Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:
Fragestunde
— Drucksache 10/407 —
Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie. Die Fragestellerin der Frage 1, Frau Abgeordnete Simonis, bittet um schriftliche Beantwortung. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Köhler zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 2 des Herrn Abgeordneten Dr. Ehmke auf:
Trifft es zu, daß das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit der Firma Lahmeyer, Frankfurt am Main, über die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit einen Auftrag zur Verbeserung der Stromversorgung in der Dominikanischen Republik erteilte, und wie hoch ist gegebenenfalls das Auftragsvolumen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Herr Kollege, ich beantworte Ihre Frage wie folgt. Die Bundesregierung hat aus Mitteln der Technischen Zusammenarbeit 4,48 Millionen DM für den Einsatz einer Beratergruppe bei der staatlichen dominikanischen Elektrizitätsgesellschaft bereitgestellt. Aufgabe der Beratergruppe war es, die dominikanische Elektrizitätsgesellschaft bei der Beseitigung schwerer Schäden vornehmlich an Kraftwerken zu unterstützen, die im August/September 1979 durch Naturkatastrophen, die beiden Wirbelstürme Frederick und David, angerichtet worden waren. Hilfe zur Beseitigung schwerer Schäden am Stromverteilungssystem wurde durch die Vereinigten Staaten geleistet.
Die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit hat sich zur Durchführung der erforderlichen Maßnahmen des Firmenkonsortiums Lahmeyer/Deutsche Energieconsult, DECON, bedient. In der Beratergruppe wurden zeitweilig bis zu vier Fachkräfte
dieses Konsortiums eingesetzt. Das Vorhaben wird zum 31. Dezember 1983 beendet.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Ehmke.
Habe ich Sie richtig verstanden, daß die Vereinigten Staaten die Verbesserung der Stromversorgungsnetze durchführen werden und die Bundesrepublik Deutschland nicht in irgendeiner Form an dieser Verbesserung beteiligt sein wird?
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: In der Tat, ich habe darauf hingewiesen, daß die Hilfe bei der Beseitigung der Schäden im Verteilungssystem von den Vereinigten Staaten geleistet wird.
Haben Sie noch eine Zusatzfrage? — Das ist nicht der Fall.
Dann rufe ich auch die Frage 3 des Herrn Abgeordneten Dr. Ehmke auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Zielsetzung des Auftrags auf Verbesserung der Staudämme zur Stromerzeugung ausgerichtet ist, statt auf die wesentlich sinnvollere Verbesserung der Netzverhältnisse , und wird die Bundesregierung die offensichtlich unzureichende Effizienzprüfung dieses GTZ-Projektes nochmal und umfassender durchführen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, im Vordergrund des Vorhabens stand die Beseitigung von Schäden an Einrichtungen zur Elektrizitätsversorgung, insbesondere an den Stromerzeugungsanlagen. Die Tätigkeit der Beratergruppe erstreckte sich dabei auch auf Reparaturarbeiten an Stauanlagen sowie im Netzbereich.
Die Maßnahmen der Technischen Zusammenarbeit werden ergänzt durch die Finanzierung von Umspannstationen, die der Verbesserung der Stromverteilung dienen. Hierfür wurden im Wege der Mischfinanzierung 14 Millionen DM bereitgestellt, 10 Millionen DM aus Mitteln der Finanziellen Zusammenarbeit und 4 Millionen DM Finanzkredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Ehmke.
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1630 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1983
Stimmen Sie mir zu, daß es auch schon mit gesundem Menschenverstand zu erkennen ist, daß die Hauptmaßnahmen im Bereich der Verbesserung des Leitungsnetzes statt der Verbesserung der Energieerzeugungsanlagen zu sehen sein müßten?
Dr. Köhler, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann dem insoweit nicht zustimmen, weil man nicht allein die Schäden am Leitungsnetz beseitigen und die Schäden, die durch die Naturkatastrophen im Erzeugungsbereich aufgetreten sind, auf sich beruhen lassen kann. Beides gehört zusammen.
Keine weitere Zusatzfrage. Schönen Dank, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Sprung zur Verfügung. Die Fragen 4 und 5 des Abgeordneten Wolfram und die Frage 6 des Abgeordneten Hoffmann (Saarbrücken) werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt.
Ich rufe die Frage 7 des Herrn Abgeordneten Dr. Göhner auf. — Er ist nicht im Saal. Diese Frage und auch die Frage 8 des Abgeordneten Dr. Göhner werden nicht beantwortet.
Ich rufe Frage 9 des Herrn Abgeordneten Schulze auf. — Er ist auch nicht da. Bei dieser und auch bei der Frage 10 des Abgeordneten Schulze (Berlin) wird nach der Geschäftsordnung verfahren.
Ich rufe die Frage 11 des Herrn Abgeordneten Müller auf:
Treffen Zeitungsmeldungen zu , nach denen bekannt sein soll, daß der DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker „seine Westhändler angewiesen hat, weltmarktgängige Waren wie Stahl und Chemieprodukte mit langen Zahlungszielen einzukaufen und sie gleich wieder weit unter Weltmarktpreisen zu verramschen", und wenn ja, welche Folgerungen zieht die Bundesregierung daraus?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Herr Müller, der Bundesregierung sind keine derartigen Weisungen des DDR-Staatsratsvorsitzenden bekannt. Deshalb können entsprechende Zeitungsmeldungen auch nicht bestätigt werden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller.
Herr Staatssekretär, liegen der Bundesregierung Zahlenangaben darüber vor, in welcher Größenordnung Stahllieferungen aus der Bundesrepublik in die DDR mit Kompensationsgeschäften abgewickelt werden?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Es werden zwar Zahlen über die Lieferungen, die in die DDR getätigt werden, vorliegen, aber ich habe die Zahlen hier nicht verfügbar. Ich werde Ihnen diese Zahlen nachreichen.
Keine weitere Zusatzfrage.
Dann rufe ich die Frage 12 des Herrn Abgeordneten Müller auf:
Liegen der Bundesregierung Informationen darüber vor, in welchem Umfang und zu welchen Preisen aus der Bundesrepublik Deutschland Stahl in die DDR geliefert wird, und in welchem Umfang und zu welchem Preis dieser Stahl wiederum in die Bundesrepublik Deutschland verkauft wird?
Herr Staatssekretär.
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Müller, Geschäfte, bei denen Waren, also auch Eisen- und Stahlerzeugnisse, im Rahmen des innerdeutschen Handels in die DDR geliefert und anschließend wieder bezogen werden, werden nicht genehmigt. Derartige Geschäfte sind der Bundesregierung auch nicht bekannt. Die Bundesregierung würde gegen derartige Geschäfte, die dem Gedanken des bilateralen Verrechnungsverkehrs widersprechen, mit allen Mitteln vorgehen, die ihr zur Verfügung stehen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung in der Lage — in Ergänzung zu dieser Frage —, für die zurückliegenden drei Jahre anzugeben, wieviel Stahl zu welchen Preisen aus der Bundesrepublik in die DDR geliefert wurde bzw. ob es auch solche Rücklieferungen gegeben hat?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Ich kann Ihnen auch hierzu versprechen, daß wir Ihnen die Zahlen zuschicken werden. Ich war nicht darauf vorbereitet, daß Sie solche statistischen Angaben wünschen. Wir werden Ihnen, wie gesagt, die Zahlen zur Verfügung stellen.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, welche durchschnittlichen Zahlungsziele bei Stahlgeschäften zwischen der Bundesrepublik und der DDR eingeräumt werden, und wäre die Bundesregierung gegebenenfalls in der Lage, die Zinsverluste gegenüber handelsüblichen Stahlgeschäften zu quantifizieren?Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Müller, es ist bekannt, daß die DDR überzogene Finanzierungsforderungen an uns richtet. Diese Frage ist in Gesprächen zur Sprache gekommen, die Herr Staatssekretär von Würzen mit Herrn Sölle in Leipzig geführt hat.Es gilt aber, daß auch für Geschäfte mit der DDR die Regeln Anwendung finden, die in der OECD für staatliche Unterstützungen von Exportfinanzierungen vereinbart worden sind. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, daß diese Regeln für den innerdeutschen Handel nicht formal gelten, weil dieser innerdeutsche Handel kein Außenhandel ist. Die Bundesregierung hat sich jedoch gegenüber ihren Partnern in der OECD verpflichtet, diese Regeln auch
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1983 1631
Parl. Staatssekretär Dr. Sprungim innerdeutschen Handel autonom anzuwenden. Infolgedessen besteht bei der Übernahme von Gewährleistungen für Investitionsgüterlieferungen der Wunsch nach Einhaltung der international verabredeten Zahlungskonditionen. Damit wird der Wirtschaft, so meinen wir, ein wichtiges Argument gegen noch weitergehende DDR-Forderungen gegeben.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe die Frage 13 des Herrn Abgeordneten Dr. Jobst auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß die Produktionsanlagen der europäischen und deutschen Stahlindustrie nicht ausgelastet sind und Produktionsquoten verhängt werden mußten, die Bauwirtschaft und der Handel aber beim Bezug von Baustahl beträchtliche Lieferfristen und dadurch bedingte höhere Preise hinnehmen mußten, und welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, diesem Zustand abzuhelfen?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Jobst, der Bundesregierung sind vereinzelte Beschwerden über Lieferengpässe bei der Versorgung mit Baustahl zugegangen. Es ist in der Tat nicht auszuschließen, daß die Kommission der EG bei der Festsetzung der Produktionsquoten für das dritte Quartal 1983 die positive Entwicklung auf dem Baumarkt nicht zutreffend eingeschätzt hat. Es kann daher nicht völlig ausgeschlossen werden, daß die Kapazitäten der deutschen und europäischen Produzenten von Baustahl — darunter ist insbesondere Betonstahl und Walzraht zu verstehen — nicht entsprechend der steigenden Nachfrage beschäftigt waren.
Die Bundesregierung hat daher, um die Wiederholung einer solchen Situation zu vermeiden, die Kommission der EG aufgefordert, den Markt für Baustähle sorgfältiger einzuschätzen und für das vierte Quartal 1983 die Quoten für diese Produkte entsprechend der Nachfrage festzulegen.
Das mit der Einführung der Produktionsquoten verfolgte Ziel, die Preise zu stabilisieren und den Stahlproduzenten die Strukturanpassung zu erleichtern, sollte die Kommission allerdings nicht aus dem Auge verlieren.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jobst, bitte.
Herr Staatssekretär, darf ich Sie davon in Kenntnis setzen, daß ich aus einem breiten Kreis Klagen darüber gehört habe, daß beim Bezug von Baustahlmatten erhebliche Lieferfristen und damit Preiserhöhungen in Kauf genommen werden müssen, und stimmen Sie mir zu, daß diese Situation beim Stahleinkauf angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und des Auftragsmangels unserer Stahlwerke widersinnig ist?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Dr. Jobst, ich stimme Ihnen in der Beurteilung dieser Sachlage, wenn sie sich allgemein so darstellen sollte, zu. Uns sind bisher nur von zwei Unternehmen Beschwerden vorgelegt worden. Was Ihren Hinweis auf Betonstahlmatten betrifft, so vermögen wir keine vernünftige Begründung für die Marktenge, die Sie beschrieben haben, zu sehen, denn es gibt einen Kapazitätsüberhang von etwa einem Drittel der Produktionsreserven in diesem Bereich. Wie es angesichts dieser Sachlage zu Lieferengpässen kommen kann, ist nicht ganz verständlich.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, was hat die Bundesregierung unternommen, um in Brüssel diese Quotenregelung zu verändern, und halten Sie die Quotenregelung gerade für den Baustahlmarkt angesichts der von mir beschriebenen Situation für zeitgerecht?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Dr. Jobst, wie ich Ihnen schon sagte, hat die Bundesregierung in Brüssel interveniert. Sie ist vorstellig geworden, um auf diese Vorgänge hinzuweisen, und hat die EG-Kommission gebeten, dem bei der Quotenfestsetzung für das vierte Quartal 1983 Rechnung zu tragen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Urbaniak.
Herr Staatssekretär, ist es nicht so, daß gerade im Bereich der EG die Quoten für die deutsche Stahlindustrie ganz erheblich zusammengestrichen worden sind und wir deswegen auf der ganzen Breite der Produktionspalette große Beschäftigungsprobleme bekommen, und was hat die Bundesregierung getan, um diesen Flächenbrand abzuwehren?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Urbaniak, Sie wissen, weshalb die Produktionsquotenregelung eingeführt worden ist. Sie dient zur Stabilisierung der Preise und des Marktes. Sie soll die Anpassung der Strukturen erleichtern. Wir halten diesen Weg im Augenblick für den einzig möglichen. Dies ist hier im Hause schon häufiger vom Bundeswirtschaftsminister gesagt worden.
Was diesen speziellen Fall anbelangt, der in der Frage vorgetragen worden ist, so habe ich dazu die entsprechenden Auskünfte gegeben. Wir können nichts anderes tun als das, was jetzt getan worden ist, nämlich die EG-Kommission darauf hinweisen, daß die Quoten hier nicht in Übereinstimmung mit den Markterfordernissen festgelegt worden sind.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.
Herr Staatssekretär, sind die deutschen Stahlwerke durch die Quoten planwirtschaftlich so starr festgelegt, daß sie auf eine starke Nachfrage am Inlandsmarkt nicht marktwirtschaftlich reagieren können?Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Dies ist völlig richtig. Wir können nicht kurzfristig reagieren, wir können es nur mittelfristig, indem die Quoten eine
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1632 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1983
Parl. Staatssekretär Dr. Sprungentsprechende Anhebung erfahren. Nur das ist der Weg, der im Augenblick gegangen werden kann.
Keine weitere Zusatzfrage.
Ich rufe Frage 14 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf:
Beabsichtigt die Bundesregierung, die in ihrer Einstellung überzeugt europäischen, aber offiziellen und sachlichen Kritiker der Prinzipien des innerdeutschen Handels aus dem Bereich unserer EG-Partner, insbesondere aus Frankreich, mit politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Argumenten, die auf ihre Sorgen eingehen, davon zu überzeugen, daß die Einfügung des innerdeutschen Handels in die EG eine grundlegende Bedingung für die Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland war, die sowohl rechtlich wie politisch den Zielen des Deutschlandvertrags und dem Ziel eines friedlichen Wandels bei der Teilung Europas im Sinne einer freiheitlichen Ordnung entspricht?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Dr. Czaja, das bestehende System des innerdeutschen Handels ist im EWG-Vertrag durch das „Protokoll über den innerdeutschen Handel und die damit zusammenhängenden Fragen" fest abgesichert worden. Das Protokoll ist wesentlicher Bestandteil des EWG-Vertrages. Der Sonderstatus des innerdeutschen Handels entspricht damit weiterhin der besonderen Lage in Deutschland. Diese deutsche Position und damit die Weitergeltung des Protokolls hat der EG-Ministerrat im März 1973 bestätigt. An dieser Auffassung hält die Bundesregierung fest.
Zusatzfrage, Herr Dr. Czaja.
Herr Staatssekretär, wird die Bundesregierung diese sehr deutliche und notwendige Klarstellung auch gegenüber jenen kritischen Bemerkungen und tadelnden Aussagen der Mitglieder der französischen Regierung vornehmen — über deren scharfen Tadel hat das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung am 16. September 1983 berichtet —, die ja sehr angesehen und auch europäisch eingestellt sind?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Dr. Czaja, dies hat die Bundesregierung getan, und dies wird sie auch künftig tun. Sie wird deutlich machen, daß die Sorgen unberechtigt sind, die in anderen Mitgliedstaaten wegen des innerdeutschen Handels geäußert worden sind und möglicherweise auch künftig noch geäußert werden. Die Bundesregierung stellt sicher, daß die anderen Mitgliedstaaten in der Gemeinschaft durch den innerdeutschen Handel nicht tangiert werden.
Ich möchte jetzt noch einmal vortragen, warum dies so ist, damit deutlich wird, daß die Sorgen tatsächlich unberechtigt sind.
Erstens. Die Bezüge der Bundesrepublik Deutschland aus der DDR orientieren sich am Inlandsbedarf.
Zweitens. Eine strenge Überwachung stellt sicher, daß keine Waren aus Drittländern unter Ausnutzung der Zoll- und Abschöpfungsfreiheit des innerdeutschen Handels in die Bundesrepublik Deutschland oder in ein anderes Mitgliedsland der Gemeinschaft gelangen.
Drittens. In sensiblen Warenbereichen ist darüber hinaus sichergestellt, daß Bezüge aus der DDR nicht zu Marktstörungen führen. So sind bei den landwirtschaftlichen Waren ca. 90% — gemessen am Wert der Bezüge — kontingentiert. Im gewerblichen Bereich ist der Bezug von Eisen- und Stahlerzeugnissen, Textil- und Bekleidungserzeugnissen, von Glas und Keramik sowie von Mineralölerzeugnissen wert- und mengenmäßig begrenzt.
Viertens. Beim Reexport von Waren, die im Rahmen des innerdeutschen Handels aus der DDR bezogen worden sind, in andere Mitgliedstaaten der Gemeinschaft entfällt der Anspruch auf Umsatzsteuerrückvergütung. Von daher besteht bereits wirtschaftlich kein Anreiz für Reexporte in die übrige Gemeinschaft. Dazu jetzt eine Zahl. Dementsprechend ist der Reexport in andere EG-Mitgliedstaaten verschwindend gering. Er betrug 1982 nur ca. 50 Millionen DM und stellte damit lediglich 0,02 % unserer Exporte in die anderen EG-Länder dar.
Zusatzfrage, Herr Dr. Czaja.
Bedeutet Ihre dankenswerte Klarstellung, daß die Behauptung, die Einbeziehung der DDR als angeblich elftes EG-Land trage eine Hauptverantwortung an der europäischen Wirtschaftskrise, zurückgewiesen wird und daß die Bundesregierung auf den deutschlandpolitischen Kern der Römischen Verträge verweist?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: So ist es, Herr Dr. Czaja. Diese Behauptung ist unzutreffend; sie ist unsinnig.
Danke sehr.Ich rufe Frage 15 des Herrn Abgeordneten Hinsken auf:Ist die Bundesregierung bereit, in weiteren Verhandlungen mit der CSSR zu versuchen, zusätzliche Reduzierungen bei den Faserholzeinfuhren zu erreichen, um dadurch einen Holzpreisverfall, der durch die erforderlichen starken Abholzungen wegen Windbruch und Borkenkäferbefall von Waldbauern in Ostbayern befürchtet wird, zu verhindern?Bitte sehr, Herr Staatssekretär.Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Hinsken, die Bundesregierung hat nach Gesprächen mit der CSSR im Frühjahr 1983 den Eindruck, daß sich die Importe aus der CSSR bei Nadelfaserholz in einer vertretbaren Größenordnung halten werden. Die bisherige Einfuhrentwicklung bestätigt dies. Darüber hinausgehende Reduzierungen für das laufende Jahr hält die Bundesregierung bei der derzeit gegebenen Sachlage nicht für angebracht. Der Bundesregierung ist bekannt, daß neben den Windbruchschäden des vergangenen Winters weitere Schadholzmengen durch Borkenkäferbefall ent-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1983 1633
Parl. Staatssekretär Dr. Sprungstanden sind. Sie ist aber der Auffassung, daß die hierdurch entstandenen Einschlagmengen im Rahmen des geplanten Einschlags aufgefangen werden können. Im übrigen kann ein Holzpreisverfall auf breiter Basis derzeit nicht beobachtet werden.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hinsken.
Herr Staatssekretär, welche Bedeutung mißt die Bundesregierung dann den Befürchtungen der Waldbauern und der Holzbauern bei, daß sie auf Grund des Holzpreisverfalls keine rentable Holzbewirtschaftung mehr betreiben können?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Hinsken, wie ich schon sagte, gibt es von der Beobachtung des Marktes her keine Rechtfertigung für die Feststellung, daß wir es mit einem Preisverfall auf breiter Basis zu tun haben. Es kann durchaus eintreten, daß regionale Besonderheiten oder ein regional besonders starker Anfall von Holz aus den genannten Gründen zu Preisbeeinträchtigungen führen. Aber ich sage noch einmal: Für den Holzmarkt insgesamt ist ein Preisverfall nicht feststellbar.
Bitte, Herr Abgeordneter Hinsken, noch eine Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, ist bekannt, welche anderen Holzarten außer Faserholz aus der CSSR in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt werden? Wenn ja: Wieviel?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Hinsken, danach ist in der Hauptfrage nicht gefragt worden. Ich habe dafür jetzt keine Angaben. Sie werden diese Zahlen von mir nachgeliefert bekommen. Für Nadelfaserholz ist die CSSR in der Tat der wichtigste Lieferant. Etwa 80 % unserer Einfuhren kommen aus der CSSR.
Zu einer Zusatzfrage Frau Abgeordnete Dr. Skarpelis-Sperk.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht angesichts der beunruhigenden Meldungen — nicht nur im Zusammenhang mit dem sauren Regen — über erhebliche Schäden in Wäldern der Meinung, daß Ihre Ansichten über den Holzeinschlag ein bißchen optimistisch sind und, falls es angesichts der berichteten Schäden in den nächsten ein bis zwei Jahren zu größeren Einschlägen kommt oder kommen müßte, mit einem erheblichen Verfall der Holzpreise auf diesem Gebiet zu rechnen wäre?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Was ich dazu gesagt habe, sind nicht meine Ansichten, sondern die Zahlen, die uns vorliegen. Das gilt für den Augenblick. Wie die Entwicklung in der Zukunft aussehen wird, vermag ich jetzt nicht zu sagen; ich kann Ihnen dazu keine Informationen geben. Wer es sonst vermag, weiß ich nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, daß man bereits heute etwas darüber sagen kann, wie die Entwicklung in zwei Jahren aussehen wird.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Jobst.
Herr Staatssekretär, darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß die Bundesregierung die Entwicklung auf dem Holzmarkt sehr eingehend verfolgen und Anzeichen von Preisverfall zum Anlaß nehmen wird zu handeln, nachdem der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Gallus, vor kurzem Zahlen bekanntgegeben hat, nach denen bis zum Frühjahr 1984 auf Grund des Borkenkäferbefalls und der enormen Schneebruchschäden in den letzten Jahren etwa 1,4 Millionen Kubikmeter Holz zusätzlich eingeschlagen werden müssen?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Dr. Jobst, Sie können davon ausgehen, daß dies geschehen wird. Wenn sich eine Veränderung des Marktes in der von Ihnen genannten Weise ergeben sollte, werden die Gespräche mit der CSSR wieder aufgenommen werden, ebenso die Gespräche mit anderen Lieferanten.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Duve.
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, die Erkenntnisse über das Waldsterben und die möglichen Folgen für den Holzmarkt so zu koordinieren, daß Sie in die Lage versetzt werden, in der Fragestunde des Deutschen Bundestages bessere und umfassendere Auskünfte zu geben, als zu sagen: „Ich weiß nichts"? Können wir nicht erwarten, daß sich die Bundesregierung, auch wenn sie sich so völlig den Marktgesetzen öffnen möchte, auf das vorbereitet, was auf die Holzwirtschaft zukommt? Welche Vorbereitungen werden im Wirtschaftsministerium dafür zur Zeit getroffen?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Die Antworten, die ich gegeben habe. bestanden nicht nur darin, daß ich gesagt habe: „Ich weiß nichts." Es ist eine klare Frage gestellt worden. Darauf ist eine Antwort gegeben worden. Dies war der Gegenstand der Erörterungen. Ich glaube, daß weitergehende Fragen, die an uns gerichtet werden, auch beantwortet werden.
Ich rufe die Frage 16 des Herrn Abgeordneten Hinsken auf:Ist in der bundesdeutschen Wirtschaft „Know-how" vorhanden, um Großfeuerungsanlagen ohne ausländische Mithilfe mit Filteranlagen ausstatten zu können, und wie hoch belaufen sich in etwa die Gesamtkosten für diesen Einbau?Bitte sehr, Herr Staatssekretär.Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Hinsken, die Verpflichtung, die Schadstoffemissionen aus Großfeuerungsanlagen nach dem Stand der Technik zu begrenzen, ist durch die Großfeuerungsanlagen-Verordnung konkretisiert worden. Reinigungsanlagen, die die Einhaltung der dort vorgeschriebe-
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1634 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1983
Parl. Staatssekretär Dr. Sprungnen Grenzwerte gewährleisten, können ohne ausländische Mithilfe gebaut werden.In der Begründung des Regierungsentwurfs einer Großfeuerungsanlagen-Verordnung hat die Bundesregierung die durch diese Verordnung anfallenden Kosten auf 6 bis 12 Milliarden DM geschätzt. Wegen der Verschärfungen der Anforderungen durch den Bundesrat ist davon auszugehen, daß die Kosten noch höher liegen werden.Da die Verordnung die Unternehmen vor die Alternative stellt, bestehende Anlagen entweder nachzurüsten oder auf weniger schadstoffhaltige Brennstoffe umzustellen oder stillzulegen, und den Unternehmen für diese Entscheidung eine Frist von einem Jahr eingeräumt ist, lassen sich die Kosten der Nachrüstung derzeit nicht genauer voraussagen.
Zusatzfrage, Herr Kollege Hinsken.
Herr Staatssekretär, wieviel zusätzliche Arbeitsplätze können nach Meinung der Bundesregierung durch den Vollzug der Großfeuerungsanlagen-Verordnung bereits mittelfristig geschaffen werden?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Hinsken, darauf kann eine Antwort deshalb nicht gegeben werden, weil es niemandem möglich ist, im Augenblick zu sagen, welche der drei sich bietenden Möglichkeiten von den Unternehmen gewählt werden.
Zweite Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, eröffnet sich nach Einschätzung der Bundesregierung in bezug auf solche Filteranlagen — die jetzt bei uns eingebaut werden sollen, die in absehbarer Zeit aber auch in anderen Ländern dringend benötigt werden — nicht eine Exportchance?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Hinsken, wenn wir hier technologisch vorn stehen und wenn in anderen Ländern eine ähnliche Gesetzgebung Platz greifen wird, dann bestehen sicherlich auch Chancen für den Export solcher Anlagen.
Ich rufe Frage 17 des Herrn Abgeordneten Haungs auf:
Wenn die Bundesregierung in Zukunft Hilfen an Unternehmen in Form von Zuschüssen, Bürgschaften, außerplanmäßigen Aufträgen etc. mit der wesentlichen Zielrichtung der Arbeitsplatzerhaltung und -sicherung vergeben will, z. B. an die Stahl- oder Werftindustrie, wird sie dann der Empfehlung des Mittelstandsbeirates beim Wirtschaftsministerium, die dieser am 24. März 1983 ausgesprochen hat, folgen, und von allen Beteiligten, also auch den Arbeitnehmern, Opfer erwarten?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Haungs, die von Ihnen erwähnte Empfehlung des Mittelstandsbeirats vom 24. März 1983 ist Teil eines umfassenderen Katalogs von Maßnahmen, die nach Auffassung des Beirats Ausdruck der Politik der Bundesregierung zur Stärkung der Marktkräfte sein sollen. Er hat diese Empfehlung ausdrücklich nur auf Subventionen oder Bürgschaften an Großunternehmen bezogen. Nach Auffassung der Bundesregierung kommen staatliche Hilfen an Einzelunternehmen mit der wesentlichen Zielrichtung der Arbeitsplatzerhaltung und -sicherung in unserer Wirtschaftsordnung ohnehin nur in Ausnahmefällen in Betracht. Unter anderem muß begründete Aussicht bestehen, daß sich die betreffenden Unternehmen nach Überwindung akuter Schwierigkeiten wieder ohne Subventionen im Wettbewerb behaupten können. Alle Beteiligten — Eigentümer, Unternehmensleitung, Arbeitnehmer und Gläubiger — haben in solchen Fällen bisher Beiträge geleistet. Welche Leistungen die Beteiligten jeweils erbringen müssen, ist auch in Zukunft im Rahmen eines Anpassungskonzepts nur von Fall zu Fall angemessen konkretisierbar.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß alle Beteiligten ihre Möglichkeiten voll ausschöpfen müssen, wenn der Staat einzelnen Unternehmen aus Steuermitteln helfen soll. Ähnliches gilt bei staatlichen Programmen zur Umstrukturierung einzelner Branchen, wobei es gerade auch in der Hand der Tarifvertragsparteien liegt, durch angemessene Verträge zur Sicherung von Arbeitsplätzen in den betroffenen Wirtschaftszweigen beizutragen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haungs.
Herr Staatssekretär, ist es der Bundesregierung bekannt, daß die von Ihnen erwähnten Tarifverträge die Eigenbeiträge der Betroffenen sehr häufig ausschließen, und halten Sie es für richtig, daß die Bundesregierung im Sinne einer verbesserten Beschäftigungslage und der notwendigen Umstrukturierung mit den Tarifvertragsparteien dahin gehend verhandelt, daß solche Eigenbeiträge in Zukunft wünschenswert und auch durchführbar sind?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Haungs, es ist eine Entscheidung der Tarifvertragsparteien. Sie haben vertraglich festzulegen, in welcher Form solch ein Beitrag geleistet werden kann und wie er aussehen soll.
Zweite Zusatzfrage, Herr Haungs.
Herr Staatssekretär, halten Sie es für richtig, daß den potentiellen Subventionsempfängern in Zukunft die Möglichkeit, Subventionen zu empfangen, insofern etwas unangenehmer gemacht wird, als man die Eigenbeiträge fordert, bevor man die Subvention gewährt?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Haungs, jeder Fall ist ein Fall für sich, ein besonderer Fall. Ich sagte schon, daß in Einzelfällen für Einzelunternehmen solche Subventionen die Ausnahme sind. Wir haben ein Beispiel dafür, daß dann auch Leistungen in der von Ihnen genannten Art gefordert werden. Ich erinnere hier an den Fall ARBED-Saarstahl.
Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hinsken.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1983 1635
Herr Staatssekretär, aus welchen Töpfen werden diese Hilfen gegeben, und sieht die Bundesregierung eine Möglichkeit, benachteiligte Gruppierungen und Standorte hier in der Bundesrepublik Deutschland anderweitig zu berücksichtigen, wenn sie darunter zu leiden haben?
Dr. Sprung, Parl. Staatssekretär: Herr Hinsken, die Mittel werden aus dem Haushalt finanziert. Dies ist auch bisher so gewesen. Wir haben bisher nur einen einzigen Fall gehabt, bei dem eine solche Verknüpfung von Hilfeleistung mit dem Beitrag aller anderen Beteiligten beschlossen wurde.
Danke schön, Herr Staatssekretär.
Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Franke zur Verfügung.
Ich rufe die Frage 18 des Herrn Abgeordneten Gilges auf:
Wie viele Ermittlungsverfahren bzw. rechtskräftige Verurteilungen gegen sogenannte Verleiher und Entleiher illegaler Arbeit sind der Bundesregierung seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung bekannt, und in welchem Zusammenhang stehen dazu die Zahlen der vermutlich in bundesdeutschen Gewerben illegal beschäftigten Arbeitnehmer?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Kollege, Entleiher, die von einem Verleiher ohne Erlaubnis der Bundesanstalt für Arbeit Leiharbeitnehmer entleihen, sind erst seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung mit Bußgeld bedroht. Ich gehe deshalb davon aus, daß sich Ihre Frage auf die seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung bekanntgewordenen Verfahren bezieht.
Das Gesetz ist am 1. Januar 1982 in Kraft getreten. Im Jahre 1982 — Zahlen für das laufende Jahr liegen leider noch nicht vor — hat die Bundesanstalt für Arbeit wegen des Verdachts von gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung ohne Erlaubnis 2 171 Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen Verleiher und 234 Verfahren gegen Entleiher eingeleitet. Die Strafgerichte haben über 23 öffentliche Klagen wegen illegalen Verleihs ausländischer Arbeitnehmer ohne Arbeitserlaubnis entschieden und dabei neunmal Freiheitsstrafen und zwölfmal Geldstrafen verhängt. In zwei Fällen erfolgten Freisprüche.
Die vollständige Zahlenübersicht, insbesondere über den Ausgang der eingeleiteten Ordnungswidrigkeitsverfahren, stelle ich Ihnen auf Wunsch gern zur Verfügung. Einen Rückschluß auf die Zahl der illegalen Leiharbeitnehmer und der Arbeitnehmer, die in anderen Erscheinungsformen der illegalen Beschäftigung — wie Schwarzarbeit oder illegaler Ausländerbeschäftigung — tätig sind, lassen diese Zahlen nicht zu. Es liegt im Wesen der illegalen Beschäftigung, daß sie sich einer genauen Erfassung entzieht.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gilges.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, den letzten Satz Ihrer Antwort haben Sie schon einmal vor einem Jahr gesagt, wenn ich mich richtig erinnere. Das Wesen der Illegalität ist mir klar. Ich frage trotzdem folgendes. Der Deutsche Gewerkschaftsbund behauptet, daß auf Grund der Wirtschaftskrise die Zahlen stark ansteigen. Ist das eine Tendenz, die auch Sie beobachten? Ich frage nicht nach den konkreten Zahlen und erwarte nicht, daß Sie das konkret belegen können, sondern ich will fragen: Gibt es in Ihrem Ministerium Hinweise — auch auf Grund der Verfahren, die Sie eingeleitet und angeführt haben —, daß die Tendenz stark steigend ist?
Franke, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich darf eine Korrektur anbringen: Vor einem Jahr konnte ich diese Frage noch nicht beantworten; das konnte nur mein Vorgänger in der alten Regierung. Der Tatbestand — wenn mein Vorgänger das so gesagt haben sollte — ist derselbe geblieben. Es liegt im Wesen der Illegalität, daß man sie statistisch nicht so genau erfassen kann.
Eine Tendenz für 1983 kann ich Ihnen noch nicht sagen. Sobald ich sie habe, bekommen Sie sie sofort von mir.
Zweite Zusatzfrage, Herr Gilges.
Das liegt daran, daß in der Regel trotz des Regierungswechsels die Beamten, die Ihnen diese Antworten aufschreiben, dieselben sind.
Ich habe folgende kurze Frage. Der Deutsche Gewerkschaftsbund behauptet, daß die illegale Beschäftigung Milliardenlöcher in die öffentlichen Kassen reißt. Haben Sie Zahlen darüber, wie konkret das ist, wie groß die Milliardenlöcher sind, die in die öffentlichen Kassen gerissen werden?
Franke, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich stimme in der Tendenz zu — ich habe nicht die Zahlen präsent, die der Deutsche Gewerkschaftsbund genannt hat —, daß selbstverständlich für den Fiskus und die Sozialversicherungsträger Milliardenverluste entstehen.
Haben Sie bitte Verständnis dafür, daß ich das jetzt nicht quantifizieren kann. Aber ich gebe Ihnen diese Zahlen. Diese Zahlen wurden vom Bundesarbeitsminister im Zusammenhang mit seiner Darstellung der Schwarzarbeit vor kurzem genannt. Ich werde sie Ihnen zusenden, Herr Kollege.
Zusatzfrage des Herrn Abgeordneten Peter.
Herr Staatssekretär, sehen Sie im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Umgehungsmöglichkeiten für illegale Beschäftigung beispielsweise dadurch, daß Scheinwerkverträge nicht erfaßt werden können?Franke, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, wir müssen nach dem Gesetz, das noch in der vergange-
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1636 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1983
Parl. Staatssekretär Frankenen Legislaturperiode am 1. Januar 1982 als Ergänzung beschlossen worden ist, bis zur Mitte des nächsten Jahres einen Erfahrungsbericht vorlegen. Diesen Bericht sollten wir abwarten, ehe wir zusätzliche Maßnahmen ergreifen. Allerdings sollten wir die Tendenz beobachten.
Ich rufe die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Gilges auf:
Ist die Bundesregierung bereit, weitere gesetzliche Maßnahmen, wie etwa die Erhöhung des geltenden Bußgeldrahmens, die Verschärfung von Freiheitsstrafen und den Einsatz sogenannter „Sozialrechercheure" — die erfolgreich in Belgien und den Niederlanden tätig sind — zur wirksameren Bekämpfung der illegalen Beschäftigung zu erwägen?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Franke, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, der Bußgeldrahmen für Verleiher ohne Erlaubnis und für Entleih von einem Verleiher ohne Erlaubnis beträgt 50 000 DM. Tätigwerdenlassen eines nichtdeutschen Leiharbeitnehmers, der eine erforderliche Arbeitserlaubnis nicht besitzt, ist mit einer Geldbuße bis zu 100 000 DM bedroht.
Diese Grenzen sind keine absoluten Höchstmaße. Die Geldbuße soll den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Nach § 17 Abs. 4 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten kann das gesetzliche Höchstmaß überschritten werden, um dem Täter den wirtschaftlichen Vorteil, den er aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, zu entziehen.
Der illegale Verleih nichtdeutscher Leiharbeitnehmer ohne die erforderliche Arbeitserlaubnis ist beim Verleiher und Entleiher, der in diesen Fällen nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Arbeitgeber wird, mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht, in besonders schweren Fällen sogar mit Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Die Bußgeld- und Strafvorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes sind seit seinem Inkrafttreten im Jahre 1972 dreimal verschärft worden, nämlich durch das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch im Jahre 1974, durch das Gesetz zur Änderung des Arbeitsförderungsgesetzes und des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes 1975 und durch das Gesetz zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung 1981. Weitere Gesetzgebungsmaßnahmen erscheinen im Augenblick nicht erforderlich. Geboten ist vielmehr eine verstärkte Durchsetzung der gesetzlichen Bestimmungen.
Sie haben nach dem Vergleich Niederlande/Belgien gefragt. In den Niederlanden dürfte das Aufgabe der sogenannte „Sozialrechercheure" sein. Im Rahmen unseres Verwaltungsaufbaus hat die Bundesanstalt für Arbeit für die Bekämpfung illegaler Beschäftigung insgesamt 25 Stützpunkte bei Arbeitsämtern im Bundesgebiet eingerichtet, die mit etwa 250 besonders ausgebildeten und geschulten Mitarbeitern seit dem Frühsommer dieses Jahres intensiv die illegale Beschäftigung bekämpfen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Gilges.
Könnten Sie Angaben darüber machen, wie viele Personen oder Unternehmen bis jetzt in den Strafrahmen in Höhe von fünf Jahren gefallen sind? Gibt es da einen Fall, den Sie parat haben, in dem ein Unternehmer wegen illegaler Beschäftigung fünf Jahre erhalten hat? Können Sie uns einmal die Zahlen nennen, wer schon einmal 50 000 DM oder 100 000 DM Bußgeld hat zahlen müssen? Ich frage deswegen danach, weil Klagen vorliegen, daß der Bußgeldrahmen einerseits nicht ausreicht und andererseits auch nicht ausgeschöpft wird. Das gilt auch für den Strafrahmen.
Franke, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich habe eine Tabelle, aus der ich jetzt die genaue Beantwortung Ihrer Frage, ob ich einen solchen Fall parat habe, nicht ersehen kann. Ich werde sie Ihnen geben.
Noch eine Zusatzfrage, bitte.
Ich habe nach den „Sozialrechercheuren" gefragt. Sie sagten, Sie hätten 250 Rechercheure, Sie nennen sie Mitarbeiter. Können Sie da mal — sie sind ja seit dem Frühsommer beschäftigt — Auskunft geben, wie erfolgreich die Arbeit dieser Mitarbeiter ist? Es kann ja sein — ich erwarte das auch —, daß dem Ministerium schon Zwischenberichte über die Tätigkeit dieser 250 Mitarbeiter an 25 Stellen vorliegen.
Franke, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das Gesetz ist am 1. Januar 1982 in Kraft getreten. Die Einrichtung dieser 25 Stellen — über das Bundesgebiet verstreut — hat natürlich eine gewisse Zeit in Anspruch genommen. Wenn man diese Anlaufschwierigkeit berücksichtigt, ist es schwer, aus dem Stand Ihre Fragen zu beantworten. Ich werde mich mit der Bundesanstalt für Arbeit in Verbindung setzen, ob schon konkrete Abschlüsse da sind.
— Ja.
Zusatzfrage, Frau Matthäus-Maier, bitte.
Herr Staatssekretär, liegen Ihnen Auskünfte darüber vor, wie viele der Verurteilungen zu Freiheitsstrafen auf Grund des Gesetzes, die Sie eben genannt haben, zur Bewährung ausgesetzt wurden? Oder anders gefragt: Wissen Sie, ob tatsächlich illegale Verleiher oder Entleiher ihre Strafe schon einmal abgesessen haben?Franke, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, in der Antwort auf die erste Frage des Kollegen Gilges habe ich einige Quantifizierungen vorgenommen. Für die Jahre bis 1979 darf ich auf die ersten vier Erfahrungsberichte der Bundesregierung zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz — die Bundestagsdrucksachen gebe ich Ihnen gerne an die Hand — verweisen. Die Zahlen für 1980 und 1981 wird der fünfte Erfahrungsbericht enthalten. Wenn es mir möglich ist, da schon jetzt einen Vorgriff zu ma-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1983 1637
Parl. Staatssekretär Frankechen, gehört das gleichfalls in die schriftliche Beantwortung der Fragen, die ich eben dem Herrn Kollegen Gilges nicht beantworten konnte.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peter.
Herr Staatssekretär, um etwas nicht in den Nebel Ihrer vorigen Antwort zu bringen: Halten Sie es für möglich oder könnten Sie sich vorstellen, daß die Aufnahme von Scheinwerkverträgen in das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz wirksamer illegale Beschäftigung bekämpfen würde als die dort bestehenden Strafbestimmungen?
Franke, Parl. Staatssekretär: Das kann durchaus sein. Darüber müßten wir mal miteinander diskutieren.
Danke sehr.
Ich rufe die Frage 20 — des Herrn Abgeordneten Reimann — auf:
Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über die Auswirkungen illegaler Beschäftigung einerseits und andererseits der Wirtschaftskriminalität im Vergleich zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den EG-Ländern in den letzten Jahren vor?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Franke, Parl. Staatssekretär: Zuverlässige Angaben oder Schätzungen über die Auswirkungen von illegaler Beschäftigung und von Wirtschaftskriminalität, die auch Angaben über das sogenannte Dunkelfeld umfassen müßten, sind kaum möglich. Und jetzt kommt eine Formulierung, die ich schon zweimal verwandt habe: Es liegt im Wesen der Illegalität, daß sie sich einer statistischen Erfassung bzw. einer Schätzung auf gesicherter Grundlage entzieht. Mangels ausreichend gesicherter Erkenntnisgrundlage ist ein Vergleich zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den EG-Ländern daher nicht möglich.
Zusatzfrage.
Herr Staatssekretär, haben Sie — wenn schon keine gesicherten Erkenntnisse — wenigstens eine ungefähre Vorstellung darüber, um wieviel sich das Steueraufkommen der Bundesrepublik Deutschland nach oben verändern würde, wenn a) die illegale Leiharbeit und b) die Wirtschaftskriminalität, d. h. die Gelder, die dort abwandern, erfaßt würden?
Franke, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, darf ich verweisen auf das, was ich Ihrem Kollegen, der vorher gefragt hat, gesagt habe? Ich werde diese Zahlen ermitteln. Sie sind veröffentlicht worden. Ich habe sie verständlicherweise nicht präsent.
Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reimann.
Würden Sie dann vielleicht auch bereit sein, mitzuteilen, um wieviel sich die Zahl der registrierten Arbeitsplätze der Bundesrepublik Deutschland erhöhen könnte, wenn Sie Ihre Betrachtungen abgeschlossen haben, oder haben Sie jetzt eine Zahl dafür vorliegen?
Franke, Parl. Staatssekretär: Die habe ich nicht hier vorliegen, sondern die habe ich aus der Diskussion im Gedächtnis, Herr Kollege. Da geht es darum, daß von 200 000 bis 250 000 täglichen Beschäftigungsmöglichkeiten unter dieser Kategorie gesprochen wird. Aber die Erfaßbarkeit — das sind Schätzungen — ist natürlich sehr schwer. Es muß erst abgewartet werden, wie sich die Gesetze, die die vorherige Regierung mit dem 1. Januar 1982 in Kraft gesetzt hat, auswirken werden.
Ich rufe die Frage 21 des Abgeordneten Reimann auf:
Wie beurteilt die Bundesregierung bisherige gesetzliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung, und was beabsichtigt sie selbst zu tun?
Franke, Parl. Staatssekretär: Mit dem Gesetz zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung, das am 1. Januar 1982 in Kraft getreten ist, sind die gesetzlichen Grundlagen für verschärfte Kontrollmaßnahmen vor Ort zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung verbessert worden. Insbesondere sind die mit der Bekämpfung illegaler Beschäftigung befaßten Behörden — Bundesanstalt für Arbeit, Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, Gewerbeaufsichtsämter, Finanz- und Ausländerbehörden — sowie die für die Bekämpfung der Schwarzarbeit zuständigen Landesbehörden zu einer intensiven Zusammenarbeit verpflichtet worden. Es kommt nunmehr auf eine wirkungsvolle Umsetzung dieser gesetzlichen Bestimmungen durch die zuständigen Behörden, insbesondere die Landesbehörden und Selbstverwaltungskörperschaften, an. So hat die Bundesanstalt für Arbeit im Rahmen ihrer Aufgabe der Wahrung der Ordnung auf dem Arbeitsmarkt ihre Bemühungen um eine Bekämpfung der illegalen Arbeitnehmerüberlassung, der illegalen Ausländerbeschäftigung und des Leistungsmißbrauchs erheblich verstärkt. Ich wiederhole, was ich soeben schon gesagt habe: Sie hat in 25 Stützpunktarbeitsämtern „Bearbeitungsstellen zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung" eingerichtet. Die ersten Erfahrungen zeigen, daß diese neuen Stützpunktorganisationen erfolgreich arbeiten. Im übrigen wird der im Jahre 1984 dem Deutschen Bundestag zu erstattende Bericht über die Erfahrungen mit dem Gesetz zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung sicherlich Anlaß sein, zu prüfen, welche weiteren Maßnahmen nötig sind.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Reimann.
Herr Staatssekretär, der Bundesarbeitsminister hat in der letzten Zeit eine sehr intensive Kampagne gestartet, bei der die illegale Arbeit als verabscheuungswürdig und sehr unmoralisch dargestellt wird. Gibt es bereits Erkenntnisse, inwieweit diese — wenn auch recht undifferenzierten — Aussagen des Herrn Arbeitsministers bei der Bundesregierung Erfolg gezeigt haben?
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1638 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1983
Franke, Parl. Staatssekretär: Ich sagte eben schon, daß die Umsetzung des Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung primär Angelegenheit der Behörden der Länder und der Selbstverwaltungskörperschaften ist, so daß der Bundesminister nach dem Gesetz, das verabschiedet worden ist — ich wiederhole, in der vergangenen Legislaturperiode, unter der alten Bundesregierung —, wenig Einflußmöglichkeiten besitzt.Um die enge Zusammenarbeit verschiedener Behörden zu fördern und die Koordinierung der Tätigkeiten dieser Behörden vor Ort zu verbessern, wurde beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung eine länderübergreifende Arbeitsgruppe gebildet. Mitglieder dieser Arbeitsgruppe sind Beschäftigte der Krankenkassen, der Bundesanstalt für Arbeit, der gesetzlichen Unfallversicherung sowie Vertreter der für die Durchführung des Gesetzes zuständigen Landesbehörden. Von dieser Arbeitsgruppe werden Anregungen für eine Intensivierung der ortsnahen Bekämpfung illegaler Beschäftigung entwickelt.Darüber hinaus ist der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung der Auffassung, daß in der Öffentlichkeit das Bewußtsein für die schädlichen Erscheinungsformen auf dem Arbeitsmarkt gerade in diesem Bereich geschärft werden sollte. Daher hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Rahmen einer Pressekonferenz die Broschüre „Illegale Beschäftigung und Schwarzarbeit dürfen nicht sein" vorgestellt. Er hat sich auch an der Öffentlichkeitsaktion der Bundesanstalt für Arbeit „Aktionsgemeinschaft für ehrliche Arbeitsplätze" beteiligt. Die breite Beteiligung gerade an dieser Aktion der Bundesanstalt für Arbeit — außer dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung sind beteiligt der Bundesminister der Finanzen, der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Zentralverband des Deutschen Handwerks, der Gesamtverband der Sozialversicherung und die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände — zeigt, daß alle gesellschaftlichen Kräfte sich bemühen, diesen schädlichen Erscheinungsformen auf dem Arbeitsmarkt entgegenzuwirken.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Reimann.
Ist damit zu rechnen, daß der Bundesarbeitsminister die gleiche Haltung gegenüber der Wirtschaftskriminalität einnehmen und diese als verabscheuungswürdig bezeichnen wird? Wird die Bundesregierung hier mit einem entsprechenden Aufwand Ähnliches unternehmen, um dieses in der Öffentlichkeit genauso als unmoralisch anzuprangern?
Franke, Parl. Staatssekretär: Dem Bundesarbeitsminister, wenn ich einmal die Person nehme, und seinen beiden Parlamentarischen Staatssekretären können Sie dies mit Recht unterstellen.
Noch eine Zusatzfrage? — Herr Abgeordneter Gilges zu einer Zusatzfrage.
Herr Parlamentarischer Staatssekretär, das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen spricht in einer Aussage davon, daß die illegale Beschäftigung eine neue Form von Kriminalität sei. Teilen Sie die Meinung, und wenn j a, was tun Sie nun konkret in der Verschärfung der Gesetzgebung gegen diese neue Form der Kriminalität?
Franke, Parl. Staatssekretär: Ich teile die Meinung des Landeskriminalamts. Wenn Sie unsere bisherige Diskussion zu diesem Thema mit Aufmerksamkeit verfolgt haben, konnten Sie feststellen, daß ich alle die Maßnahmen, die zur Realisierung der Verfolgung eingesetzt werden können, in den letzten 20 Minuten aufgezeigt habe.
Ich rufe Frage 22 der Abgeordneten Frau Matthäus-Maier auf:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß Arbeitsämter auf Karteikarten, die zur Bekanntgabe freier Ausbildungsstellen an Unternehmen verschickt werden, eine geschlechtsspezifische Unterscheidung vorgeben , und sieht die Bundesregierung hier nicht einen Verstoß gegen die Regelung des Arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetzes, wonach ein Arbeitsplatz geschlechtsneutral ausgeschrieben werden soll?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Franke, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, sind Sie einverstanden, daß ich Ihre Fragen 22 und 23 gemeinsam beantworte?
Ich rufe auch noch Frage 23 der Abgeordneten Frau Matthäus-Maier auf:Ist die Bundesregierung bereit, auf die Bundesanstalt für Arbeit einzuwirken, sich an Wortlaut und Sinn des genannten Gesetzes zu orientieren und die geschlechtsneutrale Ausschreibung des Arbeitsplatzes zu berücksichtigen, das heißt, insbesondere entsprechende Karteikarten zu verwenden?Franke, Parl. Staatssekretär: Bei den Karteikarten, die zur Bekanntgabe freier Ausbildungsstellen an Unternehmen geschickt werden, handelt es sich um einen Vordruck, mit dem die Arbeitsämter alljährlich Betriebe um die Erteilung eines Auftrags zur Vermittlung von Jugendlichen in Ausbildungsstellen bitten. Durch das Ausfüllen dieser Vordrucke werden keine Ausbildungsstellen ausgeschrieben. Vielmehr stellen die Vordrucke ein internes karteitechnisches Arbeitsmittel dar. Ein Verstoß gegen das Arbeitsrechtliche EG-Anpassungsgesetz liegt demnach nicht vor.Die Gestaltung des allgemein verwendbaren Vordrucks muß berücksichtigen, daß es noch einige Berufe gibt, in denen Mädchen nicht ausgebildet werden dürfen. Vor allem aber ist die interne Kenntnis der leider noch bestehenden geschlechtsspezifischen Unternehmerpräferenzen für die Durchführung der Ausbildungsstellenvermittlung im Interesse einer erfolgreichen Vermittlung der weiblichen Bewerber notwendig. Nur dann nämlich ist die Berufsberatung in der Lage, ihre Auftraggeber gezielt und unter Hinweis auf § 611 b Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches davon zu überzeugen, daß sowohl Jungen als auch Mädchen für die meisten Ausbildungsberufe gleichermaßen in Frage kommen, und auf eine entsprechende Änderung des Vermittlungsauftrages hinzuwirken. Wenn die Betriebe bei der ersten Kontaktaufnahme mit dem
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1983 1639
Parl. Staatssekretär FrankeArbeitsamt ihre spontanen Einstellungspräferenzen nicht mitteilen könnten, würde dies darüber hinaus möglicherweise dazu führen, daß sie ihre Vermittlungsaufträge zurückziehen oder die Hilfe der Berufsberatung bei der Besetzung ihrer Ausbildungsstellen nicht mehr in Anspruch nehmen.
Bitte sehr, Frau Kollegin.
Herr Staatssekretär, meine erste Frage ist: Haben Sie eine solche Karteikarte schon einmal in der Hand gehabt, und sind Sie nicht mit mir der Meinung, wenn Sie sie schon einmal gesehen haben, daß durch diese Form der Aufteilung, nämlich „Haben Sie einen freien Ausbildungsplatz, a) für Mädchen, b) für Jungen, c) für beide?", praktisch den Arbeitgebern nahegelegt wird, das eine oder das andere anzukreuzen, und sind Sie dann nicht der Ansicht, daß man damit dem Sinn und Zweck des Europäischen Arbeitsrechtlichen Anpassungsgesetzes zuwiderhandelt?
Franke, Parl. Staatssekretär: Ich teile Ihre Auffassung nicht. Die Karteikarte habe ich noch nicht in der Hand gehabt. In der nächsten Woche können Sie mich befragen, dann habe ich sie hoffentlich in der Hand gehabt.
Eine Zusatzfrage, Frau Kollegin.
Haben Sie nicht verfolgt — dadurch bin ich nämlich erst darauf gestoßen, um ehrlich zu sein —, daß in den großen Kampagnen von Tageszeitungen bei der Suche nach mehr Lehrstellen alle möglichen Berufe, die mit der Frage Mann oder Frau überhaupt nichts zu tun haben, ausschließlich für Jungen ausgeschrieben werden, und können Sie sich nicht vorstellen, daß das mit ein Grund dafür ist, daß diese Karteikarten dem Arbeitgeber diese Aufteilung geradezu nahelegen?
Franke, Parl. Staatssekretär: Ich würde die Schuld nicht den Karteikarten in die Schuhe schieben — falls ich zu einer solchen Bewertung komme wie Sie. Ich glaube aber, es ist vielleicht eine Änderung der Bewußtseinslage durch uns und durch andere nötig, um diesen Ihren Eindruck, den Sie subjektiv — das ist jetzt keine Wertung — aus den Maßnahmen, den Kampagnen der Zeitungen gewonnen haben, zu verwischen. Mein Eindruck durch das, was ich gelesen habe — nun lesen wir möglicherweise nicht die gleichen Zeitungen —, ist ein anderer als Ihrer. Ich schließe trotzdem nicht aus, verehrte Frau Kollegin, daß wir hier gemeinsam zu einer Verbesserung der Bewußtseinslage einiges tun müssen.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Matthäus-Maier.
Ich beziehe mich z. B. auf den „General-Anzeiger" von heute morgen mit seinen vielen, vielen Beispielen dafür, daß Lehrstellen in Berufen, die rechtlich wie tatsächlich ohne weiteres von Mädchen ausgeübt werden können, für Jungen ausgeschrieben werden. Glauben Sie nicht, daß man der von Ihnen richtigerweise genannten Änderung der Bewußtseinslage auch dadurch ein bißchen nachhelfen sollte, daß man nicht in solchen Karteikarten die Arbeitgeber geradezu zu einer geschlechtsspezifischen Aufteilung motiviert?
Franke, Parl. Staatssekretär: Nein. In Erwartung der Betrachtung dieser Karte — unter diesem Vorbehalt sage ich jetzt meine Antwort — und nach dem, was ich hierzu gelesen habe, ist das ein Hilfsmittel und kein Abwehrmittel — entschuldigen Sie dieses Wort — in der von Ihnen hier getroffenen Definition. Sollte ich in der nächsten Woche, nachdem ich die Karte gesehen habe, zu einer anderen Beurteilung kommen, stehe ich nicht an, mich hier in aller Öffentlichkeit zu korrigieren. Im Augenblick ist mein felsenfester Eindruck, daß diese Karte ein Hilfsmittel ist, um auch Mädchen zu vermitteln. Natürlich können Mädchen heute noch nicht in alle Berufe vermittelt werden. Da gibt es viele alte Zöpfe abzuschneiden. Da gibt es noch einiges gemeinsam zu tun. Ich würde jedoch die Karteikarte nicht als den Schuldigen für das betrachten, was wir alle zusammen möglicherweise versäumt haben.
Vierte Zusatzfrage.
Da Sie so auf die Bewußtseinslage und die Notwendigkeit ihrer Veränderung abstellen — worin ich Ihnen zustimme —, frage ich: Soll ich daraus den Schluß ziehen, daß Sie das damals von uns gemeinsam verabschiedete EG-Anpassungsgesetz, in dem das Gebot der geschlechtsneutralen Ausschreibung steht, etwa für falsch oder für überflüssig halten? Das sollte doch genau dem nachhelfen, was Sie hier vortragen.
Franke, Parl. Staatssekretär: Es bleibt der Dissens zwischen uns beiden. Sie meinen, das sei ein Abwehrmittel. Ich sage, das ist ein Hilfsmittel. Dieser Dissens ist heute nicht auszuräumen, aber möglicherweise dann, wenn wir eine weitere Diskussion haben. Einer solchen entziehe ich mich nicht.
Zusatzfrage, Frau Dr. Skarpelis-Sperk.
Herr Staatssekretär, Sie haben auf die Frage der Kollegin Matthäus-Maier die Einrede gebracht, daß just auf diese Karte hin die Unternehmer ihre diskriminierende Einstellung zu erkennen gäben und erst daraufhin den Mitarbeitern der Arbeitsämter die Möglichkeit gegeben werde, aufklärende Gespräche mit den Unternehmungen zu führen. Sind Sie nicht der Meinung, daß die Mitarbeiter auf Grund der bestehenden Arbeits- und Lehrstellenlage dieses zeitlich überhaupt nicht können, und sind Sie bereit, sich bis zu dieser weiteren Diskussion bei den zuständigen Stellen zu erkundigen, ob sie zu dieser Dienstleistung, nämlich dem Überzeugen, angesichts der bestehenden Lage überhaupt kommen?
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1640 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1983
Franke, Parl. Staatssekretär: Verehrte Frau Kollegin, ich sage noch einmal: Wir sollten es uns nicht so leicht machen und einem technischen Hilfsmittel die Schuld für etwas zuweisen, was wir möglicherweise selber an die Hand nehmen sollten.
Ich komme zu einer anderen Bewertung dieses Hilfsmittels als Sie. Das war auch der Gegenstand der ganzen Frage hier. Ich habe das so verstanden. Bitte, ich bin für eine weitere Diskussion bereit.Lassen Sie mich jetzt einmal eine Wertung treffen. Es wäre zu bequem, die Schuld für die Probleme bei der Überwindung der sehr schwierigen Lage, wie wir sie bei einer konjunkturellen Schwäche mit einem Gott sei Dank hohen Geburtenüberschuß haben,
— Gott sei Dank haben wir einen Geburtenüberschuß, Gott sei Dank! —, unter anderem einer Karteikarte zuzuschreiben, indem man in ihr den Grund für die Vermittlungsschwierigkeiten sieht. Ich glaube, das liegt tiefer, und dieser Diskussion will ich mich, wie gesagt, Frau Kollegin, nicht entziehen.
Eine Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Steinhauer.
Herr Staatssekretär, da Sie in Ihren Ausführungen die Bewußtseinslage so stark herausstellen, frage ich Sie: Meinen Sie nicht, daß es in erster Linie Aufgabe der Bundesregierung ist, Gesetzesdurchführungen zu überwachen, und zwar erst recht bei einer Bundesanstalt für Arbeit? Im übrigen macht es die Bundesanstalt für Arbeit bei Vermittlungsaufträgen durchaus, daß sie generell geschlechtsneutral ausschreibt und auch erfaßt.
Franke, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, natürlich ist es unsere Aufgabe, die Arbeit der Bundesanstalt im Rahmen der Rechtsaufsicht zu überwachen. Das entsprechende Gesetz ist am 1. Januar 1982 in Kraft getreten, und die Bundesanstalt für Arbeit hat die Zeit gebraucht, um diese Institution einzurichten. Wenn ich mich richtig erinnere — Frau Kollegin, Sie sind Mitglied des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — haben wir der Bundesanstalt diese Zeit eingeräumt. Sie sehen diese Karteikarte als Antivermittlungsbemühung an; ich kann nicht zu der gleichen Wertung kommen.
Sie haben eine Zusatzfrage, Frau Kollegin Reetz.
Herr Staatssekretär, würden Sie das Wort „Gott sei Dank", das Sie dreimal angewandt haben, vor allem in bezug auf die Aussichten erläutern, die die jungen Menschen aus diesem Geburtenüberschuß haben?
Franke, Parl. Staatssekretär: Aber gern, wenn die Frau Präsidentin das zuläßt.
Ich habe das soeben überlegt; aber das steht wirklich in Ihrer Entscheidung.
Franke, Parl. Staatssekretär: Es ist angesichts einer konjunkturellen Schwäche sicherlich schwer, die Bemühungen zu Ende zu führen, die wir in diesem Jahr übernommen haben. Ich bin sicher, daß es uns für dieses Jahr gelingt, die Ausbildungsplatzsuchenden unterzubringen. Wir wissen, daß im nächsten Jahr gleich große Probleme da sind. Außerdem wird das Problem noch dadurch verschärft, daß ein Teil derjenigen, die eine universitäre Ausbildung aufgenommen haben, diese abbrechen und auch in das duale System streben. Diese Aufgabe müssen die Regierung, die Parteien, die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände übernehmen. Dieser Aufgabe werden wir gerecht werden können. Dessen bin ich ganz sicher. Für dieses Jahr ist das mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit schon zu übersehen.
Ich rufe die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Kuhlwein auf:Trifft es zu, daß nach dem Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 arbeitslose Lehrer, die Anspruch auf Arbeitslosenhilfe haben, kumulative Kürzungen sowohl durch eine Änderung des Besoldungsrechts als auch des Arbeitsförderungsgesetzes hinnehmen müssen?Franke, Parl. Staatssekretär: Wegen der schwierigen Finanzlage der Bundesanstalt für Arbeit und des Bundes sind Leistungseinschränkungen auch für Arbeitslosengeld- und Arbeitslosenhilfebezieher unumgänglich. Sie hätten sich nur durch eine erneute Beitragserhöhung vermeiden lassen. Die damit verbundene weitere Verschärfung der Abgabelast für Arbeitnehmer und Arbeitgeber wäre jedoch unvertretbar. Sie würde die Investitionsbereitschaft der Unternehmen schwächen und damit die Schaffung neuer Arbeitsplätze verhindern.Kürzungen können nach Ansicht der Bundesregierung, nachdem wir die Kassenlage vor etwa einem Jahr so vorgefunden haben, wie wir sie der Öffentlichkeit dann dargestellt haben, am ehesten noch Leistungsbeziehern zugemutet werden, bei denen, wie z. B. bei den nach Abschluß der Ausbildung arbeitslosen Lehrern, nach geltendem Recht die Leistungsbemessungsgrundlage erheblich über dem bisher bezogenen Entgelt liegt. Aus diesem Grunde ist für alle Auszubildenden vorgesehen, daß sich das Arbeitslosengeld bzw. die Arbeitslosenhilfe nach Abschluß der Ausbildung nach 50 v. H. und nicht mehr nach 75 v. H. des Arbeitsentgeltes richtet, das der Arbeitslose auf Grund seiner während der Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten in Zukunft verdienen könnte, mindestens aber nach der bisher bezogenen Ausbildungsvergütung. Außerdem vermindert sich für Leistungsbezieher ohne Kinder die Arbeitslosenhilfe von 58 v. H. um 2 Prozentpunkte auf 56 v. H. der Bemessungsgrundlage.
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1983 1641
Parl. Staatssekretär FrankeNeben diesen beiden Minderungen, die für alle Arbeitslosenhilfebezieher gelten, wird sich die im Haushaltsbegleitgesetz 1984 vorgesehene niedrigere Eingangsbesoldung im öffentlichen Dienst, z. B. für ehemalige Referendare, die jetzt Lehrer sind, auch bei der Bemessung von Arbeitslosenhilfe auswirken.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kuhlwein.
Also, Sie bestätigen, Herr Staatssekretär, daß arbeitslose Lehrer, die originäre Arbeitslosenhilfe erhalten, in ihren Ansprüchen durch das Haushaltsbegleitgesetz mehrfach eingeschränkt werden?
Franke, Parl. Staatssekretär: Ich will das mit einem Beispiel belegen: Ein 27jähriger, lediger Gymnasiallehrer z. B. erhält statt rd. 990 DM zukünftig rund 616 DM Arbeitslosenhilfe. Im einzelnen bewirkt die Änderung der Bemessungsgrundlage von 75 auf 50 v. H. eine Minderung um etwa 275 DM monatlich — ich weiche Ihrer Frage nicht aus —,
die Senkung von 58 v. H. auf 56 v. H. eine Minderung um etwa 34 DM monatlich und die Einführung einer niedrigeren Besoldungsgruppe eine Minderung um etwa 65 DM monatlich.
Ich erinnere mich hier an eine Diskussion in einem parallelen Zusammenhang, in der sich ein prominentes Mitglied Ihrer Fraktion wie ein Mitglied meiner Partei Gedanken darüber gemacht haben, ob nicht auch die im öffentlichen Dienst Beschäftigten — jetzt nenne ich einmal: künftige Beamte — zu einem Solidarausgleich herangezogen werden müßten, da die Kassenlage des Bundes, der Länder und der Gemeinden eben so sei, wie sie ist, was — jetzt spreche ich nicht von Schuld — diese Regierung nicht zu verantworten hat.
Lassen Sie mich hier deutlich sagen: Es ging um die Änderung von Eingangsgruppen, z. B. bei Lehrern. Auch ich habe mich dem Votum, das eines der prominenten Mitglieder Ihrer Fraktion einmal in der Öffentlichkeit abgegeben hat, angeschlossen. Hier geht es um einen solidaren Ausgleich, und der ist in schwieriger Zeit zumutbar — so unangenehm auch alles ist.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kuhlwein.
Herr Staatssekretär, ich möchte jetzt nicht die Diskussion mit Ihnen darüber aufnehmen, wie das damals wirklich gewesen ist, obwohl es dazu einiges zu sagen gäbe. Fest steht, daß die Kürzung der Anwärterbezüge bereits stattgefunden hat, und es sich jetzt um eine nochmalige Kürzung handelt. Aber wie beurteilen Sie Rechenbeispiele der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, wonach ein arbeitsloser Lehrer, der sonst nach A 12 bezahlter Hauptschullehrer geworden wäre, künftig statt 850 DM nur noch 400 DM Arbeitslosenhilfe erhalten wird, und wie verträgt sich das mit dem Gedanken der Sozialhilfe, die dann künftig gezahlt werden muß, damit das Existenzminimum gesichert ist?
Franke, Parl. Staatssekretär: Die Frage, ob diese Regelungen dazu führen werden, daß der Regelsatz der Sozialhilfe unterschritten wird — das ist der Kern Ihrer Frage —, beantworte ich eindeutig mit einem Nein. Der Regelsatz zur Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz beträgt für einen Alleinstehenden derzeit 345 DM. Zusätzlich werden Aufwendungen für Wohnung und Kleidung erstattet. Beim Arbeitslosenhilfeempfänger kommt bei Vorliegen der Voraussetzungen Wohngeld hinzu. Das Zahlenbeispiel, das Sie aus der Zeitschrift der GEW gebracht haben, kenne ich nicht, aber ich bin mit einem parallelen Beispiel auf diese Zahlen eingegangen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Lutz.
Herr Staatssekretär, da Sie bestätigt haben, daß Ihre Politik zur Zeit die ist, diesen Lehrer an den Regelsatz der Sozialhilfe heranzuführen, frage ich Sie: Veranlaßt diese Situation Sie nicht, einmal darüber nachzudenken, den Versicherungsschutz dieses Lehrers grundsätzlich auf eine andere Basis zu stellen, etwa durch die Erhebung einer Arbeitsmarktabgabe oder vergleichbare Finanzierungsinstrumente?
Franke, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Lutz, zu Ihrer Vorbemerkung: Das ist nicht das Ergebnis unserer Politik, sondern das ist das Ergebnis der Politik unserer Vorgänger, die noch vor einem Jahr im Amte waren und denen wir diese Hinterlassenschaft verdanken. Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir von den bewährten Grundsätzen des Berufsbeamtentums abgehen und, was Sie im Hinterkopf zu haben scheinen, an die Einführung einer Arbeitsmarktabgabe denken.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, wieviel Millionen DM werden durch diese Kürzungen eingespart, und wie sehen Sie diese Einsparungen im Verhältnis zu den Steuergeschenken infolge der Senkung der Vermögensteuer, die diese Bundesregierung sich offensichtlich doch leisten zu können meint?Franke, Parl. Staatssekretär: Sie scheinen bei dem, was Sie gerade mit dem Stichwort „Steuergeschenke" bezeichnet haben, die Intention und die Absicht mißzuverstehen. Diese Dinge sind keine persönlichen Geschenke, sondern sie dienen der Verstärkung der Finanzkraft hoffentlich auch der kleinen und mittleren Unternehmen und dazu, mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Ich kann nicht genau quantifizieren, wieviel bei Ländern und Gemeinden, weniger beim Bund, dadurch an Einsparungen eintritt. Ich glaube, daß ich in der Lage bin, Ihnen diese Quantifizierungen schriftlich nachzureichen.
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1642 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1983
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Müller .
Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung bereit, entsprechende Vorschläge der kommunalen Spitzenverbände zu unterstützen, die darauf hinzielen, Teilzeitbeschäftigungen für arbeitslose Lehrer zu ermöglichen? Wäre das im Rahmen der Bund-Länder-Kommission durch die Bundesregierung zu unterstützen?
Franke, Parl. Staatssekretär: Ich halte das für einen hervorragenden Vorschlag. Es entspricht der Grundauffassung des Bundesarbeitsministeriums, hier Hilfestellung zu leisten.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peter.
Herr Staatssekretär, halten Sie die von Ihnen dargestellte mehrfache Belastung dieser Personengruppe für eine Ausnahme bei Ihrer Form, den Haushalt zu konsolidieren, oder ist das das Prinzip sozialer Gerechtigkeit, wie Sie es verstehen?
Franke, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Peter, ich habe mich in den Jahren 1977 und 1978 in diesem Hause heftig über die Belastungen auseinandergesetzt, die die alte Regierung und die alte Koalition den Rentnern zugemutet hat. Die Rentner sind von der alten Regierung mehrfach belastet worden.
Es ist leider so, daß — Herr Duve, Sie bringen mich nicht durcheinander —, wenn wir z. B. die Verlegung des Anpassungstermins bei der Rentenversicherung vom 1. Januar 1983 auf den 1. Juli 1983 nicht vorgenommen hätten, die Rentenversicherung nach den alten Maßstäben und dem, was uns die alte Regierung hinterlassen hat, im August zahlungsunfähig gewesen wäre. Nur durch den ersten Schritt unserer Maßnahmen zur Konsolidierung der Rentenversicherung haben wir die Rentenversicherung in die Lage versetzt, auch zu zahlen.
Das heißt, die Mehrfachbelastungen, von denen Sie gerade gesprochen haben, haben 1977 begonnen. Das Ausmaß der Belastungen durch die alte Bundesregierung ist viel größer einzuschätzen als das, was wir den Bürgern nach dieser Hinterlassenschaft noch zumuten müssen.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Männle.
Herr Staatssekretär, sind Berichte zutreffend, daß Modellversuche, arbeitslose Lehrer in den Wirtschaftsbereich umzuleiten, bisher gescheitert sind, von diesen nicht angenommen worden sind, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, wenn das tatsächlich der Fall ist?
Franke, Parl. Staatssekretär: Ich glaube, wir müssen der großen Zahl von Lehrern angesichts der Entwicklung der Kinderzahl in der Bundesrepublik Alternativen anbieten. Anbieten allein reicht aber nicht, wenn die Betroffenen nicht bereit sind, diese alternativen Beschäftigungen in unserer Wirtschaft auch anzunehmen. Hierzu gehört natürlich auch eine große Werbung, die wir gemeinsam durchführen müssen, um das Bewußtsein in der Gesellschaft zu verändern, daß man nicht immer entsprechend der Ausbildung, die man bekommen hat, beschäftigt werden kann — ein großer Teil eines Jahrgangs, für den heute keine Beschäftigung mehr da ist, wurde praktisch von den Politikern zur universitären Ausbildung gebracht —, sondern auch bereit sein sollte, ein anderes Beschäftigungsverhältnis anzunehmen. Wir unterstützen solche Bemühungen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, sind Sie nicht mit mir einer Meinung, daß es besser ist, wieder zu der Art, wie Fragen generell beantwortet werden, überzugehen als auf bayerische Methoden auszuweichen, indem Sie Nebenkriegsschauplätze eröffnen?
Verehrter Herr Kollege, diese Frage kann ich wirklich nicht zulassen, weil sie nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der Fragestellung steht.
Wir gehen über zur nächsten Zusatzfrage. Herr Abgeordneter Jannsen hat das Wort.
Herr Staatssekretär, würden Sie mir bitte erläutern, welchen sozialen Aspekt Sie darin sehen, daß Sie den Solidarausgleich in diesem Fall von denjenigen fordern, die unter den Schwierigkeiten unserer derzeitigen wirtschaftlichen Entwicklung und der staatlichen Maßnahmen bei der Einschränkung der Planstellen für Lehrer am stärksten zu leiden haben?
Franke, Parl. Staatssekretär: Ich muß Ihnen widersprechen. Nicht allein diese Gruppe leidet unter den Folgen der vergangenen Jahre, sondern auch andere Gruppen. Wir sind gezwungen — und wir erfüllen diese Aufgabe —, alle in Arbeit und Brot zu bringen. Das heißt, es wird kein Unterschied zwischen den verschiedenen Berufsgruppen zu machen sein.
Letzte Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Heistermann.
Herr Staatssekretär, nachdem Sie verschiedene Fragen nicht quantifizierbar beantworten konnten, können Sie folgende Frage beantworten: Wieviel Geld will die Bundesregie-
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1983 1643
Heistermannrung einsetzen, damit es zur Veränderung der Bewußtseinslage, wie Sie hier angeführt haben, ausgegeben werden kann?Franke, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, das ist nicht primär eine Frage des Geldes, sondern vielmehr eine Frage der Gesinnung und der Handlung. Wir beide sollten hier tätig werden.
Ich rufe Frage 25 des Herrn Abgeordneten Haungs auf:
Hält die Bundesregierung es nicht auch für zumutbar und für die Betroffenen im Vergleich zur Arbeitslosigkeit als wesentlich günstiger, wenn diese einen Arbeitsplatz mit zwölf Monatslöhnen behielten, aber auf alle Sonderzahlungen verzichteten?
Bitte, Herr Staatssekretär.
Franke, Parl. Staatssekretär: Ihre Frage, Herr Kollege, wird sich nur von Fall zu Fall beantworten lassen. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, daß nach § 4 Abs. 4 des Tarifvertragsgesetzes ein Verzicht auf tarifvertraglich geregelte Leistungen — also auch auf tarifliche Sonderzahlungen — nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig ist. Soweit Arbeitnehmer und Arbeitgeber an einen Tarifvertrag gebunden sind, ist somit ein Verzicht auf tarifliche Sonderzahlungen weitgehend ausgeschlossen.
Es wäre Sache der Tarifvertragsparteien, der wirtschaftlichen Lage bestimmter Betriebe Rechnung zu tragen und zur Sicherung von Arbeitsplätzen unternehmensspezifische Regelungen zu treffen. Das geltende Tarifvertragsrecht gibt den Tarifvertragsparteien für eine derartige betriebsnahe Tarifpolitik geeignete Gestaltungsmöglichkeiten an die Hand. Soweit die Arbeitsbedingungen nicht tarifvertraglich geregelt sind, sind die Arbeitsvertragsparteien frei, Absprachen zu treffen.
Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Haungs.
Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß die Bundesregierung der Meinung ist, daß die Tarifparteien solche Regelungen treffen sollen, die den Arbeitsplatz erhalten und die Bundesanstalt für Arbeit und den Steuerzahler in Zukunft entlasten?
Franke, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege, ich kann das noch einmal wiederholen. Es ist Sache der Tarifvertragsparteien, sich in einer solchen Frage zu einigen, wenn die unternehmensspezifische Situation dies erfordert.
Zusatzfrage, Herr Dr. Klejdzinski.
Herr Staatssekretär, teilen Sie mit mir die Auffassung, daß die Beantwortung der Frage des Herrn Fragestellers vor mir im Grunde einen Abwägungsprozeß impliziert, der eindeutig zu Lasten derer geht, die die Schwächeren auf dem Arbeitsmarkt sind, und halten Sie das aus Sicht der Bundesregierung für gut?
Franke, Parl. Staatssekretär: Es ist eine Bewertung, die Sie über den Inhalt der Frage des Fragestellers vorgenommen haben. Das ist Ihre eigene Angelegenheit. Das, was ich zu diesem Thema gesagt habe, ist nicht nur meine private Meinung, sondern auch die Meinung der Bundesregierung. Es ist Angelegenheit der Tarifvertragsparteien, diese Fragen zu regeln, und dazu gehören zwei.
Zusatzfrage, Herr Stiegler.
Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß Unternehmen und Arbeitgeber bei Einstellungen die Arbeitnehmer zunehmend bedrängen, auf tarifvertragliche Rechte freiwillig zu verzichten, und wird die Bundesregierung — nachdem sie die Rechtslage, wie Sie eben dargestellt haben, derart beurteilt, daß ein einseitiger Verzicht nicht in Betracht kommt — eine Informationskampagne dahin gehend führen, daß die Arbeitnehmer aufgeklärt werden, daß sie sich solchen Pressionen nicht zu beugen brauchen?
Franke, Parl. Staatssekretär: Herr Kollege Stiegler, ich bin ein alter Gewerkschafter, und ich will den Gewerkschaften nicht ins Handwerk pfuschen. Das ist eine Angelegenheit, die die Gewerkschaften im ureigensten Interesse der von ihnen zu Betreuenden zu übernehmen haben. Wenn ich Flankenschutz geben kann, selbstverständlich.
Ich rufe Frage 26 der Frau Abgeordneten Männle auf:
Kann die Bundesregierung die Behauptung bestätigen, daß im Zusammenhang mit der Rentenprobelamtik der Begriff des „Generationenvertrages" insofern in Frage zu stellen sei, als die Ansicht vertreten wird, daß im Regelfall die jeweilige Rente ausschließlich auf der eigenen Beitragsleistung des Versicherten — zusammen mit dem Arbeitgeberanteil — beruhe?
Bitte sehr, Herr Staatssekretär.
Franke, Parl. Staatssekretär: Frau Kollegin, darf ich die von Ihnen gestellten zwei Fragen gemeinsam beantworten?
Die Fragestellerin ist einverstanden. Daher rufe ich auch die Frage 27 der Frau Abgeordneten Männle auf:Kann die Bundesregierung anhand typischer Rentenfälle vergleichend aufzeigen, welche Rente der Versicherte erhielte, wenn die Rente ausschließlich aus geleisteten kapitalisierten Beitragszahlungen bestünde bzw. welche Eigenleistungen (einschließlich Arbeitgeberanteil) hätten erbracht werden müssen, um dieselbe Rente zu erreichen?Franke, Parl. Staatssekretär: Mit der von Ihnen zitierten Behauptung soll offenbar ein Widerspruch zwischen dem Umlageverfahren, auf dem die Finanzierung der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung beruht, und dem Prinzip der Beitragsbezogenheit der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung konstruiert werden. Das ist aber nicht möglich. Derartigen Überlegungen liegt wohl
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1644 Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1983
Pari. Staatssekretär Frankeein Mißverständnis bezüglich des Begriffs „Beitragsbezogenheit der Renten" zugrunde.Das Prinzip der Beitragsbezogenheit der Renten besagt ja nicht, daß der Rentner im Leistungsfall die von ihm und gegebenenfalls auch von seinem Arbeitgeber eingezahlten Beträge verzinst wieder ausgezahlt bekommt. Es besagt vielmehr, daß der Versicherte A, der doppelt so hohe Beiträge wie der Versicherte B gezahlt hat, grundsätzlich, d. h. von Regelungen zum sozialen Ausgleich einmal abgesehen, eine doppelt so hohe Rente wie B erhält. Wer mehr zahlt, länger beschäftigt war und Beiträge gezahlt hat, erhält eine höhere Rente. Der Versicherte X, der doppelt so lange gleich hohe Beiträge wie der Versicherte Y gezahlt hat, erhält ebenfalls grundsätzlich eine doppelt so hohe Rente wie Y.Wenn die Rentner von heute nur die von ihnen und gegebenenfalls von ihren Arbeitgebern eingezahlten Beiträge verzinst zurückerhielten, könnte ihnen nur ein Bruchteil der Renten geleistet werden, die sie tatsächlich erhalten. Im einzelnen komme ich auf diesen Gegenstand noch in meiner Antwort auf Ihre zweite Frage zurück.Zwischen dem Umlageverfahren, dem der Gedanke des Generationenvertrages zugrunde liegt, und dem Prinzip der Beitragsbezogenheit der Renten gibt es also keinen Widerspruch.Nun zu Ihrer zweiten Frage. Ein Versicherter der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Angestellten, der mit 16 Jahren in die Rentenversicherung eingetreten ist, fortlaufend Beiträge auf der Basis des Durchschnittsentgelts der Versicherten der Rentenversicherung entrichtet hat und am 31. Dezember 1982 65 Jahre alt geworden ist, erhält 1983 im Monatsdurchschnitt eine Rente von rund 1 500 DM. Wären die von dem Versicherten geleisteten Beiträge verzinslich angesammelt worden, so würde die aus dem angesammelten Kapital zu finanzierende Rente insbesondere von der Höhe der erwirtschafteten Zinsen abhängen.
Vernachlässigt man z. B. die Auswirkungen der Währungsreform und legt durchschnittlich Verzinsungen von 5 bzw. 7 v. H. zugrunde, so ergeben sich für Männer unter Berücksichtigung einer Anwartschaft auf Witwenrente in Höhe von 60 v. H. der Versichertenrente bei Verwendung der Richttafeln von Heubeck/Fischer folgende Monatsrenten: bei einem Zinssatz von 5 v.H. 550 DM pro Monat, bei 7 v.H. 750 DM pro Monat.
Diese Renten könnten entsprechend der zukünftigen Zinsentwicklung — wenn man dieses System wählen würde — angepaßt werden.Der Anteil dieser hypothetischen Monatsrenten an den tatsächlich gezahlten beläuft sich also auf 37 bzw. 50 v.H. Nur zu diesem Vomhundertsatz wird die tatsächlich gezahlte Rente durch die geleisteten Beiträge finanziert.Legt man bei den Berechnungen statt des tatsächlichen Beitragssatzes, der bis zum 30. Juni 1942 in der Rentenversicherung der Arbeiter 5 v. H. betrug, den heutigen Beitragssatz von 18,5 v. H. zugrunde, so ergeben sich Renten von 800 bzw. 1 200 DM je Monat. Das sind 53 bzw. 80 v. H. der tatsächlich gezahlten Renten.Geht man bei diesem Beispiel statt von einer Altersgrenze von 65 Jahren von einer solchen von 60 Jahren aus, so beläuft sich die im Jahre 1983 im Monatsdurchschnitt tatsächlich gezahlte Rente auf rund 1 350 DM. Im Vergleich dazu würden sich auf der Basis eines Beitragssatzes von durchgehend 18,5 v.H. die aus dem angesammelten Kapital finanzierten Renten auf monatlich 600 bzw. 800 DM belaufen. Das sind 44 bzw. 63 v.H. der tatsächlich gezahlten Renten.
Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Männle.
Herr Staatssekretär, ich kann Ihrer Antwort entnehmen, daß von der gesetzlichen Rentenversicherung ein weitaus höheres Ruhestandsgeld gezahlt wird als von einer privaten Versicherung, an die gleich hohe Beiträge geleistet worden sind? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Mißverständnisse, die ich durch meine Fragestellung aufdecken wollte, in der Öffentlichkeit auszuräumen?
Franke, Parl. Staatssekretär: Das ist eine wichtige Aufgabe, der sich die Bundesregierung unterziehen muß, primär aber die Rentenversicherungsträger. Ich werde Ihre Anfrage zum Anlaß nehmen, gleich im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, wo die Vertreter der Rentenversicherung anläßlich einer Sachverständigenanhörung anwesend sind, noch einmal auf diesen Tatbestand hinzuweisen.
Zusatzfrage, Abgeordneter Peter.
Herr Staatssekretär, wie beurteilen Sie im Zusammenhang mit dem von Ihnen dargestellten Sachverhalt den Begriff der Besitzstandswahrung bei geleisteten Rentenbeiträgen?
Franke, Parl. Staatssekretär: Das ist ein auch vom Verfassungsgericht eindeutig definierter Tatbestand. Für geleistete Beiträge müssen entsprechende Leistungen gewährt werden. Das Bundesverfassungsgericht setzt also hier noch einmal deutlich fest — was auch Auffassung der Bundesregierung ist —, daß Leistung und Gegenleistung in einem ganz bestimmten Verhältnis zueinander stehen müssen. Geleistete Beiträge sind Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 2 des Grundgesetzes.
Wir kommen zu den Fragen 28 und 29. — Herr Kollege Stiegler, sind Sie damit einverstanden, daß die Fragen gemeinsam beantwortet werden?
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Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 24. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. September 1983 1645
Vizepräsident Frau Renger— Gut, dann rufe ich Frage 28 und 29 des Herrn Abgeordneten Stiegler auf:Trifft es zu, daß die Krankenkassen die Kosten für Fluoridtabletten zur Kariesvorsorge für Kinder nicht übernehmen, weil sie sich nicht zur Vorsorge berechtigt fühlen, sondern erst eine Verpflichtung im Krankheitsfalle ansehen?Wird die Bundesregierung, wie viele Kinderärzte den Bundesverbänden der Krankenkassen empfehlen, die Weitergabe von Fluoridtabletten an Kinder im Schulalter finanzieren?Franke, Parl. Staatssekretär: Die gesetzlichen Krankenkassen sind gemäß § 364 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung berechtigt, Mittel zur Finanzierung von Maßnahmen der Krankheitsverhütung einzusetzen. Auch die Übernahme der Kosten für Fluoridtabletten zur Kariesverhütung bei Kindern ist danach möglich. Eine Verpflichtung der Krankenkassen zur Kostenübernahme besteht jedoch nur dann, wenn sie dies in ihrer Satzung festgelegt haben. Einige Krankenkassen übernehmen bereits seit einiger Zeit die Kosten für Fluoridtabletten zur Kariesvorsorge im Kinder- und Jugendlichenalter.Die Selbstverwaltungskörperschaften von Krankenkassen und Kassenzahnärzten prüfen seit geraumer Zeit, auf welche Art und Weise eine flächendeckende Zahnprophylaxe, zu der als wichtiger Bestandteil auch Fluoridierungsmaßnahmen gehören, in der Bundesrepublik verwirklicht werden kann. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung wird in Kürze mit den Beteiligten nochmals Ge- spräche über den Sachstand führen, um in dieser gesundheitspolitisch wichtigen Frage möglichst rasch voranzukommen.
Zusatzfrage, Abgeordneter Stiegler.
Herr Staatssekretär, können Sie mir die Krankenkassen — aufgeschlüsselt nach Landesverbänden — nennen, die sich bereits satzungsgemäß an dieser Aktion beteiligen?
Franke, Parl. Staatssekretär: Aber selbstverständlich.
Keine weiteren Zusatzfragen. Wir sind damit am Ende der Fragestunde.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 29. September 1983, 8 Uhr ein. Wir beginnen mit einer Aktuellen Stunde.
Die Sitzung ist geschlossen.