Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde
— Drucksache 11/1381 —
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Häfele zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 1 des Herrn Abgeordneten Gansel auf:
Trifft es zu, daß der Landesvorsitzende der Schleswig-Holsteinischen CDU, Dr. Stoltenberg, „seinerzeit bei der Suche nach einem neuen Generalsekretär" des CDU-Landesverhandes des damaligen Oberstleutnant der Bundeswehr „Reichardts Personalakte aus dem Verteidigungsministerium eingesehen" hat, wie die ,,Frankfurter Allgemeine" ans 9. November 1987 unter der Überschrift „Der Sack wird geprügelt — Der CDU-Parteitag im Norden" berichtet hat?
Bitte sehr.
Herr Kollege Gansel, die Antwort lautet: nein.
Eine Zusatzfrage zu dem Nein
Das überrascht mich so, daß ich noch einmal meine Frage lesen muß, Herr Präsident. — Also „nein".
Dann stelle ich meine erste Zusatzfrage: Herr Staatssekretär, hat denn der Bundesminister Stoltenberg, der auf dem Landesparteitag der CDU in Schleswig-Holstein gesagt hat — ich zitiere aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" —, er habe auf „der Suche nach einem neuen Generalsekretär Reichardts Personalakte aus dem Verteidigungsministerium eingesehen", die Unwahrheit gesagt, oder — was mich noch mehr überraschen würde — hat die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" unrichtig berichtet?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Da liegt ein Mißverständnis vor. Ich habe das Protokoll des Parteitags. Danach hat er gesagt, daß er mit dem damals zuständigen beamteten Staatssekretär gesprochen habe, und der habe ihm gesagt: Gut, ich gebe Ihnen nach zwei Tagen Auskunft!
Dann hat er ihm Auskunft gegeben: Ich habe mir die Personalakte angeschaut — und zwar „ich", der beamtete Staatssekretär; das ist das Mißverständnis der Zeitung gewesen —, ich habe selten eine so gute Personalakte gesehen. Der Mann ist für alles geeignet.
So war es. Das ist also ein Mißverständnis der Zeitung gewesen.
Eine zweite Zusatzfrage.
Ich bin jetzt in einer schwierigen Situation, Herr Präsident.
In welcher sind Sie denn?
Ich habe mich sowieso gewundert, warum diese Frage vom Finanzministerium beantwortet wird, denn Herr Stoltenberg war ja 1981 noch Ministerpräsident in Schleswig-Holstein, und die Frage müßte eigentlich vom Verteidigungsministerium beantwortet werden. Jetzt hat das Finanzministerium die Fragen übernommen, und ich weiß nicht, an wen ich meine Fragen richten soll.
Herr Abgeordneter Gansel, für die Zulässigkeit einer solchen Unterhaltung müssen wir die Geschäftsordnung etwas ausweiten. Aber es ist sicherlich der Sache dienlich und deshalb auch mit der Geschäftsordnung zu rechtfertigen.
Die Zuweisung der Fragen erfolgt durch die Bundesregierung. Welches Ressort zuständig ist, entscheidet die Bundesregierung, also nicht wir hier im Bundestag. Der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Häfele antwortet im Namen der Bundesregierung.
Dann frage ich die Bundesregierung, ob es üblich ist, daß sich Arbeitgeber, die — wie hier ein Landesvorsitzender einer Partei — Mitarbeiter zu privaten Zwecken — hier zu Zwecken der CDU in Schleswig-Holstein — einstellen wollen, bei Staatssekretären der Bundesregierung Einsicht in Personalakten erbitten. Seit wann ist das üblich?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Er hat sich keine Einsicht in die Personalakten erbeten. Das ist nicht der
3086 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2 Dezember 1987
Parl. Staatssekretär Dr. Häfele
Fall. Aber es ist das Normalste der Welt, übrigens auch unter SPD-Kollegen üblich, Auskunft über einen künftigen Mitarbeiter einzuholen. Ich bin selbst auch schon darauf angespochen worden, wenn die SPD
zum Beispiel einen Mann aus unserem Haus will: „Sag mal, ist das ein Kerl, kann man den nehmen oder nicht?" Das ist das Normalste der Welt.
Eine Zusatzfrage, bitte sehr.
Hat denn der Herr Stoltenberg, der damals noch Ministerpräsident war, diese Auskunft als Landesvorsitzender der CDU oder als Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein erhalten? Es ist nämlich ein Unterschied, sage ich mal — wenn ich das darf, weil es nach der Geschäftsordnung der Sachlage dient, Herr Präsident — —
Allzuweit können wir die Geschäftsordnung auch nicht dehnen — sie hat auch einen Koeffizienten —, sonst reißt sie. Sie haben gefragt, ob er die Auskunft als Ministerpräsident oder als Landesvorsitzender der CDU bekommen hat. Darauf gibt der Herr Parlamentarische Staatssekretär eine Antwort.
Damit das verständlicher wird, möchte ich noch fragen, ob der Herr Staatssekretär mit mir der Auffassung ist, daß es ein Unterschied ist, ob ein privater Arbeitgeber oder ob Fraktionen des Deutschen Bundestages Mitarbeiter aus der Bundesregierung einstellen.
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Nein. Es kommt wirklich vor, daß irgend jemand — ganz gleich wer — aus der Verwaltung einen Mann haben will. Es ist doch ganz normal, daß man dann mit dem zuständigen beamteten Staatssekretär redet, der mit Einverständnis des Betroffenen — so war es hier — sagt: „Ich gebe gerne Auskunft. Diesen Mann kannst Du nehmen. Den beurteilen wir gut." Das ist das Normalste der Welt.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Penner.
Herr Häfele, habe ich Sie richtig verstanden, daß, bevor der beamtete Staatssekretär dem Landesvorsitzenden der CDU, Stoltenberg, eine Auskunft über die fachliche Befähigung und Eignung des Herrn Reichardt erteilt hat, der betroffene Oberstleutnant Reichardt selbst vorher sein Einverständnis gegeben hat, das Herrn Stoltenberg zu diesem Zweck eine Einsichtnahme gestattet und Auskunft aus den Personalakten erteilt würde?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Der Staatssekretär hat sich ein Bild von dem Mann gemacht,
und der Mann war einverstanden, daß er diese Auskunft gibt.
Es war seine Sache, wie er die Informationen holte. Ich war nicht dabei. Der Staatssekretär ist inzwischen pensioniert.
Wie er sich diese Auskunft beschafft hat, weiß ich nicht.
— Ich kann im Augenblick nicht den beamteten Staatssekretär fragen, der im Ruhestand lebt.
Eine Zusatzfrage, Herr Heyenn.
Herr Staatssekretär, können Sie uns die zeitlichen Abläufe darstellen? Wann ist die Bitte erfolgt? Wann ist das Einverständnis eingeholt worden? Wie ist das abgelaufen?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Ich weiß jetzt auswendig nicht das genaue Jahr der Einstellung. Damals, als der Betreffende eingestellt wurde, hat sich Herr Dr. Stoltenberg mit dem damals zuständigen beamteten Staatssekretär in Verbindung gesetzt, was ganz normal ist. Dann hat der gesagt: Ich kann es Ihnen nicht aus dem Handgelenk sagen, aber wir reden darüber.
Nach zwei Tagen hat er gesagt: Den Mann können Sie nehmen. Er wird ganz hervorragend beurteilt, auch nach unserer Personalakte.
So etwas geschieht nicht selten nach allen Seiten.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hiller.
Herr Staatssekretär, können Sie ausschließen, daß der Landesvorsitzende der schleswig-holsteinischen CDU auch mit dem Parlamentarischen Staatssekretär über diese Angelegenheit gesprochen hat?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Ich habe Ihnen gesagt, daß es der damals zuständige beamtete Staatssekretär war.
Keine weiteren Zusatzfragen.
— Herr Abgeordneter Gansel, Sie müssen sich etwas früher melden. Ich muß schon sehen, daß ich durchkomme. Herr de With, Sie haben gleich noch die Möglichkeit, eine Frage zu stellen. Herr Abgeordneter Gansel, ist noch Substanz da für die Zweite Frage? — Ja, dann bitte.
Ich rufe somit Frage 2 des Herrn Abgeordneten Gansel auf:
Unter welchen Umständen ist diese Akteneinsicht in Personalakten des Bundesministeriums der Verteidigung durch einen privaten Auftraggeber zu Zwecken einer politischen Partei erfolgt?
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1987 3087
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Da ich die erste Frage verneint habe, erübrigt sich eine Antwort auf die zweite.
Zusatzfrage.
Also, entschuldigen Sie, hier soll für die Bundesregierung geantwortet werden, und ich möchte wissen, unter welchen Umständen Einsicht in die Akten des Verteidigungsministeriums genommen worden ist,
Herr Abgeordneter Gansel, nun muß ich aber schon ein bißchen enger an die Geschäftsordnung angelehnt vorgehen. Es ist von seiten des Bundestages nicht möglich, auf die Antworten der Bundesregierung Einfluß zu nehmen.
— Einen Moment. Herr Abgeordneter Gansel, Sie haben gefragt, und der Parlamentarische Staatssekretär hat geantwortet. Das mag für Sie unbefriedigend sein. Diese Situation haben wir, soweit ich mich erinnern kann — und das ist schon lange —, bei allen Regierungen gehabt. Stellen Sie jetzt bitte eine Frage.
Ist die Bundesregierung bereit, auch in Zukunft — dem schlechten Vorbild folgend — privaten Arbeitgebern durch die Herren beamteten Staatssekretäre Auskunft aus den Personalakten zu geben, ob jemand für diese oder jene Tätigkeit wie z. B. für die eines Generalsekretärs der CDU in Schleswig-Holstein geeignet sei?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Ich glaube, daß alle künftigen Bundesregierungen wie alle künftigen Landesregierungen jederzeit jedem Vernünftigen eine Auskunft geben, wenn gefragt wird: „Kann ich den Mann nehmen oder nicht? Wie beurteilen Sie ihn?" —Warum denn eigentlich nicht?
Das ist Ihre zweite Zusatzfrage, bitte sehr.
Welche Kriterien stehen der Bundesregierung zur Verfügung, um an Hand der Personalakte eines Bundeswehroffiziers zu entscheiden, ob dieser die Qualifikation hat, als Generalsekretär einer politischen Partei in Erscheinung zu treten?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Um das ging es nicht. Die Auskunft des beamteten Staatssekretärs lautete: Ich kann Ihnen sagen, das ist ein ganz hervorragender Mann. Es liegt in der Beurteilung dessen, der jemanden einstellt, ob er ihn für seinen eigenen Posten haben will. Die Auskunftsperson kann ihn nur von seiner bisherigen Tätigkeit beurteilen. Es ist doch zulässig, wenn der Betroffene einverstanden ist - und der war einverstanden — , daß man sagt: Der wird als gut beurteilt.
Das geschieht doch jeden Tag. Herr Gansel, wenn Sie einen vom Finanzministerium holen wollen und mich fragen:
„Können Sie mir einmal eine Auskunft geben?" Dann gebe ich Ihnen doch genauso die Auskunft: „Das ist ein guter Mann."
Das geschieht doch oft.
Fragt der mich oder ich ihn? Herr Präsident, jetzt müssen Sie eingreifen. Hier ist ja keine Fragestunde, in der Parlamentarier durch die Regierung befragt werden.
Herr Abgeordneter Gansel, Sie sehen, daß ich mit bestem Willen versuche, Ihre Fragen zu einem auch für Sie erfolgreichen Abschluß zu bringen. Aber Sie können dabei nicht mich zu sehr strapazieren.
Nehmen wir einmal zur Abwechslung Herrn Abgeordneten de With.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie einmal gesagt haben, daß die Frage, ob das ein guter Mann sei, bejaht worden sei, aber vorhin auch erklärt haben, daß der beamtete Staatssekretär in die Akten hineingeschaut habe, und hinzugefügt haben, daß der Betroffene einverstanden gewesen sei: Ist ein Einverständnis — schriftlich — zu den Personalakten des Betroffenen gelangt?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Er war auf jeden Fall einverstanden.
Herr Abgeordneter Penner, bitte.
Herr Staatssekretär, wann ist denn die Auskunft des beamteten Staatssekretärs an den CDU-Landesvorsitzenden Dr. Stoltenberg erfolgt, und wann hat Oberstleutnant Reichardt seine Einwilligung zur Einsichtnahme in die Personalakte und zur Verwendung zu dem angegebenen Zweck gegeben, und, falls Sie das nicht wissen sollten: Sind Sie bereit, mir diese Auskunft schriftlich zu geben?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Sie können jede Auskunft schriftlich haben. Das ist selbstverständlich.
Es war in dem Jahr der Einstellung. Wenn ich mich recht erinnere, war das 1981. Ich weiß es aber nicht sicher. Das kann man aber alles klären.
Gut, Sie bekommen schriftlich eine ergänzende Antwort.
Weitere Frage, Herr Abgeordneter Heyenn, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, entspricht es den Vorschriften über die Führung von Personalakten, daß entsprechende Einverständniserklärungen — wie hier von Herrn Reichardt — nicht in die Akte aufgenommen werden?
3088 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1987
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Ich weiß nicht, wie das in den verschiedenen Häusern allgemein gehandhabt wird.
Aber ein Staatssekretär ist wohl in der Lage, festzustellen, ob er das Einverständnis eingeholt hat oder nicht.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jansen.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir bestätigen, daß es im öffentlichen Dienst üblich ist, Zeugnisse zu erteilen, und daß auf Grund eines solchen Zeugnisses die Einschätzung des neuen Arbeitgebers erfolgt?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Das war nicht ein formelles Zeugnis, sondern etwas, was oft geschieht — ich sage das nochmals — , was auch mir persönlich wiederholt schon begegnet ist, etwa durch alle Fraktionen des Deutschen Bundestages, wenn jemand einen Mann aus unserem Hause geholt hat. Wenn jemand fragt: „Ist das ein guter Mann?", dann sage ich etwa: „Ich kenne ihn nicht richtig." Nach zwei Tagen habe ich die Auskunft, wenn der Betroffene einverstanden ist — in diesem Falle würde ich es selbstverständlich genauso machen —, und sage dann: „Das ist ein guter Mann!" Ob ich in die Personalakte schaue oder nicht, ist dabei unerheblich. Ich persönlich würde mehr auf solche hören, die jahrelang mit ihm zusammengearbeitet haben. Das würde ich für noch wichtiger halten. Das ist doch das Normalste der Welt.
Noch eine Frage, Herr Abgeordneter Jungmann.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß es einheitliche Vorschriften für die Führung von Personalakten gibt und daß das nicht in das Belieben der einzelnen Häuser gestellt ist, sondern daß hier die Federführung das Innenministerium hat und dazu Erlasse und Weisungen ergangen sind, und sind Sie bereit, sich über diese Vorschriften beim Staatssekretär Spranger, der neben Ihnen sitzt, zu informieren?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Es gibt überhaupt keinen Hinweis, daß der zuständige beamtete Staatssekretär irgendeine Vorschrift nicht eingehalten hat.
Herr Abgeordneter, bitte!
Weitere Frage des Herrn Abgeordneten Schreiner.
Da Sie eben sagten, das Verfahren sei alltägliche Praxis: Wären Sie bereit, mir möglicherweise schriftlich einige Beispiele für vergleichbare Vorgänge zu geben?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Das sind mündliche Gespräche, die ich selber zum Beispiel auch schon geführt habe. Das muß Ihnen reichen.
— Doch.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Bahr.
Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, daß die von Ihnen geschilderte Praxis dazu beiträgt, dem Verdacht von Vermischungen zwischen Staat und Partei Vorschub zu leisten?
Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär: Nein, das kann ich überhaupt nicht einsehen. Wenn Sie einen Mann einstellen wollen, fragen Sie doch — ob er aus dem Ministerium oder aus einem anderen Unternehmen stammt — : „Kann ich einmal erfahren, wie der Mann beurteilt wird?" Wenn der Betroffene sogar einverstanden ist, daß der andere gefragt wird, ist das doch das Normalste der Welt.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf.
Herr Abgeordneter Jungmann hat uni schriftliche Beantwortung der von ihm gestellten Frage 3 gebeten, obwohl er anwesend ist. Dem kann entsprochen werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft auf. Der Fragesteller, Herr Abgeordneter Stiegler, bittet um schriftliche Beantwortung seiner Frage 6. Es wird so verfahren. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bumdesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Die Fragestellerin, Frau Abgeordnete Hoffmann , bittet um schriftliche Beantwortung ihrer Frage 7. Es wird so verfahren. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Spranger zur Verfügung. Die Frage 8 des Abgeordneten Conradi und die Frage 9 der Abgeordneten Frau Steinhauer sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe Frage 10 des Herrn Abgeordneten Lohmann auf. — Herr Abgeordneter Lohmann ist nicht im Saal. Es wird so verfahren, wie es in der Geschäftsordnung vorgesehen ist. Das gleiche gilt für Frage 11 des Herrn Abgeordneten Lohmann (Witten).
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn. Mittwoch, den 2. Dezember 1987 3089
Vizepräsident Stücklen
Ich rufe Frage 12 des Herrn Abgeordneten Klein auf:
Wie reagiert die Bundesregierung auf die am 1-1. November 1987 bei der Mitgliederversammlung des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland von dem Präsidenten der Deutschen Reiterlichen Vereinigung ausgesprochene Drohung, gegebenenfalls auf die Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen 1988 in Seoul zu verzichten, wenn die Bundesregierung ihr Finanzierungssystem für den Leistungssport der Spitzenfachverbände nicht ändert?
Bitte sehr.
Herr Kollege Klein, zu dieser Frage stelle ich zweierlei fest.
Erstens. Über die Teilnahme an den Olympischen Spielen entscheiden die Sportverbände autonom und in eigener Verantwortung. Die Bundesregierung hat immer wieder herausgestellt, daß Unabhängigkeit und Selbstverantwortung des Sports fundamentale Prinzipien ihrer Sportpolitik sind.
Zweitens. Die Förderung der Deutschen Reiterlichen Vereinigung im Olympia-Jahr 1988 durch das BMI ist im Zusammenwirken mit dem Bundesausschuß Leistungssport des Deutschen Sportbundes so ausgerichtet worden, daß sämtliche Maßnahmen, die der optimalen Vorbereitung auf die Olympischen Spiele dienen, sichergestellt sind.
Die Reiterliche Vereinigung soll 1988 eine Bundeszuwendung in Höhe von rund 601 000 DM erhalten. Dazu kommen Aufwendungen in Höhe von rund 750 000 DM für das Bundesleistungszentrum in Warendorf und rund 500 000 DM für die hauptamtlichen Bundestrainer. Dieser Betrag von insgesamt rund 1,85 Millionen DM ist die höchste Förderungssumme, die eine Bundesregierung der Deutschen Reiterlichen Vereinigung je gewährt hat.
Die Kritik des Präsidenten der Deutschen Reiterlichen Vereinigung ist deshalb unbegründet und die Drohung unangemessen. Die Bundesregierung bedauert Form und Inhalt der Äußerungen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ich will jetzt nur einen Bereich herausgreifen. Ist Ihnen bekannt, daß von diesen rund 600 000 DM, die Sie zu Beginn genannt haben, der Reiterlichen Vereinigung jetzt rund ein Viertel vorenthalten wird, daß die Zusage, die diese genannte Summe ausmachte, jetzt, gegen Ende des Jahres, um rund 150 000 DM gekürzt wird? Darüber haben sich die Leute dort aufgeregt. Ist Ihnen das bekannt?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Klein, das ist uns natürlich bekannt. Ich darf aber doch konkretisieren, daß von der Gesamtsumme von 500 000 DM pro Jahr, die hier durch Leistungen eines Sponsors erzielt werden, 1987 146 000 DM auf die Bundeszuwendung angerechnet werden sollen. Nachdem schon von einer vollen Anrechnung abgesehen wurde, ist hier eine Anrechnung vorgenommen worden, die ich als sehr ausgewogen und als äußerst maßvoll ansehe.
Noch eine Zusatzfrage, bitte.
Gibt es Klagen anderer Verbände, bei denen — ähnlich wie in dem vorliegenden Fall — ein Teil der zugesagten Mittel ebenfalls nicht ausgezahlt wird?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann nur sagen, daß hier ein besonderer Fall vorliegt, weil in den Abstimmungsgesprächen mit dein BMI die Zahlung von Sponsorengeldern nicht mitgeteilt worden ist, sondern daß wir erst aus der Presse erfahren haben, daß ein Betrag von 500 000 DM von Sponsoren zur Verfügung gestellt wurde. Angesichts der finanziellen Lage anderer Verbände sollen diese Mittel nun in irgendeiner Form — in Höhe von 146 000 DM — angerechnet werden. Das sind wir auch den anderen Sportlern und Sportverbänden schuldig, die nicht über solche Sponsoren verfügen wie die attraktive Sportart der Reiter-lichen Vereinigung.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Klein auf:
Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Sportfachverbände, z. B. der Deutschen Reiterlichen Vereinigung, Bali die volle Anrechnung von Förderungsmitteln der Sponsoren auf die Zuschüsse des Bundes zu einer Reduzierung der eigenen Initiativen beiträgt und damit die finanzielle Förderung des Hochleistungssports negativ beeinflußt. wird?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Klein, die Sportförderungsmittel des Bundes werden den Verbänden nach dem haushaltsrechtlichen Grundsatz der Subsidiarität gewährt, der das gesamte Zuwendungsrecht beherrscht. Das heißt, eine Förderung ist grundsätzlich nur möglich, wenn die Eigenmittel eines Verbandes zur Finanzierung seiner Maßnahmen allein nicht ausreichen. Erhält ein Verband Mittel von Sponsoren — wir haben das in der ersten Frage ja schon weitgehend dargestellt — oder erzielt er z. B. Überschüsse wegen der Durchführung einer Europameisterschaft, so muß sich dies nach haushaltsrechtlichen Grundsätzen auf die Bemessung der Eigenmittel auswirken. So war es bisher ja auch immer.
Die Deutsche Reiterliche Vereinigung wird 1987 und zunächst zwei weitere Jahre von einer namhaften Autofirma mit jährlich einer halben Million DM unterstützt. Das Bundesministerium des Innern hat dies aus der Presse erfahren. Der Verband hat es unterlassen, das Bundesministerium des Innern davon zu unterrichten. Von der Gesamtsumme von 500 000 DM pro Jahr sollen 1987 — ich wiederhole das, was ich schon in der ersten Frage dargestellt habe — 146 000 DM auf die Bundeszuwendung angerechnet werden; 1988 sollen wegen der Olympischen Spiele nur 100 000 DM als Eigenmittel angerechnet werden. Von einer vollen Anrechnung der Sponsorenmittel kann also nicht die Rede sein. Vielmehr ist die Anrechnung als sehr ausgewogen und äußerst maßvoll anzusehen.
Im übrigen gehen diese Mittel dem Sport nicht verloren: Sie werden vielmehr anderen, weniger publikumswirksamen Fachverbänden, die deshalb finanziell auch weniger gut ausgestattet sind, für die Durchführung von Lehrgängen und Wettkampfmaßnahmen ihrer Spitzensportler zur Verfügung stehen.
3090 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1987
Noch eine Zusatzfrage.
War der Verband über diese Konditionen von Anfang an informiert?
Spranger, Pari. Staatssekretär: Über welche Konditionen?
Über die Kondition, daß die Bonner Mittel dann, wenn Sponsorenmittel kommen, gekürzt werden.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Wir sind davon ausgegangen, daß uns solche Mittel angegeben werden. Wir haben erst aus der Presse erfahren, daß hier 500 000 DM zur Verfügung gestellt wurden. Daß dann natürlich im nachhinein mit der Reiterlichen Vereinigung neu gesprochen werden mußte, und zwar mit dem Ergebnis, das Gegenstand der Diskussion ist, ist ja wohl klar.
Zusatzfrage.
Kann ich Ihrer Antwort entnehmen, daß bei diesem Verband eine Art doppelte Buchführung bestanden hat?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich will hier keine Schlußfolgerung ziehen; das steht mir nicht zu. Ich habe den Sachverhalt so geschildert, wie er sich aus der Sicht des BIBI darstellt. Die Konsequenzen mußten in der Form gezogen werden, wie wir es getan haben.
Keine weiteren Zusatzfragen.
lch rufe die Frage 14 des Herrn Abgeordneten de With auf:
Hält es die Bundesregierung für angebracht und rechtlich zulässig, daß im Freistaat Bayern über den Staatsminister des Innern im Vollzug seines Schreibens vom 2. Juni 1987 Nr. I E 1- 5111/10 — 2/87 mittels der Regierungen „alle Staatlichen Gesundheitsämter und Dienststellen" angewiesen sind, hei jeder Einstellungsuntersuchung einen HIV-Test durchzuführen, auch bei kommunalen Beamten, Polizeidienstbewerbern und anderen Personen, „die sich um eine Stelle als Beamte des Bundes bewerben und in einem bayerischen Gesundheitsamt untersucht werden"?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. de With, wenn Sie gestatten, Herr Präsident, möchte ich die beiden Fragen 14 und 15 wegen des engen Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten.
Dann rufe ich auch die Frage 15 des Herrn Abgeordneten de With auf:
Wenn nein, was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um derartige Zwangsuntersuchungen auf AIDS für Beamte zum Bundesdienst zu unterbinden?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. de With, die Bundesregierung hat im Mai dieses Jahres eine aus neun Ressorts bestehende Kommission unter Federführung des Bundesministers des Innern eingesetzt, die im Hinblick auf die durch das Auftreten der Immunschwäche AIDS entstandenen Fragen einheitliche Regelungen für die Einstellungspraxis in Bund, Ländern und Gemeinden erarbeiten soll. Die Arbeiten dieser Kommission sind noch nicht abgeschlossen. Ihrem Ergebnis sollte nicht vorgegriffen werden. Deshalb möchte die Bundesregierung gegenwärtig davon
absehen, sich zu Einstellungsuntersuchungen für Beamtenbewerber durch Gesundheitsämter der Länder zu äußern.
Zusatzfrage, bitte.
Ich habe nicht, Herr Staatssekretär, eine allgemeine Frage gestellt, sondern präzise die Frage, ob sie es nach dem gegenwärtigen Rechtszustand für rechtlich zulässig hält, daß die bayerische Staatsregierung ihre Gesundheitsämter anweist, Bewerber für den Bundesdienst auf AIDS zu untersuchen, wenn sie aus dem bayerischen Dienst kommen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. de With, mir ist schon klar, daß Sie eine konkrete Frage, bezogen auf Bayern, gestellt haben. Aber wenn ich Ihnen auf eine konkrete Frage nur eine allgemeine Antwort geben kann, so bitte ich um Verständnis, daß natürlich auch diese konkrete Frage in diesen Generalproblembereich, den diese Kommission zu bearbeiten hat, mit einzubeziehen ist. Dies macht es mir unmöglich, Ihre konkrete Frage auch konkret zu beantworten.
Weitere Zusatzfrage.
Ich habe zusätzlich gefragt, ob die Bundesregierung dies für angebracht hält. Das heißt mit anderen Worten: Widerspricht die Haltung der bayerischen Staatsregierung der Politik der Bundesregierung, die vornehmlich von Frau Ministerin Süssmuth vertreten wird?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege de With, es gibt hier zwei Komplexe. Das eine ist die Frage der Rechtmäßigkeit und das andere die Frage der Zweckmäßigkeit. Was Sie jetzt gefragt haben, die Frage der Angemessenheit, geht in die Richtung der Zweckmäßigkeit. Beides ist im Rahmen der Kommissionsarbeit zu klären. Es gibt jedenfalls bisher, was die Rechtmäßigkeit anbelangt, keine Möglichkeit der Feststellung, daß dies unrechtmäßig sei.
Weitere Zusatzfrage.
Ich habe mit meiner zweiten Frage nicht gefragt, ob es unrechtmäßig ist. Das war meine erste Frage. Ich habe mit meiner zweiten Frage präzise gefragt, ob das der Politik der Bundesregierung entspreche, die vornehmlich von Frau Ministerin Süssmuth vertreten wird. Offenbar muß ich noch einmal fragen, ob Sie es nach dieser Politik für angebracht halten.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann die Frage der Zweckmäßigkeit oder der Angemessenheit nicht beantworten, weil, wie ich schon dargestellt habe, eine Kommission, die von neun Ressorts und nicht nur von Frau Ministerin Süssmuth und ihrem Ministerium gebildet wird, diese Fragen zu prüfen hat. Vor Abschluß der Arbeit dieser Kommission kann ich die Frage nach der Angemessenheit und der Haltung der Bundesregierung dazu nicht beantworten.
Letzte Zusatzfrage.
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1987 3091
Das heißt mit anderen Worten: Nach der derzeitigen Politik nimmt die Bundesregierung es hin, daß, in welchem Land auch immer, Bewerber für den Bundesdienst, wenn sie aus dem Dienst der Länder oder aus gemeindlichen Diensten kommen, von den dortigen Gesundheitsämtern auf AIDS untersucht werden müssen.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Es ist Sache der Länder, in welchem Ausmaß sie die Überprüfungen vorsehen. Inwieweit das in Bayern und in anderen Ländern praktiziert wird, weiß ich nicht. Jedenfalls besteht für die Bundesregierung zur Zeit kein Anlaß, zur Situation in Bayern irgend etwas zu veranlassen.
Weitere Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Lüder, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, für den Fall, daß ein positives Ergebnis des HIV-Tests bei einem bayerischen Bewerber für den Bundesdienst festgestellt wird: Wie entscheidet die Bundesregierung über den Einstellungswunsch des Bewerbers, insbesondere, wenn es sich um einen Vorbereitungsdienst handelt?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Lüder, das kann ich nur abstrakt beantworten, nämlich dergestalt, daß jede Einstellungsbehörde entsprechend dem Ergebnis der Untersuchung entscheidet, was mit dem Bewerber zu geschehen hat.
Noch eine Zusatzfrage.
Darf ich daraus entnehmen, daß also das Testergebnis beim Bewerbungsvorgang berücksichtigt wird, und wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich kann Ihnen nicht sagen, inwieweit die Einstellungsbehörde dieses Testergebnis nun berücksichtigt. Das ist der jeweiligen Einstellungsbehörde zu überlassen. Hier hat insbesondere der BMI keine Anweisungen erteilt.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Klein.
Werden die Sachverhalte, die Sie geschildert haben, und Ihre Auffassungen auch von Frau Süssmuth geteilt?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Ich habe keine Analysen über das anzustellen, was in den einzelnen Ressorts an Überlegungen stattfindet, die in dieser Kornmission mitberaten, die aus insgesamt neun Ministerien zusammengesetzt ist.
Eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jansen.
Herr Staatssekretär Spranger, wenn ich Ihre Antworten richtig interpretiere — und ich bitte Sie, mir dies zu bestätigen — , ist die Position, die Frau Ministerin Süssmuth vertritt, nämlich nicht so zu verfahren, wie es in Bayern geschieht, ihre Privatposition und nicht die Meinung der Bundesregierung.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Sie können mich nicht in der einen oder anderen Form interpretieren. Ich kann nicht mehr sagen als das, was ich bereits zum Ausdruck gebracht habe. Ich bitte, mich auch nicht zu einer Meinungsäußerung über vermutete oder mögliche oder tatsächliche Stellungnahmen anderer Ministerien zu zwingen, die in dieser aus neun verschiedenen Ressorts zusammengesetzten Kommission nun in dem laufenden Meinungsbildungsprozeß zu einem Ergebnis kommen sollen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lambinus.
Herr Staatssekretär, davon ausgehend, daß Sie hier für die Bundesregierung antworten, darf ich noch einmal fragen: Worin bestehen denn die Unterschiede zwischen der Haltung der Frau Minister Süssmuth und dem von der Bundesregierung offensichtlich praktizierten Verfahren?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Lambinus, gerade weil ich für die Bundesregierung antworten soll, kann ich nur insofern Auskunft geben, als sich hier eine einheitliche Meinung gebildet hat. Diese wird in dieser Kommission erarbeitet.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Dann rufe ich die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Richter auf.
Wie viele Falle und Mehrfachvergabe gleicher Seriennummern beim fälschungssicheren und maschinenlesbaren Bundespersonalausweis sind der Bundesregierung bekannt?
Bitte sehr.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Richter, seit Inkrafttreten des neuen Personalausweisgesetzes am 1. April 1987 wurden rund 4,8 Millionen fälschungssichere und maschinell lesbare Personalausweise ausgegeben. Bei der Bearbeitung der Anträge auf Ausstellung eines Personalausweises haben die Personalausweisbehörden der Länder bis zum 29. Oktober dieses Jahres in 3 996 Fällen gleiche Seriennummern doppelt zugeteilt. Die Bundesdrukkerei, der von den Personalausweisbehörden die Anträge zur Herstellung der Personalausweise übersandt werden, hat auf die Vergabe der Seriennummer keinen Einfluß. Sie hat jedoch auf Anregung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz ein Kontrollsystem geschaffen, mit dem von den Personalausweisbehörden mehrfach vergebene Seriennummern festgestellt werden können. Diese Feststellung kann derzeit allerdings in der Regel erst nach der Herstellung und Versendung des Ausweises getroffen werden.
Die Innenressorts der Länder sowie der Bundesminister des Innern werden von der Bundesdruckerei über erfolgte Mehrfachvergaben der Landespersonalausweisbehörden unterrichtet. Auf Grund der Mitteilungen der Bundesdruckerei über festgestellte Mehrfachvergaben von Seriennummern hat der Bundesminister des Innern die Länder vorsorglich gebeten, bei den in Betracht kommenden Personalausweisbehör-
Parl. Staatssekretär Spranger
den auf Abstellung der festgestellten Mängel hinzuwirken.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Trifft es zu, Herr Staatssekretär, daß das derzeit bei der Bundesdruckerei praktizierte Verfahren dazu führt, daß die bei den Gemeinden verursachten Vergabefehler nur in bestimmten Fällen aufgedeckt werden und Seriennummern, die über den Abrechnungszeitraum von vier bis acht Wochen hinaus doppelt vergeben wurden, unentdeckt bleiben können?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Es ist zutreffend, daß ein gewisser Zeitraum verstreicht, bis eine derartige Feststellung erfolgt. Ich darf daran erinnern, daß der Datenschutzbeauftragte der Meinung ist, daß mit dem jetzt praktizierten Verfahren der Mitverantwortung, die dem Bund im Hinblick auf die Gewährleistung der Vergabe fortlaufender Seriennummern bzw. die Aufdeckung einer Mehrfachvergabe obliegt, in angemessener Weise Rechnung getragen wird. Inwiefern hier Fehler bei den Länderbehörden und bei den Ausstellungsbehörden gegeben sind und was die Ursachen dafür sind, wäre bei den Ländern abzuklären.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lüder.
Herr Staatssekretär, wie beurteilt die Bundesregierung gerade im Hinblick auf die Debatten über die Sicherheit des fälschungssicheren Ausweises diese Fehlerquelle?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Lüder, hier ist festzustellen, daß die Funktion des Personalausweises als Legitimationspapier durch die Mehrfachvergabe einer Seriennummer nicht beeinträchtigt wird. Die zur Verhinderung des Mißbrauchs von Personalausweisen geschaffene Fälschungssicherheit leidet ebenfalls keinen Schaden. Auch ein mit gleicher Seriennummer versehener Personalausweis ist fälschungssicher. Gleichwohl müssen von den Ländern Vorkehrungen zur Verhinderung einer Mehrfachvergabe von Seriennummern getroffen werden, um für den Ausweisinhaber bei einer etwaigen Kontrolle von ihm nicht zu vertretende Schwierigkeiten zu vermeiden. Der Bundesminister des Innern hat wiederholt bei den Ländern darauf hingewirkt, solche Fehlerquellen auszuschließen. Aber es liegt nun in der Kompetenz der Länder, dafür zu sorgen, daß solche Fehler nicht passieren.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 17 des Herrn Abgeordneten Richter auf:
Auf welche Umstände sind diese Mehrfachvergaben zurückzuführen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Richter, die Mehrfachvergaben gleicher Seriennummern durch die Personalausweisbehörden der Länder dürften auf Versehen bei der Antragsbearbeitung zurückzuführen sein.
Zusatzfrage, bitte.
Teilen Sie die Auffassung, daß die Sicherungsmaßnahmen bei der Bundesdruckerei unzureichend sind, und trifft es zu, daß die Bundesdrukkerei ihrerseits eine Verpflichtung ablehnt, über ein lückenloses Prüfverfahren die Doppelvergabe von Seriennummern auszuschließen, daß nach Ansicht der Bundesdruckerei vielmehr die Länder und Gemeinden die Verantwortung für die korrekte Vergabe der Ausweisnummern tragen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Es gibt hier auch Informationen aus den Ländern, die nach den Ursachen solcher Fehler fragen. Aus diesen ergibt sich, daß entweder der Antrag unrichtige Informationen enthielt oder bei der Bundesdruckerei Fehler bei der manuellen Eingabe der Daten entstanden sind oder Bearbeitungsfehler bei den Ausweisbehörden für die Mehrfachvergabe von Seriennummern ursächlich sind. Es ist so, daß in der Druckerei und bei den Ausweisbehörden Fehler passieren können. Es sind Menschen am Werk. Das ist in anderen Behörden ähnlich. Wir müssen versuchen, die Zahl der Fehler zu minimieren. Die Bemühungen der Bundesdruckerei konzentrieren sich darauf, natürlich auch die Bemühungen bei den Ländern. Wir haben auch mehrfach angemahnt, bloß, wir haben natürlich keine Weisungsbefugnis.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lüder.
Herr Staatssekretär, im Nachgang zu der Antwort, die Sie eben gegeben haben in bezug auf die mehrfachen Nachfragen bei der Bundesdruckerei, frage ich: Welche konkreten Vorschläge hat die Bundesregierung der Bundesdruckerei unterbreitet, um diese Fehler weitestgehend auszuschließen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Es ist sicher nicht Sache des Bundesinnenministers, Vorschläge zu machen. Das ist Sache der Behörde, die die Ursache der Fehler eruieren und Vorschläge unterbreiten muß. Es gibt, was die Beschleunigung des Verfahrens anlangt, Überlegungen, die allerdings kosten- und personalintensiv sind. Es ist dann eine Frage, ob auch die entsprechenden Finanzmittel für solche Verbesserungen zur Verfügung stehen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Nöbel.
Herr Staatssekretär, sind Sie wirklich der Meinung, daß ein falscher Personalausweis fälschungssicher sein kann?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Der Personalausweis ist nicht falsch; denn er betrifft dieselbe Person mit denselben Personaldaten. Das alles stimmt. Lediglich die Seriennummer ist in zwei Ausweisen vorhanden. Damit ist der Ausweis nicht falsch.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Hirsch auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgese-
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Vizepräsident Stücklen
hen. Das gilt auch für die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Dr. Hirsch.
Ich rufe die Frage 20 des Herrn Abgeordneten Dr. Nöbel auf:
In wie vielen Fallen sind von der Bundesdruckerei bei der Ausstellung der neuen fälschungssicheren und maschinenlesbaren Personalausweise doppelte Seriennummern vergeben worden?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Nöbel, ich muß leider im wesentlichen die Antwort wiederholen, die ich bereits dem Kollegen Richter erteilt habe. Seit Inkrafttreten des Personalausweisgesetzes am 1. April 1987 wurden rund 4,8 Millionen fälschungssichere und maschinell lesbare Personalausweise ausgegeben. Die Mehrfachausgabe betrifft 3 996 Fälle mit gleichen Seriennummern, doppelt zugeteilt. Die Bundesdruckerei, der von den Personalausweisbehörden die Anträge zur Herstellung der Personalausweise übersandt werden, hat auf die Vergabe der Seriennummer keinen Einfluß. Sie hat jedoch auf Anregung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz ein Kontrollsystem geschaffen, mit dem von den Personalausweisbehörden mehrfach vergebene Seriennummern festgestellt werden können. Ich sagte schon, daß dieses Kontrollsystem mit entsprechendem finanziellem, organisatorischem und personellem Aufwand auch noch anders gestaltet werden kann. Aber ich habe auch schon betont, daß aus der Sicht des Datenschutzes dieses bisher praktizierte Verfahren ausdrücklich akzeptiert und als ausreichend angesehen worden ist. Ich habe auch schon dargestellt, daß der Bundesminister des Innern diese Mehrfachvergaben zum Anlaß genommen hat, die Länder auf ihre Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Ausstellung der Seriennummern hinzuweisen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, da ich annehme, daß Ihnen die Presseerklärung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz bekannt ist: Was sagen Sie zu seiner Feststellung — sie bezieht sich auf Vorhaltungen aus Ihrem Hause — , es sei falsch und unredlich, für die mehrfache Vergabe der gleichen Seriennummer den Datenschutz verantwortlich zu machen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Nöbel, es gibt hier unterschiedliche Interpretationen zu den jeweiligen Aussagen, insbesondere was den Vorwurf anbelangt, den Sie zitiert haben, auf den der Datenschutzbeauftragte reagiert hat. Ich bleibe bei meiner Darstellung und will hier den Datenschutzbeauftragten, der ausdrücklich das Verfahren, wie es jetzt bei der Bundesdruckerei durchgeführt wird, akzeptiert hat, in keine Verantwortung nehmen.
Weitere Zusatzfrage.
Was sagen Sie zu der Bemerkung in der gleichen Pressemitteilung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, daß er in den vergangenen Jahren wiederholt beim Bundesinnenminister Vorkehrungen gegen eine Mehrfachvergabe der Seriennummer gefordert hat und eigentlich nur erreicht hat, daß man jetzt im nachhinein Fehler feststellt?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Nein, ich kann hier sagen, daß der Datenschutzbeauftragte noch im Oktober 1986 das bisherige Verfahren ausdrücklich akzeptiert hat.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Dr. Nöbel auf.
Welche Ursachen haben zu dieser Mehrfachvergabe gleicher Seriennummern geführt, und was hat die Bundesregierung unternommen, um in Zukunft ein geordnetes Ausstellungsverfahren zu gewährleisten?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Dr. Nöbel, die Mehrfachvergaben gleicher Seriennummern durch die Personalausweisbehörden der Länder dürften auf Versehen bei der Antragsbearbeitung zurückzuführen sein — ich hatte das vorhin schon dargestellt — , entweder zum Teil in der Bundesdruckerei oder vor allem in den Ausweisbehörden.
Keine Zusatzfragen mehr. Ich rufe die Frage 22 des Abgeordneten Bernrath auf:
Ist die Bundesregierung bereit, die Ruhegehaltfähigkeit der sogenannten Sicherheitszulage für Angehörige der Sicherheitsdienste vorzuschlagen?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Bernrath, in der Innenministerkonferenz am 26. April 1985 ist das Thema Sicherheitszulage nur allgemein erörtert worden. Eine Entscheidung wurde nicht getroffen. Allerdings hat sich der Vorsitzende der Innenministerkonferenz bereits im Juni 1985 an die Finanzministerkonferenz gewandt und vorgeschlagen, die Sicherheitszulage ganz oder teilweise für ruhegehaltfähig zu erklären.
Die Finanzministerkonferenz hat hierzu am 14. November 1985 im wesentlichen beschlossen, die Prüfung der Frage der Ruhegehaltfähigkeit der Sicherheitszulage sei nur nach Schaffung einheitlicher Grundsätze für die Ruhegehaltfähigkeit der Stellenzulagen und im Rahmen einer Überprüfung aller Stellenzulagen vertretbar. Andernfalls wären Auswirkungen auf andere Zulagen und berechtigte Anschlußforderungen unvermeidbar.
Bei dieser Sachlage sieht die Bundesregierung keine Möglichkeit die Ruhegehaltfähigkeit der Sicherheitszulage vorzusehen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, Ihr Haus hat auf Anfrage — auch aus der Innenministerkonferenz — mehrfach gesagt, daß Sie die Frage der Ruhegehaltfähigkeit dieser Sicherheitszulage nicht isoliert behandeln wollten, sondern daß Sie die Betrachtungen einbeziehen wollten in Ihren Bericht zur strukturellen Entwicklung des öffentlichen Dienstes. Zunächst meine Frage: Sind Sie bereit, auch die Frage des Systems der Ruhegehaltfähigkeit in diesem Bericht zu erörtern?
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Bernrath, auch dieser Bericht ist nicht ausschließlich ein Bericht des Bundesinnenministers, sondern muß na-
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Parl. Staatssekretär Spranger
türlich auch mit dein BMF abgestimmt werden; es muß hier Einvernehmen erzielt werden. Ich kann im Zusammenhang mit dieser Frage nur feststellen: Das Einvernehmen wird nicht im Gegensatz zu dem stehen können, was ich Ihnen in der Antwort auf Ihre Frage übermittelt habe.
Weitere Zusatzfrage.
Dann möchte ich Sie, Herr Staatssekretär, doch fragen, ob Sie nicht die Notwendigkeit sehen — auch vor dem Hintergrund des vom Parlament geäußerten Wunsches, in diesem Bericht die Fragen der Zulagen zu erörtern —, diese Verwendungszulage und ihre Ruhegehaltfähigkeit auch unter dem Gesichtspunkt zu erörtern, daß hier die Besonderheit vorliegt, daß Belastungen, Einschränkungen und Wirkungen auf die Betroffenen vorliegen, die weit über die aktive Dienstzeit hinausreichen. Ich denke dabei etwa daran, daß das Reisen in kommunistisch gelenkte Staaten ihnen auch nach der Zurruhesetzung untersagt ist. Andere Dinge, die Sie aus Ihren Akten sicherlich kennen, will ich hier der Zeitökonomie wegen nicht im einzelnen aufführen.
Spranger, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Bernrath, Sie können davon ausgehen, daß der Innenminister und ich das Anliegen, das Sie hier mit einigen Beispielen und Argumenten untermauert haben, nicht nur ernst nehmen, sondern auch, wie ich in dem ersten Teil meiner Antwort zu vermitteln versuchte, zusammen mit den anderen Kollegen aus den Innenressorts der Länder an den Finanzminister herangetragen haben.
Ich bin gern bereit, zu prüfen, inwieweit eine Stellungnahme zu dem, was Sie hier dargelegt haben, im Strukturbericht noch möglich ist.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft. Die Fragen 23 und 24 des Abgeordneten von Schmude sowie die Frage 25 des Abgeordneten Stiegler sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Gallus zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Eylmann auf:
Welcher Anteil der in der Bundesrepublik Deutschland vorhandenen Grünlandflächen wird nach Einschätzung der Bundesregierung in Zukunft nicht mehr für die Milchproduktion benötigt?
Herr Kollege, in der Bundesrepublik Deutschland wurden 1986 rund 4,54 Millionen ha als Grünlandflächen genutzt. Seit Einführung der Garantiemengenregelung, die bisher einen Rückgang der Zahl der Milchkühe um 495 000 — das entspricht 8,7 % der Gesamtzahl — zur Folge hatte, ist statistisch
ein stärkerer Rückgang der Grünlandflächen als vorher nicht ableitbar. Nicht abschätzen läßt sich der Anteil an Grünlandflächen, der künftig für die Milchproduktion nicht mehr benötigt wird, da dieser Anteil von vielen Faktoren abhängig ist, z. B. von der durchschnittlichen Milchleistung je Kuh sowie dem Anteil des Feldfutters am Rauhfutterbedarf.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, geht die Bundesregierung aber davon aus, daß es in Zukunft zumindest einen Anteil an den Grünflächen, der nicht zu vernachlässigen ist, geben wird, der nicht für die Milchproduktion benötigt wird?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Zunächst einmal möchte ich Ihnen ein paar Zahlen aus der Statistik nennen. 1980 hatten wir in der Bundesrepublik 7,27 Millionen ha Ackerland; 1986 waren es 7,251 Millionen ha. 1980 hatten wir in der Bundesrepublik 4,754 Millionen ha Grünland; 1986 waren es 4,537 Millionen ha. Es handelt sich also nur um marginale Veränderungen.
Sie müssen wissen, daß auch Schafe, die normalerweise nicht zur Milchhaltung gebraucht werden, und Masttiere — Bullen usw. — oder Mutterkühe ebenfalls Grünland benötigen, so daß wir hier keine Aussagen machen können.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, liegen der Bundesregierung Zahlen darüber vor, in welchem Umfang in den letzten Jahren Grünland in Ackerland umgewandelt worden ist?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Ich habe Ihnen die Zahlen ja schon genannt. Hier haben sich ebenfalls keine wesentlichen Änderungen vollzogen. 1980 hatten wir 7,27 Millionen ha Ackerland, 1986 waren es 7,251 Millionen ha. Die Differenz zwischen 1980 und 1986 beträgt also lediglich 19 000 ha.
Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 27 des Herrn Abgeordneten Eylmann auf.
Ist die Bundesregierung bereit, durch flächenbezogene Ausgleichszahlungen oder auf andere Weise, etwa durch Förderung der Bullenmast auf Grünlandflächen, die aus ökologischen Gründen unerwünschte Entwicklung zu verhindern, daß die für die Milchproduktion nicht benötigten Grünlandflächen in Akkerflächen umgewandelt werden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Milchgarantiemengenregelung wird sich auch künftig wie bereits in den vergangenen Jahren als ein stabiles Schutzschild für die Grünlandgebiete erweisen. Im übrigen soll als eine Maßnahme zur Verringerung der Getreideerzeugung die Umwandlung von Getreideanbauflächen in extensiv zu nutzendes Grünland gefördert werden. Zur Verringerung der Rindfleischerzeugung soll die Umstellung der Masttierhaltung auf die Mutterkuhhaltung förderungsfähig sein. Jeder Landwirt, der sich an dieser Maßnahme beteiligt, muß sich unter anderem verpflichten, kein Grünland umzubrechen. Auf diese Weise soll also durch
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Parl. Staatssekretär Gallus
Extensivierungsmaßnahmen, die auf Grund der EG-Verordnung Nr. 1760/87 bis Ende März 1988 in Kraft gesetzt werden müssen, der Anteil des Grünlands an der landwirtschaftlich genutzten Fläche möglichst erhalten, wenn nicht sogar ausgedehnt werden. In die gleiche Richtung wirken bereits Förderungsmaßnahmen der Bundesländer, zum Beispiel Wiesenbrüterprogramme und Feuchtwiesenprogramme.
Zusatzfrage? — Herr Abgeordneter Eigen, bitte sehr.
Herr Staatssekretär, wenn Sie mit Recht sagen, daß die Umstellung von Bullenmast auf Mutterkuhhaltung gefördert werden soll, darf ich dann fragen, wie weit Sie in der möglichen EG-Förderung der Mutterkuhhaltung sind, die heute schon von der Europäischen Gemeinschaft gefördert wird, nämlich weitere 25 ECU, die möglich sind, auszuzahlen; wie weit sind dort die Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den Ländern?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, die Bundesregierung ist der Meinung, daß die nationale zusätzliche Prämie für die Mutterkuhhaltung von den Ländern zu erbringen ist.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 28 der Frau Abgeordneten Weyel auf:
Welche Haltung hat der Bundesminister tür Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eingenommen bei der Entscheidung der EG-Agrarminister, den Import von US-Fleisch von mit Wachstumshormonen behandeltem Vieh in die EG-Staaten auf ein weiteres Jahr zuzulassen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin Weyel, die Bundesregierung hat im EG-Agrarministerrat am 16. his 18. November einer Übergangsregelung für die Einführung des Hormonverbots zugestimmt. Entscheidend für die deutsche Haltung im Ministerrat war, daß es durch die Mitwirkung der Bundesregierung gelang, den Kommissionsvorschlag, der eine Verschiebung des Hormonverbots um 18 Monate und die Aufhebung des Hormonverbots im Handelsverkehr vorsah, dahin zu ändern, daß nunmehr erstens alle Mitgliedstaaten ab 1. Januar 1988 das Hormonverbot tatsächlich anwenden müssen, zweitens alle Mitgliedstaaten, insbesondere die, die das Verbot erst ab 1. Januar 1988 anwenden, sich verpflichtet haben, ab 1. April 1988 keine hormonbehandelten Tiere mehr in Verkehr zu bringen oder zu schlachten, und drittens der Handelsverkehr mit Fleisch hormonbehandelter Tiere — dies betrifft ab 1. April 1988 nur die Einfuhr aus Drittländern — nur noch bis zum 31. Dezember 1988 gestattet ist.
Bei Nichtzustandekommen einer Entscheidung hätte die EG-Kommission innerhalb von drei Monaten in eigener Verantwortung ihre Regelungen erlassen können. Diese hätten sich aus Gründen des Verbraucherschutzes und des Wettbewerbs zum Nachteil der Bundesrepublik Deutschland ausgewirkt.
Die Mitgliedstaaten, die bereits jetzt wie die Bundesrepublik Deutschland ein totales Verbot der Anwendung von Hormonen zu Mastzwecken haben, können ihre Handelsverbotsregelung unverändert beibehalten. Die Aufrechterhaltung des Status quo war für die Bundesregierung entscheidend bei ihrer Zustimmung zu einer Übergangsregelung, die unsere agrar-, verbraucher- und handelspolitischen Anliegen berücksichtigt.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, könnten Sie mir die geheimnisvolle Formulierung „Dies hätte sich zum Nachteil der Bundesrepublik ausgewirkt" etwas näher erläutern?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Ich habe es Ihnen erklärt, Frau Kollegin, nämlich daß das, was die Kommission vorgeschlagen hat, eine Verschiebung des Hormonverbots um 18 Monate und die Aufhebung des Hormonverbots im Handelsverkehr vorsah. Das heißt, daß Sie, wenn der Kommissionsvorschlag durchgegangen wäre, nicht mehr hätten kontrollieren dürfen. Fleisch, das zum Beispiel aus den USA gekommen wäre, hätten wir nicht mehr zurückweisen können, wenn wir auf Grund der Rückstandsverordnung tatsächlich nachgewiesen hätten, daß es mit Hormonen behandelt worden ist — was wir heute können und jetzt auch können, weil dieser Kompromiß zustande kam.
Zusatzfrage, bitte.
Also da habe ich ein bißchen Schwierigkeiten, das zu verstehen. Wieso können wir es zurückweisen, wenn die Einfuhr erst ab 1. Januar '89 verboten ist? Ich füge hinzu: Sie erinnern sich sicher, daß wir diese Frage schon vor längerer Zeit im Agrarausschuß behandelt haben. Ist eigentlich Ihr Haus in dieser Frage einmal aktiv tätig gewesen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Immer, Frau Kollegin; die ganze Zeit!
Der Bundesminister Kiechle war es, der in Brüssel am entschiedensten dafür gekämpft hat, daß die Anwendung von Hormonen überhaupt verboten worden ist. Sie wissen — ich brauche es Ihnen nicht zu sagen —: Schwierigkeiten hat es dann am Ende aus handelspolitischen Gründen mit den Vereinigten Staaten gegeben. Deshalb mußte der neue Kompromiß gesucht werden.
— Der erste Teil ist insofern zu beantworten, als ich wiederholen kann: Die Rückstandsverordnung für Fleisch gilt auch weiterhin bei Hormonen. Wenn Rückstände von Hormonen festgestellt werden, kann das Fleisch zurückgewiesen werden. Das bleibt voll bestehen. Da gibt es überhaupt keine Schwierigkeiten, weil wir das im Kompromiß erreicht haben. Nur, ich muß der Ehrlichkeit halber zugeben: Es ist natürlich nicht einfach, Rückstände bei Hormonverwendung nachzuweisen, wenn eine gewisse Zeit verstrichen ist; darüber sind wir uns auch im klaren. Aber der Verbraucher wird dahin geschützt, daß keine Rückstände mehr vorhanden sein dürfen, wenn dieses
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Parl. Staatssekretär Gallus
Fleisch, z. B. aus den USA, auch im nächsten Jahr in die Bundesrepublik Deutschland kommt.
Herr Abgeordneter Eigen, bitte, Zusatzfrage.
Gehe ich richtig in der Annahme, Herr Staatssekretär, daß die Bundesregierung — auch mit Unterstützung des Ernährungsausschusses — hier zum erstenmal einen großen Erfolg bei einer Angleichung der Wettbewerbsmöglichkeiten innerhalb der EG und auch bei der Zurückweisung von Fleisch, das hormonbehandelt ist, und damit auch einen wesentlichen Erfolg beim Verbraucherschutz gehabt hat? Gehe ich da richtig in der Annahme?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Sie gehen recht in Ihrer Annahme, Herr Kollege.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Carstensen.
Herr Staatssekretär, können Sie mir zustimmen, daß dies nicht nur eine Möglichkeit gewesen ist, Wettbewerbsverzerrungen abzubauen, sondern auch eine Aktivität gewesen ist, die — genauso wie das Durchhalten beim Imitationsverbot bei Wurst und bei Milchprodukten — im Sinne der Verbraucher geschehen ist?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Das ist so. Nur darf man diese Hormon-Geschichte nicht in einen Topf mit dem Imitationsverbot werfen. Aber es wird bei all diesen Entscheidungen deutlich, wie sehr die Bundesregierung darum bemüht ist, den deutschen Verbraucher zu schützen.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Unruh.
Herr Staatssekretär, wissen Sie, ob es hormongeschädigte Verbraucher gibt?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, ich bin kein Wissenschaftler, aber ich will Ihnen sagen, was ich weiß: Die Auseinandersetzung mit den Amerikanern um das Hormonverbot ist deshalb so hart, weil sie wissenschaftlich nachweisen können, daß Geschlechtshormone, bei Tieren angewendet, für Menschen unschädlich sind, wenn die entsprechenden Karenzzeiten eingehalten sind. Deshalb sind auch bei Tieren angewandte Geschlechtshormone von der Weltgesundheitsorganisation bis heute nicht verboten worden. Wir haben sie in der Bundesrepublik Deutschland verboten, und wir haben dafür gesorgt, daß sie in der EG verboten worden sind.
Aber wissenschaftlich kann das nicht begründet werden. Man kann nur sagen: Wir wissen nicht alles. Die Amerikaner demgegenüber sagen, daß die Wissenschaft eindeutig festgestellt hat: Es gibt bei Menschen keine Schäden, wenn man die Karenzzeiten einhält. Und sie haben gleichzeitig gesagt: Was von der Weltgesundheitsorganisation zugelassen ist, kann die EG nicht verbieten. Und es kann durchaus sein, daß die uns vor dem Internationalen Gerichtshof — oder was es da sonst noch alles gibt — am Ende noch einen Prozeß anhängen, um diese Frage auch juristisch endgültig klären zu lassen. Aber das, was ich hier soeben gesagt habe, ist der Kompromiß, der jetzt in der EG mit den Amerikanern gefunden worden ist.
Weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Garbe.
Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die Milch der Kühe, an denen in der FAL Braunschweig Experimente mit Wachstumshormonen vorgenommen wurden, nach Bekanntwerden dieser Experimente und nach Protesten der Bevölkerung nicht mehr in den Handel kommen durfte, und wieso kann nun das Fleich aus den USA — wenn auch nur in einer Übergangszeit — jetzt auch in die Bundesrepublik eingeführt werden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Also, Frau Kollegin, hier verwechseln Sie zwei Dinge: Es gibt die Geschlechtshormone, die bisher — da habe ich Ihnen den Kompromiß dargelegt — zur Tiermast verwendet worden sind und noch verwendet werden, in Amerika und auch in den anderen EG-Ländern. Und es gibt andere Hormone, die jetzt — wenn ich das einmal so sagen darf — neu erprobt werden, und zwar weltweit. Das sind körpereigene Laktationshormone, sogenannte Somatotropine, die jedes Tier zu Beginn der Laktation entwickelt. Es ist der Wissenschaft gelungen, dieses Hormon zu entwickeln. Es ist eine Tatsache, daß Kühe, wenn man ihnen dieses Hormon verabreicht, 20 bis 40 % oder 20/30 % — man weiß es nicht so genau — mehr Milch geben. Das kann höchstwahrscheinlich auch — das weiß man noch nicht so genau — zur Mast eingesetzt werden. Hier sagen die Wissenschaftler, daß diese Art Hormone völlig unschädlich sei. Ich kann hier nur wiedergeben, was die Wissenschaftler sagen. Tatsache ist — ich weiß es nicht von dem Test in Braunschweig, sondern von dem in Amerika — , daß an 40 000 Studenten Milch vergeben worden ist, die von Somatotropinbehandelten Tieren kam, und die Studenten den Verzehr dieser Milch abgelehnt haben, was ich auch begrüße, weil wir diesen Unsinn aus agrarpolitischen Gründen nicht brauchen. Das agrarpolitische Problem besteht für mich darin, über Spritzen gewissermaßen 30 bis 40 % mehr Milch zu produzieren. Insofern begrüße ich die Haltung der Studenten in Amerika.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Eigen auf:
Wann wird nach Meinung der Bundesregierung der Ministerrat der Europäischen Gemeinschaft eine Vorlage der Kommission der Europäischen Gemeinschaft beschließen, die für alle zwölf Mitgliedslander eine verbindliche Vorruhestandsregelung mit Flächenstillegung oder Teilflächenstillegung vorschreibt?
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Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, die EG-Kommission hat ihre neuen Vorschläge zum Thema Vorruhestand am 21. April 1987 vorgelegt. Diese Vorschläge enthalten den Vorruhestand mit der Stillegung ganzer Betriebe und mit einer strukturverbessernden Abgabe der Flächen als zweite Alternative. Diese Vorschläge sind mit Vorschlägen über nationale und gemeinschaftliche Einkommensbeihilfen von der Kommission zu einem Paket verbunden worden. Diese Verbindung hemmt die Beschlußfassung in Brüssel, da über die Einkommensbeihilfe noch ein intensiver Meinungsaustausch stattfinden muß. Zur Beschleunigung der Beschlußfassung über die Vorruhestandsregelung hat die Bundesregierung in Brüssel vorgeschlagen, die Vorruhestandsregelung von den Einkommensbeihilfen zu trennen. Die Bundesregierung ist an einer baldigen Beschlußfassung interessiert. Ein Termin kann jedoch zur Zeit nicht genannt werden.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, eigentlich hätte diese Vorruhestandsregelung zu der Extensivierung gehört, die von Brüssel beschlossen worden ist, wozu Sie jetzt zum 31. März 1988 die Verordnung herausbringen, damit das in der Bundesrepublik durchgeführt werden kann. Die Landwirte draußen warten auf eine solche Regelung des Vorruhestandes. Ich halte das für sehr dringend, weil man nicht jahrelang etwas propagieren kann, worauf sich die Menschen dann einstellen, diese dann aber nicht die Möglichkeit dazu bekommen, weil irgendwelche Verzögerungen auftreten. Wie wollen Sie das in Brüssel forcieren?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich freue mich außerordentlich, daß die Landwirte darauf warten. Vor zwei Jahren, als ich das Konzept für Vorruhestandsregelung mit Flächenstillegung entwickelte, habe ich andere Töne gehört. Ich freue mich, daß hier ein Sinneswandel eingetreten ist. Gleichzeitig wird aber deutlich, wie schwer es ist, unsere Auffassung in Brüssel durchzusetzen, wobei bei den meisten europäischen Ländern die Lösung der Probleme dergestalt erfolgen soll, daß die Preise ins Unendliche absinken sollen, während die Bundesregierung, mit unserem Bundeslandwirtschaftsminister an der Spitze, bemüht ist, die Preise zu halten, aber dafür auf der anderen Seite Flächen und — in diesem Fall — Betriebe aus der Produktion zu nehmen, um die Mengen zu reduzieren. Jetzt wird der Gipfel in Kopenhagen zeigen, wo sich die hochverehrten Regierungschefs Europas der Fragen der Agrarpolitik zu bemächtigen haben, inwieweit die einzelnen Probleme auch in dieser Hinsicht gelöst werden.
Eine Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, daß ich die Frage mit Absicht so gestellt habe, daß mit der Vorruhestandsregelung Flächenstillegung und Teilflächenstillegung ermöglicht werden sollen, weil wegen der absoluten Flächenstillegung der Widerstand kam, eine solche Vorruhestandsregelung anzunehmen, vor allem aus süddeutschen Bundesländern, wo man vor allen Dingen im Mittelgebirgsbereich befürchtete, daß die
Räume leerlaufen würden? Insgesamt brauchen wir dennoch die Vorruhestandsregelung.
Gallus, Parl. Staatssekretär: „Insgesamt" ist richtig. Ich kann zustimmen, daß wir einen gewaltigen Strukturwandelstau in der Bundesrepublik Deutschland haben, weil wir bei den Klein- und Vollerwerbsbetrieben einfach keine Hofnachfolge haben. Mir wäre es auch recht, wenn beide Maßnahmen gleichzeitig nebeneinander laufen könnten. Sollte allerdings bei der EG die Vorruhestandsregelung mit der Stillegung der Betriebe nicht akzeptiert werden, dann haben wir uns zu überlegen, ob wir nicht wieder die alte Landabgaberente einführen, um den Strukturwandel dergestalt zu forcieren, daß die Wettbewerbsfähigkeit unserer Betriebe im Vordergrund steht.
Eine weitere Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Weyel.
Herr Staatssekretär, haben Sie schon konkrete Vorstellungen, wie Sie diese Flächenstillegung auf längere Zeit festhalten wollen, damit die Flächen nicht nach ein paar Jahren wieder in den Handel kommen?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Für die Vorruhestandsregelung haben wir ein Konzept. Es ist im Bundeslandwirtschaftsministerium bereits entwickelt worden. Wenn dieses Konzept von seiten der EG mitgetragen und auch mitfinanziert wird — es kann nur von EG, Bund und Ländern gemeinsam finanziert werden — , dann muß man natürlich zu einer Lösung kommen, die vertraglich abgesichert ist. Sonst wäre dem Betrug Tür und Tor geöffnet.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jansen.
Herr Staatssekretär Gallus, darf ich Sie trotz der erkennbaren emotionalen Erregung, die Sie hier zeigen, fragen, ob sich die Bundesregierung hinsichtlich des Konzepts einer Vorruhestandsregelung wirklich bis auf den letzten Punkt damit auseinandergesetzt hat, mit welcher Lukrativität und in welcher Differenziertheit das finanzielle Angebot, das in der EG verhandelt werden muß, im Endergebnis zustandezukommen hat, damit es greift, weil ich gerne von Ihnen wissen möchte, ob auch Sie der Meinung sind, daß die Vorruhestandsregelung vielleicht die einzige und letztlich am wirkungsvollsten auszugestaltende Chance für Flächenstillegungen ist.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Das ist richtig. Wir bekommen ja erst die Teilflächenstillegung, was unser Kollege Eigen hier bereits gesagt hat. Das muß bis zum 30. März vorgelegt werden. Das kann aber niemals den Effekt wie die Herausnahme ganzer Betriebe haben. Das muß man sehen.
Hier spielt natürlich die finanzielle Dotierung eine Rolle. Nur darf man sich nicht dem Wahn hingeben — ich möchte das von dieser Stelle aus einmal deutlich sagen —, als könnte man das Geld gewissermaßen mit der Schuppe verteilen. Der Staat hat nach unserer Auffassung vielmehr ein Angebot zu machen,
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Parl. Staatssekretär Gallus
und derjenige, der will, kann das Angebot annehmen, und wer nicht will, soll es bleiben lassen. Ich sage Ihnen aber voraus: Es wird so viele geben, die hier mitmachen, daß manchen die Augen überlaufen werden, wie viele auslaufende Betriebe wir in Deutschland haben.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich erlaube mir, darauf hinzuweisen, daß diese Fragestunde nicht zu einer Agrardebatte ausufern darf, denn sonst kommen alle anderen Fragesteller nicht mehr zum Zuge.
— Das ist genauso schlimm.
— Sie brauchen nicht alle Schlimmen aufzuzählen!
Ich rufe Frage 30 des Herrn Abgeordneten Eigen auf:
Wie hoch ist die Importmenge von Getreidesubstituten 1984, 1985, 1986 und bis zum 30. September 1987 in die Europäische Gemeinschaft gewesen, und auf welche Weise wird die Europäische Gemeinschaft diese Belastung des Getreidemarktes, zumindest durch Verhandlungen mit den Lieferländern, vermindern?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Eigen, die Einfuhren von Getreidesubstituten im Sinne von Anhang D der Verordnung des Rates über die Gemeinsame Marktorganisation für Getreide — im wesentlichen Tapioka, Süßkartoffeln, Maiskleberfutter , Maiskeimschrot, Kleie und Zitruspülpepellets — betrugen — in Millionen Tonnen — : 1981 14,8; 1982 16,2; 1983 14,1; 1984 13,6; 1985 14,7; 1986 15. Für 1987 liegen die Einfuhrzahlen bisher nur für Januar bis März vor. Sie haben keinen Aussagewert und sind hier deshalb nicht erwähnt worden.
Mit der Erhöhung der Einfuhrabschöpfung hat die Gemeinschaft bei Kleie eine Abnahme der jährlichen Einfuhren von 1,7 Millionen t in den Jahren 1980 bis 1983 auf 0,7 Millionen t im Jahre 1986 erreicht. Kleie wird allerdings von der Gemeinsamen Marktorganisation für Getreide erfaßt.
Bei anderen wichtigen Erzeugnissen sind die abgabenbegünstigten Einfuhren durch Abkommen mengenmäßig begrenzt; so bei Tapioka auf etwa 6,5 Millionen t.
In Verhandlungen im Rahmen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens ist es der Gemeinschaft kürzlich auch gelungen, die bisher mengenmäßig unbeschränkte Einfuhr von Süßkartoffeln zum ermäßigten Zollsatz aus Thailand durch ein Kontingent zu begrenzen. Verhandlungen mit den USA zur Begrenzung der Einfuhr von Maiskleberfutter sind bisher ohne Ergebnis geblieben.
Die Bundesregierung unterstützt nachdrücklich die Haltung der Kommission der EG bei Verhandlungen mit den Lieferländern der Getreidesubstitute. Sie
rechnet jedoch nicht mit einer Abnahme der Einfuhren von Getreidesubstituten in die Gemeinschaft.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, bei der Bewältigung des Überschusses von Getreide handelt es sich um ein Schlüsselproblem, und die Thematik, die wir soeben in Frage und Antwort erörtert haben, nämlich daß wir der Sache mit Flächenstillegungen und einer Vorruhestandsregelung Herr werden wollen, ist ja der Kontrapunkt dazu. Meine besorgte Frage stelle ich deswegen gerade heute, weil ich weiß, daß es in der Bundesrepublik Deutschland und in Holland neuerdings besonders viele Mischungen verfüttert werden, in denen, wie beim Schweinefutter, überhaupt kein Getreide oder Getreide nur noch in Spuren zu entdecken ist. Deswegen wollte ich auch gern die letzte Zahl bis zum 30. September wissen, da man daraus möglicherweise vielleicht schon einen neuen negativen Trend hätte erkennen können. Haben Sie da Erkenntnisse?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Nein. Ich kann nur eines sagen: Ich kann es den Bauern nicht verübeln, wenn sie in verstärktem Maße Substitute einsetzen, um bei der Schweinemast noch halbwegs zu einem Erfolg zu kommen oder wenigstens plus minus Null abzuschließen, um nicht rote Zahlen zu schreiben. Es kann letzten Endes nur dadurch erreicht werden — da haben Sie recht — , dieses Gesamtproblem zu lösen, daß Europa einerseits bereit ist, seine Produktion zurückzufahren, und andererseits in Verhandlungen im GATT ein Einfrieren des jetzigen Zuflusses erreicht wird. Ich bin darüber hinaus der Meinung, die EG sollte sich durchaus überlegen, nachdem jetzt die Ethanol-Produktion abgelehnt worden ist, ob eine Verbilligung von Getreide, um es in die Futtertröge zu lenken, nicht billiger wäre, als bei einem Getreidepreis von 400 DM Ausgleichsbeträge von 300 DM je Tonne zu zahlen und dann nach Rußland zu exportieren. Mit der Hälfte dieser Beträge oder noch weniger würde das Getreide bestimmt in den Futtertrog fließen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, ich gehe mit Ihnen darin einig, daß man es den Landwirten nicht verübeln kann, daß sie die Substitute verfüttern, zumal der Schweinepreis im Verhältnis zu den Einkommen der Bürger schon seit zwei Jahren so niedrig ist wie noch nie in der Geschichte.
Herr Staatssekretär, wenn wir in Europa mit der Produktion wirklich heruntergehen — hierauf zielt meine Frage —, dann müßte doch eine neue Verhandlung mit den USA durch die EG-Kommission möglich sein, weil es ja zum Nutzen der USA ist, wenn wir ihnen nicht mit Exporterstattungen sozusagen den Weltmarkt streitig machen. Dann müßten sie doch zu einer Beschränkung der Cornglutenfeed-Lieferungen bereit sein können.
Gallus, Parl. Staatssekretär: Man kann hier nicht mit Hoffnungen arbeiten. Hier gelten die nackten Realitäten. Die Amerikaner werden erst dann, wenn die Eu-
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Parl. Staatssekretär Gallus
ropäer ihre Produktion im Getreidebereich tatsächlich zurückgefahren haben, einen Zug tun. Aber in der heutigen Situation, solange das nicht geschehen ist und man in Europa nur darüber redet, was alles zu geschehen hat, glaube ich nicht, daß die Amerikaner bereit sein werden — angesichts ihrer eigenen volkswirtschaftlich schwierigen Situation — , uns hier Zugeständnisse zu machen.
Weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Carstensen.
Herr Staatssekretär, können Sie mir zustimmen, wenn ich sage, daß es eine verrückte Politik ist, wenn sich wenige Länder auf der Erde gegenseitig die Preise kaputtmachen, und könnten Sie mir zustimmen, daß die Amerikaner ein großes Interesse daran haben müßten und es im Grunde genommen über eine Einschränkung von Exporten aus Amerika in die EG honorieren könnten, wenn wir mit 18 Millionen Tonnen Getreide vom Weltmarkt verschwinden würden?
Gallus, Parl. Staatssekretär: Sehr wohl. Das ist die Linie. Wir müssen aber erst erreichen, daß das so wird: daß wir in Europa weniger produzieren. Ich hoffe, daß die Amerikaner dann so klug sind, in diesem Zusammenhang weltweite Lösungen anzustreben. Denn das Agrarproblem, das wir heute zu bewältigen haben, ist eine Agrarkrise nicht der Bundesrepublik Deutschland oder Europas, sondern aller wichtigen Agrarexportländer der Welt. Eines darf nicht passieren: daß der eine auf Kosten des anderen Vorteile zu erringen versucht, wie das z. B. beim Weltmilchmarkt in den letzten Jahren gewesen ist. Wir haben die Milchproduktion zurückgefahren, und die anderen haben sie zum Teil um den gleichen Prozentsatz ausgedehnt.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Die Frage 48 des Herrn Abgeordneten Catenhusen soll auf seine Bitte hin schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit auf. Zur Beantwortung steht uns Herr Staatssekretär Chory zur Verfügung.
Die Frage 31 der Frau Abgeordneten Steinhauer soll auf ihren Wunsch hin schriftlich beantwortet werden. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe die Frage 32 der Frau Abgeordneten Weyel auf:
Liegen der Bundesregierung neue Erkenntnisse über die gesundheitlichen Folgen beim Fleischverzehr von mit Wachstumshormonen behandeltem Vieh vor, und welche Meinung hat sie zur Ansicht der Vereinigten Staaten von Amerika, daß der Verzehr von solchem Fleisch nicht gesundheitsgefährdend sei?
Bitte sehr.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Abgeordnete, der Bundesregierung liegen keine neuen Erkenntnisse über die gesundheitlichen Folgen beim
Verzehr von Fleisch, das von hormonbehandelien Tieren stammt, vor.
Die Ansicht der Vereinigten Staaten von Amerika, daß der Verzehr von solchem Fleisch nicht gesundheitsgefährdend sei, geht nach Kenntnis der Bundesregierung von Voten wissenschaftlicher Gremien aus, die eine bestimmungsgemäße Anwendung der betreffenden Hormone unterstellen. Nach den Erfahrungen der Überwachung, insbesondere beim Import von Fleisch, kann eine bestimmungsgemäße Anwendung dieser Hormone jedoch nicht regelmäßig unterstellt werden, so daß nach Auffassung der Bundesregierung eine eindeutige Aussage über die angebliche Unbedenklichkeit nicht möglich ist.
Im übrigen vertritt die Bundesregierung die Auffassung, daß die berechtigten Erwartungen der Verbraucher, die Fleisch von hormonbehandelten Tieren ablehnen, Berücksichtigung finden müssen.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wir haben ja eine Menge Gesetze, in denen wir davon ausgehen, daß bestimmte Mittel ordnungsgemäß und fachgerecht angewendet werden. Geht die Bundesregierung davon aus, daß überhaupt keine Bedenken bestünden, solche Wachstumshormone einzuführen und zu benutzen, wenn diese fachgerechte und sachgerechte Anwendung zu garantieren wäre?
Chory, Staatssekretär: Frau Abgeordnete, die Bundesregierung geht bei ihrer Verbraucherpolitik davon aus, daß die Unbedenklichkeit nachgewiesen sein muß. Solange noch Möglichkeiten bestehen, daß sich vielleicht doch auf Grund späterer Forschung etwas als bedenklich erweisen könnte, wird die Bundesregierung bei Stoffen wie z. B. Hormonen immer dafür sein, daß sie nicht eingesetzt werden.
Sie hat auch deshalb innerhalb der EG damit angefangen, sich darum zu bemühen — sie stand zunächst ganz alleine — , daß Hormone in der gesamten EG nicht angewendet werden, so daß sich auch die Frage einer Verletzung von solchen Vorschriften weniger stellt. Wenn überhaupt kein Hormon angewendet wird, kommt es auf die Frage, ob Wartezeiten eingehalten werden, bei der Kontrolle nicht mehr in derselben Weise an.
Eine weitere Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, wenn die Bundesregierung diesen Grundsatz hat, daß die Unschädlichkeit oder Unbedenklichkeit nachgewiesen werden muß: Ist die Bundesregierung bereit, diesen Grundsatz gerade in bezug auf Lebensmittel auch bei anderen Stoffen anzuwenden, z. B. bei jeder Art von Chemikalien?
Chory, Staatssekretär: Frau Abgeordnete, dieser Grundsatz gilt insbesondere bei allen Zusatzstoffen. Davon geht unser Zusatzstoffregime aus. Und zwar verlangen wir nicht nur, daß die gesundheitliche Unbedenklichkeit gegeben ist. Darüber hinaus müssen sie auch noch technologisch erforderlich sein. Auch wenn es daran fehlt, sollen nach unserem Recht und
3100 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1987
Staatssekretär Chory
nach unserem Verständnis keine Zusatzstoffe eingesetzt werden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Daniels .
Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung ausschließen, daß in der Bundesrepublik Fleisch verkauft wird, das mit Hormonen behandelt worden ist, bzw. welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um das auch für die Bundesrepublik vollkommen auszuschließen?
Chory, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, die Bundesregierung kann alles tun, um es auszuschließen. Man kann nie garantieren, daß nicht irgend jemand ein Gesetz verletzt. Ich will Ihnen aber gerne sagen, welche Maßnahmen die Bundesregierung trifft und treffen wird.
Wir haben zunächst im Verhältnis zu Frankreich, wo früher das Problem bestand, das hormonbehandelte Kälber zu uns eingeführt wurden, eine Absprache getroffen. Danach dürfen nur aus ganz bestimmten Betrieben — es sind insgesamt 13 Betriebe — noch Kälber zu uns importiert werden. Danach sind die Tierärzte, die Bescheinigungen darüber ausstellen dürfen, auch mit ihrem Namen festgelegt; und überdies ist auch noch festgelegt, daß nur Viertel oder Hälften von Kälbern hierherkommen dürfen, damit man gegebenenfalls Implantate feststellen kann.
Was das Inland betrifft, so ist eine Verordnung in Vorbereitung. Sie hängt nur noch davon ab, daß auf EG-Ebene — was in Kürze geschehen wird — eine Liste beschlossen bzw. veröffentlicht wird. In dieser Verordnung wird vorgeschrieben, daß Hormone — soweit sie überhaupt eingesetzt werden dürfen, nämlich bei Zuchttieren — nur durch den Tierarzt oder in dessen Anwesenheit gegeben werden dürfen. Ich glaube, damit haben wir das Menschenmögliche getan, um Mißbrauch auszuschließen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe Frage 33 des Herrn Abgeordneten Peter auf:
Welche Informationen liegen der Bundesregierung über den
Schadstoffgehalt in den gängigsten Zigarettensorten vor?
Chory, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, der Bundesregierung liegen für die Marken des deutschen Zigarettenangebots die Angaben der Zigarettenindustrie über die Rauchinhaltsstoffe Nikotin und Kondensat vor, wie sie regelmäßig als DTZ-Dokumentation in der „Tabak-Zeitung" veröffentlicht werden, zuletzt in der Dokumentation vorn 24. April 1987. Diese Angaben sind als Aufdruck auf den Zigarettenpackungen in der Tabak-Verordnung vorgeschrieben; auf Werbeplakaten und in Anzeigen werden sie von der Zigarettenindustrie freiwillig angegeben. Die Schadstoffwerte werden auf Grund einer entsprechenden DIN-Norm ermittelt. Eine weitere DIN-Norm — zu Kohlenmonoxid — ist beim Deutschen NormInstitut in Vorbereitung.
Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, sehen Sie die Notwendigkeit, daß von seiten des Bundesgesundheitsamtes eigene Erhebungen bzw. e Überprüfungen der Angaben vorgenommen werden?
Chory, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, was die Gehalte an diesen beiden Stoffen — Kondensat und Nikotin — betrifft, gibt es immer wieder stichprobenweise Überprüfungen. Aber da da eine Normung vorliegt, gehe ich davon aus, daß die Angaben, die mitgeteilt werden, auch der Wahrheit entsprechen.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, gibt es bei Ihnen im Hause Überlegungen, auch andere Schadstoffe mit in die Betrachtung einzubeziehen, etwa im Gefolge der Formaldehyd-Studie des Gesundheitsamtes, die einige Jahre zurückliegt?
Chory, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich hatte schon Kohlenmonoxid erwähnt, bei dem eine DIN-Norm in Vorbereitung ist. Wahrscheinlich wird in Kürze der Abdruck veröffentlicht. Dann dauert es erfahrungsgemäß noch einige Monate, bis die Vorbereitungen soweit getroffen sind. Es wird von den weiteren Diskussionen über die Gewichtung der unterschiedlichen Schadstoffe und auch von der Neufassung der EtikettierungsRichtlinie der EG abhängen, ob und in welcher Richtung hier weiter vorgegangen wird. Es ist ja wichtig, daß man sich vor allem auf diejenigen Schadstoffe konzentriert, von denen am ehesten Gefährdungen ausgehen, weil die Angabe aller denkbaren Schadstoffe mehr verwirren als aufklären würde.
Weitere Zusatzfrage, bitte schön.
Herr Staatssekretär, wie stehen Sie zu der Behauptung bestimmter Kreise, daß auch radioaktive Stoffe in Zigaretten nachgewiesen werden konnten und daß das eine wesentlich größere Gefährdung als die Radioaktivität sei, die von Atomkraftwerken ausgehe?
Chory, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, ich muß dazu sagen: Es ist mir nicht bekannt, daß das in einer nennenswerten Größe vorkommt.
Bekannt ist mir allerdings, daß aus Kohlekraftwerken bei bestimmungsgemäßem Betrieb auch Partikel austreten, die strahlende Stoffe enthalten.
Keine Zusatzfragen mehr. Ich rufe die Frage 34 des Herrn Abgeordenten Peter auf:
\\Vie gedenkt die Bundesregierung die Öffentlichkeit über die konkrete Schadstoffbelastung in Zigaretten zu informieren?
Chory, Staatssekretär: Über die Verbraucherinformation bezüglich der Schadstoffe Nikotin und Kondensat auf Grund des amtlichen Aufdrucks hinaus informiert die Bundesregierung die Öffentlichkeit über die Schadstoffbelastung in Zigaretten im Wege der gesundheitlichen Aufklärung. So enthält die seit Jahren in Millionen-Auflage verteilte Broschüre der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung „15 Sekunden zum Nachdenken" erläuternde Hin-
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Staatssekretär Chory
weise nicht nur zu Nikotin und Kondensat, sondern auch zu Kohlenmonoxid, Arsen, Blausäure und anderen Inhaltsstoffen des Tabakrauchs.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, sind im Rahmen des Aktionsprogramms zur Bekämpfung des Krebses, bei dem ja Rauchen einer der Eckpunkte ist, von der Bundesregierung im Hinblick auf das Jahr der Krebsbekämpfung besondere Aufklärungsaktionen geplant?
Chory, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, es ist zum einen innerhalb der EG im Rahmen eines EG-Programmes geplant, solche Aktionen vorzusehen. Das entsprechende Programm ist allerdings noch nicht verabschiedet.
Aber unabhängig davon hat die Bundesregierung vor kurzem begonnen, eine Öffentlichkeitsaktion zu starten, die in mehreren Städten des Bundesgebietes stattfinden soll — die erste hat in Frankfurt stattgefunden — und in der es darum geht, junge Menschen positiv zum Nichtrauchen zu veranlassen. Es werden natürlich im Rahmen des Aktionsprogrammes weitere Maßnahmen gestartet werden, die darauf hinzielen, vor allem Jugendliche zum Absehen vom Rauchen zu veranlassen.
Weitere Zusatzfrage, bitte.
Herr Staatssekretär, wenn das ein so wichtiges Anliegen der Bundesregierung ist, und wenn sich Ortskrankenkassen im Rahmen ihrer vorbeugenden Tätigkeit bemühen, Informationen von der Bundesregierung zu bekommen: Halten Sie es dann für die angemessene Art, einer Ortskrankenkasse zu antworten:
Ich empfehle Ihnen, sich im Hinblick auf Ihre Frage in der Angelegenheit an den Verband der Zigarettenindustrie, Harvestehuder Weg 88, 2000 Hamburg 13, zu wenden,
und sonst keine weiteren Auskünfte zu geben?
Chory, Staatssekretär: Herr Abgeordneter, das von Ihnen vorgelesene Schreiben ist mir nicht bekannt, Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie es mir zugänglich machen würden. Ich kann aus Ihren Angaben auch nicht entnehmen, worauf die Frage gezielt war. Ich kann aber sagen, daß die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung großen Wert darauf legt, gerade auch mit den Krankenkassen eng zusammenzuarbeiten. Ich weiß auch aus eigener Erfahrung, daß von dieser Seite her viel geschieht, um das Nichtrauchen zu fördern.
Weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Daniels .
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht auch meiner Meinung, daß, wenn man die Gesundheitsgefährdungen durch Zigaretten — wie auch von der Bundesregierung anerkannt — ernst nimmt, dann nicht konsequenterweise z. B. die Werbung für Zigaretten verboten werden
müßte, und ist es nicht praktisch ein Hindernis, ernsthaft gegen diesen Zigarettenwahn vorzugehen, daß die Bundesregierung natürlich auch auf die Einnahmen aus der Tabaksteuer angewiesen ist?
Chory, Staatssekretär: Herr Abgebordneter, zur Zigarettenwerbung möchte ich sage, daß gegen ein totales Werbeverbot für Produkte, die zugelassen sind, die also legal im Handel sind, verfassungsrechtliche Bedenken bestünden. Es wird aber durchaus erwogen, mit der Tabakindustrie darüber zu sprechen, wie sie ihre Werbung künftig ausgestalten sollte. Pläne, Werbung zu verbieten, gibt es nicht.
Was die Tabaksteuer betrifft, sehe ich eigentlich keine Möglichkeit und auch kein gesundheitspolitisches Erfordernis, etwa von deren Erhebung abzusehen.
Keine weiteren Zusatzfragen.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr auf. Zur Beantwortung der Fragen steht uns Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Schulte zur Verfügung.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, die Fragen 36 und 37 des Abgeordneten Dr. Abelein sind vom Fragesteller zurückgezogen worden. Die Fragen 42 und 43 des Abgeordneten Leidinger und die Fragen 44 und 45 des Abgeordneten Dr. Klejdzinski sollen auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Böhm auf. — Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Es wird so, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen, verfahren.
Ich rufe die Frage 38 des Herrn Abgeordneten Weiss auf:
Welche Gründe sind maßgeblich dafür, daß Reisende der Deutschen Bundesbahn von München nach Freiburg bzw. umgekehrt, die das Eilzugpaar E 3362/E 3363 benutzen, neuerdings einen Fahrpreis für einen um 89 Kilometer längeren Reiseweg zu bezahlen haben, und wie kann die Bundesregierung bzw. die DB den Vorwurf entkräften, daß mit dieser Maßnahme beabsichtigt sei, die Einstellung des Eilzugpaares E 3362/E 3363, das noch als einziges die Strecke München—Freiburg auf dem kürzesten Schienenweg befährt, bzw. die Einstellung des Zugbetriebs auf dem Streckenabschnitt AulendorfKißlegg vorzubereiten?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Weiss, der um 83 Kilometer längere, aber etwa eine Stunde schnellere Reiseweg von München nach Freiburg über Stuttgart—Karlsruhe ist die gängige Verbindung zwischen diesen beiden Städten. Nach Auskunft der Deutschen Bundesbahn kann der Reisende von München nach Freiburg (Breisgau) bzw. umgekehrt nach wie vor einen Fahrausweis über den direkten Weg, nämlich über Kißlegg—Aulendorf, lösen.
Das Eilzugpaar E 3362/E 3363 wird auch über den Fahrplanwechsel 1988/89 hinaus verkehren.
Zusatzfrage des Abgeordneten Weiss .
3102 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1987
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie dann Fahrpreisauskünfte im Hauptbahnhof München, wo gesagt wird: „Egal wie
manfährt auch wenn man länger fährt —, man muß seit 1. Juli dieses Jahres die volle Strecke bezahlen, so als wenn man die durchschnittliche Strecke fahren würde." — Wenn man dann genau rechnet, kann man feststellen, daß es trotzdem noch möglich ist, die Strecke zum alten Preis zu fahren. Man braucht bloß zwei Fahrkarten zu lösen: eine von München bis Sigmaringen, eine von Sigmaringen bis Freiburg. Das ist dann um 18 DM billiger als die Fahrkarte von München nach Freiburg. Halten Sie das für einen sinnvollen Beitrag zur Tarifklarheit der Deutschen Bundesbahn?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich gehe davon aus, daß dies für den Reisenden nicht gerade schön ist. Wenn der Reisende allerdings seinen Reiseweg genau angibt, dann, glaube ich, kann eine solche Panne ausgeschlossen werden.
Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Weiss.
Herr Staatssekretär, die Bundesbahn definiert seit diesem Jahr als den verkehrsüblichen Reiseweg immer die Intercity-Strecke, auch wenn es andere Strecken gibt, die kürzer sind. Nun ist ja diese Veränderung der Definition des verkehrsüblichen Reiseweges eine Tariferhöhung. Ich frage Sie: Wann hat Ihr Haus diese Tariferhöhung genehmigt?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe Ihnen gerade gesagt, daß es nach wie vor möglich ist, den billigeren Weg zu fahren,
sprich: weniger zu bezahlen.
Ich rufe die Frage 39 des Abgeordneten Weiss auf:
Wie bewertet die Bundesregierung die Tatsache, daß das mehrheitlich im Besitz der Deutschen Bundesbahn befindliche Deutsche Reisebüro (DER) für Touristik-Reisen nach Südafrika (z. B.: Blue Train-Reisen) Werbung betreibt, und teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die DB damit zur Stabilisierung des Apartheid-Regimes in Südafrika beiträgt?
Bitte schön, Herr Staatssekretär.
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Weiss, das Deutsche Reisebüro, bei dem die Deutsche Bundesbahn eine Mehrheitsbeteiligung besitzt, handelt kaufmännisch eigenständig. Es führt als Eigenveranstalter keine solchen Reisen durch.
Auf regionaler Ebene werden in Einzelfällen — vorwiegend auf Kundeninitiative und ohne Unterstützung durch die Zentrale des Deutschen Reisebüros — Reisen abgeboten. Nach Angaben des Deutschen Reisebüros waren es im Jahre 1987 fünf Gruppenreisen mit etwa je 15 bis 20 Teilnehmern.
Eine Zusatzfrage, Herr Weiss.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für sinnvoll, daß ein Bundesunternehmen für Touristikreisen nach Südafrika Werbung macht?
Außerdem haben Sie den zweiten Teil meiner Frage nicht beantwortet, der lautet — ich lese vor —:
und teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß die DB damit zur Stabilisierung des Apartheid-Regimes in Südafrika beiträgt?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, vor kurzem hat der Bundeskanzler auf seiner Reise durch Afrika die deutsche Haltung zur Apartheidpolitik deutlich gemacht. Das ist das erste.
Das zweite: Die Bundesregierung veranstaltet solche Reisen nicht selber; auch die Deutsche Bundesbahn tut dies nicht und auch das Deutsche Reisebüro direkt nicht. Es gibt keine eigenen Reiseveranstaltungen. Ich habe Ihnen gesagt, welches das Ausmaß ist, um das es sich handelt, wo auf regionaler Ebene und mit anderen zusammen und auf Kundenwunsch so etwas stattgefunden hat.
Sie haben eine weitere Zusatzfrage.
Müßte es sich für Sie nicht gerade dann, wenn es sich nicht um sehr viele Reisen handelt, sehr leicht gestalten, die Bundesbahn zu veranlassen, ihre Mehrheitsbeteiligung beim Deutschen Reisebüro dazu zu nutzen, künftig keine Touristikfahrten mehr nach Südafrika zu organisieren oder zu vermitteln?
Dr. Schulte, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe Ihnen gesagt, daß das Deutsche Reisebüro keine eigenen Reisen veranstaltet.
Meine Damen und Herren, das war die letzte Zusatzfrage.
Die Fragen 40 und 41 des Abgeordneten Pauli sollen auf seinen Wunsch hin schriftlich beantwortet werden. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt.
Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs, aber auch der heutigen Fragestunde. Ich danke dem Parlamentarischen Staatssekretär für die Beantwortung der Fragen.
Ich leite nun über und rufe den Zusatztagesordnungspunkt 1 auf:
Aktuelle Stunde
Neue Chemie-Unfälle am Rhein — Nichteinhaltung von Versprechen der Chemischen Industrie
Die Fraktion DIE GRÜNEN hat gemäß Nr. 1 Buchstabe c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung diese Aktuelle Stunde verlangt.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Abgeordnete Frau Garbe.
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1987 3103
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der vergangenen Woche und im Oktober ereigneten sich wieder Chemieunfälle am Rhein. Am 23. November breitete sich als Folge einer unkontrollierten chemischen Reaktion eine Wolke aus Schwefel und Chlorwasserstoffsäure über Hüningen und Grenzgemeinden am Rhein aus. Der Unfall geht auf das Konto des Chemieriesen Sandoz, ebenso das Austreten von etwa 1 000 1 Essigsäureethylester, die sich am 26. November in den Rhein ergossen; ein Überlaufventil hatte nicht funktioniert. Über Basel breitete sich ein Geruch von Aceton aus. Die deutschen Behörden wurden erst Stunden später informiert.
Bei BASF in Ludwigshafen flossen am 24. November ca. 71/2 t des Giftstoffes Vinclozolin in das Abwasser. Der größere Teil konnte Gott sei Dank gerade noch vor der Einleitung in den Rhein abgefangen werden. Auch die BASF ließ sich Zeit mit der Unterrichtung der Mainzer Behörden.
Sieben Unfälle bei der Firma Dynamit-Nobel in Rheinfelden gab es allein im September und Oktober dieses Jahres. Wegen der ätzenden Chlorgasausbrüche mußten Kindergärten geschlossen werden.
Mitte August vernichtete eine Giftwelle — wahrscheinlich von einem Insektenvernichtungsmittel — den letzten Rest des Kleintierlebens im Oberrhein bei Weil am Rhein. Der Verursacher blieb unentdeckt.
Die Unfall- und Schreckensbilanz der nationalen und der internationalen Chemiebranche ließe sich fortsetzen, meine Herren und Damen.
Die neuen Chemieunfälle am Rhein ereigneten sich durch primitive Fehler. Das bedeutet, die Schwelle für das mögliche Auslösen von Unfällen liegt sehr tief. Die neuen Chemieunfälle am Rhein haben auch gezeigt, daß sich an der katastrophalen Informationspolitik, wie wir sie ja im November 1986 erlebt hatten, absolut nichts geändert hat. Die Öffentlichkeit wurde wieder unzulänglich und viel zu spät informiert.
Das sind, wie gesagt, nur ein paar Beispiele; aber es sind Beispiele, Herr Minister, die Sie zum schnellen Handeln zwingen müssen. Sie bauen auf Kooperation und freiwillige Vereinbarungen mit der chemischen Industrie. Es wäre ja auch gut, wenn Sie diesen Herrschaften vertrauen könnten.
Aber erinnern wir uns doch einmal: Was hat die chemische Industrie nicht alles versprochen, gerade jetzt noch Anfang November am Jahrestag von Sandoz! Sandoz, CIBA-Geigy, BASF, auch Bayer haben in grünen Broschüren bei zahlreichen Presseterminen und Firmenrundgängen alle versichert, daß sie ihre Lektion gelernt hätten, die ihnen die Unfälle und Unglückssituationen erteilt hätten.
Die Beruhigungspillen der chemischen Industrie müssen vor allem bei Ihnen, Herr Minister, gewirkt haben; anders lassen sich nämlich die momentanen politischen Schritte von Ihnen nicht erklären. Was der Minister zur Verhinderung möglicher Unfälle bei der chemischen Industrie anwenden will, ist völlig ungeeignet. Richtungweisende Vorschriften für die chemische Industrie und den Chemikalienhandel sind jedenfalls in der Neufassung der Störfallverordnung, die sich derzeit in der Abschlußrunde befindet, nicht zu erkennen. Im Gegenteil, auf Druck des Chemikalienhandels sind noch einmal wesentliche Auflagen herausgefallen. Chemielager werden aus den zentralen Pflichten der Störfallverordnung ausgenommen.
Durch umfangreiche Ausnahmeregelungen werden zahlreiche Anlagen nicht von der Verordnung erfaßt. Für diese Anlagen gibt es keine Sicherheitsanalysen und keine Gefahrenabwehrpläne. Das Instrument der Störfallverordnung wird damit löchrig wie ein Schweizer Käse.
Auf diese Art und Weise kann man Mensch und Natur vor den Auswirkungen möglicher Chemieunfälle nicht schützen, Herr Minister. Im Gegenteil, so sind Katastrophen geradezu vorprogrammiert. Das ist die Realität. Deshalb müssen Sie viel härter gegen die unzulänglichen Sicherheitsvorkehrungen der chemischen Industrie vorgehen, als Sie es jetzt vorhaben. Sie müssen diese Leute Mores lehren, damit sie endlich über alles aufgeklärt werden und endlich alles ernst nehmen.
Wir haben in einem Antrag zur Störfallverordnung aufgezeichnet, wie ein wirksamer Schutz aussehen könnte.
Warten Sie nicht bis die nächste Katastrophe eingetreten ist. Das Maß der Geduld all derer ist voll, die an Standorten chemischer Anlagen wohnen und Angst vor den nächsten Ereignissen haben.
Frau Abgeordnete — —
Ich bin sofort fertig. — Das Vertrauen auf wirksamen Schutz schwindet immer mehr.
Herr Minister Töpfer, Sie haben den Eid geschworen, Schaden vom Volke abzuwenden. Dieser Eid steht hierbei auf dem Prüfstand.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laufs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer Vertrauen verloren hat, der tut sich schwer. Er findet weder Nachsicht noch ein nüchternes Urteil und schon gar keine Anerkennung für ernsthaftes Bemühen, wenn er erneut Anlaß zur Kritik gibt.
Niemand denkt daran, die wiederholten Betriebsstörungen in der chemischen Industrie zu beschönigen oder zu verharmlosen.
3104 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1987
Dr. Laufs
Wir sollten aber Objektivität und Augenmaß nicht so restlos über Bord gehen lassen, wie Sie von den GRÜNEN dies leichthin tun.
Sie haben ein gestörtes Verhältnis zur realen Arbeitswelt.
Sie fragen schon nicht mehr, was wirklich passiert, ob tatsächlich Schaden entstanden ist: Ihr aufgeregter Eifer richtet sich auf die Bekämpfung einer ungeliebten Industrie.
Die jüngsten Betriebsstörungen am Rhein haben nach bisheriger Kenntnis keine Schäden verursacht. Die freigesetzten Chemikalien und aufgetretenen Konzentrationen waren weder für Menschen noch für Fische, noch für Kleinlebewesen im Rhein gefährlich. Wer diese Vorkommnisse mit dem Großbrand bei Sandoz vor einem Jahr auf eine Stufe stellt, ist einfach unseriös.
Gleichwohl veranlassen uns diese unkontrollierten Schadstoffeinleitungen, die laufenden Maßnahmen zur Verbesserung der Störfallvorsorge zu überprüfen. Wir fordern dies auch von der chemischen Industrie.
Diese hat ein Milliardenprogramm aufgelegt für Investitionen, für Sicherheitsvorkehrungen im Lade- und Entladebereich und in den Lägern, für Auffangbecken und Abdichtungen, für geschlossene Kreisläufe und automatische Warnsysteme. Unser Wunsch ist, daß diese Maßnahmen energisch vorangetrieben werden.
Die schon vorhandene Sicherheitstechnik hat z. B. am 24. November bei der Firma BASF wie vorgesehen, aber leider doch nicht völlig funktioniert. Durch menschliches Versagen wurden 7 t eines Pflanzenschutzmittels für den Weinbau beim Entleeren eines Eisenbahnwaggons statt in Fässer in die Kanalisation abgelassen. Einige hundert Kilogramm davon gelangten doch noch in den Rhein. Auch hier geschah das Mißgeschick eher am Rande des wirtschaftlichen Geschehens,
was uns in der Forderung bestärkt, die Sicherheitsprüfungen für das Gesamtsystem umfassend anzulegen.
Wir sollten aber ehrlich sein: Menschliche Fehlhaltungen wird man durch staatliches Verordnen und Kontrollieren von außen nie gänzlich verhindern können. Auch die neue Störfallverordnung, die demnächst erlassen wird, kann dies nicht leisten. Gefordert ist zuerst die Eigenverantwortung der Industrie. Dazu gehört der verstärkte Einsatz von internen Gewässerschutzbeauftragten, da nur sie die Detailkenntnisse des jeweiligen Betriebs besitzen. Auch die Abfülltechnik und die Auffangsysteme müssen weiter verbessert werden. Wir wollen die Verantwortlichen in der Regierung und in der Industrie auffordern: Verstärken Sie Ihre Anstrengungen, damit wir uns mit Betriebsstörungen in der Chemie und deren Auswirkungen auf die Umwelt möglichst selten, am besten überhaupt nicht mehr befassen müssen!
Den GRÜNEN in ihrem Zustand andauernder Erregung sagen wir: Machen Sie nicht aus jeder Störung eine Katastrophe!
Danke schön.
Das Wort hat der Abgeordnete Reimann.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Wie gehen wir mit dem Restrisiko in der chemischen Industrie um? Wir wissen, daß sich Störfälle und Unfallrisiken nicht mit Sicherheit ausschließen lassen.
Das gilt für den chemischen Bereich
wie überhaupt für die Bereiche, in denen Menschen arbeiten. Erneut bestreite ich nicht die ernsthaften Anstrengungen der chemischen Industrie für den Umweltschutz. Aber ich kann nicht leugnen, daß mit jedem Störfall auch ich mißtrauischer werde.
Wenn Ende Oktober in der Zeitung zu lesen war, daß Bundesminister Töpfer den Katastrophenschutz in den Chemiewerken inspiziert hat, und wenn es dort heißt, daß beispielsweise bei Bayer in Leverkusen innerhalb von zehn Minuten eine Schnellanalyse vergifteten Löschwassers durchgeführt werden kann, dann fühle ich mich persönlich langsam veralbert. Jeder Chemiker weiß doch im Grunde genommen, was geschieht, wenn Stoffe mit Wasser in Berührung kommen. Jeder Chemiker müßte doch auch wissen, ob Stoffe im Katastrophenfall überhaupt mit Wasser gelöscht werden dürfen. Das heißt, hier müssen doch konkrete Anweisungen vorliegen, wie man sich im Ernstfall verhält. Da machen die hinterher noch eine Analyse, um das festzustellen.
Ich meine, es ist schon interessant, wenn nur vier Wochen später eine Zeitung meldet, daß der rheinland-pfälzische Umweltminister Wilhelm das Internationale Warnsystem Rhein ausgelöst hat, nachdem mehrere hundert Kilogramm Pflanzenschutzmittel in den Rhein geflossen sind. Die Behörden sollen sage und schreibe erst 24 Stunden nach dem Unfall informiert worden sein.
Kleine Damen, meine Herren, ich frage Sie: Was helfen uns Fortschritte bei der Analyse und die Beteuerungen der chemischen Industrie, daß sie ihre Meßsysteme wieder einmal freiwillig erweitert habe, was nützt es, Pannen frühzeitig zu erkennen, wenn die Schadstoffe längst in den Rhein geflossen sind,
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1987 3105
Reimann
ehe auf die Störfälle reagiert wird? In diesem Falle meine ich die Wasserwerke, die frühzeitig abgestellt werden müssen, um die Bevölkerung vor Schaden zu bewahren.
Was helfen uns einfach neue Leitlinien der Industrie, wenn ein Konzern nicht bei Strafe verpflichtet wird, seine eigenen Leitlinien auch einzuhalten?
Ich frage: Müssen wir nicht beginnen umzudenken? Müssen wir nicht die Werke, die Industrie mit verpflichten, parallel Sofortmaßnahmen zum Schutz der Bevölkerung einzuleiten, bis die Behörden eingeschaltet sind?
Nur Chemiker wissen — ich bleibe bei dieser Aussage — , welche Gefahren ein Störfall mit sich bringt. Nur Chemiker sind in der Lage, diese Gefahren auch zu bekämpfen, einen Störfall zu bekämpfen.
Das heißt, Bund und Länder bzw. Städte und Gemeinden müßten Vorsorgemaßnahmen gemeinsam mit der Industrie treffen, die im Falle eines Notstands die Betroffenen bzw. die Verursacher in die Lage versetzen, rational und diszipliniert zu handeln.
Wir fliegen zum Mond, aber wir sind nicht in der Lage, die Wasserwerke bei einem Störfall automatisch abzustellen, damit die Menschen kein vergiftetes Trinkwasser zu sich nehmen müssen. Das kann doch bei einer so modernen Technik wie der unsrigen nicht wahr sein!
Technisches Restrisiko und menschliches Versagen zwingen zu Handlungen, die den Menschen die Gewißheit geben, beim Störfall möglichst ohne Schaden davonzukommen. Herr Laufs, das Restrisiko ist nun einmal der Störfall, ob wir das wahrhaben wollen oder nicht.
Das Vertrauen der Menschen muß wiederhergestellt werden. Diese lakonischen Mitteilungen, die immer in den Nachrichten ertönen, daß bei Störfällen sowieso nichts geschieht, wirken in der Öffentlichkeit mittlerweile lächerlich.
Ich wage die Behauptung, daß die von den Betrieben und den angrenzenden Kommunen aufgestellten Katastrophenpläne für die Praxis unzureichend sind. Kompetenzregelungen sind noch lange kein Schutz für die Bevölkerung. Betriebsräte und Beschäftigte der Industrie werden über die Sicherheitstechniken und die Gefahren in den Betrieben informiert. Das ist gut so.
Aber die Bevölkerung darf nicht länger von wichtigen Informationen ausgeschlossen werden. Wir müssen die Bevölkerung intensiver als bisher über das Gefahrenpotential, das ihnen von den betrieblichen Anlagen im Falle eines Störfalles in ihrer Wohngegend drohen kann, unterrichten. Wir müssen sie über sinnvolle Sicherheitsmaßnahmen, die ihrem Schutz dienen, informieren.
Es hat wenig Sinn, daß ein Polizeiauto in einem solchen Fall durch die Stadtteile fährt und durchsagt: „Schließen Sie Türen und Fenster!"
Meine Damen, meine Herren, ich will hier wiederum keiner Frontstellung der Politiker gegen die Industrie das Wort reden. Ich will auch wiederum die chemische Industrie nicht kriminalisieren. Aber es bleibt dabei, daß wir technisches und menschliches Versagen leider nicht ausschließen können.
Die Geduld der durch die Chemieunfälle der letzten Zeit arg gebeutelten Bevölkerung geht ihrem Ende zu.
Die Politiker und die verantwortlichen Industriellen sollten alles tun, diese Geduld nicht bis zum völligen Vertrauensverlust zu strapazieren. Deshalb: Sorgen wir gemeinsam für die Durchführung und Einhaltung der bestehenden Gesetze und Verordnungen, und schaffen wir durch notwendige Investitionen mehr Sicherheit für die Bevölkerung!
Das Wort hat der Abgeordnete Baum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemand will etwas verniedlichen. Aber das war nun wirklich keine Katastrophe. Wir müssen den Fall abklopfen: Was steckt dahinter? Das haben wir getan. Nach Sandoz haben wir uns hier sehr intensiv mit den Konsequenzen befaßt.
— Na, das ist ja alles falsch, daß hier nichts passiert sei. Ich will Ihnen einmal sagen: Der Bundesregierung können Sie hier überhaupt keine Vorwürfe machen. Sie hat die Konsequenzen festgelegt. Was der Bund tun kann wird er tun. Das ist festgelegt, und darauf werden wir bestehen. Die Konsequenzen sind noch nicht alle realisiert. Ich nenne einige: Das integrierte Überwachungssystem für Störfallanlagen, die vorhandenen Sicherheitsvorschriften müssen verbessert werden.
Die Störfallvorsorgeverordnung ist zu nennen. Das Chemikaliengesetz wird novelliert. Die Gefahrstoffverordnung wird fortentwickelt. Die automatisierte Überwachung von Einleitungen, die Kontrolle und Überwachung durch unabhängige Sachverständige und die Eigenverantwortung der Unternehmen durch Umwelthaftungsrecht — das alles ist in die Wege geleitet. Der Bund tut hier das, was er zugesagt hat. Die chemische Industrie hat erhebliche Zusagen gemacht. Ich habe gerade eine Tickermeldung, daß die Firma Hoechst in den nächsten zehn Jahren ihre Umweltschutzinvestitionen verdoppelt. Nehmen wir das doch positiv zur Kenntnis! Es wäre doch schlimm, wenn es nicht so wäre. Auch die chemische Industrie hat Zusa-
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Baum
gen gemacht. Wir werden sie an diese Zusagen erinnern. Sie müssen eingelöst werden.
Sie sind nicht über Nacht zu realisieren.
Aber bitte nehmen Sie auch die Länder! Nehmen Sie die Verantwortung, die Sie, die wir, die alle Parteien mit Ausnahme der GRÜNEN in den Ländern haben!
Ich habe gerade den Bericht aus dem Saarland über das Fischsterben vor mir. Darin steht: Der Untersuchungsausschuß begrüßt die von der Landesregierung ergriffenen personellen und organisatorischen Maßnahmen zur Verbesserung im Umweltbereich. Allerdings seien — sagt der Untersuchungsausschuß — noch eine erhebliche personelle Verstärkung und verbesserte Organisation der Umweltbehörden erforderlich.
Es gibt — das haben wir an dieser Stelle immer wieder gesagt — ein Vollzugsdefizit beim Vollzug des Wasserrechts in den Ländern. Auch das ist ein Defizit, das abgebaut werden muß. Schuldzuweisungen an die Bundesregierung sind hier völlig fehl am Platz.
Ich bin aber der Meinung, daß hier ein Fehler in der Informationspolitik gemacht worden ist. Es ist unmöglich, daß die zuständigen Behörden erst nach 24 Stunden informiert worden sind.
Wäre es ein gravierender Fall gewesen, dann wären alle oder die wichtigsten Maßnahmen zu spät gekommen.
Es kann nicht so sein, daß die Katastrophenpläne von dieser unzureichenden Informationspolitik abhängig sind. Das ist hier zu kritisieren. Ich unterstütze die Position der Wasserversorgungsunternehmen am Rhein, von denen 20 Millionen Menschen mit ihrem Trinkwasser abhängig sind.
Sie müssen besser und intensiver als bisher über das, was geschieht, informiert werden.
Sonst gibt es Mißtrauen.
Wir brauchen im Umweltschutz Vertrauen. Wir müssen Vertrauen aufbauen. Dieses Mißtrauen hier ist überflüssig. Es hätte durch eine bessere Informationspolitik vermieden werden können.
Ansonsten werden große Anstrengungen unternommen. Wir sind für die Bundesrepublik Deutschland zuständig. Wir sind nicht für Sandoz zuständig. Die Frau Kollegin hat eben so getan.
Wir sind nicht im Berner Bundesparlament.
Wir haben das zu kritisieren.
Was wir im Bereich der Bundesrepublik Deutschland tun können, wird getan.
Meine Partei wird darauf achten, daß dies alles ohne Verzögerung so geschieht, wie wir es zugesagt haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß sagen, daß ich mit der Begründung für die Aktuelle Stunde ein bißchen Schwierigkeiten hatte. Nicht mit dem ersten Teil! Das sage ich gleich. Der erste Teil ist völlig in Ordnung: Zwei Unfälle, eine Beinahe-Katastrophe.
— Ich nenne nur die spektakulärsten. Das Entweichen salzsäurehaltiger Dämpfe aus dem Werk Hüningen ist sehr ernsthaft und man darf es nicht verniedlichen. Das ist schon ein enormes Problem.
— Ich habe „Beinahe-Katastrophe'' gesagt. — Täuschen Sie sich nicht! Das war schon ein großes Problem. Auch vor dem Hintergrund der Berichte der Rheinwasserwerke halte ich es für völlig berechtigt, daß die Parlamentarier immer wieder das Thema der Vergiftung des Rheins auf die Tagesordnung setzen. Aktuelle Anlässe dazu waren gegeben.
Beim zweiten Teil Ihrer Begründung habe ich jedoch Schwierigkeiten. Ihr zweiter Teil lautet: „Nichteinhaltung von Versprechen der Chemischen Industrie. " Ich habe deshalb damit Schwierigkeiten, weil ich nicht der Wächter einer Politik bin, die ich für im Ansatz falsch halte. Gegenüber der chemischen Industrie auf der Basis freiwilliger Vereinbarungen in einer hochkomplexen Industriegesellschaft Chemiepolitik betreiben zu wollen, halte ich im Ansatz für falsch und nicht geeignet, den Vertrauensschwund, den wir hier mehrmals beklagt haben, zu beseitigen.
Kooperation zwischen Staat, Wirtschaft und Wissenschaft ist etwas anderes als freiwillige Vereinbarung. Freiwillige Vereinbarungen zu treffen ist meines Erachtens eine Politik, die letztlich auf eindeutige Rechtssetzungsakte verzichtet; ist eine Politik, die dadurch auf eine klare, öffentlich nachvollziehbare, systematische Neubewertung des stofflichen Gefährdungspotentials verzichtet, und es ist eine Politik, die nicht die notwendige Transparenz, Klarheit und Systematik herstellt, die wir gerade bei den chemiepolitischen Fragen brauchen.
Das gilt heute für sehr viele umweltrelevante Bereiche. — Ich glaube, der entscheidende Unterschied zwischen Ihnen als Regierungsfraktionen und uns ist, daß wir im Grundsatz eine andere Orientierung in der Umweltpolitik vertreten. Das ist richtig, und da müs-
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Müller
sen wir auch politisch Auseinandersetzungen führen.
— Herr Laufs — Entschuldigung, ich will Ihnen das ganz deutlich sagen — , ich glaube, daß Sie in der Umweltpolitik letztlich einer überholten Denkweise anhängen,
daß Sie mit dieser Denkweise genau das nicht schaffen, was wir brauchen, nämlich Sicherheit und Vertrauen in der Bevölkerung zu schaffen.
— Genau das ist der Punkt. Und wer Sicherheit in der Industrie schafft, der muß auch klare gesetzliche und politische Rahmenbedingungen setzen.
Sie praktizieren das Prinzip der industriellen Selbstregulierung, und das ist ein Prinzip des 19. Jahrhunderts und nicht des ausgehenden 20. Jahrhunderts.
— Doch, das ist der Punkt, das ist der Streitpunkt, um den es bei der Chemiepolitik geht.
Ich teile voll die These von Herrn Strenger, dem Vorstandsvorsitzenden der Bayer AG, der immer deutlicher sagt, daß moderne Industriegesellschaften janusköpfig sind, d. h. daß bei ihnen Zerstörungskraft und Produktivität eng beieinander liegen.
— Entschuldigung, dann müssen Sie daraus auch Schlußfolgerungen ziehen, wenn es nichts Neues ist. Dann wundert mich, wo die Umsetzung Ihrer Erkenntnis bleibt. —
Der entscheidende Punkt ist: Wenn dies so ist, dann ist die Veränderung der Bewußtseinssituation in der Bevölkerung, die ich sehr bedaure, nämlich das Umschlagen von einem zukunftsorientierten Optimismus in eine tiefgreifende Verunsicherung, ein Problem — —
— Nein, Politikerreden können bestimmte Trends verstärken — völlig klar — , aber ohne entsprechenden Grundtrend in der Bevölkerung können sie auch kein Bewußtsein verändern.
Meines Erachtens kommt es darauf an, die Beseitigung dieser Verunsicherung zu erreichen. Die Beseitigung dieser Verunsicherung bedeutet für mich, daß wir aufhören müssen, von falschen Gegensätzen — auf der einen Seite die Selbstregulierung der Industrie und auf der anderen Seite die staatliche Verantwortung — aus zu operieren.
Meines Erachtens sind wir in einer Situation, daß viele — ideologisch sicher oft begründete — Auseinandersetzungen durch die Entwicklung der hochmodernen Industriegesellschaft heute historisch überholt sind. Es geht sowohl um den handlungsfähigen Staat als auch dann um die dezentrale Selbstregulierung und Verantwortung. Aber es geht eben nur beides!
Sie machen eine Politik der freiwilligen Vereinbarung. Sie setzen an die Spitze Ihrer Politik diese Form der Kooperationspolitik. Wir setzen an die Spitze unserer Politik eine klare, nachvollziehbare, verantwortbare, gesetzliche Chemiepolitik. Das ist der entscheidende Unterschied zwischen uns.
Das Wort hat der Abgeordnete Harries.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vorgestern, am Montag, hatte ich zwei Begegnungen und Gespräche, die keineswegs mehr als originell zu bezeichnen sind, die aber für unsere Zeit doch ganz bezeichnend sind: Vormittags hatte ich mit Kollegen ein Gespräch in einem großen und bekannten deutschen Chemiewerk. Es war sehr eindrucksvoll, wie da die Gesprächspartner, die Repräsentanten dieser Firma die Anwendung von Gesetzen, aber auch die Bereitschaft zur verantwortlichen Selbsthilfe mit uns besprochen und in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen haben, was sie finanziell, personell und sachlich investiert haben, noch investieren und weiterhin tun werden. Eindrucksvoll war aber auch die Aussage dieser Herren, was im Zusammenhang mit unserem Problem an Wegstrecke noch absolut zurückzulegen, was noch zu tun ist. Sie wiesen z. B. auf die ganz wichtige Tatsache hin, daß es heute offenbar vom Personalmarkt her noch nicht möglich ist, eine genügende Anzahl von toxikologischen Experten zu bekommen, die in der Lage sind, uns die Stoffe, die untersucht werden müssen, nun sehr schnell, vom Ergebnis, von der Analyse her vorzulegen.
Am Nachmittag, meine Damen und Herren — ich spreche ja von zwei Begegnungen — , hatte ich hier im Hochhaus ein dreistündiges Gespräch mit 18-, 19jährigen Gymnasiasten. Dieses Gespräch hatte natürlich einen völlig anderen Inhalt. Das hat mich zugegebenermaßen erschüttert; denn diese 35 jungen Leute,
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Harries
Schülerinnen und Schüler, waren alle der Auffassung: Es geschieht für Umweltschutz zu wenig, die Katastrophe ist da, und sie wird spätestens morgen eintreten. Als sie weggingen, sind sie, glaube ich, etwas sensibilisiert worden. Sie gingen nachdenklicher weg, als ' sie gekommen sind.
Meine Damen und Herren, was ist nun in Anbetracht des Rahmens, den ich hier geschildert habe, zu tun? Ganz sicher können wir nicht sagen, daß die Chemiegesprächspartner recht haben und daß die Schülerinnen und Schüler absolut übertreiben und deswegen unrecht haben.
Es genügt sicher auch nicht, wenn wir sagen: Die Unfälle, die zu dieser Anfrage oder zu der Aktuellen Stunde geführt haben, sind im Grunde und vom Ergebnis her harmlos gewesen und haben niemals zu einer Gefährdung von Menschen und Tieren geführt; denn dann kommt sofort das Gegenargument: Gut, gestern war es noch der Betriebsunfall, aber morgen kann durch menschliches Versagen wirklich die Katastrophe kommen. Das ist die Frage, die gestellt wird und die wir zu beantworten haben.
Meine Damen und Herren, wie lauten unsere Antworten auf diese kurz skizzierten Fragen? Erstens meine ich, daß wir Politiker und daß die Politik, aber auch die zuständigen Fachbehörden einfach verpflichtet sind und aufgerufen werden müssen, über diese Probleme — bei aller Bedeutung, bei allen Schwierigkeiten, bei aller Problematik — sehr sachlich und differenziert zu diskutieren und nach Lösungen zu suchen haben.
Meine Damen und Herren, Hysterie und Katastrophenstimmung sind einfach schlechte Ratgeber, und das, was ich hier sage, hat mit Verharmlosung überhaupt nichts zu tun.
Zweitens bedeutet das, daß wir erkennen müssen und anerkennen müssen, daß wir heute in einer Industriegesellschaft leben und nach unserer Vorstellung auch morgen und übermorgen leben werden, leben wollen und leben müssen, und diese Industriegesellschaft — wie übrigens jede andere Gesellschaft — bedeutet notwendigerweise, daß man auch mit Risiken lebt, die man allerdings minimieren muß.
Drittens gehört zur sachlichen Unterhaltung, zu der wir aufrufen, daß wir z. B. auch bei den Geschehnissen, die Sie hier vorgestellt haben, zwischen Betriebsstörung und Störfällen einfach bei der Aufarbeitung und bei den Konsequenzen zu unterscheiden haben. Bei den hier geschilderten Rhein-Geschehnissen waren es nun mal keine — es ist bereits gesagt — Katastrophen, sondern es waren zum Glück eben Unfälle.
Unterschiede müssen — viertens — auch bei der Beurteilung wassergefährdender Stoffe gemacht werden. Die Sicherheitsanforderungen sind einfach bei Stoffen der Klassifizierung Nr. 3 erheblich höher, und man kann schon heute gegenüber der Öffentlichkeit sagen, daß hier Katastrophen im Grunde schon minimiert sind.
Es muß anerkannt werden, daß eine Vielzahl von Gesetzen schon erlassen ist, daß diese aber auch umzusetzen sind. Hier können und müssen wir an die Länder und an die Fachbehörden appellieren, das zu tun.
Meine Damen und Herren, wir sagen also — das ist ganz bewußt das Resümee, das ich ziehe — ja zur Chemie, wir sagen auch ja zur harten Chemie. Wir brauchen die Chemie für Wohlstand und Gesundheit.
Wir sagen aber gleichzeitig, daß Gesetze und eingegangene Selbstverpflichtungen zügiger umgesetzt werden müssen.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Segall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die neuen Unfälle am Rhein zeigen erneut die Vielzahl von Gefahrenbereichen, die in unseren Nachbarländern Schweiz und Frankreich, allerdings auch bei uns noch nicht zufriedenstellend gelöst oder zumindest minimiert worden sind. Insofern können wir praktisch nahtlos an die Debatte anschließen, die wir vor knapp einem Monat, nämlich am 5. November, hier in diesem Hohen Hause zum Thema Vorsorge gegen Schadensfälle in der chemischen Industrie geführt haben.
Die Gefahren, die die chemische Produktion für Mensch und Umwelt mit sich bringen kann — nicht muß — , müssen aber so weit wie möglich reduziert werden. Dabei sind aus unserer Sicht freiwillige Vereinbarungen der Betroffenen untereinander sowie zwischen Staat und Wirtschaft sehr erfolgreiche Instrumente, die oft auch schneller wirken, als dies staatliche Maßnahmen vermögen. Das heißt natürlich nicht, daß auf staatliche und behördliche Vorgaben und auch Maßnahmen verzichtet wird, aber wir müssen die Ziele vorgeben, an denen wir dann das durch freiwillige Vorsorge Erreichbare und Erreichte messen können. Herr Müller, das haben wir bereits mit vielen Gesetzen getan, und wir werden es auch weiterhin tun. Ich erinnere dabei nur an die Novellierung des Chemikaliengesetzes, die wir jetzt vorhaben.
Die Anstrengungen, die die chemische Industrie nach dem Brandunfall bei Sandoz in Basel in verstärktem Umfang unternimmt, um effektive Umweltvorsorge zu betreiben, werden von uns positiv bewertet. Aber offensichtlich ist noch nicht genug getan worden; denn sonst würde es nicht immer wieder zu Störfällen kommen. Das kann man aber nicht als eine Nichteinhaltung von Versprechen zu brandmarken versuchen.
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Frau Dr. Segall
Stärkung der Eigenverantwortung der Unternehmen, Intensivierung des Vollzugs und Überprüfung und Ergänzung der gesetzlichen Grundlagen sind Forderungen, die der jetzige Bundesumweltminister am 13. März 1987 im Bundesrat — damals noch als rheinland-pfälzischer Umweltminister — im Zusammenhang mit den Schadensfällen in der chemischen Industrie erhoben hat. Das sind Forderungen, die auch heute nach wie vor gültig sind und die es zu erfüllen gilt.
Bundesregierung und chemische Industrie haben nach den Vorfällen im vergangenen Jahr gehandelt. Nach Darstellung des Verbandes der Chemischen Industrie wurden bis Ende Oktober dieses Jahres neun der 13 vor einem Jahr angekündigten Punkte des Sicherheitsmaßnahmenkatalogs der chemischen Industrie erfüllt. Für die Umsetzung investiert die chemische Industrie auf freiwilliger Basis immerhin mehrere Milliarden DM. Daß dies bereits geschieht, daß bereits hohe Investitionen getätigt worden sind, werden Sie, Herr Reimann, sicherlich auch zugeben müssen. Vergessen wir aber nicht — auch daran möchte ich an dieser Stelle erinnern — , daß solche Investitionen nur möglich sind, wenn diese Industrie lebensfähig und leistungsfähig bleibt.
Sicher sind auch weitere gesetzliche Maßnahmen erforderlich. Noch wichtiger erscheint mir jedoch, daß die Länder und die Kommunen die Vorgaben des Bundes umsetzen. Zu den hier in Bonn zu beschließenden Maßnahmen gehört vor allem die Verschärfung des Störfallrechts. Wir fordern, daß das so rasch wie möglich geschieht.
Dabei sind wir uns bewußt, daß gerade auch die Länder durch ihre Wünsche und Forderungen mit dazu beigetragen haben, daß die Störfallverordnung nicht früher in Kraft treten kann. Die neue Störfallverordnung wird große Fortschritte bringen, denn der Kreis der genehmigungsbedürftigen Anlagen wird erheblich ausgedehnt, die Liste der chemischen Stoffe wird mehr als verdoppelt, die Liste der störfallrelevanten Anlagen wird auf Pflanzenschutz-, Schädlingsbekämpfungs- und Düngemittel ausgedehnt. Bei den Behörden sind Sicherheitsanalysen zu hinterlegen. Die Meldepflichten werden wesentlich verschärft. Künftig müssen alle Betriebsstörungen mit Auswirkungen gemeldet werden, selbstverständlich ohne die Verzögerung wie jetzt bei der BASF. Neben den innerstaatlichen Maßnahmen von Industrie, Bund, Ländern und Kommunen insbesondere ist eine internationale Abstimmung erforderlich. Vonnöten sind eben auch international verbindliche, unter allen Umständen aber zumindest EG-verbindliche Umweltschutznormen für die chemische Industrie. Diese sind aber auch für den Umweltschutz und die Gesundheit unserer Bürger von erheblicher Bedeutung. Daher muß insbesondere die deutsche EG-Präsidentschaft im kommenden Jahr dazu genutzt werden, in diesem Bereich Fortschritte zu erzielen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Daniels .
Ich möchte kurz, meine sehr geehrten Damen und Herren, auf das eingehen, was Herr Harries hier gesagt hat. Er hat gesagt: Wir müssen mit der Chemie leben. Er sagt genauso: Wir müssen mit der Atomenergie leben. Und: wir müssen mit dem Atommüll leben.
Tatsache ist allerdings, daß die Bevölkerung, wenn sie über die tatsächlichen Gefahren, die mit der Chemieproduktion verbunden sind, aufgeklärt würde, ein anderes Verhalten im Verbrauch an den Tag legen würde.
Dann wäre die Industrie sehr schnell gezwungen, sich umzustellen.
Ich wäre auf der anderen Seite froh, wenn das Konzept der freiwilligen Kooperation, das die SPD sonst vertritt, beerdigt würde, wie das Herr Müller hier vorgeschlagen hat. Ich würde mich freuen, wenn das in der SPD ein Echo finden würde. Bringen Sie dem Hamburger Bürgermeister Dohnanyi bei, daß das durchgesetzt wird.
Hier bin ich sehr skeptisch.
Ich möchte auf den Fall eingehen, der hier passiert ist. Wir haben fast dieselbe Situation wie vor einem Jahr bei Sandoz. Beim Umfüllen eines Lösungsmittels von einem Betriebstank in ein Tanklager hatten sich die Mitarbeiter nicht vergewissert, ob der Inhalt in dem Tank auch tatsächlich Platz habe. Dann hat das Überlaufventil nicht funktioniert, so daß der Inhalt aus dem Lagertank herausschwappte. Das Lösungsmittel lief indessen nicht in das provisorische Rückhaltebekken, das nach dem Brand im letzten Jahr eingerichtet worden ist, sondern in die Regenwasserkanalisation und von dort in den Rhein. Ein Schieber war offensichtlich nicht funktionsfähig.
Das zeigt, daß das alles Lügen sind, die auch von Sandoz vertreten wurden, alles Sprüche. Was konnte man nicht überall lesen: Sandoz ist jederzeit in der Lage, belastete Abwässer aufzufangen, Regen- und Löschwasser zu reinigen. Wenn man diese Reklame sieht und dann die tatsächlichen Verhältnisse bei dieser Firma betrachtet, dann mull man davon ausgehen, daß die chemische Industrie die Öffentlichkeit bewußt täuscht.
Was die Konsequenzen aus diesen Unfällen und die Konsequenzen aus der Chemieproduktion angeht: Ich finde, wir müssen ernsthafter an die Sache herangehen.
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Dr. Daniels
Eine schwarze Liste mit Produktionsverfahren und Produkten, die gar nicht erst hergestellt werden dürfen — dies gilt insbesondere für hochgefährliche Umweltgifte, die sich Tiber die Nahrungskette anreichern —, müßte erstellt werden. Sie wissen genau, Herr Minister Töpfer, daß Sie die Möglichkeit für solche schwarzen Listen haben: nach § 17 des Chemikaliengesetzes. Ihre Behörden basteln schon seit Jahren an den Kriterien für die Umweltgefährlichkeit dieser Gifte herum, bisher jedoch ohne Ergebnisse.
Ich finde nach wie vor, daß im Bereich der Chemie keine ernst zu nehmende Wende stattgefunden hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidbauer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ein Jahr nach Sandoz, in der Tat — und erneut gibt es Störfälle im Bereich der chemischen Industrie. Die Frage drängt sich auf: Hat sich hier ein Lernprozeß vollzogen, oder geht alles im alten Stil weiter?
Ich denke, es bleibt festzustellen, daß nicht jeder derartige Vorgang gleich beurteilt werden kann, daß nicht jeder Vorgang die gleichen Konsequenzen für die Umwelt hat. Ich denke auch, daß pauschale Kritik unzulässig ist, wohl auch aber Kritik, wenn sie berechtigt ist, von uns formuliert werden muß. Wir helfen uns nicht und wir helfen am allerwenigsten der chemischen Industrie, wenn wir die Dinge einfach übergehen und zur Tagesordnung übergehen.
— Wir getrauen uns sehr wohl zu kritisieren.
Herr Reimann, gleich zu Ihnen, zu den Wasserwerken. Es kann überhaupt keinen Dissens geben, daß wir uns überlegen müssen, daß das Bestehende nicht ausreicht, daß wir uns überlegen müssen, daß wir nicht von EG-Trinkwassergrenzwerten abweichen dürfen — das ist der falsche Weg —
und sie an Einleitungswerte anpassen. Wir müssen uns vielmehr überlegen, wie Einleitungswerte reduziert werden,
damit sie mit den Grenzwerten in der EG-Richtlinie korrelieren.
— Völlig einig und d'accord!
Herr Kollege Müller, auch zu Ihnen. Es kann wohl nicht Ihr Ernst sein, daß es einen Dissens zwischen
freiwilligen Vereinbarungen, Kooperation und gesetzlichen Regelungen gibt. Es kann auch durch freiwillige Regelungen keinen gesetzesfreien Raum geben. Vielmehr war das eine letztlich immer der Vorläufer, der Schrittmacher des anderen.
Herr Kollege Müller, nehmen Sie einmal Ihre verbalen Sprechblasen weg, die Sie ja machen, wenn Sie sagen: verantwortbare Chemie wollen wir. Wir müssen uns einmal überlegen, was uns freiwillige Vereinbarungen gebracht haben. Ich möchte feststellen: Wir waren rascher, wir waren schneller ohne Brüsseler Bürokratie an einem Ziel angelangt. Wir haben immer im Hintergrund die Rechtsverordnungen des Gesetzes. Denken Sie an § 14 des Abfallgesetzes oder an das Benzinbleigesetz. Wir haben freiwillig das bleifreie Benzin eingeführt, und zwar mit einem hervorragenden Erfolg. Trotzdem stimmt die SPD morgen zu, wenn wir das Benzinbleigesetz verabschieden, mit dem wir das normale verbleite Benzin verbieten. Beides muß sein. Beides ist im wohlverstandenen Interesse.
Ich will auch etwas zu den Verantwortlichen in der Chemie sagen. Ich finde es gut, daß der Vorstandsvorsitzende der BASF vor wenigen Tagen erneut erklärt hat, man sei dialogbereit, lernwillig, konsensfähig und ziehe aus jedem Unglück Konsequenzen und nehme es zum Anlaß, die Sicherheitskonzepte zu überprüfen.
Dies ist wichtig. Dies sehe auch ich positiv. Nur darf es nicht dabei bleiben, daß wir dies akzeptieren. Wir müssen vielmehr hinterfragen: War es wirklich so?
Eine Zeitung in der Schweiz hat am 13. Dezember 1986 die Überschrift gehabt: „Den Mut haben, über Negatives zu informieren". Mit ehrlichen, transparenten Informationen, die für die Öffentlichkeit überprüfbar sein sollen, muß in der Tat versucht werden, im Verhältnis zur Bevölkerung einen tragfähigen Konsens zu finden. Dies ist wichtig. Ich halte dies für einen wichtigen Ansatz.
Es stellt sich die Frage: Ist es bei diesen Vorsätzen geblieben, oder hat sich hier einiges geändert? Ich erinnere an den Maßnahmenkatalog des VCl vom 5. Dezember 1986: Verbesserung der Meldesysteme, Bereitstellung von Notspeicherkapazität. Ich erinnere auch an den Maßnahmenkatalog der Bundesregierung. Wenn ich jetzt an den Vorfall erinnere, der sich in der Bundesrepublik Deutschland am 24. November abgespielt hat, dann weiß ich, daß wir auf dem richtigen Wege sind, daß die Störfallverordnung geändert werden muß. Sie wird geändert. Wir haben noch mehr Grund, darüber nachzudenken, ob es Punkte gibt, die wir noch anders fassen müssen. Das werden wir tun. Genau dies wird für uns Anlaß sein, genau zu überprüfen.
Wir ziehen Konsequenzen aus jedem Störfall, auch aus menschlichem Versagen. Da gibt es nur die Poli-
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Schmidbauer
tiker, die davon ausgehen, daß es kein menschliches Versagen gibt.
— Das macht uns ja so sympathisch. — Ich meine nicht die Frage des menschlichen Versagens, sondern daß wir mit einer Technologie dafür sorgen wollen, daß man die Stutzen nicht verwechseln kann. Dies wird für uns Anlaß sein, zu überprüfen: ob es nur einen Stutzen gibt, der dorthin paßt, wo er hinpassen soll, und den man nicht verwechseln kann.
Die Frage wird sich stellen: Wie ist das Meldesystem zu verbessern? Ich finde, es war nicht gut, daß von der BASF zu spät gemeldet wurde, auch wenn kein Grund zur Meldung bestand. Im Sinne des vorher Gesagten — Mut zu haben, Negatives zu erörtern —, kann hier sicherlich einiges verbessert werden. Auch wir müssen diesen Mut haben und dafür sorgen, daß auch die Kraft da ist, aus negativen Erfahrungen Konsequenzen zu ziehen.
Ich finde, dies ist Anlaß für uns, auch im Zuge dieser Vorgänge erneut in eine weitere Überprüfung einzutreten.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Conrad.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon komisch, wie sich die Szenen gleichen: Wie vor einem Jahr die gleichen Gesichter, die gleichen Beteiligten und die gleichen Beteuerungen.
Ritualhaft werden wieder einmal Kooperationsprinzip und Verursacherprinzip bemüht, Absichtserklärungen noch und nöcher gegeben und dazu, wie immer, das hehre Bekenntnis zur Vorsorge abgelegt. Das haben wir schon oft hier gehört. Ritualhaft ist gleichzeitig die Beteuerung: Die Bürger waren nicht gefährdet, die Umwelt auch nicht.
Die besorgten Bürgerinnen und Bürger werden es schon schlucken. Was bleibt ihnen im wahrsten Sinne des Wortes eigentlich übrig? Wir haben es schon gehört. Nahezu 20 Millionen Menschen schlucken aufbereitetes Rheinwasser täglich als Trinkwasser.
Mehrfach wird aufbereitetes Rheinwasser durch die Körper der Menschen filtriert. Schwermetalle finden sich in menschlichen Knochen, in der Leber und den Nieren. Es dürfte Ihnen bekannt sein, Herr Minister, daß Mediziner die Ablagerung von Schwermetallen in den Nieren in bezug auf die Zunahme von Fällen
chronischer Niereninsuffizienz zunehmend in die Diskussion bringen.
— Unter anderem auch dadurch.
Die Menschen waren nicht erst durch die zwei aktuellen Unfälle und die Beinahe-Katastrophe erneut besonders gefährdet; gefährdet sind die Bürger und Bürgerinnen durch die tagtägliche Katastrophe alltäglicher Belastungen.
Vorsorge, Herr Minister, ist ein Begriff, den Sie gerne in Erklärungen und Interviews besetzen. Der Rhein-Alarm-Plan kann ja damit wohl nicht gemeint sein. Die Katastrophe von Sandoz und der BASF-Unfall vor einem Jahr, so meinten gutgläubige Bürgerinnen und Bürger, könnten ja eine Chance gewesen sein: Durch Schaden wird man klug. Aber im Gegensatz zu Herrn Schmidbauer bin ich der Meinung, daß dieses alte Sprichwort durch die Bundesregierung stets aufs neue widerlegt wird. Vorsorge hätte bedeutet, daß Sie schnellstens die Liste der eingeleiteten Schadstoffe beschaffen. Sie lassen das Umweltbundesamt in einem Hase-und-Igel-Spiel hinter der Industrie heranalysieren. Sie wissen weniger als die chemische Industrie, weil Sie auf eine Politik der gläsernen Abflußrohre verzichten.
Kooperation ist bei Ihnen angesagt. Die Novelle der Störfallverordnung ist schon angesprochen worden. Wenn aber die Industrie bei Ihrem freiwilligen Kooperationsmodell die notwendigen Verordnungen schon mitformuliert und Sie diese weiche Fassung noch einmal mit dem Verband der Chemischen Industrie verhandeln, wundert es keinen, wie windelweich dann der Kompromiß aussieht.
Siehen Sie: Dabei denken wir auch gar nicht daran, die Chemieunternehmen in einen Sack zu stecken und draufzuschlagen. Die chemische Industrie ist kein einheitlicher Block. Da gibt es schon vernünftige Umweltschutz- und Vorsorgepositionen. Doch wenn Sie selbst vom „Schweigekartell der Oberingenieure" sprechen: Warum helfen Sie dann nicht mit konkreten Auflagen nach dem Stand von Wissenschaft und Technik, die Maßstäbe für die Geschwindigkeit der Umrüstungs- und Vorsorgepolitik zu setzen? Für einen engagierten Wettbewerb haben Sie keinen Mut; dazu fehlen klare, einklagbare Umweltschutzvorgaben, z. B. durch Ge- und Verbote. Dazu gehörte die Überarbeitung des Chemikaliengesetzes: Absichtserklärung. Die Novellierung der Störfallverordnung: Absichtserklärung schon seit Wallmanns Zeiten.
Es ist noch keinen Monat her, da wurde das von Nordrhein-Westfalen und den sozialdemokratisch regierten Ländern eingebrachte Gesetz zur Verbesserung des Umwelthaftungsrechtes von Ihren Freunden in den unionsregierten Ländern abgelehnt.
— Leider wahr. In der Stellungnahme der Bundesregierung zum vierten Aktionsprogramm für den Um-
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Frau Conrad
weltschutz zur EG kündigte die Bundesregierung unter dem Punkt Chemikalien zur Optimierung der Vorsorge gegenüber Störfällen in der chemischen Industrie Europas ein konkretes Aktionsprogramm an. Die Absichtserklärung ist morgen genau ein Jahr alt. Was fehlt, sind konkrete Aktionen.
Absicht auch die vereinbarte 50-%-Reduzierung der Schadstoffe im Rhein bis 1995 nach dem Abkommen der Rhein-Anliegerstaaten, von Schadstoffen, die sie noch nicht kennen, von denen sie noch keine Risikoanalysen haben, von denen sie noch nicht einmal wissen, was heute 100 % sind.
— Nein, auch ich nicht. Zyniker zweifeln nicht daran, daß sie unter diesen Umständen ohne Ausgangswerte 1995 50 % haben werden.
Vorsorge beim Gewässerschutz hat natürlich auch etwas mit Kosten zu tun. Das ist heute schon angeklungen, als Sie mir das Stichwort vom Fischsterben an der Saar gaben; andernfalls hätte ich es zum Schluß gar nicht mehr gebracht. Gerade deswegen haben wir aber doch ein Saar-Mosel-Programm im Umweltausschuß eingebracht. Es war auch Gegenstand der Haushaltsberatungen gewesen.
Das ist doch abgelaufen. Sie verweisen immer auf Möglichkeiten, die die Länder durch die Wasserabgaben haben. Sie haben doch gar keine Vorstellung davon, wie hoch die Kosten in diesem Bereich sind.
Ich sage Ihnen nur einmal, wie das aussieht: Für 100 000 Einwohner finanziert momentan das Saarland eine einzige Kläranlage für 200 Millionen DM.
Frau Kollegin, Sie müssen jetzt zum Schluß kommen.
Ja, gerne.
Sie lassen die Länder da alleine. Wenn Sie ein SaarMosel-Programm vom Saarland finanziert haben wollen, würde der Anteil 1,9 Milliarden DM nach dem Stand der Kosten von 1985 bedeuten. Stellen Sie sich das einmal für ein einziges Bundesland vor, Herr Töpfer, was ich mit diesem letzten Beispiel sagen will. Auch bei den Kosten fühlen Sie sich nicht zuständig. Das hat mit Vorsorgepolitik nichts zu tun.
Das Wort hat der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Diskussion hat gezeigt, daß es ganz offenbar zwei Teilbereiche gibt, die hier zu erörtern sind, Zunächst ist es der Fall, der bei der BASF vorgekommen ist. Dazu kann man schlicht und einfach folgendes sagen.
Zunächst einmal: Das, was wir nach Sandoz festgelegt haben, daß nämlich eine freie Kapazität in einem
Auffangbecken da ist, ist der Fall. Es waren 60 000 Kubikmeter Leerraum verfügbar. Genau das, was angekündigt worden ist, ist nicht nur angekündigt worden, sondern war vorhanden.
Zum zweiten. Es ist dorthin auch eingeleitet worden. Die Frage — das wird von den Landesbehörden zu untersuchen sein — , ob man zu früh oder zu spät eingeleitet hat, ist eine Frage des Vollzugs, aber nicht etwas, was die Bundesregierung angekündigt und nicht eingehalten hätte. Dies ist eingehalten.
Was die Landesebene zusätzlich getan hat, ist, zu überprüfen, ob diese 60 000 Kubikmeter ausreichen.
Sie hat in der Zwischenzeit bereits eine entsprechende Auflage erlassen, daß ein weiteres Becken gebaut wird.
Dies alles ist — erstens — offenbar der Grund, im Deutschen Bundestag eine Aktuelle Stunde zu beantragen.
Zweiter Teil. Es gibt die Frage der Information. Die Frage der Information — sie ist hier mehrmals angesprochen worden — wird von dem Unternehmen anders als von der Behörde gesehen. Das Unternehmen ist davon ausgegangen, es hat zu melden, wenn dieser Stoff in ein Gewässer eintritt. Die Behörde geht — ich meine, völlig zu Recht — davon aus, daß eine Meldung schon zu erfolgen hat, wenn dieser Stoff in eine Abwasserbehandlungsanlage eintritt. Das ist § 20 Abs. 7 des Landeswassergesetzes von Rheinland-Pfalz. Diese Frage ist eine Ordnungswidrigkeitsfrage und wird von der Landesbehörde entsprechend bearbeitet. Ist das wiederum ein Grund, eine Aktuelle Stunde im Deutschen Bundestag zu beantragen?
Dies zu diesem Fall.
Dies ist offenbar auch gar nicht der Grund dafür, warum diese Aktuelle Stunde beantragt wurde. Sie wurde aus ganz anderen Gründen beantragt. Sie wurde beantragt, um über die Frage der Konzeption in diesem Bereich der Chemie und der Beherrschung der damit verbundenen Fragen zu sprechen. Da — das muß ich wirklich sagen — kommt man sich geradezu vor, als wäre man geradezu dankbar, wieder einmal so einen Watschenmann zu haben und daran ein Zerrbild aufzuarbeiten.
Nur als Fußnote bemerkt: Die SPD-Fraktion wäre gut beraten, wenn sie sich erst einmal untereinander einig würde. Da kommt der Abgeordnete Reimann und bringt sein großes Plädoyer dafür, daß man das alles eigentlich doch nur mit den Chemikern zusammen machen kann und daß man doch Kooperation brauche. Als ich hier saß und den Abgeordneten Rei-
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Bundesminister Dr. Töpfer
mann sprechen hörte, dachte ich: Der Nann redet genauso, als wollte er nur Kooperation machen.
Dann geht der Abgeordnete Reimann auf seinen Platz zurück, und es kommt der Abgeordnete Müller, der dann sagt, was denn das alles für eine außerordentlich problematische Sache sei, daß da jemand mit Kooperation käme. Da muß ich mich doch einmal fragen: Wie hätten Sie es denn gerne?
Jetzt sage ich Ihnen folgendes: Die Bundesregierung hat keine Umweltpolitik, die auf dem Kooperationsprinzip als Priorität aufbaut, sondern die Bundesregierung hat eine Umweltpolitik, die in erster Linie auf Gesetzen und Verordnungen aufgebaut ist. Ich sage Ihnen jetzt einmal ganz konkret, wie denn eigentlich auf Sandoz und die damit verbundenen deutschen Störfälle reagiert worden ist, und Sie sagen mir dann hinterher bitte, was davon Gesetz, Gebots- und Verbotsregelung ist und was davon Kooperation ist.
Wir haben ein neues Wasserhaushaltsgesetz mit dem § 7 a. Bringen diesen § 7 a als Kooperation, Herr Müller, oder als Verordnung?
Wir haben ganz eindeutig den § 19 im Wasserhaushaltsgesetz. Ich frage zurück: ist die Ausfüllung dieses Paragraphen Kooperation, oder ist es Gesetzesvollzug?
— Herr Stahl, Sie sollten eines ganz deutlich sagen — —
— Ich werde gerne im Rhein-Hunsrück-Kreis, Herr Schäfer, vermelden, daß Sie meinen, im Rhein-Hunsrück-Kreis liege man irgendwo hinter der Bergen. Ich sage dann dazu, daß das von der SPD kommt. Es wird mir vor Ort sehr viel nutzen, wenn ich das so sagen kann.
Ich fahre mit dem fort, was wir in der Sache tun. Eine neue Störfallverordnung kann man ja wohl nicht als Kooperation bezeichnen, sondern das ist eine Verordnung, auf deren Grundlage gesetzlich gehandelt wird. Eine Neuregelung des Chemikaliengesetzes hat mit Kooperation nichts zu tun, sondern ist eine gesetzliche Grundlage. Diese Aufzählung kann ich fortführen.
Wir haben immer nachhaltig und deutlich klar gemacht: Wir haben eine einklagbare, auf Gesetz und Verordnung aufbauende Umweltpolitik entwickelt. Wir werden uns allerdings immer wieder darum kümmern, daß diese Fragen hinterher im Zusammenwirken und in der Zusammenarbeit mit der betroffenen Wirtschaft auch dynamisch umgesetzt werden.
Wenn ich darüber spreche — die Frau Abgeordnete Conrad hat sich ja in besonderer Weise als Sachkenner dieser Angelegenheit hier dargestellt —, daß es so
etwas wie ein „Schweigekartell der Oberingenieure" gibt,
dann tue ich es deswegen, weil wir mit der Fixierung des Wortes „Stand der Technik" in Gesetzen häufig eine Sperrklinke hineinbekommen, die verhindert, daß wir diese Technik dynamisch weiterentwickeln. Deswegen habe ich gesagt: Wenn wir dies überwinden wollen, müssen wir eben mehr machen, als immer nur alle vier oder fünf Jahre eine Verordnung fortzuschreiben. Ich frage einmal nach: Die TA-Luft ist 1974 verabschiedet worden.
Wann, meine Damen und Herren, ist sie denn das nächste Mal fortgeschrieben worden? 1983. Dann frage ich doch einmal nach, ob es nicht ganz sinnvoll ist, wenn man in der Zwischenzeit dynamisierende Instrumente hat,
die das Eigeninteresse der Wirtschaft mit heranziehen um das voranzubringen.
Ich will nur zeigen und sagen, wer hier Popanze aufbaut.
Meine Damen und Herren, dann muß man sich an der ganzen Sache vielleicht auch noch etwas die Sprache anhören. Da spricht der Abgeordnete Reimann
— ich muß ganz ehrlich sagen: er weiß es besser — davon, daß die Menschen am Rhein dann vergiftetes Trinkwasser trinken müßten. Anschließend spricht die Abgeordnete Conrad davon
— sie weiß es wahrscheinlich wirklich nur so weit, wie sie es hier gesagt hat —, daß dann Millionen am Rhein vergiftetes Trinkwasser trinken müßten.
Ich muß doch ganz nachhaltig noch einmal klar und deutlich machen, daß weder das eine noch das andere stimmt, sondern daß das Trinkwasser, das in der Bundesrepublik Deutschland angeboten wird, ein in jeder Hinsicht anzubietendes Trinkwasser ist, das keine gesundheitlichen Probleme irgendwelcher Art hervorruft. Das ist die Situation, meine Damen und Herren.
3114 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1987
Bundesminister Dr. Töpfer
— Wissen Sie, Herr Abgeordneter, wenn ich Ihnen wirklich erzählen sollte, was ich zu Hause trinke, dann hätte das mit diesem Thema wenig zu tun.
Ich wollte mich eigentlich abschließend auf das Thema konzentrieren und Ihnen folgendes sagen: Dieser Fall, der hier behandelt wird, wird nicht des Falles wegen behandelt, sondern um eine Möglichkeit zu haben, eine Darstellung der Umweltpolitik der Bundesregierung zu geben, die durch nichts gerechtfertigt ist. Wir haben keine Kooperationsumweltpolitik, sondern eine Umweltpolitik auf klaren gesetzlichen und Verordnungsgrundlagen, die einklagbar sind. Aber in diesem Rahmen wollen wir wirklich, wie es der Abgeordnete Reimann hier gefordert hat, die Kenntnisse von Chemikern mit heranziehen, um diesen Sicherheitsstandard gemeinsam mit der Wirtschaft weiterzuentwickeln.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Stahl.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister Töpfer, wir wollen Sie nicht zum Prügelknaben machen, wie Sie es hier dagestellt haben. Im Gegenteil: Sie wissen, daß wir Sozialdemokraten im Ausschuß sehr kooperativ mit Ihnen zusammenarbeiten. Ich meine, ich würde es mir an Ihrer Stelle schon überlegen, ob ich derartige Sprüche hier vor dem Plenum des Bundestages abgebe.
Es ist unbestritten, daß Ihr Vorgänger, Herr Wallmann — ich kann Ihnen gerne einmal eine Kopie dieser Liste geben — , den Maßnahmenkatalog der Bundesregierung zur Vorsorge gegen Chemieunfälle - dem Plenum des Deutschen Bundestages in der Regierungserklärung vom 4. Dezember 1986 vorgelegt — , initiiert hat. Verehrter Herr Töpfer, sehen Sie sich einmal diese 27 Punkte an. Da steht eine ganze Menge vernünftiger Sachen drin. Aber, wenn Sie mal abhaken, was hier inzwischen geregelt wurde, dann werden Sie mir nicht widersprechen, verehrter Herr Minister, daß das Ergebnis Ihrer Tätigkeit in diesem Jahr als unerfreulich bezeichnet werden kann.
Dies steht außer Zweifel. Ich will hier nicht das Wort gebrauchen, Herr Bundesminister, daß Sie ein Ankündigungsminister sind. Dies war bei Wallmann sicherlich der Fall, weil er nur kurze Zeit hier war.
Aber hei Ihnen sieht das ja anders aus. Ich darf Ihre Rede vom 5. November, also von vor vier Wochen, noch einmal zitieren. Da haben Sie ein Jahr nach Sandoz gesagt: Von dem, was die Bundesregierung damals -- nach den Vorfällen bei Sandoz und bei anderen Chemieunternehmen — als notwendig angekündigt hat, wird an keiner Stelle ein Abstrich gemacht werden. Wo bleibt denn das nun, was Sie hier alles auf den Weg gebracht haben? Und bei dem, was Sie soeben in bezug auf diese Aktuelle Stunde gesagt haben, Herr Töpfer, sind Sie ein bißchen schief gewikkelt. Diese Aktuelle Stunde bezieht sich auch darauf, daß wir von Ihnen als Bundesminister Auskunft darüber erwarten, was in einem Jahr nach Sandoz tatsächlich in Bewegung gesetzt wurde. Dazu haben Sie heute nichts gesagt.
Sie haben nur Polemik gebracht. Ihre Kollegen aus der CDU haben schön Wetter gemacht, als wenn gar nichts wäre. Ich finde es richtig, was Herr Baum sagt, der hier kritisiert hat — das haben Sie noch nicht einmal getan — , daß das, was in Ludwigshafen vor kurzem passiert ist, ja viel zu spät gemeldet wurde. Was soll das denn, eine freiwillige Kooperation in der einen oder anderen Sache — und in diesem Katalog von 27 Punkten gibt es ja eine ganze Menge von freiwilligen Kooperationsmöglichkeiten; lesen Sie sich den Katalog mal durch —, wenn anschließend bei derartigen kleinen Sachen die chemische Industrie noch nicht einmal so verantwortungsbewußt ist, diese Störfälle dann auch frühzeitig zu melden, damit man sich dementsprechend auch ein Urteil machen kann?
Wissen Sie, ich stimme mit den GRÜNEN überhaupt nicht überein.
— Ich denke z. B. an die überspitzten Sachen, die Sie ja laufend von sich geben, Frau Garbe. Interessant war heute, als im Ausschuß plötzlich durch die Gutachter festgestellt wurde, daß, wenn wir nach Ihrem Antrag verfahren und ihn im Deutschen Bundestag beschließen würden, Ende des nächsten Jahres 45 000 Arbeitsplätze in der Automobilindustrie und im Umfeld noch einmal fast 200 000 wegkämen.
Solche Politik machen wir Sozialdemokraten nicht. Dies machen wir auch nicht mit, Herr Töpfer.
Aber eines müssen Sie nun doch zugeben — und das ist meine Einschätzung — , daß die chemische Industrie in diesem Jahr viel mehr bewegt hat als Ihr Ministerium. Wenn Sie nicht in der Lage sind, dies zu tun, dann erklären Sie doch vor dem Deutschen Bundestag, Sie hätten zu wenig Personal, Sie hätten zu wenig Geld
— zu wenig Sachverstand, auch dies vielleicht —,
damit Ihnen die Mittel vielleicht dann auch dementsprechend schneller bewilligt werden als bisher. Es kann doch nicht so sein, daß Sie in Ihrer sehr netten, sehr liebenswürdigen Art, wie ich finde, uns, dem Parlament, der Opposition, laufend verkaufen wollen, es würde schon vieles oder alles geregelt. Ich meine, das ist nicht gut.
Wir sind als Sozialdemokraten nicht gegen die Kooperation; aber wir fordern Sie auf, Herr Bundesminister, statt immer nur liebe und nette Worte zu spre-
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1987 3115
Stahl
chen, sich einmal den Katalog mit den 27 Maßnahmen vorzunehmen und hier vor dem Parlament unmißverständlich zu sagen, was fünfzehn ist. Wenn Sie es nicht können, dann sagen Sie einfach: wir sind als Bundesregierung dazu nicht in der Lage; dann helfen wir Ihnen als Opposition.
Das Wort hat der Abgeordnete Carstensen .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle wissen, weswegen die GRÜNEN diese Aktuelle Stunde beantragt haben:
Anlaß sind die jüngsten, wie es so schön heißt: immissionsrelevanten Betriebsstörungen am Rhein. Grund für die Aktuelle Stunde — das haben die bisherigen Reden aber auch gezeigt — sind ideologische Angriffe auf die chemische Industrie im allgemeinen.
Nun sind wir manchmal bei solchen Angriffen leicht geneigt, uns schützend vor die Industrie zu stellen und sie gegen alle Angriffe zu verteidigen.
Ich will das nicht tun und habe leider auch keinen Grund dazu. — Hören Sie ein bißchen zu, Herr Reimann, vielleicht treffen wir uns bei einigen Aussagen, die ich machen möchte.
Vorfälle wie die Zwischenfälle bei BASF und Sandoz sind nicht zu entschuldigen, weil sie nämlich ein hohes Gefährdungspotential dokumentieren. Nun wäre es leicht, auch in dieser Aktuellen Stunde die aktuelle Gefährdung aus den Ereignissen darzustellen und dann einfach zur Tagesordnung überzugehen. Sachlich, fachlich ist es sicher richtig, daß es beim Unfall durch das Runilan mit dem Wirkstoff Vinclozolin zu keiner Gefährdung des Gewässers und des Trinkwassers gekommen ist. Aber trotzdem muß der Vorfall Anlaß sein, zu fragen, wie solche Pannen verhindert werden können.
Natürlich wird immer gleich der Ruf nach dem Gesetzgeber laut, der radikal eingreifen soll.
Aber damit wird das Problem nicht gelöst, damit werden insbesondere solche menschlichen Fehler wie die, die in diesem Fall zu dem Störfall geführt haben, nicht verhindert. Schnelle Reaktionen, Überreaktionen von staatlicher Stelle, wie sie oft gefordert werden, bewirken nicht immer das, was geplant ist.
Ich denke dabei insbesondere an zwei Dinge aus dem Bereich Nordseeschutz. Hätten wir schon 1985 die Verklappung von Dünnsäure für die Bundesrepublik verboten, wäre auch 1989, wenn sie eingestellt wäre, nicht weniger in die Nordsee gelangt; aber die liebe Frau Terborg hätte in ihrem Bereich sicherlich eine Menge Arbeitsplätze weniger. Hätte die Bundesregierung nicht in einem Forschungsprogramm die Herkunft des Oles bei den toten Vögeln der Nordsee untersucht, wären wir heute noch nicht in der Lage, den Hebel an der richtigen Stelle anzusetzen.
Gesetzliche Vorgaben und Verordnungen regeln Überwachungen und Sicherheitsstandards in den Kernbereichen chemischer Anlagen. Sie sind aufwendig und berücksichtigen trotzdem nicht immer die Randbereiche, in denen Fehler gemacht werden können. Vorgaben des Gesetzgebers können daher nur funktionieren, wenn eine Zusammenarbeit mit der Industrie, mit den Sachverständigen aus den Betrieben gegeben ist. Diese freiwilligen Leistungen, die wir von den Betrieben auch fordern, sind notwendig, weil nur die Einbindung von Fachleuten aus den Betrieben dazu führen kann, daß gerade solche Unfälle wie bei der BASF in Zukunft verhindert werden.
Es ist zu überlegen, ob die Betriebe der chemischen Industrie in ihren Sicherheitsbereichen nicht verstärkt Umweltberater ansetzen, die durch ihre Kenntnisse, durch ihre Analyse der Betriebsabläufe und durch ihr Gespür in der Lage sind, den Teufeln, die bekanntlich oft im Detail sitzen, auf die Spur zu kommen.
— Mit Kompetenzen, sicherlich.
Staunen muß ich über die Äußerungen, die der Kollege Müller hier gemacht hat, der offensichtlich vergessen will, was er einmal in seinem Antrag, den er wohl selbst mitformuliert hat — Drucksache 11/714: Vorsorge gegen Schadensfälle in der chemischen Industrie — , geschrieben hat. Auf Seite 3 steht, die SPD erwarte, „daß die chemische Industrie durch eigene Anstrengungen besonders dazu beiträgt, die Risiken ihrer Produktion und ihrer Produkte schnell weiter zu verringern".
Also: Zusammenarbeit mit der Industrie.
Ganz so schlecht scheinen eigene Aktivitäten — von wem auch immer — nicht zu sein, wenn der Hamburger Senat auf eine entsprechende Anfrage der Abgeordneten Bock von der GAL antwortet, daß bei sämtlichen Betrieben im Hafen, die der Störfallverordnung unterliegen, Absperrvorrichtungen installiert sind bzw. innerbetriebliche Maßnahmen getroffen worden sind, um wassergefährdende Stoffe bei Schadensfällen oder Betriebsstörungen zurückzuhalten.
Ziel müssen gemeinsame Arbeiten von Regierung und Industrie für die Sicherheit sein. Den Menschen Hysterie und Katastrophenstimmung einzureden, hilft uns sicherlich nicht.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lippold.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sandoz liegt nicht in Deutschland. Wir verstehen, daß Sie die Assoziation mit dieser Katastrophe benutzen — genau wie Herr Daniels es gesagt hat — , um Vorfälle, die nicht vergleichbar sind, in ein gleiches Kli-
3116 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 45. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 2. Dezember 1987
Dr. Lippold
schee zu pressen. Herr Daniels, da ist die Panikmache, die wir Ihnen vorwerfen.
Richtig dagegen ist, wenn ich jetzt einmal auf den BASF-Vorfall zu sprechen komme, was das rheinlandpfälzische Ministerium für Umwelt und Gesundheit erklärte:
In der vorliegenden Form war die durch eine Fehlschaltung bei der BASF erfolgte Einleitung weder für Fische und Kleinlebewesen noch für den Menschen gefährlich.
Ich sage das hier in aller Deutlichkeit, damit das aufhört, was Sie, Herr Reimann, getan haben, was wir bei Ihnen sonst nicht gewohnt sind: Hysterie wecken dadurch, daß man die Gefährdung an die Wand malt. Frau Conrad hat dasselbe getan. Die Tatsache, daß die rheinland-pfälzische Landesregierung trotzdem alles Erforderliche veranlaßt hat, verdient unseren Dank, weil sie es zur Sicherheit der Bürger getan hat.
Aber es gibt keinen Grund zur Panikmache.
Gleichwohl ist dies ein ernst zu nehmender Anlaß, darüber nachzudenken, was besser zu machen ist. Ich nenne zwei Punkte.
Erstens. Die BASF hat seit Sandoz, ohne dazu verpflichtet zu sein, grundsätzlich die Bezirksregierung informiert; diesmal nicht. Das ist wahrscheinlich kein gesetzlicher Verstoß, aber ein Abweichen von dem seit Sandoz üblichen Verhalten. Um Mißdeutungen vorzubeugen: Dies muß für die Zukunft ausgeschlossen sein, damit wir rechtzeitig und richtig reagieren und handeln können.
Zweitens. Routineüberprüfungen sicherheitsrelevanter Punkte müssen trainiert, eingeübt werden, damit sie bei Störfällen schneller ablaufen. Die Kenntnis von Stoffeigenschaften muß schneller in sicherheitsrelevantes Verhalten umgesetzt werden. Das ist eine ganz wesentliche Konsequenz.
Ich will gar nicht so SPD-haft und oberlehrergleich, wie wir das von Vogel gewohnt sind, hier dozieren; denn wenn wir vom Rathaus kommen, sind wir alle klüger.
Sie fordern hier mit dem Glorienschein der Olympier, fernab in den Wolken, menschliche Vollkommenheit. Steigen Sie doch einmal herunter, von diesem Olymp. Legen Sie die Flügel ab. Kommen Sie herab ohne Absturz. Erkennen Sie, daß Fehler immer wieder möglich sein werden.
Das Bild, das Sie hier malen, rührt daher, daß viele aus Ihren Fraktionen Unternehmen und Betriebe noch nicht einmal aus dem Lehrbuch, geschweige denn von innen kennen. Diese mangelnde Praxis führt leider dazu, daß Sie die falschen Konsequenzen ziehen.
Die Vorwürfe gegen Minister Töpfer sind völlig ungerechtfertigt. Die Störfallverordnung ist fertig.
Ich will jetzt gar nicht auf die vielen einzelnen Punkte eingehen, bei denen all das realisiert ist, was seit Sandoz erforderlich ist.
Der Punkt ist doch — deshalb lamentieren Sie von den GRÜNEN und Sie von der SPD hier so weinerlich — , daß alle Forderungen Ihrer Anträge mit der von-1 Minister vorgelegten Verordnung abgedeckt sind. Das, was Sie wünschen, ist durch das abgedeckt, was der Minister realisiert hat.
Ich habe das schon beim letztenmal bei der SPD nachgewiesen. Ich kann das heute genausogut für eine ganze Reihe von Positionen in dem Antrag der GRÜNEN tun, der mir vorliegt. Das heißt also, auch ohne rot-grünes Palaver ist hier gehandelt worden.
Das unterscheidet uns beispielsweise von den Regierungen, in denen Sie einmal Mitverantwortung getragen haben. In Hessen ist diskutiert, aber nicht gehandelt worden. Hier wird gehandelt, während Sie diskutieren.
Ich bin der Meinung: Es ist eine gute Arbeit, daß der Minister diese Sache jetzt schon abgeschlossen hat. Ich sage allerdings auch: Wir hätten uns das sicherlich etwas schneller gewünscht. Aber es ist qualitativ gut. Es ist eine qualitativ gute Arbeit. Es ist jedenfalls besser als das, was Sie in Ihrer hessischen Regierungszeit als rot-grüne Schlamperei vorgelegt haben.
Wir danken der Regierung für diese Arbeit. Ich sage noch einmal deutlich: Dieser Vorfall bei der BASF war keine Katastrophe. Wir lernen daraus. Wir werden weiterhin an den Fragen arbeiten. Wir werden den Belangen der Menschen und ihrem Sicherheitsbedürfnis genauso Rechnung tragen wie dem Schutz der Arbeitnehmer.
Herzlichen Dank.
Ich wollte noch einmal den Versuch eines erzieherischen Wirkens machen. Zwischenrufe haben dann ihre volle Wirkung, wenn es dem Zwischenrufer gelingt, seinen Zwischenruf haarscharf zwischen zwei Sätze des Redners, demgegenüber er einen Zwischenruf machen will, zu plazieren. Alles andere verpufft und stört alle anderen auch.
Ich schließe die Aktuelle Stunde. Aber wir haben noch die Wortmeldung zu einer Erklärung zur Aussprache nach § 30 unserer Geschäftsordnung von Frau Garbe.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Herr Kollege Stahl, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen, daß wir heute morgen im Ausschuß von den Sachverständigen, die wir zur heutigen Anhörung geladen hatten, zum Teil in
Frau Garbe
unseren Intentionen unterstützt worden sind, zum Teil auch nicht, und daß wir zu diesen Punkten gesagt haben, wir müßten darüber noch einmal nachdenken. Ihre pauschalen Vorwürfe muß ich deshalb zurückweisen.
Danke.
Heißt das, Herr Stahl, daß auch Sie jetzt eine Erklärung abzugeben wünschen?
— Zu diesem Punkt, nicht zur Fortsetzung der Debatte!
Bitte schön, Herr Stahl.
Frau Kollegin Garbe, ich zitiere aus der Drucksache 11/560 des Deutschen Bundestages. Dort fordern Sie unter dem Punkt 2 b
Für schwere Nutzfahrzeuge
werden folgende Grenzwerte festgelegt:
— ab Modelljahr 1988
0,5 g/kWh Und dann kommen noch drei Spiegelstriche.
Frau Kollegin Garbe, Sie werden mir doch zustimmen, daß die zuständigen Sachverständigen, vor allen Dingen der Sachverständige, der das mit der Zustimmung aller anderen ausgerechnet hat, unmißverständlich erklärt haben: Wenn man Ihrem Petitum folgt, fallen 45 000 Arbeitsplätze in der Automobilindustrie
und zusätzlich etwa 200 000 Arbeitsplätze in anderen Bereichen weg. Wenn Sie dies als Ihre Politik bezeichnen, habe ich dazu nichts zu sagen.
Schönen Dank.
Beide Erklärungen müssen wahrscheinlich in umgekehrter Reihenfolge nachgelesen werden; dann wird es völlig klar.
Meine Damen und Herren, wir sind am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, 3. Dezember, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.