Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist nicht gerade überfüllt, aber eröffnet.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat als Thema der gestrigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Geändertes Konzept über die Nutzung von bundeseigenen Altbauten zur Unterbringung der Bundesregierung in Berlin.
Es ist dann noch ein Bericht über Klimaschutz, CO2-Minderung, angekündigt worden. Hierbei möchte ich darauf aufmerksam machen, daß dieser Punkt auf der Tagesordnung der morgigen Plenarsitzung steht, so daß wir nach unseren Regeln davon absehen sollten, zu diesem Bereich Fragen zu stellen; sie gehören in die morgige Plenarsitzung.
Das Wort für den einleitenden Bericht hat der Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Dr. Klaus Töpfer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe gestern dem Bundeskabinett das veränderte Konzept für die Unterbringung der Bundesregierung in der Bundeshauptstadt Berlin vorgelegt. Diese Änderung ist in besonderer Weise durch eine neue Standortentscheidung für das Auswärtige Amt ausgelöst worden. Es war bisher vorgesehen, das Auswärtige Amt auf dem Gelände des sogenannten Staatsratsgebäudes und der dahinterliegenden Liegenschaften unterzubringen.
Dies ist nach intensiver Diskussion wie folgt geändert worden: Das Auswärtige Amt wird seinen neuen Dienstsitz im ehemaligen Haus der Parlamentarier in Verbindung mit einem zum Werderschen Markt hin vorgelagerten Erweiterungsbau finden, also dort, wo die alte Reichsbank gebaut worden ist, dieses Gebäude aufgreifend und den davor liegenden Platz für einen Erweiterungsbau nutzend. Dadurch werden die Diskussionen über einen möglichen Abriß des Staatsratsgebäudes nicht weiter zu führen sein.
Bislang war vorgesehen, daß im Haus der Parlamentarier das Bundeswirtschaftministerium untergebracht wird. Da dies jetzt geändert wurde, wird das Wirtschaftsministerium seinen Standort im ehemaligen Regierungskrankenhaus an der Scharnhorststraße in Verbindung mit den Invalidenhäusern und, falls erforderlich, mit einem Erweiterungsbau finden. Ich will darauf hinweisen, daß ein wichtiger Teil des ehemaligen Regierungskrankenhauses bereits saniert worden ist und gegenwärtig schon als Außenstelle des Wirtschaftsministeriums genutzt wird.
In der vorhergehenden Konzeption war vorgesehen, das Bundesverkehrsministerium in diesem ehemaligen Regierungskrankenhaus unterzubringen. Dies wird wegen der vorangegegangenen Veränderungen dort nicht unterbringbar sein. Deswegen wird das Bundesministerium für Verkehr in dem ehemaligen Ministerium für Geologie mit einem Erweiterungsbau untergebracht. Dieses ehemalige Ministerium für Geologie befindet sich ebenfalls an der Invalidenstraße, also, wenn Sie so wollen, in knapper Entfernung vom ehemaligen Regierungskrankenhaus.
Dieses Gebäude war eigentlich für das Bundesbauministerium vorgesehen. Für das Bundesbauministerium wird auf Grund dieser Veränderung geprüft, ob es seinen Dienstsitz zunächst in angemieteten Liegenschaften errichten kann.
- Sie sehen darin, Herr Kollege Conradi, daß der Bundesbauminister in ganz besonderer Weise mit Bescheidenheit und mit der Nutzung der im Berliner Markt vorhandenen Anmietungsmöglichkeiten untergebracht werden soll.
Wir werden prüfen, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im ehemaligen Medienministerium in der Mauerstraße unterzubringen,
Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
Alle anderen Ressorts behalten ihren Standort nach dem Beschluß vom 1. Juni 1994, der bekannt ist und den ich hier nicht zu wiederholen habe.
Ich glaube, daß wir mit dieser Entscheidung eine gute Ergänzung gefunden haben, auch und gerade mit Blick auf die weitere Gestaltung der Berliner Mitte, also auch der Spreeinsel. Daß wir dies auch in Verbindung mit anderen Maßnahmen sehen, ist ebenfalls deutlich geworden.
Darüber hinaus haben wir im Bundeskabinett über das sogenannte Freimachungskonzept gesprochen. Auch dieses ist, wie Sie wissen, von großer Bedeutung für die termingerechte Umsetzung der Beschlüsse für die Jahre 1998 bis 2000. Dieses Freimachungskonzept wurde auf der Grundlage des Beschlusses des Bundeskabinetts zur Unterbringung der Bundesregierung in Altbauten vom 1. Juni 1994 in Arbeitsgruppen des Arbeitsstabes Berlin/Bonn erarbeitet und vorgetragen. Ich glaube, auch hier machen wir deutlich, daß wir vorhandene Bundesliegenschaften optimal nutzen. Dazu können wir die Gebäude, die saniert und deshalb von der jetzigen Nutzung freigesetzt werden müssen, optimal einbringen.
Insgesamt zeigt sich, so glaube ich, erneut, daß die Bundesregierung alles tut, um den Umzug in Respekt vor der Bausubstanz in Berlin umzusetzen. An vielen Stellen nutzen wir die vorhandene Altbausubstanz, auch in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz. Vieles von dem, was jetzt gebaut wird, ist schon fast in die Kategorie von Mäzenatentum einzuordnen. Wer sich einmal die Mühe macht, das ehemalige Regierungskrankenhaus anzusehen, stellt fest, daß in der Zwischenzeit mit sehr hoher fachlicher Qualität - nebenbei gesagt: auch der Bundesbaudirektion - gearbeitet wurde. Dieses Gebäude dient mehr als nur der Unterbringung. Es ist für das Profil, für die Darstellung der Bundeshauptstadt Berlin sehr förderlich und stellt eine zusätzliche Qualität dar. Dies wird in Zukunft so weitergeführt.
Natürlich wissen wir, daß man nicht alles gleichzeitig machen kann. Denkmalschützende Maßnahmen können erst durchgeführt werden, wenn vorher saniert wurde. Das muß auch weiterhin möglich bleiben.
Ich glaube, daß wir mit diesem Nutzungskonzept endgültig die Voraussetzungen geschaffen haben, um die Umzugsbeschlüsse, was die bauliche Seite betrifft, zu bewältigen. Ich freue mich, daß wir in enger Abstimmung mit der Baukommission auch andere Fragen erörtern, und verweise darauf, daß jetzt die Frage der Wohnungsfürsorge - sowohl in bezug auf die rechtliche als auch auf die bauliche Seite - im Mittelpunkt steht. Auch in dieser Frage werden wir bis zum 22. Mai, also bis zur nächsten Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses Bonn/Berlin, eine Konzeption abschließend vorstellen können. Ich halte das, auch als Antwort auf bestehende Ängste und Sorgen von Menschen in Bonn und Berlin, für extrem wichtig, damit wir deutlich machen können, wo
Möglichkeiten des Wohnungsbaus und Möglichkeiten der Nutzung vorhandener Wohnungen bestehen. Auch dazu werden wir, I lerr Präsident, in diesem Hohen Hause weiterhin Rede und Antwort stehen.
Ich danke herzlich.
Vielen Dank, Herr Minister.
Eine erste Frage von Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig. Bitte schön.
Herr Minister, ich habe insgesamt drei Fragen:
Erstens. Welche voraussichtlichen Kostenreduktionen oder Kostensteigerungen gegenüber den bisherigen Planzahlen sind nach diesem neuen Ansatz zu erwarten, und sind sie schon heute zu beziffern?
Zweitens. Welche Konsequenzen zieht das Bundesbauministerium aus der sehr deutlichen Kritik, die der Rechnungshof - wie erst jetzt bekannt wurde, bereits im Oktober - an den Planungen zur Umgestaltung des Reichstagsgebäudes sowie den weiteren Bauprojekten im Spreebogen geäußert hat? Vor allem wurde ja der massive Vorwurf erhoben, daß das alles sehr überteuert ist, daß z. B. Planungskosten im Parlamentsviertel in Höhe von 20 % einfach 5 % zuviel sind.
Drittens. Mit welchen Verzögerungen rechnet die Bundesregierung, wenn es anläßlich der Tunnelplanungen, die ja den Spreebogen und damit das gesamte Umzugskonzept direkt betreffen, zu Rechtsstreitigkeiten zwischen den Berliner Umweltverbänden und dem Berliner Senat kommt?
Herr Minister.
Zu der ersten Frage kann ich noch nicht abschließend Stellung nehmen. Aber durch die Tatsache, daß wir keinen Gesamtneubau für das Auswärtige Amt brauchen, sondern nur, wie es so verkürzt gesagt wird, einen Kopfbau vor dem bestehenden Haus der Parlamentarier, wird es dort nicht unerhebliche Kosteneinsparungen geben. Es ist uns mitgeteilt worden, daß sie sich in der Größenordnung von etwa 150 Millionen DM bewegen. Man muß natürlich sehen, daß wir die Möglichkeit nicht ausschließen können, etwa im Zusammenhang mit dem Ministerium für Geologie, dem künftigen Sitz des Ministeriums für Verkehr, Ergänzungsbauten vornehmen zu müssen, weil auf längere Sicht jedenfalls die vorhandene Bausubstanz das gesamte Verkehrsministerium nicht aufnehmen kann, so daß dort vorhandene Flächen zu einem Neubau genutzt werden müssen.
Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
Auf jeden Fall gibt es keine Kostensteigerungen. Die einmal getroffene Festsetzung der Kosten in Höhe von 20 Milliarden DM bleibt damit unberührt. Es kann aber ebenfalls noch nicht gesagt werden, in welcher Größenordnung es sich insgesamt nach unten bewegen wird.
Zur Frage nach der Rechnungshofkritik am Spreebogen: Zunächst einmal darf ich nur darauf hinweisen, daß im Rahmen des Spreebogen-Projekts in ganz besonderer Weise die Baumaßnahmen verwirklicht werden, die auch den Deutschen Bundestag betreffen. Wir haben die Bundesbaugesellschaft gerade gegründet, um über einen privatwirtschaftlichen Zugang diese Dinge zu beschleunigen und voranzutreiben. Ich bin sehr sicher, daß sich der Aufsichtsrat der Bundesbaugesellschaft intensiv damit beschäftigen wird, welche Kritik dort vorgetragen wird. Ich bin im Augenblick nicht in der Lage, abschließend zu sagen, welche Stellungnahme von uns dazu abgegeben werden wird.
Nur bitte ich für folgendes um Verständnis: Wir sind nicht mit der Vorstellung an die Gründung der Bundesbaugesellschaft herangegangen, daß eine privatwirtschaftlich organisierte Gesellschaft für die positiven Aspekte zuständig ist und daß dann, wenn es Probleme gibt, hinterher der Minister dafür verantwortlich ist. Dies müssen wir, glaube ich, in der Baukommission und mit den Aufsichtsgremien der Bundesbaugesellschaft aufarbeiten und dem Bundesrechnungshof Rede und Antwort stehen.
Darüber hinaus kann ich Ihnen, Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig, sagen, daß ich natürlich die Präsidentin des Bundesrechnungshofes zweimal zu mir eingeladen habe. Wir haben uns zusammengesetzt, weil ich diese Dinge möglichst frühzeitig kennenlernen will, nämlich das Problem, daß wir Nebenkosten in Höhe von 20 % haben. Ich habe mir das einmal auflisten lassen, was alles in der jüngeren Vergangenheit gebaut worden ist und welche Nebenkosten wir haben. Es gibt da eine Spannbreite von etwa 14 bis etwas über 20 %. Die Nebenkosten bei einer Baumaßnahme wie etwa dem Neubau der Botschaft in Washington liegen sogar noch ein wenig über den 20 %, wenn ich mich richtig erinnere.
- Ich habe mir in meiner kurzen Amtszeit als Bundesbauminister, Herr Kollege Conradi, abgewöhnt, in diesem Zusammenhang von „schön" und „häßlich" zu sprechen.
Aber ich nehme gerne bei Ihnen noch Nachhilfe.
- Herr Kollege Kansy wird das besser beurteilen können.
Ich würde vorschlagen, die Reisepläne außerhalb der Befragung zu erörtern.
Heute, um 16 Uhr, findet eine Sitzung der Bundesbaukommission statt. Ich fände es gut, wenn man da noch einmal konkret Stellung nehmen könnte.
Zu der letzten Frage: Ich habe von Anfang an klargemacht, daß die Umsetzung der Verkehrsplanung - so wichtig sie ist - nicht zu einem Engpaßfaktor für die Umsetzung des Umzugsbeschlusses werden darf. Ich glaube, es ist mit allem Nachdruck klar zu sagen, daß wir zwischen 1998 und 2000 auf jeden Fall umziehen können, daß wir die Voraussetzungen dafür schaffen. Ich habe Gespräche mit der gemeinsamen Gesellschaft der Deutschen Bahn AG und des Senats von Berlin geführt; ich habe mich auch mit Vertretern der Bundesbaugesellschaft darüber unterhalten. Nach wie vor geht man davon aus, daß die sogenannte Deckelung oder die Baureife in dem Teilbereich des Spreebogens bis Anfang 1998 sichergestellt wird. Ich habe keine anderen Informationen und verlasse mich deswegen darauf, daß das so kommt. Ich unterstreiche noch einmal: Ein Engpaßfaktor für den Umzugstermin wird daraus nicht abgeleitet werden.
Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Klemmer.
Herr Minister, ich wüßte gern von Ihnen, wie Sie nach dem Verzicht auf Neubauten - den möchte ich ausdrücklich sehr begrüßen - die Möglichkeiten einschätzen, nun vor dem Jahr 1998 zu einem schrittweisen Umzug Ihrer Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Ministerien zu kommen. Das böte sich ja an; denn die Gebäude sind vorhanden und müssen nur hergerichtet werden.
Ich werde wie Frau Eichstädt-Bohlig eine zweite Frage gleich anschließen. Ich wüßte gern in bezug auf Ihr eigenes Ministerium, wie Sie die Chance sehen, auch im Benehmen mit Ihrem Herrn Kollegen Finanzminister Waigel etwas für Ihr Haus anzumieten, was ausdrücklich zu begrüßen wäre. Bei dem Angebot, das in Berlin an Anmietungsmöglichkeiten besteht, müßte das ganz besonders schnell gehen können.
Zu Ihrer ersten Frage darf ich Ihnen noch einmal bestätigen, daß wir davon ausgehen, daß wir den Umzugsfahrplan zeitlich durchaus strecken müssen, und zwar nach vorn, nicht nach hinten. Ich möchte darin nicht falsch verstanden werden. Wir müssen das allein unter dem Gesichtspunkt tun, möglichst viel Freiwilligkeit zu organisieren.
Bundesminister Dr. Klaus Töpfer
Es wird uns leichter sein, ein grundsätzliches Angebot an Freiwilligkeit des Umzugs von Berlin nach Bonn zu ermöglichen, wenn wir das auch in der Zeitachse flexibler gestalten. Deswegen gibt es keine generelle Vorgabe an den einen oder anderen Kollegen, sondern es ist aus dem Eigeninteresse der Ressorts heraus sinnvoll, diesen Vollzug schon jetzt mit den zeitlichen Verlagerungen nach vorn in Einklang zu bringen.
Was das Bundesbauministerium betrifft, kann ich folgendes sagen: Wir werden in den nächsten Wochen den Sitz des Umzugsbeauftragten im Staatsratsgebäude beziehen. Ich halte es für eine gute Sache, daß der Umzugsbauftragte seine Büros und seine Anlaufstelle im Staatsratsgebäude hat. Ich halte es auch für sinnvoll, daß wir möglichst bald, auch in Abstimmung mit dem Berliner Senat, im Staatsratsgebäude so etwas wie die „Werkstatt Berlin" vorstellen können.
Es wäre gut, wenn wir dort das städtebauliche Modell der Berliner Mitte vorstellen könnten, damit möglichst viele Menschen auch in dieses Gebäude hineinkommen. Damit würde gezeigt, daß wir hier durchaus eine direkte Kommunikation ermöglichen wollen. Deswegen halte ich es für richtig und gut, daß wir die dort vorhandenen Räumlichkeiten für den Umzugsbeauftragten nutzen.
Wir werden dabei eine durchaus beträchtliche Zahl von Mitarbeitern aus Bonn, die jetzt freiwillig nach Berlin gehen, entsprechend einbinden können. Wir werden nicht nur ein ab und zu vom Beauftragten selbst genutztes Gebäude haben, sondern es auch funktional weiternutzen.
Zur letzten Frage: Es gibt überhaupt keine Diskussion. Nachdem wir einmal in der Öffentlichkeit vorgestellt haben, daß das Bundesbauministerium zunächst in einer Mietliegenschaft arbeiten soll, habe ich unaufgefordert in zweistelliger Zahl Angebote bekommen, wo ich das in ganz besonderer Weise repräsentativ, zentral und vergleichsweise preiswert machen kann.
Es geht in der Tat - da haben Sie völlig recht - nicht um die Frage, ob es dort etwas gibt, sondern es geht darum, wie man das am besten optimieren kann. Die Angebote sind sehr zahlreich und kostengünstig. Es gibt Mietpreiszahlungen pro Quadratmeter, die ich kaum für möglich gehalten habe. Das zeigt, daß wir auf diesem Sektor in Berlin viel gebaut haben und daß dafür eine gute Nutzung gesucht wird.
Nächste Frage, Herr Conradi.
Das Aufteilungskonzept der Bundesregierung - neun Ministerien in Berlin und acht in Bonn - hat außerhalb Bonns zu gelegentlichem Erstaunen geführt. Meine Frage an Sie, Herr Minister: Erlaubt Ihr jetzt ausgearbeitetes Konzept auch andere Aufteilungen, und sieht die Bundesregierung nicht auch die Chance, den Umzug zu einer deutlichen Verbesserung und Neuordnung der Regierungsstruktur, etwa im Sinne von schlankeren Ministerien und nachgeordneten oberen Bundesbehörden zu nutzen? Das heißt: Erlaubt dieses Konzept, das Sie jetzt haben, auch andere Konzepte, so wie sie die Professoren Hegelau, Eichhorn und Jann in ihrem Gutachten zur zukünftigen Regierungsstruktur erläutert haben?
Herr Kollege Conradi, es ist ganz selbstverständlich, daß im Zuge einer solchen Entscheidung, die sehr viele Menschen einbindet, jede Ressortkollegin und jeder Ressortkollege noch einmal genau überprüft, was wirklich unmittelbar ministerielle Aufgabe ist und was möglicherweise auch in einen nachgeordneten Bereich einzubinden ist. Das ist, so glaube ich, absolut notwendig.
Wir werden das auch machen müssen, um die Kosten des Umzugs auch im personellen Bereich zu begrenzen. Es war in ganz besonderer Weise wichtig, das hier zu unterstreichen.
Wir haben in Berlin - auch das ist bekannt - für die Ministerien, die ihren Hauptsitz in Bonn behalten, eine entsprechende bauliche Maßnahme beschlossen. Das war einmal das Hexagon. Das wird jetzt wohl das Pentagon sein. Nebenbei: ebenfalls eine der Baumaßnahmen, die in ganz besonderer Weise eine Verpflichtung gegenüber traditioneller und im besten Sinne des Wortes bedeutsamer Bausubstanz mit darstellt. Das Preußische Herrenhaus hierfür mit zu nutzen ist wirklich eine ganz große Herausforderung. Wenn es uns in etwa so gelingt, wie es dem Abgeordnetenhaus in Berlin gelungen ist, in seinem Parlament das aufzugreifen und umzusetzen, wäre das eine hervorragende Sache. Dort werden diese Ministerien ihre regierungsbezogenen Aufgaben wahrnehmen können.
Zusammengefaßt: Ich bin sehr davon überzeugt, daß wir den Umzug auch zur Überprüfung der Regierungsbezogenheit oder der vollziehenden Aufgaben nutzen werden. Ich sage Ihnen ergänzend hinzu: Alleine der sehr weitreichende Beschluß der Kollegen im Haushaltsausschuß, jetzt Einsparungen im Personalbereich um 1,5 pro Jahr vorzunehmen, zwingt schon dazu, dies noch einmal in ganz besonderer Weise ernsthaft zu überprüfen und zu fragen, was man auch auf anderen Ebenen erfolgreich bewältigen kann.
Eine Nachfrage, Herr Conradi.
Der Senat von Berlin fordert die Bundesregierung auf, in den Erdgeschossen der Bundesministerien auch Läden, Cafés und andere Nutzungen zuzulassen - eine Forderung, der der Bundestag für seine Bauten entsprechen will. Haben Sie eine Aufstellung darüber, welche Senatoren in ihren Senatsgebäuden solche Erdgeschoßnutzungen durch Läden, Cafés und anderes zulassen, insbesondere beim Rathaus, beim Senator für Stadtentwicklung oder bei dem für Bauen und Wohnen?
Einen solchen Überblick habe ich nicht, aber wir haben hier den Berliner Senator bei uns. Der wird das sicher bestens sagen können. Die Gebäude, die ich bisher aufgesucht habe, haben diese Mischung nicht so dargestellt, wie Sie gerade nachgefragt haben, was aber gar nichts bedeutet.
Wissen Sie, mit dem, was wir bisher kennengelernt haben, wäre es das Schlechteste, wenn wir sagten: Wir brauchen es nicht zu machen, weil es auch andere noch nicht richtig gemacht haben. Ich bekenne mich nachhaltig dazu, wo immer möglich, Funktionen zu mischen. Wir werden dies nicht nur als ein demokratisches Grundprinzip für die Bundesregierung insgesamt verfolgen können, sondern auch als eine neue Qualität für die, die dort arbeiten. Genauso sicher ist es, daß es bei bestimmter Bausubstanz gar nicht möglich ist.
Ich stelle mir das ganz konkret bei diesen Altbausubstanzen vor, die ich genannt habe. Wenn Sie etwa im Ministerium für Geologie, in das der Bundesminister für Verkehr kommt, unten noch Läden oder ähnliches errichten wollten, wäre das eher eine Gefährdung des Ensembles dieses Gebäudes als einer wirklich sehr traditionellen Bausubstanz. Das läßt sich in einem Neubau oder in einem grundsätzlich sanierten Bereich im Zweifel einfacher machen. Deswegen sind dort allein unter dem Gesichtspunkt des Denkmalschutzes echte Grenzen gesetzt.
Zur nächsten Frage Herr Koppelin, bitte.
Herr Minister, hat es auch eine Diskussion über die Zukunft des Palastes der Republik - also Sanierung oder Abriß - gegeben?
Da Sie den Abbau der Stellen um 1,5 % angesprochen haben, möchte ich natürlich als Berichterstatter für Ihren Haushalt wissen, ob Sie nach dieser positiven Entscheidung auch schon Überlegungen angestellt haben, bei der Bundesbauverwaltung Stellen zu streichen, wie ich das gern schon für den Haushalt 1995 gesehen hätte, was ich mir aber mit Sicherheit für 1996 vorgenommen habe.
Es ist immer gefährlich, wenn eine Frage aus dem Nacken kommt, Herr Kollege Koppelin.
- Es ist also keine Unhöflichkeit, wenn ich nach vorne spreche und Sie im Nacken habe. Ich wollte das nur hinzugefügt haben.
Im Kabinett ist eine solche Diskussion nicht geführt worden. Ich glaube, das ist auch ganz richtig, denn wir haben eine Entscheidung im Gemeinsamen Ausschuß dazu getroffen, der im Februar tagte. Dort ist festgestellt worden, daß Berlin und der Bund gemeinsam und möglichst kurzfristig eine Vorbereitung über die funktionale Bedeutung dieses Platzes in der Mitte Berlins und der damit verbundenen Anforderungen an eine entsprechende Bausubstanz treffen sollten.
Daß wir, wenn wir die Funktionen geklärt haben, darüber nachdenken sollten, welche Bausubstanz dem gerecht wird und welche nicht, geht dann sicher über die Entscheidung allein unter dem Gesichtspunkt einer politischen Wertung hinaus, was ich sehr begrüße. Ich möchte alles daransetzen, daß wir aus dieser Ja-Nein-Entscheidung zu einer vernünftigen, nachvollziehbaren, an den Funktionen anknüpfenden Entscheidung für diesen Bereich kommen.
Die andere Frage, Herr Kollege Koppelin, bewegt uns sehr viel unmittelbarer, nämlich die Frage: Wie können wir 1,5 % beim Personal in Kenntnis der Altersstruktur der Mitarbeiter eines Ministeriums einsparen? Denn alle, die bei uns beschäftigt sind, sind im öffentlichen Dienst beschäftigt mit den entsprechenden Konsequenzen für die Dauer ihrer Beschäftigung. Wenn man bisher mit 1 % zu rechnen hatte und nachgewiesen bekam, daß dieses eine Prozent eigentlich dazu führt, daß überhaupt niemand mehr neu eingestellt werden kann, sondern daß das die Fluktuation in dem Jahr sein wird, dann wird es extrem schwer, einfach und schlicht zu sagen: Jetzt müssen 1,5 % abgebaut werden. Aber da wir diese Entscheidung erst seit ganz wenigen Tagen auf dem Tisch haben und wir sicherlich gegenüber dem Haushaltsausschuß und auch gegenüber anderen nachweisen müssen, wie wir das tun können, möchte ich gerne darauf zurückkommen. Schwierig ist das beim Ministerium genauso wie bei der Bundesbaudirektion.
Zur nächsten Frage Herr Kansy, bitte.
Herr Minister, wissend, daß ich hier nur Fragen an die Regierung stellen kann und nicht Fragen von Kollegen kommentieren darf, möchte ich Sie fragen, ob Sie meine Auffassung teilen, daß der Bundestag Gebäude wie Reichstag, Alsenblock und Dorotheenblock, die ausschließlich Parlamentsgebäude sind, nicht nur für sich reklamieren, sondern auch die Verantwortung dafür übernehmen sollte, wenn Kritik daran besteht, und daß es vielleicht dennoch Bedarf gibt, mit dem Bundesrechnungshof darüber zu diskutieren, ob er nur die Angemessenheit der Mittel überprüft oder uns vorschreiben will, ob wir im Reichstag überhaupt Veränderungen vornehmen oder nicht.
Die zweite Frage ist: Bleibt die Grundlage der Planung im Spreebogen, die nämlich Basis aller unserer bisherigen Beschlüsse war, erhalten, daß die Tunnel-
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
frage völlig losgelöst von der Stellung des Bundeskanzleramtes und des Alsenblockes entschieden und der Tunnel fertiggestellt werden kann?
Herr Kollege Kansy, ich kann eigentlich auf beide Fragen schlicht und einfach nur mit Ja antworten.
Ich gehe auch davon aus, daß das das erklärte Ziel Ihrer Frage war.
Aber zum Ernst zurück. Um es noch einmal zu sagen - ich habe das vielleicht etwas verbindlicher eingekleidet -: Ich kann nicht auf der einen Seite eine Bundesbaugesellschaft haben, das Parlament für das Ganze verantwortlich machen und gleichzeitig sagen: Wenn Kritik kommt, ist die Regierung daran schuld. Das läßt sich schwer miteinander verbinden. Wir haben deswegen unsere gemeinsame Verantwortung in dem Aufsichtsrat. Der werden wir nachgehen.
Auch zum zweiten Teilbereich bin ich Ihrer Meinung. Der Umzugsbeschluß - damit also auch die von Ihnen genannten Hochbaumaßnahmen - muß unabhängig von entsprechenden verkehrlichen Investitionen gesehen werden, so notwendig es ist, daß sie kommen, um in der Berliner Mitte nicht ergänzende erhebliche verkehrliche Belastungen und Schwierigkeiten zu haben. Das geht bis hin zu der Tatsache, daß wir nach wie vor davon ausgehen, daß die Clara-Zetkin-Straße für den Durchgangsverkehr nicht genutzt wird, was, wie Sie wissen, extreme Konsequenzen hat, weil der Übergang Ost-West durch die wenigen Nadelöhre, die wir haben - nur Behrenstraße und Französische Straße seien genannt -, natürlich zusätzlich erschwert wird, wenn wir die Clara-Zetkin-Straße dafür nicht mehr nutzen.
Zur nächsten Frage Frau Kollegin Limbach.
Herr Minister, darf ich davon ausgehen, daß sich Ihre Aussage, der Umzug könne auch vorgezogen werden, auf den Zeitraum 1998 bis 2000 bezieht, daß zu diesem Zeitpunkt die Wohnungsversorgung wie auch die Frage der Regelung von Härtefällen, Personalbörsen und dergleichen geregelt sind und daß wir in Bälde, was dann ja noch dringender nötig ist, auch ein Freimachungs-
und Unterbringungskonzept für die Bundesstadt Bonn haben, worin sowohl die Ministerien, die ihren ersten Sitz in Bonn haben, als auch die Ministerien, die ihren ersten Sitz in Bonn und ihren zweiten in Berlin haben, als auch die von Berlin und anderen Orten nach Bonn zu verlagernden Behörden vorkommen?
Frau Kollegin Limbach, Sie werden dieses Konzept natürlich bekommen. Es ist auch mehr als notwendig. Wir haben die
erste Sitzung des Koordinationsausschusses für den Ausgleichsvertrag am 4. April in diesem Jahr, also in knapp drei Wochen, wo wir neben anderem natürlich auch darüber zu berichten haben. Ich habe mir fest vorgenommen, das Nutzungs- und Freimachungskonzept für die Bundesstadt Bonn ebenfalls in der ersten Hälfte dieses Jahres vorzulegen und mit den Betroffenen zu diskutieren. Ich glaube, das ist unumgänglich notwendig.
Damit jedem klar ist: Wenn wir den Zeitplan nach vorne verändern, ist das nicht eine Aussage zu Lasten von Bonn, sondern eine Zusage für eine sozialverträglichere Lösung, auch für Angebote an die Beschäftigten, so daß man die Freiwilligkeit noch besser nutzen kann, als wenn wir das Ganze nur zu einem Stichtag machen könnten. Das ist der Hintergrund.
Wir werden - auch das muß man deutlich sagen - den Umzug gar nicht beliebig nach vorne verlagern können. Wir schreiben jetzt das Jahr 1995. Wir haben noch eine erhebliche Bautätigkeit vor uns, sowohl was die Gebäude selbst betrifft - mit der Ausnahme der angemieteten; das darf ich hinzufügen - als auch was die Wohnungsfürsorge usw. betrifft. Ich halte es also nicht für ein Abgehen von dem, was wir beschlossen haben, sondern für eine richtige Interpretation dessen.
Sie werden diese Sicherheit auch für Bonn bekommen. Ich bin mir bewußt, daß wir nicht nur für den Umzug nach Berlin, sondern auch für den Ausgleich für Bonn zuständig und verantwortlich sind. Deswegen findet die erste Sitzung am 4. April statt.
Zur nächsten Frage Herr Kollege Spiller.
Herr Minister, nachdem nun die Umzugsplanung konkreter geworden ist, frage ich Sie: Können Sie sicherstellen, daß der Umgang mit den von den Alliierten übernommenen Wohnungen dann so befriedigend gelöst wird, daß auch aus Ihrer Sicht als Bundesbauminister ein schwer erträglicher Leerstand vermieden wird?
Eine spezielle Frage dazu: Teilen Sie meine Auffassung, daß es eigentlich nicht einsichtig ist, wenn die Oberfinanzdirektion die Vermietung solcher Wohnungen an in Berlin stationierte Bundeswehrangehörige ablehnt - mit Ausnahme an Angehörige des Wachbatallions -, obwohl eigentlich bekannt sein müßte, daß normalerweise Militärs selten länger als zwei oder drei Jahre an einem Standort verbleiben?
Herr Kollege, zu Ihrer generellen Frage: Natürlich sind die Bundesregierung und die OFD in besonderer Weise besonders daran interessiert, daß es dort keine Leerstände gibt. Auf einem Wohnungsmarkt wie dem von Berlin, der nicht gerade durch einen Angebotsüberhang gekennzeichnet ist, große Leerstände zu haben, ist eine wirklich nur ganz schwer zu ertragende Tatsache. Deswegen bemühen wir uns intensivst, auch über
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Deutscher Bundestag — 13. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. März 1995 1839
Bundesminister Dr. Klaus Töpferentsprechende privatwirtschaftliche Unternehmen eine Zwischennutzung dieser Wohnungen zu erreichen, wissend, daß das mißverstanden werden kann, weil viele glauben, damit sind die Wohnungen gar nicht mehr verfügbar, wenn diese dann von den Umziehenden genutzt werden sollen.Es ist unsere Verpflichtung, bis zur nächsten Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses am 22. Mai über die Frage der Wohnungen, der jetzigen Nutzung und der Perspektive, einen abschließenden, entscheidungsfähigen Bericht vorzulegen. Das ist auch vom Berliner Senat so gewünscht worden. Es gibt dabei unterschiedliche Schwierigkeiten. Bei den Wohnungen in Karlshorst sind es andere als bei denjenigen im Quartier Napoléon oder an anderen Stellen. Das ist eine sehr schwierige Frage; darüber gibt es gar keine Diskussion. Wir sind mit Nachdruck dabei, sie auszuarbeiten.Das geht bis hin zur Beantwortung der Frage: Was wird mit dem Gelände, das von uns für den Wohnungsbau vorgesehen ist? Wir können ja nicht nur die Wohnungen der ehemaligen Alliierten nutzen, sondern müssen auch neue bauen. Es geht um die Frage: Wie werden wir uns dort einig? Wir haben uns mit dem Berliner Senat über die Verfügbarkeit von Sportflächen und anderen Flächen in diesem Ge- lände weitgehend geeinigt. Ich gehe auch hier davon aus, daß wir die Entscheidung darüber bis zum 22. Mai haben werden.Das Problem ist also voll erkannt. Wir sind bemüht, die Wohnungen zwischenzunutzen.Die Frage zu den Bundeswehrangehörigen kann ich Ihnen aus dem Stegreif nicht beantworten; ich will ihr gerne nachgehen.
Dann gebe ich das Wort zur letzten Frage noch an den Kollegen Behrendt.
Herr Minister, ich möchte Sie fragen, inwieweit die geplanten Sicherungsmaßnahmen für das Kanzleramt Auswirkungen auf die öffentliche Nutzung und die Zugänglichkeit dernäheren Umgebung des Kanzleramtes insbesondere im Bereich der Spree haben werden.
Diese Frage wird immer wieder mit großer Besorgnis gestellt. Ich muß Ihnen ganz deutlich und klar sagen: Wir und in besonderer Weise der Bundeskanzler sind jetzt damit beschäftigt, eine Entscheidung darüber zu finden, welcher Entwurf der beiden Träger des ersten Preises dort umgesetzt wird und wie wir dabei jeweils die Sicherungsmaßnahmen mit verwirklichen können. Man sollte das hinterher an ganz konkreten Beispielen belegen und jetzt nicht mit allgemeinen Sätzen darauf antworten.
Eines aber muß immer wieder gesagt werden: Wir alle, meine Damen und Herren, erhoffen uns im wiedervereinten Deutschland eine gesellschaftliche Realität, die es erlaubt, auf diese Sicherheitsfragen nicht mehr in gleicher Weise achten zu müssen, wie das leider gegenwärtig noch der Fall ist. Wenn wir daran gemeinsam arbeiten, können wir es uns bei den Fragen hinsichtlich der Sicherheitsmaßnahmen etwas leichter machen. Hieran gemeinsam zu arbeiten ist so wichtig, wie jetzt zu fragen, ob die Zugänglichkeit gewährleistet ist.
Im konkreten Fall komme ich gerne auf diese Frage zurück.
Vielen Dank, Herr Bundesminister.
Meine Damen und Herren, wir müssen überlegen, ob wir es auch künftig so praktizieren wollen, daß wir die ganze Zeit nur für das von der Regierung vorgegebene Thema aufbrauchen, oder ob wir uns in unseren Fragen beschränken, damit noch etwas Zeit für freie Fragen bleibt.
Dies ist jedenfalls heute nicht mehr der Fall, da die für die Befragung der Bundesregierung vorgesehene Zeit abgelaufen ist. Ich beende die Befragung.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde
- Drucksache 13/761 -
Wir kommen zunächst zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Rudolf Kraus zur Verfügung.
Ich rufe Frage 8 unseres Kollegen Hans Büttner auf:
Welche Vorstellungen hat die Bundesregierung, wie die rund 6 000 Planstellen bei der Bundesanstalt für Arbeit nach dem Wegfall der Kindergeldkassen bei der Bundesanstalt ab 1996 verwendet werden sollen?
Herr Staatssekretär, ich bitte um Beantwortung.
Herr Kollege Büttner, die Umsetzung des von der Regierungskoalition beschlossenen Optionsmodells zum Familienleistungsausgleich, das die sogenannte Finanzamtslösung enthält, setzt insbesondere eine eingehende Prüfung mit den Ländern voraus. Erst nach Abschluß der Feststellungen, der Zustimmung der Länder und der Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens können Aussagen über den Umfang der stellenplanmäßigen Auswirkungen auf Grund des Wegfalls der „Durchführung des Bundeskindergeldgesetzes" durch die Bundesanstalt für Arbeit gemacht werden.
Ihre zweite Frage beantworte ich wie folgt.
Verzeihung, Herr Staatssekretär.
Bitte schön.
Ich glaube, der Kollege Büttner möchte zuerst zu der Antwort auf seine erste Frage Zusatzfragen stellen.
Bitte, Herr Kollege Büttner.
Herr Staatssekretär, angesichts der Tatsache, daß derzeit bei der Bundesanstalt für Arbeit 6 000 Planstellen nur für die Bearbeitung des Kindergeldes eingerichtet sind - das war Inhalt meiner Frage -, muß sich die Bundesregierung, wenn sie eine Finanzamtslösung einführen will, doch schon Gedanken darüber gemacht haben, wie sie erstens diese Stellen anderweitig verwenden will und welches finanzielle Volumen hinter einer solchen Lösung zweitens steht. Es geht ja nicht nur um die Zahlung des Kindergeldes. Welche finanziellen Erwartungen hat die Bundesregierung für den Verwaltungsbereich auf Grund der Umstellung auf die Finanzamtslösung?
Zu Ihrem zweiten Teil der Frage: Jetzt kann natürlich noch keine detaillierte oder sonstwie geartete Schätzung hinsichtlich des finanziellen Volumens gemacht werden, weil es darauf ankommt - hier wiederhole ich mich -, zunächst einmal mit den Ländern und natürlich auch mit der Bundesanstalt selbst zu sprechen.
Herr Büttner, ich weiß, daß Sie ein engagierter Gewerkschafter sind. Als solcher sind Sie ganz sicher auch der Meinung, daß es der Respekt vor der Bundesanstalt für Arbeit und ihren Selbstverwaltungsorganen natürlich nicht erlaubt, heute mit Vorschlägen, die in einer Weise abgesprochen sind, im einzelnen und detailliert vor die Öffentlichkeit zu treten.
Herr Kollege Büttner, wollen Sie dazu eine weitere Zusatzfrage stellen, oder soll jetzt Ihre nächste Frage beantwortet werden?
Ich habe noch eine Zusatzfrage dazu.
Bitte sehr.
Herr Staatssekretär, darf ich daraus schließen, daß die Bundesregierung bei der Festlegung eines solchen Konzeptes als verwaltungsausübendes Organ nicht bedacht hat, welche Auswirkungen das auf die einzelnen Dienststellen haben könnte und welche Kosten dadurch verursacht werden?
Selbstverständlich bedenkt die Bundesregierung regelmäßig die finanziellen Auswirkungen, wenn Initiativen andiskutiert werden. Es ist aber eine ganz andere Frage, ob man das hier im einzelnen und detailliert - ich sage dies noch einmal - bekanntgeben soll.
Ich bin eben der Meinung, daß es zunächst einmal der Absprache mit den Betroffenen bedarf; wir sind noch weit von einer endgültigen Regelung entfernt. Es bedarf der Zustimmung des Bundesrates und der Abstimmung mit der Bundesanstalt für Arbeit. Nähere Angaben können seriöserweise beim besten Willen nicht gemacht werden.
Herr Kollege Kubatschka, Sie möchten eine Zusatzfrage dazu stellen? - Bitte.
Herr Staatssekretär, bei den Beschäftigten in diesem Bereich herrscht, wie Sie sich vorstellen können, Unruhe. Bis wann werden diese Vorschläge auf dem Tisch des Hauses liegen, damit die Beschäftigten - die Organisation ist oft dezentral aufgebaut - ungefähr wissen, wie es mit ihnen arbeitsmäßig weitergeht?
Die Beschäftigten können das dann erfahren, wenn wir die von mir angekündigten Gespräche, die notwendig sind, um dieses Gesetz überhaupt einer Verwirklichung zuführen zu können, sowohl mit den Ländern als auch insbesondere mit den Zuständigen innerhalb der Bundesanstalt für Arbeit geführt haben werden. Einen genauen Zeitpunkt kann ich Ihnen hier selbstverständlich nicht nennen.
Ich rufe Frage 9 auf, die ebenfalls unser Kollege Büttner gestellt hat:
Ist die Bundesregierung bereit, diese Planstellen für die Bekämpfung illegaler Beschäftigung, die Kontrolle von Werkverträgen sowie die Verbesserung des medizinischen Dienstes der Beratungskapazitäten bei der Arbeitsverwaltung einzusetzen?
Ich bitte um Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Herr Kollege Büttner, der Haushaltsplan der Bundesanstalt für Arbeit wird nach § 216 des Arbeitsförderungsgesetzes vom Vorstand aufgestellt und vom Verwaltungsrat festgestellt. Der festgestellte Haushaltsplan bedarf der Genehmigung durch die Bundesregierung. Im Haushaltsplan wird die Zahl der Planstellen festgelegt. Die Aufteilung auf die einzelnen Fachbereiche obliegt der Verwaltung.
Parl. Staatssekretär Rudolf Kraus
Es bleibt deshalb abzuwarten, welche Vorstellungen die Selbstverwaltungsorgane der Bundesanstalt für Arbeit im Zusammenhang mit dem Wegfall der Aufgabe „Durchführung des Bundeskindergeldgesetzes" im Haushaltsplan der Bundesanstalt einbringen werden.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, auf Grund der Tatsache, daß die Bundesregierung in den letzten Jahren mehrfach den festgestellten Haushaltsplan der Bundesanstalt reduziert hat, habe ich die Frage, mit welchem Volumen die Bundesregierung bei den Festlegungen der Bundeszuschüsse rechnet, das durch den Wegfall der Kindergeldregelung realisiert werden kann.
Ich darf gleich eine zweite Zusatzfrage anschließen: Ist die vorgesehene Kürzung des Bundeszuschusses an die Bundesanstalt für Arbeit bereits ein Vorgriff auf möglicherweise weitere Reduzierungen im Zusammenhang mit dieser personellen Maßnahme?
Zur ersten Frage wiederhole ich: Genaue Angaben zum Umfang möglicher Einsparungen, Umschichtungen oder zur Weggabe von Planstellen und dergleichen können heute mit Sicherheit nicht gemacht werden. Es hat keinen Sinn, daß wir uns ans Raten begeben.
Zur zweiten Frage, die Sie gestellt haben, möchte ich sagen: Ganz selbstverständlich hat - wie Sie sicher aus den Beratungen wissen - das, was jetzt an Zuschüssen gekürzt worden ist, nichts mit einem Vorgriff auf Auswirkungen zu tun, die durch eine von uns angestrebte organisatorische Umstellung möglicherweise entstehen.
Werden aus dem Kreis der Kollegen weitere Zusatzfragen gestellt? - Das ist nicht der Fall. Dann, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, bedanke ich mich für die Beantwortung.
Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gibt es eine Frage des Kollegen Augustinowitz. Sie soll bitte schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Ulrich Klinkert zur Verfügung.
Die Frage 2 ist von unserer Kollegin Marion Caspers-Merk gestellt:
Wie bewertet die Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt der Abfallvermeidung den Trend von der Mehrwegflasche zur Bierdose, der sich u. a. darin zeigt, daß allein in Bayern im ersten Halbjahr 1994 der Dosenbieranteil um 85,7 % gestiegen ist?
Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie haben das Wort.
Frau Kollegin Caspers-Merk, wenn Sie und der Herr Präsident es mir gestatten, würde ich Ihre beiden inhaltlich unmittelbar im Zusammenhang stehenden beiden Fragen auch direkt nacheinander beantworten.
Ich schon, aber die Frau Kollegin muß das erlauben.
Sie nickt, Herr Präsident.
Dann rufe ich auch Frage 3 der Kollegin Marion Caspers-Merk auf:
Sieht es die Bundesregierung hinsichtlich der eingeführten Mehrwegsysteme bei Bier als bedrohlich an, daß Dosenbier bei steigender Tendenz mit zwischenzeitlich 12,6 % am Gesamtausstoß von Bier in der Bundesrepublik Deutschland beteiligt ist, und beabsichtigt die Bundesregierung, gegen diesen Trend z. B. im Rahmen der Novellierung der Verpackungsverordnung oder durch den Erlaß einer Mehrwegverordnung etwas zu unternehmen?
Frau Kollegin Caspers-Merk, über den Wahrheitsgehalt der von Ihnen getroffenen Aussage, der wohl ein Artikel in der Zeitung „Die Zeit" zugrunde liegt, liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Die in dem Artikel als Datenermittler genannte Gesellschaft für Konsumforschung, GfK, Nürnberg, ermittelt als Unterauftragnehmer der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung, GVM, Wiesbaden, auch Daten für die Veröffentlichung der Mehrweganteile im „Bundesanzeiger". Die von der GfK ermittelten Zahlen betreffen jedoch nur die über den Handel abgesetzten Verpackungen, so daß diese Angaben nicht mit den im Bundesanzeiger veröffentlichten Daten vergleichbar sind.
Auf Grund von Zahlen, die der Bundesregierung im Vorgriff auf die Beauftragung zur Ermittlung der Mehrwegzahlen für 1994 von der GfK zur Verfügung gestellt worden sind, ist davon auszugehen, daß der von Ihnen genannte Anstieg des Dosenbieranteils in Bayern für das gesamte Jahr 1994 etwa 40 % beträgt. Da jedoch der Dosenbieranteil in Bayern ohnehin sehr gering ist, macht der absolute Anstieg lediglich 2,4 Prozentpunkte aus. Bundesweit ist nach den Zahlen der GfK von einem Anstieg des Dosenbieranteils im Handel um etwa 1,6 Prozentpunkte auszugehen.
Auf Grund des immer noch relativ niedrigen Dosenbieranteils sieht die Bundesregierung hier keine Gefahr für die Mehrwegsysteme bei Bier. Sie wird die Entwicklung in diesem Bereich jedoch auch weiterhin sorgfältig beobachten.
Zu Ihrer zweiten Frage: Es trifft zu, daß der Anteil von Dosenbier im Jahre 1993 12,6 % betragen hat. Dies geht aus einer von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Studie der GVM hervor. Ergebnis dieser Studie ist jedoch auch, daß der Anstieg des Dosenbieranteils nicht zu Lasten der Mehrwegsy-
Parl. Staatssekretär Ulrich Klinkert
sterne, sondern zu Lasten der Einweg-Glasflasche erfolgt ist. Der Mehrweganteil bei Bier ist sogar von 82,16 % im Jahre 1991 auf 82,25 % im Jahre 1993 leicht gestiegen. Man könnte bei der unterstellten Streubreite der Angaben auch sagen: Dieser Anteil ist konstant geblieben.
Die Bundesregierung geht deshalb auch davon aus, daß die Mehrwegschutzquote in der Verpakkungsverordnung zunächst einmal ausreicht, um die Mehrweganteile zumindest auf dem Stand von 1991, dem Jahr des Inkrafttretens der Verpackungsverordnung, zu halten. Die für das Jahr 1993 vorliegenden Mehrwegzahlen unterstreichen diese Auffassung. So stieg der Mehrweganteil für alle Getränke in der Bundesrepublik von 71,7 % in 1991 auf 73,6 % in 1993.
Frau Kollegin, eine Zusatzfrage, bitte.
Die erste Zusatzfrage: Herr Staatssekretär Klinkert, die Bundesregierung beobachtet die Entwicklungen bei Einweg- und Mehrwegsystemen mit großem Interesse; das haben Ihre Ausführungen gezeigt. Aber sind Sie nicht mit mir der Meinung, daß es derzeit außer bei Bier auch bei den Mineralbrunnen Tendenzen gibt, von den eingeführten Mehrwegsystemen, die sehr weit verbreitet sind, wegzukommen, so daß hier eine Diversifizierung und der Trend zum Einwegsystem mit Besorgnis zu beobachten sind?
Die zweite Zusatzfrage möchte ich gleich anschließen. Wie sieht es mit der geplanten Mehrwegverordnung aus, die in der letzten Legislaturperiode angekündigt, bislang aber nicht umgesetzt wurde? Hält
die Bundesregierung diesen Plan aufrecht? Welche Zeitvorgaben hat sie dafür?
Verzeihung, Herr Staatssekretär. Frau Kollegin, ich muß nur die Bemerkung machen, daß sich Zusatzfragen auf die gestellte Frage beziehen müssen. Sie können mit Ihrer Zusatzfrage das Thema - Sie haben nach den Bierdosen gefragt - nicht allgemein auf Mehrwegverpackungen ausdehnen.
Herr Präsident, ich habe die Mehrwegverordnung in der zweiten Frage ausdrücklich erwähnt.
Aber im Zusammenhang mit Ihren Bierdosen.
Ich verstehe, daß Sie Bier mehr interessiert als Mineralwasser.
Ich unterstelle, daß der Herr Parlamentarische Staatssekretär gleichwohl in der Lage ist, diese Fragen zu beantworten.
Ich unterstelle meinerseits, Frau Caspers-Merk, daß es sich nicht um Ihre Bierdosen handelt, weil ich davon ausgehe, daß Sie die Glasflasche bevorzugen.
Frau Caspers-Merk, die Bundesregierung teilt Ihre Sorge angesichts der Diskussionen - ich glaube, mehr ist es im Moment noch nicht -, die gegenwärtig im Mineralwasserbereich geführt werden. Wir sehen die Bemühungen, dort andere Wege einzuschlagen. Vor allen Dingen teilen wir die Sorge bei dem PET-Einwegsystem. Die Bundesregierung sieht bei diesem System im Moment keine ökologischen Vorteile. Sie befürchtet im Gegenteil ökologische Nachteile, vor allen Dingen was den Mehraufwand beim Transport, aber auch den möglicherweise zusätzlich erforderlichen Energieeinsatz betrifft.
Im übrigen glauben wir aber, daß die Gefahr in diesem Bereich nicht mehr allzu akut ist, da sich der Hauptträger dieser Gedanken in der Zwischenzeit zurückgezogen hat.
Zur zweiten Frage: Die Mehrwegverordnung, Frau Caspers-Merk, wird, wenn sie kommt, nur dann verabschiedet werden, wenn sie auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt werden kann. Wir haben - das wissen Sie - umfangreiche Studien in Auftrag gegeben. Die ersten Ergebnisse dieser Studien, vor allen Dingen eine Datenzusammenfassung, die verschiedene Mehrwegsysteme betrifft, liegen seit dem Herbst des vergangenen Jahres auf dem Tisch. Sie wissen, daß es sich insgesamt um neun sehr umfangreiche Ordner handelt. Diese werden zur Zeit vom Umweltbundesamt ausgewertet.
Das Umweltbundesamt beabsichtigt, im Frühjahr hierzu wissenschaftliche Ergebnisse zu veröffentlichen. Auf der Grundlage dieser Veröffentlichung wird dann über eine mögliche Mehrwegverordnung nachgedacht.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, selbst die indirekte Richtigstellung einer Formulierung des amtierenden Präsidenten ist unzulässig. Selbstverständlich habe ich nicht der Kollegin Caspers-Merk unterstellt, daß sie an der steigenden Tendenz des Dosenbierkonsums persönlich beteiligt sei.
Natürlich nicht.
Sie haben aber noch zwei Zusatzfragen, Frau Kollegin.
Plant die Bundesregierung bei der Novellierung der Verpackungsverordnung eine Absenkung des Mehrweganteils bei Bier, will sie diesen Mehrweganteil ebenso fest-
Marion Caspers-Merk
schreiben, und wie sieht es mit den Verwertungsquoten in diesem Bereich aus?
Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, grundsätzliche Änderungen in der Verpackungsverordnung dahin gehend vorzunehmen, daß Mehrweganteile geändert werden. Im Gegenteil: Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß sich die Verpakkungsverordnung gerade bei Getränkemehrwegverpackungen bewährt hat, weil der Anteil von Getränkemehrwegverpackungen seit Inkrafttreten der Verpackungsverordnung im Jahre 1991 - ich erwähnte das bereits in meinen ersten Ausführungen - um rund 2 % angestiegen ist. Das heißt, daß sich in diesem Bereich die Verpackungsverordnung bewährt hat und keinerlei grundsätzlicher Änderung bedarf.
Eine weitere Zusatzfrage?
Kommt aus dem Kreis der Kollegen noch eine Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall.
Dann bedanke ich mich, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für die Beantwortung.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf. Die Fragen wird der Parlamentarische Staatssekretär Klaus-Jürgen Hedrich beantworten.
Ich rufe die Frage 4, gestellt vom Kollegen Horst Kubatschka, auf:
Sind einzelne Mitglieder der Bundesregierung dazu bereit, öffentlich zum bevorzugten Kauf von Orientteppichen aufzurufen, die mit dem sogenannten ,,Rugmark-Label" als Zeichen einer Fertigung garantiert ohne den Einsatz von Kinderarbeit gekennzeichnet sind, wie dies von Staatssekretär Wighard Härdtl in seinem Schreiben vom 8. November 1994 für die Zeit nach der Markteinführung solcher Teppiche in Aussicht gestellt wurde?
Bitte Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Herr Präsident! Verehrter Kollege Kubatschka! Einzelne Mitglieder der Bundesregierung sind in der Tat bereit, bei sich bietender Gelegenheit zum bevorzugten Kauf von Orientteppichen aufzurufen, die mit dem „Rugmark-Label" gekennzeichnet sind. So hat u. a. Bundesarbeitsminister Blüm bereits auf dem Weltsozialgipfel in Kopenhagen sowohl in seiner dort am 6. März 1995 vorgetragenen Rede als auch bei Pressekonferenzen mehrfach auf die schlimmen Arbeitsbedingungen für Kinder bei der Herstellung von Orientteppichen hingewiesen und an das Gewissen der potentiellen Käufer appelliert. Ich selbst habe an diesen Pressekonferenzen teilgenommen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sieht die Bundesregierung auch noch andere Möglichkeiten, für weitere Maßnahmen zu werben, um gegen Kinderarbeit vorzugehen?
Herr Kollege Kubatschka, ich kann in diesem Zusammenhang nur darauf verweisen, daß wir nicht zuletzt im Rahmen unserer entwicklungspolitischen Zusammenarbeit immer wieder darauf hinwirken, daß Kinder- und Zwangsarbeit beseitigt wird und daß den Menschen, die diese Arbeit im Regelfall aus sozialer Not tun, andere Erwerbsmöglichkeiten eröffnet werden.
Zweite Zusatzfrage.
Sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, an einem effektiven Kontrollsystem vor Ort mitzuwirken?
Diese Möglichkeiten halte ich für äußerst begrenzt.
Wir kommen zur Frage 5, ebenfalls gestellt vom Kollegen Kubatschka:
Wie beurteilt die Bundesregierung die sogenannte „Care & Fair"-Organisation, die als Konkurrenz zur gemeinnützigen Rugmark-Stiftung von Teppichhändlern gegründet worden ist?
Bitte, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Im Rahmen der Aktion „Care & Fair" ist geplant, daß sich Unternehmen der Teppichbranche auf freiwilliger Basis verpflichten, zunächst 1 % des Importwertes an einen Stiftungsfonds abzuführen, aus dem Vorhaben in Entwicklungsländern finanziert werden sollen.
In einer gemeinsamen Besprechung von Vertretern der „Rugmark"-Initiative und der Aktion „Care & Fair" Mitte Februar dieses Jahres in Frankfurt wurden die übereinstimmenden Ziele bestätigt und eine zukünftige Zusammenarbeit - wo immer möglich - vereinbart. Beide Institutionen haben sich verpflichtet, im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit gemeinsam getragene Stellungnahmen abzugeben, wobei darauf hingewiesen werden soll, daß „Rugmark" eine auf die indische Situation zugeschnittene Initiative ist, die sich auf dem Wege über die Kontrolle der Produktionsmittel um die Abschaffung von Kinderarbeit bemüht. Die Beteiligung an einer der beiden Initiativen schließt die Teilnahme an der jeweils anderen nicht aus. „Care & Fair" wird gegen die „Rugmark " -Initiative keinen Druck auf den Handel ausüben.
Die Bundesregierung sieht in dieser Aktion keine Konkurrenz zur „Rugmark"-Initiative, sondern eine begrüßenswerte Ergänzung. - Das noch als Anmerkung zu dem, was Sie vorhin gefragt haben. - Da
Parl. Staatssekretär Klaus Jürgen Hedrich
noch keinerlei Erfahrungswerte zu dieser Aktion vorliegen, möchten wir von einer weitergehenden Beurteilung - zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt - absehen.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, Sie haben darauf hingewiesen, daß sich die ,,Rugmark"-Initiative bisher auf Indien bezieht. Sieht die Bundesregierung auch Möglichkeiten, diese Initiative über Indien hinaus, z. B. auf Pakistan, auszuweiten?
Diese Möglichkeit sehen wir schon. Ich möchte allerdings, was unsere Position betrifft, einräumen, daß wir uns im Augenblick schwerpunktmäßig auf die indische Situation konzentrieren.
Keine weiteren Zusatzfragen? - Vielen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen.
Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf.
Die von dem Kollegen Benno Zierer gestellte Frage, die Frage 7, ist zurückgezogen worden.
Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung steht uns die Parlamentarische Staatssekretärin Michaela Geiger zur Verfügung.
Der Kollege Ludwig Stiegler, der die Frage 10 gestellt hat, ist im Augenblick nicht im Saal.
Ich rufe dann zunächst die Frage 11 auf, die die Kollegin Jutta Müller gestellt hat:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesministeriums der Verteidigung, das der Ableistung eines Wehrdienstes mehr öffentliche und gesamtgesellschaftliche Bedeutung beimißt als dem Forschungsprojekt EVIMED, welches in einem weltweit einzigartigen Verfahren einen Spezialprozessor zur verbesserten Operationsplanung und -kontrolle in der Kopf-, Neuro- und Herzchirurgie entwickelt?
Ich bitte, Frau Parlamentarische Staatssekretärin, um Beantwortung.
Frau Kollegin Müller, die Pflicht zum Dienst in den Streitkräften ist in Art. 12a des Grundgesetzes verfassungsrechtlich geregelt. Sie ist eine allgemeine, für alle jungen Männer ab dem vollendeten 18. Lebensjahr gleiche Dienstpflicht. Das Wehrpflichtgesetz konkretisiert die Regelungen über die Heranziehung zu dieser Dienstpflicht. Das bedeutet, daß von der konkreten Ableistung eines Wehrdienstes nur diejenigen befreit oder befristet ausgenommen werden, bei denen das Gesetz dies ausdrücklich zuläßt. Dieses Verfahren garantiert die Einhaltung des in der Verfassung festgeschriebenen Gleichbehandlungsgrundsatzes, den jede Verwaltungsbehörde zu beachten hat. Das Forschungsprojekt EVIMED, dessen Bedeutung ganz
unbestritten ist, kann aus diesem Grunde auch keine Sonderregelung erfahren.
In dem Ihrer Anfrage zugrunde liegenden Einzelfall wurde nach sehr gründlicher Prüfung festgestellt, daß der erfolgreiche Abschluß des Forschungsprojekts durch die Wehrdienstleistung eines der daran beteiligten Mitarbeiter nicht in Frage gestellt wird. Das in dieser Sache erneut eingeleitete Verfahren auf Unabkömmlichstellung ist im übrigen mit der ablehnenden Entscheidung des Kreiswehrersatzamtes vom 7. März 1995 noch nicht abgeschlossen. Wir müssen den Ausgang daher abwarten.
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Müller.
Frau Staatssekretärin, mittlerweile ist dieses Verfahren abgeschlossen. Der Antrag wurde wieder abgelehnt. Das nur zu Ihrer Information.
Ich möchte Sie nun fragen: Welche wissenschaftliche Ausbildung hat der Leiter eines Kreiswehrersatzamtes, um beurteilen zu können, welcher Zeitraum, welcher Personalaufwand, welcher Finanzaufwand und welcher Planungsaufwand - auch mit kurzfristigen Änderungen - in der Projektplanung eines auf der Welt einzigartigen Untersuchungsprojektes zur Entwicklung eines medizinischen Gerätes notwendig ist?
Frau Kollegin Müller, nach meiner Information hat das Kreiswehrersatzamt am 7. März 1995 den Uk-Antrag zwar erneut zurückgewiesen. Aber die Universität Mannheim kann den Ausschuß zum Ausgleich von Meinungsverschiedenheiten erneut anrufen. Dazu ist Zeit bis zum 17. März 1995, also noch zwei Tage. Das Verfahren ist meiner Ansicht nach somit noch offen. Der Ausschuß zum Ausgleich von Meinungsverschiedenheiten war schon früher befaßt. Dieser Ausschuß hat drei Mitglieder: einen Angehörigen der Wehrverwaltung, einen Vertreter der Arbeitsverwaltung und einen von der Landesregierung benannten Vertreter. Es ist also durchaus von mehreren Stellen geprüft worden. Auch dort wurde abgelehnt. Allerdings ist der Wehrpflichtige schon zweimal befristet zurückgestellt worden. Die Universität hätte also die Möglichkeit gehabt, sich darauf einzustellen.
Zweite Zusatzfrage.
Frau Staatssekretärin, wie beurteilt Ihr Haus die Äußerung des Leiters des Kreiswehrersatzamtes Mannheim, wonach dieser im Hinblick auf die Medienresonanz dieses Falles gesagt haben soll: Bei diesem Medienrummel hätte sich die Uni den zweiten Uk-Antrag gleich sparen können?
Frau Abgeordnete,
Parl. Staatssekretärin Michaela Geiger
diesen Ausspruch kann ich nicht kommentieren, weil ich ihn so nicht bestätigen kann. Ich habe keine Erkenntnisse darüber.
Allerdings muß ich eines feststellen: Wir haben sehr oft harte Fälle. Wir müssen immer versuchen, alle gleich zu behandeln. Es kann natürlich nicht angehen, daß wir in einem Fall, bei dem Medien dahinterstehen, anders urteilen als in einem Fall, bei dem es vielleicht um einen kleinen Handwerksbetrieb geht, wo es mindestens genauso schwierig ist, einen qualifizierten Mitarbeiter zu ersetzen.
Werden aus dem Kreis der Kolleginnen und Kollegen weitere Zusatzfragen gestellt? - Das ist nicht der Fall.
Wie ist der Stand der auf der Grundlage des Erlasses der Konzeptionellen Leitlinie des Bundesministeriums der Verteidigung vom 12. Juli 1994 angekündigten Planungen zur Heeresstrukturreform, einschließlich der Festlegung der Krisenreaktionskräfte, und mit welchen Konsequenzen werden die Oberpfälzer Bundeswehrstandorte Amberg, Pfreimd, Oberviechtach, Cham und Roding zu rechnen haben?
Herr Kollege Stiegler, der Bundesminister der Verteidigung hat heute dem Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages erste Ergebnisse der Grobstrukturplanung einschließlich der Stationierungsüberlegungen für eine um ca. 30 000 Soldaten reduzierte Bundeswehr erläutert. Mit der Ausplanung der Feinstruktur des Heeres wird unmittelbar danach begonnen. Als Grundlage für diese Planung sind als Krisenreaktionskräfte zunächst diejenigen Kommandobehörden - vor allem Brigadekommandos - festgelegt worden, die zukünftig Krisenreaktionsaufgaben wahrnehmen sollen. Eine Entscheidung über die Zuordnung von einzelnen Truppenteilen für diesen Aufgabenbereich erfolgt allerdings erst später.
Ziel des Bundesverteidigungsministers ist es, die Krisenreaktionskräfte nicht auf wenige Kommandobereiche zu konzentrieren, sondern stärker in der Fläche zu verteilen und verstärkt Truppenteile in den neuen Bundesländern in diese Kernaufgaben des Heeres einzubeziehen,
Zur Zeit ist es noch nicht möglich, die Auswirkungen der künftigen Heeresstruktur im einzelnen für die genannten Standorte festzustellen.
Das folgende kann ich aber heute schon sagen: Für Amberg, Pfreimd und Oberviechtach wird es keine größeren Veränderungen geben. In Cham wird es keine Veränderungen von Stärke und Auftrag des dort stationierten Jägerbataillons 113 geben. Es ist jedoch beabsichtigt, dieses Bataillon der Gebirgsjägerbrigade 23 in Bad Reichenhall zu unterstellen. Roding: Wegen des Wegfalls großer Anteile der Jägertruppe in der neuen Heeresstruktur ist die Aufgabe
des Standortes in der Diskussion. Allerdings werden die Möglichkeiten zur Nachbelegung - dann allerdings zu Lasten anderer Standorte in dieser Region - noch geprüft.
Zusatzfrage, Herr Kollege Stiegler.
Frau Staatssekretärin, Sie haben darauf hingewiesen, daß nach der Unterlage, die heute verteilt worden ist, für den Standort Roding noch keine Entscheidung getroffen ist. Wird hier mit der Bayerischen Staatsregierung und der Gemeinde geredet, um die angekündigte Absicht zu implementieren, den Standort alternativ zu besetzen?
Selbstverständlich, Herr Kollege. Was der Bundesminister heute im Verteidigungsausschuß vorgelegt hat, ist ein Vorschlag. Dieser Vorschlag wird selbstverständlich mit allen beteiligten Landesregierungen - in diesem Fall der Bayerischen Staatsregierung - diskutiert. Abschließend wird eine Regelung gefunden werden.
Sie können noch eine zweite Zusatzfrage stellen. - Bitte, Herr Kollege.
Frau Staatssekretärin, die Nachricht, daß der Standort in Roding eventuell aufgelöst wird oder personell ausgedünnt werden soll, hat dort gestern oder heute ziemlich hart eingeschlagen. Der Bürgermeister ist in sehr großer Sorge. Die Stadt Roding ist mit der Bundeswehr gewachsen. Gibt es schon Überlegungen, wie man den Standort in der jetzigen Größenordnung aufrechterhalten kann? Gibt es hier Ersatzlösungen?
Es gibt sicherlich Überlegungen, auf die ich heute noch nicht eingehen kann. Es gibt auch Vorschläge. Wir sind für jeden gangbaren Vorschlag dankbar, denn Sie wissen, es sind etliche Standorte betroffen. Überall - übrigens auch in meinem Wahlkreis - herrscht die gleiche Betroffenheit. Insofern sind wir natürlich bemüht, Abhilfe zu schaffen, wo immer es geht, besonders in strukturschwachen Räumen. Aber wir müssen dies noch eingehend diskutieren.
Weitere Zusatzfragen aus dem Kreis der Kolleginnen und Kollegen? - Das ist nicht der Fall. Dann, Herr Kollege Pfannenstein, war es die letzte Frage zu diesem Geschäftsbereich, denn der Kollege Wallow, Frau Parlamentarische Staatssekretärin, hat seine Frage zurückgezogen. Ich bedanke mich für die Beantwortung.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Gesundheit auf. Die Fragen wird uns Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Sabine BergmannPohl beantworten.
Vizepräsident Hans Klein
Die Fragen 13 und 14 der Abgeordneten Lisa Peters sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Die Fragen 15 und 16 der Kollegin Antje-Marie Steen sind zurückgezogen worden.
Dann rufe ich die Frage 17 des Kollegen Wodarg auf:
Wie will die Bundesregierung in Zukunft dafür Sorge tragen, daß ihre eigenen Behörden das Vertrauen in die gesetzlichen Regelungen fördern, wenn eine Behörde des Bundes den Krankenversicherungen nahelegt, erneut in einen Wettbewerb um die niedrigen Risiken einzutreten, und auf diese Weise das Vertrauen in die Funktionsweise des Risikostrukturausgleichs der Krankenversicherungen untergräbt?
Bitte, Frau Parlamentarische Staatssekretärin.
Herr Kollege Wodarg, mit den ab 1996 geltenden umfassenden Kassenwahlrechten der Versicherten wird der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen zunehmen. Der seit 1994 eingeführte Risikostrukturausgleich soll die wettbewerblichen Rahmenbedingungen der Krankenkassen angleichen und verhindern, daß sich der Wettbewerb zu Lasten ungünstiger Versicherungsrisiken auswirkt. Die der Frage zugrundeliegenden Ausführungen des Bundesversicherungsamtes im Jahresbericht 1993 des Prüfdienstes KV widersprechen dieser Zielsetzung. Zumindest sind diese Ausführungen mißverständlich, denn zugleich weist das Bundesversicherungsamt in dem angesprochenen Bericht auch darauf hin, daß die Krankenkassen - ich zitiere - „erkennbar schlechte Risiken weder abschrecken, abweisen oder ausgrenzen" dürfen. Das Bundesministerium für Gesundheit wird deshalb in Kürze ein Gespräch mit dem Präsidenten des BVA darüber führen, wie die der Aufsicht des BVA unterstehenden Krankenkassen über angemessene Wettbewerbsstrategien informiert werden können.
Zusatzfrage, Herr Kollege Wodarg.
Ich würde dann gerne wissen, ob es Überlegungen gibt, diese unterschiedlichen Belastungen im Ausgabenbereich auszugleichen und hier einen Risikostrukturausgleich auf der Ausgabenseite einzuführen?
Herr Kollege Wodarg, solche Überlegungen gibt es nicht. Ich darf darauf hinweisen, daß die bisherigen vorläufigen Ergebnisse für 1994 keinen Anlaß für eine Ausweitung des Risikostrukturausgleichs geben, zumal die Beitragssatzunterschiede zwischen den Krankenkassen sehr deutlich reduziert worden sind. Allerdings, muß ich dazu sagen, reichen diese kurzen Erfahrungen für eine abschließende Bewertung noch nicht aus.
Wollen Sie zu dieser Frage keine weitere Zusatzfrage stellen? - Aus dem
Kreis der Kolleginnen und Kollegen werden ebenfalls keine weiteren Zusatzfragen gestellt.
Dann rufe ich die Frage 18, die ebenfalls der Kollege Wodarg gestellt hat, auf:
Wie will die Bundesregierung gewährleisten, daß bei Konflikten zwischen betriebswirtschaftlichen Interessen einzelner Kassen und dem gesellschaftspolitischen Interesse an Beitragsgerechtigkeit die Wahrung der Rechte der Versichertengemeinschaft im Vordergrund stehen?
Herr Kollege Wodarg, mit dem Risikostrukturausgleich sind diese Konflikte bereits erheblich begrenzt worden. Die ersten Erfahrungen im Jahre 1994 haben gezeigt, daß die Beitragssatzunterschiede der Krankenkassen spürbar verringert worden sind. Am 1. Januar 1993 hatten noch 36 % aller Mitglieder einen Beitragssatz, der mehr als einen Prozentpunkt über oder unter dem durchschnittlichen allgemeinen Beitragssatz lag. Am 1. Januar 1995 waren dies nur noch 16 % der Mitglieder. Auch die durch das Gesundheitsstrukturgesetz erleichterten Kassenfusionen, die gegenwärtig noch weiter umgesetzt werden, tragen zum Abbau der Beitragssatzunterschiede und damit zu mehr Beitragsgerechtigkeit bei. Dies gilt auch für die neugeschaffene Möglichkeit finanzieller Hilfen zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit einzelner Krankenkassen im Wege des Finanzausgleichs innerhalb der Kassenarten.
Damit sind im Organisationsbereich der gesetzlichen Krankenversicherungen solide gesetzliche Rahmenbedingungen für einen fairen Kassenwettbewerb geschaffen, mit dem die Rechte der Versichertengemeinschaft gewahrt werden. Darüber hinaus haben die Aufsichtsbehörden in der gesetzlichen Krankenversicherung Wettbewerbsgrundsätze verabschiedet, die den Krankenkassen Maßstäbe für zulässige wettbewerbliche Aktivitäten vorgeben und auf eine einheitliche Aufsichtspraxis ausgerichtet sind.
Die Bundesregierung wird die Wettbewerbsaktivitäten sehr sorgfältig beobachten und bei Bedarf ergänzende Regelungen im Rahmen der dritten Reformstufe vorschlagen.
Das war eine mittlere Regierungserklärung. Herr Kollege Wodarg, Sie haben - falls doch noch Bedarf für Zusatzfragen besteht - zwei Zusatzfragen.
Ich möchte nur eine Zusatzfrage stellen: Wird die Bundesregierung darauf achten, daß die regionale Zuständigkeit der Kassen - so ist z. B. die AOK für eine Großstadt oder für Teile eines Landes zuständig - erhalten werden kann und die Existenz dieser Kassen bei finanzieller Gefährdung mittels eines regionalen Ausgleichs gewährleistet ist?
Herr Kollege
Parl. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Wodarg, die Kassen haben, soweit mir das bekannt ist, selbst Möglichkeiten, das zu regeln.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Küster.
Frau Staatssekretärin, Sie sagten, daß Sie das unter Umständen in einer dritten Stufe der Gesundheitsreform regeln wollen. Nach meiner Kenntnis besteht bei den örtlichen Kassen aber schon jetzt Regelungsbedarf. Die Risiken sammeln sich, das Defizit des Jahres 1994 - das gilt auch für die Planung für 1995 - hat sich als prekär herausgestellt.
Herr Kollege, das hat aber nichts mit der gestellten Frage zum Risikostrukturausgleich zu tun, sondern betrifft die unterschiedliche Ausgabenstruktur der Krankenkassen. Sie wissen, daß wir die dritte Stufe vorbereiten. Nach Vorliegen des Sachverständigengutachtens der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen werden wir über weitere Maßnahmen nachdenken.
Will nach dem Kollegen Küster noch jemand eine Frage stellen? - Das ist nicht der Fall. Frau Parlamentarische Staatssekretärin, ich bedanke mich für die Beantwortung.
Warum hat die Bundesregierung es bislang versäumt, in ihrer Verantwortung als Miteigentümerin der Deutschen Lufthansa AG eine Beförderungspolitik des Unternehmens anzustreben, die dem britischen Schriftsteller Salman Rushdie die Benutzung der deutschen Fluglinie ermöglicht?
Sehr geehrter Herr Kollege Wallow, die Bundesregierung ist am Grundkapital der Deutschen Lufthansa Aktiengesellschaft mit 35,7 % beteiligt. Die aktienrechtlichen Bestimmungen erlauben es der Bundesregierung nicht, auf die geschäftsführende Tätigkeit des Vorstands der Aktiengesellschaft einzuwirken.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, man sagt ja immer, Eigentum verpflichte. Ist es denn für die Bundesregierung nachvollziehbar, daß die Lufthansa AG Personen, die von terroristischer Gewalt bedroht sind, nicht befördert?
Herr Abgeordneter, es stimmt, daß die Deutsche Lufthansa keinen Beförderungsvertrag abschließt und diese Haltung mit dem
Hinweis auf das Sicherheitsinteresse der Fluggäste und der Mitarbeiter des Unternehmens begründet.
Zweite Zusatzfrage.
Hat es entsprechende Fälle gegeben, daß eine Weigerung der Beförderung bei Fluggästen wie Politikern oder Vertretern der Wirtschaft, die von terroristischer Gewalt bedroht waren, vorlag?
Herr Wallow, ich möchte auf diese Frage, die das Problem ausweitet, so antworten, daß die Beförderungsbedingungen nach dem einschlägigen EG-Recht nicht ausschließen, daß eventuell über eine Zivilrechtsklage nach § 242 BGB ein Beförderungsvertrag eingeklagt werden kann. Es liegt dann beim beklagten Luftfahrtunternehmen, dem Gericht gegenüber die Gefährdung der Passagiere bei der Durchführung dieses Transportes plausibel darzulegen.
Weitere Zusatzfragen werden nicht gestellt.
Die Fragen 20 und 21, die die Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann gestellt hat, sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe jetzt die Frage 22 unseres Kollegen Dr. Jürgen Rochlitz auf:
Inwieweit ist der Bundesminister für Verkehr bereit, seinen Einfluß bei der Deutschen Bahn AG geltend zu machen, damit bei dem im Mannheimer Rangierbahnhof geplanten Frachtzentrum und Container-Terminal für den Lkw-Verkehr eine unmittelbare Anbindung an das überörtliche Straßennetz realisierbar wird?
Ich bitte Sie, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, um Beantwortung.
Herr Dr. Rochlitz, einer der wesentlichsten Punkte der Bahnreform ist die strikte Trennung von staatlicher und unternehmerischer Verantwortung. Die Planung derartiger Bahnanlagen im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben gehört in den unternehmerischen Verantwortungsbereich, in den das Bundesministerium für Verkehr nicht eingreift.
Der Bau neuer Bahnanlagen setzt ein Planfeststellungsverfahren voraus, in dessen Verlauf alle betroffenen Anlieger beteiligt werden und das zum Ziel hat, einen Interessenausgleich zwischen öffentlichrechtlichen Belangen und privaten Interessen herbeizuführen. Das Bundesministerium für Verkehr nimmt auf den Ablauf der Planfeststellungsverfahren keinen Einfluß; es ist nicht Verfahrensbeteiligter.
Konkrete Planungen für den straßenseitigen Anschluß eines neuen Frachtzentrums in Mannheim sind an die zuständige Straßenbaubehörde des Landes Baden-Württemberg nicht herangetragen worden.
Zusatzfrage, Herr Kollege Rochlitz?
Ja. - Herr Staatssekretär, diese Auskunft ist ja sehr bedauerlich. Damit ist meines Wissens das Faktum gegeben, daß sich das Verkehrsministerium im Grunde genommen die Möglichkeit zu ganz entscheidenden Weichenstellungen hat aus der Hand nehmen lassen. Ich frage Sie: Inwieweit ist es möglich, über den Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG aktiv zu werden und mit dazu beizutragen, daß sinnvolle, auch örtlich sinnvolle Planungen vollzogen werden?
Diese Frage tangiert eigentlich die schon in der Beantwortung der ersten Frage enthaltene Aussage, daß wir auf Grund des Aktienrechts in diese unternehmerischen Entscheidungen der Deutschen Bahn AG nicht eingreifen können.
Zweite Zusatzfrage.
Sind Sie dann mit mir einer Meinung, daß, von der Verkehrspolitik her betrachtet, die Privatisierung der Deutschen Bundesbahn letztendlich ein erhebliches Defizit darstellt?
Nein; dieser Auffassung Ihrerseits kann sich die Bundesregierung in keinem Fall anschließen.
Ich rufe die Frage 23, ebenfalls vom Kollegen Dr. Jürgen Rochlitz gestellt, auf:
Wie viele Gleise werden auf welcher Streckenlänge für dieses Frachtzentrum der Deutschen Bahn AG in Mannheim benötigt?
Ich bitte um Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Diese Frage bezieht sich auf das gleiche Frachtzentrum. Es liegen uns ebenfalls keine Pläne zur Dimensionierung des Frachtzentrums der Deutschen Bahn AG in Mannheim vor. Ein Planfeststellungsverfahren für diese Anlage wurde bisher nicht eingeleitet.
Keine weitere Zusatzfrage. Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich bedanke mich für die Beantwortung.
Die Fragen, die sich auf den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie beziehen, nämlich die Fragen 24 der Kollegin Jutta Müller und 25 und 26 des Kollegen Dr. Martin Mayer, sollen schriftlich beantwortet werden.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Eduard Lintner zur Verfügung.
Der Fragesteller der Frage 36, der Kollege Frederik Schulze ist nicht im Saal. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.
Wir kommen zur Frage 37 des Kollegen Meckel:
Welche Folgen erwartet die Bundesregierung mit dem Inkrafttreten des Schengener Durchführungsabkommens am 26. März 1995 und der damit verbundenen drastischen Verschärfung der Personenkontrollen an der EU-Außengrenze für die Grenzabfertigung an der deutsch-tschechischen und deutsch-polnischen Grenze, und inwiefern hat man sich mit der tschechischen und polnischen Regierung verständigt, um die damit wachsenden Anforderungen an den ohnehin schwer überlasteten Grenzübergängen zu bewältigen?
Ich bitte um Beantwortung, Herr Parlamentarischer Staatssekretär.
Herr Kollege Meckel, ich hätte Sie gerne gebeten, die Fragen 37 und 38 gemeinsam beantworten zu dürfen.
Dann rufe ich auch die Frage 38 des Kollegen Meckel auf:
Welche Maßnahmen auf deutscher Seite sind vorbereitet worden bzw. wurden bilateral vereinbart, um die zu erwartenden Probleme bei der Grenzabfertigung so weit es geht zu mildern?
Die Antwort lautet: Mit Inkraftsetzung des Schengener Durchführungsabkommens am 26. März 1995 sind als Ausgleich für den Wegfall der Personenkontrollen an den Binnengrenzen neben anderen Maßnahmen gründliche grenzpolizeiliche und zollrechtliche Überprüfungen an den Außengrenzen durchzuführen. Dadurch kann zwar die Kontrolldauer je Grenzpassant steigen, eine Verlängerung der durchschnittlichen Gesamtverweilzeiten bei der Überschreitung der Grenzen nach Polen und zur Tschechischen Republik ist aber nicht zu erwarten.
Die Bundesregierung hat rechtzeitig auf nationaler und zwischenstaatlicher Ebene Vorkehrungen getroffen, um den Verkehr über die Ostgrenzen trotz intensiverer Kontrollen zu beschleunigen:
Erstens. Durch eine gezielte Grenzöffnungspolitik gelingt es zunehmend, das hohe Verkehrsaufkommen auf eine größere Zahl von Grenzübergängen zu verteilen, so daß jede einzelne Übergangsstelle weniger frequentiert und damit schneller passierbar wird. Seit 1990 wurden z. B. sechs neue Übergänge zu Polen und 17 zu Tschechien in Betrieb genommen.
Parl. Staatssekretär Eduard Lintner
Zweitens. Spürbare Entlastungseffekte verspricht die vereinbarte Rationalisierung der Verfahrensabläufe an der Grenze zu Polen. Ausgehend von dem bilateralen Abkommen über die Erleichterung der Grenzabfertigung sollen die bisher räumlich getrennten Kontrollpositionen der beteiligten beiderseitigen Verwaltungen zu einer gemeinsamen Stelle zusammengelegt werden, so daß der Reisende während der Grenzüberquerung nur noch einmal anhalten muß und dadurch erhebliche Zeit einspart.
Drittens. Eine Reihe namentlich der größeren Übergänge ist und wird ausgebaut. Eine Vermehrung der Abfertigungsspuren erhöht die Durchlaufgeschwindigkeit des grenzüberschreitenden Verkehrs beträchtlich.
Viertens. Die Bundesregierung will in Absprache mit den Nachbarstaaten noch vor dem 26. März 1995 weitere praktische Verbesserungen erreichen, z. B. für die Grenzpendler, die häufig an derselben Stelle ein- und ausreisen. Sie sollen durch ein besonderes Dokument erkennbar sein und nur stichprobenweise überprüft werden.
Fünftens. Der Bundesgrenzschutz hat sich auf das neue Schengener Regime bei mehreren Probeläufen eingehend vorbereitet und wird die vorgeschriebenen Kontrollen so verkehrsfreundlich und praxisnah wie möglich umsetzen. Die ausschließlich für Schengener Zwecke erfolgte personelle Verstärkung um 500 Kräfte begünstigt eine zügige Arbeitsweise.
Erste Zusatzfrage.
Die erste Zusatzfrage betrifft die Absprachen mit der polnischen Regierung. Sie sprachen von der angestrebten einen Kontrolle, und Sie wissen, daß diese bis heute nicht erreicht werden konnte und auch an den meisten Übergängen noch eines gewissen Zeitraums, zum Teil längeren Zeitraums bedarf, um sie sicherzustellen. Wie sind die Absprachen mit der polnischen und tschechischen Regierung, um diesen Übergang zu gestalten?
Das betrifft sowohl die Frage der Kenntnisse der polnischen Beamten über das, was nach westeuropäischem Recht à la Schengen notwendig ist, als auch deren Sprachkenntnisse. Gibt es Hilfen Deutschlands gegenüber diesen Ländern, um das sicherstellen?
Herr Kollege Meckel, ich kann naturgemäß keine Auskunft darüber geben, welche Maßnahmen die polnische Seite ergriffen hat, um ihrerseits ihre Grenzbeamten über das neue Schengener System zu informieren. Ohne es belegen zu können, gehe ich davon aus, daß das geschieht.
Im übrigen ist es so, daß wir an einer Stelle gemeinsam kontrollieren wollen, d. h. auch unsere Grenzbeamten werden trotz dieser gemeinsamen Örtlichkeit dabeisein.
Zweite Zusatzfrage.
An welche Übergangsfristen ist von seiten der Bundesregierung gedacht? Ich frage das, da ich weiß, daß manche der von Ihnen genannten Dinge nicht in einem Zeitraum bis zum 26. März sicherzustellen sind. Es können also verschiedene Bedingungen gewährleistet werden.
Ich denke an die zusätzlichen Grenzübergänge; denn die seit 1990 zusätzlich geöffneten Grenzübergänge haben nicht zu einer Entlastung geführt, da, wie Sie wissen, der Grenzverkehr deutlich stärker geworden ist.
Ein zweites Problem stellen die sehr geringen Sprachkenntnisse dar.
Herr Kollege Meckel, an sich stellen wir Fragen und teilen der Bundesregierung nicht soviel mit. Das müßte sie eigentlich ihrerseits tun.
Ich frage in verschiedener Hinsicht:
Erstens. Die Übergänge für die Grenzübergänge, für die Sprachkenntnisse und die - -
Herr Kollege Meckel, in unserer Geschäftsordnung steht, daß die Fragen kurz und präzise sein sollen.
Gut, ich schließe damit die zweite Frage ab.
Verzeihung, diese Fächerfragen provozieren natürlich auf seiten der Bundesregierung diese sehr, sehr langen Vorträge. Beides ist nicht Sinn der Fragestunde. Ich bitte um Vergebung für diesen Hinweis.
Ich schließe damit die zweite Frage ab.
Herr Kollege Meckel, ich kann Ihre Fragen zusammenfassend beantworten. Natürlich werden die einzelnen Maßnahmen nicht alle gleichzeitig realisierbar sein. Beispielsweise müssen Bauten zunächst einmal geplant und dann durchgeführt werden. Wir haben aber jetzt nach dem 26. März keine Übergangsfrist nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen. Das heißt, wir werden darauf vertrauen müssen, daß, weil es sich um verschiedene Maßnahmen handelt, die Maßnahmen, die in Kraft treten, die erwünschte Entlastung bringen.
Im übrigen hängt es natürlich auch ein bißchen von den Betroffenen ab, sich Übergänge auszuwählen, wo der Andrang nicht so stark ist wie möglicherweise bei denen, die Sie im Auge haben.
Sie haben noch zwei weitere Fragen.
Sehen auch Sie es für richtig an, daß es nicht alleine den polnischen und tschechischen Partnern überlassen werden kann, wie weit sie sich auf Schengen einstellen, sondern uns als Verursacher in Westeuropa daran gelegen sein muß, daß von uns aus das Gespräch gesucht wird, um hier zu klaren Absprachen zu kommen, und daß auch die notwendigen Ausbildungen in deutscher Verantwortung mitgetragen werden müssen?
Herr Kollege Meckel, ich habe schon darauf hingewiesen: Mit Polen haben wir bereits entsprechende Vereinbarungen getroffen. Mit der Tschechei sind wir dabei. Sie sehen daraus das Interesse der Bundesregierung zusammenzuwirken.
Inwieweit wir für Ausbildungszwecke herangezogen werden sollen, ist mir im Moment nicht bekannt. Auch dazu wären wir gegebenenfalls, wenn der Umfang darstellbar ist, bereit.
Vierte Zusatzfrage.
Die Schengener Vereinbarungen machen es sinnvoll, daß eine getrennte Abfertigung, soweit es erkennbar ist, von EU-Bürgern und von Bürgern aus Drittstaaten möglich wird, damit jedenfalls EU-Bürger nicht so lange warten müssen. Sie wissen, daß dies so bald nicht möglich ist. Deshalb verwundert mich die Tatsache, daß Sie glauben, daß es keine zusätzliche Belastung geben wird.
Frage, Herr Kollege Meckel!
Wie sehen Sie die Möglichkeit, diese getrennte Abfertigung zu gewährleisten?
Die getrennte Abfertigung muß in der Praxis gewährleistet werden. Entsprechende bauliche Maßnahmen, beispielsweise auf Flughäfen, sind bereits in Gang. Ich sehe keine technische Unmöglichkeit in diesen Anforderungen. Deshalb kann ich Ihre Frage nur dahin beantworten, daß wir meinen, es könne sichergestellt werden.
Werden zu diesen beiden Fragen aus dem Kreis der Kolleginnen und Kollegen noch Zusatzfragen gestellt? - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe die Frage 39, die der Kollege Volker Kauder gestellt hat, auf:
Ist die Bundesregierung der Auffassung, daß Europol in seiner jetzigen und auch zukünftigen Organisationsform zur Bekämpfung der ständig wachsenden grenzüberschreitenden organisierten Kriminalität ausreicht, zumal sich Europa immer mehr zum kriminalgeographisch offenen Operationsraum entwickelt?
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, ich bitte um Beantwortung.
Herr Kollege Kauder, die Antwort lautet: Mit der bereits seit Beginn des Jahres 1994 in Den Haag als Vorläuferinstitution von Europol eingerichteten Europol-Drogeneinheit ist ein erster wichtiger Schritt zur Bekämpfung der grenzüberschreitend tätigen organisierten Kriminalität erreicht. Das Mandat der Europol-Drogeneinheit ist allerdings auf den bilateralen Austausch von Daten zwischen Mitgliedstaaten nach Maßgabe des jeweiligen nationalen Rechts beschränkt.
Kriminalitätsanalysen dürfen von der Drogeneinheit auf der Grundlage personenbezogener Daten nicht durchgeführt werden. Bei seiner Tagung am 9. und 10. März 1995 hat der Rat Justiz und Inneres die „gemeinsame Maßnahme" verabschiedet, mit der der Europol-Drogeneinheit neben der Drogenkriminalität als weitere Kriminalitätsfelder der Handel mit radioaktiven und nuklearen Materialien, die Schleuserkriminalität, die Kfz-Verschiebung und die damit verbundene Geldwäsche zur Bearbeitung übertragen werden.
Einen weiteren wichtigen Schritt wird deshalb die Verabschiedung der Konvention zur Errichtung von Europol darstellen. Mit der dann gegebenen Möglichkeit zur Einrichtung zentraler Dateien mit personenbezogenen Daten und Nutzung dieser Daten auch für operative Kriminalitätsanalysen wird Europol eine europäische Zentralstelle für den Austausch und die Analyse kriminalpolizeilicher Informationen in bezug auf die organisierte Kriminalität. Europol wird die nationalen Polizeibehörden mit Informationen versorgen können, die auf Grund der Kombination von Informationen aus den Mitgliedstaaten völlig neue Ermittlungsansätze bieten können.
Die Mitgliedstaaten, aber auch die deutschen Länder wollen Europol noch keine Exekutivbefugnis zugestehen, da sie in diesem Kernbereich der nationalen Souveränität Kompetenzverluste derzeit nicht hinzunehmen bereit sind. Mittel- und langfristig wird nach Überzeugung der Bundesregierung aber die Erkenntnis wachsen, daß für eine wirksame europaweite Verbrechensbekämpfung an der Schaffung auch dieser Kompetenz kein Weg vorbeiführt. Insoweit ist Europol ebenfalls nur als Teilschritt zu betrachten, dem weitere Schritte notwendig folgen müssen.
Schließlich noch folgende Feststellung: Europol kann nur ein Element einer verstärkten polizeilichen Zusammenarbeit sein. Weitere Instrumente müssen hinzutreten. Besonders bedeutsam ist in diesem Zusammenhang das Schengener Zusatzübereinkommen mit der Einrichtung des Schengener Informationssystems. Dieses System besteht aus einem Zentralrechner in Straßburg und den nationalen Rechnern mit identischen Datenbeständen in den Schengen-Staaten für die innerstaatlichen Abfragen. Im Rahmen der Personenfahndung werden in dem System Personen ausgeschrieben, die festgenommen, deren Aufenthalt ermittelt oder - bei Drittausländern - denen die Einreise in das Schengener Gebiet verweigert werden soll. Bei der Sachfahndung ist die Ausschreibung von gestohlen en Kraftfahrzeugen,
Parl. Staatssekretär Eduard Lintner
Schußwaffen und Ausweisen möglich. Dieses Fahndungssystem wird am 26. März 1995 mit rund zwei Millionen Datensätzen seinen Betrieb aufnehmen. Es ist weltweit das erste technische Instrument, das so viele Staaten einschließt und zu einem großen Fahndungsverbund mit strengen Datenschutzauflagen vereint.
Die Innen- und die Justizminister der Europäischen Union haben bei ihrer Sitzung am 9. und 10. März dieses Jahres einen gemeinsamen Mechanismus zur systematischen Erhebung und Analyse von Informationen über die internationale organisierte Kriminalität beschlossen. Im Herbst dieses Jahres soll auf der Basis dieser Information ein Bericht der Mitgliedstaaten mit einer Lagedarstellung dieses Kriminalitätsbereichs für das Jahr 1994 vorgelegt werden.
Instrumente verstärkter grenzüberschreitender polizeilicher Zusammenarbeit sind auch die bilateralen Abkommen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und zur Zusammenarbeit in den Grenzgebieten, die bereits mit zahlreichen Nachbarstaaten geschlossen wurden oder vorbereitet werden.
Verzeihung, Herr Kollege Kauder. - Die Frage des Kollegen Kauder war sicherlich sehr umfassend gestellt. Trotzdem würde ich diese Antwort jetzt gern zum Anlaß nehmen, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, Sie zu bitten, den übrigen Kolleginnen und Kollegen Parlamentarische Staatssekretäre, die in der Regel in der Fragestunde Fragen zu beantworten haben, mitzuteilen, Ihren Häusern zu sagen, sie möchten bitte schön kürzere Antworten formulieren.
Denn so umfassend die Frage gestellt war, diese Antwort war mehr als eine Regierungserklärung, war schon ein Beitrag zu einem größeren Lexikon.
Die Erfahrung lehrt, lieber Kollege Lintner: Die Kollegen stellen trotzdem Zusatzfragen, auch wenn die ursprüngliche Frage noch so umfassend beantwortet wird.
Ich bitte sehr herzlich, den Wunsch dieses Hauses weiterzugeben, daß die Häuser kürzere Antworten erarbeiten. Dann kann die Fragestunde auch lebendiger ablaufen. Dann brauche ich jemanden wie den Kollegen Meckel auch nicht für zu lange Fragen anzugehen.
Bitte, Herr Kollege Kauder, jetzt haben Sie Ihre zwei Zusatzfragen!
Herr Präsident, ich werde mich darum bemühen, die Fragen, die ich habe, sehr knapp und präzise zu stellen.
herr Staatssekretär, sind Sie mit dem Tempo des Aufbaus von Europol zufrieden?
Herr Kollege Kauder, Sie wissen, daß die Bundesregierung immer gedrängt hat und leider auch drängen mußte. Wir sind der Meinung, daß das, was ich Ihnen jetzt vorgetragen habe, nur einen Schritt auf dem Weg darstellt. Deshalb muß ich diese Frage mit Nein beantworten. Wir hätten gerne, so schnell es geht, exekutive Befugnisse bei Europol.
Zweite Zusatzfrage.
Mit dem Öffnen der europäischen Grenzen ist eine bessere Verbrechensbekämpfung in Europa verbunden worden, weil das Argument war: Die Grenzkontrollen fallen weg. Halten Sie den derzeitigen Zustand und das, was in absehbarer Zeit mit Europol zu erreichen ist, für vereinbar mit dem, was in Schengen vereinbart wurde?
Europol ist nur ein Element hei den sogenannten Ausgleichsmaßnahmen. Ich habe auf ein weiteres hingewiesen: das Schengener Informationssystem. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß ein bestimmter Mindeststandard für die Kontrolle der Außengrenzen vereinbart worden ist. Es gibt ein gemeinsames Fahndungshandbuch.
Die Summe dieser Ausgleichsmaßnahmen führt unseres Erachtens dazu, daß der Sicherheitsstandard, wie er vorher bestand, gehalten werden kann.
Herr Kollege, Sie wollen gleich Zusatzfragen zu beiden Fragen stellen? - Dann rufe ich auch noch die Frage 40 des Abgeordneten Kauder auf:
Welche Maßnahmen werden von der Bundesregierung ergriffen, um den bisher sehr schleppenden Ausbau von Europol dergestalt zu beschleunigen, daß auch Autoschieber, Asyl-Schlepper, Zuhälter und Atom-Schmuggler von Europol verfolgt werden?
Bitte, die dritte Zusatzfrage.
hält es die Bundesregierung für zulässig, daß auf Grund des schleppenden Ausbaus des Europolnetzes und der anderen Maßnahmen Landesregierungen innerhalb einer bestimmten Zone, nämlich 35 bis 40 km hinter den europäischen Grenzen, verstärkte Polizeikontrollen, die nicht Verkehrskontrollen sind, durchführen?
Wir halten das sogar für unverzichtbar und bitten diejenigen Länder, die entsprechende gesetzliche Grundlagen in ihrem Länderrecht noch nicht haben, diese Grundlagen nach dem bayerischen Vorbild zu schaffen. Denn wir meinen, daß in der Tat solche Möglichkeiten geschaffen werden müssen, um beispielsweise die Einschleusung von illegalen Flüchtlingen wirksam bekämpfen zu können.
Die letzte Zusatzfrage.
Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, in wie vielen Fällen illegale Grenzübertritte mit Einschleusemaßnahmen im ersten Vierteljahr stattgefunden haben?
Wir haben darüber Erkenntnisse. Es hat sich ein neuer Schleuserweg über Süditalien und Frankreich nach Deutschland ergeben. Die deutsch-französische Grenze ist hier insbesondere betroffen. Wir haben als Reaktion zusätzliche Kräfte des BGS dort stationiert, um Kontrollen durchzuführen. Diese Kontrollen haben zu zahlreichen Festnahmen geführt, wobei uns dabei auch organisierte Schleuserbanden und ihre „Repräsentanten" ins Netz gegangen sind. Die genauen Zahlen kann ich Ihnen nicht nennen. Die Dimension liegt in der Größenordnung von 1 000 und mehr.
Werden zu diesem Komplex aus dem Kreis der Kolleginnen und Kollegen noch Fragen gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann, Herr Parlamentarischer Staatssekretär, bedanke ich mich bei Ihnen für die umfassende Beantwortung der Fragen zu Ihrem Geschäftsbereich.
Ich muß noch an die Adresse der Stenographen sagen, daß die Frage 41, die der Kollege Arne Börnsen gestellt hat, schriftlich beantwortet werden soll. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 16. März 1995, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.