Protokoll:
10012

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 10

  • date_rangeSitzungsnummer: 12

  • date_rangeDatum: 10. Juni 1983

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 08:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 12:06 Uhr

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 10/12 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 12. Sitzung Bonn, Freitag, den 10. Juni 1983 Inhalt: Nachruf auf den ehemaligen Abgeordneten Josef Rösing 629 A Aktuelle Stunde betr. „Die Stahlkrise — Vorstellungen der Bundesregierung und ihr Vorgehen in Brüssel" Burgmann GRÜNE 629 C Dr. Lammert CDU/CSU 630C, 643 A Grobecker SPD 631 D Beckmann FDP 632 B Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 633B, 639A, 641 C Roth SPD 634 A Dr. Jobst CDU/CSU 635A Zeitler SPD 635 D Breuer CDU/CSU 636 D Dr. Jochimsen, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 637 C Stratmann GRÜNE 640 A Müller (Wadern) CDU/CSU 640 D Stockleben SPD 642 A Cronenberg (Arnsberg) FDP 643 B Hoffmann (Saarbrücken) SPD 644 A Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung zum Wirtschaftsgipfel in Williamsburg in Verbindung mit Beratung des Jahresgutachtens 1982/83 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung — Drucksache 9/2118 — in Verbindung mit Beratung des Jahreswirtschaftsberichts 1983 der Bundesregierung — Drucksache 9/2400 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Weltwirtschaftsgipfel in Williamsburg und Europäischer Rat in Stuttgart — Drucksache 10/79 — Kraus CDU/CSU 645 B Schlatter SPD 649 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . 652 B Kleinert (Marburg) GRÜNE 656 C Grünbeck FDP 657 D Dr. Schwörer CDU/CSU 660 D Dr. Mitzscherling SPD 663 C Reents GRÜNE 667 B Möllemann, Staatsminister AA 669 C Cronenberg (Arnsberg) FDP 670A Roth SPD 672 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Kosten der Gerichtsvollzieher — Drucksache 10/60 — 673 C II Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1983 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstrekkung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof — Drucksache 10/61 — 673C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Juni 1982 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über den Verzicht auf Beglaubigung und über den Austausch von Personenstandsurkunden sowie über die Beschaffung von Ehefähigkeitszeugnissen — Drucksache 10/59 — 673 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Zusatzprotokollen vom 1. April 1982 zum Kooperationsabkommen vom 2. April 1980 zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien sowie zum Abkommen vom 2. April 1980 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl einerseits und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien andererseits im Anschluß an den Beitritt der Republik Griechenland zu den Europäischen Gemeinschaften — Drucksache 10/56 — 673 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 6. Mai 1981 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Bangladesch über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen — Drucksache 10/57 — 673 D Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. November 1981 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokratischen Republik Somalia über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen — Drucksache 10/58 — 674A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 10. Mai 1979 über den Schutz von Schlachttieren — Drucksache 10/63 — 674A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. November 1979 über die Soziale Sicherheit der Rheinschiffer — Drucksache 10/62 — 674A Beratung der Sammelübersicht 1 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen mit Statistik über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 4. November 1980 bis 28. März 1983 eingegangenen Petitionen — Drucksache 10/87 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 2 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/88 — in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 3 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 10/91 — . . . . . . . . 674C Nächste Sitzung 674 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 675*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 675* B Anlage 3 Behandlung nicht anerkannter afghanischer Asylanten durch Ausländerämter in der Bundesrepublik Deutschland MdlAnfr 30 13.05.83 Drs. 10/55 Klein (Dieburg) SPD ErgSchrAntw PStSekr Dr. Waffenschmidt BMI auf ZusFr Vogt (Kaiserslautern) GRÜNE 675* D Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1983 III Anlage 4 Verletzungen des westdeutschen Luftraums durch Militärflugzeuge der DDR und der Sowjetunion seit 1969 MdlAnfr 2 03.06.83 Drs 10/106 Sauer (Salzgitter) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Hennig BMB . . 676*A Anlage 5 Geplante Kundgebung des bayerischen Kuratoriums „Unteilbares Deutschland" am 17. Juni 1983 vor der Feldherrnhalle in München MdlAnfr 3 03.06.83 Drs 10/106 Frau Dr. Martiny-Glotz SPD SchrAntw PStSekr Dr. Hennig BMB . . 676* C Anlage 6 Verbesserung der Qualität des Schweinefrischfleisches MdlAnfr 10, 11 03.06.83 Drs 10/106 Immer (Altenkirchen) SPD SchrAntw PStSekr Gallus BML . . . . 676* D Anlage 7 Größenfestlegung für Pflaumen MdlAnfr 15 03.06.83 Drs 10/106 Dr. Friedmann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Gallus BML . . . . 677* B Anlage 8 Zusätzliche Deklaration der Gemengeteile bei der Kennzeichnung von Futtermitteln MdlAnfr 16, 17 03.06.83 Drs 10/106 Oostergetelo SPD SchrAntw BMin Kiechle BML 677* C Anlage 9 Vermessung der künftigen Feuerstellungen für Pershing-Il-Raketen MdlAnfr 32 03.06.83 Drs 10/106 Dr. Spöri SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . 678* B Anlage 10 Konsequenzen aus dem Flugzeugabsturz bei den militärischen Schauflügen am 22. Mai 1983 in Frankfurt MdlAnfr 34 03.06.83 Drs 10/106 Dr. Kübler SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . 678* C Anlage 11 Forderung der Bundesregierung an die US-Regierung, eine Neutronenwaffe als 155- mm-Artilleriegeschoß herzustellen MdlAnfr 36, 37 03.06.83 Drs 10/106 Frau Matthäus-Maier SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . 678* D Anlage 12 Anerkennung der „Wunderquelle" in der südpfälzischen Gemeinde Ranschbach als Heilquelle MdlAnfr 40, 41 03.06.83 Drs 10/106 Zander SPD SchrAntw PStSekr Frau Karwatzki BMJFG 679*A Anlage 13 Ethische und verfassungsrechtliche Bewertung der Austragung sogenannter Retorten-Babies durch „Leih-Mütter" und anderer Gen-Manipulationen MdlAnfr 46, 47 03.06.83 Drs 10/106 Austermann CDU/CSU SchrAntw PStSekr Frau Karwatzki BMJFG 679* B Anlage 14 Wegfall der Autobahngebühren innerhalb der EG und anliegender Transitländer MdlAnfr 53 03.06.83 Drs 10/106 Pauli SPD SchrAntw StSekr Bayer BMV 679* C Anlage 15 Fertigstellung des Autobahnkreuzes A 30/A 31 MdlAnfr 55 03.06.83 Drs 10/106 Becker (Nienberge) SPD SchrAntw StSekr Bayer BMV 679* D IV Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1983 Anlage 16 Bau einer Eisenbahnstrecke MünchenVerona MdlAnfr 56, 57 03.06.83 Drs 10/106 Bamberg SPD SchrAntw StSekr Bayer BMV 680* B Anlage 17 Freie Bahnfahrt für Italiener zu den Parlamentswahlen im Juni 1983 MdlAnfr 59 03.06.83 Drs 10/106 Müller (Wesseling) CDU/CSU SchrAntw StSekr Bayer BMV 680* C Anlage 18 Existenzgefährdung des mittelständischen privaten Omnibusgewerbes durch Regionalverkehrsgesellschaften und Verkehrsverbünde der öffentlichen Hand MdlAnfr 60 03.06.83 Drs 10/106 Milz CDU/CSU SchrAntw StSekr Bayer BMV 680* D Anlage 19 Verhinderung der Reinigung von Öltanks auf hoher See, einschließlich Nordsee, insbesondere unter Verwendung chemischer Mittel MdlAnfr 62, 63 03.06.83 Drs 10/106 Wolfram (Recklinghausen) SPD SchrAntw StSekr Bayer BMV 681*A Anlage 20 Zahl der von der Bundesregierung finanzierten Forschungsprojekte in NordrheinWestfalen MdlAnfr 70 03.06.83 Drs 10/106 Becker (Nienberge) SPD SchrAntw PStSekr Dr. Probst BMFT . . 681* C Anlage 21 Karthographische Darstellung Deutschlands im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der deutschen Botschaft; Gestaltung der Gedenktage 23. Mai und 17. Juni an deutschen Missionen im Ausland MdlAnfr 86, 87 03.06.83 Drs 10/106 Dr. Hupka CDU/CSU SchrAntw StMin Möllemann AA . . . . 681* D Anlage 22 Folgen für Mitglieder von in einer Liste aufgeführten, gegen die Türkei arbeitenden Organisationen bei Türkeireisen MdlAnfr 88 03.06.83 Drs 10/106 Dr. Schöfberger SPD SchrAntw StMin Möllemann AA . . . . 682* A Anlage 23 Beteiligung ziviler Stellen an der Übung „WINTEX-CIMEX 83"; Ausstattung von Großschutzräumen für die Unterbringung im Verteidigungsfall MdlAnfr 90, 91 03.06.83 Drs 10/106 Conradi SPD SchrAntw StSekr Dr. Fröhlich BMI . . . 682* B Anlage 24 Auffassung der Bundesregierung über die Funktion der Beamten, Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst MdlAnfr 92, 93 03.06.83 Drs 10/106 Bernrath SPD SchrAntw StSekr Dr. Fröhlich BMI . . . 682* D Anlage 25 Erkenntnisse über den „Stahlhelm, Kampfbund für Europa" MdlAnfr 94 03.06.83 Drs 10/106 Dr. Struck SPD SchrAntw StSekr Dr. Fröhlich BMI . . . 683* B Anlage 26 Vorrat an Markenpräparaten von Psychopharmaka des Typs Diazepam für den Zivil- und Katastrophenschutz MdlAnfr 95 03.06.83 Drs 10/106 Frau Dr. Bard GRÜNE SchrAntw StSekr Dr. Fröhlich BMI . . . 683* C Anlage 27 Vorrat an Psychopharmaka und schmerzstillenden Betäubungsmitteln für den Zivil- und Katastrophenschutz MdlAnfr 96 03.06.83 Drs 10/106 Frau Dr. Hickel GRÜNE SchrAntw StSekr Dr. Fröhlich BMI . . . 683* D Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1983 V Anlage 28 Abriegelung der künftigen Feuerstellungen für Pershing-Il-Raketen MdlAnfr 97 03.06.83 Drs 10/106 Dr. Spöri SPD SchrAntw StSekr Dr. Fröhlich BMI . . . 684* A Anlage 29 Anerkennung der Folter als Grund für einen Asylanspruch MdlAnfr 98 03.06.83 Drs 10/106 Schreiner SPD SchrAntw StSekr Dr. Fröhlich BMI . . . 684* A Anlage 30 Verbrennung der dioxinhaltigen Abfälle aus Seveso in der Bundesrepublik Deutschland MdlAnfr 99, 100 03.06.83 Drs 10/106 Menzel SPD SchrAntw StSekr Dr. Fröhlich BMI . . . 684* C Anlage 31 Äußerungen des Bundesinnenministers über sowjetische Einflüsse auf die zu erwartenden Demonstrationen gegen eine Raketenstationierung; Finanzierung durch die DDR MdlAnfr 101 03.06.83 Drs 10/106 Kirschner SPD SchrAntw StSekr Dr. Fröhlich BMI . . . 684* D Anlage 32 Einfluß der DKP auf die Abläufe der Ostermärsche 1983 MdlAnfr 102, 103 03.06.83 Drs 10/106 Dr. Miltner CDU/CSU SchrAntw PStSekr Spranger BMI . . . 685* B Anlage 33 Versuche einer Vereinnahmung der Friedensbewegung durch die DKP MdlAnfr 104, 105 03.06.83 Drs 10/106 Dr. Laufs CDU/CSU SchrAntw PStSekr Spranger BMI . . . 686* A Anlage 34 Zusammenarbeit des beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge eingerichteten Sicherheitsdienstes mit dem türkischen Geheimdienst MdlAnfr 110 03.06.83 Drs 10/106 Dr. Schöfberger SPD SchrAntw StSekr Dr. Fröhlich BMI . . . 686* D Anlage 35 Abwesenheit des Abteilungsleiters Dr. Schreiber vom Bundesinnenministerium an drei Tagen in der Woche wegen Wahrnehmung der vom Bundesinnenminister genehmigten Nebentätigkeit in München MdlAnfr 111 03.06.83 Drs 10/106 Dr. Kübler SPD SchrAntw StSekr Dr. Fröhlich BMI . . . 687* A Anlage 36 Durchsetzung des „gewaltfreien Widerstandes" auf der „3. Aktionskonferenz der Friedensbewegung"; Kritik der Linksextremisten am orthodox-kommunistischen Einfluß auf die Friedensbewegung MdlAnfr 112, 113 03.06.83 Drs 10/106 Fellner CDU/CSU SchrAntw PStSekr Spranger BMI . . . 687* B Anlage 37 Unterwanderung der „3. Aktionskonferenz der Friedensbewegung" durch Linksextremisten, insbesondere durch orthodoxe Kommunisten sowie Verabschiedung von durch DKP, SED und KPdSU gebilligten Forderungen MdlAnfr 114, 115 03.06.83 Drs 10/106 Broll CDU/CSU SchrAntw PStSekr Spranger BMI . . . 688* A Anlage 38 Steuerliche Begünstigung der Beteiligungen an sogenannten Finanzierungsgesellschaften für Risikokapital und deren Gewinnausschüttungen MdlAnfr 116 03.06.83 Drs 10/106 Dr. Lammert CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Häfele BMF . . . 688* C VI Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1983 Anlage 39 Kritik des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Häfele an den Auswüchsen des Bauherrenmodells MdlAnfr 117, 118 03.06.83 Drs 10/106 Dr. Sperling SPD SchrAntw PStSekr Dr. Häfele BMF . . . 689* A Anlage 40 Mehreinnahmen durch die Ausdehnung der Abzugsfähigkeit der Geldbeschaffungskosten im Bauherrenmodell und für eigengenutzte Eigenheime auf fünf Jahre; Mindereinnahmen durch die dadurch verminderte Bautätigkeit MdlAnfr 119, 120 03.06.83 Drs 10/106 Schulhoff CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Häfele BMF . . . 689* C Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1983 629 12. Sitzung Bonn, den 10. Juni 1983 Beginn: 8.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein *** 10. 6. Frau Dr. Adam Schwaetzer 10. 6. Dr. Ahrens ** 10. 6. Bahr *** 10. 6. Biehle *** 10. 6. Böhm (Melsungen) ** 10. 6. Büchner (Speyer) ** 10. 6. Dr. von Bülow 10. 6. Dr. Dregger 10. 6. Dr. Ehmke (Ettlingen) 10. 6. Engelhard 10. 6. Engelsberger 10. 6. Francke (Hamburg) *** 10. 6. Gansel *** 10. 6. Glombig 10. 6. Gobrecht 10. 6. Dr. Götz 10. 6. Dr. Haack 10. 6. Frau Dr. Hamm-Brücher 10. 6. Hauck 10. 6. Haungs 10. 6. Hauser (Krefeld) 10. 6. Hedrich 10. 6. Horn *** 10. 6. Frau Hürland 10. 6. Dr. Hupka *** 10. 6. Ibrügger *** 10. 6. Jahn (Marburg) 10. 6. Jansen 10. 6. Jungmann *** 10. 6. Kolbow *** 10. 6. Kroll-Schlüter 10. 6. Frau Krone-Appuhn *** 10. 6. Dr. Lenz (Bergstraße) *** 10. 6. Lowack 10. 6. Lutz 10. 6. Dr. Marx *** 10. 6. Dr. Mertens (Bottrop) 10. 6. Dr. Meyer zu Bentrup 10. 6. Dr. Müller 10. 6. Petersen *** 10. 6. Frau Reetz 10. 6. Reschke 10. 6. Rühe *** 10. 6. Ruf 10. 6. Sauer (Salzgitter) *** 10. 6. Saurin 10. 6. Schäfer (Mainz) *** 10. 6. Schmidt (Hamburg) 10. 6. Schmidt (Wattenscheid) 10. 6. Schneider (Idar-Oberstein) 10. 6. Dr. Schwenk (Stade) 10. 6. Sielaff 10. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Unland * 10. 6. Voigt (Frankfurt) * 10. 6. Voigt (Sonthofen) 10. 6. Dr. von Wartenberg *** 10. 6. Weiß *** 10. 6. Wimmer (Neuss) 10. 6. Frau Dr. Wisniewski 10. 6. Würtz *** 10. 6. Wurbs 10. 6. Zander 10. 6. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung hat in seiner 2. Sitzung in Immunitätsangelegenheiten am 20. Mai 1983 gemäß § 107 Abs. 2 der Geschäftsordnung die Übernahme der „Grundsätze in Immunitätsangelegenheiten und in Fällen der Genehmigung gemäß § 50 Abs. 3 StPO und § 383 ZPO sowie bei Ermächtigungen gemäß § 90 b Abs. 2, § 194 Abs. 4 StGB" in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1980 (BGBl. I S. 1261-1263) für die 10. Wahlperiode beschlossen. Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung im Jahre 1980" (Drucksache 9/2237) zuständig: Innenausschuß (federführend) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für Forschung und Technologie Unterrichtung durch die Bundesregierung betr.: Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im 1. Vierteljahr des Haushaltsjahres 1983 (Drucksache 10/95) zuständig: Haushaltsausschuß Die in Drucksache 10/133 unter Nummer 14 aufgeführte EG-Vorlage Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Anpassung der Richtlinie 76/889/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Funkstörungen durch Elektro-Haushaltsgeräte, handgeführte Elektrowerkzeuge und ähnliche Geräte, und der Richtlinie 76/890/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Funk-Entstörung bei Leuchten mit Starter für Leuchtstofflampen wird als Drucksache 10/134 verteilt. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Waffenschmidt auf die Zusatzfrage des Abgeordneten Vogt (Kaiserslautern) (GRÜNE) zur Frage des Abgeordneten Klein (Dieburg) (SPD) (Drucksache 10/55 Frage 30, 7. Sitzung, Seite 309 B): Die Ihrer Frage zugrunde liegende Annahme, daß afghanische Staatsangehörige, die mit einer Delegation zu politischen Gesprächen in die Bundesrepublik Deutschland einreisen und sich dort aufhalten, besonderen Erfordernissen unterliegen, trifft 676* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1983 nicht zu. Vielmehr gelten für diesen Personenkreis wie für afghanische Staatsangehörige allgemein hinsichtlich Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet dieselben Bestimmungen wie für andere sichtvermerkspflichtige Ausländer. In dem von Ihnen angesprochenen Fall wurde auch nicht bereits die Einreise der Mitglieder der afghanischen Delegation von dem Vorliegen von Rückkehrsichtvermerken abhängig gemacht. Den Delegationsmitgliedern, die nach Frankreich zurückzureisen beabsichtigten, wurden vielmehr erst während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet von der französischen Botschaft in Bonn Sichtvermerke ausgestellt. Ergänzend darf ich noch darauf hinweisen, daß Ausländern in keinem Fall vorgeschrieben wird, in welches Land sie weiterreisen müssen. Soweit Sie allerdings für die Einreise oder den Aufenthalt in dem Land ihres Reiseziels einen Sichtvermerk benötigen, haben Sie hierfür im eigenen Interesse Sorge zu tragen. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hennig auf die Frage des Abgeordneten Sauer (Salzgitter) (CDU/CSU) (Drucksache 10/106 Frage 2): Wie hoch ist die Zahl der Verletzungen des westdeutschen Luftraums durch Militärflugzeuge der „DDR" und der Sowjetunion in den jeweiligen Jahren seit 1969 und betrachtet die Bundesregierung dies als eine besondere Belastung des innerdeutschen Verhältnisses? Die Zahl der festgestellten Verletzungen des westdeutschen Luftraumes beträgt: Jahr gesamt davon UdSSR nicht NVA identifiziert 1969 45 7 13 25 1970 34 9 16 9 1971 15 5 2 8 1972 24 12 9 3 1973 24 4 10 10 1974 19 10 4 5 1975 10 3 4 3 1976 5 2 1 2 1977 8 6 1 1 1978 6 0 1 5 1979 5 4 0 1 1980 9 1 2 6 1981 14 7 5 2 1982 11 6 4 1 1983 5 0 4 1 zusammen: 234 76 76 82 (Stand: 30. Mai 1983) Die Bundesregierung hat jeweils auf die Gefahren hingewiesen, die von diesen Verletzungen des Luftraums der Bundesrepublik Deutschland ausgehen und mit Nachdruck deutlich gemacht, daß eine Häufung derartiger Vorfälle geeignet ist, die innerdeutschen Beziehungen zu beeinträchtigen. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hennig auf die Frage der Abgeordneten Frau Dr. Martiny-Glotz (SPD) (Drucksache 10/106 Frage 3): Kann die Bundesregierung Pläne des Landeskuratoriums „Unteilbares Deutschland" (Bayern) bestätigen, denenzufolge am 17. Juni 1983 auf dem Münchner Odeonsplatz an der Feldherrnhalle eine Kundgebung geplant ist, und sieht die Bundesregierung — falls dies zutrifft — darin nicht eine symbolträchtige Durchkreuzung einer auf Entspannung ausgerichteten Deutschland- und Ost-West-Politik? Nach Kenntnis der Bundesregierung findet am 17. Juni 1983 keine Kundgebung des Landeskuratoriums Unteilbares Deutschland auf dem Münchner Odeonsplatz an der Feldherrnhalle statt. Unabhängig davon begrüßt die Bundesregierung alle Gedenkveranstaltungen, die das Ziel haben, die Ereignisse des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 in Erinnerung zu rufen und so auch auf diese Weise einen Beitrag zur Erhaltung der Einheit der Nation zu leisten. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Fragen des Abgeordneten Immer (Altenkirchen) (SPD) (Drucksache 10/106 Fragen 10 und 11): Trifft nach dem Kenntnisstand der Bundesregierung die Feststellung der Verbraucherorganisationen zu, und welche Ursachen sind gegebenenfalls dafür maßgebend, daß etwa 60 v. H. des angebotenen Schweinefrischfleisches Qualitätsmängel aufweist, wobei dies in der Regel als PSE-Fleisch bzw. „weich-wässriges-Blaßfleisch" oder DFD-Fleisch bzw. „dunkel-leimiges-Trockenfleisch" bezeichnet wird? Welche Maßnahmen sind seitens der Bundesregierung vorgesehen, um gemeinsam mit den Bundesländern, den Züchter- bzw. Mästerorganisationen sowie Veterinärmedizinern, Schlachtereien, Vermarktungs- und Verarbeitungsbetrieben eine für Verbraucher und Produzenten wichtige Qualitätsverbesserung zu erreichen? 1. Es trifft zu, daß Mängel in der Beschaffenheit des Schweinefleisches aufgetreten sind. Jedoch erscheint die von Ihnen genannte durchschnittliche Größenordnung von 60 % sehr stark überhöht. Im übrigen ist eine eindeutige Abgrenzung von PSE- Fleisch sehr problematisch, weil die Qualitätsunterschiede fließend sind. Ursache: Die Nachfrage der Verbraucher nach extrem magerem Schweinefleisch, auf die die Schwei- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1983 677* nezüchter mit entsprechenden Zuchtprogrammen reagiert hatten. Nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen bestehen negative genetische Beziehungen zwischen Fleischanteil sowie Körperbautyp einerseits und Fleischbeschaffenheit andererseits. So haben magere Schlachtschweine mit ausgeprägten Schinkenformen (sogenannte Apfelschinken) und dünner Rückspeckdickte besonders häufig eine entsprechende Fleischbeschaffenheit. 2. Wie Ihnen bekannt ist (vgl. Ausschuß-Drucksache 9/59 des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Deutschen Bundestages vom 16. März 1982), hat sich das Bundesernährungsministerium dieses Problems frühzeitig angenommen, und zwar gemeinsam mit den Verbraucherverbänden, Erzeugerverbänden und den Verbänden der fleischverarbeitenden Betriebe. Außerdem hat der AID entsprechendes Informationsmaterial erstellt und erfolgreich in einer Großstadt demonstriert; denn am Anfang muß eine Änderung der Verbrauchernachfrage stehen. Das wird von den Verbraucherverbänden auch voll anerkannt. In Zusammenarbeit mit den Verbraucherverbänden sind weitere Veranstaltungen in Großstädten vorgesehen. Parallel dazu müssen die Züchter Kurskorrekturen in den Zuchtprogrammen vornehmen. Auch das ist anerkannt, allerdings handelt es sich hier um einen längerfristigen Prozeß. Außerdem bemühe ich mich um eine Änderung der EG-Handelsklassenverordnung, die einen Beitrag zur Problemlösung liefern kann. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Frage des Abgeordneten Dr. Friedmann (CDU/CSU) (Drucksache 10/106 Frage 15): Ist die Bundesregierung bereit, die Größenfestlegung für Pflaumen, wie sie vom Bundesverband der Erzeugerorganisationen schon längst vorgeschlagen ist, vorzunehmen? Die EG-Qualitätsnormen für Pflaumen wie auch die anderen EG-Qualitätsnormen für frisches Obst und Gemüse werden zur Zeit in Brüssel allgemein überarbeitet. Die Bundesregierung bemüht sich im Rahmen der Beratungen über diese Qualitätsnormen um eine einheitliche Festlegung der Größensortierung, da unterschiedliche Größensortierungen in den EG-Mitgliedstaaten zu Schwierigkeiten im innergemeinschaftlichen Handel führen können. Falls eine einheitliche Festlegung nicht erreicht werden kann, wird die Bundesregierung prüfen, ob und in welcher Weise eine nationale Größensortierung für deutsche Pflaumen festgelegt werden soll. Anlage 8 Antwort des Bundesministers Kiechle auf die Fragen des Abgeordneten Oostergetelo (SPD) (Drucksache 10/ 106 Fragen 16 und 17): Teilt die Bundesregierung meine Einschätzung, daß von seiten der Landwirtschaft der Widerstand gegen die sogenannte geschlossene Deklaration beim Mischfutter wegen der beim Kauf nicht kontrollierbaren Quantität und Qualität der Bestandteile (speziell Getreideanteil) und wegen der möglichen gesundheitlichen Gefährdungen durch in den verwendeten Importfuttermitteln vorhandenen Substanzen (z. B. HCH in Reisnachprodukten oder Aflatoxin in Erdnuß- und Baumwollsaatenprodukten) angewachsen ist, und ist die Bundesregierung bejahendenfalls bereit — auch zwecks Abbau europäischer Getreideüberschüsse —, entgegen ihren Äußerungen auf meine entsprechende Anfrage im Januar (Drucksache 9/2409) für alle Hersteller neben der Angabe der Energiezahlen zusätzlich die Deklaration der Gemengeteile nach Höhe ihrer Anteile — ohne Angabe der Von-HundertTeile — verbindlich vorzuschreiben, wie dies im deutschen Lebensmittelrecht und im amerikanischen Futtermittelrecht vorgeschrieben und nicht „rechtlich fragwürdig" ist? Ist die Bundesregierung unter Berücksichtigung des Umstands, daß „die Erwartungen des Ernährungsausschusses des Deutschen Bundestages in bezug auf die Kennzeichnung von Futtermitteln (Drucksache 7/3581) in der Praxis nicht vollständig eingetroffen sind" (Drucksache 9/2409), bereit, diese zusätzliche Deklaration der Gemengeteile notfalls auf nationaler Ebene vorzuschreiben und sich dann um entsprechende Abstimmung auf europäischer Ebene zu bemühen? Zu Frage 16: Die von Ihnen geäußerte Einschätzung, „daß von Seiten der Landwirtschaft der Widerstand gegen die sogenannte Geschlossene Deklaration beim Mischfutter" wegen der beim Kauf nicht kontrollierbaren Quantität und Qualität der Bestandteile (speziell Getreideanteil) angewachsen sei, kann aus der Sicht und bisherigen Kenntnis der Bundesregierung nicht bestätigt werden. Vielmehr besteht der Eindruck, daß die im Futtermittelrecht vorgeschriebene Kennzeichnung von Mischfuttermitteln von der Mehrzahl der Verbände der Mischfutterhersteller sowie von den offiziellen und zuständigen Gremien der Landwirtschaft, Beratung und Wissenschaft unterstützt und als richtig und angemessen anerkannt wird. In den vergangenen Monaten ist auf Grund von Anfragen aus dem Deutschen Bundestag wiederholt der Eindruck erweckt worden, daß die obligatorische Gemengteildeklaration dem Landwirt die Möglichkeit einer sicheren Beurteilung der Schadstoffbelastung der Mischfuttermittel ermöglicht. Nach Auffassung der Bundesregierung ist dies jedoch allgemein nicht möglich. Wie ich schon bei früherer Gelegenheit erläutert habe, (Bundestagsdrucksache 9/2388 Frage Nr. 15) ist die Bundesregierung ständig bestrebt, Regelungen über Schadstoffe in Futtermitteln nach wissenschaftlichen Erkenntnissen den aktuellen Erfordernissen anzupassen. So wurden beispielsweise die Vorschriften über Höchstgehalte für den von Ihnen angesprochenen Schadstoff Aflatoxin B1 inzwischen durch die 2. Verordnung zur Änderung der Futtermittelverordnung vom 2. Mai 1983 erheblich verschärft. Ferner wurden erstmals Höchstgehalte für Alpha- und Beta-HCH in Futtermitteln festgesetzt. Diese Verschärfungen sind im Vorgriff einer 678* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1983 noch ausstehenden EG-einheitlichen Regelung getroffen worden. Zu den getreidemarktpolitischen Aspekten Ihrer Frage hatte ich mich schon am 10. Januar 1983 (Bundestagsdrucksache 9/2388 Frage 16, 17 und 18) geäußert. In Erinnerung rufen möchte ich, daß das Futtermittelrecht die sogenannte offene Deklaration der Gemengteile nicht verbietet. Allerdings wird nach meiner Kenntnis von dieser Möglichkeit nur wenig Gebrauch gemacht. Die Bundesregierung wird aber prüfen, ob sich in der Frage der offenen Gemengteildeklaration neue Gesichtspunkte ergeben. Zu Frage 17: In der Antwort auf Ihre Frage vom 31. Januar 1983 hat die Bundesregierung — wie Sie zitieren — zum Ausdruck gebracht, „daß die Erwartungen des Ernährungsausschusses des Deutschen Bundestages in Bezug auf die Kennzeichnung von Futtermitteln (Bundestagsdrucksache 7/3591) in der Praxis nicht vollständig eingetroffen sind". In Ergänzung hierzu hat die Bundesregierung seinerzeit jedoch zum Ausdruck gebracht, daß sie der Auffassung ist, daß ihre damalige Zusicherung an den Ernährungsausschuß des Deutschen Bundestages, nämlich „daß der Landwirt nach Inkrafttreten des Gesetzes künftig keinesfalls schlechtere Futtermittelqualitäten befürchten müsse", sich nach bisheriger Kenntnis bestätigt hat. Die Bundesregierung wird aber auch hier prüfen, ob sich neue Gesichtspunkte ergeben. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Frage des Abgeordneten Dr. Spöri (SPD) (Drucksache 10/ 106 Frage 32): Treffen Meldungen des Nachrichtenmagazins „Spiegel" zu, nach denen Experten der US-Armee die künftigen Feuerstellungen der Pershing II-Raketen vermessen und bereits die zugehörige elektronische Ausrüstung installieren? Solche Meldungen treffen nicht zu. Die Bundesregierung bleibt bei ihrer bisherigen Auffassung, daß Ende des Jahres mit der Stationierung von PERSHING II begonnen wird, falls es in Genf bis dahin keine substantiellen Verhandlungsergebnisse gibt. Hierzu müssen gewisse Vorbereitungen getroffen werden, die vorwiegend z. B. im Bereich der Infrastruktur liegen. Dies bedeutet aber keine vorweggenommene oder vorgezogene Stationierung. Das erklärte Ziel der Bundesregierung bleibt, daß die lange erfolgte Stationierung der sowjetischen SS-20 rückgängig gemacht werden kann und so auf neue amerikanische Systeme bei uns verzichtet werden kann. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Frage des Abgeordneten Dr. Kübler (SPD) (Drucksache 10/106 Frage 34): Wird die Bundesregierung aus dem Unglück bei den militärischen Flugvorführungen, dem Schaufliegen am Pfingstsonntag in Frankfurt, die Konsequenzen ziehen und militärische Schauflüge über militärischen Gebieten nicht mehr genehmigen, und trifft es zu, daß trotz Bedenken der Verantwortlichen des Frankfurter Flughafens auf ausdrückliche Intervention des Bundesverteidigungsministers Dr. Wörner die militärischen Flugvorführungen erfolgten? Im Zusammenhang mit den Flugvorführungen am Pfingstsonntag in Frankfurt wurden gegenüber dem Bundesminister der Verteidigung von keiner Stelle Sicherheitsbedenken geltend gemacht. Einwände wurden erhoben, weil Verzögerungen beim Linienverkehr befürchtet wurden. Aufgrund einer Vereinbarung der Beteiligten erfolgte eine einvernehmliche Absprache über die Abwicklung des Luftverkehrs zwischen der zivilen und der militärischen Seite. Damit waren alle diese Bedenken ausgeräumt. Wie schon in der Antwort an den Abgeordneten Fischer (Frankfurt) ausgeführt, sind die FlugunfallUntersuchungen noch nicht abgeschlossen. Die Flugsicherheit nimmt stets die höchste Priorität ein. Leichtfertiges Handeln wurde bisher weder bei den Veranstaltern noch den Durchführenden festgestellt. Erst nach Vorliegen des endgültigen Untersuchungsergebnisses wird festgestellt werden können, ob und welche Konsequenzen daraus zusätzlich zu ziehen sind. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen der Abgeordneten Frau Matthäus-Maier (SPD) (Drucksache 10/106 Fragen 36 und 37): Hat unter anderem die Bundesregierung der US-Regierung nahegelegt, eine Neutronenwaffe als 155-Millimeter-Artilleriegeschoß herzustellen, wie die International Herald Tribune und die Frankfurter Rundschau vom 30. Mai 1983 gemeldet haben? Ist der Bundesregierung die Meldung bekannt, daß ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums bestätigt habe, unter anderem die Bundesrepublik Deutschland habe die Produktion neuer 155-Millimeter-Geschosse gefordert, eine Entscheidung, ob die Geschosse mit Neutronensprengköpfen ausgerüstet werden sollen, sei noch nicht gefallen? Zu Frage 36: Die Meldungen der International Herald Tribune und der Frankfurter Rundschau vom 30. Mai 1983 treffen nicht zu. Zu Frage 37: Diese Meldung ist der Bundesregierung bekannt. Der Inhalt der Meldung ist nicht zutreffend. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1983 679* Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Frau Karwatzki auf die Fragen des Abgeordneten Zander (SPD) (Drucksache 10/106 Fragen 40 und 41): Zu welchem Ergebnis haben die vom Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, Dr. Geißler, angekündigten Bemühungen geführt, daß die als „Wunderquelle" bekanntgewordene Quelle in der südpfälzischen Gemeinde Ranschbach als Heilquelle anerkannt wird und die Gemeinde sich als Heilbad bezeichnen darf? Wann wird der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit, Dr. Geißler, das am 23. Februar 1983 in der „Bild"-Zeitung angekündigte Sofortprogramm für die sogenannte Wunderquelle von Ranschbach vorlegen? Zu Frage 40: Dr. Geißler hat sich als zuständiger Wahlkreisabgeordneter auf Bitten des Bürgermeisters und des Gemeinderats der Anliegen und Probleme der Gemeinde angenommen und zugesagt, sich für eine schnelle Bearbeitung und eine baldige Entscheidung einzusetzen, falls die Gemeinde die Anerkennung der Quelle als Heilquelle beantragen würde. Die Gemeinde hat einen solchen Antrag nicht gestellt. Von einer Anerkennung der Gemeinde als Heilbad war dabei keine Rede. Zu Frage 41: Mit Rücksicht auf die damals im Quellbereich gegebenen unzuträglichen hygienischen Zustände sowie auf die fatale Situation für die tagtäglich sich dort versammelnden alten, kranken oder gebrechlichen Menschen, hat sich Bundesminister Dr. Geißler spontan für die Behebung dieser Mängel, ggf. über ein Sofortprogramm ausgesprochen. Inzwischen wurde von der Gemeinde eine Wasserabgabestelle (gespeist von einem 10 000-Liter-Tank, in dem das Quellwasser zunächst gesammelt wird) gebaut und die sanitären Verhältnisse verbessert. Parkplatz und Zufahrtswege sind im Ausbau. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Frau Karwatzki auf die Fragen des Abgeordneten Austermann (CDU/CSU) (Drucksache 10/106 Fragen 46 und 47): Spielt die Frage der sogenannten Leih-Mütter, die für ein fremdes Ehepaar gegen Geld ein Kind austragen, in der Bundesrepublik Deutschland eine erhebliche Rolle? Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß derartige „Verträge", aber auch Gen-Manipulationen und sonstige Eingriffe in das werdende Leben, mit dem Grundgesetz, insbesondere dem Recht der Menschenwürde und dem christlichen Sittengesetz nicht vereinbar sind? Zu Frage 46: Nein. Soweit hier bekannt ist, spielt bisher die Frage in der Bundesrepublik Deutschland keine Rolle. Zu Frage 47: Es sind bisher aus der Bundesrepublik Deutschland keine Eingriffe im Sinne der Fragestellung bekannt geworden, die gegen die Achtung der Menschenwürde verstoßen. Leihmütterverträge können sittenwidrig sein. Darüber haben gegebenenfalls die Gerichte zu entscheiden. Ich will aber meine persönlichen Bedenken nicht unterdrücken, auch wenn es in der Rechtslehre bisher noch keine Aussagen über die Unvereinbarkeit von Leihmütterverträgen mit dem Grundgesetz gibt und es sich bei der Frage der Gen-Manipulationen im humanmedizinischen Bereich bisher nur um theoretische Überlegungen handelt. Ich hoffe, daß diese Fragen auch künftig in der Bundesrepublik Deutschland keine praktische Bedeutung erlangen. Anlage 14 Antwort des Staatssekretärs Bayer auf die Frage des Abgeordneten Pauli (SPD) (Drucksache 10/106 Frage 53): Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung für ein gleiches Autobahnbenutzungsrecht in den Staaten der EG und anliegenden Transitländern mit dem Ziel des Wegfalls der Autobahngebühren? Die Bundesregierung setzt sich in der europäischen Verkehrsministerkonferenz und in der EG sowie in bilateralen Verhandlungen mit Österreich dafür ein, daß die Belastung der Kraftfahrzeuge bei der Benutzung der Infrastruktur anderer europäischer Länder in etwa ausgewogen ist. Dies sollte im Regelfall auf die Weise geschehen, daß die Fahrzeuge Kraftfahrzeugsteuern im Zulassungsstaat bezahlen und im übrigen über die Mineralölsteuer zu der Finanzierung der Wegekosten beitragen. Eine ungleiche Behandlung von In- und Ausländern bei den Gebühren für bestimmte Wege (z. B. Paßstraßen) muß in jedem Fall unterbleiben. Sollte eine international einheitliche Regelung dieser Art in absehbarer Zeit nicht erzielt werden können, wird die Bundesregierung die Möglichkeiten für gleiche Wettbewerbsbedingungen prüfen. Anlage 15 Antwort des Staatssekretärs Bayer auf die Frage des Abgeordneten Becker (Nienberge) (SPD) (Drucksache 10/106 Frage 55): Kann die Bundesregierung angeben, wann mit der Fertigstellung der Autobahnkreuzung A 30/A 31 zu rechnen ist? Im dritten Fünfjahresplan für den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1981 bis 1985 ist die Ost-West-Verbindung im Zuge der A 30 niederländische Grenze-Rheine-Bad Oeynhausen im Kreuzungsbereich mit der A 31 als „im Bau" befindlich, der südlich der A 30 liegende Abschnitt der A 31 Bottrop-Emden in Stufe I, der nördlich der 680* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1983 A 30 liegende in Stufe II ausgewiesen. Zur Zeit laufen die Bauarbeiten an der A 30 im Bereich Schüttorf mit dem Ziel der Fertigstellung im Jahre 1985/86. Hierbei werden noch keine baulichen Vorleistungen für das spätere Autobahnkreuz A 30/ A 31 erbracht. Es ist beabsichtigt, die A 31 von Süden her etwa Anfang der 90er Jahre an die dann unter Verkehr befindliche Autobahn-Ost-West-Verbindung (A 30) mit einem Teilausbau des Autobahnkreuzes anzuschließen. Der Vollausbau zum Autobahnkreuz wird erst bei Fertigstellung des in Stufe II des Bedarfsplans befindlichen Abschnittes der A 31 nördlich der A 30 erfolgen. Entsprechend den derzeitigen Festlegungen über die Realisierung der Stufe II wird dies erst in der 2. Hälfte der 90er Jahre möglich sein. Bis dahin werden jedoch die gesetzlich vorgeschriebenen weiteren Überarbeitungen des Bedarfsplans vorgenommen, die zu neuen Festlegungen in den Dringlichkeiten führen können. Der genaue Kreuzungspunkt zwischen A 30 und A 31 im Raum nördlich von Bad Bentheim und westlich von Schüttorf liegt noch nicht fest. Die Variantenuntersuchungen zur Ermittlung der hinsichtlich der Umweltbeeinträchtigungen günstigsten Trasse sind im Gange. Anlage 16 Antwort des Staatssekretärs Bayer auf die Fragen des Abgeordneten Bamberg (SPD) (Drucksache 10/106 Fragen 56 und 57): Ist Bundeskanzler Dr. Kohl bei seinem Besuch in Rom der Bitte des bayerischen Ministerpräsidenten nachgekommen, sich für eine neue Eisenbahnlinie über den Brenner einzusetzen, und gibt es eine von italienischer Seite angestrebte gemeinsame Erklärung zu diesem Thema? Bestehen von seiten der Bundesregierung konkrete Pläne, um dem steigenden Warenaustausch zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Italien, der auch zu einer Überbelastung der Straßengrenzstellen in Kiefersfelden geführt hat, z. B. durch eine neue leistungsfähige Eisenbahnverbindung München—Verona gerecht zu werden, und wie gegebenenfalls die Finanzierung durchgeführt werden könnte? Zu Frage 56: Das Projekt einer neuen Brenner-Eisenbahnlinie ist anläßlich des Besuchs von Bundeskanzler Kohl in Italien angesprochen worden. Eine gemeinsame Absichtserklärung wurde nicht abgegeben. Wegen der internationalen Bedeutung der Brenner-Linie sollte eine Lösung im europäischen Rahmen angestrebt werden. Es wird aber vor allem darauf ankommen, daß sich Italien und Österreich als direkt Betroffene einig sind. Darüber hinaus sind noch eine Reihe von Fachfragen zu klären. Zu Frage 57: Für den deutschen Streckenteil der Eisenbahnverbindung München-Rosenheim-Kufstein- Insbruck-Brenner-Verona bestehen konkrete Planungen im Rahmen der Ausbaustrecke München-Rosenheim-Freilassing. Dieses Vorhaben ist im Bundesverkehrswegeplan '80, Stufe I, enthalten und wird von der Deutschen Bundesbahn derzeit hinsichtlich seines erforderlichen Umfangs überprüft. Für darüber hinaus gehende Verbesserungen bezüglich der in Rosenheim abzweigenden Strecke nach Kufstein und ihrer Weiterführung über den Brenner nach Verona sind die multilateralen Abstimmungen noch nicht über vorplanerische Überlegungen hinausgekommen. Derzeit überarbeiten die beteiligten Eisenbahnverwaltungen ihre Achsenstudie zur Brenner-Eisenbahnlinie. Bevor die grundsätzlichen Fragen zum Brenner-Projekt nicht geklärt sind, ist eine Entscheidung über finanzielle Regelungen verfrüht. Anlage 17 Antwort des Staatssekretärs Bayer auf die Frage des Abgeordneten Müller (Wesseling) (CDU/CSU) (Drucksache 10/106 Frage 59): Ist die Bundesregierung bereit, auf die Deutsche Bundesbahn einzuwirken, daß den in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Italienern für die Wahlen in Italien am 26. Juni 1983 freie Bahnfahrt gewährt wird, wie dies bei den italienischen Parlamentswahlen 1979 geschehen ist, und wie hoch beziffert die Bundesregierung die dadurch gegebenenfalls entstehenden Kosten? Die Initiative für eine Freifahrt-Regelung auf der Deutschen Bundesbahn müßte von der italienischen Regierung ausgehen. Ein entsprechender Freifahrt-Vorschlag mit Finanzierungszusage der italienischen Regierung liegt hier nicht vor. Die Deutsche Bundesbahn einschließlich der Transitbahnen werden aber — wie bei früheren Wahlen — den in der Bundesrepublik Deutschland lebenden italienischen Staatsangehörigen Fahrpreisermäßigungen gewähren. Grundlage bildet eine mit den Italienischen Staatsbahnen abgeschlossene Vereinbarung. Die beteiligten Eisenbahnen werden ferner für den in Frage kommenden Zeitraum zahlreiche Regelzüge verstärken und einige Sonderzüge einsetzen. Anlage 18 Antwort des Staatssekretärs Bayer auf die Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 10/106 Frage 60): Sieht die Bundesregierung durch die Errichtung von Regionalverkehrsgesellschaften und Verkehrsverbänden insofern Gefahren für die Existenz mittelständischer privater Omnibusunternehmen, als daß öffentliche Verkehrsbetriebe besonders im Bereich des Kölner Umlands beim Liniendienst und im Schulbusverkehr das private Omnibusgewerbe vom Markt verdrängen, und gibt es in diesem Zusammenhang Wirtschaftlichkeitsüberlegungen, in welcher Weise am kostengünstigsten gefahren werden kann? Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1983 681* Die Bundesregierung sieht in der Errichtung von Regionalverkehrsgesellschaften und Verkehrsverbünden keine Existenzgefährdung mittelständischer privater Omnibusunternehmer. Bei Verkehrsverbünden wird bereits bei Gründung die Wahrung der wirtschaftlichen Existenz der Linienverkehrsunternehmer vertraglich sichergestellt. Als Auftragsunternehmer erbringen private Omnibusunternehmer bei kommunalen Verkehrsbetrieben und Bundesverkehrsbetrieben beachtliche Leistungen. Im Bereich der Regionalverkehrsgesellschaft Köln sind es über 50 % der Kfz-Kilometerleistungen. Im freigestellten Schülerverkehr werden die Verkehrsleistungen vom Schulträger ausgeschrieben und frei vergeben. Dies entspricht marktwirtschaftlichen Grundsätzen. Wirtschaftlichkeitsüberlegungen, in welcher Weise am kostengünstigsten gefahren werden kann, stellt jedes im öffentlichen Personennahverkehr tätige Verkehrsunternehmen eigenverantwortlich an. Dies gilt auch für die handelsrechtlich organisierten Regionalverkehrsgesellschaften. Anlage 19 Antwort des Staatssekretärs Bayer auf die Fragen des Abgeordneten Wolfram (Recklinghausen) (SPD) (Drucksache 10/106 Fragen 62 und 63): Trifft es zu, daß Öl auf hoher See mit chemischen Mitteln so beseitigt wird, daß Öltankerkapitänen keine Schuld für widerrechtliche Reinigung auf See nachgewiesen werden kann, daß Kapitäne und Offiziere Prämien für die Verwendung derartiger chemischer Mittel erhalten und die Reedereien eher Strafen bezahlen als ordnungsgemäß entsorgen, weil die Strafen niedriger sind als die Entsorgungsgebühren (Quelle: „Monitor" vom 24. Mai 1983)? Ist die Bundesregierung bereit, alles zu tun, um national und international sicherzustellen, daß Öltanker nicht mehr auf hoher See, auch nicht in der Nordsee, „gereinigt" werden, sondern „Entsorgungsanlagen" in den Häfen, besonders in deutschen, benutzt werden? Zu Frage 62: Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß auf Hoher See 01 mit chemischen Mitteln beseitigt wird und Kapitäne und Offiziere hierfür Prämien erhalten. Ölverschmutzungen werden als Vergehen nach §§ 324 ff. Strafgesetzbuch mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet. Der Strafrahmen für die Geldstrafe ist höher als die bei der Abgabe an Auffanganlagen entstehenden Kosten. Die Bundesregierung hat keinen Einfluß darauf, wie die Gerichte im Einzelfall den vorgegebenen Strafrahmen anwenden. Zu Frage 63: Ja. Grundlage der Maßnahmen der Bundesregierung ist das am 2. Oktober 1983 in Kraft tretende MARPOL-Übereinkommen. Gegenüber den für die Vorhaltung von Auffanganlagen zuständigen Bundesländern wird die Bundesregierung darauf hinwirken, einen zusätzlichen Anreiz für die Benutzung der Auffanganlagen dadurch zu schaffen, daß die Benutzungskosten nicht gesondert in Rechnung gestellt werden, sondern pauschal in die Hafengebühren einbezogen werden. Außerdem wird die Bundesregierung die Kontrollen in den Häfen und auf Hoher See weiter verstärken, um das unerlaubte Ablassen von Öl zu verhindern. Auf der vorgesehenen Internationalen Nordseeschutz-Konferenz wird die Bundesregierung mit allem Nachdruck für entsprechende Maßnahmen der anderen Anliegerstaaten eintreten. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Probst auf die Frage des Abgeordneten Becker (Nienberge) (SPD) (Drucksache 10/106 Frage 70): Wieviel Forschungsprojekte finanziert die Bundesregierung im Land Nordrhein-Westfalen ganz oder teilweise? Mit Stand vom 31. Mai 1983 ist der Bundesminister für Forschung und Technologie 1983 im Land Nordrhein-Westfalen bei der direkten Projektförderung an 1322 Forschungs- und Entwicklungsvorhaben und bei der indirekt-spezifischen Projektförderung an 336 Forschungs- und Entwicklungsvorhaben beteiligt. Von den übrigen Bundesressorts sind bisher für 1983 264 bewilligte Forschungs- und Entwicklungsvorhaben mit ausführenden Stellen in Nordrhein-Westfalen der Datenbank DAKOR des Bundesministeriums für Forschung und Technologie gemeldet. Anlage 21 Antwort des Staatsministers Möllemann auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Hupka (CDU/CSU) (Drucksache 10/106 Fragen 86 und 87): Ist der Bundesregierung bekannt, daß unseren Botschaften für die Öffentlichkeitsarbeit Deutschlandkarten übermittelt werden, die entgegen dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht ganz Deutschland in allen seinen Teilen zeigen, und warum geschieht dies? Warum wird von unseren Missionen im Ausland nicht unser nationaler Gedenktag 17. Juni in angemessener Form entsprechend den Gepflogenheiten anderer Missionen begangen, und warum wird entgegen dem Auftrag des Gesetzgebers der 23. Mai als Tag der Verfassung zum Anlaß von Einladungen an die ausländischen Missionen gewählt? Zu Frage 86: Die Botschaften der Bundesrepublik Deutschland verwenden für die Öffentlichkeitsarbeit im Ausland Karten, welche die Bundesrepublik Deutschland zeigen. Ein Widerspruch zu dem von Ihnen angeführten Urteil des Bundesverfassungsgerichts liegt hierin nicht. 682* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1983 Zu Frage 87: Die Frage nach der Gestaltung des 17. Juni an den Vertretungen im Ausland haben Sie bereits im Jahre 1981 gestellt. In der damaligen Antwort hieß es, daß der 17. Juni als der Tag der Deutschen Einheit von den Auslandsvertretungen im allgemeinen mit internen Veranstaltungen begangen wird. Im Hinblick auf Ihre jetzt vorliegende Frage ist ergänzend festzustellen, daß es für andere Staaten einen dem 17. Juni vergleichbaren Anlaß nicht gibt. Es widerspricht nicht dem Auftrag des Gesetzgebers, den 23. Mai als Tag der Verfassung zum Anlaß von Einladungen an die ausländischen Missionen zu wählen. Die Vertretungen im Ausland sind angewiesen, der eventuell bestehenden Meinung, es handle sich dabei um unseren Nationalfeiertag, entgegenzuwirken. Anlage 22 Antwort des Staatsministers Möllemann auf die Frage des Abgeordneten Dr. Schöfberger (SPD) (Drucksache 10/106 Frage 88): Ist der Bundesregierung bekannt, daß die SPD, die Jungsozialisten, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die Evangelischen Studentengemeinden (ESG), die Münchner Studentengemeinde (evang.) und die deutsche amnesty international neben anderen in- und ausländischen Organisationen in einer als „geheim" eingestuften amtlichen türkischen „Liste der Organisationen und berufsständischen Vertretungen, die im Ausland gegen die Türkei gerichtete, schädliche Tätigkeiten ausüben" aufgeführt sind, und welche Folgen könnte dies nach Ansicht der Bundesregierung für einzelne (führende) Mitglieder der genannten Organisationen bei einer Reise in die Türkei haben? Der Bundesregierung ist eine türkische „Liste der Organisationen und berufsständischen Vertretungen, die im Ausland gegen die Türkei gerichtete schädliche Tätigkeiten ausüben" nicht bekannt. Der Bundesregierung ist ebenfalls nicht bekannt, daß ein Angehöriger der in der Anfrage genannten Organisationen wegen seiner Mitgliedschaft in einer der Organisationen Nachteile bei einer Reise in die Türkei hatte. Anlage 23 Antwort des Staatssekretärs Dr. Fröhlich auf die Fragen des Abgeordneten Conradi (SPD) (Drucksache 10/106 Fragen 90 und 91): In welchem Maß sind bei „WINTEX-CIMEX 83" zivile Stellen, beispielsweise der Kommunen, an Planübungen beteiligt worden, und welchen Zweck hatte diese Beteiligung? Welche Vorkehrungen trifft die Bundesregierung bei der Ausstattung von Großschutzräumen und Bunkern für die Unterbringung etwaiger Toter? Zu Frage 90: An der WINTEX-CIMEX 83 haben zivile Behörden und Dienststellen des Bundes, der Länder und der Kommunen teilgenommen, um die ihnen insbesondere im Zivilschutz und nach den Sicherstellungsgesetzen (Wirtschafts-, Ernährungs-, Verkehrs-, Wasser- und Arbeitssicherstellungsgesetz) obliegenden Aufgaben zu üben. Die NATO-Übungen der WINTEX-CIMEX-Serie sind Verfahrensübungen der Gesamtverteidigung. Sie haben den Zweck, in engem Zusammenwirken von militärischen und zivilen Stellen — die Maßnahmen der Krisenvorsorge und die Verteidigungsvorkehrungen im militärischen und zivilen Bereich zu überprüfen und zu erproben sowie — das Personal für seine Aufgaben in einer Krise und im Verteidigungsfall zu schulen. Zu Frage 91: Die öffentlichen Schutzräume sind in ihrer Raumaufteilung flexibel ausgelegt. Es besteht die Möglichkeit, im Schutzraum verstorbene Personen in angemessener Weise und ohne Gefährdung anderer Schutzrauminsassen dort solange zu belassen, bis der Schutzraum wieder gefahrlos verlassen werden kann. Anlage 24 Antwort des Staatssekretärs Dr. Fröhlich auf die Fragen des Abgeordneten Bernrath (SPD) (Drucksache 10/106 Fragen 92 und 93): Hält Bundeskanzler Dr. Kohl an seiner 1975 geäußerten Auffassung fest, daß das „Nebeneinander von Beamten einerseits und Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes andererseits in der systemlosen Form, wie es sich in der Praxis darstellt, als fragwürdig" erscheint, und wird die Bundesregierung dementsprechend den „Ursachen und Abhilfemöglichkeiten" nachgehen? Wird die Bundesregierung entsprechend dem Vorschlag des niedersächsischen Innenministers Dr. Möcklinghoff (CDU), den Beamtenstatus auf „lebenswichtige" Funktionen des öffentlichen Dienstes beschränken oder nach anderen Kriterien auf einen Kernbereich der öffentlichen Aufgaben zurückführen? Zu Frage 92: Unabhängig davon, ob die von Ihnen zitierte Äußerung so gemacht worden ist, ist zu dem angesprochenen Problem folgendes zu sagen: Nach Artikel 33 Abs. 4 des Grundgesetzes ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Beamten zu übertragen. Zum hoheitlichen Bereich wird nicht nur die Eingriffsverwaltung gezählt, sondern wesentlich auch die durch die Daseinsvorsorge geprägte Leistungsverwaltung. Die Ausübung hoheitsrechtlicher Be- Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1983 683* fugnisse darf Nichtbeamten übertragen werden, solange das vom Grundgesetz vorausgesetzte RegelAusnahme-Verhältnis nicht verletzt wird. Die derzeitige Struktur des öffentlichen Dienstes wird diesem verfassungsrechtlichen Gebot grundsätzlich gerecht. Die Verwendung von Beamten und Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst hat sich prinzipiell bewährt. Soweit in Einzelfällen die Aufgabenverteilung zwischen Beamten und Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes nicht systemgerecht erscheint, sollte dem längerfristig abgeholfen werden. Zu Frage 93: Die Bestimmung des Artikel 33 Abs. 4 des Grundgesetzes soll gewährleisten, daß die für unseren Rechts- und Sozialstaat wichtigen Aufgaben durch Berufsbeamte wahrgenommen werden. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, von der bisherigen Auslegung dieser Vorschrift abzugehen. Mit der Verfassungslage wäre es nicht vereinbar, in einzelnen Verwaltungszweigen, in denen ständig hoheitliche Aufgaben wahrgenommen werden, den Anteil der Beamten zu verringern, gleichgültig nach welchen anderen Kriterien dies geschehen würde. Unabhängig von der vorstehend umrissenen verfassungsmäßigen Verpflichtung zur Beschäftigung von Beamten kann sich die Notwendigkeit zum Einsatz von Beamten auch ergeben, um die Wahrnehmung und Aufrechterhaltung lebenswichtiger öffentlicher Funktionen sicherzustellen. Die Entscheidung darüber muß der Dienstherr nach pflichtgemäßem Ermessen treffen. Anlage 25 Antwort des Staatssekretärs Dr. Fröhlich auf die Frage des Abgeordneten Dr. Struck (SPD) (Drucksache 10/106 Frage 94): Liegen der Bundesregierung oder den für die Beobachtung extremistischer Aktivitäten zuständigen Behörden des Bundes Erkenntnisse über den „Stahlhelm, Kampfbund für Europa" vor? Im Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs Spranger vom 17. Mai 1983 auf die Frage des Herrn Abgeordneten Krizsan nach Erkenntnissen u. a. über Aktivitäten des „Stahlhelm — Kampfbund für Europa" ist ausgeführt worden: Bei der Bundesführung der Organisation „Stahlhelm e. V. — Kampfbund für Europa", einem Zusammenschluß deutscher Soldaten beider Weltkriege, sind bisher extremistische Tendenzen nicht erkennbar geworden. Lediglich der 1970 gegründete „Landesverband Rheinland-Pfalz" mit rund 50 Mitgliedern vertritt nach den Erkenntnissen der zuständigen Behörden rechtsextremistisches, insbesondere rassistisches und antisemitisches Gedankengut. Er hält regelmäßig Appelle in den Ortsgruppen ab. Ehrenvorsitzender des Landesverbandes ist ein ehemaliger NPD-Funktionär. Außerdem pflegen Funktionäre des Landesverbandes enge Kontakte zur NPD und zu neonazistischen Gruppen, wobei sie sich bemühen, diese Verbindungen nicht bekannt werden zu lassen, um — aus ihrer Sicht — nachteilige Auswirkungen für ihre Organisation zu vermeiden. Dieser Antwort habe ich nichts hinzuzufügen. Anlage 26 Antwort des Staatssekretärs Dr. Fröhlich auf die Frage der Abgeordneten Frau Dr. Bard (GRÜNE) (Drucksache 10/106 Frage 95): Welche Markenpräparate wurden bei der Einlagerung von Psychopharmaka des Typs Diazepam zu Zwecken des Zivil- und Katastrophenschutzes bisher im Bundesinnenministerium berücksichtigt? Im Rahmen der Bevorratung von Sanitätsmaterial für Zivilschutzzwecke nach § 14 des Zivilschutzgesetzes wurden bisher folgende Präparate des Typs Diazepam beschafft: — Valium Roche — Diazepam-ratiopharm — Diazepam 10 Stada — Diazepam-Wölm Anlage 27 Antwort des Staatssekretärs Dr. Fröhlich auf die Frage der Abgeordneten Frau Dr. Hickel (GRÜNE) (Drucksache 10/106 Frage 96): Wie groß ist die Menge an Psychopharmaka bzw. schmerzstillenden Betäubungsmitteln, die regelmäßig von seiten des Bundesinnenministeriums zu Zwecken des Zivil- und Katastrophenschutzes vorrätig gehalten werden? Von den in Rede stehenden Medikamenten werden folgende Mengen vorrätig gehalten: a) Psychopharmaka — 50 000 Tabletten (2 mg) — 4 149 000 Tabletten (10 mg) — 103 000 Tabletten (0,1 g) — 68 000 Film-Tabletten — 68 000 Ampullen (2,5 mg) — 103 000 Ampullen (5 mg) — 342 000 Ampullen (10 mg) — 23 300 Ampullen (50 mg) 684* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1983 b) Betäubungsmittel 3 951 560 Ampullen (2 ml) Darüber hinaus werden noch geringfügige Restmengen von solchen Präparaten gelagert, die künftig nicht mehr beschafft und nach Ablauf der sog. Verfalldaten ausgesondert werden. Anlage 28 Antwort des Staatssekretärs Dr. Fröhlich auf die Frage des Abgeordneten Dr. Spöri (SPD) (Drucksache 10/106 Frage 97): Trifft es zu, daß gegenwärtig Alarm- und Einsatzpläne vorbereitet werden, nach denen Pershing II-Standorte breiträumig abgeriegelt werden sollen? Es trifft nicht zu, daß gegenwärtig Alarm- und Einsatzpläne vorbereitet werden, nach denen Pershing-Il-Standorte breiträumig abgeriegelt werden sollen. Anlage 29 Antwort des Staatssekretärs Dr. Fröhlich auf die Frage des Abgeordneten Schreiner (SPD) (Drucksache 10/106 Frage 98): Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß Bürger aus Heimatländern, in denen nachweislich gefoltert wird und wo sie konkret mit Verhaftung und Folterung zu rechnen hätten, schon deshalb einen Asylanspruch in der Bundesrepublik Deutschland haben, weil jedwede Folter insoweit politisch motiviert ist, als das Mittel der Folter Ausdruck eines zutiefst inhumanen politischen Systems ist? Die Folterung ist eine Verletzung der Menschenrechte und ist, gleich von welchem politischen System sie angewandt wird, zu verurteilen. Davon zu unterscheiden ist die asylrechtliche Bedeutung der Folter, also die Frage, ob jede im Heimatstaat erlittene oder drohende Folter als politische Verfolgung im Sinne von Art. 16 des Grundgesetzes anzusehen ist und damit zwangsläufig zu einer Anerkennung der Asylberechtigung führt. Mit dieser Rechtsfrage hat sich das Bundesverwaltungsgericht am 17. Mai 1983 in zwei Revisionsverfahren befaßt. Die Urteile liegen der Bundesregierung noch nicht vor, deshalb ist die Begründung im einzelnen ihr noch nicht bekannt. Nach den vorliegenden Äußerungen, wie sie auch in Pressemeldungen wiedergegeben sind, und auch nach den Erläuterungen, die von einem Sprecher des Gerichtes in der „Panorama-Sendung" vorgestern abend gegeben wurde, hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, daß Folter zwar stets als Menschenrechtsverletzung anzusehen sei; erlittene oder drohende Folter jedoch nur dann zu einem Asylanspruch führe, wenn ihr die Motivation der politischen Verfolgung zugrunde liege. Dabei seien die Umstände des Einzelfalles unter Würdigung der jeweiligen Verhältnisse in den Verfolgerstaaten heranzuziehen. Diese nach der Zielrichtung differenzierende Beurteilung wird von der Bundesregierung geteilt, weil sie dem Sinngehalt von Art. 16 des Grundgesetzes entspricht. Anlage 30 Antwort des Staatssekretärs Dr. Fröhlich auf die Fragen des Abgeordneten Menzel (SPD) (Drucksache 10/106 Fragen 99 und 100): Gibt es Bemühungen der Firma Hoffmann-La Roche, die Verbrennung der Dioxinreste aus Seveso in der Bundesrepublik Deutschland durchzuführen? Ist sichergestellt, daß eine eventuelle Verbrennung in der Bundesrepublik Deutschland nicht ohne Zustimmung der Bundesregierung erfolgen kann, und gibt es in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt Anlagen, die für eine derartige Verbrennung geeignet wären? Zu Frage 99: Nach Angaben der Firma Hoffmann-La Roche ist vorgesehen, die dioxinhaltigen Abfälle aus Seveso, die aus Italien verbracht wurden, in einer schweizer Verbrennungsanlage zu beseitigen. Ein förmlicher Antrag auf eine Verbrennung in der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht gestellt. Informelle Voranfragen der Firma Hoffmann-La Roche bei Betreibern von Abfallbeseitigungsanlagen wurden in Abstimmung mit den zuständigen Stellen des Landes Hessen abschlägig beschieden. Zu Frage 100: Die Genehmigung der Einfuhr und nachfolgenden Beseitigung von Abfällen fällt nach § 13 Abfallbeseitigungsgesetz in die Zuständigkeit der Länder. Die Genehmigung ist bei der zuständigen Behörde des Landes zu beantragen, in dem die Abfälle erstmals behandelt, gelagert oder abgelagert werden. Diese Regelung hätte auch bei der Verbrennung von dioxinhaltigen Abfällen aus Seveso Anwendung gefunden. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es mehrere Anlagen, die über die technische Ausstattung für die Verbrennung von dioxinhaltigen Abfällen verfügen. Anlage 31 Antwort des Staatssekretärs Dr. Fröhlich auf die Frage des Abgeordneten Kirschner (SPD) (Drucksache 10/106 Frage 101): Welche Erkenntnisse liegen dem Bundesinnenminister vor, wenn er in einem Interview der Illustrierten „Bunte" vom 1. Juni 1983 behauptet, daß bei den zu erwartenden Demonstrationen gegen eine mögliche Raketenstationierung Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1983 685* die Vorbereitungen dazu „maßgeblich von kommunistisch beeinflußten Gruppen" getroffen würden, die im Interesse Moskaus handelten und dafür Geld aus der DDR bekämen? Die „Deutsche Kommunistische Partei" (DKP) vertritt innerhalb der „Friedensbewegung" bedingungslos die Ziele der SED und der KPdSU. So sieht die DKP seit Jahren ihre wichtigste Aufgabe darin, eine Abkehr vom NATO-Doppelbeschluß zu erreichen. Ihr ist es zunehmend gelungen, initiierend und organisierend Einfluß auf die „Friedensbewegung" auszuüben und ihr Konzept des „Minimalkonsenses" durchzusetzen, d. h. die einseitig antiwestliche Stoßrichtung der Kampagne zu wahren. Die DKP und ihre Vorfeldorganisationen planen schon seit langem, im Herbst 1983 ihre Kampagne gegen die NATO-Nachrüstung zu verstärken und andere Gruppen der „Friedensbewegung" für ihre Konzeption zu gewinnen. Auf die Vorbereitung und Durchführung der „3. Aktionskonferenz der Friedensbewegung" am 16. und 17. April 1983, die sich mit der „Herbstoffensive" der „Friedensbewegung" befaßte, nahmen die DKP und ihr organisiertes Umfeld erheblichen Einfluß. Das DKP-Präsidium begrüßte den Beschluß dieser Aktionskonferenz, vom 15. bis 22. Oktober 1983 eine bundesweite Aktionswoche durchzuführen. Es kündigte an, die Anhänger der DKP würden aktiv an der Vorbereitung und Durchführung der für diese Woche geplanten vielfältigen Aktivitäten mitwirken. Nach den bisherigen Erfahrungen ist davon auszugehen, daß die DKP und ihre Vorfeldorganisationen einen erheblichen Anteil auch an den weiteren Vorbereitungen und an der Durchführung der Herbstkampagne haben werden. Denn das DKP-Spektrum ist die stärkste geschlossene Gruppierung in der „Friedensbewegung" und verfügt über einen leistungsfähigen Apparat, klare Zielvorstellungen und Erfahrungen im Kampagnenmanagement. Nach Auffassung der Bundesregierung kann die DKP ihre zahlreichen Aktivitäten, in deren Mittelpunkt gegenwärtig der „Friedenskampf" steht, nur entfalten, weil sie mit Millionenbeträgen aus der DDR finanziert wird. Diese Unterstützung dürfte im Jahre 1982 nach Angaben des Verfassungsschutzberichtes mehr als 60 Millionen DM betragen haben. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Miltner (CDU/CSU) (Drucksache 10/106 Fragen 102 und 103): Hat die Bundesregierung die von ihr vor Beginn der Ostermärsche 1983 vertretene Auffassung, daß die DKP, ihre Nebenorganisationen und die von ihr beeinflußten Organisationen auch in diesem Jahr initiierende, organisierende und steuernde Kräfte der Ostermärsche sind, durch den tatsächlichen Ablauf der Ostermärsche bestätigt gesehen, und wenn j a, welche Tatsachen haben diese Auffassung bestätigt? Trifft es zu, daß es bei den Ostermärschen 1983 stärker als im vergangenen Jahr zu Aktionseinheiten von Kommunisten mit Nichtextremisten gekommen ist, und wenn ja, wie äußerte sich dies? Zu Frage 102: Ja! Die örtlichen Demonstrationsschwerpunkte fielen im wesentlichen zusammen mit den in der Vorbereitungsphase geplanten 12 „Schwerpunktkundgebungen", für die ausnahmslos Kontaktanschriften genannt worden waren, die einen eindeutigen Bezug zur DKP oder ihren Vorfeldorganisationen, insbesondere zur kommunistisch beeinflußten „Deutschen Friedens-Union" (DFU) aufweisen. Nach Schätzung der Sicherheitsbehörden waren mindestens ein Viertel der Teilnehmer Mitglieder oder Anhänger linksextremistischer bzw. linksextremistisch beeinflußter Organisationen. Der DKP-Vorsitzende Herbert Mies demonstrierte sowohl beim „Ostermarsch Ruhr" als auch beim „Ostermarsch Rheinland"; bei größeren zentralen Kundgebungen traten mindestens 17 führende Funktionäre der DKP und ihrer Vorfeldorganisationen als Redner auf. Der DKP und ihrem Umfeld gelang es, ihre Position des „Minimalkonsenses" durchzusetzen, d. h. die Hauptstoßrichtung der Kampagne zu wahren: Kampf gegen NATO-Nachrüstung. Gunnar Matthiessen, Mitglied des „Büros" des DKP-beeinflußten „Komitees für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" (KFAZ) sagte, dies sei die „durchgängige Forderung der Ostermärsche" gewesen. Sehr ermutigend sei die „einmütige Zurückweisung der Spaltungsversuche und der antikommunistischen Attacken des Staatssekretärs Spranger". Zu den „Ostermärschen" 1982 und 1983 erklärte der DFU Bundesvorstand in seinem Rechenschaftsbereich: „DFV-Mitglieder arbeiten in den regionalen Ostermarschausschüssen mit, leiteten Kundgebungen des Ostermarsches und traten als Redner auf". Zu Frage 103: Ja! Nach Abschluß der „Osteraktionen" äußerte der DKP-Vorsitzende Herbert Mies, die „Ostermärsche" hätten bewiesen, „welche Kraft die Friedensbewegung entwickeln kann, wenn Kommunisten und Sozialdemokraten, Gewerkschafter und Grüne, Christen und Liberale an einem Strang ziehen". Diese — wie es hieß — „neue Qualität" des Zusammenwirkens von Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschaftern, durch das — so ein Mitglied des „Büros" des kommunistisch beeinflußten „Komitees für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" (KFAZ) — die „politische Landschaft in der Bundesrepublik Deutschland" verändert worden sei, wurde von kommunistischen Presseorganen besonders hervorgehoben. So nannte das SED-Zentralorgan „Neues Deutschland" die Reden von Werner Stürmann, Bundesvorsitzender der orthodox-kommunistischen „Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend" (SDAJ) und Mitglied des DKP-Präsidiums, Klaus Westermann, DGB-Bundesjugendsekretär, 686* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1983 Werner Kindsmüller, Bundesvorsitzender der Sozialistischen Jugend Deutschlands — die Falken", Rudolf Hartung, Bundesvorsitzender der „Jusos" und Martin Budich, Bundesvorsitzender der „Jungdemokraten" am Ostersonntag in Bochum die „erste gemeinsame Kundgebung der fortschrittlichen Jugendorganisationen in der BRD". Das Zentralorgan der DKP veröffentlichte am 5. April 1983 ein Großfoto „Oskar Lafontaine, SPD-Vorstandsmitglied und Oberbürgermeister von Saarbrücken, links, und Vera Achenbach, Mitglied des Sekretariats des Parteivorstandes der DKP, beim Auftakt des Ostermarsches Ruhr". Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Laufs (CDU/CSU) (Drucksache 10/106 Fragen 104 und 105): Ist es richtig, daß gerade im Zusammenhang mit Aktivitäten der „Friedensbewegung" die DKP ihren sonst gepflegten Schein-Legalismus mehr und mehr aufgibt und sich an rechtswidrigen Blockaden und ähnlichen Aktionen beteiligt oder sie sonst unterstützt, und wenn ja, welche Anhaltspunkte hat die Bundesregierung hierfür? Gibt es Anzeichen dafür, daß sich der Versuch der Vereinnahmung der Friedensbewegung durch die DKP und die von ihr beeinflußten Organisationen noch verstärken wird, und falls ja, welche? Zu Frage 104: Ja! Orthodoxe Kommunisten beteiligten sich an Blockadeaktionen anläßlich der Ostermärsche 1983; so wurde z. B. die Blockade einer militärischen Einrichtung in Kellinghusen von der DKP maßgeblich vorbereitet und durchgeführt. Ein Sprecher des DKP-beeinflußten „Hamburger Forums" erklärte hierzu, die Blockaden seien ein erster Schritt, der über rein symbolische Proteste hinausweise. Die Blockade in Kellinghusen diene als „Vorbereitung weiterer und weitergehender Widerstandsformen". Aus der DKP selbst bestätigte deren Parteivorstands-Mitglied Peter Schütt die aktive Beteiligung der DKP an der Blockade in der Deutschen Volkszeitung. In einem Interview betonte der Funktionär des „Büros" des kommunistisch beeinflußten „Komitees für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit", Gunnar Matthiessen, die „Ostermärsche" hätten gezeigt, daß alle Aktionsformen — „seien es Blockaden, seien es Demonstrationen, seien es Unterschriftsammlungen" letztlich eine „Einheit" bildeten. Auf der „3. Aktionskonferenz der Friedensbewegung" am 16./17. April 1983 in Köln traten in der Diskussion über die Bedeutung „direkter gewaltfreier Aktionen" orthodoxe Kommunisten für eine Verbindung von Demonstrationen und „direkten gewaltfreien Aktionen" ein und nannten als Beispiel die Blockade in Kellinghusen während der „Ostermärsche". Zu Frage 105: Ja! So veröffentlichte die DKP am 30. Mai 1983 eine Erklärung ihres Präsidiums unter der Überschrift „den Raketenfanatikern in den Arm fallen!", in der u. a. gefordert wird „mit verstärkter Kraft in der Friedensbewegung aktiv zu werden" und „den Widerstand" zu verstärken. In der Erklärung heißt es, die Anhänger der DKP würden „aktiv an der Vorbereitung und Durchführung" der für die bundesweite Aktionswoche vom 15. bis 22. Oktober 1983 geplanten örtlichen Aktivitäten mitwirken und sich „mit aller Kraft" dafür einsetzen, daß die vorgesehenen „Volksversammlungen für den Frieden" am 22. Oktober in Bonn und in zwei weiteren Orten zu „machtvollen Bekundungen" gegen die Raketenstationierung werden. Ähnliche Erklärungen liegen auch aus dem Bereich der DKP-Nebenorganisationen vor. So heißt es in einem Brief der „Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend" (SDAJ) vom Mai 1983 an alle Jugendverbände: „Die Friedensbewegung ist durch Aktionen, Unterschriftensammlungen, Demonstrationen wie zuletzt den Ostermärschen zur einflußreichsten demokratischen Bewegung in unserem Land geworden ... Die Aktionen müssen verstärkt fortgesetzt werden." Als Aufgabe des kommunistischen „Festivals der Jugend", Pfingsten 1983 in Dortmund, hatten führende Funktionäre der SDAJ und der Kommunistischen „Jungen Pioniere" genannt, Jugendliche als „neue Mitkämpfer der Friedensbewegung" zu gewinnen und die „Kinderbewegung" in den „Kampf gegen die Raketenstationierung" einzubeziehen. Anlage 34 Antwort des Staatssekretärs Dr. Fröhlich auf die Frage des Abgeordneten Dr. Schöfberger (SPD) (Drucksache 10/106 Frage 110): Trifft eine Aussage vor dem Verwaltungsgericht Berlin zu, wonach die beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge eingerichteten Sicherheitsdienststellen mit dem türkischen Geheimdienst zusammenarbeiten, ihm insbesondere Daten und Angaben von türkischen Asylbewerbern mitteilen, und wie würde die Bundesregierung einen solchen Sachverhalt nach § 99 StGB bewerten? Nach den von der Bundesregierung getroffenen Feststellungen trifft diese Aussage nicht zu. Unter Bezugnahme auf die Fragestunde im Deutschen Bundestag am Mittwoch, dem 18. Mai 1983, darf ich nochmals ausdrücklich betonen, daß sichergestellt ist, daß personenbezogene Angaben, die den Sicherheitsbehörden aus dem Asylverfahren zur Kenntnis gelangen, weder direkt noch indirekt an Behörden, Sicherheitsdienststellen oder sonstige Stellen des Staates weitergegeben werden, in dem der asylsuchende Ausländer nach seiner Behauptung eine politische Verfolgung befürchtet. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1983 687* Anlage 35 Antwort des Staatssekretärs Dr. Fröhlich auf die Frage des Abgeordneten Dr. Kübler (SPD) (Drucksache 10/106 Frage 111): Treffen Meldungen zu, daß Bundesinnenminister Dr. Zimmermann dem neuen Abteilungsleiter im Bundesinnenministerium, Manfred Schreiber, bisheriger Polizeipräsident in München, die Wahrnehmung so weitgehender Nebentätigkeiten genehmigt hat, daß er dazu drei Tage in der Woche in der bayerischen Landeshauptstadt München bleiben kann und seinen Dienst als Abteilungsleiter im Bundesinnenministerium nur zwei Tage in der Woche versieht, und auf welche Rechtsgrundlage stützt die Bundesregierung gegebenenfalls diese Genehmigung? Solche Meldungen treffen natürlich nicht zu. Richtig ist vielmehr, daß Ministerialdirektor Dr. Schreiber mit Genehmigung des Bundesministers des Innern während des Semesters an der Universität München montags von 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr eine Vorlesung über „Kriminologie und Kriminalpolitik" hält und damit eine seit 6 Jahren wahrgenommene Lehrtätigkeit fortführt. Grundlage der Genehmigung der Nebentätigkeit ist § 65 des Bundesbeamtengesetzes in Verbindung mit § 5 der Bundesnebentätigkeitsverordnung. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Fragen des Abgeordneten Fellner (CDU/CSU) (Drucksache 10/106 Fragen 112 und 113): Trifft es zu, daß sich auf der „3. Aktionskonferenz der Friedensbewegung" am 16./17. April 1983 in Köln die Aktionsplanung des sogenannten gewaltfreien Widerstands, die Blockaden, Umzingelungen, Besetzungen und ähnliche gesetzeswidrige Aktionen vorsieht, durchsetzen konnte, und ist bejahendenfalls die Bundesregierung darüber unterrichtet, wie sich dies äußerte? Trifft es zu, daß selbst von Kräften des nicht-Moskauorientierten Linksextremismus, insbesondere der undogmatischen Neuen Linken, der orthodox-kommunistische Einfluß auf die „Friedensbewegung" und die — von ihnen so bezeichnete — „Mehrheit des DKP/SPD-nahen Komitees für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" kritisiert wird, und ist der Bundesregierung bekannt, in welcher Form und aus welchen Gründen dies geschieht? Zu Frage 112: Ja! In der Arbeitsgruppe „Widerstandsaktionen vor den Standorten" bestand offensichtlich Übereinstimmung darüber, daß die „Grenzlinie" bei den Aktionen „auf keinen Fall der Legalismus der Herrschenden" sein dürfe. Dementsprechend wurden Aktionen beschlossen, die u. a. die Besetzung von Kreiswehrersatzämtern und Konsulaten, die „Belagerung" von Behörden, illegale Arbeitsniederlegungen, Umzingelungen, Blockaden und ähnliche Aktionen vorsehen. Für die Ausgestaltung einer sog. „Aktionswoche" vom 15. bis 22. Oktober 1983 wurden folgende zielgruppenorientierte Veranstaltungen ins Auge gefaßt: — 15. Oktober: Dezentrale Auftaktaktionen („Friedensmärsche", Kundgebungen usw.); — 16. Oktober: „Widerstandstag der Kirche" (Beginn von Hungerstreiks, „Friedensgottesdienste"); — 17. Oktober: „Widerstandstag der Frauen" (u. a. Besetzung von Kreiswehrersatzämtern und Konsulaten); — 18. Oktober: „Widerstandstag der Ministerien, Parlamente und Parteien" (eine „Belagerung" der entsprechenden Behörden soll durchgeführt werden); — 19. Oktober: „Widerstandstag der Arbeitnehmer" (Arbeitsniederlegungen); — 20. Oktober: „Widerstandstag der Schulen und Universitäten" (Vorschlag eines bundesweiten Hochschulstreiks); — 21. Oktober: „Tag des Antimilitarismus" (Aktionen vor und in Kreiswehrersatzämtern und militärischen Einrichtungen); — 22. Oktober: „Volksversammlung für den Frieden" (in Bonn und je einem Ort Nord- und Süddeutschlands). Zu Frage 113: Ja! Gruppen der extremistischen „Neuen Linken", die sich selbst am sog. „Friedenskampf" beteiligen, wenden sich seit langem gegen Versuche der DKP und ihrer Neben- und beeinflußten Organisationen, die „Friedensbewegung" möglichst nur auf die Unterstützung der orthodox-kommunistischen Positionen festzulegen. Dabei kritisieren sie insbesondere die Bemühungen orthodoxer Kommunisten, auf Vorbereitungstreffen zu örtlichen, regionalen oder bundesweiten Aktionen andere Gruppen zu majorisieren. Diese Kritik, die in der Besorgnis gründet, die eigenen, gleichfalls extremistischen Positionen im „Friedenskampf" nicht genügend einbringen zu können, führte zu Koordinierungsbemühungen der Gruppen, die sich innerhalb der Friedensbewegung als „unabhängig" oder „autonom" verstehen. Gegen eine Majorisierung u. a. durch die DKP wenden sich insbesondere auch die im Projekt „Bundeskongreß Autonomer Friedensinitiativen" (BAF) zusammengeschlossenen Gruppen. Dazu zählen neben den „gewaltfreien Aktionsgruppen" und weiteren Kräften der undogmatischen „Neuen Linken" auch K-Gruppen und von diesen beeinflußte örtliche Friedensinitiativen. 688* Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode — 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1983 Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Spranger auf die Fragen des Abgeordneten Broll (CDU/CSU) (Drucksache 10/106 Fragen 114 und 115): Trifft es zu, daß die „3. Aktionskonferenz der Friedensbewegung" am 16./17. April 1983 in Köln maßgeblich von Linksextremisten, insbesondere von orthodoxen Kommunisten, beeinflußt wurde, und ist bejahendenfalls die Bundesregierung darüber unterrichtet, wie sich dies äußerte? Ist es zutreffend, daß die orthodox-kommunistischen Kräfte, die die Aufrüstung, den Wehrkundeunterricht an Schulen und andere der Militarisierung der Gesellschaft dienende Maßnahmen in den Ostblockstaaten nicht kritisieren sondern meistens befürworten, auf der „3. Aktionskonferenz der Friedensbewegung" mit der von ihnen verfolgten Politik des „Minimalkonsenses", wonach nur solche Forderungen erhoben werden dürfen, die für die DKP bzw. für die hinter ihr stehende SED und die KPdSU akzeptabel sind, Erfolg hatten? Zu Frage 114: Ja! Eingeladen hatten 6 Organisationen aus dem Trägerkreis der beiden Bonner Großdemonstrationen der sog. Friedensbewegung vom 10. Oktober 1981 und 10. Juni 1982, darunter die DKP-beeinflußte „Deutsche Friedensgesellschaft — Vereinigte Kriegsdienstgegner" (DFG-VK) und die „Vereinigten Deutschen Studentenschaften" (VDS). Die VDS waren auf dem Podium durch Jochen Dietrich, Mitglied des Sekretariats des Bundesvorstandes des orthodox-kommunistischen „Marxistischen Studentenbundes Spartakus" (MSB) vertreten, die DFG-VK durch ihren Bundesvorsitzenden Klaus Mann-hardt, Mitglied des sowjetisch gesteuerten "Weltfriedensrates" (WFR) und des „Büros" des DKP-beeinflußten „Komitees für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit" (KFAZ). Im wesentlichen wurde die Konferenz geleitet von Andreas Zumach, Referent der „Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste e. V." (ASF), und — besonders in kritischen Situationen, z. B. bei der Diskussion um den Aufruftext — von Klaus Mannhardt. Von den Rednern in den 13 Arbeitsgruppen und im Plenum waren weit mehr als die Hälfte linksextremistischen oder linksextremistisch-beeinflußten Organisationen zuzurechnen; dabei hatten die DKP-orientierten Kräfte ein erhebliches Übergewicht. Zu Frage 115: Ja! Der Text eines Aufrufs zu der auf der Konferenz beschlossenen bundesweiten „Aktionswoche" im Oktober 1983 liegt auf der Linie des „Minimalkonsenses" der DKP; d. h. Hauptstoßrichtung bleibt der Kampf gegen die NATO-Nachrüstung, wobei — in Übereinstimmung mit den sowjetischen Forderungen — jede „Zwischenlösung" abgelehnt wird. Forderungen nach einer „Ausgrenzung" der DKP aus der „Friedensbewegung" wurden auf der Kölner Konferenz nicht laut. Deshalb konnte Mechthild Jansen, Mitglied des „Büros" des kommunistischbeeinflußten Komitees für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (KFAZ), feststellen, die Teilnehmer hätten sich „auf das Wesentliche" konzentriert, „ohne daß es zu ähnlichen Ausgrenzungsversuchen wie im Vorjahr anläßlich der kontroversen Polen-Diskussion gekommen wäre". Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Häfele auf die Frage des Abgeordneten Dr. Lammert (CDU/CSU) (Drucksache 10/106 Frage 116): Wie beurteilt die Bundesregierung neuere Vorschläge, Beteiligungen an sogenannten Finanzierungsgesellschaften für Risikokapital, die etwa nach dem Vorbild des amerikanischen „venture-capital" arbeiten und vom Bundesministerium für Forschung und Technologie lizensiert werden sollen, bis zu einem bestimmten Höchstbetrag jährlich als Sonderausgaben steuerlich abzugsfähig zu gestalten und gleichzeitig Gewinnausschüttungen dieser Fonds einkommensteuerfrei zu stellen, um im Gegensatz zu herkömmlichen Abschreibungsgesellschaften einen tatsächlichen Erfolgsanreiz auszuüben? Bereits seit längerer Zeit werden eine Reihe von Möglichkeiten diskutiert, wie die Bereitstellung von Risikokapital insbesondere für junge, innovative Unternehmen erleichtert werden kann. Auch der Sachverständigenrat hat in Textziffer 327 seines Jahresgutachtens 1982/83 eine Öffnung des Sonderausgabenabzugs zur Diskussion gestellt. Die Bundesregierung mißt der ausreichenden Bereitstellung von Risikokapital insbesondere für junge Unternehmen eine hohe Bedeutung zu. Sie hat z. B. mit Wirkung vom 1. Januar 1983 die Förderbedingungen des Eigenkapitalhilfeprogramms wesentlich verbessert. Mit ihren Grundsatzbeschlüssen vom 18. Mai 1983 hat sie ferner Maßnahmen vorgeschlagen, die die Bereitstellung von Risikokapital für Unternehmen anregen und die Investitionsbereitschaft der Wirtschaft fördern. Dazu gehören neben der Entlastung bei der Vermögensteuer und der Verkürzung von Abschreibungsfristen insbesondere erweiterte Sonderabschreibungsmöglichkeiten für kleine und mittlere Betriebe sowie für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen. Ferner ist beabsichtigt, bei der Förderung der Vermögensbildung die Anlage in Produktivkapital in besonderem Maße zu begünstigen. Weitere, darüber hinausgehende Maßnahmen sind derzeit nicht vorgesehen. Eine Förderung von Beteiligungen an sogenannten Finanzierungsgesellschaften für Risikokapital im Rahmen des § 10 EStG würde im übrigen der Zielsetzung des steuerlichen Abzugs von Vorsorgeaufwendungen in besonders sicheren Anlageformen zuwiderlaufen. Ergänzend möchte ich nochmals auf Ausführungen des Sachverständigenrates, und zwar in Textziffer 346, hinweisen, in der er unter anderem betont, daß es in diesem Zusammenhang nicht um die Schaffung neuer Subventionstatbestände im Einkommensteuerrecht gehen sollte. Deutscher Bundestag — 10. Wahlperiode – 12. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10. Juni 1983 689* Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Häfele auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Sperling (SPD) (Drucksache 10/106 Fragen 117 und 118): Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Häfele, daß Bauherrenmodelle „ein echter Grund für öffentliches Ärgernis" sind? Welche konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die vom Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Häfele kritisierten Auswüchse beim Bauherrenmodell einzuschränken, und ist die Bundesregierung bereit, den dazu von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen vorgelegten Gesetzentwurf zu übernehmen? Ich habe vor dem Deutschen Steuerberaterkongreß 1983 am 2. Mai 1983 im Zusammenhang mit Ausführungen zur Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft darauf hingewiesen, daß es nicht so einfach sei, weitere Einschränkungen bei Verlustzuweisungsgesellschaften und Bauherrenmodellen vorzunehmen. Nach der Niederschrift meiner freien Rede habe ich dann gesagt: Denn, meine Damen und Herren, es ist ganz klar, es gibt keinen Zweifel, daß diese Bauherrenmodelle da und dort ein echter Grund für öffentliches Ärgernis sind. Ich werfe niemand vor, wenn er vom Recht Gebrauch macht. Es ist nicht unanständig, in einem Rechtsstaat ein vorhandenes Gesetz möglichst zu seinen Gunsten zu nutzen. Aber ich bitte trotzdem zu verstehen, daß wir erwägen müssen, wenn unser Volk vor schweren Jahren steht, selbst wenn es wirtschaftlich gut geht, und wenn wir eine gemeinschaftliche Anstrengung unseres ganzen Volkes brauchen, ob nicht doch gewisse Auswüchse, diese Ärgernis erregenden Auswüchse hier eingeschränkt werden können, daß es anderen etwas leichter fällt, mitzuziehen. Ich habe dies hier zitiert, damit nicht verkürzte Pressewiedergaben zu Mißverständnissen führen. Die Bundesregierung beabsichtigt deshalb vorzuschlagen, den Sofortabzug des Darlehensabgelds und der anderen Geldbeschaffungskosten auszuschließen und diese Kosten nur verteilt über mehrere Jahre zum Abzug zuzulassen. Darüber hinaus wird die Bundesregierung prüfen, ob weitere gesetzgeberische Maßnahmen nötig sind. In diese Prüfung werden unter anderem die Vorschläge von Nordrhein-Westfalen einbezogen. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Häfele auf die Fragen des Abgeordneten Schulhoff (CDU/CSU) (Drucksache 10/106 Fragen 119 und 120): Welche zusätzlichen Einnahmen werden ab 1984 dadurch erzielt, daß die Abzugsfähigkeit der Geldbeschaffungskosten im Bauherrenmodell auf fünf Jahre gestreckt werden soll, und welche Mindereinnahmen entstehen dem Bund durch eine dadurch erzielte verminderte Bautätigkeit? Welche zusätzlichen Einnahmen werden ab 1984 dadurch erzielt, daß die Abzugsfähigkeit der Geldbeschaffungskosten für eigengenutzte Eigenheime auf fünf Jahre gestreckt werden soll, und welche Mindereinnahmen entstehen dem Bund durch eine dadurch bewirkte verminderte Bautätigkeit? Zu Frage 119: Die Bundesregierung beabsichtigt, den Sofortabzug des Darlehensabgelds bei Bauherrenmodellen auf 5 Jahre zu verteilen. Es könnten dabei Steuermehreinnahmen von 100 bis 150 Millionen Mark im Erstjahr eintreten. In den folgenden Jahren würde dieser Betrag abnehmen bis auf 0. Die Bundesregierung ist nicht der Ansicht, daß die geplante Maßnahme zu einer verminderten Bautätigkeit führen würde. Die Bundesregierung erwartet vielmehr von den erst Ende 1982 im Haushaltsbegleitgesetz 1983 verabschiedeten Maßnahmen zur Förderung der Bautätigkeit eine belebende Anstoßwirkung auf dem Bausektor. Ich nenne zum Beispiel den erweiterten Schuldzinsenabzug für selbstgenutzte Eigenheime sowie die Zinsverbilligung für die Bausparzwischenfinanzierung. Zu Frage 120: Die Bundesregierung prüft, ob die Eigentümer selbstgenutzter Häuser von der vorgesehenen Änderung bei den Bauherrenmodellen ausgenommen werden können. Würden sie nicht ausgenommen, wäre mit Steuermehreinnahmen von mehreren 100 Millionen Mark im Erstjahr zu rechnen. In den folgenden Jahren würde dieser Betrag abnehmen bis auf 0. Auch hier würde die Bundesregierung mit einer verminderten Bautätigkeit nicht rechnen. Auf die günstigen Wirkungen des Wohnungsbauprogramms der Bundesregierung, wie ich sie bei meiner Antwort auf Ihre Frage Nr. 119 erwähnt habe, darf ich mich beziehen.
Gesamtes Protokol
Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001200000
Die Sitzung ist eröffnet.

(Die Abgeordneten erheben sich)

Meine Kolleginnen und Kollegen! Der Deutsche Bundestag trauert um sein ehemaliges Mitglied, den langjährigen parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Josef Rösing. Er starb in Bonn am 7. Juni 1983 unerwartet im Alter von 72 Jahren.
Josef Rösing wurde am 31. Januar 1911 in Beuel geboren. Nach dem Besuch des humanistischen Gymnasiums in Bonn absolvierte er neben einer Tätigkeit in der Industrie das Studium der Nationalökonomie in Köln und in Bonn. Nach dem Krieg aus der Gefangenschaft zurückgekehrt, gehörte Josef Rösing 1945 zu den Mitbegründern der Zentrumspartei, für die er 1948 im Parlamentarischen Rat und seit 1949 im 1. Deutschen Bundestag als parlamentarischer Geschäftsführer tätig war. Im Jahre 1954 trat er der CDU bei.
Von 1954 bis 1961 und von 1965 bis 1972 war Josef Rösing als Abgeordneter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zugleich deren parlamentarischer Geschäftsführer. Auch nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag blieb Rösing in der Verwaltung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und in der KonradAdenauer-Stiftung aktiv tätig.
Josef Rösing gehörte zu den Politikern der ersten Stunde. Wegen seiner festen Grundhaltung und seines unermüdlichen Wirkens im Dienst der Sache genoß er über die Grenzen seiner Partei hinaus Anerkennung und Achtung als ein aufrechter, bescheidener und pflichtbewußter Kollege. Der Deutsche Bundestag wird Josef Rösing ein dankbares und ehrendes Gedenken bewahren. — Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE GRÜNEN hat gemäß Nr. 1 c der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Die Stahlkrise — Vorstellungen der Bundesregierung und ihr Vorgehen in Brüssel" verlangt. Die Aktuelle Stunde ist fristgerecht entsprechend der Nr. 2 b der Richtlinien verlangt worden. Interfraktionell wurde vereinbart, die Aktuelle Stunde jetzt, frühmorgens um 8 Uhr, durchzuführen.
Ich rufe auf:
Aktuelle Stunde
zu dem Thema „Die Stahlkrise — Vorstellungen der Bundesregierung und ihr Vorgehen in Brüssel"
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Burgmann von den GRÜNEN. Ich weise darauf hin, daß ich die fünf Minuten Redezeit jeweils ganz strikt einhalten werde.

Dieter Burgmann (GRÜNE):
Rede ID: ID1001200100
Guten Morgen, meine Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde! Nachdem sich die Wirtschaftsvereinigungen Eisen und Stahl, d. h. die Stahlunternehmen, geäußert und ihre Interessen bei der Bundesregierung angemeldet haben, weil diese nach unseren Informationen am kommenden Dienstag im Kabinett über das weitere Vorgehen im Stahlbereich entscheiden will, waren wir der Meinung, daß es an der Zeit wäre, daß sich auch dieses Parlament einmal mit diesem Punkt beschäftigt, auch wenn wir uns darüber im klaren sind, daß dieses Thema im Rahmen der Aktuellen Stunde nicht ausgeschöpft werden kann.
Wir sind der Meinung, daß die Interessen der Betroffenen und der Gesellschaft insgesamt hier deutlich angesprochen und diskutiert werden müssen, bevor die Bundesregierung entscheidet. Vor allem sollte die Bundesregierung ihre Pläne, über die sie am Dienstag beschließen will, hier zur Diskussion stellen, ehe sie im Rahmen der EG Beschlüsse faßt und Fakten setzt, die dann unter Umständen nicht umkehrbar sind.
Wir haben diese Aktuelle Stunde heute beantragt, da nach Informationen der Stahlindustrie mindestens 33 000 Arbeitsplätze in diesem Bereich abgebaut werden sollen, und wahrscheinlich werden es noch deutlich mehr sein. Das geschieht vor dem Hintergrund, daß bereits seit 1965 über 60 000 Arbeitsplätze in diesem Bereich vernichtet wurden. Dabei sind ganze Regionen bedroht, beispielsweise die Oberpfalz, der Bereich Peine/Salzgitter, das Saarland und das Siegerland.
Die Stahlindustrie spielt nur eine Vorreiterrolle, und wir werden in Kürze ähnliche Entwicklungen in anderen Bereichen, z. B. in der Elektronikindustrie, erleben. Es wurden riesige Überkapazitäten



Burgmann
aufgebaut, und nun sollen die kleinen Betriebe geopfert werden. Tausende von Menschen werden dadurch arbeitslos. Privatwirtschaftlich sieht es sogar so aus, daß die hohen Investitionen für die Rationalisierung natürlich immer stärkere Konzentration an einigen ganz wenigen Stahlorten erfordern. Aber andererseits wird es volkswirtschaftlich dann ein Unsinn, wenn die Entlassenen als Arbeitslose von der Gesellschaft weiter finanziert werden müssen, wenn die zusätzlichen Verkehrsaufkommen getragen werden müssen, wenn die Umweltschäden verkraftet werden müssen und dergleichen.
Die Bundesregierung glaubt auch hier anscheinend an die Selbstheilungskräfte des Marktes und wartet, daß von der Stahlindustrie ein Konzept kommt. Dabei muß klar sein, daß, wenn die Stahlindustrie ein Konzept vorlegt, dabei natürlich die Interessen der Betroffenen zu kurz kommen, daß sie untergehen. Das versteht sich von selbst.
Und so versteht sich auch, daß die drei Milliarden D-Mark, die die Bundesregierung zuschießen will, nicht für die Arbeit, sondern für die Rationalisierung eingesetzt werden, also zur Vernichtung von Arbeitsplätzen führen.
Wir haben deshalb einige ganz wichtige Fragen an die Bundesregierung, wo wir sie bitten, ihren Standpunkt noch heute und hier offenzulegen:
1. Das betrifft einmal die Stahlstandorte. Da ergibt sich die Frage, ob die Standorte Peine/Salzgitter erhalten werden, ob hier eine Entschuldung vorgesehen ist, ob die Maxhütte in Sulzbach-Rosenberg erhalten werden soll und was hier die Koalitionsvereinbarungen im einzelnen vorsehen, wie die Arbeitsplätze der Kollegen in der Oberpfalz gesichert sind und was mit der Stahlindustrie im Saarland ansteht.
2. Wir möchten fragen: Wie steht die Regierung zur Verlängerung des Quotensystems und zu der Höhe?
3. Welches Konzept der Stahlkonzerne bevorzugt die Bundesregierung? Hier liegen j a eine Reihe Vorschläge auf dem Tisch, aus denen man sich einiges auswählen kann.
4. Welche Mittel werden dafür zur Verfügung gestellt?
5. Welche alternativen Arbeitsplätze gibt es?
6. Ist die Regierung bereit, die Betriebsräte an der Quotenfestlegung und am Quotentausch mitbestimmend zu beteiligen genauso wie an den vorgesehenen Rationalisierungsmaßnahmen?
Das Jahresgutachten, das zur Debatte steht, spricht von einem geordneten Rückzug in der Stahlindustrie. An anderer Stelle heißt es — ich zitiere —:
Auf Dauer kommen den Staat Subventionen an die Stahlindustrie teurer zu stehen als die Hinnahme von Arbeitslosigkeit.
Das halten wir für einen unglaublichen Grundsatz. Auch sind dort keine Alternativen aufgezeigt. Der einzige Vorschlag besteht in einer Anpassung der Kapazitäten durch Verkauf von Quoten, durch einen Quotentausch; mit solchen Quoten kann man dann wahrscheinlich ähnlich wie Aktien an der Börse spekulieren. Das hätte natürlich die Konsequenz, daß sich auch da nur die Starken durchsetzen werden und die kleineren Betriebe zerstört werden.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001200200
Herr Kollege!

Dieter Burgmann (GRÜNE):
Rede ID: ID1001200300
Ich komme zum Schluß.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001200400
Sie kommen nicht zum Schluß, die fünf Minuten sind um, Herr Kollege.

(Abg. Burgmann [GRÜNE] versucht weiterzusprechen)

— Herr Kollege, ich bitte Sie, die Ordnung des Hauses zu wahren. Ich habe von Anfang an gesagt, fünf Minuten sind fünf Minuten. Zu sagen „Ich komme zum Schluß", und dann noch zehn Sätze zu sprechen geht nicht. Sie hätten sowieso etwas kürzer Zeit gehabt, wenn Sie die Höflichkeit gegenüber dem Präsidium erwiesen hätten.
Das Wort hat der Kollege Lammert.

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1001200500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der GRÜNEN hat eine Aktuelle Stunde beantragt, nicht zuletzt, um eine Reihe von Informationen einzusammeln, die man natürlich mühelos auch mit dem Instrument der Fragestunde hätte bekommen können. Ein Teil der nachgefragten Informationen ist bereits im Parlamentsprotokoll dieser Woche nachzulesen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Denn auf meine Anfrage nach den Absichten der Regierung zur Ausgestaltung der Beihilferegelung in der Fragestunde dieser Woche hat die Bundesregierung bereits, wie ich meine, sehr präzise Auskünfte gegeben. Das zeigt, daß auch andere Verfahren zur Einsammlung von Informationen möglich sind, ohne daß zu so nachtschlafender Zeit ganze Scharen von Journalisten auf die Pressetribünen getrieben werden müssen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP sowie der SPD — Die Pressetribüne ist fast leer — Frau Beck-Oberdorf [GRÜNE]: Fragen Sie einmal, wann die Arbeiter aufstehen, die in den Stahlhütten arbeiten!)

Die CDU/CSU-Fraktion begrüßt ausdrücklich, daß die Stahlprobleme erstmals Gegenstand eines europäischen Gipfels sein werden. Dies ist in der Tat eine Frage von vitalem politischen Interesse — nicht nur, aber auch für die deutsche Stahlindustrie. Sowohl den Arbeitnehmern wie den Steuerzahlern wäre möglicherweise vieles erspart geblieben, wenn sich frühere Bundesregierungen zu einem früheren Zeitpunkt entschlossen hätten,

(Beifall bei der CDU/CSU)

dieses Problem auf dieser Ebene zum Gegenstand der Äußerungen und ihrer Politik zu machen.

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Fragen Sie den Wirtschaftsminister!)




Dr. Lammert
— Nach meinen Informationen, Herr Wolfram, werden die Gipfeltreffen der Europäischen Gemeinschaft von den Regierungschefs bestritten, und über genau die rede ich im Augenblick.

(Bindig [SPD]: Das ist jetzt doch der Wirtschaftsminister Lambsdorff!)

Ich rede also von der Bereitschaft des im Amt befindlichen Bundeskanzlers, dies nun zum Gegenstand des nächsten europäischen Gipfels in der nächsten Woche zu machen.

(Zurufe von der SPD)

— Herr Wolfram, Sie werden sicher gleich noch Gelegenheit zu einer eindrucksvollen Rechtfertigung der Versäumnisse Ihrer Regierung Gelegenheit haben; das müssen wir doch nicht jetzt in meiner Redezeit abwickeln.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Regierung setzt damit — wir begrüßen das ausdrücklich und unterstützen es — offensichtlich die Linie fort, der sie bei ihrer ersten europapolitischen Entscheidung überhaupt, der Entscheidung zur Beendigung des monatelangen europäisch-amerikanischen Stahlkrieges im Oktober vergangenen Jahres, gefolgt ist. Damals hat die Bundesregierung — für manche Kommentatoren überraschend — eine sehr harte und eindeutige Verhandlungsposition im europäischen Stahlpoker bezogen, sie hat nach den leidvollen Erfahrungen der letzten Jahre auf fairen und verbindlichen Abmachungen bestanden und für die deutschen Stahlunternehmen für die Zukunft angemessene Quoten am US-Markt durchgesetzt.
Viele Zeitungen, gerade ausländische, haben damals mit einer gewissen Verblüffung registriert, daß die Vertretung der deutschen Interessen in Brüssel an Konsequenz und Härte gewonnen hat. Wir stellen fest, daß sich die Nachbarländer auch in Zukunft darauf einstellen können, daß sich die deutsche Regierung europäischen Lösungen nicht verweigern wird, aber künftig nicht mehr zu beliebigen Bedingungen und auch nicht unter unklaren und unverbindlichen Voraussetzungen.
Dies wird in der Tat gerade bei den anstehenden Entscheidungen auf europäischer Ebene erforderlich sein. Das gilt sowohl für die Quotenregelung als auch für die Beihilferegelung. Zu beiden Themen hat sich der Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages in einer Sondersitzung am 21. Februar dieses Jahres sehr ausführlich geäußert; deswegen will ich es an dieser Stelle mit diesem Verweis bewenden lassen.
In diesen Verhandlungen wird die Bundesregierung ganz sicher Wert darauf legen — und legen müssen —, daß bei den unvermeidlichen Anpassungsmaßnahmen und beim Kapazitätsabbau der Zusammenhang zwischen der Höhe der Beihilfen auf der einen Seite und den Auflagen zum Kapazitätsabbau auf der anderen Seite aufrechterhalten wird. Das heißt, es muß nach dem Grundsatz verfahren werden: Wer viel an öffentlichen Beihilfen bekommt, der muß auch in hohem Maße Kapazitäten abbauen, und wer nur wenig an öffentlichen
Beihilfen bekommt, der kann nicht in gleichem Maße durch Auflagen zu einem Kapazitätsabbau gezwungen werden, der auf Grund der Rentabilitätslage nicht in jedem Fall unbedingt erforderlich erscheint.
Meine Damen und Herren, im Kabinett stehen in der nächsten Woche Entscheidungen über die Ausgestaltung der nationalen Beihilferegelungen an. Die Bundesregierung hat über ihre Absichten bereits in dieser Woche Auskunft gegeben. Wir bestätigen ihre Einschätzung, daß die konkrete Ausgestaltung der Umstrukturierungsmaßnahmen von den betroffenen Unternehmen durchgeführt werden muß. Dies ist im übrigen auch auf seiten der SPD-Fraktion zumindest so lange nicht bestritten gewesen, wie Helmut Schmidt Kanzler gewesen ist. Wir warten mit einem gewissen Interesse auf die Einlassungen in dieser Diskussion, was die künftigen Einschätzungen dieses Problems angeht.
Wir halten daran fest, daß die Bundesregierung den Umstrukturierungsprozeß mit öffentlichen Unterstützungsmaßnahmen begleiten muß, daß diese aber in der Sache wie in der Höhe nur in dem Maße gerechtfertigt sind, wie mit ihrer Hilfe dauerhafte rentable Arbeitsplätze — ohne das Risiko von Dauersubventionen — entstehen. — Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001200600
Das Wort hat der Kollege Grobecker.

Claus Grobecker (SPD):
Rede ID: ID1001200700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße durchaus, daß wir uns auch einmal um 8 Uhr morgens über eine so wichtige Frage unterhalten.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist vielleicht ganz gut, vielleicht besser, als wenn es um 24 Uhr geschieht, was wir auch oft genug erlebt haben.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, was sich da in den letzten Wochen und Monaten als Stahlarie abgespielt hat, ist ja nur scheinbar ein absurdes Theater, denn der völlige Verzicht auf eine Meinung, der völlige Verzicht auf eine Konzeption, der völlige Verzicht auf eine Industriepolitik und das wochenlange Abwarten der Bundesregierung verraten nicht etwa deren Hilflosigkeit, sondern deren Befangenheit in einer Marktideologie. Dahinter steht nach unserer Einschätzung die Ansicht: Einer muß ausscheiden, und dann ist die Situation beim Stahl geregelt. „Einer muß ausscheiden", das steht hinter diesem Abwarten, hinter diesem Zuwarten; es steht die Auffassung dahinter, daß der Markt das schon regelt, wenn einer von denen, die auf der Matte stehen, ausscheidet.



Grobecker
Gleichzeitig verrät das eine wirklich tiefsitzende Ignoranz gegenüber den Arbeitnehmern in den betroffenen Produktionsstandorten.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Herr Bundesminister, durch Ihr Abwarten verhalten Sie sich nicht neutral gegenüber den Stahlkonzernen. Sie ergreifen Partei. Sie ergreifen Partei für den Stärkeren; denn je länger Sie abwarten, je eher wird klar, daß einer ausscheiden muß. Ich bin hier nicht der Sprecher von Klöckner, sondern der Arbeitnehmer, die dort beschäftigt sind.

(Beifall bei der SPD)

Die betroffenen Arbeiter können nichts dafür, daß sie bei Klöckner in Osnabrück oder in Bremen oder sonstwo arbeiten. Sie haben keine Chance, woanders ihr Geld zu verdienen. Äußern Sie sich deshalb in dieser Aktuellen Stunde zur Standortfrage. Das muß man erwarten können. Sie müssen sich dazu äußern, damit wir, d. h. diejenigen, die aus einer gebeutelten Region kommen — ich komme z. B. aus dem Unterwesergebiet — wissen, was los ist, damit die Stahlarbeiter, die Schiffbauer, die Fischer, die Hafenarbeiter und die Flugzeugbauer wissen, wo es langgeht. Sie wissen, wovon ich spreche, wenn ich von der Unterweserregion rede. Sagen Sie hier, ob Sie das modernste Stahlwerk am seeschifftiefen Wasser abgeschrieben haben. Sagen Sie hier, ob Sie die Auffassung, die Ihnen Ihre Beamten in einem Vermerk aufgeschrieben haben, daß Klöckner nicht mehr zu retten sei, teilen. Sagen Sie, ob Sie glauben, so handeln zu müssen.
Jedenfalls denke ich, daß diese Aktuelle Stunde durchaus Anlaß ist, kurz vor wichtigen Entscheidungen hier von Ihnen Äußerungen über Ihre Absichten zu bekommen. — Danke schön.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001200800
Das Wort hat der Herr Kollege Beckmann.

Klaus Beckmann (FDP):
Rede ID: ID1001200900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die FDP-Bundestagsfraktion ist dem Bundeswirtschaftsminister besonders dankbar, daß es ihm auf Grund seiner beharrlichen Bemühungen, seines ständigen Drängens gelungen ist, den EG-Ministerrat zu einem Grundsatzbeschluß über die Verlängerung des Produktionsquotensystems zu bewegen. Die Fraktion äußert die Hoffnung und die Erwartung, daß es während der nächsten Sitzung des EG-Ministerrats über das Thema „Stahl" in der kommenden Woche gelingen wird, das Quotensystem im Detail zu akzeptablen Bedingungen zu verlängern. „Akzeptabel" heißt, daß das System ohne Einbußen des deutschen Produktionsanteils in der EG verlängert wird. Gelingt dies nicht — das muß man klar sehen —, kommt es zu einem neuen Preiszusammenbruch, den unter Umständen einige deutsche Unternehmen aus eigener Kraft nicht mehr überstehen können. Ihr Zusammenbruch könnte dann nur durch hohe Ausgleichssubventionen, die sich schon aus Haushaltsgründen verbieten, oder durch
Schutzmaßnahmen nach Art. 37 EGKS-Vertrag, abgewendet werden.
Hier geht es um vitale innenpolitische deutsche Interessen, und es ist zu hoffen, daß auch die übrigen EG-Partner zu Kompromissen fähig sind. Sonst würde nämlich bei uns unvermeidlich das Nachdenken über bisher undenkbare Maßnahmen einsetzen, um die deutschen Stahlregionen vor Kahlschlägen zu schützen. Dies wäre nicht nur aus ordnungspolitischen Erwägungen, sondern auch für die wirtschaftliche Erholung in der EG eine verhängnisvolle Entwicklung.
Dies, so meine ich jedenfalls, ist ein klares Konzept. Es beläßt die Verantwortung dort, wo sie hingehört: bei den Unternehmen im Hinblick auf die Erarbeitung von Umstrukturierungsplänen und bei der Bundesregierung sowie bei den Landesregierungen bezüglich Überlegungen zur Festlegung des Quotensystems und zur Bereitstellung finanzieller Hilfen.
Daher ist auch der Vorwurf, den die SPD-Bundestagsfraktion im Anschluß an ihr Stahl-Hearing vor einigen Wochen erhoben hat, wonach der Bundeswirtschaftsminister seine Verantwortung in Richtung auf Brüssel und auf die Unternehmen abschieben wolle, unrichtig und irreführend.

(Roth [SPD]: Das wissen Sie ja selber! — Beifall bei der SPD)

Tatsache ist vielmehr, meine verehrten Kollegen, daß er seiner Verantwortung in Brüssel mehr als gerecht geworden ist. Auf die Verantwortung der Länder — insbesondere des Landes Nordrhein-Westfalen —, werde ich allerdings gleich noch zu sprechen kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und bei der CDU/CSU)

Aber der von der SPD vorgezeichnete Weg ist auch noch aus anderen Gründen verhängnisvoll: Er öffnet finanziellen Ansprüchen Tür und Tor.
Dagegen sieht es die FDP-Bundestagsfraktion als verdienstvoll an, daß die Bundesregierung bereit ist, zusammen mit den Ländern 3 Milliarden DM für flankierende Hilfen zur Verfügung zu stellen. In diesem Zusammenhang spielt allerdings die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen eine besonders traurige Rolle.

(Wissmann [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Nicht nur, daß Ministerpräsident Rau nach allen Seiten beschwichtigt und hofft, mit dieser Hängepartie über die Landtagswahlen 1985 zu kommen, nein, die Landesregierung weigert sich sogar — allerdings genauso wie die Regierungen von Bremen und Niedersachsen, das muß ich hinzufügen —, sich zu Hälfte an der Finanzierung der flankierenden Maßnahmen zu beteiligen.
Wie es anders gehen soll, sagt die Landesregierung in Düsseldorf leider nicht. Diese Haltung der SPD-Regierung in Düsseldorf ist unverantwortlich, vor allen Dingen gegenüber den Stahlarbeitern und allen anderen Bürgern im Ruhrgebiet, die betroffen sind. Sie erwarten zu Recht, daß auch die SPD-Lan-



Beckmann
desregierung endlich handelt und wie die anderen Landesregierungen ihrer regional- und strukturpolitischen Verantwortung gerecht wird.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Demgegenüber steht das Konzept der Bundesregierung, das von der FDP-Bundestagsfraktion voll mitgetragen wird. Meine Damen und Herren, die Unternehmen haben ein Umstrukturierungskonzept vorzulegen, verantwortlich zu tragen und auch entschlossen zu realisieren.

(Beifall bei der FDP)

Mit dem Konzept muß die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Stahlindustrie verbessert und Dauerarbeitsplätze müssen gesichert werden. Zu regionalen Kahlschlägen darf es nicht kommen.
Die Bundesregierung und die betroffenen Landesregierungen müssen gemeinsam zur Hälfte die Umstrukturierung finanziell flankieren. Die Bundesregierung muß in Brüssel entschieden und entschlossen auf den Abbau der Stahlsubventionen in den übrigen Mitgliedstaaten drängen. Nur auf diesem Wege kann die europäische Stahlkrise mittelfristig überwunden werden.
Auf Grund der vitalen Interessen der Bundesrepublik Deutschland an der Lösung der Stahlkrise bittet die FDP-Bundestagsfraktion die Bundesregierung, auf dem EG-Gipfel in der nächsten Woche in Stuttgart die europäische Lösung der Stahlkrise zu einem der zentralen Beratungs- und Entscheidungspunkte zu machen. Es kann in diesem Problembereich nicht darauf hinauslaufen, daß die Bundesrepublik mit dem Rücken an die Wand gestellt wird. Es kann nicht angehen, daß dasjenige Land, das am wenigsten subventioniert, beim Abbau der Beschäftigung und der Kapazitäten die meisten Opfer bringen soll.

(Glocke des Präsidenten)

Es kann auch nicht angehen, daß es auf Drängen einiger Mitgliedstaaten zu höheren Quoten kommt. — Ich bedanke mich.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001201000
Es tut mir leid, aber die Geschäftsordnung ist hier zwingend und erlaubt für niemanden eine Ausnahme.
Das Wort hat der Bundesminister für Wirtschaft.

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID1001201100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es in der Tat mit einer schwierigen Frage zu tun. Ich begrüße die Möglichkeit, in dieser Aktuellen Stunde, bei der ich ebenfalls versuchen will, mich an die fünf Minuten zu halten, auf einige Fragen Antwort geben zu können, und zwar zu einem Zeitpunkt, in dem sowohl die Regierung entscheiden muß und in dem sich der Europäische Rat und der Ministerrat der Europäischen Gemeinschaft mit der Stahlproblematik zu befassen haben.
Hier, Herr Burgmann und Herr Grobecker, liegt mein erster Ansatzpunkt. Wenn Sie die Stahlpolitik diskutieren wollen, ohne Europa zu erwähnen, dann können Sie Ihre Beiträge vergessen, dann hat die Sache überhaupt gar keinen Sinn.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Zweitens. Daß kleine Betriebe geopfert werden sollten, wie Herr Burgmann sagt, ist falsch. Daß die Bundesregierung an die Selbstheilungskräfte des Marktes glaubt, erzählen Sie zwar immer wieder, das tun wir schon in anderen Bereichen nicht — —(Zuruf von der SPD: Sie erzählen es dauernd!)

— Nein, nie erzähle ich das. Sie haben es noch nicht ein einziges Mal von mir gehört, nur trägt Ihre Rederei dauernd dazu bei. Sie behaupten das.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

In keinem einzigen Zusammenhang haben Sie diesen Ausdruck jemals von mir gehört, und Sie wissen das auch ganz genau.

(Zuruf von der SPD: Dirigist!)

Daß in diesem Falle nun schon von Markt überhaupt nicht mehr gesprochen werden kann, weil der Stahl, solange er in Europa produziert wird, mit Preislisten und Rabatten und hinterlegten Preislisten in Luxemburg aus der Marktwirtschaft herausgenommen worden ist,

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

wissen Sie alle doch ganz genau, oder Sie haben es vergessen und wissen es nicht. Dann reden Sie nicht von unserer Ignoranz, sondern bescheinigen Sie sich Ihre eigene!

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, es ist gesagt worden, die Bundesregierung wolle 3 Milliarden DM zuschießen. Das will sie nicht. Die öffentlichen Hände insgesamt sollen 3 Milliarden DM zur Verfügung stellen; die Bundesregierung trägt die Hälfte. Ohne die Beteiligung der Länder mit 50 % wird es aus der Kasse der Bundesregierung keine müde Mark geben. Ich bestätige das hier noch einmal.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ob die Betriebsräte an Quotenfestlegung und Quotentausch beteiligt werden, entscheidet nicht die Bundesregierung, Herr Burgmann, sondern das entscheidet sich nach dem Mitbestimmungsgesetz. Das ist nicht unsere Sache. Wir sind nicht das Stahloberunternehmen oder der Stahloberaufsichtsrat oder -obervorstand der Bundesrepublik, meine Damen und Herren, und wir wollen es auch nicht werden.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ein Punkt scheint mir ganz wesentlich zu sein. Ich will ihn hier in erster Linie erwähnen. In den nächsten Wochen — ich sagte das schon — wird in Europa über diese Frage diskutiert werden. Die Bundesregierung hat am 25. April 1983 im Ministerrat einen Grundsatzbeschluß erreicht, wonach bei der Verlängerung der Quotenregelung außer der bereits durchgeführten Umstrukturierung auch die



Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
gewährten Beihilfen berücksichtigt werden sollen. In diesem Punkt besteht übrigens volles Einvernehmen mit der deutschen Stahlindustrie. Realistisch erscheint eine Verlängerung des bestehenden Systems — so wie es steht und liegt — mit mehr Flexibilität bezüglich der genannten Kriterien und mit größerer Transparenz in der Umsetzung durch die europäische Kommission.
Eine befriedigende Regelung dieser Frage ist für die deutsche Stahlindustrie und für die Bundesregierung von vitaler Bedeutung. Der Bundeskanzler wird deshalb die Stahlpolitik zu einem Thema des Europäischen Rates machen. Eine Lösung der Stahlfrage ist Voraussetzung dafür, daß die Bundesregierung eventuellen Beschlüssen über die zukünftige Finanzierung der EG zustimmen kann. Verschiebung der Marktanteile in Europa und subventionierte Preise, gegen die wir uns nicht schützen könnten, hätten schwerwiegende Folgen für die Beschäftigung und damit auch finanzielle Konsequenzen für den Haushalt. Ich halte es nicht für möglich, über die zukünftige Finanzierung der Gemeinschaft nachzudenken, wenn durch fehlende Einigung auf dem Stahlmarkt neue finanzielle Risiken geschaffen werden. — Danke sehr.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001201200
Das Wort hat der Kollege Roth.

Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID1001201300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Graf Lambsdorff, nach Ihrem Prinzip „Angriff ist die beste Verteidigung" haben Sie nun versucht, die SPD zu attackieren und nicht zu eigenen Problemen Stellung zu nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Erste Frage. Es ist wirklich — ich muß mich da zusammennehmen, um nicht schärfer zu argumentieren — ein starkes Stück, heute morgen hier an dieses Pult zu gehen und nicht darüber zu reden, welche Konsequenzen Sie daraus ziehen, daß Ihre eigene Monopolkommission gestern erklärt hat, die Zusammenfassung von Thyssen und Krupp sei wettbewerbswidrig und deshalb werde die Monopolkommission dagegen auftreten. Gestern ist das geschehen. Ihre ganzen stahlpolitischen Überlegungen sind von der Monopolkommission gestern in Frage gestellt worden. Heute früh geht der Graf Lambsdorff, geht der Wirtschaftsminister hierher und erwähnt das Gutachten der Monopolkommission nicht einmal.

(Wissmann [CDU/CSU]: Und die nordrhein-westfälische Landesregierung?!)

Die zweite Frage, die sich ergibt. Jeder, der die Entwicklung der Stahlindustrie verfolgt, weiß, daß bei der derzeitigen Entwicklung — Thyssen und Krupp gehen zusammen, und die übrigen Unternehmen bleiben allein — und bei der finanziellen Lage des Landes Bremen der Klöckner-Konzern in kurzer Zeit aus dem Markt ausscheiden wird. Das bedeutet nicht nur für viele Arbeitnehmer an verschiedenen Standorten eine verhängnisvolle Entwicklung, sondern das bedeutet für den Standort Bremen nach meiner Überzeugung eine Wirtschaftskatastrophe, wie wir sie in der Bundesrepublik Deutschland in einer Region noch nicht gehabt haben.
Zu diesem Sachverhalt, der in internen Papieren des Bundeswirtschaftsministeriums ganz offen dargestellt wird — das wird der Bundesminister auch gar nicht bestreiten können; er wird auch vorsichtig genug sein, das nicht zu bestreiten —, sagt der Wirtschaftsminister überhaupt nichts.

(Hört! Hört! bei der SPD — Zuruf des Abg. Wolfram [Recklinghausen] [SPD])

Er sagt nichts zu der Tatsache, daß im EG-Rahmen die Quoten noch keinesfalls gesichert sind. Er sagt nichts zu der Tatsache, daß er sich selber bei den Verhandlungen über Quoten weitgehend herausgehalten hat. Stimmt es eigentlich, Herr Wirtschaftsminister, daß Sie sich bei Abstimmungen über Quoten überhaupt nicht beteiligen, weil Sie Quotenregelungen aus dem Grundsatz heraus ablehnen? Jedenfalls wurde das mehrfach von befreundeten Kollegen in anderen Regierungen der westlichen Länder so gesagt.

(Wissmann [CDU/CSU]: Was schlägt die SPD vor?)

Die Bundesregierung hat sich in den letzten Jahren — und hier gibt es in der Tat eine Kontinuität, die ich ständig kritisiert habe — unter der Führung des Wirtschaftsministers aus einem klaren Stahlkonzept herausgehalten. Die einzige Aktivität von Graf Lambsdorff in den letzten Jahren war es, andere Regierungen wegen Subventionen anzugreifen. So richtig diese Position war, andere wegen Subventionen anzugreifen, hätte man für Deutschland ein Strukturkonzept gebraucht.

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Wie war das bei Helmut Schmidt?)

Dieses Strukturkonzept könnte nicht anders aussehen, als daß mindestens zwei lebensfähige Konzerne hätten gebildet werden müssen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das hat Herr Schmidt nicht gewußt?)

Eben dies hat Graf Lambsdorff ständig sabotiert. Sprechen Sie einmal mit den Unternehmen! Sprechen Sie insbesondere mit den Arbeitnehmern in der Stahlindustrie! Sie sind sich bewußt, daß durch dauerndes Hinhalten hier eine Katastrophe vorbereitet worden ist. Diese Verantwortung trägt Graf Lambsdorff und niemand sonst.
Wir als Sozialdemokraten werden in den nächsten Wochen, weil diese Bundesregierung nicht bereit ist, ein Stahlkonzept vorzulegen, ein eigenes Stahlkonzept hier in der Bundesrepublik Deutschland zur Debatte stellen.
Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Wer hat denn in den letzten 13 Jahren regiert?! — Reddemann [CDU/ CSU]: Daß der Roth so schwach ist, hätte ich auch nicht angenommen!)





Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001201400
Das Wort hat der Kollege Dr. Jobst.

Dr. Dionys Jobst (CSU):
Rede ID: ID1001201500
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Roth, wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Im übrigen sollten Sie sich besser informieren. Zweitens habe ich heute ein Konzept von Ihnen, von der SPD, vermißt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir sind dem Bundeswirtschaftsminister sehr dankbar, daß er heute erneut bekräftigt hat, daß die Bundesregierung national und auf der EG-Ebene alles unternehmen wird, um die deutsche Stahlindustrie zu sichern.
Die deutsche Stahlindustrie und die dort vorhandenen Arbeitsplätze sind in einer sehr ernsten und bedrohlichen Situation. Ich glaube, wir müssen heute bekräftigen, daß die deutsche Stahlindustrie nicht auf dem Altar Europa geopfert werden darf. Unsere Stahlindustrie hat bereits erhebliche Kapazitäts- und Beschäftigungsopfer gebracht. Sie braucht jetzt in diesem europäischen Subventionswettbewerb, in dem wir uns befinden, auch die politische Unterstützung. Wir wissen, daß die deutsche Stahlindustrie bei der Quotenregelung der EG erheblich benachteiligt worden ist und ein weiteres Sinken dieser Quoten nicht mehr hinnehmbar ist.
Die neue Bundesregierung bemüht sich dankenswerterweise jetzt um eine Lösung der Probleme der Stahlindustrie.

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Hat der Graf vorher geschlafen?)

Diese Probleme sind ernst und dringlich. Es geht um einen wichtigen Wirtschaftsbereich. Es geht um eine große Zahl von Arbeitsplätzen. Es geht auch um wichtige regionale Strukturprobleme.

(Zuruf von der SPD: Wo ist denn Ihr Konzept?)

Deshalb ist es wichtig, daß wir die Zusicherung haben, daß alles unternommen wird, um der deutschen Stahlindustrie zu helfen.

(Zuruf von der SPD: Blabla!)

Ich stelle einige regionale Gesichtspunkte heraus. Der Stahlstandort Oberpfalz mit dem Unternehmen Maxhütte ist in dieser revierfernen Region von ganz großer Bedeutung.

(Zuruf von der SPD: Donnerwetter!)

Zu diesen über 6 000 Arbeitsplätzen in der mittleren Oberpfalz gibt es derzeit keine Alternative. Die mittlere Oberpfalz ist in den letzten Jahren erheblich gebeutelt worden. Sie hat viele Arbeitsplätze verloren, einen ganzen Betrieb der Braunkohleindustrie durch Auslaufen der Kohle, durch Umstrukturierung von Großbetrieben und durch Rückzug von Bundesunternehmen, insbesondere der Bundesbahn.
Die Stillegung der Maxhütte würde für diese Region bedeuten, daß die Arbeitslosigkeit von derzeit 13,5 auf über 20 % steigen würde, und würde einen
Einkommensverlust von jährlich 185 Millionen DM herbeiführen.
Wir sind dankbar, daß in der Koalitionsvereinbarung festgelegt wurde, daß der Stahlstandort Oberpfalz mit dem Unternehmen Maxhütte gesichert werden muß. Dafür danke ich insbesondere dem Bundeskanzler.
Das Unternehmen Maxhütte in dieser revierfernen Region hat eine Zukunft. Es ist das einzige integrierte Eisen- und Stahlwerk mit einer Erzbasis, mit dem süddeutschen Markt vor der Haustür. Die Maxhütte hat ein Zukunftskonzept entwickelt, nämlich ein Investitionsstrukturprogramm, das durchgeführt werden muß.
Aber wichtig ist, daß die Produktionspalette nicht beschnitten wird. Es darf nicht der Vorschlag der Moderatoren verwirklicht werden. Denn dieser Vorschlag würde den Untergang des Unternehmens, den Tod auf Raten bedeuten.
Die bayerische Staatsregierung steht hinter dem Konzept der Maxhütte. Ich bin dem Bundeswirtschaftsminister dankbar, daß er das MaxhüttenKonzept nach Brüssel weitergegeben hat. Die bayerische Staatsregierung ist zur Mitfinanzierung dieses Konzepts bereit unter der Voraussetzung, daß die anderen Länder mitmachen.
Ich bitte Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister — und ich fordere die Bundesregierung auf —, alle Schritte zu unternehmen, um die Existenz der deutschen Stahlindustrie und auch die Existenz des Unternehmens Maxhütte zu sichern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001201600
Das Wort hat der Kollege Zeitler.

Werner Zeitler (SPD):
Rede ID: ID1001201700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will dem Kollegen Lammert, der meint, die neue Bundesregierung sei doch gar nicht verantwortlich zu machen, sagen: Hier sitzt derselbe Wirtschaftsminister wie zu unserer Regierungszeit. Er verwaltet seinen Nachlaß. Daher werfen wir ihm zu Recht vor, was ihm vorgeworfen werden muß.

(Beifall bei der SPD)

Herr Bundeswirtschaftsminister, eine deutsche Stahlpolitik ist nicht möglich, wenn es nicht gelingt, in der EG Preisdisziplin zu wahren, den Marktanteil durch bessere Quotenregelungen zu sichern — eben hat mein Vorredner selber eingestanden, daß es mit der Quotenregelung nicht in Ordnung ist — und endlich sämtliche EG-Partner auf die Einhaltung des Subventionskodex zu verpflichten. Ich sage Ihnen: Das ist nicht nur unsere Meinung, das ist mittlerweile die Meinung der Unternehmer der deutschen Eisen- und Stahlindustrie ebenso wie der Industriegewerkschaft Metall. Werden Sie dort also tätig.
Sie sind seit 1977 durch Betriebsräte, durch Arbeitsdirektoren, die seitdem in Bonn gewesen sind, darauf hingewiesen worden, was sich in der Stahlindustrie entwickelt. Sie sind nicht tätig geworden. Im Gegenteil: Sie haben uns doch im Wirtschafts-



Zeitler
ausschuß, in Gesprächen immer wieder gesagt, Sie seien der Meinung, gerade die deutsche Bundesregierung habe den Wettbewerb zu verteidigen. Sie haben zugelassen, daß die deutsche Stahlindustrie durch einen verzerrten Wettbewerb in anderen Ländern in Unordnung gebracht worden ist.
Die Stahlarbeiter an der Ruhr haben ein Recht darauf, von Ihnen zu verlangen, ihre Interessen anders zu vertreten.

(Beifall bei der SPD)

Die Stahlarbeiter an der Ruhr und anderswo haben nach dem Krieg beim Wiederaufbau des Landes Unsägliches geleistet. Sie haben in zerstörten Städten, in zerstörten Wohnungen gelebt und unter schlimmsten Lebensbedingungen höchste Arbeitsleistungen erbracht. Deshalb haben sie heute das Recht, daß man sich um sie kümmert und ihre Angelegenheiten in Ordnung gebracht werden.

(Beifall bei der SPD)

Bei Ihnen, Graf Lambsdorff, war immer eine Art Wettbewerbsfanatismus zu spüren, wenn es darum ging, in der EG dafür zu sorgen, daß endlich andere Verhältnisse eintreten. Ich meine, das hätten Sie in Ordnung zu bringen.
Wenn uns in den letzten Tagen gesagt worden ist, daß die Regierungen in anderen Ländern — in Belgien, Frankreich, Italien, Großbritannien — allein seit 1980 mehr als 40 Milliarden DM an Subventionen ihren Stahlindustrien geleistet hätten, kann ich nur feststellen: Der von Ihnen verteidigte Subventionskodex ist längst nicht mehr in Ordnung, er funktioniert nicht. Ich meine, daß es dann gerecht ist, wenn Sie in der Bundesrepublik mit Hilfen rüberkommen.
Wenn wir allerdings hören, daß Sie 3 Milliarden DM als eine Art Stillegungsprämie über das Land rieseln lassen wollen — möglicherweise sogar mit der Gießkanne —, muß ich sagen, daß Sie entweder früher verteidigte Konzepte aufgegeben haben oder nicht mehr wollen. Da gab es einmal die Überlegung, tragfähige unternehmensübergreifende Konzepte zu erarbeiten. Alles, was mit diesen Überlegungen im Zusammenhang stand, haben wir durchaus akzeptiert. Sie haben das dann aufgegeben.
Unsere Vorstellungen liegen auf dem Tisch. Die Stahlstandorte sind zu erhalten. Stahlstandorte erhalten heißt, daß die Rohstoffbasis und in gleicher Weise die Weiterverarbeitung erhalten werden. Das gilt insbesondere für die Unternehmen des Ruhrgebiets.
Am 30. Juni 1982 haben Sie in einen Kabinettsbeschluß geschrieben, daß Hoesch durch Kapazitätsstillegung und Freisetzung von Beschäftigten bereits erhebliche Vorleistungen zur Gesundung des Stahlmarktes erbracht habe. Wenn das so ist —das gilt mittlerweile ja auch für andere Unternehmungen, wie wir nachlesen können —, ist von Ihnen zu verlangen, daß Sie tätig werden. Die Stahlarbeiter an der Ruhr und anderswo haben ein Recht auf Klarheit.

(Zustimmung bei der SPD)

Wenn Sie aus Ihrem Haus verlauten lassen, dem deutschen Steuerzahler könne nicht mehr zugemutet werden, wenn der Verband der Eisen- und Stahlindustrie sagt, vielleicht wären statt 3 Milliarden DM 4,5 Milliarden DM notwendig, dann darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß das Steuerzahler sind. Ich denke, Sie übersehen bei Ihrer Argumentation, daß der Steuerzahler später größere Schäden beheben muß, wenn Sie ganze Regionen ausbluten lassen, wenn Sie nicht dafür sorgen, daß endlich etwas passiert.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe gestern in der „Westfälischen Rundschau" über einem Kommentar gelesen: „Vor dem Gemetzel". In der deutschen Stahlindustrie wird es ein Gemetzel geben, wenn Sie nicht endlich anfangen, in der EG mannhaft Wettbewerb herzustellen, oder aber sagen — wenn Sie dazu nicht bereit sind —, als Ausgleich für den verfälschten Wettbewerb werde die Bundesregierung die Stahlindustrie schnell und zügig in Ordnung bringen, sie werde dafür sorgen, daß Regionen wie beispielsweise die von Dortmund bis Duisburg nicht kaputtgehen müßten. Denn wenn die bisherige Politik fortgeführt wird, muß der wichtigste Wirtschaftszweig Stahl kaputtgehen.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001201800
Das Wort hat der Kollege Breuer.

Paul Breuer (CDU):
Rede ID: ID1001201900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß das Thema „Stahlwirtschaft in der Bundesrepublik" kein Objekt für parteiliche Popularitätssteigerungen ist.

(Zurufe von der SPD)

Bei der Debatte des heutigen Morgens geht es offenbar darum, den Schwarzen Peter der Bundesregierung zuzuschieben.

(Reddemann [CDU/CSU]: Roter Peter! — Zurufe von der SPD)

Wenn von der Bundesregierung ein Strukturkonzept verlangt wird, muß erwidert werden: Dieses Strukturkonzept hätte seit 1976 — da waren die Probleme nämlich auch schon vorhanden — auf dem Tisch liegen müssen.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Schmidtchen Schleicher! — Zuruf des Abg. Reddemann [CDU/CSU] — Zurufe von der SPD)

Mittlerweile gewinnt die Beihilfe der Bundesregierung in Verbindung mit der Unterstützung durch die Bundesländer an Gewicht. Gerade die Diskussion darüber finde ich sehr interessant. Es ist schon interessant zu hören, daß die 3 Milliarden DM Beihilfen, die vom Bund und den Ländern an die Stahlunternehmen gegeben werden sollen, von der SPD — der Kollege Zeitler hat das hier eben wiederholt — als „Abwrackprämie" diffamiert werden.
In der „Westfälischen Rundschau" vom 20. Mai wird der Kollege Peter Reuschenbach zitiert. Dort heißt es — ich zitiere —: „Einer solchen Zielsetzung, die eher als Sterbehilfe denn als Unterstützung be-



Breuer
zeichnet werden müsse, könne nicht energisch genug widersprochen werden."

(Beifall bei der SPD)

— Es ist sehr gut, daß Sie dazu Beifall klatschen. Ich kann Ihnen sagen, was die Betriebsräte davon halten. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende der Krupp Stahl AG, Herr Schröder, hat in einem Brief an Ihren Fraktionsvorsitzenden, an Herrn Dr. Hans-Jochen Vogel,

(Zuruf von der CDU/CSU: Wandervogel!) folgendes geschrieben:

Wie wir einer Pressemitteilung in der „Westfälischen Rundschau" vom 20. Mai 1983 entnommen haben, sind einige Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion der Auffassung, daß die Sozialplankosten einen sogenannten „Abwrackcharakter" besitzen und deshalb nicht förderungswürdig seien. Wir, die Mehrheit des Gesamtbetriebsrats der Krupp Stahl AG, können diese Ansicht, falls die Pressemitteilung der Tatsache entsprechen sollte, nicht akzeptieren.

(Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Sie haben den Unterschied noch nicht begriffen!)

Weiter heißt es:
Belegschaftsanpassungen wären bei Verzicht auf Sozialpläne kaum ohne harte wirtschaftliche Folgen für die Belegschaften möglich gewesen.

(Hoffmann [Saarbrücken] [SPD]: Bei uns hat keiner einen Verzicht auf Sozialpläne verlangt! Sie müssen sich ein bißchen sachkundig machen!)

Meine Damen und Herren, wenn Sie undifferenziert die Beihilfen der Bundesregierung mit Unterstützung der Länder zu den Umstrukturierungsfolgekosten angreifen, dann muß Ihnen diese Meinung entgegenschlagen.

(Zurufe von der SPD)

Ich rate Ihnen — das ist für die SPD ohnehin ratsam —: Unterhalten Sie sich etwas mehr mit den Betriebsräten, anstatt die Bundesregierung anzugreifen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Autonomie der Unternehmensentscheidungen ist sicher auch ein Thema, das hier angesprochen werden muß. Wir sind der Meinung, daß, wenn wir die Autonomie der Unternehmen zulassen und fördern, die Unternehmen natürlich auch eine erhebliche Verantwortung für die Stahlregionen, die Stahlstandorte übernehmen. Ich spreche hier als gewählter Vertreter einer Stahlregion, nämlich des Siegerlandes. Ich meine, daß den Unternehmen die Pflicht zur Rechenschaft darüber aufgelastet werden muß, Entscheidungen zu treffen, die nicht zu einem Kapazitätsabbau zu Lasten einzelner Regionen führen. Das muß gleichgewichtig und gerecht erfolgen, so, daß nicht einige Regionen vom Kahlschlag betroffen sind.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001202000
Das Wort hat der Herr Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1001202100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nordrhein-Westfalen trägt seit 1974 innerhalb der Bundesrepublik die Hauptlast des strukturellen Anpassungsprozesses.

(Matthöfer [SPD]: Sehr wahr!)

Wegen der unmittelbaren Auswirkungen auf die Kohle und die stahlnahen Industriezweige potenzieren sich hier die vom Rückgang des weltweiten Stahlverbrauchs ausgehenden Wirkungen. Von den rund 26 000 Stahlarbeitsplätzen, die allein in den Jahren 1980 bis 1982 verlorengegangen sind, sind 20 000 allein in Nordrhein-Westfalen abgebaut worden.

(Hört! Hört! bei der SPD)

Von den jetzt geschätzten weiteren 28 000, die auf Grund des Strukturwandels nach den Unternehmensvorstellungen noch verlorengehen werden, trägt Nordrhein-Westfalen wiederum fast 21000. Damit entfallen fast 80% der in der Bundesrepublik einschließlich Saarland verlorenen Arbeitsplätze auf das Land Nordrhein-Westfalen.
Meine Damen und Herren, die Vorschläge der Bundesregierung führen nicht zur durchgreifenden Modernisierung und nicht zur durchgreifenden Sicherung der Arbeitsplätze,

(Beifall bei der SPD)

sondern lediglich zur Reduzierung der deutschen Stahlindustrie. Sie enthalten Elemente, nämlich Sozialplanhilfen und Teilwertabschreibungen, an denen sich das Land aus ordnungspolitischen Gründen nicht beteiligen kann.
Abwrackprämien, Präjudizwirkungen für andere Bereiche und das, was Sie, Herr Kollege Breuer, soeben sagten, das alles trifft doch einfach nicht zu. Als ob es nicht schon längst aus Mitteln der Montanunion und der Bundesregierung Unterstützungen für die Sozialpläne gäbe!

(Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Warum polemisieren denn die Genossen dagegen?)

Vernebeln wir doch nicht die Landschaft! Das Instrument Bürgschaft wird ausgeschlossen, wodurch sich die Gewichte mit ungleicher Wirkung auf die einzelnen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen noch stärker zuungunsten von Investitionen verschieben.
Die von der Bundesregierung jetzt ins Auge gefaßte Entscheidung, Herr Bundesminister für Wirtschaft, bedeutet zugleich die Entkoppelung von



Minister Dr. Jochimsen (Nordrhein-Westfalen) Stahlhilfen und Stahlneuordnungen. Sie geben Ihr einziges Pfand voreilig aus der Hand.

(Beifall bei der SPD — Wissmann [CDU/ CSU]: Was macht Nordrhein-Westfalen?)

— Darauf komme ich gleich noch, Herr Kollege Wissmann.

(Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Da bin ich aber gespannt!)

Sie bedeutet den endgültigen Verzicht auf jedes Strukturkonzept, und sie ist eine Absage an die Industriepolitik überhaupt.

(Dr. Jobst [CDU/CSU]: Haben Sie ein Konzept?)

Lassen Sie mich dazu einiges vortragen. Als erstes will ich festhalten, daß Nordrhein-Westfalen die Bundesregierung bei ihrer gegenüber Brüssel dargelegten Haltung, die deutsche Stahlindustrie müsse den bisherigen Produktionsanteil erhalten, voll unterstützt.

(Beifall bei der SPD)

Auch wir halten dies für eine Frage von vitalem Interesse. Aber aus diesem Grunde, weil wir diesen Produktionsanteil erhalten wollen, besteht Nordrhein-Westfalen unverändert auf einer wirksamen Modernisierungsförderung, damit die Stahlarbeitsplätze wieder sicher werden. Wir fordern, daß öffentliche Hilfen — und dabei schließe ich unverändert auch die Zuführung von Eigenmitteln nicht aus
— nur für Lösungen gewährt werden, die wettbewerbspolitisch chancengleich, die industriepolitisch, regionalpolitisch und beschäftigungspolitisch ausgewogen sind.

(Beifall bei der SPD)

Vom Bund muß in dieser Situation verlangt werden, daß er das Zusammengehen von Thyssen und Krupp, auf das er sich an Hand des ModeratorenBerichts voreilig festgelegt hat — was ja nun die verdienten Zensuren durch die Monopolkommission erfahren hat —, jetzt tatsächlich zustande bringt, auch wenn er dies gegen das Land tut.

(Wissmann [CDU/CSU]: Was tut das Land?)

Konsequenterweise muß der Bund dann aber auch die anderen Unternehmen so fördern, daß sie die durch Thyssen-Krupp entstehende Wettbewerbsverzerrung auszuhalten vermögen.

(Beifall bei der SPD — Seiters [CDU/CSU]: Kein Wort zur Lösung!)

Dies bedeutet konkret, daß der Bund seiner Verantwortung für die Erhaltung der Stahlbasis Dortmund einschließlich der darauf aufbauenden Standorte im östlichen Revier und im Siegerland entsprechend handeln muß.

(Seiters [CDU/CSU]: Vorschläge! Komm über mit Vorschlägen!)

— Ich habe meine Vorschläge längst auf den Tisch gelegt. Die Bundesregierung hat sie einfach beiseite geschoben. Nun tun Sie doch nicht so, als ob nicht
längst, seit zwei Jahren, eine Vorstellung auf dem Tisch läge!

(Beifall bei der SPD)

Das ist doch nur durch das Stahlmoderatoren-Konzept und durch diese neue Bundesregierung beiseite geschoben worden. Jetzt muß sie springen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Kann der Bund dies nicht erreichen, Herr Kollege Wissmann, dann müssen sich der Bund und das Land — wozu wir bereit sind — erneut die Zusammenarbeit von Hoesch und Krupp auf der Basis der ursprünglichen Ruhrstahl-Idee, also einschließlich Edelstahl, vornehmen, und dann müssen wir dazu auch weitere Öffnungen untersuchen.
Ich möchte zur Schlüsselfrage eine Bemerkung machen: Unsere Bereitschaft zur Übernahme eines Stahl-Drittels — das ist ein Angebot, das weit über die verfassungsrechtlichen Erfordernisse hinausgeht, selbst wenn ich anerkenne, daß hier sektorale und regionale Fragen zusammenwirken — hat sich immer nur auf die Investitionszuschüsse bezogen, die über die Investitionszulagen hinausgehen. An diesen Investitionszulagen ist das Land schon beim 10%-Satz über die Ausfälle bei den Steuern ohnehin zu 50 % beteilig. Dies alles gilt um so mehr, als der Bund durch die Akzentverlagerung von Investitionsförderung in Richtung Desinvestition das Land in eine Finanzierungsbeteiligung gerade bei den Instrumenten bringen will, die wir am allerwenigsten wollen. Das Land wird — ich bedaure hier außerordentlich die knallharte Festlegung, die der Bundesminister für Wirtschaft hinsichtlich der Schlüsselfrage hier soeben in die Debatte gebracht hat — ebenfalls ganz knallhart bleiben müssen. Der Bundesminister für Wirtschaft hat damit in die Sitzung der Bund-Länder-Konferenz am nächsten Montag bereits jetzt eine unnötige Schärfe gebracht, die mir unverständlich ist.

(Beifall bei der SPD)

Ich erkläre für Nordrhein-Westfalen mit der gleichen glasklaren Härte, daß wir uns auch in der Schlüsselfrage nicht erpressen lassen werden.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, weder bei den Instrumenten noch bei deren Finanzierung können Sie auf die freiwillige Zustimmung der Länder verzichten. Das können Sie nämlich nicht mit Gesetzgebung wie bei den Stahlinvestitionszulagen durchsetzen. Seien Sie sich einmal über die verfassungsrechtliche Lage klar! Ich warne die Bundesregierung, die Länder hier ständig einseitig zu präjudizieren.

(Beifall bei der SPD — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Fünf Minuten geredet und nichts gesagt! Und dafür wird der noch bezahlt!)





Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001202200
Das Wort hat der Bundesminister für Wirtschaft.

(Paterna [SPD]: Jetzt kommt das Konzept! — Weiterer Zuruf von der SPD: Jetzt kommt das Stahlkonzept!)


Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID1001202300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe lediglich die Absicht — dreieinhalb Minuten habe ich bisher erst „verkonsumiert" —, kurz zu antworten, aber in dem Zeitrahmen, den wir uns gesetzt haben und der mit Verlesen von Konzepten von anderen gesprengt werden mag, nicht von mir.
Nun, meine Damen und Herren, Herr Kollege Jochimsen, bisher ist aus dem Land Nordrhein-Westfalen — wenn Sie diese Debatte hier so aufnehmen, dann wollen wir sie hier so führen; ich gebe aber zu bedenken, ob es nützlich und sinnvoll ist, dies in aller Öffentlichkeit zu tun — nicht sehr viel gekommen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Erstens. Sie stellen sich hierher und erklären wörtlich: Mein Konzept, die Ruhrstahl-Idee. Das ist nicht Ihr Konzept, das ist nicht einmal das der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen. Ihr Finanzminister ist dagegen, und Ihr Ministerpräsident äußert sich dazu nicht, wie er sich zu allen Fragen nicht äußert und sich nicht festlegt.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Zweitens. Herr Jochimsen, Sie sagen — ich weise dies für die Bundesregierung mit aller Entschiedenheit zurück —, daß hier der Versuch unternommen werde, Sie zu erpressen. Aber wenn sich das Saarland an den Stahlmaßnahmen mit 50 % aus seiner eigenen Kasse beteiligt und beteiligen muß,

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

dann wird man das gleiche von den anderen Ländern erwarten müssen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dies ist zu Zeiten einer anderen Bundesregierung verlangt und begründet und in einem Briefwechsel zwischen dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt und Ihrem Ministerpräsidenten festgehalten worden. Tun Sie nicht so, als sei das die neue Bundesregierung gewesen; diese 50-%-Forderung ist alt.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Drittens. Sie sagen, in Sachen Thyssen und Krupp solle gegen das Land entschieden werden. Sie wissen ganz genau — auch Herr Roth weiß das —: Dies ist nicht die Konzeption der Bundesregierung, sondern es ist das Konzept der Moderatoren. Dagegen hat sich die Monopolkommission gewandt. Das ist übrigens nicht meine eigene Monopolkommission

(Stratmann [GRÜNE]: Aber die Moderatoren! — Zurufe von der SPD)

— gucken Sie ins Gesetz, Herr Roth, das würde Ihnen einige unpassende Bemerkungen ersparen —, sondern es ist eine unabhängige Monopolkommission, die das Gesetz vorsieht.
Wir werden, meine Damen und Herren, selbstverständlich dafür sorgen, daß die Stahlstandorte bewahrt und erhalten werden — das gilt für Bremen, das gilt auch für die Maxhütte —, und alles tun, um dieses Ziel zu erreichen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Stratmann [GRÜNE]: Wie denn?)

Wir werden, meine Damen und Herren, nicht mehr als 3 Milliarden DM in die Hand nehmen, um uns von Ihnen am nächsten Tage, in der nächsten Haushaltsberatung sagen zu lassen: Baut doch gefälligst die Subventionen ab! Es war doch wohl gestern noch so, Herr Roth, daß ich hier gehört habe, die Subventionen sollen abgebaut werden.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wir sagen der Stahlindustrie und den Unternehmen, daß man mit den vorgesehenen 3 Milliarden DM der öffentlichen Hand auskommen muß.

(Zuruf des Abg. Hoffmann [Saarbrücken] [SPD])

— Herr Hoffmann, seien Sie doch völlig still! Die Saar ist gar nicht eingeschlossen. Das viele Geld, das die Saar schon bekommen hat, ist ja nun weiß Gott, meine Damen und Herren, erheblich mehr, als allen anderen bisher gegeben worden ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Grobecker [SPD]: Unerhört! — Weitere lebhafte Zurufe von der SPD)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001202400
Herr Kollege Roth, das war die Antwort auf einen Zuruf, den ich beinahe gerügt hätte.

(Anhaltende Zurufe von der SPD — Haase [Kassel]: Sehr gut, das war eine Backpfeife!)


Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID1001202500
Ich entschuldige mich ausdrücklich für die Bemerkung: Seien Sie still! Herr Kollege Hoffmann, ich weise Sie aber noch einmal darauf hin: Sie haben den wenigsten Anlaß, sich zu beschweren. Gerade aus dem Saarland haben Sie keinen Anlaß, sich zu beschweren, denn unter der alten Bundesregierung ist einem einzigen Unternehmen im Saarland bis heute mit über 1 Milliarde DM geholfen worden. Das ist schon eine ganze Menge Geld.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wir werden dies fortsetzen, und wir haben ausdrücklich gesagt: Die Maßnahmen für die Saar sind in der Hilfe der öffentlichen Hände in Höhe von 3 Milliarden DM nicht enthalten.
Meine Damen und Herren, dies alles geht nur in Zusammenarbeit und Übereinstimmung zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen. Ich erwarte aber, daß die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen nicht nur Gesänge über das Leid und das Los der Stahlarbeiter anstimmt, sondern auch ihrer Verantwortung gegenüber den Stahlarbeitern gerecht wird.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Dieser Stillegungsminister!)





Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001202600
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stratmann.

Eckhard Stratmann (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1001202700
Liebe Bürgerinnen und Bürger, von denen leider nur wenige hier sind! Die Arroganz, mit der der Wirtschaftsminister gestern und heute auf besorgte Anfragen von Parlamentariern reagiert — das ist Methode bei ihm —, geht mir allmählich auf die Nerven.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD — Dr. Probst [CDU/CSU]: Sie uns auch!)

Ich möchte mich zu Beginn auf die Verlautbarungen der Wirtschaftsvereinigung Eisen und Stahl beziehen, in denen nach dem, was gestern in der Presse veröffentlicht wurde, angekündigt wird, daß die Stahlunternehmen von 1983 bis 1985 im Rahmen ihrer Strukturkonzepte weitere 33 000 Arbeitsplätze vernichten werden. Das bedeutet für die bedrohten regionalen Standorte erhebliche Verluste, für Arbed-Saarstahl einen Verlust von 3 500 und mehr Arbeitsplätzen, für Hoesch eine weitere Halbierung von 13 000 Arbeitsplätzen heute um 7 000 Arbeitsplätze. Die Zahl der Arbeitsplätze bei Klöckner und sonstigen Unternehmen soll ebenfalls um 6 000 reduziert werden. Ich frage mich, wie Herr Lambsdorff es bewerkstelligen will, die regionalen Standorte Maxhütte, Klöckner/Bremen, Saarland und östliches Ruhrgebiet zu garantieren, wenn hier solche Unternehmenskonzepte auf dem Tisch liegen.
Wenn diese Umstrukturierungskonzepte bzw. diese Arbeitsplatzvernichtungskonzepte der Unternehmen noch mit über 3 Milliarden DM öffentlicher Mittel subventioniert werden — dies sind Arbeitsplatzvernichtungssubventionen —, ist von vornherein klar, daß dies weitere Subventionsfolgelasten nach sich zieht. Die Arbeitslosigkeit wird steigen. Die Bundesanstalt für Arbeit wird sich weiter verschulden müssen. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres steht sie mit 3,6 Milliarden DM im Defizit. Der Bund wird seine Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit erhöhen müssen. Eine solche auflagenlose Subventionierung lehnen wir ab.
Wir fordern, daß, bevor eine müde Mark aus öffentlichen Geldern für Umstrukturierungshilfe gezahlt wird, erstens konkret geklärt ist, wie die regionalen Stahlstandorte gesichert werden. Solche allgemeinen Sprüche, Herr Lambsdorff, wie wir sie von Ihnen kennen, nutzen den bedrohten Stahlarbeitern dort überhaupt nichts.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Subventionen müssen also an konkrete Vorstellungen zur Sicherung der regionalen Stahlstandorte gebunden werden.
Zweitens fordern wir: keine Subventionierung ohne Garantie der Arbeitsplätze. Wie das geschehen kann, habe ich gestern schon verdeutlicht: indem man gerade in der Stahlbranche die Arbeitszeit verkürzt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Stahlarbeiter können in dieser Hinsicht zusammen mit der IG Metall vorangehen. Es ist viel sinnvoller, daß die gestiegenen Lohnkosten infolge von Arbeitszeitverkürzungen in der Stahlbranche subventioniert werden, als daß staatliche Subventionen an die Bundesanstalt für Arbeit zur Finanzierung von Arbeitslosen gehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Stahlkrise — Aufbau von Überkapazitäten bis 1975 — hat gezeigt, daß die Marktwirtschaft auch in dieser Branche versagt hat, allen Marktwirtschaftsaposteln à la Lambsdorff zum Trotz. Wir unterstützen die Bestrebungen in den Stahlarbeiterbelegschaften nach Vergesellschaftung. Ich erinnere an die Stahlarbeiterkonferenz in Dortmund, wo unter den Stahlarbeitervertrauensleuten und -betriebsräten der Ruf nach Vergesellschaftung der Stahlindustrie laut wurde. Wir unterstützen diese Forderungen. Wir sind seit letzter Woche im Gespräch mit Betriebsräten aus den verschiedenen Stahlunternehmen, wie ein Vergesellschaftungsmodell, das etwas ganz anderes ist als ein traditionelles Verstaatlichungsmodell, konkret konzipiert werden kann. Wir werden am kommenden Wochenende das Gespräch mit Betriebsräten und Vertrauensleuten aus der ganzen Bundesrepublik weiterhin pflegen, um diese Forderungen — Vergesellschaftung der Stahlindustrie, Sicherung der regionalen Stahlstandorte, Arbeitszeitverkürzung und 35-StundenWoche, wobei die Stahlbranche den Vorreiter spielen sollte — in der Öffentlichkeit weiterhin bekanntzumachen und so weit wie möglich durchzusetzen.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001202800
Das Wort hat der Herr Kollege Müller (Wadern).

Hans-Werner Müller (CDU):
Rede ID: ID1001202900
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Subventionen oder Ausgleichsabgabe, so wurde vor etwa sieben Monaten unsere letzte Stahldebatte kommentiert. Es ist die Frage, ob das immer noch die Alternative ist, vor der die Bundesregierung steht, und Kollege Beckmann hat soeben schon darauf hingewiesen.
Ich möchte zu diesen Problemen zwei ganz kurze Bemerkungen aus der Sicht des Saarlandes machen. Zum einen möchte ich in Erinnerung rufen, was an der Saar, insbesondere von der Stahlindustrie, bisher an erheblichen Beiträgen geleistet wurde, um sich an die veränderten Marktdaten anzupassen, und zum zweiten möchte ich etwas zu dem Beitrag sagen, den das kleine Bundesland Saar bisher dazu geleistet hat.
Als der europäische Stahlmarkt im vergangenen Jahr zusammenbrach, war die saarländische Stahlindustrie schon im fünften Jahr ihrer Neuordnung. Moderne, leistungsfähige Anlagen wurden erstellt und sind inzwischen in Betrieb. Kapazitätsabbau und Arbeitsplatzverluste gingen einher. Ein damals von den Fachleuten als Modell bezeichnetes Konzept von Bund, Land, Unternehmen, Gewerkschaften, Belegschaften getragen, war in Gang gesetzt worden. 1981 wurde dieses Konzept noch einmal nach unten korrigiert. Es hat bis jetzt zu einem Verlust von 8 500 Arbeitsplätzen geführt.



Müller (Wadern)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn es stimmt, was unlängst im Europäischen Parlament gesagt wurde — ich zweifle nicht daran, daß es stimmt —, daß ein Arbeitsplatz in der Stahlindustrie indirekt den Verlust von drei weiteren Arbeitsplätzen nach sich zieht, so weiß jeder, was dies für die Wirtschaftsregion Saar bei derzeit insgesamt etwa 150 000 Industriearbeitsplätzen bedeutet. Die Krise des vergangenen Jahres hat dann zu weiteren Anstrengungen, insbesondere der Belegschaft, geführt. Noch einmal sind Personalkürzungen ins Auge gefaßt: 3 500 bis 1985, und dazu kommen 5 500 Beschäftigte die sich in der sogenannten rollierenden Kurzarbeit befinden.
Ich stelle dies hier einfach so dar, um die bisher von den Menschen an der Saar erbrachten Opfer in Erinnerung zu rufen. Angesichts dieser Opfer bitte ich die Bundesregierung, bei den anstehenden Quotenverhandlungen unter Berücksichtigung des Verhaltens der übrigen EG-Länder die in der Stahlindustrie des Saarlandes noch vorhandenen arbeitenden Menschen nicht zu vergessen. Ein Zusammenbruch der saarländischen Stahlindustrie — und das als Ergebnis europäischer Unzulänglichkeiten — ist dieser Wirtschaftsregion nicht zuzumuten.
Eine zweite Bemerkung. Die Bundesregierung hat inzwischen entschieden, die Umstrukturierung der deutschen Stahlindustrie finanziell zu begleiten. Die Größenordnungen sind hier schon angesprochen worden. In die saarländische Stahlindustrie sind inzwischen 2,2 Milliarden DM an Zuschüssen und Bürgschaften geflossen, und zwar weitestgehend im Verhältnis 50 : 50. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat hier soeben dankenswerterweise darauf hingewiesen. Dies geht bis an den Rand der finanziellen Möglichkeiten eines kleinen Bundeslandes. Wenn man dann noch weiß, daß das Saarland in den letzten 20 Jahren rund 650 Millionen DM für die Kohle aufgewendet hat, und zwar als Preis für eine größere Unabhängigkeit von uns allen in der Energiewirtschaft, wovon hier gestern viel gesprochen worden ist, wird jedem klar, was dies für unser Bundesland bedeutet. Diese Gedanken sollten bei der Formulierung der Verhandlungsposition der Bundesregierung aufgenommen werden.
Bei der Stahlkrise kann es Gewinner oder Verlierer geben, hat der saarländische Ministerpräsident Werner Zeyer formuliert. Gewinner oder Verlierer sind in jedem Fall die Arbeitnehmer. Ich schließe mich der Meinung meines Ministerpräsidenten an: Wir wollen, daß die Arbeitnehmer gewinnen. — Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001203000
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

(Roth [SPD]: Da gibt es eine neue Runde! — Zuruf von der SPD: Ein ganz neues Parlamentsverständnis! — Weitere Zurufe von der SPD)

— Meine Damen und Herren, das Grundgesetz — —

(Roth [SPD]: Das ist das Allerletzte! — Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Sie wollen doch von ihm etwas hören! — Fortgesetzte Zurufe von der SPD)

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

Dr. Graf Otto Lambsdorff (FDP):
Rede ID: ID1001203100
Jederzeit kurz, Herr Kollege Matthöfer.
Ich will versuchen, noch einmal in ein paar ganz kurzen und, wie ich hoffe, ruhigen Bemerkungen klarzumachen, vor welchen objektiven Schwierigkeiten deutsche Politik und jede Bundesregierung
— die frühere wie die jetzige — bei der Bewältigung dieses Problems steht.
In der Europäischen Gemeinschaft ist subventioniert worden, und es besteht die starke Tendenz, weiter zu subventionieren, wenn wir dies nicht verhindern, und wenn wir es nicht bei der Kommission durchsetzen, daß der Subventionsneigung der anderen Mitgliedstaaten Widerstand entgegengesetzt wird. Dies ist nach allen Erfahrungen der früheren und der jetzigen Bundesregierung außergewöhnlich schwierig.

(Zuruf von der SPD: Das ist richtig!)

In der deutschen Stahlindustrie sind die Zustände so weit gediehen, daß sich die Firmen gegenseitig aus der Wirtschaftsvereinigung hinauswerfen und daß ein offener Streit innerhalb der deutschen Stahlindustrie ausgebrochen war. Das ist jetzt mühsam beigelegt worden. Aber nichts hat das deutlicher gemacht als der Aufruf des Verbandes, eine seiner früheren Mitgliedsfirmen mit der Vollstrekkung der Bußgeldbescheide zu überziehen.
Wir bestehen auf der Quoteneinhaltung in Europa. Ein deutsches Unternehmen ist an der Spitze derjenigen, die die Quoten nicht einhalten, sondern über die Quoten hinaus produzieren. Ich sage Ihnen hier, meine Damen und Herren — fragen Sie mich bitte nicht nach dem Namen —: Seit einer Woche weiß ich, daß es ein zweites deutsches Stahlunternehmen gibt, das die Quoten ebenfalls vorsätzlich überzieht. Wie soll man sich da in Europa für die Quoteneinhaltung in anderen Ländern erfolgreich einsetzen?
Wir haben Aufsichtsräte und Betriebsräte — die, wie Sie wissen, mitbestimmt sind —, die einander völlig widersprechende Entscheidungen getroffen haben. Herr Jochimsen weiß sehr genau — jetzt ist er schon wieder weg —, daß das insbesondere zum Thema Ruhrstahl — —

(Zuruf des Abg. Urbaniak [SPD])

— Herr Urbaniak, wenn er hierher kommt, muß er bitte das Ende der Debatte mitmachen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wir wissen sehr genau, daß Aufsichtsräte und Betriebsräte, mitbestimmte Aufsichtsräte, in der Sache Ruhrstahl bei Krupp und bei Hoesch völlig gegensätzlich abgestimmt haben.



Bundesminister Dr. Graf Lambsdorff
Nun sage ich ein letztes Wort an Herrn Stratmann. Wir sind durchaus der Meinung, daß hier die Arbeitnehmerinteressen berücksichtigt werden sollen und müssen. Ich wiederhole von dieser Stelle, was ich früher gesagt habe: Der einzige wirklich zuverlässige und standhafte Gesprächspartner in diesen ganzen Jahren — ich will nicht sagen: der einzige; aber der zuverlässigste und standhafteste — ist und war die IG Metall mit ihrem stellvertretenden Vorsitzenden Rolf Judith.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Wenn Herr Stratmann sagt, seit letzter Woche sei er im Gespräch mit den Betriebsräten, dann kann ich allerdings nur lachen. 1981 war ich bei Hoesch in der Westfalenhalle. Wenn Sie jetzt anfangen, Gespräche mit den Betriebsräten zu führen, sind Sie ein bißchen spät aufgewacht für das Problem.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001203200
Das Wort hat der Kollege Stockleben.

Adolf Stockleben (SPD):
Rede ID: ID1001203300
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie in vielen Bereichen der Politik vermissen wir hier bei der Bundesregierung ein Konzept, das die tatsächlichen Probleme der Stahlindustrie löst.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ich hoffe, sie haben eines dabei!)

In den Betrieben höre ich, daß die Arbeitnehmer sagen: „Ihr Politiker, ihr kommt immer zu spät, meist erst dann, wenn die Hallen schon leer sind!" Ich muß sagen: Auch das, was heute hier von diesem Podium aus gesagt wird, rettet die Arbeitnehmer nicht, die um ihre Arbeitsplätze bangen. Ich bin eigentlich erstaunt, daß der Bundeswirtschaftsminister hier dreimal das Wort ergreift und daß sein Kollege, der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, hierzu überhaupt nichts zu sagen hat.

(Beifall bei der SPD)

Hier stehen viele tausend Arbeitsplätze auf dem Spiel, und der Herr Blüm sitzt da und lächelt.

(Zuruf des Abg. Stratmann [GRÜNE])

Ich will Ihnen folgendes sagen. Die Arbeitnehmer, gerade in Peine/Salzgitter, in Osnabrück, in Niedersachsen werden sehen, daß aller Wahrscheinlichkeit nach von den 3 Milliarden DM einen großen Teil Thyssen und Krupp bekommen; hier wird doch wieder ein Monopolist geschaffen, der im Grunde genommen dafür sorgt, daß der Stärkere stärker wird und daß die schwächeren Regionen damit auch in Schwierigkeiten kommen. Wenn große Stahlkonzerne in Schwierigkeiten kommen, dann hat das ja nicht nur unmittelbare Auswirkungen für den Stahlkocher, sondern auch für viele Weiterverarbeitungsbetriebe, die dranhängen. Ich sage Ihnen: Im Raum Peine/Salzgitter wackelt mehr, wenn solch ein Konzern ins Rutschen kommt. Deswegen ist hier rasches Handeln und eine entsprechende finanzielle Unterstützung erforderlich. Das können Sie nicht machen, indem Sie sagen, wir wollen dort erst einmal mit dem Stärkeren vorwegmarschieren.

(Wissmann [CDU/CSU]: Was will die SPD?)

Herr Bundeswirtschaftsminister, bei dem Hearing, das die sozialdemokratische Bundestagsfraktion veranstaltet hat, haben Unternehmer und Gewerkschafter übereinstimmend gesagt, die Bundesregierung müsse energischer — mit geradem Kreuz und durchgedrückten Beinen — bei der EG auftreten, um wirklich deutsche Positionen durchzusetzen. Dies ist, meine ich, j a eigentlich eine klare Aussage. Dann können Sie sich nicht hier hinstellen, Herrn Judith loben und sagen: Das ist ein Mann, der hat Kreuz.

(Zuruf von der SPD: Hat er auch!)

— Das hat er, das wissen wir viel besser, denn wir gehören seiner Gewerkschaft an, und wir wissen, was unsere Gewerkschaftskollegen wert sind, gerade wenn es darum geht, in schwierigen Zeiten Krisen zu meistern. Aber dann darf man sie nicht nur bei Festtagsreden loben, sondern muß sie auch von seiten der Regierung in der Programmatik entsprechend unterstützen. Dies erwarten wir von Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister, Sie wissen sehr gut, daß, wenn wir uns bei den Verhandlungen über die Quoten nicht stärker durchsetzen, das zu ganz eklatanten Einbrüchen führen wird. Ich will Ihnen ein Beispiel dafür nennen: Wenn in der EG unsere Quote für Profilstahl um 2 % niedriger ist, wenn wir also künftig 2 % Profilstahl weniger zur Verfügung haben, ist das so viel, wie das Werk Peine an Profilstahl produziert. 2 % weniger würden bedeuten: Die Produktion von Peine könnte man ganz streichen. Ich bitte Sie ganz herzlich,

(Paterna [SPD]: Der Minister hört ja gar nicht zu!)

in dieser Frage energisch zu verhandeln.
Die GRÜNEN haben hier heute diese Aktuelle Stunde beantragt. Das veranlaßt mich zu folgender Feststellung. Die Stahlarbeiter waren immer die Getreuesten in diesem Staat, auf sie konnte man sich in allen Fragen verlassen. Sie werden aber künftig kein Verständnis mehr für Ihre Energiepolitik haben. Wir können doch nicht — wie Sie es ständig tun — den Stahlarbeitern dauernd deutlich machen, daß wir eine Politik preiswürdiger Energie brauchen, gleichzeitig aber darangehen, einen Energiemarkt zu zerstören.

(Beifall bei der SPD)

Dies ist den Stahlarbeitern nicht deutlich zu machen, und deswegen bitte ich Sie ganz herzlich, nun schnell zu handeln. Ich unterstreiche das, was der ehemalige Bundesfinanzminister, der hier im Saal sitzt, mein Kollege Hans Matthöfer, in Peine gesagt hat und was auch der Bundeskanzler gesagt hat: Dieser Stahlstandort bleibt. Von Ihnen habe ich diese klare Aussage nie gehört.



Stockleben
Letztendlich noch einmal zu der Frage — —

(Glocke des Präsidenten)

— Entschuldigung, die Zeit ist um. — Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001203400
Es tut mir leid. — Das Wort hat der Kollege Lammert.

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1001203500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wegen des Verlaufs der Debatte möchte ich für die CDU/CSU-Fraktion noch einige wenige knappe Klarstellungen vortragen.
Meine Damen und Herren, wir von der CDU/ CSU-Fraktion haben auch in dieser Debatte wieder mit großer Faszination verfolgt, wie die Sprecher der SPD — nun als Opposition — die Konzepte zur Lösung der Stahlkrise vortragen, die sie während der Regierungszeit aus geheimnisvollen Gründen für sich behalten, jedenfalls aber nicht durchgesetzt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Wir möchten doch sehr darum bitten, daß in Zukunft, wenn zur Unterstützung der eigenen Argumentation ein Landeswirtschaftsminister eingeflogen wird, er sich dann auch bis zum Schluß an der Debatte beteiligt und man sich in der Argumentation aufeinander abstimmt.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Eines geht jedenfalls nicht: daß hier im Hause die Sprecher der Opposition gegen Finanzierungsregelungen für Umstrukturierungsmaßnahmen polemisieren

(Roth [SPD]: Sag doch deine Meinung über Lambsdorff!)

und daß sich dann der SPD-Landeswirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen der Tatsache rühmt, genau dies werde bereits seit Jahren betrieben. So können wir natürlich nicht miteinander umgehen!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich nur noch eines sagen, weil ich versprochen habe, nicht mehr als zwei Minuten Redezeit in Anspruch zu nehmen. Von einer nordrhein-westfälischen Landesregierung, die seit nunmehr 15 Jahren das Ruhrgebiet hat verkommen lassen,

(Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

lassen wir uns mit der verspäteten und treuherzigen Aufforderung, Strukturkonzepte zu entwickeln, nicht beeindrucken.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001203600
Das Wort hat der Kollege Cronenberg.

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1001203700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einige Klarstellungen vornehmen.

(Zuruf von der SPD: Noch welche?)

Wenn hier behauptet worden ist, Graf Lambsdorff handele die Dinge arrogant ab, so verwechseln Sie, verehrte Kollegen von den GRÜNEN, Präzision mit Arroganz.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Sturheit, mit der Sie Fakten zur Kenntnis zu nehmen nicht bereit sind, geht mir auf die Nerven und wahrscheinlich noch einigen anderen hier im Hause.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Herr Cronenberg, haben Sie überhaupt Nerven?)

Sie haben weder Neues noch Richtiges gebracht. Ich würde Ihnen dringend empfehlen, sich mit der Gesamtproblematik zu beschäftigen, und zwar ernsthaft zu beschäftigen.

(Stratmann [GRÜNE]: Das habe ich gemacht!)

Es geht ja nicht nur um die deutsche Stahlindustrie, sondern auch um die Stahlverformung. Hier wird gejammert, und hier wird offensichtlich 30 000 Beschäftigten in der Stahlindustrie mehr Beachtung geschenkt als 1 000 mal 30 in mittelständischen Betrieben. Viele Zulieferbetriebe — der Kollege Stockleben von der SPD hat darauf hingewiesen — und noch viel mehr Verarbeiter stehen doch in einem viel größeren Dilemma. Deswegen ist es notwendig, mit den vorgelegten Konzepten die Dinge in Ordnung zu bringen.
Wir wissen, daß wir nicht gegen die Volkswirtschaft, nicht gegen die öffentlichen Haushalte der Konkurrenzländer ankonkurrieren können. Deshalb ist der vorgeschlagene Weg der einzig richtige.
Niemand hat hier behauptet, daß in diesem Bereich Marktwirtschaft praktiziert werde. Aber wir haben sehr wohl behauptet, daß es notwendig ist, mit Hilfe der vorgeschlagenen Methoden wieder marktwirtschaftliche Elemente einzuführen, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der FDP — Widerspruch bei der SPD)

Der Ruf nach Konzepten, Herr Kollege Roth, ersetzt nun einmal keine Konzepte. Deswegen meine ich: Wir sollten uns bemühen, den vom Bundesminister Dr. Otto Graf Lambsdorff vorgeschlagenen Weg zu gehen, an einem Strick zu ziehen — wenn es möglich ist, Herr Roth, an demselben Ende des Stricks. Dann wäre der Sache mehr gedient als durch diese Aktuelle Stunde heute morgen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Lebhafte Zurufe von der SPD)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001203800
Das Wort hat der Kollege Hoffmann.




Hans-Joachim Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID1001203900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Aktuelle Stunde kann sehr viel Sinn machen. Wenn man aber die kurze Zeit, in der Diskussion möglich ist, dafür nutzt, über das Problem mit einer solchen Schnodderigkeit herzufallen, wie das hier streckenweise geschehen ist, so bin ich einfach angewidert. Das will ich Ihnen einmal sagen.

(Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

— Jawohl, zwei von drei Interventionen des Herrn Ministers waren solche in dieser schnodderigen Art und Weise.

(Zuruf von der CDU/CSU: Schullehrer!)

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir distanzieren uns nicht von dem, was wir vorher mitgetragen haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Zur Sache! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Schulmeister!)

Deshalb sage ich auch deutlich: Das, was als Hilfen vom Parlament gegeben worden ist, unterstützen wir nach wie vor. Daran haben wir überhaupt nichts abzubeißen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Bedanken!)

— Meine Damen und Herren, ich bedanke mich bei diesem Parlament, das das beschlossen hat. Damals hat der Herr Lambsdorff mitgezogen. Deshalb gebührt ihm der Dank genauso wie allen anderen, die da mitgezogen haben.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, angesichts des Kollaps, der hier drohen kann, kann man nicht die heile Welt beschreiben und mit modelltheoretischer freier Marktwirtschaft argumentieren. Man darf auch nicht sagen: Sie ist leider Gottes nicht so, wie wir sie uns gerne wünschen.
Wir erklären dazu: Wir lassen nicht zu, daß eine deutsche Stahlregion gegen eine andere ausgespielt wird.

(Beifall bei der SPD — Stratmann[GRÜNE]: Was sagen Sie zur Marktwirtschaft?)

Wir bestehen darauf, daß bei diesen Entscheidungsprozessen die Betroffenen selber ein wesentliches Wort mitzureden haben und nicht über ihre Köpfe hinweg entschieden wird.

(Beifall bei der SPD)

Wir verlangen, daß für diese Staatsgelder, die an die Industrie gezahlt werden, entsprechende Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte auf der Kapitalseite eingeräumt werden. Dazu muß man doch endlich einmal ein Wort sagen.

(Seiters [CDU/CSU]: Heiße Luft!)

Wir fordern, daß sämtliche Regionen in der Bundesrepublik in ein vernünftiges deutsches Stahlkonzept einbezogen werden.

(Seiters [CDU/CSU]: Welches?)

Herr Minister, Sie können doch nicht dazu schweigen, wenn im Zuge der weiteren Subventionierung mögliche Kartellbildungen passieren, die die Unternehmen in anderen Regionen schlicht und einfach zum Sterben verurteilen. Da können Sie doch nicht den Mund halten, da müssen Sie doch hier etwas sagen. Die Entscheidungen sind doch bis Ende des Monats in Brüssel vorzutragen. Wo, wenn nicht hier im Parlament, soll die Entscheidungsgrundlage überhaupt geschaffen werden?

(Beifall bei der SPD)

Im übrigen halte ich es für absurd, wenn Sie von Ländern wie Bremen oder dem Saarland im Zusammenhang mit möglichen zukünftigen Hilfen verlangen, sie sollten zu Hälfte mitfinanzieren. Wie soll denn das gehen?

(Zuruf von der CDU/CSU: Haben wir bisher doch auch gemacht!)

Wie soll denn ein Stadtstaat wie Bremen, der überproportional von wirtschaftlichen Schwierigkeiten betroffen ist, in gleichem Umfang finanzieren, wie das über das Budget des Bundes laufen kann? Das kann nicht sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD — Müller [Wadern] [CDU/CSU]: Das ist doch bis jetzt geschehen!)

Ich sage als letztes dazu — ich habe das schon wiederholt deutlich gemacht und versuche immer noch einmal ernsthaft, das einzubringen —: Die erste Schuld an dieser Situation trifft sicher nicht die Landesregierungen und die Bundesregierung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das hast du aber schon mal erzählt!)

Die erste Schuld an unserer Stahlkrise liegt auf der Kapitalseite. Das muß noch einmal festgestellt werden. Und wenn ich sehe, welche Zeiten von den Unternehmen versäumt worden sind, der Krise rechtzeitig vorzubeugen und sich auf die neuen Lagen einzustellen, kann ich nur sagen: Die müssen sich zuallererst an die Nase packen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehen Sie sich doch einmal die Antworten an. Die Vorhaltungen, die jetzt aus der CDU/CSU gekommen sind, und die Vorhaltungen, die von der Wirtschaftsvereinigung Eisen und Stahl gemacht worden sind, widersprechen in eklatanter Weise den Antworten der Bundesregierung. Das kann hier nicht ausdiskutiert werden; es wäre aber ein interessanter Fall, den zu überprüfen sich lohnen würde.
Zum Schluß will ich nur noch einmal darauf aufmerksam machen: Wenn wir in so kurzer Zeit temperamentvoll über solch' schwierige Fragen diskutieren, seien wir uns doch bitte dessen bewußt, daß es um Schicksale von Menschen geht, und verzichten wir doch darauf, mit dieser schlüpfrigen Schuldzuweisung Schwarze-Peter-Spiele zu betreiben, wie das vorhin der Fall war,

(Zuruf des Abg. Reddemann [CDU/CSU])

obwohl Sie genau wissen, daß wir uns seit Jahren darum bemühen, ein faires Konzept zu erstellen. Helfen Sie endlich mit, daß dieses politische Konzept hier von uns verabschiedet werden kann! Tun Sie nicht einfach so, als wäre das eine Geschichte,



Hoffmann (Saarbrücken)

die wir sozusagen zwischen den Reihen verhandeln könnten! — Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001204000
Meine Damen und Herren, die Aktuelle Stunde ist beendet.
Wir fahren fort in der Aussprache über die Punkte 2 und 3 der Tagesordnung:
2. Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zum Wirtschaftsgipfel in Williamsburg
3. a) Beratung des Jahresgutachtens 1982/83 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
— Drucksache 9/2118 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Haushaltsausschuß
b) Beratung des Jahreswirtschaftsberichts 1983 der Bundesregierung
— Drucksache 9/2400 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Haushaltsausschuß
sowie über den Zusatzpunkt: Antrag der Fraktion der SPD
Weltwirschaftsgipfel in Williamsburg und Europäischer Rat in Stuttgart
— Drucksache 10/79 —
Als erster Redner hat der Abgeordnete Kraus das Wort. Ich erteile ihm das Wort.

Rudolf Kraus (CSU):
Rede ID: ID1001204100
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Diskussion des Jahreswirtschaftsberichtes hat gestern gezeigt, daß wir vor großen Aufgaben und Problemen stehen. Die Schwierigkeiten bei deren Lösung sind durchaus vergleichbar mit den Schwierigkeiten, die man nach dem Krieg hatte, wenn auch die Situation des einzelnen in keiner Weise mit der Situation der Menschen damals vergleichbar ist.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001204200
Meine Damen und Herren, ich bitte, dem Redner zuzuhören und eventuelle Unterhaltungen außerhalb des Saals zu führen.

Rudolf Kraus (CSU):
Rede ID: ID1001204300
Die heutigen wirtschaftspolitischen Meinungen weichen grundsätzlich voneinander ab. Eines ist für uns sicher: Es kommt auf das gewollte Ergebnis, auf die Zielsetzung an. Soziale Marktwirtschaft oder staatlich gelenkte Wirtschaft. Das war damals die Frage. Hieran haben sich die Geister geschieden, und es ist heute die Frage. Für uns gibt es auch heute keinen Kompromiß.
Lassen Sie mich meine Auffassungen begründen. Wer der Nachfrage höchste Priorität gibt und nur über sie die Lösung unserer Probleme sucht, wer also über Kredit einwachsendes Sozialprodukt und soziale Ausgewogenheit erreichen will, liegt falsch. Wer zins- und kostenträchtige Beschäftigungsprogramme oder eine Lohnpolitik vorzieht, die sich am Inflationsausgleich orientiert und nicht, wie das richtig wäre, am Produktionszuwachs, verkennt die Zusammenhänge des Marktes oder will sie nicht wahrhaben. Ein altes Sprichwort sagt: Niemand ist so blind wie der, der nicht sehen will. — Die mit der ausschließlichen Präferenz für die sogannte Vollbeschäftigung verbunden gewesene Verschuldungspolitik des Staates hat letztendlich mit die Hauptschuld an der heutigen Misere auf dem Arbeitsmarkt. Es ist eine Tragik, daß durch diese Politik heute jeder zehnte Arbeitsuchende keine Beschäftigung mehr findet. Man stellt sich die Frage, ob diese Politik, die zu diesem Ergebnis führen mußte, überhaupt als soziale Politik bezeichnet werden kann.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

Vielleicht gilt hier der Satz: Gut gemeint ist häufig das Gegenteil von gut.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Wohin die öffentliche Verschuldung führen kann, zeigt folgende Nachricht: Schuldscheine an Stelle von Löhnen und Gehältern erhielten in Lüttich die 12 000 Angestellten und 2 500 Pensionäre der Lütticher Stadtverwaltung im April 1983, weil es an Steuereinnahmen fehlt und die Stadt bereits so überschuldet ist, daß sie nicht an den Kapitalmarkt gehen kann.
In den Mitteilungen der Stadt heißt es dazu: „Die Gehälter für April können jetzt nicht gezahlt werded und werden Ihnen geschuldet." Die Schulden der Stadt Lüttich belaufen sich bereits auf 2,5 Milliarden DM. Dies nur als Beispiel.
Unsere Schwachstelle liegt bei der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit auf der Angebotsseite, die von zu hohen Kosten und zu hohen Steuern bedrängt und eingeschränkt ist. Bei dem heftigen Streit, mit welcher Medizin der Wirtschaft am schnellsten geholfen werden kann, sind nach meiner Auffassung zunächst eine Reihe von Fragestellungen geboten. Auf diesen Fragen haben wir bei nunmehr 2,15 Millionen Arbeitslosen eine Antwort zu geben. Keinesfalls aber kann — lassen Sie mich das voranstellen — die Wirtschaft mit der Medizin geheilt werden, die sie krankgemacht hat.

(Wissmann [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Was brachte uns die bisherige Verteilungspolitik?
Die Verteilungspolitik seit Anfang der 70er Jahre mit dem ständigen Anstieg der Lohnquote von 68 auf 74 % hatte den schädlichen Rückgang der Investitonsquote von über 25 % auf inzwischen unter 20 % zur Folge. Eine Verteilungspolitik, die im ausgewogenen Verhältnis Berechtigung hat, muß auf andere ebenso wichtige Erfordernisse Rücksicht nehmen. Eine Politik, die das Eigenkapital gerade der mittelständischen Unternehmen systematisch ausgedünnt hat, erhöhte das Risiko für Investitio-



Kraus
nen, behinderte so die Erneuerungskraft und schwächte die Fähigkeit zur Anpassung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir waren noch nie so sehr wie heute auf Privatinvestitionen angewiesen. Rationalisierung und Innovation dienen, längerfristig gesehen, der Schaffung neuer Arbeitsplätze und der Erhaltung der bestehenden. Nur wenn unsere Produkte im Wettbewerb preislich mithalten können, werden die Arbeitsplätze gesichert. Die überproportional wachsende Flut an Rechtsvorschriften und insbesondere der oft marktferne Inhalt dieser Gesetze und Verordnungen haben den Wettbewerb mehr als behindert.
Eine intakte Verwaltung ist notwendig. Sie hat unverzichtbare Aufgaben zu erfüllen. Eine unverhältnismäßige Ausweitung des öffentlichen Sektors führt aber zwangsläufig zu unwirtschaftlichem Verbrauch von Mitteln, die in der Wirtschaft dringend benötigt sind.
Der öffentliche Sektor hat in der Vergangenheit immer mehr für den Konsum und immer weniger für die öffentlichen Investitionen, die dringend nötig wären, ausgegeben. In der privaten Wirtschaft sorgt der Wettbewerb dafür, daß auf Sicht Mittel nicht unwirtschaftlich verwendet werden, will man nicht untergehen. Gerade die heilsame Kontrolle und Selbstkontrolle durch den Wettbewerb fehlt im öffentlichen Sektor naturgemäß vollständig. Das ist einer der Gründe, warum eine Staatswirtschaft nicht funktionieren kann.
Was bringt die tendenzielle Minderung der Eigenverantwortung?
Die Erfahrung lehrt, daß ein Selbstbedienungsladen ohne Kasse und Kontrolle nicht verantwortungsfördernd wirken kann. So muß ein Sozialstaat ohne angemessene Eigenbeteiligung an der Daseinsvorsorge eine Vollkasko-Mentalität ohne Prämie entstehen lassen,

(Beifall bei der CDU/CSU)

die die Solidargemeinschaft teuer zu bezahlen hat. Das gilt auch für die Ausbildungsbereitschaft. Von je 100 Arbeitslosen sind 52 ohne abgeschlossene Berufsausbildung.
Wenn mit den letztjährigen Sozialleistungen in Höhe von 540 Milliarden DM inzwischen ein Drittel der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung teils zu Recht verteilt, teils aber sozial unausgewogen umverteilt worden ist, wenn im statistischen Durchschnitt jeder private bundesdeutsche Haushalt heute bereits 33 % seines Einkommens aus staatlichen Leistungen bezieht — das sind 335 Milliarden DM —, während im vergangenen Jahr 550 Milliarden DM an Löhnen und Gehältern ausgezahlt wurden, dann stellt sich natürlich die Frage: lohnt da noch Leistung? So darf es nicht verwundern, daß in diesem Bereich der verwaltete Bürger entstanden ist. Diese Politik fördert nicht den Freiheitsraum der Bürger, sie fördert den Mißbrauch.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist paradox: obwohl im Zuge der allgemeinen Wohlstandsmehrung die Fähigkeit der Bürger zu individueller Daseinsvorsorge unbestritten zugenommen hat, glaubte man, durch die Förderung der versorgungsstaatlichen Mentalität eine andere Richtung vorgeben zu sollen. Die private Daseinsvorsorge muß wieder erweitert, der individuelle Spielraum wieder vergrößert werden. Es nimmt nicht Wunder, daß die jetzt so beklagte kollektive Anspruchshaltung als Mentalitätsmerkmal unserer Gesellschaft entstanden ist. Hier muß wieder ausgeglichen, das entstandene Übermaß behutsam abgebaut werden. Das ist sicher keine leichte Aufgabe. Daß die Zahl derer, die eine selbständige Existenz anstreben, wieder ansteigt, ist ein gutes Omen. Es gilt, die kreativen Kräfte in unserem Gemeinwesen wieder verstärkt zu fördern. Das ist eine echte Staatsaufgabe.
In unserer Gesellschaft besteht die Gefahr, daß sie in drei Klassen zerfällt: in Leistungsbürger, in wirklich Bedürftige und in Anspruchsbürger, also in Leute, die bereit sind, unter Aufbietung aller ihrer Möglichkeiten ihre Probleme selber zu lösen, für sich und die Ihren zu sorgen; in solche, die aus eigener Kraft beim besten Willen nicht zurechtkommen können; und in Menschen, die der Meinung sind, daß in erster Linie der Staat, das Gemeinwesen, die anderen dafür zu sorgen haben, daß sie einen angemessenen Lebensstandard halten können.
Die Schwierigkeit der Politiker in dieser Situation liegt natürlich darin, die Fälle echter Bedürftigkeit von den Fällen zu trennen, in denen Leute auf den Sozialzug aufgesprungen sind, obwohl sie in der Lage sind, gut für sich selbst aufzukommen.
Daß weite Bereiche der politischen Linken die wohlverstandenen Interessen der großen Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung heute nicht mehr vertreten, ist offenkundig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie konzentrieren sich auf sogenannte Randgruppen. Das könnte verdienstvoll sein, wenn damit nicht immer neue Möglichkeiten aufgebaut würden für Leute, die sich hinter den wirklich Bedürftigen verstecken, um auf diese Weise auf billigste Art — in jedem Sinn des Wortes — über die Runden zu kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dies zeigt zwar eine zutiefst unsoziale Einstellung, wird aber von vielen keineswegs so empfunden. Sie halten es schlicht und einfach für ihr gutes Recht. Die Möglichkeit des Staates, für die sozial Schwachen gut zu sorgen, wird dadurch stark eingeschränkt.
Eine weitere Frage ist: War die bisherige öffentliche Finanzpolitik wohlstandmehrend? Die ungeheuere Staatsverschuldung von über 600 Milliarden DM hat dazu geführt, daß die Geldanlage vornehmlich in öffentlichen Titeln eine höhere Rendite als Investitionen brachte. Die Lenkung von Kapital in den öffentlichen Geldanlagesektor war die logische Folge. Bei der Suche nach Verantwortlichen für die heutige Arbeitslosigkeit sollte daher der Staat mit



Kraus
seiner Verschuldungspolitik nicht vergessen werden. Verschuldungspolitik ist keine den allgemeinen Wohlstand mehrende Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ist es richtig, Lohnerhöhungen und sonstige Ansprüche an den Arbeitsplatz ohne Blick auf die Kosten- und Wettbewerbssituation durchsetzen zu wollen? In der Bundesrepublik sind meines Erachtens viele Arbeitsplätze deshalb verlorengegangen, weil die Kosten für die Arbeit als Großteil der Gesamtkosten für die Produktion überproportional gestiegen sind, so daß erstens die Nachfrage nach Arbeitsplätzen zurückgehen mußte und zweitens für den Hersteller ausreichende Produktpreise auf den Absatzmärkten nicht mehr erzielt werden konnten.
Es muß die künftige Aufgabe der Wirtschafts-, vor allem aber der Tarifpolitik sein, Kostenrelationen herzustellen, die arbeitnehmerfreundlich sind. In den letzten beiden Jahren haben sich die Gewerkschaften in diesem Sinn verhalten. Dafür ist ihnen zu danken.
Zwar reden wir nicht von Arbeitsplatzgarantie, weil die nur in einem planwirtschaftlichen System sozialistischer Prägung verwirklicht werden könnte; Recht auf Arbeit bedingte auch Pflicht zur Arbeit, und das vertrüge sich nicht mit unserer freiheitlichen Grundordnung. Aber ich bin sehr wohl der Meinung, daß die Grundprinzipien der freien, der Sozialen Marktwirtschaft — Subsidiarität und Solidarität — dem Staat eine Mitverantwortung auferlegen. Er hat die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit allen Bürgern die Möglichkeit eröffnet wird, eine Arbeit aufzunehmen. Und wir bekennen uns dazu, daß wir den Hilfsbedürftigen eine soziale Absicherung gewähren müssen.
Jedermann muß sich aber darüber im klaren sein, daß das Recht auf Arbeit, das von uns allen unbestritten ist, nicht bedeuten kann, daß man ein Recht auf einen ganz bestimmten Arbeitsplatz an einem ganz bestimmten Ort zu ganz bestimmten Bedingungen, zu einer ganz bestimmten Bezahlung und in einem ganz bestimmten Beruf beanspruchen kann. Dies kann kein Staat der Welt gewährleisten, da die Berufswünsche mit den Bedürfnissen der Bevölkerung nur in den seltensten Fällen voll übereinstimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Was wir in diesem Zusammenhang brauchen, ist mehr Mobilität und Flexibilität in beruflicher und räumlicher Hinsicht, aber auch mehr Flexibilität in der Bewertung der Arbeit, d. h. derzeit konkret vor allem eine Höherbewertung von körperlicher und handwerklicher Tätigkeit.

(Dr. Waigel [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Ist es richtig, die Probleme des Arbeitsmarkts durch Verkürzung der Arbeitszeit bei gleichbleibendem Lohn zu lösen? In einer geschwächten Wirtschaft kann nicht kostenbelastend weniger gearbeitet werden. Jede Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnabschlag ist mit steigenden Produktionskosten zu bezahlen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Logisch!)

Aber auch mit Lohnabschlag würde sie zu einer steigenden Fixkostenbelastung auf Grund verringerter Kapazitätsauslastung führen; denn es ist sicher fraglich, ob Neueinstellungen erfolgen würden. Die Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnabschlag ist kein geeignetes Mittel, um zu den so dringend benötigten neuen Arbeitsplätzen zu kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Phänomen einer kostenmehrenden Arbeitszeitverkürzung mit einer sich weiter öffnenden Kostenschere läßt sich wohl kaum treffender charakterisieren als mit der Feststellung des Direktors des Kieler Wirtschaftsforschungsinstitutes, Professor Giersch. Er sagt: „Arbeitslosigkeit dieser Jahre mit Arbeitszeitverkürzungen beheben zu wollen, hieße Nahrungsentzug gegen Magersucht zu verschreiben."
Das bedeutet nicht, daß wir gegen Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung, gegen Teilzeitbeschäftigung, Job-sharing oder auch gegen eine vorgezogene Altersruhegeldregelung wären. Voraussetzung ist allerdings, daß entsprechende Vereinbarungen von den Tarifvertragsparteien in ihrer Verantwortung geschlossen werden und dabei Kostenneutralität und Vermeidung von Wettbewerbsbeeinträchtigungen beachtet werden.
Ich will jetzt nicht noch eingehen auf die Diskussion über qualitatives und quantitatives Wachstum. Jedenfalls glaube ich, daß generell von einer Sättigung der Märkte — von Teilbereichen abgesehen — überhaupt nicht gesprochen werden kann. In diesem Land gibt es eine Menge Arbeit zu tun. Denken Sie an die Verbesserung der Infrastruktur, an die Energieversorgung, an tausend andere Bereiche bis hin zu den Dingen des täglichen Bedarfs des kleinen Mannes. Mit anderen Worten: Die Analyse, die als Grundlage der Arbeitszeitverkürzungsideologie dient und davon ausgeht, daß in diesem Land nicht genügend Arbeit vorhanden ist und die vorhandene Arbeit folglich gerecht verteilt werden muß, ist von Haus aus als falsch zu bezeichnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Irgendwie erinnert das Patentrezept „35-StundenWoche" an die seinerzeitige Diskussion über den Nulltarif. Sie wissen, Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre gab es eine Menge Leute, die davon gesprochen haben, man müsse die öffentlichen Dienstleistungen zum Nulltarif anbieten, weil das volkswirtschaftlich einfach sinnvoll sei. Durchaus ernst zu nehmende Leute haben seinerzeit diese Forderung ebenfalls befürwortet. Ihre Unsinnigkeit wurde dann im Laufe der Zeit erkannt. Heute redet niemand mehr darüber.
Ich bin also der Meinung — damit stehe ich auch nicht allein —, um das zu diesem Thema abschließend zu sagen, daß genügend Arbeit für alle da wäre, allerdings nicht zu den gegenwärtigen hohen Kosten.



Kraus
Es ist zwar auch so, daß unternehmerisches Denken, daß Wagnisbereitschaft auch in der Wirtschaft nachgelassen hat und sich dort im Laufe der Zeit auch ein gewisses statisches Denken, eine gewisse Versorgungsmentalität breitgemacht hat. Entscheidend für das Nachlassen der Investitionstätigkeit war aber doch die zurückgehende Ertragskraft der Unternehmen, war die Umverteilungspolitik, waren die Schwäche der Investitionskraft und die immer geringer werdende Eigenkapitalausstattung. Zuviel Geld ging in den Konsum, und der Staat nahm zuviel Kapital für sich in Anspruch.

(Roth [SPD]: Beim Lesen mal hochgukken!)

— Herr Roth, ich würde mich freuen, wenn Sie mir freundlicherweise zuhörten. Ich habe auch Sie vorhin ansprechen wollen, aber leider habe ich Sie gerade nicht entdeckt.

(Haehser [SPD]: Hätten Sie es mir gesagt, hätte ich es ihm weitergesagt!)

— Herr Haehser, Sie sind ein freundlicher Mensch. Ich werde mich in Zukunft daran erinnern.

(Dr. Waigel [CDU/CSU]: Man weiß nur nicht, ob er ein guter Übermittler ist!)

— Er wird es schon verstanden haben.
Die Sanierung der öffentlichen Haushalte ist ein jahrelanger Prozeß. Das hat übrigens Herr Roth voriges Jahr in seiner Rede zum Jahreswirtschaftsbericht auch ausdrücklich erwähnt. Es war für mich interessant zu hören, welche Auffassung er voriges Jahr zu diesem Thema hatte. Er äußerte damals nämlich die Meinung, aus der großen Misere könne man nur nach vielen Jahren und sehr langsam wieder herauskommen. Heute teilt er diese Meinung offenbar nicht mehr.

(Hinsken [CDU/CSU]: Er hat ein kurzes Gedächtnis!)

Einen wichtigen Beitrag zur Eigenkapitalausstattung leisten wir mit unserer Vermögensbildungspolitik. Während in der alten Koalition jahrelang über dieses Thema gestritten wurde, haben wir Vorschläge unterbreitet. Bereits im Jahreswirtschaftsbericht dieses Jahres wurden Eckdaten für die von uns angestrebte Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen angekündigt. In Kürze wird der Gesetzentwurf zur Verwirklichung dieses wichtigen Anliegens vorgelegt werden. Für uns ist das auch ein Akt sozialer Gerechtigkeit. Wir wollen, daß die Arbeitnehmer am Produktivvermögenszuwachs beteiligt werden. Wir wollen damit Vermögenskonzentrationen bei wenigen entgegenwirken.
Lassen Sie mich kurz noch ein spezielles Kapitel anschneiden, nämlich die Fragen der Baukonjunktur, eines Wirtschaftszweigs, der für die Konjunktur bei uns von ganz entscheidender Bedeutung ist. Das Problem für die Bauwirtschaft schlechthin ist die schrumpfende öffentliche Bautätigkeit. Das Investitionsverhalten von Bund, Ländern und Kommunen trägt für wesentliche Teile der Bauwirtschaft, insbesondere für die Arbeit in der Bauindustrie, die zu 60 % von den öffentlichen Bauaufträgen abhängig ist, die konjunkturelle Entwicklung auf kurze und mittlere Sicht. So weist die mittelfristige Finanzplanung der Kommunen bis 1986 eine Reduzierung der Bauausgaben um nominal ein Drittel aus. Dasselbe gilt für die Länder, wenn auch in etwas abgeschwächter Form.
Wenngleich diese Planungszahlen erfahrungsgemäß nur mit Vorbehalt zu gebrauchen sind, so steht doch eines fest: Die große Bedeutung, die der öffentliche Sektor für die Bauwirtschaft hat, gehört zu den wesentlichen Bestimmungsmerkmalen dieses Wirtschaftszweigs. Die Verstetigung der Baunachfrage ist daher eine unabdingbare und zentrale politische Aufgabe, ohne die eine stetige gesamtwirtschaftliche Entwicklung nicht erreicht werden kann.
Sowohl die Überforderung der Kapazitäten als auch ihr abrupter Abbau auf Grund übermäßiger Nachfrageschwankungen verursachen erhebliche volkswirtschaftliche Schäden. Eine unstetige Entwicklung der Baunachfrage vermindert nicht nur die Leistungsfähigkeit der Bauwirtschaft; sie wirkt sich auch auf die Beschäftigungs- und Einkommenssituation auf den Baustellen sowie in den vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereichen negativ aus und ist in entscheidendem Maße mitverantwortlich für den langfristig gegebenen Fachkräftemangel. Sie beeinträchtigt darüber hinaus die Investitionskraft der Unternehmen.
Dabei ist natürlich nicht zu verkennen, daß die Haupthindernisse zur Realisierung dieses Vorhabens selbstverständlich finanzieller Art sind. Mittelpunkt unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik muß deshalb die Gesundung der Staatsfinanzen zur Schaffung des notwendigen investitionspolitischen Spielraums sein. Dies ist nur durch eine gemeinsame Haushaltskonsolidierung aller Gebietskörperschaften möglich, die nicht zu Lasten der jeweils anderen Verwaltungsebene geht, insbesondere nicht zu Lasten der Investitionsausgaben.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Wollen wir der existenzbedrohenden Staatsverschuldung Lebewohl sagen, muß die Umstrukturierung der Haushalte zu Lasten der konsumtiven und zugunsten der investiven Bereiche die Priorität Nummer eins sein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Krizsan [GRÜNE]: Zum Beispiel zu Lasten der Sozialhilfeempfänger!)

— Wenn Sie deutlicher redeten, Herr Krizsan, könnte ich Sie möglicherweise verstehen.

(Krizsan [GRÜNE]: Ich sagte: zum Beispiel zu Lasten der Sozialhilfeempfänger!)

— Wissen Sie, Herr Krizsan, wenn man hier in der Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht mit Rezepten antritt, wie Sie sie vertreten, dann ist eine solche Bemerkung nicht einmal mehr als lustig zu bezeichnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie kommen hierher mit Ihrem 35-Stunden-Patentrezept und wollen uns sagen: das alles bei vollem
Lohnausgleich. Ich mache Ihnen einen Vorschlag:



Kraus
Sagen Sie doch gleich 30 Stunden, dann können Sie die Arbeitsmarktprobleme nicht nur der Bundesrepublik, sondern ganz Europas lösen!

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Krizsan [GRÜNE]: Zuhören!)

Lassen Sie mich zum Ende kommen. Bei der Finanzierung des Baubedarfs müssen wir nach unserer Auffassung auch neue Wege beschreiten. Privates Kapital und privates Know-how müssen für die Abwicklung öffentlicher Bauvorhaben mobilisiert werden.

(Zuruf des Abg. Roth [SPD])

— Herr Roth, ich kann kaum glauben, daß Sie überhaupt mitkommen. Deswegen werde ich mich bemühen, ein bißchen langsamer zu sein, wenn Sie das so wollen.
Eine solche Abwicklung könnte ganz oder zumindest teilweise Planung, Organisation, Errichtung sowie Verkauf oder Vermietung und die private Finanzierung durch Banken, Versicherungen, Leasing-Gesellschaften und Fördervereine mit einschließen. Dieser Weg ist bisher durch eine Reihe von Kommunen erfolgreich beschritten worden.
Wo stehen wir heute? Wir haben Positives und belastende Faktoren. Es gibt augenblicklich eine ganze Reihe positiver Ansatzpunkte: eine den Zinsabbau fördernde Geldpolitik der Bundesbank, eine auch durch die gesunkenen ölpreisrückläufige Inflationsrate, die starke Aktivierung der Leistungsbilanz, der Stopp beim Exportrückgang, eine wieder lebhaftere Nachfrage nach Industrieerzeugnissen und steigende Aufträge im Wohnungsbau mit einer sich damit wieder stabilisierenden Investitionsneigung. Alle diese Konjunktursignale werden sich in Richtung einer Verfestigung des Wachstumsfundaments auswirken.
Fest steht — da stimme ich mit dem, was Herr Roth im vorigen Jahr gesagt hat, überein —, daß sich unsere Konjunktur nicht von heute auf morgen, in großen Schritten bessern läßt. Wir können uns nur sehr langsam aus der Rezession herausarbeiten. Entscheidend ist aber, daß sich die Chancen für die Rekonvaleszenz über eine Kräftigung der Wachstums- und Ertragsquellen verbessern. Wir müssen langfristig wieder mehr auf den mündigen Bürger setzen. Wir müssen ihn wieder mehr seiner eigenen Leistungsfähigkeit und seinem Leistungswillen überlassen. Ohne die Aktivierung dieser Eigenschaften, nur mit staatlicher Vor- und Fürsorge, werden wir auf Dauer kein Wachstum erreichen, das es uns ermöglicht, die dem Staat verbleibenden Aufgaben in sinnvoller Weise zu erfüllen. — Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001204400
Das Wort hat der Herr Kollege Schlatter.

Günter Schlatter (SPD):
Rede ID: ID1001204500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundeskanzler hat gestern in seiner Regierungserklärung gleich zweimal auf die Wichtigkeit der Tatsache aufmerksam gemacht, daß jeder Industriestaat seine eigenen Hausaufgaben zu machen hat. Richtig! Das kann man sicherlich dazu auch aus der Sicht der Opposition sagen. Aber ich füge hinzu: Das, was an Eckwertbeschlüssen zum Bundeshaushalt 1984 und zur mittelfristigen Finanzplanung von der Regierungskoalition als Hausaufgaben auf den Tisch des Parlaments gebracht wurde, verdient im Hinblick auf die vollmundigen Absichtserklärungen von Williamsburg noch nicht einmal die Bewertung „schwach ausreichend".

(Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: Vergleichen Sie das einmal mit dem Ergebnis von Versailles!)

Vor allem — darauf will ich jetzt eingehen — im steuerpolitischen Teil zeigt sich besonders deutlich, daß die vorgeschlagenen Maßnahmen, durchweg ungeeignet sind, die als Folge der Weltwirtschaftskrise entstandene schwierige Situation unserer eigenen Wirtschaft, des Arbeitsmarkts und der öffentlichen Finanzen nachhaltig zu bessern.
Hinzu kommt, daß das Gesamtpaket, das Sie uns vorgelegt haben, in wesentlichen Teilen in Widerspruch steht zu Ihren früheren Forderungen an die damalige, von uns geführte Bundesregierung. Die CDU/CSU hat in der Vergangenheit mit Hilfe ihrer Mehrheit im Bundesrat jede Einnahmeverbesserung für die Bundesfinanzen verhindert und rigoros abgelehnt. Mit einer Mehrwertsteueranhebung um einen Prozentpunkt wollte Bundeskanzler Helmut Schmidt die Investitionszulage finanzieren. Sie haben das abgelehnt. Was die Union der sozialliberalen Bundesregierung ohne Rücksicht auf Wirtschaft und Arbeitslose verweigerte, um, das muß man heute feststellen, die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung zu strangulieren, plant sie jetzt teilweise selbst. Sie geben damit zumindest aus meiner Sicht zu, daß vernünftige und notwendige Maßnahmen von Ihnen seinerzeit aus machtpolitischen Gründen blockiert wurden.
Um nicht mißverstanden zu werden: Unsere Kritik heute als Oppositionspartei richtet sich nicht gegen die von Ihnen vorgesehene Neuverschuldung im Bundeshaushalt in Höhe von rund 40 Milliarden DM. An diese Höhe haben wir nie zu denken gewagt. Unsere Kritik gilt nicht der Anhebung der Mehrwertsteuer, wie Sie sie jetzt beschlossen haben. Unsere Kritik richtet sich vielmehr gegen die Art und Weise, wie durch Sie Finanzmittel und finanzieller Handlungsspielraum verkleckert werden sollen. Wir als Opposition wehren uns gegen den Zynismus, mit dem all das, was in den vergangenen Jahren der Unionsopposition von Ihnen bisweilen mit unerhörtem Pathos an Grundsetzlichem vorgetragen wurde, nun, in den letzten Monaten von Ihnen selbst in den Papierkorb befördert wurde.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das gilt beim Thema „heimliche Steuererhöhungen" und bei der Anhebung der Abgabenlast ebenso wie für Ihre heutige Abstinenz beim Subventionsabbau.



Schlatter
Wir wehren uns gegen die Art und Weise, wie Sie Steuergerechtigkeit praktizieren wollen,

(Zurufe von der CDU/CSU)

Sie belasten breite Schichten mit höherer Mehrwertsteuer, die alle trifft, und verwenden das Mehraufkommen im wesentlichen zur Senkung der Vermögensteuer und für weitere Abschreibungsvergünstigungen für Unternehmer. Wenn mein Vorredner darauf verwiesen hat, man mache jetzt einen mutigen Schritt hin zur Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand, dann kann ich nur fragen: Was ist das für ein mutiger Schritt, wenn von vier Milliarden DM ganze 500 Millionen DM für Vermögensbildung übrigbleiben,

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

d. h., bei mehr als 20 Millionen Arbeitnehmern nicht mehr als etwa 20 DM im Jahr?
Also, ich fasse zusammen: Ihr Konzept läuft darauf hinaus: Die wirtschaftlich Stärkeren erhalten mehr Geld, um ihren Leistungswillen zu steigern, wie Sie sagen, die Arbeitnehmer und Arbeitslosen erhalten weniger, damit ihre Leistungsbereitschaft wächst. Dies ist ein Konzept, das wir nicht mitmachen. Das können Sie auch der Öffentlichkeit nicht als Steuergerechtigkeit verkaufen.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001204600
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wissmann?

Günter Schlatter (SPD):
Rede ID: ID1001204700
Aber bitte.

Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID1001204800
Herr Kollege Schlatter, ich hätte zwei kurze Fragen. Erstens. Wie vereinbaren Sie Ihre Bemerkungen zu dem Thema Subventionen mit der vor 45 Minuten zu Ende gegangenen Debatte und den dortigen Einlassungen der SPD?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Zweitens. Wie vereinbaren Sie Ihre Bemerkungen zur Vermögensbildung mit dem Nichthandeln Ihrer Regierung in derselben Frage über Jahrzehnte?

(Beifall bei der CDU/CSU)


Günter Schlatter (SPD):
Rede ID: ID1001204900
Also, das, was Sie nun an Vermögensbildung anbieten, nämlich im Kern die Aufstockung des 624-DM-Gesetzes auf 936 DM, hätten wir zusammen — Sie in der Opposition und wir in der Regierungsverantwortung — schon lange machen können. Aber wir haben es nach außen nie als Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen dargestellt, weil es eben nichts anderes als Sparförderung ist. Deshalb waren wir in unserer Konzeption und dem, was wir erarbeitet und der Öffentlichkeit vorgelegt haben, immer der Auffassung: Wir müssen den Tarifvertragsparteien einen Rahmen schaffen, den diese dann mit einer Verabredung über konkrete Beteiligung von Arbeitnehmern am Produktivvermögen ausfüllen sollen.
Nun zu Ihrer Frage nach den Subventionen: Wenn Sie schon glauben, daß die von Ihnen geplanten Steuergeschenke Investitionen anregen, dann muß ich doch fragen: Warum finanzieren Sie das denn nicht über einen Abbau von Subventionen? Warum müssen z. B. Arbeitslose herhalten und auf Teile ihrer Arbeitslosenunterstützung verzichten?

(Wissmann [CDU/CSU]: Keine Antwort!)

— Aber Sie können sich nun in eine lockere Form des Zuhörens begeben, Sie brauchen nicht weiter stehenzubleiben; ich kann diese Förmlichkeit in diesem Zusammenhang nicht verstehen.
Graf Lambsdorff — und da gehe ich nun auf Ihre Frage ein — hat gestern in der Debatte formuliert: Subventionen sind und bleiben schädlich.

(Beifall bei der FDP)

Das ist für einen Bundeswirtschaftsminister ein erstaunlicher Satz, und es ist außerdem ein falscher Satz. Richtig ist, daß Subventionen unverzichtbare Instrumente der Wirtschaftspolitik sind; das gilt übrigens auch für Steuervergünstigungen. Aber — das ist der entscheidende Punkt — sie müssen volkswirtschaftlichen Zielen dienen, die über den Markt nicht erreicht werden können. Denken Sie z. B. an den Umweltschutz, an die Energiepolitik, an den Wohnungsbau! Da sich der Herr Bundeswirtschaftsminister, der sich nun aus der Debatte heute morgen zurückgezogen hat — ich sehe ihn jedenfalls nicht mehr

(Widerspruch bei der FDP)

— ah, Entschuldigung, Graf Lambsdorff —, anscheinend kein Problem vorstellen kann, das nicht durch das freie Spiel der Marktkräfte geregelt werden kann, hat er natürlich — das gebe ich dann ja zu — mit dem Steuerungsinstrument „Subventionen für die Wirtschaft" auch Schwierigkeiten. Dies ist heute morgen in der Debatte um Stahl ja auch deutlich geworden.

(Dr. Graf Lambsdorff [FDP]: Wollen Sie mehr Subventionen oder weniger?)

Ich begrüße und unterstreiche — wir haben das registriert —, daß es bei der CDU/CSU hinsichtlich des Subventionsabbaus, hinsichtlich der Art und Weise des Subventionsabbaus einen Lernprozeß gegeben hat. Jedenfalls stelle ich fest, daß heute nicht mehr vorschnell verkündet wird, daß ein linearer Subventionsabbau, sozusagen der Rasenmäher, das richtige Instrument sei. Aber wenn diese Erkenntnis gewachsen ist, dann darf sie doch nicht als Alibi für Nichtstun herhalten. Genau das muß ich Ihnen vorhalten, wenn ich mir die Eckwerte der Bundesregierung zum Bundeshaushalt betrachte.

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001205000
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Möllemann?

Günter Schlatter (SPD):
Rede ID: ID1001205100
Nein, jetzt nicht mehr.
Wir haben, was mühsam genug war, in der Regierungsverantwortung den Anteil der Steuersubventionen kontinuierlich abgebaut. Ich unterstreiche, daß dies mühsam genug war. Vielen ist das entgangen. Der Anteil der Steuersubventionen am Gesamtsteueraufkommen betrug 1971 noch fast 10 % — es waren 9,85% — und konnte bis 1982 auf 7,3% gesenkt werden. Sie dagegen belassen es als Regie-



Schlatter
rungskoalition bei vagen Bekundungen Ihrer guten Absichten.
Lassen Sie mich auf das Stichwort Vermögensteuer eingehen. Die Philosophie des Bundesfinanzministers für die Senkung der Vermögensteuer nährt sich j a wohl aus der Hoffnung, daß dadurch Investitionsanstöße bewirkt werden könnten. Erklären Sie doch aber bitte einmal, wie man hoffen darf, daß eine Senkung der Vermögensteuer, die ja vergangene Investitionen betrifft, zu neuen Investitionen führen werde.
Sie tun heute alles — das sage ich Ihnen in diesem Zusammenhang —, um die Unternehmerposition wieder in ein schiefes Licht zu rücken. Die besorgte Frage, die in einem „Handelsblatt"-Kommentar gestellt wird, ist doch wohl berechtigt. Es heißt in diesem Kommentar: Wird der Unternehmer, wenn er von der Regierung auf diese Weise zum Primus der Gesellschaft befördert wird, nicht in einigen Jahren wieder Klassenkeile kriegen? Sollte er sich nicht besser verweigern, sich auf diese Bank setzen zu lassen?

Dr. Rainer Barzel (CDU):
Rede ID: ID1001205200
Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Cronenberg?

Günter Schlatter (SPD):
Rede ID: ID1001205300
Nein, nicht mehr.
Sie vergeuden Milliarden bei der Senkung der Vermögensteuer und fördern mit den Mehrwertsteuergroschen der vielen, die diese Steuer zu zahlen haben, das Vermögen von wenigen. Abgesehen davon sind von Ihnen heute und auch gestern — es gab lediglich die vage Ankündigung einer Absicht — keine konkreten Vorschläge gemacht worden, wie denn der Ausgleich für die Länder- und Gemeindekassen aussehen werde. Sie greifen mit der Senkung der Vermögensteuer ja in diese Kassen. Die Tatsache, daß Sie bis heute über Ausgleichsregelungen nicht sprechen, dokumentiert einmal mehr, daß Ihnen wenig an den Finanzen der Kommunen und Länder liegt und daß Sie Ihre Politik der Auszehrung der Gemeindekassen fortsetzen wollen, wie Sie sie mit der weiteren Senkung der Gewerbesteuer eingeleitet haben.
Meine Damen und Herren, ich will noch eine Bemerkung zur Steuerlastquote machen. Diese will ich mit der Feststellung verbinden: Sie tun nichts für die Nachfrage und für die Entlastung der Lohnsteuerzahler. Der Bundesfinanzminister hat am Mittwoch im Finanzausschuß auf eine entsprechende Frage gesagt: Wenn überhaupt, dann wollen wir eine Entlastung der Bürger im Einkommensteuerbereich später einmal durch Umschichtung von direkten Steuern zu indirekten Steuern in Angriff nehmen. „Umschichtung" war das Stichwort. Auf dieses Stichwort will ich einmal eingehen. Gerade eine Umschichtung, wie Sie sie jetzt für eine ferne Zukunft in Aussicht stellen, haben Sie in der Vergangenheit aus Popularitätshascherei immer wieder abgelehnt. Unsere Steuerentlastungsprogramme, die wir als Regierungspartei verwirklicht haben, haben allein in der Zeit von 1974 bis 1981 eine Entlastung in der Gesamthöhe von 65,5 Milliarden DM gebracht. Schauen Sie sich die Lohnsteuerquote einmal an! Ich habe hier die Vorlage des Bundesfinanzministers an den Finanzplanungsrat vom April. Daraus geht ganz klar hervor, daß unsere ständigen Bemühungen die Lohnsteuerquote in der Zeit von 1977 bis 1982 bei rund 16 % haben stabilisieren können. Sie legen dem Finanzplanungsrat eine Berechnung vor, die signalisiert, daß Sie die Lohnsteuerquote bis 1987 auf 20,2 % ansteigen lassen wollen.
Wenn Herr Häfele in einer schriftlichen Antwort auf die Anfrage eines Kollegen in Aussicht stellt, daß die neuen Eckwertbeschlüsse der Bundesregierung Abhilfe schaffen würden, weil beim Anstieg der Steuerquote immerhin 0,2 Prozentpunkte abgebaut werden könnten, so kann ich nur sagen: Die Nachricht hör' ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Herr Bundesfinanzminister, bis zum heutigen Tage waren Sie nicht in der Lage, über die Eckwertbeschlüsse der mittelfristigen Finanzplanung hinaus endlich einmal konkrete Finanzplanungszahlen auf den Tisch zu legen und Ihre Politik mittelfristig mit Mark und Pfennig zu belegen. Ich fordere Sie auch heute wieder auf: Legen Sie eine mittelfristige Finanzplanung auf den Tisch, damit wir die Aussagen Ihres Staatssekretärs endlich einmal überprüfen können!

(Beifall bei der SPD)

Ich will hier nicht nur Kritik üben, sondern ich sage ausdrücklich: Wir erkennen Ihr Bemühen an, nun Verlustzuweisungsgesellschaften im Steuerrecht an den Kragen zu gehen. Ihre Vorschläge — das füge ich hinzu — zur zeitlichen Neuabgrenzung der Werbungskosten bei Bauherrenmodellen können aber nur ein erster bescheidener Schritt sein. Ich habe gestern mit Interesse vernommen, daß auch die FDP diesem Schritt zugestimmt hat. Ich erinnere mich noch sehr lebhaft des mühsamen Kampfes im vergangenen Jahr, bei einem wichtigen ersten Schritt, nämlich bei der Abschaffung der Mehrwertsteueroption, die Zustimmung der FDP zu erreichen. Welche Kämpfe hat das gekostet, und wie hat der Kollege Cronenberg gerade das Bauherrenmodell als wichtiges Instrument zur Baufinanzierung hier im Deutschen Bundestag verteidigt! Man lernt dazu, und ich nehme das mit Interesse zur Kenntnis.
Ich sage es noch einmal: Wir werden Sie in diesem Zusammenhang beim Wort nehmen, wir werden unsere eigenen Initiativen des letzten Jahres wieder aufgreifen und Sie zwingen, gerade auch bei den Steuersparmodellen mit Ihren Absichtserklärungen ernst zu machen, und wir werden Sie auch an Ihren Initiativen messen. Ihre Pläne — das ist mein letzter Gedanke — zur Verbesserung von Abschreibungsmöglichkeiten werden wir in den Einzelberatungen kritisch prüfen. Insgesamt stelle ich fest, daß uns eine erste Bewertung Ihrer Pläne zunächst nichts anderes dokumentiert, als daß Sie planen, einen wichtigen Beitrag zur Bürokratievermehrung zu leisten; denn die Sonderabschreibung, die Sie einführen wollen, gemessen an einem Einheitswert von 50 000 DM, ist wohl nichts anderes als



Schlatter
ein gigantisches Programm zur Bürokratievermehrung.

(Vorsitz: Vizepräsident Westphal)

Mir ist auch die Logik Ihrer Maßnahmen nicht klar. Einerseits gibt es eine Mehrbelastung durch Abgabenerhöhungen, die vor allem arbeitsplatzintensive Betriebe in diesem Jahr mit zusätzlich rund 6 Milliarden DM treffen werden — ich gebe zu, ein Teil der Verantwortung dafür liegt noch bei der alten Regierung —, andererseits gibt es Steuergeschenke, die im wesentlichen keine neuen Investitionen und Arbeitsplätze schaffen, weil sie schon im Ansatz verfehlt sind. Die Logik dieser Politik müssen Sie uns vor allem vor dem Hintergrund der Verabredungen erklären, die Sie in Williamsburg getroffen haben, und auch vor dem Hintergrund Ihrer Politik, die erklärtermaßen die Wende einleiten und neue Arbeitsplätze schaffen soll.
Ich sage Ihnen, die SPD weiß um die Notwendigkeit schmerzhafter Eingriffe, wenn es darum geht, die Haushalte der Gebietskörperschaften zu sanieren und neue Handlungsmöglichkeiten für Beschäftigungspolitik zu schaffen, übrigens nicht nur für staatliche Beschäftigungspolitik, sondern auch für die Förderung privater Investitionen. Wir messen dieses Bemühen an zwei Punkten, erstens müssen diese Maßnahmen tatsächlich der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit dienen, und zweitens dürfen sie nicht nur den sozial Schwachen finanziell angelastet werden. — Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001205400
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID1001205500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schlatter hat, was sicher begründet ist, die Diskussion über den Jahreswirtschaftsbericht zu einer kurzen kritischen Betrachtung der Steuer- und Finanzpolitik ausgeweitet. Die Schwierigkeit, diesen Beitrag richtig zu würdigen, liegt auch darin, daß er Entscheidungen anmahnt oder kritisiert, die in wenigen Wochen fallen. Es ist Ihnen bekannt, daß wir die Absicht haben, am 29. Juni, also noch in diesem Monat, den Haushaltsentwurf für 1984 im Kabinett zu beschließen, die mittelfristige Finanzplanung vorzulegen — deswegen ist es wirklich überflüssig, sie heute anzumahnen —, die notwendigen Begleitgesetze im Kabinett zu verabschieden, sowohl für die unvermeidlichen gesetzlichen Kürzungen im Haushalt als auch für die Steuerentlastungen und auch zur Vermögensbildung. Die kurze Debatte über diesen Problemkreis befindet sich also im Vorfeld der angekündigten Entscheidungen. Ich gehe davon aus, daß diese Vorlagen der Bundesregierung im September nach Wiederaufnahme der parlamentarischen Tätigkeit im Mittelpunkt großer Debatten und natürlich auch politischer Auseinandersetzungen in diesem Hause und auch außerhalb des Hauses stehen werden.
Erlauben Sie mir einige kurze Anmerkungen. Herr Kollege Schlatter, es ist nicht zu akzeptieren, wenn Sie in Verbindung mit Themen wie heimlicher Steuererhöhung und dringender anderer steuerpolitischer Aufgaben der Bundesregierung Unehrlichkeit, Zynismus oder andere, ähnlich unschöne Vokabeln vorhalten. Was sich in den letzten Monaten verändert hat, ist der Zustand der öffentlichen Finanzen. Er hat sich gegenüber den Vorhersagen und Grundannahmen unserer Vorgänger noch im letzten Sommer in geradezu dramatischer Weise verschlechtert.

(Zuruf von der SPD: Trotz der Wende!)

— Er hat sich gegenüber den Vorhersagen und Prognosen unserer Vorgänger vom vergangenen Sommer für das Jahr 1983 in geradezu dramatischer Weise verschlechtert.

(Roth [SPD]: Der Oberprognostiker sitzt doch in der neuen Regierung!)

— Also, Herr Roth, Ihre Zwischenrufe waren auch schon intelligenter.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich zur Bilanz kommen, zum Zahlenbild, wie es sich gegenüber dem Juni 1982 verschlechtert hat, um dann zu begründen, weshalb bestimmte Ziele, die wir weiterhin verfolgen — also etwa den Abbau heimlicher Steuererhöhungen —, in eine andere Zeitvorstellung der Realisierung gebracht werden müssen. Der Haushaltsentwurf der alten Bundesregierung vom Sommer 1982, vor knapp einem Jahr, ging von einem Fehlbetrag im Bundeshaushalt — —

(Dr. Ehrenberg [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Nein, ich möchte diesen Gedankengang zu Ende bringen. Es ist doch ganz interessant, zunächst einen Gedankengang zu hören und dann zu fragen, Herr Ehrenberg.
Der Haushaltsentwurf der alten Bundesregierung vom vergangenen Sommer ging von einem Fehlbetrag von 38 Milliarden DM für dieses Jahr aus. Er sollte durch einen Bundesbankgewinn von etwas über 10 Milliarden reduziert werden, so daß sich für 1983 eine Nettokreditaufnahme von etwa 28 Milliarden DM ergäbe. Die Eröffnungsbilanz, die wir im Oktober/November vorgenommen haben, ergab für 1983 einen Fehlbetrag von 58 Milliarden DM für den Bundeshaushalt.

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

Wir haben ihn durch die bekannten und von Ihnen kritisierten Spar- und Kürzungsentscheidungen im Verlauf weniger Wochen auf 52 Milliarden DM reduziert. Wir haben einen Bundesbankgewinn von 11 Milliarden DM eingesetzt. Damit kommen wir in den dann verabschiedeten Haushaltsentwurf für dieses Jahr auf eine Nettokreditaufnahme von 41 Milliarden DM.

(Haehser [SPD]: Das ist der Rekord!)

— Ja, dann hätten Sie noch mehr kürzen müssen, sehr geehrter Herr Kollege Haehser. Sie haben die Kürzungen abgelehnt und kritisieren die Neuver-



Bundesminister Dr. Stoltenberg
schuldung. Das stört Ihre elementare finanzpolitische Glaubwürdigkeit über diese Debatte hinaus.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich will nicht immer die alten Argumente wiederholen. Wir haben das ja schon alles gehört; es wurde schon alles beantwortet. Ich will einfach etwas zur Information sagen. Ich finde, daß in dieser Debatte hier auch Informationen vermittelt werden sollen. Ich will dem Hohen Hause folgendes sagen.
Im Gegensatz zu einigen Prognosen und Befürchtungen aus den Reihen der sozialdemokratischen Fraktion kann man sagen, daß sich — jedenfalls für die ersten vier Monate, für die wir die Zahlen haben — der Haushaltsvollzug 1983 im vorgesehenen Rahmen bewegt. Wir liegen für das erste Drittel dieses Jahres bei den Ausgaben sogar unterhalb der veranschlagten Größenordnung

(Hört! Hört! bei der CDU/CSU) und bei den Steuereingängen darüber.


(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Das ist etwas Neues! Das ist die Wende!)

Wenn sich dieser Trend fortsetzt — und jeder weiß, daß man hierüber im Juni nur vorläufige Annahmen aussprechen kann —, besteht eine gewisse Chance, daß die Nettokreditaufnahme für dieses Jahr nicht voll ausgeschöpft werden muß.

(Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Das ist wirklich etwas Neues! — Zuruf des Abg. Dr. Vogel [SPD])

— Nein, das berührt nicht das Jahr 1984. Wir sprechen jetzt von diesem Jahr. Vom nächsten Jahr reden wir ein anderes Mal, Herr Vogel.
Ich kann im Augenblick nicht die Sorgen der Opposition bestätigen, daß wir ein zusätzliches Defizit in Milliardenhöhe bekommen werden, daß wir einen Nachtragshaushalt in dieser Größenordnung vorlegen müssen. Ich habe aber auch in der Diskussion im Haushaltsausschuß hinzugefügt: Natürlich gibt es einige latente Haushaltsrisiken im Bereich Bürgschaften, Kreditgewährleistung, um nur einen Punkt zu nennen. So kann man diese Mitteilungen nur vorläufig machen, aber ich bin relativ optimistisch und denke, daß wir den Rahmen einhalten können und daß wir die Nettokreditaufnahme nicht durch einen Nachtrag zu erhöhen brauchen. Ich habe die Hoffnung, daß wir im Jahre 1983 unterhalb der vorgesehenen Nettokreditaufnahme bleiben können.
Nun möchte ich, nachdem diese Zahlen deutlich geworden sind, die nächste Stufe beschreiben. Ich beabsichtige, dem Kabinett nach Abschluß der noch erforderlichen Gespräche in dieser und in der kommenden Woche für die Sitzung am 29. Juni einen Haushaltsentwurf für 1984 vorzulegen, der voraussichtlich folgende Eckdaten haben wird: ein Wachstum von etwa 1,8 % und eine Nettokreditaufnahme auf Grund der sich jetzt abzeichnenden neuen Steuerschätzung von voraussichtlich etwa 38 Milliarden; das ist eine politische, nicht eine statistische Größenordnung.
Das setzt aber voraus, daß die vom Kabinett beschlossenen Kürzungen von 61/2 Milliarden durch die Begleitgesetze, die wir einbringen, auch vollzogen werden, und zwar mit etwas über 5 Milliarden durch diese Gesetzgebung und mit noch einmal 1,4 Milliarden auf Grund der sogenannten Chefgespräche und Abschlußverhandlungen.
Damit haben wir aber auch — an diesem Konzept arbeiten wir zur Zeit — die Möglichkeit, bestimmte Positionen, die für Investitionen, für die Stützung der Wirtschaft und für die Förderung des Arbeitsmarktes wichtig sind, gegenüber der Finanzplanung der Regierung Schmidt vom vergangenen Sommer spürbar zu verstärken. Dies wollen wir in unseren Beschlüssen vom 29. Juni erreichen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bei dieser Rechnung gehen wir von einem Bundesbankgewinn aus, der deutlich — in die Größenordnung von etwa 6 Milliarden — zurückzuführen sein wird. Wir müssen also nicht nur einen gewissen Rückgang in der Nettokreditaufnahme erreichen, sondern auch davon ausgehen — wir halten das im Prinzip auch für richtig —, daß die Summe, die von der Bundesbank erwartet werden kann, deutlich auf einen Betrag von etwa 6 Milliarden zurückgeht. Natürlich kann auch dies um einige hundert Millionen variabel sein.

(Abg. Stratmann [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Das heißt — das möchte ich gern noch sagen, bevor Sie Ihre Frage stellen —, wir haben im November 1982 einen Fehlbetrag — ohne Bundesbankgewinn und ohne Kürzungen — von 58 Milliarden in der Eröffnungsbilanz gehabt; wir wollen ihn im Haushaltsvoranschlag für 1984 ohne Bundesbankgewinn auf 44 Milliarden und mit Bundesbankgewinn auf etwa 38 Milliarden herunterbringen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich sage das zu Ihrer Kritik, Herr Schlatter: Das zeigt doch, daß wir die Aufgabe der Konsolidierung ernst nehmen und zugleich versuchen, politische Akzente, vor allem für Wirtschaftsförderung und Beschäftigung, zu setzen.
Natürlich sind diese Zahlen nur eine Zwischenstufe. Die Finanzplanung muß mit ernsthaften Annahmen deutlich machen, daß die Verringerung der Nettokreditaufnahme in den kommenden Jahren weitergeht. Um überhaupt politischen Manövrierraum zu behalten oder wiederzugewinnen, ist es unbedingt notwendig, das Defizit in den nächsten Jahren weiter drastisch abzusenken. — Bitte sehr!

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001205600
Herr Abgeordneter Stratmann zu einer Zwischenfrage.

Eckhard Stratmann (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1001205700
Herr Stoltenberg, können Sie zu dem kurzen Hinweis im „Spiegel" Stellung nehmen, daß Sie — es geht aus diesem Hinweis nicht eindeutig hervor; ich vermute, für die Haushaltsplanung 1984 — für die Bundesanstalt für Arbeit infolge einer erwarteten Zahl von 21/2 Millionen Arbeitslosen zusätzliche Zuschüsse vorsehen?




Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID1001205800
Ich will gern etwas zu diesem Sachverhalt, über den eine Reihe von Zeitungen berichtet haben, sagen. Übrigens glaube ich, mich daran zu erinnern, daß dies gestern vom Bundeswirtschaftsminister schon kurz angesprochen worden ist. Ich habe diese Frage schon einmal auf der Bundespressekonferenz beantwortet, aber ich nehme sie natürlich gern auch noch einmal hier im Hohen Hause auf.
Wir werden bei der Risikovorsorge für Arbeitslosigkeit nach den unangenehmen Erfahrungen unserer Vorgänger — aus denen muß man auch lernen — sozusagen an die äußerste Grenze einer denkbaren ungünstigen Entwicklung herangehen. Wir werden Risikovorsorge betreiben. Wenn sich diese Finanzmittel für die Bundesanstalt für Arbeit vorsorglich an einer Zahl von knapp 2,5 Millionen Arbeitslosen orientieren, bedeutet das nicht, daß wir dies als die wahrscheinliche Entwicklung ansehen, sondern heißt, daß wir sie für die ungünstigste halten.
Wenn wir auf Grund dieser Veranschlagung eine bestimmte Reserve im Haushaltsvollzug haben, können wir sie 1984 eventuell für andere Risiken gut gebrauchen, denn die Bundesregierung hat ja allein für Auslandskredite, Bürgschaften und Gewährleistungen an Verpflichtungen ein Volumen von etwa 150 Milliarden übernommen, die latente Risiken darstellen. In diesem Bereich besteht immer die Möglichkeit, daß im Rahmen einer Umschichtung in einem Nachtragshaushalt andere Mittel zur Deckung zur Verfügung gestellt werden. — Ich glaube, damit ist diese Frage beantwortet.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001205900
Herr Bundesminister, es hat sich ein weiterer Abgeordneter zu einer Zwischenfrage gemeldet.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID1001206000
Eine noch, und dann würde ich gern zum Abschluß kommen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001206100
Herr Vogelsang.

Kurt Vogelsang (SPD):
Rede ID: ID1001206200
Herr Bundesminister, nach dem, was Sie bisher gesagt haben: Sind Sie der Auffassung, daß es eine ausgesprochen ungünstige Annahme ist, wenn Sie von einem realen Wachstum von 2 bis 3 % für die nächsten Jahre ausgehen?

(Zuruf von der CDU/CSU: Hat er doch gar nicht gesagt!)


Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID1001206300
Ich halte das nicht für eine ausgesprochen ungünstige Annahme nach den bedrückenden Wachstumsraten, die wir seit 1980 erlebt haben. Ich halte es für eine vorsichtig optimistische. Wir alle würden uns freuen, wenn die tatsächliche Wachstumsentwicklung günstiger verliefe. Wir müssen jedenfalls große Anstrengungen unternehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ohne mich in die ständige Schuldzuweisung zwischen früheren Koalitionspartnern einzumischen — das bringt nun auch nichts mehr, Herr Roth; das haben wir doch nun schon fünf- oder sechsmal vor und nach der Wahl gehört —: Man muß doch auch aus den Erfahrungen seiner Vorgänger lernen. Hier aus unangenehmen Erfahrungen. Ich sage das ohne jede Polemik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Alle, auch die beteiligten Beamten der Ministerien
— es sind großenteils dieselben, großenteils sehr tüchtige Beamte — —

(Dr. Ehrenberg [SPD]: Der Wirtschaftsminister ist auch noch derselbe!)

— Ich habe doch gerade gesagt, Herr Ehrenberg: Machen Sie das nun endlich einmal privat mit den verehrten Kollegen der FDP aus. Das haben wir doch nun schon mindestens sechsmal hier gehört. Es lohnt sich doch nicht, weiter darüber zu reden.
Man muß also aus Erfahrungen lernen, auch aus den Erfahrungen seiner Vorgänger.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Und deswegen ist es in allen diesen Positionen richtig, vorsorglich auch eine eher ungünstige Entwicklung mit einzukalkulieren. Nur darf man das nicht übertreiben. Man darf auch nicht auf der ganzen Breite der wirtschaftlichen Erwartungen, der Prognosen nur die pessimistischen Szenerien zugrunde legen, weil man damit die Menschen entmutigt in einer Zeit, in der wir verantwortungsbewußt auch positive Kräfte und Impulse wecken wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das sind sozusagen die beiden Pole dieser Diskussion. Die sind Ihnen genausogut vertraut wie mir.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001206400
Nun haben Sie weitere Meldungen zu Zwischenfragen ausgelöst, Herr Minister.

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID1001206500
Ja, Frau Kollegin.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001206600
Frau Matthäus-Maier.

Ingrid Matthäus-Maier (SPD):
Rede ID: ID1001206700
Herr Stoltenberg, darf ich Sie fragen, da Sie sagten, es sollte doch jetzt einmal mit der Vergangenheitsbewältigung und dem Hin und Her zwischen ehemaligen Koalitionären Schluß sein — —

Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID1001206800
Die können Sie dann mit sich selbst betreiben, Frau Kollegin — wenn ich das sagen darf. — Entschuldigung.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ingrid Matthäus-Maier (SPD):
Rede ID: ID1001206900
Gerade deswegen habe ich mich gemeldet. Glauben Sie nicht, daß es, wenn Sie immer wieder im Finanzausschuß, vorgestern, heute morgen, als einen der Gründe für Ihre Politik, die wir für falsch halten, angeben, das sei die Erblast, das sei die Vergangenheit, in der alles falsch gemacht worden sei,

(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)




Frau Matthäus-Maier
legitim ist, darauf hinzuweisen, daß wir hier den sehr seltsamen Zustand haben, daß die Erblasser und der Erbe ein und dieselbe Person in der Person des Bundeswirtschaftsministers sind.

(Zustimmung bei der SPD)


Dr. Gerhard Stoltenberg (CDU):
Rede ID: ID1001207000
Ich habe gerade eben gesagt, daß ich nicht die Absicht habe, diese personenbezogene Diskussion innerhalb der alten Regierungskoalition fortzuführen, ob der Bundeskanzler, der die Richtlinien der Politik bestimmt hat, der verantwortliche war, oder der Bundeswirtschaftsminister oder der Bundesfinanzminister oder der Bundesarbeitsminister. Auch nach Ihrer Frage, sehr verehrte Frau Kollegin, kann ich nur sagen: Das alles führt zu nichts. Die Kollegen der Freien Demokratischen Partei haben aus einer falschen Entwicklung die politischen Konsequenzen gezogen,

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

mit großem Mut, persönlichem Mut, was auch gerade den Kollegen, der hier angesprochen wurde, den Bundeswirtschaftsminister betrifft.
Ich kann nur sagen: Wir gehen partnerschaftlich
— ich kann hier gerade auch den Bundesarbeitsminister Norbert Blüm einbeziehen — in der Regierungsarbeit an die Lösung der uns gemeinsam gestellten großen Aufgaben heran, in der Absicht, diesem hohen Hause am 29. Juni konkrete Vorschläge zu machen, wie wir die Ziele erreichen, die wir haben, und die Aufgaben, die uns gestellt sind, meistern wollen.

(Dr. Vogel [SPD]: Macht mal!)

— Wir werden das machen, Herr Vogel. Und wir sehen dann Ihren Reden im September mit großer Spannung entgegen.
Ich habe dieses Zahlenbild hier doch nicht entworfen, um eine Diskussion über Erblast mit solchen Vokabeln zu führen, sondern nur, um Ihnen deutlich zu machen, weshalb sich bestimmte Prioritäten verändert haben. Wenn sich der Fehlbetrag im Haushalt des Bundes in wenigen Wochen in der Prognose um 20 Milliarden DM erhöht — und das ist die prognostizierte Entwicklung von Juni 1982 bis September 1982 —, dann ist doch vollkommen klar, daß sich die Zeitvorstellungen für bestimmte steuerliche Entlastungen in großem Umfang, also hier hinsichtlich der Lohn- und Einkommensteuer, bei so veränderten Daten ein Stück verändern müssen. Es ist doch für jeden, der finanzpolitisch denken und argumentieren kann, vollkommen klar, daß die Priorität der Konsolidierung mit der veränderten Qualität der Zahlen immer deutlicher wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Kollege Schlatter, es hat mich ein bißchen gestört, daß Sie nicht ganz exakt aus einer geschlossenen Ausschußsitzung zitiert haben. Ich würde empfehlen, daß wir das in Zukunft nicht machen. Ich kann j a meinen Standpunkt hier im Plenum selbst darstellen.
Nun brauche ich mich j a hier nur auf die Regierungserklärung zu beziehen. Wir betrachten die
Forderung nach einer Senkung der Lohn- und Einkommensteuer auch unter dem Vorzeichen der heimlichen Steuererhöhungen unverändert als wichtig und legitim. Aber wir müssen bei diesen radikal verschlechterten finanzwirtschaftlichen Eckdaten unter Einbeziehung des Ziels der Konsolidierung einen Weg finden, der nicht zu einem neuen drastischen Ansteigen der Haushaltsdefizite führt.

(Haehser [SPD]: Dann müßte Herr Häfele aber zurücktreten! Aber wirklich, Herr Minister!)

— Wirklich, es lohnt sich nicht mehr.

(Heahser [SPD]: Er hat dauernd darüber geschwätzt!)

— Ich bitte, Reden eines Kollegen nicht als „Geschwätz" zu bezeichnen. Ich bin hier einmal für eine zurückhaltendere Würdigung von Herrn Apel gerügt worden. Ich bitte also, Reden eines Kollegen nicht als „Geschwätz" zu bezeichnen.

(Beifall bei der CDU/CSU — Roth [SPD]: Als Nordlicht wissen Sie nicht, daß „Schwätzen" ein ganz normaler Ausdruck ist, eine Anerkennung sogar! Herr Häfele ist doch ein Schwabe!)

— So, wie Sie das jetzt interpretieren, war es aber nicht gemeint von Herrn Haehser.
Meine Damen und Herren, es ist vollkommen klar, daß für alle verantwortlichen Politiker der CDU/CSU, der FDP und nach meiner Überzeugung auch der Opposition mit einem drastisch veränderten, verschlechterten Defizit die Bedingungen für eine Senkung der Lohn- und Einkommensteuer neu geprüft und definiert werden müssen. Von daher stellt sich die Frage, sie zu einem Zeitpunkt in einer Form zu vollziehen, die nicht zu einer drastischen Erhöhung der Defizite führt. Von daher stellt sich auch die Frage — wir können sie erst nach einer gründlichen Debatte im Kabinett beantworten —, ob und in welchem Umfang ein Ausgleich durch Umschichtung im Steuersystem notwendig sein wird, d. h. zu deutsch: auch durch Anhebung anderer Steuern oder Beseitigung von Steuersubventionen und -vorteilen. Gerade im letzten Punkt bin ich für jede konstruktive Anregung besonders dankbar. Wir werden in absehbarer Zeit darüber entscheiden.
Wir haben die jetzigen haushalts- und finanzpolitischen Entscheidungen in einem Tempo vorangebracht, das den Vergleich mit allen entsprechenden Arbeitsvorgängen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland aushält. Ich räume Ihnen offen ein, daß eine ganze Reihe wichtiger Fragen, die hier gestellt werden, für uns erst in den Monaten nach dem Herbst mit der nötigen Gründlichkeit diskutiert werden können und dann auch — jedenfalls gilt das für das Kabinett — entschieden werden können.
Herr Schlatter, ich möchte die Diskussion über die Begründung für die Senkung ertragsunabhängiger Steuern aus Zeitgründen nicht fortsetzten. Dies ist begründet in der ernsthaften finanzwirtschaftlichen, finanzwissenschaftlichen und auch fi-



Bundesminister Dr. Stoltenberg
nanzpolitischen Diskussion. Die auch in diesem Jahr große Zahl der Konkurse und Vergleichsverfahren unterstreicht eindringlich, daß eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe als ein Element der Arbeitsmarktpolitik neben anderen zur Lösung der Arbeitsmarktprobleme unentbehrlich ist. Von daher bleiben wir bei dem, was wir vor der Wahl gesagt haben. Wir haben das j a in aller Klarheit zu einem zentralen Thema der politischen Aussage vor der Wahl gemacht. Sie können in den Protokollen des Deutschen Bundestages ja auch nachlesen — das war ja Gegenstand unserer Kontroversen im November und Dezember —, daß wir den Schritt einer Erhöhung der Mehrwertsteuer und einer Steuerentlastung in zwei Stufen gehen. Wir sind hier voll auf der Linie unserer Aussagen vor der Bundestagswahl.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir glauben, daß wir auch ein Mandat vom deutschen Wähler mit der Entscheidung am 6. März bekommen haben, auf dieser Linie weiterzugehen.
Sie haben gesagt, 500 Millionen DM für die Vermögensbildung seien nur ein Almosen.

(Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Die haben doch jahrelang gar nichts gemacht!)

Herr Kollege Wissmann hat das in einer Zwischenfrage angesprochen. Ich bin überzeugt, daß die meisten deutschen Arbeitnehmer die Erweiterung des Rahmens von 624 DM auf 936 DM als einen sehr positiven und wichtigen Schritt ansehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese 500 Millionen sind rein finanzwirtschaftlich immer eine geschätzte Größe. Jeder von Ihnen, der sich mit diesen Fragen näher befaßt hat, weiß das. Man rechnet mit bestimmten Prozentsätzen der Ausnutzung durch Tarifpartner und Arbeitnehmer, die sich selbst dafür entscheiden, auch ohne Tarifverträge. Dieser Betrag wird nach den internen Schätzungen der Beamten im Finanzministerium, die ohne politische Vorgaben erfolgen, natürlich im ersten Jahr unter 500 Millionen liegen. Aber er wird nach diesen Prognosen bei dem Konzept, das wir jetzt in den Grundzügen erstellt haben, nach wenigen Jahren auf über 500 Millionen gehen, und er kann nach einer Aufzeichnung, die ich gerade vor einigen Tagen gelesen habe, in der Ausfallwirkung für den Haushalt — also positiv gesprochen: in der begünstigenden Wirkung für die Arbeitnehmer — sehr wohl auch in eine Größenordnung von 800 Millionen bis 1 Milliarde hineingehen. Es ist ein dynamischer Prozeß, den wir hier einleiten.
In den Grundzügen haben auch viele Sozialdemokraten seit den Zeiten Georg Lebers in den 60er Jahren eine solche Politik aktiv gefördert und begrüßt und gewollt. Aber sie waren nicht in der Lage, sich in der alten politischen Konstellation auf eine Lösung zu einigen. Ich werte es als einen großen Fortschritt, daß wir dies in der neuen Koalition geschafft haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001207100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert (Marburg).

(Dr. Waigel [CDU/CSU]: Der andere Kleinert ist witziger!)


Hubert Kleinert (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1001207200
Ich möchte nach dem Beitrag des Bundesfinanzministers doch die Gelegeneit nicht versäumen, auf Ihre Vorstellungen zum Bundeshaushalt 1984 kurz einzugehen. Sie haben es j a eben noch einmal gesagt, Sie wollen die konsumtiven Staatsausgaben um mindestens 6,5 Milliarden senken. Sie wollen die Nettokreditaufnahme auf 39 Milliarden begrenzen. Wir haben eben interessanterweise gerade gehört, daß Sie jetzt sogar glauben, bis auf 38 Milliarden Nettokreditaufnahme heruntergehen zu können. Herr Bundesfinanzminister, wir werden sehen, was von diesen Ankündigungen dann noch übrigbleiben wird. Aber das möchte ich gern dem September vorbehalten sein lassen.
Ich will mich hier darauf konzentrieren, in aller Kürze ganz deutlich herauszustellen, was wir von den bisher vorliegenden Beschlüssen der Bundesregierung zum Bundeshaushalt 1984 halten. Wir sagen dazu, daß die Beschlüsse der Bundesregierung zum Bundeshaushalt 1984 weder sozial vertretbar sind noch daß es sich dabei um eine Politik handelt, die in irgendeiner Weise zum Abbau der Arbeitslosigkeit wird beitragen können. Auf die unsozialen Auswirkungen der Kürzungen ist gestern bereits des öfteren hingewiesen worden. Ich kann mir das hier also weitgehend ersparen. Es ist weithin bekannt, daß diese Kürzungen in erster Linie Rentner betreffen, daß sie Kurzarbeiter betreffen, daß sie Umschüler betreffen, daß sie die Sozialhilfeempfänger betreffen und daß sie nicht zuletzt auch Kranke und Behinderte betreffen und daß sie damit in erster Linie diejenigen betreffen, die als sozial schwächer Gestellte in diesem Land sich am wenigsten zur Wehr setzen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist auch schon darauf hingewiesen worden, daß der von Ihnen so vollmundig angekündigte Abbau von Subventionen nicht stattfindet. Was statt dessen stattfindet, das ist die soziale Umverteilung zugunsten derjenigen, die man ohnehin zu den besitzenden Schichten rechnen muß.
Der Vorschlag der Regierung, die steuerlichen Mehreinnahmen, die sich durch die Anhebung der Mehrwertsteuer ergeben — es geht immerhin um 4 Milliarden DM —, fast ausschließlich zur steuerlichen Entlastung der Unternehmen zu verwenden, dieses Vorhaben liefert ein Musterbeispiel für diese Form der Umverteilung. Denn der Löwenanteil der zusätzlichen Einnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung stammt doch von Arbeitern und Angstellten. Woher stammt er denn sonst? Diese Mittel werden jetzt zugunsten der steuerlichen Entlastung der Unternehmen eingesetzt. Was ist das denn anderes als ein direkter Umverteilungseffekt?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun sagen Sie, daß mit diesen Maßnahmen ein wesentlicher Beitrag zur Verbesserung der wirtschaftlichen Entwicklung, wie Sie das nennen, und



Kleinert (Marburg)

zu mehr Beschäftigung geleistet werden könne. Ich sage Ihnen dazu, daß das Gegenteil der Fall sein wird. Ich will Ihnen auch sagen, weshalb.
Erstens. Die vorgesehenen Kürzungen bei den konsumtiven Ausgaben werden beschäftigungspolitische Negativeffekte in Form eines Rückgangs zahlungsfähiger Nachfrage haben. Das können auch Sie nicht bestreiten. Diese Negativeffekte — das ist der Punkt — werden die positiven Effekte, die Sie sich von den steuerlichen Entlastungen für die Unternehmen versprechen, die Sie j a nicht einmal in irgendeiner Weise beweisen können — das sind j a nur Vermutungen und Spekulationen, was Sie hier angeben —, überwiegen.
Der zweite Punkt. Soweit die vorgesehenen steuerlichen Entlastungen für die Unternehmen tatsächlich die Investitionsneigung der Privatwirtschaft überhaupt fördern sollten, wird dies vor allem zu Rationalisierungsinvestitionen führen, die eher weitere Arbeitsplätze vernichten, als daß sie neue Arbeitsplätze schaffen würden. Das ist die wesentliche Konsequenz Ihrer steuerlichen Entlastungsmaßnahmen, die Sie nicht einmal an ökologische oder soziale Kriterien gebunden haben, Kriterien, die eine Differenzierung nach wirklich arbeitsplatzschaffenden oder etwa ökologisch wünschbaren Investitionen möglich machen würden.
Schließlich unterstellt das ganze Konzept, die Staatsverschuldung sei eine der wesentlichen Krisenursachen. Sie behaupten, wenn es gelänge, die Staatsverschuldung zu bremsen, wäre ein wesentlicher Schritt in Richtung Abbau der Arbeitslosigkeit gemacht. Dazu kann ich nur sagen, daß hier eine Verwechslung von Ursache und Wirkung vorliegt. Denn nicht die Nettokreditaufnahme des Bundes ist für die wirtschaftliche Krise mitverantwortlich, die Massenarbeitslosigkeit und jetzt auch entsprechende fiskalische Probleme produziert. Verantwortlich ist doch das wirtschaftliche System, ein wirtschaftliches System, in dem allein ungehemmtes Wachstum im Dienst von privatwirtschaftlichem Gewinn den störungsfreien Ablauf garantiert. Das ist doch der Punkt, daß dieses System jetzt in einer tiefen strukturellen Krise steckt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn Sie tatsächlich meinen, Arbeitslosigkeit lasse sich durch fiskalpolitische Maßnahmen bekämpfen, dann wird es Ihnen ergehen wie dem Hasen in dem Wettlauf mit dem Igel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Denn Sie kürzen die Sozialausgaben und wollen damit angeblich zum Abbau der Arbeitslosigkeit beitragen. Während Sie das noch tun, sind die Arbeitslosenzahlen aber bereits wieder gestiegen — und damit wieder die Sozialausgaben. Das Ganze wirft die haushaltspolitischen Eckdaten doch wieder über den Haufen.
Genau das erleben wir jetzt bereits. Sie rechnen doch jetzt selber schon wieder mit einem Jahresdurchschnitt von 2,5 Millionen Arbeitslosen für 1984 und keineswegs mehr, wie am Anfang der Haushaltsberatung, mit 2,35 Millionen. Ich sage Ihnen schon jetzt voraus, daß die neuen Zahlen, die da vorliegen und die mindestens zur Kenntnis zu nehmen Sie offenbar bereit sind, Ihre Ansätze über den Haufen werfen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie kommen angesichts der absehbaren wirtschaftlichen Entwicklung mit Ihrem haushaltspolitischen Kurs doch nur dazu, daß Sie dann, wenn Sie die Ausgabenprioritäten nicht grundsätzlich anders ansetzen wollen, ständig weitere Kürzungen im Sozialbereich vornehmen werden, wenn Sie die Nettokreditaufnahme tatsächlich senken wollen.
Ein letzter Punkt dazu. Wie Sie angesichts der vorliegenden Wirtschaftsprognosen Ihr Ziel, im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung bis 1987 die Nettokreditaufnahme auf 25 Milliarden DM zu senken, erreichen wollen, ist mir mehr als schleierhaft. Erreichen können werden Sie das nur dann, wenn das soziale Sicherungssystem als Ganzes in seiner Substanz zerstört wird. Wir befürchten, daß Ihre Politik genau in diese Richtung geht.

(Pfeffermann [CDU/CSU]: Quatsch!)

Um zum Schluß zu kommen. Ihr haushaltspolitisches Konzept für 1984 ist, soweit es vorliegt, in seiner ganzen unsozialen Ausrichtung und bei den absehbaren beschäftigungspolitischen Negativeffekten, die damit verbunden sein werden, für uns Ausdruck einer Mischung aus sozialem Zynismus und wirtschaftspolitischem Attentismus.

(Zuruf von der CDU/CSU)

— Sie verstehen das Wort Attentismus nicht? Soll ich Ihnen eine Nachhilfestunde geben?

(Lachen bei der CDU/CSU — Frau BeckOberdorf [GRÜNE]: Das ist der zweite Bildungweg! — Schily [GRÜNE]: Übersetzen! Der zweite Bildungsweg tut auch sein Gutes! — Pfeffermann [CDU/CSU]: Wir freuen uns doch nur über die Bürgernähe Ihrer Sprache!)

Ihre Streichungsvorschläge, die ganz überwiegend im Sozialbereich ansetzen und die Subventionen weitgehend aussparen, machen deutlich, daß es Ihnen gegenwärtig offenbar nur noch darum geht, die finanziellen Folgen der Massenarbeitslosigkeit auf Kosten der Betroffenen möglichst gering zu halten. Mit diesem Konzept werden Sie Ihren Beitrag zu einem beschäftigungspolitischen Fiasko leisten, das für die nächsten Jahre zu befürchten ist. Sie werden gleichzeitig Ihren Beitrag dazu leisten, daß die soziale Umverteilung in diesem Land vorangeht und dadurch ganze Bevölkerungsschichten an den Rand dieser Gesellschaft gedrängt werden. Das — und nicht ein Beitrag zu dem so gern beschworenen Aufschwung — wird die Folge der Haushaltspolitik der Bundesregierung für 1984 sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001207300
Das Wort hat der Kollege Grünbeck.

Josef Grünbeck (FDP):
Rede ID: ID1001207400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sicher erstaunlich



Grünbeck
— aber um so erfreulicher —, daß im Zuge der Aussprache über den Weltwirtschaftsgipfel in Williamsburg die Mittelstandspolitik eine immer größere Bedeutung erlangt, und zwar nicht nur im nationalen, sondern auch im internationalen Rahmen. Ich bin sehr dankbar dafür, daß im Verlauf dieser Debatte die Mittelstandspolitik konjunktur- und auch haushaltspolitisch in dem richtigen Rahmen gesehen wurde.
Ich glaube, es ist richtig, wenn wir eine ganz kurze Vorbemerkung zu konkreten Vorschlägen der FDP-Fraktion machen. Nach dem Krieg ist es dank der in diesem Hause vertretenen demokratischen Parteien CDU/CSU, SPD und FDP gelungen, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ermöglichten, daß sich bei uns in der Bundesrepublik Deutschland ein gewerblicher Mittelstand entfalten konnte, der in Europa und in der ganzen Welt meines Erachtens in dieser Struktur seinesgleichen sucht. Ich bin auch erfreut, feststellen zu können, daß man im Osten mit Liberalisierungen der Wirtschaftssysteme beginnt; denn dort hat man festgestellt, daß die Planwirtschaft in diesem Sinne nicht funktionieren kann.
Der von mir hoch geschätzte Kollege Rapp hat hier gestern angedeutet, daß die mittelstandspolitischen Entwicklungen auf Marxisten bzw. auf Sozialisten zurückzuführen seien. Ich glaube, mein Vorredner hat nahezu lückenlos bewiesen, daß das nicht so ist. Vielmehr haben freie Bürger als Arbeitgeber oder auch als Arbeitnehmer erkannt, daß Freiheit die Chance zur Selbstentfaltung und Leistung die Chance zur Selbstbestätigung bedeutet. Diese Chance ist genutzt worden. Deshalb haben wir heute einen Mittelstand, der gesellschaftspolitisch ernst genommen werden muß und in der Struktur- und der Regionalpolitik eine ganz entscheidende Position bezogen hat.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001207500
Herr Abgeordneter Grünbeck, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Roth zu?

Josef Grünbeck (FDP):
Rede ID: ID1001207600
Aber gerne.

Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID1001207700
Herr Kollege, da Herr Rapp das leider nicht richtigstellen kann, möchte ich es durch eine Frage tun. Haben Sie wirklich nicht verstanden, daß Herr Kollege Rapp gesagt hat, die Prognose von Karl Marx, nach der ein unendlicher Konzentrationsprozeß die Wirtschaft letztlich zerstören werde, sei nicht aufgegangen, es sei vielmehr erfreulich, daß sich diese Prognose von Karl Marx als unzutreffend erwiesen habe?

Josef Grünbeck (FDP):
Rede ID: ID1001207800
Herr Kollege, ich bin Ihnen dankbar für die Korrektur. Aber das ändert nichts an meiner Behauptung, daß die heutige mittelständische Struktur in der Bundesrepublik Deutschland auf die Bürger zurückzuführen ist, die in Freiheit und mit Leistungsbereitschaft eben diesen Mittelstand aufgebaut haben. Da können Sie nicht in der Vergangenheit wühlen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ich komme darauf noch zurück.

Ich sehe in der Mittelstandspolitik, meine Damen und Herren, auch einen entscheidenden Eckpfeiler im Hinblick auf die berufliche Bildung. Es wäre wünschenswert, wenn sich öffentliche Hand und Großunternehmungen an der Zahl der Auszubildenden orientierten, die die mittelständische Wirtschaft seit vielen Jahren mustergültig vorgibt. Ich will darauf nachher noch einmal zu sprechen kommen.
Ich warne allerdings davor — das hat mir heute die Stahldebatte gezeigt —, eine strenge Abgrenzung in der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung zwischen Mittelstand und Großindustrie vorzunehmen. Meine Damen und Herren, die Mittelstandspolitik ist mit vielen großindustriellen Ansiedlungen verzahnt. Wir haben Beweise dafür, daß gerade in der Zulieferindustrie die mittelständische Wirtschaft eine entscheidende Position für die Großindustrie einnimmt und natürlich in der regionalen Strukturpolitik eine ganz wichtige Rolle spielt.
Allerdings müssen wir auch sehen, welche Folgen damit manchmal verbunden sind. Ich meine damit auch die Insolvenzen, die oft gar nicht durch die mittelständischen Betriebe selbst verschuldet sind, sondern durch die strukturellen Veränderungen von Großunternehmungen in den einzelnen Regionen verursacht werden. Unsere Fraktion begrüßt es deshalb, daß der Bundesjustizminister an die Änderung des Insolvenzrechts herangeht; denn wenn ein mittelständisches Unternehmen schon keine Schuld trägt, ist es sicher falsch, wenn der Fiskus bei Insolvenzen mit 100 % zugreift und die mittelständischen Betriebe bei der Vergleichsquote hängen läßt. Dies ist sicher auch aus arbeitsmarktpolitischen Gründen nicht zu vertreten. Wir freuen uns, daß der Bundesjustizminister da zügig herangeht, und wir hoffen, daß er auch bald zu verabschiedungsreifen Vorlagen kommt.
Wir Freien Demokraten waren und sind immer gegen eine Monopolwirtschaft. Meine Damen und Herren, was sich im Moment im mittelständischen Bereich an Verdrängungswettbewerb vollzieht, erfordert unsere ganze Aufmerksamkeit, und zwar nicht nur bezüglich der Versorgungspolitik, sondern auch im Hinblick auf den Mißbrauch durch Monopolwirtschaften. Ich beziehe das nicht nur auf den Einzelhandel oder andere sektorale Entwicklungen, sondern auch auf die öffentlichen Versorgungsunternehmungen, die manchmal in einer schikanenhaften Art und Weise Handwerksbetriebe in ihrer Substanz gefährden, wie erst kürzlich ein drastischer Fall im norddeutschen Raum bewiesen hat.
Der Mittelstand steht vor einem bedeutenden Strukturwandel, meine Damen und Herren.

(Wissmann [CDU/CSU]: So ist es!)

Er braucht dazu einen Bewegungsspielraum. Dies bedeutet — das sage ich auch manchen mittelständischen Vertretern —,

(Dr. Klejdzinski [SPD]: Aber nur manchen!)

daß wir nicht ständig nach mehr Staat rufen; denn
wir alle haben erkannt, daß mehr Staat weniger
Freiheit für die Entwicklung der mittelständischen



Grünbeck
Betriebe läßt. Wir brauchen eine vernünftige Begleitung des notwendigen Strukturwandels. Ich darf dazu im Namen der FDP-Fraktion einige konkrete Vorschläge unterbreiten.
Erstens. Wir brauchen dringend eine Verstärkung der Forschungsmittel für die kleinen und mittleren Betriebe und die freien Berufe.

(Dr. Klejdzinski [SPD]: Sie wollen doch weniger Staat!)

Ich habe gestern von Herrn Kollegen Rapp gehört, daß die SPD dafür eintritt. Ich begrüße das außerordentlich. Aber Sie müssen sich schon die Frage gefallen lassen, wer denn eigentlich in den letzten Jahren den Forschungsminister gestellt hat. Dies war ein Versäumnis, das Sie hoffentlich mit uns gemeinsam nachholen.

(Zuruf des Abg. Gilges [SPD])

— Der neue Forschungsminister ist schon auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie sollten das sehr aufmerksam verfolgen. Mir wäre es lieber, Sie würden sich erst informieren, bevor Sie kritisieren. Das ist der bessere Weg.

(Dr. Klejdzinski [SPD]: Denken Sie auch daran, wer der Wirtschaftsminister war!)

— Entschuldigen Sie, Forschung und Entwicklung ressortieren in einem eigenen Ministerium. Davon rede ich jetzt.
Ich wünsche mir, daß wir bei der knapper werdenden Finanzdecke eine genaue Auswahl von Prioritäten treffen. Ich denke beispielsweise an einen einzigen konkreten Fall, nämlich daß man immer wieder die sicher berechtigte Forderung aufstellt, die Grenze für die geringwertigen Wirtschaftsgüter von 800 DM auf 1 200 DM zu erhöhen. Darin mag sicherlich eine Begründung liegen. Aber wenn ich dem Finanzminister zuhöre, der sagt, das mache eine Summe von 1,5 Milliarden DM aus

(Zuruf von der FDP: Zwei Milliarden!)

— oder zwei Milliarden —, dann würde ich mir wünschen, daß wir die Summe Forschungsmittel für die mittelständische Wirtschaft, die bei 350 Millionen DM liegt, verstärken, weil sie arbeitsmarktpolitisch größere Effekte haben als andere Maßnahmen nach dem Gießkannenprinzip, die uns letztendlich im Strukturwandel der mittelständischen Wirtschaft keine entscheidende Verbesserung bringen werden. Ich glaube, daß die Wettbewerbsfähigkeit der mittelständischen Wirtschaft auch durch eine verstärkte Förderung von Forschung und Entwicklung angenehm und positiv beeinflußt werden muß.
Meine Damen und Herren, die Vergangenheit hat eindeutig bewiesen: Die mittelständischen Betriebe und die freien Berufe sind in der Lage, mit weniger Finanzmitteln schneller und effizienter zu arbeiten und in der praktischen Umsetzung von Forschungsergebnissen in Produkte und Verfahren die Mittel besser einzusetzen als andere.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CDU/CSU)

Zweitens. Meine Damen und Herren, ein schwerwiegendes Problem der mittelständischen Wirtschaft ist die unzureichende Nachfolgebereitschaft junger Unternehmer. Hier ist die Rechts- und Steuerunsicherheit groß. Sie sollten einmal darüber nachdenken. Ich weiß nicht, ob die Zahl stimmt, aber ich habe kürzlich erschrocken gelesen, daß wir etwa 100 000 bis 150 000 Unternehmungen haben, bei denen die Söhne nicht mehr bereit sind, die Nachfolge der Väter anzutreten.
Ich rufe all jenen zu, die ständig an der Verunglimpfung des Unternehmerbildes beteiligt sind: Denken Sie einmal darüber nach, daß die Flucht aus dem Risiko und die Flucht aus der Verantwortung natürlich auch durch Ihre ständigen Angriffe begünstigt und nicht abgebaut wird.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum dritten Punkt kommen, zur beruflichen Bildung. Wir haben in einigen Kammerbezirken eine erfreuliche Lage, die all Ihrer Schwarzmalerei widerspricht. In einigen Kammerbezirken gibt es nämlich bereits keine Auszubildenden mehr, die noch bereit wären, vorhandene freie Lehrstellen zu besetzen.

(Dr. Klejdzinski [SPD]: Das gleicht dem Wort zum Sonntag!)

— Sie können z. B. zu mir nach Augsburg kommen. Da ist das so.
Ich sage Ihnen nur eines: Das trifft nur auf die männlichen Berufe zu. Ich sage das ausdrücklich, weil wir große Sorgen haben, gerade bei den Ausbildungsberufen der Mädchen einige Hemmnisse zu beseitigen, damit wir weitere Berufszweige für Mädchen öffnen; denn ich kann mir auf die Dauer gesehen vorstellen, daß es für die jungen Mädchen nicht gerade erheiternd ist, wenn sie sich zu 60 oder 70 % an der Ausbildung in drei Berufen beteiligen, nämlich Friseuse, Verkäuferin und Bürokraft.

(Frau Steinhauer [SPD]: Dann gucken Sie doch, woran das liegt!)

Hier müssen weitere Berufe geöffnet werden. Hier bitte ich Sie doch um Ihre Mitarbeit, d. h. um Zusammenarbeit, damit die alten Hemmnisse beseitigt werden können und wir Mädchen weitere Berufe öffnen können.

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben natürlich auch darüber nachzudenken, daß es noch eine große Zahl von Ausländer-Jugendlichen gibt, die in die berufliche Bildung integriert werden, wobei wir die Schwierigkeit, die durch mangelhafte sprachliche Ausbildung besteht, beseitigen sollten.



Grünbeck
Ich glaube, daß es insgesamt richtig ist, wenn wir alle Vorschriften beseitigen, die auch nur einen einzigen Ausbildungsplatz behindern können. Ich bin der Meinung, wir sollten mit Illusionen über die berufliche Bildung wirklich aufhören und sehen, daß die berufliche Ausbildung die Vorbereitung für den Berufsweg ist. Der Berufsweg ist nun einmal kein Spaziergang, schon gar kein Sonntagsspaziergang. Er ist vielmehr die Auseinandersetzung um die Existenz der jungen Menschen. Für sie setzen wir uns ein.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Viertens. Meine Damen und Herren, wir sind sehr dafür, die öffentlichen Haushalte, insbesondere die kommunalen Haushalte und die Länderhaushalte, dadurch zu entlasten, daß wir eine Reprivatisierung von öffentlichen Aufgaben anstreben.

(Zuruf von der SPD: Das ist das Letzte!)

Wir haben hier eine Chance für die freien Berufe und für die kleinen und mittleren Betriebe, die es zu nutzen gilt.

(Beifall bei der FDP)

Fünftens. Wir sind insbesondere der Meinung, daß die mittelständische Wirtschaft positiv begleitet werden sollte, was die Exportanstrengungen betrifft. Meine Damen und Herren, wir haben ein für uns sehr, sehr ungünstiges internationales Patentrecht. Wir begünstigen einerseits die ausländischen Anmeldungen bei uns sehr, müssen aber andererseits in die ausländischen Anmeldungen sehr viel Finanzmittel investieren. Ich bin deshalb dafür, daß dieses technische Know-how besser genutzt wird, indem wir die mittelständischen Betriebe, die nun wirklich überfordert sind, das selbst zu tun, in ihren Exportanstrengungen, so z. B. hinsichtlich der Auswertung von Messeerfahrungen, hinsichtlich Kooperationen, Lizenzen und ähnlicher Dinge, unterstützen.
Ich bin auch für eine uneingeschränkte Fortsetzung des Ost-West-Handels, einschließlich des innerdeutschen Handels, weil Tausende mittelständischer Betriebe entlang der Grenze zum DDR-Staat an diesem Handel einen erheblichen Anteil haben.
Sechstens. Hier wird viel von Abbau der Bürokratie geredet. Meine Damen und Herren, ich habe mich einmal einige Wochen sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigt und muß auch an die Verbände die Bitte richten, daß sie — ich denke an das Anhörungsverfahren zum Abbau von Statistiken — auch wirklich die Statistiken abbauen, die völlig überflüssig sind und die gerade die kleinen Betriebe überproportional belasten, wie Herr Kollege Wissmann gestern mit Zahlen sehr eindeutig belegt hat.
Wir brauchen aber auch eine Entflechtung der Wirtschaftsverbände in bezug auf die DIN-Vorschriften. Meine Damen und Herren, wenn ich lese, daß 1981 1 500 neue DIN-Vorschriften entstanden sind, die zum Teil gegeneinanderstehen und mehr Verwirrung als Ordnung stiften, dann sollten wir auch mit der Wirtschaft ein ernstes Wort reden, damit diese der Selbstverwaltung der Wirtschaft unterliegenden Vorschriften abgebaut werden.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Klejdzinski [SPD]: Wer sitzt denn da drin?)

— Auch Sie; natürlich, Sie wissen das doch.

(Staatsminister Möllemann: Nein, weiß er nicht!)

Siebtens. Wir begrüßen insbesondere die Politik der Bundesregierung in bezug auf die Stabilität. Der Mittelstand braucht mehr denn je eine stabile Zinspolitik. Meine Damen und Herren, ich darf vielleicht noch einmal daran erinnern, daß 1 % Zinsanstieg für die Wirtschaft eine Ausgabenmehrung von acht Milliarden DM bedeutet. Da liegt der Schlüssel zu einer stabilen Mittelstandspolitik.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001207900
Herr Kollege, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihre Redezeit abgelaufen ist.

Josef Grünbeck (FDP):
Rede ID: ID1001208000
Darf ich noch einen Schlußsatz sagen, Herr Präsident?

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001208100
Selbstverständlich.

Josef Grünbeck (FDP):
Rede ID: ID1001208200
Dann möchte ich zum Schluß noch den Gesetzentwurf zur Beteiligung von Arbeitnehmern am Produktivvermögen begrüßen. Meine Damen und Herren, das ist nicht nur ein fiskalischer Akt, sondern das ist auch eine gesellschaftspolitische Initiative, die wir zu begrüßen haben, um die Fronten zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern abzubauen und den sozialen Frieden in unserem Land besser zu sichern als durch große Sprüche. — Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001208300
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schwörer.

Dr. Hermann Schwörer (CDU):
Rede ID: ID1001208400
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bundeskanzler hat dem Thema Europa in seiner gestrigen Regierungserklärung einen breiten Raum gewidmet. Dies begrüße ich, vor allem auch die Art, wie dies geschehen ist. Er spricht über Europa in einem anderen Ton als sein Vorgänger.

(Beifall bei der CDU/CSU — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Er ist ja auch kein Feldwebel!)

Wir wissen, daß Helmut Schmidt in den Wirtschaftsdebatten meist versucht hat, Europa für seine wirtschaftlichen Mißerfolge verantwortlich zu machen. Diese falschen Schuldzuweisungen haben gewiß nicht zur Verbesserung der europäischen Verhältnisse beigetragen.
Gestern hat uns Herr Dr. Vogel vorwurfsvoll gesagt, die Gemeinschaft stehe vor dem Kollaps. Er beklagt, daß sie keine Mittel für europäische Sozial- und Strukturprogramme habe. Verehrter Herr Dr. Vogel, das ist doch sicherlich nicht in den letzten sechs Monaten entstanden. Das ist auch ein Stück



Dr. Schwörer
Erblast, das wir übernehmen mußten, auch in Europa, meine Herren.

(Widerspruch bei der SPD)

Ein Kenner der europäischen Szene hat vor einigen Monaten, am Anfang dieses Jahres, geschrieben:
Leider ist der Europäischen Gemeinschaft jede Dynamik verlorengegangen. Die EG befindet sich in keinem guten — um nicht zu sagen: in einem desolaten — Zustand. Wer behauptet, die Integration träte auf der Stelle, macht sich einer positiven Übertreibung schuldig.
Diese Beurteilung eines Fachmanns entsprach damals leider den Tatsachen. Deshalb sage ich nochmals: Wir haben diesen Zustand übernehmen müssen — wie die Schulden, die Arbeitslosen und die Wachstumsschwäche.

(Berger [Lahnstein] [CDU/CSU]: Richtig!)

Die Bundesregierung versucht nun — auch hier
— einen neuen Anfang. Sie will zunächst einmal eine bessere Zusammenarbeit. Deshalb sagt sie im Jahreswirtschaftsbericht mit Recht:
Kein Land ist in der Lage, allein aus der weltweiten Wachstumsschwäche herauszuführen.

(Dr. Klejdzinski [SPD]: Das haben Sie heute auch schon erkannt?)

— Das steht im Jahreswirtschaftsbericht. —
Die Bundesrepublik bemüht sich deshalb intensiv um eine Verstärkung der internationalen Kooperation in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. In diesem Sinne wird sie 1983 während ihrer Präsidentschaft in der EG wirken.
Dieses Versprechen hat sie wahrgemacht.

(Zuruf von der SPD: Wie denn?)

— Sie hat im letzten halben Jahr eine Fülle von europäischen Aktivitäten entfaltet, um eine bessere Zusammenarbeit der Europäer zu erreichen, meine Damen und Herren von der Opposition.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dabei hat Bundeskanzler Dr. Kohl — wiederum im Gegensatz zu seinem Vorgänger — diese Zusammenkünfte nicht genutzt, um die anderen zu belehren und um sie vorzuführen, sondern er hat einen breiten Konsensus auch mit den kleinen Staaten der EG angestrebt.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, noch wichtiger ist dies: Bundeskanzler Dr. Kohl ist darangegangen, wieder durch ein gutes Beispiel im eigenen Lande zu überzeugen, weil es in Europa mit Kommandos nicht geht. Mit gutem Beispiel geht es viel besser, als es früher leider der Fall war.
Deshalb begrüßen wir das Wort, daß die Bundesrepublik zuerst selbst ihre Hausaufgaben machen muß. Wir sind immer der Meinung gewesen, daß Europa nur dann gesund sein kann, wenn die Mitgliedstaaten eine solide Finanz- und eine vernünftige Wirtschafts- und Sozialpolitik betrieben haben. Nur dann wird Europa im ganzen weiterkommen, wenn jedes Mitgliedsland zuerst selbst sein Möglichstes tut.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Möglichste tun heißt: Jedes Mitgliedsland verringert seine Inflationsrate, verringert seine Staatsdefizite. Jedes Mitgliedsland fördert die Investitionen in Anlagen und Produkte und fördert den Wettbewerb. Jedes Mitgliedsland löst seine Strukturprobleme mit marktwirtschaftlichen Mitteln, möglichst ohne Subventionen und ohne Protektionismus.

(Beifall des Abg. Berger [Lahnstein] [CDU/ CSU])

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das heißt: Jeder macht seine Hausaufgaben zuerst selbst: eine Politik der Stabilität, der Solidität und damit der Vollbeschäftigung.

(Dr. Klejdzinski [SPD]: Wie wollen Sie Ihre Hausaufgaben denn machen?)

— Warten Sie, das kommt alles noch. — Nur dann kann die EG ihre Aufgaben erfüllen, ihre Möglichkeiten einbringen, die guten Ansätze in den Nationalstaaten verstärken, wenn zuerst diese Hausaufgaben gemacht werden.
Wir sehen in der Zusammenfassung von 270 Millionen Menschen Aufgaben und Möglichkeiten der Gemeinschaft für die Zukunft. Worin bestehen sie?
Erstens muß die EG endlich den großen Markt schaffen und diesen Markt im Innern und auch nach außen offenhalten.

(Beifall des Abg. Kittelmann [CDU/CSU])

Dann funktioniert der Wettbewerb, und dann entstehen die großen Serien, die eine günstige Produktion ermöglichen. Dann entsteht die Konkurrenzfähigkeit den großen Konkurrenten Japan und USA gegenüber.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Zweitens. Die EG muß endlich binnenmarktähnliche Verhältnisse durch Harmonisierung der Gesetze, der Vorschriften, der technischen Normen schaffen. Dann gibt es weniger bürokratische Hemmnisse an den Grenzen und innerhalb der Gemeinschaft. 30 Milliarden DM kosten die Grenzformalitäten innerhalb der EG in einem Jahr.

(Dr. Klejdzinski [SPD]: Fragen Sie einmal, was Zimmermann dazu sagt!)

Drittens. Der EG-Vertrag ist marktwirtschaftlich konzipiert. Das bedeutet, daß die gemeinsame Wirtschaftspolitik auf die aktiven Marktkräfte setzen muß. Sie sind besonders durch die kleinen und mittleren Betriebe repräsentiert. Hier liegen die nötige Marktnähe, die nötige Kreativität und der persönliche Einsatz. Es geht nicht um die 35-Stunden-Woche, sondern um den persönlichen Einsatz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Hier liegt auch der Schlüssel zu einem guten, zu einem sehr guten Zusammenwirken von Arbeitnehmern und Unternehmern.

(Zurufe von der SPD)




Dr. Schwörer
Die kleinen und mittleren Betriebe führen Entlassungen bekanntlich als letzte durch.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Viertens. Die EG muß dringend alle ihre schöpferischen Kräfte mobilisieren, um im Wettbewerb der Ideen und Produkte bestehen zu können. Moderne Entwicklungen und Erfindungen, neue Produktionsverfahren sind früher hauptsächlich von Europa ausgegangen. Warum soll das nicht wieder so werden? Ich glaube, daß hier auch ein gemeinsames Vorgehen in Europa zusätzliche Möglichkeiten schaffen kann. Denken Sie vor allem an die Großtechnologie.
Fünftens. Europa muß währungspolitisch Ordnung halten. Dem soll das Europäische Währungssystem dienen — deshalb haben wir es eingerichtet —, aber das funktioniert nur bei einer gleichgerichteten Wirtschaftspolitik in den Mitgliedstaaten, und zwar mit den Zielen, die auch wir in unserem Stabilitätsgesetz haben: Vollbeschäftigung, Stabilität, Wachstum und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht. Wenn diese Zusammenarbeit funktioniert, dann wird es eines Tages einen europäischen Kapitalmarkt und, wie wir hoffen, auch eine europäische Währung geben. Auch das würde ein Pluspunkt für alle Europäer sein.
Sechstens. Die EG muß den schwachen Regionen innerhalb und den Entwicklungsländern außerhalb helfen. Dann nähern wir uns dem Ziel des EG-Vertrages, den gleichartigen Lebensbedingungen und der Mobilisierung der Wachstumsreserven innerhalb der Gemeinschaft, und wir schaffen auch Kaufkraft und Märkte in der Dritten Welt.
Meine Damen und Herren, die Koalition der Mitte hat in Europa gearbeitet und hat in der kurzen Zeit ihres Bestehens einiges erreicht. Sie hat erstens nach langen Kämpfen — das wissen Sie — die gemeinsame Fischereipolitik zustande gebracht.
Sie hat zweitens einen sogenannten Binnenmarkt eingerichtet, der vielleicht nicht spektakulär, aber ganz erfolgreich gearbeitet hat. Die Ergebnisse liegen vor, und man kann dem Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff ein besonderes Wort des Dankes für das sagen, was hier im stillen geschehen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich nenne kurz die Ergebnisse: Erstens eine Richtlinie für ein Informationssystem über Normen und technische Vorschriften — damit sollen mögliche Handelshemmnisse bereits im Entstehen vermieden werden —, zweitens eine Richtlinie zur Befreiung von Steuern bei vorübergehender Einfuhr, drittens wurde die Freimenge für Treibstoff bei den schweren Lastwagen von 50 auf 200 Liter erhöht, eine Forderung, die Sie bei der letzten Debatte mit unterstützt haben. Damit können zeitraubende Kontrollen an den Grenzen wegfallen, und ich glaube, wir sollten dankbar dafür sein, daß man hier einen Durchbruch geschafft hat. Auch bei anderen Themen sind Fortschritte zustande gekommen, ohne zum Abschluß zu kommen: Harmonisierung der Mehrwertsteuer, einheitliches Grenzdokument, gegenseitige Anerkennung von Dokumenten.

(Stahl [Kempen] [SPD]: Deshalb erhöhen Sie auch die Mehrwertsteuer, weil Sie ohne Zugeständnisse voll harmonisieren wollen! — Zurufe von der CDU/CSU: Weitermachen!)

— Vielleicht können Sie nachher selbst noch Ihre Meinung dazu sagen.
Ich gebe zu, meine Herren von der Opposition, daß dies noch keine großen Schritte sind, aber es ist ein guter Anfang. Mit diesen Erfolgen sind einige Punkte unserer gemeinsamen Entschließung auf Drucksache 9/1586, der Sie in der letzten Legislaturperiode zugestimmt haben, erfüllt. Die anderen Detailpunkte aus diesem europäischen Bereich werden uns noch weiter beschäftigen, bis wir sie verwirklicht haben: das gemeinsame Grenzdokument, die Verlagerung von Steuern und Abgaben und Statistiken auf die Heimatfinanzämter, das einheitliche Zollrecht, die Harmonisierung der bestehenden Normen, die Verhinderung von Einfuhrabgaben, Schutzklauseln, Ursprungskennzeichnungen, von administrativen Hindernissen aller Art. Diese Dinge werden wir noch weiter betreiben, und ich hoffe, daß Sie uns dabei helfen.
Der Kollege Lahnstein hat gestern erklärt, daß der Bundeskanzler nicht viel Konkretes zum Stuttgarter Gipfel gesagt habe. Das entspricht nicht den Tatsachen. Lesen Sie doch die Regierungserklärung von gestern nach!

(Stahl [Kempen] [SPD]: Da steht doch nichts drin!)

— Es steht sehr viel darin, lieber Herr Kollege. Es sind sehr konkrete Ankündigungen für den Stuttgarter Gipfel gemacht worden.

(Zurufe von der SPD: Welche?)

— Ich weiß nicht, warum Sie sich so darüber aufregen.

(Zurufe von der CDU/CSU und SPD)

— Ich sage es doch. Lassen Sie mich doch reden! Erstens, die wirtschaftliche Konvergenz zu verstärken mit dem Ziel des Abbaus der Arbeitslosigkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Stahl [Kempen] [SPD]: Was heißt das? — Kittelmann [CDU/CSU]: Diese Frage zeigt, daß Sie keine Ahnung haben!)

— Ich hoffe, Sie verstehen das. Sie sind schon so lange dabei, daß Sie das verstehen müßten.

(Abg. Wolfram [Recklinghausen] [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

— Herr Kollege Wolfram, ich habe kaum mehr Zeit; ich habe nur noch zwei Minuten. — Zweitens, jeder Form des Protektionismus entgegenzutreten,

(Kittelmann [CDU/CSU]: Bravo!)

drittens, den Wettbewerb zu stärken, innerhalb und
auch außerhalb der EG, viertens, die technische



Dr. Schwörer
Entwicklung und Forschung in Europa zu koordinieren.

(Stahl [Kempen] [SPD]: Sie wollen doch weniger Staat!)

— Da kann man schon etwas mithelfen von seiten des Staates. — Fünftens — das sollten Sie besonders bejahen —, die Arbeitslosigkeit der jungen Menschen verstärkt zu bekämpfen und dafür konzentriert die Mittel des europäischen Sozialfonds einzusetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Warum klatschen Sie dazu nicht Beifall?


(Stahl [Kempen] [SPD]: Das sind alles Sprüche!)

— Nein, das sind keine Sprüche. Vier Milliarden D-Mark werden zusätzlich eingesetzt. Wir stimmen diesen Punkten voll zu.
Meine Damen und Herren, wir begrüßen auch die Aussagen des Bundeskanzlers zur europäischen Finanz- und Haushaltspolitik, daß eine strengere Haushaltsdisziplin und die Umstrukturierung des europäischen Haushalts vor höheren Ablieferungen an die Gemeinschaftskasse stehen sollen. Dazu stehen wir.
Letzter Punkt. Wir begrüßen vor allem — und das sollten auch Sie mit tun — die Bemühungen um den Umweltschutz, um gemeinsame Aktionen für Gewässer- und Luftreinhaltung — das ist doch das große Thema —, vor allem wegen des Waldsterbens. Hier hat Helmut Kohl wirklich etwas Großartiges geleistet, als er dieses Thema so in den Vordergrund gebracht hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, diese neue Art, die europäischen Themen anzupacken, die ausdrückliche, aus dem Herzen kommende Bejahung Europas, wie sie der Bundeskanzler bei jeder Gelegenheit zum Ausdruck bringt, diese Haltung gibt Hoffnung. Sie schafft Hoffnung für das Wiedererstarken eines europäischen Geistes, einer europäischen Solidarität. Sie ist bitter nötig, vor allem auch auf dem wirtschaftlichen Gebiet. Das wissen Sie alle.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Europa lebt!)

Die Bundesrepublik hat durch Konrad Adenauer, Walter Hallstein und auch Carlo Schmid entscheidend zur Schaffung der Europäischen Gemeinschaft beigetragen.

(Zuruf von der SPD: Sie haben Erhard vergessen!)

Wir wollen sie gemeinsam erhalten und ausbauen. Wir stimmen dem Bundeskanzler zu, wenn er in seiner Regierungserklärung sagt, die Einheit Deutschlands kann nur im Rahmen einer gesamteuropäischen Friedensordnung wiederhergestellt werden. Deshalb brauchen wir Deutschen die EG mehr als die anderen. Auch aus diesem Grunde, meine lieben
Kolleginnen und Kollegen, wünschen wir dem Stuttgarter Gipfel,

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Alles Gute!)

daß er Europa ein gutes Stück weiter voranbringen wird. Wir alle — ich hoffe, auch Sie von der Opposition — wünschen Bundeskanzler Kohl in Stuttgart einen vollen Erfolg. — Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001208500
Das Wort hat der Kollege Dr. Mitzscherling.

Dr. Peter Mitzscherling (SPD):
Rede ID: ID1001208600
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat meine Fraktion kritisiert, daß sie in ihren Äußerungen eher den pessimistischen Aussagen folge, die die Haltung der deutschen Gesellschaft und der deutschen Wirtschaft keinesfalls positiv beeinflußten. Nun, meine Damen und Herren, Unverbindlichkeiten in den Äußerungen und Erklärungen, die eigentlich nur eines gemeinsam haben, das „Prinzip Hoffnung" — ob sich das nun im Jahreswirtschaftsbericht oder in der Erklärung von Williamsburg oder in den Erklärungen, die gestern und heute hier abgegeben worden sind, wiederfindet —, geben nicht unbedingt zu Optimismus Anlaß.

(Beifall bei der SPD)

Alles hofft auf Wirtschaftswachstum, alles hofft auf Investitionen und dadurch bedingten Abbau der Arbeitslosigkeit, alles hofft auf dann folgende Steuermehreinnahmen; aber keiner weiß zur Zeit, wo das alles herkommen soll.

(Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: Denken Sie einmal nach, was früher war!)

— Wissen Sie, Herr Kittelmann, Ihre wirtschaftspolitischen Überlegungen — das wurde gestern in den Ausführungen von Herrn Wissmann deutlich — scheinen einer bestimmten Philosophie zu entspringen. Diese Philosophie stützt sich im Grunde auf Erfahrungen aus der Zeit von Adenauer.

(Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Das ist Ideologie!)

Damals hatten wir wenig Staat, und es gab mehr Wirtschaft.

(Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Da ging's uns gut!)

Daraus haben Sie offensichtlich Ihr Rezept entnommen,

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

daß wir heute den Staat zurückdrängen müssen und daß dann alles wieder gut wird. So ungefähr sieht das aus.

(Kittelmann [CDU/CSU]: So vereinfacht hat das hier noch keiner gesagt!)

— Herr Kittelmann, es soll offenbar neue Gründerjahre geben, und dann wird man sehen, daß die
Investitionen laufen und daß die Arbeitslosigkeit



Dr. Mitzscherling
irgendwann abgebaut sein wird; in der Zwischenzeit muß man halt irgendwelche unangenehmen Dinge in Kauf nehmen.
Wenn ich mir das anhöre, was der Herr Bundeskanzler aus Williamsburg mitgebracht hat, würde ich sagen, dort ist er in dieser Ideologie offensichtlich noch bestärkt worden, denn er betrachtet doch den Wirtschaftsgipfel als einen großen Erfolg. Dabei hat ihm doch der Präsident der Vereinigten Staaten einen Knüppel zwischen die Beine geworfen, der sich sehen lassen kann und der Sie und uns alle dem großen Risiko aussetzt, daß steigende Zinsen die Aufschwungkräfte bei uns und in ganz Europa wieder zunichte machen. Ich weiß nicht, warum man darüber nicht sprechen soll, warum man das nicht deutlich machen soll.
In der Öffentlichkeit wird offensichtlich ein klares Wort zu dieser Lage vermißt. Zum Beispiel schreibt heute eine Zeitung, nämlich die Münchener „Abendzeitung", etwas, was ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren darf:
Wir Deutschen können Ronald Reagan nicht ändern; wir können aber von unserem Bundeskanzler verlangen, daß er die Wirklichkeit schildert, wie sie ist. Mit verschleiernden Offenbarungseiden ist uns nicht gedient.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es besteht doch heute offensichtlich das Bedürfnis, daß gesagt wird, was zu erwarten ist und was kommt.
Der Herr Bundesfinanzminister — er ist nicht mehr unter uns — hat beklagt, dieser Pessimismus könne vielleicht zur Voraussetzung dafür werden, daß es wirklich schlechter werde, und er hat daraus offenbar die Schlußfolgerung gezogen, daß er die Haushaltsentwicklung der nächsten Zeit besonders optimistisch beurteilen muß. Ich muß Ihnen gestehen, ich kann eine derartige Entwicklung, die zu solchem Optimismus Anlaß gibt, nicht erkennen.
Ich möchte nicht unbedingt sagen, daß — wie es in der Öffentlichkeit immer wieder dargestellt wird — ein direkter Zusammenhang zwischen dem Haushaltsdefizit und den Zinsen besteht. Ich denke, dieser Zusammenhang ist eher indirekt, weil hierbei Erwartungshaltungen und Befürchtungen, die man hegt, eine ganz entscheidende Rolle spielen. Es besteht die Befürchtung, daß die Defizite in den Vereinigten Staaten auf Jahre hinaus riesengroß sein werden und daß man, wie der Kollege Lahnstein gestern völlig zutreffend gesagt hat, auch nicht damit rechnen kann, daß sie in Kürze wieder abgebaut werden. Das hat doch irgendwann zur Folge, daß man sich in einer solchen leidigen Defizitpolitik wieder des Instruments der Inflationierung bedienen möchte.

(Berger [CDU/CSU]: Warum wollen Sie das bei uns im Innern machen?)

— Ich spreche jetzt nur von dem, was in Amerika geschieht, nämlich davon, daß in Amerika bei zunehmendem Finanzbedarf des Staates private Nachfrage nach Kapital mit der staatlichen Nachfrage kollidiert, so daß es zu diesem berühmten
crowding-out-Effekt kommen kann. Daß dadurch das Zinsniveau hochgetrieben wird, ist doch keine pessimistische Aussage; es ist eine Erwartungshaltung, der man sich stellen muß.
Das gleiche gilt, wenn man sieht, daß dann, wenn der Aufschwung in Gang gekommen ist, offenbar wieder mit höheren Inflationsraten gerechnet werden muß, weshalb die Notenbank auf einen Restriktionskurs umschwenken kann.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001208700
Herr Abgeordneter Mitzscherling, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kittelmann?

Dr. Peter Mitzscherling (SPD):
Rede ID: ID1001208800
Bitte, Herr Kittelmann.

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID1001208900
Herr Kollege Mitzscherling, würden Sie uns damit ins Wochenende entlassen, daß Sie in den wenigen Minuten, die Ihnen zur Verfügung stehen, einmal den Versuch machen, uns hier wirklich einmal die Alternative der SPD darzustellen, worauf ich seit anderthalb Tagen warte? Was würden Sie denn machen, wenn Sie jetzt an der Regierung wären?

(Zustimmung bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Amerikanische Politik!)


Dr. Peter Mitzscherling (SPD):
Rede ID: ID1001209000
Lieber Herr Kittelmann, ich werde im Laufe meiner Ausführungen — diese werden in der Tat nicht allzu lange dauern, damit Sie rechtzeitig nach Hause entlassen werden — Gelegenheit nehmen, dazu etwas zu sagen, von dem ich hoffe, daß es in der praktischen Politik dann entsprechende Aufnahme finden kann.
Weil das offenbar Ihr Interesse nicht findet, will ich mich nun nicht länger über die amerikanische Entwicklung auslassen, darüber, daß dort, durch die monetaristischen Lehren beeinflußt, die Finanzwelt von Woche zu Woche wie gebannt auf die Geldmärkte starrt, daß dort erratische Schwankungen an den Finanzmärkten die Regel sind. Das alles scheint Sie nicht zu interessieren. Sie haben eine Grundhaltung des Optimismus, und das genügt offenbar.
Wir haben Sie doch schon einmal darauf hingewiesen, nämlich in den Haushaltsberatungen des vergangenen Jahres, daß bei einer sehr rasch eintretenden wirtschaftlichen Erholung in den Vereinigten Staaten — und die scheint sich in der Tat gegen Ende des Jahres hin zu beschleunigen — wieder mit steigenden Zinsen zu rechnen sei und die bei uns erhoffte und beginnende Belebung im Keim erstickt werden könnte. Was haben Sie in der Zeit inzwischen getan, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien? Sie haben erklärt, jedes Land müsse seine Hausaufgaben machen und allein diese Hausaufgaben führten dazu, daß die Zinsen sinken würden, die Investitionstätigkeit belebt, das Wachstum gestärkt und die Arbeitslosigkeit verringert würde. Und neuerdings behauptet sogar Herr Stingl, wie das der Herr Geißler schon einmal getan hat, daß innerhalb kürzerer Zeit die Hälfte aller dieser Arbeitslosen verschwunden sein könne. Woher er angesichts der Äußerungen seines eige-



Dr. Mitzscherling
nen Instituts diesen Mut nimmt, kann ich einfach nicht verstehen.
Sie haben, Ihrem Rezept folgend, die Sozialleistungen gekürzt. Sie haben von verbesserten Rahmenbedingungen geredet. Sie haben aber eigentlich wenig für diese Rahmenbedingungen selber getan. Sie haben vor allen Dingen eines versucht: allgemeine Zuversicht zu verbreiten. Das ist richtig.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Das ist psychologisch auch wichtig!)

Auch Ihre Grundsatzbeschlüsse, die Sie für das Jahr 1984 gefaßt haben, sind von diesen Konsolidierungsbemühungen gekennzeichnet.

(Berger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Das will ich durchaus anerkennen; denn das wird aus den Bemühungen deutlich. Nur stellt sich die Frage, ob diese Konsolidierungsbemühungen von Erfolg gekrönt sein werden. Sie hätten nur dann Erfolg, wenn es Ihnen gelingen würde, den Realzinsabstand zwischen dem Dollar und der D-Mark zu verringern. Der ist nach wie vor gleich. Zwar sind die Zinsen bei uns gesunken, aber sie sind dabei nur der Entwicklung bei denen der Amerikaner gefolgt. Damit wird diese Abhängigkeit, dieser Zusammenhang deutlich sichtbar. Dies gilt auch für den Haushalt 1984. Wir haben zur Zeit steigende Zinsen. Wir haben steigende Zinsen trotz Ihrer Konsolidierungsbemühungen. Warum haben wir trotz Ihrer Konsolidierungsbemühungen steigende Zinsen? Eben weil in Amerika die Zinsen steigen.
Was wollen Sie denn nun tun, frage ich Sie. Wollen Sie die Sozialleistungen noch mehr kürzen, in der Hoffnung, daß Sie damit das Defizit weiter verringern könnten?

(Dr. Schwörer [CDU/CSU]: Herr Mitzscherling, wäre es nicht besser, sich um die deutschen Angelegenheiten zu kümmern?)

— Ich spreche jetzt von ihnen. Ich habe eben gefragt: Was wollen Sie tun? Wollen Sie bei diesen auf Konsolidierung gerichteten Bemühungen die Sozialleistungen weiter kürzen, in der Hoffnung, daß Sie damit das Defizit weiter verringern könnten? Glauben Sie wirklich, daß es Ihnen auf diese Weise gelingen würde, sich vom Dollar abzukoppeln? Ich bin sehr im Zweifel. Wollen Sie noch mehr Lohnzurückhaltung propagieren, um negative Zinseffekte zu kompensieren? — Seien Sie überzeugt: All das würde zu nichts führen.

(Beifall bei der SPD — Kittelmann [CDU/ CSU]: Und jetzt kommt, wie Sie es machen wollen!)

— Herr Kollege Kittelmann, das einzige — und ich möchte ausdrücklich wiederholen und unterstreichen, was Kollege Lahnstein gestern ausgeführt hat —,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das war aber nichts!)

was ich in der gegenwärtigen Situation für hilfreich
halte, ist, daß die Bundesbank — wenn man so will
— den Wechselkurs der D-Mark bei ihrer Politik vorübergehend vernachlässigt, d. h. an ihrer Geld-
politik nichts ändert, sondern sogar noch eher etwas expansiver wird. Das mag zunächst zu Kapitalabflüssen führen. Das ist richtig, das ist zu befürchten. Es kann die D-Mark unter Druck setzen. Aber irgendwann, meine Damen und Herren, wird, glaube ich, jeder merken, daß ein Dollarkurs von 2,70 DM oder auch darüber so überhöht ist und dabei die D-Mark so unterbewertet ist, daß die ökonomischen Grunddaten, die bei uns eindeutig besser sind, nur noch als einzige Schlußfolgerung zulassen, daß eine Kapitalanlage in den Vereinigten Staaten, die einen momentanen Zinsvorteil zu erbringen scheint, dadurch uninteressant wird, daß das Währungsrisiko so groß geworden ist, daß man jederzeit mit Kursverlusten rechnen muß.

(Berger [CDU/CSU]: Das ist aber abenteuerlich, was Sie da vorschlagen!)

— Das ist nicht abenteuerlich. Das ist auch eine Tatsache, die bereits in der Vergangenheit den Kapitalexport und die Kapitalbewegungen bei uns gekennzeichnet hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber nicht in Ihrem Sinne!)

Ich würde Ihnen empfehlen, die Bundesbank zu ermuntern, bei ihrer Politik diese binnenwirtschaftlichen Erfordernisse stärker zu beachten. Sie könnten der Bundesbank das Geschäft übrigens nennenswert erleichtern, indem Sie darauf hinweisen
— der Herr Bundeskanzler hat das j a in seiner Erklärung leider mehr oder weniger versäumt —, daß der Dollar total überbewertet und die D-Mark unterbewertet ist.
Meine Damen und Herren, Zinssenkungen sind sicherlich nur eine — wenn auch wichtige — Voraussetzung für einen wirtschaftlichen Aufschwung. Es muß noch viel mehr dazukommen. Da genügt es nicht allein, Klimapflege zu betreiben. Sie haben die „Wende" als wichtigste Voraussetzung für die Verbesserung der Rahmenbedingungen bezeichnet. Nun, ich gebe zu, damit hatten Sie — auch der Herr Bundeswirtschaftsminister — eine gewisse Zeit durchaus Erfolg. Denn man muß ja erkennen, daß sich wirtschaftliche Grunddaten Anfang des Jahres zunächst gebessert haben. Aber wir sind der Meinung, daß dies vor allem auf die Investitionszulage der sozialliberalen Koalition zurückzuführen ist. Die Zinsen bei uns sind gesunken, weil die US-Zinsen gesunken sind. Jetzt steigen sie im Gefolge des Anstiegs in den USA wieder. Die Inflationsrate ist nicht zuletzt deshalb zurückgegangen, weil das OPEC-Kartell zusammengebrochen ist und die Ölpreissenkungen sich positiv in der Inflationsrate bemerkbar machen. Das sind nicht Ihre Leistungen, meine Damen und Herren von der Regierung. Diese Verbesserungen wurden früher begründet, sie wurden früher gelegt, oder sie sind vom Ausland in die deutsche Volkswirtschaft hineingelangt.

(Beifall bei der SPD)

Und wo stehen Sie heute? Jetzt, glaube ich, ist allmählich Ernüchterung eingekehrt. Auch die Ihnen sonst wohlgesonnene Presse möchte nun endlich Taten sehen. Ich meine, Gesundbeterei und das



Dr. Mitzscherling
Wort von mehr Zuversicht in diesem Lande reichen allein nicht aus.

(Beifall bei der SPD — Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Miesmacherei reicht auch nicht!)

— Herr Hauser, Miesmacherei sollte man nicht mit einer Darstellung der Zustände, so wie sie sind, verwechseln.

(Beifall bei der SPD — Roth [SPD]: Und wer sagt das? Was haben die in den letzten Jahren gemacht? — Gegenruf des Abg. Kittelmann [CDU/CSU]: Der Hauptvertreter des Dirigismus!)

Was haben Sie im Haushalt 1983 gemacht? Sie haben mit den Haushaltsbeschlüssen die Übernahme einiger existenzbedrohter Betriebe gefördert. Wir werden in diesem Jahr eine Pleitewelle erleben — —

(Hauser [Krefeld] [CDU/CSU]: Das ist der Rest Ihrer Politik!)

— Reden Sie nicht wieder von der Erblast. — Der Fraktionsvorsitzende hat bereits angedeutet, daß die Pleiten in diesem Jahr höher als je zuvor sein werden. Sie werden sich noch wundern, welche Auswirkungen Ihre Wirtschaftspolitik noch haben wird, wenn Sie so fortfahren.
Sie haben die Gewerbesteuer reduziert und haben damit die Gemeindefinanzen in einer Weise getroffen, daß öffentliche Investitionen von dort mit Sicherheit kaum zu erwarten sind. Bei den Förderungsmaßnahmen für den Wohnungsbau haben Sie auf das draufgesattelt, was wir bereits gemacht haben, und Sie haben damit durchaus positive Wirkungen erzielt.

(Zustimmung des Abg. Berger [CDU/ CSU])

Das soll nicht bestritten werden.
Man muß sich natürlich vor Augen halten, meine Damen und Herren, daß Sie damit etwas getan haben, was Ihrer eigenen Philosophie eigentlich widerspricht. Sie haben die Nachfrage gestützt und haben damit — um in Ihren Worten und Begriffen zu reden — eine Art „Strohfeuer" entfacht, das mit der Vollendung dieser Bauten erlöschen wird. Sie haben Kapital nicht in die Rahmenbedingungen, sondern in den nicht produzierenden Vermögensbereich gelenkt. Weil der Kollege Schlatter schon dazu gesprochen hat, möchte ich das nicht noch im einzelnen ausführen.
Auch mit den für 1984 vorgesehenen Maßnahmen werden Sie — davon bin ich überzeugt — kaum einen Investitionsboom einleiten. Denn woher soll er kommen? Die Kürzungen, die Sie im Nachfragebereich, im Sozialbereich vorgenommen haben, sind ja sofort wirksam geworden — im Gegensatz zu all dem, was Sie erst als Angebot unterbreitet haben. Die sofort wirksamen Kürzungen schlagen sich doch sofort im privaten Verbrauch nieder. Das wird doch auch schon deutlich, wenn Sie sich die Entwicklung der Zahlen im Einzelhandel ansehen. Die Realeinkommen sind rückläufig in diesem
Jahr. Wir werden auch nicht damit rechnen können, daß die Sparquote weiter abgesenkt werden kann, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien. Auch die Arbeitslosigkeit nimmt weiter zu. Das bedeutet doch, daß die Menschen vorsichtiger und sparsam werden. Wie kann dann ein Impuls vom privaten Verbrauch ausgehen?
Und vom Export? Sie selbst nehmen doch nicht an, daß wir in diesem Jahr oder in den nächsten zwei Jahren mit einem Exportboom rechnen können. Auch der Herr Bundeswirtschaftsminister hat j a wohl die Bedenken geäußert — er hat sich sehr vorsichtig ausgedrückt —, die von der Auslandsnachfrage her auf unsere Wirtschaft durchschlagen.
Die öffentlichen Investitionen — ich habe schon darüber gesprochen — sind weiter rückläufig. Die Impulse, die die Haushalte setzen, sowohl die des Bundes als auch die der Länder und Gemeinden, lassen eine nennenswerte Steigerung der öffentlichen Investitionen kaum zu. Mit anderen Worten: warum sollten Unternehmer — denn es bleiben allein die privaten Investitionen in der gegenwärtigen Situation — investieren, wenn die Absatzerwartungen weiterhin schlecht sind, wenn der Welthandel stagniert, wenn Protektionismus um sich greift? Sie werden feststellen müssen, daß alle Ihre Maßnahmen weder geeignet sind, den Haushalt zu konsolidieren, noch geeignet sind, eine nachhaltige Wirtschaftsbelebung zu sichern.

(Zustimmung bei der SPD)

Die neuen Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe, die Sie heute und gestern den Zahlen und dem Bericht des Wirtschaftsministeriums entnehmen können, sprechen eine deutliche Sprache. Die Arbeitslosigkeit — darüber kann kein Zweifel bestehen — wird weiter steigen, und das kostet Geld.
Das Steueraufkommen, mit dem Sie rechnen, wird durch diese Entwicklung nachteilig beeinflußt. Dieses Geld wird Ihnen fehlen. Sie werden sehen: wenn Sie weiter auf Lohnabschlüsse in bisheriger Weise drängen und wenn dieses Drängen den Erfolg einer Lohnzurückhaltung hat, wie wir sie in diesem Jahr erlebt haben, dann wird das Lohnsteueraufkommen in Ihren Steuervorausschätzungen als eine Komponente sich niederschlagen, die Sie sehr nachdenklich werden läßt. Sie werden — und diese Meinung möchte ich nachdrücklich vertreten — mit einem Haushaltsdefizit konfrontiert sein, das höher ausfallen wird, als Sie das heute noch annehmen. Das heißt, Sie werden nach weiteren Kürzungsmöglichkeiten suchen. Da werden Sie, Herr Kittelmann, später nicht mehr darüber lachen. Denn Sie werden feststellen müssen, daß Sie Ihrem Konsolidierungsziel immer weiter und fortgesetzt hinterherlaufen.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir brauchen mehr als die Änderung der Rahmenbedingungen. Wir brauchen mehr als eine Klimaverbesserung. Wir brauchen eine Stärkung auch der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage in dieser Situation. Sie können sich von dieser Stärkung der Nachfrage nicht einfach ausklinken. Wir brauchen mehr beschäftigungswirksame Investitionen, auch



Dr. Mitzscherling
im öffentlichen Bereich. Wo sollen sie herkommen bei dieser Politik, die Sie hier vorschlagen.

(Schmitz [Baesweiler] [CDU/CSU]: Ein 70Milliarden-Programm haben sie aufgestellt!)

— Wir haben einen durchfinanzierten Beschäftigungshaushalt vorgelegt, dessen Finanzierungsseite Sie sich doch bitte mal ansehen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Dann werden Sie feststellen, daß wir durchaus unsere eigenen Vorstellungen vorgelegt haben, die nicht zu einer defizitären Entwicklung des Bundeshaushalts führen.

(Schmitz [Baesweiler] [CDU/CSU]: 70 Milliarden und 2,5 Millionen Arbeitslose!)

Wir brauchen eine größere Unabhängigkeit vom amerikanischen Zins. Wenn es schon mit außereuropäischen Ländern nicht erreichbar ist, dann müssen wir es mit den gleichgerichteten beschäftigungspolitischen Anstrengungen anderer Länder Europas tun. Wir brauchen eine größere Intensivierung in der Koordinierung der Wirtschaftspolitiken Europas. Natürlich liegt darin, Herr Schwörer, die Aufgabe für den Herrn Bundeskanzler. Ich möchte dazu folgendes sagen. Es genügt nicht, daß man da mit von Herzen kommender Bereitschaft nach Stuttgart geht und sich den Problemen dort stellt. Sondern dort wird über verbale Bekundungen, was man an Zielvorstellungen hat, hinaus deutlich zu machen sein, wie man sich diesen Zielvorstellungen unter der EG-Ratspräsidentschaft eines Bundeskanzlers Kohl und als Repräsentant der führenden Wirtschaftsmacht Europas tatsächlich konkret zuwenden wird.

(Beifall bei der SPD)

Das reicht nicht, was hier gesagt worden ist.

(Dr. Schwörer [CDU/CSU]: Da wird ja beschlossen, nicht nur diskutiert!)

Wenn Sie von Stuttgart mit ähnlich leeren Händen und allgemeinen Bekundungen wie von Williamsburg zurückkommen, werden wir feststellen, daß dann eine Wirtschaftsentwicklung in Deutschland eintritt, die nicht von einem Aufschwung begleitet sein wird. Dann werden wir eine Arbeitslosigkeit haben, die tatsächlich zur Massenarbeitslosigkeit wird. Und Massenarbeitslosigkeit, meine Damen und Herren, kann wohl kaum die geeignete Botschaft für die 80er Jahre sein. Dazu brauchen wir eine andere Politik, und dazu fordern wir Sie auf.

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001209100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Reents.

Jürgen Reents (GRÜNE):
Rede ID: ID1001209200
Herr Präsident! Liebe Stenographen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Freitagvormittag im Bundestag: Die Anwesenheitsquote droht bereits gefährlich unter die Zinssätze zu fallen.

(Heiterkeit)

Auch die Presse ist nicht mehr anwesend. Die Zeit ist gut für Überraschungen, die zumindest vielleicht noch der Stenographische Dienst mitbekommen kann.

(Heiterkeit — Ablösung am Stenographentisch)

— Ja, jetzt geht auch der.

(Erneute Heiterkeit)

Ich wollte allerdings nicht zu einem so schmunzelhaften Thema reden. Wir haben hier eine verbundene Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht und zum Williamsburger Gipfel.

(Breuer [CDU/CSU]: Wo sind denn Ihre Freundinnen und Freunde? — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Wo ist Schily?)

— Vielleicht lassen Sie mir diese zehn Minuten Zeit in Ruhe.
Ich wollte mich noch mal zu der Erklärung zur Abrüstung äußern, die auf dem Gipfeltreffen, verabschiedet worden ist, und zu dem, was der Bundeskanzler gestern dazu ausgeführt hat.
Das wesentliche Ergebnis des Weltwirtschaftsgipfels in Williamsburg kann man aus unserer Sicht so zusammenfassen: Die Armen in der Dritten Welt werden noch schneller verelenden und verhungern, und die Rüstung in der Welt wird noch schneller steigen.

(Kittelmann [CDU/CSU]: Das ist primitive Polemik!)

— Das ist nicht primitiv, Herr Kittelmann. Mit Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hat das, was in Williamsburg abgelaufen ist, jedenfalls nichts zu tun, aber damit, daß dort die sieben mächtigsten Regierungschefs der westlichen Welt einige wirtschaftspolitische Überlegungen angestellt haben, die zu nichts weiter dienen, als die Aufrüstung zu finanzieren, im wesentlichen die amerikanische Aufrüstung.

(Breuer [CDU/CSU]: Auf dem linken Auge blind!)

Ich wollte etwas zu der Erklärung sagen, die dort verabschiedet worden ist, zu Abrüstung und Rüstungskontrolle, wie es heißt. Man stelle sich mal vor, die Tschechoslowakei und Polen hätten neben dem Atomwaffenpotential der Sowjetunion 162 Raketensysteme mit gegenwärtig rund 300 Sprengköpfen installiert und seien dabei, sie im Laufe dieses Jahres und der nächsten Jahre auf ungefähr 1 500 Sprengköpfe aufzustocken. Mich interessiert, was die Meinung der Bundesregierung und die Meinung der Regierungen der anderen NATO-Staaten zu einer solchen Tatsache wäre. Das ist aber nicht der Fall. Die Tschechoslowakei und Polen haben keine Atomraketen.



Reents
Aber Frankreich und Großbritannien haben Atomraketen.

(Berger [CDU/CSU]: Die anderen haben auch keine Freiheit!)

Im umgekehrten Fall würden Sie sicher sehr stark argumentieren, daß bei entsprechenden Rüstungskontrollverhandlungen auch etwaige Atomraketen anderer Staaten des Warschauer Pakts natürlich in eine Aufrechnung und in eine Vereinbarung über Rüstungskontrolle einbezogen werden müßten.
Der Williamsburger Gipfel hat nun etwas, was namentlich der amerikanische Präsident, die amerikanische Regierung schon häufiger erklärt haben, nochmal eindeutig beschlossen. Ich zitiere aus dieser Erklärung:
Versuche, den Westen dadurch zu spalten, daß die Einbeziehung von Abschreckungskräften dritter Länder wie beispielsweise Frankreichs und des Vereinigten Königreichs vorgeschlagen wird, werden fehlschlagen. Eine Berücksichtigung dieser Systeme hat in den Verhandlungen über Mittelstreckenraketen keinen Platz.
Das ist gestern auch von Herrn Kohl nochmals ausdrücklich betont worden.

(Breuer [CDU/CSU]: Für wen sprechen Sie denn?)

— Für die GRÜNEN.
Ich frage aber: Wo soll denn überhaupt über die französischen und die britischen Raketen verhandelt werden? Auch bei den START-Verhandlungen, den Verhandlungen über die strategische Rüstung, sind diese Systeme nicht einbezogen.

(Staatsminister Möllemann: Das ist falsch!)

— Das ist nicht falsch, Herr Möllemann! Es wird schlicht und einfach so getan, als seien diese Systeme nicht existent.

(Berger [CDU/CSU]: Die sind schon bei SALT gezählt worden, vor Jahren!)

Der Herr Bundeskanzler hat das ja gestern in seiner Erklärung sehr ausgedehnt, indem er davon gesprochen hat, daß Drittstaatensysteme, wie er sich ausgedrückt hat, überhaupt keine Rolle bei den Abrüstungsverhandlungen in Genf spielen könnten.
Das gibt durchaus Freiraum und Möglichkeiten für alle möglichen phantastischen Erzählungen. Man kann vielleicht in Zukunft auch dazu kommen, zu sagen, auch die französischen und die britischen Panzer, die französischen und die britischen Flugzeuge und ähnliches mehr, seien nicht existent. Man kann ganz neue Möglichkeiten bei der Frage von Truppenreduzierungsabkommen in Mitteleuropa haben, indem man einfach bestimmte Bereiche ausklammert.
Sie machen sich schlicht und einfach zunutze, daß es auf seiten des Warschauer Pakts nur einen einzigen Staat gibt, der über Atomwaffen verfügt, nämlich die Sowjetunion, und daß es auf seiten der NATO drei Staaten gibt, die über Atomwaffen verfügen, und Sie tun so, als ob die Atomwaffen zweier dieser Staaten nicht existent seien.
Das ist doch tatsächlich nichts, wovon man sagen kann, daß das irgendwie ernsthaft auf Verhandlungsergebnisse in Genf orientiert ist, sondern das ist eine Position, von der man von vornherein sagen muß, daß diejenigen, die sie vertreten — und das ist nicht nur die amerikanische Regierung, sondern eben auch die Bundesregierung —, hier schlicht und einfach keine Verhandlung mit dem Ergebnis Abrüstung, Nichtstationierung von Raketen, in unserem Land wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich will Sie daran erinnern, wie diese Frage in der zurückliegenden Zeit überhaupt behandelt worden ist. Sie stellen sich hier hin und sagen — das ist auch in dieser Erklärung enthalten —, es gehe um ernsthafte Verhandlungen. Tatsächlich hat Williamsburg aber nichts weiter dokumentiert als die wilde Entschlossenheit zur Raketenstationierung. Es ist zu keinem Zeitpunkt — auch nicht in der zurückliegenden Zeit — auf seiten des Westens, auf seiten der NATO-Staaten überhaupt offen gewesen, ob man stationieren wolle, ob man durch Verhandlungen zu einer Nichtstationierung kommen wolle. In den vergangenen Jahren ist in zahlreichen Erklärungen — beispielsweise des ehemaligen Leiters der amerikanischen Rüstungskontroll- und Abrüstungsbehörde, Herrn Rostow, oder anderer Repräsentanten der US-Administration — auf Fragen, ob denn die Pershing 2 und Cruise Missile in Genf überhaupt zur Verhandlung stünden, geantwortet worden — beispielsweise Herr Rostow seinerzeit in dem „Spiegel"-Interview —: Nein, die Stationierung ist eine Verpflichtung, eine Entscheidung, die von der NATO getroffen worden ist.
Damit hat Herr Rostow auch schlicht und einfach recht. Denn man kann sich nicht hinstellen und sagen, das sei noch verhandlungsfähig, wir seien noch bereit, darüber zu diskutieren und eventuell nicht zu stationieren, wenn in dem seinerzeitigen Beschluß der NATO von 1979 davon die Rede ist — genauer: in dem Kommuniqué, das anschließend von den Außen- und Verteidigungsministern verbreitet wurde; der exakte Beschluß der seinerzeitigen Tagung wird j a nach wie vor geheimgehalten —, daß die sogenannte Modernisierung der Mittelstreckensysteme auf seiten der NATO und die Verhandlungen über diese Systeme, die Rüstungskontrolle, zwei sich ergänzende Ansätze seien. Wenn das NATO-Kommuniqué von zwei sich ergänzenden Ansätzen spricht — das ist der exakte Wortlaut —, will man offensichtlich beides. Dann stellt man das nicht mehr zur Disposition. Das, was der Bundeskanzler dazu gestern gesagt hat, heißt schlicht und einfach Sand in die Augen streuen.

(Berger [CDU/CSU]: Das ist ein völlig falscher Schluß!)

— Das ist kein falscher Schluß. Dann erklären Sie mir doch bitte einmal, warum es beispielsweise von Ihrer. Seite, von seiten der Bundesregierung kein Dementi gab, als der „Spiegel" nach dem Besuch des Bundeskanzlers in Washington geschrieben



Reents
hat, das einzige, worüber sich Reagan und Kohl ganz konkret geeinigt hätten, sei, daß auf jeden Fall stationiert werde, um jeden Preis, egal was in Genf herauskomme. Das hat doch im „Spiegel" gestanden, und sie haben es nicht dementiert.

(Zurufe von der CDU/CSU: Das ist doch unsinnig! — Es lohnt doch gar nicht, das zu dementieren! — Klein [München] [CDU/ CSU]: Der „Spiegel" ist doch nicht das Hausorgan der Regierung!)

— Ja, der „Spiegel" ist kein Hausorgan. Aber die Tatsache, daß Sie in dieser Frage nicht dementieren, hängt doch schlicht und einfach damit zusammen, daß Sie tatsächlich auch der Auffassung sind, die der sogenannte Abrüstungsexperte der USA Colin S. Gray geäußert hat: daß die NATO auf jeden Fall eine beträchtliche Anzahl dieser Systeme braucht — ich zitiere wörtlich —, gleichgültig ob die Sowjetunion ihre SS 20 bis auf Null reduziert oder nicht.
Das ist j a auch der entscheidende Punkt; denn bei den Pershing 2 und Cruise Missiles geht es gar nicht darum — den Eindruck versuchen Sie immer zu erwecken —, ein Gegengewicht zur SS 20 zu schaffen. Das hat vor zwei Jahren selbst der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Herr Brandt, auf einer Kabinettssitzung eingeräumt, wie später öffentlich bekannt wurde. Dazu gibt es auch andere Äußerungen. Blättern Sie einmal nach, um zu sehen, was Herr Strauß seinerzeit auf dem sicherheitspolitischen Kongreß der CDU/CSU 1980 zu dieser Frage gesagt hat! Er hat damals eindeutig gesagt, daß es bei der Pershing 2 nicht darum gehe, ein Gegengewicht zur SS 20 zu schaffen, sondern daß es darum gehe, ein bestimmtes Potential zu haben, mit dem man die Sowjetunion in Schach halten könne. Man müsse diese Waffen haben — wie Strauß sagte —, damit man sich umgucken könne, wo man freie Hand in der Welt habe.

(Hört! Hört! bei den GRÜNEN)

Ich habe leider nur noch wenig Zeit. Wir werden ja noch ausführlicher in der nächsten Woche darüber diskutieren. Vielleicht erlauben Sie mir noch ganz kurz zwei Schlußsätze. Eine solche Erklärung, wie sie in Williamsburg verabschiedet wurde, die nicht wirklich auf Abrüstung hinzielt — wie es in der Überschrift heißt —, die auch nicht das ist, was der Bundeskanzler gestern hier gesagt hat, nämlich eine „Botschaft der Hoffnung" oder ein „Ereignis weltweiter Solidarität", zeigt nur, daß es den beteiligten Regierungen auf Teufel komm raus um Aufrüstung geht.

(Berger [CDU/CSU]: Dummes Zeug!)

Wir werden vielleicht später einmal, wenn das noch möglich ist, in der Geschichtsschreibung diesen Williamsburger Gipfel als einen Gipfel der Kriegsvorbereitung darstellen müssen.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

So bedauerlich es ist: Das ist der Inhalt dessen, was dort verabschiedet wurde.
Ich sage zum Schluß: Sie werden wild entschlossen stationieren. Aber täuschen Sie sich nicht: Wir werden mit der gleichen Entschlossenheit weiter dagegen opponieren, nicht nur hier, sondern auch draußen.

(Beifall bei den GRÜNEN)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001209300
Für die Bundesregierung hat sich Herr Staatsminister Möllemann zu Wort gemeldet.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Heute ohne Fallschirm!)


Jürgen W. Möllemann (FDP):
Rede ID: ID1001209400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weise die Bemerkungen meines Vorredners und die Unterstellungen gegenüber der Politik der Bundesregierung in aller Form zurück.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die Politik der Bundesregierung ist im Bereich der Rüstungskontrolle und der Abrüstung geprägt von dem Bemühen; in allen Bereichen zu konkreten Abrüstungsvereinbarungen zu kommen. Ihnen liegt vor — das wird nächste Woche Gegenstand einer ausführlichen Debatte sein; deshalb will ich hier nicht ausführlich darüber sprechen — eine Darstellung des derzeitigen Stands der Verhandlungen über eine Begrenzung der konventionellen Rüstung in Wien, der Gespräche über die Mittelstreckensysteme, der START-Gespräche, also der Gespräche über die Begrenzung der strategischen Rüstung, und der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die derzeit in Madrid in ein entscheidendes Stadium gekommen ist.
Dies ist derzeit der umfassendste rüstungskontrollpolitische Dialog, der in den letzten 30 Jahren stattgefunden hat. Mein Eindruck und der Eindruck der Bundesregierung ist, daß es durchaus gute Chancen gibt, gestützt auf diese Bemühungen zu konkreten Vereinbarungen zu kommen. Das ist übrigens auch der Eindruck des Verhandlungspartners.
Ich glaube, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden zu solchen Ergebnissen nur auf Grund beharrlichen Bemühens kommen. Diskreditierungen und Diffamierungen wie etwa die von Ihnen gemachte Aussage, wir wollten hier auf Teufel komm raus Aufrüstung betreiben, helfen uns da nicht weiter.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Erklären Sie mal die Höhe des amerikanischen Verteidigungshaushalts, anstatt in salbungsvollen Worten nichts zu sagen!)

Sie lenken nur von eigener Inkompetenz in der Sache ab. — Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Schily [GRÜNE]: Kein Argument! Nicht ein Argument!)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001209500
Es liegt keine Wortmeldung von seiten eines Abgeordneten der Opposition vor. Ich fahre also in der anderen Reihenfolge fort. Herr Cronenberg ( Arnsberg) hat das Wort.

(Roth [SPD]: Muß das sein?)





Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1001209600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach diesem kurzen Wortwechsel über die Thematik der nächsten Woche lassen Sie mich in diesem Zusammenhang nur noch eine Feststellung treffen, Herr Kollege Reents: Äußerungen einiger Abgeordneter der GRÜNEN, Berichte im „Spiegel", gelegentliche Berichte im „Stern", die nicht dementiert werden, sind deswegen nicht wahr.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Gelegentlich sollte man so etwas „noch nicht einmal ignorieren".

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Wir werden im Untersuchungsausschuß merken, was wahr ist und was nicht wahr ist!)

Meine Damen und Herren, ich möchte zu einigen der in der Debatte getroffenen Äußerungen und gemachten Vorschläge wenige Bemerkungen machen. Es ist klargeworden, daß es für die unbestritten schwierige beschäftigungspolitische Situation keine Patentrezepte gibt. Ich weiß gemeinsam mit den meisten von Ihnen, daß es vieler kleiner Schritte, vieler ernsthafter Bemühungen bedarf, um mit dieser Problematik fertig zu werden. Ich möchte daher auf einige kritische Bemerkungen bezüglich solcher kleiner Schritte eingehen.
Kollege Schlatter hat hier erklärt, er könne sich nicht vorstellen, daß Entlastungen bei den ertragsunabhängigen Steuern, im Vermögensteuerbereich eine Hilfe für die Wirtschaft, für die Betriebe seien. Ich möchte ihn allen Ernstes fragen und bitten, darüber nachzudenken, ob nicht gerade die Entlastung im Bereich der ertragsunabhängigen Steuern eine solche notwendige Hilfe darstellt. Wenn wir uns schon darüber einig sind — in der Debatte gestern hat das ja in der Diskussion zwischen Herrn Ehrenberg und mir noch einmal klargestellt werden können —, daß sowohl Rationalisierungsinvestitionen wie auch Erweiterungsinvestitionen notwendig sind, um unsere Beschäftigungsprobleme zu lösen, dann muß es doch richtig sein, durch Stärkung der Eigenkapitalbasis durch Entlastung im Unternehmensbereich die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, um die von allen als notwendig erachteten Investitionen vorzunehmen. Aus diesem Grunde möchte ich sehr herzlich bitten, die Vorschläge der Regierung einer ernsthaften Überprüfung zu unterziehen.
Kollege Roth hat zum wiederholten Male der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen den Vorwurf gemacht, wir würden die Politik der Frau Thatcher oder des Herrn Reagan betreiben. Lassen Sie mich zwei Feststellungen treffen. Herr Kollege Roth, wenn Sie nicht gerade in einer verärgerten — —

(Roth [SPD]: Ich habe doch gar nicht geredet!)

— Wiederholt ist hier von Ihrer Seite diese Feststellung gemacht worden. Ich möchte darauf hinweisen, daß erstens die Politik der Regierung Thatcher nicht die gleiche ist wie die Politik des Herrn Reagan — es ist eine sehr unterschiedliche Politik —, und zweitens lassen Sie mich die Feststellung treffen, daß es bei uns keinen Grund für eine solche Politik, wie sie in England betrieben worden ist, gibt. Man muß bei aller Kritik, die wir hier an unserer eigenen Situation vorzubringen haben, feststellen — das sollte die Objektivität erlauben —, daß die Voraussetzungen um vieles besser waren als die, die die Regierung Thatcher in England vorgefunden hat.
Eine letzte Bemerkung in diesem Zusammenhang: Wenn die Frage, ob eine Politik richtig oder falsch ist, danach beantwortet wird, welche Zustimmung sie findet, dann muß ich allerdings die Feststellung treffen, daß diese Politik in England offensichtlich eine sehr breite Zustimmung gefunden hat. Dazu sage ich — sozusagen in Klammern —: Ich persönlich halte sie für falsch.
Herr Mitzscherling, Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, daß unser Zinsniveau vom Dollar abhängig ist. Dies zu bestreiten wäre einfach falsch. Aber ebenso richtig ist es, und ebenso muß festgestellt werden: Je geringer die Defizite in unseren öffentlichen Haushalten sind, je geringer die Defizite in den Haushalten unserer Sozialversicherung sind, je höher unser Leistungsbilanzüberschuß ist, je besser also unsere eigene Situation ist, je besser unsere Wettbewerbschancen auf den internationalen Märkten sind, desto unabhängiger sind wir vom amerikanischen Zins. Das heißt, es ist richtig, eine Politik unter dem Motto „Nicht Kaputt-, sondern Gesundsparen" zu betreiben, auch um mehr Unabhängigkeit von dem überhöhten amerikanischen Zinsniveau zu erreichen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU) Das ist doch der Sinn unserer Bemühungen.


(Dr. Mitzscherling [SPD]: Sie haben mit dieser Politik keinen Erfolg!)

— Das möchte ich bestreiten.
Ausdrücklich unterstreichen möchte ich den Teil Ihrer Ausführungen, die die Klimapflege betreffen. Klimapflege ist notwendig. Sosehr ich in der Vergangenheit Veranlassung hatte, mich darüber zu beschweren, daß die richtigen Ansätze miesgemacht worden sind, sosehr ich mich darüber damals beklagt habe, sosehr möchte ich Sie jetzt bitten, nicht in den gleichen Fehler der alten Opposition zu verfallen und die richtigen Ansätze der Regierungspolitik ebenso mieszumachen. Ganz im Gegenteil. Wir brauchen Ihre wohlwollende Unterstützung, um Erfolg zu haben. Um diese bitte ich, um diese werbe ich, um diese kämpfe ich, wo es notwendig ist. Ich bin auch davon überzeugt, daß Sie im letzten unseren gemeinsamen Bemühungen im Interesse des Landes Erfolg wünschen und nicht das Gegenteil.

(Beifall bei der SPD)

Im Verlauf dieser Debatte war immer wieder, insbesondere von der SPD-Bundestagsfraktion, zu hören — meiner Meinung nach manchmal etwas unfair —, daß die Koalition der Mitte keine aktive Beschäftigungspolitik betreibt. Ich glaube, das ist falsch. Richtigerweise muß es heißen: Die Koalition



Cronenberg
der Mitte betreibt keine falsche Beschäftigungspolitik.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Falsch sind die Vorschläge der SPD zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit. Dies wird deutlich, wenn man die unterschiedlichen Ansätze der Regierungskoalition und der Opposition gegenüberstellt. Ich will versuchen, das in ein paar Sätzen zu tun.
Alle Erfahrungen der Vergangenheit haben deutlich gezeigt, daß Beschäftigungsprogramme in Form von Konjunkturprogrammen und zum Teil — zum Teil! — von Infrastrukturprogrammen öffentlicher Art einen selbsttragenden Aufschwung, eine selbsttragende Wiederbelebung nicht geschaffen haben. Ich gebe zu, daß ein Teil der Infrastrukturmaßnahmen volkswirtschaftlich sinnvoll und vernünftig gewesen ist. Aber es ist ebensosehr festzustellen, daß diese Beschäftigungsprogramme in erheblichem Umfang Strohfeuereffekte — kurzfristige Beschäftigung — gehabt haben. Herr Ehrenberg hat gestern hier das 16-Milliarden-Programm gelobt. Dann muß man natürlich feststellen, daß von diesem 16-Milliarden-Programm heute noch in erheblichem Umfang Schulden da sind, die uns mit Zinsrückzahlungen belasten. Das heißt: Der gewünschte Erfolg, Herr Mitzscherling, den wir uns gemeinsam erhofft haben, nämlich zu dauerhafter Belebung zu kommen, ist nicht eingetreten. Das Programm hat sich eben als ein Fehlschlag erwiesen. Ich stehe nicht an, diese Feststellung zum Anlaß zu nehmen, zu fordern, daß wir solche Fehlentwicklungen für die Zukunft vermeiden.
Wenn man erkennt, daß unsere Wirtschafts- und Beschäftigungsprobleme vor allem struktureller Natur sind — Energiekrise mit tiefgreifenden Verwerfungen im Bereich Kohle und Stahl, worüber wir ja heute morgen diskutiert haben; Strukturprobleme im Bereich der Werftindustrie —, dann müssen wir zu anderen Lösungsansätzen kommen, den Lösungsansätzen, die wir Ihnen vorgeschlagen haben. Diese strukturelle Schieflage kann man nicht mit öffentlichen Ausgabeprogrammen abstellen, sondern wir müssen an die Ursachen, an die Wurzeln dieser Entwicklung heran. Abgesehen davon, daß die Forderung nach öffentlichen Ausgabeprogrammen insoweit nicht redlich ist — das müßten die Kollegen von der SPD-Fraktion ganz besonders gut wissen —, als die öffentlichen Kassen leer sind, helfen sie nicht.
Gefordert ist eine Politik, die die strukturellen Schwierigkeiten an der Wurzel angeht. In diesem Sinne ist die Beschäftigungspolitik der Bundesregierung und der sie tragenden Koalitionsfraktionen auch ausgerichtet. Diese Politik zeichnet sich dadurch aus, daß die Rahmenbedingungen verbessert werden, die Investitionstätigkeit der Wirtschaft und der öffentlichen Haushalte, soweit dies möglich ist, verbessert wird. Nur eine solche Politik kann im Laufe der Zeit auch wieder zu mehr Einkommen, damit zu der wünschenswerten höheren Nachfrage und damit schließlich auch zu mehr Arbeitsplätzen führen.
Wir müssen ehrlich sein und dürfen auch den Arbeitslosen nicht vorgaukeln,

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Gaukeln Sie uns auch nichts vor!)

daß dies kurzfristig möglich ist. Dafür sitzen die strukturellen Probleme, die ich angerissen habe, viel zu tief. Die Arbeitslosen können aber die Gewißheit haben, daß die Ursachen der Arbeitslosigkeit von der Koalition der Mitte konsequenter, nachhaltiger als in der früheren Koalition bekämpft werden.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Welche Tröstung!)

Ich stehe nicht an, auch heute hier zu erklären, daß viele der Ansätze, die wir mit Ihnen gemeinsam versucht haben, richtig waren. Ich stehe auch heute noch zu ihnen. Nur müssen wir diese in vielen Bereichen konsequent weiter durchführen.

(Purps [SPD]: Davon ist nichts zu sehen!)

Jetzt ist es eben möglich geworden, die Investitionstätigkeit in den Betrieben, die eben der Schlüssel für eine dauerhafte Wirtschaftsbelebung ist, auf breiter Front zu fördern. In einem ersten Schritt haben wir die Wirtschaft 1983 von ertragsunabhängigen Steuern entlastet. Wir haben steuerliche Hilfe für die Übernahme existenzbedrohter Betriebe — leider haben wir zu viele existenzbedrohte Betriebe — gewährt. In einem zweiten Schritt sind wir nun mit Wirkung ab 1984 dabei, die ertragsunabhängige Vermögensteuer deutlich zu reduzieren. Hinzu kommen Sonderabschreibungen für kleine und mittlere Betriebe, Sonderabschreibungen für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen, Verlustausgleichsmöglichkeiten für mittelständische Betriebe. Das alles wird die Eigenkapitalbasis der Betriebe selbstverständlich stärken. Die Eigenkapitaldecke der Betriebe ist nun einmal Voraussetzung für eine stärkere Investitionstätigkeit, für die Bereitschaft, zusätzliche neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Herr Kollege Kleinert - aus Marburg, wohlgemerkt, nicht Kollege Kleinert aus Hannover — hat sich hier darüber beklagt, daß wir Rationalisierungsinvestitionen fördern würden. Herr Kollege Kleinert, wir wollen und tun dies in der Tat, weil es notwendig ist, schlicht und einfach notwendig ist. Wenn Sie dafür verantwortlich wären, in einem mittleren oder kleineren Unternehmen für Beschäftigung zu sorgen, und wenn dieser Betrieb — wie die meisten unserer Betriebe — in einem erheblichen Umfang exportabhängig ist und wenn dieser Betrieb, Herr Kleinert, weniger einnimmt, als er ausgibt, also schlicht und ergreifend Verluste macht, was zur Folge hätte, daß er pleite geht, dann kann es einfach kein Lösungsvorschlag sein, sich hinzustellen, die Belegschaft zusammenzutrommeln und schlicht und ergreifend zu erklären: Wir machen zur Zeit Verluste, wir leisten offensichtlich zu wenig; unser Lösungsvorschlag lautet: Statt der bisherigen 40 Stunden arbeiten wir alle nur noch 25 Stunden, erhöhen die Preise und versuchen dann, unsere Produkte zu verkaufen. Der Erfolg wird



Cronenberg
sein: Der Laden ist kurzfristig pleite, die Arbeitslosigkeit ist höher.

(Fischer [Frankfurt] [GRÜNE]: Das ist doch albern!)

Deswegen sage ich Ihnen: Jede nicht wahrgenommene Rationalisierungsmöglichkeit in unserer Wirtschaft wird Arbeitslosigkeit schaffen, wird Arbeitsplätze zerstören. Auch Sie werden sich damit vertraut machen müssen, daß in einem Unternehmen ordentlich zu rechnen ist und daß Gewinne besser sind als Verluste — ob Ihnen das nun paßt oder nicht.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001209700
Herr Abgeordneter Cronenberg, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Abgeordneten Stratmann zu?

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1001209800
Bitte sehr.

Eckhard Stratmann (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90):
Rede ID: ID1001209900
Herr Cronenberg, können Sie mir erkären, wie eine Investitionsförderungspolitik beschäftigungspolitisch positive Auswirkungen haben soll, wenn man berücksichtigt, daß der Anteil der Rationalisierungsinvestitionen an allen Investitionen in den letzten drei Jahren steigend gewesen ist und mittlerweile über 50 % beträgt und daß er weiterhin steigende Tendenz aufweist?

Dieter-Julius Cronenberg (FDP):
Rede ID: ID1001210000
Wie ich Ihnen schon zu erklären versucht habe — ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie auch zuhören würden —, müssen wir über ein Drittel der von uns erzeugten Produkte und Dienstleistungen auf den Exportmärkten verkaufen. Sie haben möglicherweise noch nicht die Chance gehabt — oder auch die Lästigkeit —, Exportgeschäfte draußen abwickeln zu müssen, Arbeit ins Land zu holen. Nur dann, wenn Preis und Qualität stimmen, haben Sie die Chance, gegenüber den Billigpreisländern, in denen Löhne und Soziallasten niedriger sind als bei uns, mit Ihren Produkten konkurrenzfähig zu sein. Der Sachverhalt stellt sich doch so dar: Entweder Sie bieten preisgünstige, wettbewerbsfähige Produkte an — dann haben Sie Arbeit —, oder Sie gehen ohne Auftrag nach Hause — dann haben Sie keine Arbeit; dann haben wir mehr Arbeitslosigkeit. Deswegen wiederhole ich: Jede nicht wahrgenommene Rationalisierung ist für die Beschäftigungssituation im Lande tödlich.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Deswegen ist jede Verhinderung des Versuchs, unsere Wettbewerbsfähigkeit zu fördern, arbeitsplatzschädlich; sie vernichtet Arbeitsplätze. Wer vernünftige Beschäftigungspolitik in diesem Lande betreiben will, muß dafür sorgen, daß wir wettbewerbsfähig sind, muß Arbeit ins Land holen, muß die Chance für Arbeit verbessern. Er darf die Chance für Arbeit nicht verschlechtern. Wer Arbeit verteuert, wie es mit illusionären Vorschlägen in Richtung auf 25 Wochenstunden geschieht, versündigt sich an der Beschäftigungssituation dieses Landes. — Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001210100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Roth.

Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID1001210200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Wort von Herrn Cronenberg veranlaßt mich zu einer Erwiderung. Herr Cronenberg, Sie haben meinem Kollegen Mitzscherling unterstellt, er mache bewußt in Pessimismus und wolle gegen den Aufschwung reden. Ich halte diese Unterstellung für schlimm. Jeder Sozialdemokrat, der hier sitzt, und auch diejenigen, die leider schon gegangen sind, was ich bedaure — dort drüben sind aber leider auch schon sehr viele gegangen, was ich noch mehr bedaure —, wünscht sich eine Stabilisierung der Konjunktur. Eine derartige Haltung, aus parteitaktischen Gründen darauf zu hoffen, daß die Konjunktur schlecht läuft, ist in der Bundesrepublik bisher einem vorbehalten geblieben, der zum Glück zur Zeit nicht im Deutschen Bundestag ist, nämlich Franz Josef Strauß.

(Beifall bei der SPD — Dr. Schwörer [CDU/ CSU]: Das stimmt auch nicht!)

Wir Sozialdemokraten sind über jede Belebung der Märkte froh. Wir sind über jede Erhöhung der Auftragseingänge froh. Am heutigen Tag — darauf hat Herr Mitzscherling hingewiesen — kommen die Zahlen über die Auftragseingänge von März/April auf den Tisch. Dabei ist ein starker Einbruch in der Bestelltätigkeit zu verzeichnen. Nun macht der Herr Wirtschaftsminister wieder die statistischen Tricks, die ich aus der Vergangenheit, aus der eigenen Regierungszeit noch kenne. Er sagt, jetzt dürfe man keine Jahresvergleiche und keine Vormonatsvergleiche, sondern jetzt müsse man Halbjahresvergleiche machen. Wenn man das dann mit dem September 1982 vergleiche, dann, so sagt der Herr Wirtschaftsminister, sehe das Bild wieder besser aus. Wer so herumtrickst, wird die Probleme am Arbeitsmarkt, in der Beschäftigungspolitik nicht lösen.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001210300
Herr Kollege Roth, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Kittelmann?

Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID1001210400
Bitte, wenn es sein muß.

Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001210500
Sie haben aber nur noch eine Minute Redezeit.

Peter Kittelmann (CDU):
Rede ID: ID1001210600
Kollege Roth, wären Sie bereit, genauso die Unterstellung Ihres Kollegen Jens zu werten, daß die CDU/CSU bewußt einen Satz von Arbeitslosigkeit zur Disziplinierung in Kauf nehme, was mindestens eine ebenso starke, wenn nicht noch eine stärkere Unterstellung ist, die nicht gerade zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit beiträgt!

Wolfgang Roth (SPD):
Rede ID: ID1001210700
Ich habe den Satz gehört, und in Kenntnis von Herrn Jens, dessen politische Fairneß Sie aus dem Wirtschaftsausschuß kennen, glaube ich, daß er selbst sagen wird, er habe sich an der Stelle unglücklich ausgedrückt.

(Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU: Sehr schön! Respekt!)




Roth
Ich halte derartige Unterstellungen für falsch. Ich glaube, Ihre wirtschaftspolitischen Überlegungen in der Beschäftigungspolitik sind grundfalsch und führen in der Tat zu mehr Arbeitslosigkeit. Aber ich unterstelle Ihnen das Motiv nicht. Das wäre ja schrecklich.
Meine Damen und Herren, eine letzte Bemerkung zu beschäftigungsorientierten Programmen. Wir bestehen so sehr darauf, weil die Erfahrung positiv war. Es ist nicht wahr, was hier von der CDU gegen die alte Koalition gesagt wird, daß diese Programme nicht gewirkt hätten. Nach der ersten Ölpreiskrise hatten wir in der Spitze 1,35 Millionen Arbeitslose. Das hielt sich sehr lange auf einem hohen Sockel. Mit dem Beginn des Zukunftsinvestitionsprogramms und seiner Wirkung bekamen wir eine Reduzierung der Arbeitslosenzahl auf 850 000. Immerhin sind 500 000 Beschäftigte hinzugekommen. Das war ein Erfolg. Ich finde es traurig, daß man dann nach der Wahl 1980 wegen der dogmatischen Starre des Herrn Bundeswirtschaftsministers in der neuen Koalition keine aktive Beschäftigungspolitik mehr machen konnte. Das führte dann nicht zuletzt zum Zerbrechen dieser Koalition. Ich bin der Auffassung, Sie werden in zwei Jahren auf Beschäftigungsprogramme zurückkommen, wie Sie auch beim Wohnungsbauprogramm schon auf einen Vorschlag von der SPD-Fraktion vom April 1981 zurückgekommen sind. Ich prognostiziere das, und wir werden in zwei Jahren darüber diskutieren.
— Vielen Dank für das Zuhören.

(Beifall bei der SPD)


Heinz Westphal (SPD):
Rede ID: ID1001210800
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, das Jahresgutachten 1982/83 — Drucksache 9/2118 — und den Jahreswirtschaftsbericht 1983 — Drucksache 9/2400
— zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Wirtschaft und zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Der Ältestenrat schlägt ferner vor, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 10/79 — Weltwirtschaftsgipfel in Williamsburg und Europäischer Rat in Stuttgart
— zur federführenden Beratung an den Ausschuß für Wirtschaft und zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuß, den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Zwischendurch möchte ich eine amtliche Mitteilung machen. Im interfraktionellen Einvernehmen wird vorgeschlagen, den Annahmeschlußtermin für die Fragen zu den Fragestunden der Sitzungswoche vom 20. Juni 1983 auf Donnerstag, den 16. Juni 1983, 11 Uhr, vorzuverlegen, weil der Freitag vor der genannten Sitzungswoche, der 17. Juni, ein gesetzlicher Feiertag ist. Ist das Haus mit dieser Abweichung von den Richtlinien einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist auch dies so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 bis 11 auf:
4. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Kosten der Gerichsvollzieher
— Drucksache 10/60 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß
5. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof
— Drucksache 10/61 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Rechtsausschuß (federführend)

Ausschuß für Wirtschaft
6. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Juni 1982 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über den Verzicht auf Beglaubigung und über den Austausch von Personenstandsurkunden sowie über die Beschaffung von Ehefähigkeitszeugnissen
— Drucksache 10/59 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Innenausschuß
7. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Zusatzprotokollen vom 1. April 1982 zum Kooperationsabkommen vom 2. April 1980 zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien sowie zum Abkommen vom 2. April 1980 zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl einerseits und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien andererseits im Anschluß an den Beitritt der Republik Griechenland zu den Europäischen Gemeinschaften
— Drucksache 10/56 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft
8. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 6. Mai 1981 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Bangladesch über die Förde-



Vizepräsident Westphal
rung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
— Drucksache 10/57 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
9. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 27. November 1981 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokratischen Republik Somalia über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
— Drucksache 10/58 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit
10. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 10. Mai 1979 über den Schutz von Schlachttieren
— Drucksache 10/63 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
11. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 30. November 1979 über die Soziale Sicherheit der Rheinschiffer
— Drucksache 10/62 —
Überweisungsvorschlag des Ältestenrates:
Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Ausschuß für Verkehr
Das Wort dazu wird nicht gewünscht. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 10/60, 10/61, 10/59, 10/ 56, 10/57, 10/58, 10/63 und 10/62 an die Ausschüsse vor. Die Überweisungsvorschläge des Altestenrates ersehen Sie aus der Tagesordnung.
Ist das Haus mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstanden? — Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
a) Beratung der Sammelübersicht 1 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen mit Statistik über die beim Deutschen Bundestag in der Zeit vom 4. November 1980 bis 28. März 1983 eingegangenen Petitionen
— Drucksache 10/87 —
b) Beratung der Sammelübersicht 2 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen
— Drucksache 10/88 —
c) Beratung der Sammelübersicht 3 des Petitionsausschusses (2. Ausschuß) über Anträge zu Petitionen
— Drucksache 10/91 —
Wird dazu das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer den Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses in den Sammelübersichten 1, 2 und 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Keine Gegenstimmen, Enthaltungen bei der Fraktion der GRÜNEN. Die Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses sind damit angenommen.
Meine Damen und Herren, wie sind am Schluß unserer Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 15. Juni 1983, 9 Uhr ein. Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Wochenende.
Die Sitzung ist geschlossen.