Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Fragestunde
- Drucksache 13/3473 -
Anschließend werden wir eine Aktuelle Stunde haben.
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Heinrich Kolb zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1, gestellt von dem Kollegen Norbert Otto, auf:
Wie informiert die Bundesregierung deutsche Touristen über Gefahren bei Reisen in unsichere Länder oder Krisengebiete, wie z. B. Kaschmir oder Costa Rica, und wie wird die Sicherheit deutscher Touristen bei Reisen in Krisengebiete oder unsichere Länder gewährleistet?
Ich bitte, Herr Staatssekretär, um Beantwortung.
Verehrter Herr Kollege Otto, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung unterstützt die deutsche Tourismuswirtschaft in ihren Bemühungen um die Gewährleistung der Sicherheit deutscher Touristen im Ausland durch unverzügliche Weitergabe aller einschlägigen Informationen über die Sicherheitslage im Ausland.
Das Auswärtige Amt leitet alle geeigneten Informationen über mögliche Gefährdungen einschließlich Merkblätter und Verhaltenshinweise in der Regel uneingeschränkt an das Bundesministerium für Wirtschaft weiter. Das Bundesministerium für Wirtschaft seinerseits gibt diese Informationen unverzüglich über einen eigenen Faxschlüssel an die Verbände der deutschen Fremdenverkehrswirtschaft und auch große Reiseunternehmen weiter.
Die wichtigsten Reisehinweise werden darüber hinaus vom Auswärtigen Amt auf Band telefonisch abrufbar gehalten, gegenwärtig für zehn Länder, darunter auch Costa Rica und Indien. Die Reisehinweise werden vom Auswärtigen Amt außerdem in
den On-line-Dienst von CompuServe eingespeist und sind dort jederzeit zugänglich. In Ausnahmefällen geht das Auswärtige Amt mit Reisewarnungen auch an die Medien.
Einzelauskünfte zu Fragen der Sicherheit deutscher Urlauber im Ausland erteilen die Auslandsvertretungen auch vor Ort. Art und Umfang der Unterrichtung von Individualtouristen im Ausland sind abhängig von der jeweiligen Situation im Gastland und daher von Ort zu Ort verschieden.
Mit diesem vielfältigen Informationsangebot ist dafür Sorge getragen, daß sich jeder Reisende umfassend über die Sicherheitslage an seinem Reiseziel unterrichten kann.
Die Bemühungen der Bundesregierung, deutsche Touristen umfassend über die Risiken einer Reise in alle Staaten mit deutlich erhöhtem Sicherheitsrisiko oder gar in Kriegsgebiete ereignisnah und möglichst umfassend zu informieren, stoßen allerdings dort an ihre Grenzen, wo die Einsichtsfähigkeit des Touristen und auch seine Bereitschaft, aus Sicherheitserwägungen auf eine Reise bzw. Urlaubsaktivität zu verzichten, fehlt. Hierbei ist ein weitverbreiteter Trend zu individuellen Reisen „abseits der ausgetretenen Pfade" zu beobachten. Für die Touristen, die sich in unsichere Gebiete wagen, wächst das Risiko. Gefragt ist in diesem Zusammenhang also auch die Eigenverantwortung des Bürgers selbst. Ob er reist oder ob er nicht reist, muß jeder Tourist letztlich selbst entscheiden.
Zusatzfrage, Herr Kollege Otto.
Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Beantwortung. Aus der Sicht der Bundesregierung ist es sicherlich nicht möglich, jedes einzelne Reisebüro über die Gefahren zu informieren. Wir haben in Erfurt den bedauerlichen Fall der Entführung des Erfurter Studenten Dirk Hasert.Meine Frage möchte ich dahin gehend erweitern: Sehen Sie einen Interessenkonflikt zwischen den Reisebüros und ihren Absichten einerseits sowie der
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6926 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996
Norbert Otto
Warnung vor Reisen andererseits, die in diesen Reisebüros möglicherweise angeboten werden? Sind Sie mit mir einer Meinung, daß wir die Länder in diesem Zusammenhang möglicherweise mit einer Pflichtwarnung in den Reisebüros mehr in die Pflicht nehmen müssen? Damit meine ich: Wenn ein Reisebüro Reisen zum Beispiel nach Pakistan anbietet, sollte es gleichzeitig zu einer gewissen Warnung oder Information verpflichtet werden.
Herr Kollege Otto, ich denke, auch die Reisebüros haben ein Interesse daran, daß sich die deutschen Touristen im Ausland in Sicherheit befinden, ihren Urlaub dort in Sicherheit verbringen können.
Ich will hier beispielhaft den Reisebüroverband anführen. Er hat ein Informationssystem aufgebaut, um den Sicherheitsinteressen der Urlauber zu genügen. Über dieses System stehen der gesamten Branche kurzfristig alle erforderlichen Informationen zur Verfügung. Im Staatssystem - das ist ein in dieser Branche weit verbreitetes elektronisches Buchungssystem, auf das mehr als 7 000 Reisebüros in Deutschland Zugriff haben - ist eine entsprechende Rubrik eingerichtet, in der aktuelle Informationen dieser Art abgelegt sind. Das ist innerhalb der Branche bekannt, so daß sich jedes Reisebüro permanent über Neuerungen informieren kann.
Darüber hinaus werden Spezialveranstalter für bestimmte Länder gezielt über Veränderungen bezüglich der Gefahrenlage in diesen Ländern unterrichtet, so daß aus unserer Sicht hinreichend Sorge getragen ist, was das spezielle Länderrisiko anbelangt.
Schönen Dank.
Keine weitere Zusatzfrage. Dann erteile ich Herrn Kollegen Duve das Wort.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie im Namen der Bundesregierung mit mir darin überein, daß die Kennzeichnung des mit uns sehr befreundeten Landes Costa Rica als Krisengebiet und unsicheres Land von uns nicht übernommen werden sollte?
Herr Kollege Duve, die Reisehinweise, von denen ich hier gesprochen habe, die vom Auswärtigen Amt in drei verschiedenen Abstufungen herausgegeben werden, beinhalten die Stufen Reisewarnung, Sicherheitshinweis und Merkblatt.
Die von Ihnen angesprochene aktuelle Einschätzung, die gerade unter touristischen Gesichtspunkten zu sehen ist, halte ich zum derzeitigen Zeitpunkt für angemessen. Ich sagte bereits, daß die Einstufung ständig überprüft und aktualisiert wird, so daß ich zur gegenwärtigen Einstufung stehen kann.
Weitere Zusatzfragen zu diesem Themenkomplex werden nicht gestellt. Ich danke Ihnen vielmals, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr auf. Zur Beantwortung ist der Parlamentarische Staatssekretär Johannes Nitsch erschienen.
Ich rufe Frage 2, gestellt vom Kollegen Dr. Erich Riedl, auf:
Wann wird die Euro-Version im Scheckkartenformat die alte Fahrlizenz ablösen, und welche Gründe stehen einer raschestmöglichen, meines Erachtens für die Autofahrer nur vorteilhaften Einführung der Euroführerscheine entgegen?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich bitte um Beantwortung.
Sehr geehrter Herr Präsident, die Frage des Abgeordneten Dr. Riedl bezieht sich im wesentlichen auf die raschestmögliche Einführung des Führerscheins im Scheckkartenformat. Lassen Sie mich jedoch eine kurze Vorbemerkung machen.
Die Bundesregierung kann einen Führerschein im Scheckkartenformat nur auf Grundlage einer Richtlinie der Europäischen Union einführen. Die Kommission hat im vorigen Jahr einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt. Die Bundesregierung hat diesen Vorschlag begrüßt. Sie hat jedoch einige Forderungen gestellt: Es darf dabei nicht zu wesentlichen Kostenerhöhungen oder zu Erhöhungen des Verwaltungsaufwandes kommen.
Der Rat hat sich im Dezember mit dem vorliegenden Vorschlag der Kommission befaßt und im wesentlichen alle deutschen Vorstellungen berücksichtigt, so daß wir eine Zeitschiene für die Einführung dieses Führerscheins im Scheckkartenformat festlegen können.
Wichtig für die Bundesregierung war, daß dieser Führerschein nicht auf eine Dauer von zehn Jahren begrenzt wird, sondern unbefristet gültig ist, daß auf diesem Führerschein ein beschreibbares Feld vorgesehen wird, daß er aber keinen Chip enthält, da er für fahrerlaubnisrechtliche Zwecke nicht erforderlich und unter Gesichtspunkten des Datenschutzes problematisch ist.
Seit Dezember des vergangenen Jahres rechnen wir damit, daß die Richtlinie nach der zweiten Lesung im Europäischen Parlament bis zum Sommer verabschiedet wird. Bis zu diesem Zeitpunkt werden alle nationalen Vorschriften vorbereitet, und wir wollen gleichzeitig mit der Ausgabe des Führerscheins im Scheckkartenformat auch die neuen Fahrerlaubnisklassen einführen.
Ich fasse zusammen: Bis zum Sommer erwarten wir die Richtlinie. Dann erfolgt die Ausschreibung für die Hersteller der Karten. Die Herstellung selbst schließt sich an, so daß wir im Laufe des zweiten Halbjahres mit der Ausgabe der Führerscheine im Scheckkartenformat beginnen können.
Herr Kollege Riedl, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, mich interessiert, oh die ersten neuen Euro-Führerscheine im Scheckkartenformat bereits unmittelbar nach der bestandenen Prüfung an die frischgeprüften Fahrzeuglenker ausgegeben werden können oder nicht. Bisher gibt es ein mühsames Verfahren: Wenn man die Prüfung bestanden hat, geht der Automatismus des Ausfüllens von Formblättern los. Man ist zwar lizenzierter Führerscheininhaber, besitzt aber immer noch keinen Führerschein.
Sind Sie, Herr Staatssekretär, in der Lage, heute zu erklären, daß die Bundesregierung Richtlinien erarbeitet, die die unmittelbare Ausgabe des neuen Euro- „Scheckkarten" -Führerscheins nach bestandener Prüfung gewährleisten? Mich interessiert ferner, ob ich als Inhaber eines alten, zerfetzten Führerscheins einer Umtauschpflicht unterliege oder ob der Umtausch freiwillig geschieht?
Zum ersten Teil Ihrer Frage: Ich hatte bereits erwähnt, daß die Führerscheinkarte ein beschreibbares Feld enthalten muß. Dieses Feld ist insbesondere dafür vorgesehen, daß die Prüflinge sofort nach bestandener Prüfung ihre „Scheckkarte" als Fahrerlaubnis erhalten. Die Karte kann während der Ausbildung vorbereitet werden. Sie wird zentral hergestellt. Die Gültigkeit der Fahrerlaubnis wird nach bestandener Prüfung in diesem Feld vermerkt.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Man kann sich - das ist zumindest vorläufig so vorgesehen - freiwillig einen Führerschein im Scheckkartenformat ausstellen lassen. Es besteht im Moment keine Pflicht. Sie können Ihr Fahrzeug wahlweise entweder mit ihrem herkömmlichen Führerschein oder mit dem durch Umtausch erhaltenen Führerschein im Scheckkartenformat führen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, mich interessiert, was dieser neue Führerschein im Scheckkartenformat die Inhaber kostet. Wird das ein zusätzliches Geschäft wie bei den bei neuen Kfz-Schildern?
Nach unseren derzeitigen Schätzungen wird er zirka 40 DM kosten.
Herr Kollege Koppelin.
Herr Staatssekretär, können Sie mir sagen, wieviel verschiedene Versionen von deutschen Führerscheinen zur Zeit bei uns gültig sind?
Ich kann Ihnen sofort sagen, daß es den Führerschein gibt, der in der ehemaligen DDR ausgegeben wurde. Daneben ist der Führerschein gültig, der in der alten Bundesrepublik Gültigkeit hat. Weitere Führerscheine sind mir nicht bekannt, aber ich kann das nachprüfen lassen und gebe Ihnen das schriftlich. Mir sind also zwei Versionen bekannt.
Werden dazu weitere Fragen gestellt? - Das ist nicht der Fall. Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich bedanke mich für die Beantwortung.
Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Post und Telekommunikation soll die Frage 3 des Kollegen Peter Conradi schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie auf. Die Fragen wird uns der Parlamentarische Staatssekretär Bernd Neumann beantworten.
Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Horst Kubatschka auf:
Ist die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Bernd Neumann, auf meine Frage 30 in Drucksache 13/3180 zu Verhandlungen bezüglich der Versorgung mit hochangereichertem Uran aus russischen Beständen für den Forschungsreaktor in Garching (Plenarprotokoll 13/76 vom 6. Dezember 1995, S 6704) so zu verstehen, daß die Technische Universität München und die Bayerische Staatsregierung, das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie monatelang nicht, nicht ausführlich oder sogar falsch über die nach Presseberichten („Süddeutsche Zeitung" vom 13./14. Januar 1996) nunmehr feststehende Tatsache, daß doch Verhandlungen mit Rußland geführt werden, informiert haben, und welche Konsequenzen wird die Bundesregierung daraus ziehen?
Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Für einen langen Zeitraum bestand die Absicht, die Versorgung des FRM II mit hochangereicherten Uran, also HEU, aus westlichen Quellen sicherzustellen. Dies hatte ich mehrfach in Fragestunden zum Ausdruck gebracht. Inzwischen hat die Euratom-Versorgungsagentur, die für die Versorgung der Gemeinschaft mit Kernbrennstoffen Verantwortung trägt, auch Gespräche mit Rußland aufgenommen, um sich zusätzliche Lieferquellen zu erschließen. Nunmehr ist nicht auszuschließen, daß für die Versorgung des FRM II auch russische Quellen in Betracht kommen. Darüber habe ich den Bundestag in der Fragestunde am 6. Dezember 1995 unterrichtet.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, wie heute die „Süddeutsche Zeitung" und die „taz" melden, daß die Projektleiter der Technischen Universität München Herrn Axmann eingeräumt haben, daß eine Reduzierung des Anreicherungsgrades auf ca. 70 Prozent möglich sei? Wird die Bundesregierung jetzt darauf drängen, daß der Anreicherungsgrad des Urankerns, wie dies auch technisch möglich ist, auf 20 Prozent gesenkt wird?
Herr Kollege, Sie haben jetzt zwei Zahlen zusammengefaßt. Als erstes haben Sie von 70 Prozent gesprochen und dann von einer zwanzigprozentigen Anreicherung. Das ist eine beträchtliche Differenz, denn bei einer siebzigprozentigen Anreicherung spricht man von hochangereichertem Uran und bei 20 Prozent von LEU.
Richtig ist, daß wir im Ministerium dieser Frage, wie Sie wissen, nachgehen, die insbesondere immer wieder von amerikanischer Seite gestellt wird. Ob es möglich ist, den Reaktor FRM II, der in seiner Konzeption praktisch fertig ist, auch mit niedrig angereichertem Uran, also mit LEU, zu betreiben, war auch schon Gegenstand der Fragestunde, im Oktober letzten Jahres an der Sie selbst beteiligt waren. Da geht es nicht um die Frage von 70 Prozent - 70 Prozent wäre auch noch hoch angereichert -, sondern wirklich um LEU, um 20 Prozent.
Unser damaliger Erkenntnisstand - ich hatte dazu etwas gesagt - war der, daß dies ein „redesign" des FRM II-Reaktors zur Folge hätte. Es müßte eine wesentliche Vergrößerung des Reaktorkerns erfolgen. Die thermische Leistung würde sich um 60 Prozent erhöhen, das heißt, die Umweltbeeinträchtigung wäre wesentlich größer. Wichtig wäre aber dabei, daß ein verdichteter Brennstoff anderer Qualität zur Verfügung stünde, um diese 20 Prozent zu erreichen. Nach meiner damaligen Kenntnis - daran hat sich bis dato nichts geändert - soll ein solcher Brennstoff in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung stehen. Das hat für uns dazu geführt, daß wir gesagt haben: Wenn es so ist, daß er nicht zur Verfügung steht und daß die dementsprechende vergleichbare Leistung nur unter einer völligen Veränderung der gesamten Planung mit dementsprechend höheren Kosten erbracht werden kann, dann bleiben wir bei der bisherigen Position.
Sie wissen, daß morgen erneut Gespräche einer größeren „community" mit den Amerikanern erfolgen. Wir sind dort vertreten und werden unser weiteres Verhalten von diesen Gesprächen abhängig machen.
Letzte Bemerkung. Der Vermerk, der heute zitiert worden ist, ist zutreffend. Der Verantwortliche aus dem Betreiber der TU München hat davon gesprochen, daß gegebenenfalls die Anreicherung, die jetzt 93 Prozent beträgt, auf 70 Prozent reduziert werden kann. Dies wiederum wäre aber nach wie vor hochangereichertes Uran, und dieses wäre, wenn auch mit größerem Aufwand, bombentauglich. Da setzt ja Ihre Kritik ein.
Herr Kollege Kubatschka.
Herr Staatssekretär, für Sie war es sicher verwunderlich, daß man in München von 93 auf 70 Prozent zurückgegangen ist. Sie haben ja vorher wie ein Löwe für eine Anreicherung von 93 Prozent gekämpft.
Bis jetzt war es ein Kommentar, Herr Kollege. Wenn jetzt die Frage käme, würde es das Verfahren vereinfachen.
Ja, ja.
Hat in bezug auf dieses Thema, wie die beiden Zeitungen - ich spreche jetzt von der „Süddeutschen" und der „taz" - in Ihren heutigen Ausgaben über den Vermerk vom 21. Dezember, den Sie bereits zitiert haben, bzw. über einen handschriftlichen Zusatz am Rande aus Ihrem Haus berichten, die Leitungsrunde im Ministerium über die weitere Strategie bereits entschieden? Wenn ja: Zu welchem Ergebnis ist sie gekommen?
Wir haben uns vor wenigen Tagen in der Leitungsrunde nicht nur mit diesem Vermerk, sondern mit dem ganzen Projekt befaßt und haben das vereinbart, was ich Ihnen eben mitgeteilt habe: Wir wollen das Gespräch mit den Amerikanern abwarten. Dabei füge ich jetzt hinzu, daß wir das ganze Projekt begleiten. Sie wissen, der Betreiber ist die Technische Universität München, und verantwortlich dafür ist die Bayerische Staatsregierung. Das entbindet uns natürlich nicht davon, daß wir uns um diese Dinge kümmern müssen.
Das tun wir gemeinsam, wie Sie merken.
Sollten sich andere Erkenntnisse als die bisherigen ergeben, werden wir erneut darüber nachdenken müssen. Das warten wir einmal ab.
Herr Kollege Dr. Martin Mayer, Sie haben die nächste Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, hier eine Presseerklärung des Bayerischen Kultusministeriums zur Kenntnis zu nehmen, in der es heißt: Die Staatsregierung hält am Planungskonzept für die neue Forschungsneutronenquelle fest. Weiter wird in der Mitteilung festgestellt, daß es den Gegnern des Reaktors im Grunde nur darum geht, durch irgendwelche Änderungsvorschläge das Gesamtkonzept zu Fall zu bringen.
Herr Kollege, ich habe dies natürlich, wie es sich gehört, zur Kenntnis genommen. Ich möchte hinzufügen: Man muß bei diesem Sachverhalt sehr zwischen denjenigen, die ernsthaft - was ich verstehe und auch begrüße - darüber nachdenken, ob man in der Welt, in Europa und in Deutschland möglichst wenig hochangereichertes Uran verwenden sollte und muß - das ist richtig; deswegen haben wir auch eine Vielzahl von Reaktoren in Deutschland auf LEU umgestellt -, und denen unterscheiden, die aus politisch-ideologischen Gründen sich dieses Projekt, den FRM II, ins Visier genommen haben. Aus diesem Grunde begrüße ich sehr, daß die Bayerische Staatsregierung, wie wir das ohnehin von Bayern gewohnt sind, standfest ist und bleibt.
Herr Kollege Wolf-Michael Catenhusen.
Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß die Bundesregierung aus Ihrer Verantwortung für die Proliferation, der sie sich im Unterschied zur Bayerischen Staatsregierung auf Grund ihrer außenpolitischen Zuständigkeit in besonderem Maße widmen muß, auch eine eigenständige Prüfung technischer Alternativen zu dem vorgelegten Reaktorkonzept hätte vornehmen müssen? Können Sie dem Hohen Hause vielleicht auch mitteilen, ob überhaupt in den letzten Jahren - denn die Vorschläge liegen ja schon seit Jahren auf dem Tisch - von seiten des damaligen BMFT eine unabhängige, eine eigenständige Prüfung - ich sage es einmal - von technologischen Alternativen, die den Einsatz von niedrig angereichertem Uran bei dem Münchener Konzept ermöglichen könnten, vorgenommen worden ist? Haben Sie eine solche Sache eigentlich einmal in Angriff genommen? Oder haben Sie sich nur auf die Angaben der Reaktorbauer in München verlassen?
Erstens stimme ich Ihnen zu, daß die Bundesregierung immer dann, wenn sie finanziell irgendwo beteiligt ist, auch ihre Möglichkeiten wahrnimmt, sich für das Projekt als solches zu interessieren, insbesondere dann, wenn es außenpolitische Dimensionen hat, wie es hier der Fall ist.
Zweitens haben wir uns insbesondere mit diesen außenpolitischen Dimensionen befaßt. Das wissen Sie; dies war mehrfach Gegenstand auch in den Fragestunden. Ich habe längere Diskussionen im Abrüstungsausschuß des Deutschen Bundestages mit den Kollegen des Deutschen Bundestages geführt. Wir sind gemeinsam zu der Auffassung gekommen, daß, bezogen auf den Nichtverbreitungsvertrag und auch das sogenannte RERTR-Programm, also das Anreicherungsreduzierungsprogramm, rechtliche Hindernisse und Bedenken nicht bestehen und daß in allen diesen Vertragsverhandlungen, auch jüngst noch einmal bei der Verlängerung des NV-Vertrags, klargelegt wurde, daß es in bestimmten Fällen bei Forschungszwecken möglich ist, hochangereichertes Uran zu nutzen. Eine ganz andere Frage ist, wie man das politisch bewertet. Da gibt es unterschiedliche Auffassungen.
Zu Punkt zwei Ihrer Frage. Solange ich in diesem Hause tätig bin - das sind inzwischen fünf Jahre - beschäftige ich mich qua Zuständigkeit mit diesem Thema und beschäftige ich mich und beschäftigt sich dieses Haus auch mit der Frage: Gibt es Alternativen?
- Daran können Sie sehen, über welche Spannweite wir in der Bundesregierung verfügen.
Deswegen ist es sehr schön, Herr Kollege Catenhusen, daß Sie noch einmal darauf hinweisen, daß die Notwendigkeit besteht, immer erneut darüber nachzudenken, ob gleiche Leistungsmöglichkeiten bei einem solchen Reaktor mit niedrig-angereichertem Uran gegeben sind. Aber ich weise darauf hin, daß wir diese Prüfung permanent vornehmen, daß wir sie allein schon deshalb vornehmen, weil wir in einem vernünftigen Gespräch mit den Amerikanern bleiben wollen. Es gab kürzlich eine sogenannte ParameterStudie aus dem Argonn National Laboratory, in der dieses Problem angesprochen wurde. Wir haben dies nicht nur mit den Betreibern in München diskutiert, sondern haben dies auch zum Gegenstand wichtiger Gespräche und Begutachtungen der gesamten „community" gemacht. Das Ergebnis war eben, daß es diese Alternativen, bezogen auf die Leistungsmöglichkeiten des geplanten Reaktors, bisher nicht gab.
Die Tatsache, daß wir, ohne von irgend jemandem gedrängt zu werden, morgen wieder mit den Amerikanern zusammensitzen und just über dieses Thema diskutieren, macht deutlich, daß wir dem, was Sie wollen, offen gegenüberstehen. Ich bin mir sicher, daß wir, wenn es alternative Brennstoffe gibt, die eine Reduzierung auf LEU möglich machen, und dies auch im Rahmen vertretbarer Kosten realisiert werden kann, gemeinsam mit der Bayerischen Staatsregierung neue Überlegungen anstellen. Aber bisher gab es dafür keine konkreten, realistischen Vorgaben.
Bevor ich der Frau Kollegin Simone Probst das Wort zu einer weiteren Frage gebe, habe ich eine kleine Bemerkung an den Parlamentarischen Staatssekretär, die Sie mir bitte nicht verübeln wollen. Sie gebrauchen, abgesehen von den Fachbegriffen, die für die Fachleute da sind, nun schon mehrfach einen Begriff: Wer ist die „community"?
Herr Präsident, unter „community" verstehen wir diejenigen, die in diesem Fachbereich wissenschaftlich tätig sind.
Danke.
Das Wort zur nächsten Zusatzfrage hat die Kollegin Simone Probst.
Herr Staatssekretär, Sie sprachen eben von der Verfügbarkeit von möglichen Brennstoffen. Der Vorschlag, auf eine Abreicherung von 70 Prozent zu gehen, hat Konsequenzen natürlich auch für die Zusammensetzung des Brennstoffs. Deshalb möchte ich Sie fragen., welche Brennstoffdichte für eine mögliche Abreicherung auf 70 Prozent vorgesehen ist und ob Brennelemente mit dieser Dichte und einer Anreicherung von 70 Prozent bereits Bestrahlungstests unterzogen worden sind.
Frau Kollegin, wahrscheinlich bin ich da im Gegensatz zu Ihnen kein Fachmann.
- Daß ich keine Fachfrau bin, ist vielleicht erkennbar.
- Deshalb sehe ich mich nicht in der Lage, diese fachspezifische Frage zumindest so zu beantworten, daß sie in jedem Fall wissenschaftlich korrekt beantwortet ist. Ich würde das gern nachholen.
Dieser Frage bin ich - dafür liegen mir Anhaltspunkte vor - bei einer Anreicherung mit einem Grad von 20 Prozent nachgegangen. Das war aber nicht Gegenstand Ihrer Frage. Dazu hatte ich im Oktober in der Fragestunde nach Vorbereitung Stellung genommen. Sie fragen jetzt nach 70 Prozent und wie da die Dichte des Brennstoffes sein muß und wie es mit Bestrahlungstests steht. Wenn Sie mir erlauben, würde ich Ihnen diese Frage, weil sie nun wirklich sehr technisch ist, gern schriftlich beantworten.
Bitte, Frau Kollegin.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung denn bekannt, wie es zu dieser überraschenden Kehrtwende der Projektgruppe „Neuer Forschungsreaktor" gekommen ist? Ich frage dies, weil Sie im Parlament jetzt alle Mühe haben, von Ihren ursprünglichen Äußerungen zurückzurudern.
Wir müssen erst einmal den Begriff „Kehrtwende" definieren. „Kehrtwende" in dieser Frage würde bedeuten, daß man von hochangereichertem Uran, also HEU, zu niedrigangereichertem Uran, LEU, kommt. Das entspräche in dem ersten Fall einem Anreicherungsgrad von 93 Prozent - so ist das jetzt vorgesehen -, im zweiten Fall wären es 20 Prozent. Bei dem neuen Vermerk in unserem Hause, heute in der „Süddeutschen Zeitung" nachzulesen, geht es nur um eine Reduzierung auf 70 Prozent. Das ist zwar eine Reduzierung, aber nicht die Nutzung von LEU. Insofern kann ich eine drastische Kehrtwende nicht sehen.
Richtig ist, daß die bisher fest geforderten 93 Prozent in Frage gestellt werden und daß von einem Vertreter der Betreiber von 70 Prozent gesprochen wird. Das sind die Fragen, die wir auch morgen erörtern wollen.
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Dann rufe ich die Frage 5 auf, die ebenfalls der Kollege Horst Kubatschka gestellt hat:
Treffen Pressemeldungen in der „Süddeutschen Zeitung" vom 21. Dezember 1995 zu, wonach die EU-Kommission mitteilte, daß es „Anforderungen u. a. vom FRM II" für die Lieferung von hochangereichertem Uran gebe, und wenn ja, ist der Bundesregierung bekannt, wann ein entsprechender Antrag gestellt wurde?
Ich bitte Herrn Parlamentarischen Staatssekretär um Beantwortung.
Für die von Ihnen zitierte Mitteilung in der Presse liegt mir von der Kommission der EU keine Bestätigung vor.
Zusatzfrage, Herr Kollege Kubatschka.
Herr Staatssekretär, wurde von der EU-Kommission oder den beteiligten Mitgliedstaaten - nach meinen Informationen handelt es sich hierbei um Deutschland, Frankreich, Belgien, die Niederlande und Großbritannien - eine gemeinsame Position im Hinblick auf die Verhandlungen mit Rußland über die Lieferung von Uran bereits erarbeitet, oder wurde sie bereits festgelegt?
Sie müssen sehen - ich sage das, um erst einmal den Hintergrund Ihrer Frage darzustellen -, wie das Ganze formal abläuft. Für Verhandlungen über neue Lieferquellen sind zum einen die Betreiber oder von den Betreibern legitimierte Privatfirmen zuständig - in Deutschland ist eine, die das macht, bekannt, nämlich Nukem - und zum anderen die europäische Versorgungsagentur, bei Euratom angesiedelt, die zwar nicht die einzelnen Verträge für die konkrete Zuweisung aushandelt, die aber die generelle Verantwortung für die Versorgung der EU-Staaten mit Brennstoff wahrnimmt und bei Verträgen über Lieferungen mitzeichnet.
Nach meiner Kenntnis gibt es, praktisch im letzten Jahr beginnend, seitens der Versorgungsagentur konkrete Gespräche mit verschiedenen Lieferanten, auch mit Rußland. Es gibt auch, wie mir bekannt ist, die Absicht, dies in konkrete Verträge umzumünzen. Mir ist nicht bekannt, daß es auf anderer Ebene, also zum Beispiel im sonstigen EU-Bereich, bestimmte Absprachen oder Regelungen, bezogen auf Vertragsumstände mit Rußland, gibt. Dabei ist zu sagen, daß die Regelungen, die überall gültig sind, auch hier gültig sind. Insofern verstehe ich die Bedenken dage-
Parl. Staatssekretär Bernd Neumann
gen, russisches Material heranzuziehen, weniger, weil nämlich eine Inanspruchnahme russischen Materials über Euratom dazu führt, daß auch dieses der strengen und scharfen europäischen Kontrolle unterzogen wird.
Das ist mir noch immer sympathischer, als wenn solche Dinge auf anderen Märkten stattfinden.
Herr Kollege, es wird hier also wohl verhandelt wie auch mit anderen Lieferanten. Es gelten die gleichen strengen Kriterien. Deswegen - so vermute ich - gibt es auch keine zusätzlichen Absprachen.
Aber, wie gesagt, ich kann dies nur aus dem Stand heraus beantworten. Mir ist nicht bekannt, daß es zusätzliche Gespräche im politischen Bereich gibt, was diesen Tatbestand betrifft.
Herr Kollege Kubatschka, eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben davon gesprochen, daß 1995 bereits verhandelt wurde. Wann wurde denn konkret mit den Verhandlungen begonnen?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Sie müssen immer sehen - ich habe Ihnen das schon einmal gesagt -, daß von Agenturen über Verhandlungsgegenstände in diesem Bereich und auch über Partner aus einer Reihe von Gründen sehr ungern gesprochen wird. Trotzdem haben wir uns der Pflicht unterzogen, dem nachzugehen, auch über unsere ständigen Vertreter dort vor Ort. Daraus resultiert, daß es Ende 1994/Anfang 1995 erstmalige - wie soll man sagen? - Kontakte gegeben hat und daß diese Kontakte im Laufe des Jahres 1995 intensiviert worden sind, wie gesagt, was die Versorgung und die Lieferung aus Rußland angeht.
Wie jetzt das konkrete Stadium aussieht, kann ich Ihnen nicht sagen. Ich kann hier auch kein Datum nennen. Das könnte mir im übrigen auch die Bayerische Staatsregierung nicht nennen. Sie müssen ja immer berücksichtigen: Die Bayerische Staatsregierung ist der eigentlich Verantwortliche in Verbindung mit dem Betreiber, der TU München - wir holen uns unsere Informationen von dort -, und Euratom wiederum unterliegt keinen Vorschriften, zu welchem Zeitpunkt sie über was verhandelt.
Von einem können Sie ausgehen: daß ich Sie immer korrekt informiert habe, soweit ich selbst informiert worden bin.
Anders würden auch Sie Informationsmöglichkeiten und -pflichten nicht handhaben können.
Keine zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Kubatschka?
- Jetzt wollte ich mich mal zu Ihren Gunsten verzählen!
Die nächste Zusatzfrage, Frau Kollegin Simone Probst.
Herr Staatssekretär, eben wurden schon die Verhandlungen mit Rußland und auch die Rolle der EU-Kommission angesprochen. Ich möchte Sie fragen: Welches Ressort vertritt bei diesen Verhandlungen die Interessen Deutschlands, und wann rechnen Sie mit einem Abschluß der Verhandlungen?
An den Verhandlungen ist die Versorgungsagentur, die Euratom zugeordnet ist, beteiligt, und diese führt die Verhandlungen. Insofern gehe ich davon aus, daß keine bestimmte Generaldirektion der Kommission diese Verhandlungen direkt führt. Ich nehme allerdings an, daß die Versorgungsagentur einem bestimmten Bereich, nämlich dem Energiebereich, zugeordnet ist. Aber die Verhandlungen selbst werden autonom von der Versorgungsagentur der Euratom durchgeführt.
Herr Kollege Dr. Martin Mayer.
Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die Brennstoffmengen, die man für den künftigen Forschungsreaktor braucht, im Verhältnis zu den Mengen an spaltbarem Material, die in Rußland vorhanden sind, sehr gering sind, und habe ich Sie da richtig verstanden, daß es dennoch sinnvoll ist, auch mit Rußland über die Lieferung von spaltbarem Material oder von Brennstoff für diesen Zweck zu verhandeln, weil damit ein - wenn auch nur ganz geringer - Teil in eine geordnete Entsorgung in Europa kommt?
Es ist richtig, es ist nur ein geringer Teil. Es ist ebenfalls richtig, Herr Kollege Mayer, daß all das, was in den Bereich von Euratom integriert wird, einer sehr strengen und sehr scharfen Kontrolle unterzogen wird. Dies ist gerade deshalb wichtig, weil sich die Bedenken gegen hochangereichertes Uran auf die mögliche Fähigkeit, Bomben daraus herzustellen, beziehen. Je straffer dieses Material kontrolliert wird, desto eher ist dies ausgeschlossen. Deshalb stimme ich der Fragestellung zu.
Im übrigen wird, bezogen auf das Material, das in Rußland sicherlich in großer Menge vorhanden ist,
Part. Staatssekretär Bernd Neumann
der FRM eine kleine Menge benötigen. Der FRM braucht nach den jetzigen Planungen etwa 40 Kilogramm im Jahr. Um eine andere Dimension zu nennen: In Westeuropa wird für die noch mit HEU betriebenen Forschungsreaktoren jährlich eine Gesamtmenge von einigen hundert Kilogramm hochangereichertem Uran benötigt. Dies sind im Hinblick auf die Mengen, die in Rußland vorliegen - das kann man mehr oder weniger nur Berichten entnehmen -, ganz geringe Mengen.
Kollege Catenhusen.
Das gibt mir eine gute Gelegenheit zu meiner Nachfrage. Herr Staatssekretär, angesichts der Tatsache, daß in Rußland, glaube ich, Hunderte von Tonnen hochangereicherten Urans lagern und wir wahrscheinlich nicht versuchen - unterstützt von der Bayerischen Staatsregierung -, das alles aufzukaufen, sehen Sie nicht eher die Gefahr darin, daß durch den Verstoß der Euratom auch in Ländern in anderen Erdteilen, die Forschungsreaktoren betreiben und die bisher ihr Material dafür nur von der amerikanischen Regierung beziehen - wobei diese auch eine Rücknahmeverpflichtung gegenüber diesen Ländern eingeht; das heißt, die Länder bekommen das Material nur, wenn sie es nachher an die Amerikaner zurückgeben -, ein ziviler Käufermarkt für hochangereichertes Uran entsteht - wie von der SPD seit Jahren befürchtet -, an dem dann nicht nur die Euratom, sondern eine Vielzahl von Staaten, die Kernforschung betreiben, interessiert sind? Ich nenne als Beispiel Pakistan; das ist ein zarter Hinweis, wozu so etwas führen kann.
Herr Kollege, uns liegen keine Informationen vor, daß die Absicht der Bundesregierung - bzw. in erster Linie der Bayerischen Staatsregierung in Verbindung mit Zuschüssen der Bundesregierung -, einen solchen Reaktor zu betreiben, woanders gewisse Motivationen hervorruft, ähnliches zu tun. Das sind Vermutungen. Das kann sein, das muß aber nicht so sein.
Im übrigen weise ich darauf hin, daß es weltweit eine Vielzahl solcher Reaktoren gibt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6935
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6937
Metadaten/Kopzeile:
6938 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996 6939
Metadaten/Kopzeile:
6940 Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 17. Januar 1996
Da Frage 25, gestellt von der Kollegin Dr. Elke Leonhard, schriftlich beantwortet werden soll - die Antwort wird als Anlage abgedruckt -, Herr Staatsminister, bedanke ich mich für die ausführliche und erweiterte Beantwortung der Fragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Die Fragen wird uns der Parlamentarische Staatssekretär Eduard Lintner beantworten.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, die Fragen 26 und 27 des Kollegen Jüttner, die Frage 28 des Kollegen Koppelin und die Fragen 29 und 30 des Kollegen Krüger mögen bitte schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe Frage 31, gestellt vom Kollegen Dr. Burkhard Hirsch, auf und bitte um Beantwortung:
Ist es zutreffend, daß die Bundesregierung im Gegensatz zu anderen Ländern der EU die Beantwortung einer Statistik des Statistischen Amtes EUROSTAT - Mikrozensus 95 - auf der Grundlage der Ratsverordnung 3711/91 mit Zwangsgeldern bis zu 1 000 DM plus Gebühren durchsetzen läßt, obwohl die Ratsverordnung den einzelnen Mitgliedstaaten die Anwendung von Zwangsmitteln freistellt?
Herr Kollege Dr. Hirsch, die Antwort lautet: Die Verordnung 3711/91 des Rates vom 16. Dezember 1991 verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Durchführung einer jährlichen Stichprobenerhebung über Arbeitskräfte in der Gemeinschaft. Gemäß Art. 5 Abs. 2 haben die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, „daß die gewünschten Auskünfte wahrheitsgemäß, vollständig und fristgerecht erteilt werden. Die statistischen Ämter der Mitgliedstaaten können die Beantwortung der Fragen zwingend vorschreiben. "
Parl. Staatssekretär Eduard Lintner
In Deutschland wird die jährliche Arbeitskräfteerhebung gemäß § 13 des Mikrozensusgesetzes gemeinsam mit dem Mikrozensus durchgeführt, um die Befragten zu entlasten und den Erhebungsaufwand sowie die Kosten erheblich zu reduzieren. Gemäß § 13 Abs. 1 des Mikrozensusgesetzes werden die Merkmale der Arbeitskräfteerhebung, die mit den Mikrozensusmerkmalen übereinstimmen, den Mikrozensusmerkmalen gleichgestellt. Damit besteht grundsätzlich für die Arbeitskräfteerhebung Auskunftspflicht, soweit diese in § 9 des Mikrozensusgesetzes vorgesehen ist.
Der Mikrozensus und die Arbeitskräfteerhebung werden von den statistischen Ämtern der Länder durchgeführt. Sie können die Auskunftspflicht nach den landesrechtlichen Vorschriften im Falle einer Auskunftsverweigerung mittels Zwangsgeld durchsetzen. Ob Zwangsmittel angewendet werden, liegt im Ermessen der für die Durchführung der Statistiken zuständigen statistischen Ämter der Länder.
Die Arbeitskräfteerhebung wird in sieben weiteren Mitgliedstaaten der EU - Belgien, Griechenland, Frankreich, Italien, Portugal, Österreich und Norwegen - mit Auskunftspflicht durchgeführt. Ob sie Zwangsmittel zur Durchsetzung der Auskunftspflicht anwenden, ist nicht bekannt.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich muß wirklich sagen, daß es mich überrascht, daß Ihnen nicht bekannt ist, in welchen anderen europäischen Ländern Zwangsmittel nicht angewendet werden - es überrascht mich deswegen, weil es zwischen uns schon lange erörtert wird -, und möchte Sie fragen, ob Sie uns im Innenausschuß oder mir in absehbarer Zeit mitteilen können, in welchen anderen europäischen Ländern die Beantwortung dieser Fragen mit Zwangsmitteln durchgesetzt wird und mit welchen.
Herr Kollege Dr. Hirsch, ich bin gern bereit, zu veranlassen, daß die deutschen Botschaften in diesen Ländern entsprechende Fragen erhalten. Bei Eingang der Antworten werden wir Sie unverzüglich unterrichten.
Weitere Zusatzfrage? - Nein.
Dann rufe ich Frage 32 auf, die ebenfalls der Kollege Dr. Hirsch gestellt hat:
Ist es zutreffend, daß z. B. in dem 28seitigen Fragenkatalog ,, Stichprobenerhebung über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt" Fragen enthalten sind, die weit über das in der Bundesrepublik Deutschland geltende Mikrozensusgesetz hinausgehen, wie z. B., ob die Kinder des Befragten verheiratet sind, wo der Befragte arbeitet und bei welcher Krankenkasse er versichert ist?
Hier lautet die Antwort: Der weitaus überwiegende Teil der Erhebungsmerkmale der Arbeitskräfteerhebung stimmt mit Merkmalen des Mikrozensus überein. Nur für wenige Merkmale trifft dies nicht zu. Weder für den Mikrozensus noch für die Arbeitskräfteerhebung wird erfragt, ob die Kinder des Befragten verheiratet sind. Vielmehr werden für beide Erhebungen alle im Haushalt lebenden Personen nach dem Familienstand befragt. Die Fragen betreffend Zugehörigkeit zur gesetzlichen Krankenversicherung nach Kassenarten und Art des Versicherungsverhältnisses sind Mikrozensusmerkmale.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind in dem europäischen Mikrozensus Fragen enthalten, die wir für das Mikrozensusgesetz der Bundesrepublik abgelehnt haben?
Das kann ich Ihnen aus dem Stegreif nicht beantworten. Die Unterlagen geben dazu nichts her.
Zweite Zusatzfrage.
Auch dazu sage ich, daß das überraschend ist, weil Sie die Unterlagen ja selbstverständlich zur Verfügung haben. Man braucht beide Fragebögen an sich nur zu vergleichen, um festzustellen, ob sie identisch sind oder nicht. Ich möchte auch dazu fragen, ob Sie bereit sind, dem Innenausschuß und mir in Kürze zu sagen, in welchen Fragen der europäische Mikrozensus über den deutschen hinausgeht und ob Fragen darin enthalten sind, die wir für den deutschen Mikrozensus ausdrücklich abgelehnt haben.
Herr Dr. Hirsch, das werden wir umgehend nachholen.
Herr Kollege Hans Büttner, Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ich habe eine ergänzende Zusatzfrage zu der des Herrn Kollegen Hirsch. Dürfte ich Sie bitten, bei der Beantwortung der Frage, ob der europäische Mikrozensus Fragen beinhaltet, die nicht im Mikrozensusgesetz enthalten sind, auch zu prüfen, inwieweit die Fragen mit Entscheidungen des Verfassungsgerichts zur informationellen Selbstbestimmung der Betroffenen in Einklang stehen?
Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß alle Fragen damit in Einklang stehen, weil sie daraufhin überprüft worden sind. Aber auch
Parl. Staatssekretär Eduard Lintner
diese Detailfrage werden wir bei der Antwort selbstverständlich mit einbeziehen.
Danke sehr, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen.
Wir sind damit am Schluß der Fragestunde.
Ich unterbreche die Sitzung. Wir werden sie um 15 Uhr mit der Aktuellen Stunde fortsetzen.
Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
- Herr Kollege Fischer, lassen Sie mich hier einmal meine Arbeit tun.
Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Haltung der Bundesregierung zu widersprechenden Aussagen aus der Koalition zum Abbau des Solidaritätszuschlags
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Schulz.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde heute trägt nach dreifacher Verbiegung den merkwürdigen Titel „Haltung der Bundesregierung zu widersprechenden Aussagen aus der Koalition zum Abbau des Solidaritätszuschlags". Eigentlich müßte es „Haltungen" heißen. Es ist die Krise der Koalition.
Es ist die einfache und schlichte Frage, Herr Thiele: Überlebt diese Bundesregierung den Koalitionskrach um den Solidarzuschlag? Offenbar sind die meisten Ihrer Kollegen so damit beschäftigt, daß sie hier gar nicht erst erschienen sind. Ich weiß nicht, vielleicht sind Sie die übriggebliebenen letzten Liberalen.
Jedenfalls hat der Bundeskanzler wiederholt am Anfang des Jahres - vielleicht war es auch die wiederholte Neujahrsansprache - die Arbeitslosigkeit entdeckt. Aber anstatt den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit aufzunehmen, haben Sie den Kampf innerhalb der Koalition eröffnet. Anstatt sich um Beschäftigung zu kümmern, haben Sie sich in Selbstbeschäftigung gestürzt.
Auf jeden Fall erfährt man täglich neue Kapitel über den Überlebenskampf der F.D.P. Sie lassen kurz vor den Landtagswahlen noch einmal die dünnen liberalen Muskeln spielen.
Doch unser Land braucht Handlungen und keine Koalitionsverhandlungen.
Normalerweise könnte sich ja die Opposition über die Schwäche der Regierung freuen. Doch Ihre Handlungsunfähigkeit erzeugt einfach Stillstand, obwohl wir neue Impulse für dieses Land bräuchten, obwohl wir eine wirtschaftlich-ökologische Erneuerung bräuchten, obwohl wir eine institutionelle Modernisierung bräuchten. Was hier läuft, ist Populismus und nicht Politik. Und vor allen Dingen: F.D.P. - eine Frage des Populismus.
Ich habe ja Verständnis, Herr Thiele, wenn Sie sich auf Kosten Ihres Koalitionspartners profilieren wollen.
Dafür gab es genügend Gelegenheiten: die doppelte Staatsbürgerschaft und das Haushaltssicherungsgesetz. Selbst bei der Diätenerhöhung sind Sie umgefallen, und es ging in die Hose, besser gesagt - besser verdient -: in die eigene Hosentasche. Aber Sie profilieren sich nicht auf Kosten des Koalitionspartners, sondern Sie profilieren sich auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger. Das ist das Problem.
Sie profilieren sich auf Kosten der neuen Bundesländer. Auf dem Rücken der neuen Bundesländer versuchen Sie den starken Mann zu markieren. Sie mißbrauchen den Aufbau Ost und die Interessen dieses vereinten Landes für Ihre eigenen Überlebensinteressen. Das ist doch im Moment die Situation.
Entweder ist die Einführung des Solidarbeitrags sachgerecht gewesen oder nicht.
Werner Schulz
Dabei ist der Solidarbeitrag doch eines der traurigsten Kapitel der Regierungskunst dieser Regierung.
Es ist eigentlich eher der Kapitalfehler der deutschen Einheit: keine Steuererhöhungen, dann Füllung der Kriegskassen für den Golfkrieg, Wiederabschaffung, Wiedereinführung und jetzt die Diskussion über den Wiederabbau des Solidarbeitrags.
Neben den vielen Bündnissen, die momentan wie Papierkrampen durch die Bonner Luft schwirren und den schnellen oder schweren Brüter im Kanzleramt nicht erreichen, sollten Sie nicht vergessen, daß wir ein Bündnis zwischen Ost und West brauchen, und das haben Sie hier zum Wahlkampfthema gemacht.
Ich fordere vor allen Dingen die Bundesregierung auf, daß sie dieses Wahlkampfthema heute hier verbindlich einstellt. Das gilt auch für die durchsichtige Ankündigung, 1998 den Solidarbeitrag abzubauen. Es ist doch erkennbar, worum es hier geht.
Wir wollen nicht über die Besitzstandswahrung diskutieren, sondern über die Neubegründung der Solidarität. Darüber können wir uns hier gern unterhalten.
Sicherlich muß in diesem Land gespart werden. Aber tun Sie doch nicht so, als sei die Erhöhung der Staatsquote wie eine Kefirkultur ohne das Zutun der F.D.P. in diesem Land von selbst gewachsen. Das, was Sie da zeigen, ist einfach zu billig.
Warum haben Sie sich nicht gegen die sachfremde Finanzierung der deutschen Einheit gestellt? Dadurch haben Sie doch die gleichen Lohnnebenkosten mit hochgetrieben, deren Höhe Sie jetzt in der Standortdebatte beklagen.
Was ist denn aus der großartigen Subventionseinsparung des Ministers Möllemann geworden? Sie ist offenbar im Kleinmut seines Nachfolgers auf Einkaufswagenchipgröße geschrumpft.
Auf jeden Fall sollten Sie diesen entsetzlichen Koalitionsstreit zu Ende bringen. Koalitionskrach oder -bruch - Sie müssen entscheiden, wohin Sie wollen.
Eins will ich Ihnen in aller Klarheit sagen: Die Methode Genscher, also der flotte Wechsel oder der bravouröse Abgang in einer Legislaturperiode, um dann mit großen Lauschern den politischen Vorruhestand im Parlament zu genießen, diese Methode wird nicht mehr klappen.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Peter Harald Rauen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schulz, bei der Diskussion um den Solidaritätszuschlag von einer Krise der Regierung zu sprechen,
das ist wirklich mehr als übertrieben.
Da ist bei Ihnen offenbar der Wunsch Vater des Gedankens.
Ich halte es ohnehin für völlig übertrieben, wie von allen Seiten die Frage hochgezogen wird, wann der Solidaritätszuschlag abgebaut werden soll.
Ich habe bisher von niemandem - auch nicht von seiten der Opposition - gehört, daß er den Solidaritätszuschlag nicht abbauen will. Da ich bisher auch von niemandem gehört habe, daß er ihn unter Inkaufnahme neuer Schulden abbauen will, ist eines völlig klar:
Es müssen erst Finanzspielräume dasein, um den Solidaritätszuschlag abbauen zu können. Diese Spielräume entstehen nur dann - vielleicht hört auch der Kollege Fischer einmal zu; er kann vielleicht doch noch etwas lernen -, wenn die Ausgaben des Staates auf allen Ebenen geringer steigen, als unser Bruttosozialprodukt wächst.
Es wäre deshalb meiner Meinung nach gut, wenn die Opposition überall dort, wo sie Verantwortung trägt,
für eine Begrenzung der Ausgabenzuwächse eintreten und zur Erreichung größerer Finanzspielräume beitragen würde.
- Frau Matthäus-Maier, hören Sie einmal zu; auch Sie können noch einiges lernen.
Während die Ausgaben des Bundes im Durchschnitt der nächsten vier Jahre um 1,3 Prozentpunkte steigen, ist weder bei der Finanzplanung der Länder noch der Gemeinden, noch der Sozialversicherungskassen zu erkennen, daß ähnliche Anstrengungen unternommen würden.
Peter Harald Rauen
Macht euch bitte eines klar: Wenn auf allen staatlichen Ebenen die Ausgaben nur um 1,3 Prozentpunkte steigen würden - bei einem angenommenen Wachstum von 4,3 Prozent nominal, was noch realistisch ist -, dann hätten wir in vier Jahren einen Finanzspielraum von jährlich 45 Milliarden DM, sprich: insgesamt 180 Milliarden DM, die zur Absenkung von Neuverschuldung und zur Reduzierung von Steuern und Abgaben genutzt werden könnten.
Dann müßten aber alle im Boot mitmachen, und zwar in den Ländern, in den Gemeinden, auch da, wo Sozialdemokraten oder Grüne mit die Verantwortung haben.
Wenn nicht allen politisch Verantwortlichen klar wird, daß es zur Konsolidierung über die Ausgaben keine Alternative gibt, um bei gleichzeitig gutem Wirtschaftswachstum Finanzspielräume zu erwirtschaften, werden wir noch lange auf den Abbau der Steuer- und Abgabenquote warten müssen.
Das ständige Nennen des Solidaritätszuschlags finde ich lächerlich vor dem Hintergrund, daß wir 44 Prozent Steuer- und Abgabenquote haben, wovon der Solidaritätszuschlag mit seinen 28 Milliarden DM gerade einmal 0,8 Prozent ausmacht.
Wäre es vor dem Hintergrund wachsender Arbeitslosigkeit und der viel zu hohen Lohnzusatzkosten eventuell nicht sinnvoller, mit den durch Konsolidierung über die Ausgaben frei werdenden Finanzmitteln erst einmal den Anteil der Arbeitslosen- und Rentenversicherung über Steuern zu finanzieren, der 1991 zum Aufbau Ost über Beiträge hereingeholt wurde?
Hierbei dreht es sich um 45 Milliarden DM oder drei Beitragspunkte in der Sozialversicherung, die zu korrigieren mindestens genauso nötig wäre wie der Abbau des Solidaritätszuschlages.
Es wird endlich Zeit, daß auf allen staatlichen Ebenen Ernst gemacht wird mit den Bemühungen, die Staatsquote unter Absenkung der Steuer- und Abgabenquote zu reduzieren.
Meine Damen und Herren, jeder Prozentpunkt Differenz, um den die Ausgaben aller staatlichen Ebenen einschließlich Sozialversicherung weniger steigen, als die Wirtschaft nominal wächst, bringt 15 Milliarden DM Steuern und Abgaben in staatliche Kassen, die zur Verringerung von Neuverschuldung und zum Abbau von Steuern und Abgaben genutzt werden können. Es wäre eine Leichtigkeit, sehr schnell nicht nur den Solidaritätszuschlag, sondern auch die Beiträge zur Sozialversicherung durch Übernahme versicherungsfremder Leistungen über
Steuern zu reduzieren, wenn endlich alle politischen Kraftanstrengungen auf dieses Ziel ausgerichtet würden.
Wenn es dann noch gelänge, endlich klarzumachen,
daß Lohnzusatzkosten auch deswegen zu hoch sind, weil wir zuwenig arbeiten und zu viele bezahlte Nichtarbeitstage haben, dann wäre die Richtung vorgegeben, die uns hoffen lassen würde, auf dem Arbeitsmarkt Erfolge einzufahren.
Vor diesem Hintergrund wirkt der Streit um den Solidaritätszuschlag kleinkariert und unpolitisch. Natürlich muß er bald abgebaut werden und ganz verschwinden. Das gilt aber auch für viele andere Steuern und Abgaben, welche die Beschäftigung in Deutschland und den Arbeitsmarkt strangulieren.
Schönen Dank.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Ingrid Matthäus-Maier.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was sich die Bundesregierung nun seit Wochen an Gezerre um den Solidaritätszuschlag leistet, ist ein Trauerspiel besonderer Art. Jeden Tag hören wir etwas Neues aus der Koalition: Soli runter. Soli runter 1997. Soli runter 1998. Soli runter vielleicht auf zehn Jahre, sagt der Herr Ost von der CDU. - Nein, so geht das nicht weiter. Eine Bundesregierung, die ihre Kraft seit Wochen in Streitereien über den Solidaritätszuschlag vergeudet, statt die gesamte Energie auf die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen zu konzentrieren, ist einfach nicht regierungsfähig, meine Damen und Herren.
Da sagen Koalitionsabgeordnete im Januar 1996, sie würden im November 1996 dem Haushalt des Kanzlers nicht zustimmen, wenn das und das nicht geschähe. Das hört sich der Kanzler alles an. Ich kann nur sagen: Ein Bundeskanzler, der, statt dieses Theater zu beenden, Kochbücher herausgibt, verfehlt seine Aufgabe.
Diese Verunsicherung von Bürgern und Wirtschaft kann so nicht weitergehen. Wir kennen ja das Strickmuster bei der F.D.P. Die F.D.P. erhebt Milliardenforderungen, ohne einen einzigen Finanzierungsvorschlag mitzuliefern. Das würde bedeuten:
Ingrid Matthäus-Maier
Solidaritätszuschlagsabsenkung auf Pump. Das würde bedeuten: Noch höhere Schulden und noch höhere Steuern,
damit die Zinsen auf die noch höheren Schulden gezahlt werden können. Da sich die F.D.P. außerdem beim Subventionsabbau immer querlegt, ist das Ganze, was Sie zum Solidaritätszuschlag äußern, schlichtes Wahlkampfgetöse, meine Damen und Herren.
Wenn man das der F.D.P. vorhält, dann sagt sie immer, mit den Schulden habe sie gar nichts zu tun, auch nichts mit der Arbeitslosigkeit; mit der enorm hohen Steuer- und Abgabenbelastung habe sie ebenfalls nichts zu tun. Da kann ich nur sagen: Solche billigen Tricks kennen wir. Die F.D.P. war zwar immer in Verantwortung, aber nie ist sie für irgend etwas verantwortlich. Dieses Spiel durchschauen die Leute ziemlich schnell.
Auch der Herr Waigel jammert. Dem gefällt nämlich das Spiel von der F.D.P. nicht. Er sagt, er könne das nicht bezahlen. Nur ist an dieser Situation Herr Waigel selber schuld. Er legt bei den Haushaltsberatungen nämlich regelmäßig geschönte Zahlen vor, um den Eindruck zu erwecken, er habe alles im Griff, das Geld sei da, und alles sei paletti. Dann darf er sich aber nicht wundern, wenn sein Koalitionspartner versucht, mit den geschönten Zahlen Steuern zu senken. Das Spiel geht nicht auf, weil das Geld einfach nicht da ist.
Nein, meine Damen und Herren, so vermischt sich die Unseriosität der F.D.P. mit der Unseriosität von Herrn Waigel zu einem ärgerlichen Gebräu, das Wirtschaft und Bürger täglich verunsichert. Nicht die Arbeitnehmer sind es, wie Sie gerne sagen, sondern die Verunsicherung durch diese Bundesregierung, ja, die Bundesregierung selber ist der eigentliche Standortnachteil dieses Landes Bundesrepublik Deutschland.
Unsere Position: Die Steuern und Sozialabgaben sind ohne Zweifel zu hoch und müssen gesenkt werden. Der Solidaritätszuschlag, der übrigens - was viele nicht wissen - auch von den Ostdeutschen gezahlt wird und nicht nur von den Westdeutschen,
muß schrittweise in dem Maße zurückgeführt werden,
wie der Aufbau Ost vorankommt.
Wir wissen aber, daß das länger dauert, als von Ihnen prognostiziert.
Es bestehen aber noch Handlungsspielräume. Wenn ich gestern lese, daß die Bundesregierung nicht nur 140, sondern 180 Jäger 90 anschaffen will, dann können Sie mir nicht sagen, es gebe kein Geld.
Wenn Sie die Steuerhinterzieher durch Ihre Gesetzgebung in diesem Lande schonen,
- ja, sicher; warum freuen Sie sich so? -, um dann dem ehrlichen Steuerzahler Jahr für Jahr mehr Steuern und Abgaben aufzuerlegen, dann ist das unglaubwürdig.
Setzen Sie sich endlich mit dem Problem Steuerhinterziehung auseinander! Am Montag dieser Woche stand ein langer Artikel im „Spiegel", daß Steuerforderungen des Staates verjähren, weil der Staat nicht in der Lage und bereit ist, die Steuerhinterziehung durch Betriebsprüfer zu bekämpfen. Tun Sie zusammen mit den Ländern endlich etwas! Dann haben wir auch das Geld, um den Solidaritätszuschlag abzusenken.
Letztes Beispiel: Wenn in der Zeitung steht, daß in Hamburg von 4 500 Einkommensmillionären 2 000 keine Steuern zahlen, weil sie durch Abschreibungsmöglichkeiten ihr zu versteuerndes Einkommen reduzieren, dann sage ich Ihnen dazu: Sorgen Sie endlich dafür, daß gemeinsam mit uns Steuersubventionen abgebaut werden! Dann können wir auch so schnell wie möglich die Finanzmittel schaffen, um den Solidaritätszuschlag abzubauen.
Unsere Vorschläge zum Abbau von Steuersubventionen liegen auf dem Tisch.
- Das wissen Sie: in der großen Liste des letzten Sommers. Greifen Sie sie auf, dann machen wir dies zusammen.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Carl-Ludwig Thiele.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Seitens der SPD liegen keine Vorschläge vor, Frau Matthäus-Maier.
Carl-Ludwig Thiele
Das wissen Sie. Die SPD im Bundestag hat zum Jahressteuergesetz nichts vorgelegt. Das war der Bundesrat, weil Sie sich hier in der Öffentlichkeit des Deutschen Bundestages gedrückt haben, etwas vorzulegen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Solidaritätszuschlag muß in 1997 gesenkt werden. Hierin sind wir uns in der F.D.P. einig.
Dies sind wir den Bürgern und den Arbeitssuchenden in Deutschland dringend schuldig. Den Bürgern deshalb, weil bei der Verabschiedung des Solidaritätszuschlages von allen Parteien erklärt wurde, das Aufkommen des Solidaritätszuschlages stehe ausschließlich dem Bund zu. Als Ergänzungsabgabe dient der Solidaritätszuschlag dem Zweck, nicht als Daueraufgabe, sondern befristet die Leistungen des Bundes für den dringend notwendigen Aufbau der neuen Bundesländer mitzufinanzieren.
Die F.D.P. bekennt sich ausdrücklich zur Notwendigkeit der finanziellen Unterstützung des Aufbaus in den neuen Bundesländern.
Wir stellen aber fest, daß dieser Deutsche Bundestag am 10. November 1995 den Bundeshaushalt für 1996 mit den Stimmen der Koalition, mit der Kanzlermehrheit - die zwar nicht erforderlich war, aber über die diese Koalition nun einmal verfügt -
verabschiedet hat.
In diesem Haushalt sinken die Nettotransferleistungen des Bundes von 101 Milliarden DM auf 88 Milliarden DM, mithin um 13 Milliarden DM. Der Bundesrat, auch die neuen Bundesländer, auch die Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer haben diesen Haushalt am 15. Dezember 1995 im Bundesrat akzeptiert. Auch die in Sachsen-Anhalt von der PDS geduldete Minderheitsregierung hat ihn akzeptiert, so daß ich feststellen kann: Der Bund und die Länder sind der Auffassung, daß in diesem Jahr seitens des Bundes 13 Milliarden DM netto weniger für den Aufbau der neuen Bundesländer erforderlich sind.
Hieraus zieht die F.D.P. den logischen Schluß: Wenn der Solidaritätszuschlag eingeführt wurde, um den Nettotransfer des Bundes in die neuen Bundesländer mitzufinanzieren, dann muß dieser gesenkt werden, wenn die Leistungen des Bundes für den Aufbau der neuen Bundesländer zurückgehen.
Der Solidaritätszuschlag ist doch keine Dauereinnahme des Staates. Insofern überzeugt es mich auch nicht, wenn von einzelnen Politikern erklärt wird: Wir benötigen aber das Aufkommen des Solidaritätszuschlags zur Finanzierung des Kohlepfennigs von 8 Milliarden DM, zur Finanzierung der Kosten der Bahnreform von 6 Milliarden DM und sowieso deshalb, weil der Staat doch das Geld, was er einmal vom Bürger kassiert, diesem nicht zurückgeben darf. - So darf mit dem Vertrauen und dem Gefühl der Bürger in Ost und West, die diese Sonderabgabe an den Bund zu zahlen haben, nicht umgegangen werden.
Ich zitiere kurz den Sachverständigenrat, der im November 1995 festgestellt hat:
Anders als in der öffentlichen Diskussion vielfach behauptet wird, besteht keine direkte Zweckbindung zwischen dem Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag und irgendwelchen Leistungen an die neuen Bundesländer oder den Annuitäten, die der Bund für den Erblastentilgungsfonds zu zahlen hat. Es ist deshalb auch unzutreffend, wenn immer wieder darauf hingewiesen wird, der Solidaritätszuschlag müsse allein schon deshalb noch auf Jahre erhoben werden, weil die Leistungen an die neuen Bundesländer und die Annuitäten für den Erblastentilgungsfonds noch für einen längeren Zeitraum erforderlich sein werden.
- Ich zitiere gerade, Herr von Larcher; sagen Sie das doch dem Sachverständigenrat.
Ich zitiere weiter den Sachverständigenrat:
Da es gute Gründe gibt, den Solidaritätszuschlag bald - möglicherweise schrittweise - abzubauen ..., müßten die Leistungen an die neuen Bundesländer und für den Erblastentilgungsfonds auf andere Weise finanziert werden. Wir halten dafür Ausgabenkürzungen bei anderen Budgetposten und den Abbau von ungerechtfertigten Steuervergünstigungen für geeignet.
So der Sachverständigenrat im November 1995.
Das dringendste Problem, das wir derzeit haben, ist die Arbeitslosigkeit. Die Politik muß Lösungswege aufzeigen, wie die Arbeitslosigkeit gesenkt wird.
Diese Koalition hat durch die Senkung der Staatsausgaben und die Rückführung der Staatsquote in den Jahren 1982 bis 1990 dafür gesorgt, daß in der Wirtschaft, daß in den Betrieben in Deutschland 3,5 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze entstehen konnten.
Carl-Ludwig Thiele
Dieses ist der Weg, den wir beschreiten müssen. Wir haben in Deutschland nicht zu viele Staatseinnahmen, wir haben zu viele Staatsausgaben. Deshalb muß ernsthaft weiter gespart werden.
Lassen Sie uns kurzfristig ein Signal an die Bevölkerung, an die Wirtschaft geben: Wir dürfen nicht nur über Steuersenkungen reden, die dann im Vermittlungsausschuß bei den SPD-geführten Ländern sowieso wieder versanden und gegenfinanziert werden und auf die lange Bank geschoben werden. Lassen Sie uns die Kraft finden, jetzt ein klares Signal zu setzen!
Lassen Sie uns kurzfristig, möglichst noch im Frühjahr,
die Senkung des Solidaritätszuschlags in 1997 beschließen! Das fordern der Sachverständigenrat, die wirtschaftswissenschaftlichen Institute, der BDI, der DIHT, der Bund der Steuerzahler sowie die Mittelstandsvereinigung der Union schon seit November 1995 und gerade in der letzten Woche noch die CDU in Hessen. Dieses ist das Signal an die Wirtschaft und an die Arbeitssuchenden: daß über die Verbesserung des Standortes Deutschland und über die Arbeitsbedingungen in Deutschland nicht nur geredet, sondern daß auch gehandelt wird.
Es spricht jetzt die Abgeordnete Barbara Höll.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor einigen Wochen besann sich die F.D.P. auf ihre Koalitionsvereinbarung mit der CDU/CSU und klagt deren Einhaltung nun - mehr oder weniger wortgewaltig - ein. Herr Walter Döring als baden-württembergischer F.D.P.-Chef
droht heute sogar, die Landtagswahlen zu einer „Volksabstimmung über die Steuerpolitik" zu machen. Dabei sind Volksabstimmungen doch wohl das letzte, was sich die Koalitionsparteien und damit auch die F.D.P. in der Politik wünschen. Wie war es denn beim Maastrichter Vertrag? Wie war es denn bei der Diskussion über das Grundgesetz? Die direkte Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern wollen Sie von der CDU/CSU und der F.D.P. gerade nicht.
Nun zur Steuerpolitik insgesamt. Sie von der F.D.P. haben sie doch seit 1982 schön brav zusammen mit der CDU/CSU getragen, eine Steuerpolitik, die konsequent eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben zementiert und beschleunigt hat. Ich kann mich zumindest nicht erinnern, aus Ihren Reihen auch nur eine Stimme gehört zu haben, die 1990 gegen die Senkung der Spitzensteuersätze bei der Einkommensteuer protestiert hätte.
Wie haben Sie sich denn bei der Senkung der Körperschaftsteuersätze oder bei der „Begradigung" des Einkommensteuertarifs entschieden? Sie wissen genau: Das bewirkt jährlich einen Ausfall von etwa 36 Milliarden DM. Im Vergleich dazu: Für 1995 wurden dadurch Steuerausfälle in Höhe von 30 Milliarden DM erwartet. Wir haben heute im Finanzausschuß erneut darüber gesprochen.
Die ganze Diskussion über den Solidaritätszuschlag ist meines Erachtens eine von der Regierungskoalition geschickt organisierte, öffentlich ausgetragene Scheindiskussion zum Wahlkampf, nur damit die F.D.P. für Wählerinnen und Wähler wieder interessant wird.
Eine Zweitstimmenkampagne kam für 1996 nicht in Frage, also entschied man sich für diesen Weg.
Da Sie uns nun diese Diskussion, die nicht ehrlich gemeint ist, aufzwingen, möchte ich noch einmal ausdrücklich betonen - gegen weit verbreitete Meinungen, durch die Presse befördert -: Was ist denn eigentlich der Solidaritätszuschlag? Als Ergänzungsabgabe bezeichnet, ist er in Wahrheit eine Steuer auf die Steuer,
deren Bemessungsgrundlage das Einkommen ist.
Voraussetzung ist, daß man auf ein Einkommen Steuern zahlen kann. Ich versichere Ihnen: Sehr, sehr viele Menschen, gerade auch in den neuen Bundesländern, würden auch noch den Solidaritätszuschlag in Kauf nehmen, wenn sie denn die Möglichkeit hätten, Einkommen zu erzielen, auf das sie Steuern zahlen.
Aber bei 15 % Arbeitslosigkeit sind diese Menschen wirklich darauf angewiesen, daß von der Regierung endlich machbare Vorschläge kommen - für einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, für die tatsächliche Schaffung von Arbeitsplätzen.
- Dann setzen Sie sich einmal damit auseinander. Sie wehren das ja ab.
Dr. Barbara Höll
Es geht beim Solidaritätszuschlag um zwei Probleme: Erstens. Sind Transferleistungen für die neuen Bundesländer notwendig? Zweitens. Ist der Solidaritätszuschlag in seiner jetzigen Form das geeignete Mittel, oder gibt es nicht noch andere Finanzierungsquellen, um von der eintönigen Leier insbesondere der CDU/CSU - „Wir müssen sparen, sparen, sparen! " - wegzukommen?
In Übereinstimmung mit allen ostdeutschen Ministerpräsidenten möchte ich auch hier noch einmal für die PDS betonen: Wir denken, Transferleistungen sind absolut notwendig.
Herr Thiele, was Sie ausgeführt haben, beschreibt die Zwangslage, in der sich die Ministerpräsidenten befinden. Wie sieht es denn konkret aus? Mit dem Haushalt 1996 sind viele ostdeutsche Bundesländer nicht mehr in der Lage, die Bundesfördermittel in vollem Umfang abzurufen. Gerade Sachsen-Anhalt hat sich in den Haushaltsberatungen sehr strikt an den obersten Grundsatz gehalten, möglichst viel davon abrufen zu können, das heißt, an anderen Stellen zu sparen.
Aber wie sieht es denn zum Beispiel in Sachsen aus? Stellen nach § 249h AFG werden auslaufen, weil keine Gegenfinanzierung vorhanden ist. Und warum ist sie nicht vorhanden? Weil Sie, insbesondere mit Ihrer Sozialpolitik, viele Probleme, die eigentlich der Bund lösen müßte, auf Land und Kommunen abschieben.
Diese sind tatsächlich nicht in der Lage, über ihre Haushalte zu verfügen, sondern sind bis zum letzten gebunden und müssen sich verschulden.
Was nützt es mir, wenn mir jemand hundert Mark geben will, aber ich selbst hundert Mark dazulegen muß, bevor ich etwas damit anfangen kann? Wenn ich die hundert Mark nicht habe, nützt es mir nichts. Das ist das Problem, das sich im Osten ganz klar stellt.
Als letztes zu der Frage, ob der Solidaritätszuschlag überhaupt ein geeignetes Mittel ist: Wir haben von Anfang an gesagt, daß er eben kein geeignetes Mittel ist. Es geht um eine sozial gerechte Finanzierung der Einheit. Diese hat die Regierungskoalition von Anfang an nicht gewollt. Sie haben bis heute nicht die immensen Zusatzgewinne der Banken abgeschöpft. Möglichkeiten dazu wären vorhanden.
Ein Beispiel der Steuersubvention habe ich aufgeführt: Heute, 1996, muß der Solidaritätszuschlag von Einzelpersonen bereits bei einem Jahreseinkommen von 17 000 DM gezahlt werden. Steuerhinterziehungen machen ganz andere Größenordnungen aus. Ersetzen Sie die Ergänzungsabgabe! Es stimmt eben nicht, daß die Bezieher mittlerer und höherer Einkommen durch diese Regierungskoalition in den letzten Jahren besonders belastet wurden. Wir haben
das Beispiel Hamburg von der Kollegin MatthäusMaier gehört. Das spricht ja wohl für sich. Einkommensmillionäre brauchen zum großen Teil nicht zu zahlen. Erheben Sie auf deren Einkommen einen Abschlag! Dann können wir weiter darüber reden, wie die Einheit finanziert werden soll.
Ich bedanke mich.
Das Wort für die Bundesregierung hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Hansgeorg Hauser.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Matthäus-Maier, es ist schon rührend, wie Sie um die Bundesregierung besorgt sind. Ich bewundere es, wie Sie es schaffen, in jeder Rede den Jäger 90 unterzubringen.
Ich empfehle Ihnen aber, einmal Ihren wirtschaftspolitischen Sprecher zu fragen, was er zu diesem Thema meint. Wahrscheinlich wird er dann wieder umfunktioniert zum gesundheitspolitischen Sprecher. Es amüsiert ihn übrigens außerordentlich, daß er immer von hier nach dort verschoben wird.
Die Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und F.D.P. enthält in bezug auf den Abbau des Solidaritätszuschlags eine ganz klare Aussage - ich zitiere -:
Da der Solidaritätszuschlag zur Finanzierung des Transfers des Bundes für die neuen Länder im Rahmen des Finanzausgleichs dient, muß er bei Rückführung dieser Belastungen oder bei einem dauerhaft stärkeren Anstieg der Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag gegenüber den Annahmen des Finanzplans entsprechend zurückgeführt werden.
Das sind also zwei Kriterien für die Rückführung des Solidaritätszuschlages: zum ersten die Finanzierung des Transfers in die neuen Länder im Rahmen des Finanzausgleichs und zum zweiten der stärkere Anstieg der Einnahmen aus diesem Solidaritätszuschlag.
Ich komme zum ersten Kriterium. Durch die Formulierung in der Vereinbarung „Transfer des Bundes für die neuen Länder im Rahmen des Finanzausgleichs" wird ein enger Zusammenhang zwischen der Rückführung des Solidaritätszuschlages und
Parl. Staatssekretär Hansgeorg Hauser
einer Revision der Umsatzsteuerverteilung hergestellt.
Der Bund hat den Ländern im Rahmen des Föderalen Konsolidierungsprogramms von seinem Anteil an der Umsatzsteuer unbefristet sieben Umsatzsteuerpunkte abgetreten. Damit finanziert der Bund die Vorwegauffüllung bei der horizontalen Umsatzsteuerverteilung zugunsten der neuen Länder. Mit dieser Vorwegauffüllung wird die Finanzkraft der neuen Länder vor dem Länderfinanzausgleich in Richtung der durchschnittlichen Finanzkraft der Ländergesamtheit angehoben.
Bei einer Überfinanzierung haben die Länder für diese Vorwegauffüllung nicht benötigte Umsatzsteuereinnahmen an den Bund zurückzuübertragen. Damit mindern sich die Belastungen des Bundes aus den Transfers für die neuen Länder. Bei einer Rückgabe dieser nicht mehr benötigten Umsatzsteuerpunkte durch die Länder hätte der Bund Spielraum für eine Rückführung des Solidaritätszuschlages.
Liebe Frau Matthäus-Maier, nun komme ich zu den Steuerschätzungen. Das sind keine geschönten Zahlen. Sie wissen, wie Steuerschätzungen durchgeführt werden. Daran sind Sachverständige beteiligt. Wir lesen in der Zeitung leider immer wieder, daß die Sachverständigen, die eine Meinung dazu abgegeben haben, ein paar Monate später eine ganz andere Meinung vertreten. Das sollte man nicht alles der Bundesregierung in die Schuhe schieben.
Auf der Basis der kurzfristigen Steuerschätzung vom Oktober 1995 ergibt sich für 1996 eine im Vergleich zum Gesamtaufkommen aus dem Solidaritätszuschlag von etwa 29 Milliarden DM nur geringe Überfinanzierung dieser Vorwegauffüllung in einer Größenordnung von 1,7 Milliarden DM.
Gesicherte und quantifizierbare Aussagen über die Entwicklung im Zeitraum nach 1996 können zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gemacht werden, da eine aktuelle mittelfristige Steuerschätzung nicht vorliegt. Allerdings ist für die Folgejahre tendenziell eine Zunahme der Überfinanzierung der Vorwegauffüllung zu erwarten. Sollte diese Tendenz in der mittelfristigen Steuerschätzung im Mai dieses Jahres
- das ist der nächste Termin - eine Bestätigung finden, dann bestünde - -
- Mein lieber Herr Fischer, die Steuerschätzung findet regelmäßig zweimal im Jahr statt. Das wissen Sie ganz genau.
- Also sollten Sie solche Bemerkungen unterlassen. Sie sind nicht sachgemäß.
Wenn sich diese Tendenz bestätigt, dann bestünde ab 1998 eine Überfinanzierung der Vorwegauffüllung. Damit würden Spielräume für eine Rückführung des Solidaritätszuschlages eröffnet.
- Herr Thiele kann hier doch sehr wohl eine persönliche Meinung vertreten. Das gestehen Sie ihm doch zu. Auch Sie haben doch Ihre Meinung vertreten.
- Herr Fischer, bei Ihrer Lautstärke könnten Sie, glaube ich, alleine ganze Fischer-Chöre bilden. Das wäre vielleicht auch unterhaltsam.
Lassen Sie mich zum zweiten Kriterium der Vereinbarung kommen.
Gegenüber den Annahmen des Finanzplanes zeichnet sich dauerhaft kein stärkerer Anstieg der Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag ab.
Im Gegenteil: Durch das steuerliche Existenzminimum nach dem Jahressteuergesetz 1996 sind die Aufkommenserwartungen für den Solidaritätszuschlag gegenüber den Annahmen zum Zeitpunkt der Koalitionsvereinbarung sogar zurückgegangen. Das nach der Steuerschätzung vom Oktober 1995 auch mittelfristig zu erwartende geminderte Steuereinnahmenniveau wird sich zusätzlich negativ auf die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag auswirken.
Für 1997 ist zunächst ein Stabilitätspakt zur Defizitbegrenzung erforderlich.
Der Umfang der Konsolidierungsaufgabe ergibt noch keine Spielräume für eine Rückführung des Solidaritätszuschlages im Jahre 1997.
Meine Damen und Herren, die gespannte Haushaltslage des Bundes läßt keine anderen Zugeständnisse zu. Die vorübergehenden Wachstumsabschwächungen und die damit verbundenen Wirkungen der automatischen Stabilisatoren führen beim Bund zu deutlich höheren Belastungen, als es im Finanzplan vom letzten Sommer unterstellt wurde. Wir haben
Parl. Staatssekretär Hansgeorg Hauser
auch in den kommenden Jahren Steuermindereinnahmen zu erwarten. Wir haben Mehrbelastungen durch den Arbeitsmarkt zu erwarten. Wir haben allein für 1997 gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung bei Umsetzung aller Sparbeschlüsse und strikter Geltung des Moratoriums, also keinen Leistungsverbesserungen, einen Konsolidierungsbedarf in Höhe von 20 Milliarden DM.
Bei einem Abbau des Solidaritätszuschlages im Jahre 1997 um beispielsweise 2,5 Prozentpunkte müßten weitere 10 bis 12 Milliarden DM eingespart werden.
Wenn das gelingt, Herr Thiele, wäre selbstverständlich die Chance für Spielräume gegeben.
Ich bin gespannt, welche Beiträge die Opposition zu diesen Einsparungsvorschlägen einbringt. Wahrscheinlich werden dann wieder auf der einen Seite die hohen Sonderabschreibungen bejammert, die in den Gesetzen enthalten sind, auf der anderen Seite, daß nicht genügend Investitionsbereitschaft vorhanden ist.
Eines jedenfalls steht fest: Auf Pump wird es keine Steuersenkungen geben.
Wir müssen die Maastricht-Kriterien einhalten, von denen wir in diesem Jahr eines noch nicht erfüllen können.
Wir haben einen Konsolidierungsbedarf der öffentlichen Haushalte. Konsolidierung ist das Gebot der Stunde.
- Herr Fischer, das, was ich sage, interessiert Sie anscheinend gar nicht. Sie wissen genau, daß wir eine Kapitalmarktentlastung erreichen müssen. Dadurch erreichen wir entsprechend stabile Erwartungen und Vertrauen in die Märkte, niedrige Zinsen und niedrige Inflationsraten. Das ist das, was wir schaffen müssen.
Damit stärken wir das Wachstum am Standort Deutschland und sichern Arbeitsplätze.
Wir müssen unsere Zinszahlungen durch Schuldenabbau begrenzen; denn nur dadurch, nicht anders, erhöhen wir die Spielräume zum Abbau des Solidaritätszuschlages.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Joachim Poß.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Streit in der Koalition über den Solidaritätszuschlag ist ein Spiegelbild der Finanzpolitik dieser Bundesregierung.
Die Politik des Bundesfinanzministers ist ohne klares Ziel. Sie ist nicht berechenbar. Sie ist planlos und chaotisch. Wir haben hier ein Beispiel dafür erlebt: die Auseinandersetzung zwischen Herrn Thiele und Herrn Hauser. Man muß doch fragen: Wer hat denn recht? Wer führt die Bevölkerung hinters Licht? Das muß doch wohl heute zu klären sein.
Früher hat der Bundesfinanzminister erklärt, wenn die Leistungen des Bundes im Finanzausgleich für die neuen Länder zurückgingen, werde der Solidaritätszuschlages entsprechend abgebaut. So auch Herr Hauser heute. Belastbare Zahlen dafür, Herr Thiele, den Solidaritätszuschlag auf Grund des FKP und auch der Koalitionsvereinbarung zum Finanzausgleich zurückzuführen, gibt es nicht. Das haben wir heute morgen im Finanzausschuß festgestellt. Wenn Sie der Öffentlichkeit als Sachkundiger etwas anderes vermitteln, dann handeln Sie wider besseres Wissen, um Ihrer sterbenden Partei zu helfen.
Sie sind kein seriöser Finanzpolitiker mehr, Herr Hauser, wenn Sie so weitermachen.
- Ich habe Herrn Thiele gemeint, nicht Sie.
Ich habe von dem Widerspruch zwischen Ihnen und Herrn Thiele gesprochen.
Neuerdings erklärt der Bundesfinanzminister, der Solidaritätszuschlag könne nicht abgebaut werden, da es im Haushalt wegen der Bahnreform und des Kohlepfennigs zusätzliche Belastungen in Höhe von 14 Milliarden DM gebe. Diese 14 Milliarden DM haben aber überhaupt nichts mit dem Finanzausgleich und den neuen Ländern zu tun. Der Grund ist klar: Der Bundesfinanzminister hat riesige Haushaltslöcher. Erst heute mußte im Finanzausschuß zugegeben werden, daß 1997 konjunkturbedingt mit zusätzlichen Steuerausfällen in Höhe von 21 Milliarden DM beim Bund zu rechnen ist.
Es ist daher kein Wunder, wenn der Bundesfinanzminister am Solidaritätszuschlag festhält. Die Gründe für die Einführung des Solidaritätszuschlags aus dem Jahre 1993 sind für Herrn Waigel offenbar nicht mehr
Joachim Poß
entscheidend. Ihm geht es nur noch darum, sich irgendwie durchzuwursteln.
Uns ist auch klar, warum Herr Waigel im Jahre 1997 am Solidaritätszuschlag festhalten will. Er braucht die Einnahmen, um die Maastricht-Kriterien erfüllen zu können. Das Ergebnis seiner Finanzpolitik ist ein blauer Brief der Kommission aus Brüssel.
Deutschland hat 1995 das Maastricht-Kriterium beim gesamtstaatlichen Defizit nicht eingehalten. Herr Waigel trägt dafür die Verantwortung. Als Finanzminister hat er eine gesamtstaatliche Verantwortung. Deshalb muß er sich den blauen Brief aus Brüssel zurechnen lassen.
Es ist zu billig, die Schuld auf andere abzuschieben. Der bayerische Ministerpräsident Stoiber hat deshalb auch die Schuldzuweisung an Länder und Gemeinden entschieden zurückgewiesen.
Deutschland hat 1995 das Maastricht-Kriterium beim Defizit mit 3,6 Prozent deutlich überschritten. Ich frage Sie, Herr Hauser - von Herrn Thiele und der F.D.P. gar nicht zu sprechen -: Wie können Sie angesichts dieser Situation fordern, daß 1997 die Vermögensteuer und die Gewerbekapitalsteuer ersatzlos abgeschafft und die Gewerbeertragsteuer weiter gesenkt werden? Das allein macht 15 Milliarden DM aus.
Die F.D.P. fordert zusätzlich zu diesen 15 Milliarden DM eine Senkung des Solidaritätszuschlages um 10 Milliarden DM. Das macht dann 25 Milliarden DM aus. Bezogen auf das Jahr 1995 hätte Deutschland mit diesen zusätzlichen Steuerausfällen beim Defizitkriterium über 4 Prozent gelegen. Das wäre doch angesichts der Musterschülerrolle, die Herr Waigel europa- und weltweit spielt, skandalös.
Deshalb sage ich Ihnen: Wer aus der Wirtschaft, der F.D.P. oder der Union solche Forderungen an die Steuerpolitik stellt, ohne zu sagen, wie er das gegen-finanzieren will, handelt verantwortungslos und führt die Leute hinters Licht.
Die vom Finanzminister und erst recht von der F.D.P. geforderte Senkung der Steuer- und Abgabenbelastung ist ein leeres Versprechen. Das Ziel, die Steuer- und Abgabenbelastung für die große Mehrheit der Menschen zu senken, haben Waigel und Co. längst aufgegeben.
Deshalb beschränken sie sich darauf, 1997 Entlastungen für Großbetriebe über die Gewerbekapitalsteuer und für Großvermögen und Vermögen über die Vermögensteuer zu versprechen.
Eine Senkung der Steuer- und Abgabenlast darf aber nicht bei der Vermögensteuer ansetzen. Sie muß beim Solidaritätszuschlag ansetzen - das ist schon richtig -,
allerdings auf Grund von Zahlen über die Entwicklung von Steuereinnahmen und Finanzierungsdefiziten in den kommenden Jahren. Bitte nicht wieder auf der Basis von Traumzahlen, sondern auf Grund von belastbaren und realistischen Rechnungen. Nur so kann man verantwortungsbewußt mit den deutschen Wählern umgehen und nicht so, wie Sie es in den nächsten Wochen vorhaben.
Es spricht jetzt der Abgeordnete Gerhard Schulz.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Auch wenn ich viele Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus verstehen kann, die gerne schon 1997 eine Reduzierung des Solidaritätszuschlages erreichen möchten, muß ich leider sagen: Ich halte das nicht für realisierbar und auch nicht für verantwortbar.
Am 12. Oktober des vorigen Jahres feierten wir in diesem Hause fünf Jahre deutsche Wiedervereinigung. Der Bundeswirtschaftsminister veröffentlichte anläßlich dieses Festtages eine Broschüre mit dem Titel „Aufbau Ost - die zweite Hälfte des Weges". Wir waren uns damals einig, daß diese zweite Hälfte des Weges mindestens genauso steinig und beschwerlich werden wird wie der erste Teil. Dieser Grundsatz gilt auch heute noch, vier Monate später.
Er gilt um so mehr, wenn man sich die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland im Jahre 1995 vor Augen führt. Die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts hat sich in den neuen Ländern von 8,5 Prozent auf 6,3 Prozent reduziert. Für 1996 erwarten selbst Optimisten nur eine Fünf vor dem Komma.
Der Anteil Ostdeutschlands am gesamtdeutschen nominalen Bruttoinlandsprodukt stieg 1995 von 10,4 Prozent auf nur 10,9 Prozent. Bei gleichen Wirtschaftsverhältnissen in Ost und West müßte er bei rund 20 Prozent liegen, um den Anteil der ostdeutschen Bevölkerung an der gesamtdeutschen Bevölkerung widerzuspiegeln.
Im Klartext heißt das: Die Schere zwischen Ost und West schließt sich zwar, sie schließt sich aber immer langsamer. Wir werden in Zukunft den Aufbau Ost mit weniger Wachstum bewältigen müssen, und das
Gerhard Schulz
heißt, der neu geschaffenen Wirtschaftsstruktur in den neuen Bundesländern auch weiterhin die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, damit sie sich langfristig stabilisieren und auf eigenen Füßen stehen kann. Das kostet Geld. Und das sollte man an dieser Stelle der gesamten deutschen Bevölkerung deutlich und ehrlich sagen.
Der Solidaritätszuschlag trägt dazu bei, die Transferzahlungen des Bundes für Ostdeutschland zu finanzieren, reicht aber zur vollständigen Bewältigung dieser Aufgaben bei weitem nicht aus. Bei einem Nettotransfervolumen von rund 85 Milliarden DM - Herr Thiele sagte vorhin 88 Milliarden DM - für 1996 und einem realistisch gerechneten Aufkommen des Solidaritätszuschlages von 29 Milliarden DM im gleichen Jahr wird deutlich, daß wenig Platz für die Reduzierung dieses Zuschlags bleibt, wenn die Transfers nach Ostdeutschland seriös finanziert werden sollen.
Den Kolleginnen und Kollegen, die jetzt aus wahltaktischen oder anderen Gründen kurzfristig die Rückführung des Solidaritätszuschlages für 1997 verlangen, stelle ich folgende Fragen:
Wollen Sie die fehlenden Mittel durch eine höhere Verschuldung ausgleichen oder wollen Sie eine Verkürzung der Finanzmittel für den Aufbau Ostdeutschlands?
- Na gut, aber eines müssen wir ja machen, oder wir belassen es beim Solidaritätszuschlag. Die eine Alternative, eine höhere Kreditfinanzierung der deutschen Einheit, hätte nicht nur fatale Folgen für die Verschuldung der öffentlichen Haushalte, sondern auch für das gesamtdeutsche Zinsniveau. Steigende Zinsen in Zeiten, in denen wir in Ost und West dringend Investitionen brauchen, sind Gift für unsere labile Konjunktur, für den Aufbau Ost und würden nur noch mehr Arbeitslosigkeit verursachen.
Die andere Alternative, eine Reduzierung der Aufbauunterstützung bereits zu dieser Zeit, führt mit Gewißheit zu einer Verlangsamung des Aufbaus und damit später zu höheren sozialen Transferzahlungen.
Nein, bleiben wir realistisch. Wir werden den Solidaritätszuschlag noch lange benötigen, denn die neuen Länder werden auch bis ins nächste Jahrtausend möglicherweise noch von westdeutschen Transferzahlungen abhängig sein. Aber je mehr wir jetzt weiterhin klotzen statt kleckern, desto eher brauchen wir keine Transferzahlungen mehr. Wir sollten ehrlich sein - ich wiederhole es - und dies den Menschen in unserem Lande auch so deutlich sagen.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Wolfgang Ilte.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Koalition steckt also offensichtlich in der Krise. Wir hören es quasi bei jedem Wortbeitrag. Der eine sagt es so, der andere so.
Hausgemacht ist die Krise sicherlich, aber offensichtlich soll sie bewußt nicht mehr hinter dem Berg gehalten werden.
Da veranstaltet die F.D.P. einen Parteitag und möchte sich gerne profilieren, zum Beispiel als Steuersenkungspartei. Das wäre doch einmal etwas Positives.
Aber stopp mal, sagt der eine, das reicht zum Bestehen der nächsten drei Landtagswahlen vielleicht nicht aus, denn damit haben wir es ja schon so oft versucht, und außerdem, Steuern und Abgaben senken wollen die anderen schließlich auch. Die Union will die Unternehmensteuern und die Erbschaftsteuern senken, möglichst auf Null. Die Vermögensteuer soll ganz abgeschafft werden. Die Sozialdemokraten wollen die Lohnnebenkosten und die Sozialabgaben senken. Eigentlich ist schon fast alles besetzt. Was machen wir denn da? Und plötzlich hat einer einen Gedanken und sagt: die Förderung Ost. Meine Damen und Herren, ich gratuliere Ihnen. Das ist genau das, was wir in der heutigen gesellschaftlichen Diskussion wirklich noch gebraucht haben.
Was ist denn eigentlich der Solidaritätszuschlag? Er ist einmal eingeführt worden - das ist hier sehr richtig von Herrn Hauser gesagt worden, im Gegensatz zu seinen Äußerungen im Finanzausschuß -, um die Transferleistungen des Bundes in die neuen Länder zu unterstützen, und abgebaut bzw. abgeschafft werden sollte er in dem Maße schrittweise, wie der Aufbau Ost vorankommt. Wenn man in der heutigen gesellschaftlichen Lage den Abbau des Solidaritätszuschlages fordert, muß man auch die Folgen benennen. Zum einen könnte man sich hinstellen und sagen, der Aufbau Ost ist soweit vorangeschritten, wir brauchen die Solidarität des Westens nicht mehr. Na, herzlichen Glückwunsch, meine Damen und Herren. Erzählen Sie das einmal Ihrer Klientel im Osten!
Hierbei ist mir völlig unklar, wie so ein Parteitagsbeschluß bei Ihnen überhaupt zustande kommen kann, zumal die Mehrheit Ihrer Mitglieder eigentlich im Osten zu Hause ist. Das wundert mich, offen gesagt, an dieser Stelle völlig. Wie erklären es die Ost-Abgeordneten Ihrer Partei eigentlich ihrer Klientel zu Hause im Wahlkreis, daß die F.D.P. nun noch massiver die Förderung Ost zusammenstreichen will?
Wolfgang Ilte
- Hören Sie einmal zu! Dafür gibt es für mich nur noch eine Erklärung. Sie wollen Wähler im Westen gewinnen, im Osten haben Sie sowieso keine mehr.
Sie nehmen aus reinem Wahlkampfpopulismus in Kauf, daß in unserer Gesellschaft eine Ost-WestAntisolidarisierungsdiskussion vom Zaun gebrochen wird, und hoffen, daß Sie auf diese skandalöse Art und Weise Ihre Wähler West noch einmal mobilisieren können. Dabei sollten Sie allerdings stets auch darauf hinweisen, daß die Bürgerinnen und Bürger im Osten, so sie denn noch Arbeit haben, diesen Zuschlag ganz genauso zahlen wie die meisten Bürgerinnen und Bürger im Westen,
ausgenommen natürlich die Hälfte der Einkommensmillionäre in Hamburg. Sie zahlen nämlich - weder Steuern noch Solidaritätsabgabe; denn wer keine Steuern zahlt, zahlt bekanntlich diesen Betrag auch nicht.
Nehmen wir doch einmal den Fall, daß Sie die Transferleistungen zwar schrittweise abbauen würden, Sie sie aber dennoch teilweise aufrechterhalten wollen. Da gibt es nur zwei Möglichkeiten, die Finanzierung zu bewerkstelligen. Zum einen können Sie natürlich hergehen und die 27 oder 29 Milliarden DM auf die Lohnnebenkosten umlegen und die verbleibenden Transferleistungen wieder von den abhängig Beschäftigten über die Beitrags- und Versicherungsleistungen bezahlen lassen, von den Arbeitnehmern wie den Arbeitgebern. Diese Form hat ja bereits Methode in der Politik. Aber diesmal werden wir Ihnen das nicht durchgehen lassen; das verspreche ich Ihnen, meine Damen und Herren.
Die andere Möglichkeit wäre: Sie finanzieren das über den Bundeshaushalt. Da haben Sie wieder zwei Möglichkeiten, einsparen oder Schulden machen. Nun sind Sie ja Meister im Schuldenmachen
- na schön; nun kommen Sie -, aber ich glaube, das trauen Sie sich denn wohl doch nicht.
Bleiben die Einsparungen. Es liegen ja mittlerweile aus allen Fraktionen dieses Hauses die entsprechenden Einsparungsvorschläge vor. Natürlich berücksichtigt jeder dabei seine Klientel.
Wenn Sie von uns Sparvorschläge haben wollen, dann müssen Sie natürlich auch hinhören; oder Sie können auch vorbeikommen. Herr Thiele, wir haben kein Problem damit; wir können sie Ihnen gern auch noch mal in der nächsten Ausschußsitzung auf den Tisch legen.
Dann fordere ich Sie aber auch auf: Besinnen Sie sich trotz Einsparungsmöglichkeiten auf die Realitäten! Die 22 Milliarden DM Förderung Ost sind im Vergleich der Haushalte 1995 und 1996 netto eingespart worden, so heißt es aus den Reihen der Koalition. Die Papiere haben Sie ja erhalten.
Frau Karwatzki gibt uns Papiere ähnlichen Inhalts, wobei sie sich nicht ganz sicher ist: Sind es nun bloß 13 Milliarden DM, oder sind es doch 22 Milliarden DM, je nachdem wie man rechnet? Das sei, wie es sei. Sie haben doch trotz Beibehaltung des Solidaritätszuschlages fast genau um den Betrag, den man damit kassenwirksam erzielen kann, die Förderung Ost zurückgebaut. Damit haben Sie genaugenommen - das ist auch schon gesagt worden - bereits die Geschäftsgrundlage für den Beschluß des Haushaltes 1996 verlassen. Man muß sich nämlich langsam fragen: Ist der Solidaritätszuschlag überhaupt noch eine solidarische Abgabe für den Osten, oder üben hier mittlerweile die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes mehr oder minder freiwillig Solidarität mit dem Waigelschen Haushalt? Ich frage mich nämlich schon, ob der Name „Solidaritätszuschlag" überhaupt noch zu rechtfertigen ist oder ob wir ihn nicht lieber seit Inkrafttreten des Haushaltes 1996 als das bezeichnen sollten, was er nämlich eigentlich ist - eine reine Haushaltssanierungssteuer.
Schönen Dank, meine Damen und Herren.
Es spricht jetzt der Abgeordnete Friedrich Merz.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst eine Feststellung treffen: Alle Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. sind für die baldmögliche Abschaffung des Solidaritätszuschlages.
Ich möchte hinzufügen: Ich halte es für das gute Recht der F.D.P., in der Diskussion um diese Frage anzumahnen, ihn früher abzuschaffen, als es eigentlich geplant ist. Es ist das gute Recht der F.D.P., dies sogar in Wahlkampfzeiten zu sagen. Wir befinden uns in großer Übereinstimmung auch mit Kollegen der SPD, mit Herrn Poß, mit Herrn Spöri, mit anderen, die sagen: Der Solidaritätszuschlag muß abgeschafft werden.
Aber wenn wir den Solidaritätszuschlag abschaffen, dann brauchen wir auch eine gewisse Symmetrie bei der Entlastung der Arbeitnehmer von überproportional gestiegenen Sozialabgaben. Dies gehört für uns zusammen, und dies können wir nicht voneinander trennen.
Der Abbau des Solidaritätszuschlages - darauf hat Staatssekretär Hauser dankenswerterweise und richtigerweise hingewiesen - darf und kann auch nicht mit einer weiteren Anhebung der Verschuldung in Deutschland finanziert werden.
Friedrich Merz
Herr Poß, hier befinden wir uns offensichtlich in großer Übereinstimmung.
Aber eines sollten wir ebenfalls klarstellen, Herr Kollege Poß. Sie haben von der gesamtstaatlichen Verantwortung des Bundesfinanzministers gesprochen.
Sie hat er, und er nimmt sie wahr. Aber die Bemessung des Verschuldungskriteriums - höchstens 60 Prozent Gesamtverschuldung und 3 Prozent Defizitquote - erfolgt nicht ausschließlich auf der Basis des Bundeshaushalts, sie erfolgt auf der Grundlage des Bundeshaushalts, der Haushalte der Länder, der Haushalte der Gemeinden und auch der Defizite der Sozialkassen.
- Lieber Herr Kollege von Larcher, wenn ich es richtig weiß, kommen Sie aus Niedersachsen. Ich empfehle in diesem Zusammenhang eine Diskussion mit Ihrem Ministerpräsidenten,
der jetzt einen neuen Haushalt für 1996 vorgelegt hat. Nachdem das Haushaltsvolumen des Bundes ein Minus von 1,5 Prozent aufweist, weist der niedersächsische Haushalt eine Steigerungsrate von 6,8 Prozent und eine mittlerweile verfassungsrechtlich außerordentlich zweifelhafte Verschuldungsrate aus.
Auch dies gehört dazu, wenn wir heute über die Frage des Maastricht-Kriteriums sprechen.
Frau Matthäus-Maier, ich hätte mir gewünscht, daß Sie die sehr dezidiert dargelegten Zahlen des Kollegen Peter Rauen hier nicht mit einer vorgelesenen vorbereiteten Rede beantwortet hätten. Das ist Ihr gutes Recht, aber ich hätte mir gewünscht, daß Sie auf seine Zahlen und seine Vorschläge etwas ausführlicher eingegangen wären. Er hat nämlich sehr dezidiert dargelegt, welche Vorstellungen wir haben, um genau das Ziel zu erreichen, das auch Sie hier reklamieren,
nämlich mehr Beschäftigung in Deutschland und damit mehr Steuereinnahmen, mehr Einnahmen in den Sozialkassen zu erzielen.
Ich bewundere allerdings Ihre Fähigkeit, in freier Rede in jedem Zusammenhang den Jäger 90 zum Thema zu machen. Es ist wirklich bewundernswert, was Sie da fertigbringen. Ich habe mir eben noch
gedacht: Wenn Frau Matthäus-Maier in ihrem Wahlkreis einmal einen neuen Bäckerladen einweihen sollte, bringt sie es fertig, den Jäger 90 zum zentralen Gegenstand ihrer Eröffnungsrede zu machen. Auch das schaffen Sie noch.
Nun zum Ernst der Diskussion zurück. Frau Matthäus-Maier, wir werden uns über genau das Thema, das Sie mit dem von mir nicht gelesenen „Spiegel"-Artikel dieser Woche zitiert haben, in diesem Jahr unterhalten, nämlich über die Frage, ob wir in der Lage sind, nicht nur Abgaben zu reduzieren, sondern auch Steuergestaltungsmißbrauch einzuschränken.
Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Lassen Sie uns in diesem Zusammenhang darüber reden, ob wir nicht durch die Streichung aller einheitswertbezogenen Steuern - der Gewerbekapitalsteuer, der Vermögensteuer und vielleicht sogar der Grundsteuer, zumindest einer Umgestaltung der Grundsteuer - in der Lage sind, das notwendige Personal in den Finanzverwaltungen ohne jede zusätzliche Neueinstellung freizustellen, um genau den auch von uns so gesehenen Mißstand abzustellen, daß wir in Deutschland nämlich offensichtlich zuwenig Betriebsprüfungen und zuviel Gestaltungsmißbrauch haben.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Es spricht jetzt die Abgeordnete Christine Scheel.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Das, was wir vorhin zwischen Herrn Hauser und Herrn Thiele erlebt haben, hat genau das widergespiegelt, von dem wir sagen: Der Zustand dieser Koalition ist verheerend.
Herr Hauser sagt, die Abschaffung des Solidaritätszuschlags könne frühestens 1998 über eine Rückführung der Umsatzsteuerbeteiligung der Länder erfolgen, die dann stattfinden könne. Herr Thiele sagt, es geht auch 1997. Gleichzeitig gibt es die Ankündigungen in der F.D.P., dem Haushalt nicht zuzustimmen, sofern die CDU/CSU nicht bereit ist, den Weg mitzugehen, den Solidaritätszuschlag 1997 um zumindest 2,5 Prozentpunkte zu senken. Wie verhalten Sie sich denn jetzt, Herr Thiele?
Was tun Sie denn jetzt? Herr Hauser hat klipp und klar gesagt: Mit uns nicht, frühestens 1998.
Christine Scheel
Auf der anderen Seite ist das, was hier betrieben wird, denke ich, wirklich eine Zumutung und eine Volksverdummung.
Es ist deswegen eine Zumutung, weil Waigel noch im September gesagt hat: Abbau 1997. Jetzt sagt Waigel: Auf Grund des weiteren Milliardenlochs im Haushalt, das sich - ich sage es jetzt einmal so ironisch - „ganz plötzlich" aufgetan hat, können wir das nicht und müssen einmal sehen, ob es 1998 geht.
Sie wissen ganz genau: Wenn Sie den Solidarbeitrag von 7,5 Prozent auf 5 Prozent senken, kommt es zu weiteren Steuermindereinnahmen von 10 Milliarden DM. Diese werden Sie nach den Wahlen, wenn Sie, liebe F.D.P.-ler, in den Landtagen noch vertreten sein sollten, wahrscheinlich mit einer Erhöhung der Umsatz- und der Mehrwertsteuer kompensieren. Das ist die Unehrlichkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Lande.
Ein weiterer Punkt. Man muß von unserer Seite ganz offen sagen: Es geht hier im Moment um eine Partei, um eine wahltaktische Angelegenheit - und um sonst gar nichts.
Es geht auch darum - es stehen ja noch andere Probleme an -: Sie kompensieren zum Beispiel den Wegfall der Vermögensteuer nicht. Das haben wir heute morgen erfahren. Das wollen Sie nicht. Sie wollen auch die Gewerbekapitalsteuer ohne Kompensation wegfallen lassen.
Sie kündigen an, Sie wollen die Lohnnebenkosten senken und den Solidarbeitrag abbauen. Wie soll das denn, bitte schön, bezahlt werden, wenn nicht über die Umsatz- und die Mehrwertsteuer? Das frage ich Sie.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
die Vermögensteuer mit Kompensation. Über die Schenkungsteuer und die Erbschaftsteuer will er kompensieren. Aber die Gewerbekapitalsteuer wird anders umgelegt.
Fest steht, daß Sie sich in Ihren Reihen in keiner Weise darüber einig sind, wie Sie die Staatsverschuldung in den Griff bekommen wollen. Sie sind sich nicht darüber einig, wie Sie die Steuermindereinnahmen, die jetzt offensichtlich geworden sind, einigermaßen kompensieren wollen. Sie sind sich auch nicht darüber einig - das ist ein weiterer Punkt hinsichtlich der Unzumutbarkeit Ihrer Pläne gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern -, wie das, was Sie, Herr Thiele, angekündigt haben, nämlich den Subventionsabbau, aussehen soll. Wir hatten in diesem Haus vor einem Jahr eine Diskussion darüber, daß die Subventionen abgebaut werden sollten. Eine Kommission hat Vorlagen gemacht. Trotzdem hat der Subventionsabbau nicht stattgefunden. Das heißt, wir haben Steuermindereinnahmen auf Grund der Tatsache, daß die F.D.P. zusammen mit der CDU und der CSU ein sinnvolles Steuerkonzept, vorgelegt von einer hochbezahlten Kommission, in diesem Hause blockiert hat. Das ist ein Fakt.
Sie wissen auch ganz genau, daß die Schulden von heute die Steuern von morgen sind. Es wird ein großes Problem geben. Wir haben auch eine Debatte über den Sozialstaat geführt. Ich befürchte, daß es nach den drei Wahlen, egal, wie sie für Sie ausgehen, zu dem Versuch eines Abbaus der Sozialleistungen durch die CDU/CSU kommt, um die Löcher zu stopfen. Es wird ein weiterer Umbau von unten nach oben stattfinden. Das muß man den Menschen sagen. Die Menschen sind nicht so blöd, wie Sie denken.
Was nutzt es denn, wenn das Existenzminimum auf einem höheren Niveau freigestellt wird, wenn gleichzeitig die Abgaben in anderen Bereichen erhöht werden, wenn also die Menschen, deren Existenzminimum von der Steuer freigestellt wird, bei den Lohnnebenkosten stärker herangezogen werden und unter dem Strich im Geldbeutel so gut wie nichts mehr bleibt? Das ist doch der Punkt.
Zu den neuen Bundesländern ist zu sagen - Herr Schulz hat das richtigerweise angesprochen -: Das DIW hat Wirtschaftsdaten vorgelegt, nach denen Ostdeutschland noch mindestens zehn Jahre von staatlichen Finanztransfers abhängig ist.
Diese Finanztransfers können abgebaut werden; das ist vollkommen klar. Aber Sie wissen ganz genau, daß die Wirtschaftslage in den neuen Bundesländern nicht so rosig ist, wie man das ursprünglich gedacht hat.
Sie wissen auch - hier wird eine Milchmädchenrechnung aufgestellt, hier wird von Herrn Rauen eine Märchenstunde abgehalten nach dem Motto: wir glauben an das Christkind -, daß das Wirtschaftswachstum von ihm auf einer Berechnungsgrundlage
Christine Scheel
prognostiziert worden ist, die vollkommen utopisch ist.
Und dann finanzieren Sie über dieses Wirtschaftswachstum den Wegfall des Solidarbeitrags. Dann gute Nacht!
Es spricht jetzt der Abgeordnete Heinz-Georg Seiffert.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Grünen haben diese Aktuelle Stunde zum Solidaritätszuschlag gefordert. Wie Sie spüren, stellen wir uns dieser Diskussion gern und nicht erfolglos.
Ich warne davor, das Thema Solidaritätszuschlag jetzt in einen Wahlkampfschlager umzuwandeln.
Sie versuchen, mit dieser Aktuellen Stunde und mit dem Hochstilisieren dieses Problems einen Keil zwischen die Regierung zu treiben. Dies wird Ihnen nicht gelingen. Dieses Thema ist uns zu ernst, als daß wir heute mit starken Worten tagespolitische Vorteile vor Ihnen erringen wollten.
Die Opposition ist hier auf dem falschen Dampfer. Es ist ein Armutszeugnis für Sie, daß Sie keine intelligenteren Themen finden als jetzt dieses Thema.
Meine Damen und Herren, im Grunde sind wir uns doch alle einig: Eine Belastung wie den Solidaritätszuschlag darf es nur so lange geben, wie sie unbedingt notwendig ist. Sobald man diese Solidaritätsabgabe nicht mehr braucht, muß sie weg. Da sind wir uns doch einig.
Es gibt eine klare Vereinbarung dieser Koalition. Wenn diese Vereinbarung zutrifft, dann kommt der Solidaritätszuschlag stufenweise weg. Wir alle wissen, daß im Moment die finanziellen Spielräume für eine Aussage nicht gegeben sind, die darauf hinausläuft, daß dies schon 1997 geändert wird. Wer in diesem Zusammenhang - das sage ich auch zum Koalitionspartner - die Absenkung schon 1997 um ein Drittel fordert, der muß sagen, wie man es gegenfinanzieren soll,
wie man die 10 bis 12 Milliarden DM Ausfälle - neben den konjunkturellen Problemen, die wir ja haben und die nicht wegzudiskutieren sind - finanzieren und dennoch die Maastricht-Kriterien erfüllen will.
Ich bin sehr zuversichtlich, daß wir nach dem Jahre 1997 bis zur Jahrtausendwende den Solidaritätszuschlag schrittweise abschaffen können.
Meine Damen und Herren, es ist fast untergegangen, aber es ist eine Tatsache: Für all die Wenigerverdienenden ist der Solidaritätszuschlag wie die gesamte Steuerpflicht bereits seit dem 1. Januar dieses Jahres abgeschafft worden. Das Jahressteuergesetz hat es mit sich gebracht, daß viele Millionen Bürger bereits jetzt keinen Solidaritätszuschlag zahlen. All diejenigen, die Sie so gerne als Besserverdienende bezeichnen, werden ihn eben in Solidarität noch eine gewisse Weile leisten müssen.
Meine Damen und Herren, ich will noch an einen Gesichtspunkt erinnern. Es ist uns von vielen Seiten vorgeworfen worden, daß wir 1991/92 den Solidaritätszuschlag zu früh abgeschafft haben.
Es ist von der Opposition und von den Meinungsbildnern kommentiert worden, dies sei Feigheit der Regierung gewesen; man hätte den Bürgern diese Opfer weiter zutrauen und auflasten können; sie hätten es gerne getragen.
Ich höre diese Worte heute noch. Der politische Mut der Regierung habe gefehlt - so ist damals gesagt worden -, und wir sollten, wenn sie es schon so meinen, diesen vermeintlichen Fehler nicht wiederholen; wir sollten warten, bis zuverlässige Rahmenbedingungen für eine Abschaffung vorliegen.
Herr Poß, Sie haben die Sitzung von heute morgen zitiert, völlig zu recht. Es liegen tatsächlich noch keine verläßlichen Rahmendaten vor. Jetzt muß ich Sie aber fragen: Nachdem diese Daten nicht vorliegen, wie kommt dann Ihr baden-württembergischer Spitzenkandidat Spöri dazu, den Abbau des Solidaritätszuschlags bereits ab 1997 zu fordern? Ich glaube, er macht genau das, was Sie der F.D.P. vorwerfen, nämlich ganz billige Wahlkampfpolemik und Wahlkampfpopulismus.
Auch dies sollten wir bei dieser Gelegenheit mit aller Deutlichkeit sagen.
Heinz-Georg Seiffert
Sie werfen mit Steinen auf andere und machen es in Baden-Württemberg genau gleich.
Meine Damen und Herren, wir sollten die Fakten sprechen lassen. Nicht der Kalender ist maßgeblich für den Abbau des Solidarzuschlags, sondern die finanziellen Möglichkeiten, die wir haben. Solidarität heißt - das stellt man fest, wenn man in den Duden hineinschaut -, daß Zusammengehörigkeitsgefühl gefordert ist.
Ich meine, wir müssen den Bürgern dieses Solidaropfer abverlangen, solange dies unbedingt notwendig ist. Dann aber sollten wir es sofort abschaffen.
Vielen Dank.
Es spricht jetzt die Abgeordnete Nicolette Kressl.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Solidarität ist das Bindeglied zwischen Freiheit und Gerechtigkeit. Denn nur durch solidarisches Verhalten kann das Streben nach möglichst viel Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft in Einklang gebracht werden mit dem Bedürfnis nach möglichst viel individueller Freiheit.
Dieses Zitat von Willy Brandt macht die Bedeutung von Solidarität in unserer Gesellschaft deutlich. Seine Aussage gilt aber auch für die finanzielle Solidarität, die wir gegenüber den Menschen in den neuen Bundesländern zeigen wollen und müssen.
Wenn Politik aber - wie mit dem Solidaritätszuschlag - von den Menschen Solidarität einfordert, dann muß sie dabei geradlinig und transparent handeln; denn sonst wird diese Inanspruchnahme verständlicherweise nicht akzeptiert.
Was die Regierungskoalition bei diesem Thema zur Zeit aufführt, ist weder geradlinig noch transparent. Die Menschen haben Anspruch auf klare Aussagen, auf einen sachlich begründeten Zeitplan zum Abbau des Solidaritätszuschlags.
Übrigens, Herr Seiffert, genau das fordert der Wirtschaftsminister Spöri. Sie sollten vielleicht auch einmal nachlesen, was Herr Teufel dazu sagt.
Es kann wohl nicht wahr sein, daß durch ein chaotisches Hickhack die Bereitschaft der Menschen, sich für den Aufbau im Osten einzuschränken, durch die Koalition gefährdet wird. Das ist kein verantwortlicher politischer Umgang mit diesem Thema.
Chaotisches Hickhack ist überhaupt das vorherrschende Muster der Steuer- und Finanzpolitik der Koalition. Ich erinnere mich mit Grausen, daß hier vor fast exakt einem Jahr das Koalitionswirrwarr um das Kindergeld stattfand. Nun verbreiten Sie schon wieder Chaos. Wenn wir Ihnen nicht andauernd auf die Füße treten, läuft in der Steuerpolitik anscheinend nichts.
Ähnlich läuft das Chaos jetzt:
- Hören Sie jetzt lieber einmal zu! - Da machen F.D.P.-Politiker ihre Zustimmung zum Haushalt vom Abbau des Solidaritätszuschlags abhängig, wobei einer übrigens ganz schnell wieder einknickt. Die finanzpolitische Sprecherin der F.D.P. macht konkrete Vorschläge für einen Stufenplan, aber der Bundesgeschäftsführer zuckt gleich zurück, indem er sagt, es mache jetzt keinen Sinn, das zu beziffern.
Der Parlamentarische Staatssekretär und niedersächsische F.D.P.-Chef fordert für den Abbau des Solidaritätszuschlags die Streichung von Subventionen ein, wo wir doch alle hier bei dem Jahressteuergesetz erlebt haben, wie die F.D.P. aufheult, wenn es darum geht, auch nur einige ungerechtfertigte Subventionen zu streichen. Das hält nun wirklich keiner mehr für glaubwürdig.
Gleichzeitig sagt der Finanzminister im September - wahrscheinlich zufällig ausgerechnet vor dem Steuerzahlerkongreß -, daß der Solidaritätszuschlag unter Umständen schon 1997 abgebaut werden kann. Im November sagt er, daß der Abbau frühestens 1998 erfolgen kann und daß der Zuschlag auf jeden Fall bis zum Jahr 2000 bleibt. Dagegen hält der CDU-Fraktionsvorsitzende eine Reduzierung für 1997 für möglich. Der Parlamentarische Staatssekretär im Finanzministerium erklärt das fast zeitgleich für unmöglich.
Währenddessen spricht sich der hessische CDU-Landtagsfraktionsvorsitzende für eine Senkung des Solidaritätszuschlags um ein Drittel ab 1. Januar 1997 aus, und die Herren Linssen, CDU, und Hennig, CDU, machen ihre Spielchen mit dem Gedanken an eine Mehrwertsteuererhöhung zur Finanzierung eines Abbaus des Solidaritätszuschlags - nachlesbar!
Besonders amüsant - wenn das Thema nicht so ernst wäre - hören sich die Aussagen vom Baden-Württemberger SPD-Chef an, der androht, er wolle die Landtagswahlen zu einer Volksabstimmung über die Steuerpolitik machen. „Nur zu! ", kann ich da nur sagen. Er scheint vergessen zu haben, welche Parteien diese Bonner Regierungskoalition bilden,
welche Parteien den Menschen diese Spitzenbelastungen mit Steuern und Abgaben beschert haben. Ich bin sicher, andere werden das nicht vergessen haben.
Sorgen Sie auch in den alten Bundesländern für mehr Steuergerechtigkeit, indem Sie die Rahmenbedingungen für bessere Steuerprüfung und für
Nicolette Kressl
-fahndung schaffen! Versuchen Sie nicht wieder durch Zurufe, den Schwarzen Peter den Ländern zuzuschieben! Das macht keinen Sinn, solange Sie nicht beispielsweise durch einheitliche Verwaltungsrichtlinien dafür sorgen, daß kein Land gegen ein anderes durch lasche Vorgehensweisen einen „Standortvorteil" haben kann.
Auch im Verhältnis der Länder haben Sie dafür zu sorgen, daß es nicht heißt: Der Ehrliche ist der Dumme. Sorgen Sie für die notwendige Transparenz bei der Diskussion!
Wir fordern von Ihnen klare und sachlich begründete Vorstellungen darüber ein, wie es mit dem Solidaritätszuschlag weitergehen soll. Begründen Sie nicht plötzlich die Aussage, der Solidaritätszuschlag könne nicht abgebaut werden, mit Haushaltslöchern, sondern einigen Sie sich endlich einmal darauf, wie Ihre Koalitionsvereinbarungen interpretiert werden sollen!
Von mir aus können Sie sich in der Koalition in die Haare kriegen, aber nicht auf Kosten der Glaubwürdigkeit von Steuerpolitik insgesamt. Uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist es nicht egal, ob Sie mit dem Geld der Menschen, für die Sie Regierungsverantwortung übernommen haben, verantwortungsvoll umgehen. Wir fordern ein klares und vernünftiges Vorgehen. Wir werden nicht akzeptieren, daß Sie einfach so weiterwursteln.
Als letztem Redner in dieser Debatte erteile ich dem Abgeordneten Hans Michelbach das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es geht jetzt um die Notwendigkeit, Freiräume für Wachstum und Beschäftigung zu schaffen.
Dabei muß alles auf den Prüfstand, natürlich auch der Solidaritätszuschlag. Wir machen keine Krise, keinen Krach oder was Sie uns sonst an Popanz unterstellen wollen: Wir wollen eine Reduzierung der Steuer- und Abgabenlast.
Dabei, meine Damen und Herren von den Linken, sind Sie gegen die Unternehmensteuerreform und für neue Ökosteuern. Das ist genau das Gegenteil. Das ist keine Alternative für den Wirtschaftsstandort. Das ist keine gute Steuerpolitik. Das bringt uns keinen neuen Arbeitsplatz.
Was Sie hier vollziehen und was in den einzelnen Reden geboten worden ist, muß ich als Popanz und als höchst unseriös bezeichnen.
Allerdings hat mich gefreut, daß Frau MatthäusMaier ihren Wortschatz erweitert hat: Neben dem Jäger 90 gibt es jetzt auch die „Einkommensmillionäre".
Wer solche Verhetzungen in unserem Lande betreibt, dem muß ich ganz deutlich sagen: Mit einer solchen Neiddiskussion schaffen Sie keinen neuen Arbeitsplatz.
Wer gearbeitet und etwas eingenommen hat, der hat auch investiert.
Wenn er keine Steuern zahlt, dann hat er investiert und hat Arbeitsplätze geschaffen. Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen: Was Sie hier aufzeigen, ist der falsche Weg für dieses Land.
Keiner draußen glaubt Ihnen diese Ideologie mehr. Diese Neiddiskussion ist für unser Land der falsche Weg.
Sozialneid ist der falsche, nicht der richtige Weg.
Meine Damen und Herren, zur Sache Solidaritätszuschlag selbst. Alle, die sich zum Thema geäußert haben, stimmen in einem Punkt überein: Der Solidaritätszuschlag muß so schnell wie möglich abgebaut werden. Jede Steuersenkung schafft Impulse für neue Arbeitsplätze. Das ist das, was wir jetzt brauchen.
Alle Mitglieder der Regierungskoalition sind dieser Meinung. Es ist in unserer Koalitionsvereinbarung unveränderlich festgeschrieben. Hierzu stehen wir.
In der Koalitionsvereinbarung steht aber auch, daß mit der Rückführung erst dann zu beginnen ist, wenn die Belastungen des Bundes im Rahmen des Finanzausgleichs zugunsten der neuen Länder zurückgehen. Antworten auf die Frage, wann die Möglichkeit zur Rückführung denn nun besteht, können somit keine Vereinbarungen oder Verlautbarungen, sondern nur die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, ökonomischen Realitäten und finanzpolitischen Zahlen geben. Die wird der Staatssekretär Hauser zu gegebener Zeit vorlegen.
Sie allein entscheiden darüber, ob uns - wie zur Zeit leider noch der Fall - die Hände gebunden sind oder ob wir mit dem Abbau endlich beginnen können.
Hans Michelbach
Eines sollte man nämlich bedenken: Es bringt nichts, auf der einen Seite Steuern abzubauen, wenn man gleichzeitig auf der anderen Seite die Verschuldung erhöhen muß. Dies wäre eine Steuersenkung auf Pump; das ist mit uns nicht zu machen. Natürlich sind Verschuldungen immer zu kritisieren. Aber wo sind denn in diesem Land die Verschuldungen am höchsten? Sie sind doch in den SPD-regierten Ländern am höchsten.
Die Konvergenzkriterien für die Währungsunion, die Sie hier anführen, sind doch auch deshalb im Jahr 1995 nicht erreicht worden, weil die SPD-regierten Bundesländer die höchsten Verschuldungen hatten.
Das muß doch ganz deutlich werden. Um der Ehrlichkeit willen muß das hier einmal gesagt werden.
Ich kann Ihnen sagen: Es macht wenig Sinn, ein Loch zu stopfen, indem man ein anderes aufreißt. So kann nur eine SPD-Finanzpolitik aussehen.
Unsere Politik kann so nicht aussehen. Sie von der SPD können bekanntlich mit Geld am wenigsten gut umgehen.
Das habe ich Ihnen schon öfter gesagt. Das hat sich in der Vergangenheit auch immer bewahrheitet.
Die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Hierzu müssen wir alle unseren Beitrag leisten. Dann kann der Solidaritätszuschlag abgeschafft werden. Dann wird er schließlich überflüssig.
Zum Schluß stehe ich hier an, unseren Steuerzahlern Dank zu sagen, die diesen Solidaritätszuschlag in diesen Wochen, Monaten und Jahren aufgebracht haben. Dank für die deutsche Einheit und die Wiedervereinigung und nicht für diesen Popanz, den Sie hier aufziehen. Unsere Leute sind vernünftig. Dieses Geld war gut angelegt; wir werden es, sobald es überflüssig ist, zurückgeben.
Vielen Dank.
Zu einer kurzen persönlichen Erklärung erteile ich der Abgeordneten Matthäus-Maier das Wort.
Herr Michelbach, ich möchte Sie nur auf eines aufmerksam machen. Sie haben so getan, als ob ich durch die Verwendung des Wortes „Einkommensmillionär" eine besonders gehässige Form der Kennzeichnung reicher Leute wählen wollte. Ich darf Sie darauf hinweisen, daß das
Wort „Einkommensmillionär" seit 40 Jahren ein offizieller Ausdruck in der Steuertheorie und in der Steuerwissenschaft für Menschen ist, die im Jahr mehr als eine Million DM Einkommen haben, im Unterschied zu Vermögensmillionären, die mehr als eine Million DM Vermögen haben. Das ist ein ganz sachlicher Ausdruck, wie Ihre Kollegin von der F.D.P., die Frau Professorin, mit Sicherheit bestätigen wird.
Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.
Die Sitzung wird um 16.45 Uhr mit Tagesordnungspunkt 2, Eidesleistung eines Bundesministers, fortgesetzt.
Ich unterbreche die Sitzung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Eidesleistung eines Bundesministers
Der Herr Bundespräsident hat mir mit Schreiben vom heutigen Tage folgendes mitgeteilt:
Gemäß Art. 64 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland habe ich heute auf Vorschlag des Herrn Bundeskanzlers die Bundesministerin der Justiz, Frau Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, auf ihren Antrag aus ihrem Amt als Bundesministerin entlassen und Herrn Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig zum Bundesminister der Justiz ernannt.
Nach Art. 64 Abs. 2 des Grundgesetzes leistet ein Bundesminister bei der Amtsübernahme den in Art. 56 des Grundgesetzes vorgesehenen Eid. Herr Bundesminister Dr. Schmidt-Jortzig, ich darf Sie zur Eidesleistung zu mir bitten. -
Herr Bundesminister, ich bitte Sie, den Eid zu sprechen.
Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.
Sie haben den Eid gesprochen. Ich möchte Ihnen ganz herzlich gratulieren und Ihnen Glück in diesem Amt wünschen.
Danke sehr.
Meine Damen und Herren, Herr Bundesminister Prof. Dr. Edzard Schmidt-Jortzig hat den vom Grundgesetz vorgeschriebenen Eid geleistet. Ich wünsche Ihnen Glück und Segen und darf Ihnen für Ihr Amt die besten Wünsche des Hauses aussprechen.
Zugleich danke ich der ausgeschiedenen Bundesministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger für
ihre verdienstvolle Tätigkeit als Mitglied der Bundesregierung. Für Ihr weiteres politisches Wirken begleiten Sie unsere besten Wünsche.
Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 18. Januar 1996, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.