesen Zwang haben Sie alle in den letzten Jahrenauch schon gespürt. Tun Sie doch nicht so, als hätten wires zum erstenmal mit diesem Problem zu tun.Ich halte es unter diesen Umständen für richtig undnotwendig – dies ist eine gebotene Modernisierung –,daß wir uns über die Ökosteuern um eine Verlagerungder Finanzierung durch Beiträge, die an die Löhne ge-bunden sind, hin zu einer Finanzierung durch höhere in-direkte Steuern bemühen. Wir werden das nur in einembegrenzten Umfang machen können. Aber ich meineschon – das zeigt auch der Blick auf das europäischeAusland –, daß eine solche Verlagerung von Finanzie-rung sinnvoll ist und positive Wirkungen auf den Ar-beitsmarkt hat, einmal ganz abgesehen davon, daß diesestetige Erhöhung auch eine Lenkungswirkung hat.
Sie haben vorhin gefordert, wir müßten die Familienentlasten. Ich rate Ihnen – das alles ist erst heute veröf-fentlicht worden; ich gebe zu, daß das vielleicht ein biß-chen kurzfristig war –, schauen Sie sich noch einmal ge-nau an, was wir vorhaben. Wir wollen die Eingangssteu-ersätze, die für die Familien und andere Menschen mitniedrigem Einkommen bedeutsam sind, senken.
Matthäus Strebl
Metadaten/Kopzeile:
3888 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999
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– Frau Schwaetzer, das ist doch nicht Ihr Ernst. DieseArt von Zwischenrufen ist nicht mehr satisfaktionsfähig.Es geht also um eine Senkung der Eingangssteuersät-ze und um eine Erhöhung des Kindergeldes. Den erstenSchritt dazu haben wir bereits gemacht, ein zweiter istgeplant. Es wird einen höheren Kinderfreibetrag geben.Das sind alles notwendige Maßnahmen. Mit Verlaubmöchte ich dazu anmerken: Die Tatsache, daß wir dieseMaßnahmen jetzt durchführen müssen und nicht mehrfrei entscheiden können, was wir Gutes für die Familientun, liegt darin begründet, daß das Bundesverfassungs-gericht uns ins Stammbuch geschrieben hat, was wirumsetzen müssen. Das hat es auf Grund Ihrer Versäum-nisse in den letzten Jahren entschieden.
Alle Maßnahmen, die wir durchführen müssen, verursa-chen für den Staatshaushalt Einnahmeausfälle. Das er-höht den Zwang zur Konsolidierung des Staatshaushaltsund macht damit die Dinge schwieriger.Ich möchte auf einen anderen Punkt zu sprechenkommen. Ich erinnere mich daran, was Sie während Ih-rer Regierungszeit gefordert haben und was Sie jetzt inder Opposition fordern. Auch wir versuchen, Systemewie zum Beispiel das Gesundheitswesen, die schwierigsind und bei denen wir keine rabiaten Kürzungen vor-nehmen können, durch Qualitätssteigerung zielgenauerund effizienter zu machen. Sie dagegen schlagen sicheinfach auf die Seite derjenigen, die sagen: Es muß mehrGeld ins System. Sie tun dabei so, als gäbe es das Pro-blem mit den Sozialversicherungsbeiträgen nicht. Sietun so, als könnten diese Beiträge unbegrenzt erhöhtwerden. Ich finde, auch von der Opposition kannman intellektuelle Redlichkeit in solchen Debatten ver-langen.
Wir müssen uns nicht nur um die Einnahmen und dieUmverteilung im System kümmern, sondern auch dieAusgaben begrenzen. Wenn wir das nicht tun, dann wirdes jedes Jahr schlimmer, die Handlungsfähigkeit desStaates wird auf Dauer vollständig lahmgelegt. Daskönnen wir gegenüber den Generationen der Kinder undEnkelkinder nicht verantworten.
Wir bekennen uns auch dazu, daß wir im Rahmen dieseswirklich schmerzhaften Konsolidierungsprozesses – Siewissen ganz genau, welchen großen Anteil der Sozial-haushalt am gesamten Bundeshaushalt hat – auch Maß-nahmen im Bereich der sozialen Sicherungssysteme er-greifen müssen. Darum kommt man nicht herum. Natür-lich verlangen wir auch von den Rentnerinnen undRentnern einen Beitrag. Dazu bekennen wir uns. Ichkann mich dazu ehrlich bekennen, weil ich mit dieserAussage auch schon im letzten Jahr Wahlkampf ge-macht habe.
Herr Blüm, ich habe Sie auch schon früher gegenVorwürfe, ein Rentendieb zu sein, verteidigt. DieserVorwurf war bei Ihnen nicht gerechtfertigt. Sie habensich das Geld nie in die eigene Tasche gesteckt. Daswürde ich unter einem Dieb verstehen. Es ging vielmehrimmer um die Frage der Beitragssatzhöhe und der Be-grenzung der Ausgaben. Es gibt schließlich Leute, diediese Renten bezahlen müssen. Vor diesem Hintergrundhat es auch der Kollege Riester überhaupt nicht verdient,mit den Begriffen tituliert zu werden, die ich in der heu-tigen Debatte gehört habe.
Wir leisten einen Beitrag zum Generationenausgleich.Wir können über den richtigen Weg reden. Aber geradewenn Sie uns die ganze Zeit entgegenhalten, daß Sie mitder Einführung des Demographiefaktors in dieselbeRichtung wie wir gedacht haben – –
– Das ist doch ein Riesenunterschied. Sie können mituns ernsthaft eine Debatte darüber führen, was systema-tisch besser ist und welche Wirkung durch welchenFaktor erzielt wird. Aber heute haben Sie keine Debatteüber den richtigen Weg geführt. Sie wollten Panik ma-chen, indem Sie aberwitzige Zahlen in die heutige De-batte geworfen haben, die jenseits aller fachlichen Erör-terungen waren. Damit haben Sie sich für mich für dieseDebatte disqualifiziert. Ich bin zwar der Meinung, daßder Zwischenruf zu einer parlamentarischen Debatte ge-hört. Aber wenn Sie von der F.D.P. immer nur krakee-len, dann muß ich feststellen, daß es Sie offenbar einenScheißdreck zu interessieren scheint, was ich hier zu sa-gen habe. Sie wollen sich nur selber produzieren. Dasentspricht nicht der Kultur des parlamentarischen Zwi-schenrufs. Das möchte ich Ihnen ausdrücklich sagen.
Ich beharre darauf, daß Sie mit uns keine vernünftigeDebatte über den richtigen Weg führen wollen. Siewollen einfach nur Panik machen. Sie wollen eine De-batte führen, die an den tatsächlichen Fakten völlig vor-beigeht. Sie wissen selber, daß bezüglich der Generatio-nengerechtigkeit ein Ausgleich zwischen Jung und Altgefunden werden muß und daß auch Sie diesen Aus-gleich – nur auf einem anderen Wege als dem unsrigen –gesucht haben. Dieser Ausgleich ist notwendig.
Es ist in der Tat so,
daß es bei den Zwischenrufen manchmal laut schallt.
Darauf wollte ich nur hingewiesen haben.
Jetzt hat der Kollege Andreas Storm, CDU/CSU-
Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin!Meine Damen und Herren! Mit der Einigung der Koali-Bundesministerin Andrea Fischer
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tion auf die Eckpunkte der Ökosteuerreform sollte ge-stern abend der vorläufige Höhepunkt des Bonner Ren-tentheaters eingeleitet werden. Unter dem Motto „Tan-ken für die Rente“ soll der Benzinpreis in den nächstenvier Jahren auf etwa 2 DM klettern. Dafür wird im Ge-genzug der Rentenversicherungsbeitrag bis zum Jahr2003 um 2,3 Prozentpunkte gesenkt. So verkündeten esjedenfalls gestern abend die Herren Struck undSchlauch. Allerdings hatten die Herren von der Kanzler-runde ihre Rechnung offenbar ohne den Taschenrechnergemacht; denn beim Nachrechnen zeigt sich, daß derRentenversicherungsbeitrag gar nicht um 2,3 Prozent-punkte, sondern allenfalls um 1 Prozentpunkt gesenktwerden kann.
Sie hatten sich in der Eile mal eben um die Kleinigkeitvon 20 Milliarden DM verrechnet. Das Ziel der Koaliti-onsvereinbarung, die Sozialversicherungsbeiträge unterdie Marke von 40 Prozent zu senken, wird also entgegender frohen Botschaft von gestern abend auch im Jahr2003 klar verfehlt. Das ist eine glatte Milchmädchen-rechnung, Herr Riester.
Herr Bundesarbeitsminister, aus der Sicht der Bei-trags- und Steuerzahler entpuppt sich Ihr in der letztenWoche vorgestelltes Jahrhundertprojekt als ein dreistu-figes reines Abkassiermodell.
Nachdem unter dem Motto „Tanken für die Rente“ dieBenzinpreise schon in der ersten Stufe auf etwa 2 DMsteigen sollen, wollen Sie in der zweiten Stufe einenVorsorgebeitrag von 2,5 Prozent des Bruttoeinkommensfür eine ergänzende private Altersrente einführen. In derdritten Stufe steigt dann der Beitragssatz für die umlage-finanzierte gesetzliche Rentenversicherung von 19 Pro-zent auf über 23 Prozent nach dem Jahr 2030 an.
Da die Arbeitnehmer die Privatversicherung
alleine finanzieren müssen, hat das zur Folge, daß derArbeitnehmeranteil für die Alterssicherung nach IhrenPlänen, Herr Riester, sogar noch höher ist als bei Beibe-haltung der bisherigen Regelungen.
Nach dem Riester-Modell läge er im Jahre 2030 bei 14Prozent des Bruttoeinkommens: 11,5 Prozent als Arbeit-nehmerbeitrag für die gesetzliche Rentenversicherungund 2,5 Prozent als Vorsorgebeitrag für die Privatrente.Ohne die Riester-Reform würde sich der Arbeitnehmer-beitrag im Jahr 2030 hingegen lediglich auf 13 Prozentdes Bruttoeinkommens belaufen.
Die Versicherten werden also durch Ihre Reform nichtentlastet, sondern massiv belastet.
Der Sinn einer Teilkapitaldeckung, der gerade in einerlangfristigen Entlastung der Beitragszahler besteht, wirdbeim schnell gestrickten Riester-Modell völlig verfehlt.Geradezu grotesk wirken die rotgrünen Diskussionender letzten Tage, ob an Stelle einer obligatorischen Zu-satzversorgung der Weg zu mehr Eigenvorsorge auffreiwilliger Basis mit Hilfe von Steueranreizen verwirk-licht werden kann. Zeitgleich diskutieren Sie tagelangüber eine massive steuerliche Belastung der Erträge vonKapitallebensversicherungen. Dann wird die Entschei-dung über beide Fragen auf den Herbst vertagt. MeineDamen und Herren, dieses Schauspiel grenzt schon ansozialpolitischen Zynismus.
Herr Minister, Sie haben aus den handwerklichenFehlern der ersten acht Monate Ihrer Amtszeit nichts,aber auch gar nichts gelernt. Ihr Versuch, mit der heißenNadel eine auf mehr als drei Jahrzehnte angelegteStrukturreform der Alterssicherung als Nebenprodukteiner kurzfristigen Sanierung des Bundeshaushalts zubetreiben, muß als bereits im Ansatz kläglich gescheitertbetrachtet werden.
Das ist übrigens auch nicht verwunderlich, denn Sie ha-ben weder die Rentenversicherungsträger noch Ihren ei-genen Wissenschaftlichen Beirat an den Vorbereitungender angeblichen Jahrhundertreform beteiligt.
Die bittere Bilanz der letzten Tage lautet: Die Rentnerwerden von Ihnen als Sparschweine mißbraucht und umihre Rentenerhöhung betrogen.
Der Benzinpreis steigt auf 2 DM. Arbeitslose – um eseinmal in der Sprache von Herrn Dreßler zu sagen, denich heute übrigens vermisse –
werden durch die Absenkung ihrer Leistungsbezüge imAlter in die Armut getrieben. Dafür dürfen sich die Be-troffenen ihre Sozialhilfe dann künftig bei der Renten-kasse abholen. Wie tief ist die deutsche Sozialdemokra-tie eigentlich gesunken?
Herr Riester, Ihre Zeit ist abgelaufen. Machen Sie denWeg frei! Es ist höchste Zeit für einen rentenpolitischenNeubeginn in diesem Land.
Nun erteile ich demKollegen Franz Thönnes, SPD-Fraktion, das Wort.Andreas Storm
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Frau Präsidentin! Meine sehrgeehrten Damen und Herren! Es ist das gute Recht derOpposition, die amtierende Bundesregierung nach ihrerHaltung zur Zukunft der sozialen Sicherungssysteme zubefragen.
Schließlich sind diese solidarischen Einrichtungen eineder wichtigsten Säulen unseres demokratischen und so-zialen Rechtsstaates. Es ist aber nicht das Recht der Op-position, so zu tun, als habe sie zu ihren Regierungszei-ten diese sozialen Sicherungssysteme wie ihren Augap-fel gehütet und vor Schaden bewahrt.
Ganz im Gegenteil haben Sie dieses Feld der Politik alsbeliebigen und willkommenen Verschiebebahnhof einerunsozialen Verteilungspolitik von unten nach oben vordem Hintergrund Ihrer desolaten Finanz- und Haus-haltspolitik betrachtet. Theo Waigel hat nur noch Löchergestopft und nichts mehr gestaltet. Norbert Blüm hatBüttenreden über die angebliche Sicherheit der Rentengehalten und sich in Rundschreiben an die eigene Frak-tion damit gebrüstet, 98 Milliarden DM in der Renten-und Arbeitslosenversicherung gespart zu haben. Das istdie Realität gewesen.
Dafür haben die Menschen Ihnen die Quittung gege-ben. Sie haben den Märchenvorlesungen keinen Glaubenmehr geschenkt. Sie haben sich für eine neue Politik, fürArbeit, Innovation und Gerechtigkeit entschieden. Daswar eine gute Entscheidung in diesem Land.
Die sozialen Sicherungssysteme stehen immer im Zu-sammenhang mit dem Haushalt. Sie haben es nahezuperfekt verstanden, die wahre finanzpolitische Lagedurch die von Ihnen vorgenommenen Privatisierungenzu verschleiern. Das Dreifache des Haushaltsvolumenshaben wir mittlerweile an Schulden. 25 Pfennig von je-der Steuermark gehen in die Schuldentilgung, sind alsoZinslasten. All diese Gelder fehlen uns, wenn wir Zu-kunft vernünftig gestalten wollen.
Sie haben die Gestaltungsspielräume der Demokratie er-heblich beschnitten. Deswegen ist es gut, daß wir jetztwieder eine Regierung haben, die mit ihrer Politik derModernisierung, der Haushaltskonsolidierung und derWahrung der sozialen Gerechtigkeit der Demokratieendlich wieder die Luft zum Atmen gibt.
Sie haben den Menschen das Geld in einer Art undWeise aus der Tasche gezogen, daß sie sich schon beimWort „Reform“ ans Portemonnaie gepackt haben, weilsie wußten: Die wollen uns wieder ans Geld.
Das war bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall so,das war bei der Zuzahlung bei Krankheit und Kuren so,ebenso wie beim Schlechtwettergeld, und ging hineinbis in die Arbeitsmarktpolitik.Vor der Rente haben Sie ebenfalls nicht haltgemacht:Sie haben die Altersgrenzen vorgezogen, Sie haben dieAltersgrenzen für Frauen und Arbeitslose erhöht, Siehaben die Anerkennung der Ausbildungszeiten reduziertund im weiteren Verlauf die Arbeits- und Berufsunfä-higkeitsrenten nahezu abgeschafft. Und Sie waren es,die das Rentenniveau einseitig auf 64 Prozent gekürzthaben. Ihre Kürzungen würden die Rentnerinnen undRentner in vielen Bereichen zu Sozialhilfeempfängernmachen.
Wir haben versprochen, das zu korrigieren, und dashaben wir gehalten. Wir haben versprochen, in die Ren-tenversicherung dauerhafte Solidarität hineinzutragen,damit die Menschen im Alter einen angemessenen Le-bensstandard haben. Das haben wir versprochen, unddas haben wir gehalten.
Wir schaffen eine neue Basis für einen Generationen-vertrag, indem die Solidarität der Älteren für die Jünge-ren da ist und die Solidarität der Jüngeren für die Älte-ren. Das haben wir versprochen, und das haben wir ge-halten.
Wir haben versprochen, eine eigenständige Alterssi-cherung für die Frau und eine soziale Grundsicherungeinzuführen, damit die Rente im Bedarfsfall so gestaltetist, daß Armut im Alter verhindert und die Inanspruch-nahme der Sozialhilfe vermieden wird. Das haben wirversprochen, und das halten wir jetzt auch.
Was wir nun abverlangen, ist, daß die Älteren fürzwei Jahre ein Stück weit Solidarität mit den Jüngerenüben, damit die Jüngeren morgen Solidarität mit denÄlteren üben können, damit wir Investitionen in die ak-tive Arbeitsmarktpolitik vornehmen können, damit wir100 000 Arbeits- und Qualifizierungsplätze für jungeMenschen schaffen können, damit wir in Forschung undBildung investieren können. Das ist praktizierte solidari-sche Altersversorgung in dieser Gesellschaft und machtendlich Schluß mit Ihrem unsäglichen Reparaturbetrieb.
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Glauben Sie nicht, daß die Menschen schon in diesemJahr gemerkt haben, daß sie mehr Rente bekommen?Die Erhöhung war fast doppelt so hoch im Vergleich zudem, wenn Ihr unsäglicher Demographiefaktor jetztschon zugeschlagen hätte. Die Menschen merken dasganz deutlich.
Das Geschrei der Opposition wird verhallen.
Im Norden sagt man: „Die schlimmsten Gegner der El-che waren früher selber welche“ – mit dem feinen Un-terschied, daß Sie zu einer wirksamen, zeitgemäßen, zu-kunftssicheren und sozial ausgewogenen Rentenreformnicht fähig waren. Unser Konzept entspricht diesenKriterien.Wenn Sie nun als außerparlamentarische Oppositionwieder mit einer Unterschriftenkampagne daherkom-men, so ist der „Süddeutschen Zeitung“ zuzustimmen,die heute in ihren Kommentaren schreibt:Mit solchen Aktionen ist man aber nicht stark, son-dern nur lautstark. Und hinter dem Getöse der Uni-on verbirgt sich Verlegenheit und Neid – weil an-gepackt wird, was schon in Unions-Regierungszei-ten angepackt gehört hätte. Neid ist im übrigen dieaufrichtigste Form der Anerkennung.Mit dem Reformprogramm hat die rot-grüne Regie-rung die letzte Chance wahrgenommen, das Landökonomisch auf Zukunftskurs zu bringen.Der „Süddeutschen Zeitung“ ist uneingeschränkt zuzu-stimmen.
Jetzt hat der Kollege
Dr. Hermann Kues, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächstkurz auf Frau Ministerin Fischer eingehen.Ich habe mir überlegt, weshalb Sie hier vorne am Pultso aufgeregt agieren. Man sollte sich als Mitglied derRegierung – da sitzen Sie eigentlich am längeren Hebel– überlegen, wie man sich gegenüber dem Parlamentverhält. Ich weiß, was dahintersteckt. Sie vermutenwahrscheinlich, daß Sie mit Ihrer Gesundheitsreformgegen den Baum fahren. und das macht Sie so nervös.Sie werden – das vermute ich jedenfalls – die erste Mi-nisterin sein, der eine Reform gelingt, die nicht nur aufeine Verschlechterung der Leistungen, sondern gleich-zeitig auch auf eine Erhöhung der Beiträge hinausläuft.Das hat noch niemand geschafft.
Sie operieren mit dem Wort „ehrlich“. Wenn Sie ehr-lich wären, dann würden Sie den Menschen sagen – Siewissen das mit Sicherheit –, daß ein höheres medizini-sches Leistungsniveau und neue Herausforderungen aufGrund der demographischen Veränderungen Geld ko-sten. In diesem Sinne täuschen Sie jetzt schon wiederdie Menschen, wider besseres Wissen. Davon werdenSie eingeholt.
Sie haben ganz stolz gesagt, Sie hätten die Zuzahlun-gen abgeschafft, wie im Wahlkampf versprochen. – Dashaben Sie nicht gemacht: „wie versprochen“. Sie habensie reduziert. Sie nehmen aber jetzt 30 Prozent der Arz-neimittel aus der Verschreibungsmöglichkeit heraus. DieMenschen müssen nichts mehr zuzahlen? Sie müssen beiden 30 Prozent alles bezahlen; das ist mit Sicherheitnicht gerechter.
Herr Minister Riester, Sie haben in den letzten Wo-chen ein Kapital verspielt, ohne das ein Arbeits- und So-zialminister nach meiner festen Überzeugung nicht klar-kommt. Das Kapital heißt: Glaubwürdigkeit und Ver-läßlichkeit.Ich hatte in einer gewissen Phase Ihrer Regierungstä-tigkeit sogar ein gewisses Mitleid mit Ihnen,
weil Ihre Pläne im Bundeskanzleramt ständig durch-kreuzt wurden. Das hat sich aus verschiedenen Gründenein bißchen gelegt. Ein Grund war ein Interview mit Ih-nen, das ich in der „Bild“-Zeitung vom 19. Juni gelesenhabe. Wir sollten uns einmal überlegen, mit welchenWorten wir umgehen. Es heißt da wörtlich:Ich betrüge niemanden! Im Gegensatz zu meinemVorgänger Norbert Blüm sage ich die Wahrheit …
Ich finde, Sie sollten das hier zurücknehmen. Ich emp-finde das angesichts dessen, was Sie sich in den vergan-genen Wochen geleistet haben, als eine Unverschämtheitund Ungehörigkeit.
Ich habe Ihnen schon einige Male vorgehalten, daßSie in einem sehr frühen Interview einmal gesagt haben– ich vereinfache das jetzt; wir haben uns darüber schonunterhalten –, daß Sie sich eigentlich nicht für die Lang-zeitarbeitslosen interessieren. Daraufhin haben Sie ge-sagt, das sei von mir falsch dargestellt. Jetzt stelle ichfest, daß Sie 7 Milliarden DM an Mitteln für die Ein-gliederung von Langzeitarbeitslosen streichen. Dasheißt, auch hier wird Ihr Interview praktisch wahr. Dasempfinde ich als eine Zumutung gegenüber der deut-schen Öffentlichkeit.
Ich habe ein Papier mitgebracht, von dem ich nichtvergessen habe, daß wir hier damit konfrontiert wordensind, auch von der jetzt amtierenden Präsidentin. Es istdas Papier der Kirchen zur wirtschaftlichen und sozialenFranz Thönnes
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3892 Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 46. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 23. Juni 1999
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Lage. Mit einzelnen Aussagen haben Sie uns im Wahl-kampf durchaus gejagt.Ich habe damals auch hier schon gesagt: Es ist nichtin Ordnung, wenn man lediglich Rosinen herauspickt;man muß das vielmehr im Gesamtzusammenhang sehen.Ich habe von Ihnen keine Bezugnahme auf dieses Papierin den letzten Wochen wahrgenommen. Sie haben diekirchlichen Gruppen, die Wohlfahrtsverbände, die KAB,die Kolpinggruppen, die Christliche Arbeiterjugend, diesich auf Sie verlassen haben, als Sie daraus zitiert haben,systematisch hinters Licht geführt.
Ich zitiere jetzt aus der Nummer 187, wo es heißt –und das ist wichtig –:… die Diskussion über die Finanzierungsfragen desSozialstaates nicht nur quantitativ als finanzpoliti-sche Spardebatte zu führen, sondern vor allem alsgesellschaftspolitische Gestaltungsdebatte.
– Nein, nein. Sie wollten das Rentenkonzept Ende desJahres vorlegen. Sie wollten es in aller Ruhe vorberei-ten. Es kommt jetzt in Verbindung mit den Aktionenvon Herrn Eichel Stück für Stück heraus, weil er die 30Milliarden DM Mehrausgaben aus dem letzten HaushaltSchritt für Schritt zu kassieren versucht.
Das heißt also, Sie begründen alles nur finanztech-nisch, weil Sie kein gesellschaftspolitisches Konzept ha-ben. Das ist Ihr Problem.
Herr Kollege, kom-
men Sie zum Schluß, bitte.
Herr Minister Rie-
ster, Sie sollten ehrlich zu sich selbst sein. Wenn Sie
ehrlich zu sich selbst wären, dann würden Sie feststel-
len, daß das eingetreten ist, was ich Ihnen zu Beginn der
Legislaturperiode einmal gesagt habe: Sie laufen in die
falsche Richtung, und das geht schief. Das ist so, als
wenn Sie morgens aufstehen, sich das Hemd zuzuknöp-
fen versuchen, und der erste Knopf sitzt nicht; dann pas-
sen alle anderen auch nicht.
Nun erteile ich demBundesarbeitsminister Walter Riester das Wort.Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-zialordnung: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Eine Aktuelle Stunde zur Zukunftunserer Sicherungssysteme – was hätte man daraus ma-chen können!Jetzt habe ich mir über eine Stunde lang die Debatteangehört und frage mich, wie wir in den Dialog kommenkönnen, den ich eigentlich suche. Ich habe Ihnen sehrfrüh angeboten, daß ich gerade in diesem Bereich mitIhnen zusammenarbeiten möchte. Ich biete es weiterhinan. Aber dann müssen wir uns über einige Dinge klar-werden.
– Bitte, wir machen doch eine Aktuelle Stunde. Wirwollen doch versuchen, uns zu verstehen. Wir wollen inder schwierigen Frage, wenn es geht, zusammenarbei-ten.
– Sie sagen: „Ein bißchen Vergangenheitskritik wäreganz gut.“ Ich will damit kurz einsteigen.
Wir standen vor der schwierigen Situation, daß dieRentenversicherungsbeiträge von 1993 bis 1997 von17,5 Prozent auf 20,3 Prozent angestiegen sind. 1997haben wir die damalige Regierung noch bei der Anhe-bung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt unter-stützt, der auch in die Rentenversicherung eingeflossenist. In diesen vier Jahren kam es zu einer Kostensteige-rung in der Rentenversicherung von 57 Milliarden DM,zu einem Ansteigen der Lohnnebenkosten von 57 Milli-arden DM nur durch die Kostensteigerung in der Ren-tenversicherung. Nun, Norbert Blüm, lag das sicherlichnicht an den jährlichen Ausgaben für die Rentner; dennin diesen sechs Jahren stieg nur in einem Jahr die Rentestärker als die Inflationsrate. 1994 war das. War dasvielleicht zufällig ein Wahljahr?
Daran kann es also nicht gelegen haben. In der Situationhaben wir übernommen. Das werfe ich nicht vor. Ich se-he durchaus die Probleme, vor denen wir stehen.Das Lösungsangebot, das uns dann offeriert wordenist, war, einen jährlichen Abschlag der Rentenanhebungvorzunehmen. „Demographiefaktor“ nennt sich das.
Das als Angebot, lieber Norbert Blüm, ist zu wenig. Wirbrauchen ein Rentensystem, das einerseits zukunftssi-cher ist und das andererseits bei den Entwicklungen, dienoch auf uns zukommen, auch armutsfest ist.
Was haben wir gemacht? Wir haben als erstes dasRentenversicherungssystem von allen Lasten befreit, fürdie keine beitragsgedeckten Einnahmen da waren. Daswar ein schwieriger Schritt. Es sind, auf das Jahr bezo-Dr. Hermann Kues
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gen, 24 Milliarden DM, um die wir die Rentenversiche-rung entlastet haben.Zweiter Schritt: Wir beiden waren uns einig, NorbertBlüm, daß es ein völlig unvertretbarer Zustand ist, daß6 Millionen Menschen versicherungsfrei arbeiten. Wirwaren uns einig!
Wir haben das korrigiert. Das waren wichtige Grund-voraussetzungen.Jetzt kommen die nächsten Schritte, die wir angehen:Das System muß zukunftssicher und armutssicher wer-den.
– Ich habe im Wahlkampf nichts anderes als das gesagt,was ich auch heute sage; davon dürfen Sie ausgehen.
Ich habe im Wahlkampf nichts anderes erzählt, und ichhabe auch hier in den Debatten immer wieder auf dieProbleme des Rentenversicherungssystems hingewiesen.Ich habe angesichts der Situation den Menschen nochnie erklärt, die Rente sei sicher. Norbert Blüm, da unter-scheiden wir beide uns in der Tat.
Deswegen gehe ich an diese Frage heran.Was machen wir? Wir gehen die Rentenreform nichtso an, wie sie meist diskutiert worden ist: Bekommenwir die Leistungen und die Beiträge in dem Zeitraum bis2005, 2010 stabil? Nein, wir sagen: Wir möchten esausweiten bis zu dem schwierigsten Punkt, dem das Sy-stem ausgesetzt ist, nämlich bis zum Jahr 2030, wo wirauf dem Gipfelpunkt der demographischen Entwicklungstehen werden. Das ist der schwierigste Punkt, und bisdahin muß es ausgeweitet werden. Wir sagen: Wir be-kommen es hin, für die Rentner innerhalb des Renten-versicherungssystems ein im wesentlichen stabiles Lei-stungsniveau von 67 Prozent zu halten. Wir sagen aberdarüber hinaus auch denjenigen, die aktiv arbeiten: Wirmöchten sicherstellen, daß der Beitrag bis etwa zum Jahr2012 unter 19 Prozent bleibt und dann bis 2020 nicht aufüber 20 Prozent steigt. Das ist sehr, sehr ehrgeizig. Da-für bringen wir Leistungen ein.Wir bringen als erstes ein – das haben wir gesagt –zusätzliche Mittel aus der Ökosteuer, um den Beitragabzusenken und – was noch viel wichtiger ist – um ihnstabil zu halten. Wir wollen als zweites für die jetzt aktivArbeitenden die Voraussetzung dafür schaffen, daß zu-sätzlich Eigenvorsorge geleistet werden kann. Das, HerrStorm – das wissen Sie genau –, kann man nicht mitdem paritätisch finanzierten System vergleichen; das istein anderer Aufbau. Dieser Aufbau ist eigentlich auchdazu da, das Versorgungsniveau insgesamt höher zuhalten. 67 Prozent sind ein ehrgeiziges Versorgungs-niveau innerhalb des Rentenversicherungssystems. Aberich denke, es ist wichtig – auch für die zukünftige Gene-ration –, daß wir das Vorsorgeniveau höher halten.
Dritter Punkt: Wir sagen dem Rentner, daß auch ersich an der Zukunftssicherung des Systems, seines Sy-stems, beteiligen soll. Wir sagen, für zwei Jahre – und esist sicherlich nicht bequem, das zu sagen – bekommt ereinen Ausgleich im Rahmen der Preissteigerungsrate.Das ist sein Beitrag. Und wir sagen ihm klar: Anschlie-ßend wird die Anhebung der Renten wieder jeweils ent-sprechend der Steigerung des Lohn- und Gehaltsniveauserfolgen. Das ist eine faire Aussage.Ich biete Ihnen an, daß wir an diesen Eckpunktengemeinsam arbeiten.
Ich denke, das haben nicht nur die Rentner, sondernauch die Aktiven verdient. Sie werden nicht darauf hin-weisen können, daß ich in dieser Frage jemals andersargumentiert habe.
– Ich habe im Wahlkampf das gleiche gesagt, was ichjetzt sage, und daran lasse ich mich auch messen. Ichdenke, das ist ein Programm, an dem man arbeiten kann.Ich stelle mir vor, daß man so in eine Debatte über dieZukunftssicherung unseres sozialen Rentensystems hin-eingehen müßte. Ich lade Sie ein, an dieser Plattformmitzuarbeiten und diese Reform bis zum Ende diesesJahres mit auszuarbeiten, so daß wir sie im nächstenJahr gemeinsam in die Gesetzgebung einbringen kön-nen.Herzlichen Dank.
Vereinbarungsge-
mäß sind wir jetzt eigentlich am Schluß der Aktuellen
Stunde angelangt. Aber die CDU/CSU-Fraktion möchte
von der Möglichkeit der Geschäftsordnung Gebrauch
machen und Herrn Schäuble sprechen lassen. Damit
folgt eine weitere Runde, in der jeder Fraktion noch
einmal fünf Minuten zustehen.
Ich erteile Herrn Schäuble das Wort.
Frau Präsi-dentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! HerrMinister Riester, wenn wir einen Dialog führen wollen,ist es gut, wenn wir die Debatten so gestalten, daß derzuständige Minister nicht als letzter redet. Denn eigent-lich hat in der parlamentarischen Demokratie immer dasParlament das letzte Wort.
Bundesminister Walter Riester
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Ich will in Ruhe ganz wenige Bemerkungen machen,so wie das Thema – im Interesse der Generationen ins-gesamt, der jüngeren wir der älteren – es erfordert.Herr Minister Riester, wenn Sie einen Dialog anbie-ten, hätte ich es für gut gehalten, wenn Sie sich für Ihrevon Hermann Kues wiedergegebenen Äußerungen beiNorbert Blüm einfach entschuldigt hätten. Das hättemanches leichter gemacht.
Ich sage Ihnen: Bringen Sie es in Ordnung! Das machtes uns wieder leichter, die Debatten so zu führen, wie esdem Gegenstand angemessen ist.Nun kommt der nächste Punkt. Wir haben unsschwergetan, die Rentenformel zu ändern und einen de-mographischen Faktor einzuführen. – Ich weiß es, dennich war dabei. Das meiste geschah in meinem Arbeits-zimmer. – Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Siekönnen es drehen und wenden, wie Sie wollen: Wennman genau hinschaut, wird man bei der Veränderung imAltersaufbau unserer Bevölkerung und bei der Verände-rung in den Erwerbsbiographien, bei den längeren Ren-tenlaufzeiten, ohne einen demographischen Faktor in derRentenversicherung nicht auskommen.
Deswegen habe ich es besonders bedauert, daß Sie heutein Ihrer Pressekonferenz angekündigt haben, daß Sie ihndauerhaft streichen wollen. Ich mache darauf aufmerk-sam: Bundeskanzler Schröder hat noch vor wenigenWochen – ich habe das Zitat jetzt nicht bei mir; aber ichbringe es morgen mit, wenn es bestritten wird – öffent-lich gesagt, man werde auf Dauer ohne einen demogra-phischen Faktor nicht auskommen. Und wo er recht hat,hat er recht.Wir halten einen demographischen Faktor in derRentenversicherung für unausweichlich, und wir haltenihn für den besseren Weg, weil man sich langfristig dar-auf einstellen und verlassen kann. Nur aus Verläßlich-keit entsteht Vertrauen. Dies ist besser, als kurzfristig,weil die Rentenanpassung besonders hoch ausfallenwird, zu sagen: Jetzt machen wir schnell einmal einenKaufkraftausgleich, und in zwei Jahren kommen wir –vielleicht – wieder darauf zurück. Denn wenn man ein-mal davon abweicht, verletzt man Vertrauen. Das ist dergrundlegende Fehler, den Sie jetzt machen.
Ihr Angebot zum Dialog oder zur Kooperation wirdnatürlich erschwert, wenn Sie am Anfang die Grundlagefür langfristiges Vertrauen in die Verläßlichkeit derRentenversicherung zerstören. Das ist Ihr Fehler.
Machen Sie es rückgängig! Noch ist es nicht zu spät.Zum Dialog, zur Kooperation sind wir bereit. Aber ichdefiniere die Grundlagen, wie wir Vertrauen schaffen.Es geht doch nicht um einen Streit darüber, ob man Re-formen braucht, um die Renten langfristig sicher zumachen. Es gibt nicht die Alternative, gar nichts zutun. Aber die kurzfristige Manipulation ist das Schlech-teste.Was Sie darüber hinaus liefern, sind Ablenkungsge-fechte. Entweder ist die Zwangsabgabe eine Zwangsab-gabe. Dann können Sie sie von mir aus in das Rentenni-veau einrechnen. Aber jetzt haben Sie die Zwangsab-gabe gerade wieder aufgegeben. Die freiwillige Eigen-vorsorge haben Sie bisher auch nicht in das Rentenni-veau eingerechnet.Sonst müßten wir wirklich die VolkswirtschaftlicheGesamtrechnung insgesamt ein wenig verändern. HerrRiester, das macht keinen Sinn.Zu der Geschichte mit der Grundrente für die Al-terssicherung: Wir haben noch 1,5 Prozent Rentner, dieSozialhilfe beziehen. Der Anteil der Sozialhilfeempfän-ger an der älteren Generation ist am meisten zurückge-gangen, ein Erfolg unserer Rentenpolitik in den zurück-liegenden Jahren. Deswegen ist dies das am wenigstendringende Problem.
Nein, was wir brauchen, ist eine langfristige Siche-rung der Rentenversicherung durch einen demographi-schen Faktor, durch die Frage, in welchem Maße wir mitKapitalstockbildung zusätzliche Elemente schaffen. Dasgeht besser freiwillig, in der vierten Säule, als innerhalbder Umlage. Darüber hinaus brauchen wir die Reformder Hinterbliebenenversicherung. Das hatten wir uns fürdiese Legislaturperiode vorgenommen. Dazu liegt, wennich richtig informiert bin, seit Mai das Datenmaterialvor.Ich schlage Ihnen vor: Kehren Sie zu einer langfristigberechenbaren und verläßlichen Rentenpolitik zurück!Gehen Sie die Reform der Hinterbliebenenversorgungan, und nehmen Sie Abstand davon, mit kurzfristigenManipulationen Haushaltslöcher zu stopfen und sonstgar nichts!
Nun hat die Kollegin
Höll, PDS-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! MeineDamen und Herren! Da Sie hier ausführlich auf den de-mographischen Faktor verwiesen haben, möchte ichnoch einmal daran erinnern, daß die PDS-Gruppe bereitsin den vergangenen Jahren fundiert nachgewiesen hat,daß diese Diskussion von Ihnen angezettelt wurde, umeine Rentensenkung herbeizuführen.Nach unseren Berechnungen, und nicht nur nach un-seren, ist eine solche Rentensenkung, die Einführungeines demographischen Faktors, weder in dieser Formnoch in der anderen Form notwendig. Es gibt andereMöglichkeiten. Ich nenne hier nur noch einmal die Ver-Dr. Wolfgang Schäuble
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breiterung der Bemessungsgrundlage oder das Durchfor-sten des Rentensystems nach versicherungsfremden Lei-stungen wie dem Mutterschaftsgeld.Sie haben mit dem Vorschlag von Herrn Eichel – dasmuß man leider betonen – einen tatsächlichen Bruch inder Behandlung der Renten. Sie machen die Renten mitIhrem Vorschlag zur Verfügungsmasse des Finanzmini-sters. Es ist vielleicht nicht ganz zufällig, daß das vonder Planung her für die nächsten zwei Jahre ist und dannfür die nächsten Bundestagswahlen die Rückkehr zumbewährten System der Anbindung an die Nettolohnent-wicklung erfolgen soll. Scheinbar ist das dann wiedervöllig normal. In Wirklichkeit aber – ich wiederhole,was meine Kollegin Frau Knaake-Werner gesagt hat –erfolgt durch die Aushebelung des Prinzips eine Sen-kung, weil zwei Jahre der Nettolohnanpassung fehlen.Es geht eben nicht einfach weiter, sondern diese zweiJahre fehlen. Ihre Zielstellung, die Renten damit zu sen-ken, werden Sie erreicht haben, und Sie werden dannversuchen, es der Bevölkerung anders zu verkaufen.
Ich möchte noch einen dritten Punkt erwähnen. Mitdiesem Vorschlag setzen Sie im Jahre 10 der deutschenEinheit ein völlig verfehltes Zeichen, denn zur Anglei-chung der Lebensverhältnisse in Ost und West wäre esendlich notwendig, auch bei der Angleichung der Ren-tenpunkte voranzukommen, da das nicht einfach mit derNettolohnentwicklung erfolgt. Wenn Sie das Systemschon brechen, hätten Sie es positiv brechen sollen, umdie Angleichung der Rentenpunkte, die bekanntermaßenim Osten derzeit bei 37 DM und im Westen bei 46 DMliegen, hier tatsächlich voranzutreiben und dann viel-leicht auch endlich die Möglichkeit zu nutzen, wirklicheinmal in Eile und nicht in Ruhe die bestehenden Lük-ken im Überleitungssystem zu schließen.Solche Lücken existieren immer noch, zum Beispielfür Tänzerinnen und Tänzer aus der ehemaligen DDR.Es ist eine kleine Berufsgruppe – knapp 600 Personensind davon betroffen –, aber bisher haben Sie das auchnicht in die Hand genommen. Das betrifft Lehrerinnenund Lehrer, das betrifft auch Polizistinnen und Angehö-rige der ehemaligen Volksarmee,
aber auch Bundeswehrangehörige, die aus der Volksar-mee kommen.Ich möchte noch ein Letztes sagen, da die Ökosteuerim Zusammenhang mit den Renten auch eine Rollespielt. Vor zwei Monaten wurde die Ökosteuer hier ver-abschiedet. Bei dieser Diskussion haben Sie versichert,sie sei zwar eine Mehrbelastung, aber Rentnerinnen undRentner würden nicht richtig belastet, weil sie insoferneinen Ausgleich bekommen, als die Sozialversiche-rungsbeiträge um 0,4 Prozentpunkte gesenkt würden.Das war damals die Begründung. Und jetzt? Es gibt kei-ne Anbindung an die Nettolohnentwicklung mehr. Da-mit haben Sie Ihr Wort in dieser Beziehung gebrochen.
Wenn ich dann noch die Tickermeldungen des gestri-gen Tages heranziehe, so entstehen bei mir schon eineReihe von Fragen. Ich zitiere einmal. Frau Kristin Hey-ne erklärte laut „dpa“, daß die Pläne des Bundesfinanz-ministeriums in den nächsten Jahren auf eine jährlicheAbsenkung der Rentenbeiträge um 0,4 Prozentpunktehinausliefen. Nach früheren Angaben müßte dazu dieMineralölsteuer zwischen dem Jahre 2000 und 2003 umviermal 8 Pfennig angehoben werden. – Also: Senkungder Rentenbeiträge und Mineralölsteuererhöhung.Aber an anderer Stelle ist zu lesen – auch das ist in-teressant –, daß zu den Reformplänen des Herrn Riesterdie bedarfsabhängige Grundsicherung und der Einstiegin die eigenständige Altersvorsorge gehören. Dies be-grüßen wir sehr. Wir würden es auch begrüßen, wennman, wie angekündigt, die ungerechten Kürzungenbei der Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsrente nichtnur abmildern, sondern auch wirklich zurücknehmenwürde.
Dazu braucht man Geld. Das zusätzliche Geld sollauch wieder durch die Ökosteuer eingenommen werden.Wozu wollen Sie die Einnahmen aus der Ökosteuerüberhaupt einsetzen? Dies sind Unklarheiten in Ihrer Fi-nanzplanung.Momentan ist für die Bevölkerung nur klar, daß dieRenten bei Ihnen genauso zum Spielball werden wie beider früheren Regierung. Sie scheuen sich, eine tatsächli-che Strukturreform anzugehen, eine Reform, die eineStärkung des Solidarprinzips beinhalten würde, verbun-den mit der Umsetzung des Vorschlags, daß auch Frei-berufler, Abgeordnete, Ministerinnen und Staatssekretä-re in die Rentenversicherungskassen einzahlen und daßdann eine stärkere Belebung des solidarischen Prinzipestatsächlich erfolgen könnte.Aus diesem Grunde lehnen wir die Vorschläge, diehier gemacht wurden, kategorisch ab und hoffen aufgroßen Widerstand aus der Bevölkerung.Ich danke Ihnen.
Nun erteile ich das
Wort der Kollegin Frau Dr. Schwaetzer, F.D.P.-
Fraktion.
Frau Präsidentin!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es nachvoll-ziehen, daß es für die jetzige Regierungskoalition nichtganz einfach ist, sich der eigenen Vergangenheit zustellen. Trotzdem, denke ich, werden Sie akzeptierenund akzeptieren müssen, daß die Opposition Sie daraufhinweist.Ich möchte betonen, daß für uns der Demographie-faktor, den die frühere Koalition eingeführt hatte, diesozial gerechtere Lösung ist,
Dr. Barbara Höll
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weil sie für Rentner und jüngere Generationen verläßli-che Bedingungen schafft.
Nichts brauchen Rentner mehr als Verläßlichkeit.
Die Abschaffung dieses Demographiefaktors hat dieRentenversicherung dieses Jahr in zusätzliche finanzielleProbleme gestürzt.
Darüber spricht Herr Riester überhaupt nicht. Wenn Sieihn nicht abgeschafft hätten, wäre ein Teil dessen, wasSie jetzt bei den alten Menschen machen, nicht nötig.Ich will nicht polemisch werden; aber dies ist ein Raub-zug. Die konnten sich nicht darauf einstellen. Sie habenihnen vor der Wahl etwas anderes versprochen. Jetztkassieren Sie ab. Die Rentner können dies nicht ausglei-chen.
Damit ist Ihre Lösung das sozial Ungerechteste, wasman den Rentnern antun kann.
Diese Art, mit Rentnern umzugehen, werden Sie alleinverantworten müssen.Ansonsten habe ich schon mehrfach betont, daß wires begrüßen würden, wenn wir hier im Hause, was dieZukunft der Rente angeht, endlich wieder zu einemKonsens zurückkommen könnten. Aber dazu, sehr ge-ehrter Herr Arbeitsminister, möchte ich Berechnungennicht nur von den Beamten des Arbeitsministeriums hö-ren – erst einmal möchte ich natürlich statt irgendwel-cher Presseerklärungen, die Sie in Hintergrundgesprä-chen abgegeben haben, etwas Schriftliches haben –,sondern auch vom Verband der Rentenversicherungsträ-ger.
Wir haben in der Vergangenheit bei Norbert Blüm schonoft genug erlebt, daß das Arbeitsministerium nicht ganzmit dem übereinstimmte, was die Wissenschaftler sag-ten.
– Die Rechner im Arbeitsministerium sind immer nochdie gleichen.
Deswegen hätten wir gerne eine Gegenrechnung vomVDR.Es klingt ja sehr gut, wenn Sie sagen, Sie wollten dieRente armutsfest machen.
– Herr Andres, wenn Sie die Rente mit der Sozialhilfevermischen, dann degradieren Sie die Rentenversiche-rung, die beitragsbezogen und leistungsbezogen ist.
Sie müssen andere Lösungen finden, wenn Sie nichtdas System der gesetzlichen Rentenversicherung weiterdiskreditieren wollen, wie es in den letzten Wochenschon der Fall war.
Ich kann nur dringend empfehlen, an einer anderenStelle anzusetzen, nämlich die Sozialhilfe zu einemBürgergeld weiterzuentwickeln. Dann bleiben die bei-den Systeme weiterhin getrennt. Trotzdem aber errei-chen Sie das, was wir alle für richtig halten, nämlich daßalte Menschen nicht zum Sozialamt gehen müssen. Da-mit halten Sie das System der Beitrags- und Leistungs-bezogenheit in der Rentenversicherung aufrecht.
Ich begrüße es, daß die Kollegin Ulla Schmidt – daswar das erste Mal, daß ich das aus dem Mund einer So-zialdemokratin oder eines Sozialdemokraten gehört habe– gesagt hat, die umlagefinanzierte Rentenversicherungkönne den Lebensstandard nicht mehr absichern. Das istheute nachzulesen. Das ist eine tolle Erkenntnis. WennSie uns deswegen in den vergangenen Jahren nicht soangepöbelt hätten, könnte ich diese Erkenntnis leichterverdauen. Vor diesem Hintergrund aber ist es schonschwer erträglich.Trotzdem akzeptieren wir das: Die umlagefinanzierteRente wird den Lebensstandard nicht mehr absichernkönnen. Je eher wir uns darauf einstellen und bei derSteuerreform das tun, was notwendig ist, damit privateVorsorge betrieben werden kann, um so besser ist es.Im übrigen, Frau Fischer, soll der Eingangssteuersatz,jetzt, wenn ich es richtig im Kopf habe, auf 19 Prozentabgesenkt werden. In unserem Konzept lag der Ein-gangssteuersatz bei 15 Prozent.
Das hätte die kleiner Einkommen wirklich entlastet, unddas ist es, was notwendig ist.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns auf denBoden der Sachlichkeit zurückkehren! Kehren Sie zu-rück auf den Boden der Verläßlichkeit der Rentenversi-cherung! Dann sind wir zum Gespräch bereit.
Dr. Irmgard Schwaetzer
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Jetzt erteile ich dem
Kollegen Adolf Ostertag, SPD-Fraktion, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehrverehrten Damen und Herren! Nachdem die Debattewieder eröffnet ist, möchte ich auf die Schlußworte vonHerrn Schäuble eingehen. Herr Schäuble, Sie haben ge-sagt, mit dem, was wir den Menschen in diesem Landzumuten, würden wir eine kurzfristige Manipulation be-treiben, insbesondere bei der Rente.
In den Medien haben Sie sich teilweise noch drastischerausgedrückt. – Dies müssen wir mit aller Entschieden-heit zurückweisen. Das, was jetzt ansteht, erfolgt insbe-sondere aus drei Aspekten:Erstens. Wir beschäftigen uns mit den gigantischenErblasten, die wir aus Ihrer Regentschaft der letzten Jah-re übernommen haben.
Es handelt sich nicht um kurzfristige Manipulationen;wir müssen Erblasten bewältigen, und zwar nicht nur beider Rente.Die Regierung hat ein Konzept zur Konsolidierungdes Haushalts beschlossen. Mit diesem Haushalt werdenwir in einem ersten Schritt zu einem erheblichen Teildas aufarbeiten, was Sie uns hinterlassen haben. Diemittelfristige Finanzplanung beinhaltet 30 MilliardenDM im ersten Haushalt, im Haushalt für das Jahr 2000,und insgesamt 150 Milliarden DM; dies ist heute schongesagt worden. Das sind die Erblasten Ihrer Regierung.
Im Bereich der Rente wurde in den letzten 16 Jahren,in Ihrer gesamten Koalitionszeit, ein Katalog von Maß-nahmen ergriffen, den vollständig aufzuzählen ich mirschenke: von der Beteiligung der Rentner an der Kran-kenversicherung im Jahr 1983 über die Anrechnungs-modelle bis hin zur Reduzierung der Anerkennung derAusbildungszeiten. Sie kennen diesen Katalog, müssensich aber dazu bekennen. Ich glaube, das ist ganz wich-tig. Wenn man in der Opposition ist – und das sind Sieseit einigen Monaten –, sollte man sich zu dem beken-nen, was man hinterlassen hat, was man bei den Syste-men der sozialen Sicherung angerichtet hat.
Wenn wir jetzt beginnen, unsere Konzepte umzuset-zen, dann sollten Sie einmal in Ihre Programme schauen,was Sie gefordert haben, und vergleichen, was Sie ge-macht haben.
Sie sollten nicht nur schimpfen. Herr Schäuble hat ebenin einem sachlichen Ton hier argumentiert. Ich dachte,daß es in der Debatte nun vielleicht doch noch einesachliche Argumentation gibt. Aber angesichts dessen,was Sie hier an Zwischenrufen machen, muß man zwei-feln, ob Sie das, was Sie gesagt haben, ernst meinen.Lesen Sie wirklich einmal die Konzepte aus IhremWahlkampf nach,
und schauen Sie sorgfältig, was Sie gemacht haben. Ichglaube, dann werden Sie zu dem Ergebnis kommen, daßdie neue Regierung angefangen hat, Strukturreformen zumachen. Das sind keine kurzfristigen Manipulationen,wie Sie sagen. Wir gehen auf dem Arbeitsmarkt anStrukturreformen heran. Wir werden morgen hier ein er-stes Gesetz zur Arbeitsförderung verabschieden,
das deutlich macht, daß es um Strukturreformen geht,und wir werden mit dem Arbeitsförderungs-Reform-gesetz, das diesen Namen verdient,
einen zweiten Schritt machen. Außerdem werden wireine Gesundheitsstrukturreform – ich glaube, dazu istheute genug gesagt worden – und eine Rentenstrukturre-form durchführen.Dazu bedarf es zweier Schritte. Einmal werden wireinen Haushalt der Solidarität vorlegen, der alle Bevöl-kerungsgruppen einschließt. Die Rentner werden in dennächsten zwei Jahren, in denen wir ihnen abverlangen,daß sie mit einem Inflationsausgleich zufrieden sind,immer noch mehr bekommen, als sie in den letzten Jah-ren von Ihnen bekommen haben.
Das muß man doch einmal sagen; das sind Fakten.Wir werden in diesem Haushalt, der in den nächstenWochen debattiert wird, auch von den anderen Bevölke-rungsgruppen Solidarität einfordern. Wir haben in unse-ren Aussagen im Wahlkampf und natürlich auch in derKoalitionsvereinbarung ganz klare Ziele formuliert, wiewir mit der Modernisierung des Sozialstaates umgehen.
Dabei nimmt die Rente mit den größten Teil ein.
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Sie wissen ganz genau: Wir wollen bei der Modernisie-rung der Systeme der sozialen Sicherung nicht nur dieRente modernisieren, sondern auch die anderen Berei-che, die ich angesprochen habe, und wir werden das inden nächsten Wochen und Monaten auch umsetzen.
Wir haben bei der Rente Strukturreformen und keinekurzfristigen Manipulationen angesagt. Ich glaube, wasan ersten Eckpunkten für eine Rentenstrukturreformvorgelegt worden ist, entspricht dem, was wir denWählerinnen und Wählern versprochen haben, nämlichdaß das Ganze langfristig angelegt und über die näch-sten Jahrzehnte wirksam ist. Darauf können sich dieRentnerinnen und Rentner verlassen – im Gegensatz zuden Verunsicherungen, die Sie die letzten Jahre betrie-ben haben.
Kommen Sie zum
Schluß, Herr Kollege.
Es gibt keinen „Raubzug“,
wie Frau Schwaetzer das eben gesagt hat, sondern wir
arbeiten ganz solide an den Eckpunkten der Koalitions-
vereinbarung zum Rentenkonzept. Es wird in der ge-
setzlichen Krankenversicherung, bei der Arbeitsmarkt-
politik und bei der Rente Schritt für Schritt weitergehen.
Herr Kollege, kom-
men Sie bitte zum Schluß.
Ich kann nur wiederholen,
was der Arbeitsminister hier gesagt hat. Er hat die Op-
position eingeladen, an Strukturreformen mitzuarbeiten.
Wenn Sie sich auf diesen Pfad begeben, können wir eine
sachliche Diskussion führen.
Unsere Vorschläge liegen vor. Überdenken Sie die Hal-
tung, die Sie hier an den Tag gelegt haben: überwiegend
geschrien. Arbeiten Sie mit! Ich glaube, dann kommen
wir in dieser Gesellschaft ein Stückchen voran.
Wir sind damit am
Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 24. Juni 1999,
9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.