Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Zusatztagesordnungspunkt 9 auf: Aktuelle Stunde
Einsatz des Bundesgrenzschutzes bei der verbotenen Anti-Atomkraftwerk-Konferenz am 29./30. November 1986 in Regensburg
Die Fraktion DIE GRÜNEN hat diese Aktuelle Stunde gemäß Nr. 1 c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung verlangt.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Ströbele.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen! Verehrte Kollegen! Am letzten Wochenende haben Bundesgrenzschutz und bayerische Polizei die Bundeskonferenz der Anti-AKW-Gruppen in Regensburg zerschlagen.
Zwei Tage lang wurden Personengruppen, die aus Zügen ausstiegen, beobachtet, gejagt und gruppenweise festgenommen. Gaststätten wurden umzingelt, mit Scheinwerfern angeleuchtet und mit BGSHilfe geräumt.
Ein Musikfest wurde aufgelöst, eine Biologentagung ebenfalls.
Mehrere Hundertschaften des Bundesgrenzschutzes waren dabei, als in der Stadt Schwandorf und in der Umgebung Überwachungsposten aufgebaut wurden. In Regensburg und in Teilen der Oberpfalz war an diesem Wochenende ein Stück Polizeistaat erschreckende Realität geworden.
War das das Vorspiel zu dem, was uns bevorsteht, wenn die Terrorismusgesetze, die heute verabschiedet werden sollen, in Kraft treten? Das martialische Aufgebot der vereinigten Sicherheitskräfte galt nicht etwa geplantem Aufruhr — es war nicht einmal eine Demonstration vorgesehen —, es galt auch nicht einem konspirativen Treff, sondern einem
Kongreß mit Arbeitsgruppen von erwarteten etwa 1 000 Teilnehmern aus Bürgerinitiativen quer durch die Bundesrepublik. Nicht ein einziger war einer Gewalttat verdächtig. Der einzige Fehler der zu erwartenden Teilnehmer bestand darin, daß sie sich in der Anti-AKW-Bewegung engagiert haben und tabufrei über alles, auch über symbolische Aktionen diskutieren wollten.
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, daß die Gewaltaktionen diese Regierung und die zu erwartende Verabschiedung des neuen Terrorismusgesetzespaketes nicht der Bekämpfung der Gewalt, sondern ganz anderen Zielen dienen, dann war Regensburg ein Beispiel genauso wie Göttingen oder Hamburg.
Es geht um die rücksichtslose Durchsetzung einer Atompolitik mit Polizeiknüppeln. Brokdorf, Wakkersdorf sind die Symbole.
Der Abgeordnete Fellner hat in einer der letzten Innenausschußsitzungen die Sache auf den Punkt gebracht, als er erklärte, unmittelbar vor dem Bau der WAA seien Firmen aus der Oberpfalz zu ihm gekommen und hätten in flehentlich gebeten, doch bitte schön an Aufträgen bei der WAA beteiligt zu werden.
Dieselben Firmen seien bei ihm jetzt wieder mit dem dringenden Anliegen erschienen, in der Offentlichkeit doch bitte schön klarzumachen, daß sie sich nicht und überhaupt nie an dem Bau der WAA beteiligt haben oder beteiligen wollten.
Der Widerstand der Bevölkerung in der Oberpfalz zeitigt Wirkung. Eine Mehrheit um Wackersdorf ist jetzt schon gegen die WAA, und die Zahl der Atomkraftgegner in der Bundesrepublik wächst.
Eine andere demokratische Alternative, etwa Volksentscheid oder Volksbefragung, ihr Verlangen nach Abschaltung dieser Teufelsdinger durchzusetzen, haben die Menschen nicht. Sie haben nur De-
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Ströbele
monstrationen und andere Formen des Widerstands.
So hatten sich die Bayerische Staatsregierung und die Bundesregierung den Bau der WAA nicht vorgestellt. Jetzt reagieren sie hilflos mit autoritären polizeitstaatlichen Mitteln, mit Verboten, Polizeiknüppeln und Sondergesetzen. Der offenen Auseinandersetzung darüber, was die Menschen zum Engagement gegen die Atompolitik oder sogar zu Straftaten treibt, gehen Sie aus dem Weg. Offenbar fehlen Ihnen die Argumente. Mit dem Anti-AtomKongreß wollten Sie sogar die Diskussion verbieten.
Von Ihrer Atompolitik rücken Sie nicht ab. Ein GAU in 1 000 km Entfernung, in Tschernobyl, reicht Ihnen als Lehre nicht aus. So schrecklich es klingt: Sie brauchen wohl erst hunderttausend Tote in der Bundesrepublik, bis Sie zur Vernunft kommen.
Und da wundern Sie sich, daß Menschen auf diese mörderische Atompolitik mit Strommast-Ansägen oder mit Bauwagen-Anzünden reagieren.
Aber wir wissen — auch sie müßten es aus der Erfahrung der vergangenen Jahre in der Bundesrepublik wissen —: Verbote, Sondergesetze und Polizeiknüppel haben die Probleme doch nie gelöst und auch den Widerstand nicht gebrochen.
Die nächste Bundeskonferenz kommt bestimmt, ebenso die nächste Großdemonstration bei Wakkersdorf in Brokdorf und das nächste Widerstandswochenende. Wir wollen dabeisein.
Danke sehr.
Das Wort hat der Abgeordnete Fellner.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht bei dieser Aktuellen Stunde selbstverständlich nicht um den Einsatz des BGS, sondern es geht den GRÜNEN darum, eine Solidaritätsadresse an die Chaoten draußen von diesem Hause aus zu richten.
Herr Abgeordneter Vogel, bitte halten Sie sich zurück!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie haben in Ihren eigenen Reihen inzwischen Schwierigkeiten, weil die GRÜNEN bei den Veranstaltungen in Regensburg kaum präsent waren. Sie müssen heute hier antreten, um Ihre Pflichtübung zu veranstalten.
Sie wollen den Gewalttätern draußen ein Zeichen der Solidarität geben
und müssen sich deshalb natürlich von uns heute nur das eine fragen lassen, wie Sie es mit der Gewalt halten.
Herr Kollege Ströbele, das, was Sie hinsichtlich meiner Äußerungen im Innenausschuß angedeutet haben, bekräftige ich auch hier: Was Sie und Ihre Helfershelfer in der Oberpfalz veranstalten, ist Terror, und genau in diesem Zusammenhang habe ich dieses Thema angesprochen.
Wenn wir uns über den Einsatz der BGS-Beamten unterhalten sollen, dann müssen wir zugrunde legen, daß Vertreter einer Oberpfälzer Bürgerinitiative, der BIWAK, zur Stadt Regensburg geladen worden sind und eine Genehmigung für einen Bundeskongreß der Anti-AKW-Bewegung beantragt haben und dazu einladen wollten.
— Sie sind wenige Tage vorher zur Stadt gekommen.
— Diese Veranstaltung unterlag dem Versammlungsgesetz und muß deshalb genehmigt sein. Thematik sollte die Stillegung von Atomanlagen sein.
— Wenn Sie es so nennen wollen; ich nenne es gern so. — Die Stadt hat kurz vor dem Kongreß einen sogenannten Reader, eine Sammlung von Schriftstücken, die an alle Teilnehmer ausgegeben wurde, zur Kenntnis genommen. Als die Genehmigungsbehörde, die Stadt Regensburg, diesen Reader zur Kenntnis nahm, las sich dieser sozusagen wie ein Drehbuch für einen Grusel-, Chaos- und Horrorfilm.
In diesem Reader sind vielerlei Unterlagen zusammengetragen worden, aus denen sich ergab, daß jedenfalls bei dieser Veranstaltung über Gewalt diskutiert werden sollte und zu Gewalt aufgerufen werden sollte.
Darüber hinaus — das ist das Entscheidende — war der Veranstalter selbst sicherlich nicht in der Lage und hat in keiner Form erkennen lassen, daß er sich von der Gewalt distanzieren würde. Der Reader sollte nach den Erklärungen der BIWAK ausdrücklich auch die Funktion haben — so heißt es in den übersandten Materialien —: „Direkt zum Thema von Arbeitsgruppen gehörende Infos stellten wir meistens der Arbeitsgruppenvorstellung
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Fellner
nachfolgend zusammen, um einen höheren Diskussionsrahmen anzubieten."
Die Genehmigungsbehörde stellt dazu fest:
Eine kritische Distanzierung des Veranstalters zu den in Betracht kommenden Äußerungen oder gar eine klare Ablehnung ist dem Reader nicht zu entnehmen.
Über diese Verbotsentscheidung der Stadt Regensburg hatte schließlich das Verwaltungsgericht Regensburg zu entscheiden. Dieses bestätigte die Entscheidung der Stadt. Es heißt in der Begründung der Ablehnung eines entsprechenden Antrags eines Ihrer Herren:
Jedoch hat der Erörterungstermin vom 28. November die Kammer nicht davon überzeugt, daß der Antragsteller die Bundesversammlung organisatorisch im Griff hat. So kannte er weder die BIWAK-Sprecher, noch konnte er die Arbeitsgruppe benennen, noch konnte er darlegen, wer die Ordner sein sollen. Der bloße Hinweis auf ein mit einem „BIWAK"-Mitglied geführtes Gespräch, das die Herbeischaffung von Ordnern zum Gegenstand hatte, reicht für die Annahme einer ordnungsgemäßen Organisation nicht aus. Dem steht schon entgegen, daß ...
verschiedene Herren nicht einmal den Versammlungsleiter usw. benennen konnten.
Diese Entscheidung des Regensburger Gerichts ist schließlich durch den Verwaltungsgerichtshof München erneut bestätigt worden. Es ist auch gesagt worden, daß die Polizei schließlich die Möglichkeit habe, wenn die sogenannte Tanzveranstaltung zu einer Ersatzbundeskonferenz umfunktioniert werden sollte, diese Veranstaltung aufzulösen.
Aus diesem Grunde war die Polizei bei dieser Ersatztanzveranstaltung anwesend. Den Teilnehmern ist angeblich die Musik zu schlecht gewesen. Jedenfalls aber haben sie die Lust verloren, dort zu bleiben, und sie haben sich dann in der Stadt getummelt und haben alles mögliche in die Wege geleitet,
um die Bundesversammlung doch noch abzuhalten. Ihr Herr Scheer hat es schließlich als großen Erfolg gewertet, daß entgegen dem Verbot der Polizeibehörden und der Entscheidung der Gerichte diese Bundesversammlung dann doch noch vier Stunden hat stattfinden können. Das kennzeichnet Ihr Verhältnis zum Rechtsstaat. Es kennzeichnet Ihr Verhältnis zur Gewalt.
Damit müssen Sie sich künftig auseinandersetzen.
Wenn Sie in diesem Hause eine Rechtfertigung haben wollen, müssen Sie sich wenigstens zur Gewaltfreiheit bekennen.
Danke schön.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stiegler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sollten uns, glaube ich, zunächst den Anlaß dieser Debatte noch einmal in Erinnerung rufen. Dieser besteht einzig und allein darin, daß die CSU keine Mittel scheut, die WAA wie einen Pfahl in das Fleisch der Oberpfalz zu treiben.
Das ist der Grund der Auseinandersetzung: die Lernunfähigkeit der CSU in Sachen Kernenergie. Während sich andere Parteien, sogar Teile der CDU als lernfähig erwiesen haben, sind die Atomfetischisten in der CSU durch nichts und niemand zu belehren.
Das zweite, meine Damen und Herren, liegt darin, daß manche in der politischen Diskussion immer wieder gefragt haben, wie man den Begriff der Sozialverträglichkeit ausfüllen könnte. Was sich hier in der Oberpfalz abspielt, ist exemplarisch für das, was man sagen muß, um darzulegen, was die Kernenergie als sozial unverträglich erweist. Wer, wie ich es letzten Sonntag wieder einmal getan habe, den Bauzaun umwandert, der sieht, wie das mit Wassergräben fast wie eine mittelalterliche Burg zu einem Archipel Wackersdorf ausgebaut wird. Ich habe mich fast an Eppelein von Geilingen in Nürnberg erinnert, als ich diesen hohen Burggraben gesehen habe. Man muß sich das anschauen und miterleben, wie die armen Grenzer aus Niedersachsen dort unten stehen und von 70jährigen Frauen angegangen werden, die sagen: 50 Jahre lang war es hier ruhig — —
— Ja, das kann ich mir denken, daß Sie früh um 8 Uhr schon an etwas anderes denken als ich.
Diese Frauen sagen: 50 Jahre war es hier ruhig, und die CSU und der Strauß haben den Frieden aus dem Land rausgetrieben und die Gegend unsicher gemacht.
Das ist das Entscheidende. Wenn wir über all die Folgeerscheinungen reden, müssen wir folgendes sehen: Der Albrecht in Niedersachsen hat kapiert, daß das Ganze nicht machbar ist. August Lang hat für die CSU erklärt: Wenn es in der Oberpfalz nicht geht, geht es nirgends. Darin kommt zum einen die Verachtung der Oberpfalz zum Ausdruck und zum anderen die Unbelehrbarkeit. Andere kapieren im-
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Stiegler
merhin, daß sie nicht können, auch wenn sie gerne möchten.
Man muß also immer die Urheber sehen und ansprechen.
Das Dritte sage ich genauso deutlich: Die Sozialdemokratie ist ohne wenn Wenn und Aber gegen Gewalt, ob gegen Personen oder gegen Sachen.
Wir sagen ganz deutlich, wo auch immer wir gefragt werden:
Die WAA kann man nicht wegsägen; man kann sie auch nicht mit Anschlägen wegbringen. Man kann sie nur wegwählen.
Die Schwandorfer haben bei der Landtagswahl einen ersten Schritt getan getan und haben die CSU in Schwandorf ganz deutlich weggewählt.
So wird es Ihnen auch bei der Bundestagswahl in Schwandorf gehen. Franz Schindler wird Ihren Freund Jobst, der nicht müde wird, die WAA zu fordern, ablösen.
Das ist das Entscheidende.
Die SPD hat das Kernenergieabwicklungsgesetz vorgelegt. Dieses Gesetz sieht ein Verbot der Wiederaufarbeitung im Inland wie auch ein Exportverbot vor. Dieses Gesetz werden wir in der Oberpfalz zur Abstimmung stellen. Das ist die entscheidende Antwort. Wir werden uns dafür aussprechen, nicht 640 Millionen DM Investitionszulage für dieses verrückte Projekt auszugeben, sondern wir sind dafür, die 640 Millionen auszugeben, damit Bölkow in der Oberpfalz eine vernünftige Solaranlage bauen und ähnliche Anlagen hinrichten kann.
— Wenn Sie oberpfälzisch verstehen, wissen Sie, daß das nichts mit dem zu tun hat, wovor Sie Angst haben.
Ein letztes. Man muß den Verwaltungsrichtern und den staatlichen Behörden in Bayern immer wieder empfehlen, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Mit Repression wird man die Probleme nicht lösen. Jede Aktion wie Regensburg bringt Zehntausende junger Leute in die Staatsferne.
Denjenigen, die am Rechtsstaat verzweifeln, arbeiten die Befürworter von Repressionen, wie es sie in der CSU und in der Verwaltung gibt, in die Hände. Das wollen wir nicht. Das Entscheidende sind die Flexibilität und die Verhältnismäßigkeit. Wir gehören nicht zu denen, die wie der neue bayerische Kultusminister sagen: Die Leute sollen mehr Faust lesen. Die jungen Leute spüren die Faust. Wer einmal in Regensburg die Faust gespürt hat, hat mehr gelernt als der, der den Faust gelesen hat.
Er läßt sich auch nicht mehr beeinflussen. Das muß man der CSU ins Stammbuch schreiben. Wir Oberpfälzer werden uns diese WAA nicht gefallen lassen und werden mit allen legalen Mitteln dagegen ankämpfen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hirsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir reden hier über einen Vorgang, der allenfalls in den Bayerischen Landtag gehört.
Nach Art. 35 unserer Verfassung sind Bund und Länder zur gegenseitigen Rechtshilfe verpflichtet. Jedes Land ist berechtigt, zu seiner Unterstützung den Bundesgrenzschutz anzufordern. Die von einem Bundesland angeforderte Polizei eines anderen Landes oder des Bundes unterliegt ausschließlich dem Polizeirecht des Landes, in dem der Einsatz erfolgt. Er steht in der Verantwortung des anfordernden Landes und unter seiner ausschließlichen Disposition.
Ich wollte selbst einmal als Innenminister bestimmte inhaltliche Anforderungen stellen, als ich aufgefordert worden war, nordrhein-westfälische Polizei nach Brokdorf zu senden, obwohl ich erhebliche Zweifel an dem Sinn des dortigen Polizeieinsatzes hatte.
Ich habe diese Haltung auf den heftigen Protest der anderen Bundesländer, auch Bayerns, hin aufgegeben, weil die föderale Struktur unseres Staates und die Entscheidungsfreiheit der kleineren Bundesländer in der Tat drastisch beschnitten würde, wenn die notwendige polizeiliche Zusammenarbeit einseitig aufgekündigt werden könnte. Ich sage das insbesondere in Ansehung bestimmter Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten.
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Dr. Hirsch
Wir beschäftigen uns hier also mit einem polizeilichen Vorgang, der allein in der Verantwortung der bayerischen Landesregierung stand und dessen Rechtmäßigkeit allein nach dem Versammlungsgesetz und dem bayerischen Polizeirecht zu beurteilen ist. Die dortigen Gerichte haben die Rechtmäßigkeit des Verbotes und der Zulässigkeit der sofortigen Vollziehbarkeit dieses Verbotes des Kongresses mit überzeugender Begründung bestätigt.
Dabei geht es nicht etwa darum, Kernkraftgegner zu kriminalisieren, nur weil sie gegen Kernkraft sind. In der Tat kann man politische Fragen nicht mit der Polizei lösen. Es sollte vielmehr nach der für diesen Kongreß verteilten Schrift zu Straftaten aufgerufen werden, es sollte erneut die empörende und schäbige politische Verleumdung behauptet werden, die Bundesregierung habe Strafgefangene in Stammheim ermorden lassen, und die Veranstalterin des Kongresses war nicht in der Lage, auch nur irgendeinen Verantwortlichen für diesen Kongreß und seine Durchführung zu benennen.
Wenn die Stadt Regensburg unter diesen Umständen den Kongreß nicht verboten hätte, dann hätte sie im Wege der Kommunalaufsicht dazu gezwungen werden müssen.
Wir sind für eine faire politische Auseinandersetzung. Ich habe meine Zweifel gegenüber der Kernenergie nie verborgen, und ich habe einen Anteil daran, daß sie nicht so ausgebaut werden konnte, wie manche das gewollt haben. Aber ein Innenminister, der eine solche Veranstaltung duldet, wie sie hier geplant war, verletzt die Autorität und die Würde des Staates, er gefährdet den Rechtsfrieden und müßte seinen Platz räumen.
Wir dulden keine private Gewalt, wir dulden keine Aufrufe, die Gesetze zu brechen und die Rechte anderer zu verletzen. Wer diese Grenzen überschreitet, muß die sich daraus für ihn ergebenden Folgen tragen.
Wir fordern die Bürger auf, sich nicht zu solchen Machenschaften mißbrauchen zu lassen und sich ein klares Urteil darüber zu bewahren, wie man in einer Demokratie politische Fragen lösen kann und lösen muß.
Ich erteile das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Herrn Spranger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kollegen Fellner und Dr. Hirsch haben mit Fakten eindrucksvoll unter Beweis gestellt, daß die 10. Bundeskonferenz der Bürgerinitiativen gegen Atomenergie nicht einer friedlichen Demonstration,
sondern der Verabredung und Anleitung von Straftaten dienen sollte.
Daher gab es nur eine richtige Entscheidung: das Verbot dieser Veranstaltung. Der Bundesminister des Innern begrüßt dieses Verbot, dessen Richtigkeit die zuständigen Verwaltungsgerichte in erster und zweiter Instanz bestätigt haben.
Wenn der Rechtsvertreter der Bürgerinitiativen diese Entscheidung als eine Kriminalisierung der Antikernkraftbewegung bezeichnet, dann stellt er nicht nur die Tatsachen auf den Kopf, er diffamiert auch Behörden und Gerichte. Kriminell waren vielmehr die schriftlichen Vorbereitungen der Bundeskonferenz, Anleitung zum Fällen von Strommasten, Verunglimpfungen des Staates, Unterstützung von Terroristen. Es war eine stattliche Anzahl von Straftatbeständen, die der sogenannte Reader als Handlungsanweisung zum Kongreß enthielt.
Unser Rechtsstaat kann solche rechtswidrigen Veranstaltungen in denen zu Gewalt und anderen Straftaten aufgerufen werden soll, nicht hinnehmen. Deshalb tritt die Bundesregierung allen Versuchen, Gewalttätigkeiten zu begehen, zu fördern und zu unterstützen, mit Entschlossenheit entgegen. Es gibt in der Bundesrepublik Deutschland keinerlei Rechtfertigung für gewalttätige Ausschreitungen, von wem, gegen wen und mit welcher Zielsetzung sie auch erfolgen.
Wer Gewalt sät, Herr Ströbele, wird oder will Terrorismus ernten.
In dieser Situation hat der Bundesminister auf Anforderung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern entsprechend dem Gesamtauftrag des Bundesgrenzschutzes gemäß § 9 des BGS-Gesetzes dem Polizeipräsidium Niederbayern/Oberpfalz eine Grenzschutzabteilung sowie zwei Einsatzhundertschaften, insgesamt 647 Polizeivollzugsbeamte, zur Verfügung gestellt. Diese Kräfte wurden zum Raum- und Objektschutz sowie zur Unterstützung bei der Auflösung verbotener Veranstaltungen eingesetzt. Sie bildeten im übrigen eine Eingreifreserve. Die Bundesregierung hält es für selbstverständlich und erforderlich, daß sie den Bundesgrenzschutz auf Anforderung einem Land zur Verfügung stellt, wenn dort in Mißachtung eines gerichtlichen Verbots Aktivitäten entfaltet werden.
Die heutige Initiative der GRÜNEN paßt in Ihr Programm, den Bundesgrenzschutz und die Bereitschaftspolizeien abzuschaffen.
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Parl. Staatssekretär Spranger
Die Folge wäre, daß von Gerichts wegen bestätigte staatliche Verbote nicht mehr durchgesetzt werden könnten.
— Die Initiative ist ein erneuter unverfrorener Versuch, die rechtsstaatliche Arbeit der Polizei in Frage zu stellen. Sie ist erneut Ausdruck einer Doppelstrategie, bei der Sie sich draußen im Land in verschiedensten Formen an rechtswidrigen Aktionen und Demonstrationen beteiligen und hier im Parlament dann scheinheilig als Schutzpatron demokratischer Rechte auftreten, nachdem die Polizei zum Schutz des Rechtsstaates hatte tätig werden müssen.
Es ist auch kein Zufall, sondern Strategie der GRÜNEN, sich nicht nur von gewalttätigen Bestrebungen aller Art nicht klar zu distanzieren, sondern sich auch immer wieder an Aktionen zu beteiligen, bei denen Gewalttätigkeiten eingeplant und von den Veranstaltern von vornherein zugelassen werden.
Dies ist Ausdruck der Kampfansage der GRÜNEN an unseren Rechtsstaat, den Sie zugunsten von Anarchismus, Linksextremismus und Chaos schwächen. Sie verharmlosen Terrorismus und Extremismus, verleumden und beschimpfen die Polizei und die anderen Sicherheitsorgane. Geradezu unerträglich ist Ihre Verharmlosung von Anleitungen zur Demontage von Hochspannungsmasten und Ihre Verniedlichung anderer offener und versteckter Aufforderungen zu schweren Straftaten. Herr Ströbele, Ihre Darlegungen waren ein erneutes Beispiel und Bestätigung dieser Aussage.
Das beweist, wie wichtig die geplante Wiedereinführung des strafbaren Verbots der Anleitung zu Straftaten im § 130 a StGB ist. Wenn der nordrhein-westfälische Innenminister diese und die anderen hier heute morgen zur Abstimmung gestellten Normen zur Bekämpfung des Terrorismus als Anschlag auf die Vereinigungs- und Meinungsfreiheit bezeichnet und sie zusammen mit seinem hessischen Kollegen Günther ablehnt, dann zeigt dies, daß Sie entweder nicht begriffen haben, worum es geht: mit angemessenen Mitteln zu verhindern, Herr Stiegler, daß sich Gegner der Atomenergie terroristischer Aktionen bedienen, um die Energieversorgung der Bürger zu stören, oder, Herr Stiegler, daß Sie sich mit Rücksicht auf grüne Koalitionspartner schon nicht mehr trauen, das zum Schutz des Rechtsstaates und seiner Bürger Notwendige zu tun.
Die Aktivitäten der GRÜNEN im Rahmen der Bundeskonferenz in Regensburg bestätigen, wie notwendig es ist, Gewalt und ihrer Vorbereitung nicht nur durch Maßnahmen der Strafandrohung und der Strafverfolgung, sondern, statt mit solchen
Kräften zusammenzuarbeiten, auch mit entschlossener geistig-politischer Auseinandersetzung den Urhebern und Befürwortern der Gewalt entgegenzuwirken.
Das Wort hat der Abgeordnete Reuter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach dem, was uns aus Bayern bekannt wurde, kann ich mich der Kritik meiner bayerischen Parteifreunde nur anschließen. Die Vorkommnisse in Bayern stellen einen massiven Angriff auf die Grundrechte unseres Staates und auf unsere Verfassung dar.
Die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 unseres Grundgesetzes ist ein Grundrecht und nicht eine besondere Gnade, die die Obrigkeit ihren Untertanen gewähren kann.
Sie erfordert nach unserem Verfassungsverständnis auch keine besondere Erlaubnis oder Genehmigung.
Am 7. November, meine Damen und Herren, vor wenigen Wochen, habe ich an dieser Stelle am Vortage der Demonstration in Hanau an alle eindringlich appelliert, die zu dieser Demonstration aufgerufen haben, sich eindeutig von diesen Gewalttaten zu distanzieren und einen Trennungsstrich zur Gewalt zu ziehen.
Damit habe ich mir den Unwillen einiger Abgeordneter der GRÜNEN zugezogen. Die Demonstration verlief relativ friedlich, nur danach haben einige hundert Teilnehmer eine Spur sinnloser Gewalt hinterlassen. Die Aussage des Friedensforschers Robert Jungk bei der Veranstaltung „Macht kaputt, was euch kaputtmacht!" hat ihre unverantwortliche Wirkung nicht verfehlt.
Wer sich so verhält, mißbraucht unser Grundrecht der Versammlungsfreiheit. Ich füge hinzu: Das Gewaltmonopol muß beim Staat bleiben.
Die GRÜNEN waren in Hanau Mitveranstalter. Sie haben sich im Vorfeld der Demonstration nicht eindeutig von Gewaltanwendung distanziert.
Man akzeptierte auch andere Formen als die der friedlichen Demonstration. Bei Herrn Ströbele klang das vorhin auch so an.
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Reuter
Ich begrüße es ausdrücklich, Frau Kollegin Hönes, daß Sie deutlich gemacht und auch die autonomen Kernkraftgegner dazu aufgerufen haben, die Verfolgung ihrer Ziele mit friedlichen Mitteln durchzusetzen.
Leider zu spät für Hanau. Aber, Frau Hönes, Sie müssen nicht an Sozialdemokraten appellieren, sich für die Erhaltung der Versammlungsfreiheit einzusetzen; denn wir wissen aus der leidvollen Geschichte unseres Volkes und unserer Partei, wie notwendig es ist, sich für Versammlungsfreiheit einzusetzen.
Aber dann frage ich auch hier einmal: Wie ist die Aussage von Frau Ditfurth zu verstehen, die zwar laut dpa erklärt hat, daß man alle Aktionen, wo Menschen zu Schaden kommen könnten, mißbillige, aber dann erläutert hat, das gelte für Anschläge auf fahrende Züge, aber nicht für die Blockade von Bahngleisen oder das Absägen von Strommasten.
Meine Damen und Herren, wenn man hier keinen klaren Trennungsstrich zur Gewalt zieht, macht man sich mitschuldig an dem, was sich dann auch bei Demonstrationen wie in Hanau ereignet.
Ich darf hier an dieser Stelle sagen: Wir Sozialdemokraten akzeptieren keine Form der Gewalt. Jede Form der Gewalt, egal ob gegen Sachen oder Menschen, führt dazu, daß dann andere freiheitliche Grundrechte einschränken wollen.
Ich habe hier einen Artikel. Daraus will ich einmal vorlesen, auch weil es hier eine so interessante Koalition zwischen Herrn Spranger und Herrn Hirsch gab:
Es läuft jedesmal ab wie gehabt: Terroristen morden, und alle sind betroffen, empört, entsetzt. Aber nach Art tibetanischer Gebetsmühlen kommen von SPD und FDP, den Superdemokraten, in unseren Medien sofort die Beschwichtigungen. „Nur keine Überreaktion", tönt es aus den Reihen der FDP, angeführt von ihren linken Außenseitern Gerhart Baum und Burkhard Hirsch. SPD-Oberlehrer Hans-Jochen Vogel hebt den Zeigefinger: „Die Gesetze reichen aus".
Es heißt weiter:
Eine wie Nomaden von Schlachtfeld zu Schlachtfeld ziehende terroristische kriminelle Bande, die sich uniformartig vermummt, betreibt einen glatten Bürgerkrieg.
Und dann kommt eigentlich das Wichtigste:
Das Wort Demonstration kommt im Grundgesetz gar nicht vor. Und es gilt auch nur für
Deutsche und nicht für Ausländer. Unsere Bürger stört es nicht, wenn unsere Daten in welchen Computern auch immer gesammelt werden. Uns stört kein fälschungssicherer Ausweis, keine Raster- und Ringfahndung und keine Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz. Die alles stört nur Kriminelle und Terroristen.
Ich kann nur feststellen — und ich nenne auch einmal den, der dies geschrieben hat; das ist der Kurt Ziesel, der Herausgeber des „Deutschland-Magazins" —, daß hier diejenigen, die bei Demonstrationen kriminelle Taten begehen, und die Reaktionäre in unserem Lande Arm in Arm arbeiten, um unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung einzuschränken.
Auf einem Gedenkstein in Hanau zur Erinnerung an die Opfer von Faschismus steht zu lesen, ganz eindeutig:
Wo das Recht gebrochen wird, stirbt die Freiheit.
Und wir alle haben einen Auftrag, mitzuwirken, daß das nicht eintritt.
Schönen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Broll.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist unübersehbar: In der Versammlung in Regensburg sollten Gewalt und Unrecht gepredigt und vorbereitet werden.
Die Saat geht auf, die Leute wie der Österreicher Robert Jungk in unserem Lande mit jenem entsetzlichen Wort streuen, das der Kollege Reuter eben dankenswerterweise zitiert hat.
Wer solch ein Unrecht predigt, meine Damen und Herren, der will nicht eine schönere Welt, der will nicht ein besseres Leben, der will das Chaos. Und aus diesem Chaos geht in der Regel Diktatur hervor und nicht eine bessere Form von Staat, als wir sie heute haben.
Es ist schlimm und entsetzlich, daß manchmal alte Männer aus Motiven, die schwer zu durchschauen sind und die doch sehr simpel sind, vielleicht weil sie mit ihrem eigenen Leben unglücklich sind, unglücklich darüber, daß sie nicht den Erfolg hatten, den sie sich einmal erträumt hatten, anfangen, die Generation der Enkel aufzuwiegeln, damit sie das zerstören, was die Söhne aufgebaut haben.
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Broll
Die Motive zu untersuchen, meine Damen und Herren, ist interessant, aber es ist nicht unsere Aufgabe.
Wieviel Eitelkeit steht oft dahinter, daß sich Leute im Besitz der Wahrheit wähnen und andere verachten, von denen sie glauben, sie hätten keine Wahrheit.
Wieviel Frustration von Leuten, die nicht in der Lage waren, ihr eigenes Leben vernünftig zu gestalten, etwas aus sich zu machen, steckt dahinter?
Was für eine unsinnige, verschrobene Gedankenwelt steckt dahinter, wenn Leute glauben, in unserem Staate nicht arbeiten, sich geduldig mühen zu müssen, sondern wie Knaben Disteln köpfen — nach einem berühmten Zitat von Goethe, der Ihnen vielleicht nahesteht, weil Sie in der räumlichen Nähe zu Frankfurt leben — und diesen Staat kaputtschlagen zu können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen die jungen Mädchen und Frauen, die jungen Männer auffordern, sich von diesen Verführern nicht in die Irre führen zu lassen. Es ist ein Weg, von dem es häufig kein Zurück gibt. Er endet manchmal im Terrorismus, häufig aber in entsetzlichem persönlichem Unglück.
Wir möchten wünschen, daß die jungen Leute, die diesen Verführern folgen, ihren eigenen Führern und sich selbst gegenüber auch nur halb so kritisch wären, wie sie uns und unserem Staat gegenüber sind. Durchschauen Sie die Motive derer, die Sie in solche falschen Wege hetzen! Bleiben Sie auf dem Weg des Rechtes! Arbeiten Sie mit uns gemeinsam, daß dieser Staat noch besser wird, als er vielleicht ist,
vielleicht besser, als Sie ihn sich vorstellen können. Der Weg der Gewalt und des Unrechts, dieses zynisch und offen verbreiteten Unrechts — das ist nicht einmal geheim wie das Kommen des Diebes in der Nacht, sondern wird offen vertreten —, ist abzulehnen.
Der Staat und die Polizei, die unseren Staat schützt, sind keine psychotherapeutische Anstalt. Wir danken den Polizeiorganen
und den bayerischen Behörden in diesem Fall, daß sie den Rechtsstaat korrekt, frühzeitig und erfolgreich verteidigt haben.
Es kann auch nicht die Aufgabe der Polizei sein,
nur dazustehen, zuzusehen und sich selbst zu schützen. Den Rechtsstaat, die Würde des einzelnen,
auch das Eigentum des einzelnen zu schützen, das ist Aufgabe der Polizei. Das ist hier vertreten worden, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Da dies, Herr Präsident, wahrscheinlich die letzte Rede ist, die ich nach zehnjähriger Zugehörigkeit zum Bundestag hier gehalten habe, möchte ich die Gelegenheit benutzen, mich für gute Zusammenarbeit bei allen — oder bei fast allen — Kreisen und Gruppen dieses Hauses herzlich zu bedanken. Ich habe hier sehr gern gearbeitet. Ob erfolgreich oder nicht, das mögen die Kollegen entscheiden.
Es ist üblich, beim letzten Auftritt um Entschuldigung zu bitten. Meine Damen und Herren, ich sehe das nicht richtig ein. Ich habe bewußt, ich habe überhaupt nie jemanden beleidigt. Wenn ich jemanden geärgert habe, dann war es bestimmt verdient und beabsichtigt.
Da wiederum ist kein Grund, sich zu entschuldigen. Aber heute bin ich milde gestimmt, wie Sie eben gemerkt haben. Darum will ich folgendes sagen:
Sollte mich einmal jemand beleidigt oder geärgert haben — es ist vergeben.
Das Wort hat der Abgeordnete Catenhusen.
Der Kollege Broll wird mir nachsehen, daß ich nicht mit der ihm heute eigenen Milde die Debatte fortsetzen möchte.
Meine Damen und Herren! Die Vorgänge in Regensburg sind für mich ein weiteres Glied in einer Kette von Maßnahmen der Bayerischen Staatsregierung, die Ablehnung des Ausbaus der Kernenergie durch einen erheblichen Teil der Bevölkerung politisch durch eine Strategie der Konfliktzuspitzung und verstärkter Maßnahmen des Ordnungsstaates in den Griff zu kriegen. Da kann der Bayerischen Staatsregierung, die in dieser Haltung heute auch öffentlich von der Bundesregierung durch Herrn Spranger ermutigt worden ist, nicht oft genug gesagt werden, was Kurt Biedenkopf schon vor Jahren formulierte: daß nämlich eine große Technologie, die von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird, die von einem beachtlichen Teil unserer Bevölkerung bekämpft wird — legal —, unserer Gesellschaft nicht ohne große Konflikte übergestülpt werden kann.
Meine Damen und Herren, es geht um die Auseinandersetzung um ein Projekt, dessen Unsinnigkeit feststeht,
dessen Unsinnigkeit Sie auch nicht widersprechen. Es geht um eine Wiederaufarbeitungsanlage, die energiepolitisch unnötig ist, die energiewirtschaftlich unsinnig ist und die die Bayerische Staatsregie-
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 254. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Dezember 1986 19785
Catenhusen
rung offensichtlich nur noch deshalb betreibt, um ihre Macht zu demonstrieren und um hier ihre Durchsetzungsfähigkeit gegenüber der Mehrheit der Bevölkerung auch mit Mitteln des Polizeieinsatzes demonstrieren zu können.
Diese Strategie der Zuspitzung des gesellschaftlichen Konflikts um die Kernenergie nimmt von Ihrer Seite auch die zunehmende Brutalisierung in Kauf. Maßnahmen des Polizeieinsatzes in Wackersdorf haben bewußt die Einbeziehung bisher Unbeteiligter in gewaltsame Auseinandersetzungen, in Übergriffe in Kauf genommen —
ich sage sogar: gefördert.
Eine kriminalisierte Antikernkraftbewegung, meine Damen und Herren, das hoffen Sie doch, könnte der Ablehnung eines solchen Großprojekts endgültig ihre breite Basis in der Bevölkerung entziehen, ja, den Ruf nach Law and order wieder populär machen.
Die GRÜNEN haben diese Aktuelle Stunde beantragt. Sie sehen darin ein Zeichen der Solidarität mit der Antikernkraftbewegung. Aber, meine Damen und Herren, gerade deshalb möchte ich auch heute an die GRÜNEN appellieren: Entziehen Sie sich nicht — wie bisher häufig geschehen — Ihrer Verantwortung in diesem Konflikt und Ihrer Verantwortung gegenüber der Antikernkraftbewegung. Ich begrüße es, daß Frau Hönes nach den Vorfällen um Regensburg die Atomkraftgegner aufgefordert hat, friedliche Mittel bei der Verfolgung ihrer Ziele einzusetzen.
Es entsetzt mich, daß die Sprecherin Ihrer Partei, Jutta Ditfurth, anläßlich der Vorgänge in Regensburg nichts Besseres zu tun hatte, als im Pressedienst Ihrer Fraktion am 1. Dezember 1986 — ich zitiere — nach einer Verbesserung des Widerstands in seinem ganzen Spektrum gegen die Kernenergie zu rufen. Wer lesen kann, weiß, daß das „ganze Spektrum" auch die militanten und die gewaltsamen Formen des Widerstands umgreift.
Wo war die Distanzierung der GRÜNEN von den unsäglichen Worten von Robert Jungk?
— Sie waren Veranstalter, meine Damen und Herren. Und wenn ich als Veranstalter mir jemanden einlade und er etwas redet, was gegen meine Überzeugung ist, dann sage ich das öffentlich; hier: daß Herr Jungk nicht für Sie gesprochen hat.
Ich war 1968 Student, wohl ebenso wie Herr Ströbele. Ich habe gelernt, daß das Spielen mit Gewalt, das Filibustern, man könne Gewalt gegen Sachen fein säuberlich von Gewalt gegen Personen trennen, damals dazu beigetragen hat, daß junge Menschen, die an der Reformfähigkeit unserer Gesellschaft zweifelten, auf eine schiefe Ebenen gesetzt wurden, die für einige im Terrorismus geendet ist.
Weil ich diese Diskussion vor fast zwanzig Jahren aktiv miterlebt habe, sage ich Ihnen, besonders Herrn Ströbele: Nehmen Sie als GRÜNE endlich auch Ihren Teil der Verantwortung in diesem Konflikt wahr!
Wenn Sie, Herr Ströbele, heute zu dem Thema Gewalt kein Wort sagen, vielleicht auch, weil die Fraktion Ihnen offensichtlich untersagt hat, zu den Terrorgesetzen für die Fraktion zu reden,
dann möchte ich den Kollegen Bastian als Mitglied Ihrer Fraktion ausdrücklich ermutigen in seinem Versuch, die Anti-Kernkraft-Bewegung auf die Gewaltfreiheit festzulegen, der die Friedensbewegung bis heute ihre Stärke verdankt.
Wenn Frau Kukielka, Spitzenkandidatin der GAL, Anschläge auf Strommasten nach einem Bericht des Spiegels mit den Worten verteidigt „Solange es bei den Strommasten-Aktionen keine verletzten Menschen gibt, kann ich das nicht schlecht finden", so mag dies in einer bestimmten Szene gut ankommen. Nur, offensichtlich haben zwei Seiten ein Interesse an einer Zuspitzung des Konflikts:
die Konservativen und die Autonomen, Militanten, die dem bürgerlichen Staat seine liberale Maske vom Gesicht zerren wollen, um endlich die Systemfrage mit Massenunterstützung gewaltsam lösen zu können. Daß Sie dieser Gruppe nicht widersprechen, daß Sie sich in der Vorbereitung von Demonstrationen durch einzelne Personen anbiedern wollen, bestürzt mich.
Wir Sozialdemokraten wollen den gesellschaftlichen Prozeß des Ausstiegs aus der Kernenergie organisieren. Ich fürchte, die GRÜNEN verstehen nicht, daß eine Eskalation von Gewalt selbst diesem Versuch die Zustimmung in der Gesellschaft rauben könnte.
Schönen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Olderog.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein ungeschriebenes Thema dieser Aktuellen Stunde ist das Verhältnis der GRÜNEN zur Gewalt. Der offene Brief des GRÜNEN Abgeordneten Gerd Bastian in der „Frankfurter Rundschau" vom vorigen Montag an die schleswig-holsteinischen GRÜNEN zeigt die Aktualität dieses Themas.
19786 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 254. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Dezember 1986
Dr. Olderog
Eindringlich fordert er seine Parteifreunde erneut auf, der Gewalt in der Anti-Atom-Bewegung eine klare Absage zu erteilen.
Offensichtlich hat er dazu allen Grund.
Gerade die GRÜNEN in meiner schleswig-holsteinischen Heimat waren es, die gemeinsam mit Hamburger GRÜNEN einen Aufruf zur Brokdorf-Demonstration am 7. Juni 1986 billigten,
in denen zu Blockaden, direkten Aktionen und zivilem Ungehorsam aufgerufen wurde.
Und es war nur folgerichtig, daß zwei Tage später der schleswig-holsteinische GRÜNEN-Vertreter Lars Henning sich weigerte, sich von den schweren Gewalttaten
in Brokdorf zu distanzieren.
Ausdrücklich lehnte die neue Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN im Niedersächsischen Landtag, Frau Hammerbacher, es ab, sich von Leuten abzusetzen, die — so wörtlich — „da schon mit Stahlkugelschleudern hingehen".
Kann man es noch deutlicher sagen als Lukas Beckmann, der damals formulierte: „Aktionen des aktiven gewaltfreien Widerstands schließen Gewalt gegen Sachen nicht aus"?
Frau Ditfurth ist bereits zitiert worden.
Eindeutig ist jetzt die Entscheidung des Bonner Landgerichts. Jeder darf behaupten: „Die GRÜNEN distanzieren sich nicht von Gewalt."
Wir wissen doch von der Eskalation der Gewalt und davon wo das enden kann. Wo hat denn der Weg der heutigen Terroristen begonnen?
Wir müssen begreifen: Die Gewaltfreiheit und die Verbindlichkeit unseres Rechts sind die tragende Säule unserer politischen Zivilisation. Es gibt keine politische Freiheit ohne den Rechtsstaat, der die demokratischen Gesetze strikt durchsetzt.
Das ist doch Ihr Trick, der Trick der GRÜNEN: Sie erklären Ihre politischen Ziele zu „Überlebensfragen", beanspruchen ein Monopol auf richtige
Antworten und glauben, gegen anderslautende Entscheidungen „Widerstand" mobilisieren zu dürfen.
Aber das, was Sie gern als „Widerstand" deklarieren möchten, ist nichts weiter als der Bruch von Recht und Gesetz.
Meine Damen und Herren, es spricht doch für sich, daß führende Politiker der GRÜNEN eine fast unglaubliche kriminelle Vergangenheit haben. Was ist das für eine Partei, die in das Europäische Parlament und in das deutsche Parlament Abgeordnete schickt, die nicht nur eine extremistische Vergangenheit haben, sondern von denen eine ganze Reihe wegen Unterstützung von Verfassungsfeinden und Terroristen zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt worden sind!
Der Abgeordnete Ströbele erhielt 1982 zehn Monate Gefängnis wegen der Unterstützung von RAFTerroristen. Und ausgerechnet dieser Mann ist sicherheitspolitischer Sprecher der GRÜNEN, meine Damen und Herren!
Müssen wir nicht der Öffentlichkeit sagen, daß die Europa-Abgeordnete Heinrich wegen des Transports von Waffen, die in einer konspirativen Terroristenwohnung sichergestellt wurden, zu 22 Monaten Gefängnis verurteilt wurde?
Dürfen wir es einfach so hinnehmen, daß die Europa-Abgeordneten Härlin und Klöckner wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten und Werbung für eine terroristische Vereinigung zu je zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurden?
Was soll man eigentlich noch dazu sagen, daß die „Alternative Liste" als Kandidaten für das — —
Meine Damen und Herren, ich bitte, mit diesen Zwischenreden etwas zurückhaltender zu sein.
— Ich habe gesagt: Zwischenreden, verehrter Herr Kollege. Es macht keinen guten Eindruck, wenn der Redner unentwegt gestört wird. Wir können uns auch in unserer parlamentarischen Demokratie gegenseitig zuhören. Das gehört auch zur politischen Kultur, verehrter Herr Abgeordneter Schäfer.
Herr Abgeordneter Olderog, fahren Sie fort, bitte.
Was soll man eigentlich noch dazu sagen, daß die „Alternative Liste" als Kandidaten für das Berliner Abgeordnetenhaus ausgerechnet Gerold Klöpper präsentierte, der 1980 wegen Beteiligung an der Entführung des CDUPolitikers Lorenz und wegen der Freipressung von Terroristen zu elf Jahren und zwei Monaten Gefängnis verurteilt wurde?
Das alles ist doch eine unglaubliche Herausforderung für das Rechts- und Demokratieverständnis unserer Bürger! Täuschen wir uns nicht: Längst sind die GRÜNEN nicht mehr eine Okologie-Partei.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Bitte kommen Sie zum Schluß!
Längst haben sich bei den GRÜNEN doch jene Kräfte durchgesetzt, die letztlich eine andere Republik wollen. Die GRÜNEN sind heute nicht mehr eine Umweltpartei, sondern im Kern eine radikale linke Bewegung, eine Gefahr für Rechtsstaat und parlamentarische Demokratie.
Das Wort hat der Abgeordnete Schäfer .
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist offenkundig unvermeidlich, daß die Aktuellen Stunden, je näher der Wahltag rückt, sich zumindest zu Teilen von dem eigentlichen Gegenstand abwenden und zu einer wechselseitigen Bewertung oder Beschimpfung mancher der im Bundestag vertretenen Fraktionen ausarten.
Um was geht es im Grunde? Aus unserer Sicht geht es um zwei Tatbestände. Es gibt unterschiedliche Auffassungen zur Energiepolitik, speziell zur Kernenergiepolitik. Ferner gibt es unterschiedliche Wege, wie man die Zielvorstellungen, die man vertritt, durchsetzt. Deswegen will ich noch einmal die Position der Sozialdemokraten eindeutig klarmachen. Dadurch wird deutlich, in welchen Punkten und wie wir uns von den anderen unterscheiden.
Der erste Punkt: Vor zwei Jahren, lange vor der Katastrophe in Tschernobyl, haben wir Sozialdemokraten beschlossen: Für uns ist die Kernenergie nur für eine Übergangszeit zu verantworten. Wir wollen eine sichere Energieversorgung ohne Kernkraft gewährleisten. Als ersten Schritt haben wir beschlossen: nein zur Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf, nein zum Schnellen Brüter in Kalkar. Beides sind sinnlose Projekte,
energieversorgungspolitisch nicht notwendig; industriepolitisch nicht notwendig; sie verschlingen Milliardenvermögen.
Hier hat die Union eine andere Meinung, die FDP ebenfalls.
Zweitens. Für uns ist unverzichtbar, daß der Rechtsstaat bei der Verfolgung seiner Ziele sich eindeutig rechtsstaatlicher Mittel bedienen muß. Der Rechtsstaat gibt sich auf, der auch nur einen Zentimeter von diesem Grundsatz abweicht. Man kann den Rechtsstaat nicht schützen, indem man rechtsstaatswidrige Mittel anwendet. Dies gilt bei der Bekämpfung des Terrorismus ebenso wie bei der Durchsetzung politischer Vorstellungen. Auch deswegen ist für uns Sozialdemokraten der Weg, um Mehrheiten zu kämpfen, um beispielsweise die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf nicht in Betrieb gehen zu lassen, ohne Alternative.
Deswegen, meine Damen und Herren, können wir weder den Weg der CDU, noch den Weg der GRÜNEN in der Verfolgung ihrer Politik mitmachen. Sie, Herr Kollege Fellner, und Sie, Herr Kollege Miltner, geben im Grunde das Bemühung auf, was die Wiederaufarbeitungsanlage angeht, für Ihre Politik die Zustimmung der betroffenen Bevölkerung in und um Wackersdorf zu finden.
Sie setzen dort Ihre Politik mit Hilfe der Polizei durch. Sie mißbrauchen die Polizei zu politischen Zwecken. Das ist, was wir Ihnen vorwerfen.
Auf dem Rücken der Polizei betreiben Sie Ihre Politik, weil Sie nicht fähig und nicht gewillt sind, eine konsensorientierte Politik herbeizuführen. Sie von den GRÜNEN spielen dabei bewußt oder unbewußt den Konservativen in die Hände.
Im Ergebnis, meine Damen und Herren, bewirken Sie beide dasselbe: Wo Konsens, wo Sozialverträglichkeit auch bei der Wahl der Methoden bei der Durchsetzung der eigenen Politik erforderlich ist, fehlt es bei manchen von Ihnen, gottlob nicht bei allen, an der eindeutigen Aussage, daß Gewalt seit Jahrhunderten ein reaktionärer Faktor gewesen ist, wie es Wilhelm Liebknecht einmal formuliert hat.
Wer sich in der Bundesrepublik Deutschland nicht eindeutig von Gewalt gegen Personen und Sachen abgrenzt, der darf sich nicht wundern, wenn er auf der konservativen Seite die Reaktionen auslöst, die wir sehen: Die Rechten, Kollege Fellner, Kollege Olderog, und mancher von den GRÜNEN
19788 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 254. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Dezember 1986
Schäfer
spielen sich objektiv in die Hände und erreichen genau das, was Sie angeblich verhindern wollen, daß das „Weiter so" dieser Koalition in der Energiepolitik anscheinend weiter so möglich sein kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Weirich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, um einen Glückwunsch an die Antragsteller von den GRÜNEN zu formulieren. Wenn ich die Statistik richtig gelesen habe, ist es die 50. Aktuelle Stunde in dieser Legislaturperiode. Deswegen empfehle ich dem Bundestagspräsidenten, Ihnen das goldene Kampfabzeichen für Frühaufsteher zu verleihen.
Hier sind vorhin bei der Rede des Kollegen Fellner zwei Vorwürfe aufgetaucht. Der erste war, diese Rede sei typisch deutsch gewesen. Ich möchte Ihnen dazu zwei Dinge sagen: Wenn es auch schlechte Volkseigenschaften der Deutschen gibt, dann zeigen sie sich besonders bei Ihnen. Sie sind geradezu urteutonisch. Es gibt kein einziges Parlament in der Welt, in dem im Morgengrauen über eine so unwichtige Sache über eine ganze Legislaturperiode hin geredet wird.
Dann erinnere ich mich an die Schriften von Richard Wagner zum Deutschtum. Er hat einmal gesagt, es sei typisch deutsch, eine Sache um ihrer selbst willen zu betreiben
So gesehen sind Sie urteutonisch, meine Damen und Herren von den GRÜNEN.
Aber es ist gut, daß wir mit Argumenten streiten; denn Argumente sind immer besser als Gewalt. Gewalt ist die Zwillingsschwester der Primitivität. Deswegen empfehle ich Ihnen bei den GRÜNEN, sich in Zukunft nicht in Realos und Fundamentalos zu trennen, sondern in Parlamentaros und Primitivos. Das wäre die richtige Unterscheidung.
Ich möchte Ihnen aus dem Appell Ihres Bundestagskollegen Gert Bastian für die Gewaltfreiheit zitieren. Er hat dort geschrieben:
Die großen gewaltfreien Bewegungen der Neuzeit waren nach ihren oft jahrzehntelangen Kämpfen nur deshalb erfolgreich, weil sie nach diesen Prinzipien gehandelt, Gewalt nicht geduldet und Gewalttäter als Verbündete nicht akzeptiert hatten.
Was ist nach diesem selbstverständlichen Bekenntnis von Herrn Bastian passiert? Von seinen grünen Gesinnungsgenossen ist ihm vorgeworfen worden, defensiv, anpasserisch und untertänig zu sein. Welch eine Semantik muß man bei Ihnen eigentlich haben und welches Verständnis von Gewalt, wenn man dies als stumpfe Passivität bezeichnet, meine Damen und Herren!
Das erscheint auch ganz logisch, wenn man Ihre Wahlprogramme liest, z. B. das hessische. Dort steht eindeutig drin: Wir wollen Regel- und Gesetzesverletzungen, wenn andere Mittel nicht mehr greifen. Diese können bis zur gezielten Sabotage gehen.
Ihr grüner Umweltminister, Herr Fischer, der einst gerufen hat: Freunde, werft die Bomben weg, nehmt wieder Steine, hat erklärt: Wir wollen doch nicht ins Parlament, um dort konstruktiv und auf ökologische Interessen ausgerichtet parlamentarische Arbeit für unsere Wähler zu leisten, sondern um diese Herrschaftsinstitution mit ihren eigenen Mitteln ad absurdum zu führen.
Das wäre im Grunde genommen kein Problem, Herr Schäfer, denn es gibt immer solche Bewegungen an der Peripherie von Demokratien in freiheitlichen Staaten, wenn es nicht gleichzeitig das nützliche Idiotentum der deutschen Sozialdemokratie im rot-grün regierten Hessen geben würde.
Meine Damen und Herren, Sie haben sich den Lodenmantel angezogen und tauchen im Gewande des asketischen Müsli-Essers auf. Sie können aber von einer Partei, die sich der Toleranz, der Freiheit und der parlamentarischen Demokratie verpflichtet fühlt, nicht verlangen, daß wir sozusagen in einem großen Akt der Selbstverfremdung verschweigen,
welchen Hintergrund an Subversion und Sabotage es gibt. Deswegen fordere ich Sie zum Schluß dieser Aktuellen Stunde auf: Klären Sie Ihre Beziehung zur Gewalt!
Herr Stiegler, was Goethes „Faust" angeht, so sage ich: Gehirne sind die Bodenschätze der Nation, Fäuste sind der geistige Ausverkauf einer Nation.
Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist beendet.
Ehe wir in der Tagesordnung fortfahren, darf ich bekanntgegen, daß interfraktionell vereinbart wurde, Punkt 22 der Tagesordnung, zweite und dritte Beratung des Strahlenschutzvorsorgegesetzes abzusetzen. Dieser Punkt soll auf die Tagesordnung der nächsten Sitzungswoche gesetzt werden.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP einge-
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Präsident Dr. Jenninger
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des Terrorismus
— Drucksache 10/6286 —
Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
— Drucksache 10/6635 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Eylmann Dr. Stark Dr. de With
b) Beratung der Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung zu den Grenzkontrollen zur Bekämpfung des Terrorismus
— Drucksache 10/6276 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates Innenausschuß
Rechtsausschuß
c) Zweite und Dritte Beratung der von den Abgeordneten Dr. Miltner, Dr. Laufs, Broll, Fellner, Dr. Blank, Dr. Blens, Clemens, Gerlach , Dr. Göhner, Kalisch, Krey, Dr. Warrikoff, Dr. Olderog, Regenspurger, Schmidbauer, Weirich, Weiß und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Hirsch, Baum, Kleinert (Hannover), Beckmann, Wolfgramm (Göttingen) und der Fraktion der FDP und der Bundesregierung eingebrachten Entwürfe eines Gesetzes zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes, des Verwaltungsverfahrensgesetzes, des Bundesverfassungsschutzgesetzes und des Straßenverkehrsgesetzes
— aus Drucksachen 10/4737, 10/5343 —
aa) Erste Beschlußempfehlung und Bericht
des Innenausschusses
— Drucksache 10/6613 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Wartenberg Broll
Dr. Hirsch
bb) Bericht des Haushaltsausschusses
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
— Drucksache 10/6636 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Kühbacher Dr. Müller Frau Seiler-Albring
Dr. Riedl
Hierzu liegen ein Änderungsantrag sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf den Drucksachen 10/6614 und 10/6654 vor.
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 21 a bis 21 c 90 Minuten vorgesehen. — Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Eylmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Terrorwelle in unserem Land ist ungebrochen. Die letzten Mordfälle Beckurts, Groppler und von Braunmühl zeigen eine kaum noch zu überbietende Geringschätzung des menschlichen Lebens. Die RAF knallt nicht nur einzelne Repräsentanten unseres wirtschaftlichen und politischen Lebens wie Hasen ab. Gewalttätige anarchistische Gruppen sprengen auch Strommasten, zerstören Bahneinrichtungen, stecken Baukräne in Brand, alles mit dem Ziel, das verhaßte politische System der Bundesrepublik zu schwächen und die Bürger dieses Landes zu verunsichern. Eine wehrhafte Demokratie — und unsere Republik ist nach den Prinzipien des Grundgesetzes eine solche — kann und darf nicht darauf verzichten, sich in allen Bereichen mit allen rechtsstaatlichen Mitteln gegen den Terrorismus zur Wehr zu setzen. Dazu gehört die Aufdeckung seiner geistigen und gesellschaftlichen Ursachen ebenso wie die entschlossene Anwendung des Strafrechts. Wo politischer Protest die Ebene der Verweigerung und der Agitation deutlich verlassen hat und zur offenen und brutalen Gewaltanwendung übergegangen ist, ermuntert jedes Zögern, jedes vorsichtige Zurückweichen des Staates diejenigen, die im Begriff sind, in die Gewalt abzugleiten, und vergrößert damit das Gewaltpotential.
Dies ist unsere Grundüberlegung, die hinter dem heute zur Beratung anstehenden Gesetzentwurf steht. Wir wollen das Gründen und die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung als Verbrechen einstufen und die Taten, auf deren Begehung terroristische Vereinigungen ausgerichtet sind, erweitern um gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr, in den Betrieb von Versorgungseinrichtungen und um die Zerstörung polizeilicher oder militärischer Kraftfahrzeuge oder von wichtigen technischen Arbeitsmitteln, die der Errichtung von Versorgungseinrichtungen dienen.
Die Einwendungen, die gegen die Erhöhung des Strafrahmens vorgebracht werden, sind mir völlig unverständlich. Ein Verbrechen liegt nach unserem Strafgesetzbuch vor, wenn eine Tat mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht ist. Zur Zeit beträgt die Mindeststrafe für Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sechs Monate. Wenn ein Jugendlicher einer Passantin auf der Straße mit Gewalt eine Handtasche entreißt, begeht er einen Raub und damit ein Verbrechen. Und da soll es von einem wesentlich geringeren Unrechtsgehalt sein, wenn sich jemand einer Organisation anschließt, deren Ziel es ist, Menschen zu
19790 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 254. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Dezember 1986
Eylmann
ermorden? Vermögen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, nicht zu erkennen, daß die Anschläge auf Beckurts und von Braunmühl nur möglich waren, weil sich die Täter auf eine Organisation stützen konnten? Nicht Einzeltäter begründen die terroristische Gefahr, sondern straff organisierte, ausgezeichnet ausgerüstete und raffiniert handelnde Gruppen, die sich nach ihrer Vorstellung mit uns im Kriegszustand befinden.
— Darauf komme ich gleich noch.
Es ist in meinen Augen eine schlimme Bagatellisierung, wenn Sie die besondere Gefährlichkeit organisierter politischer Kriminalität nicht wahrhaben wollen.
Eine nicht geringere Verharmlosung terroristischer Erscheinungsformen ist es, wenn eingewandt wird, durch die Erweiterung des Katalogs würden militante Anarchisten, die doch „nur" Sachbeschädigung begingen, zu Terroristen „hochstilisiert". Schon das Vokabular ist verräterisch. Das Adjektiv „militant" ist etwas rücksichtsvoller als das deutliche „gewalttätig", das hier um der Klarheit willen angemessener wäre. Ich empfehle insbesondere den Herren der GRÜNEN, hier einmal zuzuhören.
Schlimmer aber noch ist das Herunterspielen, das Verharmlosen der Gefahren, die von den kriminellen Anschlägen auf Verkehrs- und Versorgungseinrichtungen ausgehen. Es hat in diesem Jahr bisher etwa 350 Brand- und Sprengstoffanschläge gegeben. In mehr als 80 Fällen sind Strommasten umgelegt worden, genausoviel wie in den letzten fünf Jahren zusammen. In einigen Fällen ist es nur dem Zufall zu verdanken gewesen, daß es nicht zu Todesfällen gekommen ist. Am 5. Oktober dieses Jahres wurde an der Bahnstrecke München—Tutzing ein Oberleitungsmast abgesägt, kurz bevor der letzte vollbesetzte S-Bahn-Zug diese Stelle passierte. Nur weil die Oberleitung wider Erwarten nicht riß und der Mast hängenblieb, kam es nicht zu einer Katastrophe. Wenn Vereinigungen zur planmäßigen Begehung derartig gemeingefährlicher Delikte gegründet werden, sind das doch nicht mehr Kurzschlußhandlungen und Einzelaktionen frustrierter Kernkraftgegner. Das ist vielmehr politisch motivierte, organisierte, gemeingefährliche Kriminalität,
deren entschlossene Bekämpfung wir den Hunderttausenden von Bahnbenutzern schulden, die täglich durch diese Gewalttäter gefährdet werden.
Ich kann Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, in diesem Zusammenhang auch den Vorhalt nicht ersparen, daß Sie sich mit Sicherheit heute nicht gegen die Änderung des § 129 a StGB wehren würden, wenn z. B. am 5. Oktober die S-Bahn München—Tutzing entgleist wäre mit der Folge, daß Menschenleben zu beklagen gewesen wären.
In der Anhörung vor dem Rechtsausschuß ist geäußert worden, die politische Szene der Bundesrepublik sei zur Zeit noch nicht so, daß Antiterrorgesetze des hier vorgelegten Inhalts notwendig wären. Das provoziert die zynische Frage, wie viele die RAF und andere terroristische Vereinigungen denn noch töten müssen, bis es „reicht".
Es ist ohnehin beklagenswert zu beobachten, daß die Bereitschaft, zu härteren strafrechtlichen Sanktionen zu greifen und die Fahndungsmöglichkeiten der Polizei zu erweitern, augenscheinlich proportional zum Zeitablauf nach dem letzten Mord abnimmt.
Der Gesetzentwurf stellt weiterhin auch die Anleitung zu bestimmten schweren Gewalttaten durch Einführung eines neuen § 130 a in das Strafgesetzbuch unter Strafe. Wir halten das für notwendig, weil es unerträglich ist, daß in alternativen und ähnlichen Publikationen detaillierte Anleitungen zur Begehung schwerer Straftaten verbreitet werden. Anschläge auf Strommasten sind schon genau nach diesen Anleitungen ausgeführt worden. Im Zusammenhang mit der zunächst vorgesehenen Kronzeugenregelung hat man darauf hingewiesen, daß es bedenkliche Folgen für das allgemeine Rechtsgefühl haben könne, wenn man Mörder straffrei lasse. Das war ein sehr ernst zu nehmender Hinweis und Einwand. Ich stehe nicht an, einzuräumen, daß mir aus diesem Grunde eine Zustimmung zur Kronzeugenregelung sehr schwergefallen wäre. Mißt man aber nicht mit zweierlei Maß, wenn man kaum ein Wort darüber verliert, wie denn eine straflose Verbreitung von Verbrechensanleitungen auf das Rechtsgefühl der Bürger in diesem Lande wirkt? Ich weiß aus Gesprächen mit vielen Bürgern, daß sie sich — auch vor dem Hintergrund ihrer geschichtlichen Erfahrung mit Schreibtischtätern — in ihrem elementaren Gefühl für das, was strafwürdig ist, verletzt sehen, wenn der Staat hier nicht einschreitet.
— Ich zitiere gleich einmal etwas, was nicht vom Autor eines Kriminalromans stammt.
Man hört den Einwand — der kommt ja insbesondere aus Ihrer Richtung —, diese Vorschrift würde die geistige Auseinandersetzung mit dem Terrorismus unmöglich machen.
Der nordrhein-westfälische Innenminister Schnoor hat in ausdrücklich hervorgehobener Übereinstimmung mit Johannes Rau von einem Anschlag auf die Meinungsfreiheit gesprochen.
— Er hätte lieber geschwiegen.
Was sind denn das nun für Publikationen, die wir im Auge haben?
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 254. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Dezember 1986 19791
Eylmann
Ich habe hier die Ablichtung einer Broschüre die im letzten Jahr im süddeutschen Raum kursierte. Der Titel: Erfahrungsbericht — Sieger im Wettbewerb „Mastsprengung 1985 — Hau weg die Scheiße!". Ich zitiere aus dem Vorwort:
Dieses Papier soll die Leute ansprechen, die mit dem Gedanken spielen, außerhalb der Legalität politisch zu arbeiten, weil sie mit ihrer Wut im Bauch immer nur so weit kommen, wie es der Staatsapparat zuläßt. Alle anderen
— hören Sie bitte zu —
wollen wir auf diese Idee bringen, nicht indem wir politische Überzeugungsarbeit leisten — die müßt ihr schon mitbringen —, sondern indem wir zeigen, was für diesen Weg notwendig ist und was nicht. Ihr werdet sehen, daß Militanz keine Elite oder Spezialisten braucht.
Da wird gleichsam der Demokratisierung der Gewalt das Wort geredet. Das verkennen Sie. Wer die Verbreitung solcher Schriften als notwendig für die geistige Auseinandersetzung mit dem Terrorismus ansieht, hat eine Vorstellung von geistiger Auseinandersetzung und politischer Kultur, die ich nicht mehr nachvollziehen kann.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ströbele?
Wenn das nicht angerechnet wird, gerne.
Ich rechne Ihnen das nicht an.
Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, daß es einen § 111 des Strafgesetzbuches gibt, der das, was Sie gerade vorgelesen haben, auch heute schon unter Strafe stellt?
Das ist nicht richtig. Dies stammt aus einer Sammlung des Innenministeriums, in der Fälle zusammengestellt sind, in denen zur Zeit ein Einschreiten nicht möglich ist. Sie irren sich.
Wer sich im Zusammenhang mit der heutigen Gesetzesvorlage
als ein Hüter liberaler Freiheitsrechte, so der Vereinigungs- und Meinungsfreiheit, aufspielt, hat die
Lehre der Geschichte vergessen, die sich im Grund-
gesetz niedergeschlagen hat. Er übersieht nämlich, daß eine Liberalität, die die Freiheit des Bürgers meint, gerade in gefährlichen Zeiten auf einen entschlossenen und einen starken Staat angewiesen ist. Er übersieht, daß die Liberalität, die er den Gewalttätern der Stirn und der Faust entgegenbringt, eine höchst illiberale Kehrseite für die anderen vom Terror bedrohten Bürger hat. Diese müssen sich nämlich Schutzmaßnahmen unterwerfen, die ihrer Freiheit durchaus nicht zuträglich sind, und können selbst dadurch ihr Leben und ihre Gesundheit vielfach nicht zuverlässig schützen.
Niemand, meine Damen und Herren, gibt sich der Illusion hin, man könne mit dem Mittel des Strafrechts den Terrorismus ausrotten. Dieses Gesetz ist eine flankierende Maßnahme, die allerdings unsere Entschlossenheit zeigt, diese Republik gegen alle Angriffe von innen zu verteidigen.
Entscheidender noch ist die Auseinandersetzung über die geistigen, gesellschaftlichen und politischen Wurzeln der Gewalt. Da gibt es nun Stimmen, die sagen: Stoppt Wackersdorf, steigt aus der Atomwirtschaft aus, dann hören die Anschläge auf Strommasten auf.
Ich antworte: Wenn wir das täten, wäre das Zurückweichen vor der Gewalt; es wäre die Kapitulation vor dem Terror und der Anfang vom Ende dieses Rechtsstaats.
Es gibt in diesem Lande Probleme und Schwierigkeiten, aber nicht ein einziges Problem, das die Anwendung von Gewalt rechtfertigen würde. Darüber wird ja so leichthin verbale Übereinstimmung erzielt, aber diese Übereinstimmung ist trügerisch. Aus dem politischen Raum hat es in den letzten Jahren immer wieder verantwortungslose Verharmlosungen, philosophisch überhöhtes Verständnis bis hin zur klammheimlichen Sympathie für Gewaltanwendung gegeben. Daß die GRÜNEN hier keine eindeutige Grenze zur politischen Gewaltanwendung ziehen, ist ja inzwischen gerichtsnotorisch. Das ist zwar an sich schon schlimm genug, gewinnt aber seine besondere Gefährlichkeit durch den Bündnispartner, den Sie, die GRÜNEN, ja zunehmend in Gestalt der Sozialdemokratie finden. Ihre vollmundigen Resolutionen gegen Terror und
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Eylmann
Gewalt bleiben leeres Gerede, solange Sie mit dieser Bewegung, die sich nicht eindeutig für den Rechtsstaat und gegen Gewalt ausspricht, paktieren und politische Bündnisse schließen, wie Sie es laufend tun.
Ihr Problem besteht doch darin, daß Sie in zunehmendem Maße Koalitionen auf der kommunalen Ebene — bis hin zu Hessen — mit den GRÜNEN eingehen,
sie dadurch aufwerten und sich dann wundern, daß die Wähler lieber das Original anstelle des Plagiats wählen.
— Das ist keine billige Polemik. In einer Stadt am Rande der Lüneburger Heide ist gerade ein sozialdemokratischer Bürgermeister mit den Stimmen der GRÜNEN und des einzigen Kommunisten im Rat gewählt worden. Das ist die Realität.
Dadurch werten Sie diese Bewegung, diese Partei laufend auf. Sie sind doch eine alte demokratische Partei mit einer alten demokratischen Vergangenheit. Heute, wo es darum geht, diesen Staat, den Sie mit aufgebaut haben, gegen Angriffe von innen zu verteidigen, da verweigern Sie sich, da steigen Sie aus und können sich angesichts Ihrer beklagenswerten Zerrissenheit nur noch darauf einigen, daß Sie nichts tun. Das ist die Situation.
Sie, die Damen und Herren von der Sozialdemokratie, aber auch die Bürger in diesem Lande können sicher sein: Wir entziehen uns dieser Verpflichtung nicht, diesen Staat, den wir aufgebaut haben, zu verteidigen. Wir werden unsere Rechtsordnung, die ja eine Friedensordnung ist, in der das Gesetz an die Stelle des Faustrechts getreten ist, eine Friedensordnung, die den Schwächeren gegenüber dem Stärkeren schützt, mit gelassener Festigkeit, allerdings auch mit entschlossener Konsequenz verteidigen.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Abgeordnete de With.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die RAF der 70er Jahre hatte unseren Staat überrascht. Das Phänomen des Terrorismus war neu. Die Form der Organisation und die internationale Zusammenarbeit bildeten eine neue und schwer erfaßbare Sonderart der Schwerstkriminalität. Ziel waren erste Repräsentanten dieses Staates, die man als Geiseln „vorführen" wollte, um — so sagten sie — „die Demokratie zu entlarven". Es gab ein nicht unerhebliches Umfeld. Strafgesetzbuch und Strafprozeßordnung waren ebensowenig darauf vorbereitet wie die Fahndung und die Offentlichkeit.
Gesetze wurden seinerzeit maßvoll angepaßt, das Bundeskriminalamt zu einem wirksamen Fahndungsinstrument umgestaltet. Die Öffentlichkeit wurde mobilisiert und die geistige Auseinandersetzung mit dem Umfeld aufgenommen. Die Fahndungserfolge blieben nicht aus.
Die Nachfolger der RAF morden weiter. Rücksichtsloser und brutaler als bisher wird geschossen und gebombt, vornehmlich gegen Personen, die nicht im Rampenlicht stehen. Es wird versucht, Schrecken zu verbreiten. Ein Ziel ist schwer erkennbar.
Die Öffentlichkeit ist wenig mobilisiert. Der offene Brief der Brüder des ermordeten Ministerialdirektors von Braunmühl ist der einzige und, wie ich meine, sehr lobenswerte Versuch der öffentlichen Auseinandersetzung mit den Terroristen und ihren Helfershelfern.
Die Fahndungserfolge fehlen, und der Bürger spürt den Unterschied zu damals.
Damals wie heute wird Morden vergeblich sein. Terroristen können diesen Staat nicht zerbomben. Sie bringen nur Leid und ernten Verachtung. Und sie werden wie in den 70er Jahren gefaßt werden, früher oder später. Mord überzeugt freie Menschen nicht. Es macht sie schaudern und eint sie zur Abwehr.
Gesetzgeberischer Aktionismus wird deshalb die Terroristen ebensowenig beeindrucken wie überzogene Straftatbestände die Terroristen und deren Umfeld abschrecken werden. Unsinnige Verschärfungen und in der Hast zusammengeschusterte un-praktikable Bestimmungen arbeiten den Terroristen allenfalls in die Hände. Sie erreichen damit eine Deformation unserer freiheitlichen Gesetzgebung und verspotten unsere angebliche Hilflosigkeit.
Extreme cases make bad laws; so heißt es seit langem in Großbritannien: Extreme Fälle machen schlechte Gesetze.
Es wäre deshalb ein mutiges Zeichen der Besonnenheit gewesen, hätten Sie mit der Aufgabe des Kronzeugen das ganze Vorhaben fallengelassen.
Sie hätten damit in der Tat unserem freiheitlichen Rechtsstaat einen Dienst erwiesen.
Nun haben die Verantwortlichen der FDP überhaupt keinen Grund, sich mit dem Hinweis in die Brust zu werfen, ihnen sei es zu danken, daß die unselige Kronzeugen-Regelung „gestorben" sei, und daß sich die Liberalen damit gegen den Hardliner Strauß durchgesetzt hätten.
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 254. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Dezember 1986 19793
Dr. de With
Die Entscheidungsträger der Liberalen hatten sich vielmehr nach der Bayern-Wahl — Herr Hirsch, das trifft für Sie nicht zu — angepaßt und damit den Pfad rechtsstaatlicher Tugend — man muß es einmal sagen — verlassen. Erst das Debakel des Anhörungsverfahrens im Rechtsausschuß hatte die FDPBasis aufgeschreckt. Was wäre denn gewesen, wenn es nicht zufällig diesen FDP-Parteitag gegeben hätte? Dabei hätten Sie Gelegenheit gehabt, durch Ablehnung auch des Restes dieses Anti-Terror-Pakets wieder rechtspolitische Statur zu gewinnen,
denn dieser steht im Kern — nur, das ist bisher an der Öffentlichkeit vorbeigegangen — der Kronzeugen-Regelung nicht nach.
Die Regierungsfraktionen und die Bundesregierung haben den Straftatbestand der Bildung einer terroristischen Vereinigung, eine Vorfeldbestimmung, zum Verbrechen gemacht und den in diesem Organisationsdelikt enthaltenen Straftatenkatalog ergänzt.
Es ist immer gut, sich an Beispielen zu vergegenwärtigen, was das bedeutet. In Zukunft wird deshalb z. B. als Verbrecher mit einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe eingestuft, wer mit zwei anderen plant — es genügt das Planen —: 1. Feuermelder außer Kraft zu setzen oder 2. Steine auf das Zugpersonal zu werfen, wenn die sonstigen Voraussetzungen des Organisationsdeliktes vorliegen.
Das ist, wie Sie wissen, Herr Kleinert, die geltende Rechtsprechung. Sie müssen das nur nachlesen im Standardkommentar von Dreher Tröndle.
Erst in allerletzter Sekunde haben Sie durch eine Änderung in der letzten Rechtsausschußsitzung verhindert, daß z. B. das bloße Anzünden von kleinen zweirädrigen Betonmischmaschinen zur Katalogtat wird. Aber auch die hier noch rasch vorgenommene Einschränkung ändert nicht viel; denn schon die Zerstörung mittlerer Baugerüste gehört fortan zu den Katalogtaten, denn diese sind nach der Rechtsprechung von bedeutendem Wert und von wesentlicher Bedeutung für die Errichtung einer Anlage.
Durch diese kolossale und wenig durchdachte Ausweitung werden in Zukunft viele zu Terroristen gestempelt werden, die auch Sie eigentlich nicht unter die Terroristen einreihen können. Das Umfeld des Terrorismus wird damit entscheidend ausgeweitet.
Wenn Sie, Herr Eylmann, darauf verweisen, was denn gewesen wäre, wenn der Zug bei Starnberg verunglückt wäre, dann kann ich nur sagen: Wäre dies vorbedacht geschehen und hätte es Tote gegeben, dann wäre dies Mord oder Totschlag, und
schon der Totschlagversuch kann mit Freiheitsstrafe von 15 Jahren geahndet werden, und es bedürfte dieser von Ihnen vorgenommenen Erweiterung des Deliktes nicht. Man übersieht, daß alles, was wirklich relevant ist, schon mit erheblichen Strafen bedroht ist.
Damit — ich will es noch einmal sagen — eines ganz klar ist: Wir Sozialdemokraten mißbilligen jede Gewalt, auch gegen Sachen, erst recht jede vereinte Sachbeschädigung. Aber wir wehren uns mit eben solchem Nachdruck gegen jedes Übermaß.
Gravierender noch ist die Einführung des 1981 gestrichenen Straftatsbestandes der Anleitung zu Straftaten, ebenfalls ein Vorfelddelikt. Diese Vorschrift hat in ihrem Absatz 2 eine völlig unvertretbare Ausweitung erfahren, die es in dieser Form bisher in unserem mehr als hundertjährigen Strafrecht nicht gab. Fortan reicht es zur Bestrafung, wenn eine Schrift verkauft wird, die auch nur „geeignet" ist, als Anleitung zu gewissen rechtswidrigen Straftaten zu dienen, wenn der Richter nur glaubt, daß dies geschehen ist — ich zitiere wörtlich —, „um die Bereitschaft anderer zu fördern oder zu wecken, eine solche Tat zu begehen". Das heißt, die frühere Bremse, daß eine solche Schrift auch ihrem Inhalt nach dazu bestimmt sein muß, ist weggefallen. Das bedeutet folgendes. Wenn ein Buchhändler in Schwandorf z. B. ein detailliertes Chemiebuch in Verbindung mit dem „Reihert" — wer bei der Bundeswehr war, der weiß, was ich meine; es ist dieses Buch hier, es ist das Handbuch für den Soldaten — einen Leutnant der Bundeswehr verkauft, wird ihm nichts passieren. Verkauft er es jedoch an eine Person mit Nickelbrille, Parka und wildem Haar, dann läuft er Gefahr, in ein Ermittlungsverfahren gezogen zu werden.
Diesen „Reibert" kann jeder überall kaufen oder leihen. Ich habe ihn hier aus der Bibliothek des Bundestages geholt.
Auch wir wenden uns mit großem Nachdruck dagegen, daß mit scheinheiligen Flugblättern der Versuch unternommen wird, Emotionen, wenn auch verständliche, in Straftaten umzumünzen. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, wir dürfen doch nicht das Kind mit dem Bad ausschütten.
Positiv stehen wir der Ausdehnung der Strafverfolgungskompetenz des Generalbundesanwalts gegenüber, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung, deren Kopf im Ausland sitzt, verfolgen zu können. Nur, CDU/CSU und FDP haben die Beratungen hierzu ohne Not mit einer derartigen Eile duch den Rechtsausschuß gejagt, daß nicht einmal das Außenministerium oder der Auswärtige Ausschuß dazu Stellung nehmen konnten. Es muß doch gefragt werden können, ob ein solches Ermittlungsverfahren nicht etwa außenpolitische Belange berührt, z. B. dann, wenn der Täter sich als Mitglied einer Widerstandsbewegung aus der Dritten Welt fühlt. Die weitere Ausbildung der Strafrechtskom-
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Dr. de With
petenz des Generalbundesanwalts stößt bei uns auf Widerstand. Sie höhlt die Justizhoheit der Länder aus und wirft die Frage auf, ob das Prinzip des gesetzlichen Richters noch gewahrt bleibt. Bei den Beratungen konnte kein einziges Beispiel dafür genannt werden, daß die Landesstaatsanwaltschaften versagt hätten oder die Strafverfolgung durch den Generalbundesanwalt mehr gebracht hätte.
Wir werden sehen, wie sich die Länder, die auch dazu nicht gehört wurden, verhalten werden. Bayerische Sachverständige jedenfalls haben in dem Anhörungsverfahren Bedenken angemeldet.
Wir Sozialdemokraten haben in den 70er Jahren, wie ich schon sagte, Strafgesetzbuch und Strafprozeßordnung geändert. Dazu bekennen wir uns.
Es war nötig; aber ich sage auch: Es war ein mittlerer Weg.
Der Mittelweg ist noch lange kein Mittelmaß. Übermaß ist aber mit Sicherheit ein trügerischer Weg.
Wir werden den Gesetzentwurf ablehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert .
Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte zunächst einmal dem Irrtum entgegentreten, daß Freiheit und Sicherheit zueinander in einem antagonistischen Verhältnis stehen. Diese Auffassung ist falsch.
Freiheit und Sicherheit bedingen einander. Ich kann überhaupt nur dann frei leben, wenn ich ein gewisses Maß an Sicherheit habe. Deshalb stellen sich die Liberalen immer wieder neu der Herausforderung des Terrorismus. Es gibt einen gewissen Unterschied insofern, Herr de With, als Sie heute nicht mehr in der Regierungsverantwortung sind und deshalb auf einmal meinen, Sie hätten 1975 gerade noch das Notwendige getan und müßten heute natürlich nichts mehr tun. Der ganze Unterschied liegt darin, daß Sie mit der gewissen Lockerheit, die die Oppositionsrolle mit sich bringt, meinen, Sie könnten sich der Verantwortung entziehen,
die aber in einem ganz extremen Maß besteht. Wir haben neue Formen des Terrorismus; das haben uns nun wirklich alle Sachverständigen bestätigt.
— Herr Mann, es ist wirklich höchste Zeit, daß Sie sich einmal etwas anderes ausdenken, als mir zu sagen, ich sei nicht dagewesen, obwohl ich ständig anwesend war.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Penner?
Herr Lochte gehört zu den mehreren bedauernswerten Sicherheitsfunktionären dieser Republik, die zuviel reden und zuwenig tun. Davon kann ich noch einige erwähnen.
Herr Kollege Kleinert, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Penner? — Herr Kollege Kleinert, ich kann nicht sehen, ob Sie ja oder nein sagen.
Bitte schön, Herr Penner.
Verehrter Herr Kollege Kleinert, ich kann noch begreifen, daß der sehr verehrte Kollege Eylmann einen Handlungsbedarf ausschließlich für den Gesetzgeber gesehen hat; ich möchte Sie aber fragen, lieber Herr Kollege Kleinert, ob Sie tatsächlich der Auffassung sind, daß dies die Stunde der Legislative ist.
Herr Kollege Penner, diese interessante Frage war mir auch schon aufgefallen, was gar nicht verwundert. Wir beide kommen häufig auf ähnliche Fragestellungen. Ich wollte im weiteren Verlauf meiner Ausführungen darauf eingehen.
Ich kann auch an dieser Stelle darauf eingehen. Ich bin nicht der Meinung, daß hier vorrangig der Gesetzgeber gefragt wäre. Wir haben seit vielen Jahren versucht, die Exekutive zu bitten, das ÄuBerste zu tun, um mit den gegebenen Mitteln die terroristischen Taten wirkungsvoll zu bekämpfen, und wir haben immer wieder gesagt, daß im Bereich der Exekutive hier — leider, kann man nur sagen — die Hauptverantwortung liegt.
Nun kommt allerdings die interessante Überlegung ins Spiel, ob man sich jahrelang hier an das Podium stellen und die Exekutive zu mehr Tätigkeit ermahnen kann, ohne seinerseits auf die Bitten der Exekutive einzugehen, ihr auch von gesetzgeberischer Seite ein besseres Instrumentarium zur Verfügung zu stellen.
Das ist irgendwann einmal eine Frage der Fairneß gegenüber denen, die wir dauernd zu zusätzlichen Anstrengungen ermuntern zu können glauben und die an uns ebenfalls Anforderungen stellen. Herr Penner, das sieht sich mit Sicherheit in Regierungs-
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Kleinert
verantwortung anders als in der Opposition an; ich sprach das Thema vorhin bereits an. Deshalb sind wir der Meinung, daß wir uns nicht versagen können, das, was vielleicht — ich bin da ganz vorsichtig — gesetzgeberisch noch zu erreichen ist, auch von uns aus zu tun, damit wir dann allerdings ein um so besseres Fundament haben, von der Exekutive ihren Anteil noch energischer als bisher einzumahnen.
Das sind zwei Seiten der gleichen Medaille.
Herr Kleinert, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?
Ich bitte darum.
Würden Sie, lieber Herr Kollege Kleinert, mit mir der Auffassung sein, daß die ganzen diesbezüglichen gesetzgeberischen Betriebsamkeiten eigentlich nur dazu dienen, die Verschleierung der politischen Verantwortung des Bundesinnenministers zu ermöglichen?
Ich habe eben versucht, in normaler, in fairer Form die beiden Seiten der Münze darzustellen: die Verantwortung des Gesetzgebers und die Verantwortung der Exekutive. Ich gedenke überhaupt nicht, von dieser ausgewogenen Haltung abzugehen, auch nicht, um Ihnen zu ermöglichen, hier einen kleinen Oppositionsgag anzubringen.
Tatsache ist, Herr Penner, daß es einige Dinge gibt, die man so, und andere gibt, die man so betrachten kann.
Das heißt, man muß differenzieren. Es ist nicht möglich, die hier vorgeschlagenen gesetzlichen Regelungen einfach über einen Kamm zu scheren. Es gibt da sehr unterschiedliche Dinge.
Es gibt z. B. diesen § 130 a, zu dem sich Herr Eylmann vorhin sehr zutreffend geäußert hat. Ich ärgere mich bei dem § 130a nur darüber, daß wir ihn nach ursprünglicher Einführung — im übrigen in trautem Einvernehmen mit den hier anwesenden Mitgliedern der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands — wieder abgeschafft haben
und ihn jetzt wieder einführen. Das ärgert mich ein wenig, weil das nicht gerade die ganz elegante und zielsichere gesetzgeberische Art ist, mit einem solchen Sachverhalt umzugehen.
— Die Einzelheiten dieses Vorganges behalte ich bis zur Verfassung meiner Memoiren, die nie erscheinen werden, für mich.
Es war ein betrüblicher Vorgang — ich habe das eben schon deutlich gesagt —: Wenn man so etwas einmal eingeführt hat, soll man es nicht ohne Grund wieder abschaffen, nur weil einzelne Persönlichkeiten dies wollen. Das war unser Fehler, nicht daß wir es jetzt wieder einführen. Abgesehen davon ist es jetzt besser formuliert,
als es in dem alten § 88 a und in dem alten § 130 a formuliert war. Die jetzige Formulierung halte ich für besser.
Damit komme ich übrigens auf einen sehr interessanten Punkt des von mir kochgeschätzten Kollegen de With, der hier wieder so skurrile Beispiele angeführt hat, was alles mit solchen gesetzlichen Vorschriften passieren kann, wenn völlig unfähige Richter sie in die Hand bekommen und dann die skurrilsten Beispiele aus Übungen des ersten Semesters Strafrecht in die Wirklichkeit gedeihen lassen. Dagegen sind wir nicht geschützt.
Aber unsere Richter sind im großen und ganzen sehr gut. Deshalb glaube ich, daß Ihre skurrilen Beispiele nicht in die Wirklichkeit erwachsen werden, sondern daß z. B. der Grundsatz der Sozialadäquanz da durchschlagen wird, wo Sie befürchten, daß einzelne Dinge mißverstanden werden könnten. Im § 129 a sind nicht Stammtischbrüder gemeint, die volltrunken aufbrechen, um das Auto ihres Chefs zu beschädigen,
sondern es sind Leute gemeint — und dazu gibt es eine Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs —, die sich unter eine gemeinsame Ordnung einfügen, die einem gemeinsamen, längerfristig angelegten Ziel folgen, immer wieder solche Delikte zu begehen.
Deshalb schenken Sie sich doch Beispiele, die nur zur Verwirrung des Sachverhaltes beitragen, statt auf den Kern der Sache zu kommen, daß es nämlich um solche Fälle geht, in denen man sich nachhaltig zusammengetan hat, terroristisch tätig zu werden. Ob Sie den Strommast nun auf den Intercity fallen lassen oder ob Sie dem Mann gleich eine Kugel in den Kopf jagen,
das Ergebnis ist für die Betroffenen ungewöhnlich ähnlich.
Es ist ein Ergebnis, das wir nun einmal nicht wollen. Nur darauf geht die Erweiterung im § 129 a hinaus.
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Kleinert
Im übrigen haben wir in den Beratungen der Koalition z. B. eine Milderungsvorschrift gleich mit eingefügt, um auch diesem Einwand rechtzeitig entgegentreten zu können.
— Nein, das war sie nun einmal leider nicht,
aber wir haben sie eingefügt.
Auf diese Weise ist es ganz uninteressant, hier mit den Höchstzahlen um sich zu werfen, wenn man weiß, daß das Strafmaß normalerweise irgendwo im mittleren Feld von unseren Gerichten gefunden wird und daß wir lediglich eine zusätzliche Möglichkeit schaffen wollten.
Ich sage aber auch in aller Offenheit dazu: Die materiellrechtliche Änderung des § 129a ist nicht das Ziel, sondern die mit der Änderung des § 129 a verbundenen verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sind allerdings das Ziel,
so wie das Ziel, Herr Emmerlich, der von Herrn Jochen Vogel vorgelegten Einführung des § 129 a gewesen ist, verfahrensrechtlich zusätzliche Möglichkeiten zu erschließen und nicht etwa materiellrechtlich etwas zu tun, was woanders schon geregelt war. Das haben wir diesmal genauso im Auge gehabt, wie Sie es damals mit uns gemeinsam im Auge hatten. Bloß, Sie verdrängen da inzwischen einiges, und wir haben es behalten. Wir haben mühsam, bitter einsehen müssen, daß neue Herausforderungen allerdings auch von uns neue Anstrengungen verlangen. Darum haben wir uns entschlossen, hier noch einiges nachzubessern, was nachzubessern möglich war. Das ist das — wie ich eingangs bereits festgestellt habe —, was wir um der Freiheit willen zu tun gezwungen sind, damit Freiheit kein leeres Wort ist, sondern damit die Bürger in diesem Land das Gefühl haben können, daß wir wenigstens das Äußerste versuchen, sie in ihrer Sicherheit zu erhalten, statt hier Gefährdungen niederzureden, zu bagatellisieren und mit völlig unzutreffenden Argumenten geradezu lächerlich zu machen, die sich schließlich auf unsere Bürger lebensbedrohend auswirken werden. Das ist der Punkt, über den wir heute hier zu reden haben.
Deshalb werden wir diesen Änderungen zustimmen.
Herr de With war so liebenswürdig, auf den FDPParteitag zu sprechen zu kommen, der zufällig stattgefunden hat. Nun finden solche Parteitage tatsächlich zufällig immer vor Bundestagswahlen statt. Es liegt in der Natur der Dinge. Auch Ihrer hat ja stattgefunden.
Ich hätte mir gewünscht, daß Sie mal über die
Dinge gesprochen, daß Sie sich mal wie wir Gedanken gemacht hätten. Wir haben uns mit den Pro-
blemen auseinandergesetzt. Eine Annehmlichkeit war dies nicht.
Das war mit Sicherheit nicht der Fall.
Aber Sie haben sich ganz elegant darum herumgedrückt.
Sie haben gesagt: Was kümmert es uns? Wir sind in der Opposition. Wir lehnen erst mal alles ab und machen uns keinen Ärger mit unserer Linken in ihren Bemühungen, mit den GRÜNEN Kontakt zu finden,
die in diesen Fragen allerdings sehr seltsame Einstellungen haben — sehr seltsame Einstellungen. Das macht Ihnen das Problem. Hätten Sie sich mal einen solchen Parteitag wie die FDP in Mainz geleistet, dann stünden Sie heute besser da,
und dann könnten Sie heute hier mit einem bedeutend besseren Hintergrund über die Dinge sprechen als mit Herummäkeln, noch dazu mit falschen Argumenten, an einigen Dingen, die so einfach, wie Sie es machen, nun einmal nicht zu sehen sind.
Ich greife zum Schluß noch einmal das Wort von Herrn Penner auf und sage Ihnen: Nach der abschließenden Besprechung der Kommission, die die Koalition eingesetzt hat, um dieses Gesetzgebungsvorhaben zu beraten, habe ich mit einem hochgestellten Beamten unserer Sicherheitsbehörden gesprochen, rein zufällig, aus einem ganz anderen Grunde. Da habe ich ihn gefragt, wie er denn mit unseren Beschlüssen, mit unseren geplanten Vorlagen zufrieden sei. Darauf hat er mir gesagt, er sei sehr zufrieden, aber die Sache sei für ihn insofern unangenehm, als danach feststehe, daß die Verantwortung bei ihm liege und nicht zwischen der Exekutive und der Legislative hin- und hergeschoben werden könne.
Deshalb leisten wir hier unseren Beitrag und werden auf das andere unser waches Auge haben.
Danke schön.
Das Wort hat der Abgeordnete Mann.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach einem von der Koalition diktierten gesetzgeberischen Eilverfahren stehen an diesem für die Demokratie der Bonner Republik schwarzen Freitag
zwei Gesetzentwürfe der Bonner Koalitionsparteien auf der Tagesordnung, die schon vom Titel her die Bevölkerung über die wahren gesetzgeberischen Absichten täuschen sollen. Bei näherer Be-
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Mann
trachtung ist das sogenannte Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus nach Wegfall der Kronzeugen-Regelung ein Gesetz zur Kriminalisierung und Unterdrückung der Anti-Atom-Bewegung.
Es ist ein Sondergesetz zur Durchsetzung des lebensfeindlichen Atomprogramms und insbesondere des Baus der Wiederaufarbeitungsanlage in Wakkersdorf.
Das aus dem Paket der sogenannten Sicherheitsgesetze herausgelöste Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes, von dem bisher noch nicht die Rede war, schafft gesetzliche Grundlagen dafür, daß das an Parlament und Datenschutzbeauftragten vorbei seit Ende der 70er Jahre in Flensburg aufgebaute Zentrale Verkehrsinformationssystem beim Kraftfahrt-Bundesamt, „ZEWIS" abgekürzt, übrigens mit Zustimmung der von der SPD gestellten Länderinnenminister, zu einem zentralen Polizeiinformationssystem ausgebaut wird. Mit ZEIS wird der gläserne Autofahrer auf Deutschlands Straßen zur angeblichen Bekämpfung des Terrorismus Wirklichkeit.
Nach Verabschiedung des Gesetzes zur Einführung des maschinenlesbaren Personalausweises und der Schleppnetzfahndung am 28. Februar wird heute mit der Legalisierung von ZEVIS der Bereich von im Ernstfall umfassenden staatlichen Überwachungsmöglichkeiten entscheidend erweitert.
Die sogenannten Sicherheitsgesetze der gegenwärtigen Bonner Koalition, Herr Bötsch, sind in Wirklichkeit Gesetze zur Überwachung der Bürger.
Für Sie ist letztlich jeder kritische und aufmüpfige Bürger ein Sicherheitsrisiko. Den Geist des Grundgesetzes, vor allem hinsichtlich Meinungs- und Versammlungsfreiheit, haben Sie auch nach fast 40 Jahren noch nicht verinnerlicht, Herr Seiters.
Die Sicherheitsgesetze führen zu einer qualitativen Veränderung unseres Staatswesens, wie es die baden-württembergische Datenschutzbeauftragte Ruth Leutze in bezug auf die Einführung des maschinenlesbaren Personalausweises ausgedrückt hat. Die vom Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil aufgestellten Grundsätze zur informationellen Selbstbestimmung jeder Bürgerin und jedes Bürgers werden von der gegenwärtigen Bundesregierung mißachtet. Diese Bundesregierung ist
— ich wiederhole diesen Vorwurf aus der Debatte um den Justizhaushalt in der vergangenen Woche
— ein Sicherheitsrisiko für den demokratischen und freiheitlichen Rechtsstaat. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, verwechseln das berechtigte Bedürfnis der Bürger und Bürgerinnen nach Sicherheit mit Staatsschutz.
Sie verstehen unter innerem Frieden Friedhofsruhe und versuchen diejenigen, die sich entschieden gegen den weiteren Abbau bürgerlicher Freiheitsrechte wehren, als Komplizen von terroristischen Mördern zu diffamieren, wie es Herr Geißler in der Öffentlichkeit bei der Diskussion um die Kronzeugenregelung getan hat.
Ihre Antwort auf die hinterhältigen und verabscheuungswürdigen Morde an Ernst Zimmermann, Professor Beckurts und seinem Fahrer Groppler und Gerold von Braunmühl sind neue Sondergesetze, mit denen Sie politische Handlungsfähigkeit vortäuschen, während die im herrschenden Sicherheitsdenken tief verstrikte SPD den Ruf nach besserer Fahndung anstimmt.
Wir GRÜNE setzen dem die Forderung nach einer umfassenden Auseinandersetzung mit den Ursachen des Terrorismus entgegen,
so wie es die Brüder des ermordeten Gerold von Braunmühl in ihrem in der „Tageszeitung" vom 7. November 1986 veröffentlichten Brief an die Rote Armee Fraktion versuchen.
Nun zu Ihrem Sondergesetz zur Bekämpfung der Antiatombewegung. In dem Nebel der aufgeregten Kronzeugendiskussion sind die Auswirkungen der Erweiterung des Terrorismusparagraphen 129a, der Wiedereinführung eines gegenüber der bis 1981 geltenden Fassung ausgeweiteten Straftatbestandes der Anleitung zu Straftaten in § 130a und der Erweiterung der Zuständigkeit des Generalbundesanwaltes und damit gleichzeitig des Bundeskriminalamtes durch eine die Gewährleistung des grundgesetzlich garantierten Richters und die Justizhoheit der Länder verletzende Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes einer größeren Öffentlichkeit verborgen geblieben. Durch die Erweiterung des Straftatenkatalogs im Terrorismusparagraphen erstens auf gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr und zweitens auf die Störung öffentlicher Betriebe und drittens durch den neu ins Strafgesetzbuch eingeführten Tatbestand der Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel und die Heraufstufung von § 129a vom Vergehen zum Verbrechen mit einem Strafrahmen von einem Jahr bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe lösen Sie den bisherigen strafrechtlichen Terrorismusbegriff auf.
Um Mißverständnissen vorzubeugen: Die erwähnten Verhaltensweisen sind bereits nach geltendem Strafrecht als gemeingefährliche Straftaten als Vergehen mit Strafe bedroht. Durch die Erweiterung des Terrorismusparagraphen soll der Straf-
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Mann
rechtsschutz vorverlagert werden. Das strafrechtlich ohnehin fragwürdige Organisationsdelikt des § 129a wird uferlos ausgeweitet. Das haben verschiedene Sachverständige in der Anhörung des Rechtsausschusses überzeugend dargelegt. Ihr juristisches Flächenbombardement, mit dem Sie gewalttätige Vergehen zu terroristischen Verbrechen hochstilisieren, hat mit einem an Rechtsgüterschutz orientierten Strafrecht, Herr Kollege Kleinert, als letztem Schutzmittel der Gesellschaft gegen sozialschädliches Verhalten aber auch überhaupt nichts zu tun. Dieser Gesetzentwurf stellt einen Mißbrauch von Strafgesetzgebung, die sich an Rationalität, Distanz und Gelassenheit auch gegenüber großer öffentlicher Entrüstung zu orientieren hat, für symbolische Politik dar.
Wir befürchten, daß in einem Klima öffentlicher Hysterie z. B. durch den § 130 a, den ich als einen Zensurparagraphen bezeichnen möchte, jegliche öffentliche Auseinandersetzung um die Anwendung von Gewalt mit strafrechtlichen Mitteln wie z. B. Durchsuchung von Buchhandlungen und Beschlagnahme von Schriften unterdrückt wird. Strafrechtlich sanktioniert werden können nach diesem neuen Paragraphen lediglich vermutete Auswirkungen von Veröffentlichungen und vermeintliche Absichten der Verfasser. Ein solches Gesinnungsstrafrecht ist mit einem freiheitlichen Strafrechtsverständnis und dem Grundrecht auf Meinungsund Pressefreiheit unvereinbar.
Schließlich werden durch die fragwürdige zentrale Verfolgungszuständigkeit des Generalbundesanwaltes zusammen mit der Zuständigkeit des BKA über das Einfallstor des Terrorismusparagraphen in gefährlicher Weise Bundessonderbehörden geschaffen.
Ich will das gesetzgeberische Ziel dieses sogenannten Gesetzes zur Bekämpfung des Terrorismus noch einmal wie folgt zusammenfassen: Sie versuchen, Teile der Anti-Atom-Bewegung, im Jargon der Sicherheitsbehörden die Szene von autonomen und spontanen Gewalttätern, mit terroristischen Verbrechern in einen Topf zu werfen. Das hat Lochte dankenswerterweise in der Anhörung ganz klar ausgeführt. In Wirklichkeit geht es Ihnen gar nicht um Bekämpfung von Terrorismus, sondern um die Einschüchterung und Unterdrückung der gesamten Anti-Atom-Bewegung. Die Jagdszenen in der Oberpfalz mit dem Verbot der Bundeskonferenz der Anti-Atom-Bewegung am vergangenen Wochenende und einem Versammlungsverbot für den gesamten Freistaat Bayern, aber auch Tausende von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen friedlich und gewaltfrei gegen den Bau der WAA in Wakkersdorf demonstrierende Bürger belegen dies.
Der Herbst 1986 mit rechtswidrigen Massenfestnahmen beim Hamburger und beim Mainzer Kessel und vor wenigen Tagen in Göttingen wird ebenso wie der im Frühjahr bekanntgewordene staatsterroristische Sprengstoffanschlag auf die JVA Celle in erschreckender Weise in der breiten Öffentlichkeit gar nicht erst bekannt oder alsbald verdrängt.
Die Unfähigkeit der Politiker zu einer ökologischen Wende geht mit einem dramatischen Verlust innerer Freiheit einher.
Ich komme zum Schluß.
Mit Ihrer Politik der Verdrängung der Ängste, Sorgen und Ohnmachtsgefühle großer Teile der Bevölkerung, mit dem Ruf nach einem starken Sicherheitsstaat, der auf Abschreckung nach innen und außen aufgebaut ist, handeln Sie weder christlich noch liberal, sondern rückwärts gewandt in den Traditionen des wilhelminischen Obrigkeitsstaates.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Bundesminister des Innern, Dr. Zimmermann.
Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich ausschließlich mit dem Entschließungsantrag der SPD, und zwar den Ziffern 4, 5 und 6, beschäftigen.
Der Vorwurf an die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern, sie hätten im Gegensatz zu früher keine Fahndungserfolge, ist falsch. Wir haben seit Ende 1982 rund 20 terroristische Festnahmen: von Klar, Schulz, Mohnhaupt Ende 1982 bis HauleFrimpong Mitte 1986. Die Terrorismusbekämpfung der Polizei- und Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern erfolgt auf der Grundlage gemeinsamer Maßnahmenkataloge, die ständig der Lageentwicklung angepaßt sind. Ich kann nur umreißen, weil sich eine Einzeldarstellung selbstverständlich verbietet, was das ist: ständige Abklärung des terroristischen Umfelds, die Umsetzung erzielter Erkenntnisse über terroristische Praktiken und Verhaltensweisen in konkrete Fahndungsmaßnahmen, die ständige Aktualisierung von Struktur- und Gefährdungsanalysen, Präventivmaßnahmen im Hinblick auf gefährdete Personen und Objekte und schwerpunktmäßige Kontrollmaßnahmen. Hinzugekommen ist kürzlich ein gemeinsames, von Bund und Ländern entwickeltes und gemeinsam praktiziertes neues Fahndungskonzept.
Ich habe in die Zusammenarbeit zwischen den EG-Staaten eine Reihe von Vorschlägen zur Verstärkung der Bekämpfung des internationalen Terrorismus eingebracht, und zwar bereits im September, noch vor dem Anschlag auf von Braunmühl. Der britische Innenminister war deswegen bei mir. Unsere Vorschläge waren die ersten und einzigen. Sie sind dann mit dem französischen Innenminister komplettiert worden. Ich hoffe, daß am Montag und Dienstag in London bei der nächsten TREVI-Konferenz der Hauptteil dieser Vorschläge international beschlossen werden wird, nämlich Erkenntnisaustausch zwischen den Grenzpolizeibehörden, Harmonisierung der Visapolitik zur besonderen Personenkontrolle auch im Terrorismusbereich, die Intensivierung der Fahndung nach grenzüberschreitenden Terroristen durch Austausch von Verbindungsbeamten, verstärkte internationale Fahn-
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 254. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Dezember 1986 19799
Bundesminister Dr. Zimmermann
dungsausschreibung und Öffentlichkeitsfahndung, die Einrichtung verbesserter Nachrichtenverbindungen zwischen zentralen Polizeibehörden, die Einrichtung eines europäischen Lagedienstes Terrorismus, die Einrichtung zentraler kriminaltechnischer Sammlungen und Begutachtungen. Das alles steht in London auf Grund der deutschen Vorschläge seit drei Monaten zur Debatte und ist in den Arbeitsgruppen behandelt worden.
Es ist auch falsch — Ziffer 5 dieses Entschließungsantrags —, daß im Bereich der Terrorismusbekämpfung beim BW und beim BKA gezielte Personalreduzierungen erfolgt seien. So betrug beim BKA der Stand der Abteilung Terrorismus am 1. Januar 1986 217 Personen und am 1. Dezember 1986 216 Personen, also faktisch das Gleiche. Aber 100 weitere Personen sind zur Sicherungsgruppe des Bundeskriminalamts hinzugekommen, und eine weitere Aufstockung wird jetzt um die Jahreswende vorgenommen.
Im übrigen geschieht das selbstverständlich alles in engster Zusammenarbeit mit dem Präsidenten des Bundeskriminalamts und seinen Vorschlägen. Der Präsident ist seit vielen Jahren derselbe und Ihnen wohlbekannt. Deswegen gibt es hier nicht die geringste Kritik; denn ein Amt von fast 3 400 Personen muß bei wechselnden Aufgabenschwerpunkten natürlich jederzeit einen flexiblen Personaleinsatz von sich aus gewährleisten. Das geschieht auch.
Zu Punkt 6: Der Öffentlichkeitsfahndung kommt große Bedeutung zu. Ich habe sämtliche Chefredakteure der deutschen Zeitungen bei mir gehabt. In der nächsten und übernächsten Woche kommen noch einmal die Chefredakteure der nord- und der süddeutschen Presse getrennt. Bei diesen Gesprächen wird das eine Hauptrolle spielen.
Ich habe unaufhörliche Besprechungen mit ARD und ZDF und auch mit den anderen Anstalten gehabt. Die Verabschiedung von Grundsätzen, auf die wir uns jetzt ganz konkret geeinigt haben, und zwar außerhalb der redaktionellen Verantwortung der Anstalten, steht unmittelbar vor dem Abschluß. Das heißt, das Notwendige in diesem Bereich ist veranlaßt.
Das Bundeskriminalamt hat auch neue Methoden der Darstellung in den elektronischen Medien entwickelt und mit den Anstalten abgestimmt.
Das heißt, meine Damen und Herren, und jetzt komme ich zur Schlußfolgerung: Die SPD verdreht die Fakten, wenn sie behauptet, unsere Gesetzgebung zur besseren Bekämpfung des Terrorismus würde die Zahl der Terroristen erhöhen. Zum Terroristen wird man nicht durch Gesetze, sondern durch terroristisches Verhalten.
Terroristische Karrieren entstehen in einem Klima der Gewalt, das durch falsch verstandene Toleranz genährt wird.
Terrorismusbekämpfung eignet sich nicht für tagespolitische Polemik. Sie fordert Entschlossenheit, Zielstrebigkeit, Beharrlichkeit und den Schulterschluß aller, die es ernst mit der Terrorismusbekämpfung meinen. Da sehe ich Defizite. Es fehlt oft die klare und glaubwürdige Distanzierung gegenüber allen Formen der Gewalt. Erfolgreich werden wir erst sein, wenn es uns gelingt, auch Gewalt im Vorfeld des Terrorismus zu überwinden. Dorthin ist noch ein langer Weg.
Es gilt, meine Damen und Herren, Veränderungen zu bewirken in der Einstellung gegenüber diesem Staat, unserer Gesellschaft und dem Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele. Hier kann auch der Gesetzgeber — das ist der Zweck, über den wir heute sprechen —, indem er noch entschiedener Position gegen Gewalt bezieht, einen notwendigen Beitrag leisten.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wartenberg.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wissen Sie, Herr Zimmermann, es ist nachgerade schon rührend, wie Sie sich hier bemühen, der Öffentlichkeit weiszumachen, Sie hätten alles im Griff.
Der Fakt ist doch, daß sich Fahndungserfolge nicht einstellen. Das ist bitter.
Aber die Tatsache, daß keine Fahndungserfolge da sind, zwingt Sie doch in Ihrer Hilfslosigkeit, hier und heute Gesetze beschließen zu lassen, die der Fahndung nicht dienen, sondern nur der Desorientierung der Öffentlichkeit.
Wissen Sie, Graf Lambsdorff hat Sie vor einiger Zeit zum erfolglosesten Innenminister der Nachkriegsgeschichte erklärt.
Dies ist eine harmlose Erklärung. Sie sind nicht nur der erfolgloseste Innenminister, Sie sind in der Tat der unfähigste Innenminister der Nachkriegszeit.
Statt Fahndungserfolge vorzuweisen, lancieren Sie pausenlos Falschmeldungen und Desinformationen. Ich will das einmal an drei Beispielen darstellen.
In der ersten Stellungnahme nach dem wirklich schrecklichen Mord an Herrn von Braunmühl verkündete Herr Zimmermann im Innenausschuß den erstaunten Mitgliedern, die Fahndungsmißerfolge seien u. a. darauf zurückzuführen, daß die Polizei in
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Wartenberg
vielen Kommunen bei der Fahndung nicht an die Melderegister herankomme.
Auf Nachfragen in mehreren Sitzungen des Innenausschusses stellte sich heraus, daß der Innenminister kein einziges Beispiel vorweisen kann. Er hat sich dann darauf zurückgezogen, er habe in Sitzungen derartige Vorwürfe einmal gehört; von wem, wisse er allerdings auch nicht mehr. Was ist das eigentlich für ein Innenminister, der in einer ernsten innenpolitischen Situation Vorwürfe gegenüber Kommunen erhebt und sie dann nicht einmal beweisen kann, um von seinen Mißerfolgen abzulenken?
Weiterhin beklagt der Innenminister in der Sitzung des Innenausschusses, daß er mit den Fernsehanstalten unzufrieden sei, weil diese sich nicht ausreichend an der Fahndung beteiligten. Als vorgestern im Innenausschuß ARD und ZDF anwesend waren und die neue Regelung mit dem Innenministerium besprochen wurde, stellte sich heraus: Sowohl das Innenministerium als auch die Fernsehanstalten sagen: Es hat nicht ein einziges Mal Beschwerden gegeben,
es ist in den letzten Jahren alles mit der Fernsehfahndung vernünftig gelaufen, es gibt kein Problem. Auch hier zeigt sich, daß Sie wieder einen Popanz aufgebaut haben, um zu kaschieren, daß Sie erfolglos sind.
Das wohl Haarsträubendste, was passiert ist, ist im Bereich ZEVIS. Im Innenausschuß erklären Sie uns, ZEVIS hätten Sie nie gefordert, Sie selbst gingen davon aus, wenn das Zentrale Verkehrsinformationssystem beschlossen würde, würde die Fahndung auch nicht verbessert werden. Zwei Tage später erzählen Sie hier im Parlament: Dringend muß ZEVIS beschlossen werden, damit sich endlich Fahndungserfolge einstellen.
Merken Sie eigentlich nicht, Herr Zimmermann, daß Sie unfreiwillig zum Kronzeugen geworden sind, und zwar zum Kronzeugen für eine verfehlte, erfolglose Innenpolitik?
Bloß Sie sind ein Kronzeuge, der nicht straffrei ausgehen wird. Der eine Teil der Strafe, die Wegnahme des Umweltressorts, ist schon eingetreten; der Rest wird folgen.
Bezüglich seiner neuen Identität übt Zimmermann
heute schon, denn einen großen Teil seiner Zeit verbringt er jetzt schon als Großwildjäger in Ostblockstaaten. Offensichtlich will er sich darauf dann zurückziehen.
— Es gibt wohl mehrere dieser Sorte, Vergleiche können Sie gerne anstellen; aber es spricht nicht für den Innenminister.
Meine Damen und Herren, ich will zu einem dieser Gesetze, die hier heute verabschiedet werden und die besonders problematisch und in der Öffentlichkeit wenig bekannt sind, noch einige Ausführungen machen. Das Zentrale Verkehrsinformationssystem ist eigentlich eine sinnvolle Datensammlung von Verkehrs- und Personendaten in Flensburg, die für den Bereich des Straßenverkehrs notwendig sind. Das Problem mit diesem Gesetz ist nur, daß es sich eigentlich nicht mehr um ein Gesetz zur Regelung des Straßenverkehrs handelt, sondern letzten Endes um ein Gesetz, das die Zugriffe der Polizei, des Militärischen Abschirmdienstes und des Verfassungsschutzes auf diese Daten regelt. Das sind 23 Millionen Personendaten und 40 Millionen Kraftfahrzeugdaten.
Die neue Technik des zentralen Zugriffs wird durch die Hintertür eine Bundesdatenbank oder ein Bundeszentralmelderegister erbringen. Das ist eigentlich von der Verfassung her nicht zulässig.
Noch in den 70er Jahren haben wir bei der Meldegesetzdiskussion die Zentralisierung dieser Daten aus verfassungsrechtlichen Gründen abgelehnt. Das Problem ist, daß mit dem Zugriff aller möglichen Behörden und insbesondere der Sicherheitsbehörden auf diesen Bereich der Name „Straßenverkehrsgesetz" Schlichtweg falsch ist. Es ist ein Gesetz über den Zugriff von Sicherheitsbehörden auf allgemeine Bürgerdaten.
Allein dieser Tatbestand zeigt schon, daß dieses Gesetz auch unehrlich in die Öffentlichkeit gegeben wird.
Durch die Regelung, daß Behörden zukünftig online, d. h. direkt vom Polizeiauto oder von der Dienststelle die Daten in Flensburg abfragen können, entsteht auch das Problem der geheimen Kontrolle. Beim maschinenlesbaren Personalausweis ist es für den Bürger immer noch sehr einfach festzustellen, ob und wann er kontrolliert wird; denn er muß den Ausweis zeigen. Bei der Überprüfung der Kraftfahrzeugdaten geschieht dies ohne Wissen des Bürgers. Das Problem ist, daß es sich hier nicht nur um Kraftfahrzeugdaten handelt, sondern daß durch eine Personalanfrage unabhängig von Straßenver-
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Wartenberg
kehrstatbeständen Personendaten abgefragt werden können.
— Nein, sehr viel mehr, da irren Sie sich Herr Kleinert! — Das Problem ist, daß bei dem Gesetzentwurf, der jetzt vorliegt, die Bundesregierung diese Ausweitung der Möglichkeiten der Sicherheitsbehörden und der Dienste noch einmal vergrößert hat, indem für den Militärischen Abschirmdienst und den Verfassungsschutz ohne gesetzliche Grundlage Zugriffe ermöglicht werden, die nach dem Gesetz über die Volkszählung nicht verfassungskonform sind.
Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
Wenn sie nicht angerechnet wird.
Nein, auf keinen Fall, Herr Wartenberg.
Herr Kollege Wartenberg, stimmen Sie mit mir darin überein, daß das Verhalten des Bundesinnenministers, wenn er bei einer so zentralen Debatte über Bürgerrechte hier Zeitung liest, eine unglaubliche Arroganz und Mißachtung gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber dem Parlament bedeutet?
Nach der inhaltlichen Arbeit, die der Bundesminister in den vergangenen vier Jahren hier geleistet hat, ist es mir ziemlich egal, was er eigentlich macht. Es kommt ohnehin nichts Gescheites dabei heraus.
Meine Damen und Herren, in dem Bereich des Zugriffs des Militärischen Abschirmdienstes und des Verfassungsschutzes wird ausdrücklich die ursprüngliche Eingrenzung im Gesetzentwurf herausgenommen. Die ursprüngliche Eingrenzung bestand darin, daß der MAD und der Verfassungsschutz nur bei nachrichtendienstlicher Gefährdung zugreifen dürfen. Nach dem neuen Gesetzentwurf dürfen sie aber zum Zwecke der Observation bei „allgemeiner Extremismus" auf diese Daten zugreifen. Hier zeigt sich, daß dieses Gesetz eben kein Straßenverkehrsgesetz ist, sondern eine ganz andere Bedeutung hat.
Diese Fragestellungen sind deswegen so problematisch, weil wir ja ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Volkszählung haben. In diesem Urteil ist festgelegt, daß bestimmte Daten von bestimmten Behörden nur unter Zweckbindungsgrundsätzen benutzt werden dürfen und weitergegeben werden dürfen. Die gesetzlichen Regelungen für die Polizei, für den Verfassungsschutz, für den MAD, fürs BKA, für den BND gibt es aber nicht. Das heißt, daß dieses Gesetz, jetzt herausgelöst aus den Sicherheitsgesetzen, de facto eine Generalvollmacht für Sicherheitsbehörden bedeutet. Dies kann der Verfassung nicht angemessen sein.
Besonders problematisch ist, daß man sich dafür jetzt keine Zeit gelassen hat, weil selbst der Innenminister und andere erklärt haben, ZEVIS sei eigentlich für die Terroristenfahndung überhaupt nicht notwendig. Hier wird die Öffentlichkeit noch einmal geleimt, indem ihr etwas vorgemacht wird, was hinter dieser Gesetzesinitiative gar nicht wirklich steht.
Meine Damen und Herren, auch die „Aktion Gitternetz" 1983 in Rheinland-Pfalz zeigte, daß eine großflächige Kontrolle mit diesen Mitteln — damals ja noch nicht rechtlich zulässig — unglaublich viele Bewegungsbilder herstellen konnte. Die technischen Möglichkeiten, die sich aus diesem neuen Instrument ergeben, sind schon problematisch. Da dies meines Erachtens eine neue technische Infrastruktur ist, die irreversibel, also nicht rückgängig zu machen ist, ist dieses Pilotprojekt für den Staat von außerordentlich großer Bedeutung. Deswegen schließen wir uns dem an, was alle Datenschutzbeauftragten gesagt haben, daß dieses Gesetz, was die Datenschutzgesetzgebung für die Zukunft angeht, das problematischste Gesetz ist, das wir im Augenblick verabschieden.
Meine Damen und Herren, die Sozialdemokraten sind trotz alledem bereit, einen schwierigen Tatbestand bei einer Übergangsregelung mit einem eigenen Gesetzentwurf, den wir hier vorlegen und den wir schon dem Innenausschuß vorgelegt haben, zu entkrampfen. Die Hälfte der Republik ist im Augenblick an ZEVIS angeschlossen, die andere nicht. Dieser Zustand ist unhaltbar und kann nur durch ein sauberes Gesetz geregelt werden, das datenschutzfest ist. Deswegen haben wir uns entschlossen, mit den Innenministern der SPD-regierten Länder zu fordern, daß für drei Jahre ausschließlich für die Polizei eine Übergangsregelung geschaffen wird, die sich nur auf deren Datenabfrage im bisherigen Umfang bezieht, und daß in dieser Zeit — das ist auch ein Angebot an die Koalition gewesen — endlich ein verfassungsrechtlich angemessenes ZEVIS-Gesetz geschaffen wird.
Meine Damen und Herren, zum Abschluß muß ich sagen: Wenn diese Gesetze heute im Eilverfahren durchgezogen werden, dann zeigt das mehr die Hilflosigkeit dieser Regierung als ihre Stärke. Ein Wort zur FDP: Daß sie diese Teile jetzt mitmacht — kaschiert von dem Eindruck, daß sie beim Kronzeugen bisher Widerstand geleistet hat — zeigt, gerade auch am Beispiel der Rede des Herrn Kleinert, daß die FDP nach wie vor die Beliebigkeitspartei geblieben ist.
Vielen Dank.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Stark.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte von dem in der Geschäftsordnung gegebenen Recht Gebrauch machen, frei und ohne Unterlagen zu sprechen. Falls dazu eine Genehmigung notwendig ist, bitte ich, die zu erteilen.
Meine Damen und Herren, an und für sich war es mein Part, hier zur Kronzeugenregelung zu sprechen. Ich habe mich damit mehrere Wochen beschäftigt und bedaure es zutiefst, daß ich meine hervorragenden Ausführungen dazu heute nicht machen kann.
Ich hätte sicher nach meinen Ausführungen eine Mehrheit dafür bekommen, zumal ich mich vor allem auf Argumente des Herrn Posser von der SPD, des Herrn Maihofer von der FDP, des Herrn Vogel von der SPD hätte beziehen können.
Vorläufig müssen wir aber darauf verzichten.
— Frau Präsidentin, ist es möglich, daß man hier, auch wenn man frei spricht, reden kann?
Ich bitte, freundlicherweise etwas Geduld zu haben und zuzuhören.
Ich hoffe, daß es nicht so kommt, wie ein hervorragender Vertreter der Bundesrechtsanwaltskammer in der Anhörung gesagt hat: jetzt sei noch nicht die Zeit der Kronzeugenregelung. Ein Kollege hat dann dazwischengerufen: Wie viele müssen noch ermordet werden, bis die Zeit kommt?
Zu der Anhörung möchte ich noch eines sagen: Da haben Leute als Sachverständige über Dinge diskutiert, sozusagen aus dem Plüschsofa heraus mit Sicht in den schönen Park, und haben hohe Grundsätze des Rechtsstaates hin- und hergewandt — Legalitätsprinzip, Gleichheitsprinzip —, sie haben nur die Toten vergessen, und sie haben die Mörder vergessen, und sie haben die Witwen vergessen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.
Meine Damen und Herren, was ist jetzt zu tun? Es besteht kein Zweifel, der Terrorismus ist die größte Herausforderung dieses Rechtsstaates. Wir sind in den letzten vier Jahren — ich muß das einmal sagen — mit allem gut fertiggeworden, nur mit dem Terrorismus sind auch wir nicht fertiggeworden.
— Lassen Sie mich das sagen, ich bin ja Abgeordneter. Es muß doch möglich sein, daß ein Abgeordneter etwas anderes sagt als der Minister.
Ich habe gesagt, ich bin mit den Fahndungserfolgen nicht voll zufrieden, und das läßt sich gar nicht bestreiten, sonst brauchten wir diese Gesetze nicht. Wenn ein Rechtsstaat mit dem Instrumentarium, das er im Augenblick hat, an diese Mörderbanden nicht herankommt, muß er sich etwas überlegen, und das tun wir.
Ich komme gleich noch darauf, was die rot-grüne Opposition in diesem Zusammenhang tut. Es ist traurig — Sie sollten nicht so lachen —, wie Sie in dieser entscheidenden Frage versagen. Herr de With, Herr Emmerlich, Herr Schäfer, wenn ich Sie so sehe: sonst anständige Menschen, aber hier versagen Sie total, was die Terrorismusbekämpfung angeht.
Was macht diese Opposition? Wir, die Koalition hat gehandelt. Mein Kollege Eylmann hat das dargelegt. Er hat das sehr gut gemacht, auch mein Kollege Kleinert.
Was macht die Opposition in diesem Saale?
Beginnen wir bei den GRÜNEN. Sie verteidigen den Rechtsstaat, indem Sie alle Terroristengesetze abschaffen wollen. Sie trauen sich nicht mehr, dies heute zu sagen. Herr Mann, Sie hätten hier und heute sagen müssen: Wir haben heute ein Gesetz vorgelegt, um alle Terroristengesetze abzuschaffen. Dann muß man noch in das Hannover-Programm hineinsehen.
Danach wollen Sie noch den Bundesgrenzschutz
abschaffen, den Verfassungsschutz abschaffen,
die kasernierte Polizei abschaffen, die allgemeine Polizei entwaffnen. Ihr seid mir schöne Demokraten! Sie sollten sich schämen, daß Sie in dieser Debatte überhaupt mitreden.
20% von Ihnen kommen aus dem terroristischen Hintergrund. Sie sind die Schutzpatrone der Terroristen und der Chaoten. Das sind Sie, meine Damen und Herren.
Ihr Hannover-Programm ist ein Regiebuch nach
dem Motto: Wie zerstöre ich diesen demokratischen
Rechtsstaat schnell uns sicher? Gott sei Dank wer-
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Dr. Stark
den wir dafür sorgen, daß Sie nie dazu kommen. Und das sind die zukünftigen Koalitionspartner der SPD!
Jetzt komme ich zur SPD. Was macht die SPD, die noch im Jahre 1975 den Kronzeugen vorgeschlagen hat — man höre und staune —, die Mogadischu zu verantworten hat und hier Menschenleben gerettet hat? Man liest heute in der Zeitung: „SPD macht Front gegen Terroristengesetze". Mir wäre lieber, es stünde in der Zeitung: SPD macht Front gegen Terroristen anstatt gegen Terroristengesetze.
Es ist kläglich: Die tibetanische Gebetsmühle, die Gesetze reichten aus, die Fahndung tauge nichts, kommt jeden Tag. Sie beleidigen alle Polizisten mit Ihrem dummen Geschwätz, die Fahndung tauge nichts.
— Ja, das hören Sie nicht gerne, aber Sie müssen es halt heute hören.
Sie versagen in dieser Frage, in der Demokraten, staatstragende Parteien, so sage ich einmal — die GRÜNEN rechne ich nicht dazu —, in der Bekämpfung des Terrorismus wenigstens einig sein sollten, mag uns auch sonst vieles trennen. Das waren wir früher in der Großen Koalition und sonstwo. Jetzt — nur weil Sie sich den GRÜNEN anbiedern wollen, diesen Leuten, die unseren demokratischen Rechtsstaat zerstören wollen — sind Sie anderer Meinung.
— Lesen Sie doch das Hannover-Programm. Ich bin überzeugt: Wenn die Bundesregierung das Hannover-Programm der GRÜNEN in jeden Haushalt schicken dürfte, kämen Sie unter 5%. Aber dann hätte die SPD keinen Partner mehr.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Schlußsatz: Was jetzt zu tun ist, haben wir getan. Wir hoffen nicht, daß noch mehr getan werden muß. Wir hoffen, daß diese Gesetze dazu beitragen, daß wir die Terroristen finden, bestrafen und dort hinbringen, wo sie hingehören.
Vielen Dank.
Herr Dr. Hirsch, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann die harte Kritik, die Kollege Stark an der Anhörung und an den Sachverständigen geübt hat, die dort vorgetragen haben, nicht stehen lassen. Ich habe der Anhörung von Anfang bis Ende beigewohnt. Ich muß Ihnen sagen, daß dort mit großem Ernst und großem Sachverstand und nicht ohne Eindruck auf die Öffentlichkeit und auf unsere politischen Entscheidungen vorgetragen worden ist.
Ich habe auch als Erinnerung aus dieser Anhörung die mich beeindruckenden Ausführungen des Präsidenten des Hamburger Verfassungsschutzamtes Lochte zu der Frage behalten, ob die Ausdehnung des Tatbestandes des § 129a die Terroristenbekämpfung erleichtert oder nicht. Denn es ist zwar richtig, daß ein Terrorist nicht durch den Gesetzgeber gemacht wird, sondern daß er sich durch seine Handlungen charakterisiert. Aber es ist unsere Entscheidung, Herr Innenminister, welchen Stempel wir dieser Tat aufdrücken und ob wir dadurch die Solidarisierungen auf einer falschen Seite erleichtern oder nicht.
Ich kann nicht verhehlen, daß die Debatte einen zwiespältigen Eindruck hinterläßt. Der Gesetzgeber darf nicht in die Rolle geraten, als ob er hinter der Wirklichkeit herliefe, als ob der Mord an Herrn von Braunmühl die entscheidende Motivation von gesetzgeberischen Entscheidungen insofern wäre, als ob wir die Veränderung unseres Rechtssystems von der verbrecherischen Energie von Terroristen abhängig machten. Darum kann das, was der Kollege Stark angedeutet hat, eben nicht eintreten, daß wir nämlich von Fall zu Fall hergingen, um unsere Gesetze zu verändern. Darum sage ich auch an die Kollegen der SPD, daß Sie sich sehr genau überlegen müssen, welche Positionen Sie einnehmen, denn das, was Sie jetzt sagen, die Entscheidungen, die Sie jetzt treffen, müssen auch in der weiteren Zukunft halten, genauso wie wir davon ausgehen, daß die Entscheidungen, die wir jetzt treffen oder nicht treffen, z. B. zum Kronzeugen in der Art, wie wir ihn akzeptiert hätten, auch in der weiteren Zukunft so stehen, wie wir es jetzt gemeinsam und mehrheitlich für richtig halten.
Herr Kollege Wartenberg hat etwas über ZEVIS gesagt. Ich finde das nicht korrekt, was Sie vorgetragen haben, weil weite Teile dieses Gesetzentwurfes, der seit fast einem Jahr auf dem Tisch des Hauses liegt, eigentlich in völliger Übereinstimmung aller Seiten des Hauses hätten verabschiedet werden können, weil sie überhaupt nichts mit der Terrorismusbekämpfung zu tun haben, sondern damit, in welcher Weise die Daten des Kraftfahrzeug-Bundesamtes in Flensburg für alle möglichen exakt definierten Zwecke verwendet werden dürfen.
Das eigentliche Problem der Datenverarbeitung und der Entwicklung der Datenverarbeitung, Herr Kollege Eylmann, liegt an einer anderen Stelle, und das sehen wir mit großer Sorge. Es ist nämlich die Tatsache, daß weder wir hier im Hause noch die Innenminister des Bundes und der Länder die politische Kraft gefunden haben, aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemeinsam die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, und zwar für das Polizeirecht des Bundes und der Länder, für das Bundeskriminalamtsgesetz, für die Datenschutzgesetze. Es ist kein Luxus, den man sich ersparen könnte, wenn man wachsenden Widerstand gegen
19804 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 254. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Dezember 1986
Dr. Hirsch
die Datenverarbeitung aufhalten will, wenn man diese nutzen will.
Ich sage Ihnen eines: Für die Sicherheit unseres Landes ist die enge Zusammenarbeit der Polizeien des Bundes und der Länder unabdingbare Voraussetzung.
Wir verfolgen mit großer Sorge, daß die Innenminister in den letzten Jahren nicht mehr die Kraft gehabt haben, die Aufgabe zu erfüllen, der wir uns jahrelang mit großem Ernst und großer Sorgfalt gewidmet haben, nämlich durch immer wiederholte und dauernde Beratungen und Besprechungen Extrempositionen auf allen Seiten abzuschleifen und uns im Bereich der inneren Sicherheit auf etwas Gemeinsames zu verständigen.
Was wir sehen, ist eine fast fröhliche Auseinanderentwicklung in vielen Rechtsbereichen. Dazu trägt auch bei,
daß wir hier im Bund gemeinsame Entscheidungen nicht haben treffen können. Das bezieht sich auch auf Ihre Haltung zu diesen Gesetzen, meine Kollegen von der Opposition.
Darum lassen Sie mich am Ende dieser Legislaturperiode den dringenden Wunsch äußern, daß wir in dieser Frage wieder zu der Gemeinsamkeit zurückfinden, die notwendig ist, wenn wir den Bürgern dieses Landes in der inneren Sicherheit dienen wollen.
Das Wort hat der Bundesminister der Justiz, Herr Engelhard.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn wir hier kurz vor der Weihnachtspause auseinandergehen könnten mit dem Gefühl, daß wir bekennen müssen, wir haben, was die einzelnen Maßnahmen angeht, nicht zusammengefunden — in einer Debatte ist dargelegt worden, warum die einen dies wollen, die anderen aber in einer gewissenhaften, ruhigen Abwägung der Dinge zu anderen Ergebnissen kommen —, dann würde man das vielleicht bedauern können. Aber man könnte dennoch guten Mutes sein, weil in der politischen Auseinandersetzung, auch in der Fachdiskussion natürlich immer vorgegeben ist, daß man zu verschiedenen Ergebnissen kommt.
Was aber ist hier der Fall? Das hier ist schlimmer, denn es zeichnet sich ab, daß über die Grundlagen dessen, was wir zu tun haben, völlige Uneinigkeit besteht. Ich spreche in diesem Zusammenhange die Fraktion der GRÜNEN en détail gar nicht an, weil hier auf meiner Seite nach all meinen gewissenhaften und aufmerksamen Beobachtungen Verwunderung nicht mehr am Platze ist. Es wäre ja die Gelegenheit gewesen, Herr Abgeordneter Mann, wenn Sie hier das Wort nehmen, dies auch einmal dazu zu benutzen, eine klare Linie der Fraktion der GRÜNEN herauszukristallisieren. Wenn Sie die Morde der RAF verurteilen, wäre es dann in einem sehr deutlichen Abstand nicht auch an der Zeit gewesen, ein klares Wort dazu zu sagen, daß Sie diejenigen, die sich durch unsere Landschaft bewegen und Strommasten zum Sturz bringen, als kriminelle Täter ansehen, wenn auch in deutlichem Abstand zu Mördern — selbstverständlich, was die Beurteilung angeht, was das Strafmaß angeht; das ist doch alles völlig klar.
— Ich möchte den Gedankengang zu Ende führen. Er wird durch Zusatzfragen derzeit nicht angereichert. —
Herr Abgeordneter Mann, es wäre schön, hierzu einmal ein klares Wort zu hören.
Was haben wir statt dessen gehört? Wir haben neben der Verurteilung dessen, was die RAF an Morden begangen hat, gehört, diese Bundesregierung sei ein Sicherheitsrisiko; hier werde ein gesetzgeberisches Flächenbomdardement durchgeführt; hier würden Zensurparagraphen eingeführt; hier werde die Meinung zensiert; hier werde die freie Meinungsäußerung behindert.
— Herr Abgeordneter Mann, wer dies in diesem Tonfall und in dieser Wortwahl vorträgt, der will etwas ganz Bestimmtes, und es ist offensichtlich, was er will. Er will sich erstens nicht distanzieren von einem breiten Kreis von Menschen, die kriminell geworden sind und die kriminelle Handlungen durchführen. Er will zum zweiten aber ein Signal nach draußen an jenen Personenkreis geben, daß die GRÜNEN es sind, die dies so sehen und es wagen, auch hier im deutschen Parlament ihre Stimme in diesem Sinne zu erheben. Dies festzustellen ist meines Erachtens in einer solchen Stunde notwendig.
Bei dem, was seitens des Sprechers der SPD, Herrn Kollegen de With, gesagt wurde, sind wir an einem Punkt, an dem wir auch feststellen müssen
— in deutlichem Abstand zu dem, was ich soeben an die GRÜNEN gewandt sagte —, daß wir es ungemein schwer haben, uns noch über bestimmte Grundfragen zu verständigen, daß wir nicht nur unterschiedlicher Meinung sind, was die Maßnahmen angeht. Das ist bedauerlich. Können wir uns noch darauf verständigen — dies wäre meine Frage —, daß wir uns mit einer neuen Dimension des Terrorismus konfrontiert sehen,
die durch folgendes gekennzeichnet ist:
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Bundesminister Engelhard
Erstens. Die Fahndung ist schwieriger geworden. Wo die Fahndung zur Ergreifung von Tätern führt,
hat es die Bundesanwaltschaft zunehmend schwerer, einem bestimmten Täter eine bestimmte Tat und die Art seiner Beteiligung in nachweisbarer Form zuzuordnen.
Zum zweiten. Der Kreis der ungeschützt Gefährdeten, der potentiellen Opfer der Mordtaten der RAF hat sich beträchtlich ausgeweitet. Ehedem wußte man nicht, wer der nächste ist. Aber man konnte es, was den Kreis der Gefährdeten angeht, in etwa überblicken und Schutzmaßnahmen ergreifen.
Mit dem, was sich speziell — beginnend in diesem Jahr ereignet hat — die Ermordung von Zimmermann, Professor Beckurts, Dr. von Braunmühl —, zeichnet sich eine Linie ab, wo wir nicht mehr so klar wissen, in welchen Personenkreis und in welche beruflichen Schichten hinein künftige Mordtaten zielen werden. Das ist ein wichtiges Problem.
Ich nenne ein drittes Beispiel für die neue Dimension des Terrorismus. Wir haben seit nunmehr zehn Jahren den Paragraphen 129 a zur terroristischen Vereinigung in unserem Strafgesetzbuch. Wir sind durch die Mordtaten der RAF begreiflicherweise vor allem auf die RAF fixiert. Und in der Tat, ihr gilt es vor allem zu wehren.
Diese Täter zu fassen, dingfest zu machen, zu verurteilen, hinter Gitter zu bringen, daß muß unser Hauptanliegen sein. Aber kann es für politisch Verantwortliche eigentlich richtig sein, über dieser begreiflichen Erregung, und dem Kampf gegen die RAF andere Ereignisse in unserem Lande nicht zu sehen, ja, vielleicht sogar zu verschlafen? Diese Ereignisse sind — wir haben ja ein neues Hauptwort dafür — das Strommastfällen. Ehedem kannte dies niemand. Das ist ja nicht der Zufall, daß mehrere Personen den gleichen Gedanken hatten oder, wenn schon vielleicht einmal einer, wenn er es in der Zeitung liest, etwas nachahmt, was er dort zur Kenntnis bekommt.
— Nein, dahinter steht Organisation, wenn vielleicht auch keine bundesweite, keine straff organisierte.
Hier steht Organisation dahinter.
Aber lassen wir das Strommastfällen und wenden wir uns einem anderen Problem zu,
dem Problem, das die Bevölkerung noch weit mehr interessieren wird: daß man nämlich, nachdem man ehedem Schwellen aus Gleiskörpern entfernt hat, die Verschraubungen der Schienen mit den Schwellen gelockert hat, mittlerweile dazu übergegangen ist — etwa eine Woche ist es erst her —, daß im südbayerischen Raum in drei Fällen Anschläge gegen die Deutsche Bundesbahn durchgeführt wurden, Gott sei Dank noch ohne Personenschaden, obwohl in einem Falle die Frontscheibe der Lokomotive des fahrenden Zuges durchschlagen wurde. Wer sagt uns, was morgen kommt? Und wer will bestreiten — sind wir uns da eigentlich einig? —, daß, wer sich organisiert, mit dem Ziel zusammentut, systematisch über einen längeren Zeitraum in mehreren Fällen solches zu unternehmen, eine terroristische Vereinigung ist? Denn schon vor unserem heutigen Beschluß stehen in § 129a j a nicht nur der Mord und der Totschlag und die Geiselnahme, nein, dort stehen auch die Brandstiftung und eine ganze Reihe anderer Katalogtaten. Was gibt Ihnen im Grunde die Gewißheit, die Überzeugung und das Recht, hier aufzutreten und zu sagen: hier wird das Falsche gemacht, hier wird an die Seite der RAF ein Potential gedrängt? Wer glaubt, wir setzten, wer anders handelt und nicht auf die systematische Ermordung von Menschen ausgeht, sondern zunächst einmal schwerste Sachbeschädigungen verursacht, mit der RAF gleich — —
Herr Minister, darf ich daran erinnern, daß wir gemeinsam eine Redezeit vereinbart haben.
Wir setzen dies nicht gleich. Aber wir müssen sehen, daß hier eine neue Form des Terrorismus entstanden ist, der wir mit den notwendigen Mitteln entgegenzutreten haben. Unsere Überzeugung und Aufgabe ist es, in der Abwehr dieser neuen Form von Gewalttaten nichts, aber auch nichts zu unterlassen, was notwendig und möglich ist. Wir tun dies nicht in der Übersteigerung und schon gar nicht mit einem Flächenbombardement, sondern wir tun es mit jenem Maß an Entschlossenheit, das uns unsere Überzeugung gebietet, das die Bevölkerung in unserem Lande von uns erwarten kann und das den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit gibt, dort, wo sie fündig werden, wirksamer an die Strafverfolgung und sodann bei der Justiz an die Verurteilung heranzugehen.
Das ist das Kernproblem. Wir stellen uns dem, weil gerade im Rechtsstaat die Entschlossenheit, dieser breitgelagerten, miserablen Schwerkriminalität entgegenzutreten, eine zentrale Aufgabe ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Emmerlich.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dieses Gesetzgebungsvorhaben ist von vornherein unter falscher Flagge gesegelt. Es dient nicht der Bekämpfung des Terrorismus. Der Kampf gegen den Terrorismus wird dadurch nach Ansicht vieler Sachkundiger eher erschwert.
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Dr. Emmerlich
Seine Hauptfunktion ist, davon abzulenken, daß unter der jetzigen Bundesregierung die erforderlichen Fahndungserfolge ausgeblieben sind.
Flaggschiff dieser Ausgeburt eines unheilvollen Gesetzgebungsaktionismus war die sogenannte Kronzeugenregelung, die Straffreiheit für Mord. Der Bundesjustizminister hat diese Kronzeugenregelung im Pressedienst seines Ministeriums als rechtsstaatlich und rechtsethisch vertretbar bezeichnet und als eine Chance zur Verhinderung weiterer Morde durch die RAF. Auf dem Parteitag der FDP dagegen hat er sich, als es um die Kronzeugenregelung ging, kläglich der Stimme enthalten.
Das begründet die grundlegenden Meinungsverschiedenheiten, die in der Tat zwischen uns und Ihnen, Herr Bundesjustizminister, bestehen, daß Sie sich im Zuge der Wendepolitik von einer Rechtspolitik distanzieren, die an der Bewahrung der politischen Freiheitsrechte und an der Sicherung der rechtsstaatlichen Errungenschaften orientiert ist.
Wenn, meine Damen und Herren, die Kronzeugenregelung so wichtig wäre, warum hat die Bundesregierung nicht darum gekämpft? Warum hat der Bundeskanzler von seiner Richtlinienkompetenz keinen Gebrauch gemacht? Warum haben CDU und CSU in so verdächtiger Eile die Segel gestrichen?
Die Antwort: weil es eben nicht um Terrorismusbekämpfung geht, sondern um puren Wahlkampf.
Das, meine Damen und Herren, worüber heute noch abgestimmt werden soll, hat für die Offentlichkeit bisher weitgehend im Schatten der Kronzeugenregelung gelegen. Es handelt sich dabei aber beileibe nicht um einen Pappenstiel, sondern um Eingriffe in das Strafrecht, die ähnlich tiefgreifend sind wie die Kronzeugenregelung: Die Erweiterung des § 129a und des § 130a richten sich nicht gegen RAF-Terroristen; sie sollen die treffen, die man als „militante Autonome" bezeichnet, diejenigen also, die ihren Protest durch Gewalt gegen Sachen geltend machen.
Damit keine Mißverständnisse und Mißdeutungen möglich sind: Wir Sozialdemokraten sind gegen jede Gewalt.
Auch der Gewalt gegen Sachen muß entgegengetreten, sie darf nicht verharmlost werden, und die Täter müssen zur Verantwortung gezogen werden.
Das alles ist nach geltendem Recht möglich, und
zwar auch dann, wenn Organisationen Gewalt gegen Sachen begehen. Gegen solche Delikte von Organisationen gibt es die Strafvorschrift des § 129 StGB, die die Strafbarkeit der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung beinhaltet.
Wir, Herr Bundesjustizminister, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind entschieden dagegen, daß diejenigen, die Gewalt gegen Sachen anwenden, mit den RAF-Mördern auf eine Stufe gestellt werden, daß durch das Strafgesetzbuch der Kreis der Terroristen verhundertfacht wird und daß auf diese Weise der RAF Tausende von jungen Leuten in die Arme getrieben werden.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter, des Abgeordneten Eylmann?
Wenn keine Anrechnung erfolgt, sehr gerne.
Herr Kollege Emmerlich, da schon jetzt der Katalog der Straftaten in § 129 a zum Beispiel das Inbrandstecken von Häusern, von Baumaterialien oder landwirtschaftlichen Erntevorräten erfaßt, obwohl dies keine für die RAF typischen Straftaten sind, bitte ich Sie mir zu erklären, warum eine Organisation, deren Ziel es ist, Warenvorräte in Brand zu setzen, auch nach Ihrer Meinung eine terroristische Organisation im Sinne des § 129 a sein soll, eine Organisation, die Oberleitungsmasten der Bundesbahn zerstört, aber nicht?
Es dreht sich darum, daß nach geltendem Recht der Kreis der Katalogtaten die schwere Brandstiftung, die Brandstiftung, die Menschenleben gefährdet, erfaßt, während nach Ihrer Auffassung Sachbeschädigungen, die keine Menschenleben gefährden, in den Kreis der Katalogtaten aufgenommen werden sollen.
Da Sie, Herr Eylmann, gerade eine so hübsche Frage gestellt haben, komme ich auf Ihre Rede gern zurück. Die erste schwarz-grüne Koalition in Niedersachsen ist im Landkreis Holzminden zustande gekommen, und zwar durch den Landrat Bruno Brandes, den damaligen Vorsitzenden der CDULandtagsfraktion in Niedersachsen.
Die Koalition betreibt eine Strafrechtspolitik, bei der, um einzelne Ziele zu erreichen, ein Flächenbrand angelegt wird, der Gerechte wie Ungerechte, große und kleine Fische unterschiedslos ergreift. Wir fordern die Bundesregierung auf, die vorhandenen Kräfte nicht zu verzetteln, sondern sie auf eine erfolgreiche Bekämpfung des mörderischen RAFTerrorismus zu konzentrieren. Brandstifter kann man nicht dadurch bekämpfen, daß man sich nach der Devise: Wer lügt, der stiehlt, und wer stiehlt, der
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Dr. Emmerlich
steckt auch Häuser in Brand, statt die Brandstifter zu verfolgen, auf die Verfolgung der Diebe und der Lügner begibt. Das einzige, was im Kampf gegen den RAF-Terrorismus wirklich hilft, ist, die Mörder und die Mordgehilfen dingfest zu machen.
In den existentiellen politischen Fragen unserer Zeit verfolgt diese Koalition ihre Politik mit der Sturheit und der Radikalität eines Roboters. Sie pocht auf ihre Mehrheit und macht von ihr — auch im Parlament — ohne Rücksicht auf Andersdenkende Gebrauch.
Gewiß, in der Demokratie entscheidet die Mehrheit, zur Demokratie gehört aber auch die Achtung vor den Rechten der Minderheit,
der Respekt vor dem, was diese Minderheit für richtig hält, und der ernsthafte Wille, im demokratischen Entscheidungsprozeß auch die Auffassung der Minderheit zu berücksichtigen. Eine Mehrheit, die sich selbst in existentiellen Fragen, bei Entscheidungen, die als lebensbedrohend empfunden werden, kaltschnäuzig über die Meinung der Minderheit hinwegsetzt, wird nicht damit rechnen können, daß die Minderheit die Mehrheitsmeinung akzeptiert oder wenigstens toleriert.
— Die Intoleranz dieser Koalition wird durch die Art und Weise, wie sie auf einen solchen Debattenbeitrag reagiert, sehr deutlich.
Eine solche Mehrheit, meine sehr geehrten Damen und Herren, provoziert die Minderheit und riskiert es, daß das Gefühl der existentiellen Bedrohung durch die Mehrheitsentscheidung die Bereitschaft zum Widerstand, zum passiven Widerstand und unter Umständen auch zum aktiven Widerstand auslöst.
Ein solches innenpolitisches Klima ist der demokratischen Toleranz und der Friedfertigkeit nicht förderlich. Mit ihm wird politische Gewalt heraufbeschworen.
Einer solchen zunehmenden Gewaltbereitschaft kann durch repressive Mittel und durch strafrechtliche Sanktionen nur sehr bedingt entgegengewirkt werden, Herr Justizminister. Wenn in einer solchen Situation nicht maßvoll, sondern durch übermäßigen, das Gebot der Verhältnismäßigkeit außer acht lassenden staatlichen Zwang reagiert wird, dann ist das kein Beitrag zur Befriedung und dazu, daß sich
Friedfertigkeit ausbreiten kann. Dann kommt es leicht zur Eskalation, zur Eskalation des Mißtrauens, der Feindseligkeit und zur Eskalation der Gewalt.
CDU/CSU und FDP sind dabei, diesen verhängnisvollen Weg der Eskalation zu gehen. Wir fordern Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, wir fordern die Bundesregierung auf, im Interesse des Wohles unseres Landes und seiner Bürger, im Interesse unserer jungen Demokratie, im Namen der Vernunft
und der Toleranz, von diesem verhängnisvollen Weg umzukehren.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zuerst zur Einzelberatung und Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 21 a, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 10/6286. Ich rufe die Art. 1 bis 6, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Die aufgerufenen Vorschriften sind angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Gegen die Stimmen der SPD und der GRÜNEN ist der Gesetzentwurf in dritter Beratung angenommen.
Wir stimmen über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/6654 ab. Wer diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen ist der Antrag mit den Stimmen der Regierungsparteien abgelehnt.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 21 b. Der Ältestenrat schlägt hierzu Überweisung der Vorlage auf Drucksache 10/6276 an die in der Tagesordung aufgeführten Ausschüsse vor. — Kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 21c, den Gesetzentwürfen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP sowie der Bundesregierung. Der Innenausschuß empfiehlt auf Drucksache 10/6613 unter Buchstabe a, den Gesetzentwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes auf den Drucksachen 10/4737 und 10/5343 in der Ausschußfassung anzunehmen.
Ich rufe Art. 1 auf. Hierzu liegen auf Drucksache 10/6614 unter den Nrn. 1 und 2 Änderungsanträge
19808 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 254. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Dezember 1986
Vizepräsident Frau Renger
der SPD vor. Wer stimmt für diese Änderungsanträge? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen sind die Anträge abgelehnt.
Wer stimmt für Art. 1 in der Ausschußfassung? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Art. 1 in der Ausschußfassung ist mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe Art. 2 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/6614 unter Nr. 3 ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Wer stimmt diesem Änderungsantrag zu? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist abgelehnt.
Wer für Art. 2 in der Ausschußfassung stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Artikel ist mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe Art. 3 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/6614 unter Nr. 4 ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen! — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Antrag ist abgelehnt.
Wer stimmt dem Art. 3 in der Ausschußfassung zu? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieser Artikel ist angenommen.
Ich rufe Art. 4 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/6614 unter Nr. 5 ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! -- Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt.
Ich frage, wer dem Art. 4 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht? — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Art. 4 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Es bleibt noch über Einleitung und Überschrift abzustimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Dieses ist mit Mehrheit angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist in der dritten Lesung angenommen.
Es ist noch über eine Entschließung abzustimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 10/6613 unter Buchstabe b die Annahme einer Entschließung. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Entschließungsentwurf ist angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt den Punkt 23 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes
— Drucksache 10/5533 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
— Drucksache 10/6656 —
Berichterstatter:
Abgeordnete Dr. Göhner Kiehm
Baum
Frau Hönes
Hierzu liegen ein Änderungsantrag und ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf den Drucksachen 10/6657 und 10/6658 vor.
Im Ältestenrat ist für die Beratung ein Beitrag bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vereinbart worden. — Dagegen erhebt sich kein Widerspruch.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Bundesminister Dr. Wallmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Im Rahmen der umfassenden Novellierung der Wassergesetze des Bundes liegt Ihnen heute der Entwurf zur Änderung des Abwasserabgabengesetzes zur abschließenden Beratung vor. Vorangegangen sind die Novellen zum Wasserhaushaltsgesetz und zum Waschmittelgesetz.
Mit der Änderung des Abwasserabgabengesetzes verfolgt die Bundesregierung vor allem das Ziel, den Anreiz für weitere und bessere Reinigungsmaßnahmen durch die Einleiter zu erhöhen. Es geht darum, gefährliche Stoffe im Abwasser mit dem Instrument der Abgabe weiter zu verringern und nach Möglichkeit sogar zu vermeiden. Ich darf mich heute auf wenige Kernpunkte beschränken:
Erstens. Zusätzlich zu den bereits jetzt erfaßten Schwermetallen, nämlich Quecksilber und Cadmium, werden künftig die Metalle Chrom, Nickel, Blei und Kupfer sowie die Schadstoffgruppe der organischen Halogenverbindungen abgabepflichtig sein. Ich bin sicher, daß diese deutliche Ausweitung der gefährlichen Stoffe Wirkungen zeigen und zu einem nachhaltigen Abbau der täglichen Gewässerbelastung führen wird.
Zweitens. Umweltbewußtes Verhalten und die Entwicklung neuer und innovativer Technologien im Gewässerschutz sollen sich auszahlen. Wer z. B. bei den abbaubaren Abwasserinhaltsstoffen mit seinen Reinigungsmaßnahmen über die allgemein anerkannten Regeln der Technik hinausgeht, kann eine Halbierung des Abgabesatzes, gegebenenfalls sogar die völlige Abgabefreiheit, erreichen.
Drittens. Bei der Abgabenerhebung wird künftig auf den ordnungsrechtlichen Überwachungswert abgestellt. Der Einleiter zahlt also nicht mehr wie bisher für Regelwerte, die der tatsächlichen Einleitung nur angenähert sind. Hiermit wird für viele eine fühlbare Erhöhung der Abwasserabgabe verbunden sein; im Durchschnitt rechnet man mit ca. 50% Erhöhung. Die Einleiter werden sich daher in Zukunft bemühen, ihre Ablaufwerte zu verringern, um Abgaben zu sparen.
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 254. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Dezember 1986 19809
Bundesminister Dr. Wallmann
Viertens. Investitionen für Gewässerschutzmaßnahmen, die die allgemein anerkannten Regeln der Technik übertreffen oder den Stand der Technik einführen, können bis zu drei Jahre zur Hälfte mit der fälligen Abwasserabgabe verrechnet werden. Ich halte auch dies für einen ganz wesentlichen Anreiz, kurzfristig mehr Umweltschutz zu verwirklichen.
Die Novelle zum Abwasserabgabengesetz wird kein Schlußpunkt in diesem Bereich sein. Ammonium, Stickstoff und Phosphor, um nur Beispiele zu nennen, werden auf diesem Sektor auf der Tagesordnung der nächsten Legislaturperiode stehen; denn der vorsorgende Schutz der Gewässer und damit die Sicherung des Wassers bleibt für die Bundesregierung und die sie tragende Koalition der Mitte auch künftig eine Aufgabe von ganz überragender Bedeutung.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kiehm.
Frau Päsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, es wird kein Schlußpunkt sein. Es darf kein Schlußpunkt sein. Denn dieses Gesetz hält nicht das, was ursprünglich damit erreicht werden sollte.
Meine Damen und Herren, das Abwasserabgabengesetz hat schon in der gestrigen Debatte eine Rolle gespielt. Als einige Kollegen der FDP hier auftraten, gab es bei uns in der Fraktion Hoffnung. Denn das, was hier verabschiedet werden soll, ist offensichtlich nicht mehr FDP-Politik.
Die Diskussion über das Abgabengesetz — das ist deutlich geworden — kann nicht losgelöst von den jüngsten Erfahrungen in der Gewässervergiftung geführt werden. Ich will hier von einer Erfahrung sprechen, die mich betroffen gemacht hat. Der Umweltausschuß hat sich in der vorletzten Sitzung mit zwei Tagesordnungspunkten beschäftigt, einmal mit der Verunreinigung des Rheins durch die deutsche Chemie und dann mit dem Abwasserabgabengesetz. Als wir über die Verunreinigung des Rheins gesprochen haben, waren auch CDU-Abgeordnete der Meinung, daß sichernde und vorsorgende Maßnahmen nicht danach bestimmt werden dürften, was zur Zeit machbar ist. Jeder, der verbesserten Gewässerschutz will, muß personell und sächlich Mittel bereitstellen, um die notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Wenige Stunden später, als es um das Abwasserabgabengesetz ging, war das alles nicht mehr wahr. Man orientierte sich wieder an dem, was zur Zeit machbar ist. Das ist eine Politik, die zumindest zwielichtig ist.
Meine Damen und Herren, wir haben eine Empörung im Lande festzustellen. Wenn es uns nicht gelingt, aus dieser berechtigten Empörung Konsequenzen auch bei der Ausgestaltung technischer
Gesetze zu ziehen, dann ist Empörung, die durchaus eine gesellschaftliche Kraft darstellt, unproduktiv.
Sie zwingen zur Unproduktivität.
Herr Wallmann hat davon gesprochen, daß er nicht verharmlosen will. Ich will Ihnen das so abnehmen. Aber, Herr Wallmann, es wäre besser und für Sie glaubwürdiger gewesen, wenn Sie nicht so ein harmloses Abwasserabgabengesetz zur Abstimmung gestellt hätten.
Man muß sich in Erinnerung rufen, daß dieses Abwasserabgabengesetz am 1. Januar 1989 in Kraft treten soll. Wie man da noch von einem Zusammen wirken von Wasserhaushaltsgesetz und Abwasserabgabengesetz mit einer Zangenwirkung sprechen kann, ist mir unerfindlich. Hinter dieser weiten Frist von zwei Jahren steckt die Vorstellung, daß erst zu diesem Zeitpunkt die Verwaltungsvorschriften mit den Mindestanforderungen für Einleitungen nach dem Stand der Technik vorliegen werden. Dabei geht es um Stoffe, die sich durch Giftigkeit, Langlebigkeit, Anreicherungsfähigkeit auszeichnen, mit krebserzeugender, fruchtschädigender oder erbgutverändernder Wirkung, also um das Teufelszeug, das die Menschen zwischen Alpen und Nordsee in Schrecken setzt.
Ich weiß nicht, ob der Zeitrahmen von zwei Jahren für die Erarbeitung dieser Verwaltungsvorschriften angemessen ist. Aber eines weiß ich mit Sicherheit: daß er zu einer Zeit kalkuliert worden ist, als angenehme Ruhe im Gewässerschutz herrschte. Mit dieser Ruhe ist es vorbei. Die Angemessenheitskalkulation stimmt nicht mehr, Herr Minister Wallmann. Hier muß schnell gehandelt werden. Fristen von zwei Jahren können wir uns nicht leisten.
Herr Baum, Sie haben gestern die Frage nach der Grundgesetzänderung aufgeworfen.
Es wäre gut gewesen, wenn Sie die Anregungen, die wir vor zwei Jahren gegeben haben, schon damals angenommen hätten. Dann hätten wir darüber reden können. Nur heute hilft es nichts, über eine Grundgesetzänderung zu meditieren, über verbesserte Zuständigkeitsregelungen, sondern heute muß der Minister handeln. Er muß Mittel bereitstellen. Er muß kontrollieren. Herr Minister, wenn Sie schon von einer Kooperation mit der Chemie auch in diesen Fragen reden wollen: von mir aus ja, aber bitte nicht, um Zeit zu schinden, sondern um mit dem Sachverstand, der dort vorhanden ist, den Ablauf zu beschleunigen.
An der Frage, in welchem Umfang Sie Beschleunigung herbeiführen, werden wir Sie messen.
Ich meine, daß dann, wenn die Voraussetzungen geschaffen sind, auch eine andere Ungereimtheit ausgeräumt werden kann. Man muß sich vorstellen, daß eine Firma, die in den Rhein einleitet, heute
19810 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 254. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Dezember 1986
Kiehm
Abwasserabgabe zahlen muß. Eine Nachbarfirma, die in die Kläranlage Bonn einleitet, wird von der Abgabe freigestellt.
Nun muß ich Sie fragen: Wie kommt es eigentlich, daß Sie als eingefleischte Marktwirtschaftler überhaupt kein Interesse daran haben, diese Wettbewerbsverzerrung aufzuheben? Das Argument der Praktikabilität kann nicht ständig greifen.
Ich höre auch den Einwand, daß die Kosten, die mit der Heranziehung von Indirekteinleitern verbunden sind, schwer kalkulierbar seien und nicht getragen werden könnten. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich Kommunalpolitiker heute ernstlich darauf berufen wollen, daß ein gesteigerter Verwaltungsaufwand bei ihnen zur Ablehnung einer Abwasserabgabe für Indirekteinleiter führt, wenn das den Sinn hat, den Gewässerschutz zu verbessern.
Wir können uns auch nicht den Streit darüber leisten, ob der Staat oder die Kommune zur Kostenträgerschaft verpflichtet wird. Wie wollen wir eigentlich unseren Bürgern klarmachen, daß wir auf ihre Empörung reagieren, wenn wir mit so formalen verwaltungsmäßigen Gesichtspunkten hier die Debatte bestreiten?
Die Zangenwirkung, von der ich sprach, muß auch bei Phosphor und Ammoniumstickstoff eintreten. Ich leugne j a gar nicht, daß auch ordnungsrechtlich eingegriffen werden muß, und ich gebe dem Kollegen Wolfgramm recht, wenn er sagt, wir hätten uns heute manches sparen können, wenn die Länder bereit gewesen wären, beispielsweise mit den Bewirtschaftungsplänen gerade an dieser Front zu kämpfen. Aber die Mittel stehen immer noch auf dem Papier, und nur auf dem Papier. Ich habe keine Neigung, hier meiner Fraktion zu sagen: Verzichten wir auf die Abwasserabgabe für Phosphor und Ammoniumstickstoff, wenn die Länder selber uns zwar kritisieren, aber nichts unternehmen, um die Möglichkeiten des Wasserhaushaltsgesetzes zu nutzen.
Zur Frage der Abgabenhöhe. Ich nenne dazu kurz zwei Gesichtspunkte.
Das Ziel ist nicht die Einnahmemaximierung, sondern das Ziel ist die Null-Lösung: null Gramm, null Kilo, null Tonne Schadstoff in das Wasser und null DM als Abgabe. Das ist der Idealfall.
Es muß eine Chance bestehen, daß derjenige, der zur Abgabe herangezogen werden kann, wenigstens eine realistische Wahlmöglichkeit hat, nämlich entweder in die Vermeidung zu investieren oder zu zahlen. Die jetzt vorgesehene Regelung verschlechtert die bisherigen Möglichkeiten sogar noch, weil die Abgabe auf dem Stand von 1986 eingefroren werden soll.
In sich unschlüssig ist auch die Regelung des Gesetzes, die Verrechnungsmöglichkeiten zwischen unternehmerischen Anforderungen und der Abgabe auf den 1. Januar 1987 vorzuverlegen, aber die Abgabe in gleicher Höhe zu belassen. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß hier eher der kleine, sich betriebswirtschaftlich auswirkende Kompromiß gesucht worden ist, nicht aber eine konsequente gewässerschützende Regelung.
Wenn ich die Debatte der letzten Tage richtig sehe, teilt die FDP in dieser Abgabefrage unsere Auffassung. Ich habe das zwar koalitionsdiplomatisch im Ausschuß anders gehört, aber man kann ja hier heute in zweiter und dritter Lesung noch zu neuen Erkenntnissen kommen und so entscheiden. Wir werden es j a sehen. Ich vermute, daß vielleicht auch der Antrag auf namentliche Abstimmung wohl so gedacht ist, daß man gegenüber der FDP ein Disziplinierungsmittel in die Hand bekommen will.
Wenn ich von den inhaltlichen Positionen, die hier vorgetragen worden sind, ausgehe, ist eines sicher: Es gibt in diesem Bundestag nur eine Fraktion, die dieses Gesetz inhaltlich voll trägt, nämlich die CDU/CSU. Damit ist sie in der Minderheit. Schon das spricht j a wohl eine deutliche Sprache für die Beurteilung dieses Gesetzes.
Wir werden in der zweiten Lesung vier Änderungsanträge stellen. Sie werden sicherlich niedergestimmt werden. Wir werden das Gesetz ablehnen. Wir werden versuchen, unsere Position hier in einem Entschließungsantrag noch einmal deutlich zu machen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Baum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kiehm, eines Disziplinierungsmittels bedarf es wirklich nicht. Ich habe meiner Fraktion empfohlen, diesem Gesetz zuzustimmen, weil es nämlich ein wichtiger Schritt ist. Es ist kein im letzten befriedigender Schritt — ich komme gleich darauf —, aber es ist ein wichtiger Schritt zur Verbesserung eines Gesetzes, das ja sehr heftig umstritten war, als es hier zum erstenmal beraten wurde. Die Konzeption des Abwasserabgabengesetzes hat sich voll bewährt. Es ist ein marktwirtschaftliches Instrument: Derjenige, der etwas tut, wird belohnt, und derjenige, der nichts tut, muß Zahlungen leisten. Am liebsten wäre es uns, wir bekämen durch dieses Gesetz keine einzige Mark, sondern es würde investiert.
Es ist auf Grund des Gesetzes in den letzten Jahren erheblich investiert worden. Die Abgabepflicht hat die Volkswirtschaft nicht überfordert, auch die Vollzugsbehörden nicht. Viele Kläranlagen bei der Industrie und den Gemeinden sind erst durch das Stimulans dieses Gesetzes gebaut worden. Wir bekennen uns zu diesem Instrument.
Es wird heute verbessert, Herr Kollege Kiehm. Das ist ohne Zweifel so. Die Einführung des Überwachungswerts ist eine Verwaltungsvereinfachung. Wir müssen, gerade wenn wir in diesem Hause beklagen, daß es ein Vollzugsdefizit gibt, dafür sorgen,
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 254. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Dezember 1986 19811
Baum
daß die Länderbehörden auch entlastet werden. Das geschieht hiermit.
Wir haben die Palette der Schadstoffparameter erweitert. Wir haben sie auf Stoffe ausgedehnt, die für die Trinkwasserversorgung gefährlich sind. Es handelt sich um die neuen Parameter Chrom, Nikkel, Blei, Kupfer und insbesondere AOX. Durch letzteren Parameter wird die besonders gefährliche Stoffgruppe der organischen Halogenverbindungen erfaßt.
Das sind ganz wichtige Fortschritte. Auch die Frage der Kurzzeitüberwachungswerte muß hier genannt werden.
Daß uns das Gesetz nicht voll befriedigt, haben wir schon bei verschiedenen Gelegenheiten zum Ausdruck gebracht. Auch ich nenne hier wie Sie, Herr Kiehm, die Aufnahme der Parameter Ammoniumstickstoff und Phosphor. Ich weiß zwar, daß wir ordnungsrechtlich noch nicht so weit sind. Aber Gewässerschutzinvestitionen müssen langfristig erfolgen, d. h. es muß geplant werden können. Uns wäre es lieber gewesen, man hätte — auch mit längeren Fristen — Ammoniumstickstoff und Phosphor bereits aufgenommen.
Die Koalitionsfraktionen haben eine gemeinsame Entschließung vorgelegt. Darin fordern wir die Bundesregierung auf, bis Ende 1988 über die weitere Entwicklung der Belastung der Gewässer durch Ammoniumstickstoff und Phosphor zu berichten. Wir erwarten, daß dieser Bericht hinreichende Grundlagen aufzeigt, um eine Entscheidung über die Aufnahme dieser Parameter in das Abwasserabgabengesetz treffen zu können.
Die Zielvorstellung ist also auch, diese Stoffe, die unsere Gewässer belasten, die zur Eutrophierung unserer Gewässer führen, mit aufzunehmen. Der Stand der Technik wird das binnen kurzem ermöglichen, wenn das nicht schon heute der Fall ist.
Wir haben uns zweitens für eine Erhöhung der Abgabenbelastung auch über die 40 DM hinaus eingesetzt, jedenfalls so lange, bis überall die zu fordernde Gewässergüte erreicht ist. Dies geschieht nicht mit diesem Gesetz. Auf der anderen Seite sagen j a eine Reihe von Experten, daß durch die Einführung des Überwachungswerts und der Schadparameter eine wesentliche Erhöhung der Abgabe bei denen erfolgt, die nichts tun.
Dennoch wäre es uns lieber gewesen, zusätzlich eine Erhöhung der Abgabe vorzusehen. Ich gebe gern zu, Herr Kollege Kiehm, daß die genauen Auswirkungen des Gesetzes von mir nicht übersehen werden. Da gibt es die verschiedensten Berechnungen. Ich wünsche mir, daß wir das Verfahren anwenden, das wir schon einmal angewandt haben, nämlich daß wir etwa in Jahresfrist ein Institut mit der Untersuchung beauftragen, ob und welche Investitionen geplant werden. Wir haben auch schon bei früheren Gelegenheiten diesen Weg gewählt, damit wir die Wirkung des Gesetzes vorausschauend beurteilen konnten. Das muß hier auch geschehen.
Die Frage der Indirekteinleiter ist diskutiert worden. Sicher wäre es grundsätzlich sinnvoll, sie einzubeziehen, aber dem steht derzeit entgegen, daß zunächst die entsprechenden Indirekteinleiterregelungen im Ordnungsrecht umgesetzt werden müssen. Wir haben Kompromisse im Bereich des Niederschlagswassers und im Bereich der Kleineinleiter gefunden. Hier hätte man härtere Regeln vorsehen können. Wir wollen einmal sehen, wie die Länder mit diesen Regelungen umgehen. Sie müssen die Entscheidungen jetzt selber treffen.
Ein Schlüsselproblem dafür, wie das Gesetz funktioniert, ist, wie in den Verwaltungsvorschriften der Stand der Technik festgelegt wird. Das ist ein Schlüsselproblem. Wenn der Stand der Technik nach hohen Anforderungen festgelegt wird, greift das Gesetz stärker, als wenn diese Definition jetzt in den Beratungen zwischen Bund und Ländern schwach ausfällt.
Ich sage hier für meine Fraktion mit großem Nachdruck: Wir wollen die Anreizwirkung dieses Gesetzes aufrechterhalten. Sie muß aufrechterhalten weden. Wenn die Praxis zeigt, daß die Anreizwirkung zurückgeht, müssen wir handeln.
Meine Damen und Herren, wir stehen am Ende einer Legislaturperiode, in der wir vieles auf dem Sektor des Umweltschutzes beschlossen und in die Wege geleitet haben. Wir sollten uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir als Gesetzgeber gehandelt haben, daß aber viele Gesetze erst wirklich funktionieren, wenn die entsprechenden Verordnungen, Verwaltungsvorschriften und der Vollzug greifen. Wir sollten uns nicht der Täuschung hingeben, daß es genügt, hier aufzustehen, einem Gesetz zuzustimmen, und daß dann alles in Ordnung sei. Wir müssen auch darauf achten, daß diese Gesetze vollzogen werden. Hier lastet eine Riesenaufgabe auch auf dem Umweltminister und seinem Ministerium. Er muß zum Abfallrecht, zum Wasserhaushaltsrecht, zum Abwasserrecht eine Fülle von Verwaltungsvorschriften mit den Ländern ausarbeiten. Ich wünsche mir, daß Sie auch die personellen und technischen Möglichkeiten dazu haben. Sie müssen Arbeitsgruppen bilden, Sie brauchen das zuständige Personal, Sie brauchen Fachkräfte. Das Umweltbundesamt muß helfen. Hier haben Sie unsere volle Unterstützung.
Wir haben einige Gesetze verabschiedet, von denen wir wissen, daß wir sie erneut beraten müssen. Das haben wir hier gesagt. Ich nenne als Beispiel das Naturschutzgesetz. Wir sind uns in der Koalition auch einig, daß eine wichtige Entscheidung der Europäischen Gemeinschaft, nämlich die Richtlinie zur Prüfung der Umweltverträglichkeit, Wirkungen auf die deutsche Gesetzgebung hat. Das heißt: Wir müssen eine ganze Reihe der Gesetze, die in dieser Legislaturperiode verabschiedet worden sind, z. B. das Baugesetz, noch einmal an der Meßlatte des Umweltschutzes, genauer gesagt: der Umweltverträglichkeit, messen.
Ich möchte sagen, daß diese Koalition auf dem Felde des Umweltschutzes sehr gut zusammengearbeitet hat und am Ende dieser Legislaturperiode beachtliche Erfolge aufweisen kann. Einige Vorstel-
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Baum
Lungen von uns sind nicht verwirklicht worden, darauf werden wir zurückkommen, aber das ändert nichts an dieser Bilanz.
Es muß sich bei Entscheidungen aller staatlichen Instanzen ein neues Wertebewußtsein durchsetzen. Aus unserer Sicht ist dafür die Staatszielbestimmung im Grundgesetz eine Grundlage. Auch darüber werden wir in der nächsten Legislaturperiode reden.
Ich bedanke mich für die Zusammenarbeit in der Koalition und mit dem Ministerium. Es gab auch mit Ihnen, Herr Kollege Kiehm, gerade auf diesem Felde durchaus eine sachliche Kooperation. Die Koalition kann auf eine gute Bilanz zurückblicken. Das ist eine gute Voraussetzung für die Fortsetzung ihrer Politik nach dem 25. Januar.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Hönes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Novellierung des Abwasserabgabengesetzes, die Sie, Herr Baum, so selbstgefällig als den Fortschritt im Gewässerschutz feiern wollen, ist ein weiteres Kapitel der „Unendlichen Geschichte" mit dem Titel: „Wie man vor der chemischen Industrie zu Kreuze kriecht und der Bevölkerung durch Vorenthaltung von Wissen das beruhigende Gefühl gibt, wir hätten die strengsten Umweltgesetze weit und breit".
Nach § 1 a des Wasserhaushaltsgesetzes ist die Verschmutzung von Gewässern verboten, es sei denn, sie ist unter Einhaltung von Mindestanforderungen nach § 7 a erlaubt. Jetzt wird es abenteuerlich: An der Festsetzung der Mindestanforderungen sind ausgerechnet jene maßgeblich beteiligt, vor deren Giften man die Umwelt schützen will. Vertreter der Umweltverbände bleiben selbstverständlich vor der Tür.
Das Ergebnis jahrelanger Beratungen über Mindestanforderungen für die chemische Industrie macht unmittelbar klar, daß das Wort Kooperation, Herr Minister Wallmann, wenn es von Vertretern der Regierung und der chemischen Industrie in den Mund genommen wird, nichts anderes bedeutet als eine Verhöhnung der Bevölkerung.
Es findet beileibe keine Zusammenarbeit statt mit dem Ziel, die Umwelt zu schützen. Die gute Zusammenarbeit ist darauf gerichtet, die Profite der Konzerne zu mehren, indem man sie vor lästigen Ausgaben für den Umweltschutz schützt.
Für eine Branche, deren Abwässer laut Herrn Keune vom Verband der Chemischen Industrie 140 000 verschiedene Stoffe enthält, gelten folgende, geradezu lächerliche Mindestanforderungen: Das Abwasser darf nicht mehr als 5 Milligramm pro Liter absetzbare Stoffe enthalten. Der Gehalt an organischen Verbindungen, also der chemische Sauerstoffbedarf, muß in der Kläranlage um 75 % verringert werden. Anders ausgedrückt: 25% der Schadstoffe, die in die Kläranlagen hineinlaufen, dürfen auch wieder herauskommen und in die Gewässer eingeleitet werden. Die Anforderungen anderer Verwaltungsvorschriften sind einzuhalten.
Das ist alles, meine Damen und Herren. Bei 140 000 Stoffen, von denen ein erheblicher Teil in dem Verdacht stehen muß, hochgiftig zu sein, und von denen die allermeisten nicht einmal ansatzweise auf ihr Gefahrenpotential für Mensch und Umwelt untersucht sind! Das sind die Rahmenbedingungen, meine Damen und Herren, innerhalb deren die Länder und Wasserbehörden den Vollzug des Gewässerschutzes zu gewährleisten haben.
Was dabei herauskommt, haben wir tagtäglich vor Augen, Herr Minister Wallmann. Der Rhein ist ökologisch tot. Nord- und Ostsee drohen durch Überdüngung zu ersticken.
Die Elbe ist nach einem Gutachten nicht mehr zu sanieren.
Die Wupper ist auch ohne eine spektakuläre Katastrophe so giftig für Wasserflöhe wie der Rhein nach Sandoz.
Um es auf den Punkt zu bringen: Die Wassergesetze, die angeblich die Gewässer vor Verschmutzung schützen sollen, werden schon lange mißbraucht. Sie legalisieren die Vergiftung unserer Flüsse durch die chemische Industrie und schützen die Firmen vor strafrechtlichen und haftungsrechtlichen Konsequenzen ihrer Umweltvergiftung.
Ganz legal, mit behördlichem Segen war es der Bayer AG bis Ende 1985 erlaubt und ist es mutmaßlich auch noch heute erlaubt, in zwei Stunden u. a. 16 t organischer Verbindungen, 3,5 t fischgiftigen Ammoniums und 145 t Sulfat einzuleiten. Erlaubt ist auch die Einleitung ungeklärter Abwässer.
Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ebenfalls erlaubt: alle zwei Stunden 550 g Quecksilber und 750 g Kadmium. Mit einem Kilogramm Kadmium kann man bis zu 550 qm Flußsediment bis zum Deponiezwang mit dem Gift anreichern.
Ich versuche es noch einmal, Frau Kollegin Hönes. Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Im Moment nicht, später gern.
Die Deponierung eines Kubikmeters kostet dann etwa 55 000 DM. Dies ist beileibe keine ungeahnte Fehlentwicklung und kein Einzelfall. Diese Praxis ist im Wasserhaushaltsgesetz und in der Beteiligung der Industrie bei der Festlegung der Mindest-
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 254. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Dezember 1986 19813
Frau Hönes
anforderungen bewußt angelegt. Nicht anders läßt es sich deuten, daß ein derartiger Mißbrauch auch nach der novellierten Fassung des Wasserhaushaltsgesetzes stattfinden kann und stattfinden wird.
Meine Damen und Herren, dieses untaugliche Konstrukt von Wasserhaushaltsgesetz soll nach dem Willen dieser Regierung abgabenrechtlich flankiert werden durch die Erhebung einer Gebühr für die nach der Klärung vorhandenen Restschmutzmengen. So werden die erlaubten tonnenweisen Gifteinleitungen nämlich verharmlosend genannt; so wird der Bevölkerung eine Sanktionierung der Wasserverschmutzer vorgegaukelt.
Wenn diese Regierung mitteilt, die Abwasserabgabe solle einen ökonomischen Anreiz zu Gewässerschutzaufwendungen über die Mindestanforderungen hinaus schaffen, dann wird ganz bewußt versucht, den Eindruck zu erwecken, daß es z. B. für die Chemie so teuer ist, die Gewässer zu verschmutzen, daß sie lieber Kläranlagen baut und betreibt. Das ist nicht so. Die Abgabensätze entsprechen nicht einmal annähernd den Reinigungskosten und schon gar nicht den Folgekosten der Gewässerverunreinigungen.
— Langsam stapeln sich die Fragen. Ich möchte Ihnen jetzt Gelegenheit geben, Ihre Fragen zu stellen. — Ich bitte Sie aber, darauf zu achten, daß mir das nicht angerechnet wird; denn ich habe noch Ausführungen zu machen.
Bitte, Herr Schmidbauer.
Frau Kollegin Hönes, es ist in den letzten Tagen öfter darauf hingewiesen worden, und ich möchte Sie heute noch einmal fragen: Wie kommen Sie zu diesen Aussagen, wenn — Sie haben vom Kollegen Kiehm die Äußerung gehört und werden von uns die Äußerung hören; auch der Kollege Baum hat Ihnen dies gesagt — der Schwellenwert von fünf Minuten Anwesenheit im zuständigen Ausschuß von Ihnen und Ihrer Fraktion nicht erreicht wird? Mich wundert dies. Meinen Sie nicht, daß Sie eher dort die Präsenz haben sollten, anstatt hier vorgefertigte Reden gegen die Regierung in reiner Polemik ablaufen zu lassen?
Herr Kollege, wenn Sie jetzt versuchen, das Plenum zu nutzen, meiner Fraktion etwas nachzuweisen, nämlich fehlende Präsenz in den Ausschüssen,
dann sollten Sie sich erst einmal an Ihren Ausschußvorsitzenden wenden, der Ausschußsitzungen während Debatten hier im Plenum plant, an denen ich als Sprecherin meiner Fraktion teilzunehmen habe.
Sonst waren wir vertreten. Sie wissen auch, daß der Kollege Schulte seit längerem sehr schwer erkrankt ist. Wollen Sie uns das zum Vorwurf machen? Er ist ebenfalls Ausschußmitglied.
Frau Kollegin Hönes, wir haben noch einen Fragesteller.
Bitte schön.
Herr Klejdzinski, bitte sehr.
Frau Kollegin, ich bin mit Ihnen durchaus der Meinung, daß jedes Kilogramm oder jedes Gramm Schwermetall im Wasser natürlich letztlich schädlich ist. Sie haben heute aber wieder Tonnen genannt. Kann ich davon ausgehen, daß Sie heute besser recherchiert haben als gestern? Sie sprachen nämlich auch gestern von Tonnen und meinten im Grunde Wassermengen, die bestimmte Schwermetalle als Reststoffe beinhalten. Sind es, wenn Sie heute Tonnen genannt haben, wirklich Tonnen, oder sind es wäßrige Lösungen, in Tonnen ausgedrückt, in denen diese Schwermetalle enthalten sind?
Herr Klejdzinski, ich bin Ihnen dankbar, daß Sie mir Gelegenheit geben, mich zu berichtigen.
Ich habe gestern fälschlicherweise von 50 Tonnen gesprochen. Ich muß mich berichtigen: Es handelte sich um Tonnen schwermetallhaltiger Abwässer. Allerdings muß ich deutlich sagen, ich habe bei den Angaben, die ich jetzt vorgetragen habe, sehr genau recherchiert. Es ist mir hier keine Unrichtigkeit nachzuweisen.
— Ja. Ich habe keine Probleme, das von dieser Stelle aus zu berichtigen; ich habe mich ungenau ausgedrückt.
Aber lenken Sie nicht von den eigentlichen Problemen ab. Um beim Kadmium zu bleiben: Für ein Kilo Kadmium, das Sanierungskosten von ca. 55 000 DM verursacht, hat der Einleiter maximal 400 DM zu zahlen. Dieses Beispiel macht deutlich, wie verlogen es ist, wenn Sie, Herr Wallmann, das Verursacherprinzip als tragende Säule Ihres Umweltschutzes bezeichnen. Die Folgekosten Ihrer Kooperation mit der Industrie hat die Bevölkerung zu tragen, ebenso wie sie die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Umweltgift zu ertragen hat. So lächerlich die Abgabenhöhe ohnehin schon ist, es gibt auch noch Rabatt auf die Gebühr für den Restschmutz, wenn die Mindestanforderungen eingehalten sind, und das, obwohl die Einhaltung der Bestimmung des Wasserhaushaltsgesetzes zwingend vorgeschrieben ist. Diesen Rabatt gibt es sogar für Abwässer mit gefährlichen Inhaltsstoffen, die in ferner Zukunft, wenn die 5. Novelle zum Wasser-
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Frau Hönes
haushaltsgesetz umgesetzt ist, nach dem Stand der Technik zu reinigen sind.
Ein weiterer Punkt. Nach der Novelle zum Wasserhaushaltsgesetz kann die Entfernung gefährlicher Schadstoffe bereits am Ort des Entstehens verlangt werden. Nach Ihrem Abwasserabgabengesetz, Herr Wallmann, wird die Gebühr allerdings erst an der Einleitungsstelle in ein Gewässer festgelegt. Das ist nichts anderes als eine verdeckte Reduzierung der Abgabe, da so nicht alle Schadstoffe erfaßt werden.
Bei den chlorierten Kohlenwasserstoffen wird so nur 1 % der Einleitungen erfaßt. Dies gilt auch für Schwermetalle, von denen bis zu 80 % im Klärschlamm festgehalten werden, der dann mit hohen Kosten zu deponieren ist.
Ein letzter Einwand: In dem Gesetzentwurf fehlen als wichtige Schadstoffparameter Stickstoff, Phosphor und Abwärme, für die auch im Wasserhaushaltsgesetz keine Mindestanforderungen festgelegt sind. Diese Schadstoffe werden zusammen mit den anderen Giften auch die Nord- und Ostsee zu Kloaken verkommen lassen.
Die GRÜNEN im Bundestag können einem Abwasserabgabengesetz nur dann zustimmen, wenn das zu flankierende Wasserhaushaltsgesetz dazu dient, die Gewässer zu schützen, statt Einleitungen zu legalisieren, wenn die Abgabenhöhe den Reinigungskosten entspricht und wenn das Abwasserabgabengesetz eine lenkende Funktion hat. Auf Produktionswege mit hohem Abwasseranfall und mit schädlichen Abwasserstoffen muß ein Kostendruck ausgeübt werden, um die Entwicklung umweltverträglicher Produktionsweisen zu begünstigen.
Herr Wallmann, Sie sollten endlich eines in Ihren Kopf hineinlassen: Gewässerschutz, der nur auf technischen Lösungen der Abwasserreinigung aufbaut, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.
Wenn es Ihnen je gelingen sollte, falls Sie es überhaupt vorhaben, Herr Wallmann, die chemische Industrie zu zwingen, auch die tonnenweisen Restschmutzmengen aus ihrem Abwasser zu entfernen, stehen Sie vor einem neuen Problem: Der ganze giftige Dreck, der aus dem Wasser herausgefiltert wird, muß deponiert werden. Technischer Umweltschutz verlagert die Probleme lediglich vom Wasser auf das Land.
Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, Sie sollten endlich erkennen, daß wir zum Schutz des Wassers und der gesamten Umwelt gezwungen sind, bisherige Produktionsweisen und Produkte auf ihre Umweltbelastung hin zu untersuchen und auf ihren Nutzen hin zu überprüfen. Auf umweltgefährdende Stoffe und Herstellungsverfahren muß verzichtet werden. Die massenweise Produktion giftiger und wassergefährdender Stoffe muß verboten werden.
Noch eines: Das Doppelspiel bessere, novellierte pende Umsetzung und schlaffer Gesetzesvollzug für die Industrie muß endlich aufhören.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Göhner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Hönes, nachdem Sie jeglichen Fortschritt beim Gewässerschutz so massiv bezweifeln, möchte ich doch anregen, daß Sie künftig an den Ausschußberatungen zu solchen Gesetzen teilnehmen. Als wir das erste Mal intensiv im Umweltausschuß über dieses Gesetz gesprochen haben — Sie waren zu diesem Zeitpunkt odentliches Mitglied Ihrer Fraktion —, fehlte Ihre Fraktion leider genauso wie bei den meisten Obleutebesprechungen, bei denen wir die Sitzungstermine besprechen. Deshalb möchte ich doch die Kritik an der Verfahrensweise des Ausschusses zurückweisen.
Herr Kollege Kiehm, Sie haben einen Zusammenhang zwischen der Belastung des Rheins, den aktuellen Vorfällen und dem Abwasserabgabengesetz hergestellt.
Herr Abgeordneter, würden Sie zu den Ausführungen, die Sie gemacht haben, eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Hönes zulassen?
Aber selbstverständlich. Vizepräsident Stücklen: Bitte schön.
Herr Kollege Göhner, Sie geben mir dann indirekt recht, daß meine Anwesenheit und meine guten Argumente selbst Sie dazu geführt hätten, ein besseres Abwasserabgabengesetz zu machen. Lag es daran?
Frau Kollegin Hönes, was ich feststelle, ist, daß Sie an einem normalen Ausschußtag, an einem Mittwoch, an den Sachberatungen des Ausschusses nicht teilnehmen. Die meiste Zeit fehlte Ihre Fraktion im Umweltausschuß, um das einmal klipp und klar zu sagen.
Im übrigen will ich Ihnen sagen: Es bestätigt sich immer mehr, was ein Landesvorstandsmitglied Ihrer Partei, der GRÜNEN in Nordrhein-Westfalen, vor wenigen Wochen erklärt hat, daß nämlich der Umweltschutz bei Ihnen mittlerweile auf der Roten Liste stünde. Das war die wörtliche Formulierung eines ehemaligen Vorstandsmitgliedes der GRÜNEN in Nordrhein-Westfalen.
Herr Kollege Kiehm, ich möchte zu dem von Ihnen hergestellten Zusammenhang noch erwähnen, daß wir die Gesetze — Novellierung des Wasserhaushaltsgesetzes, Novellierung des Waschmittelgesetzes und des Abwasserabgabengesetzes — je-
Deutscher Bundestag — 10.Wahlperiode — 254. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Dezember 1986 19815
Dr. Göhner
weils eingeleitet haben, weit bevor sich diese Katastrophen im Rhein ereignet haben. Ich möchte darauf hinweisen, daß dieser Gesetzentwurf gerade im Hinblick auf die Schwermetallbelastungen einen entscheidenden Fortschritt enthält, übrigens gegen den Widerstand der betroffenen Wirtschaft, der betroffenen Industrie. Wir haben das gleichwohl für notwendig gehalten und zu keinem Zeitpunkt Zweifel daran gelassen, daß deshalb die Einbeziehung organischer Halogenverbindungen, von Chrom, Nickel, Blei und Kupfer, im Gesetz erfolgen muß.
Wenn hier eben, Frau Hönes, z. B. von der Quecksilberbelastung die Rede war, dann möchte ich darauf hinweisen: Quecksilber, bisher vom Abwasserabgabengesetz schon erfaßt, ist ein typisches Beispiel für die hervorragende Wirkung dieses Instrumentariums. Denn die Quecksilberbelastung hat sich drastisch vermindert; sie hat sich in den letzten zwölf Jahren auf ein Sechstel vermindert. Es ist deshalb gut, nun zusätzliche, neue Schwermetalle einzubeziehen, um insgesamt ein höheres Maß an Gewässerschutz zu erreichen.
Das zweite, Herr Kollege Kiehm: Sie haben das späte Inkrafttreten beklagt. Zunächst einmal möchte ich Sie darauf hinweisen, daß ein Teil des Gesetzes am 1. Januar 1987 in Kraft tritt. Zweitens. Ein Großteil dieses Gesetzes muß umgesetzt werden, z. B. in die kommunalen Gebührensatzungen der Städte und Gemeinden. Wie wollen Sie am 5. Dezember gewährleisten, daß die Kommunen zum 1. Januar 1987 neue kommunale Satzungen machen? Der Städte- und Gemeindebund und die kommunalen Spitzenverbände haben uns nachdrücklich vor dem gewarnt, was Sie hier vorgeschlagen haben,
sowohl, was die neuen Schadstoffparameter als auch, was die Abgabensatzerhöhungen angeht. Es waren auch Ihre Parteifreunde, Ihre Kommunalpolitiker, die uns nachdrücklich davor gewarnt haben, Ihren Weg zu gehen.
Zum dritten Punkt, den Sie angesprochen haben, zu den Indirekteinleitern. Herr Kollege Kiehm, wir haben mit der Novellierung des Wasserhaushaltsgesetzes die Einbeziehung der Indirekteinleiter eingeführt. Es war diese Regierung, die gerade auf diesem Gebiet aktiv gewesen ist. Ihre Behauptung, die Indirekteinleiter seien nicht vom Abwasserabgabengesetz erfaßt, ist so natürlich falsch, weil sie selbstverständlich über die Schmutzwasserabgaben im Rahmen der kommunalen Gebührensatzungen in vollem Umfang davon betroffen sind.
Meine Damen und Herren, der Grundsatz dieser Novellierung des Abwasserabgabengesetzes lautet, daß wir denjenigen, der mehr für den Gewässerschutz tut, entlasten wollen, daß wir aber denjenigen, der keine zusätzlichen Gewässerschutzinvestitionen vornimmt, zusätzlich belasten werden. Diese Verschärfung des Bonus- Malus- Prinzips erreichen wir zum einen dadurch, daß wir die Überschreitung zugelassener Grenzwerte mit einer drastisch höheren Abgabenbelastung sanktionieren, und zum anderen dadurch, daß wir aber auch einen Anreiz schaffen, mehr für den Gewässerschutz zu tun, als von den behördlichen Grenzwerten zugelassen ist, und das mit einer erheblichen Verminderung der Abgabe belohnen. Das gleiche gilt auch für die Umstellung unserer Berechnungsgrundlagen für die Abgabe.
Herr Kollege Kiehm, ich bitte Sie doch sehr, das nicht einfach zu ignorieren. Das Umweltbundesamt steht nun wirklich nicht im Verdacht, besonders industriefreundlich zu sein. Das Umweltbundesamt sagt uns voraus: Allein durch die Umstellung dieser Abgabenberechnungsgrundlagen wird eine Erhöhung von 50 bis 65% der Abwasserabgabe erfolgen. Deshalb — ich habe das zufällig hier dabei — hat uns ja auch die Industrie, hat uns die Wirtschaft gesagt: „Kostenlawine durch Umweltschutz, DIHT warnt vor den Belastungen durch die Novelle zum Abwasserabgabengesetz".
Meine Damen und Herren, wir haben das dennoch für notwendig gehalten, weil wir gleichzeitig den verstärkten Anreiz für denjenigen schaffen, der etwas zum Gewässerschutz tut, weil er die Möglichkeit hat, sich von diesen Abgabemehrbelastungen dadurch zu befreien, daß er eine bessere Abwasserreinhaltung gewährleistet.
Ihr Vorschlag, die Abwassergabe drastisch um 25% zu erhöhen, findet nicht nur den Widerstand der kommunalen Spitzenverbände, sondern auch der SPD-regierten Bundesländer. Sie fordern ab 1. Januar 1987 eine höhere Abgabe. Die SPD-regierten Bundesländer haben natürlich gewußt, daß das nicht geht, und haben deshalb auch gesagt: Vor 1989 darf sich in diesem Bereich nichts ändern, denn die Kommunen müssen es umsetzen; das geht nicht innerhalb von drei Wochen. Daß Sie dies ignorieren, ist außerordentlich bemerkenswert.
Das gilt auch für Ammonium und Phosphor. Das Land Niedersachsen fordert mit großem Nachdruck die entsprechenden Neuregelungen im Vollzug des Wasserhaushaltsgesetzes, um vor allem Ammoniumstickstoff und Phosphor aus den kommunalen Kläranlagen zu entfernen. Es sind auch die SPDregierten Bundesländer, die blockieren und dagegen opponieren, mit beachtlichen Argumenten, wie ich zugebe. Nur, stellen Sie sich dann bitte hier nicht so hin, als ob Sie sagen könnten: Wir werden das par ordre du mufti zum 1. Januar 1987 alles abstellen können, wenn auch Ihre Parteifreunde in den Bundesländern, in denen Sie an der Regierung sind, das Gegenteil sagen und erklären, meine Damen und Herren.
Mit der heutigen Novellierung des Abwasserabgabengesetzes wird auch die sogenannte Kleineinleiterabgabe weitgehend abgeschafft. Das ist eine wichtige Neuregelung und Entlastung vor allem für die Bürger im ländlichen Raum.
Die Kleineinleiterabgabe ist ökologisch sinnlos geworden. Welchen Anreiz sollte diese Abgabe auch noch bieten? Ein Hauseigentümer, der seine Hauskläranlage für viel Geld nach neuesten Erfordernissen errichtet — das kostet für ein Einfamilienhaus schnell 20 000 DM — und der all das tut, was das
19816 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 254. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Dezember 1986
Dr. Göhner
Umweltrecht von ihm verlangt, der muß nach altem Recht trotzdem die Kleineinleiterabgabe zahlen. Selbst wenn er noch mehr tut und z. B. eine Wurzelraumentsorgung nachschaltet, wird er anschließend zur Kasse gebeten. Das ärgert die Bürger nicht allein wegen der 20 DM pro Einwohner, sondern weil sinnlos bürokratischer Aufwand getrieben wird.
Künftig fällt die Kleineinleiterabgabe kraft neuen Bundesrechts weg, wenn die Hauskläranlage den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht und Schlammentsorgung sichergestellt ist.
Die Länder können weitergehende Regelungen treffen. Baden-Württemberg und Bayern haben bereits signalisiert, daß sie die Kleineinleiterabgabe abschaffen werden. Wir begrüßen das nachdrücklich.
Sie, die SPD, wollten das Gegenteil. Mit der Erhöhung des Abgabesatzes sollte die Kleineinleiterabgabe allein schon 1987 um 25% erhöht werden, danach Jahr für Jahr um den gleichen Betrag. Die Partei, die so gerne vorgibt, für die kleinen Leute sein zu wollen, will hier die kleinen Hauseigentümer im ländlichen Raum immer mehr zur Kasse bitten, obwohl dabei nichts für die Umwelt herauskommt.
Deshalb zeigt die Auseinandersetzung um das Abwasserabgabengesetz ganz deutlich: Ihnen geht es in erster Linie eben doch um höhere Abgaben, unabhängig von der umweltpolitischen Wirkung, wie das Beispiel Kleineinleiterabgabe zeigt. Uns dagegen ist sehr daran gelegen, daß die Abgabe insgesamt, nämlich infolge verbesserten Umweltschutzes, durchaus vermindert wird. Mehr Umweltschutz zu erreichen, nicht unbedingt mehr Abgabe zu kassieren, das ist das Ziel dieses Gesetzentwurfes.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung und Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 10/5533 in der Ausschußfassung.
Ich rufe Art. 1 auf. Hierzu liegt auf Drucksache 10/6657 ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Dieser Änderungsantrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Wer für Art. 1 in der Ausschußfassung stimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe die Art. 2 bis 4, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! —
Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Mit Mehrheit angenommen.
Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Wir treten in die
dritte Beratung
ein und kommen zur Schlußabstimmung.
Meine Damen und Herren, die Fraktionen der CDU/CSU und FDP verlangen hierzu gemäß § 52 unserer Geschäftsordnung namentliche Abstimmung. Ich eröffne die namentliche Abstimmung. —
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung können wir während der namentlichen Abstimmung bereits über den Entschließungsantrag abstimmen. Ich kann das aber nur tun, wenn ich einigermaßen Übersicht habe. —
Meine Damen und Herren, ich lasse also jetzt über den Entschließungsantrag abstimmen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 10/6656 unter Nr. 2 die Annahme einer Entschließung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! - Enthaltungen? — Keine Enthaltungen. Mit Mehrheit ist diese Entschließung angenommen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/6658. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! - Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ist noch ein Mitglied des Hauses da, das die Absicht hat, sich an der namentlichen Abstimmung zu beteiligen? —
Meine Damen und Herren, ich schließe die namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung in der Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksachen 10/5533 und 10/6656 bekannt: Von den voll stimmberechtigten Mitgliedern des Hauses haben 337 ihre Stimme abgegeben, davon keine ungültigen Stimmen. Mit Ja haben 212 gestimmt, mit Nein 125; keine Enthaltungen. Alle 16 Berliner Abgeordneten haben ihre Stimme abgegeben. Keine Stimme war ungültig. Mit Ja haben 10, mit Nein haben 6 gestimmt; es gab keine Enthaltung.
Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen 337 und 16 Berliner Abgeordnete; davon
ja: 212 und 10 Berliner Abgeordnete
nein: 125 und 6 Berliner Abgeordnete
Ja
CDU/CSU
Bayha
Dr. Becker Berger
Dr. Berners Biehle
Dr. Blank Dr. Blens
Dr. Bötsch Bohl
Bohlsen
Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 254. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Dezember 1986 19817
Vizepräsident Stücklen
Borchert Braun
Breuer
Broll
Brunner
Bühler Carstens (Emstek) Carstensen (Nordstrand) Clemens
Dr. Czaja Daweke
Frau Dempwolf
Deres
Dörflinger Doss
Dr. Dregger
Echternach
Ehrbar Eigen
Erhard
Eylmann
Fellner
Frau Fischer
Dr. Friedmann
Funk
Ganz
Frau Geiger
Dr. Geißler
Gerlach Gerstein
Gerster
Glos
Dr. Göhner
Dr. Götz Dr. Götzer Günther
Hauser Hauser (Krefeld) Hedrich
Frau Dr. Hellwig Helmrich
Dr. Hennig
Herkenrath
Hinrichs Hinsken Höffkes Höpfinger Dr. Hoffacker
Frau Hoffmann Hornung
Horstmeier
Frau Hürland
Dr. Hüsch Dr. Hupka
Graf Huyn
Jagoda
Dr. Jahn
Dr. Jenninger
Dr. Jobst Dr.-Ing. Kansy
Frau Karwatzki
Keller
Kiechle
Klein
Kolb
Kraus
Dr. Kreile Krey
Dr. Kronenberg
Dr. Kunz Lamers
Dr. Lammert
Landré
Dr. Langner
Lattmann Dr. Laufs Lenzer
Link
Link Linsmeier
Lintner Dr. Lippold Löher
Lohmann Louven
Maaß
Frau Männle Magin
Marschewski Metz
Dr. Meyer zu Bentrup Michels
Dr. Mikat
Dr. Miltner Dr. Möller
Müller Müller (Wadern)
Müller
Nelle
Frau Dr. Neumeister Niegel
Dr.-Ing. Oldenstädt
Dr. Olderog Pesch
Dr. Pinger
Pöppl
Pohlmann
Dr. Pohlmeier Dr. Probst
Reddemann Repnik
Rode Frau Rönsch
Rossmanith Rühe
Ruf
Sauer
Sauer
Saurin
Sauter Sauter (Ichenhausen)
Dr. Schäuble Scharrenbroich Schartz Schemken
Scheu
Schlottmann Schmidbauer Schmitz
von Schmude Schneider
Dr. Schneider Freiherr von Schorlemer Schreiber
Dr. Schroeder Schulhoff
Dr. Schulte
Schultz (Wörrstadt) Schwarz
Dr. Schwörer Seehofer
Seesing
Seiters
Spilker
Spranger
Dr. Sprung
Dr. Stark Dr. Stavenhagen
Dr. Stercken Stockhausen Strube
Stücklen
Stutzer
Susset
Tillmann
Dr. Todenhöfer Uldall
Dr. Unland
Frau Verhülsdonk
Vogel
Vogt
Dr. Voigt Dr. Voss
Dr. Waffenschmidt Dr. Waigel
Dr. Warnke
Dr. Warrikoff
Dr. von Wartenberg Weirich
Weiß
Werner
Frau Will-Feld
Frau Dr. Wilms
Wilz
Frau Dr. Wisniewski Dr. Wittmann
Dr. Wulff
Zink
Berliner Abgeordnete
Frau Berger Boroffka
Buschbom
Dolata
Kalisch
Dr. h. c. Lorenz
Dr. Pfennig
Schulze Straßmeir
FDP
Frau Dr. AdamSchwaetzer
Baum
Beckmann Bredehorn
Cronenberg Eimer (Fürth)
Engelhard
Dr. Feldmann
Gallus
Gattermann Grüner
Frau Dr. Hamm-Brücher Dr. Hirsch
Kleinert Dr.-Ing. Laermann Mischnick Möllemann Ronneburger
Dr. Rumpf Schäfer
Frau Seiler-Albring
Dr. Solms
Dr. Weng Wolfgramm (Göttingen)
Berliner Abgeordneter Hoppe
Nein
SPD
Bachmaier
Becker Bernrath
Berschkeit Frau Blunck Brandt
Dr. von Bülow Catenhusen Collet
Delorme
Dr. Ehmke
Dr. Emmerlich
Ewen
Fiebig Fischer
Franke
Frau Fuchs
Frau Fuchs
Gilges
Glombig
Dr. Haack
Haehser
Hansen
Frau Dr. Hartenstein
Dr. Hauchler Hauck
Dr. Hauff
Heistermann Herterich
Hettling
Dr. Holtz
Frau Huber Huonker
Immer Jahn (Marburg)
Dr. Jens
Kiehm
Kirschner
Klein Dr. Klejdzinski Dr. Kübler
Kühbacher Leonhart
Liedtke
Lohmann
Lutz
Frau Matthäus-Maier Matthöfer
Meininghaus Menzel
Möhring
Müller Müntefering
Nehm
Dr. Nöbel
Frau Odendahl Oostergetelo Pauli
Porzner
Poß
Ranker
Rapp Reimann
Frau Renger Reuter
Rohde
Roth
Schäfer Schanz
Schmidt Schmitt (Wiesbaden)
Dr. Schmude Schreiner
Schröer Schulte (Unna)
Dr. Schwenk Sielaff
Sieler
Frau Dr. Skarpelis-Sperk Dr. Soell
Dr. Sperling Stahl Steiner
Frau Steinhauer
Stiegler
Stockleben Tietjen
Frau Dr. Timm Toetemeyer Frau Traupe Urbaniak
Verheugen Waltemathe Westphal
Frau Weyel Wiefel
19818 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 254. Sitzung. Bonn, Freitag, den 5. Dezember 1986
Vizepräsident Stücklen
von der Wiesche Wimmer Wischnewski
Witek
Dr. de With
Würtz Zander Zeitler
Berliner Abgeordnete
Egert
Löffler
Dr. Mitzscherling Dr. Vogel
Wartenberg
DIE GRÜNEN
Auhagen
Frau Borgmann
Frau Dann
Frau Eid
Fischer Fritsch
Frau Hönes Lange
Mann
Dr. Müller Rusche
Suhr
Vogel
Frau Wagner Werner Werner (Westerland) Frau Zeitler
Berliner Abgeordneter Ströbele
fraktionslos
Handlos
Damit ist dieses Gesetz mit Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, wir sind am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 10. Dezember 1986, 9 Uhr ein.
Die Sitzung ist geschlossen.