Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Ich begrüße Sie herzlich zur ersten Sitzung im Jahr 1992 und wünsche allen ein gutes neues Jahr und persönlich Glück, Gesundheit und was Sie sich selbst alles noch wünschen.
Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf: Fragestunde
— Drucksache 12/1912 —
Als erstes wird der Geschäftsbereich des Bundesministers für Frauen und Jugend aufgerufen. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Peter Hintze zur Verfügung. Die Frage 1, die zur Beantwortung anstünde, wird nach unserer Geschäftsordnung nicht beantwortet. Ebenso wird die Frage 2 nicht beantwortet. Herr Staatssekretär, damit sind wir schon am Ende Ihres Geschäftsbereichs.
Als nächsten Geschäftsbereich rufe ich den des Bundesministers für Verkehr auf. Zur Beantwortung steht der Bundesminister für Verkehr, Dr. Günther Krause, zur Verfügung.
Ich rufe Frage 3 des Herrn Kollegen Hans-Joachim Hacker auf:
Trifft es zu, daß der Bundesminister für Verkehr, Dr. Günther Krause, während des Zeitraumes einer ärztlich bescheinigten Dienstunfähigkeit am 30. November 1991 an einer Bürgerversammlung im mecklenburgischen Börgerende teilnahm und für ein privates Investitionsvorhaben, an dem auch Familienangehörige des Bundesministers beteiligt sind, die Unterstützung des von ihm geleiteten Bundesministeriums anbot?
Herr Minister.
Es trifft zu, daß ich an einer Bürgerversammlung in Börgerende, in der über verschiedene Projekte zur zukünftigen Dorfgestaltung gesprochen wurde, am 30. November 1991 teilgenommen habe. Der Veranstaltungsort lag nur ca. 20 m von meinem Haus entfernt. Für diesen Tag wie auch für den darauffolgenden Sonntag, an dem ich einen Gottesdienst besucht habe, sowie für den Tag meiner Dienstaufnahme am Montag, dem 2. Dezember 1991, lag eine ärztlich bescheinigte Dienstunfähigkeit vor.
Zusatzfrage, Herr Kollege?
Danke, nein.
Dann, Herr Minister, kommen wir zur Beantwortung der Frage 4 des Kollegen Hans-Joachim Hacker:
Aus welcher gesetzlichen Grundlage leitet sich die Zuständigkeit des Bundesministeriums für Verkehr für die Durchführung derartiger Prüfzusagen ab?
Dr. Günther Krause, Bundesminister: Ich habe im Rahmen der Veranstaltung darauf hingewiesen, daß sich die Gemeinde Börgerende, in der ich beheimatet bin, wie auch alle anderen Städte und Gemeinden der neuen Bundesländer in Sachfragen, die den kommunalen Straßenbau betreffen, an das Bundesverkehrsministerium wenden können. Von dieser Möglichkeit haben viele Städte, Gemeinden und Landkreise bisher schon regen Gebrauch gemacht.
Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Minister Krause, Sie haben in Ihrer Antwort auf die Förderung des Straßenbaus Bezug genommen. Darf ich Sie so verstehen, daß sich die angebotene Unterstützung nicht auf das geplante Projekt eines Freizeitobjektes bezieht?
Dr. Günther Krause, Bundesminister: Das ist richtig. Im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes stellt der Bund Mittel zur Verfügung, hat aber natürlich auch die Möglichkeit, beratend auf die Entwicklung des kommunalen Straßenbaus in den Gemeinden mit einzuwirken.
Weitere Zusatzfrage, Herr Kollege?
Danke.
Dann ist, wenn keine weiteren Zusatzfragen folgen, dieser Geschäftsbereich erledigt.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Wer steht zur Beantwortung zur Verfügung? — Niemand, weil die Frage 5 des Abgeordneten Harries und die Frage 6 des Abgeordneten Kampeter schriftlich beantwortet werden sollen. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Metadaten/Kopzeile:
5842 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992
Vizepräsidentin Renate SchmidtWir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Post und Telekommunikation. Hier sollen die Fragen '7 und 8 des Abgeordneten Pfeffermann ebenfalls schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Jürgen Echternach zur Verfügung.Ich rufe Frage 9 des Herrn Kollegen Dieter Maaß auf:Was will die Bundesregierung tun, um die 338 kleinen, vorwiegend ehrenamtlich geführten Wohnungsgenossenschaften in den neuen Bundesländern, die unter 500 Wohnungseinheiten besitzen und verwalten, zu stabilisieren?
Herr Kollege Maaß, die Anpassung eines privatwirtschaftlich geführten Unternehmens an veränderte Bedingungen ist in erster Linie Sache der Geschäftsführung und liegt damit in deren Verantwortung. Der Staat, insbesondere die Bundesregierung, kann hier nur flankierend Hilfe leisten. Im Rahmen der Wohnungsbauförderung, die sich auch an Genossenschaften richtet, gewährt der Staat vielfältige Hilfen für Modernisierung und Instandsetzung für Wohnungen.
Die Bundesregierung prüft weitere Möglichkeiten zur beschleunigten Übertragung von ehemals volkseigenem Grund und Boden, der von den Wohnungsgenossenschaften zu Wohnzwecken genutzt wurde.
Durch das Inkrafttreten der Ersten Verordnung über die Erhöhung dér Grundmieten und der Verordnung über die Umlage von Betriebskosten auf die Mieter hat sich die Ertragssituation der Wohnungsgenossenschaften bereits verbessert.
Eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, die Bundesregierung favorisiert die Privatsisierung des Wohnungsbestandes in den neuen Ländern. Da der genossenschaftliche Wohnungsbau eine Form des privaten Wohnungsbaus ist, frage ich: Gibt es seitens der Bundesregierung Programme, um die kleinen Wohnungsgenossenschaften von den auflaufenden Schulden, verursacht vor allem durch festgesetzte Grundmieten und tatsächlichen Kostenaufwand der Wohnungsnutzung, zu entlasten?
Jürgen Echternach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Maaß, das Problem der Altschulden ist von der Bundesregierung bereits verschiedentlich angepackt worden. Wir haben auf der einen Seite im Rahmen der Privatisierung den Kommunen angeboten, einen Teil der Altschulden dann zu erlassen, wenn die Wohnungen privatisiert werden. Wir sind darüber mit den beteiligten Regierungen der neuen Bundesländer im Gespräch. Der Bundestag hat dafür ja auch im Haushalt 1992 entsprechende Mittel vorsorglich eingestellt.
Darüber hinaus werden wir in der Bundesregierung prüfen, ob auch weitergehend im Bereich der Altschulden im Einzelfall geholfen werden kann. Allerdings ist eine generelle Streichung der Altschulden nicht möglich; darüber haben wir auch in diesem Hause schon mehrfach diskutiert.
Eine weitere Zusatzfrage.
In vielen Fällen sind die Grundstücke, auf denen die genossenschaftlichen Wohnhäuser errichtet sind, noch nicht von den Kommunen an die Wohnungsgenossenschaften übertragen worden. Mit welchen Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung, diesen Hausbesitz den Wohnungsgenossenschaften zu erhalten, um sie auch vor Spekulanten zu schützen?
Jürgen Echternach, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Maaß, die Grundstücke sind durch den Einigungsvertrag und die entsprechende Protokollnotiz zum Einigungsvertrag als Eigentum auf die Kommunen übergegangen, und zwar mit dem Ziel, daß die Kommunen diese Grundstücke den Wohnungsgenossenschaften weiterübertragen sollen, damit sie für den bisher genutzten Zweck auch weiter verwandt werden können.
Es gibt ein Dilemma: Auf der einen Seite haben Sie mit Recht die finanzielle Situation der Wohnungsgenossenschaften angesprochen, die durch Altschulden und durch eingefrorene oder begrenzte Mieten in ihrer Ertragskraft eingeschränkt sind; auf der anderen Seite verlangen viele Kommunen — und werden dabei gestützt, ja sogar angehalten durch ihre kommunale Aufsicht —, daß die Grundstücke nur zum Verkehrswert abgegeben werden können, was sicher von den Wohnungsgenossenschaften angesichts der eben angesprochenen Situation so nicht akzeptiert werden kann. Infolgedessen überlegen wir von seiten der Bundesregierung, ob wir hier gesetzgeberisch initiativ werden sollen, um zu erreichen, daß derartige Übertragungen nicht nur beschleunigt werden, sondern gleichzeitig auch der besonderen finanziellen Situation der Wohnungsgenossenschaften Rechnung tragen.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Danke schön, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Reinhard Göhner zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 12 des Herrn Kollegen Dieter Maaß auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß diese Genossenschaften, die insgesamt über ca. 70 000 Wohnungen verfügen, nicht geschäftsfähig sind, so lange sie nicht als eingetragene Genossenschaften bei den Registergerichten eingetragen sind, bei denen derzeit ein Antragsstau besteht, wenn ja, welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um diesen Antragsstau möglichst schnell abzubauen? *)
Herr Kollege Maaß, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß die nach*) siehe hierzu Frage 9
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992 5843
Parl. Staatssekretär Dr. Reinhard GöhnerDDR-Recht gegründeten Wohnungsgenossenschaften als rechtlich selbständige Unternehmen fortbestehen und als solche auch vor ihrer Eintragung in das Genossenschaftsregister nach Maßgabe ihres Status als Träger von Rechten und Pflichten am Geschäftsverkehr teilnehmen können. Das ergibt sich sowohl aus Regelungen des Einigungsvertrages als auch aus dem D-Mark-Bilanzgesetz.Allerdings können sich für die Genossenschaften in dem Übergangsstadium bis zur Eintragung in das Genossenschaftsregister erhebliche praktische Schwierigkeiten, z. B. bei der Kreditaufnahme, ergeben, weil sie vor ihrer Eintragung jedenfalls nicht als eingetragene Genossenschaften im Rechtsverkehr auftreten können. Die betroffenen Unternehmen haben daher verständlicherweise ein dringendes Interesse daran, daß das Übergangsstadium möglichst bald durch die Eintragung in das Register beendet werden kann, damit sie dann eine sichere Rechtsgrundlage für ihre rechtliche Organisation und ihren Geschäftsbetrieb schaffen können.Nach den uns vorliegenden Informationen trifft es auch zu, daß bei einzelnen Registergerichten in den neuen Bundesländern ein Antragsstau besteht, so daß die Anträge auf Eintragung nur mit beträchtlichen Verzögerungen erledigt werden können. Die Bundesregierung bemüht sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten, die Länder bei ihrer Aufgabe zu unterstützen, die personelle und sachliche Ausstattung dieser Registergerichte in den neuen Bundesländern zu verbessern.Um genauere Erkenntnisse über den Umfang der Verzögerungen bei den einzelnen Registergerichten und die wesentlichen Ursachen dafür zu erhalten, soll die Angelegenheit im Rahmen eines für morgen und übermorgen vorgesehenen Meinungs- und Erfahrungsaustausches zwischen dem Bundesministerium der Justiz und den Landesjustizverwaltungen der neuen Bundesländer über den Gesamtbereich der Rechtspflege erörtert werden. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse wird geprüft werden, welche zusätzlichen Maßnahmen von den Ländern ergriffen werden können und inwieweit der Bund hierbei behilflich sein kann.
Zusatzfrage, Kollege Maaß.
Herr Staatssekretär, Sie selbst weisen auf die Schwierigkeiten hin, die den Genossenschaften entstehen. Da das eine finanzielle Bedeutung haben kann, frage ich: Gibt es Programme, um die Genossenschaften von diesen finanziellen Belastungen zu entlasten?
Dr. Reinhard Göhner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Maaß, die Schwierigkeiten, über die ich gesprochen habe, ergeben sich im praktischen Rechtsverkehr daraus, daß auf Grund des besonderen Status der Wohnungsgenossenschaften nach altem DDR-Recht der Rechtsverkehr vor der Eintragung nicht nach dem Recht des Genossenschaftsgesetzes erfolgen kann.
Wir sind deshalb darum bemüht, den Ländern dabei zu helfen, diesen Stau, den es offenbar bei einigen
Registergerichten gibt, zu beseitigen. Das ist nicht ein unmittelbar finanzielles Problem, sondern eher ein Problem der personellen Ausstattung. Sie wissen, daß der Bund sehr die Bemühungen unterstützt hat, durch die Entsendung von Richtern und vor allem von Rechtspflegern an die Gerichte auch die Probleme bei den Registergerichten zu lösen. Nur hier kann die Lösung dieses Problemes liegen.
Weitere Zusatzfrage.
Unter diesen Genossenschaften sind einige, die schon in den 20er Jahren gegründet worden sind. Lebt denn da nicht die damalige Gründung wieder auf, oder müssen sie neu gegründet werden bzw. neue Anträge beim Registergericht stellen?
Dr. Reinhard Göhner, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich darf noch einmal sagen: Der derzeitige Rechtszustand ist unseres Erachtens auf Grund von Regelungen im Einigungsvertrag und im D-Markbilanzgesetz so, daß alle Wohnungsbaugenossenschaften auch Träger von Rechten und Pflichten im Geschäftsverkehr sein können.
Da sie aber den besonderen Status aus diesen Regelungen des Einigungsvertrages und des D-Markbilanzgesetzes haben, beispielsweise aus der Zuordnung von Grund und Boden im Einigungsvertrag — Herr Kollege Echternach hat eben in seiner Antwort auf Ihre vorherige Frage davon gesprochen —, ergibt sich die Situation, daß ihr Status unserem bundesdeutschen Recht eigentlich fremd ist; er kann deshalb nur ein Übergangsstadium sein. Das gilt für alle diese Wohnungsbaugenossenschaften, die unter dem alten DDR-Recht standen.
Deshalb geht es jetzt darum, dieses Übergangsstadium so schnell wie möglich zu überwinden, indem wir die Eintragung in das Genossenschaftsregister ermöglichen. Das setzt die Anpassung der Statuten an das Genossenschaftsgesetz der Bundesrepublik Deutschland voraus. Die Beschlußfassung dazu kann auf der Basis der alten Statuten der Wohnungsbaugenossenschaften erfolgen; die neuen Statuten müssen dann zur Eintragung angemeldet werden und können dann — das ist Ihr berechtigtes Anliegen — so bald wie möglich eingetragen werden.
Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Horst Günther zur Verfügung.Ich rufe Frage 13 der Frau Kollegin Dr. Margrit Wetzel auf:Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung zur Aufklärung des Verdachtes, daß ein defektes oder möglicherweise falsch angewandtes Röntgengerät in einer Arztpraxis Ursache der auffallend hohen Zahl von Kinder-Leukämie-Fällen in Sittensen sei, und ist die Bundesregierung bereit, dafür Sorge zu tragen, daß ggf. ähnliche Überprüfungen im Umkreis anderer Leukämie-Cluster vorgenommen werden?
Metadaten/Kopzeile:
5844 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992
Frau Kollegin Dr. Wetzel, nach Informationen der Bundesregierung ist die von Ihnen offensichtlich angesprochene Röntgeneinrichtung inzwischen verschrottet worden. Es ist daher nicht mehr festzustellen, ob die Röntgeneinrichtung zum Zeitpunkt ihres Betriebes defekt war. Aber wenn sie verschrottet worden ist, spricht dafür natürlich einiges.
Die Vorschriften der Röntgenverordnung schreiben im übrigen vor, daß Röntgenuntersuchungen in Ausübung der Heilkunde nur durchgeführt werden dürfen, wenn sie ärztlich indiziert sind. Ärzte, die Röntgenstrahlen anwenden, müssen nach den Bestimmungen der Verordnung über Fachkunde im Strahlenschutz verfügen. Bei Verstößen gegen die Röntgenverordnung können die zuständigen Landesbehörden im Rahmen ihrer Aufsicht die notwendigen Anordnungen treffen.
Röntgeneinrichtungen werden vor ihrer Inbetriebnahme einer Sachverständigenprüfung unterzogen. Dabei wird u. a. der technische Zustand der Einrichtung unter dem Gesichtspunkt des Strahlenschutzes gründlich geprüft. Diese Prüfungen mußten bis zum 31. Dezember 1991 auch an Röntgeneinrichtungen durchgeführt werden, die bereits vor Inkrafttreten der geltenden Verordnung am 1. Januar 1988 in Betrieb waren. Die Sachverständigenprüfungen sind in fünfjährigen Abständen zu wiederholen.
Zusätzlich sind Maßnahmen zur Qualitätssicherung vorgeschrieben. Jeder Betreiber einer medizinischen Röntgeneinrichtung ist verpflichtet, an seiner Anlage mindestens monatlich Konstanzprüfungen durchzuführen. Die Konstanzprüfungen gewährleisten, daß die erforderliche Bildqualität der Röntgenaufnahme bei möglichst geringer Strahlenexposition dauerhaft erhalten bleibt.
Die Aufzeichnungen der Konstanzprüfungen sind zusammen mit Patientenaufnahmen regelmäßig einer behördlich bestimmten externen Stelle zur Berurteilung vorzulegen. Es handelt sich hierbei um eine ärztliche Stelle.
Die Anforderungen an die Fachkunde, die Prüfungen durch Sachverständige und die ergänzende Qualitätssicherung ermöglichen ein hohes Strahlenschutzniveau. Gesonderte Überprüfungen einzelner Röntgeneinrichtungen in der Umgebung gehäufter Leukämiefälle sind daher und auch nach dem, was ich eben gesagt habe, nach Auffassung der Bundesregierung in der Regel nicht erforderlich.
Zusatzfrage? — Bitte.
In dem konkreten Fall, den Sie mit Recht angesprochen haben, geht es nicht darum, wie jetzt und in der Zukunft grundsätzlich verfahren wird. Es hat dort in einer unglaublichen Häufigkeit Kinderleukämie gegeben, und es steht auch jetzt noch zu erwarten, daß entsprechende Fälle auftreten. Es gibt den konkreten Verdacht, daß ein entweder defektes oder falsch angewandtes Röntgengerät Ursache dieser Fälle gewesen ist. Zugleich gibt es meines Wissens in der Bundesrepublik an verschiedenen Stellen eine signifikante Häufigkeit von Leukämiefällen, in denen man keine Ursache erkennen kann.
Da hier ein konkreter Verdacht, auf Grund dessen extra eine Untersuchungskommission der Landesregierung gebildet wurde, besteht und ich Ihrer Antwort entnehmen kann, daß Sie sich eigentlich mehr im Grundsätzlichen bewegen wollen, ich aber aus Ihrer Antwort keine Bereitschaft erkennen kann, daß man diesem konkreten Verdacht nachgeht — soweit ich weiß, ist das Gerät nicht verschrottet, sondern es heißt: aus dem Verkehr gezogen; auch die Krankenakten sind offenbar teilweise noch einsehbar, teilweise nicht —, ist meine konkrete Frage: Gibt es auf Landes-
oder Bundesebene — oder auf welcher Ebene auch immer — die Möglichkeit, an die Unterlagen heranzukommen, um diesen Verdacht zu erhärten oder zu entkräften und die Erkenntnisse, die daraus gewonnen werden, auf die anderen Leukämie-Cluster — zumindest als Untersuchungsform — zu übertragen? Diese Frage ist nicht beantwortet.
Horst Günther, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Dr. Wetzel, die Zuständigkeit für alle Prüffälle in Verbindung mit den Gewerbeaufsichtsämtern liegt bei den Ländern. Die Bundesregierung ist selbstverständlich bereit, die Kollegen in den Ländern auf die von Ihnen angesprochene Problematik hinzuweisen.
Weitere Zusatzfrage? — Bitte.
Ist die Bundesregierung auch bereit, speziell in diesem Fall darauf hinzuweisen, daß alles getan wird, um an die alten Ergebnisse heranzukommen?
Horst Günther, Parl. Staatssekretär: Darauf hinweisen kann die Bundesregierung selbstverständlich. Sie kann heute nur nicht versprechen, daß das von Erfolg gekrönt ist. Aber wir werden auch dies alles den Ländern selbstverständlich sagen.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor. Dann kommen wir zur Frage 14 des Kollegen Dr. Ulrich Janzen:
Wie hoch ist die Arbeitslosenquote unter den Ingenieuren in den neuen Bundesländern, insbesondere auch die Arbeitslosenquote der weiblichen Ingenieure, und in welchem Umfang nehmen Ingenieure an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Umschulungen teil?
Horst Günther, Parl. Staatssekretär: Frau Präsidentin, ich bitte um Einverständnis auch des Kollegen Dr. Janzen, daß ich die beiden Fragen 14 und 15 gemeinsam beantworte.
Sind Sie einverstanden, Herr Kollege?
Ich bin damit einverstanden, wenn ich meine vier Zusatzfragen stellen kann.
Selbstverständlich. — Ich rufe die Frage 15 des Kollegen Dr. Ulrich Janzen auf:
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992 5845
Vizepräsidentin Renate SchmidtWelche Entwicklung der Beschäftigung der Ingenieure in den neuen Bundesländern erwartet die Bundesregierung, und in welchem Umfang muß eine Ost-West-Wanderung von Ingenieuren aus den neuen Bundesländern festgestellt werden?Horst Günther, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Janzen, derzeit kann keine spezifische Arbeitslosenquote für Ingenieure in den neuen Bundesländern angegeben werden. Auch können keine Angaben über den Umfang der Beteiligung von Ingenieuren an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bzw. beruflichen Bildungsmaßnahmen, also Fortbildung, Umschulung, Einarbeitung usw., gemacht werden.Aus der Statistik der Bundesanstalt für Arbeit ist bekannt, daß im Dezember 1991 in der Berufsgruppe, die mit 60/61 bezeichnet wird, also Ingenieure, Chemiker, Physiker und Mathematiker umfaßt, 29 628 Personen arbeitslos gemeldet waren. Nach den Erfahrungen der Bundesanstalt für Arbeit dürfte die Gruppe der Ingenieure den Hauptanteil stellen. Gleichzeitig waren bei den Arbeitsämtern für diese Berufsgruppen allerdings nur 2 683 offene Stellen gemeldet.Zu Ihrer zweiten Frage bemerke ich folgendes: Die Beschäftigungsaussichten der Ingenieure in den neuen Bundesländern lassen sich nicht zuletzt wegen der unzureichenden Datenbasis nicht vorausschätzen. Die großen Investitionen im privaten und öffentlichen Bereich dürften den Bedarf an Ingenieuren tendenziell allerdings ansteigen lassen.Im vergangenen Jahr haben sich bei den Fachvermittlungen für besonders qualifizierte Fach- und Führungskräfte der Arbeitsämter im bisherigen Bundesgebiet eine größere Zahl von Ingenieuren aus den neuen Bundesländern beraten lassen. Ein Teil hiervon war an einer Arbeitsaufnahme im westlichen Bundesgebiet auch interessiert. Ob sich dieser Trend fortsetzt, wenn die zehn Fachvermittlungsdienste in den neuen Bundesländern, die im Zuge der Bildung der Landesarbeitsämter jetzt erst aufgebaut werden, in den nächsten Monaten ihre Tätigkeit voll aufgenommen haben, kann zur Zeit noch nicht beurteilt werden.
Herr Kollege Janzen, Sie haben jetzt die Gelegenheit, vier Zusatzfragen zu stellen.
Frau Präsidentin, ich danke Ihnen. — Obwohl Sie erklärt haben, daß Sie keinen Überblick über die tatsächliche Situation der Ingenieure haben, möchte ich als erstes fragen, ob die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder Umschulungsmaßnahmen für die Ingenieure in eine Qualifikation einmünden oder zu einer fachspezifischen Veränderung führen.
Horst Günther, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Janzen, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen werden in unterschiedlichster Form angeboten. Wir kennen natürlich auch die Kombinaton von ABM und Qualifizierung. Insbesondere nach dem letzten Erlaß der Bundesanstalt für Arbeit wird Wert darauf gelegt, daß der Qualifizierungsanteil an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen erhöht wird. Wir denken, daß dies besonders den bisher schon Qualifizierten zugute
kommt, damit sie sich gerade im Bereich der Ingenieure auf neue Techniken einstellen können.
Aber auch hier kann ich Ihnen auf Grund fehlender Daten leider keine Angaben zum Umfang dieser Maßnahmen machen; ich bitte um Verständnis. Die Arbeitsverwaltung war von Anfang an in einer großen Aktion insbesondere mit dem Arbeitsmarkt beschäftigt, weil wir uns erst einmal um die großen Probleme der Menschen gekümmert und die Statistik etwas hintangestellt haben. Das Aufstellen dieser Statistik, wie es sie auch in den alten Bundesländern gibt, wird selbstverständlich nachgeholt. Aber wir brauchen zur Zeit die Kräfte vorrangig, um zu vermitteln, um Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, Qualifizierungsmaßnahmen und all die Dinge einzurichten, die Sie sicherlich zur Genüge kennen.
Ich nehme zur Kenntnis, daß Sie sich um diese Statistik bemühen, und gehe auch davon aus, daß Sie wissen, daß der Anteil a) der Studenten und b) des akademischen Potentials in den neuen Ländern im Verhältnis zu den alten Ländern wesentlich geringer war. Wie gedenken Sie dieser Entwicklung entgegenzuwirken und die Abwanderung zu verhindern?
Horst Günther, Parl. Staatssekretär: Es gibt den ständigen Auftrag der Arbeitsverwaltung zu beruflicher Qualifizierung unabhängig von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Dies ist eine Vorschrift, auf die sich auch jeder beziehen kann.
Ich kann nur empfehlen, daß, wenn Umschulung, Fortbildung und Weiterbildung in diesem Bereich von einzelnen Personen besonders gefragt sind, diese sich an die Arbeitsämter wenden, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten verpflichtet sind, entsprechende Bildungsangebote zu machen. Davon wird auch relativ rege Gebrauch gemacht, wodurch nicht ausgeschlossen ist, daß die Maßnahmen noch ausgeweitet werden. Das ist ein ständiger Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit. Die Bundesregierung geht immer davon aus, daß Weiterbildung besser ist als alles andere.
Die dritte Frage.
In meiner dritten Frage möchte ich noch einmal auf die Reduzierung des ingenieurtechnischen und akademischen Personals in der Wissenschaft— Akademie der Wissenschaften, Bauakademie — eingehen und fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß durch die Abwicklung der Bauakademie und der Akademie der Wissenschaften auf eine geringe Zahl von Instituten eine wesentliche Personalreduzierung erfolgt ist. Ich habe vor einer Stunde von einem Vertreter aus dem Sächsischen Bauinstitut Dresden erfahren, daß die jetzt festgelegte Personalstärke mit Zielstellung 1994 schon wieder um 10 % reduziert wird. Ist Ihnen das bekannt?
Horst Günther, Parl. Staatssekretär: Das ist mir in dieser Genauigkeit, wie Sie es vor einer Stunde erfahren haben, nicht bekannt. Wir werden den Dingen aber nachgehen und dies überprüfen.
Die vierte Frage.
Metadaten/Kopzeile:
5846 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992
Erkennen Sie einen Zusammenhang zwischen dem totalen Niedergang der Industrie und damit der Schließung der Forschungs- und Entwicklungskapazitäten in den Betrieben und der Abwanderung in Richtung Westen?
Horst Günther, Parl. Staatssekretär: Es gibt schon seit langem entsprechende Bewegungen, wenn Betriebe nicht mehr aufrechterhalten werden können, d. h. insbesondere die Tatsache, daß sich der von Ihnen in Ihrer Frage angesprochene Personenkreis in westlichen Bundesländern umsieht. Darüber, in welchem Umfang das erfolgt, liegen der Bundesanstalt für Arbeit keine Zahlen vor. Ich hatte eben darauf hingewiesen, daß es in diesem Zusammenhang allerdings eine Reihe von Beratungen gibt. Bei der Freizügigkeit des Arbeitsmarktes ist es ja möglich, sich in entsprechender Weise zu verhalten.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Opel.
Herr Staatssekretär, im Anschluß an die letzte Frage des Kollegen Dr. Janzen: Ist Ihnen ein Zusammenhang zwischen der sogenannten Privatisierungs- oder Nicht-Sanierungs-Politik der Treuhand und der Arbeitslosenquote insbesondere bei hochqualifiziertem Personal, in diesem Fall bei Ingenieuren, aufgefallen?
Horst Günther, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Opel, insgesamt ist natürlich immer zu beobachten und an Zahlen ablesbar, daß, wenn Betriebe schließen, entsprechende Maßnahmen notwendig werden. Die Abwicklung durch die Treuhand folgt einem bestimmten Auftrag, was Sie selber ja auch immer mitverfolgen. Es kann überhaupt nicht bestritten werden, daß es dabei Zusammenhänge gibt. Ich will das im Augenblick aber in gar keiner Weise bewerten.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.
Die Frage 16 des Kollegen Ludwig Stiegler wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Wir kommen dann zu der Frage 17 des Kollegen Adolf Ostertag:
Wie erklärt die Bundesregierung die Tatsache, daß die im Unfallverhütungsbericht 1990 dokumentierte Anzahl der angezeigten Berufskrankheiten im Bereich der schweren oder wiederholt rückfälligen Hauterkrankungen im Jahre 1990 auf 20 670 stark angestiegen ist, und was hat die Bundesregierung angesichts dieser besorgniserregenden Entwicklung konkret insbesondere im Bereich des Arbeitsschutzes unternommen?
Horst Günther, Parl. Staatssekretär: Kollege Ostertag, sind Sie einverstanden — wenn auch die Präsidentin das gestattet —, daß ich Ihre Frage 18 gleich mit beantworte?
Wir sind einverstanden. Ich rufe sodann die Frage 18 des Kollegen Adolf Ostertag auf:Wie erklärt die Bundesregierung die Tatsache, daß der Anzahl der angezeigten Berufskrankheiten im Bereich der schweren oder wiederholt rückfälligen Hauterkrankungen von 20 670 Fällen im Jahr 1990 lediglich 753 entschädigte Fälle gegenüberstehen, und wie will die Bundesregierung angesichts diesergroßen Diskrepanz zukünftig sicherstellen, daß alle Personen, die infolge ihres Berufs hauterkrankt sind, entschädigt werden?Horst Günther, Parl. Staatssekretär: Vielen Dank. — Herr Kollege Ostertag, beruflich verursachte Erkrankungen der Haut fallen unter die Berufskrankheit der Nr. 51 01 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung. Nach Auskunft der von dieser Berufskrankheit besonders betroffenen Berufsgenossenschaften entfällt der Großteil der Erkrankungsfälle auf das Friseurgewerbe.Der Umstand, daß in den letzten Jahren ein kontinuierlicher Anstieg von Anzeigen dieser Berufskrankheit zu beklagen ist, erklärt sich u. a. dadurch, daß die Berufsgenossenschaften für Hautkrankheiten ein besonderes „Hautarztverfahren" eingeführt haben, wodurch Erkrankungsfälle bereits im Frühstadium einer Meldung durch die Hautärzte zugeführt werden, daß die Ärzteschaft durch verbesserte Information ein zunehmend offensives Meldeverhalten bei Berufskrankheiten entwickelt und daß auch betroffene Versicherte zunehmend mehr Entschädigungsansprüche an ihre Berufsgenossenschaft stellen. Hinweisen möchte ich aber darauf, daß nicht jeder angezeigte Verdachtsfall eine anzuerkennende Berufskrankheit im Sinne der Berufskrankheiten-Verordnung ist.Für die Tätigkeiten, bei denen üblicherweise mit Gefahrstoffen umgegangen wird, die schädigend auf die Haut einwirken, bestehen sowohl nach der Gefahrstoffverordnung wie auch nach den einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften Bestimmungen, die Haut bei solchen Tätigkeiten entsprechend zu schützen. Die zuständigen Berufsgenossenschaften haben für solche Tätigkeiten besondere Merkblätter herausgegeben, in denen auch die Notwendigkeit des Tragens persönlicher Schutzausrüstung in Form von Handschuhen oder die Verwendung von Hautschutzmitteln empfohlen wird.Zu Ihrer zweiten Frage möchte ich folgendes sagen: Im Unfallverhütungsbericht der Bundesregierung werden die gemeldeten den erstmals entschädigten Erkrankungsfällen gegenübergestellt. Gemäß § 581 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung wird nur der Versicherte durch Rentenzahlungen entschädigt, bei dem die Erkrankungsfolgen so schwer sind, daß die Minderung der Erwerbsfähigkeit über die 13. Woche nach dem Versicherungsfall andauernd 20 erreicht bzw. übersteigt. Weiterhin enthält die Nr. 51 01 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung drei Voraussetzungen, die im Hinblick auf eine Anerkennung der Krankheit als Berufskrankheit erfüllt sein müssen: Die Erkrankung muß „schwer" sein. Die Erkrankung muß „wiederholt rückfällig" aufgetreten sein. Die Erkrankung muß „zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".Im Rahmen des Hautarztverfahrens werden gemäß § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung Maßnahmen der ärztlichen Heilbehandlung und/oder der beruflichen Rehabilitation durchgeführt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992 5847
Parl. Staatssekretär Horst GüntherDiese Maßnahmen werden von den Berufsgenossenschaften auch dann eingeleitet, wenn eine formale Anerkennung nicht erfolgt ist, etwa weil noch nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind.Insgesamt zeigt uns das, daß eine Entschädigung aller beruflich bedingten Hautkrankheiten durch Rentenleistungen nicht in Betracht kommen kann, vielmehr die Schwere der Erkrankung und die daraus resultierende Minderung der Erwerbsfähigkeit als wichtigstes Entschädigungskriterium feststeht.
Zusatzfrage, Kollege Ostertag.
Herr Staatssekretär, wenn man den Unfallverhütungsbericht betrachtet, fällt als einzige große Ausnahme auf, daß sich die Zahl der Hauterkrankungen seit 1983 auf inzwischen jährlich 20 000 Fälle gesteigert hat. Das ist eklatant im Vergleich zu allen anderen Berufskrankheiten. Meinen nicht auch Sie, daß in den letzten Jahren andere Maßnahmen hätten ergriffen werden müssen, um hier wirklich Einhalt zu gebieten? Hat die Bundesregierung dazu ihre Möglichkeiten genutzt, z. B. im Hinblick auf Forschungsprogramme in Zusammenarbeit mit Instituten, mit Berufsgenossenschaften, um diese Zahl zu reduzieren?
Horst Günther, Parl. Staatssekretär: Sie haben ja heute morgen auch im Ausschuß mitdiskutiert, wo diese Fragen mit angesprochen worden sind. Sie haben dort auch Auskunft bekommen, daß in bezug auf dieses Forschungsprogramm eine Weiterentwicklung ständig stattfindet.
Ich bin allerdings der Auffassung, daß die Berufsgenossenschaften zur Zeit genügend Instrumentarium besitzen, um hier entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Wir sind aber gerne bereit, weil das offensichtlich etwas ist, was fortschreitet, mit den Berufsgenossenschaften im Rahmen unserer Arbeit diese Fragen erneut zu erörtern.
Zweite Zusatzfrage.
Es fällt auf, daß sich bei den Entschädigungsfällen, sowohl bei der Silikose als auch bei schweren Lärmschädigungen, die Entschädigungsquote in den letzten Jahren immer parallel zu der der anerkannten Berufskrankheiten entwickelt hat. Das ist, wenn man die Statistik sieht und die Kurven betrachtet, bei den Hauterkrankungen offensichtlich nicht der Fall. Wie erklären Sie sich diesen Widerspruch?
Horst Günther, Parl. Staatssekretär: Das kann mit der Art der Tätigkeit zusammenhängen, Kollege Ostertag. Das müßte man noch einmal im einzelnen überprüfen. Dazu bedarf es sicher umfangreicherer Untersuchungen, über das hinaus, was ich Ihnen hier sagen kann.
Eine weitere Zusatzfrage, Kollegin Wetzel.
Herr Staatssekretär, nach der Gefahrstoffverordnung sind meines Wissens Friseure verpflichtet, ihre Mitarbeiter über die Gefahren, die von den Stoffen, mit denen sie umgehen, ausgehen, zu informieren. Soweit ich weiß, gibt es aber für diese Stoffe andererseits keine Kennzeichnungspflicht. Beabsichtigt die Bundesregierung, diese Kennzeichnungspflicht einzuführen und, wenn ja, wie schnell?
Horst Günther, Parl. Staatssekretär: Im Moment ist nicht beabsichtigt, diese Kennzeichnungspflicht einzuführen. Aber an der Weiterentwicklung von Schutzvorschriften wird ständig gearbeitet. Die Bundesregierung wird prüfen, inwieweit dieses aufgenommen werden kann, was Sie gerade angeregt haben.
Die Fragen 19 und 20 des Abgeordneten Kolbe sollen schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär.
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Willy Wimmer zur Verfügung.
Ich rufe Frage 21 des Kollegen Manfred Opel auf:
Auf welche Weise und wann wurden die an der „wehrtechnischen Zusammenarbeit" mittelbar und unmittelbar Beteiligten des Bundesnachrichtendienstes, der Bundeswehr und des Bundeskanzleramtes über die dafür geltenden rechtlichen Grundlagen informiert bzw. aktenkundig belehrt?
Herr Kollege Opel, auf Grund des laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens wegen Verdachts eines Verbrechens gemäß § 22a des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen gegen Beteiligte sieht die Bundesregierung derzeit davon ab, diese Frage insoweit zu beantworten.
Die Beteiligten wurden im Rahmen ihrer jeweiligen fachlichen Einweisung in ihren Dienstposten entsprechend informiert. Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes waren weder mittelbar noch unmittelbar an der wehrtechnischen Zusammenarbeit beteiligt.
Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, es ist schon verwunderlich, daß Sie noch nicht einmal ein Datum nennen können, wann eine Belehrung über rechtliche Zusammenhänge erfolgte, und sich hinter dem Staatsanwalt verstecken. Ich gehe davon aus, daß mir das, sobald die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen beendet sind, im Detail nachgereicht wird. Meine Frage: Ist die Bundesregierung dazu bereit?Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie wissen selber, daß all die Personen, die — was ihre berufliche Tätigkeit oder den Umstand betrifft, inwieweit sie verwickelt waren oder hätten sein können — Gegenstand von Ermittlungsverfahren sind, Schutz verdienen, bis diese Ermittlungen abgeschlossen sind.
Metadaten/Kopzeile:
5848 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992
Parl. Staatssekretär Willy WimmerWenn die Ermittlungen abgeschlossen sein werden und sich eindeutige Erkenntnisse ergeben, werden alle rechtlich vorgesehenen Konsequenzen gezogen. Darüber werden wir Sie gerne unterrichten.
Weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung — als Folge der Erkenntnisse, die sie sicherlich jetzt schon gewonnen hat — die Belehrungsusancen gegenüber dem mit der wehrtechnischen Zusammenarbeit befaßten Personal unterdessen verbessert?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, Sie wissen, daß wir in den letzten Monaten über den zugrunde liegenden Sachverhalt nicht nur intensiv gesprochen, sondern auch deutlich gemacht haben, welche rechtlichen Konsequenzen die künftige Arbeit auf diesem Feld nach sich ziehen wird, rechtliche Konsequenzen, die wir ändern werden. Das ist ein Prozeß, dem sich jeder Mitarbeiter unseres Hauses unterziehen muß. Das ist ein fortlaufender Prozeß; wir passen das immer aktualisiert an.
Da zur Frage 21 keine Zusatzfrage mehr vorliegt, kommen wir nun zur Frage 22 des Kollegen Manfred Opel:
Wußte der amtierende Bundesminister der Verteidigung, Dr. Gerhard Stoltenberg, von der Existenz einer „wehrtechnischen Zusammenarbeit" mit Nicht-NATO-Staaten, und inwieweit war er vom konkreten Umfang der jeweiligen „wehrtechnischen Zusammenarbeit" unterrichtet?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Über wehrtechnische Zusammenarbeit mit Israel erhielt Bundesminister Dr. Stoltenberg partielle Informationen: erstens vor etwa 15 Monaten im Zusammenhang mit dem Projekt „Cerberus" und zweitens auf Grund seiner Erkenntnisse aus dem U-Boot-Untersuchungsausschuß, in dessen Abschlußbericht dokumentiert wird, wie 1971 mit Wissen hoher Persönlichkeiten, zumindest im seinerzeit SPD-geführten Verteidigungsministerium, U-Boote über Drittländer unter Vermeidung der notwendigen Genehmigungen nach den Außenwirtschaftsbestimmungen nach Israel geliefert worden sind.
Zusatzfrage, Herr Kollege Opel.
Herr Staatssekretär, heißt das, daß diese Beschaffungs- und Exportmaßnahmen von Ihnen neuerdings unter dem Begriff „wehrtechnische Zusammenarbeit" subsumiert werden?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Nein, Herr Kollege. Aber Sie müssen natürlich verstehen, daß wir versuchen, die linke und rechte Grenze für diese Dinge hier deutlich zu machen. Im übrigen haben Sie nach dem Wissensstand des Kollegen Dr. Stoltenberg gefragt, und diese Frage habe ich präzise beantwortet.
Weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Opel.
Herr Staatssekretär, ich beziehe mich auf die bisher enge Fassung des Begriffs „wehrtechnische Zusammenarbeit", also auf den Austausch von Informationen und Wissen.
Meine Frage ist konkret, ob der Bundesminister der Verteidigung über den Austausch, u. a. über die Kontrollgruppen, in Zusammenarbeit mit dem BND, im einzelnen unterrichtet war und das Verfahren im Detail kannte.
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Sie wissen, Herr Kollege Opel, daß der Kollege Dr. Stoltenberg über diese Fragen im Verteidigungsausschuß informiert hat, was seine eigene Kenntnis betrifft. Wenn das, was Sie hier gerade gefragt haben, möglicherweise über das hinausgeht, was da beantwortet worden ist, werden wir diese Frage gern schriftlich beantworten.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Hans Wallow.
Herr Staatssekretär, von wann sind die generellen Weisungen der Mitarbeiter, die im BMVg auf diesem Gebiet arbeiten?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Die Form der hier in Frage stehenden Zusammenarbeit, z. B. mit Israel, resultiert, wenn ich mich im Datum nicht vergreife, aus dem Jahre 1968. Die Weisungslage ist, wenn ich das aus der Erinnerung richtig weiß, sehr präzise gefaßt worden, beginnend ab dem Jahre 1978. Die Weisungslage hat also zwei feste datenmäßige Vorläufe.
Es hat dann eine Präzisierung der Weisungslage durch den ehemaligen Staatssekretär Dr. Rühl — das war Mitte der 80er Jahre — gegeben. Vor dem Hintergrund des hier aufgetretenen Sachverhalts, der uns in den letzten Monaten beschäftigt hat, vor dem Hintergrund jetzt gewonnener Erkenntnisse werden Weisungen natürlich in anderer Weise neu gefaßt.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.Wir kommen dann zur Frage 23 des Kollegen Horst Kubatschka:Sind die von der Bundesregierung dem Notärztekomitee „Cap Anamur" zugesicherten 20 Minenräumpanzer bereits auf dem Weg nach Somalia?Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung hat dem Notärztekomitee „Cap Anamur" keine 20 Minenräumpanzer für einen Einsatz in Somalia zugesichert. Der Bundesregierung liegt aber ein Antrag der Hilfsorganisation „Cap Anamur" auf Bereitstellung von zwei Minenräumpanzern zur Räumung von Minen in der im Mai 1991 selbsternannten Republik Somalia — das ist das ehemalige britische Protektorat Nordsomalia — vor. Dieser Antrag bedarf in Anbetracht der politischen Lage im beabsichtigten Einsatzgebiet sorgfältiger Prüfung. Diese Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Fachgespräche mit der Organisation „Cap Anamur" wurden unmittelbar nach Antragseingang aufgenommen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992 5849
Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, nach einer schriftlichen Frage, die ich in gleicher Sache wohl schon im Sommer gestellt hatte, ist aber die prinzipielle Bereitschaft des Ministeriums erkennbar, in diesem Sinn vorbeugend zu wirken, weil es für das Notärztekomitee besser ist, Minen zu räumen, als Menschen zu versorgen, denen die Füße abgerissen wurden?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, es ist in der Tat so, daß eine der zentralen Aufgaben der Bundeswehr in diesen Jahren im humanitären Bereich liegt. Sie wissen, daß wir im Rahmen unserer Möglichkeiten alles tun, was zur internationalen Hilfe beiträgt. Aber auch Überlegungen dieser Art müssen vor dem Hintergrund der außen- und sicherheitspolitischen Betrachtungslage der Bundesrepublik Deutschland gesehen werden. Wir können hier eine derartige Prüfung und Abstimmung nur im Rahmen der Bundesregierung, d. h. unter Beteiligung aller Ressorts, vornehmen. Dieser Vorgang ist noch nicht abgeschlossen. Aber humanitäre Hilfe ist in diesen Jahren unsere vordringlichste Aufgabe.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Frage 24 des Kollegen Hans Wallow:
Welche Ursachen sind dafür maßgeblich, daß dem Antrag der Hilfsorganisation „Cap Anamur", Minenräumpanzer für die Räumung von Minen in Somalia zur Verfügung zu stellen, bisher noch nicht stattgegeben wurde?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Wallow, der Bundesregierung liegt, wie ich soeben sagte, ein Antrag der Hilfsorganisation „Cap Anamur" auf Bereitstellung von zwei Minenräumpanzern zur Räumung von Minen in der im Mai 1991 selbsternannten Republik Somalia — ich habe sie vorhin spezifiziert — vor. Dieser Antrag bedarf in Anbetracht der politischen Lage im beabsichtigten Einsatzgebiet sorgfältiger Prüfung — ich habe das soeben vorgetragen —. Die Fachgespräche sind natürlich noch nicht abgeschlossen.
Zusatzfrage.
Wie lange braucht die Bundesregierung denn zur Beurteilung der politischen Lage in dieser Region?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Sie müssen, Herr Kollege, davon ausgehen, daß wir hier alle Aspekte einbeziehen müssen. Das richtet sich nach dem Zulauf der sachlich erforderlichen Informationen. Wir arbeiten auf diesem Feld ohne schuldhaftes Zögern. Aber wir müssen natürlich sorgfältig prüfen. Sie wissen selber vor dem Hintergrund der politischen Diskussion in unserem Land, auf was die Öffentlichkeit zu Recht rekurriert, wenn wir es hier mit den Nutzungsmöglichkeiten auch militärisch relevanten Materials zu tun haben. Das alles wollen wir auch zu unserer eigenen Sicherheit sorgfältig abgestimmt
haben. Das heißt, wir machen es zügig. Wenn die Beurteilung da ist, werden wir auch gegenüber „Cap Anamur" und anderen tätig werden können.
Eine weitere Zusatzfrage.
Ist absehbar, wann diese Prüfung zu einem erfolgreichen Ende kommt?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Ich kann das jetzt nicht datumsmäßig festlegen, bin aber gern bereit, dieser Frage noch einmal unter diesem Gesichtspunkt nachzugehen.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Frage 25 der Frau Kollegin Dagmar Enkelmann:
Zu welchen Konditionen werden Objekte der Bundeswehr, z. B. Verdichtungsdepots in den neuen Bundesländern, an die Firma Materialdepot Service Gesellschaft mbH übergeben?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Bundeswehr führt nicht weiter benutztes Material der ehemaligen Nationalen Volksarmee in Verwertungslagern zusammen, um es dort bis zum Verkauf, zur unentgeltlichen Abgabe oder zur Verschrottung zu bewahren. Die entsprechenden Liegenschaften werden für militärische Zwecke nicht mehr benötigt und nach abgeschlossener Verwertung, d. h. nach der Räumung von dem Material, in das allgemeine Vermögen des Bundes zurückgeführt.
Die Firma Materialdepot Service Gesellschaft mbH — abgekürzt MDSG — wird mit der Lagerhaltung beauftragt. Diese Lagerhaltung umfaßt im wesentlichen die Bewachung, den sachgerechten Umgang und die Bereitstellung der eingelagerten Materialien zur Verwertungsabgabe.
In diesem Rahmen ist die Gesellschaft verpflichtet, die Lager nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu führen. Der Auftrag für diese Gesellschaft endet, sobald die eingelagerten Materialien verwertet sind.
Es ist vorgesehen, der Firma MDSG insgesamt bis zu 50 Verwertungslager schrittweise zu übergeben. Der zeitliche Ablauf der Lagerübergaben ist von der Verfügbarkeit von Haushaltsmitteln und dem Abschluß der Befüllung mit ausgesondertem Material abhängig.
Für das Haushaltsjahr 1992 sind für diesen Zweck 85 Millionen DM im Einzelplan des Verteidigungsministeriums vorgesehen.
Zusatzfrage.
Inwieweit wurden von Ihrer Seite, wie es Ihre Pflicht gewesen wäre, die Personalvertretungen umfassend und rechtzeitig über die Vorhaben informiert, und wurde gemeinsam mit ihnen die Möglichkeit geprüft, daß die Beschäftigten der Depots selber eine eigene Entsorgungsfirma gründen?
Metadaten/Kopzeile:
5850 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, wenn ich es richtig sehe — ich bin gerne bereit, dieser Frage nachzugehen —, wird das von dem vorliegenden Fragetext nicht gedeckt; denn Sie haben danach gefragt, welche Konditionen der Gesellschaft eingeräumt worden sind.Ich will in diesem Zusammenhang sagen, daß wir der Gesellschaft gegenüber natürlich zur Zusammenarbeit im rechtlich einwandfreien Rahmen verpflichtet sind und von unserer Seite großen Wert darauf legen, daß das eingehalten wird. Ich bin von daher im Zweifel, ob der von Ihnen angesprochene Sachverhalt Gegenstand von Beratungen mit den Personalvertretungen sein kann.Aber darüber hinaus haben wir von der Seite des Bundesverteidigungsministeriums auch im Zusammenhang mit sonstigen Einrichtungen aus der Hinterlassenschaft der ehemaligen DDR alles getan, um im Rahmen organisatorischer Zusammenschlüsse sicherzustellen, daß das, was sich vor Ort gebildet hat — auch Entsorgungsgesellschaften oder ähnliches —, in unsere Überlegungen einbezogen wird.
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Zu den Konditionen gehören für mich auch die Bedingungen für die Beschäftigten. Insofern war die Frage sicherlich berechtigt.
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Ja, die Arbeitsbedingungen sicher.
Vielleicht können Sie das noch ergänzen.
Zu meiner zweiten Zusatzfrage: Trifft es zu, daß die Firma Materialdepot Service Gesellschaft mbH deshalb favorisiert wurde, weil sie ein Unternehmen der Industrieverwertungsgesellschaft ist, deren Hauptaktionär der Bund ist und die die Verwertung von Bundesvermögen betreibt?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Wir mußten, Frau Kollegin, bei der Verwertung der Hinterlassenschaft der ehemaligen NVA — es handelt sich ja um Waffen, militärisches Gerät und ähnliches — insgesamt natürlich größten Wert darauf legen, daß die Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, zuverlässig sind. Sie müssen einem hohen Sicherheitsstandard entsprechen. Von daher wird das zentrale Kriterium für jede Bewertung gewesen sein — und ist es auch heute —: Wie zuverlässig sind die Unternehmen, um derartige Aufgaben bewältigen zu können?
Ich kann sagen, daß diese Gesellschaft dieser Zuverlässigkeitsüberprüfung natürlich nicht nur unterworfen wurde, sondern sie auch bestanden hat. Das sagt nichts über mögliche Mitbewerber aus.
Eine Zusatzfrage des Kollegen Manfred Opel.
Herr Staatssekretär, die Konditionen richten sich mit Sicherheit auch nach der Art des einzulagernden Materials. Deswegen meine
Frage: Handelt es sich dabei auch um funktionsfähige Waffen und Munition, und ist die Sicherheitsüberprüfung insoweit nach unseren Kriterien formal auch abgeschlossen? Sie wissen, was ich meine; ich beziehe mich auf die Diskussion im Verteidigungsausschuß.
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Opel, wir haben aus verständlichen Gründen großen Wert darauf gelegt, die Überlegungen, die im Zusammenhang mit Waffen und militärisch nutzbarem Gerät anzustellen sind und die sich auf Sicherheitsüberprüfungen erstrecken, auch zum Gegenstand von Vereinbarungen mit diesen Gesellschaften zu machen. Denn wir wissen alle, über was wir reden, und dem wollten wir Rechnung tragen. Ich hoffe, wir haben das, was wir beschlossen haben, in der Tat auch so umgesetzt, daß die von Ihnen und auch von anderen geteilten Bedenken — die auch meine sind — nicht zum Tragen kommen werden.
— Wir können uns über die Trägerschaften der Gesellschaften vielleicht im nachhinein noch einmal unterhalten. Ich bin im Augenblick nicht sicher, ob es neben dem Unternehmen, das ich angesprochen habe, noch andere Faktoren gibt, bezogen auf den ersten Themenbereich, den Sie in Ihrer Frage angesprochen haben.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir kommen zur Frage 26 der Frau Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann:
Inwieweit ist die Firma MDSG beteiligt am Export von NVA-Material in Gebiete außerhalb der NATO?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, die Firma Materialdepot Service Gesellschaft ist an Verkäufen von NVA-Material an andere Länder nicht beteiligt. Sie wird ausschließlich mit der Lagerhaltung und der Bereitstellung des Materials zur Verwertungsabgabe beauftragt. Verhandlungen über den Verkauf von Wehrmaterial, das dem Kriegswaffenkontrollgesetz unterliegt, an andere Länder werden vom Bundesministerium der Verteidigung geführt.
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Inwieweit wurden bzw. werden überhaupt Materialien aus Verdichtungsdepots, also ehemalige NVA-Materialien an Länder außerhalb des NATO-Bereichs geliefert?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Nach den strikten Regeln, die die Bundesregierung dazu aufgestellt hat.
Eine weitere Zusatzfrage.
Darf ich meine anderen Zusatzfragen dem Ministerium schrift-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992 5851
Dr. Dagmar Enkelmannlieh vorlegen, und würden Sie sie freundlicherweise beantworten?Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Es wird uns eine Freude sein, jede Ihrer Fragen zu beantworten.
Eine Zusatzfrage des Herrn Kollegen Opel.
Herr Staatssekretär, gehört zu der von Ihnen genannten Bereitstellung auch die Verpackung und die Ausweisung, d. h. die Kennzeichnung des Materials?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, über derartige technische Einzelheiten will ich Sie gern unterrichten. Sie können sicher davon ausgehen, daß das nicht zu meinem täglichen Arbeitsbereich zählt.
Wir haben nun zu diesem Fragenkomplex keine Fragen mehr.
Wir kommen jetzt zur Frage 27 des Kollegen Jürgen Koppelin:
Beabsichtigt die Bundesregierung auch weiterhin, der Türkei aus NVA-Beständen Waffen zur Verfügung zu stellen?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Abgabe bzw. die Lieferung von Wehrmaterial an NATO-Partner im Rahmen der Golfkrise wurde zuletzt im Dezember 1991 im Verteidigungsausschuß behandelt, und zwar umfassend. Hierbei wurde der Verteidigungsausschuß auch über die Lieferung von Material aus Beständen der ehemaligen NVA an die Türkei unterrichtet. Die Türkei hat 1990 um materielle Hilfe gebeten und eine Materialwunschliste vorgelegt, die u. a. auch NVA-Material enthielt. Das Auswärtige Amt sowie der Bundesminister der Finanzen haben einer unentgeltlichen Abgabe von NVA-Überschußmaterial zugestimmt.
Es wird erwartet, daß die Lieferungen voraussichtlich bis Ende 1992 abgeschlossen sind. Über die vereinbarten Lieferungen hinaus sind keine weiteren Waffenlieferungen aus NVA-Beständen an die Türkei geplant.
Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, können Sie uns erklären, wie die Türkei ihren ungeheuren Bedarf — ich darf sagen: ihren unersättlichen Bedarf — an NVA-Waffen begründet?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Die Begründungen, die der verbündete Partner Türkei hier vorgelegt hat, waren nach Auffassung der Bundesregierung so substantiiert, daß die Bundesregierung diesen Vorstellungen im Rahmen einer krisenhaften Entwicklung im Nahen Osten, die zu unserem Leidwesen diese Region im Jahre 1990 überzogen hat, nachgekommen ist.
Zweite Zusatzfrage.
Sind Sie bereit, im Ministerium noch einmal zu überprüfen, ob tatsächlich bis 1992 weiter NVA-Waffen an die Türkei geliefert werden müssen, vor allem wenn Sie daran denken, welchen Beschluß der Haushaltsausschuß gefaßt hat, nämlich die Militärhilfe für die Türkei einzufrieren?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Koppelin, es ist erklärte Politik der Bundesregierung, zu ihren Verträgen und zu ihren entsprechenden Abmachungen zu stehen.
Weitere Zusatzfrage des Kollegen Manfred Opel.
Herr Staatssekretär, gehe ich recht in der Annahme, daß Sie bei solchen Waffenlieferungen immer auch eine Endverbleibsklausel vertraglich vereinbaren? Würden Sie mir freundlicherweise sagen, wie Sie die Einhaltung dieser Klausel überprüfen?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe in der fraglichen Sitzung des Verteidigungsausschusses sogar unter Angabe der entsprechenden Paragraphen darauf aufmerksam gemacht, wie diese Endverbleibsklausel aussieht.
Was die von Ihnen angesprochene Überprüfung betrifft, so haben wir es hier mit Beziehungen zwischen Staaten zu tun. Wir gehen a priori davon aus, daß der Vertragspartner Türkei wie jeder andere Vertragspartner, den wir haben, so zu werten ist, wie das unter Staaten üblich ist.
Wir kommen nun zur Frage 28 des Kollegen Jürgen Koppelin:
Treffen Pressemeldungen zu, daß die türkische Polizei Waffen aus NVA-Beständen erhalten hat?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Koppelin, die Lieferung von Waffen aus NVA-Beständen erfolgt ausschließlich an die türkischen Streitkräfte. In dem Abkommen ist festgelegt, daß bei Abgabe an Dritte — das erstreckt sich auf die Fragestellung des Kollegen Opel von vorhin — die Zustimmung zur Weitergabe eingeholt werden muß. Anders-lautende Pressemeldungen können deshalb nicht bestätigt werden.
Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, ist das Ministerium zumindest bereit, den Meldungen nachzugehen, daß die türkische Polizei angeblich Waffen der NVA besitzt?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn uns handfeste Informationen über Tatbestände vorliegen, die im Rahmen unserer vertraglichen Vereinbarungen relevant sind, sind wir immer bereit, jeder Frage nachzugehen.
Zweite Zusatzfrage.
Dann muß ich deutlicher fragen: Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, z. B. bei der türkischen Botschaft oder bei den türkischen
Metadaten/Kopzeile:
5852 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992
Jürgen KoppelinMinisterien nachzufragen, ob dieser Sachverhalt zutrifft?Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir haben derzeit keine Informationen, die es erforderlich machen, von uns aus hier als Petenten und Fragesteller tätig zu werden. Wenn wir über handfeste Dinge verfügen wollen, was Verdachtsfälle betrifft, stehen uns zunächst einmal die eigenen Auslandsvertretungen in den betroffenen Ländern zur Verfügung. Wir werden dieser Frage gern nachgehen. Das heißt, wir gehen in diesen Fällen den Weg über das eigene Auswärtige Amt.
Zusatzfrage des Kollegen Robert Antretter.
Herr Staatssekretär, ist sich die Bundesregierung wenigstens der Tatsache bewußt, daß es auf Grund der immer noch kritischen Lage in der Türkei im Zusammenhang mit den Menschenrechten, auch wenn wir seit der Bildung der neuen Koalition dort gewisse Hoffnungen haben dürfen, problematisch ist, gerade der türkischen Polizei mit Waffen zu „helfen"?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe eben darauf aufmerksam gemacht, daß für uns der Partner die türkischen Streitkräfte sind; darauf baut eine jahrelange und — ich darf das hier sagen — auch vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unserem Bündnispartner Türkei auf. Wir haben unsererseits, wenn ich hier das noch einmal erwähnen darf, was ich vorhin festgestellt habe, keine Lieferungen an die türkische Polizei durchgeführt.
Was die von Ihnen angesprochene komplizierte innenpolitische Situation in der Türkei betrifft, sind wir der Auffassung, daß das, was die neue türkische Regierung auf diesem Feld tut, um auch die kurdische Bevölkerungsgruppe in den innerstaatlichen Prozeß einzubinden, unsere Unterstützung erforderlich macht und auch unsere Anerkennung gebietet.
Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Janzen.
Herr Staatssekretär, die Zusammenarbeit des Verteidigungsministeriums mit dem BND in der berüchtigten Israel-Geschichte zwingt mich zu der Frage: Könnten Sie eine solche Zusammenarbeit zur Klärung dieses Problems nicht auch in bezug auf die Türkei vorsehen?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Jetzt muß ich einmal nachfragen: Die Zusammenarbeit mit wem?
Die Zusammenarbeit mit dem BND, so daß, weil Sie selber keine Möglichkeiten sehen, dieser Frage nachzugehen, vielleicht der BND der Frage nachgeht, ob in der Türkei die Polizei die Waffen, die Sie zur Verfügung gestellt haben, benutzt.
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe eben in der Antwort auf eine Frage des Kollegen Koppeln darauf aufmerksam gemacht, daß sich die Bundesregierung ihrer Ministerien bedient,
um Tatbestände in Erfahrung zu bringen, die für die Beurteilung ihrer Politik erforderlich sind. Wir gehen hier im Falle des Erfordernisses über das Auswärtige Amt, weil unser Auswärtiges Amt für die Auslandsbeziehungen verantwortlich ist.
Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.
Wir kommen damit zur Frage 29 des Kollegen Dr. Olaf Feldmann:
Sieht die Bundesregierung in Zukunft Möglichkeiten einer europäischen kollektiven Luftraumkontrolle und Luftverteidigung, die einen Verzicht der Bundesluftwaffe auf den Jäger 90 oder andere alternative Jagdflugzeuge möglich machen würde?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Feldmann, die integrierte NATO-Luftverteidigung stellt bereits heute für die NATO-Bündnispartner in Europa ein kollektives System der Luftraumkontrolle und Luftverteidigung dar. Durch die deutsche Einigung sind die neuen Bundesländer derzeit — in der Folge dieses Einigungsprozesses — in diese NATO-Luftverteidigung noch nicht einbezogen. Inwieweit in Zukunft durch die Einbeziehung weiterer europäischer Staaten ein erweitertes kollektives Luftraumkontroll- und -verteidigungssystem geschaffen werden kann, läßt sich derzeit nicht beurteilen.
Nach Auffassung des Bundesministeriums der Verteidigung dürfte es nicht möglich sein, ganz Europa raumdeckend mit bodengestützten Luftverteidigungssystemen vollständig zu schützen. Die dafür erforderlichen materiellen und finanziellen Mittel würden nach unserer heutigen Bewertung den Rahmen der Verteidigungshaushalte aller beteiligten Länder sprengen.
Mit einer wirksamen Mischung von bodengestützten Waffensystemen sowie präsenten, hochflexiblen und allwetterkampffähigen Jagdflugzeugen läßt sich dagegen eine ausgewogene und effektive Luftverteidigung gewährleisten. Dabei müssen Jagdflugzeuge grundsätzlich in der Lage sein, kurzfristig auch über weite Entfernungen Luftverteidigungsschwerpunkte dort zu bilden, wo es die Schutzerfordernisse des einzelnen und die kollektive Interessenlage der beteiligten Partner verlangen. Jagdflugzeuge sind ein wirksames Mittel zur Wahrnehmung der nationalen hoheitlichen Aufgaben zum Schutz des eigenen Luftraums im Frieden.
Somit sieht der Bundesminister der Verteidigung keine Möglichkeit für eine alternative europäische kollektive Luftraumkontrolle und Luftverteidigung, die einen generellen Verzicht auf Jagdflugzeuge seitens der Bundesluftwaffe ermöglichen könnte.
Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär Wimmer, hat das Bundesverteidigungsministerium sichergestellt, daß sich unsere ausländischen Kooperationspartner darüber im klaren sind, daß wir bisher grünes Licht nur für die Entwicklung eines europäischen Jagdflugzeuges gegeben haben und daß die Produktion eines solchen entwickelten Flugzeuges noch des grünen Lichtes bedarf? Haben Sie schon Gespräche
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992 5853
Dr. Olaf Feldmanndarüber geführt, wie die Lage dann bewertet wird, wenn ein solches grünes Licht für die Produktion nicht gegeben wird?Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Feldmann. Wir haben im Zusammenhang mit dem Abschluß der internationalen Kooperationsverträge jeden Vertragspartner natürlich über diese Umstände informiert, weil das ja dann schließlich auch so in die Verträge eingeflossen ist. Neben diesen allgemeinen vertraglichen Überlegungen, die ich gerade angesprochen habe — denn ohne Verträge läuft eine solche Zusammenarbeit nicht —, sind sich die internationalen Partner selbstverständlich auch darüber im klaren, daß die Parteien, die die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode tragen, in einer Koalitionsvereinbarung deutlich gemacht haben, daß erst nach Abschluß der Entwicklungsphase in bezug auf das Jagdflugzeug eine Entscheidung über dessen Produktion gefällt werden kann. Der Sachverhalt, nach dem Sie fragen, wird seit Jahren intensiv diskutiert und ist insoweit allen Beteiligten bekannt.
Zweite Zusatzfrage des Kollegen Feldmann.
Herr Staatssekretär Wimmer, finden auf der Hardthöhe zur Zeit Überlegungen im Hinblick auf eine Prüfung von Alternativen zu dem in Entwicklung befindlichen europäischen Jagdflugzeug statt, oder sind solche Prüfungen beabsichtigt?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Feldmann, der Bundesminister der Verteidigung hat nicht nur die parlamentarischen Gremien, sondern auch die deutsche Öffentlichkeit darüber in Kenntnis gesetzt, daß wir im Rahmen von Absprachen und Überlegungen mit den Koalitionsfraktionen die Alternativen selbstverständlich sehr intensiv durchforsten, denn wir wollen im Laufe dieses Jahres, wenn die Entwicklung abgeschlossen ist und gegebenenfalls andere Entscheidungen anstehen, dem Hohen Hause vor dem Hintergrund einer sachgerechten Prüfung der gesamten Angebotslage ganz allgemein einen Vorschlag machen, der in sich begründet ist. Das geht nur in der von Ihnen angesprochenen Weise, nämlich daß wir ständig überprüfen und den internationalen Markt auch darauf abklopfen, was machbar ist.
Zusatzfrage des Kollegen Manfred Opel.
Herr Staatssekretär, ich möchte die Frage des Kollegen Dr. Feldmann leicht variieren: Nachdem Sie den Verzicht auf ein Jagdflugzeug schon nicht für möglich halten, möchte ich Sie fragen, ob sich die Bundesregierung, nachdem sich die Bedrohungslage dramatisch geändert hat und die Zahl der zu beschaffenden Jagdflugzeuge des Typs Jäger 90 ursprünglich 250, mindestens jedoch 200 betrug, überlegt hat, ob es einige Exemplare weniger nicht auch tun, bzw. zu welchem Ergebnis die Bundesregierung bei ihren Überlegungen gekommen ist.
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Opel, die Bundesregierung — d. h. in diesem Fall der
Bundesminister der Verteidigung — wird, wenn die Vorlage an den Deutschen Bundestag erfolgt, ja eine Antwort auf die von Ihnen gestellten Fragen präsentieren. Wir sind heute noch nicht zum Abschluß aller Überlegungen gekommen. Ich kann in diesem Zusammenhang ja auch auf einen fortlaufenden Prozeß rekurrieren. Der Kollege Dr. Feldmann hat ja soeben auch danach gefragt, ob man gegebenenfalls stationäre Einrichtungen im Bereich der Luftverteidigung zum Schutz des eigenen Luftraumes nutzen kann. Diese Frage ist im Verteidigungsausschuß seit Jahren diskutiert worden.
Sie wissen, daß im Parlament Konsens darüber besteht, daß in der heutigen Situation neben stationären Anlagen zur Luftverteidigung auch bewegliche Einrichtungen zum Schutz des Luftraumes erforderlich sind. Das sind nach allgemeiner Sicht der Dinge — die Kollegen stimmen darin mit der Bewertung des Hauses überein — Jagdflugzeuge.
Ich möchte Ihnen vorschlagen, die letzten beiden Fragen aus diesem Geschäftsbereich noch zu behandeln und die Fragestunde um fünf Minuten zu verlängern. Sind Sie damit einverstanden? — Sie sind damit einverstanden.
Dann rufe ich die Frage 30 des Kollegen Dr. Olaf Feldmann auf:
Welche Anschaffungs-, Ausbildungs-, Unterhalts- und Modernisierungskosten legt die Bundesregierung nach heutigem Stand bei ihrer Suche nach einer kostengünstigen Lösung für die Nachfolge der Phantom P-4 — u. a. für die Jagdflugzeuge Jäger 90, F-18, MiG 29 und der noch in der Entwicklung stehenden F-22 — zugrunde, und sieht sie Möglichkeiten einer europäischen Beteiligung an der Entwicklung der amerikanischen F-22?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Das Bundesministerium der Verteidigung untersucht zur Zeit erneut den Kostenrahmen für die Jagdflugzeuge F-18, MiG 29, Raphael, F-22 und weitere Typen als Alternativen zum europäischen Jagdflugzeug.
Die konkrete Ermittlung der Anschaffungs-, Ausbildungs- , Unterhalts- und Modernisierungskosten be - darf derzeit großer Anstrengungen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen werden in den vergleichenden Bericht zum europäischen Jagdflugzeug einfließen, der Mitte des Jahres vorgelegt werden wird.
Bereits die schwierige Ermittlung der Kosten für die amerikanische F-22 läßt darauf schließen, daß die Möglichkeit einer deutschen oder europäischen Entwicklungsbeteiligung an diesem Flugzeug als ausgesprochen schwierig, um nicht zu sagen gering angesehen werden muß. Diese Auffassung wird und wurde durch das amerikanische Verhalten bei anderen Rüstungsvorhaben auch gestützt.
Zusatzfrage, Herr Kollege.
Herr Staatssekretär, es wird gelegentlich gespöttelt, daß der in Entwicklung befindliche Jäger 90 kein militärtechnologischer Durchbruch ist. Welchen Zeitraum soll der in Entwicklung befindliche Jäger 90 abdecken?Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Nach den Überlegungen, die dazu auch im Bereich der Bundeswehr-
Metadaten/Kopzeile:
5854 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992
Parl. Staatssekretär Willy Wimmerplanung angestellt worden sind, soll das Jagdflugzeug, wenn es denn vor der Konfiguration Jäger 90 das Licht der Welt erblicken soll, die Nachfolge für die Phantom darstellen, die abgelöst werden soll, weil sie aus den 50er Jahren stammt und irgendwo an die Grenze ihrer Leistungs- und Lebensfähigkeit stößt. Das heißt nach menschlichem Ermessen, daß wir nach einer Einführungsphase von x Jahren, die man heute noch nicht prinzipiell festlegen kann, eine Lebensdauer für dieses Flugzeug vor uns haben, die mit Sicherheit mehrere Generationen von uns umfassen wird. Sie wissen, daß wir uns vor diesem Hintergrund, weil die Planungen insoweit auf andere Beine gestellt werden müssen, mit dem Gesamtkomplex der sogenannten life cycle costs, also den Lebenswegkosten, in ungewöhnlicher Weise beschäftigen müssen. Wenn man das einmal vor dem Hintergrund des gesamten Kostenfaktors sieht, dürfte der eigentliche Beschaffungsbetrag für jedes Flugzeug geringer sein als die Kosten, die auf die Nutzungsphase entfallen. Das sind Zeiträume, die vermutlich über 40 Jahre gehen werden.
Herr Kollege Feldmann, Sie haben eine zweite Zusatzfrage.
Frau Präsidentin, darf ich den Kollegen Opel vorlassen und dann zu meiner zweiten Frage kommen?
Sie dürfen, so pingelig sind wir nicht.
Herr Kollege Opel, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin.
Herr Staatssekretär, wenn Sie von einer so langen Lebensdauer ausgehen, halten Sie es dann überhaupt noch für sinnvoll, das Jagdflugzeug 90 zu den Alternativen zu zählen, da es noch nicht einmal die berühmte Tarnkappenfähigkeit, also stealth capability hat, die sich am Golf als unabdingbar erwiesen hat?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich glaube, daß wir zunächst einmal einen Grundsatz aufstellen sollten, daß wir unseren Piloten im Bereich der Luftwaffe auf die Dauer nur das Gerät an die Hand geben dürfen, das für uns moralisch vertretbar ist. Danach bemessen sich alle anderen Fragen. Ich kann den Piloten nichts an die Hand geben, was es ihm unmöglich macht, einen gegebenen Auftrag zu erfüllen. Wenn das im Zusammenhang mit technischen oder technologischen Fragen auf den Prüfstand gestellt werden muß, dann werden wir das tun. Ich glaube, daß die politische Verpflichtung auch die ist, es sehr sorgfältig zu tun.
Nun die zweite Zusatzfrage des Kollegen Olaf Feldmann.
Vielen Dank, Frau Präsidentin.
Herr Staatssekretär, es ist doch richtig, daß das militärtechnische Anforderungsprofil an den jetzt in Entwicklung befindlichen europäischen Jäger von Anfang bzw. Mitte der 80er Jahre stammt. Wie würden
Sie aus heutiger Sicht dieses damalige militärische Anforderungsprofil bewerten? Meinen Sie nicht , daß wir uns neue Gedanken über ein Anforderungsprofil für ein zukünftiges Jagdflugzeug machen sollten?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich persönlich bin der Auffassung, daß wir uns alle die Gedanken machen müssen, die zu irgendeinem Zeitpunkt auch zu einer Entscheidung führen müssen. Die Fakten sind einfach gegeben, daß wir für die Nachfolge der Phantom einmal eine Entscheidung treffen müssen. Dann ist es selbstverständlich, daß man die Bewertung, die in den 80er Jahren zugrunde lag, weil sich dank einer erfolgreichen Politik die Welt verändert hat, natürlich auch auf den Prüfstand stellen muß. Wir müssen dann fragen: Was haben wir damals gesagt, und was sind unsere Antworten heute? Dazu brauchen wir auch den parlamentarischen Dialog. Sie wissen auch selber aus unserem engagierten Auftreten, daß wir den immer führen. Insoweit ist das doch eine gemeinsame Erkenntnis, Herr Kollege, die wir haben.
Weitere Zusatzfragen liegen zu dieser Frage nicht vor.
Wir kommen dann zur letzten Frage dieses Geschäftsbereichs in der Fragestunde, nämlich der Frage 31 des Kollegen Jürgen Augustinowitz:
Welche Hilfsmöglichkeiten seitens der Bundeswehr sieht die Bundesregierung für Staaten, die von Verminungen besonders betroffen sind — auch im Hinblick auf die Ausbildungshilfen durch Soldaten der Bundeswehr?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung ist bereit, auf Anforderung zu prüfen, ob und wie die personellen und materiellen Ressourcen der Bundeswehr im Rahmen humanitärer Aktionen genutzt werden können, um zur Räumung von vermintem Gelände beizutragen. Die Bundeswehr verfügt über keine eigenen Minenräumfahrzeuge. Handminensuchgeräte reichen für größere Gebiete nicht aus. Material aus dem Bestand der ehemaligen Nationalen Volksarmee wird jedoch in die Prüfung einbezogen. Soweit damit der Einsatz von Kriegswaffen, wozu grundsätzlich auch Minenräumfahrzeuge gehören, in Frage kommt, sind die Bestimmungen des Kriegswaffenkontrollgesetzes und die rüstungsexport-politischen Grundsätze der Bundesregierung zu beachten. Internationale Maßnahmen zur Minenräumung, etwa im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft oder der Vereinten Nationen, können gegebenenfalls von der Bundesregierung auch durch finanzielle Beiträge gefördert werden.
Zusatzfrage.
Ich hatte in meiner Frage auch von Ausbildungshilfen gesprochen, Herr Staatssekretär. Vielleicht könnte ich dazu noch etwas hören.Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Wir werden in diesem Zusammenhang immer alle Möglichkeiten in unsere Prüfung einbeziehen. Dazu zählen auch die von Ihnen angesprochenen Ausbildungshilfen. Auch dafür kann gegebenenfalls ein finanzieller Beitrag geleistet werden, wenn es einer zentralen humanitären Verpflichtung entspricht. Aber diese Prüfung muß
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992 5855
Parl. Staatssekretär Willy Wimmerim Einzelfall erfolgen. Ich kann das hier nicht generalisierend darstellen.
Zweite Zusatzfrage, Herr Kollege.
Aber ich habe Sie richtig verstanden, daß die Bundesregierung auch bereit wäre, sich mit Gerätschaften zu beteiligen, wenn es sich um einen international koordinierten Einsatz handelt?
Wie kommt es, daß die Bundesregierung die von mir in diesem Zusammenhang gestellte schriftliche Frage vom 23. Dezember bis heute nicht beantwortet hat?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Weil wir, Herr Kollege, die Prüfung in der Tat sehr sorgfältig vor dem Hintergrund des geschilderten Sachverhaltes vornehmen wollen. Wir sind bemüht — auch in Kenntnis der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages —, Ihnen baldmöglichst eine zufriedenstellende Antwort zukommen zu lassen. Ich habe eben darauf aufmerksam gemacht, daß wir, weil wir selber über entsprechend qualifiziertes Gerät nicht verfügen, gegebenenfalls auch bereit wären, Maßnahmen im Bereich der Europäischen Gemeinschaft oder der Vereinten Nationen, wo andere gegebenenfalls solches Gerät zur Verfügung stellen können, finanziell zu unterstützen. Darauf habe ich eben abgestellt.
Auch die Bundesregierung darf in Weihnachtsferien gehen, wenigstens für ein paar Tage.
Graf Waldburg-Zeil, eine Zusatzfrage.
Darf ich, der ich wiederum eine zufriedenstellende Antwort auf eine schriftliche Frage erhalten habe, noch einmal fragen, ob die darin dargestellte Tendenz stimmt, daß grundsätzlich die Bereitschaft besteht und nur im Einzelfall eine Prüfung erforderlich ist?
Willy Wimmer, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wenn wir Ihnen das so schriftlich mitgeteilt haben, dann ist der Inhalt dieses Briefes mit Sicherheit heute nicht überholt.
Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär, für die Beantwortung der Fragen und Ihnen, meine Damen und Herren, für das Verständnis, daß die Fragestunde länger gedauert hat.
Ich rufe nun den Zusatzpunkt auf:
Aktuelle Stunde
Bodenpolitik der Bundesregierung, auch im Bezug auf verfügbare, bisher militärisch genutzte Einrichtungen, und die Konsequenzen dieser Politik für den Wohnungsbau
Die Fraktion der SPD hat diese Aktuelle Stunde verlangt.
Als erster hat der Kollege Franz Müntefering das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung versagt in der Wohnungspolitik in eklatanter Weise. Sieversagt in der Wohnungspolitik auch deshalb, weil sie in der Bodenpolitik versagt. Seit Helmut Kohl regiert, gibt es in diesem Lande wieder Wohnungsmangel und gibt es zunehmend Wohnungsnot.Für das Jahr 2000 rechnet die unabhängige wohnungspolitische Kommission des Deutschen Volksheimstättenwerks damit, daß sich die Zahl der Haushalte in Deutschland um 4,2 Millionen erhöht. Dabei geht sie nicht einmal davon aus, daß noch sehr viele Menschen dazukommen, sondern diese höhere Zahl der Haushalte ergibt sich aus der heute hier wohnenden Bevölkerung. Das heißt, wir müßten in jedem Jahr in Deutschland 530 000 bis 550 000 neue Wohnungen haben, um das Wohnungsversorgungsniveau auf dem Stand zu halten, den wir heute haben. Wir sind aber mit den Neubauzahlen weit davon entfernt.
Die Bauministerin hat sich schon selbst gelobt, weil sie in diesem Jahr über 300 000 Neubauwohnungen hinauskommt. Das bedeutet, daß der Berg an ungelösten Problemen in den nächsten Jahren wächst und keineswegs abnimmt. Was die Bundesregierung bisher zur Lösung des Problems beiträgt, reicht absolut nicht. Die Kohl-Regierung löst das Problem Wohnungsnot nicht.
Sie löst es auch deshalb nicht, weil sie sich keine Gedanken darum macht, wie das Problem des Baulandes zu lösen sei. Denn neben vielen anderen Dingen spielt auch die Frage des Baulandes, des verfügbaren baureifen Grundstücks, eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, neu zu bauen.Die Melodie von Oscar Schneider aus dem Jahre 1989 kennen wir noch: Die Wohnungsversorgung ist ausgezeichnet. Das Signal, das da an die Städte und Gemeinden und an die Wohnungswirtschaft kam, war doch: Laßt es langsam gehen! Keine Investitionen! Lohnt sich nicht! Wir brauchen nichts! Weist nichts aus! Zurückhaltung! Das war das Signal, das die Bundesregierung unverantwortlicherweise bis 1989/90 in die Bevölkerung, in das Land hinein gegeben hat.Entsprechend haben die Städte und Gemeinden gehandelt. Deshalb kann man sich, Frau Bundesminister, heute nicht vor allem an die Städte und Gemeinden wenden und sie auffordern, für Bauland zu sorgen und Bauland-Vorratspolitik zu betreiben.Auch das ist eine Erwartung, die wir haben. Aber es ist vor allen Dingen ein falsches Signal, das von der Bundesregierung Kohl ausgegangen ist. Es ist eine fehlerhafte Bodenpolitik, an der Sie heute immer noch festhalten und die sich andern muß.
Denn das Dilemma ist inzwischen klar: Wer verfügbares Bauland hat, der behält es. Denn das Bauland, das er hat, wird mehr wert. Die Baupreise steigen; das Spekulieren lohnt sich noch mehr. Deshalb geht auch der Verkauf von Grundstücken immer weiter zurück. Im Jahre 1990 sind in der Bundesrepublik insgesamt 15 bis 20 % weniger baureife Grundstücke zum unmittelbaren Bau verkauft worden, weil dieje-
Metadaten/Kopzeile:
5856 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992
Franz Münteferingnigen, die sie haben, natürlich erst einmal darauf sitzen bleiben.Einer der Gründe dafür liegt in Ihrer Politik. Sie haben sich geweigert, das aufzunehmen, was Sozialdemokraten vorgeschlagen hatten, nämlich ein preislimitiertes kommunales Vorkaufsrecht, ein Satzungs- und Steuerrecht der Städte und Gemeinden zur Baulandmobilisierung und das Baugebot in den Städten und Gemeinden wieder zu einer größeren Wirkung zu bringen. Das sind alles Dinge, die wir vorgeschlagen haben.Sie schlagen jetzt noch unsere Forderung ab, im Bereich der steuerlichen Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums auch die Grundstückspreise in die Neubaukosten voll einzubeziehen. Sie müssen doch einmal sehen, was Sie da veranstalten: Sie quetschen alle diejenigen, die Geld haben und die eine Wohnung suchen, in den Bestand. Da tobt der Verteilungskampf. Neu gebaut wird zu wenig, weil zunächst einmal die Grundbedingung für das Bauen, nämlich der Grund und Boden, zu teuer ist. Mit der Steuer- und Bodenpolitik, die Sie machen, sorgen Sie dafür, daß sich dieser Engpaß weiter verschärft. Deshalb ist es ganz dringend erforderlich, daß Sie sich zu dieser Sache äußern, Frau Minister.
Wir registrieren natürlich, daß Frau Minister Schwaetzer sagt, daß man darüber einmal sprechen muß
und daß noch dieses und jenes gemacht werden müsse. Dann müßte z. B. in den neuen Bundesländern das, was ehemals durch die NVA und sonst militärisch genutzt wurde, den Städten und Gemeinden zur Verfügung stehen. Sagen tun Sie das ja, Frau Minister. Wir vernehmen aber auch das, was dann aus dem Finanzministerium an Botschaft kommt, daß nämlich darüber nicht zu reden sei.So ist nicht nur Wahrheit, daß die Bundesregierung keine Probleme löst — weder das Wohnungs- und das Baulandproblem —, sondern diese Bundesregierung ist selber ein Problem, weil sie sich nicht darüber einig ist, wie man denn eigentlich mit der Lösung dieser Dinge umgeht. Sie finden am Sonntag schöne Worte. Montags kommt derjenige, der es zu sagen hat, der Finanzminister. Er sagt: Es passiert überhaupt nichts; es bleibt alles beim alten. Er geht mit den Grundstükken so um, daß die Städte und Gemeinden sich heute fragen: Wann können wir denn zugreifen? Zu welchen Bedingungen bekommen wir die Grundstücke altlastenfrei günstig übermittelt?
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Deshalb unsere ganz dringende Forderung an die Bundesregierung: Sie müssen im Bodenbereich dringend handeln, damit gebaut werden kann.
Ich erteile dem Abgeordneten Werner Dörflinger das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Müntefering, der einzige Fortschritt, den ich in Ihrer Rede erkennen kann, liegt darin, daß die SPD inzwischen mit uns der Meinung ist, daß das Baulandangebot nicht ausreicht, um die wohnungspolitischen Herausforderungen zu meistern.Denn noch bei der Behandlung des Baugesetzbuches und erst recht bei der Behandlung des Wohnungsbauerleichterungsgesetzes haben Sie die Illusion erweckt, daß Verdichten und Auffüllen von Lücken ausreiche, um ein notwendiges Angebot an Bauland zu sichern.
Sie haben beim Wohnungsbauerleichterungsgesetz mit einer oberflächlichen Polemik reagiert. Beim Baugesetzbuch haben Sie die hohe Philosophie der alleinigen Konzentration auf die Innenentwicklung propagiert. Wenn Sie schon Verantwortlichkeiten verteilen, wie Sie das eben gemacht haben, dann erinnern Sie sich einmal daran, daß Sie zu einem Zeitpunkt, in dem die Tendenzwende tatsächlich bereits deutlich erkennbar war, immer noch einer alten Philosophie verhaftet geblieben sind.Parteifreunde von Ihnen gehören eben auch zu denen, die in manchen Gemeinden und Städten und in den Gremien, die den Gemeinden planerische Vorgaben geben, nach wie vor der Illusion nachhängen, es ginge auch ohne die Ausweisung zusätzlichen Baulandes.
Ich habe überhaupt Zweifel, ob beispielsweise die politischen Intentionen des Wohnungsbauerleichterungsgesetzes umgesetzt worden sind. Das gilt für das Ausweisen zusätzlicher Bauflächen; das gilt für das Nutzen des Spielraumes bei Entscheidungen in mancher Baurechtsbehörde; das gilt für die landesrechtlichen Bestimmungen beim Verdichten bereits vorhandener Bauten. Ich denke an das Problem der Stellplätze. Ich denke an das Problem der Abstandsflächen.Ich frage auch einmal, ob das Angebot des Wohnungsbauerleichterungsgesetzes, Entwicklungsmaßnahmen verstärkt für den Wohnungsbau einzusetzen, in ausreichendem Maße wahrgenommen worden ist. Dasselbe gilt für die erweiterten Bestimmungen beim Vorkaufsrecht. Es gilt auch für das Baugebot.Meine Damen und Herren, es kann keinen Zweifel geben, daß vielleicht die zusätzliche steuerliche Belastung von baureifen Grundstücken etwas mehr Bewegung bringt. Aber ich frage einmal, ob sich diejenigen, die schon bisher mit den Erschließungsbeiträgen für baureife Grundstücke voll belastet werden konnten und diese Belastung weggesteckt haben, durch eine zusätzliche Steuer animiert fühlten, baureife Grundstücke auf den Markt zu werfen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992 5857
Werner DörflingerMeine Damen und Herren, wir sind uns darin einig, daß die Situation auf dem Wohnungsmarkt kein temporäres Problem ist,
auch nicht das Ergebnis irgendeiner zyklischen Bewegung,
sondern daß verstärkte Binnennachfrage, tief greif ender gesellschaftlicher Wandel und die Zuwanderung in großem Ausmaß die Politik insgesamt, Herr Müntefering, abseits jeglicher parteipolitischer Polemik über das Jahr 2000 hinaus mit dieser Herausforderung konfrontieren.
Deswegen heißt es für uns: Wohnungsbau braucht Priorität, nicht verbale, sondern echte Priorität.
Wir brauchen einen radikalen Kurswechsel in den Vorgaben der Landesplanung, der Regionalplanung, der Raumordnung und der Landschaftsplanung, auch was die Gewichtung von Naturschutz im Abwägungsprozeß mit notwendigen bauleitplanerischen Maßnahmen angeht. Denn viele Planungen, Herr Kollege Müntefering, der siebziger und achtziger Jahre sind von der Vorstellung bestimmt, daß die Bevölkerungszahl stagniere, ja zurückgehe. Wir haben eine dramatisch veränderte Situation.Ich fordere Sie dazu auf, dort, wo Sie in der Kommunalpolitik Verantwortung tragen, die Erkenntnisse, die Sie hier verkünden, geltend zu machen und die richtigen Beschlüsse der Räte und der technischen Ausschüsse herbeizuführen.
Meine Damen und Herren, ich zitiere zum Abschluß einen Kommunalpolitiker aus Südbaden. Er hat vor kurzem im Bundesfachausschuß der CDU vorgetragen — ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen —:Die quantitativen Probleme im Wohnungsbau müssen wir realistisch sehen in einer Größenordnung des notwendigen Zugangs von Wohnbauflächen um 25 % bis zum Jahre 2005.Er sagte auch:Das Instrumentarium des Gesetzgebers reicht. Was notwendig ist, ist der Mut, dieses Instrumentarium anzuwenden und Baulandpolitik wieder zu einer kommunalpolitischen Aufgabe von hoher Priorität zu machen.Das heißt für mich: Nicht Polemik ist gefragt, sondern das Zusammenwirken aller politischen Ebenen bei der Lösung dieser wichtigen Aufgabe.
Das Wort hat der Abgeordnete Uwe Lühr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fehlendes oder zu teures Bauland ist ein entscheidendes Problem auf dem Wohnungsmarkt. Darüber sind wir uns alle, wie ich das soeben vernommen habe, einig. Der dadurch entstehende Engpaß verhindert mehr privates Bauen und gefährdet alle öffentlichen Förderprogramme im Wohnungsbau. Deshalb, so meine ich, muß die Bodenpolitik erstens auf Mobilisierung von Baulandreserven und zweitens auf die großzügigere Ausweisung von Bauland, auch wenn noch längst nicht alle Möglichkeiten zum Schließen von Baulücken ausgereizt sind, gerichtet sein.Ausweisung von Bauland ist Sache der Städte und Gemeinden, Herr Müntefering.
Der Bund und die Länder — Sie nehmen mir die Worte aus dem Mund — müssen durch bessere Rahmenbedingungen helfen.
— Das wundert mich.Vorrang für Wohnungsbau als Grundsatz sollte gerade in den neuen Bundesländern angesichts des großen Flächenangebots in öffentlicher Hand leichter umzusetzen sein als der Vorrang für Investitionen angesichts schwieriger Eigentumsprobleme. Unmittelbar helfen kann der Bund im Rahmen der Konversion durch das Angebot von bisher militärisch genutzten Flächen und Gebäuden. Das ist angesichts der Wohnungsnot auch dringend erforderlich. Wir brauchen preisgünstiges Bauland, auch für den sozialen Wohnungsbau. Die Versorgung mit Wohnraum für Studenten muß erheblich verbessert werden.
— Ich gucke in die Runde, Herr Müntefering; das müssen Sie schon mir überlassen.Das Wohnungsproblem drängt. Die verbilligte Abgabe von bisher militärisch genutzten Grundstükken und Gebäuden mit erheblichen Preisabschlägen vom Verkehrswert für soziale Zwecke bietet einen schnellen und preiswerten Weg.Daher begrüße ich die von der Bundesregierung eingeleiteten Maßnahmen wie das Verbilligungskonzept vom 9. Oktober 1991. Der Bund hat hier in großzügiger Weise durch verbilligte Veräußerung bundeseigener bebauter und unbebauter Grundstücke die Möglichkeiten für neuen Wohnraum im sozialen Wohnungsbau, für den Bau von Studentenwohnungen, für Bauten für Verwaltungszwecke und Sozialeinrichtungen bis hin zu Umwelteinrichtungen der Länder und Kommunen geschaffen. Das bietet eine gute Möglichkeit, den Mangel an Wohnraum
Metadaten/Kopzeile:
5858 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992
Uwe Lührgerade für benachteiligte Wohnungssuchende zu verringern.Trotzdem muß man natürlich die Wirksamkeit dieser Maßnahmen genau überprüfen. Speziell im Osten Deutschlands ist vielfach der an sich großzügige Preisnachlaß beim Verkauf dieser Grundstücke noch nicht ausreichend. So kommt es vor, daß Gemeinden solche Grundstücksangebote nicht in Anspruch nehmen, sondern statt dessen die grüne Wiese bevorzugen, weil sie wegen ihrer eigenen Finanznot den vorgesehenen Weg immer noch nicht als finanzierbar ansehen. Deshalb sollte ein Nachlaß von über 50 %, im Einzelfall sogar eine kostenlose Übereignung möglich werden.
Die Situation in Deutschland ist so, daß bei der starken Übernachfrage nach Wohnraum ein Verdrängungswettbewerb zu Lasten sozial schwacher Mieter stattfindet. Dringend geboten scheint mir deshalb, daß man bestehende Reserven des Bundes einbezieht. Ich denke da an den durch die Truppenreduzierung frei werdenden Wohnraum, der bisher vor allem von alliierten Soldaten genutzt wurde. Mir ist zwar klar, daß dieser nicht generell zur Verfügung steht, da der Bund eigene Fürsorgepflichten gegenüber seinen Bediensteten hat. Aber ein großer Teil dieses Wohnraumes könnte in Sozialwohnungen umgewandelt werden. Deshalb sollte auch hier eine großzügigere Abgabe an Kommunen ins Visier genommen werden,
wobei der darüber hinausgehende Preisnachlaß als Finanzierungsbeitrag des Bundes angerechnet werden kann. Bedingung muß natürlich sein, daß die dann erhobenen Mieten wirklich Sozialmietenniveau aufweisen.
Der frei gewordene Wohnungsbestand, der bisher von der Sowjetarmee genutzt wurde, ist überwiegend in einem fast nicht mehr sanierungsfähigen Zustand. Auch hier sollte man an die kostenlose Übergabe in kommunale Hände denken, da der Verkehrswert dieser Wohnungen so gering ist, daß eine Sanierung durch die Kommunen kaum finanzierbar ist, wenn sie für diesen Wohnungsbestand auch noch zur Kasse gebeten werden.Der Bund hat meines Erachtens den richtigen Weg im Rahmen seiner Möglichkeiten eingeschlagen; auf bestehende Reserven habe ich eben verwiesen. Je schneller insgesamt von der restriktiven Baulandpolitik der 80er Jahre Abstand genommen wird, je schneller in Städten und Gemeinden intelligente Baulandpolitik betrieben wird, die auch umweltverträglich sein kann, um so eher werden wir den sozialen Zielen des Wohnungsbaus und damit der Befriedigung eines menschlichen Grundbedürfnisses näherkommen.
Herr Kollege Dr. Ilja Seifert, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß von einem menschlichen Grundbedürfnis die Rede ist, wenn es um Wohnungen geht. Man merkt doch, daß es etwas bringt, wenn man hier etwas sagt.Leider sind die Bodenpreise das entscheidende Kriterium, ob gebaut wird oder nicht. Leider spielt der reale Bedarf an Wohnraum — immerhin fehlen zweieinhalb Millionen Wohnungen in ganz Deutschland — nur eine untergeordnete Rolle. Der eklatante Mangel an Wohnungen, aber auch — ich möchte es ausdrücklich betonen — an sozialen Einrichtungen und Gewerberäumen, läßt sich unter den obwaltenden ordnungspolitischen Gegebenheiten nicht verringern, wenn nicht die Bodenpreise auf ein vernünftiges Maß gesenkt werden. Zumindest sollten sie nicht weiter steigen.Eine der Möglichkeiten, rasch so viele und so gute Wohnungen zu bauen, daß das Menschenrecht auf Wohnung realisiert werden kann, ist die Zurverfügungstellung von bebaubarem Land. In diesem Punkte befinden wir uns in einer einmalig günstigen Situation: Es gibt keinen militärischen Gegner mehr. Alle Besatzungsmächte verlassen peu à peu das Land. Die Bundeswehr wird überflüssig — sie hat es sogar schon gemerkt — und wird verringert. Bisher militärisch genutztes — ich kann auch sagen: mißbrauchtes — Land kann also in Bauland umgewandelt werden. Natürlich soll nicht weiterer Boden unnötig versiegelt werden. Insofern halte ich es für außerordentlich wichtig, daß zuerst die in den Städten gelegenen militärischen Liegenschaften für Wohnungs- und Sozialbauten genauso wie für Gewerbeflächen genutzt werden.Gleichzeitig aber besteht die Möglichkeit, den Boden, der durch den Wegfall der militärischen Nutzung frei wird, als Ersatz für Restitutionsansprüche zu nutzen. Damit könnte man Hunderttausenden von Menschen ihr Heim bewahren. Ich erinnere daran, daß es in der Nähe von Berlin Orte gibt, die zu 90 % mit Restitutionsansprüchen belastet sind. Was das für psychische Probleme für die Bewohner mit sich bringt, brauche ich wohl nicht näher auszuführen. Ich nehme an, das kann sich jeder ausdenken. Es bietet sich also die Möglichkeit, den Menschen, die Restitutionsansprüche haben, Ersatzland anzubieten, z. B. frei gewordenes NVA-Gelände oder Land von sowjetischen Garnisonen.Es geht darum, den kommunalen, genossenschaftlichen und privaten Wohnungsanbietern den Grund und Boden endlich zu übergeben, damit die ungeklärten Eigentumsverhältnisse kein entscheidendes Hemmnis mehr sind, dem Menschenrecht auf Wohnung Geltung zu verschaffen.In diesem Zusammenhang sei mir erlaubt, darauf hinzuweisen, wie dringend dieses Problem einer Lösung bedarf. Innerhalb kurzer Zeit haben 2 435 Bürgerinnen und Bürger aus Premnitz, einer Stadt von 12 000 Einwohnern, eine Petition mit dieser Forderung unterschrieben. Ich werde sie in dieser Woche an den Petitionsaussschuß weiterleiten. Ich denke, das sollte ein Alarmsignal sein und für jeden von uns deutlich machen, wie dringend das Problem gelöst werden muß.Deswegen, Frau Schwaetzer: Machen Sie aus Garnisonen Gärten, machen Sie aus Kasernen Wohnun-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992 5859
Dr. Ilja Seifertgen, und, bitte schön, bauen Sie auf Übungsplätzen Spielplätze!Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Bundesministerin für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Frau Dr. Schwaetzer, ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, die SPD hat sich heute in dieser Aktuellen Stunde den falschen Adressaten ausgesucht.
Als Sie, Herr Müntefering, vorhin gesagt haben, ich solle mich zur Baulandpolitik äußern, hatte ich fast schon den Verdacht, daß Sie heute nicht die Zeitung gelesen hätten. Ich glaube, auch Ihrer Regionalzeitung war breit vermerkt, daß ich dieses Thema gestern in einer sehr langen und konstruktiven Besprechung mit den kommunalen Spitzenverbänden erörtert habe. Wir sind nämlich alle der Meinung, daß ausreichend vorhandenes Bauland nicht nur eine Voraussetzung dafür ist, daß die Preise für die Erstellung von Wohnraum in einigermaßen angemessenen Grenzen bleiben — je weniger Bauland am Markt, desto teurer ist es —, sondern daß auch der Erfolg von Förderprogrammen — wir haben gerade im Herbst zusätzliche Fördermaßnahmen beschlossen — davon abhängig ist, daß genügend Bauland zur Verfügung steht. Es geht also darum, Bauland dort, wo es vorhanden und erschlossen ist, zu mobilisieren. Aber das reicht eben nicht, wie wir wissen, sondern es geht auch darum, neues Bauland auszuweisen. Da, Herr Müntefering, bin ich ganz froh, daß die damalige Koalition, die auch die heutige Koalition ist, die die Regierung trägt, 1986 den Antrag der SPD abgelehnt hat, im Baugesetzbuch den absoluten Vorrang der Innenentwicklung festzuschreiben. Hätten wir das gemacht, meine Damen und Herren, könnten wir heute überhaupt keine neuen Baugebiete ausweisen.
Schon die derzeitige Situation macht die Abwägung zwischen Naturschutz und Umweltschutz auf der einen Seite und den Notwendigkeiten der Baulandausweisung und -mobilisierung auf der anderen Seite zu einer sehr schwierigen Übung.Ich muß Ihnen sagen, meine Damen und Herren, angesichts überfüllter Überuangsheime und einer steigenden Zahl von Oberweisen muß der Wohnungsbau, zumindest in der jetzigen Zeit, wirklich Vorrang haben, auch vor Belangen von Naturschutz und Umweltschutz.
Das bedeutet nicht, daß wir platte Steinwüsten schaffen wollen. Im Gegenteil, man kann Baulandnutzung auch in einer ökologisch sehr verträglichen Weise gestalten. Wir haben dazu in den vergangenen Jahren ausreichende Forschungen angestellt und verfügenüber ein breites Erfahrungsspektrum. Also, wir wollen ökologisch bauen, wir wollen eine ökologische Stadtentwicklung. Aber es muß klar sein, daß der Wohnungsbau jetzt, zumindest vorübergehend, Vorrang vor Belangen des Umweltschutzes und Naturschutzes hat. Das werden wir im übrigen auch mit den Wohnungsbauministern der Länder weiter erörtern; denn es gilt hier noch einige landesgesetzliche Regelungen zu ändern.Damit bin ich wieder, Herr Müntefering, beim „falschen Adressaten". Glücklicherweise sind die Gemeinden dank ihrer Planungshoheit zuständig für die Baulandausweisung.
— Da brauche ich mich überhaupt nicht herauszureden. Im Baugesetzbuch haben nämlich wir als Bundesgesetzgeber die Mittel geschaffen,
daß Bauland auch für den Wohnungsbau ohne sehr langfristige Planungsverfahren kurzfristig zur Verfügung gestellt werden kann. Wir haben z. B. die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme eingeführt. Dies ist ein praktikables Mittel, das jetzt nach und nach in der kommunalen Praxis entdeckt wird. Das ist gestern übrigens auch vom Deutschen Städtetag und dessen Präsidenten, Herrn Rommel, wie auch vom Deutschen Städte- und Gemeindebund und vom Deutschen Landkreistag bestätigt worden. Also, der Bundesgesetzgeber hat die Instrumente geliefert. Jetzt kommt es darauf an, daß die Gemeinden vor Ort davon entschlossen Gebrauch machen.Zur Frage der Baulandmobilisierung: Hier hat die Kommission, die die Bundesregierung zu Beginn der Legislaturperiode eingesetzt hat und die diese Fragen zwischen Bund und Ländern erörtert hat, weil im wesentlichen die Länder Zuständigkeit haben, eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht. Dazu gehört als eine der Möglichkeiten eine gestaffelte Besteuerung von Land in einer Gemeinde, die dann aber vor Ort entschieden werden müßte. Wir werden die Vorschläge, die diese Kommission gemacht hat, nachdem wir bereits im Dezember einen Einstieg in die Diskussion zwischen Bund und Ländern gesucht und auch gefunden hatten, weiter beraten.
Schon auf der nächsten Bauministerkonferenz wird dieses wieder ein Thema sein.Im übrigen, meine Damen und Herren, hat der Bund nun wirklich seine Vorbildfunktion in Sachen Zurverfügungstellung von Bauland genutzt und bewiesen.
Wir haben bereits militärisch genutzte Flächen in großem Umfang bereitgestellt, und wir haben bereits in die Bundeshaushaltsordnung für dieses Jahr eine ganze Reihe von Verfügungen eingeordnet, wie dieses Land schnell und preiswert vor allen Dingen für
Metadaten/Kopzeile:
5860 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992
Bundesministerin Dr. Irmgard Schwaetzerden sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden kann, aber, wo es sich anbietet, auch zur Nutzung für studentischen Wohnraumbau, unter bestimmten Voraussetzungen auch für gemeinnützige Einrichtungen der Gemeinden oder gemeinnütziger Träger.Dies, meine Damen und Herren, ist wirklich eine Chance für die Gemeinden.Wir haben festgelegt, daß nicht nur Abschläge auf den sogenannten Verkehrswert gewährt werden können. Die Städte und Gemeinden haben auch die Möglichkeit, die Grundstücke zum sogenannten unbeplanten Wert, der sehr viel niedriger ist, zu kaufen und unter Anwendung — siehe Baugesetzbuch-Maßnahmengesetz — einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme dieses Gelände selbst zu erschließen und den Planungsgewinn für sich selber nutzbar zu machen.Dies ist wirklich ein großzügiges Angebot, das der Bund den Gemeinden zur Verfügung gestellt hat und worauf es jetzt einzusteigen gilt. Zügig muß das Ganze allerdings gehen. Darauf legen wir großen Wert.
Sicher gibt es auch den einen oder anderen Punkt, wo man weitergehende Wünsche haben kann. Darüber wird im Einzelfall noch zu sprechen sein.
Aber jetzt geht es darum, daß Weitergabe und Verkauf von Grundstücken zügig vonstatten gehen.
Dazu müssen die Verhandlungen vor Ort, und zwar an den Bedürfnissen vor Ort orientiert, flexibel geführt werden. Ich denke, wir sind uns alle einig, daß keine irgendwie gearteten Behinderungen auf Grund personeller Überforderung der damit beauftragten Ämter vor Ort entstehen dürfen. Damit der Teil, der auf mein Haus, das Bundesbauministerium, entfällt, aus Personalgründen nicht scheitert, habe ich hinsichtlich der notwendigen Wertermittlung bereits eine personelle Verstärkung durch Umsetzung angeordnet.
Das heißt: Die Bundesregierung tut wirklich alles, um sicherzustellen, daß Bauland dort, wo sie selber dafür zuständig ist, so rasch und so unbürokratisch wie möglich nutzbar gemacht werden kann, vor allen Dingen für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus.
Darauf, meine Damen und Herren, kommt es besonders an. Wir brauchen Wohnraum, wir brauchen vor allen Dingen preiswerten Wohnraum.
Wir haben die Voraussetzungen dafür geschaffen. Jetzt ist es an den Gemeinden und an den Trägern des Wohnungsbaus, von diesem Angebot Gebrauch zu machen.
Herr Kollege Wieland Sorge, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist reiner Zufall, daß ich jetzt nach der Frau Ministerin sprechen darf.
Es war natürlich die ordnende Hand des Präsidenten, Herr Kollege, nicht der Zufall.
Ich möchte einmal an einem Beispiel schildern, wie weit Theorie und Praxis auseinanderklaffen.Ich komme aus einer in einem der neuen Bundesländer gelegenen kleinen Stadt mit 26 000 Einwohnern. Dort gibt es über 1 500 Wohnungssuchende. Diese Wohnungssuchenden hatten bisher überhaupt keine Chance, eine neue Wohnung zu bekommen, weil die beiden Wohnungsgesellschaften in den letzten beiden Jahren nicht in der Lage waren, neue Wohnungen zu bauen.
— Doch! Was die Zeit vorher angeht, so kann ich Ihnen an Hand von Zahlen belegen, daß man vorher gebaut hat. — Auch im Eigenheimbau gab es leider kein richtiges Vorwärtskommen.Dann kam eine Meldung, daß die sowjetischen Streitkräfte aus den neuen Bundesländern abziehen. Das war ein Signal für unsere Stadt; denn in unserer Stadt gab es eine große sowjetische Garnison. 316 Wohnungseinheiten waren den Offizieren und ihren Familien zur Verfügung gestellt worden. Diese 316 Wohnungseinheiten waren für die Kommunalväter das Signal, zu versuchen, mit Hilfe dieser Wohnungen die Wohnungsnot in ihrer Stadt etwas zu lindern. Sie haben am 18. Februar letzten Jahres das erste Mal den Antrag gestellt, diese Wohnungen in kommunales Eigentum zu überführen bzw. kaufen zu können.Im Laufe der Zeit kam es zu einer Vielzahl von Telefonaten und Gesprächen; laufend wurden neue Anträge gestellt. Doch die Anträge wurden jedesmal mit einer neuen Auflage versehen. Dieser ist die Stadt immer nachgekommen. Der bisher letzte Antrag wurde am 7. Januar 1992 gestellt. Es hat sich nichts getan, es hat sich nichts geändert.Nun versteht kein Mensch in der Stadt, daß 316 Wohnungen leerstehen, dem Verfall preisgegeben werden und 1 500 Menschen, die dringend eine Wohnung suchen, nicht in die Lage versetzt werden, eine neue Wohnung zu bekommen.Gegenwärtig stellt sich das so dar — diese Wohnungen befinden sich zum Teil mitten in einem Wohngebiet Deutscher, zum Teil am Rande solcher Wohngebiete —, daß das Bundesvermögensamt Wachen eingeteilt hat, diese Wohnungen zu schützen.
Da zwei, drei Wachleute diese riesige Anzahl vonObjekten natürlich nicht bewachen können, weil sieetwas zerstreut liegen, dringen laufend Leute ein und
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992 5861
Wieland Sorgezerschlagen Fenster und Türen. Oft wird auch Alarm ausgelöst, weil Wasserhähne aufgedreht werden und das Wasser dann durch die Flure läuft. Die Stadt muß dann diese Dinge immer wieder bereinigen. Kein Mensch in der Stadt — weder die Stadtväter noch die Einwohner — versteht mehr,
wie so etwas zustande kommen kann.
Ich will noch ein zweites Beispiel nennen. Es gibt in dem gleichen Ort inmitten der Stadt ein 5 ha großes Areal einer russischen Stadtkaserne. Auch sie ist vollständig geräumt worden. Die Stadt benötigt dieses Gebiet auf Grund seiner Lage unbedingt. Sie will dort 300 Wohnungen bauen. Sie will dort Landesverwaltungen und auch kommunale Verwaltungen einrichten. Vor allem will sie dort Dienstleistungsbetriebe ansiedeln.Sie hat, seit diese Möglichkeit gegeben ist, ständig Verhandlungen geführt und Anträge ausgefüllt — mit dem Ergebnis, daß überhaupt nichts zustande gekommen ist. Die letzte Verhandlung am 6. Januar hat ergeben, daß die Chancen für die Stadt immer geringer werden, . weil die Stadt ein Angebot auf der Grundlage des Verkehrswerts gemacht hat, die andere Seite — die sowjetischen Vertreter und das Bundesvermögensamt — aber nicht bereit ist, das zu akzeptieren und so hohe Forderungen gestellt hat, daß die Stadt zum Kauf nicht in der Lage ist.Nun besteht die Gefahr, daß dieses Gebiet, das für die Stadt zur Erfüllung ihrer kommunalen Aufgaben so wichtig ist, in fremde Hände kommt. Damit wären alle Möglichkeiten für den sozialen Wohnungsbau nicht mehr gegeben. Leider ist das so abgelaufen. Wenn es so weitergeht, haben die Stadtväter keine Chance mehr, vor den Einwohnern zu bestehen und ihren kommunalen Forderungen nachzukommen.
Das Wort hat der Abgeordnete Hans-Werner Müller .
Verehrter Herr Kollege Sorge, Sie haben hier Einzelfälle dargestellt.
Mangels Kenntnis dieser Fälle kann man darauf jetzt nicht antworten. Aber es gibt die Möglichkeit, das Thema der Zurverfügungstellung der von den Militärs freigegebenen Liegenschaften etwas grundsätzlicher zu beleuchten.Dadurch, daß uns 2 000 Liegenschaften in Ost und West zuwachsen, erleben wir das größte Konversionsprogramm, mit dem wir es je zu tun hatten. 5 000 qkm sind uns im Osten zugewachsen. 66 000 Gebäude und 36 000 Wohnungen lassen uns die sowjetischen Streitkräfte zurück. Die Verwertung all dessen erfolgt durchdie Bundesvermögensverwaltung. Das soll und muß jetzt zügig vonstatten gehen.Herr Müntefering, Sie haben vorhin die Frage gestellt: Was tun die anderen Ministerien? Wir im Haushaltsausschuß — und als dessen Mitglied spreche ich hier — haben dem Finanzminister 742 neue Stellen zum Aufbau dieser Vermögensverwaltungen in diesem Haushaltsjahr zur Verfügung gestellt, weil wir uns nicht den Vorwurf zuziehen wollen, private Investitionen im Osten oder im Westen würden durch eine nicht zügige Abwicklung behindert, weil die Grundstücksverwaltung ihre Hausaufgaben nicht machen könne.
Ich will nicht bestreiten, daß der eine oder andere Fall schwierig ist; und ich bin daran interessiert, zu hören, wie sich die zwei vorgetragenen Fälle in der Wirklichkeit abspielen.
Die Bedingungen haben wir — Herr Lühr hat darauf hingewiesen — in den Richtlinien vom 9. Oktober formuliert. Als der zuständige Berichterstatter kann ich Ihnen sagen, daß wir uns bemüht haben, das, was die Bundesregierung vorgelegt hat, entscheidend zu verbessern.Trotzdem haben uns einige Gedanken bewegt, die ich hier vortragen will. Wenn vom Bund — richtigerweise — Milliardenbeträge zur Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West aufgewendet werden, müssen andererseits durchaus berechtigte realisierbare Einnahmemöglichkeiten in Anspruch genommen werden. Das Vermögen des Staates — unser aller Vermögen! — darf doch nicht einfach verschleudert werden.
Zudem ist es eher zufällig, wo eine Liegenschaft frei wird. Gäbe man das alles einfach zum Nulltarif auf, so käme es zu unzulässigen Ungerechtigkeiten.
Ich war mit dem Kollegen Karl Diller von Ihrer Fraktion in Vorbereitung der Verabschiedung dieser Richtlinien z. B. bei der Liegenschafts- und Planungsabteilung der Stadt Trier. Der dort zuständige Mann gehört nicht zu meiner Partei. Er hat eindeutig erklärt, daß das Verbilligungskonzept, das wir vorgelegt und beschlossen haben, rundum eine gute Sache ist, mit der gerade die kommunale Seite hervorragend leben kann.Um einiges anzuführen: Wir geben 50 % auf den Verkehrswert im Sozialen Wohnungsbau und erlauben auch den sogenannten dritten Förderungsweg. Wir geben 50 % zur Schaffung von Studentenwohnheimen.Einem Leserbrief unserer Kollegin Frau Sigrun Löwisch aus Freiburg in der FAZ der vorigen Woche entnehme ich: Seit Oktober seien die ersten 120 Studenten in einem von den französischen Streitkräften geräumten Lazarett eingezogen; 150 weitere Plätze würden im Wintersemester zur Verfügung stehen. Sie
Metadaten/Kopzeile:
5862 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992
Hans-Werner Müller
schreibt dort weiter: Was in Freiburg erreicht worden ist, sollte auch anderswo möglich sein.Wir geben z. B. für die Gebäude der Verwaltung in den neuen Ländern 75 % Nachlaß, 50 % für Altenheime, Pflegeheime, Rabatt für Hochschulen, Schulen, Kindergärten und vieles andere mehr. Und wir verzichten — Frau Minister hat darauf hingewiesen — auf den sogenannten Sanierungsgewinn. Wie mir eine Reihe von Kommunalpolitikern sagen, ist das nun wirklich eine ganz großartige Sache.
Die Zahlungskonditionen, die den Kommunen eingeräumt werden, sind geradezu vorbildlich.Ganz selbstverständlich bleibt auch das Institut des Erbbaurechtes weiter bestehen.
Es handelt sich um die größte Verbilligungsaktion bundeseigener Grundstücke, die es je gegeben hat. Die Dinge kommen jetzt in Bewegung.Ein letztes Zitat. Am 5. Dezember 1991 steht im „ Handelsblatt" :Mit der Freigabe und Bereitstellung geeigneter militärischer Liegenschaften— im Raum Westpfalz/Kaiserslautern —werden sich die Chancen zur Neuansiedlung von Firmen und damit zum Abbau militärbedingter Monostrukturen und vor allem zur Kompensation von Arbeitsplatzverlusten erheblich verbessern.Was mit diesen Richtlinien getan worden ist, was jetzt läuft, was hier in Gang gekommen ist, beweist, daß der Bund seiner sozialen Verpflichtung voll gerecht geworden ist.Ich bedanke mich, daß Sie mir zugehört haben.
Der Abgeordnete Dr. Walter Hitschler hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Lust, alles und jedes reglementieren und besonders besteuern zu wollen, scheint eine unausrottbare Krankheit bei uns geworden zu sein.
Auch die Bauministerin scheint ihrer gestrigen Erklärung zufolge, ungenutzte Grundstücke höher zu besteuern, anfällig geworden zu sein.
Das wäre nun in der Tat ein völlig untaugliches Mittel, das Problem, verfügbares Bauland zur Verfügung zu stellen, wirksam anzugehen. Die einzige Wirkung wäre, daß Bauland noch teurer würde, als es schon ist; denn die höhere Steuer wird im Zweifelsfall auf den Kaufpreis aufgeschlagen.In Wirklichkeit aber werden unbebaute Grundstücke in den seltensten Fällen aus spekulativen Gründen zurückgehalten, sondern meist aus ganz anderen, teilweise durchaus ehrenwerten, Motiven. Und in nicht wenigen Fällen sind es die Kommunen und andere öffentliche Hände selbst, die die meisten Grundstücke vorhalten und praktizieren, was sie Privaten als spekulative Sünden anlasten.Doch mit derartigen populistischen Klagen wird vom Kernproblem der Bodenpolitik abgelenkt. Das Kernproblem aber besteht darin, daß angesichts des unbestritten hohen Bedarfs sowohl an Eigenheimen als auch an Eigentums- und Mietwohnungen zusätzliches Bauland ausgewiesen werden muß.Gerade heute morgen haben Experten in einer Anhörung des Bauausschusses darauf hingewiesen, daß die bisherige Politik der Innenentwicklung zugunsten einer Politik der Baulandmobilisierung aufgegeben werden müsse. Sie haben ferner darauf verwiesen, daß die Bestimmung der Zulässigkeit von Baulandausweisungen unter der Bedingung, soweit es Landesplanung und Naturschutz zulassen, ihrer hemmenden Wirkung wegen aufgegeben werden müsse.
Die Möglichkeiten der innerstädtischen Verdichtung sind einfach begrenzt und reichen zur Bedarfsdeckung nicht aus. Es empfiehlt sich daher — auch was die Preise angeht, Herr Seifert — einen Blick auf Angebot und Nachfrage.Viele Länder und Kommunen werden ihrer Verpflichtung, Bauland für Wohnzwecke auszuweisen, nicht gerecht und haben die Dringlichkeit dieses Problems offenbar immer noch nicht erkannt. Aus dieser Verantwortung können sie aber nicht entlassen werden. Es wäre schlimm, wenn bei den Bürgern draußen der Eindruck entstünde — was mit dieser Aktuellen Stunde wohl beabsichtigt ist —, als trüge der Bund auch noch die Verantwortung dafür, daß es nicht genügend Bauland gibt.
Der Bund hat den Kommunen mit dem Wohnungsbauerleichterungsgesetz ein Instrumentarium an die Hand gegeben, u. a. die Bauleitplanung zu beschleunigen, die Genehmigungsfristen zu verkürzen, das Baugebot vollzugstauglicher zu handhaben, ein allgemeines Vorkaufsrecht für Grundstücke im Außenbereich, die im Flächennutzungsplan als Wohnfläche ausgewiesen sind, geltend zu machen und die städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen durchzuführen. Damit haben die Kommunen wirkungsvolle Instrumente zu einer sinnvollen Bodenpolitik. Sie müssen sie aber auch wahrnehmen und dürfen sich nicht vor den notwendigen Auseinandersetzungen um die Abwägung der Fragen umweltpolitischer und wohnungspolitischer Prioritäten drücken, was leider vielfach der Fall ist.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992 5863
Dr. Walter HitschlerAußenstehenden erscheint der Streit um die Bebauung der Panzerwiese in München beispielsweise schon fast als Tragikomödie. Die Stadt Frankfurt bestraft Bauwillige, die Wohnungen in genehmigten Bebauungsgebieten errichten wollen, indem sie ihnen Zahlungen für Ausgleichsmaßnahmen für den Naturschutz auferlegt. Und Herr Töpfer scheint diese Praxis auch noch unterstützen zu wollen. In einem mir bekannt gewordenen Fall handelt es sich dabei um einen Betrag von 99 363 DM für eine Wohnanlage. Das ist, meine Damen und Herren, ministerieller Unfug, der zur Verunsicherung der Bürger beiträgt. Damit würde der Wohnungsbau vollends unbezahlbar werden. Das ist die von Kommunen praktizierte praktische Bauverhinderungspolitik.Der Bund hat sein Soll in der Bodenpolitik erfüllt. Er hat darüber hinaus mit Hilfe des KfW-Programms den Ausbau von mehreren zehntausend Wohnungen im bisher anderweitig genutzten Gebäudebestand gefördert, für die kein Quadratmeter Grund und Boden benötigt wurden. Auch bei diesem Programm haben einige Kommunen, z. B. beim Dachgeschoßausbau, gebremst. Auch dabei hat sich München unrühmlich hervorgetan.Die Kommunen und Länder müssen künftig wissen, daß es nicht funktionieren kann, Industriegelände auszuweisen und insonderheit High-Tech-Betriebe ansiedeln zu wollen, ohne gleichzeitig zusätzliche Wohngebiete zu schaffen. Deshalb dürfen hier die Verantwortlichkeiten nicht verwischt werden. Nunmehr sind in erster Linie die Länder und Kommunen gefordert. Deshalb unsere Bitte an die Bauministerin, sich von der Opposition nicht auf ein Nebengleis schieben zu lassen, denn plötzlich steht man nebendran.
Ich erteile das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Manfred Carstens.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wer sich die Statistik ansieht, wie viele Wohnungen vor allen Dingen in den letzten Jahren fertiggestellt wurden, stellt fest, daß es diesbezüglich einen ständigen Anstieg gab.
Dieser Vergleich macht deutlich, daß für die Bewertung der Lage nicht die Angebotsseite das entscheidende Kriterium ist, sondern die außerordentlich starke Nachfrage nach Wohnungen. Eine so überdurchschnittlich starke Nachfrage kann in anderen Ländern gar nicht erst vermutet werden. Jedes Land in einer solchen Situation hätte gewisse Engpässe zu verzeichnen. Ich denke an Asylbewerber, an Aussiedler, an das Einrichten von Single-Wohnungen usw.
Das heißt, die Herausforderung, deren Existenz ich gar nicht bestreiten will, ist derartig groß, daß sich alle beteiligten Stellen Mühe geben sollten, Abhilfe zu schaffen und das Bestmögliche für Wohnungssuchende zu tun.Zum einen ist der Bedarf an Boden, an Grundstücksfläche zu nennen. Hier spielt die Zinshöhe eine große Rolle. Andere Dinge kommen hinzu.Zunächst die Zurverfügungstellung von Grundstücksflächen: Jeder, der ein bißchen mit Kommunalpolitik zu tun gehabt hat, weiß, daß es in jeder Kommune wichtig ist, eine kluge Grundstückspolitik zu betreiben, rechtzeitig Flächen aufzukaufen und auszuweisen, auch rechtzeitig Austauschflächen zu besorgen, damit Landwirte, die von ihrem Hof leben, diese Flächen im Austausch erhalten können. Diese Probleme werden in den Kommunen in unterschiedlicher Art und Weise gelöst. An vielen Stellen läuft es sehr gut, an anderen nicht so gut.Bei den Zinsen hat sich in den letzten Monaten die Lage Gott sei Dank ein wenig stabilisiert. Aber im Vergleich zum Durchschnitt der 70er und 80er Jahre ist das derzeitige Zinsniveau noch relativ hoch.Hier im Deutschen Bundestag stellt sich die Frage, was der Bund über das bisher schon Geleistete hinaus tun kann, um für eine bessere Versorgung mit Wohnungen zu sorgen. Die zuständige Ministerin hat eben schon darauf hingewiesen, was wir auf dem steuerlichen Sektor beschlossen haben, welche Fördertatbestände wir eingeführt haben. Das alles läßt sich ganz gut an. Ich darf sagen, daß wir dieses Paket damals gemeinsam bearbeitet und dann im Kabinett auch zur Verabschiedung gebracht haben. Ich bin sicher, daß es entsprechende Wirkungen erzielen wird. Schon Ende 1992 wird man es an den Zahlen ablesen können.Aber der Bund kann und will jetzt noch die Grundstücke und Gebäude zur Verfügung stellen, die freiwerden, weil das militärische Potential im Vergleich zu dem, was bislang als nötig erachtet wurde, abgebaut wird.Nur darf man jetzt nicht Wunderdinge erwarten. Wenn ich hier mitteilte — ich will das nicht in Einzelheiten tun —, wieviel Liegenschaften z. B. die Bundeswehr in den nächsten Jahren aufgeben wird, dann würden Sie feststellen, daß es sich im Jahre 1991 erst um wenige Prozentpunkte der Gesamtliegenschaften handelte und daß es 1992 wiederum nur wenige Prozentpunkte sein werden; das Gros kommt 1993 und in den Jahren danach.
Insgesamt gesehen wird dadurch auf dem bundesdeutschen Markt kein zusätzlicher Freiraum geschaffen, da die Einwohnerzahl der Bundesrepublik Deutschland nicht abnehmen wird. Diejenigen, die die Gebäude verlassen, werden ja woanders wieder Wohnraum suchen. Insofern handelt es sich dabei eher um eine Verschiebung von Engpässen. Möglicherweise hilft es vor Ort an einigen Stellen mehr, als wir jetzt annehmen können.
Metadaten/Kopzeile:
5864 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992
Parl. Staatssekretär Manfred CarstensAber — ich komme gern auf den Zwischenruf zurück — anders sieht es bei den Wohnungen aus, die von den Alliierten freigegeben werden. Dies erfolgt z. B. schon jetzt relativ zügig durch die Amerikaner und in den neuen Ländern durch die sowjetischen Truppen. Uns stellt sich in bezug auf die Amerikaner und auch auf die Franzosen wiederum das Problem, daß diese Freigaben nicht im Jahre 1991 erfolgt sind und nur in ganz wenigen Einzelfällen im Jahre 1992 erfolgen werden, sondern daß es auch dort meist erst in den Jahren 1993, 1994 und den Jahren danach zur Räumung der Wohnungen kommen wird. Wir stehen mit den Ländern und den Kommunen in enger Abstimmung, damit sie rechtzeitig ihr Interesse bekunden und damit wir rechtzeitig zu Vertragsabschlüssen kommen können. Der Verkauf wird zum Teil, je nachdem wofür der Wohnraum verwandt wird, sehr verbilligt erfolgen. Die Formalitäten hierzu und die hier im Bundestag getroffenen diesbezüglichen Beschlüsse sind Ihnen ja bekannt.Möglicherweise könnte jetzt das Belegen der von den Sowjets freigegebenen Wohnungen schneller vonstatten gehen; das wurde ja hier eben in einem Einzelfall angesprochen.
— Nein, das war in der Tat ein Einzelfall.
— Ja, was im Fernsehen gesagt wird, das will ich hier lieber nicht zur Sprache bringen.
Dabei müssen wir uns mit den Sowjets über den Wert dessen verständigen, was dort freigegeben wird. Es gibt auch viele Restitutionsansprüche.
— Ja, im Einzelfall möglicherweise nicht, aber insgesamt.Das heißt, es muß sehr wohl im Einzelfall geprüft werden. Sie können sich darauf verlassen, daß wir das alles sehr zügig abwickeln werden, obwohl es hier und da — das gebe ich schon zu — auch personelle Engpässe gibt. Aber Herr Kollege Müller hat ja eben schon zum Ausdruck gebracht, daß der Haushaltsausschuß dem Bundesfinanzministerium eine Menge neuer Stellen bewilligt hat, um auch dieses Problem sehr schnell meistern und regeln zu können.Wir sind jedenfalls in allen Einzelfällen bemüht, dafür zu sorgen, daß freiwerdende Wohnungen schnellstmöglich wieder belegt werden. Wenn Sie mir den erwähnten Einzelfall auf den Schreibtisch legen, bin ich gerne bereit, diesem insonderheit nachzugehen.
Uns allen muß daran liegen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit der Wohnungsbauproblematik so gut und so schnell wie möglich fertigzuwerden. AmBund und insbesondere am Finanzminister soll es nicht liegen.Danke schön.
Herr Kollege Hans-Joachim Hacker, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mehr und mehr wird deutlich, daß nach den großen Worten jetzt die Wirklichkeit die Bundesregierung einholt. Die falschen politischen Ansätze bei der Bewältigung der großen Aufgaben der Schaffung der Einheit Deutschlands in allen Bereichen werden wohl kaum an einer Stelle so deutlich wie auf dem Gebiet der Bodenpolitik.Der Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung" wurde von der Regierung zum Fetisch hochstilisiert. Die Möglichkeit einer Kurskorrektur im Zuge des Hemmnissebeseitigungsgesetzes im Frühjahr vergangenen Jahres wurde entgegen den Forderungen der meisten Sachverständigen vertan. Endlich erkennen auch die CDU-Ministerpräsidenten in den neuen Ländern, daß dieser Grundsatz verkehrt ist und nicht die gewünschte Beschleunigung bringen konnte.Jetzt werden die Bilder farbig und plastisch, die die SPD bereits vor Monaten entworfen hat, die die Koalition aber wegen ihrer festgefahrenen ideologischen Eigentumsposition nicht wahrnehmen wollte oder konnte.Unstrittig ist — darin stimmen wir alle sicherlich überein —: Die eigentlichen Ursachen der scheinbar unlösbaren Eigentumsprobleme liegen in der verfehlten, eigentumsfeindlichen Politik der DDR-Führung in 40 Jahren.
Aber — auch das darf nicht vergessen werden — für die in der DDR Betroffenen ging das Leben weiter. Das Nicht-Erkennen oder das Nicht-Erkennenwollen dieser Lebensrealität hat für Zehntausende, ja, für Hunderttausende von Menschen in den neuen Ländern zur Folge, daß soziale Verunsicherung eintritt und sich existentielle Angst um das fast immer schwer erkämpfte, mit großer Mühe und erheblichem finanziellen Aufwand erworbene Eigenheim, Grundstück oder Wochenendhaus einstellt.Deshalb sage ich: In den neuen Ländern, insbesondere im Berliner Randgebiet, tickt eine Zeitbombe, deren Ticken nun endlich auch die Ohren des Bundesministers der Justiz erreicht hat. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wer sich in den neuen Ländern vor Ort umhört, konnte bereits vor Monaten die Stimmen der Betroffenen und Verbände vernehmen, die nachdrücklich Rechtsschutz für den redlichen Erwerb von Grundstücken und Gebäuden forderten. Im wesentlichen geht es um folgendes:Erstens. § 4 Abs. 2 des Vermögensgesetzes enthält eine Regelung, nach der Rechtsgeschäfte über Grundstücke und Gebäude, die nach dem 18. Oktober 1989 abgeschlossen wurden, dann nicht redlich sind, wenn diese nach der Anmeldeverordnung nicht hätten genehmigt werden dürfen. Man beachte: Die Anmel-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992 5865
Hans-Joachim Hackerdeverordnung ist Monate nach dem 18. Oktober 1989, d. h. dem Tag des Rücktritts Honeckers, erlassen worden. Daraus resultiert, daß Rechtsgeschäfte, die in der Honecker-Zeit abgeschlossen wurden, einen höheren Rechtsschutz des Staates Bundesrepublik Deutschland als solche genießen, die von den am 6. Mai 1990 demokratisch gewählten Kommunalvertretungen bzw. von ihnen beauftragten Kommunalverwaltungen abgeschlossen oder bestätigt worden sind. Das ist eine unglaubliche Rechtslage. Damit keine Mißverständnisse entstehen, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Rechtsschutz für den unredlichen Erwerb im Sinne des § 4 Abs. 3 des Vermögensgesetzes darf es nicht geben.
Darin sind wir uns einig.
Ich frage die Bundesregierung deshalb an dieser Stelle: In wieviel Fällen ist die Rückgabe unredlich erworbener Grundstücke und Gebäude in der Zeit vom 18. Oktober 1989 bis zum Tag der Deutschen Einheit eingefordert und durchgesetzt worden, oder betreiben wir an der Stelle eine Spiegelfechterei und riskieren die soziale Verunsicherung der Betroffenen in den neuen Ländern? Das steht uns allen nicht gut an.Zweitens. Die bestehenden Nutzungsverträge bezüglich Grundstücken und Gebäuden sind gemäß § 17 des Vermögensgesetzes geschützt. Andere in der damaligen DDR angewandte Vertragstypen — z. B. Überlassungsverträge — sind unberücksichtigt geblieben. Das soll kein Vorwurf sein. Sicherlich war wegen der Kompliziertheit des Einigungsvertrages nicht immer alles im Detail erkennbar.
Herr Kollege Hacker, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Gestatten Sie einen letzten Satz. — Diese Sachlage führte am Ende dazu, daß Alteigentümer, die heute ja in vielen Fällen Erben sind, in Erscheinung treten und dort unter massiver Unterstützung von Rechtsanwälten Forderungen gegenüber Bürgern, die zum Teil selber die Revolution mitgestaltet haben, oder gegenüber Bürgern erheben, die in der DDR als politische Häftlinge im Gefängnis saßen und jetzt als privilegierte Kommunisten oder Stasi-Seilschaften beschimpft werden. Ich bitte Sie — vor allen Dingen Sie in der Koalition —, das zu beachten und auf die Regierung Einfluß zu nehmen mit dem Ziel, an der Stelle umzukehren. Die SPD- Fraktion führt morgen und übermorgen zu dieser Problematik eine Anhörung von Betroffenen und Sachverständigen durch. Ich lade Sie recht herzlich dazu ein.
Das Wort hat der Abgeordnete Norbert Geis.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Rahmen der Frage, wie es möglich ist, vor allem in den neuen Bundesländern, Wohnraum zu beschaffen, stellt sich
natürlich die Frage, die eben auch Herr Hacker aufgeworfen hat, und die immer wieder auftaucht, zuletzt am Anfang dieser Woche vom Ministerpräsidenten von Sachsen, ob es richtig war, das Prinzip „Rückgabe von Eigentum vor Entschädigung", einzuführen und ob es richtig ist, daran festzuhalten.
Dieser Frage muß man aber zunächst einmal ein paar Überlegungen voranstellen. Einmal die Überlegung, daß die vormaligen Machthaber der DDR in ihrem blinden Eifer nach Gleichmacherei versucht haben, alle Eigentumsstrukturen zu zerschlagen. Man hat versucht, den Menschen das Eigentum wegzunehmen und sie schutzlos zu machen.
um ihnen den letzten Schutz vor der Macht des Staates zu nehmen. Eigentum dient nicht nur dem Interesse der Bedürfnisse. — Herr Müntefering, ich gehe auf die Einlassung des Herrn Hacker ein, und ich bitte Sie, doch in Ruhe zuzuhören.
Einen kleinen Moment, Herr Kollege Geis.
Herr Müntefering, ich habe den Eindruck, daß in dieser Debatte der Umfang Ihrer Zwischenrufe bereits den Umfang Ihres eigenen Debattenbeitrags übersteigt.
Herr Kollege Hacker, das Eigentum dient nicht nur dem Interesse, Bedürfnisse zu befriedigen. Dann hätten wir das Problem schnell erledigt. Die Frage, ob wir der Rückgabe von Eigentum gegen Entschädigung den Vorzug geben sollten oder das ganze Prinzip umkehren sollten, wäre schnell entschieden. Nach unserem Verständnis aber stellt Eigentum nun einmal ein Grundprinzip unserer Gesellschaftsordnung dar.
Nach dem abendländischen Verständnis ist Eigentum ein Menschenrecht, und unser Grundgesetz definiert es auch so. Hegel hat schon vor 150 Jahren gesagt: Im Eigentum schafft sich die Freiheit Raum. Das ist ein altes Prinzip, das sich in unserer abendländischen Geschichte in allen freiheitlichen Verfassungen widerspiegelt. Wir sehen das Eigentum als ein Menschenrecht an. Es kann aber doch nicht möglich sein, jetzt, wo die Wiedervereinigung gekommen ist, wo die Menschen nach der friedlichen Revolution 1989 darum gekämpft haben, daß sie rechtsstaatliche Verhältnisse bekommen, daß die Menschenrechte Geltung erhalten, diesen Menschen das zu versagen, was sie erreichen wollten. Es ging doch nicht nur darum, daß Gleichheit in den Lebensverhältnissen hergestellt wird: Gleichheit im Wohnraum, möglichst gleiche Wohnungen, gleicher Urlaub, gleiche Arbeitsverhältnisse, gleicher Wohlstand. All dies ist richtig. Vielmehr geht es doch auch um die Frage, daß wir
Metadaten/Kopzeile:
5866 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992
Norbert GeisGleichheit haben in der Verwaltung, in der Justiz, daß wir Gleichheit haben in den Rechten und gleiche Möglichkeiten haben, die eigenen Rechte durchzusetzen. Es ging darum, daß wir rechtsstaatliche Verhältnisse auch in den neuen Bundesländern einführen. Das war u. a. das Petitum dieser friedlichen Revolution.Es wäre doch völlig verkehrt, wenn wir jetzt diesen Anspruch, der letzten Endes die Menschen damals, 1989, auf die Straßen getrieben hat, einfach ignorierten. Das kann also nicht Aufgabe unserer Politik sein, sondern wir müssen versuchen, einen vernünftigen Ausgleich zu finden. Wir müssen versuchen, den Ausgleich zwischen den Interessen des einzelnen und dem Allgemeinwohl zu finden.
Daran müssen wir uns halten. Nur das kann unsere Richtlinie sein. Und wir haben doch versucht, im Vermögensgesetz darauf eine Antwort zu finden: in der Formulierung der Vorfahrtsregelung, in der Formulierung des § 3 a des Vermögensgesetzes. Ich weiß, daß die Anwendung des § 3 a große Schwierigkeiten bereitet. Aber das hängt nicht so sehr an der Formulierung und an der Institution dieser Normierung, sondern daran, daß wir in den neuen Bundesländern noch nicht genug Fachkräfte haben.Ich habe vor Weihnachten einen Besuch im Vermögensamt in Dresden gemacht. Der dortige Amtsleiter hat uns erklärt, daß er dann, wenn er am Ende des Jahres seinen vollen Personalbestand haben wird, nämlich 88 an der Zahl, wenn diese Mitarbeiter ausgebildet und in die rechtlichen Möglichkeiten eingewiesen sind, überhaupt keine Schwierigkeiten sieht, § 3 a des Vermögensgesetzes durchzusetzen, um damit einen Ausgleich zwischen den Interessen des einzelnen und den Interessen der Allgemeinheit zu finden; denn dem dient ja dieser § 3 a.Ich will darauf hinweisen: Was Biedenkopf Anfang dieser Woche gesagt hat, findet nicht bei allen fünf neuen Bundesländern Anklang. Ganz gegenteiliger Meinung ist Dr. Jentsch, Justizminister von Thüringen, der gestern bei uns in der Arbeitsgruppe gesagt hat, er hielte es für abenteuerlich, das Prinzip „Rückgabe des Eigentums vor Entschädigung" jetzt umzukehren. Genau das gleiche habe ich mir per telefonischer Rückfrage von dem Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern sagen lassen. Ähnliches gilt für Sachsen-Anhalt.
Herr Kollege Geis, Ihre Redezeit ist überschritten.
Es ist schwierig, rechtsstaatliche Verhältnisse einzuführen. Demokratie ist schwierig; Diktaturen haben es da einfacher. Aber es ist immer gut gewesen, wenn die Menschen ihre Rechte hatten und sie auch durchsetzen konnten, viel besser, als wenn wir mit der großen Dampfwalze darüber hinweggingen.
Ich danke Ihnen.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Achim Großmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwei, drei Vorbemerkungen zu Herrn Dörflinger. Herr Dörflinger, Sie haben sich einige Federn an den Kopf gesteckt, nur um davon abzulenken, daß Sie den Lendenschurz schon verloren haben. Mit dem Wohnungszersiedelungsgesetz, wie wir es damals genannt haben, haben Sie durchgesetzt, daß Sie drei Wohnungen in eine Scheune reinbauen können. Da ging es nicht um Massenbewegungen. Wir sind uns heute, glaube ich, alle im klaren, daß immer noch die Verdichtung innen, die Baulandmobilisierung und natürlich auch der Bau von neuen Stadtvierteln im Vordergrund stehen. Aber diese müssen sich an die Zentren angliedern, die schon dastehen; ich glaube, da gibt es überhaupt kein Vertun.Frau Bauministerin, das Satzungsrecht haben Sie im Sommer schon einmal durchsetzen wollen. Sie sind damit gescheitert, zurückgepfiffen worden, heute wieder von Herrn Hitschler. Ich bin gespannt, wo der zweite Versuch von Ihnen endet.Die dritte Vorbemerkung. Städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen haben Sie als Erfolg gepriesen, aber verschwiegen, daß das zeitlich befristet ist. Es hätte heute schon ein Wort ausgereicht, daß Sie sagen, Sie wollten das verlängern. Das wäre ein klares Signal gewesen; aber davon haben wir heute nichts gehört.Meine Damen und Herren, die Bürgerinnen und Bürger in den neuen Bundesländern stehen wirklich vor einem Berg von Problemen, und bei vielen Mietern, Nutzern und Eigentümern ist die Aufbruchstimmung der Einheit längst verflogen. Viele haben den Eindruck, daß sie mit den bedrückenden Problemen von der Bundesregierung alleingelassen werden, von einer Regierung, die über Monate hinweg die Probleme dauernd mitgeteilt bekommt, aber bis jetzt weggetaucht ist. Natürlich machen sich Frust und Resignation darüber breit, daß die bodenpolitischen Entscheidungen, die getroffen worden sind, nicht korrigiert werden.Die Probleme der Stichtagsregelung, der Überlassungsverträge und der ehemals militärisch genutzten Flächen wurden bereits angesprochen. Das Sündenregister der Bundesregierung ist jedoch noch länger. Ich will etwas zum Vermögensgesetz sagen und damit an das anschließen, was Herr Geis gesagt hat.Zunächst zum Eigentum. Da würden wir grundsätzlich übereinstimmen, wenn man nicht im Hinterkopf haben müßte, daß man für viele, die nicht materielle, sondern viele andere Schäden erlitten haben, ihren Widerstand mit Leib und Leben bezahlt haben oder mit der Konsequenz, daß sie ihren Beruf nicht ausüben konnten, ihren Beruf nicht lernen konnten, ähnliche Worte übrig haben muß wie für die, die ihr Eigentum verloren haben.
Klar ist: Die Rangfolge „Rückgabe vor Entschädigung" , von der SPD von Anfang an und immer wieder
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992 5867
Achim Großmannscharf kritisiert, hat katastrophale Auswirkungen gezeigt. Es häuft sich sozialer Sprengstoff in unvorstellbarer Größe an. Mieter, Nutzer oder gar Eigentümer sollen das räumen, was ihnen teilweise seit Jahrzehnten zur Heimat geworden ist.Der Fehler des Grundsatzes „Rückgabe vor Entschädigung" wird durch die Unzulänglichkeit des Vermögensgesetzes noch verschärft. Ich will nur — man hat nur fünf Minuten Zeit — die gravierenden Probleme nennen.Auf Hunderttausende von Menschen rollt in den neuen Bundesländern ein gnadenloser Verdrängungswettbewerb ohne Beispiel zu, mit ganz schlimmen individuellen Schicksalen.Die Abwicklung der Rückerstattungsanträge dauert bis ins nächste Jahrtausend, Herr Geis. Der Präsident des Sächsischen Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen rechnet mit einer Frist von 18 Jahren, bis alle Anträge bearbeitet sind, sein Berliner Kollege mit einer Frist von 10 bis 15 Jahren. Mit Restitutionsansprüchen wird bereits schwunghafter Handel betrieben, auf dem Rücken der Betroffenen. Monopoly in den neuen Bundesländern — und die Bundesregierung schaut zu.Immer mehr Wohnungen stehen leer. Eine unerträgliche Situation angesichts von Millionen fehlender Wohnungen! Kreditinstitute beharren auf sogenannten Negativbescheinigungen; sonst gibt es kein Geld. Diese sollen belegen, daß Rückübertragungsansprüche nicht vorliegen.Negativbescheinigungen werden aber von vielen Ämtern nicht mehr ausgestellt, weil die Fehlerquote bei über 10 % liegt. Resultat: Leerstände und immer mehr Wohnungen, die verfallen, weil — verständlicherweise — keiner investieren will. Wann nimmt die Regierung diese katastrophale Entwicklung endlich zur Kenntnis? — Kritik gibt es reichlich, auch aus eigenen Reihen; siehe Herr Biedenkopf.Ankündigungen können und wollen die Leute nicht mehr hören. Sie wollen konsequentes Handeln. Das gilt übrigens auch für das überfällige Entschädigungsgesetz. Hier wird aber nur eine Politik à la Ungeheuer von Loch Ness betrieben: Viele reden darüber, aber keiner hat es je gesehen.Die Wohnungsnot wird immer größer. Die Regierung schaut untätig zu. Der Bodenpolitik der Bundesregierung können wir nach einem Jahr nur die Note ungenügend erteilen.Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Elmar Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei manchen Beiträgen der Kollegen der SPD bedaure ich manchmal, daß ich feststellen muß, daß die Kommunalpolitiker der SPD in den Kommunen gelegentlich mehr Phantasie und auch mehr vorausschauende Politik betreiben, alssie hier insgesamt angemahnt wird. Denn in der Tat liegt der Schwerpunkt der Arbeit bei den Kommunalpolitikern. Die Möglichkeiten sind vorher aufgezählt worden.Als Finanzpolitiker möchte ich ein paar Anmerkungen zu den finanzpolitischen Themen machen dürfen, und zwar vor allem deshalb, weil wir den Uralthut der SPD wiederentdeckt haben, die Baulandsteuer.
Das geschah bei einem damaligen Aufkommen von insgesamt 50 Millionen DM, einem Bruchteil dessen, was wir aus dem Gesamtsteueraufkommen der Grundsteuer hatten, und das bei einem erheblichen Aufwand finanzieller und organisatorischer Art in den Finanzverwaltungen.Die Baulandsteuer wurde damals auch mit den Stimmen der SPD wieder eingesammelt. Das war auch gut so. Es war ein einstimmiger Beschluß des seinerzeitigen Bundestages.Auch die Verlängerung der Spekulationsfrist in § 23 des Einkommensteuergesetzes über die jetzigen zwei Jahre hinaus würde für die Wohnungsbaupolitik keine Vorteile bringen. Denn wer jetzt ein Grundstück zwei Jahre lang behält und auf Wertsteigerungen spekuliert, wird es sicherlich notfalls auch drei, vier oder fünf Jahre lang behalten. Der Baulandmarkt würde also noch immobiler, als er es jetzt schon ist.Wirkung könnte eine solche Verlängerung nur entfalten, wenn sie unbefristet wäre, d. h. wenn Veräußerungsgewinne aus dem Verkauf von Grundstükken ohne zeitliche Befristung besteuert würden. Das liefe allerdings auf eine Besteuerung der sogenannten „capital gains" hinaus. Man muß die SPD nun wirklich fragen, ob sie dieses Thema, das wir Anfang der 70er Jahre schon einmal ausführlich und ohne Erfolg
Metadaten/Kopzeile:
5868 Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992
Elmar Müller
miteinander diskutiert haben, wieder aufgreifen will.
Ein weiterer steuerlicher Aspekt sind die Einheitswerte des Grundbesitzes, die zugegebenermaßen in der Tat zu niedrig sind. Deshalb werden diese Einheitswerte bereits mit Vervielfältigern angesetzt, und zwar sowohl bei der Vermögensteuer als auch bei der Erbschaftssteuer. Auch wir würden es begrüßen, wenn die Einheitswerte abgeschafft werden könnten. Dazu ist aber die vorherige Abschaffung der Vermögensteuer notwendig, was die SPD allerdings nicht will.
Das war genau der Aspekt, den die Kommission, die Sie angeführt hatten, vorgeschlagen hat.Wollen Sie also den ungeheuren Arbeitsaufwand, der mit einer neuen Einheitsbewertung verbunden wäre, der Finanzverwaltung zumuten? Sie ist ohnehin in allen Teilen der Republik überlastet, in den neuen wie in den alten Ländern.Die steuerlichen Hilfen für den Wohnungsbau sollten im Steueränderungsgesetz 1992 wesentlich verstärkt werden. Das Steueränderungsgesetz 1992 wird aber wiederum von der SPD im Vermittlungsausschuß blockiert. Also auch hier setzen Sie selbst die Ursachen für einen Zustand, den Sie wiederum lauthals beklagen. Das Schlimme dabei ist, daß aus diesem Zustand heraus in dieser Zeit Attentismus entsteht. Das haben Sie in der Tat zu verantworten.
Natürlich kann man eine unbegrenzte weitere Verstärkung der staatlichen Hilfen fordern; das tun Sie ebenfalls. Aber wer soll das bezahlen? Denn gleichzeitig verweigern Sie wiederum die notwendige Gegenfinanzierung, wie sie ebenfalls im Steueränderungsgesetz 1992 vorgesehen ist. Gleichzeitig beklagen Sie außerdem eine hohe Staatsverschuldung. Was gilt nun also? Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß!Danke schön.
Herr Kollege Müntefering, ich wollte Ihnen vorhin nicht Ihre Zwischenrufe abschneiden. Ich wollte Sie nur auf das Problem der verbalen Dauerbegleitung des Redners hinweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dietmar Kansy.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe gerne einen Moment gewartet; denn der Kollege Müntefering ist heute tatsächlich der eifrigste Zwischenrufer.
— Nein, nein. Das ist sonst gar nicht seine Art.Das hat natürlich einen Grund, mein sehr verehrter Herr Kollege Geis. Er weiß nämlich als erfahrenerKommunalpolitiker: Wer mit den Grünen poussiert, wer mit ihnen in immer mehr Ländern und Gemeinden koaliert und damit fast immer eine Bauverhinderungspolitik unterschreibt, der kann über fehlendes Bauland und fehlenden Wohnraum hier bestenfalls Krokodilstränen weinen. Das ist der Grund für seine Unsicherheit heute, und deswegen ist er etwas lebhaf t.
Dieses Spiel erleben wir schon monate- und jahrelang. Das sieht in etwa folgendermaßen aus: Am Montag wird gesagt, mit den GRÜNEN an der Spitze, dahinter die Sozialdemokraten und viele Verbände: Es fehlen fünf Millionen Wohnungen! — Mal eine Million mehr, mal eine Million weniger. Daß ein Riesenbedarf besteht, ist unbestritten. Am Dienstag kommen dieselben Leute und sagen: Aber keine Wiese anfassen! Ihr müßt intelligent herangehen! Ihr müßt verdichten! — Dann versucht vielleicht die eine oder andere Stadt zu verdichten. Dann kommt die nächste Bürgerinitiative und sagt: Aber die Sonne vor meinem Fenster soll bleiben! Etwas anderes kommt überhaupt nicht in Frage! — Am Donnerstag kommen sie dann alle zusammen und sagen: Wie man sieht, hat die Politik versagt. Die Politiker sind nicht in der Lage, die Probleme zu lösen.So geht es uns doch schon seit Monaten mit den Sozialdemokraten an der Spitze, insbesondere dort, wo sie Koalitionen bilden.
Ich komme aus dem Landkreis Hannover. Wir erleben jetzt gerade das Drama der Koalitionsverhandlungen in der Stadt.
— Wir haben eine CDU-Mehrheit, Herr Müntefering. Ich bin da Abgeordneter.
— Ja, das tut uns sehr weh, weil sich nämlich die Sozialdemokraten z. B. in Hannover, obwohl sie dauernd sagen, es fehlten 20 000 Wohnungen, in den Koalitionsverhandlungen mit den GRÜNEN zwar sehr zerstritten haben, und zwar wegen des Homosexuellen-Cafés „Schwule Sau", aber bei Streichungen von Gebieten für den sozialen Wohnungsbau mitgemacht haben, um die Koalition aus Gründen der Machterhaltung zu bekommen. Das ist die Realität in unseren Städten und Gemeinden und in den Ländern.
Zweites Thema: Bundeswehr. Ich teile die Auffassung, die sowohl die Ministerin als auch Redner der Koalition hier vorgetragen haben, mit einer Ausnahme — ich spreche Sie an, Frau Ministerin, da Sie der verbliebene Teil der Bundesregierung hier an diesem Tisch sind —: Die Einzelfälle häufen sich, daß die Umsetzung der Konzepte sowohl im BMF als auch im BMVg und vor allen Dingen im Zusammenwirken der beiden, wenn es um die Realisierung der vernünftigen Grundlagen, die die Regierung geschaffen hat,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag — 12. Wahlperiode — 69. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. Januar 1992 5869
Dr.-Ing. Dietmar Kansyvor Ort geht, sehr oft ins Straucheln gerät und Monate um Monate vergehen, ohne daß man in den Kommunen weiterkommt.
Das ist ein Stück der Wahrheit. Deswegen bitte ich Sie, Frau Ministerin Schwaetzer, dies weiterzugeben, auch an den Finanzminister und den Bundesverteidigungsminister. Es geht hier gar nicht mehr um das Rumfummeln an irgendwelchen Grundlagen. Es geht darum, sie endlich so durchzusetzen und anzuwenden, wie wir uns das alle gemeinsam vorgestellt haben.Dritter Punkt, kurz zu den Ergebnissen der Baulandkommission. Wenn wir ehrlich sind — ich will das auch meinem alten Mitstreiter, Kollegen Dr. Hitschler, sagen —, müssen wir feststellen: Es gibt unterschiedliche Meinungen in allen Parteien. Ihr Fraktionsvorsitzender Solms hat gerade per Telegraph zu diesem Thema Stellung genommen, z. B. zu der sogenannten Baulandsteuer. Auch in meiner Partei gibt es unterschiedliche Meinungen. Es ist vorhin zu Recht der Herr Rommel mit seiner eigenen Meinung erwähnt worden.Eines steht für mich fest: Ich halte die Bedenken für gerechtfertigt, daß wir in der Mehrheit damit eher eine Verteuerung als eine Flexibilisierung erreichen. Aber wir können die Ergebnisse der Baulandkommission jetzt nicht einfach beiseite legen und sagen: Na gut, sie haben dort einmal etwas aufgeschrieben, aber wirmachen weiter wie bisher. Wir müssen jetzt, auf welche Weise auch immer, unseren Beitrag dazu leisten, das, was von einer Expertenkommission zusammengetragen wurde, in die Tagespolitik umzusetzen.Als letztes, Herr Präsident, das angesprochene Restitutionsproblem in den neuen Bundesländern: Der Herr Kollege Geis hat schon die schwierige und nicht aus der Tagespolitik allein zu begründende Abwägung hier dargelegt. Ich bin mir allerdings darüber im klaren — auch unser Fraktionsvorsitzender Dr. Schäuble hat sich vor wenigen Tagen im Zusammenhang mit dem Vermögensgesetz in dieser Richtung geäußert —, daß wir auch dort nicht so weitermachen können, wie wir es uns in unseren besten Vorstellungen vorgenommen haben. Auch bei uns gibt es Diskussionsbedarf. Wenn wir in diesem Sinne zur praktischen Arbeit übergehen, kommen wir, glaube ich, ein Stück weiter.Danke schön.
Die Aktuelle Stunde ist beendet, die heutige Tagesordnung erledigt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, 16. Januar 1992, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.