Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung um die Beratung der Sammelübersichten 83 bis 87 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen auf den Drucksachen 10/3506, 10/3507, 10/3570, 10/3571 und 10/ 3576 erweitert werden. Dieser Zusatzpunkt soll im Anschluß an Punkt 25 der Tagesordnung, nämlich der Regierungserklärung über die Verhandlungen des EG-Umweltrats, ohne Debatte aufgerufen werden. Sind Sie damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, in der gestrigen Ältestenratsitzung wurde interfraktionell vereinbart, in der ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause, der Woche vom 2. September 1985, mit Rücksicht auf die für diese Woche vorgesehenen Haushaltsberatungen keine Fragestunden durchzuführen. Sind Sie damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist auch dies mit der erforderlichen Mehrheit beschlossen.
Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP haben beantragt, die heutige Tagesordnung um die Zusatzpunkte Zweite und Dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Strafrechtsänderungsgesetzes — § 303 StGB — sowie Zweite und Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Strafrechtsänderungsgesetzes — § 125 StGB — auf den Drucksachen 10/308 und 10/901 zu erweitern. Der Antrag auf Erweiterung der Tagesordnung ist fristgerecht gestellt worden.
Wird das Wort zur Geschäftsordnung gewünscht? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seiters.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Koalitionsfraktionen beantrage ich, die Tagesordnung des heutigen Plenums in dem vom Präsidenten vorgetragenen Sinne zu erweitern. Gemäß § 35 der Geschäftsordnung beantrage ich gleichzeitig eine Debattendauer von insgesamt 75 Minuten, weil wir uns über die Länge der Debatte interfraktionell nicht haben verständigen können.Ich möchte nur wenige Bemerkungen zu diesem Antrag machen. Der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages hat am Mittwoch das Demonstrationsstrafrecht abschließend behandelt.
— Sie sind so lebhaft, Herr Vogel, so früh am morgen.Es ist beantragt, daß der Bundesrat am 5. Juli zu den entsprechenden Entscheidungen des Bundestages Stellung nimmt. Daher ist die Verabschiedung dieser Gesetze dringlich. Wir wollen in diesen Fragen noch vor der Sommerpause Rechtsklarheit.
Ich bedaure außerordentlich, daß die SPD-Fraktion nicht bereit gewesen ist, einer Aufsetzung dieser Punkte auf die heutige Tagesordnung zuzustimmen,
so daß wir wie bereits gestern erneut zu einer Geschäftsordnungsdebatte gezwungen sind. Ich bedaure noch mehr, daß die SPD in den Ausschußberatungen versucht hat, unter äußerster Strapazierung von Geschäftsordnungsdebatten
und durch das erneute Verlangen nach einer weiteren Anhörung von Sachverständigen die Verabschiedung dieser Gesetze zu verhindern.Ich möchte ganz ruhig, aber mit allem Nachdruck, meine Damen und Herren, auch mit Blick auf die wirklich abwegigen und absurden Vorwürfe,
die die SPD in der Öffentlichkeit erhoben hat
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11214 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
Seitersund die sicherlich gleich auch der Kollege Emmerlich noch einmal vortragen wird,
es sei nicht genügend Zeit für die Beratung dagewesen,
erklären: Was wir in den letzten Wochen in den Ausschüssen des Deutschen Bundestages erlebt haben,
auch in anderen Ausschüssen, war die klar erkennbare Absicht der SPD, die Koalition an der Wahrnehmung ihrer gesetzgeberischen Pflichten zu hindern und Abstimmungen zu blockieren.
— Wenn Sie hier schon nicht zuhören, dann hören Sie bitte meine Beispiele, die sich allein auf den Rechtssausschuß beziehen und die nachprüfbar sind.
Ich nenne nachprüfbare Beispiele. In der vorletzten Sitzung des Rechtsausschusses ist zwei Stunden allein über Verfahrensfragen debattiert worden. Die letzte Sitzung war 90 Minuten wiederum allein mit Verfahrensfragen ausgefüllt. Der Kollege Emmerlich hat im Rahmen dieser Debatte sage und schreibe 45 Minuten lang nur über Geschäftsordnungsfragen geredet.
Die SPD schreckte auch nicht vor parlamentarischen Mätzchen zurück, die Beschlußfähigkeit des Ausschusses zu bezweifeln und gleichzeitig geschlossen den Saal zu verlassen.
Eines geht nicht: die Beratungszeit mit Geschäftsordnungsdebatten und Filibustern vertrödeln und dann beklagen, es sei nicht genug Zeit zur Sachberatung da.
Ich wiederhole, was mein Kollege Wolfgramm bereits gestern bei einer anderen Geschäftsordnungsdebatte gesagt hat, weil dies gemeinsame Auffassung ist: Wir respektieren Minderheitenrechte; aber es gibt auch Mehrheitsrechte, von denen wir heute und in der Zukunft genauso Gebrauch machen wie in der Vergangenheit.
Die Koalition wird sich an der parlamentarischen Durchsetzung der von ihr als richtig und notwendig erkannten Entscheidungen nicht hindern lassen. Deswegen beantragen wir die Aufsetzung der von mir genannten Punkte auf die heutige Tagesordnung, und deswegen sind wir entschlossen, auch diese Gesetzentwürfe — wie die anderen — rechtzeitig, pünktlich, zügig vor der Sommerpause zu verabschieden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Emmerlich.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde nur zu dem Antrag sprechen, diesen Gegenstand auf die Tagesordnung zu setzen. Zur Debattenzeit wird mein Kollege Porzner Ausführungen machen.
— Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie brauchen keine Sorge zu haben. Ich werde die Schwindeleien und Fälschungen, mit denen Herr Seiters hier gearbeitet hat,
nicht fortsetzen, sondern werde Ihnen kurz, präzise und trocken mitteilen, was sich wirklich ereignet hat.
Die Vorschläge zur Änderung des Strafrechts und des Versammlungsrechts, die die CDU/CSU und die FDP auf die Tagesordnung zur zweiten und dritten Lesung bringen wollen, haben erst vor 15 Tagen dasLicht der Welt erblickt.
Viele Kolleginnen und Kollegen kennen sie erst seit gestern oder noch gar nicht. Die Koalition hat diesen Gesetzgebungsvorschlag nicht auf dem dafür an sich vorgesehenen Weg
im Bundestag eingebracht. Eine erste Lesung hat infolgedessen nicht stattgefunden.
Die Regierungskoalition hat es vorgezogen, ihren neuerlichen Vorschlag zur Änderung des Demonstrationsrechts als Antrag zu einer Regierungsvorlage anderen Inhalts direkt in den Rechtsausschuß zu bringen.
Allerdings hat sie nur einen nackten Gesetzestext ohne jede Begründung vorgelegt.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985 11215
Dr. Emmerlich
Eine schriftliche Begründung liegt bis zur gegenwärtigen Stunde nicht vor.
Um so unverständlicher ist es, daß die Koalition unseren Antrag auf Anhörung von Sachverständigen und Fachverbänden das in der Geschäftsordnung festgelegte Minderheitenrecht mißachtend abgelehnt hat.
Selbstverständliche Pflicht des Gesetzgebers ist es, vor der Verabschiedung von Gesetzen den ihm zur Verfügung stehenden Sachverstand zu Rat zu ziehen sowie Verbänden und besonders den Bundesländern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Im Rechtsausschuß hat es erstmals am Mittwoch dieser Woche, also vor zwei Tagen, eine partielle Einzelerläuterung der Vorlage durch Vertreter der Bundesregierung gegeben.
Von uns für notwendig gehaltene weitere Erläuterungen und eine Detaildebatte wurden von der Koalition mit dem Beschluß „Schluß der Rednerliste" abgeblockt.
Wir hatten keine Möglichkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren, die mündlichen Erläuterungen und Begründungen der Bundesregierung auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen und in unserer Fraktion zu beraten. Denn die Koalition erzwang die Schlußabstimmung im Rechtsausschuß bereits am Mittwochabend, also am gleichen Tage, an dem die Einzelerläuterungen zur Koalitionsvorlage erstmalig gegeben worden sind. Das Protokoll dieser Sitzung des Rechtsausschusses liegt selbstverständlich bis heute nicht vor. Der Bericht des Rechtsausschusses liegt erst seit gestern abend vor, so daß die nach § 81 der Geschäftsordnung vorgeschriebene Frist für den Beginn der zweiten Beratung nicht eingehalten ist.Sie ersehen, sehr geehrte Damen und Herren, aus diesem Bericht, daß die Koalition eine sorgfältige Beratung durch rücksichtslosen Gebrauch ihrer Mehrheit unmöglich gemacht hat.
Bedauerlicherweise handelt es sich bei diesem Vorgang nicht um einen Einzelfall, sondern um eine Praxis, derer sich die Koalition unter dem Druck der Regierung und ihrer Parteivorsitzenden zunehmend bedient. Ich erinnere daran, in welcher Weisedas Gesetz zur Neuregelung der Hinterbliebenenversorgung in den vergangenen Wochen durchgepeitscht worden ist.
Selbst die „Frankfurter Allgemeine" spricht von einer für die derzeitige Regierungskoalition charakteristischen Praxis, Gesetze im parlamentarischen Schweinsgalopp durchzubringen. Die Devise „Sachgerechtigkeit hin, Fairneß her — Mehrheit ist Mehrheit" ist keineswegs ein Beweis für Handlungsfähigkeit, sondern — im Gegenteil — ein Zeichen der Schwäche, der inneren Zerrissenheit der Koalition
und einer beinahe schon hysterischen Angst vor dem Sommerloch.Da keine sorgfältige Beratung der Regierungsvorlage möglich war, wird die SPD-Fraktion der Aufsetzung auf die Tagesordnung nicht zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Mann.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieser Geschäftsordnungsantrag der Regierungsfraktionen wird auch von unserer Fraktion abgelehnt.
Warum diese Eile? Seit 1970 versuchen Sie, Änderungen des damals beschlossenen Demonstrationsrechts durchzusetzen. Sechsmal, glaube ich, haben Sie es über den Bundesrat und in diesem Hause vergeblich versucht. Nun — dies an die Kollegen von der FDP gerichtet — ist der Preis der innenpolitischen Wende zu zahlen, möglichst noch vor der Sommerpause. Deswegen mußte der Rechtsausschuß, dem anzugehören ich die Ehre habe, in einer Sondersitzung parallel zu einer Plenarsitzung die erforderlichen Vorbereitungen treffen. Deswegen sollen wir diesen Gesetzentwurf als letzten Tagesordnungspunkt — möglicherweise mit namentlicher Abstimmung — hier heute ohne Not durchpeitschen. Deswegen müssen Sie in der Sommerpause möglicherweise zu einer Sondersitzung hier nach Bonn kommen.
Ist das alles notwendig?
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11216 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
Mann— Herr Präsident, ich bitte die Kollegen doch, etwas Ruhe zu bewahren.
Herr Abgeordneter, es hat Sie niemand daran gehindert, zu sprechen.
Bitte sehr, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, Sie haben heute morgen, um jetzt auf das Problem einzugehen, in der Terminologie der Drucksache davon gesprochen, daß hier ein Gesetzentwurf zur Änderung des Strafrechts verhandelt werden soll. Tatsächlich aber lag uns im Rechtsausschuß vor allen Dingen ein Gesetzentwurf zur Änderung des Ordnungswidrigkeitenrechts vor. Dieses Hohe Haus hatte nicht die Gelegenheit, zu dieser Regelung in erster Lesung Stellung zu nehmen.
Es ist — das möchte ich an dieser Stelle betonen — hinsichtlich der Rechte dieses Parlaments unglaublich, einen Gesetzentwurf mit so weitreichenden Konsequenzen für die Grundrechte der Bürger im Schnellverfahren durchsetzen zu wollen.
Unsere Fraktion hätte dennoch der Zusammenarbeit wegen ihre politischen Bedenken zurückgestellt, wenn im Rechtsausschuß eine ordnungsgemäße Beratung möglich gewesen wäre. Dies war nicht der Fall. Ich spreche ganz bewußt von dieser Stelle hier, weil die meisten Kolleginnen und Kollegen des gesamten Hauses das überhaupt nicht wissen können, weil sie auf die Informationen aus ihren Fraktionen angewiesen sind. Ich finde, so kann ein Ausschuß nicht mit den Minderheitenrechten zweier Oppositionsfraktionen umgehen.
Herr Emmerlich hat gesagt, wir haben eine Anhörung zu den neuen Gesichtspunkten beantragt. Das sind gravierende verfassungsrechtliche Gesichtspunkte. Diese Anhörung wurde von der Mehrheit abgelehnt. Das ist eine unglaubliche Einschränkung von Minderheitenrechten nach § 70 unserer Geschäftsordnung. Ich meine, so sollten Sie als Mehrheit nicht mit den Rechten der Minderheit umgehen.
Ich komme zum Schluß.
Es ist eine Mehrheit, die eine Sachauseinandersetzung sowohl mit den Argumenten der Oppositionsfraktionen im Ausschuß — ich selbst habe an der Schlußabstimmung aus Protest nicht teilgenommen,
weil im Rechtsausschuß aus meiner Sicht ein Klima — der Kollege Helmrich meldet sich — —
Herr Abgeordneter Helmrich, es gibt keine Zwischenfragen bei einer Geschäftsordnungsdebatte.
Vielen Dank, Herr Präsident. — Ich habe an der Schlußabstimmung nicht teilgenommen, weil im Rechtsausschuß aus meiner Sicht ein Klima bestand, in dem eine Sachauseinandersetzung einfach nicht möglich war.
Ich komme jetzt wirklich zum Schluß.
Diese Mehrheit zeigt hier heute nicht Stärke, sondern Schwäche. Sie haben Angst davor, daß sich Ihre Argumente den Gegenargumenten stellen müssen. Sie haben Angst vor den Argumenten beispielsweise der Praktiker, der Polizei, die in der Anhörung alle gesagt haben, diese jetzt von Ihnen gewählte Lösung gibt der Polizei Steine statt Brot.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Bitte, schließen Sie Ihren Beitrag.
Ich möchte Sie zum Schluß daran erinnern: Auch Mehrheiten sind nur auf Zeit gewählt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Beckmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir brauchen keine Aufgeregtheiten an diesem Morgen zu diesem Thema.
Der Rechtsausschuß hat das anstehende Gesetz in Ausführlichkeit beraten.
Die Gremien der Fraktionen haben sich mit der anstehenden Problematik über Jahre hinweg beschäftigt.
Wir haben eine Anhörung durchgeführt, in der wir zahlreiche Praktiker, Rechtswissenschaftler, Richter, Anwälte und andere kompetente Juristen gehört haben.
Alle diese Meinungen sind in unseren Entscheidungsprozeß eingeflossen.
Die Probleme sind lange, lange bekannt. Wenn dieOpposition im Rechtsausschuß am vergangenenMittwoch Gelegenheit genommen hat, über Stun-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985 11217
Beckmannden hinweg zu filibustern, dann ist das nicht das Problem der Koalition, dann ist das Ihr Problem.
Meine Damen und Herren, die Bürger haben uns hierher geschickt, damit wir nach demokratischem Prinzip Entscheidungen treffen und nicht die Probleme immer wieder vor uns herschieben.
Das ist auch der gute Grund, warum wir das anstehende Gesetz heute hier beraten wollen.Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, es sind zwei Anträge gestellt worden, zunächst ein Antrag auf Erweiterung der Tagesordnung, dann ein Antrag auf Festlegung einer bestimmten Redezeit zu diesem Tagesordnungspunkt. Ich lasse zunächst über den ersten Antrag abstimmen, da dazu keine weiteren Wortmeldungen vorliegen. Wer der Aufsetzung der genannten Punkte auf die Tagesordnung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, es liegt eine Wortmeldung zur Redezeit vor. Ich darf dem Herrn Abgeordneten Porzner das Wort zur Geschäftsordnung erteilen.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Weil, wie wir hörten, die Ausschußsitzungen unter außergewöhnlichem Zeitdruck und ungewöhnlichen Umständen stattgefunden haben
— es ist nicht 18 Stunden beraten worden —, stelle ich den Antrag — damit die Redner, die heute vormittag sprechen müssen, nicht wiederum unter größtem Zeitdruck sprechen müssen und kaum Gelegenheit haben, ihre Argumente darzulegen —,
die Debattenzeit auf 90 Minuten festzulegen. Vielleicht kann man darauf eingehen.
Zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Mann das Wort.
Zunächst einmals als Vorbemerkung: Sie wollen doch diese heutige Debatte. Da Sie immer so schön davon reden, man müsse das, was man beschlossen hat, einhalten, müssen Sie jetzt
auch eine ernsthafte Beratung dieses Tagesordnungspunktes zulassen.
Mit der von Ihnen vorgeschlagenen Redezeit ist diese ernsthafte Beratung unserer Meinung nach nicht möglich. Unsere Fraktion beantragt deshalb eine Beratungszeit von 120 Minuten.
— Ihre Reaktion zeigt für mich leider, wie ernst Sie Ihre eigenen Beratungsrechte als Parlament wirklich nehmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Seiters.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es denn wirklich so sein sollte, daß sich für die sozialdemokratische Fraktion eine erhebliche qualitative Verbesserung der Debatte dadurch ergibt, daß wir nicht 75 Minuten, sondern 90 Minuten debattieren, sind wir damit einverstanden. Ich plädiere für 90 Minuten.
Herr Abgeordneter Seiters, habe ich Ihren Beitrag so zu verstehen, daß Sie damit Ihren Antrag auf 75 Minuten zurückziehen?
— dann haben wir zwei Anträge zur Abstimmung: den Antrag der Fraktion der SPD auf 90 Minuten und den Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf 120 Minuten.Der letztere Antrag ist der weitergehende. Deswegen lasse ich zunächst über diesen Antrag abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN, diesen Tagesordnungspunkt in 120 Minuten zu diskutieren, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen ist der Antrag abgelehnt.Meine Damen und Herren, ich stelle nun den Antrag zur Abstimmung, die Debattenzeit auf 90 Minuten zu begrenzen. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Bei einigen Gegenstimmen und Enthaltungen ist dieser Antrag angenommen.Meine Damen und Herren, diese Zusatzpunkte werden zum Schluß der Tagesordnung aufgerufen.Die Beschlußempfehlungen des Rechtsausschusses sind rechtzeitig verteilt worden.Zu § 125 StGB konnte der schriftliche Bericht, den Sie auf Drucksache 10/3580 finden, nicht mehr rechtzeitig vorgelegt werden. Der Ausschuß hat daher beschlossen, diesen Bericht ausnahmsweise
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11218 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
Präsident Dr. Jenningermündlich zu erstatten. Dies ist gemäß § 66 Abs. 1 der Geschäftsordnung möglich.Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 3 Aktuelle Stundeauf.Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE GRÜNEN hat gemäß Nr. 1 c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem ThemaVerdacht der Beeinflussung von Regierungsmitgliedern, Ministerialbeamten und Bundestagsmitgliedern durch Zuwendungen der Pharmazeutischen Industrieverlangt.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schily.
Herr Präsident! Mein Damen und Herren! Es gibt Abgeordnete in diesem Hause, die reklamieren gern und in anmaßendem Ton für sich den Titel der staatstragenden Parteien. Die Wahrheit ist, daß mindestens einige ihrer Mitglieder und Mandatsinhaber den Staat eher zu Markte tragen, als daß sie ihn stützen, indem sie sich bestimmten industriellen Interessen dienstfertig zeigen.So blieb folgerichtig ein Bericht in der „Frankfurter Rundschau" vom 30. August 1984 unwidersprochen, daß sich die BASF in Bonn möglichst von jeder Partei einen Abgeordneten halten wolle, der ihre Interessen vertrete. Manche meinten früher, sie könnten sich aus der Flick-Affäre ziehen, als sie die Behauptung aufstellten, die massiven Beeinflussungsversuche des Flick-Konzerns seien sozusagen ein exotischer Ausnahmefall. Die GRÜNEN haben demgegenüber stets die Forderung erhoben, die Spendenpraxis auch anderer großindustrieller Unternehmen vom Parlament zu überprüfen. Es gab schon seit geraumer Zeit Hinweise darauf, daß zahlreiche Großunternehmen an illegalen Spendenzuwendungen beteiligt waren und daß mit Spenden wirtschaftliche Interessen in massiver Weise gegenüber Regierung und Parlament zur Geltung gebracht wurden.In unserer Auffassung fühlen wir uns durch die jüngsten Veröffentlichungen im „Spiegel" über Aktivitäten der Pharmaindustrie bestärkt. In dem „Spiegel"-Bericht wird in ersten Umrissen erkennbar, daß bestimmte Interessenten aus der Pharmaindustrie sich weidlich bemüht haben, das Gewissen mancher Abgeordneter mit Geld auszustopfen und sie sich gefügig zu machen.Die öffentliche Aufregung ist leider noch relativ gedämpft, weil bisher nur vergleichsweise kärgliche Honorare, sozusagen die Billigtarife, an einzelne Personen bekanntgeworden sind.
Aber es besteht Anlaß zu der Vermutung, daß nurder Saum eines Sachverhalts sichtbar wurde, vondem sehr viel mehr Politiker betroffen sein könnten, als gegenwärtig bekannt ist.
Leider haben es die betroffenen Parteien in der Vergangenheit an der Bereitschaft fehlen lassen, ihre verfassungsrechtliche Pflicht freiwillig zu erfüllen und sämtliche Spenden, die sie in der Vergangenheit direkt oder indirekt erhalten haben, rückhaltlos offenzulegen.Auch Bundeskanzler Kohl, der der Öffentlichkeit gewiß mehr Aufschluß geben könnte über finanzielle Wohltaten, die ihm und seiner Partei zugute gekommen sind, scheint in dieser Hinsicht buchstäblich „verschollen" zu sein.
Warum erfahren wir vom Bundeskanzler Kohl nichts über seine Verbindungen zur pharmazeutischen und chemischen Industrie? Warum gibt uns Bundeskanzler Kohl keine klare Auskunft darüber, warum er Herrn Scholl bei der Deutschen Lufthansa einen gut dotierten Beratervertrag vermittelt hat?
Wieviel Geld haben der Bundeskanzler und seine Partei, wieviel Geld haben Herr Bangemann und seine Partei von der chemischen und pharmazeutischen Industrie direkt oder indirekt kassiert?
Immerhin soll die Firma Hoechst rund 5 Millionen DM, die Firma Thomae 2 Millionen DM, die Firma Bayer Leverkusen 500 000 DM und die Firma Boehringer 70 000 DM über die Staatsbürgerliche Vereinigung in die Kassen von CDU und FDP geschleust haben.Sollten wir zur Tagesordnung übergehen, wenn wir hören, daß der damalige FDP-Landesvorsitzende Scholl für seinen Parteifreund Bangemann bei der Arzneimittelfabrik Boehringer um Spenden mit der eindrucksvollen Begründung geworben hat, Dr. Bangemann habe sich stets im Europaparlament intensiv für die Interessen der pharmazeutischen Industrie eingesetzt?
Wir sollten uns nicht dadurch beirren lassen, daß die Staatsanwaltschaft keinen Anlaß zu Ermittlungen sieht. Bestechungsvorwürfe, die von der Staatsanwaltschaft wegen inzwischen eingetretener Verjährung nicht weiter verfolgt werden können, bedürfen gleichwohl und erst recht der politischen Untersuchung.
Bestechung von Abgeordneten ist nach geltendem bundesrepublikanischen Recht nicht strafbar. In Großbritannien ist sie ein Kapitalverbrechen. Wenn Korruption in diesem Bereich schon keine strafrechtlichen Konsequenzen hat, müssen mindestens
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Schilydie Tatsachen aufgeklärt und die Möglichkeit zu einer politischen Beurteilung geschaffen werden.
Die Fraktion der GRÜNEN wird daher die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragen, der die Spendenpraktiken bestimmter Großunternehmen auch aus dem Bereich der pharmazeutischen und chemischen Industrie untersuchen soll.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Bitte kommen Sie zum Schluß.
Wir hoffen, daß wir damit einen Beitrag zur Entgiftung der staatlichen Institutionen leisten werden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bötsch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! An Aktuellen Stunden hat es in dieser Legislaturperiode weiß Gott nicht gefehlt. Wir haben bis zum heutigen Tag die siebenfache Anzahl im Vergleich zur gesamten unverkürzten Legislaturperiode 1976 bis 1980.
Der zweite Aufguß, der uns hier in der Form der Existenz der GRÜNEN seit einigen Monaten geboten wird, hat noch zu einer Verstärkung dieser Tendenz geführt. Allerdings ist es wie beim Tee: Der zweite Aufguß ist meistens wesentlich fader als der erste.
Er versucht sich aber durch andere Dinge hier in die Öffentlichkeit hineinzuschieben. Ob allerdings solche parlamentarischen Aussprachen, Aktuellen Stunden, immer gerechtfertigt sind, das möchte ich mit einem Fragezeichen versehen.
Ich halte es für bedenklich, wenn Presseberichte, die aus einer Mischung von Tatsachen, aber auch Halbwahrheiten, Vermutungen und haltlosen Spekulationen bestehen,
jede Woche eine Aktuelle Stunde in diesem Hause auslösen können.Herr Schily, der Sie so kräftig von hinten dazwischenrufen, wenn Sie vielleicht der Rotation jetzt erneut entgehen wollen, da Sie einen erneuten parlamentarischen Untersuchungsausschuß beantragen,
dann wirft das ein bezeichnendes Licht auf Ihr so hochbeschworenes Demokratieverständnis. Es geht Ihnen nämlich nicht um die Sache,
sondern es geht Ihnen darum, Mitglieder dieses Hauses nach dem Prinzip ... semper aliquid haeret — immer bleibt etwas hängen — hier an den Pranger zu stellen. Das ist Ihre Methode und sonst überhaupt nichts.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Verantwortungsbewußtsein müßten wir aber auch von den Medien erwarten können. Die erwähnten Presseberichte erwecken nämlich erneut und teilweise wider besseres Wissen den Eindruck, als seien Mitglieder dieses Hauses käuflich. Ein Beweis hierfür ist auch nicht andeutungsweise in den Berichten erbracht worden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe hier bei anderer Gelegenheit ausgeführt, daß es selbstverständlich ist, daß Spenden an politische Parteien gezahlt werden,
nicht nur an Bundesverbände oder Landesverbände. Selbstverständlich sind auch Kreisverbände, Wahlkreise bei der Finanzierung von Wahlkämpfen und bei der täglichen Arbeit neben den Mitgliedsbeiträgen auch auf Spenden angewiesen —
ich betone das hier zum wiederholten Male —,
wenn nicht eine totale Abhängigkeit vom Staat befürchtet werden muß, meine Damen und Herren.
— So schwache Beiträge, wie Sie sie heute früh geliefert haben, sind überhaupt nicht zu überbieten, Herr Kollege Mann. Das will ich einmal gesagt haben.
Wenn hier der Eindruck erweckt werden soll, als würde die Gesetzgebung quasi gekauft, so stellt dies eine ungeheure Verleumdung von Mitgliedern dieses Hauses dar.
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11220 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
Dr. BötschIch behaupte, daß damit Schindluder mit der freiheitlichen Demokratie und Schindluder auch mit der Pressefreiheit getrieben wird.
— So ist das. Genau so ist es. — Wir sind dabei, Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages aufzustellen, sie dort, wo Auswüchse zu verzeichnen waren, zu überprüfen und sie erforderlichenfalls zu überarbeiten.
Ich würde mich freuen, wenn die Medien in ihrer Selbstverantwortung vielleicht auch bei sich einmal das eine oder andere nachfragen würden.
Ich wiederhole das, was ich im November in der Debatte um die Frage der Parteienfinanzierung gesagt habe: Diese Republik ist nicht käuflich. Die Mitglieder dieses Hauses sind nicht käuflich. Dabei bleibe ich.
Meine Damen und Herren, ich empfehle uns allen etwas Zurückhaltung in den Zwischenrufen
und etwas Gelassenheit in der Debatte. Das Wort hat Herr Abgeordneter Hauck.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beschäftigen uns im Rahmen dieser Aktuellen Stunde mit Vorwürfen über Zahlungen der Pharmaindustrie an Abgeordnete und Beamte, die durch Presseveröffentlichungen bekanntgeworden sind. Dabei geht es um die Frage, inwieweit von einem besonders kapitalkräftigen Industriezweig versucht worden ist, auf ein laufendes Gesetzgebungsverfahren — gemeint ist die Reform des Arzneimittelrechts — in seinem Sinne Einfluß zu nehmen. Der durch den Presseartikel entstandene Eindruck, daß es durch unzulässige finanzielle Zuwendungen erreicht wurde, den Gesetzentwurf so zu verändern, daß die Gesundheit der Menschen negative Beeinträchtigungen erfahren hat, ist so alarmierend, daß es dringend einer Klarstellung bedarf.
Ich war damals Vorsitzender des federführenden Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit und kann bezeugen, wie die damaligen zweifellos sehr schwierigen Beratungen besonders in der Endphase 1975/76 abgelaufen sind.Meine Damen und Herren, zunächst muß eindeutig festgehalten werden, daß es sich bei der Reform des Arzneimittelrechts um eine Gesetzesvorlage der damaligen Bundesregierung unter der Verantwortung der sozialdemokratischen Gesundheitsministerin Katharina Focke handelte.
Hauptzielpunkte einer unzulässigen Einflußnahme hätten 1975/76 also die Sozialdemokraten sein müssen. Dies muß festgehalten werden. Wir wollen wissen, ob und wie versucht wurde, auf unser Gesetzgebungsvorhaben in unzulässiger Weise Einfluß zu nehmen. Ob dies geschehen ist oder nicht, muß geklärt werden.Aber eines können wir gemeinsam heute schon leisten, nämlich prüfen, ob ein möglicher Versuch der Einflußnahme gelungen ist. Wir können dies prüfen, indem wir den Gesetzentwurf der Bundesregierung mit dem vergleichen, was vom Parlament letztlich verabschiedet wurde.Als Ausschußvorsitzender während der damaligen Beratungen will ich Ihnen noch einmal die fünf Schwerpunkte der Arzneimittelreform vor Augen führen, soweit sie die Interessen der pharmazeutischen Industrie im besonderen berühren.Erstens. Die sozialdemokratische Ministerin und die SPD-Bundestagsfraktion wollten das bisher geltende rein formale Registrierungsverfahren von Arzneimitteln auf ein inhaltliches Zulassungsverfahren umstellen. Dies war im Regierungsentwurf enthalten. Wir haben es während der Beratungen durchgesetzt.Zweitens. Wir wollten die bindende Verpflichtung für den Arzneimittelhersteller, daß er künftig die Unbedenklichkeit, die pharmazeutische Qualität und die therapeutische Wirksamkeit der Medikamente beweisen muß. Anderenfalls kann keine Zulassung erfolgen. Dieser Vorschlag war im Regierungsentwurf enthalten. Wir haben ihn durchgesetzt.Drittens. Wir wollten eine bindende Verpflichtung, alle am Markt befindlichen Arzneimittel binnen einer Übergangsfrist den gleichen neuen Zulassungsverfahren zu unterwerfen, wie es für die neuen Wirkstoffe nunmehr vorgeschrieben wurde. Wir wollten die sogenannte Nachzulassung. Wir haben sie durchgesetzt.Viertens. Wir wollten neue, besonders restriktive Vorschriften für die klinische Prüfung von Arzneimitteln, also von Arzneimitteln, die erstmals am Menschen angewendet wurden. Wir wollten hierfür ein streng geregeltes Verfahren. Es war im Regierungsentwurf enthalten. Wir haben es durchgesetzt.
Fünftens. Wir wollten erstmals im deutschen Arzneimittelrecht aus der Erfahrung der ConterganKatastrophe heraus eine Haftungs- und Entschädigungsregelung für Arzneimittelschäden aufnehmen. Wir haben dies — ich sage noch einmal: erstmals im deutschen Arzneimittelrecht — durchgesetzt.
Ja, wir haben sogar trotz massiver Widerständeeine gegenüber dem Regierungsentwurf ver-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985 11221
Hauckschärfte Form der Haftung der Hersteller für Arzneimittel gefunden.
Dies waren die zentralen politischen Punkte der 1976 verabschiedeten Arzneimittelreform. Als damaliger Vorsitzender des federführenden Ausschusses stelle ich mit Nachdruck fest, daß diese Anliegen restlos verwirklicht wurden.
Für diese Gesetzgebung hatten wir damals einen Unterausschuß „Arzneimittelrechtsreform" eingesetzt, der sich intensiv mit der schwierigen Materie befaßt hat. Natürlich gab es strittige Punkte, bisweilen auch politische Konflikte, ja, sogar — das werden Sie auch wissen — Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Regierungskoalition.
Sie wurden fair und offen ausgetragen. Auf mein Betreiben wurden die Konfliktpunkte Anfang 1976 vom Unterausschuß in den Gesamtausschuß zurückgeholt, dort umfassend diskutiert, und dann wurde mit Mehrheit entschieden.
Ein letztes Wort. Parlamentarische, demokratische Gesetzgebung lebt von der öffentlichen Diskussion. Die Arzneimittelrechtsreform war von einem Öffentlichkeitsinteresse begleitet, wie ich es bei einem Spezialgesetz vorher und nachher nicht mehr erlebt habe. Tausende von Petitionen, eine Vielzahl von kritischen Äußerungen, Vorschlägen und Gegenvörschlägen bereicherten die Gesetzgebung. Demokratische Gesetzgebung bedarf der Bereicherung, allerdings nur durch Ideen, durch Verbesserungsvorschläge, durch Entscheidungshilfen. Daß Geld dies vermag, bezweifle ich. Aber das soll j a geklärt werden.
Das Wort hat der Abgeordneten Beckmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Es wird hier der Verdacht geäußert, Politiker und Beamte in Bonn seien von einer Gruppe von Lobbyisten bestochen worden. Der durch den Presseartikel ausgelöste angebliche Pharmaskandal ist in höchstem Maße geeignet, die Bürger weiter zu irritieren und zu verunsichern.
Ich glaube nicht, daß dies bei dem hohen Maß an Staatsverdrossenheit, das wir bereits vorfinden, verantwortbar ist, wenn nicht eindeutige und vor allen Dingen stichhaltige Beweise vorliegen.
Spenden an Parteien und an Politiker — und seien sie noch so korrekt geleistet worden — werden inzwischen als etwas Anrüchiges, Unehrenhaftes, als etwas Kriminelles verunglimpft, ohne daß hierfür konkrete Hinweise vorliegen.
Für diese in dem Presseartikel als wahr hingestellten Vorwürfe fehlt — das muß ich hier sagen — bisher jeglicher Anhaltspunkt. Soweit Abgeordnete in diesem konkreten und dargestellten Fall Spenden erhalten haben, haben sie diese Spenden an ihre Parteiverbände, Orts-, Kreis-, Bezirks- und Landesverbände weitergegeben. Dies ist völlig legal. Das Bundesverfassungsgericht hat uns auferlegt, uns zu mehr als der Hälfte aus Beiträgen und Spenden zu finanzieren.
Wir versuchen das. Sie von den GRÜNEN, Herr Schily, leben von Steuermitteln, die die Bürger Ihnen gar nicht freiwillig geben.
Wir finanzieren uns aus Beiträgen und Spenden, und wir werden das auch weiterhin tun, ohne diese Tatsache kriminalisieren zu lassen. Damit müssen Sie sich abfinden.
Ich sage Ihnen eines: Unsere Kollegen sind nicht zu kaufen.
Wir haben sehr demokratische Findungsprozesse, um unsere Parteifreunde in die Parlamente zu schicken, vom Ortsverband über den Kreisverband, den Bezirksverband und die Landeswahlversammlung. Da nützen ein paar tausend Mark Spende eines einzelnen Unternehmens oder eines Verbandes nichts. Hier werden langjährige Vertrauensprozesse in Wahlentscheidungen umgesetzt. So sieht bei uns die Demokratie aus.
Es heißt, es bestehe ein Verdacht, der überprüft werden müsse. Man habe Anhaltspunkte, die diese Vorwürfe rechtfertigen würden. Man zeigt Ablichtungen von Dokumenten, die angeblich für die Kriminalpolizei Belege für Schmiergeldaffären seien.Meine Damen und Herren, als die Briefe des Pharmaverbandes geschrieben wurden, waren doch die Entscheidungen längst getroffen. Herr Kollege Hauck hat hier doch eben die Daten genannt und auf die Ergebnisse hingewiesen, und zwar zu Recht, wie ich meine. Es sind gute Ergebnisse.Meine Kollegen von den GRÜNEN, die Sie diese Aktuelle Stunde beantragt haben, Sie sollten sich einmal vergegenwärtigen, was die jetzt bekanntgewordenen Entscheidungen der Staatsanwaltschaf-
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11222 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
Beckmannten von Bonn und Frankfurt bedeuten, vor allen Dingen juristisch bedeuten.
Darauf wird nämlich in der jetzt emotional geführten Diskussion viel zuwenig geachtet.
— Herr Schily, wenn die Staatsanwaltschaft einen solchen Beschluß faßt, heißt das nicht etwa, daß sie nicht Anklage erheben will,
weil kein hinreichender Tatverdacht besteht. Es heißt auch nicht, daß sie nicht weiter ermitteln will, weil kein Ermittlungsverdacht mehr besteht. Es heißt einzig und allein, daß sie gar nicht erst daran denkt, Ermittlungen aufzunehmen.
— In einem solchen Fall, Herr Schily, fehlt für die Aufnahme von Ermittlungstätigkeiten der erforderliche Anfangsverdacht.
Sie stellen unsere Kollegen hier — —
Meine Damen und Herren, ich bitte wirklich, mit den Zwischenrufen etwas zurückhaltender zu sein und dem Redner Aufmerksamkeit zu widmen.
Sie stellen hier unsere Kollegen als quasi Kriminelle dar. Die Staatsanwaltschaft hat überhaupt gar keine Idee hierfür. Ein solcher Verdacht, der hier von Ihnen geäußert wird, kann j a nur dann bejaht werden, wenn es als möglich erscheint, daß überhaupt eine verfolgbare Straftat vorliegt.
Hierfür reichen bloße Vermutungen wie der angeführte Artikel und Vermutungen, wie Sie sie hier geäußert haben, nicht aus.
In unserem Staat reicht es nicht aus, eine bloße Vermutung zu äußern, um bereits eine Strafverfolgung in Gang zu setzen. Das müssen Sie berücksichtigen.
Nichts anderes bedeutet die Entscheidung der Staatsanwaltschaften von Bonn und Frankfurt.
Meine Damen und Herren, es wird damit — ich komme zum Schluß — die Möglichkeit, daß eine verfolgbare Straftat vorliegt, verneint.
Ich möchte mit einem japanischen Sprichwort schließen, das sich mit dem Thema Wahrheit beschäftigt: „Die Wahrheit selbst" — so heißt es dort
— „ist so wie klares, frisches Wasser. Trinkt die
Kuh davon, so wird es Milch; trinkt die Schlange davon, so wird es Gift."
Vielen Dank.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Neumeister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon ein eigenartiges Gefühl, hier vor den Kollegen des Deutschen Bundestages mit dem Makel behaftet stehen zu müssen, daß in der Öffentlichkeit, in allen Medien unseres Landes, ohne dafür Beweise dafür antreten zu müssen, von mir behauptet werden darf, ich sei gegen Zahlung eines Schmiergeldes käuflich, ließe mich durch Geld in meiner politischen Entscheidungsfindung beeinflussen, bestochen durch die Pharmaindustrie. Es gehört heute anscheinend zum Umgangston, mit Polemik die Vertrauensbasis zwischen Politikern und ihren Wählern durch behauptete oder lediglich geschickt suggerierte Verdächtigungen zu zerstören, im gleichen Maße aber auch für bestimmte Industriezweige dauerhafte Negativbilder aufzubauen.
Ich bin in dem Artikel des „Spiegel" des öfteren genannt worden und bestätige, daß ich 1976 von dem Verband der Pharmazeutischen Industrie eine Unterstützung zur Wahlkampffinanzierung erhalten habe;
keine Schmiergelder, lediglich Spenden, die direkt auf das Wahlkampfkonto meiner Partei in meinem Wahlkreis flossen und die dort unser aller Aufgabe an der politischen Willensbildung der Bevölkerung mitzuwirken, erleichtern sollten.
Ich halte diese Spenden nach wie vor für legal
und nicht — wie Sie, Herr Schily — für illegal.
Ich halte es für eine infame Unterstellung,
daß wir Abgeordnete uns durch diese Spenden in unserer Entscheidungsfindung bei der Erarbeitung des Arzneimittelgesetzes beeinflussen oder sogar unter Druck setzen ließen.Wir haben doch schließlich zum größten Teil — meine Damen und Herren, wir sind doch alle keine Neulinge — im Leben schon etwas geleistet.
— Jedenfalls die meisten von uns. Wir haben gelernt, Entscheidungen allein zu treffen und zu ver-
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Frau Dr. Neumeisterantworten — nach intensiver Beschäftigung mit dem jeweiligen Problem und auf Grund der Aneignung des nötigen Sachverstandes. Eine Wahlkampfspende für die Kreispartei kann uns doch von dieser grundsätzlichen Haltung nicht abbringen.
Das Arzneimittelgesetz, daß wir Abgeordnete nach intensiver und sorgfältiger zweijähriger Zusammenarbeit einstimmig verabschiedet haben, ist kein erpreßtes Gesetz, sondern ein anerkannt gutes Gesetz, das den Bürger vor Schäden zu schützen in der Lage ist.Um das allerdings zu verstehen, bedarf es eines besser untermauerten Sachverstandes, als ihn dieser Hetzartikel in dem „Spiegel" durchblicken läßt.
Auch die damalige Bundesgesundheitsministerin, Frau Katharina Focke, bestritt jetzt im Fernsehen, daß es der Industrie gelungen sei, das Gesetz zu verwässern. Wesentliche Elemente des Entwurfs seien — so sagte sie —, freilich gegen den Widerstand der FDP und des FDP-geführten Wirtschaftsministeriums, durchgesetzt worden. Sie sehen, es gab durchaus einen in der Koalition geführten Streit oder eine Auseinandersetzung. Aber diese Worte von Frau Focke bestätigen doch, daß wir frei entschieden haben. Genau das gleiche hat der Kollege Hauck doch eben in unwahrscheinlich guten, sachlichen Worten dargelegt.Der wenig informierte Berichterstatter des blind gewordenen „Spiegels" muß sich sagen lassen, daß wir die Kernpunkte des Gesetzes keineswegs ausgeschlossen haben: Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit sind nach dem neuen Gesetz Grundforderung für die Zulassung aller Arzneimittel.Wenn jetzt wieder über die größere Zahl der Arzneimittel in diesem Artikel gemeutert wird, so möchte ich sagen: Daß ein großer Teil der Naturheilmittel durch unser Bemühen überhaupt erhalten geblieben ist, dafür danken uns sehr viele Bürger.Schließlich erfüllten wir mit der Einführung der verschuldensunabhängigen Haftung für alle Arzneimittel keineswegs einen Wunschtraum der Pharmaindustrie.
Viele Länder beneiden uns um dieses gute Gesetz und nehmen es als Vorbild für eigene Regelungen zur Erhaltung der Arzneimittelsicherheit.Ich bin mir klar darüber, daß überall dort, wo Menschen durch Wahl der Bürger in eine verantwortungsvolle Position gestellt werden, sei es auf Kreis-, Länder- oder Bundesebene, besonders hohe Anforderungen an sie in bezug auf Einsatzbereitschaft, Verantwortungsbewußtsein und Ehrlichkeit gestellt werden. Sie müssen sich auch eine gewisse Transparenz gefallen lassen, auf Grund derer ihr Leben, ihre Entscheidungen und Handlungen verstärkt den Bürgern bekanntgemacht werden.Sie können aber auch — das möchte ich hier betonen — dennoch erwarten, daß auch ihr persönliches Ansehen und ihr Ruf nicht durch unbewiesene Beschuldigungen und falsche Tatsachenbehauptungen willkürlich ruiniert wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Egert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war bei der Arzneimittelgesetzgebung der stellvertretende Vorsitzende des Unterausschusses für die Arzneimittelrechtsreform. Ich werde nach einer sehr schwierigen Debatte und Diskussion um diesen Gesetzwentwurf nicht hergehen und nachträglich die Erfolge, die Arbeit, die dort in diesem Unterausschuß und dann in dem federführenden Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit geleistet worden ist, hämen, weil dazu auch kein Anlaß besteht.
Aber — dies sollte uns in dieser Debatte sensibel machen — die Umstände, die behauptet werden, daß sie nämlich sozusagen außerhalb der sachlichen Arbeit eine Rolle gespielt haben, sind allerdings aufklärungsbedürftig, und über die kann nicht hinweggeredet werden.
Nun will ich eine Bemerkung machen, vor welchem Hintergrund diese Debatte in dem Unterausschuß geführt worden ist, weil viele dies ja nicht miterleben konnten und miterlebt haben. Wie immer, wenn es um Gesetze geht, mit denen auch handfeste wirtschaftliche Interessen zur Disposition stehen, gibt es massive Formen der Einflußnahme. Die hat es auch bei dieser Gesetzgebung gegeben. Wer so tut, als hätten die Lobbyisten in Bonn geschwiegen und brav gewartet, bis wir zu ihnen kommen und sagen, was wir wollen, der irrt.Die Frage ist nur, ob diese massive Einflußnahme Wirkungen hat, die nicht in der Sache liegen. Da sage ich für die Kolleginnen und Kollegen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion, die mit mir an diesem Gesetz gearbeitet haben: Diesen Einfluß neben der Sache hat es nicht gegeben.
Was es gegeben hat, war — Herr Beckmann, darüber können Sie doch nicht hinwegreden —: Es war doch nicht zufällig, daß der Landesvorsitzende der FDP in Rheinland-Pfalz Bundesgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie war. Ich konnte mir manches Gespräch mit meinem damaligen Koalitionspartner sparen, wenn ich mit Herrn Scholl als Bundesgeschäftsführer geredet hatte. Es gehört zu den strukturellen Elementen dieser Entscheidung, daß der interne Interessenzusammenhang natürlich in die Arbeit des Parlamentes eingegangen ist.
— Nein, ich widerspreche nicht Herrn Hauck. Ichsage nur, daß die personelle Verflechtung in Herrn
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EgertScholl in der Person des Landesvorsitzenden der FDP in Rheinland-Pfalz und des Bundesgeschäftsführers der Pharmazeutischen Industrie bei diesem Gesetzgebungsvorgang geschmäcklerisch war.
Ein zweiter Punkt: Wir haben im Parlament — Frau Dr. Neumeister hat ja eben darauf hingewiesen — einen Gesetzentwurf der CDU gehabt, Herr Kittelmann. Daran läßt sich Punkt für Punkt messen, was dann letztlich Gesetzgebung dieses Bundestages geworden ist und was die Alternative dazu war. Wir, die Sozialdemokraten, mußten bei dem Bemühen, unseren Gesetzentwurf durchzusetzen, sicherstellen, daß wir auch im Bundesrat, der damals wie heute keine Mehrheit der Sozialdemokraten kannte, mit unserem Gesetzentwurf erfolgreich sein konnten. Es war abzumessen, ob das Arbeitsergebnis mit dem Anspruch, den wir mit der Arzneimittelreform verbunden hatten, noch vereinbar sein würde. Wir haben nach sorgfältiger Prüfung gesagt: Ja, dieses Ziel ist nach Abschluß dieser Beratungen erreicht.Zu dem politischen Hintergrund gehört auch, daß die sozialdemokratischen Abgeordneten natürlich auch die Argumente von Bürgerinnen und Bürgern — und auch die waren nicht frei von kommerziellen Interessen — aufgenommen haben, etwa auf dem Sektor der Naturheilmittel. Wer erinnert sich hier im Haus nicht noch an die Tausende von Briefen, die zu einem Wirksamkeitsnachweis im Gesetz gekommen sind, der ausschließlich die chemische Industrie mit ihren Präparaten hätte überleben lassen? Wir wollten, daß der Wissenschaftspluralismus eine Chance kriegt, daß Naturheilmittel am Markt bleiben können.
Dies war nur möglich um den Preis eines veränderten Wirksamkeitsnachweises.Also, es ging nicht um Einfluß neben der Sache, sondern um das Aufnehmen dessen, was Bürger gesagt haben. Dies war eine Zielsetzung. Da sind dann auch andere hinsichtlich dieser Anforderungen Begünstigte gewesen, aber nicht gewollt Begünstigte, sondern notwendigerweise Begünstigte — weil wir diesen Schatz der Naturheilmittel den Menschen erhalten wollten. Deshalb haben wir da eine Veränderung in dem Gesetz vorgenommen.Wichtig ist mir, hier von diesem Pult festzustellen, daß die Abgeordneten, die sich dort mehr als ein Jahr bemüht haben, die Argumente aufzunehmen
— sehr richtig, Frau Kollegin Fuchs; da ist vorhin von 18 Stunden gesprochen worden; daran haben wir ein Jahr gearbeitet, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen; das noch als Nachtrag zu der anderen Diskussion —, sich bei ihrer Entscheidung von sachfremden Überlegungen nicht haben leiten lassen. Den Verdacht weise ich entschieden zurück. Allerdings sage ich genauso nachdrücklich: Ich will geklärt wissen, ob der Erfolg der Sozialdemokratie mit dieser Gesetzgebung durch Machenschaften behindert worden ist, die sich mit Geld verbinden lassen.
Das Wort hat der Abgeordente Weirich.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schily, ich finde es eigentlich ganz verständlich, daß Sie bei Ihren Orientierungsschwierigkeiten und bei Ihrer Selbstverständniskrise nach jeder Pille greifen.
Nur fürchte ich, daß Sie mit dieser Arznei nicht gesunden.Meine Damen und Herren, Parteien und Parlamente brauchen investigative Kraft — Medien auch. Deswegen tun wir gut daran, auch die Ergebnisse von Enthüllungsjournalismus, auch wenn sie noch so dürftig sind, kritisch zu prüfen; denn schon Tucholsky hat gesagt:
Es kommt in der Politik nicht darauf an, wie eine Sache ist, es kommt darauf an, wie sie wirkt.Würde der „Spiegel" mit harten Fakten der deutschen Politik einen Bestechungs- und Korruptionsspiegel vorhalten, wäre ich der erste, der auf strengen Untersuchungen bestünde.
Ich finde es aber grotesk, Tugendwächter politischer Moral sein zu wollen und es gleichzeitig mit den Regeln journalistischer Ethik nicht genau zu nehmen.
Da gibt es eine Schlagzeile ohne Fragezeichen: „Von gekauften und geschmierten Politikern", ohne daß dafür der Hauch eines Beweises angetreten wird. Da werden Beamte genannt und Vorhaltungen gemacht, ohne daß diese präzisiert werden. Bevor die Geschichte erschien, wurde kein einziger betroffener Politiker und kein einziger Mensch aus der Pharmaindustrie gefragt ob das überhaupt richtig ist.
Das ist umfassender Verzicht auf Recherche und ganz schlechter Journalismus.
Ich füge hinzu: Schlimm ist eine journalistische Grenzmoral, die nicht alle Möglichkeiten der Erkundung von Tatsachen ausschöpft, sondern nur
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Weirichdarauf angelegt ist, eine zu Recht sensibilisierte Öffentlichkeit in ihrer Stimmung anzuheizen.
La Guardia hat einmal zynisch gesagt: Zuerst müsen wir die Fakten haben, bevor sie dann verdrehen.Schlimm ist meiner Auffassung nach auch die Vermischung von Spenden und angeblicher Beamtenbestechung. Ich füge hinzu: Ich fordere alle Beamten auf, soweit das nicht geschehen ist, gegen sich selbst disziplinare Ermittlungen einzuleiten, damit dies geklärt werden kann.
Ich füge auch hinzu: Bundesverfassungsgericht und Parteiengesetz sehen Spenden als einen ganz wesentlichen Teil der Parteienfinanzierung an, und ich sage auch, daß Spenden erwünscht und überhaupt nichts Anstößiges sind.
Wie wichtig Spenden sind, zeigt doch die grün-rote Staatsknetenpraxis in Hessen,
wo das auf Kosten des Steuerzahlers von Ihren Funktionären betrieben wird. Ich füge hinzu, daß keiner bei den GRÜNEN so weit aussteigt, daß er für Geld nicht mehr zu erreichen ist.
Meine Damen und Herren, es ist auch nicht schlimm, daß etwa Verbände und Organisationen Politiker wegen des Ziels der Fortentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft unterstützen. Dies ist ein legitimes Anliegen; denn grün-roter Sozialismus ist so schädlich für die Wirtschaft wie der Saure Regen für den Wald.
Lassen Sie mich mit drei Bemerkungen schließen. Die erste Bemerkung. Wer integre Abgeordnete als willfährige Instrumente der Großindustrie denunziert, nur weil sie eine Spende erhalten haben, der handelt kleinkariert und verbiestert
und vergeht sich gegen vernünftige Grundregeln der parlamentarischen Demokratie.
Zweitens. Gegen diese schlimme Unterschätzung von Selbstachtung und Rückgrat von Parlamentariern sollten wir uns alle wehren, wenn wir es mit der parlamentarischen Demokratie ernst nehmen.Drittens. Wir werden das Vertrauen in die parlamentarischen Institutionen gewiß nicht stärken, wenn alles unter den Teppich gekehrt wird.
Wir werden das Vertrauen in die Institutionen aber noch weniger stärken, wenn wir ständig gegenseitige Beschuldungsrituale in der trügerischen Hoffnung erheben,
daß an der anderen Seite mehr als an der eigenen hängenbleibe. Davor sollten wir uns hüten, meine Damen und Herren!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jaunich.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich meine, es ist schon bezeichnend, wie die einzelnen Fraktionen diese Debatte angelegt haben. Die GRÜNEN behaupten, alle Altparteien sind korrupt,
und die Vertreter von CDU/CSU und FDP erwecken hier den Eindruck, als wenn die Annahme von Spenden für einen Abgeordneten bereits Pflicht sei.
Wir Sozialdemokraten werden uns bemühen, im Rahmen dieser Debatte den Nachweis zu führen, daß selbst all das, wenn es zutreffend sein sollte, was an Geschmacklosigkeiten in diesem „Spiegel"-Artikel steht, keinen sachfremden Einfluß auf das Gesetz genommen hat. Daran mag man bereits erkennen, mit welchen Intentionen die einzelnen Fraktionen an solche Themen herangehen.Im Gegensatz zu manchen, die sich hier in dieser Debatte äußern, und zu vielen, die sich mit diesen Fragen jetzt beschäftigen werden, weiß ich, wovon ich rede, wenn Arzneimittelgesetz 1976 gesagt wird; denn auch ich gehöre zu jenen, die seinerzeit von Anfang an an dieser Materie mitgearbeitet haben. Dies war eine harte Zeit von Beratungen. Es war eine Materie, in die man sich als Nicht-Wissenschaftler erst sehr hart einarbeiten mußte und wo es sehr, sehr viele Erörterungen mit Betroffenen, mit Beteiligten, mit Fachleuten einfach geben mußte, um zu sachgerechten Entscheidungen zu kommen. Wenn ich dann in einem Artikel lese, die milliardenschwere Branche, also die Pharmaindustrie, habe quasi die Gesetzgebung gekauft, dann ist das ein unerhörter Vorwurf. Ich empfinde das so; denn das Arzneimittelgesetz ist seinerzeit vor dem Hintergrund der Contergan-Affäre konzipiert worden. Wenn sich die Gesetzgebung also von der Pharmaindustrie hätte kaufen lassen, hieße das doch für Abgeordnete und Beamte, wir hätten unsere Pflicht versäumt, wir hätten es unterlassen, die Arz-
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Jaunichneimittelsicherheit zu verbessern, was das Ziel dieses Gesetzes war. Ich kann nur sagen: Dies muß sachlich aufgeklärt, und alles muß untersucht werden.
Aber ich erkläre bereits heute für mich: Ich lasse mir meine Ehre weder von schlampig recherchierenden Journalisten noch von schlampig argumentierenden Abgeordneten nehmen.
Es war unser Gesetz, ein Gesetz, an dem die Sozialdemokratie gehangen hat, für das sie gekämpft hat. Eine sozialdemokratische Ministerin hat es eingebracht.Ihm stand ein Entwurf der CDU gegenüber, der die Anforderungen an Arzneimittelqualität und -sicherheit nicht wie der unsere zum Inhalt hatte.
Das Verbot bedenklicher Arzneimittel wird im § 5 des geltenden Gesetzes konstatiert. Und dort ist eben nicht, wie der „Spiegel" meint, gegenüber dem Referentenentwurf etwas zurückgefahren worden, sondern, ganz im Gegenteil, es ist dort noch zugelegt worden. Die Versuche, in diesen § 5 eine Milderung der Anforderungen hineinzunehmen, gingen bis zur letzten Stunde. Die CDU hatte in ihrem Entwurf eine partielle Milderung vorgesehen. Die haben wir mit der Kraft der Koalition damals zurückweisen können. Darauf weise ich mit aller Entschiedenheit hin.
Wenn der „Spiegel" weiterhin fälschlich behauptet, daß die am Markt befindlichen Medikamente sich nicht im nachhinein auf den Prüfstein stellen lassen müssen, ist das falsch.
Die Nachzulassung haben wir durchgesetzt. Wir haben gegen den massiven Widerstand der Pharmaindustrie im Gesetz die verschuldensunabhängige Herstellerhaftung durchgesetzt.
Wir haben, wie gesagt, die Nachzulassung durchgesetzt.Daher haben wir absolut saubere Karten. Gleichwohl sind wir dafür, daß all das, was an Geschmacklosigkeiten durch den Artikel auf den Markt gebracht worden ist, untersucht werden muß. Aber an erster Stelle, meine ich, sind wir verpflichtet, dem deutschen Volk zu beweisen, daß das, was Sinn und Ziel und Zweck dieses Gesetzes war, durchgesetzt worden ist, und zwar nahtlos vom Anfang bis zum Ende.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becker.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Zu dem Korruptionsvorwurf des „Spiegel" „Wie die Pharma-Industrie Bonn kaufte" stelle ich fest: CDU und CSU waren in der 7. und 8. Wahlperiode in der Opposition. Ihr Einfluß war daher überaus begrenzt.
Die Novelle zum Arzneimittelgesetz wurde von der SPD-geführten Regierung in der 7. Legislaturperiode vorgelegt.
Sie wurde ab 1974, wie wir heute schon gehört haben, eingehend beraten.
1976 wurden die Beratungen mit Erfolg abgeschlossen, und die Novelle wurde einstimmig — ich lege Wert darauf: einstimmig — vom ganzen Haus beschlossen.Nun zu mir. Ich wurde erst in der 8. Wahlperiode in den Deutschen Bundestag gewählt. Daher konnte ich auf die damaligen Beratungen überhaupt keinen Einfluß nehmen. Ich betrachte es daher als eine infame Unterstellung, mich in diesen Zusammenhang zu stellen. Meine Selbstachtung gebietet, hier zu sagen: Ich war nicht käuflich, und ich bin nicht käuflich. Ich lasse mein Gewissen nicht ausstopfen oder gefügig machen.Ich habe in der 8. Wahlperiode Spenden gesammelt, und ich werde dies weiterhin tun.
Denn die Parteien und ihre Gliederungen sind auf Spenden angewiesen. Parteiengesetz und Bundesverfassungsgericht sehen Spenden als wesentliche Teile der Parteienfinanzierung an. Eine Finanzierung nur durch den Staat wie bei der Staatsknete für die GRÜNEN ist für unsere Demokratie nur abträglich.
Wo kämen wir in diesem Staat hin, wenn jeder, der für etwas sammelt, und sei es auch für eine Partei, in den Geruch gestellt wird, er diene nur seinen Interessen oder sei korrupt?Wo soll nun ein Abgeordneter nach Spenden fragen? Nehmen wir mich.
Bei den Gewerkschaften, so fürchte ich, werde ich keine bekommen.
Auch bei Stahl und Kohle werde ich keine bekommen. Ich kann Ihnen noch eine ganze Reihe ande-
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Dr. Beckerrer Gruppierungen in unserem Staat nennen, bei denen ich auch keine bekommen werde.
So bleibt mir nur — wie jedem anderen Abgeordneten dieses Hauses in einem ähnlichen Fall —, daß ich dort nachfrage, wo ich bekannt bin, wo ich die Leute kenne. So werde ich bei meinen Freunden,
bei meinen Patienten, bei Ärzten, bei Versicherungen und auch bei der zum Buhmann der Nation gemachten Pharmaindustrie nach Spenden fragen.Inzwischen hat sich herausgestellt, daß der „Spiegel" vom Montag mehr als beschlagen, wenn nicht sogar blind war.
Geblieben ist die durchsichtige Masche, hier eine Affäre aufzubauen. Da will man der ungeliebten Pharmaindustrie wieder etwas anhängen,
da will man den Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU, aber auch der FDP und der SPD
etwas in die Schuhe schieben.
Hier schädigt man den Ruf des Hauses allgemein.
Vor allem auch will man den heutigen Regierungsparteien etwas ins Nest legen. Da baut man einen Pappkameraden, garniert ihn schön mit gezielten Vermutungen, wachsweichen Anspielungen und süffisanten Anmerkungen, und dann behauptet man ganz einfach: Die in Bonn sind wieder einmal gekauft worden.Meine Damen und Herren, Madigmachen ist anscheinend wieder Trumpf. Irgend etwas, so wird kalkuliert, wird beim Wähler schon hängenbleiben. Darum, Kolleginnen und Kollegen, sollten wir alles ganz tief hängen — mehr war es nicht wert — und dafür sorgen, daß unbewiesene Unterstellungen und irgendwelche Vorwürfe und Behauptungen nicht zur Rufschädigung führen.Besten Dank.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Bachmaier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die in dieser Woche gegen Politiker und Beamte in der Presse erhobenen Vorwürfe müssen lückenlos aufgeklärt werden. Dies ist für uns eine selbstverständliche Pflicht. Im Zusammenhang mit den beiden Untersuchungsausschüssendieser Legislaturperiode, die sich mit der FlickAffäre sowie mit der Affäre Wörner im Falle Kießling befaßten, haben wir für jedermann sichtbar unter Beweis gestellt, daß wir weder eine Fremdbeeinflussung des Bundestages oder sonstiger staatlicher Organe noch einen Mißbrauch übertragener Machtfunktionen hinzunehmen bereit sind. Da es sich beim Arzneimittelrecht um einen äußerst sensiblen Bereich staatlicher Fürsorge handelt, werden wir den erhobenen Vorwürfen im Rahmen der uns gegebenen parlamentarischen Möglichkeiten mit äußerster Sorgfalt und Akribie nachgehen,
um unverzüglich eine volle und umfassende Aufklärung herbeizuführen.
Aus diesem Grunde haben wir zunächst zwei Maßnahmen ergriffen: Unser Fraktionsvorsitzender hat den Herrn Bundestagspräsidenten heute gebeten, zu prüfen, ob Zuwendungen der in den Veröffentlichungen genannten Art entsprechend den geltenden Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages angezeigt worden sind oder nicht. Der Bundestagspräsident wurde auch gebeten, in die Überprüfung die Unterlagen aus der 7. und 8. Wahlperiode mit einzubeziehen, da auch Abgeordnete früherer Legislaturperioden betroffen sein könnten.Ferner haben wir die Bundesregierung in einer Kleinen Anfrage heute um Auskunft gebeten, ob sie Kenntnis davon hat, daß Bundesbeamte — mittelbar oder unmittelbar — Zuwendungen aus dem Bereich der pharmazeutischen Industrie erhalten haben.
— Wir fordern die Bundesregierung hierbei auf, dem Parlament die eventuelle Zahl der Beamten sowie Form und Höhe eventueller Zuwendungen mitzuteilen. In die von der Bundesregierung vorzunehmende Überprüfung sollen selbstverständlich auch die mittlerweile im Ruhestand lebenden Beamten mit einbezogen werden.In unserer mit der Bitte um unverzügliche Beantwortung eingebrachten Kleinen Anfrage wollen wir von der Regierung konkret wissen, ob sie bereit ist, insbesondere die gegen Beamte des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit und des Bundesgesundheitsamtes erhobenen Vorwürfe zu prüfen. Dabei liegt uns natürllich entscheidend daran, von der Bundesregierung zu erfahren, ob nach ihrer pflichtgemäßen Prüfung hinsichtlich Zuwendungen an Beamte ein Einfluß der pharmazeutischen Industrie auf die Neuordnung des Arzneimittelrechts ausgeschlossen werden kann oder nicht.Darüber hinaus verlangen wir natürlich Auskunft von der Bundesregierung, ob sie je nach dem Ergebnis der Überprüfung entweder disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen betroffene Beamte oder Ruhe-
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Bachmaierstandsbeamte einleitet, bzw. in welcher Weise die Bundesregierung zum Schutze der beschuldigten Beamten tätig wird, wenn sich die erhobenen Vorwürfe als unzutreffend erweisen.
— Herr Kollege, wir sind keine Vorverurteiler, weder in der einen noch in der anderen Richtung.Meine Damen und Herren, wir glauben, daß die von uns zunächst eingeleiteten Schritte in der gegenwärtigen Lage den sinnvollsten Weg darstellen, eine schnelle und umfassende Aufklärung herbeizuführen. Nachdem die Bonner und Frankfurter Staatsanwaltschaften keine rechtliche Grundlage sehen — Herr Kollege, darum geht es —, im Wege eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens zur Erhellung der erhobenen Vorwürfe beizutragen, sind gerade Bundestag und Bundesregierung in noch stärkerem Maße gefordert, den Vorwürfen bis ins Detail nachzugehen.
Sollte der von uns zunächst eingeschlagene Weg nicht alsbald zu einer lückenlosen Aufklärung führen, ist für die SPD-Bundestagsfraktion ein Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses die notwendige und konsequente Folge.Herzlichen Dank.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kleinert.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Es wäre dem Wächteramt eines bekannten Nachrichtenmagazins aus Hamburg sicherlich gut bekommen, wenn es vorher einmal etwas genauer recherchiert hätte. Es ist tatsächlich ein etwas unglücklicher Zusammenhang, einerseits so hohe moralische Ansprüche zu erheben, andererseits ohne Rücksicht — ohne jede vernünftige Rücksicht — auf anderer Leute Ehre Behauptungen aufzustellen und das dann in einer so schlampigen Form zu tun, wie es da geschehen ist.Ich stimme dem Kollegen von der SPD ausdrücklich zu, der sagt, hier geht es in erster Linie um die Sache, um den Hergang der Beratungen und die Frage, ob dieses Parlament, und zwar in allen seinen Fraktionen, so wie sie damals beteiligt gewesen sind, sich bei der Beratung des Arzneimittelgesetzes etwas hat zuschulden kommen lassen. Es ist hier auch schon dargestellt worden, daß allein die Termine auf eine ganz seltsame Weise dagegen sprechen, daß die nahegelegten Vermutungen, daß die erhobenen Verdächtigungen etwas mit der Beratung dieses Gesetzes hätten zu tun haben können, weil nämlich zu dem Zeitpunkt, als hier angeblich Einflußnahme versucht worden ist — jedenfalls gegenüber Abgeordneten; bei den Beamten wird das ja noch mehr im dunkeln gelassen, was gewesen sein soll oder nicht —, die Beratungen bereits abgeschlossen waren.
— Sie irren sich sehr, Herr Kollege, Sie irren sich sehr. Habe ich Vorschuß, kann ich denken; vorher!
Es ist jedenfalls so, daß im Laufe der Beratungen die Regierungsvorlage in wesentlichen Punkten verschärft worden ist, und zwar von Mitgliedern von allen Seiten des Hauses, naturgemäß also dann auch von Freien Demokraten.
Es ist ferner so, daß wir uns aus ordnungspolitischen und rechtspolitischen Gründen gegen die gewünschte Fondslösung, die die pharmazeutische Industrie haben wollte, entschieden gewendet haben und für eine Versicherungslösung eingetreten sind. Ich glaube, diese Bestrebungen sind insbesondere — das war jedenfalls auch mein Beitrag zu den Beratungen, an denen ich auf fachlicher Seite sonst nicht beteiligt gewesen bin — von uns vorgetragen worden. Sie sind schließlich in das Gesetz eingegangen, und sie waren präzise das Gegenteil von dem, was sich die pharmazeutische Industrie in diesem Punkt gewünscht hätte. Das alles spricht von der Sache her — und ich halte mich an diesen Gesichtspunkt — schon einmal sehr dagegen, daß die behaupteten Verdächtigungen überhaupt Anhaltspunkte ergeben.
Nachdem ich dies gesagt habe, komme ich erst einmal zu meiner Person. Ich bin ja dort auch, wie Ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen ist, in ungewöhnlich liebenswürdiger Weise zitiert worden. Ich fand das Lob, das der seinerzeitige Geschäftsführer des pharmazeutischen Verbandes für meine hiesigen Tätigkeiten ausgesprochen hat, übertrieben und bin da etwas beschämt. Was mich aber an dem ganzen Vorgang stört, ist daß das für den Landesverband, dessen Schatzmeister zu sein ich die hohe Ehre und das zweifelhafte Vergnügen habe, nicht die geringsten materiellen Folgen gehabt hat. Das ist sehr bedauerlich.
Ich nutze die Gelegenheit, darauf ausdrücklich hinzuweisen. Die Nachfolger können sich da noch durchaus verdient machen, denn wir nehmen wirklich Spenden, wenn sie uns so gegeben werden, daß nicht der geringste Verdacht einer Einflußnahme bestehen kann. Ob der besteht oder nicht, das liegt an der Art, wie wir uns bewegen, das liegt daran, wie die Kollegen glauben, daß wir mit ihnen und mit uns selber umgehen, und das werden wir weiter so halten wie bisher.Ganz zum Schluß, Herr Egert: „Le Berufsverbot" und „le Waldsterben", das sind so Vokabeln, die unsere Nachbarn im Westen etwas mißverständlich ironisierend in ihre Sprache übernommen haben.Daß irgendein Landesvorsitzender der Freien Demokratischen Partei einem Beruf, z. B. als Hauptgeschäftsführer eines Verbandes, nachgeht, das, meine ich, sollte doch von Ihrer Seite, der Sie zu den ersten gehören, die in ganz anderen Fällen jede
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Kleinert
Art von Betätigung zulassen wollen, nicht beklagt werden.
Das möchte ich bei dieser Gelegenheit auch noch feststellen. Für diese Leute gilt dann zum Schluß genau das Gleiche. — —
— Ja, wenn der eine oder andere verunglückt ist, und es hat ja einen gewissen Anschein, daß das hier der Fall sein könnte, dann wollen wir uns doch jetzt nicht unsere Ahnentafeln gegenseitig herbeten, sondern uns an die statistische Tatsache halten, daß das überall schon vorgekommen ist und leider auch in Zukunft vorkommen wird. Wir lassen uns jedenfalls nichts an unserer persönlichen Ehre — und zwar gilt das für alle Mitglieder des Hauses gleichermaßen — antun, noch dazu von Leuten, die sich nicht die geringste Mühe machen, sich mit Tatsachen zu befassen.
Ich erteile das Wort dem Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt nur einen Grund, warum ich mich in dieser Aktuellen Stunde zu Wort melde: Es sind die Vorwürfe gegen zwei Beamte, die gegenwärtig im Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit und im Bundesgesundheitsamt tätig sind, sowie die Vorwürfe gegen frühere Beamte.
Keiner von ihnen hatte, soweit ich weiß, vorher die Gelegenheit, sich zu den im „Spiegel" erhobenen Vorwürfen zu äußern. Sie haben aber, nachdem dieser Bericht zum Gegenstand einer parlamentarischen Debatte gemacht worden ist, wie jeder andere Staatsbürger das Recht, daß ihr Name nicht unberechtigt in den Schmutz gezogen wird.
Auf der anderen Seite muß der Staatsbürger aber auch das Vertrauen haben können, daß Beamte unbestechlich ihre Pflicht tun.
Ich habe aus diesen Gründen eine eingehende Überprüfung eingeleitet. Mir liegt aber daran, daß die vom „Spiegel" erhobenen Vorwürfe bis zum Abschluß dieser Überprüfung, soweit dazu jetzt schon etwas zu sagen ist, nicht einseitig im Raum stehenbleiben. Deswegen möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen, daß die angegriffenen Beamten sofort in einer dienstlichen Erklärung die gegen sie erhobenen Vorwürfe mit Nachdruck zurückgewiesen haben. Dennoch wird die Überprüfung selbstverständlich fortgesetzt.
Allerdings hat — ich hätte erwartet, daß auch von Ihrer Seite dazu etwas gesagt wird — derjenige Beamte, der sich deswegen nicht mehr wehren kann, weil er tot ist, der frühere Staatssekretär von Manger-Koenig, nach den Informationen, die mir bisher zur Verfügung stehen, die im „Spiegel" erwähnte Zahlung von 10 000 DM 1978, also fünf Jahre nach seiner Pensionierung, erhalten. Es handelte sich um ein Honorar für ein Gutachten über gesundheitspolitische Entwicklungen in der Weltgesundheitsorganisation. Die Unterschlagung dieser Tatsache — wenn es dem betreffenden Journalisten bekannt war, was wir aber vermuten können — zu Lasten des Toten und der Hinterbliebenen ist nach meiner Auffassung ein besonders infames Beispiel für die Verwahrlosung journalistischer Sitten.
Eine Abschlußbemerkung. Ich möchte denen zustimmen, die hier gesagt haben, daß wir ein gutes Arzneimittelgesetz haben. Es ist effektiv. Das gleiche gilt für seinen Vollzug auch durch das Bundesgesundheitsamt und seine Beamten. Ich habe bei der Übernahme meines Amtes feststellen müssen, daß der Prozeß der Aufbereitung und Nachzulassung der Altarzneimittel nur schleppend vorangekommen war. Wir haben inzwischen die notwendigen Entscheidungen getroffen, damit die Sache, wie vorgesehen, bis 1990 abgeschlossen werden kann. Selbstverständlich muß auch das Arzneimittelrecht in der Zukunft laufend verbessert werden. Die Bundesregierung — es ist ein Bericht der alten Bundesregierung gewesen — hat dem Parlament darüber berichtet. Die Konsequenzen werden durch eine weitere Novellierung des Arzneimittelgesetztes zur Zeit gezogen.
Ich halte es allerdings auch für unverantwortlich, daß durch eine undifferenzierte und nicht begründete Verdächtigung des gesamten Arzneimittelwesens, aber auch der Pharmazeutischen Industrie die Patienten verunsichert werden. Die Bundesregierung verharmlost nicht die Gefährdungen, die von der modernen Technik und modernen Chemie ausgehen, aber pharmazeutische Forschung muß es im Interesse der Menschen auch in der Zukunft geben. Die Bürger müssen richtig informiert werden. Moderne Arzneimittel waren und sind kein Fluch, sondern waren, sind und bleiben ein Segen für die Patienten und die Menschheit.
Zu einer Erklärung nach § 30 unserer Geschäftsordnung erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Fiebig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In seiner Ausgabe vom vergangenen Montag erweckt das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel" den Eindruck, ich sei durch finanzielle Zuwendungen für die Ziele der Pharmaindustrie und ihres Bundesverbandes eingenommen worden.Dieser falschen Behauptung liegt folgender Tatbestand zugrunde. Am 22. März 1977 habe ich im SPD-Pressedienst einen Aufsatz veröffentlicht mit dem Titel „Patentrecht, Arzneimittelsicherheit und Kostendämpfung", in dem ich mich für eine längere Patentlaufzeit für Pharmaka eingesetzt habe, jedoch nicht für die Frist von 20 Jahren, die die Pharmaindustrie damals forderte.
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11230 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
FiebigAuf diesen Aufsatz hin bin ich 1979, also drei Jahre nach der Verabschiedung des Arzneimittelgesetzes, vom Bundesverband der Pharmaindustrie nach München zu einer Fachtagung des Arbeitsausschusses für Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes eingeladen worden, einen Vortrag über das Thema Patentrecht mit anschließender Diskussion zu halten. Dafür habe ich ein Honorar und Unkostenerstattung erhalten.Das Thema Patentrecht ist in den 16 Jahren, in denen ich dem Bundestag angehöre, meines Wissens kein einziges Mal Gegenstand einer Verhandlung im Bundestagsausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit gewesen, dessen Mitglied ich auch in diesem Zeitraum war.Ich habe mich damit nach den Verhaltensregeln für Abgeordnete verhalten und weder in materieller noch personeller Hinsicht Zuwendungen vom Bundesverband der Pharmaindustrie erhalten. Ob sich der „Spiegel" nach den Geboten eines fairen Journalismus verhalten hat, sei dahingestellt. Ich habe jedenfalls gelernt: Audiatur et altera pars, auch der Betroffene muß gehört werden.
Der „Spiegel" jedoch hat mir keine Gelegenheit zu einer Stellungnahme gegeben und das vorgefaßte Urteil nach dem Motto semper aliquid haeret, irgend etwas bleibt immer hängen, exekutiert.So danke ich dafür, daß ich wenigstens hier eine Stellungnahme abgeben konnte, auch wenn diese sicherlich weitgehend verborgen bleiben wird.Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist beendet.
Ich rufe nun den Zusatzpunkt 6 zur Tagesordnung auf:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung über die Sicherheitslage in der deutschen Zivilluftfahrt
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache ein Beitrag bis zu zehn Minuten für jede Fraktion vorgesehen. — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutsche Luftfahrtverkehrsunternehmen haben im Jahre 1984 insgesamt 26 Millionen Passagiere befördert. Auf den 11 deutschen Verkehrsflughäfen wurden mehr als 50 Millionen Fluggäste abgefertigt. Deutschland wird von rund 70 ausländischen Liniengesellschaften regelmäßig und von mehr als 250 Chartergesellschaften angeflogen. Täglich gibt es auf den deutschen Flughäfen über 2 000 Starts und Landungen. Die deutschen Flughäfen sind weltweit mit rund 180 Flughäfen in 85 Ländern direkt verbunden. Die umgeschlagene Luftfracht wird 1985 1 Million Tonnen erreichen. Das ist in Zahlen ausgedrückt das Umfeld, für das wir Sicherheit gewährleisten müssen. Lassen Sie mich veranschaulichen: Der Luftverkehr ist und bleibt nach wie vor das sicherste Verkehrssystem überhaupt.Das Bundeskabinett hat sich auf seiner Sitzung am Dienstag, dem 25. Juni 1985, vor dem Hintergrund der schweren Anschläge der jüngsten Zeit auch mit der aktuellen Sicherheitslage im Bereich des zivilen Luftverkehrs befaßt.Diese Anschläge haben erneut die Verwundbarkeit dieses Verkehrsträgers vor Augen geführt. Sie zeigen, wie Menschenleben brutal und heimtükkisch vernichtet werden. Nicht die Technik, nicht die Naturgewalten, sondern der Mensch selbst stellt die größte Bedrohung in dem sicherheitsempfindlichen System Luftfahrt dar. Die Bundesregierung hat am Mittwoch, dem 26. Juni 1985, im Innenausschuß und im Verkehrsausschuß über die Lage berichtet.Im Einvernehmen mit dem Bundesinnenminister Zimmermann berichte ich zu den Entführungen und Anschlägen in jüngster Zeit:Entführung eines TWA-Flugzeuges am 14. Juni von Athen nach Beirut. Die Entführung gelang, nachdem offensichtlich Waffen an Bord gelangten, mit denen die Entführer die Maschine in ihre Gewalt bringen konnten.Sprengstoffanschlag am 19. Juni in der Abflughalle B des Flughafens Frankfurt. Die Bombe explodierte im öffentlichen, d. h. jedermann zugänglichen Teil des Flughafens. Zeugenvernehmungen und Hinweise haben bisher keine konkreten Ermittlungsergebnisse erbracht.Absturz einer Boeing 747 der Air India am 23. Juni und am gleichen Tage Bombenexplosion in der Frachthalle des Flughafens Tokio-Narita. Konkrete Erkenntnisse über Verursacher und Umstände der Anschläge liegen noch nicht vor. Fest steht, daß Ausgangspunkt beider Flüge jeweils der Flughafen Toronto war. Im Fall Tokio ist eine weitere Katastrophe im Ausmaß des Air-India-Absturzes nur deshalb nicht eingetreten, weil das Flugzeug 15 Minuten vor Plan landete.Nun, meine Damen und Herren, zu unseren Sicherheitsmaßnahmen. Wir haben behördliche Sicherheitsmaßnahmen, die gemäß unserer Rechtsordnung nach Weisung des Bundes von den Ländern in eigener Zuständigkeit und Dienstaufsicht durchgeführt werden, und wir haben eigene Sicherungsmaßnahmen der Flughäfen und Luftfahrtunternehmen.In diesem Zusammenhang sind folgende Maßnahmen besonders wichtig:Passagierbereich: Lückenlose körperliche Durchsuchung der Fluggäste,Lückenlose Kontrolle des Handgepäcks,Verhindern der Vermischung kontrollierter Fluggäste mit unkontrolliert ankommenden Fluggästen,
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Bundesminister Dr. DollingerGepäckmaßnahmen: Identifizierung des aufgegebenen Reisegepäcks mit dem Ziel, daß kein Reisegepäck ohne den dazugehörigen Fluggast befördert wird, Durchsuchung des aufgegebenen Reisegepäcks bei besonders gefährdeten Flugrouten.Fracht- und Postbereich: Fracht wird, sofern sie nicht von als zuverlässig bekannten Versendern aufgegeben wurde, durchsucht, in einer Simulationskammer überprüft oder zwischengelagert. Für Luftfracht in bestimmte Gebiete gelten andere Maßnahmen. Ähnliches gilt für die Beförderung von Luftpost.Zum Objektschutz darf ich bemerken: Bewachung von abgestellten Flugzeugen und anderen Objekten, Zugangskontrollen, Streifendienste innerhalb und außerhalb des Flughafengeländes.Diese Maßnahmen gelten unterschiedslos für Inlands- wie für Auslandsflüge, für den Linien- und den Charterflugverkehr gleichermaßen.Um auch im Ausland einen optimalen Schutz deutscher Fluggäste und Luftfahrzeuge zu gewährleisten, sind die bei uns geltenden Sicherheitsvorschriften auch Maßstab für die deutschen Gesellschaften im Ausland. Sind die behördlichen Maßnahmen dort nicht ausreichend und ist eine Besserung durch bilaterale Verhandlungen nicht erreichbar, so haben die deutschen Luftfahrtunternehmen zusätzliche Eigensicherungsmaßnahmen durchzuführen. Im Regelfall sind dies Zweitkontrollen der Passagiere und des Gepäcks.Das beweist, wie dicht das Netz der Sicherheitskontrollen im deutschen Luftverkehr ist: 1984 sind bei den Kontrollen 44 836 gefährliche Gegenstände sichergestellt worden, davon 817 Schußwaffen.Meine Damen und Herren, es ist Vorsorge getroffen, daß unsere Sicherheitsbehörden Anschläge auf den Luftverkehr auswerten und erkannte Schwachstellen beseitigen. Jeder Vorfall ist Anlaß, über Verbesserungen nachzudenken. Nur ein konsequenter Vollzug der Fluggastkontrollen unter Einsatz modernster Kontrollgeräte und verantwortungsbewußten Kontrollpersonals kann den gewünschten Erfolg zeitigen.Die Bundesrepublik Deutschland hat einen international anerkannten hohen Standard. Darüber hinaus wurde in Athen in Verhandlungen mit der griechischen Regierung erreicht, daß nicht nur die Deutsche Lufthansa, sondern auch alle deutschen Charterunternehmen eigene Zweitkontrollen durchführen können. Darüber hinaus werden wir stets darauf drängen, daß — wo immer im Ausland Schwachstellen bekannt werden — die erforderlichen Maßnahmen entsprechend dem internationalen Sicherheitsstandard durchgeführt werden.
Wir unterstützen nachhaltig die Bemühungen der internationalen Organisationen im Bereich der Zivilluftfahrt, die in die gleiche Richtung zielen. Die Internationale Zivilflugorganisation der UNO, die ICAO, und die Internationale Vereinigung der Flugunternehmer, IATA, behandeln zur Zeit das Thema Flugsicherheit.Die Innenminister der EG haben auf ihrer Konferenz in Rom am 21. Juni 1985 ein Bündel von Maßnahmen zur Bekämpfung des aktuellen Terrorismus beschlossen. Der EG-Verkehrsministerrat hat am 24. Juni 1985 in Luxemburg den Europäischen Rat in Mailand aufgefordert, das Problem des Terrorismus im Luftverkehr angesichts seiner Bedeutung auf höchster politischer Ebene zu behandeln. Der EG-Rat hat erneut die Entschlossenheit der Regierungen der Gemeinschaft bekräftigt, für ein höchstmögliches Maß an Sicherheit in der zivilen Luftfahrt zu sorgen.Die Bombenexplosion auf dem Frankfurter Flughafen ereignete sich in dem für jedermann zugänglichen Teil des Flughafengebäudes. Solche Anschläge lassen sich nicht verhindern. Hier kann nur eine Intensivierung der Streifentätigkeit im Rahmen des Objektschutzes und erhöhte Aufmerksamkeit aller weiterhelfen. Dies ist veranlaßt. Ein Restrisiko läßt sich — das muß ehrlich gesagt werden — leider nicht vermeiden.Auch bei der Deutschen Lufthansa hat es in den letzten Jahren Entführungen gegeben. Ich brauche nur Mogadischu zu erwähnen. Der mit einer einzigen Ausnahme unblutige Ausgang der Entführungen ist darauf zurückzuführen, daß es gelang, die Flugzeuge unbeschadet zur Landung zu bringen und am Boden die Geiselnahme nach Verhandlungen zu beenden. Dies hat auch zu dem jüngsten Beschluß im EG-Ministerrat geführt, entführten Flugzeugen in jedem Fall Landeerlaubnis zu erteilen.Die letzten Katastrophen haben erneut zur Diskussion über den Einsatz bewaffneter Sicherheitskräfte an Bord der Flugzeuge geführt. Ihr Einsatz hat sicher Vorteile, aber auch Nachteile. Der Vorteil liegt ganz einfach im Abschreckungseffekt gegenüber potentiellen Entführern und Terroristen. Eine bewaffnete Auseinandersetzung an Bord birgt jedoch die Gefahr in sich, daß eines der vielen empfindlichen Flugsysteme beschädigt wird, mit letztlich katastrophalen Folgen für alle Insassen. Gleich, ob auch wir uns für eine solche Begleitung entscheiden oder nicht: Wir müssen alle neuen Möglichkeiten der Bewaffnung prüfen.Gemeinsam mit dem Bundesinnenminister habe ich am Mittwoch dieser Woche mit den Unternehmensleitungen der deutschen Verkehrsflughäfen und der deutschen Luftverkehrsgesellschaften die Sicherheitslage eingehend erörtert. Es bestand bei allen Beteiligten die Überzeugung, daß die Sicherheitsvorkehrungen im deutschen Luftverkehr auch im internationalen Vergleich vorbildlich sind. Diese Position wollen wir auch in Zukunft behaupten.Zusammenfassend darf ich feststellen: Es wird auch weiterhin alles Menschenmögliche getan, um den Fluggast sicher zu empfangen und zu befördern. Namens der Bundesregierung danke ich allen Mitarbeitern der Flughäfen, Fluggesellschaften und
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Bundesminister Dr. Dollingerden Sicherheitskräften für ihren verantwortungsvollen Einsatz.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Daubertshäuser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit großer Besorgnis verfolgt die SPD-Bundestagsfraktion den zunehmenden Terrorismus im Bereich des internationalen Luftverkehrs. Dr. Jochen Vogel hat bereits zu Beginn dieser Woche erklärt: „Wir fühlen mit all denen, die durch Geiselnahme oder durch terroristische Anschläge ihre Angehörigen verloren haben oder selbst in eine bedrückende Situation geraten sind. Ich füge hinzu, daß wir als Opposition jede besonnene und vernünftige nationale und internationale Maßnahme zur Herstellung und Gewährleistung der Sicherheit des Luftverkehrs unterstützen werden." Soweit Dr. Vogel.Meine Damen und Herren, für den internationalen Terrorismus ist der Luftverkehr ein besonderes Angriffsziel. Dies hat auch zu tun mit der besonders spektakulären Öffentlichkeitswirksamkeit. Diese Bedrohung wird deshalb — davon müssen wir leider ausgehen — ein Dauerzustand bleiben. Dennoch muß der Kampf gegen diese Art menschenverachtenden Terrors intensiviert, vor allem aber systematisiert werden. Es geht dabei darum, das Menschenmögliche zu tun, um die Sicherheit des Luftverkehrs in der Luft und auf dem Boden zu erhöhen.Die Fragen der Luftsicherheit eignen sich auch nicht zum Parteienstreit. Eine uns allen gemeinsame Besorgnis sollte auch zu einem möglichst hohen Maß an Gemeinsamkeiten bei den anzustrebenden Lösungen führen. Noch weniger eignet sich dieses Thema allerdings dazu, mit dem Blick auf die Öffentlichkeit in einen bloßen Aktionismus zu verfallen. Aktionismus darf nicht mit Aktionen verwechselt werden. Auf einem so sensiblen Gebiet wie dem der Luftsicherheit sind Systematik, Besonnenheit und vor allem internationale Koordination und Kooperation unabdingbar.
Meine Damen und Herren, Klassenunterschiede, was die Sicherheitsanforderungen und die Sicherheitsstandards von Verkehrsflughäfen angeht, müssen der Vergangenheit angehören. Generell läßt sich sagen, daß das Luftsicherheitssystem und die Sicherheitsmaßnahmen in unserem Lande gut sind. Wir stimmen da Herrn Bundesverkehrsminister Dollinger ausdrücklich zu. Aber wir dürfen dabei nicht vergessen, daß die Routine die Wirksamkeit der Prüfungen und Kontrollen verwässert. Im nationalen wie im internationalen Maßstab ist zu sehen, daß insgesamt die Maßnahmen nur so wirksam sind, wie das schwächste Glied innerhalb der gesamten Transportkette.Es ist uns unverständlich, daß es nach wie vor Auseinandersetzungen darüber gibt, wer für dienotwendigen Maßnahmen die Kosten zu übernehmen hat. Diese Auseinandersetzung zwischen dem Bund, den Ländern, den Flughafengesellschaften und den Luftverkehrsgesellschaften darf aber nicht dazu führen, daß notwendige Maßnahmen verzögert oder gar nicht durchgeführt werden.Wir bedauern sehr, daß die Luftsicherheitsverordnung, die am 29. Mai 1985 in Kraft getreten ist, nur den kleinsten gemeinsamen Nenner, nämlich das Inkraftsetzen der Rechtsgrundlage für die Eigensicherungsmaßnahmen beinhaltet. Wir hatten erwartet, daß die Eigensicherungspflichten zumindest in Form von Kriterien und Rahmenbedingungen festgelegt worden wären. Wir fordern, daß nunmehr die Expertengruppe der deutschen Verkehrsflughäfen umgehend diese Arbeit leistet, die der Verordnungsgeber hätte leisten müssen, und daß anschließend die kürzlich in Kraft getretene Luftsicherheitsverordnung konkretisiert wird und dann baldmöglichst echte Ausführungsbestimmungen in Form eines Maßnahmenkatalogs vorliegen werden.Meine Damen und Herren, was die Sicherheit der Flughäfen anbelangt, muß jede zusätzliche Maßnahme daran gemessen werden, ob sie zuverlässig und wirkungsvoll terroristische Aktivitäten verhindert, ohne gleichzeitig den Flugbetrieb in einer Weise zu belasten, der Fliegen nicht mehr zweckmäßig erscheinen läßt.Wir wissen, die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen haben ihren Preis. Er darf aber nicht so hoch sein, daß er mit unangemessenen Einschränkungen von persönlichen Freiheiten bezahlt werden muß.
Dennoch müssen wir den Bürgern sagen, meine Damen und Herren, daß sie sich zu ihrem eigenen Nutzen mehr und stärker Kontrollen gefallen lassen müssen. Die drei zentralen Bereiche, die einer ständigen Schwachstellenanalyse unterzogen werden müssen, sind die Bereiche der Personenkontrolle, der Reisegepäckkontrolle und der Wartungsbereich.Meine Damen und Herren, sich ändernde Bedrohungssituationen erfordern andere, d. h. strengere Maßstäbe und noch wirkungsvollere Maßnahmen. Zu überprüfen ist auch, ob sich das gesamte mit dem Flugzeug in Berührung kommende Personal ähnlich wie das Personal der Luftverkehrsgesellschaften einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen sollte.Zu den wichtigsten Sicherheitsmaßnahmen gehört die lückenlose Fluggast- und Gepäckkontrolle. Dies kann unseres Erachtens noch effizienter gestaltet werden. Hier sollte man auch die volle Ausstattung der Kontrollpunkte mit Röntgengeräten für die Gepäckkontrollen prüfen. Dazu gehört aber auch eine ständige Schulung des eingesetzten Sicherheitspersonals.
Meine Damen und Herren, wir werden nicht umhinkönnen, auch im Ausland — so wie das HerrMinister Dollinger ausgeführt hat — verstärkt Si-
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Daubertshäusercherheitsmaßnahmen für deutsche Luftfahrtunternehmen zu organisieren.Die Sicherheit für den Luftverkehr wird am Boden produziert. Das heißt, die Sicherheit beginnt nicht erst in der Luft, sondern praktisch alle notwendigen Vorsorgemaßnahmen haben auf dem Boden — also auf den Flughäfen im weitesten Sinn — zu beginnen. So setzt nach meiner Auffassung auch die Idee des Einsatzes von bewaffneten Flugbegleitern am falschen Ende an. Wenn auf dem Flug jemand benötigt wird, dann ist das allenfalls ein speziell psychologisch ausgebildeter Flugbegleiter, der möglicherweise mehr Schaden zu verhüten imstande ist.
Meine Damen und Herren, bisher und auch künftig wird die Hauptlast für die Sicherheit des Luftverkehrs vom Bundesgrenzschutz, der Schutzpolizei, der Bereitschaftspolizei und den Sicherheitskräften der Luftverkehrsgesellschaften und der Flughafenbetriebe zu tragen sein. Allen diesen Sicherheitskräften, die tagaus, tagein ihrer harten und nicht selten von den Fluggästen mißtrauisch betrachteten Arbeit nachgehen, möchte ich an dieser Stelle namens der SPD-Bundestagsfraktion nachdrücklich für ihren verantwortungsvollen Dienst Dank sagen.
Neben den national notwendigen Maßnahmen muß international gehandelt werden. Dazu gehört eine umgehende Normierung international nur zum Teil üblicher Verfahren im Luftverkehr. Die internationale Zivilluftfahrtorganisation muß aufgefordert werden, eine international verbindliche Konvention für die Kontrolle von Gepäckstücken zu erstellen. Darüber hinaus müssen die internationalen Zivilluftfahrtbehörden ihre weltweit geltenden Standards und Empfehlungen überprüfen und verschärfen.Aber wir sollten alle wissen, daß sich dieses Thema nicht für große, breite öffentliche Erörterungen eignet. Eine vollständige Diskussion aller Sicherheitsmaßnahmen in der Öffentlichkeit birgt die Gefahr, daß die Wirksamkeit der Maßnahmen reduziert wird. Dieses Thema erfordert verantwortungsbewußtes Handeln, aber auch Einsatz von Geld und Personal.Wir sind bereit, konstruktiv an einer Verbesserung mitzuarbeiten, und bieten der Bundesregierung unsere enge und sachliche Zusammenarbeit an. Die SPD-Bundestagsfraktion ist sich im klaren, daß totale Sicherheit nicht erreichbar oder nur bei Aufgabe eines erheblichen Maßes persönlicher Freiheiten durchgesetzt werden kann. Aber eine wesentliche Verbesserung der geltenden Normen ist möglich und notwendig. Dennoch: Eine vollständige, eine hundertprozentige Sicherheit gegen solche Gefahren kann und wird es nicht geben. Den Verantwortlichen ist bewußt, daß angesichts des weltweit wachsenden Terrorismus der Luftverkehr mit dieser Gefahr leben muß. Dieser Bedrohung ist nur durch konsequentes, nationales Handeln und durch internationale Solidarität zu begegnen.Die Bundesregierung ist aufgerufen, auf nationaler und internationaler Ebene wirksame Maßnahmen mit Vernunft und Augenmaß durchzuführen. Sie kann dabei auf die konstruktive Unterstützung durch die SPD-Bundestagsfraktion zählen.Vielen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Fischer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Anschläge auf die zivile Luftfahrt haben nicht nur Empörung und Entsetzen bei der Bevölkerung gegenüber diesen feigen Verbrechen gegen unschuldige Menschen ausgelöst, sondern auch eine ernste Lage heraufbeschworen, da dadurch die Gefahr besteht, daß eine neue Welle des internationalen Terrorismus gegen die Zivilluftfahrt ausgelöst sein könnte. Natürlich ist die Bevölkerung nicht zuletzt auf Grund einer häufig sehr plastischen, gelegentlich auch dramatisierenden Berichterstattung in besonderer Weise beunruhigt und verunsichert. Der Staat und die verantwortlichen Politiker sehen sich mit dem Ruf nach wirkungsvollen staatlichen Maßnahmen bis hin zu totaler staatlicher Prävention konfrontiert.Ich finde es in dieser Situation gut, nicht nur die Solidarität aller Demokraten zu beanspruchen oder nach außen hin zu fordern, sondern sie auch wirkungsvoll zu praktizieren, das heißt eine sachliche und möglichst emotionsfreie Diskussion zu führen. Ich bin sehr dankbar, daß bisher weder hier noch in der Öffentlichkeit der Versuch unternommen worden ist, durch unberechtigte Schuldzuweisungen diese traurigen Ereignisse ausschlachten zu wollen.Ich hebe in diesem Zusammenhang die Feststellung des Bundesverkehrsministers aus der Regierungserklärung hervor, daß am Mittwoch bei der Zusammenkunft, die er gemeinsam mit dem Bundesinnenminister mit den Unternehmensleitungen der deutschen Luftverkehrsgesellschaften und Flughäfen gehabt hat, gemeinschaftlich die Überzeugung geäußert worden ist, daß die Sicherheitsvorkehrungen im deutschen Luftverkehr auch im internationalen Vergleich vorbildlich sind.
Wir wissen selbstverständlich, daß auch vorbildliche Regelungen natürlich individuelle Fehler im Einzelfall nicht auszuschließen vermögen. Es bleibt unsere gemeinsame Aufgabe, in den Bemühungen zur Erhöhung der Sicherheit nicht nachzulassen. Die Bevölkerung kann aber, wie ich glaube, darauf vertrauen, daß für uns die Sicherheit der Menschen Vorrang vor allen anderen Dingen hat.
Jeder weiß, daß eine totale Vorsorge gegen Straftaten und Terroranschläge mit verhältnismäßigen Mitteln nicht möglich ist. Anschläge mit weitreichen-
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Fischer
den Konsequenzen, beträchtlichen Opfern an Menschenleben sind überall dort zu befürchten, wo sich viele Menschen zusammenfinden. Dies geschieht nicht nur in Flughafengebäuden, sondern ist selbstverständlich auch in anderen Bereichen denkbar und möglich.Wir wissen aber, daß die Zivilluftfahrt eine Ausnahmesituation darstellt, da gerade Großflugzeuge für Gewalttäter eine große Anziehungskraft haben, denn sie garantieren eine hohe publizistische Wirkung. In diesem Bereich ist der internationale Bezug terroristischer Aktivitäten möglich. Wir müssen daher verlangen, daß für die Sicherheitsmaßnahmen im Flugbetrieb und die Sicherheitseinrichtungen auf den Flughäfen weltweit gleich große Anforderungen gestellt und Anstrengungen unternommen werden. Es geht nicht an, daß Flugzeuge auf Flughäfen landen müssen, auf denen die Sicherheitseinrichtungen unzureichend sind und den Gewalttätern damit ihr Werk erleichtert wird.
Staatliche Sicherheitsorgane sowie die Eigensicherungsmaßnahmen der Luftverkehrsgesellschaften und Flughäfen müssen, wie ich meine, lückenlos ineinandergreifen. Und ich bin dem Kollegen Daubertshäuser dankbar, daß er gesagt hat, daß ein Sicherheitssystem nur so wirkungsvoll sei, wie das schwächste Glied in der Kette. Und das gilt nicht nur national, sondern auch international.
Meine Damen und Herren, der heute mögliche hohe technische Standard muß zum allgemeinen Standard in der Welt werden und strikte Anwendung finden. Der Staat darf selbstverständlich nicht nur reagieren, sondern er muß auch agieren. Er muß vorbeugenden Maßnahmen eine erhöhte Bedeutung zumessen.Ich glaube, daß wir sagen können, daß sich in unserem Lande Polizei und Sicherheitsbehörden eben nicht nur auf die Verfolgung begangener Straftaten beschränkt, sondern auch vorbeugende Maßnahmen ergriffen haben. Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß bestimmte Kreise unserer Gesellschaft zu lange die Arbeit unserer Sicherheitsorgane mit Mißtrauen begleitet haben.
Und es ist nicht konsequent, in einer solchen Situation die Stimme zu erheben und den Sicherheitsorganen Versäumnisse vorzuwerfen. Ich plädiere hier ausdrücklich für ein unterstützendes Verhältnis der Bevölkerung zu unseren Sicherheitsorganen. Dies ist notwendig; denn die Arbeit der Organe geschieht zur Sicherheit aller Bürger.
Meine Damen und Herren, natürlich darf durch die Maßnahmen, durch eine möglicherweise totale Prävention, der Freiheitsspielraum der Bürger nicht unangemessen eingeschränkt werden. Wirwissen, daß eine totale Prävention weder möglich noch insoweit wünschenswert ist.Aber die Regierung, nicht nur diese, sondern auch die frühere Bundesregierung, hat den Handlungsbedarf frühzeitig erkannt und die Sicherheitsarbeit für die deutsche Zivilluftfahrt mit einem hohen Stellenwert versehen. Ich bin dem Bundesminister sehr dankbar, daß er die Maßnahmen im einzelnen eindrucksvoll dargelegt hat.Auch seit dem Anschlag auf den Frankfurter Flughafen haben die deutschen Flughäfen die Kontrolltätigkeit intensiviert und technische Vorkehrungen ergriffen. So können wir sagen, daß im Inland die notwendigen Maßnahmen ergriffen worden sind, daß aber auch gegenüber dem Ausland entsprechend gehandelt worden ist. Wir wissen, daß auch im Ausland, gerade dort, wo wir Schwächen im Sicherheitssystem erkannt haben, das Bundesinnenministerium mit Zustimmung der Regierung des gastgebenden Landes Beamte des Bundesgrenzschutzes zur Durchführung von Sicherheitsmaßnahmen eingesetzt hat und daß heute etwa 100 Beamte in der Uniform der Luftverkehrsgesellschaften weltweit ihren Dienst versehen und, unbewaffnet selbstverständlich, zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen für unsere Zivilluftfahrt dort ergreifen. Unsere Regierung hat auf diplomatischem Wege durch Schutzersuchen an die Regierungen alle Möglichkeiten genutzt, dafür zu sorgen, daß im internationalen Maßstab das Notwendige getan wird.Der Bundesinnenminister hat mit den Kollegen auf EG-Ebene eine Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit bei der Terrorismusbekämpfung vereinbart. Es sind konkrete Absprachen getroffen worden. Und wir müssen die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene erheblich vermehren. Wir wissen, daß ein internationales Problem nur in den Griff zu bekommen ist, wenn alle Staaten an einem Strang ziehen. Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß das Abkommen von Chicago, die sogenannte ICAO-Konvention, das die zwischenstaatlichen Luftverkehrsbeziehungen regelt, nach dem Abschuß des Linienflugzeuges der Korean Airlines durch sowjetische Luftstreitkräfte verbessert worden ist. Dieses Abkommen der International Civil Aviation Organization muß ständig überprüft werden. Erforderlichenfalls müssen auch Sanktionen gegen einzelne Länder und Luftverkehrsgesellschaften ergriffen werden, denn es kann nicht geduldet werden, daß sich Flugzeugentführer und Bombenleger in bestimmten Staaten mit Duldung der dortigen Behörden aufhalten und betätigen können.Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Wir können der Bevölkerung sagen, daß auf unseren Flughäfen in unserem Lande für die Sicherheit das Menschenmögliche getan wird und daß auch zusätzlich notwendige Maßnahmen ergriffen werden. Das von den deutschen Behörden praktizierte Sicherheitssystem trägt der im Luftverkehr bestehenden Gefahrensituation Rechnung. Wir müssen aber darauf hinweisen, daß auch die Mitwirkung und Aufmerksamkeit der Bürger für die erforderliche und erfolgreiche Fahndung und Prä-
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vention enorm wichtig sind. Wir müssen einen Konsens mit den Belastungen durch Sicherheitsmaßnahmen einfordern und Sicherheitsmaßnahmen müssen ausnahmslos und ohne Ansehen der Person durchgeführt werden.
Meine Damen und Herren, wir wissen, daß eine lückenlose Zugangskontrolle beim Zutritt zum öffentlichen Teil der Flughäfen nicht möglich ist, und daß der Gesetzgeber, Herr Kollege Daubertshäuser, den Flugplatzhaltern und Luftverkehrsunternehmen Mitwirkungspflichten bei der Abwehr äußerer Gefahren auferlegt. Aber ich glaube, bei der Luftsicherheitsverordnung ist eine Dramatisierung weder berechtigt noch irgendeine Ursächlichkeit mit den Ereignissen herzustellen. Im übrigen sind, wenn es um die Kosten der Eigensicherungspflichten geht, nicht die Probleme beim Bund, sondern mehr bei den Ländern entstanden, und in dem Zusammenhang bitte ich auch zu bedenken, daß sich SPD-regierte Bundesländer hier eher zurückhaltend verhalten haben.Zusätzliche Maßnahmen, z. B. der Einsatz bewaffneter Sicherheitskräfte an Bord von Flugzeugen, müssen genauestens überlegt werden. Ich bin dem Bundesverkehrsminister für die sehr ausgewogene, abwägende Formulierung dankbar, weil ich weiß, daß vorschnelle öffentliche Festlegungen die erheblichen Risiken, die natürlich auch in solchen Maßnahmen enthalten sind, verkennen, und deswegen sollten wir auch hier eine emotionslose Diskussion führen. Ich bin dankbar für den Stil dieser Debatte.Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ströbele.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns gefragt, warum gerade heute von der Bundesregierung eine Regierungserklärung zu diesem Thema abgegeben werden sollte.
Wir haben die Erklärung des Herrn Bundesministers gehört; sie hat nichts Neues gebracht, nichts, was nicht schon ausführlich in allen Zeitungen gestanden hat, was nicht schon Gegenstand von Kommentaren gewesen ist, was nicht in Fernsehen und Rundfunk schon ausgebreitet worden ist. Offenbar soll diese Stunde hier anderen Zwecken dienen, nämlich dem Zweck der Proklamation von Stärke und Entschlossenheit, um dem Bürger die Illusion zu geben, daß er sich in Zukunft auf Flughäfen und in Flugzeugen sicher bewegen kann.
Die Anschläge auf Flughäfen und Flugzeuge in der letzten Zeit sind Terror gegen die Bevölkerung und durch nichts zu rechtfertigen.
Aber wir sollten uns trotzdem oder gerade deshalb fragen, warum Menschen dazu kommen, so was zu denken, so was zu planen und gar so was zu tun.
Dann kommen wir dahin, daß diese Menschen aus Beirut, aus dem Iran, aus Indien, aus Gegenden der Welt kommen, in denen Tod und Mord, Verstümmelung und menschliches Leid in für uns nicht vorstellbarem Maße an der Tagesordnung sind.
Daraus entstehen Ideologien und Religionen, die zu solchen Taten führen.Wir sollen uns auch fragen: Was haben wir damit zu tun — und darüber hätten der Herr Bundeskanzler und der Herr Bundesinnenminister mit dem amerikanischen Vizepräsidenten Bush, als er kürzlich hier war, reden sollen —, daß in Beirut seit 15 Jahren die Menschen sich gegenseitig umbringen und abschlachten oder daß in Indien Zustände herrschen, die zu solchen Gewalttaten führen?Das sind die Gewaltkategorien, die auch in unseren Köpfen lebendig sind, wenn wir mit Kriegsplanung auch in Mitteleuropa spielen und wenn wir auf unserem eigenen Territorium mit Raketen spielen, die millionenfachen Tod bedeuten können.
Ihnen sowohl von der CDU als auch von der SPD als auch von der Bundesregierung fällt zu dem Problem nichts anderes ein, als nach GSG 9 zu rufen, nach dem Colt. Sie müssen begreifen, daß Flugzeugcockpits und Flughäfen nicht der Wilde Westen sind,
wo die Probleme auf diese Art gelöst werden können.
Sie müssen begreifen, was viele Menschen in Beirut und in Indien und im Iran begreifen mußten: daß sie sich vor Bomben und Tod und Verletzungen und fürchterlichem Elend für Ihre Angehörigen nicht immer und ausnahmslos schützen können. Es gibt — das ist hier betont worden, und das hat Herr Spranger im Innenausschuß erklärt — keine Maßnahmen, die verhindern können, daß Menschen, die es unbedingt wollen, mit einem Koffer voll Bomben
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Ströbeleauf einen Flugplatz oder einen Bahnhof gehen und ihn dort abstellen. Das gibt es nicht.
Damit lösen Sie nicht die Probleme.Der richtige Weg sind nicht Sanktionen gegen Länder. Diese Sanktionen werden häufig auf Grund von Interessen der Bundesregierung sofort zurückgenommen. Das kann nicht der Weg sein.Die Bundesregierung könnte den Weg beschreiten, der allein Erfolg verspricht: daß man sich glaubhaft überall auf der ganzen Welt und ausnahmslos gegen Terror und für Menschenrechte einsetzt,
wo es dann keine Ausnahmen gibt, ob es sich um Befreundete oder Freunde von Freunden wie beispielsweise in Mittelamerika handelt, die Terror ausüben und zum Gegenstand ihrer Politik machen. Wenn das ausnahmslos anerkannt würde und wenn es sich herumspräche, daß die Bundesregierung sich für die Menschenrechte nicht nur verbal, sondern ganz konkret mit Maßnahmen auf der ganzen Welt einsetzt, dann könnte es dazu kommen, daß die Bundesrepublik wie andere Staaten, die einen solchen Ruf haben, von derlei Anschlägen verschont bleibt.Durch den Colt und den Sheriff im Cockpit können Sie das nicht verhindern.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hirsch.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Terrorismus ist zwar keine Erfindung unseres Jahrhunderts, aber er hat noch nie so vielfältige Möglichkeiten wie in der Industriegesellschaft unserer Zeit gehabt, die eine hohe Mobilität und ein weithin anonymes, von sozialer Kontrolle freies Leben ermöglicht und die deswegen so empfindlich ist, weil sie außerordentlich arbeitsteilig organisiert ist.
Die Terroranschläge der letzten Wochen haben jeden normal denkenden Menschen erschüttert. Das menschliche Mitgefühl mit den Opfern verbindet sich mit dem völligen Unverständnis für die, die glauben, durch Schrecken, Raub oder die Tötung unschuldiger, unbeteiligter und wehrloser Menschen politische Ziele durchsetzen zu müssen oder durchsetzen zu können.
Wir sprechen ja nicht grundlos von Luftpiraterie. Piraterie ist der Rückfall in das Mittelalter.
Herr Kollege Ströbele, ich bin etwas über das überrascht, was Sie soeben gesagt haben. Ich erinnere mich sehr gut an eine Flugzeugentführung vor einigen Jahren, die in Köln endete, als ich leider als damaliger Innenminister Nordrhein-Westfalens die Verantwortung zu tragen hatte. In einem Flugzeug saßen mehr als 100 Menschen stundenlang in Angst und Schrecken. Der Mann, der diese Maschine in seine Gewalt gebracht hatte, war ein Herr Keppel. Der kam nicht aus Indien oder woher auch immer — Sie haben hier ja einige Länder genannt —, sondern der kam aus Marburg an der Lahn.
Es ist ein Mann, den Sie auf einer Ihrer Listen aufgestellt haben, den Sie in ein deutsches Parlament schicken wollten.
Ich finde, das ist nicht der rechte Umgang mit Leuten, die ein Flugzeug mit Erfolg in ihre Gewalt gebracht haben und in die Kategorie von Terroristen einzuordnen sind. Das muß ich Ihnen einmal sagen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Bohl?
Ja, natürlich.
Herr Kollege Hirsch, können Sie bestätigen, daß dieser Herr Keppel heute der Beauftragte der Landtagsgruppe der GRÜNEN in Hessen für das Gefängniswesen ist?
Ich habe zwar davon gehört, habe das aber hier nicht eingeführt, weil ich das nicht aus eigenem Wissen bestätigen kann.
Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ströbele?
Natürlich, ja.
Herr Kollege Hirsch, würden Sie den Satz bestätigen, daß die Ausübung von Gewalt meistens ein Zeichen dafür ist, daß politische Fehler gemacht worden sind?
Ja, natürlich, das ist richtig, das habe ich selber gesagt. Nur, es entschuldigt nicht die Ausübung von Gewalt zu Lasten unschuldiger Menschen.
Es ist auch richtig, daß es natürlich politische und soziale Ursachen gibt, die den Terrorismus begünstigen, aber sie entschuldigen ihn nicht.
Wir haben hier zu untersuchen, was an äußeren Maßnahmen geschehen kann, um diese Bedrohung
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Dr. Hirschzu überwinden. Wenn man sich nicht mehr auf das richtige, also auf das normale Verhalten vieler anderer Menschen verlassen kann, dann folgt notwendigerweise die Forderung nach stärkerer Kontrolle. Aber die Ausdehnung der Kontrolle hat enge Grenzen. Um die Wahnsinnstaten weniger zu verhindern, muß man sehr viele Menschen kontrollieren. Es hat außerdem keinen Sinn, mit den Kontrollen nach einer Tat einzusetzen, sondern sie müssen vor der Tat liegen, die man verhindern will.Verstärkte Kontrollen bedeuten also die langandauernde, zeitlich nahezu unbegrenzte Kontrolle vieler Menschen, die man vor einer Bedrohung bewahren will, und das setzt zweierlei voraus: die Zustimmung der überwiegenden Mehrheit der von diesen Kontrollen betroffenen Menschen und eine internationale Abstimmung, weil Kontrollen auf nationaler Ebene nur eine beschränkte Wirkung haben, die dann wegen dieser Beschränkung in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zu den Nachteilen stehen, die sie auch bedeuten. Wir glauben, daß die Menschen bereit sind, stärkere Kontrollen hinzunehmen, weil sie wissen, daß die Sicherheit ihrer Reisen dadurch wesentlich erhöht werden kann. Dazu gehören insbesondere die stärkere Kontrolle auch des aufgegebenen Gepäcks und die Zuordnung dieses Gepäcks zu den Personen, die sich tatsächlich in der Maschine befinden.Wir glauben nicht, daß es die Aufgabe des Parlaments ist, an Stelle der Exekutive abzuwägen, welche technischen Einsatzmittel dafür richtig sind. Auch die Frage, ob es Flugbegleiter geben soll, die bewaffnet sein sollten, kann nicht vom Deutschen Bundestag entschieden werden. Das müssen die obersten Bundesbehörden gemeinsam mit den in Betracht kommenden Fluggesellschaften klären.
Der Gesetzgeber kann und sollte diese Möglichkeit jedenfalls nicht ausschließen.Wir möchten die Bundesregierung aber auch darin bestärken, sich allen internationalen Vereinbarungen anzuschließen, solche Flughäfen und Fluggesellschaften im internationalen Verkehr zu sperren, die nicht die Gewähr für eine sachgerechte Kontrolle und damit einen sachgerechten Schutz der Menschen bieten, die sich ihnen anvertrauen.
Es wäre auch außerordentlich nützlich, wenn die Bundesregierung und die mit uns befreundeten Regierungen gemeinsame Empfehlungen aussprechen und offen erklären würden, welche Flughäfen und welche Gesellschaften diese Gewähr nicht bieten.
Die Sicherheit unserer Bürger muß Vorrang vor anderen Interessen haben. Ich glaube, daß eine solche offene und rückhaltlose Bewertung einen um so größeren Effekt haben würde, wenn sie von den großen Industrieländern, die über ein hohes Passagieraufkommen verfügen, gemeinsam abgegeben würde.Damit ist die Frage nach der Wirksamkeit internationaler Abkommen zur Bekämpfung des Terrorismus gestellt. Dabei muß man zur Kenntnis nehmen, daß ein Teil des internationalen Terrorismus tatsächlich — da stimme ich Ihnen zu — eine Art Kriegsführung privater Gruppen vom Boden solcher Staaten aus darstellt, die nationales oder internationales Recht entweder nicht mehr durchsetzen wollen oder nicht mehr durchsetzen können. Das Europäische Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus ist zwar am 4. August 1978 in Kraft getreten — es ist unter maßgeblicher deutscher Beteiligung zustande gekommen und ein wichtiger Bestandteil zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus —, aber es ist bedauerlich — auch das muß man offen sagen —, daß außer Belgien, Griechenland, Irland und Malta insbesondere Frankreich und Italien diesem Übereinkommen bisher nicht beigetreten sind. Wir unterstützen daher die Entschließung des Europäischen Parlamentes mit der Forderung, an alle Mitgliedstaaten zu appellieren, diese Konvention zu ratifizieren.
Die Empfehlung 982 der Parlamentarischen Versammlung des Europarates empfiehlt u. a. die Einberufung einer Konferenz der Regierungschefs. Auch dieser Vorschlag sollte aufgegriffen werden, um die zögernden Mitgliedstaaten zur Ratifizierung des Übereinkommens zu bewegen und darüber hinaus zu prüfen, in welchen Bereichen die Zusammenarbeit verbessert werden könnte, insbesondere im Bereich der Strafverfolgung, der Vollstreckung von Urteilen, bei der Zusammenarbeit der Polizeien.Wir erinnern in diesem Zusammenhang an das Europäische Auslieferungsabkommen, das Europäische Übereinkommen über gegenseitige Hilfe in Strafsachen, das Europäische Übereinkommen über die Überwachung bedingt verurteilter oder bedingt entlassener Personen, das Europäische Übereinkommen über die internationale Geltung von Strafurteilen und an das Europäische Übereinkommen über die Kontrolle des Erwerbes und Besitzes von Schußwaffen durch Einzelpersonen.Es sollte in möglichst kurzer Zeit abschließende Klarheit darüber erzielt werden können, welche tatsächlichen Wirkungen diese Übereinkommen in der politischen und rechtlichen Wirklichkeit der europäischen Mitgliedstaaten erreicht haben.Die Forderung, daß sich die zivilisierten Staaten dieser Welt, unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung, zusammenschließen sollten, um den internationalen Terrorismus gemeinsam zu bekämpfen und damit die Völkerrechtsgemeinschaft zu erhalten, wird eine Illusion bleiben. Aber es braucht keine Illusion zu sein, daß die europäischen Staaten gemeinsam ihr politisches und ihr wirtschaftliches Gewicht einsetzen, um auch in anderen Ländern wenigstens die Sicherheitsstandards durchzusetzen, die bei uns zu einer Selbstverständlichkeit geworden sind. Der internationale Terrorismus muß international bekämpft werden. Wir werden die
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11238 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
Dr. HirschBundesregierung darin unterstützen, dieses Ziel wirksam zu erreichen und zu verfolgen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 25 auf:
Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung
Verhandlungen des EG-Umweltrates vom 27. Juni 1985 in Luxemburg zum umweltfreundlichen Auto
Hierzu liegen Entschließungsanträge des Abgeordneten Schulte und der Fraktion DIE GRÜNEN auf Drucksache 10/3582 sowie der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/3584 vor.
Meine Damen und Herren, nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Beratung insgesamt 75 Minuten vorgesehen. — Ich sehe dazu keinen Widerspruch; dann ist das so beschlossen.
Das Wort hat der Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als die Bundesregierung im Juni 1983 ihren Vorstoß für das umweltfreundliche Auto und bleifreies Benzin startete, begannen wir in Europa bei Null. Heute, nach zwei Jahren, und jetzt, nach 21 Stunden Tag-und Nachtsitzung von der ersten bis zur letzten Minute mit meinem Kollegen, dem Bundesminister für Wirtschaft Martin Bangemann, hat der EG-Umweltrat eine Gesamtlösung erreicht, die zu einer drastischen Reduzierung der Schadstoffe führt. Bei den festzusetzenden Grenzwerten konnte der Kommissionsvorschlag der Gemeinschaft durchgesetzt werden. Die neuen Grenzwerte sind bei Pkw über 2 Liter Hubraum: CO 25, HC + NOX 6,5 von 1,4 bis 2 Liter: CO 30, HC + NOX 8, unter 1,4 Litern: CO 45, HC + NOX 15.
Damit sind erstmals in allen diesen Klassen feste Grenzwerte vorgeschrieben. Im Vergleich zu den Werten der 70er Jahre wird damit eine Verschärfung um 70 % erreicht.
Wer hier Zwischenrufe macht, war noch nie bei einer solchen oder ähnlichen Veranstaltung in Brüssel oder Luxemburg dabei, meine Damen und Herren.
Bei der Mittelklasse wurde ein Summenwert auf der Ebene des Kommissionsvorschlags von 8 g festgelegt. Auf eine Festlegung der Anteile von HC und NOX wurde dabei verzichtet, weil einige Länder bei der Umrechnung dieser beiden Schadstoffe unüberwindliche Schwierigkeiten technischer Art sahen.Es wurde zusätzlich erreicht, daß die Fristen für die obligatorische Einführung der zweiten strengenStufe für die Fahrzeuge unter 1,4 1 um ein Jahr vorgezogen werden.
Dieses Ergebnis wird von acht Ländern der Gemeinschaft voll unterstützt. Lediglich Dänemark, das so scharf wie wir war, und dabei geblieben ist, weil es unschädlich war, so scharf zu bleiben, und Großbritannien haben noch einen Vorbehalt — Großbritannien natürlich auf der anderen extremen Seite der Gabel — bezüglich der Zustimmung ihrer Regierungen. Dänemark hielt seinen schon in der Ratssitzung vom März eingelegten Vorbehalt aufrecht, weil es eine weitere Verschärfung der Grenzwerte wünscht.Großbritannien hat das Ergebnis praktisch paraphiert. Großbritannien war unser schwierigster Partner. Aber wir haben allen Grund zu der Annahme, daß die britische Regierung in Kürze zustimmen wird.In jedem Fall besteht jetzt für den Bürger und die Automobilindustrie die notwendige Sicherheit. Jeder weiß nun, was auf ihn zukommt. Die Werte sind so festgelegt, daß sie auch nach Auffassung der Kommission der US-Norm gleichwertig sind.
Nach dem heutigen Stand der Technik wird zur Erreichung der Grenzwerte der Katalysator benötigt: in der Klasse über 2 1 der geregelte Dreiwegekatalysator und in der Mittelklasse der ungeregelte Katalysator. Wir schließen dabei neue Techniken wie etwa das Magerprinzip mit Oxidationskatalysator nicht aus. Unser Ziel war von Anfang an der Grenzwert, nicht eine bestimmte technische Vorgabe.
Ganz wichtig war, daß unser steuerliches Förderungssystem ohne Wenn und Aber am 1. Juli, also am Montag, in Kraft treten kann.
— Das ist mir ganz neu, daß da die Zustimmung des Bundesrats erforderlich ist. Wenn Sie mich nicht darauf aufmerksam gemacht hätten, hätte ich das natürlich nicht gewußt. Die Zustimmung des Bundesrats wird am 5. Juli erfolgen; davon können Sie ausgehen.
Ich möchte annehmen, daß auch Länder dabei sind, von denen Sie das nicht so ohne weiteres annehmen.Die Kommission hat erneut bei der heutigen Ratssitzung — wir haben uns das noch einmal bestätigen lassen, obwohl es die Kommission schon bestätigt hatte — das deutsche Steuerkonzept bestätigt. Im Laufe der Gespräche haben auch die anderen Mitgliedstaaten deutlich gemacht — insbesondere Frankreich und Großbritannien —, daß sie
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985 11239
Bundesminister Dr. Zimmermannuns bei der Verwirklichung keine Steine mehr in den Weg legen wollen.
— Mein Gott! Wenn jemand so schimmerlos ist wieSie, sollte er auf Zwischenrufe wirklich verzichten!
Ganz im Gegenteil: Andere Länder, wie z. B. die Niederlande, haben angekündigt, daß sie das deutsche Steuerkonzept übernehmen wollen, um vor den festen Einführungsterminen die freiwillige Einführung von umweltfreundlichen Autos zu beschleunigen.
Weitere in diesem Zusammenhang wichtige Zielsetzungen der EG sind: Die Mitgliedstaaten der EG nehmen zur Kenntnis, daß die Bundesrepublik Deutschland ihre steuerlichen Maßnahmen auch auf jene Kraftfahrzeuge über 1,41 anwendet, die auf der Grundlage gleichwertiger, auf den Exportmärkten der Gemeinschaft geltender Normen in der Bundesrepublik Deutschland in den Verkehr gebracht wurden oder werden. Das heißt, alle diejenigen Fahrzeuge, die heute schon die US-Grenzwerte einhalten — und solche gibt es —, sind mit eingeschlossen.
Das ist ein ganz wichtiger Punkt, weil das die deutschen Fahrzeuge für den amerikanischen und japanischen Markt betrifft, die hier gefahren werden. Wenn Sie dabei lachen, zeigt das, daß Sie von den Details, um die es hier geht, wirklich keine Ahnung haben, keine Ahnung!
Die Kommission verpflichtet sich, so früh wie möglich, auf jeden Fall vor Ende 1985, Vorschläge zu den Partikelemissionen der Dieselfahrzeuge zu machen. In der Zwischenzeit wird die Bundesregierung die Begrenzung der Dieselpartikelemissionen ihrem Steuerkonzept noch nicht zugrunde legen, jedoch in Kürze ein Konzept für die Nutzfahrzeuge auf dieses Basis vorlegen.Die Mitgliedstaaten der EG werden sich nach Kräften bemühen, die möglichst baldige Einführung und allgemeine Verfügbarkeit von bleifreiem Benzin in ihrem Staatsgebiet zu fördern. Diese Erklärungen sind ausdrücklich abgegeben worden. Das bedeutet in der Praxis, daß bereits weit vordem obligatorischen Termin 1989 bleifreies Benzin überall in Europa angeboten werden wird.
Wenn man alle diese Ergebnisse zusammen nimmt — die Rechtssicherheit, die verbindlichen Werte, das bestätigte Steuerkonzept und die Einführung von bleifreiem Benzin sowie die weiteren Zielfestschreibungen —, so ist das ein Erfolg für den Umweltschutz in Europa.
Hier sind in einem der wichtigsten Industriezweige, der Automobilindustrie und der Mineralölwirtschaft, verbindliche Weichenstellungen erfolgt,
die ganz wesentliche Auswirkungen für unsere Umwelt haben. Damit ist der von uns auf die Gleise gesetzte Zug in Richtung umweltfreundliches Auto und bleifreies Benzin in Bewegung geraten und wird jezt — davon bin ich überzeugt — im richtigen Tempo weiterfahren.
Dieses Ergebnis wird nicht alle zufriedenstellen. Ich habe dafür Verständnis. Auch ich hätte mir selbstverständlich noch mehr gewünscht. Die Zielaussagen der Bundesregierung vom Sommer 1983 waren ausgerichtet am technisch Machbaren
und an den kürzestmöglichen Fristen.
Augenblick! — Herr Minister, ich möchte Sie unterbrechen. Ich bitte, bei den Zwischenrufen Zurückhaltung zu üben. Jeder hat hier das Recht, zum Reden zu kommen. Auch Zwischenrufe sind erlaubt. Übertreibung schadet uns allen hier.
Bitte schön. Herr Minister.
Diese Werte waren in der EG nicht durchsetzbar. Im Interesse einer europäischen Lösung mußten daher Abstriche gemacht werden, über die niemand
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11240 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
Bundesminister Dr. Zimmermannglücklich sein kann, die aber eine Halbierung der Schadstoffe beim Auto bringen.
— Das ist wichtig.Ein schadstoffarmes Kraftfahrzeug der Mittelklasse wird in Zukunft um mindestens die Hälfte weniger Schadstoffe aller Kategorien aus dem Auspuff blasen als früher.
Man muß die Ergebnisse von heute mit dem Ausgangspunkt von vor zwei Jahren vergleichen, nur dann hat man den richtigen Vergleich.Die Einführung bleifreien Benzins, meine Damen und Herren, war vor einem Jahr total unsicher. Es gab fast keine entsprechenden Tankstellen in Europa. Heute haben wir in der Bundesrepublik Deutschland 1 500 bleifreie Tankstellen, alle in den letzten zwölf Monaten eingeführt. Das ist eine großartige Leistung auch der deutschen Mineralölindustrie.
Bis Ende dieses Jahres werden wir 2000 Zapfsäulen haben, davon 272 an Autobahnen. Nachdem wir auch 2 000 Dieseltankstellen haben, können wir sagen: Das ist ein flächendeckendes Netz mit Bleifrei.
Auch unsere europäischen Nachbarn beginnen in steigendem Maße bleifreies Benzin anzubieten. Das gilt für Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland, die Schweiz,
Österreich und neuerdings auch die DDR auf den Transitstrecken und jetzt auch — so die Erklärungen Italiens und Frankreichs — für diese beiden Länder.
Aber auch osteuropäische Länder, nämlich die CSSR, Jugoslawien und Ungarn, haben uns für 1986 Zusagen gemacht. In der Sowjetunion wird bereits heute für Ausländer bleifreies Benzin angeboten.Meine Damen und Herren, man braucht kein Prophet zu sein: Diese Entwicklung wird rasch weitergehen, auch für das Superbenzin.
Ich appelliere nochmals an die Mineralölwirtschaft, den Steuervorteil für bleifreies Benzin voll an den Verbraucher weiterzugeben.
Viele herkömmliche Fahrzeuge können heute mit unverbleitem Benzin betrieben werden. Ich appelliere an die Automobilhersteller, klarer als bisher zu informieren, welche Wagen dafür in Betracht kommen. Die Fahrer sollten diese Möglichkeit wahrnehmen.
Sie können und müssen dazu beitragen, das Angebot an bleifreiem Benzin weiter auszudehnen.
— Man kann hier keine Befehle erteilen. Wir sind nicht in der Diktatur, verehrter Herr Kollege. Deswegen muß man appellieren.
Die Einführung des umweltfreundlichen Pkws ist europaweit eingeleitet. Mit den Beschlüssen der Europäischen Gemeinschaft sind jetzt für alle europäischen Partner klare Werte und Fristen für die Reduzierung der Schadstoffemissionen vorgegeben.
Die EG läßt die sofortige freiwillige Einführung des schadstoffarmen Pkws zu.
Von dieser Möglichkeit macht die Bundesrepublik Deutschland Gebrauch. Sie hat ein wirksames System steuerlicher Anreize geschaffen, das jetzt in Kraft tritt.
Meine Damen und Herren, auf unseren Straßen fahren gegenwärtig — vor Beginn der Phase der freiwilligen Einführung — 26 000 schadstoffarme Pkws.
— Sie können sich sofort wieder hinsetzen. Bei Regierungserklärungen gibt es keine Zwischenfragen. Aber Sie lernen es schon noch.
Die Zahl solcher Pkws nimmt ständig zu. Dazu kommen noch die Wagen, die z. B. durch Beipack
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985 11241
Bundesminister Dr. Zimmermannfür einen schadstoffarmen Betrieb technisch vorgerichtet sind.
Die Bundesrepublik Deutschland hat als erstes Land ein Konzept zur umweltfreundlichen Nachrüstung entwickelt. Auch das wird ausgeschöpft werden.
Die jährliche Abgassonderuntersuchung, die seit dem 1. April dieses Jahres Pflicht ist, wird sich zusätzlich positiv auf das Abgasverhalten auswirken.
Meine Damen und Herren, wer Europa kennt, weiß, daß man sagen muß: Wir sind ein großes Stück vorangekommen. Die Widerstände waren fast übermächtig.
Unsere Situation und die unserer Partner sind in der Tat oft weit voneinander entfernt: im Ausmaß der Umweltschäden, in den geographischen Bedingungen, auch in der Bewertung des Umweltschutzes. Schließlich war es ein entscheidender Unterschied, wie sich Länder mit eigener Automobilindustrie uns gegenüber verhalten. Es ist wesentlich schwieriger, strenge Umweltschutzanforderungen zu akzeptieren, wenn sie bei einer notleidenden Branche im eigenen Land mit Milliardenminus im letzten Jahr und vor der drohenden Entlassung von Zehntausenden von Automobilarbeitern in Frankreich durchgesetzt werden müssen.
Deswegen mußten die Interessen hart aufeinanderprallen.Die europäische Automobilindustrie war auf diesem Weg nicht sehr hilfreich. Das wissen Sie. Insbesondere die Automobilfirmen unserer Partner haben uns massiven Widerstand entgegengesetzt. Die Stellungnahme des Vorstandsvorsitzenden eines großen französischen Unternehmens, der in diesen Tagen von einer „Bande von Hysterikern" sprach, sagt wohl alles.Meine Damen und Herren, wir haben den Stein ins Rollen gebracht. Wir haben unsere Partner überzeugt. Frühere Bundesregierungen haben solche Grenzwerte, wie wir sie heute haben, nicht einmal angestrebt, geschweige denn durchgesetzt.
Jetzt, meine Damen und Herren, sollten wir alle zusammen feststellen, daß der Weg der letzten zwei Jahre der einzig mögliche und der richtige war. Natürlich haben wir nicht nur Zustimmung geerntet, wir haben Schwierigkeiten gehabt, aber unsere Einführungsphasen, unsere Perspektiven haben sich als richtig erwiesen. Wir sind eben Mitglied der Gemeinschaft. Wir sind kein Kontinent wie Amerika. Wir sind keine Insel wie Japan. Wir sind ein Durchgangsland in Europa. Wir haben Nachbarn in allen vier Himmelsrichtungen.
— Meine Herren von der SPD und Herr Hauff, wir liegen heute in der 2-Liter-Klasse um 35% und in der 1,4 bis 2-Liter-Klasse um 20% über den Werten, die Sie damals angestrebt, aber nicht durchgesetzt haben. Das ist Tatsache.
Meine Damen und Herren, deswegen ist das der richtige Weg. Der Markt wird noch schneller und weitgehender das bewirken, was man von den Fristen her voraussehen kann.
Im übrigen, jede technische Entwicklung begann bei den großen Wagen und hat sich dann über die mittleren und kleinen fortgesetzt. Das war beim ABS-System so, bei der elektronisch gesteuerten Gemischaufbereitung, sogar bei selbstverständlichen Dingen wie den innen belüfteten Scheibenbremsen, Sicherheitsgurten und Kopfstützen. So wird es auch bei der Schadstoffminderung der Automobile sein. Zunehmend werden Autos ohne Umwelttechnik dem Käufer als technisch überholt, als veraltet und nicht attraktiv erscheinen.
Das werden auch die ausländischen Anbieter zu spüren bekommen, die heute noch glauben, sie könnten den technischen Stand von gestern zementieren.
Ich bin sicher, daß sich ein Sog zum schadstoffarmen Auto ergeben wird, der auch die anderen europäischen Länder mitzieht.Schließlich darf ich sagen: Schon heute sind eine ganze Reihe von europäischen Ländern in und außerhalb der EG auf unserer Linie. Niemand in diesen Ländern bestreitet, daß wir die Pilotfunktion übernommen hatten, so die Niederlande, Luxemburg, Dänemark und Schweden, Norwegen, Finnland und die Schweiz, Österreich und Griechenland. Wir sind nicht isoliert in Europa.
Das Angebot an bleifreiem Benzin führt uns das vor Augen. Ich bin sicher: Die anderen europäischen Staaten, die heute noch größere Probleme haben, werden uns folgen.
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11242 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
Jetzt liegt es an jedem einzelnen, seinen Beitrag zu leisten, an der Automobilindustrie und am Bürger.Schon heute beweisen viele, daß es ihnen ernst ist mit dem Umweltschutz.
Jetzt kommt endlich auch die technische und die steuerliche Klarheit dazu, so daß ich davon überzeugt bin, daß das in Zukunft beim Neukauf berücksichtigt werden wird und daß das schadstoffarme Auto eine absolut große Zukunft vor sich haben wird.
An Sie, meine Damen und Herren in allen Fraktionen, appelliere ich: Ebnen auch Sie dem umweltfreundlichen Auto den Weg!
Wirken auch Sie mit an der gemeinsamen Sache, damit wir dem Ziel saubere Luft in Europa ein großes Stück näher kommen!Danke.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Bueb verlangt.
Meine Damen und Herren! Ich möchte zu § 25 Abs. 2 der Geschäftsordnung reden. Erst heute morgen um 7 Uhr konnte die Öffentlichkeit über den Rundfunk die ersten Ergebnisse über die Einigung in der EG-Umweltministerkonferenz in Luxemburg erfahren.
Wir haben gerade Einzelheiten, die erheblich von den Vorschlägen der EG-Kommission abweichen, aus dem Mund des Innenministers — fachlich ausgewogen — erfahren, allerdings so, wie er sich das denkt.
Meine Damen und Herren, glauben Sie mir: Selbst Sie, wenn Sie sich als Fachleute bezeichnen, sind in der Lage, sich die Einschätzung der Situation sozusagen aus den Hemdsärmeln zu schütteln.
Es sollte möglich sein, daß hier eine seriöse Debatte als Antwort auf die Regierungserklärung stattfindet. Dies sind wir der Öffentlichkeit schuldig. Die Tatsache, daß beispielsweise keine Grenzwerte für Stickoxide mehr vorgesehen sind, sondern nur noch Summengrenzwerte — Stickoxid plus Kohlenwasserstoffe —, ist wahrscheinlich eine fatale Fehlleistung.
Herr Abgeordneter, Sie müssen zur Geschäftsordnung sprechen, nicht zum Inhalt der Regierungserklärung.
Ja, das ist die Begründung des Antrags.
Wir wollen ihn gern einmal hören.
Die Auswirkungen auf ein Gesetz, das das abgasarme Auto durch finanzielle Anreize fördern soll, sind wahrscheinlich noch fataler; denn in Zukunft werden möglicherweise Autos wegen der Aufweichung der Grenzwerte subventioniert,
die man beim besten Willen nicht mehr als abgasarm bezeichnen kann.
Zur Stunde trommelt der Verkehrsminister Bundesländer und Verbände zusammen, um die gesetzlich vorgeschriebene Anhörung durchzupeitschen. Es muß angezweifelt werden, ob das Gesetz zur Förderung der schadstoffarmen Autos überhaupt am 1. Juli in Kraft treten darf.
Vielmehr sind ernsthafte verfassungsmäßige Bedenken angebracht.
Wir haben aus diesem Grunde in dieser Stunde ein Verlangen auf Einberufung des Innenausschusses noch heute nachmittag gestellt und fordern eine Sondersitzung des Bundestages noch in der nächsten Woche,
damit gegebenenfalls dieses Gesetz zurückgezogen werden kann.
Aus all diesen Gründen ist Ihnen wohl deutlich geworden, daß hier noch ein dringender Beratungsbedarf seitens aller Fraktionen besteht.
Wir stellen deshalb den Antrag nach § 25 Abs. 2 der Geschäftsordnung, die Sitzung um eine Stunde zu vertagen.
Gibt es weitere Wünsche, zur Geschäftsordnung zu sprechen? — Bitte schön, Herr Bohl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir widersprechen ganz
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985 11243
Bohlentschieden den Mätzchen, die die GRÜNEN hier heute erneut beabsichtigen durchzuführen.
Wir haben einen Tagesordnungspunkt, der seit langem — —
Augenblick. Herr Kollege, darf ich einen Moment unterbrechen. — Ich möchte gerne darauf hinweisen, daß Sie gerade einen Antrag auf Vertagung gestellt haben, um hier zur Zeit nicht zu debattieren. Dann kann eigentlich die Menge der Zwischenrufe dem nur adäquat sein, also Null.
Ich bitte um ein bißchen mehr Aufmerksamkeit für den Redner.
Bitte schön, Herr Bohl.
Der Tagesordnungspunkt ist Ihnen seit langem bekannt.
Er steht auf der Tagesordnung. Sie haben sich auf die Aussprache einrichten können.
Das ist auch mit Ihrer Zustimmung geschehen. Sie waren darauf aus. Wenn Sie ansonsten — gerade in der Ad-hoc-Kommission — verlangen, daß wir Kabinettsberichterstattung haben und Sie die Möglichkeit bekommen, anschließend unmittelbar dazu zu sprechen, dann kann ich nur sagen: Es ist gut, daß wir unmittelbar nach der Sitzung des Ministerrats einen Bericht des Ministers bekommen und Sie anschließend die Möglichkeit der Wortmeldung und der Darlegung Ihrer Position dazu bekommen.
Wir haben deshalb alle Veranlassung, Ihren Antrag auf Vertagung der Beratung des Deutschen Bundestages zurückzuweisen. Wenn Sie sich nicht in der Lage sehen, dazu Stellung zu nehmen,
werden wir als CDU/CSU Ihre Sprachlosigkeit zu ertragen wissen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Ewen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Mitglieder der SPD-Fraktion haben sich seit vielen Monaten mit den Problemen der Einführung schadstoffarmer Pkw beschäftigt. Sie sind deshalb in der Lage, den erst in dieser Sitzung vorgetragenen Kompromiß der Umweltminister zu
debattieren, zumal das Ergebnis nichts spektakulär Neues brachte.
— Es war noch schlechter, als man hoffen konnte.
Wir lehnen daher die Unterbrechung der Sitzung ab und ebenfalls die Einberufung zu einer Sondersitzung am heutigen Tage.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung über den Geschäftsordnungsantrag des Abgeordneten Bueb und der Fraktion DIE GRÜNEN auf Vertagung der Sitzung. Wer diesem Antrag die Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen?
Damit ist der Antrag abgelehnt.
Wir beginnen die Aussprache nach der Regierungserklärung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hauff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Zimmermann, wenn man Ihnen heute morgen zuhört, können Sie einem leid tun, da Sie hier verkünden, die Vorstellungen der Kommission konnten durchgesetzt werden, Vorstellungen, die Sie selbst noch vor wenigen Wochen als das bezeichnet haben, was es zu bekämpfen gilt. Vor wenigen Wochen sollten sie noch überwunden werden, jetzt „konnten" sie durchgesetzt werden. Ihre eigene Niederlage auch noch als Sieg zu erklären, ist schon ein eigenartiges politisches Verständnis.
Nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik ist eine Bundesregierung mit einem wichtigen politischen Vorhaben — das Thema ist ein wichtiges politisches Vorhaben —
so kläglich gescheitert, wie diese Bundesregierung. Nichts von alledem, was diese Regierung selbst angekündigt hat,
konnte sie tatsächlich durchsetzen. In diesen Ankündigungen haben wir Sie auch unterstützt. Deswegen wollen wir uns zu Beginn dieser Debatte noch einmal an diese markigen Worte, an diese Ankündigungen des Herrn Innenministers, an die Versprechungen, die er gemacht hat, erinnern und sehen, was davon übriggeblieben ist.
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11244 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
Das Versprechen Nummer eins: Der Stichtag 1. Januar 1986 — —(Zuruf von der CDU/CSU: Mensch, ichwürde an Ihrer Stelle abtreten!)
Meine Damen und Herren, die Kritik an der Menge der Zwischenrufe und ihrer störenden Wirkung geht natürlich nach allen Seiten. — Bitte sehr, fahren Sie fort, Herr Abgeordneter Hauff.
Das Versprechen Nummer eins war — so Herr Zimmermann wörtlich —: „Der Stichtag 1. Januar 1986 zur Einführung des umweltfreundlichen Autos und des bleifreien Benzins ist unumstößlich." So hat er es uns verkündet.Durchgesetzt hat er davon nichts, sondern Tatsache ist, die Einführung wird jetzt bis ins Jahr 2000 brauchen.Versprechen Nummer zwei — wörtlich —: „Die neuen US-amerikanischen Abgasgrenzwerte sollen für alle Autos gelten." Tatsache ist, für 86 % der Autos werden sie jetzt nicht gelten. Das ist davon übriggeblieben.
Versprechen Nummer drei: „Zumindest für die gesamte PKW-Mittelklasse soll es europäische Grenzwerte geben, die dann gleichwertig sind." Durchgesetzt wurde für diesen Bereich aber nicht eine Gleichwertigkeit — das wäre eine 90%ige Abgasreduktion —, sondern das Magermotorkonzept. Das heißt, Reduktion der Abgase nur um 30 bis 50 %.
Versprechen Nummer vier: Ein steuerliches Förderkonzept, das die Einführung des schadstoffarmen Pkws beschleunigen soll. — Durchgesetzt wurde ein Gesetz, von dem der Bundesinnenminister heute morgen im Radio selbst behauptet hat, daß er jetzt noch einmal auf dem Hintergrund der Beschlüsse alles neu durchdenken müsse.Und Versprechen Nummer fünf — vor wenigen Wochen; das war das letzte Versprechen —: Die Vorschläge der Kommission seien „unzureichend und verbesserungsbedürftig". So wörtlich. Jetzt haben Sie, Herr Zimmermann, in Luxemburg das, was Sie bekämpfen wollten, noch weiter verschlechtert. Das sind die Tatsachen.Das, was Sie im Deutschen Bundestag zuletzt von der Stelle aus gemacht haben, als Sie sagten, es werde in Europa Grenzwerte geben, die den US-amerikanischen Grenzwerten gleichwertig sind, „deren Auswirkungen auf die Umwelt den US-Werten entsprechen" — so wörtlich, Herr Zimmermann —, haben Sie zu einem Zeitpunkt gemacht, als im Protokoll der Sitzung der Umweltministerkonferenz bereits festgelegt war, daß das Magerverbrennungsverfahren zulässig ist, das heißt, dases nicht den US-Werten entspricht. Sie haben sich unter Vorspiegelung von falschen Tatsachen die Zustimmung des Deutschen Bundestages für ein Gesetz erkauft. Dies kann nicht unsere Zustimmung finden, nicht die Zustimmung des gesamten Parlaments.
Hier wurde mit falschen Karten gespielt.
„An einen solchen Fall" — so die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" — „in der Steuergesetzgebung kann sich in Bonn keiner erinnern." Die „Frankfurter Allgemeine" hat in diesem Fall recht.Für uns zählt — und das ist das Entscheidende —, diese Abgasgrenzwerte, die jetzt festgeklopft werden, bleiben weit unter dem technisch Möglichen. Der Stand der Technik hätte umweltpolitisch erheblich mehr erlaubt als das, was jetzt vereinbart wurde. Deswegen bleibt festzuhalten, meine Damen und Herren: Die Chance, beim Auto einen wirklich gewichtigen Beitrag zur Minderung der Luftverschmutzung zu leisten, ist für die nächsten Jahre, vermutlich für die nächsten Jahrzehnte, von dieser Bundesregierung mutwillig und fahrlässig verspielt worden.
Tatsache ist: Was jetzt in Luxemburg beschlossen wurde, ist weniger, als die ursprüngliche Kommissionsvorlage vorsah.
Tatsache ist: Bei den Stickoxiden wird es nach der Kommissionsvorlage eine weitere Verschlechterung geben. Die Festlegung des Zeitpunktes ist eine bloße Kosmetik.Tatsache ist: Bis zum Jahr 2000 wird die Gesamtmenge an Schadstoffen — und das ist das einzige, was interessiert — weiterhin steigen; sie wird nicht fallen, sondern weiterhin steigen.
Das heißt, man bleibt hinter dem technisch Möglichen zurück. Sie haben damit auch die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung in Europa zerstört.Ich war in dieser Woche in Oslo. Da gab es eine internationale Konferenz über Umweltschutz.
Es war schon peinlich, wie die Bundesrepublik dort zum internationalen Gespött wurde.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985 11245
Dr. HauffDer Kommissar aus Brüssel konnte süffisant sagen: Wenn diese Bundesregierung es wirklich so ernst mit dem Waldsterben meint, warum um alles in der Welt führt sie dann das Tempolimit nicht ein?
Warum um alles in der Welt, so der Kommissar, macht sie denn dann bei den Kraftwerken einen nur ganz bescheidenen Ansatz, von dem der Fraktionsvorsitzende der eigenen Partei sagt, er sei nicht ausreichend? — Nein, das ist keine glaubwürdige Politik, sondern Sie drücken sich vor unpopulären Entscheidungen.Wir haben vor der Entwicklung gewarnt, und wir waren bereit, mit Ihnen zusammen auch unpopuläre Maßnahmen zu vertreten.
Sie haben diese Gemeinsamkeit schroff abgelehnt. Jetzt müssen Sie auch für die Folgen geradestehen.
Die Folgen werden von der Automobilindustrie folgendermaßen charakterisiert: Zimmermann habe mit seinen „vorschnellen Vorgaben" die gesamte Automobilbranche in Bedrängnis gebracht.
Wenn die Kommissionsvorschläge wahr würden, hätte die Branche die Milliarden, die für die Entwicklung des Katalysatorautos investiert seien, „in den Sand gesetzt".
— Heute morgen sind die Beschlüsse gefaßt worden. — Zimmermann habe „den Aufschwung gebremst" und die Rolle der Automobilindustrie als Konjunkturmotor „durch politische Fehler verschüttet". So die Stellungnahmen aus der Automobilindustrie.
Herr Zimmermann, Sie wollten sich als Architekt einer neuen Umweltpolitik darstellen. Sie haben uns eine Luxusvilla versprochen. Tatsächlich herausgekommen ist eine Bruchbude, die nicht einmal als Notunterkunft taugt.
Die Ergebnisse von Brüssel sind auch europapolitisch eine Bankrotterklärung. Die „Süddeutsche Zeitung" hat recht, wenn sie sagt: „Der Bundeskanzler wird es schwer haben, die Glaubwürdigkeit seiner Europapolitik zu retten. Mit einer Europapolitik, die sich an der Popularität der CSU bei den bayerischen Bauern orientiert und die sich ständigselbst vor die Wahl zwischen Paris und Washington stellt, ist dieses Ziel aber nicht zu erreichen."
Ich gebe zu, Herr Zimmermann, zum Teil haben Sie auf diesem Gebiet auch für die Tolpatschigkeit Ihres Bundeskanzlers bezahlen müssen. Das will ich gerne zugeben.
Ich will auch der Geschichtsklitterung entgegenwirken, die behauptet, das alles liege nur an unseren europäischen Partnern. Die Bundesregierung hat bei der Vorbereitung dieser Entscheidung Fehler über Fehler gemacht. Es war ein Fehler, auf den Art. 36 des Vertrages von vornherein zu verzichten.
Es war ein Fehler, daß der Bundeskanzler gesagt hat, solange er Bundeskanzler sei, gäbe es kein Tempolimit in diesem Land. Das war ein schwerer verhandlungspolitischer Fehler, den die Bundesregierung begangen hat.Es war ein dritter Fehler, daß der Bundesinnenminister vor den entscheidenden Verhandlungen mit den Muskeln gespielt hat.
und die Partner mehr provozierte als überzeugte. Sie haben die Schwierigkeiten in Europa von Anfang an kraß unterschätzt.
Deswegen kann es nicht bei diesem Ergebnis bleiben. Deswegen fordern wir die Bundesregierung auf, daß dieses wichtige Thema auf dem Gipfel in Mailand zur Sprache kommt.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Göhner?
Nein.Es kann nicht bei den jetzigen Beschlüssen bleiben. Zimmermann konnte sich nicht durchsetzen. Strauß hat recht, wenn er folgendes schreibt: „Der für den Umweltschutz zuständige Bundesminister, der hier in der Rolle des Fordernden auftreten muß, kämpft auf verlorenem Posten, wenn er nicht vom Bundesfinanzminister, vom Bundesaußenminister und vor allem vom Bundeskanzler mit aller Kraft unterstützt wird". So Franz Josef Strauß.
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Dr. HauffEr hat recht. Deswegen muß dieses Thema auf die Tagesordnung in Mailand, damit es tatsächlich zu einem befriedigenden Ergebnis kommen kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Hoffie.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist im Prinzip richtig, was die GRÜNEN feststellen: Die Regierungserklärung zwingt zu einer Aussprache, obwohl selbst für Abgeordnete der Koalition eine sorgfältige und verantwortungsgerechte Bewertung der Folgen des Verhandlungsergebnisses von Luxemburg noch nicht möglich ist.
Ich verkenne nicht den guten Willen der Bundesregierung und des Bundesinnenministers, die deutsche Öffentlichkeit, die Automobilindustrie und auch die Abgeordneten unverzüglich über die Ergebnisse zu informieren.
Klar ist: Der Anspruch und die Hoffnung auf Klarheit in der Sache haben sich nach monatelangem Verwirrnis durch immer neue Zahlen, Daten, Fakten, Ankündigungen und Erwartungen nach der Nacht von Luxemburg erfüllt. Das wichtigste Ergebnis ist: Es gibt eine europäische Lösung auf gesicherter Rechtsgrundlage. Jetzt kann sich der Markt ohne die Gefahr eines Handelskrieges und ohne die Gefahr von Arbeitsplatzverlusten entwickeln.
Aber zur Objektivität gehört auch die Feststellung, daß wir unsere hochgesteckten Ziele
nur für knapp 14% des Automarktes, nämlich den für Fahrzeuge mit über 2 Liter Hubraum, erreicht haben.
Und im übrigen müssen wir auf etwa ein Viertel des erstrebten Umwelterfolges verzichten. — Dazu würde ich auch gerne Ihren Beifall hören.
Wir haben die europäische Realität zur Kenntnis zu nehmen, die gekennzeichnet ist durch nationale Egoismen einzelner Regierungen und der Automobilindustrien in allen Ländern der Gemeinschaft, denen offensichtlich überhaupt nicht begreiflich zu machen ist, daß das Waldsterben in Deutschland tatsächlich im Hinblick auf unsere künftigen Lebensbedingungen eine existentielle Frage und eben nicht der Versuch unserer automobilen Wirtschaftsnation ist, unter dem Vorwand von mehr Umweltschutz technische Überlegenheit nun auch noch beim schadstoffarmen Auto zu erreichen.
Was nach Luxemburg als Lösung festgeschrieben ist, erfüllt nicht die Beschlüsse aller Parteien und Fraktionen und rechtfertigt auch nur teilweise das mit Milliarden-Investitionen dokumentierte Vertrauen der deutschen Automobilindustrie in die Durchsetzbarkeit der US-Abgasgrenzwerte. Und nicht nur das Dilemma, das unsere Politik weniger an den realistischen Möglichkeiten als an den durch Ankündigungen provozierten Erwartungen gemessen wird,
sondern auch die umweltpolitischen Erfordernisse verlangen angesichts dieser Beschlüsse entschlossenes Handeln zur Durchsetzung flankierender Maßnahmen. Dann bleibt die Chance für ein Gesamtergebnis, das unseren hochgesetzten Zielvorgaben doch noch entspräche.
Deshalb fordere ich die Bundesregierung auf, erstens, alle Anstrengungen zu unternehmen, um schnellstmöglich das seit Monaten von der FDP geforderte Verkaufsverbot für verbleites Normalbenzin zu erlassen, das inzwischen auch die Zustimmung der Mineralölindustrie gefunden hat, um sicherzustellen, daß statt dessen bleifreies Benzin sofort und an allen Tankstellen angeboten wird und mit zirka 10 Pf pro Liter Preisunterschied das billigste Spritangebot überhaupt sein kann. Auch dafür brauchen wir möglicherweise die Zustimmung der europäischen Nachbarn.
Wenn wir sie nicht erreichen, ist, zweitens, eine Verteuerung des verbleiten Normalbenzins in dem Maße notwendig, daß es sich überhaupt nicht mehr lohnt, auf die Nutzung der schadstoffarmen Technik zu verzichten.
Drittens — ich wundere mich, Herr Bundesinnenminister, daß Sie das hier nicht ehrlicherweise erklärt haben — muß genauso konsequent das von der EG-Kommission jetzt endgültig in Aussicht gestellte allgemeine Tempolimit verhindert werden, auch wenn der Großversuch im Herbst beweist, daß Geschwindigkeitsbegrenzung den Schadstoffausstoß spürbar reduziert. Was wir nach einem solchen Beweis des Großversuches brauchen, ist mehr und Besseres als das allgemeine Tempolimit. Es ist das differenzierte Tempolimit, das die volle Wirkung einer allgemeinen Geschwindigkeitsbegrenzung mit dem größtmöglichen Umwelterfolg, der Katalysatorwirkung, verbindet. Der Katalysator kann auf breiter Front durchgesetzt werden, auch nach Luxemburg, wenn damit der von den meisten Autofahrern als besonderer Benutzervorteil empfundene Faktor Geschwindigkeit verbunden ist. Er ist es für die meisten Menschen — ob wir das anerkennen oder nicht.
Deshalb wäre dies nicht nur das wirkungsvollste Umwelt-, sondern auch das beste Konjunkturprogramm für die Automobilindustrie in ganz Europa.
Meine Damen und Herren, die Realisierung dieser drei Forderungen muß jetzt die entschlossene Antwort unserer Politik und die Lehre aus Luxemburg sein, weil damit die erklärte deutsche Zielsetzung, nämlich die Wirkung der US-Grenzwerte zu erreichen, nicht nur wiederhergestellt, sondern, wie sogar die EG-Kommission in ihren Papieren festgestellt hat, noch deutlich übertroffen werden kann.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Schulte .
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985 11247
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Anlaß, weshalb wir uns hier zu dieser historischen Debatte versammelt haben, ist äußerst tragisch: In den frühen Morgenstunden hat der Minister Zimmermann in Luxemburg den Todesschein für den deutschen Wald unterschrieben.
Herr Zimmermann, es ist der dreisteste Zynismus, den ich je erlebt habe, diese Beschlüsse hier öffentlich vor Fernsehkameras auch noch als Fortschritt verkaufen zu wollen. Wollen Sie eigentlich die ganze Nation auf den Arm nehmen?Es muß folgendes festgestellt werden: Wieder einmal tritt Herr Pleiteminister Zimmermann vor dieses Parlament ohne rechtswirksame Beschlüsse.
Zweitens. Die Ergebnisse von Brüssel sind nicht verbessert, sondern nochmals verschlechtert worden.
Drittens. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts wird sich die Stickoxidsituation in ganz Europa noch verschlechtern. Unsere Wälder haben somit überhaupt gar keine Chance.
Dafür tragen Sie, Herr Zimmermann, zusammen mit der Bundesregierung die volle Verantwortung.
Für die Fraktion der GRÜNEN fordere ich Sie deshalb nochmals auf: Treten Sie sofort zurück!
Warten Sie bitte nicht, bis unser Antrag, den wir dazu gestellt haben, demnächst im Parlament behandelt wird!
— Ich denke, daß es heute überhaupt gar keinen Grund gibt, hier zu lachen.Wir haben folgende Situation: Kulturgüter wie der Kölner Dom zerfallen schneller, als sie überhaupt restauriert werden können, 60 % der Bäume in der Bundesrepublik sind bereits erkrankt. Millionen werden notgefällt, die Pseudokrupperkrankungen nehmen nach Aussagen des Umweltbundesamtes dramatisch zu.
Herr Zimmermann, können Sie wenigstens zuhören?
Die Pseudokrupperkrankungen nehmen zu.
— Ich weiß nicht, ob dies der richtige Anlaß und die richtige Zeit sind, um solche Bemerkungen zu machen.
Dieses ist die Realität 1985, und alle Umweltexperten bescheinigen, daß uns, falls nicht einschneidende Gegenmaßnahmen getroffen werden, ein ökologischer Holocaust von unvorstellbarem Ausmaß bevorsteht.Mein Gott, hat diese Bundesregierung immer noch nicht begriffen, was die Stunde geschlagen hat?
Haben Sie sich, Herr Zimmermann, gestern überhaupt ein einziges Mal an die Baumskelette im Schwarzwald oder im Erzgebirge, an die Ängste und Sorgen der Waldbauern erinnert? Ist es Ihnen völlig egal, daß die Lebensgrundlagen unserer Kinder und Enkel, auch Ihrer Enkel, hochgradig gefährdet sind? Warum machen Sie nicht den Alleingang mit dem Katalysator? Sie wissen ganz genau, nach Art. 36 der EG-Verträge steht dem überhaupt nichts entgegen. Sind denn die vitalen Belange des deutschen Volkes bei dem Getreidepreis mehr berührt als beim Absterben der Wälder?
Ist die Sicherung unserer Lebensgrundlage nicht mehr wert als die Reinheit des Bieres?Unsere Vorschläge, Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen und Landstraßen, hätten den Wald, wenn man sie, wie wir gefordert haben, Ende 1983 eingeführt hätte,
den Wald um 1,3 Millionen Tonnen Stickoxid entlasten können. Die Einführung der US-Abgasgrenzwerte, die Sie auch mal angekündigt haben, ab 1. Januar 1986 hätte nochmals eine Entlastung um 1,5 Millionen Tonnen gebracht, wobei alle Zahlen auf das Jahr 1990 berechnet sind. Dieser Zeitraum ist die entscheidende Phase in der wir den Wald überhaupt noch retten können.Die erbärmlichen EG-Beschlüsse bringen überhaupt gar keine nennenswerte Verbesserung bei den Stickoxiden, da gar kein Einzelgrenzwert für dieses Gift festgelegt wurde. Im Klartext heißt das: Viele Pkw, die jetzt gekauft werden, erfüllen schon die gestern oder, besser gesagt, heute morgen festgelegten Grenzwerte und bekommen dann noch
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11248 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
Schulte
eine steuerliche Subventionierung. Dies ist ein Skandal ersten Grades.
Falls das umweltfeindliche Gesetz zur Förderung von Kraftfahrzeugen nächste Woche in Kraft treten sollte, werden Sie, Herr Minister Zimmermann, das kann ich Ihnen garantieren, eine Abfuhr vom Bundesverfassungsgericht bekommen.
Wir als Interessenvertreter der Wälder und der Menschen werden es nicht so weit kommen lassen. Die GRÜNEN beantragen, in der nächsten Woche eine Sondersitzung des Deutschen Bundestages durchzuführen, damit dies verhindert wird.
Herr Minister: Voriges Jahr Buschhaus, dieses Jahr Katalysator! Für den Herbst kündigen wir schon jetzt eine Großkampagne zum Tempolimit an.
Zusammen mit Naturschutzverbänden, mit den Eltern an Pseudokrupp erkrankter Kinder, mit den Waldbauern und Millionen umweltbewußter Bürger werden wir die Regierung so lange unter Druck setzen, bis alle Rettungsmaßnahmen eingeleitet sind.
Nun zu den „Freunden" von der CDU: Ich bin gespannt, Herr Schmidbauer, was Sie gleich zu Ihrem Zitat sagen werden — ich zitiere aus der Pressemitteilung der CDU —:Der Bundesfachausschuß Umwelt der CDU fordert die Bundesregierung auf,— das war am 21. Juni, also kurz vor den Verhandlungen —in der EG bei der Abgasreduzierung nur Grenzwerten zuzustimmen, die das positive Ergebnis— das ist Ihre Einschätzung —vom März dieses Jahres nicht verwässern.Alle Experten bescheinigen Ihnen heute morgen, daß es gestern und heute eine Verschlechterung gegeben hat. Ich bin gespannt, ob Sie dieser Sache weiterhin zustimmen werden.Noch mal unsere Ankündigung, Herr Minister und auch Herr Minister Dollinger — auch Sie sind j a glücklicherweise hier —: Im Herbst werden Sie eine bisher nicht bekannte Kampagne zum Tempolimit erleben. Ich bin mir ziemlich sicher, daß wir die Geschwindigkeitsbegrenzung noch in diesem Jahr bekommen werden.Danke schön.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laufs.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit der Luxemburger Einigung ist die erste wichtige Etappe auf dem Weg zur europaweiten Einführung des schadstoffarmen Kraftfahrzeugs erreicht;
mühsam genug, das sehen auch wir, aber sie ist erreicht. Die Ungewißheit der Autohersteller und Autokäufer ist zu Ende. In wenigen Tagen, am 1. Juli, kann in der Bundesrepublik Deutschland die steuerliche Förderung des abgasarmen Neufahrzeugs und des umgerüsteten Altfahrzeugs auf rechtlich sicherer Grundlage wie geplant beginnen. Wir sind ein großes Stück vorangekommen.
Wir haben zwei Jahre lang mit unseren EG-Partnern um die nach dem Stand erprobter Technik bestmöglichen Abgasgrenzwerte gerungen. Der Außenstehende kann sich nicht vorstellen, welche ungeheuren Belastungen der Bundesinnenminister und seine Mitarbeiter bei unzähligen Auslandsaufenthalten in endlosen Nachtsitzungen und in ständigen Gesprächskontakten auf sich genommen haben, um das vorliegende Ergebnis zu erzielen.
Dafür möchte ich hier ein Wort des anerkennenden Dankes sagen.
Wir haben für die wirksamste Technik und deren schnellstmögliche Einführung gekämpft. Daraus sollten Sie von der Opposition keinen Vorwurf machen.Wären wir mit den von der letzten SPD-Regierung noch im September 1982 anvisierten Werten in die Verhandlungen gegangen, so wäre nichts, überhaupt nichts erreicht worden.
Wir haben einen Kompromiß erzielt, der sich sehen lassen kann. Die beschlossenen Werte sind sehr viel besser als die heute geltenden und alles,
was SPD-Regierungen und Sie, Herr Kollege Hauff, noch vor zweieinhalb Jahren überhaupt als machbar angesehen haben.
Noch vor wenigen Tagen sagten die Briten, billige Kraftfahrzeuge seien wichtiger als umweltfreundli-
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Dr. Laufsche, und für den Chef eines namhaften französischen Automobilherstellers sind wir deutschen Umweltpolitiker laut Presseberichten eine Bande von Hysterikern.
In diesem Umfeld haben wir diese Ergebnisse erzielt. Wir waren immer wieder bestürzt über die Uneinsichtigkeit einiger EG-Partner, die im Europa der einstimmigen Beschlüsse unsere zukunftsweisende Politik zu blockieren versuchten. Es führt kein Weg daran vorbei, meine Damen und Herren von der SPD: Seit der Zustimmung der von Ihnen geführten Bundesregierung zur EWG-Richtlinie 220 im Jahre 1970 bedarf jede Verschärfung der deutschen Abgasnormen der Zustimmung aller übrigen EG-Partner. Ebenso schlimm ist es, daß die nach EG-Recht bestimmten Grenzwerte seit damals national zwar schlechter, nicht aber schärfer festgesetzt werden durften. Sie von der SPD haben dies damals vereinbart. Sie haben kein Recht, heute den Minister dafür zu schelten, daß er die Folgen Ihrer Beschlüsse ausbaden muß.
Es ist ein großer deutscher Verhandlungserfolg in Luxemburg gewesen, daß dieses Prinzip erstmals durchbrochen wird. Unsere EG-Partner stimmen zu, daß — parallel zu den europäischen Normen — auch Automobile steuerlich gefördert werden dürfen, die die schärferen US-Grenzwerte einhalten. Damit ist unser Steuerkonzept voll akzeptiert.Meine Damen und Herren, die schweren Wagen mit über zwei Liter Hubraum werden dem gesteuerten Dreiwegekatalysator und dem bleifreien Benzin europaweit den Weg bahnen. Im Mittelklassebereich werden derzeit Wagen, die die Luxemburger Grenzwerte erreichen können, nur mit dem geregelten Dreiwegekatalysator angeboten. Wir rechnen damit, daß der Katalysator, auch wenn er nicht gesteuert ist, in Zukunft auch im größten Teil des Mittelklassebereichs seinen Einzug hält.Wir begrüßen nachdrücklich die Absicht der Europäischen Gemeinschaft, die flächendeckende Bereitstellung von bleifreiem Benzin zu forcieren. Vor uns liegt als nächste Etappe die Verwirklichung unseres Konzepts des abgasentgifteten Lastkraftwagens und der Begrenzung der Partikelemissionen von Dieselfahrzeugen. Beides soll noch in diesem Jahr, 1985, entschieden werden. Bald kommt dann die Festsetzung der schärferen Grenzwerte für die kleinen Fahrzeuge.Europäische Umweltpolitik, meine Damen und Herren, ist ein mühseliges Geschäft. Diese Bundesregierung beweist, daß sie auch auf diesem schwierigen Feld erfolgreich ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Lennartz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man mich schon in meiner Funktion als Landrat anspricht, dann muß ich schon fast etwas ironisch sagen: Nehmen Sie bitte Haltung an! Das bin ich in meinem Parlament so gewohnt.
Meine Damen und Herren, während der Debatte über die Regierungserklärung zum schadstoffarmen Auto — es sind 75 Minuten vorgesehen — werden etwas mehr als 140 Tonnen Stickoxide, d. h. 2 800 Zentner, durch die Auspufftöpfe bundesdeutscher Pkw geblasen
und sich auf Wald und Menschen niederlegen. Daran wird sich in den nächsten zehn Jahren nichts ändern. Das ist am Morgen des 28. Juni 1985 umweltpolitische Wirklichkeit in der Bundesrepublik Deutschland, meine Damen und Herren.
Herr Minister Zimmermann, wer ist eigentlich umweltpolitischer Versager Nummer eins,
wer ist das nach diesen Zahlen: Sie oder Herr Baum? Die Antwort überlasse ich anderen.
Herr Kollege, der Abgeordnete Lennartz läßt keine Zwischenfrage zu.
Meine Damen und Herren, knapp zwei Jahre hat die Bundesregierung — federführend der Bundesinnenminister — in Sachen Katalysatorauto gestümpert. Jetzt, meine Damen und Herren, wurde „Katy" in München zur Chefsache erklärt.
— Herr Jung, ich nehme Sie gerne mal mit, dann schnuppern Sie mal frische Luft. — Meine Damen und Herren, Herr Strauß forderte den Bundeskanzler auf, den Innenminister mit aller Kraft zu unterstützen.Meine Damen und Herren, das ist uns zu billig, daß Umweltpolitik, daß Europapolitik zu einer geschickten Schuldzuweisung verkommt; so läuft das nicht.
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11250 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
LennartzDie Verantwortung für die Katalysatortragödie liegt bei der Regierung,
bei der gesamten Regierung. Mein Wissensstand ist noch immer, Herr Kollege, daß die CSU dazu gehört. Korrigieren Sie mich bitte, wenn ich hier etwas Falsches sage.Tatsache ist und bleibt, daß Herr Zimmermann mit seinem Bericht über den Umweltministerrat den Bundestag getäuscht hat, vielleicht sogar die Bundesregierung oder sogar seinen Parteivorsitzenden. Der Minister hat es zugelassen, daß in der Brüsseler Nachtverhandlung, als angeblich der Gordische Knoten durchgeschlagen wurde, ein Text verabschiedet wurde, in dem jedes Teilnehmerland seine Position wiederfinden konnte und der dementsprechend nichts taugte. Sie haben das Parlament getäuscht, Herr Innenminister, indem Sie uns nur eine Passage vorgetragen haben, nämlich die Gleichwertigkeit, die die EG-Grenzwerte angeblich mit den US-Grenzwerten haben sollten. Was Sie verschwiegen haben, ist, daß mit der ausdrücklichen Zustimmung und Billigung der Bundesregierung in Brüssel damals auch folgende Passage beschlossen worden ist: Die europäischen Normen, die ja angeblich so streng sein sollten wie die US-Abgasgrenzwerte, sollten durch einfache Magerverbrennungsverfahren in Verbindung mit Oxidationskatalysatoren oder vergleichbaren kostengünstigen Verfahren erreichbar sein. Das heißt im Klartext, das Aus für die US-Abgasgrenzwerte ist von Ihnen damals wissentlich beschlossen worden. Anschließend, Herr Innenminister, sind Sie nach Bonn gekommen
und haben durch Vortäuschung falscher Tatsachen — —
— Entschuldigen Sie bitte, Sie haben doch im Jahre 1980/81 bestritten, daß es ein Waldsterben gibt. Machen Sie doch Volker Hauff keinen Vorwurf!
Das waren Sie doch, das waren Sie.
Sie sind nach Bonn gekommen und haben den Deutschen Bundestag zur Verabschiedung eines Gesetzes veranlaßt, von dem Sie damals bereits wußten, daß es nicht mehr Wert ist als ein Auto ohne Sprit. Das waren die Faktoren. Sie haben das Parlament getäuscht, Herr Zimmermann, und Sie versuchen es heute wieder.
Sie haben einer Mogelpackung zugestimmt. Warum haben Sie nicht abgelehnt wie die Dänen? Sie haben zugestimmt, daß Stickoxide und Kohlenwasserstoffe im Grenzwert zusammengefaßt werden, damit die Mogelei nicht so auffällt. Sie kommen heute mit einem Grenzwert an, der dem Vorschlag der EG-Kommission vom 5. Juni 1985 entspricht, denSie noch vor Tagen, Herr Innenminister, als unzureichend bezeichnet haben,
und — meine Damen und Herren, das setzt dem Faß die Krone auf — wollen uns das heute noch als enormen Fortschritt verkaufen. Also, ich bitte Sie.
Das ist zu durchsichtig, Herr Zimmermann. Wir sind gebrannte Kinder.
Sie haben uns einmal getäuscht; das gelingt Ihnen kein zweites Mal mehr.
Das Gesetz über steuerliche Maßnahmen zur Förderung schadstoffarmer PKW's darf nicht und kann nicht, meine Damen und Herren, wie vorgesehen, am Montag kommender Woche in Kraft treten; es ist unter Vortäuschung falscher Tatsachen zustande gekommen.
Gibt es konkrete Zusagen der EG-Partner, das Gesetz als verfassungskonform zu bezeichnen? Die Förderungsbeträge waren ja ursprünglich auf eine 90 %ige Abgasreduzierung ausgelegt. Wie wollen Sie jetzt, meine Damen und Herren, die gewaltige Überforderung von Kraftfahrzeugen vermeiden, die wesentlich schlechter abgasentgiftet sind?
Sie haben ja im Schadstoff kaum noch eine Differenz zu Altfahrzeugen, aber eine hohe Differenz in der steuerlichen Belastung. Wenn Sie an diesem Gesetz festhalten, verantworten Sie eine gigantische Fehlförderung minderwertiger Abgastechnik, eine gigantische Fehlförderung und Subventionierung.
Sie fördern — hören Sie genau zu, Herr Kollege — ja dann ein deutsches Auto mit einem teuren Dreiwegekatalysator mit 2 200 DM, und Sie fördern ein britisches Auto mit billiger Magergemischentgiftung und dreifachem Schadstoffausstoß auch mit 2 200 DM. Schämen Sie sich eigentlich nicht, meine Damen und Herren, vor den Tausenden von Katalysatorkäufern, denen Sie in den vergangenen Monaten eingeredet haben „Kauft Katalysatorautos!" und die jetzt die Gelackmeierten des Jahres sind?Schämen Sie sich nicht, meine Damen und Herren, vor der deutschen Automobilindustrie, der Sie heute Nacht erhebliche — ich betone: erhebliche — Wettbewerbsnachteile beschert haben? Das ist Ihre Politik!
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985 11251
LennartzWas wird aus der steuerlichen Förderung für Diesel-Pkws, da doch die Kommission die Grenzwerte für Ruß erst Ende dieses Jahres festlegen will? Was wird aus dem flächendeckenden Netz von Zapfsäulen für bleifreies Benzin, wenn nur Pkw ab 2 1 auf den Katalysator und damit auf bleifreies Benzin angewiesen sind?
— Ich weiß, das hören Sie nicht gern. Aber 3,7 Milliarden DM kassiert der Fiskus auf Grund der Änderungen im Mineralölsteuergesetz und bei der KfzSteuer. Finanzminister Stoltenberg ist doch froh über jede Füllung mit bleihaltigem Benzin.Sie haben es geschafft, daß Finanzpolitik statt Umweltpolitik gemacht wird. Ressortegoismus statt Gesamtverantwortung, Ministerpräferenz statt Richtlinienkompetenz — das ist Ihre Politik.
Doch die kühnsten Einnahmeerwartungen werden durch die Brüsseler Beschlüsse noch übertroffen. Bleifreies Benzin ist out. Auf lange Sicht ist es jetzt nur noch ein Treibstoff für die Minderheit der Fahrer von Katalysatorautos und für die freiwilligen Umsteiger. Das ist exakt das, was dabei herausgekommen ist.Wollen Sie, frage ich, an der deutlichen Erhöhung der Kfz-Steuer für Altfahrzeuge festhalten, obwohl diese Altfahrzeuge jetzt ja nicht mehr soviel mehr Schadstoffe ausstoßen als die sogenannten schadstoffarmen Autos? Können Sie Ihr Versprechen an die Bundesländer aufrechterhalten, wonach die Änderungen bei der Kfz-Steuer aufkommensneutral bleiben sollen? Diese Fragen müssen Sie beantworten.Es gibt in der Geschichte des deutschen Automobils, es gibt in der gesamten Geschichte der Umweltgesetzgebung keine politische Maßnahme, die allen gegeneinander abzuwägenden Interessen so nachhaltig geschadet hat wie Ihre Politik in Sachen schadstoffarmer Pkw.
Die deutsche Automobilwirtschaft hat tiefe Zweifel, ob Leistung sich wieder lohnt; denn die Leistung der deutschen Automobilwirtschaft, binnen kurzer Zeit den Dreiwegekatalysator einsatzreif gemacht zu haben, haben Sie mit Ihrer Stümperei, mit Ihrem Dilettantismus wieder zunichte gemacht.
Sie haben den Konjunkturmotor Nummer eins in der Bundesrepublik Deutschland — Gott sei Dank haben wir noch den Export — sauer gefahren und den deutschen Autoproduzenten Wettbewerbsnachteile verschafft, während andere in der EG stahlharten Protektionismus betrieben haben.Ich komme zum nächsten Punkt. Mein Kollege Volker Hauff hat darauf hingewiesen, daß das eine Angelegenheit des Bundeskanzlers auf dem Mailänder Gipfel werden muß. Der Mailänder Gipfelsoll aber, so heißt es, Herr Kollege Hauff, von Detailfragen freigehalten werden.
Meine Damen und Herren, da der Kanzler persönlich nach Mailand fährt, hätte ich mir etwas anderes auch schwer vorstellen können.
Der Gipfel soll freigehalten werden, um Grundsatzentscheidungen für die Zukunft Europas treffen zu können. Was aber nützen Grundsatzentscheidungen, wenn es im Detail nicht klappt, wenn uns 0,9 % Getreidepreissenkung ein Veto wert ist, der deutsche Wald hingegen nichts?
Europäische Visionen gibt es genug. Das letzte, was wir brauchen, sind noch ein paar weitere Sprechblasen unseres Kanzlers. Darauf können wir verzichten. Was wir brauchen, ist eine europäische Politik, eine deutsche Linie in der Europapolitik.Wie ernst wird die Bundesregierung auf EG-Ebene noch genommen? Die EG-Partner spüren doch förmlich, daß deutsche Politik unterlassen wird, daß Regierung einfach nicht stattfindet. Die deutsche Bundesregierung hat mit ihrem Verzicht auf Politik dem nationalen Interesse, dem deutschen Interesse, schweren Schaden zugefügt. Sie hat der europäischen Idee geschadet, und zwar nachhaltig.
Herr Minister Zimmermann, Sie haben geschworen, Schaden vom deutschen Volk zu wenden und seinen Nutzen zu mehren.
Folgen Sie diesem Eid, und ändern Sie Ihre Politik!Meine Damen und Herren, es heißt, eine Partei könne sich in der Opposition regenerieren.
Sie von CSU und CDU haben bewiesen, daß diese These falsch ist. Mit wachsender Verweildauer in der Opposition ist zwar Ihr Wille zur Macht gewachsen, Ihre Fähigkeiten zu regieren scheinen Ihnen aber in den 70er Jahren mehr als abhanden gekommen zu sein.Meine Damen und Herren, nehmen Sie jetzt endlich die letzte Chance wahr — ich meine hier den Bundeskanzler —, Politik zu machen! Nutzen Sie das deutsche Interesse für Europa! Deutsches Interesse für Europa muß gewahrt bleiben. Nutzen Sie den bundesrepublikanischen Binnenmarkt für Kfz, um wenigstens für die Binnenmarktfahrzeuge die US-Abgasgrenznormen einzuführen! Behandeln Sie EG-Import- und EG-Exportfahrzeuge notgedrungen — notgedrungen! — nach den EG-Grenzwerten, und
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11252 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
Lennartzwagen Sie endlich den EG-konformen nationalen Alleingang! Dann werden Sie die Unterstützung dieses Hauses bekommen. Dafür werden Sie Verständnis, Bereitschaft und Anerkennung der Autofahrer und auch der Automobilwirtschaft unseres Landes ernten und die totale Niederlage in Luxemburg lindern.
Ansonsten können wir das Kapitel Katalysatorauto schließen und sagen: Nach großen Veränderungen bleibt alles beim alten.Danke schön.
Das Wort hat der Abgeordnete Baum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beschlüsse von Luxemburg werden hoffentlich die Unsicherheit beseitigen, die auf Herstellern und Käufern in der Bundesrepublik Deutschland immer stärker lasteten. Diese Beschlüsse befriedigen umweltpolitisch nicht.
Wir haben mehr gewollt, wir haben alle mehr gewollt. Unsere Partner in Europa sind uns nicht gefolgt. Dennoch war es richtig, eine gemeinsame europäische Entscheidung anzustreben. Alleingänge irgendwelcher. Art wären in dieser Situation europapolitisch und handelspolitisch nicht zu vertreten gewesen;
sie hätten nicht nur der deutschen Wirtschaft, sondern auch dem Europagedanken geschadet. Man kann Europa nicht nur dann akzeptieren, wenn es angenehm ist.
Wenn wir Europa wirklich wollen, dann müssen wir es auch in solchen Situationen akzeptieren .
Es ist eine blanke Illusion, anzunehmen, daß der Mailänder Gipfel noch etwas ändern könnte. Wekken wir doch nicht erneut Erwartungen, die sich nicht erfüllen lassen!
Die Beschlüsse orientieren sich bei den Mittelklassewagen, um die jetzt gestritten wurde, an den von der Kommission vorgeschlagenen Werten, den Eurowerten. Das betrifft etwa ein Drittel der Fahrzeuge, die hier fahren. Die Eurostandards werden
für Mittelklasse- und Kleinwagen, also für etwa 85% der Wagen, durch andere und kostengünstigere technische Verfahren erreichbar sein als durch den geregelten Dreiwegekatalysator. Dennoch wird, zum Teil jedenfalls, bleifreies Benzin für diese Kategorie von Fahrzeugen notwendig sein.
Die Eurowerte bringen dennoch eine deutliche Reduzierung der Schadstoffe, wenn auch nicht in der von uns angestrebten Höhe.
Herr Abgeordneter — —
Bei allem muß gesehen werden, daß die Werte fakultativ sind. Jeder Mitgliedstaat darf sie unterschreiten, er darf allerdings keine höheren Anforderungen stellen. Wir hoffen, daß niemand unterschreitet und daß sich alle europäisch-solidarisch jetzt auf diesen Kompromiß einstellen.Wenn das Konzept für die steuerlichen Anreize bestätigt worden ist, wie wir das hören, so ist das ein Fortschritt. Wir begrüßen das außerordentlich. Es wird jetzt deutliche Steuerentlastungen geben können. Allerdings stellen sich Probleme für kleine Fahrzeuge, bei denen die Aufwendungen und die Werte, die erreicht werden, wenn der Katalysator freiwillig eingebaut wird, hoch sind, denn da gibt es nur 750 DM. Bei Mittelklassewagen mit weniger hohen Aufwendungen und weniger Erfolgen bei der Abgasreduzierung gibt es mehr Geld.
Hier ist zu prüfen, was aus dieser Situation zu machen ist.Wir plädieren dafür, alles zu tun, um das bleifreie Benzin auf dem Markt weiter zu fördern. Das bleihaltige Normalbenzin sollte vom Markt verschwinden, Stichwort Dreisäulenmodell.
Es sollte der Abstand zwischen bleihaltigem und bleifreiem Benzin durch Steuermaßnahmen vergrößert werden, um dem bleifreien Benzin zum Durchbruch auf dem Markt zu verhelfen.
Es wird nach den Beschlüssen des Ministerrats 1986 Vorschläge zu einer europäischen Geschwindigkeitsbegrenzung geben. Wir warten den Großversuch ab, dessen Ergebnisse, wie wir hören, dort einbezogen werden sollen.Wir sollten, meine Damen und Herren, vorsichtig sein mit gegenseitigen Vorwürfen. Ein Teil der Werte, bei etwa 50 % der Neuzulassungen in der EG, werden Ende des Jahrzehnts die Werte sein, die wir bereits 1981 verhandelt haben. Wir haben auch von 1971 bis 1982 in fünf Stufen das Abgas bei Kraftfahrzeugen reduziert, meine Damen und Herren
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985 11253
Baumvon den GRÜNEN. Wir fangen beim Umweltschutz nicht bei Punkt Null an
und brauchen Ihre Belehrungen nicht.
Den Sozialdemokraten müßte eigentlich die eigene Regierungserfahrung die Erkenntnis vermitteln, daß nicht mehr herauszuholen war. Wären Sie denn in einer anderen Situation gewesen wie jetzt diese Bundesregierung, die wie die alte an der Spitze derjenigen stand, die um das abgasfreundliche Auto gekämpft haben, meine Damen und Herren?
Eine Schlußbemerkung. Wir sollten an unsere Mitbürger appellieren,
ihre wiederholt bekundete Bereitschaft, für den Umweltschutz auch materielle Opfer zu bringen, jetzt umzusetzen. Auch wenn sich die steuerliche Förderung nicht an den US-Grenzwerten orientiert, so ist niemand gehindert, sondern eigentlich jeder aufgefordert, das Katalysatorauto zu kaufen, das die Automobilindustrie jetzt in breiter Palette anbietet.
Er leistet damit einen wesentlichen Beitrag zum Umweltschutz.In diesem Appell, meine Damen und Herren, sollten wir uns alle in diesem Hause gemeinsam finden.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidbauer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Meine Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, mir ist Ihre Aufgeregtheit verständlich. Sie haben erkannt, daß heute Nacht in der Tat der Bundesregierung der Durchbruch in Europa gelungen ist
und die Tür zu einer Umweltgemeinschaft weit aufgestoßen wurde,
auch wenn — das wissen wir — nicht alles erreicht
wurde. Wer kann von sich in Anspruch nehmen, daß
er bei Verhandlungen alles für sich selber erreicht, ohne partnerschaftlich insgesamt auf die Gemeinschaft einzugehen? Die Schrittmacherrolle der Bundesrepublik Deutschland hat sich ausgewirkt. Wir haben kein Verständnis für Ihre haltlose Kritik nach dem Motto: Je weniger Sachverstand, desto leichter läßt sich die Sache kritisieren.
Herr Kollege Hauff, Ihnen muß ich sagen, Sie hätten sich die Mühe machen müssen, an den Hearings teilzunehmen, Sie hätten sich die Mühe machen müssen, im Innenausschuß dabei zu sein, Sie hätten sich die Mühe machen müssen, mit ins Ausland zu gehen — fragen Sie Ihren Kollegen Reuter — und bei Gesprächen mit dem Minister in Frankreich, mit dem Minister Biondi in Italien dabeizusein, dann hätten Sie gewußt, daß das, was Sie heute sagen, jeder Grundlage entbehrt.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Nein. — Sie hätten auch hier in Bonn mit Vertretern der Europäischen Gemeinschaft diskutieren können, stundenlang, wie Ihre und wie meine Kollegen, wie der Kollege Fellner fünf Stunden mit den Franzosen. Sie hätten erkannt, wie schwierig es werden wird, in diesem Europa das, was wir heute erreicht haben, überhaupt annäherungsweise zu erreichen.
— Herr Kollege, Sie können mir mit Ihren Horrorszenarien überhaupt nicht imponieren. Fangen Sie einmal an, sachliche Politik hier und im Ausschuß zu machen. Dann werden Sie vielleicht wieder ernst genommen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich kann nicht bei dieser kurzen Redezeit. Das gilt generell.Die CDU/CSU-Fraktion dankt der Bundesregierung. Wir danken vor allen Dingen dem Bundesinnenminister für seine Verhandlungen.
Wir wissen, wie strapaziös dies war. Wir wollen hier ganz klar sagen: Die Fraktion steht hinter diesem Minister und hinter diesem Ergebnis, meine Damen und Herren.
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11254 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
SchmidbauerEs ist in der Tat gelungen, wirtschaftspolitische Ziele mit umweltpolitischen Zielen in diesem Europa zu harmonisieren.
Damit ist dem Umweltschutz in Europa mehr gedient als mit Ihrer Kraftmeierei und mit Ihrer verbalen Akrobatik.
Nur europäische Emissionsnormen führen zu einer europaweiten Reduzierung von Schadstoffen.
Bei einem Vergleich der Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik — 23 Millionen — mit denen in Europa — nahezu 100 Millionen — mag das sogar für Sie verständlich werden.
Wir haben folgendes erreicht:Erstens. Einheitliche Normen bedeuten die Wahrung der Integrität des europäischen Marktes und damit die Sicherung unserer Arbeitsplätze in diesem wichtigen Bereich.Zweitens. Bleifreies Benzin kann europaweit eingeführt werden. Heute nacht hat der Umweltministerrat noch einmal bekräftigt, daß dies schneller gemacht werden soll, als ursprünglich vorgesehen war.Drittens. Wir können im Einverständnis mit unseren Partnern in der Bundesrepublik Deutschland unser nationales Förderkonzept heute realisieren, und zwar einschließlich der Steuerkonzeption. Herr Hauff, es ist nicht richtig, was Sie gesagt haben. Sie meinten, dies sei reif für den Papierkorb. Das haben Sie hier noch vor wenigen Wochen verkündet.Viertens. Bei den Fahrzeugen mit über 2 Liter Hubraum wird es den geregelten Dreiwegekatalysator geben. Dies bedeutet im Vergleich von 1977 zu 1985 eine Reduzierung um 87% im Summenwert, meine Herren.
Fünftens. Wir können unsere Altfahrzeuge nachrüsten.Sechstens. Die EG ist bereit — es ist besonders wichtig, daß wir darauf hinweisen —, noch in diesem Jahr eine Diesel-Konzeption vorzulegen, Partikel-Werte festzulegen. Dies wird unter Einbeziehung der Ergebnisse unseres Großversuchs geschehen. Das war ein ganz entscheidender Punkt bei den Verhandlungen in der heutigen Nacht.Siebtens. Bis 1977 soll der europäische Prüfzyklus den derzeitigen Bedingungen angepaßt werden. Was nach den Verhandlungen Not tut, ist, daß die Bürger informiert werden.
Die Bürger müssen möglichst schnell und breit in verständlicher Form über das Ergebnis der Verhandlungen, über das steuerliche Förderkonzept und über die Umrüstung informiert werden, damit sie sich darauf einrichten und ihre Kaufentscheidung entsprechend ausrichten können.
Wir bitten unsere Bürger, bei ihrer Kaufentscheidung während der freiwilligen Phase dem Umweltschutz Rechnung zu tragen. Es gibt diese Fahrzeuge bereits heute. Wir bitten die Automobilindustrie, durch ein breites Angebot dafür zu sorgen, daß diese Fahrzeuge möglichst rasch auf den Markt kommen.Ein Schlußsatz: Wir bitten die Bundesregierung,
noch in diesem Jahr einen Bericht über die Einführung des schadstoffarmen Kraftfahrzeugs — sowohl bezogen auf Pkw als auch auf Lkw — im Deutschen Bundestag vorzulegen.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lippold.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das entscheidende Ergebnis ist, daß es keinen Handelskrieg in Europa geben wird. Entscheidend ist, daß wir eine europaweite Einigung erreicht haben. Meine Damen und Herren, das hat es in der Vergangenheit in bezug auf dieses Thema bedauerlicherweise nicht gegeben. Ich muß Ihnen ganz ehrlich sagen: Herr Hauff und Herr Lennartz haben den Bundesinnenminister, der als erster einen solchen europaweiten Konsens in dieser Frage erreicht hat, kritisiert. Es ist nicht richtig, daß die Versager kritisieren, was dieser Innenminister erreicht hat. Das muß in diesem Hause ganz deutlich gesagt werden.
Es ist eine deutliche Verminderung der Schadstoffwerte festgelegt worden. Das müssen Sie doch einmal sehen. — Herr Hauff, Ihre Sprechblasen können nicht darüber hinwegtäuschen.
Auf Grund dieser neuen Regelung werden dieSchadstoffe — ob es sich um NOX, um HC oder um
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985 11255
Dr. LippoldKohlenmonoxid handelt — gegenüber der bisherigen Regelung um 2 Millionen t reduziert. Tatsache ist doch, daß Sie das alles nicht erreicht haben.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ich gestatte keine Zwischenfrage.
Lassen Sie mich eine weitere Bemerkung machen. Es war derselbe Herr Hauff, der in der letzten Sitzung dieses Parlaments zu diesem Thema noch gesagt hat, das steuerliche Konzept zur Förderung des schadstoffarmen Autos werde scheitern. Das war doch Ihre Hoffnung. Sie wollen ja gar nichts zur Rettung des Waldes tun! Sie wollen sich parteipolitisch profilieren! Dieser politische Opportunismus ist unerträglich!
Wir können heute feststellen, daß genau dieses Konzept, das Konzept zur Förderung des schadstoffarmen Kraftfahrzeuges, von den Partnern in der EG akzeptiert wird. Keiner der Partner in der EG wird es rechtlich angreifen. Auch die Briten werden es nicht rechtlich angreifen. Sie haben doch im stillen darauf gehofft, daß es anders wäre, aber dem ist nicht so. Jetzt könnten Sie doch wenigstens akzeptieren, daß Sie Ihre Aussagen in diesem Punkte hier seinerzeit völlig zu Unrecht getroffen haben. Die diesbezüglichen Vorbehalte in der EG sind ganz klar und eindeutig ausgeräumt.
Ich sage noch eines. Darin versteckt sich auch indirekt der Hinweis, daß die abgestufte Form der Förderung entsprechend der abgestuften Form der Kostenaufwendungen offensichtlich auch von den EG-Partnern akzeptiert wird. Auch dieses ist ein positiver Hinweis, der gleichzeitig deutlich macht, daß auch vor unserem eigenen Recht dieses Fördergesetz Bestand haben wird, daß es verfassungskonform ist. Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Punkt.
Sie sollten in Zukunft die Regierung bei der Aufklärungsarbeit unterstützen, damit wir jetzt gemeinsam den Start, den diese Bundesregierung, den dieser Bundesinnenminister möglich gemacht haben, voll tragen und rasch und deutlich zu weiteren Erfolgen kommen, die Sie in der Vergangenheit bedauerlicherweise nie erzielt haben.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.Für die Entschließungsanträge auf den Drucksachen 10/3582 und 10/3584 ist Ausschußüberweisung beantragt worden, und zwar zur federführenden Beratung an den Innenausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß für Verkehr und an den Haushaltsausschuß. Gibt es anderweitige Vorschläge? — Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.Ich rufe nun zwischendurch den Zusatztagesordnungspunkt 7 a bis 7e auf:a) Beratung der Sammelübersicht 83 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen— Drucksache 10/3506 —b) Beratung der Sammelübersicht 84 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen— Drucksache 10/3507 —c) Beratung der Sammelübersicht 85 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen— Drucksache 10/3570 —d) Beratung der Sammelübersicht 86 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen— Drucksache 10/3571 —e) Beratung der Sammelübersicht 87 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen— Drucksache 10/3576 —Das Wort dazu wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung.
— Was war das?
— Es ist von einer Fraktion gefordert worden, über die Beschlußempfehlungen getrennt abzustimmen.Wer der Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/3506 seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Drucksache 10/3506 ist bei Stimmenthaltungen mit großer Mehrheit angenommen worden.Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/3507. Wer ihr zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. —
Darf ich noch einmal bitten? — Auf dieser Drucksache 10/3507 sind die Anträge zu Petitionen enthalten, über die wir jetzt abstimmen. Wer diesen die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen?— Dann ist diese Beschlußempfehlung mit großer Mehrheit bei einer Reihe von Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen.Wir stimmen ab über die Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/3570. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Ich nehme an, das war einstimmig, auch wenn ich nicht übermäßig viele Hände gesehen habe.
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11256 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
Vizepräsident WestphalWer der Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/ 3571 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.Wer stimmt für die Beschlußempfehlung auf Drucksache 10/3576? — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Auch diese ist einstimmig angenommen.Das heißt, die Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses in ihrer aufgezählten Gesamtheit sind angenommen.Ich rufe folgende Zusatztagesordnungspunkte auf:Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten ... Entwurfs eines Strafrechtsänderungsgesetzes — Paragraph 303 StGB —
— Drucksache 10/308 —Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses— Drucksache 10/3835 —Berichterstatter:Abgeordnete Marschewski Dr. de WithZweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einesStrafrechtsänderungsgesetzes — Paragraph 125 StGB —
— Drucksache 10/901 —Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses— Drucksachen 10/3573, 10/3580 —Berichterstatter:Abgeordnete Dr. Stark Dr. de WithMeine Damen und Herren, für die Aussprache ist eine Dauer von 90 Minuten beschlossen worden. Dazu höre ich keinen Widerspruch. Das ist so beschlossen.Dann hat zuerst zur Berichterstattung der Herr Abgeordnete Dr. Stark das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte Ihnen eine kurze mündliche Berichterstattung zu der Drucksache 10/901 und zu der Drucksache 10/308 geben. Zu der letzten Drucksache liegen Ihnen allerdings seit längerem ein schriftlicher Bericht und die Beschlußempfehlung vor, so daß ich mich auf die Drucksache 10/901 beschränken kann. Dies in aller gebotenen Kürze.Das Problem ist folgendes: Es gibt bei uns neben Tausenden von friedlichen Demonstrationen Hunderte Demonstrationen mit gewalttätigen Ausschreitungen mit Hunderten von verletzten Polizeibeamten, verletzten Demonstranten und hohen Sachschäden. Die Bundesregierung hat deshalb einen Gesetzentwurf zur Änderung des § 125 StGB vorgelegt. Dieser Gesetzentwurf wurde in der ersten Beratung am 24. Februar 1984 erörtert und in der 59. Sitzung am 15. März an den Rechtsausschuß überwiesen. Der Rechtsausschuß hat diesen Gesetzentwurf in fünf Beratungen behandelt, darunter in einer umfangreichen zweitägigen Anhörung mit 23 angehörten Personen — Sachverständigen, Polizeipräsidenten, Polizeipraktikern.Im Rechtsausschuß selber wurde nach der Anhörung von den Koalitionsfraktionen eine gewisse Änderung der ursprünglich vorgesehenen Vorschriften vorgenommen. Es wurden hierbei die Bedenken, die bei der Sachverständigenanhörung von einem Teil der Sachverständigen gegen den Gesetzentwurf vorgebracht wurden, berücksichtigt, nach Auffassung der Mehrheit berücksichtigt. — Ich will es einmal so sagen.Nach Auffassung der Minderheit würden auch die geänderten Vorschriften nicht dem Grundsatz der Bestimmtheit und auch nicht einer verfassungsmäßigen Regelung gerecht. Es wurden hiergegen verfassungsrechtliche und rechtliche Bedenken allgemeiner Art eingewendet. Von der Minderheit, von der Opposition, wurde auch auf Grund der neuen Fassung des Gesetzes in manchen Vorschriften, unter Einbeziehung von Vorschriften des Versammlungsgesetzes, beantragt, ein neues Hearing zu veranstalten.
Die Mehrheit war demgegenüber der Auffassung und der Überzeugung, daß das für die Minderheit vorgesehene Anhörungsrecht durch die umfangreiche erste Anhörung verbraucht sei. Diese Frage blieb strittig. Es wurde auch der Geschäftsordnungsausschuß eingeschaltet, der hierzu ein zweiseitiges Papier, eine Art Gutachten, erstellt hat, das allerdings insoweit nicht ganz hilfreich war, weil es nach verschiedenen Seiten hin ausgelegt werden konnte. Die Mehrheit war der Meinung, daß das Anhörungsrecht durch die erste Anhörung tatsächlich verbraucht worden war.Von der Mehrheit wurde dann nach den Beratungen, die insgesamt — wie gesagt — in fünf Rechtsausschußsitzungen — einschließlich des Hearings — getätigt wurden, folgendes beschlossen. Es wurde der § 125 Abs. 2 geändert. Der Absatz 1, der den Landfriedensbruch definiert, blieb in der jetzigen Form bestehen. Der Absatz 2 wurde dahin gehend geändert, daß in Zukunft auch bestraft werden soll, wer bei einer gewalttätigen Demonstration im Sinne des Abs. 1 des § 125 anwesend ist und dabei passiv bewaffnet oder vermummt ist.
— Ich kann das jetzt aus Zeitgründen nicht im einzelnen definieren. Es liegt Ihnen inzwischen der schriftliche Bericht vor. Ich kann nicht alle seine Punkte erörtern. Ich brauchte dazu sonst eine Stunde, Herr Bachmaier.
Es wird allgemein — auch im Hearing war das derFall — von passiver Bewaffnung gesprochen, die
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Dr. Stark
wir jetzt mit Schutzwaffen oder anderen Gegenständen definiert haben, die geeignet und darauf gerichtet sind, die Maßnahmen eines Hoheitsbeamten zu vereiteln. Das ist die Änderung.Als Tatbestandsmerkmal kommt hinzu: Wer sich in der gewalttätigen Menge vermummt oder passiv bewaffnet befindet und aufgefordert wird, sich zu entfernen oder die Vermummung oder die passive Bewaffnung abzulegen, und dieser Aufforderung nicht nachkommt, wird nach dem Gesetzesvorschlag in Zukunft nach § 125 Abs. 2 StGB strafbar.Zusätzlich hat die Mehrheit die bereits im Hearing erörterte Frage, ob passive Bewaffnung und Vermummung insgesamt verboten oder bestraft werden sollen, dahin gehend entschieden, daß Vermummung und passive Bewaffnung in Zukunft als Ordnungswidrigkeit grundsätzlich geahndet werden. Es ist also in Zukunft generell verboten, passiv bewaffnet oder vermummt zu einer Demonstration zu gehen.
Demgegenüber hatte die Minderheit, die Opposition aus SPD und GRÜNEN, vorgebracht, das sei nicht erforderlich, da der jetzige Rechtszustand ausreiche, bei dem in bestimmten Fällen bei Demonstrationen die Auflage des Verbots von Vermummung und passiver Bewaffnung gemacht werden könne.Das ist der wesentliche Inhalt des Gesetzes. — Der Innenausschuß hat als mitberatender Ausschuß ebenfalls zu diesem Gesetz Stellung genommen und hat gegen den Entwurf mit Mehrheit keine Einwendungen erhoben. Die Minderheit hat auch im Innenausschuß ein weiteres Hearing verlangt.Das, meine Damen und Herren, ist der wesentliche Inhalt des Berichts, der Ihnen im übrigen vorliegt. Ich empehle ihn Ihrer Lektüre.
Auch der andere Berichterstatter hat das Wort gewünscht. Bitte schön, Herr Abgeordneter de With.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Stark, ich schätze sehr die Kürze Ihres Berichts, aber es ist unumgänglich, daß ich dazu von seiten der Opposition in drei Punkten Ergänzungen anbringe:
Erstens. Es handelt sich bei der zweiten Fassung nicht um eine „gewisse Änderung", sondern um eine Änderung an Haupt und Gliedern.
Es werden mit der neuen Änderung Begriffe eingeführt, die es bisher noch in keinem Gesetz gab, z. B. der Begriff „Schutzwaffe".
Zweitens. Nach der von Ihnen vorgeschlagenen zweiten Fassung zur Änderung von Abs. 2 des Landfriedensbruchparagraphen hat zum erstenmal in der Geschichte des Strafgesetzbuches der einzelne Polizeibeamte vor Ort nicht nur die Möglichkeit, Vermummte und solche, die mit Schutzwaffen versehen sind, insgesamt in der Demonstration anzugehen oder einige anzugehen; nein, zum erstenmal kann der Polizeibeamte vor Ort auch gegenüber einem einzelnen eine Erklärung mit der Folge abgeben, daß er diesen kriminalisiert und aus der Ordnungswidrigkeit eine Straftat macht.
Drittens. Sie haben gegenüber der ersten Fassung auch das Versammlungsgesetz einbezogen und dort folgende Änderung vorgenommen: Während es nach dem Versammlungsrecht bisher erlaubt war, daß jemand vermummt oder passiv bewaffnet auftreten konnte — es sei denn, es war durch eine Auflage ausdrücklich verboten —, haben Sie das Prinzip jetzt genau umgekehrt; die Vermummung und das Mittragen von Schutzwaffen sind grundsätzlich verboten, allerdings kann es, wenn die Demonstration angemeldet ist, erlaubt werden. Damit greifen Sie nach Meinung der Opposition das Recht auf Spontandemonstration entscheidend an.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat als Minderheit Bedenken gegen Ihre erweiterte Vorlage deswegen geltend gemacht, weil erstens wegen Unkalkulierbarkeit der Bestimmtheitsgrundsatz verletzt ist und deswegen verfassungsmäßig Hindernisse bestehen, weil es zweitens durch die Änderungen fraglich sein kann, ob Ihre Fassung vor Ort noch praktikabel ist, und drittens weil wir meinen, daß durch diese Formulierung das Recht, spontan zu demonstrieren, unziemlich eingeschränkt wird.
Ich habe mich bemüht, mich ebenso kurz zu fassen wie Sie.
Meine Damen und Herren, da ich selbst irritiert war, glaube ich, den Stenographen eine Hilfe leisten zu müssen. Irritiert war ich, weil der Begriff „Schußwaffen" neu sein soll, aber es geht nicht um Schußwaffen, sondern um Schutzwaffen.
Jetzt eröffne ich die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stark.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Jahren bemüht sich die CDU/CSU-Fraktion, wirksamere strafrechtliche Vorschriften zur besseren Verfolgung von Gewalttätern und Chaoten bei Demonstrationen oder anderen Menschenansammlungen zu schaffen. Wir begrüßen es deshalb lebhaft, daß wir am heutigen Tage damit auf Grund einer Vorlage der Bundesregierung Erfolg haben werden — und dies, obwohl die große Oppositionspartei SPD mit allen Mitteln, die überhaupt denkbar und möglich waren, versucht hat, eine vernünftige Beratung zu verhindern, vor allem eine Verabschiedung.
— Mit allen möglichen und unmöglichen Mitteln.
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11258 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
Dr. Stark
— Zu den GRÜNEN komme ich noch später. Auf die werde ich in diesem Zusammenhang noch besonders eingehen.
Meine Damen und Herren, es ist eine nicht wegzudiskutierende Tatsache, daß es neben den Tausenden von friedlichen Demonstrationen, welche von dem heute zu verabschiedenden Gesetz überhaupt nicht berührt werden, jährlich in Hunderten von Fällen unter dem jetzt geltenden Recht zu gewalttätigen Ausschreitungen anläßlich von Demonstrationen oder sonstigen Menschenansammlungen kommt.
— Es ist nicht meine Eigenart zu demonstrieren. Ich bin mehr fürs Arbeiten.
Die dabei zum Ausdruck kommende Intensität und Brutalität der Gewalt nimmt ständig zu. Hunderte von verletzten Polizisten, verletzte friedliche Demonstranten, zerstörte Pkw und sonstige Schäden in Millionen-Höhe sind ein beredtes Zeugnis für den Vandalismus solcher Gewalttäter, die ihr Werk häufig wie ein „ambulantes Gewerbe" ausüben und von Stadt zu Stadt reisen. Einzelne besonders exorbitante Fälle von gewalttätigen Demonstrationen der letzten Jahre wie in Berlin, Frankfurt, Bielefeld und anderen Städten brauche ich hier nicht zu schildern. Das haben meine Kollegen Wittmann und Olderog in der ersten Lesung bereits getan.Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen, der tatsächliche Zustand auf diesem Gebiet ist schlimm. Er ist völlig unbefriedigend und eine Gefahr für den inneren Frieden und die innere Sicherheit.
Ganz schlimm und für einen Rechtsstaat unerträglich ist aber die Tatsache, daß unter der jetzigen Rechtslage wenige der Tausenden von Gewalttätern überhaupt bestraft werden, weil sie überhaupt nicht gefaßt werden können. Das ist für einen Rechtsstaat ein höchst unbefriedigender Zustand.
Dies ist im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß die Gewalttäter häufig vermummt und passiv bewaffnet ihre Straftaten aus der Menge der sie umgebenden — selbst nicht gewalttätigen — Demonstranten heraus begehen. Der Polizei ist es aus den genannten Gründen nur in den wenigsten Fällen möglich, die Gewalttäter zu fassen bzw. ihren Tatbeitrag beweiskräftig festzustellen.Die Kriminalstatistik weist auch aus, daß praktisch ganz wenige Straftäter und Gewalttäter nach dem § 125 StGB in der heutigen Form bestraft worden sind. Man kann deshalb mit Fug und Rechtbehaupten, daß der heutige § 125 StGB ins Leere läuft, überhaupt nicht greift.Bei dieser Sach- und Rechtslage ist es uns völlig unverständlich, wie verantwortliche Rechtspolitiker sagen können, daß sich die bisherige Regelung des Landfriedensbruchs in § 125 StGB bewährt habe und deshalb kein Handlungs- und Regelungsbedarf auf diesem Gebiet bestehe. Das ist die stereotype Formel, die uns von der Opposition entgegengebracht wurde.Ich bin überzeugt, daß die große Mehrheit unseres Volkes und, wie ich weiß, auch die große Mehrheit der aktiv tätigen Polizeibeamten für eine solche Einstellung überhaupt kein Verständnis haben.
Meines Erachtens kann man diese Einstellung einnehmen, wenn man, wie der Abgeordnete Fischer von der GRÜNEN-Fraktion — hören Sie gut zu, weil Sie ständig dazwischen rufen —, der inzwischen allerdings wegrotiert wurde
— ob das bedauerlich ist oder nicht, müssen Sie beurteilen — —
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schily?
Aber bitte schön.
Herr Kollege Dr. Stark, wenn Sie meinen, es sei ein für den Rechtsstaat unerträglicher Rechtszustand: Wie verträgt sich das nach Ihrer Auffassung mit der Tatsache, daß sowohl der Deutsche Richterbund als auch die deutsche Polizeigewerkschaft sich gegen Ihre Vorschläge ausgesprochen haben?
Herr Schily, das zeigt, daß Sie nicht im Hearing waren. Da war der Deutsche Richterbund vertreten, und der war mit Mehrheit für unseren Gesetzentwurf. Der Vertreter war Herr Oberstaatsanwalt Lücke. Leider hatten Sie nicht die Gelegenheit dabeizusein.
Deshalb sind Sie falsch unterrichtet.Daß die Gewerkschaft der deutschen Polizei, wenigstens ihre Funktionäre, möchte ich sagen, gegen dieses Gesetz sind, ist mir wohl bekannt. Aber z. B. ist der Bund Deutscher Kriminalbeamter für dieses Gesetz. Noch zehn andere Sachverständige waren für dieses Gesetz, wenn auch mit Abänderungswünschen zu einzelnen Vorschriften. Von den 23 insge-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985 11259
Dr. Stark
samt angehörten Personen waren 11 gegen das Gesetz
und 12 in irgendeiner Form, allerdings mit Abänderungswünschen, für das Gesetz. Diese Tatsache können Sie nicht wissen, Herr Schily, weil Sie im Hearing nicht anwesend waren.
Herr Schily, ich komme gerade zu Ihnen und Ihrer Haltung. Ihre Frage erübrigt sich nämlich, wenn das stimmt, was Ihr Kollege Fischer gesagt hat. Er hat nämlich gesagt, daß praktisch zu einer Demonstration Randale und Gewalttaten gehören, daß dies zum Wesensgehalt des Grundrechts auf Demonstrationsfreiheit gehört. Wörtlich hat er in der ersten Lesung erklärt — davon müssen Sie sich erst distanzieren, wenn Sie hier seriös mitdiskutieren wollen —: „Wir GRÜNEN halten den § 125 StGB nicht für erweiterungs-, sondern für streichungsbedürftig;
denn er bestraft kein konkretes Vergehen, sondern eine politische Handlung, die zudem grundgesetzlich geschützt ist". An anderer Stelle erklärt der Kollege Fischer:
„Daß es dabei etwas fetzt, ja fetzen muß, gehört zum Risiko für alle Beteiligten."
Meine Damen und Herren, das ist Ihre Auffassung von Recht und Rechtsstaat. Sie, die GRÜNEN, die Sie auf Ihr Banner schreiben, Sie wollten gewaltlos sein, vertreten hier im Deutschen Bundestag durch einige Vertreter, daß Gewalt und Fetzen und Randale zum Wesensgehalt des Demonstrationsfreiheitsrechts gehören.
Bei der Grundeinstellung sollten Sie sich aus dieser Diskussion ganz heraushalten.Viel enttäuschender aber ist, daß die große Oppositionspartei, die SPD, außer der stereotypen Wiederholung, daß kein Regelungs- und Handlungsbedarf vorhanden ist, keinerlei konstruktiven Vorschlag zur Lösung dieses Problems, das ich eingangs geschildert habe, gemacht hat.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mann?
Nein.Sie wollen ganz eindeutig — das haben Sie mehrfach erklärt — keinerlei Änderung auf diesem Gebiet, und jetzt sollten Sie nicht so tun, als ob es Ihnen nur um eine Verbesserung ginge. Sie sagen, auf diesem Gebiet besteht kein Handlungsbedarf.
Dann mag sich das deutsche Volk eine Meinung darüber bilden, ob Sie angesichts der Gewalttaten, die ich eingangs geschildert habe, recht haben.
Sie sollten es aber dann unterlassen, uns, also diejenigen, die handeln, und die Regierung, wie es in der ersten Lesung der hochverehrte Oppositionsführer, Herr Vogel getan hat, in übelster Weise zu beschimpfen und von einem Anschlag auf den Rechtsstaat und von einem schwarzen Tag der Rechtsgeschichte zu sprechen.
Das ist kein schwarzer Tag für die deutsche Rechtsgeschichte oder die deutsche Rechtspolitik, das ist ein schwarzer Tag für die Gewalttäter in Deutschland.
Die Bundesregierung und die Koalition haben demgegenüber gehandelt und vernünftige Vorschläge in stundenlangen Beratungen behandelt. Ich darf hier mal anführen, daß wir das insgesamt 18 Stunden beraten haben, wovon Sie allerdings zweieinhalb Stunden durch Geschäftsordnungsdebatten weggenommen haben.
Sonst hätten wir noch mehr beraten können. Es wurde ausreichend und in aller Ruhe beraten, bis Sie zum Schluß unruhig wurden, weil Sie gemerkt haben, daß wir handlungsfähig sind und diesen Gesetzentwurf verabschieden.Sie reden ständig von schwarzen Tagen, wenn diese Koalition handelt. Es gefällt Ihnen nicht, daß diese Koalition handelt und etwas verabschiedet. Dann reden sie von schwarzen Tagen. Es sind keine schwarzen Tage für uns, sondern es sind allenfalls schwarze Tage für eine unfähige Opposition, die auf allen Gebieten nur noch nein sagen kann.
Wir haben im einzelnen das Versammlungsgesetz in § 17 a geändert
und hier generell, wie ich bereits im Bericht angedeutet habe, über Vermummung und Passivbewaffnung Regelungen getroffen. In der Anhörung hieß eine Frage ausdrücklich: Was halten Sie von Vermummung und passiver Bewaffnung? Das wurde im Hearing ausgiebig erörtert. Ihre Behauptung stimmt also nicht.
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11260 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
Dr. Stark
Im § 17 a wird das geltende Versammlungsgesetz dahingehend geändert, daß Vermummung und passive Bewaffnung grundsätzlich verboten werden. Gleichfalls wird verboten, Waffen, gleich welcher Art, bei einer friedlichen Demonstration mitzutragen. Bezüglich Angriffswaffen bestimmt dies bereits § 27 des Versammlungsgesetzes. Wir haben auch die passive Bewaffnung also mit Schilden, Helmen, Gasmasken usw. unter Verbot gestellt, allerdings in Form einer Ordnungswidrigkeit, so daß es im Ermessen der Polizei steht, ob sie eingreift.Vermummung und passive Bewaffnung passen unseres Erachtens nicht zu einer friedlichen Demonstration.
Wer demonstrieren will, soll sein Gesicht zeigen. „Demonstrare" heißt sich zeigen.
In unserem freiheitlichen Rechtsstaat hat niemand einen berechtigten Grund, vermummt und passiv bewaffnet durch die Gegend zu ziehen.
Es ist kein Grund ersichtlich. Wir leben nicht in einem Polizeistaat, sondern in einem freiheitlichen Rechtsstaat.
Die zweite Änderung der Rechtslage erfolgte, wie ausgeführt, in § 125 Abs. 2 StGB. Der Abs. 1, der den Landfriedensbruch definiert, bleibt in der jetzigen Fassung. Der Abs. 2 ist neu. Hier werden Vermummung und passive Bewaffnung nur in dem Fall, daß sich der Täter in einer bereits gewalttätigen Menge aufhält, unter Strafe gestellt. Als weiteres Merkmal kommt hinzu, daß er aufgefordert werden muß, sich zu entfernen, und dieser Aufforderung nicht Folge leistet.
— Also ich merke, wie sehr sich die GRÜNEN für Gewalttäter engagieren. Das wundert mich aber nicht.
Der Sinn dieser Vorschrift ist ein doppelter: Diese Vorschrift soll ermöglichen, bereits in Gang befindliche Gewalttaten bei einer Demonstration einzudämmen und das mögliche Gewalt- und Störungspotential zu verringern, damit man an die eigentlichen Gewalttäter, die ihre Gewalttaten meistens aus dem Schutz heraus begehen, herankommen und sie erfassen kann.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schily?
Bitte schön.
Herr Kollege Dr. Stark, dehnen Sie Ihre unverfrorene Unterstellung, daß wir uns für Gewalttäter engagieren, auf die Gewerkschaft der Polizei aus, die Ihren Vorschlägen kritisch gegenübersteht?
Wie käme ich dazu! Ich habe mich auf Grund der Aussage Ihres Kollegen Fischer geäußert, der für die GRÜNEN in der ersten Debatte gesprochen und ganz klar gesagt hat, daß Gewalt und Fetzenfliegen zum Grundrecht der Demonstrationsfreiheit gehören. Distanzieren Sie sich zunächst einmal davon!
Die jetzt gefundene Lösung entspricht — und da bitte ich auch die SPD gut zuzuhören — etwa dem, was der Berliner Polizeipräsident, unser früherer Kollege Hübner, Mitglied der SPD, beim Hearing des Rechtsausschusses zu dem vorgelegten Gesetzentwurf im Dezember 1984 vorgeschlagen hat.
Auch der Präsident des Bundesgerichtshofs hat in dieser Frage ausdrücklich gesagt, er könne sich vorstellen, daß eine Regelung, wie wir sie jetzt getroffen haben, weder auf verfassungsrechtliche noch auf sonstige rechtliche Bedenken stößt. Was der Berliner Polizeipräsident, der der SPD angehört, und der Präsident des Bundesgerichtshofs vorschlagen und wir in Gesetzesform gießen, kann doch wohl kein Anschlag auf den Rechtsstaat und kein Anschlag auf die Rechtskultur in diesem Land sein.Zu dem § 303 StGB sage ich nur wenige Worte. Bisher war die Sachbeschädigung nur auf Antrag verfolgbar. Aber es gibt jetzt Fälle, wo die Geschädigten sich nicht mehr trauen, einen Strafantrag zu stellen,
oder einen bereits gestellten Strafantrag aus Angst zurückziehen.
In diesen Fällen soll es in Zukunft möglich sein, daß die Staatsanwaltschaft die Sachbeschädigung bei Vorliegen des öffentlichen Interesses von sich aus verfolgt. Das ist von einiger Bedeutung bei sogenannten Krawallschäden.Herr Präsident, meine Damen und Herren, mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz schließt der Gesetzgeber eine Gesetzeslücke, die nach der Reform des § 125 StGB im Jahre 1970 entstanden ist.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985 11261
Dr. Stark
Der Gesetzentwurf wird dazu beitragen, Gewalttäter bei Demonstrationen in Zukunft besser zu erfassen und sie beweiskräftig ihrem Richter zuzuführen.
Der Gesetzentwurf berührt in keiner Weise das Recht unserer Bürger, in unserem Staate friedlich für oder gegen etwas zu demonstrieren. Er sichert im Gegenteil das Recht auf friedliche Demonstrationen in unserem Lande. Wir sind der Überzeugung, daß auch die Polizei nach der Verabschiedung des heutigen Gesetzentwurfes hilfreiche Mittel in die Hand bekommt, um mit ihrer schweren Aufgabe in diesem Zusammenhang fertig zu werden.Die CDU/CSU-Fraktion geht davon aus, daß mit der Verabschiedung des heutigen Gesetzes auch eine präventive Wirkung auf potentielle Gewalttäter einhergeht
und unfriedliche und gewalttätige Demonstrationen bald zu einer Randerscheinung in unserem Staate werden.Vielen Dank.
Das Wort hat Herr Abgeordneter de With.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Regierungserklärung vom 4. Mai 1983 sagte der Bundeskanzler u. a.:
Die Bundesregierung wird zur Sicherung des inneren Friedens und des Demonstrationsrechts den strafrechtlichen Schutz gegen Landfriedensbruch verstärken ...
Ich kann heute nach der zweiten Fassung nur konstatieren, daß Sie mit dieser Fassung den Landfrieden schwächen.
Das kann man ganz einfach mit einem Wort belegen, dessen Sinn, Herr Kollege Stark, Ihnen offensichtlich nicht eingegangen ist. Auf einen Zwischenruf sagten Sie nämlich, Sie seien nicht fürs Demonstrieren, sondern fürs Arbeiten.
Das impliziert: Wer demonstriert, ist arbeitsscheu. Das ist der Geist, aus dem heraus Sie dieses Gesetz angehen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Stark?
Bitte schön.
Herr Kollege de With, sind Sie tatsächlich der Meinung, daß dann, wenn ich persönlich gefragt werde, wie oft ich schon demonstriert habe, und ich dann zu erkennen gebe, daß ich noch nie demonstriert habe, weil ich arbeiten muß, der Schluß gezogen werden kann, ich hätte etwas gegen Demonstranten?
Ich kann nur feststellen, daß Sie gesagt haben, Sie seien nicht fürs Demonstrieren, sondern fürs Arbeiten. Sie haben nicht gesagt — das sagen Sie erst jetzt —, Sie hätten nicht demonstrieren können, Sie müßten arbeiten. Es hätte Ihnen gut angestanden, das mögliche Mißverständnis auszuräumen und zu sagen: Selbstredend sind Demonstranten nie Arbeitsscheuen gleichzusetzen. Das haben Sie unterlassen.
Aber gestatten Sie, daß ich kurz auf den geschichtlichen Hergang eingehe: Nach der Regierungserklärung brauchten Sie quälende neun Monate, um Ihr erstes Kind zu gebären. Mit dem Deutschen Anwaltverein sagen auch wir heute: Es war eine juristische Mißgeburt.
Entsprechend hat diese juristische Mißgeburt in dem dann folgenden Anhörungsverfahren im Dezember 1984 auch einen Verriß erfahren wie nie eine Regierungsvorlage zuvor.
Wenn man nun geglaubt hätte, Sie hätten, schnell reagierend, etwas anderes bringen wollen — nein, es dauerte ein quälendes volles halbes Jahr, bis Sie vor gerade 15 Tagen eine zweite Fassung zur Welt brachten, einen, wie ich meine, Wechselbalg. Ich werde das begründen.In diesem Zusammenhang muß ich betonen: Es war ein Erfolg dieses Anhörungsverfahrens, daß die erste Vorlage dabei ersatzlos gestrichen wurde. Gleichzeitig aber war es ein Erfolg der Opposition, der Praxis, der Verbände und der Wissenschaft. Wir haben wahrhaftig allen Grund, den vielen, die dazu beigetragen haben, Dank zu sagen.
Die zweite Fassung befaßt sich nur noch mit den Vermummten und denen, die, wie es so schön heißt — und das muß man sich einfach mal auf der Zunge zergehen lassen —, Schutzwaffen oder Gegenstände, die als Schutzwaffen geeignet und dazu bestimmt sind, bei sich tragen. Sie ändern nicht nur den Landfriedensbruchparagraphen, sondern erstmals auch das Versammlungsgesetz.
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11262 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
Dr. de WithSie haben gemeint, wir hätten in den Beratungen hierzu — es standen nur zwei Tage zur Verfügung, wobei für uns überraschend am Mittwochnachmittag eine Sondersitzung anberaumt wurde — zögerlich debattiert. Ich kann nur sagen: Dadurch, daß Sie uns mit dem Schluß der Rednerliste das Wort abgeschnitten haben,
sind auch im Bericht Erläuterungen unterblieben, so daß heute im Grunde genommen niemand wirklich weiß, weil kein Wissenschaftler, kein Kommentator Stellung nehmen konnte, was sich hinter all diesen neuen Begriffen verbirgt. Das ist die Wirklichkeit und nichts anderes.
Der Chef der Polizeigewerkschaft hat heute gesagt, es sei — ich zitiere wörtlich — eine aberwitzige Eile, mit der Sie vorgegangen sind, und von diesem Gesetz seien keine Verbesserungen für die Arbeit der Polizei zu erwarten. Ganz genau so ist es.
Ich sage, es ist ein einmaliger Vorgang bei einem Gesetz, das Hunderttausende betrifft und eine sehr heikle Rechtsmaterie ändert, das das Recht auf Demonstration und das Recht auf staatlichen Zugriff regelt, daß man es derart überhastet behandelt hat. So behandeln Sie ein wichtiges Stück unserer politischen Kultur.
Warum tun Sie das, meine sehr verehrten Damen und Herren? Sie haben es selbst gesagt: weil Sie Stärke demonstrieren wollen.
Der Herr aus München hat es befohlen, und schon peitschen Sie das Rentensicherungsgesetz durch, und schon verkündet der Bundeskanzler lauthals — einen Kabinettbeschluß in Mainz vorwegnehmend; die haben noch gar nicht entschieden —, Rheinland-Pfalz wolle nach Karlsruhe gehen, um dort die Kostenregelung zur sozialen Indikation anzufechten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie können sich als Christdemokraten und als Freie Demokraten heute mittag vielleicht beruhigend auf die Schulter klopfen und in bester biblischer Manier sagen: „Es ist vollbracht!"
Aber keiner wird sagen können,
daß es gut war, weder im Stil noch in der Sache.
Und wie der Stil so der Mensch, sagt ein bekanntes Sprichwort. Ich sage auf jeden Fall: Wie der Stil, so die Sache.
— Was schreien Sie so? Der getroffene Hund bellt; das ist doch ganz offenkundig.
Noch ein Wort, Herr Kollege Kleinert, zur FDP. Seitdem wir 1969/70 damals gemeinsam das Demonstrationsstrafrecht reformiert haben, hat die Union in stetig wiederkehrender Weise versucht, das Rad der Geschichte zurückzudrehen und diese Landfriedensbruchvorschrift obrigkeitlichen Bestimmungen anzupassen, und jedesmal haben Sie mit uns — zuletzt 1982 — nein gesagt. Aber sofort nach der Wende setzten Sie ein anderes Gesicht auf. Sie haben die erste Fassung, die den totalen Verriß bekommen hat, mitgetragen und tragen jetzt auch wieder diese Fassung mit. Ich sage hierzu nur, Herr Kollege Kleinert: Man sieht wieder einmal, eine Sünde kommt selten allein.
Aber zur Sache! Was ist so schlimm an der neuen Regelung, die die bewährte bisherige ablösen soll? Es wäre gut gewesen, wenn Herr Kollege Stark dies mal an einem Beispiel verdeutlicht hätte. Zum erstenmal in der Geschichte unseres Strafgesetzbuches — es ist so, wie ich meine, ein absolutes Novum — kann ein Polizist durch eine bloße Erklärung auch einem einzelnen gegenüber diesen zu einem Straftäter machen,
nämlich dann, wenn sich dieser in einer Demonstration befindet
und weit vorn, weg von ihm, zwei einen Stein werfen oder vereint einen anderen bedrohen, und mögen das nur Provokateure sein. Das heißt, der Polizeibeamte vor Ort hat es in der Hand, ob er nach Opportunitätsprinzipien das Legalitätsprinzip des Strafgesetzbuches zur Anwendung bringt. So ganz nebenbei wird damit das Legalitätsprinzip durch
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985 11263
Dr. de Withdas Opportunitätsprinzip durchlöchert und egalisiert — ein einmaliger Vorgang.
Was bedeutet das für die betroffenen Personen vor Ort? Es ist, um es einfach zu sagen, ein Vabanquespiel für Polizei und Demonstrant;
nur mit dem einen Unterschied: Die Polizei — um bei dem Wortspiel zu bleiben — hält immer die Bank, und der Demonstrant trägt allein das volle strafrechtliche Risiko.
Welche Verantwortung wird damit dem Polizeibeamten vor Ort aufgebürdet! Natürlich — ich sage das, damit Sie uns das nicht vorwerfen ; das ist auch meine Meinung — werden unsere Polizeibeamten das Versammlungsgesetz und die Landespolizeibestimmungen beachten. Natürlich wird der erfahrene Polizist nicht unziemlich in eine Demonstration eingreifen. Er wird auch seine Leute schonen. Nur, meine sehr verehrten Damen und Herren — wir sind ja alle keine heurigen Hasen —: Wie leicht kann sich auch der erfahrenste Polizist vor Ort in der Hitze des Gefechtes irren und mit welchen Folgen?
— Hören Sie einmal gut zu. Wie ist es, wenn der Demonstrant mit dem Motorradhelm am Arm, nichts Böses denkend, mitgeht, der Polizist aber glaubt, der tue nur so? Der Demonstrant wird das dann später im Strafverfahren ausbaden müssen, mag er später auch Recht bekommen, weil nicht nachzuweisen ist, daß sein Motorradhelm, der ja eine Schutzwaffe sein kann, dazu bestimmt war, den polizeilichen Wasserstrahl abzuhalten. Das an Ungewissem steckt in Ihrer Vorschrift.
Meine Damen und Herren, was ist eine „Schutzwaffe"?! Das Tuch um den Hals, die Sonnenbrille,
die wattegepolsterte Jacke? Niemand weiß es wirklich genau. Bis heute gibt es dazu weder einen Kommentar noch eine Rechtsprechung, noch gibt es diesen Begriff irgendwo im Gesetz.
Wie fremd der Begriff „Schutzwaffe" selbst Ihrem sehr verehrten Kollegen Stark ist, hat er hier in seiner Rede offenbart. Er sprach lieber von „passiver Bewaffnung" — auch das versteht keiner — als von dem von der Union eingeführten Begriff „Schutzwaffe".
Ihr Gesetzentwurf, meine sehr geehrten Damen und Herren, birgt in sich — ich glaube, das sollten wir ernst nehmen — eine doppelte Unwägbarkeit, und zwar zu Lasten des Demonstranten.
Uns ist keine Strafnorm bekannt, die — vom Augenblick abhängig — derart unkalkulierbar ist. Deshalb lehnen wir aus praktischen und aus rechtsförmlichen Gründen, aber auch wegen erheblicher Zweifel an der Bestimmtheit und damit aus Verfassungsgründen diesen Vorschlag ab ebenso wie die Änderung zum Versammlungsgesetz, wozu mein Kollege Günther Tietjen sprechen wird.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich bitte Sie, kommen Sie zum Schluß.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der alte Anastasius Grün, der selten zitiert wird, kann heute zu diesem Thema gut zitiert werden:
Das Staatsschiff — wie bezeichnend trifft das Bild hier den Gedanken —, das wir seit langem eingeschifft, man fühlt's am steten Schwanken.
Ich höre oft und sehe es in den Reihen der CDU/ CSU, wie sie stöhnend fragen: Wie lange noch? Es liegt an Ihnen, durch klare Bestimmungen und wirkliche Führungskraft etwas Sinnvolles zu schaffen, nicht aber durch überhastetes Handeln Unsinn zu produzieren.
Vielen Dank für die Geduld.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert .
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren!
— Auf den Punkt wollte ich eigentlich etwas später zu sprechen kommen.Ich möchte mich erst einmal bei meinem Herrn Vorredner, Hans de With, bedanken, daß er auf unsere gemeinsame Reform des Demonstrationsstrafrechts in früherer Zeit und dabei auf unsere Beständigkeit zu sprechen gekommen ist, Rückdrehung dieses Demonstrationsstrafrechts abzuwenden. Nun haben wir — darauf hat er zu Recht hingewiesen, das war auch unübersehbar — eine neue Koalition. Daraus zieht er ganz seltsame Schlüsse. Er meinte nämlich: Das, was ihr mit der SPD gemacht habt, als ihr bis an den Rand des Erträglichen einer Reihe von Ansinnen, insbesondere im sozialpolitischen Bereich, nachgegeben habt — die zum Schluß zu einer Staatsverschuldung geführt haben, die es uns unmöglich erschienen ließ, diese Koalition fortzusetzen —, das dürft ihr dem neuen
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Koalitionspartner gegenüber an Entgegenkommen nicht zeigen, sondern bei denen dürft ihr nur das machen, was ihr schon immer gemacht habt, und auf den mit Abstand Größeren nicht die geringste Rücksicht nehmen.
Das kann doch nicht sein. Wir haben uns etlichen Vorstellungen von Ihnen in früherer Zeit nicht verschlossen, weil wir uns klar darüber waren, daß der kleinere Partner für die Bedürfnisse und Absichten des Größeren Verständnis haben muß. Das gilt in der neuen Koalition naturgemäß ganz genauso, auch wenn Sie das im Einzelfall auf einmal nicht anerkennen wollen.
— Über die Frage des verratenen Liberalismus
soll man doch nicht in der Form diskutieren, daß man bejammert, daß 18 Stunden Redezeit im Ausschuß vertan worden sind, davon dreieinhalb Stunden mit Anträgen zur Geschäftsordnung.
— Ich habe die Liste, die von Mitarbeitern des Rechtsausschusses erarbeitet worden ist, in der Tasche
und kann sie Ihnen hinterher auch gerne überreichen.Es geht nicht darum, hier am Formalen zu bleiben, sondern halten Sie sich an das, was ein Fraktionskollege von Ihnen heute morgen sehr zu Recht betont hat: Fakten. Wir sind übereinstimmend der Meinung gewesen, daß man das Hauptproblem bei den Demonstrationen, nämlich gewisse Mißbräuche, die das Recht der Bürger auf friedliche Demonstration beeinträchtigen, und zwar sehr erheblich, und auch friedliche Demonstranten durch den zwangsläufigen weiteren Ablauf der Dinge in Gefahr bringen, nicht dadurch abstellen kann, daß man der Polizei unzumutbare Aufgaben stellt, und daß man dadurch, daß man die Vermummung und die sogenannte passive Bewaffnung, die meiner Ansicht nach jetzt mit einem besseren Ausdruck als „Schutzwaffe" bezeichnet wird, strafbar stellt und damit nach dem Legalitätsprinzip die Ordnungskräfte einzugreifen zwingt, den Verlauf einer Demonstration eher noch unfriedlicher macht, als er ohne eine solche Vorschrift
und das dadurch hervorgerufene Eingreifen der Polizei geworden wäre.Das ist ein sehr ernster Konflikt, wenn man sich darum bemüht — das tun ja wohl alle hier im Hause —, das Recht unserer Bürger auf friedlicheDemonstrationen zu sichern, statt es durch eine kleine Zahl von Radikalen gefährden zu lassen. Wir kämpfen für die Erhaltung dieses Rechts. Hier wird zwischendurch mit teilweise sehr rabulistischen Bemerkungen versucht, einen gegenteiligen Eindruck insbesondere in bezug auf Kollegen der Union,
in dem Fall auf Herrn Dr. Stark bezogen, zu erwekken. Aber das ist doch nicht wahr. Sie wissen genauso gut wie wir, daß wir uns gemeinsam bemühen, zu tragbaren Lösungen zu kommen.Nun gibt es einen Punkt. Wir als Freie Demokraten hätten tatsächlich bei dem alten Regelungszustand bleiben können. Das sage ich in allem Freimut.
Das ist auch für Leute, die uns kennen und die versuchen, unsere Handlungen einigermaßen objektiv zu betrachten, nicht die geringste Überraschung, auf keiner Seite des Hauses. Aber wir haben zum einen den Grund gehabt, den ich vorhin schon sagte, daß man in einer Koalition auch auf andere Rücksicht nehmen muß.
— Sie haben sich auch so eine seltsame Art des Demonstrierens angewöhnt, Herr Lambinus. Es ist weniger die Art, anderen Leuten seine Überzeugung näherzubringen, als die Art, jedermann an einem vernünftigen Austausch von Argumenten zu hindern. Genau das ist die Art von Demonstration, die wir allerdings nicht für so recht sinnvoll und vom Grundgesetzgeber wahrscheinlich auch gar nicht gemeint halten, und das schon gar nicht im Plenum des Deutschen Bundestages.
Wir haben ein weiteres Problem außer dem vorhin geschilderten ganz selbstverständlichen, das sich aus der politischen Zusammenarbeit zweier Fraktionen, die natürlich in etlichen Dingen unterschiedlicher Auffassung sind, ergibt. Wir haben nämlich auch das Problem, daß uns viele Bürger sagen: Wie könnt ihr als Leute, die von sich behaupten, einigermaßen denken zu können und davon auch gelegentlich Gebrauch zu machen, eigentlich auf den Gedanken kommen, man kann demonstrieren — im Sinne des Wortes; es ist bereits gesagt worden —, wenn man sein Gesicht verbirgt. Es ist in der Öffentlichkeit zu unserem Ärger, und zwar von Jahr zu Jahr zunehmendem Ärger, der Eindruck erweckt worden, wir hielten es für ein besonders schützenswertes Gut, daß Leute — vermummt — angeblich demonstrieren, während „demonstrieren" tatsächlich „sich zeigen" heißt; anders begrifflich überhaupt das, was das Grundgesetz meint, nicht getan werden kann und Vermummung nichts
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weiter ist als eine besondere Art von Feigheit, die das Grundgesetz natürlich nicht schützt.
Damit wollten wir uns eigentlich nicht längere Zeit identifizieren lassen.Sie, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, machen mir hier die Sache leicht mit Ihren hervorragenden Sonnenbrillen. Das ist ein sehr schönes Beispiel. Es reicht überhaupt nicht zur Unkenntlichmachung und zur Erschwerung der Identifizierung. Es könnte höchstens die Idee erwecken, daß wir nicht über § 125, sondern über § 180a des Strafgesetzbuches sprechen.
— Da gucken Sie wieder. Vielleicht hat einer von Ihnen ein Gesetzbuch.Es ist eben nicht so, daß man sich auf diese Weise unkenntlich machen kann. Deshalb ist das auch gar nicht zu verhindern. Wir möchten die Eingriffe im geringstmöglichen Rahmen halten. Das ist im Einverständnis mit dem Koalitionspartner geschehen.
Es ist tatsächlich ein gewisser Widerspruch: Nach geltendem Recht hat die Genehmigungsbehörde das Recht, bei einer Demonstration, die angemeldet wird, z. B. die Vermummung oder den Gebrauch von Schutzwaffen zu untersagen. Jetzt ergibt sich ein nicht ganz einsehbares Problem — ich glaube, da können Sie mir auch folgen —, nämlich: Wenn jemand eine Demonstration nicht anmeldet — was nicht ganz der wünschenswerte, ordnungsgemäße Verlauf ist —, dann können diese Bestimmungen nicht greifen. In diesem Fall ist dann seltsamerweise alles das gestattet, was von den vermutlich friedlicheren Anmeldern nicht getan werden kann,
weil sie ja bei ihrer ordnungsgemäß angemeldeten Demonstration mit dieser Auflage versehen werden. Diesen einfach denkgesetzlichen Mangel abzustellen, indem man in beiden Fällen die Vermummung als Ordnungswidrigkeit behandelt, haben wir allerdings für ein schlichtes Gebot logischer Vernunft gehalten. Ich meine, darüber können Sie mit uns doch nicht ernsthaft streiten wollen.Wir haben es nach wie vor unterlassen, diese Dinge — wie das ja von einigen mit Vehemenz in der Diskussion gefordert worden ist — generell strafbar zu stellen. Wir haben nur nach einem Weg gesucht, um in den Fällen, in denen sich diese Verhaltensweisen in besonderem Maße schädlich auswirken, eine gewisse Verschärfung durchzusetzen. Diese Verschärfung hängt nach der heute zur Abstimmung gestellten Fassung von zwei Voraussetzungen ab, nämlich — erstens — daß eine Demonstration unfriedlich verläuft und — zweitens — daß, nachdem dieser unfriedliche Zustand erst einmal eingetreten ist, der zuständige Einsatzleiter der Ordnungsbehörden dazu aufgefordert hat — das isteine wirklich sehr milde Form des Eingriffs gegen dieses Unwesen —, entweder die Vermummung und die passive Bewaffnung abzulegen oder sich zu entfernen.
Sie werden bei ruhigem Nachdenken einräumen müssen, daß auch diese Alternative eine durchaus milde Form dessen ist, was andere ganz anders verlangt haben. Es müssen also zwei Voraussetzungen erfüllt sein.Das haben wir Ihnen nun vorgelegt. Das ist eine Lösung, mit der wir uns alle unter vernünftig und gerecht denkenden Leuten gut sehen lassen können und bei der überhaupt keine Zweifel daran erlaubt sind, daß wir etwa unsere liberale Grundhaltung in solchen Fragen verlassen hätten. Wenn Sie das einmal in aller Ruhe betrachten, dann kann davon überhaupt keine Rede sein.
Ich möchte noch eine Anmerkung ganz persönlicher Art zu dem Verfahren machen, weil ich darauf angesprochen worden bin. Wir haben es sehr bedauert, daß im Rechtsausschuß erstmals — jedenfalls solange ich dazugehöre, und das sind inzwischen auch einige Jahre — ein Antrag auf Schluß der Debatte gestellt worden ist und gestellt werden mußte. Es ist ja nicht so, daß ich das einfach dahinsage, daß ich hier einfach eine rhetorische Pflichtübung abliefere. Wir Obleute — Herr de With weiß das — haben vor der Abstimmung unter uns noch einmal darzulegen versucht, daß auch wir in einer schwierigen Situation sind, wenn nach einer langen Beratungszeit schließlich auch einmal die Entscheidung getroffen werden muß, die Kollegen aber inzwischen längst andere Verpflichtungen haben.
Dann haben wir gehört, es gebe noch einige Fragen, insbesondere von Herrn de With, wohl auch von Herrn Emmerlich
— auch von Ihnen, Herr Mann —, die noch beantwortet werden sollten. Dann haben wir gefragt: Wie lange brauchen Sie nach Ihrer Schätzung für die Beantwortung dieser Fragen?
Dann meinten Sie: etwa eine Stunde. — Dann haben wir gesagt: Wir haben jetzt 17 Uhr. Können wir uns darauf verständigen, daß wir um 18 Uhr zur Abstimmung kommen? — Dann haben Sie gesagt: Das wird zu knapp. — Darauf haben wir gesagt: Können wir uns darauf einigen, daß wir noch zusätzlich Zeit bis 18.15 Uhr geben und dann zur Abstimmung kommen? — Dann haben Sie gesagt: Ich will mit meinen Freunden darüber sprechen. — Wir waren auch erleichtert, daß wir die Beratungen auf diese Weise in einem angemessenen Stil würden zu
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Ende führen und uns die kontroverse Abstimmung würden ersparen können. Daraufhin sind Sie wiedergekommen und haben gesagt: Meine Freunde sind nunmehr so verärgert und verbittert, daß sie sich nicht mehr auf irgendeine Absprache einlassen wollen. — Ich will das alles gar nicht werten. Ich will das auch nicht im Zusammenhang mit dem unverhältnismäßigen Zeitanteil, den die Debatte zur Geschäftsordnung in Anspruch genommen hat, werten. Nach dieser Auskunft haben wir allerdings keine andere Möglichkeit mehr gesehen, als zu sagen: Dann müssen wir wohl entscheiden.
In bezug auf diese zwei Absätze ist hier in vielen Gremien — nicht nur in offiziellen — zwei Jahre lang so viel geredet, nachgedacht, überlegt worden, und es hat eine so gründliche Anhörung zu allen relevanten Punkten stattgefunden, daß wir schließlich auf Grund dessen einen Entwurf vorlegen konnten, mit dem wir uns alle dank der Kompromißbereitschaft sowohl der CDU/CSU als auch der FDP sehr gut sehen lassen können. Darum nehmen wir auch nicht den Vorwurf in Kauf, wir wollten das nun noch weiter hinschleppen. Das wäre nämlich die nächste Munition in Ihrer Flinte gewesen.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Bitte kommen Sie zum Schluß, es sei denn, Sie wollen noch eine Zwischenfrage beantworten.
Wir entscheiden jetzt, nachdem wir auf diese Weise zu einem vernünftigen Ergebnis gekommen sind.
Ich danke Ihnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ströbele.
Auch wir müssen begreifen, daß die Ursachen großer Demonstrationen und gewaltsamer Auseinandersetzungen soziale Spannungen und ungelöste politische Probleme sind, die man weder mit dem Strafrecht noch mit der Polzei lösen kann.
Das stammt nicht von mir, sondern von dem Abgeordneten dieses Hauses, dem Abgeordneten der sogenannten liberalen Fraktion, Herrn Burkhart Hirsch, geschrieben am 1. Mai 1985.
In dem Artikel heißt es weiter: „Vermummungen ... kann keine Straftat sein."
Herr Hirsch, hat sich seit dem 1. Mai dieses Jahres daran irgend etwas geändert, außer daß sie durch den Herrn Strauß offenbar dazu gezwungen worden sind, das Demonstrationsrecht gegen Ihre Sessel hier auf der Regierungsbank zu verhökern?
Sie opfern Ihre eigenen Grundsätze für billige Macht.
Dieses Gesetz, das jetzt im Eilverfahren durchgezogen werden soll, ist verfassungswidrig, weil es dem Bestimmtheitsgrundsatz widerspricht.
Wir haben hier eben von dem Kollegen gehört, daß das Anlegen einer solchen Brille nicht den Tatbestand erfüllen soll, daß es sich um eine „Aufmachung" handelt, „die geeignet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern." Etwas anderes haben wir dazu im Innenausschuß von dem Vertreter des Justizministeriums gehört, oder — —
Herr Abgeordneter, ich bitte, diese Dinge zu entfernen.
— — ist das eine — —
Herr Abgeordneter, ich bitte, diese Dinge zu entfernen. Das entspricht nicht der Würde des Hauses.
Herr Präsident, ich werde doch die Frage stellen dürfen — —
Herr Abgeordneter, ich entziehe Ihnen das Wort.
Herr Abgeordneter, ich bitte, den Platz zu räumen. Ich habe Sie dreimal zur Ordnung gemahnt
und habe Ihnen beim dritten Mal das Wort entzogen. Ich bitte Sie, den Rednerplatz zu räumen.
Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, diese Utensilien zu entfernen.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985 11267
Bitte, Herr Abgeordneter, fahren Sie fort.
Die Frage, ob dem Bestimmtheitsgrundsatz genügt worden ist, erläutert sich an diesem Beispiel. War das gerade eine Schutzwaffe, die ich in der Hand gehabt habe und versucht habe auf den Kopf zu setzen.
Was ist eine Schutzwaffe? Dazu haben wir ja im Innenausschuß folgende Definition bekommen: Das ist ein Gegenstand, der geeignet ist, gewalttätige Angriffe abzuwehren. Das ist ein weiterer Verfassungsverstoß. Es ist ein Naturrecht jedes einzelnen Menschen, daß er sich vor gewalttätigen Angriffen von außen schützen darf.
Und es ist ein Grundrecht, was sich in vielen Bestimmungen unseres Grundgesetzes wiederfindet, daß er sich schützen darf vor Eingriffen in seine körperliche Integrität.
Dieses ist das erste Gesetz, wo ihm dieses unter Strafandrohung verboten werden soll.
Dieses Gesetz ist aber auch völlig unbrauchbar für den vorgeblichen Zweck. Es ist hier schon darauf hingewiesen worden — auch in dem Artikel des Abgeordneten Hirsch ist das wiedergegeben —, daß sowohl Polizei als auch Richter, die mit Demonstrationsstraftaten zu tun haben, über diese Vorschläge höchst unglücklich sind, weil sie nicht praktikabel sind.Die Koalition versucht, dieses Gesetz jetzt hier durchzupeitschen, weil sie fürchtet, daß sich in den nächsten zwei Monaten Richter und Polizeibeamte zu Wort melden könnten, die ihr dieses Instrument aus der Hand schlagen wollen.
Dieses Gesetz ist aber auch völlig überflüssig, denn selbst nach der dubiosen Polizeistatistik haben die Demonstrationen in den letzten Jahren erheblich abgenommen, und abgenommen hat vor allem der Teil der Demonstrationen, der von der Polizei selbst als unfriedlich eingestuft wurde. So lautet beispielsweise die Statistik für West-Berlin: Bei 1012 Demonstrationen, die im Jahre 1984 gezählt worden sind, soll es sich nach Auffassung der Polizei um zwei — ganze zwei — unfriedliche gehandelt haben.Dieses Gesetz ist aber aus einem weiteren Grunde noch viel schlimmer. Es stellt einen Frontalangriff auf die Meinungsäußerung durch Demonstration, die ja hier bei einigen Abgeordneten offenbar unbekannt ist, dar.
Es ist ein Mittel im innerstaatlichen Abschrekkungskrieg gegen die Bevölkerung, die sich mit bestimmten sozialen Problemen und deren Nichtlösung nicht einverstanden erklären will. Mit diesem Gesetz sollen Demonstrationen verhindert werden. Mit diesem Gesetz
sollen Polizeibeamte und Demonstranten zu Feinden gemacht werden.
Mit Ihrem Gesetz schaffen Sie nur weitere Probleme. Sie provozieren Schlägereien, Sie schaffen viel mehr verletzte Demonstranten,
Sie schaffen unglückliche Richter — dies gilt jedenfalls für die, die gerechte Urteile fällen wollen —,
Sie zwingen die Polizei in die Konfrontation mit den Demonstranten, Sie zwingen die Polizei dazu, in friedliche Demonstrationen oder in friedliche Teildemonstrationen einzugreifen.
Aber das wird Ihnen alles nichts nutzen. Der Ministerpräsident Strauß ist extra nach Bonn eingeflogen, um hier dieses Gesetz in der „Elefantenrunde" durchzuboxen.
Fürchtet er denn die Demonstrationen im kommenden Herbst in Schwandorf und in München?
Die inhaltlichen Herausforderungen, die sozialen Probleme,
die die Leute zum Demonstrieren auf die Straße zwingen, bleiben.Die legitime Kritik der Friedensbewegung, der Antiatombewegung an dem Handeln der Regierung wird bleiben, und die Menschen werden sich auch durch dieses Gesetz — auch wenn die Kosten der Demonstrationen für jeden einzelnen dadurch höher werden — vom Demonstrieren nicht abhalten lassen.
Teilen Sie Ihrem Spezi in München mit: Wir werden trotzdem am 12. Oktober dieses Jahres in München
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11268 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
Ströbeledemonstrieren unter der Forderung
„Strauß, wir kommen! Wackersdorf ist überall!"
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei unfriedlichen, gewalttätigen Demonstrationen kommt es immer wieder auch zu schweren Sachbeschädigungen. Wir alle haben — wenn nicht in natura, so doch zumindest im Fernsehen — solche Szenen eines blinden Vandalismus bereits beobachten können. Oft breitet sich bei den Geschädigten dann die Furcht aus, daß die förmliche Mitwirkung bei der Strafverfolgung bei ihnen zur Folge haben könnte, daß sie noch das Opfer von Racheakten der Gewalttäter werden. Aus diesem Grunde haben wir es nach langer sorgfältiger Überlegung unterstützt, daß entsprechend dem Entwurf des Bundesrats das Strafantragsrecht für solche Fälle gelockert werden soll.
Das ist die eine Seite der Sache. Ich weiß nicht, was zu großer Erregung führen sollte, weil draußen bei der Debatte solcher Dinge in der Öffentlichkeit sicherlich aufmerksam beobachtet werden wird, ob hier — man kann zu diesem Punkt verschiedener Auffassung sein — auch gegenüber den Geschädigten die notwendige Sensibilität deutlich wird.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Ströbele?
Ich bedaure.
Meine Damen und Herren, das ist die eine Seite der Sache. Aber auch das Demonstrationsrecht bedarf der Verbesserung, und wir haben nun sehr ausgiebige, sehr langwierige, sehr schwierige Beratungen und Gespräche gehabt.
— Ja, Herr Kollege de With, zu diesem Punkt komme ich wegen Ihrer in dieser Sache besonders zwiespältig zur Schau gestellten Haltung noch!Der urspüngliche Entwurf, der meines Herzens liebstes Gesetzgebungskind nie war, ist ja in dem Hearing vom 12. Dezember 1984 von den Sachverständigen recht beträchtlich gerupft und gezaust worden.
Nun ist eine praktikable und in jeder Weise auch rechtsstaatlich einwandfreie Lösung aus den weiteren Überlegungen hervorgegangen. Denn worumgeht es? Die Sachverständigen haben zu einem guten Teil als das eigentliche Problem folgendes umrissen: Wir müssen denen zu Leibe rücken, die, unkenntlich gemacht und oft feldmarschmäßig wie für einen Bürgerkrieg ausgerüstet, bei Demonstrationen anrücken und die allein schon durch ihr martialisches Erscheinungsbild allen Beteiligten suggerieren, daß es hier nicht um eine friedliche Zusammenkunft demokratischer Bürger zur Darstellung ihrer dezidierten Meinung geht, sondern um einen Aufmarsch; und davon, daß das so hinzunehmen und so zu dulden wäre und von uns vielleicht noch — diesen Eindruck muß man doch auf Grund der bisherigen Debatte gewinnen — als das Normale, das Richtige und das Gute, als das Billigenswerte anzusehen wäre, kann doch überhaupt nicht die Rede sein.Deswegen haben wir uns intensiv mit dieser Frage beschäftigt. Nur haben speziell die Liberalen sich immer geweigert,
auf Grund unserer Emotionen — auch der berechtigten — und unserer Abneigung gegenüber vermummten und gegenüber kriegsmäßig ausgerüsteten Demonstrierern uns dazu verleiten zu lassen, das Problem durch eine falsche Handlungsweise auf dem Rücken der Polizei abzuladen.Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, daß deshalb die Lösung, jede Vermummung und passive Bewaffnung zu jeder Zeit generell als strafbares Delikt anzusehen, mehr Schaden als Nutzen bringen würde. Nur, wenn es in einer Demonstration zu Gewalttätigkeiten kommt, wenn es zu Übergriffen kommt, wenn Sachen beschädigt und Menschen verletzt werden, stellen sich die Dinge ganz anders dar. In diesem Moment stellt sich j a die Frage, welcher nachvollziehbare Grund dann noch für einen Vermummten, für einen feldmarschmäßig Ausgerüsteten besteht,
seine Vermummung nicht abzulegen und, obwohl er vom polizeilichen Einsatzleiter zum Verlassen aufgefordert wurde, nicht wegzugehen. Welcher Grund? Ich sage Ihnen: Einen solchen Grund gibt es nicht!
— Wenn Sie das amüsiert, gebe ich Ihnen gern die Antwort: Jene sind die Personen, die selbst zur Gewalteinwirkung entschlossen sind oder sich zumindest einen geeigneten Zeitpunkt, in das Gefecht einzugreifen und sich zu beteiligen, vorbehalten.
Und gegenüber einem solchen Personenkreis ist es geboten, in jener vorsichtigen Regelung, wie wir sie hier getroffen haben, auch mit den Mitteln des Strafrechts einzuwirken.
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Bundesminister EngelhardDer Gesetzentwurf der Bundesregierung bringt strafrechtlich saubere Abgrenzungen. Er stellt grundsätzlich auf die objektive Eignung und die subjektive Bestimmung der jeweiligen Aufmachung der Demonstrationsteilnehmer und etwa mitgeführter Schutzwaffen ab.Wenn hier eine Menge von Einwendungen gekommen sind: Wir legen den größten Wert darauf, daß hier nicht in unzulässiger Weise kriminalisiert wird. Wie stellen Sie sich eigentlich die Lösung des Problems sonst vor? Sollen enumerativ die Dutzende, ja Hunderte von Gegenständen, auch noch mit den notwendigen Abmessungen, bekanntgegeben werden? Soll festgelegt werden, wie groß eine Sonnenbrille sein darf?Die GRÜNEN, die hier einmal wieder eine besondere Schau, die Dinge zu demonstrieren, gesucht haben, haben nicht erreicht, daß wir sie als Vermummte angesehen haben. Allenfalls haben sie uns durch ihre abgedunkelten Brillen schlechter gesehen. Man weiß unschwer, wer sie sind.
Wer hier von Zeit zu Zeit einen solchen Zirkus aufzuziehen pflegt, heißt: DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag. Wir sind es gewöhnt und können es hinnehmen.Meine Damen und Herren, es ist darauf hingewiesen worden, daß eine ganze Reihe wesentlicher Sachverständiger, der Anstoßgeber für diesen Entwurf, Herr Hübner aus Berlin, der Präsident des Bundesgerichtshofs, keinerlei Bedenken dagegen haben, was jetzt hier ins Bundesgesetzblatt gebracht werden soll. Der Kollege Kleinert hat mit der notwendigen Deutlichkeit hier gefragt: Was eigentlich ist der Grund, sich zu vermummen? Man kann dem verschiedene Deutungen geben, aber einen vernünftigen Grund gibt es nicht.
— Und wenn hier der Zwischenruf kommt, weil man fotografiert werde: Wenn der deutsche Gesetzgeber Ihrer abstrusen Idee folgte, im demokratischen Staat den Schutz vor demokratischen Staatsorganen gesetzlich niederlegen zu wollen, wäre allerdings alles zu spät.
Fotoaufnahmen der Polizei, Fotoaufnahmen des Verfassungsschutzes gehören dorthin, wo sie dringend notwendig sind,
nicht auf die Aktentische des Kultusministeriums. Dafür müssen wir als Demokraten Sorge tragen, aber nicht verblasenen Ideen folgen, als sei aus diesem Grunde des Schutzes vor demokratischen Sicherheitsbehörden der vermummte Demonstrant ein schützenswertes Hätschelkind, dem wir unsere besondere Aufmerksamkeit widmen müßten.
Nein, meine Damen und Herren, wir müssen dies anders sehen. Und wer ein gutes Gesicht hat, der möchte dieses Gesicht auch werbend zeigen.
Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Ströbele?
Ich bedauere.
Meine Damen und Herren, es wurde heute eigentlich weniger in der Sache diskutiert, insbesondere von seiten der Opposition. Sie hat insbesondere beklagt, daß ihr keine Zeit geblieben sei, über diese Fragen nachzudenken, die wir so schlecht gelöst haben, daß sie schon nach kurzem Nachdenken sagen konnte, dies sei alles Blödsinn und falsch.
Wissen Sie, meine Damen und Herren, für meinen Geschmack haben wir als Koalition in dieser Sache sehr, sehr lange gebraucht. Jetzt lernen wir, daß diese Zeit, die auch vom Kollegen de With heftig kritisiert worden ist, für die Opposition nicht ausgereicht hat, um ihren Gedankengang schlüssig zu Ende zu führen. Das ist bedauernswert; aber nicht der Langsamste zu sein, ist ein Trostgrund, der uns heute bei der Verabschiedung, der zweiten und dritten Lesung deswegen durchaus beruhigend begleiten wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Emmerlich.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Koalition behauptet, durch die von ihr vorgeschlagenen Gesetzesänderungen werde eine bessere Bekämpfung von Gewalttätigkeit ermöglicht.
Demgegenüber ist festzustellen, daß Sie mit Ihrer Vorlage Bürger unter Strafe stellen wollen, die keine Gewalttätigkeit begangen haben.Der Bundesjustizminister hat wörtlich ausgeführt, strafbar sein solle nicht nur der Gewalttäter, sondern auch der, der nach Erscheinungsbild und Ausrüstung ein potentieller Gewalttäter sei.
Es ist ein fundamentaler, tragender Grundsatz des Rechtsstaats und eines rechtsstaatlichen Strafrechts, daß nur dann bestraft wird, wenn eine Straftat begangen worden ist.
Es ist eine Perversion eines rechtsstaatlichen Strafrechts, wenn bestraft wird, weil eine Straftat in Zukunft begangen werden könnte. Diese Methode, zur
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11270 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
Dr. Emmerlichvorbeugenden Bestrafung von Bürgern überzugehen, lehnen wir kategorisch ab.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schily?
Wenn mir das nicht auf die Redezeit angerechnet wird, Herr Präsident, sehr gerne.
Herr Kollege Dr. Emmerlich, würden Sie mir zustimmen, daß ein seltsames Mißverhältnis bei der Argumentation aus den Koalitionsparteien vorliegt, wenn wir an die Aktuelle Stunde heute morgen und an die jetzige Debatte über die Frage der potentiellen und wirklichen Straftäter denken?
Dieses Mißverhältnis ist von Ihnen zutreffend gekennzeichnet und nicht nur in bezug auf die beiden Gegenstände, die Sie hier aufgeführt haben, festzustellen.
Der Justizminister hat heute nicht vom „potentiellen Gewalttäter" gesprochen, sondern davon, strafbar sein solle jemand wegen eines martialischen Erscheinungsbildes. Sehr geehrter Herr Justizminister, wir kennen uns seit langen Jahren und aus guter Zusammenarbeit. Mein Respekt vor Ihnen aus dieser Zusammenarbeit ist ungeschmälert. Aber ich bitte Sie: Wann hat es einen Justizminister in einem Rechtsstaat gegeben, der es für richtig hält, jemanden zu bestrafen, weil er ein martialisches Erscheinungsbild oder ein anderes Erscheinungsbild hat?
Im übrigen, Herr Justizminister, kann ich leider nicht umhin, festzustellen, daß Sie als Serienumfaller in die Geschichte der Rosenburg eingehen werden, als jemand, der darüber hinaus auch noch von München aus plattgewalzt worden ist.
Wird gegen nicht gewalttätige Teilnehmer einer Versammlung vorgegangen, so ist das keineswegs ein Beitrag dazu, daß eine Atmosphäre der Friedfertigkeit, des gegenseitigen Vertrauens und der Kooperationsbereitschaft entsteht, eine Atmosphäre, in der Gewalttätigkeit gar nicht erst aufkommen kann. Wie man eine solche Atmosphäre erreichen kann, das haben die Innenminister von NordrheinWestfalen, Hamburg und Hessen und die Polizei in Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Hessen vielfältig unter Beweis gestellt. Die Aktivitäten, die erforderlich sind, um unsere Probleme zu bewältigen, liegen darin, diesen Vorbildern zu folgen und nicht
darin, das materielle Strafrecht in dem Sinne zu verändern, wie das hier vorgeschlagen wird.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Helmrich?
Unter der Prämisse, daß keine Anrechnung erfolgt, ja.
Ich lasse diese Zwischenfrage unter dieser Prämisse noch zu.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege Emmerlich, Sie haben eben gesagt, der Justizminister habe erklärt, daß jemand wegen seines martialischen Aussehens bestraft werden soll. Könnten Sie dem Hohen Haus vielleicht auch mitteilen, welche Tatbestandsmerkmale aus der Vorlage Sie unterschlagen haben?
Herr Kollege Helmrich, ich leugne gar nicht,
daß es weitere Tatbestandsmerkmale für die Strafbarkeit als das martialische Erscheinungsbild gibt.
Aber allein die Tatsache, daß das martialische Erscheinungsbild Strafbarkeit auslösen soll,
ist — nun lassen Sie mich mal deutlich werden — ein rechtspolitischer Skandal erster Klasse.
Ein polizeiliches Vorgehen gegen Bürger, die nicht gewalttätig geworden sind, behindert die Polizei bei der Verfolgung von Gewalttätern und gibt den Gewalttätern mehr Chancen als bisher, Straftaten zu begehen und außerdem ungeschoren davonzukommen.Überdies schieben Sie der Polizei den Schwarzen Peter zu: Schreitet die Polizei gegen nicht gewalttätige Bürger ein, wird ihr vorgeworfen, sie verfolge friedliche Bürger. Schreitet sie nicht ein, wird ihr vorgehalten, sie habe das ihr zur Verfügung stehende Instrumentarium nicht genutzt und trage deshalb die Verantwortung dafür, daß Gewalttätern und Randalierern nicht energisch genug entgegengetreten worden sei.Die Polizei hat schon öfters darüber geklagt, daß sie zum Prügelknaben für politische Fehler gemacht werde.
Wegen des vorliegenden Entwurfs kann sie diesen Vorwurf gegenüber der CDU/CSU und FDP zu Recht erheben.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985 11271
Dr. EmmerlichWenn viele Menschen zusammen sind, kann es auch zu Gewalttätigkeiten kommen. Bei Demonstrationen ist dieses Risiko übrigens keineswegs größer als bei anderen Veranstaltungen mit vielen Menschen.
Natürlich — das betone ich ausdrücklich — muß alles, was möglich ist, getan werden, um Gewalttätigkeiten zu verhindern und — wenn sie doch geschehen — die Täter zur Verantwortung zu ziehen.
Die Annahme allerdings, die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen könnten dabei helfen, wird sich sehr bald als eine Illusion herausstellen.Bei der Verwirklichung der Vorschläge der Koalition wird dagegen mit Sicherheit erreicht: erstens ein Anstieg der Gewaltbereitschaft und vermutlich auch der Gewalttätigkeit, zweitens, daß der Polizei die Erfüllung ihres Auftrages nicht erleichtert, sondern erschwert wird, vor allem aber drittens, daß auch gegen friedliche Demonstranten polizeilich und durch die Justiz vorgegangen werden muß, viertens, daß Bürger durch dieses Risiko polizeilicher und justizieller Eingriffe von der Wahrnehmung ihrer Grundrechte auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit abgeschreckt werden.
Herr Abgeordneter Emmerlich, gestatten Sie, daß ich Sie unterbreche. — Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, entweder Platz zu nehmen oder aus dem Saal zu gehen.
Bitte fahren Sie fort.
Vielen Dank, Herr Präsident.
Erreicht wird durch diese Vorlage last not least, daß ein Straftatbestand ins Strafrecht eingestellt wird, bei dem in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise rechtsstaatliche Prinzipien wie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, das Bestimmtheitsgebot, das Übermaßverbot und das Legalitätsprinzip außer acht gelassen worden sind.
Fazit: Diese Gesetzesänderungen sind, was Verhinderung und Bekämpfung von Gewalttätigkeit anlangt, nicht nur ineffizient, sondern kontraproduktiv. Und sie stehen im Widerspruch zur Freiheitlichkeit und Rechtsstaatlichkeit.
Deshalb lehnt die SPD-Bundestagsfraktion den Gesetzentwurf der Koalition ab.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Miltner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dieser Novelle schaffen wir ein Instrument zur besseren Bekämpfung der Gewalt und des Terrors auf den Straßen.
Wir rücken aber auch eine Fehlleistung der früheren Bundesregierung aus dem Jahre 1970 zurecht. Damals wurde der Tatbestand des Landfriedensbruchs empfindlich amputiert. Der angesehene Leipziger Kommentar spricht hier von einer eilfertigen Preisgabe bewährter kriminalistischer Erfahrungen und vom einseitig politischen Zweckmäßigkeitsdenken, das die strafrechtliche Notwendigkeit beiseite geschoben hat. Ich hätte mir gewünscht, daß wir bei diesem wichtigen innen- und rechtspolitischen Thema mit den SPD-Kollegen mehr Gemeinsamkeit zustande gebracht hätten. Wir von der CDU/CSU hätten einen noch weitgehenderen Schutz gegen Verletzungen des Landfriedens gewünscht, um Gewalttätern das Handwerk zu legen. Die Koalition hat aber einen Kompromiß gefunden, der eine deutliche und entscheidende Verbesserung darstellt. Damit hat die Koalition ihre Handlungsfähigkeit bewiesen.
Das wichtigste Anliegen des Gesetzentwurfs ist es, Gewalttätigkeiten in einer Menschenansammlung durch das Verbot der Vermummung und der passiven Bewaffnung zu unterbinden oder zu erschweren. Natürlich ist nicht jeder, der sich vermummt, sofort auch ein Gewalttäter. Aber die meisten Gewalttäter sind vermummt und führen Schutzwaffen mit sich; das hat auch die Anhörung erwiesen.
Meine Damen und Herren, der Vorwurf, ein strafbewehrtes Verbot der Vermummung und der passiven Bewaffnung kriminalisiere ein Verhalten, das kein Unrecht darstellt, ist schlichtweg falsch. Bestraft wird nur der Vermummte oder passiv Bewaffnete, der weiß, daß die Demonstration gewalttätig geworden ist, und trotz Aufforderung nicht weggeht oder die Maskerade ablegt. Wer sich unter diesen Voraussetzungen noch hinter einer Maskierung verbergen will, gibt doch eindeutig zu erkennen, daß er entweder selbst zur Gewalt greifen oder die Gewalttäter unterstützen will.
Herr Abgeordneter, ich bitte um Verständnis, wenn ich unterbreche. — Ich habe die Absicht, die Beratungen nur dann fortzusetzen, wenn sich die Kolleginnen und Kollegen, die stehen, entweder setzen oder den Saal verlassen. Herr Abgeordneter, ich bitte, so lange zu warten, bis dieser Anordnung des Präsidenten Folge geleistet wird. — Herr Abgeordneter, fahren Sie mit Ihrer Rede fort.
Meine Damen und Herren, wer nichts zu verbergen hat, hat es auch nicht nötig, sein Gesicht zu maskieren oder sich zu bewaffnen.
Bei uns kann jeder seine Meinung in der Öffentlichkeit frei und lautstark vertreten.
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11272 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
Dr. MiltnerDarum: Wer eklatante Mißbräuche des Demonstrationsrechts nicht verhindern will, wer sich gegen das gesetzliche Verbot der Vermummung ausspricht, muß sich sagen lassen, daß er den Schutz unseres friedlichen Bürgers vor lauter Mißtrauen gegenüber unserer Polizei
vernachlässigt.
Die SPD, meine Damen und Herren, und auch die GRÜNEN operieren immer wieder mit der Behauptung, die Anzahl der unfriedlich verlaufenden Demonstrationen sei zurückgegangen; eine Gesetzesänderung sei nicht notwendig. Es ist doch im Grunde genommen völlig unerheblich, wie viele Demonstrationen friedlich oder unfriedlich verlaufen. Das Ziel des Gesetzgebers muß es sein, jede Art von Gewalttätigkeit in einer Demonstration zu verhindern und fernzuhalten. Es nutzt dem verletzten Polizisten oder auch dem Geschäftsmann, dessen Schaufenster eingeworfen worden ist, nichts, wenn wir darauf hinweisen: Ja, die Anzahl der Demonstrationen, die unfriedlich verlaufen sind, ist geringer geworden; also braucht der Gesetzgeber auch nichts zu machen.Ich bin sicher, daß wir mit diesem neugefaßten Landfriedensbruchtatbestand an den harten Kern der Gewalttäter besser herankommen als bisher.
Ich möchte das Beispiel eines Polizeiberichts hier erwähnen. In dem Polizeibericht vom 4. Mai 1985 anläßlich des Weltwirtschaftsgipfels heißt es:Während der Demonstration durch das Stadtgebiet kam es zu verhältnismäßig geringen Sachbeschädigungen und Auseinandersetzungen mit der Polizei. Bei der Abschlußkundgebung dann kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. Ausgelöst wurden die Zwischenfälle durch ca. 50 vermummte Chaoten, die die Polizei aus der Menge heraus mit Pflastersteinen, Farbbeuteln, Feuerwerkskörpern uni Rauchbomben angriffen. Dutzende von Fensterscheiben umliegender Geschäfte wurden eingeworfen, 11 Polizeibeamte verletzt, und ca. 60 Personen wurden vorläufig festgenommen.
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Danke, nein.
Dazu, meine Damen und Herren, hat der Kollege
Schmude in einer Presseerklärung vom 7. Mai 1985
wörtlich erklärt: „Chaoten und Gewalttäter haben
bei der Bonner Demonstration gegen den Wirtschaftsgipfel erfreulicherweise nichts ausrichten können."
Meine Damen und Herren, das ist die Scheinwelt, in der Herr Schmude und die SPD hier leben.
Wenn jede gewaltsame Demonstration, in der die Steine fliegen, Menschen verletzt werden, Sachschäden entstehen, so beurteilt wird, dann allerdings braucht man natürlich keine Gesetzesänderung.
Die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Die Fachleute schätzen, daß sich der Kern der Gewalttäter bei Demonstrationen in der Größenordnung zwischen 1 500 und 2 000 bewegt; sie reisen durch das Bundesgebiet und sind stets von der Partie, wenn es irgendwo gilt Rabatz zu machen.
Meine Damen und Herren, die Novelle zum Demonstrationsrecht wird die Gewalt bei öffentlichen Demonstrationen abbauen. Die Novelle wird die friedlichen Demonstranten vor Gewalt und Terror besser schützen. Sie wird auch mithelfen, das verlorengegangene Vertrauen der Bevölkerung in die Durchsetzungskraft der Rechtsordnung in diesem Punkt wiederherzustellen.
Die Bürger in unserem Land haben kein Verständnis dafür, daß an die Stelle friedlicher Meinungskundgebung in der Öffentlichkeit zum Teil ein äußerst gewalttätiger Mummenschanz getreten ist, dem gegenüber die Polizei auch meist wehrlos ist. Wir Abgeordneten, meine Damen und Herren, haben die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, einen rechtlichen Zustand zu schaffen, bei dem der Bürger noch das Gefühl haben darf, daß es sich lohnt, anständig zu bleiben.
Nun noch ein letztes Wort an die Adresse der GRÜNEN. Sie sind heute hier mit dunklen Sonnenbrillen gekommen und haben einen albernen Gag veranstaltet, der der Würde des Hauses nicht entspricht.
Sie haben damit sichtbar gemacht, daß Sie nicht nur einäugig sind, sondern sogar blind.
Und wenn ich Ihre unqualifizierten Beiträge hier höre, kann ich nur sagen: Sie hätten nicht nur die Sonnenbrille mitbringen sollen, sondern auch ein Brett vor dem Kopf.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Tietjen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte um Verständnis, daß ich Sie hier in diesem Plenarsaal noch acht Minuten beanspruchen muß.
Ich will damit beginnen, meine Damen und Herren, die Koalition nach diesen Beiträgen von heute morgen darzustellen. Da hat man einen verkrampften quasi-liberalen Detlef Kleinert gehört, und man hat u. a. einen altkonservativen Herrn Miltner gehört; der hat eben den Abschluß zu einem Gesetzeswerk gemacht, das mit Sicherheit nicht zu dem führen wird, was Sie wollen. Ich verstehe die Kolleginnen und Kollegen in der FDP-Fraktion überhaupt nicht mehr, die damals — unter keinem Druck stehend — mit uns das Demonstrationsrecht liberalisiert haben. Dieselben Kollegen, die sich selbst an die Nase fassen müssen, entliberalisieren jetzt das Strafrecht, entliberalisieren jetzt das Demonstrationsrecht. Ich weiß nicht, wie es in diesen Kollegen aussieht.
Es ist mehrfach davon gesprochen worden, daß der Polizei dieses Gesetzeswerk helfe. Ich bin Polizist. Ich habe mit demonstriert, aber auf der polizeilichen Seite. Ich sage Ihnen: Dieses Gesetz hilft der Polizei nicht, sondern dieses Gesetzeswerk, dieses aus der Mache der drei Parteivorsitzenden stammende Werk, ist nichts anderes als ein Instrument mit dem die Gräben zwischen Polizei und friedlichen Demonstranten zum Nachteil der Polizei vergrößert werden.
Meine Damen und Herren, ich habe mir sowohl im mitberatenden Innenausschuß als auch im Rechtsausschuß die Debatten sehr intensiv angehört. Im Innenausschuß wurde übrigens deutlich, was dahintersteckt; das habe ich eben gesagt. Der Kollege Olderog hat dort wörtlich gesagt: Wir sind wild entschlossen, noch vor der Sommerpause das Gesetz in zweiter und dritter Lesung zu verabschieden. Ich habe ihm geantwortet: Wilde Entschlossenheit bringt in der Politik nichts. Wilde Entschlossenheit heißt in der Regel: unüberlegtes Handeln.
Herr Miltner, Sie haben eben von den Chaoten gesprochen, die von Großstadt zu Großstadt als Berufsdemonstranten reisen. Die kriegen Sie mit diesem Gesetz doch nicht weg, die bleiben Berufschaoten.
Es gibt im Strafgesetzbuch durchaus Möglichkeiten, sie zu bestrafen.
Ich möchte zu der Anhörung, die im Dezember stattgefunden hat und hier mehrfach zitiert wurde,
folgendes sagen. Ich war dabei und habe die Protokolle sehr intensiv gelesen.
— Hören Sie auf zu schwätzen. Sie verfallen in den Fehler — es ist eigentlich kein Fehler, sondern Ihre Art, mit Menschen umzugehen —, z. B. die Gewerkschaft der Polizei, der ich seit vielen, vielen Jahren angehöre, aufzuteilen, und zwar zum einen in die wenigen Funktionäre — so ist es hier gesagt worden —, die gegen Ihren Entwurf seien, und zum anderen in die Masse der Polizisten, die doch dafür seien. Das ist falsch.
Seien Sie doch soviel Demokraten, meine Damen und Herren von der CDU/CSU — ich will die FDP einmal ausnehmen —, daß Sie anerkennen, was z. B. ein Bundeskongreß der Gewerkschaft der Polizei in Nürnberg, an dem ich teilgenommen habe, mit deutlicher Mehrheit beschlossen hat. Von diesem Bundeskongreß der Gewerkschaft der Polizei ist die Veränderung des Demonstrationsrechts abgelehnt worden.
Ich will noch folgenden Punkt ansprechen. Sie sind vor 14 Tagen auf Geheiß der drei großen Parteivorsitzenden — es sind auch drei körperlich große und schwergewichtige Parteivorsitzende — mit einem Papier angekommen, das völlig andere Inhalte hat als Ihr Gesetzentwurf vom 24. Februar 1984. Es waren völlig andere Inhalte.
Sie können mit diesem Parlament nicht so umgehen, wie Sie es in dieser Woche gemacht haben. Der mitberatende Innenausschuß hat den Rechtsausschuß gebeten, er möge beschließen, zu diesem neuen Gesetzeswerk, das inhaltlich völlig neu und verändert ist, Sachverständige zu hören. Das haben Sie uns verweigert. Das ist Ihre Art, Demokratie zu praktizieren.
Ich sage Ihnen abschließend noch einmal: Mit diesem Gesetzeswerk dienen Sie nicht der Polizei, Sie schaden der Polizei, Sie schaden der Demokratie, Sie schaden unserem liberalen Rechtsstaat.
Danke schön.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Zur Geschäftsordnung erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Mann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt auf Drucksache 10/3586 ein Entschließungsantrag vor, den ich namens unserer Fraktion hiermit zurückziehe.Als Geschäftsordnungsantrag fordere ich im Namen der Fraktion DIE GRÜNEN, das von der Bundesregierung eingebrachte Strafrechtsänderungsgesetz auf den Drucksachen 10/901 und 10/3573 zur
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11274 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
MannBeratung an den Rechtsausschuß und den Innenausschuß zurückzuverweisen.Ich begründe diesen Antrag wie folgt. Gegen den jetzt vorliegenden Entwurf bestehen schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken.
So wie ich diese Debatte hier heute verfolgt habe, meine Herren von den Koalitionsfraktionen, haben Sie auch vor dem Plenum diese verfassungsrechtlichen Bedenken nicht ausräumen können. Aus unserer Sicht ist mit diesem Gesetz ein erhebliches verfassungsrechtliches Risiko verbunden. Wir sind der Meinung, daß die zuständigen Fachausschüsse — der Rechtsausschuß und der Innenausschuß — zu beraten haben und die am vergangenen Mittwoch sowohl von der SPD als auch von unserer Fraktion beantragte Anhörung von Sachverständigen auch durchzuführen ist.Ich vermute, Sie werden diesem Geschäftsordnungsantrag nicht zustimmen,
und möchte deshalb mit Bezug auf Ziffer 1 unseres Entschließungsantrages noch einmal darauf hinweisen, warum wir heute beim letzten Tagesordnungspunkt vor den Ferien — die auch wir uns herbeiwünschen, wie Sie verstehen können —, diesen Antrag stellen. Wir meinen, daß dieses Parlament, indem es die am 13. Juni dieses Jahres ratifizierte Vereinbarung der Parteivorsitzenden von CSU, CDU und FDP sozusagen strammstehend umsetzt, vor der Sommerpause Handlungsfähigkeit demonstrieren soll.Hier war die Rede davon, Herr Kollege Stark, hier solle eine Lücke geschlossen werden. Die Polizeipraktiker haben in der Anhörung gesagt: Es handelt sich hier um keine Regelungs-, sondern um eine Anwendungslücke. Diese Koalition ist eine Koalition der Lückenfüller.
Herr Abgeordneter, ich bitte, zur Sache zu reden. Dies ist ein Geschäftsordnungsantrag.
Diese Koalition ist aus meiner Sicht — ich bin am Ende — ein Sicherheitsrisiko für den Rechtsstaat.
Zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Porzner das Wort.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Es ist ausführlich von den Rednern meiner Fraktion dargelegt worden, daß wir die Beratungszeit, das Verfahren im Ausschuß und auch hier für zu kurz gehalten haben. Aber der Antrag, den Sie jetzt stellen, hat Scheincharakter. Er nutzt nichts mehr. Es ist auch bei den Mehrheitsverhältnissen nichts daran zu verändern, daß, wenn zurückverwiesen würde, dann keine dem Inhalt nach bessere Beratung stattfindet.
Wir lehnen deswegen diesen Antrag ab.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich lasse über den Geschäftsordnungantrag der Fraktion DIE GRÜNEN auf Zurückweisung dieser Gesetzentwürfe abstimmen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist bei zwei Enthaltungen abgelehnt.
Bevor wir zur Abstimmung kommen, darf ich nach § 31 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung dem Abgeordneten Lambinus das Wort zu einer Erklärung erteilen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das uns zur zweiten und dritten Lesung vorliegende Strafrechtsänderungsgesetz wurde dem Rechtsausschuß in seiner jetzigen Fassung am 14. Juni 1985, also genau vor 14 Tagen, vorgelegt. Dieser völlig neue Entwurf stimmt nur noch in geringen Teilen mit der Regierungsvorlage auf Drucksache 10/901 überein: Obwohl dieses Gesetz von ganz erheblicher verfassungsrechtlicher Relevanz ist, hat die Koalitionsmehrheit eine ausreichende und vor allen Dingen sachgerechte Beratung der neuen Vorlage im Rechtsausschuß unmöglich gemacht.
In über zwölfjähriger Mitgliedschaft im Rechtsausschuß habe ich einen derartigen Mißbrauch der Regierungsmehrheit in diesem Ausschuß nicht erlebt.
Selbst die ansatzweise Diskussion der verfassungsrechtlichen Problematik dieses Gesetzes erfolgte im Rechtsausschuß entgegen allen Gepflogenheiten ohne Protokollführung. Die Antworten der Bundesregierung auf alle von der Opposition gestellten Fragen waren so dürftig, daß die Auslegung dieses Gesetzes nicht unter Zuhilfenahme des Wortprotokolles des Rechtsausschusses erfolgen kann.
Gegen diese Pervertierung der Arbeit des Rechtsausschusses und damit des gesamten Parlaments durch die Koalitionsparteien kann ich leider nur mit einer Nichtteilnahme an der Abstimmung protestieren.
Meine Damen und Herren, wir kommen nun zu Einzelberatungen, zunächst zur Einzelberatung und Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf auf Drucksache 10/308.Ich rufe die Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift mit der vom Ausschuß empfohlenen Änderung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Die aufgerufenen Vorschriften sind angenommen.Wir treten in diedritte Beratungein und kommen zur Schlußabstimmung. Wer demGesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985 11275
Präsident Dr. Jenningerich, sich zu erheben. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Das Gesetz ist angenommen.Wir kommen jetzt zur Einzelberatung und Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf auf Drucksache 10/901. Ich rufe die Art. 1 bis 4, Einleitung und Überschrift in der Ausschußfassung auf. Wer den aufgerufenen Vorschriften zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Wer stimmt dagegen? — Enthaltungen? — Die aufgerufenen Vorschriften sind angenommen.Wir treten in diedritte Beratungein und kommen zur Schlußabstimmung.Meine Damen und Herren, die Fraktion der CDU/ CSU und die Fraktion der GRÜNEN verlangen gemäß § 52 unserer Geschäftsordnung namentliche Abstimmung. Wer dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich die Abstimmungskarte mit „Ja", wer dagegen stimmen oder sich der Stimme enthalten will, den bitte ich die entsprechende Abstimmungskarte in die hier vorne aufgestellten Urnen zu legen.Ich eröffne die namentliche Abstimmung. —Meine Damen und Herren, ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.Ich unterbreche solange die Sitzung des Bundestages.
Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.Ich darf das von den Schriftführern ermittelte Ergebnis der Schlußabstimmung über den Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes — § 125 StGB — auf den Drucksachen 10/901 und 10/3573 bekanntgeben. Von den voll stimmberechtigten Mitgliedern des Hauses haben 396 ihre Stimme abgegeben; davon ungültige Stimmen keine. Mit Ja haben gestimmt 239, mit Nein haben gestimmt 157; Enthaltungen keine. 18 Berliner Abgeordnete haben ihre Stimme abgegeben; davon ungültige Stimmen keine. Mit Ja haben gestimmt 8, mit Nein haben gestimmt 10; Enthaltungen keine.Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen 396 und 18 Berliner Abgeordnete; davonj a: 239 und 8 Berliner Abgeordnetenein: 157 und 10 Berliner AbgeordneteJaCDU/CSUDr. Abelein Frau Augustin BayhaDr. Becker BergerBiehleDr. Blens Dr. Blüm Böhm
Dr. Bötsch BohlBohlsenBorchertBraunBroilBrunnerBühler
Dr. BuglCarstens Carstensen (Nordstrand) ClemensConrad Dr. CzajaDr. Daniels DawekeFrau DempwolfDeresDörflinger Dr. Dollinger DossDr. Dregger EhrbarEigenEngelsbergerErhard
Fellner
Frau Fischer Fischer Francke (Hamburg)Dr. FriedmannGanz
Frau Geiger Dr. GeißlerDr. von GeldernDr. George Gerlach GersteinGerster
GlosDr. Göhner GüntherDr. Häfele Hanz
HaungsHauser Hauser (Krefeld) HedrichFreiherr Heeremanvon Zuydtwyck HelmrichDr. Hennig Herkenrath Hinrichs HinskenHöpfingerDr. HoffackerFrau Hoffmann Dr. HornhuesHornung Dr. Hüsch Dr. Hupka Graf Huyn Jäger
JagodaDr. Jahn
Dr. JenningerDr. JobstJung
Dr.-Ing. KansyFrau Karwatzki KiechleKlein
Dr. Köhler Dr. Köhler (Wolfsburg) KolbKrausDr. Kreile KreyFrau Krone-Appuhn Dr. KronenbergDr. Kunz
LamersDr. Lammert LandréDr. Langner LattmannDr. LaufsLenzerLink Link (Frankfurt)LinsmeierLintnerDr. Lippold LöherLohmann LouvenLowackMaaßFrau Männle MaginMarschewski MetzDr. Meyer zu Bentrup MichelsDr. MikatDr. Miltner MilzDr. MöllerMüller
Müller Müller (Wesseling)NelleFrau Dr. NeumeisterNiegelDr.-Ing. OldenstädtPeschPetersenPfeffermann PfeiferDr. PingerPöpplPohlmannDr. Pohlmeier Dr. ProbstRaweReddemann Regenspurger RepnikDr. Riesenhuber Rode Frau Rönsch Rossmanith Roth (Gießen) RüheRufSauer
Sauer
SaurinSauter
Sauter
Dr. Schäuble Scharrenbroich Schartz SchemkenScheuSchlottmann Schmidbauer Schmitz
von Schmude Schneider
Dr. Schneider Freiherr von Schorlemer SchreiberDr. Schroeder SchulhoffDr. Schulte SchwarzDr. Schwörer SeehoferSeesing
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11276 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 150. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. Juni 1985
Präsident Dr. JenningerSeitersDr. FreiherrSpies von Büllesheim SpilkerSprangerDr. SprungDr. Stark Dr. StavenhagenDr. Stercken StommelStrubeStücklenStutzerSussetDr. Todenhöfer Dr. UnlandFrau VerhülsdonkVogel
Vogt Dr. VossDr. WaffenschmidtDr. WaigelGraf von Waldburg-Zeil Dr. WarnkeDr. WarrikoffDr. von Wartenberg WeirichWeißWerner Frau Will-Feld WilzWimmer WindelenFrau Dr. WisniewskiDr. Wittmann Wittmann Dr. WörnerWürzbachDr. WulffZiererDr. ZimmermannZinkBerliner AbgeordneteBoroffkaBuschbomDolataKalischKittelmannSchulze StraßmeirFDPFrau Dr. AdamSchwaetzer BaumBeckmannBredehornCronenberg Eimer (Fürth) EngelhardDr. Feldmann GallusGattermann GrünbeckDr. Haussmann Dr. HirschHoffieKleinert KohnDr.-Ing. LaermannDr. Graf Lambsdorff MischnickMöllemannNeuhausenPaintnerRonneburger Dr. RumpfSchäfer Frau Dr. Segall Frau Seiler-AlbringDr. SolmsDr. Weng
Berliner Abgeordneter HoppeNeinSPDAntretter Dr. Apel BachmaierBahrBecker BerschkeitBindigFrau BlunckBuckpeschBüchler
ColletConradiFrau Dr. Däubler-Gmelin DaubertshäuserDelorme Dreßler Dr. EhrenbergDr. EmmerlichDr. EndersEwenFiebigFischer
Frau Fuchs
Frau Fuchs
GanselGlombig GrunenbergDr. Haack Haase
Hansen
Frau Dr. HartensteinDr. HauchlerHauckDr. Hauff HeistermannHettling Heyenn Dr. Holtz HornFrau HuberHuonkerImmer Jahn (Marburg)JansenJaunich Dr. JensJung Junghans JungmannKastning KiehmKirschner Kisslinger Klein
Dr. KlejdzinskiKloseKolbow KühbacherKuhlwein Leonhart Frau Dr. LepsiusLiedtkeLohmann
Frau Matthäus-Maier MatthöferMeininghausMenzelDr. Mertens Müller (Düsseldorf) Müller (Schweinfurt)MünteferingNehmNeumann
Dr. NöbelFrau Odendahl OostergeteloPaterna PauliDr. Penner Porzner PoßPurpsRankerRapp ReimannFrau RengerReuterRohde
RothSanderSchäfer
Dr. Scheer Schlaga SchluckebierSchmidt
Frau Schmidt Schmitt (Wiesbaden)Dr. SchmudeDr. Schöfberger Schreiner Schulte
Dr. Schwenk SielerFrau SimonisDr. Soell Dr. SperlingDr. Spöri SteinerFrau SteinhauerStiegler Stockleben Frau TerborgTietjenFrau Dr. Timm ToetemeyerFrau TraupeUrbaniak Vahlberg Verheugen VosenWaltematheWaltherWeisskirchen Dr. WernitzWestphal Frau WeyelWiefelvon der Wiesche WischnewskiWitekDr. de WithWolfram
Würtz
Zander Zeitler Frau ZuttBerliner AbgeordneteDr. Diederich EgertHeimann LöfflerFrau LuukDr. Mitzscherling StobbeDr. Vogel Wartenberg
DIE GRÜNENAuhagenFrau BorgmannBuebFrau DannFrau EidHoracekFrau KellyKleinert MannDr. Müller SchilySchulte SenfftSuhrTatge Tischer Volmer Frau WagnerWerner
Frau ZeitlerBerliner Abgeordneter StröbelefraktionslosBastianDas Gesetz ist somit angenommen.Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß unserer Tagesordnung und auch am Ende eines Halbjahres anstrengender Arbeit. Die vorangegangenen drei Sitzungswochen mit ihrer Hektik und Turbulenz haben dies deutlich gezeigt. Deshalb möchte ich Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, für Ihre Arbeit danken. Mein Dank gilt auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Angehörigen erholsame Tage.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 4. September 1985, 9 Uhr ein.Die Sitzung ist geschlossen.