Protokoll:
1001

insert_drive_file

Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 1

  • date_rangeSitzungsnummer: 1

  • date_rangeDatum: 7. September 1949

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 16:05 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:18 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 1. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1949 1 1. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1949. Eröffnungsansprache des Alterspräsidenten Löbe . . . . 1 B Namensaufruf der Abgeordneten und Wahl des Präsidenten . . . ... . . . . 3 A Dr. Adenauer (CDU) . . 3 B Reimann (KPD) 3 B Böhm (SPD) 3 C Dr. Köhler übernimmt das Präsidium . . 3D Wahl der Vizepräsidenten und der Schriftführer . ... . . . . . . 3 D Ollenhauer (SPD) 4 A Dr. Heuss (FDP) 4 A Dr. Seelos (BP) 4 B Reimann (KPD) 4 B Dr. Schmid (SPD) 4 C Ansprache des Präsidenten Dr. Köhler . . 4 C Bildung eines Vorläufigen Geschäftsordnungsausschusses . . . . . . . . 6 A Bildung und Einberufung des Ältestenrats . . 6 B Nächste Sitzung: Renner (KPD) 6 B, 7 A Ollenhauer (SPD) 6 C Die Sitzung wird um 16 Uhr 5 Minuten eingeleitet mit der Ouvertüre „Weihe des Hauses", Opus 124 von Ludwig van Beethoven.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
Gesamtes Protokol Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0100100000
Meine Damen und Herren! Abgeordnete des Deutschen Bundestags! Nach einem alten Brauch wird die erste Sitzung eines neuen Parlaments durch das an Jahren älteste Mitglied des Hauses eröffnet. Ich bin geboren am 14. Dezember 1875. Ich frage, ob sich ein Mitglied im Hause befindet, das zu einem früheren Termin geboren ist. — Offenbar ist das nicht der Fall.
Dann erkläre ich die erste Sitzung des Bundestags der Bundesrepublik Deutschland für eröffnet.
Meine Damen und Herren! Der Zufall hat es gefügt, daß ich als Alterspräsident vor Ihnen stehe als einer der Vertreter der alten deutschen Hauptstadt Berlin. In der Entsendung der Berliner Abgeordneten kommt der einheilige Wunsch seiner Bewohner zum Ausdruck, in dieses neue Deutschland einbezogen zu sein, und die Hoffnung, daß dieser Wunsch durch Ihre Arbeit bald seine Erfüllung finde.

(Lebhafter Beifall.)

Aber nicht minder hoffnungsvoll, ich möchte sagen, Erlösung heischend sind heute die Augen jener Millionen deutscher Landsleute auf uns gerichtet, die in den deutschen Ostgebieten wohnen und deren Vertretern Besatzungsmacht oder fremde Verwaltung gewaltsam verwehrt, mit in diesem Saale zu sitzen und mit uns zu beraten. Indem wir die Wiedergewinnung der deutschen Einheit als erste unserer Aufgaben vor uns sehen, versichern wir gleichzeitig, daß dieses Deutschland ein aufrichtiges, von gutem Willen erfülltes Glied eines geeinten Europa sein will.

(Bravorufe und Händeklatschen.)

Ich habe dieses Bekenntnis bereits als Präsident
der Deutschen Bewegung für die Vereinigten Staaten von Europa an die Konferenz in Straßburg gerichtet und wiederhole es in dieser historischen
Stunde: Uns bewegt nicht, wie es früher geschehen
ist, der Gedanke an irgendeine Form von Vorherrschaft; wir wollen mit allen anderen gleichberechtigt in den Kreis der europäischen Nationen treten.

(Erneuter lebhafter Beifall.)

Meine Damen und Herren! In dem Augenblick, in dem zum ersten Male wieder freigewählte Abgeordnete eines erheblichen Teils von Gesamtdeutschland zusammentreten, um eine deutsche Regierung einzusetzen und eine neue Gesetzgebung zu beginnen, schweifen die Gedanken von uns Älteren zurück zu jener letzten Sitzung des Deutschen Reichstags in der Berliner Krolloper, der wir beiwohnten und in der durch das Hitlersche Ermächtigungsgesetz die staatsbürgerlichen Freiheiten für lange Jahre begraben wurden. Das war ein illegaler Akt, durchgeführt von einer illegalen Regierung. Der Widerstand dagegen war eine patriotische Tat.

(Lebhafte Zurufe: Sehr richtig! — Abg. Reimann: Wieviele Abgeordnete sitzen hier, die dafür gestimmt haben! — Abg. Rische: Sehr richtig!)

Die Jüngeren unter uns aber, woher sie auch kommen mögen, haben auf ihrer Reise nach Bonn von Stadt zu Stadt noch einmal, vielleicht zum ersten Male in diesem Umfang, die erschütternden Zeugen der Zerstörung gesehen, die jene Machtergreifung schließlich herbeigeführt hat, die sichtbaren Zeugen nur, denn jeder einzelne von uns weiß dabei um die geistige und seelische Verwüstung, die mit der äußerlichen in unserem Volke angerichtet worden ist. Die Alten und die Jüngeren sind nun hier vereint in der schweren Aufgabe, an die Stelle der Trümmer wieder ein wohnliches Haus zu setzen und in den Mutlosen eine neue Hoffnung zu wecken.
Was erhofft sich das deutsche Volk von der Arbeit des Bundestags? — Daß wir eine stabile Regierung, eine gesunde Wirtschaft, eine neue soziale Ordnung in einem gesicherten Privatleben aufrichten, unser Vaterland einer neuen Blüte und neuem Wohlstand entgegenführen. Schier unüberwindlich scheinen die Hindernisse, die auf diesem Wege liegen, und ungezählte Scharen unserer Landsleute sind es, die von unserer Arbeit eine Minderung ihrer Sorge erwarten. Es stehen vor unserer Tür die Millionen der Heimatvertriebenen von jenseits der Oder-Neiße-Grenze, die Verstümmelten und Verwaisten des Krieges, die ja auch ein Opfer des Nazismus sind, jene, die in den Bombenangriffen Hab und Gut verloren, die anderen Opfer des Naziregimes und der mehrfachen Währungsmaßnahmen. Welch mühevolle, beharrliche, wohlüberlegte und welch gutwillige Zusammenarbeit wird notwendig sein, um auch nur der geringsten dieser Aufgaben Herr zu werden!


(Alterspräsident Löbe)

Meine Damen und Herren! Wir werden es nicht schaffen aus eigener Kraft allein. Wir werden — geben wir uns keinem Irrtum darüber hin — dabei noch lange der Beihilfe des Auslandes bedürfen. Wohlgemerkt: nicht in der Form und im Sinne von Almosen, sondern für den Aufbau unserer Wirtschaft, damit wir aus eigener Arbeit die Grundlagen unserer Existenz finden. Ich habe die Zuversicht: unser arbeitsames, tüchtiges, ordnungliebendes, leider politisch so oft irregeführtes Volk wird es schaffen!

(Lebhafte Bravo-Rufe und Händeklatschen.)

Dabei sind uns in den letzten Jahren von draußen her oft Vorhaltungen gemacht worden, weil wir das Ausmaß der Schuld noch nicht erkannt haben, das Deutschland durch den europäischen Krieg auf seine Schultern geladen, weil wir undankbar geblieben seien gegenüber der großen jahrelangen Hilfe, die uns zuteil wurde, Vorhaltungen, daß wir uns im Gegenteil im Räsonieren über schwer tragbare Lasten erschöpfen. Wir können offen über solche Vorwürfe sprechen. Ich als Berliner Abgeordneter würde mich für besonders undankbar halten, wollte ich nicht anerkennen, in welch unerhörtem Ausmaß die westlichen Besatzungsmächte unsern Freiheitskampf unterstützt, ja Berlin vor dem buchstäblichen Hungertode gerettet haben.

(Lebhafter Beifall.)

Wir verkennen auch keinen Augenblick, daß das westliche Deutschland, dem das agrarische Hinterland zur Zeit entzogen ist, zu einem erheblichen Teil sein Leben nur hat fristen können durch die großmütig gewährten Beihilfen aus Ländern, die nicht so hart getroffen waren.
Wir erkennen das dankbar an und bestreiten auch keinen Augenblick das Riesenmaß von Schuld, das ein verbrecherisches System auf die Schultern unseres Volkes geladen hat. Aber die Kritiker draußen wollen doch eines nicht übersehen: das deutsche Volk litt unter zwiefacher Geißelung. Es stöhnte unter den Fußtritten der eigenen Tyrannen und unter den Kriegs- und Vergeltungsmaßnahmen, welche die fremden Mächte zur Überwindung der Naziherrschaft ausgeführt haben. Wessen Haus an allen Ecken brennt, der sieht zunächst die eigene Not, ehe er die Fassung gewinnt, die Lage des Nachbarn voll zu würdigen.
Es sind auch Vorwürfe erhoben worden, weil das deutsche Volk sich nicht gegen den nationalsozialistischen Terror zur Wehr gesetzt habe. Wenn ich Ihnen sage, daß allein von den 94 sozialdemokratischen Abgeordneten, die gegen das Ermächtigungsgesetz gestimmt haben, da sie sich zu jener Zeit noch in Freiheit befanden, 24 ihren Widerstand mit dem Leben bezahlt haben,

(die Abgeordneten erheben sich von den Sitzen.)

wenn Sie bedenken, welche Opfer — —

(Unruhe. — Zuruf rechts: Auch von anderen Parteien sind Opfer gebracht worden; wir wollen keine Rechnungen aufmachen! — Weitere Zurufe rechts und von den Kommunisten.)

— Meine Herren, lassen Sie mich nur weitersprechen. Wäre nicht die Unterbrechung erfolgt, so hätte ich das sowieso erwähnt. — Wenn Sie bedenken, daß große Opfer auch von der kommunistischen Fraktion gebracht worden sind, aber auch von Mitgliedern des früheren Zentrums und von Abgeordneten bis in die Rechtsparteien hinein, dann wird sich ergeben, daß auch dieser Vorwurf nicht aufrechterhalten werden kann. Die ersten
fremden Botschafter waren noch nicht aus Deutschland abberufen, da lag die Mehrzahl dieser Opfer schon auf der Bahre.
Soweit solche Anklagen Berechtigung haben, bitten wir also, diese Ursachen mit zu berücksichtigen und auch bei den noch in Gang befindlichen Maßnahmen so zu verfahren, daß der Entwicklungsgang der deutschen Demokratie nicht aufs neue aufgehalten wird.

(Die Abgeordneten nehmen ihre Plätze wieder ein.)

In diesem Zusammenhang muß ich auch an das Schicksal unserer Kriegsgefangenen und verschleppten Menschen erinnern, jener unbekannten Zahl in der Fremde schmachtender, doch zumeist unschuldiger Männer und Frauen, die schon über 5 Jahre von ihrer Heimat ferngehalten werden.

(Sehr richtig! rechts.)

Das Leid der wartenden Frauen und Mütter, die die Hoffnung auf Wiederkehr ihrer Lieben nicht aufgeben können, ein Leid, das sie in tausend schlaflosen Nächten zermürbt, gehört zu jenen Grausamkeiten der Verschleppung, gegen die sich der Krieg unserer damaligen Gegner richtete, die aber immer noch fortwirken und Deutschland die innere Ruhe nicht finden lassen.

(Sehr richtig!)

Wir rufen es deshalb auch von dieser Stelle aus in die Welt: Helft diese schlimme Unmenschlichkeit beseitigen! Es genügt nicht, der Wiederkehr der mörderischen Kriege vorzubeugen — wobei zu helfen unsere erste Pflicht sein wird —, es müssen auch die schmerzlichen Reste dieser Vergangenheit endlich beseitigt werden.

(Lebhafter Beifall.)

Nun, meine Damen und Herren, lassen Sie uns eine Minute stillen Gedenkens all den Toten weihen, die als Opfer des Krieges von allen Völkern gefordert wurden,

(die Abgeordneten erheben sich von den Sitzen)

all denen, die durch die Fortwirkung des Krieges ihr Leben verloren.

(Minute des Schweigens.)

— Sie haben das Andenken geehrt; ich danke Ihnen.
Deutschland will — ich sagte es schon — ein aufrichtiges, friedliebendes, gleichberechtigtes Glied der Vereinigten Staaten von Europa werden. Wir haben im Staatsgrundgesetz von Bonn den Verzicht auf nationale Souveränitätsrechte schon im voraus ausgesprochen, um dieses geschichtlich notwendige höhere Staatengebilde zu schaffen, und werden uns auch durch Anfangsschwierigkeiten von diesem Ziel nicht abschrecken lassen.
In diesem Zusammenhang begrüße ich die Vertreter der Besatzungsmächte und aller fremden Missionen, die sich an diesem wichtigen Tage bei uns eingefunden haben. Ich begrüße die Ministerpräsidenten der einzelnen Länder, ihre Minister und Vertreter, vor allen Dingen die Mitglieder des Bundesrats, und bitte Herrn Ministerpräsidenten Arnold, unsern Dank all denen zu sagen, die in ungewöhnlich angestrengter Arbeit diese Räume für uns hergerichtet haben.

(Lebhafter Beifall.)

Ich begrüße ferner alle auf unseren Tribünen, die als einfache Staatsbürger oder als Inhaber hoher Ämter sich in ihrem Geschick mit uns verbunden fühlen und deshalb hierhergekommen sind.
Ich begrüße auch die Vertreter der Presse, füge daran aber die Bitte, ihre Berichterstattung und


(Alterspräsident Löbe)

ihre Kritik nicht in Sensationen und Zwischenfällen zu suchen,

(sehr gut!)

sondern die praktische Arbeit des Bundestags zu würdigen.

(Lebhafter Beifall.)

Meine Damen und Herren! Mein letzter Appell gilt den Abgeordneten dieses Hauses selbst. Hinter uns liegt ein erbitterter Wahlkampf, dessen Formen oft das erträgliche Maß weit überschritten.

(Sehr wahr! rechts.)

Mit der Fortsetzung dieser Ausbrüche ist dem deutschen Volke nicht gedient.

(Sehr richtig! rechts.)

Es braucht nicht niederreißende Polemik, sondern
aufbauende Tat. Wollen wir vor der deutschen Geschichte bestehen, dann müssen wir uns, ob in Koalition oder Opposition, soweit zusammenfinden,
daß Ersprießliches für unser Volk daraus erwächst,

(lebhafter Beifall)

damit wir uns auch die Achtung für unser deutsches Volk in der Welt draußen zurückgewinnen. — Meine Damen und Herren, lassen Sie uns die Arbeit mit diesem Vorsatz beginnen!

(Anhaltender lebhafter Beifall.)

Wir treten numehr in die geschäftliche Tagesordnung ein. Sie haben sie vor sich:
Namensaufruf der Abgeordneten und Wahl
des Präsidenten.
Zur Vereinfachung unserer Arbeit möchte ich vorschlagen, daß wir diese beiden Funkte miteinander verbinden, indem wir bei der Wahl des Präsidenten, die ja in geheimer Abstimmung durch Zettel erfolgt, sowohl die Beschlußfähigkeit des Hauses feststellen als auch aus den abgegebenen Stimmen den gewählten Präsidenten bestimmen. Das wird uns einen Wahlgang ersparen, und ich glaube, es entsteht in keiner Richtung ein Nachteil daraus.
Dann erbitte ich zunächst zur Durchführung der Wahlhandlung einige Abgeordnete; vielleicht darf ich Herrn Abgeordneten Dr. Schlange-Schöningen, Frau Abgeordnete Louise Albertz, Herrn Abgeordneten Dr. Dehler und Herrn Abgeordneten Seebohm bitten, hier Platz zu nehmen, damit wir in die Wahlhandlung eintreten können. Der Namensaufruf erfolgt alphabetisch. Ich bitte Herrn Abgeordneten Schlange-Schöningen, die Liste nach dem Alphabet vorzulesen.

(Abg. Dr. Adenauer: Herr Präsident, darf ich ums Wort bitten!)

— Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Adenauer!

Dr. Konrad Adenauer (CDU):
Rede ID: ID0100100100
Namens der Fraktion der CDU/CSU schlage ich als Präsidenten vor den Herrn Abgeordneten Dr. Köhler.

(Abg. Reimann: Ich bitte ums Wort!)


Paul Löbe (SPD):
Rede ID: ID0100100200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Reimann.

Max Reimann (KPD):
Rede ID: ID0100100300
Ich schlage im Namen der kommunistischen Fraktion vor, zum Präsidenten zu wählen den Abgeordneten Hans Böhm, Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion und Gewerkschaftssekretär.

Paul Löbe (SPD):
Rede ID: ID0100100400
Sie haben die Vorschläge gehört: Hans Böhm und Dr. Köhler. Ich bitte also Herrn Schlange-Schöningen, mit dem Buchstaben A beginnend, die Liste vorzulesen. Herrn Abgeordneten Dr. Dehler bitte ich, an der Urne die Stimmzettel entgegenzunehmen und sie im Beisein des
aufgerufenen Abgeordneten in die Urne zu legen.

(Abg. Böhm: Zur Geschäftsordnung!)

— Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Böhm.

Hans Böhm (SPD):
Rede ID: ID0100100500
Zu dem Vorschlag der kommunistischen Fraktion, meine Person zum Präsidenten zu wählen, muß ich erklären, daß ich eine derartige Wahl ablehne.

(Beifall. — Abg. Reimann: Ich wollte nur die „Opposition" der sozialdemokratischen Fraktion unterstreichen! — Lachen und Zurufe bei den Sozialdemokraten.)


Paul Löbe (SPD):
Rede ID: ID0100100600
Die Abstimmung beginnt mit dem Namensaufruf.

(Zuruf.)

— Die Stimmzettel brauchen in keinen Umschlag gesteckt zu werden. Die Geheimhaltung ist trotzdem garantiert. Haben Sie keine Sorge!
Der Aufruf beginnt.

(Namensaufruf)

Meine Damen und Herren, wir wiederholen jetzt die Buchstaben des Alphabets, damit diejenigen Damen und Herren sich melden, welche beim Aufruf gefehlt haben. Buchstabe A.

(Zuruf.)

— Dann bitte ich vorzutreten. Lisa Albrecht — der Name fehlt in unserm Verzeichnis.

(Der Aufruf des Alphabets wird fortgesetzt.) Dann erkläre ich die Wahlhandlung für geschlossen.

Ich bitte nunmehr die Schriftführer, auf der einen Seite die Zahl der abgegebenen Zettel und auf der andern Seite die Aufschriften der Zettel festzustellen und die Wahl zu kontrollieren.

(Das Ergebnis wird ermittelt.)

Darf ich bitten, die Plätze wieder einzunehmen. Es sind 402 Stimmen abgegeben worden. Das Haus ist also beschlußfähig, ja sogar vollzählig.
Bei der W a h 1 haben erhalten: Herr Dr. Köhler 346 Stimmen, Herr Böhm 15 Stimmen. 41 Stimmzettel waren nicht beschrieben; das sind also Stimmenthaltungen. Der Herr Abgeordnete Dr. Köhler hat somit die erforderliche absolute Mehrheit erhalten. Ich bitte ihn, meinen Platz einzunehmen.

(Beifall.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0100100700
Meine Damen und Herren! Ich übernehme das Amt des ersten Präsidenten des ersten deutschen Bundestags der Bundesrepublik Deutschland.
Wir fahren in der Tagesordnung fort und kommen zur
Wahl der Vizepräsidenten und der Schriftführer.
Ehe wir zu dieser Wahl schreiten, bin ich auf Grund einer interfraktionellen Vereinbarung ermächtigt, folgende Feststellung zu treffen. Es werden, heute nur der erste und der zweite Vizepräsident gewählt. Die endgültige Zahl der Vizepräsidenten wird durch die Geschäftsordnung festgestellt. Die Schriftführer werden heute von denjenigen Fraktionen und politischen Gruppen benannt — benannt! —, die bisher noch nicht im Präsidium vertreten gewesen sind. Auf der Basis dieser Vereinbarung soll die Wahl vollzogen werden.


(Präsident Dr. Köhler)

Ich glaube, Sie werden mir alle zustimmen, wenn ich mir erlaube, Ihnen den Vorschlag zu machen, für die Wahl des ersten und zweiten Vizepräsidenten nicht das gleiche Wahlverfahren noch einmal durchzuführen, das wir soeben zur Anwendung gebracht haben, weil das einen ungewöhnlichen Zeitaufwand erfordert. Ich erlaube mir vielmehr den Vorschlag, wenn es möglich ist, in einem gemeinsamen Wahlgang den ersten und zweiten Herrn Vizepräsidenten durch Akklamation, das heißt durch Erheben von den Plätzen, zu wählen. Ich darf annehmen, daß d'as Haus mit dieser Verfahrensweise einverstanden ist, und darf nunmehr die beteiligten Fraktionen bitten, zunächst einen Vorschlag für den Herrn ersten Vizepräsidenten zu machen.
Bitte, Herr Abgeordneter Ollenhauer!

Erich Ollenhauer (SPD):
Rede ID: ID0100100800
Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion schlage ich als ersten Vizepräsidenten Herrn Professor Dr. Carlo Schmid vor.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0100100900
Meine Damen und Herren, Sie haben den Vorschlag des Sprechers der sozialdemokratischen Fraktion gehört.

Dr. Theodor Heuss (FDP):
Rede ID: ID0100101000
Im Auftrag der Freien Demokraten schlage ich als zweiten Vizepräsidenten den Abgeordneten Dr. Schäfer vor.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0100101100
Sie haben auch diesen Vorschlag gehört: als zweiten Vizepräsidenten den Herrn Abgeordneten Dr. Schäfer.

(Zuruf rechts: Herr Präsident, wir bitten um getrennte Wahlgänge!)

— Verzeihen Sie, wir sind bereits in der Abstimmung. Ich bedaure, nicht mehr das Wort erteilen zu können.

(Widerspruch rechts.)

— Ich habe gefragt, ob das Haus mit dieser Verfahrensweise einverstanden ist, und habe keinen Widerspruch gefunden.

(Abg. Dr. Adenauer: Das war ein Irrtum; das war nicht verständlich!)


Dr. Gebhard Seelos (BP):
Rede ID: ID0100101200
Gemeinsame Abstimmung ist nicht verabredet worden, Herr Präsident, sondern nur, daß wir durch Akklamation zustimmen. Wir bitten deshalb — das verlängert die Wahlhandlung nicht — um getrennte Abstimmung.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0100101300
Wenn das die Meinung des Hauses ist, würde ich meine Amtshandlung bereits durch einen Widerspruch des Hauses korrigieren müssen.

Max Reimann (KPD):
Rede ID: ID0100101400
Ich unterstütze den Vorschlag, daß wir getrennt abstimmen. Ich stelle fest, daß im Ältestenrat eine solche Vereinbarung nicht getroffen worden ist, daß beide Vizepräsidenten in einem einzigen Wahlgang gewählt werden sollen. Ich stelle dies hier ausdrücklich fest.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0100101500
Das ist doch nicht im Ältestenrat vereinbart worden.
Meine Damen und Herren, dann kommen wir zur Wahl des ersten Vizepräsidenten. Wer für den vorgeschlagenen Abgeordneten Herrn Professor
Dr. Schmid als ersten Vizepräsidenten ist, den bitte ich, sich zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die überwältigende Mehrheit. Ich stelle fest, daß damit der Herr Abgeordnete Professor Schmid zum ersten Vizepräsidenten des Bundestags gewählt ist.

(Beifall hei den Sozialdemokraten.)

Ich darf Sie fragen, Herr Abgeordneter Schmid, ob Sie diese Wahl annehmen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0100101600
Ich nehme die Wahl an. Präsident Dr. Köhler: Danke schön!
Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Wahl des zweiten Vizepräsidenten, wofür der Herr Abgeordnete Dr. Schäfer vorgeschlagen ist. Wer für die Wahl des Herrn Abgeordneten Schäfer zum zweiten Vizepräsidenten des Bundestags ist, den bitte ich, sich zu erheben. — Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Soweit keine Enthaltungen vorliegen, stelle ich einstimmige Wahl fest.

(Abg. Renner: Ich bitte, die Stimmenthaltungen festzustellen!)

— Wenn das gewünscht wird, dann bitte ich diejenigen Damen und Herren, die sich der Stimme enthalten haben, die Hand zu erheben. — Wenige Stimmenthaltungen!
Meine Damen und Herren! Als Schriftführer haben gemäß den interfraktionell getroffenen Vereinbarungen die Fraktionen folgende Abgeordnete — ich nehme an: ausschließlich Herren — benannt: Gundelach (KPD), Matthes (DP), von Aretin (BP), Dr. Mießner (DRP), Pannebecker (Z), Loritz (WAV).
Meine Damen und Herren, ich darf feststellen, daß mit der Wahl des Präsidenten und der beiden Vizepräsidenten und mit der Benennung der Schriftführer die Konstituierung des Bundestags der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir nun einige Ausführungen. Ich bitte, zunächst Worte des Dankes sprechen zu dürfen. Der Weg bis zu dieser Stunde von heute ist lang. Er begann mit der Bildung der Länder und führte über die Einrichtung der bitonalen Institutionen zur Bildung des Parlamentarischen Rates in Bonn, der das Grundgesetz der neuen Bundesrepublik geschaffen hat. Die Herren Ministerpräsidenten der elf Länder haben die Vorbereitungen für die Konstituierung von Bundesrat und Bundestag getroffen. All dieser Männer, die in den vergangenen Jahren bis heute diese vorbereitende Arbeit für den neuen deutschen Staat geleistet haben, in Dank zu gedenken, halte ich für meine erste Pflicht.
Mein zweiter Dank gilt dem Alterspräsidenten dieses Hauses, Herrn Präsidenten Löbe, der heute die Konstituierung des ersten deutschen Parlaments nach dem Zusammenbruch mit gewohnter Meisterschaft geleitet hat.

(Beifall.)

Im Namen des gewählten Präsidiums und der vorläufig benannten Herren Schriftführer spreche ich dem Hohen Hause den aufrichtigen Dank für das mit dieser Wahl ausgesprochene Vertrauen aus. Insbesondere ist es mir persönlich ein Bedürfnis, meinen Dank für meine Wahl zum Ausdruck zu bringen. Ich sehe in dieser Wahl nicht nur einen Vertrauensbeweis, sondern in Wahrheit die Zuerkennung der höchsten Ehre, die die erste in allgemeinen, geheimen und direkten Wahlen gebildete Vertretung der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutsch-


(Präsident Dr. Köhler)

land mir mit der Betrauung mit dieser Funktion zuteil werden läßt. Die erste und vornehmste Aufgabe des Präsidenten des Bundestags sehe ich in seiner Verpflichtung, die Würde dieses Hauses zu wahren und darüber hinaus im Sinne der Bestimmungen des Grundgesetzes auch den Rechten des Bundestags stets die notwendige Geltung zu verschaffen sowie die Arbeiten des Bundestags im Rahmen der Geschäftsordnung in jeder Beziehung zu erleichtern und zu fördern. Es ist selbstverständlich nicht minder meine Pflicht und die Pflicht der Herren Vizepräsidenten, die Verhandlungen objektiv und gerecht zu leiten.
Lassen Sie mich dazu ein paar grundsätzliche Bemerkungen machen. Wir werden wohl alle darin einer Meinung sein, daß nicht nur unser Volk, sondern auch die gesamte Weltöffentlichkeit unsere künftigen Verhandlungen mit größter Aufmerksamkeit beobachten und die Art sowie die Form ihrer Durchführung mit einem Werturteil versehen wird. Das bedeutet, daß wir alle die Verpflichtung haben, aus dem Bewußtsein der wahrhaft einmaligen geschichtlichen Bedeutung unserer Existenz als erstes Parlament des neuen Staates nach einem beispiellosen Zusammenbruch in uns selber die Würdeunserer Verhandlungsweise zu verkörpern und aus unserer inneren Verpflichtung gegenüber Volk und Welt Maß und Form des Wortes zu gestalten. Ich darf, meine Damen und Herren, an Sie alle appellieren, in diesem Sinne mit dem Präsidium bei der Führung der Geschäfte zusammenarbeiten zu wollen.
Meine Damen und Herren! Das Volk der Bundesrepublik Deutschland hat mit der Wahl der Mitglieder des Bundestags ein Bekenntnis zu einer staatlichen Lebensform abgelegt, die uns in Übereinstimmung mit dem größten Teil der Welt die höchste und edelste Formung des politischen und menschlichen Zusammenlebens auf der Erde ist. Das Maß der Verantwortung, das mit dieser Entscheidung des Volkes uns als Mitgliedern des Bundestags auferlegt wird, ist, gemessen an der bisherigen geschichtlichen Gesamtentwicklung unseres Volkes — ich glaube, das ohne Übertreibung sagen zu dürfen —, ein einmaliges und unsagbar großes. Unser Volk muß wieder zum Bewußtsein seines Rechtes und auch der Verpflichtungen seiner Existenz gelangen. Und es drängt sich in dieser Stunde wohl auf unser aller Lippen die Frage: wozu sind wir auf der Welt? Der Ausgang der Wahlen hat gezeigt, daß wir uns nicht zur Macht bekennen, sondern zur großen Idee der Gemeinschaft mit anderen Völkern, und daß wir im Rahmen dieser Gemeinschaft gewillt sind, aus Erde und Menschen ein Höchstmaß materieller und geistiger Kräfte nicht allein zum Nutzen unseres Volkes, sondern der gesamten Völkergemeinschaft herauszuschöpfen.

(Beifall.)

Eine der edelsten Zielsetzungen, die uns wohl hier in diesem Hause über die Verschiedenheit der politischen Anschauungen hinweg verbinden, ist doch die, daß die Menschenwürde sich wieder in jedem Deutschen uneingeschränkt und nach jeder Richtung hin entfalten kann. Die Verwirklichung von Recht unid Gerechtigkeit soll und muß das oberste Gesetz unseres gesetzgeberischen Handelns in Zukunft sein. Geistige und politische Freiheit des Menschen, Freiheit des Glaubens, des Gewissens und der Überzeugung sind die edelsten Güter einer wahrhaften Demokratie. Sie zu sichern und ihre Verwirklichung auf allen staatlichen Gebieten und auf allen privaten Gebieten des Lebens herbeizuführen, wird eine unserer wichtigsten Aufgaben sein. Die Erfüllung dieser Aufgabe wird aber ihre Grenzen finden, wenn die Freiheit im Sinne ihrer Einschränkung mißbraucht werden soll. Freiheit denen, die die Freiheit achten und lieben; Schranken aber denen gegenüber, die dieses Grundgut der Demokratie mißachten oder gar beseitigen wollen.

(Beifall.)

Meine Damen und Herren, das ist, glaube ich, zutiefst der Sinn der Erfüllung der hinter uns liegenden Staats- und Weltkatastrophe. Noch sind wir nicht ein Parlament Gesamtdeutschlands. Und so richtet sich in dieser Stunde unser Gedenken an die 20 Millionen Menschen, denen der Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland zur Zeit de jure und de facto noch offensteht. In diesem Zusammenhang möchte ich die Tatsache hervorheben, daß meine Wahl zum Präsidenten dieses Hauses heute eine Persönlichkeit vorgenommen hat, die als einer der Exponenten unseres deutschen Ostens gilt. Ich sehe in diesem Vorgang ein einprägsames und nicht nur für unser Volk, sondern auch für die gesamte Weltöffentlichkeit klar erkennbares Symbol der unerschütterlichen Verbundenheit der Bundesrepublik Deutschland mit den Menschen des Ostens.

(Lebhafter Beifall.)

Lassen Sie mich hinzufügen: möge gerade dieser Vorgang ein gutes Omen sein für das letzte Ziel unserer Gesamtarbeit, früher oder später zu einem Parlament Gesamtdeutschlands zu werden. Im Gedenken an dieses Ziel gelten meine besonders herzlichen Grüße den Vertretern und Abgeordneten Berlins, die an unseren Beratungen teilnehmen.

(Erneuter lebhafter Beifall.)

Meine Damen und Herren! Heute wird für den größten Teil Gesamtdeutschlands eine verfassungsmäßig gegründete Staatsautorität ins Leben gerufen. Sie wird verkörpert durch die nach der Verfassung gesetzgebenden Organe. Sie muß aber auch eine geistige Verankerung finden. Sie kann diese geistige Verankerung als Staatsautorität in unserem Volke nur dann finden, wenn unsere Arbeit von dem edelsten Grundsatz, den je die Geschichte menschlicher Ethik aufgestellt hat, entscheidend bestimmt wird: wir wollen dienen. Wir wollen dienen den Armen und Bedürftigen, wir wollen die Selbstsucht in Schranken halten, und wir wollen den Schwachen vor dem Starken schützen. Indem wir so handeln, werden wir auch im tiefsten Sinne eine der grundlegenden Bestimmungen des Grundgesetzes erfüllen, nämlich dem Frieden der Welt zu dienen. Mit dem Artikel 24 des Bonner Grundgesetzes verpflichten wir uns bekanntlich, Hoheitsrechte .freiwillig aufzugeben, wenn dadurch eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeigeführt werden kann. Ich glaube zu dem folgenden Bekenntnis berechtigt zu sein: Wir bekennen uns in dieser historischen Stunde nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit der Leidenschaft unseres Herzens zu einer solchen Neuordnung Europas und der Welt. Dem Frieden zu dienen, das ist wahrhaft die tiefste Sehnsucht unseres Volkes. Ich glaube am Beginn 'unserer Arbeit aussprechen zu dürfen: wir sind von der Hoffnung erfüllt, daß ein neues Deutschland des Rechtes und der Gerechtigkeit, daß die Bundesrepublik Deutschland aus diesem Glauben, daß wir dem Frieden dienen wollen, aus einer Neuordnung Europas und der Welt, aus dem Glauben an diese Wandlung immer ihre Kraft für eine glücklichere Entwicklung der Zukunft schöpfen wird.


(Präsident Dr. Köhler)

Lassen Sie mich zusammenfassen. Wir sind hierhergesandt, um unserem deutschen Volke und unserem deutschen Vaterlande zu dienen. Ich bitte Sie, zur Bekräftigung dieser uns alle verbindenden Gesinnung sich von den Plätzen zu erheben.

(Der Bundestag erhebt sich.)

Wir grüßen das deutsche Volk und das deutsche Vaterland!

(Lebhafter Beifall.)

— Ich stelle fest, daß Sie sich von den Plätzen erhoben haben. Ich danke Ihnen.

(Vortrag des letzten Satzes der 5. Symphonie von Ludwig van Beethoven.)

Meine Damen und Herren! Ehe wir auseinandergehen, habe ich noch Ihre Zustimmung zu einigen Maßnahmen zu erbitten, die heute vormittag im Rahmen einer interfraktionellen Besprechung in Aussicht genommen worden sind. Sie wissen, daß wir noch keine Geschäftsordnung haben. Wir brauchen aber einige Organe, um die technischen Voraussetzungen einer parlamentarischen Arbeit erfüllen zu können. Dazu gehört erstens, daß ein vorläufiger Geschäftsordnungsausschuß gebildet wird. Es ist vorgeschlagen worden, ihn so zu bilden, daß die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD je drei Vertreter, die der FDP zwei Vertreter und alle übrigen Fraktionen oder Gruppen je einen Vertreter entsenden. Die Abstimmungen in diesem vorläufigen Geschäftsordnungsausschuß, der uns eine Geschäftsordnung bringen soll, erfolgen nach der Stärke der beteiligten Fraktionen und Gruppen.
Ich darf Sie zunächst fragen, ob Sie mit diesem Vorschlag, der heute früh interfraktionell zustande gekommen ist, einverstanden sind. — Ich höre keinen Widerspruch und darf demnach die Zustimmung des Hauses zur Bildung eines vorläufigen Geschäftsordnungsausschusses in der angeregten Form feststellen. Ich bitte die Beteiligten, dem Präsidialbüro im Laufe des Donnerstagmorgen bis spätestens 11 oder 12 Uhr die Namen der in diesen vorläufigen Geschäftsordnungsausschuß zu entsendenden Damen oder Herren bekanntzugeben.
Zweitens brauchen wir einen Ältestenrat. Auch hier darf ich Ihre Zustimmung zu folgender auf interfraktioneller Grundlage vorläufig zustande gekommenen Regelung erbitten: Es wird ein Ältestenrat in folgender Zusammensetzung gebildet: CDU/CSU drei, SPD drei, FDP zwei und alle übrigen Parteien je ein Vertreter. Ich darf das Hohe Haus fragen, ob es dieser Regelung seine Zustimmung gibt. — Ich höre keinen Widerspruch, darf also das Einverständnis des Hauses feststellen. Ich bitte dann, die Namen der zu benennenden Damen oder Herren bis morgen vormittag um 11 Uhr dem Büro, Zimmer 85, mitzuteilen. Gleichzeitig berufe ich die 1. Sitzung dieses Ältestenrats auf Donnerstag, den 8. September 1949, 15 Uhr.

(Abg. Renner: Ich bitte ums Wort, Herr Präsident!)

— Bitte, Herr Abgeordneter Renner.

Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0100101700
Meine Fraktion stellt den Antrag, auf die Tagesordnung dieser ersten Sitzung des Plenums die Frage der Demontage zu stellen, und ich bitte Sie, Herr Präsident, eine Entscheidung über diesen Antrag herbeiführen zu wollen.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0100101800
Der Ältestenrat wird morgen zunächst die Aufgabe haben, das Datum der nächsten Vollversammlung des Bundestags festzulegen, und gleichzeitig die Aufgabe, die Tagesordnung vorzubereiten. Wir nehmen von Ihrer Anregung Kenntnis und werden morgen im Ältestenrat darüber sprechen.

(Abg. Renner: Das ist doch ein Antrag! Darüber muß doch abgestimmt werden!)

— Sie wünschen eine Abstimmung darüber?

(Abg. Renner: Ich habe um Abstimmung über den Antrag gebeten! Ist das so schwer zu verstehen, was ich gesagt habe? — Abg. Ollenhauer: Ich bitte ums Wort!)

— Bitte, Herr Abgeordneter Ollenhauer!

Erich Ollenhauer (SPD):
Rede ID: ID0100101900
Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion schlägt vor, daß der Bundestag in seiner ersten Arbeitssitzung folgende Entschließung behandelt:
Der erste Deutsche Bundestag stellt fest, daß die fortdauernden Demontagen die Gesundung der Wirtschaft verhindern und eine unerträgliche Belastung des neuen demokratischen Staatswesens bedeuten. In einer Zeit, in der mit Hilfe des Marshallplans alle Anstrengungen gemacht werden sollten, die bestmögliche Ausnutzung der vorhandenen Produktionskräfte Europas zu erreichen, werden in Deutschland unentbehrliche Anlagen zerschlagen. Auf diese Weise wird der vom Marshallplan erstrebte Ausgleich der deutschen Zahlungsbilanz unmöglich gemacht.
Demontagen und Beschränkung von Friedensindustrien erscheinen dem deutschen Volk als Ausdruck einer unversöhnlichen Haltung. Die Alliierten haben alle Möglichkeiten in der Hand, ihre Wünsche nach Sicherheit und Wiedergutmachung zu befriedigen, ohne Arbeitsplätze zu zerstören. Europa ist nicht damit gedient, daß man Produktionsanlagen vernichtet.
Im Ringen um die Abwendung dieser Zerstörungen hat es das deutsche Volk dankbar empfunden, daß es auch im Ausland Verständnis und Hilfe gefunden hat. Im besonderen gilt dieser Dank dem Senat der Vereinigten Stab. ten und der unermüdlichen Aufklärungsarbeit der amerikanischen Gewerkschaften. Seit dem Beschluß des Senats auf eine erneute Nachprüfung der Demontage Liste

(Zuruf rechts: Sagen Sie das Ihren Freunden in England!)

haben sich jedoch Tempo und zerstörender Charakter der Demontagen verstärkt.

(Zuruf rechts: SPD-Propaganda!)

Der Bundestag erhofft von den Regierungen Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten von Amerika,

(Zuruf rechts: Das gehört in den Ältestenrat!)

daß sie
1. eine erneute Nachprüfung der Demontage-Listen beschleunigt veranlassen und
2. bis zur endgültigen Entscheidung keine weiteren Demontagen durchführen und die laufenden Demontagen stoppen.

(Zuruf rechts: Was ist mit der Arbeiterpartei in England? Warum sprechen Sie darüber nicht?)



(Ollenhauer)

Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß diese Entschließung auf die Tagesordnung der ersten Arbeitssitzung des Bundestags gesetzt wird. Ebenso schlage ich Ihnen im Namen der sozialdemokratischen Fraktion vor, in der ersten Sitzung auch eine Kundgebung der Verbundenheit mit Groß-Berlin und einen Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zu behandeln, die leitenden Bundesorgane von Bonn nach Frankfurt zu verlegen.

(Beifall bei den Sozialdemokraten. — Lachen rechts.)


Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0100102000
Sie haben die Anträge gehört. Das Haus nimmt sie lediglich zur Kenntnis; der Ältestenrat wird die Tagesordnung aufstellen.

Heinz Renner (KPD):
Rede ID: ID0100102100
Ich stelle fest, daß unser Antrag die sozialdemokratische Fraktion veranlaßt hat, —

(Allgemeine Heiterkeit. — Beifall rechts.)

— Ich weiß nicht, was es da zu lachen gibt. Heute morgen in der Ältestenratssitzung hatten Sie diesen Antrag noch nicht parat.

(Zurufe.) — Ich überlasse Ihnen ganz gern die Ehre des Autorenrechts. Ich möchte Sie nur ersuchen, sich jetzt dafür stark zu machen, daß über Ihre Entschließung abgestimmt wird, damit man nämlich zum Abschluß kommen kann.


(Dr. Seelos: Herr Präsident, machen Sie doch dieser Popularitätshascherei ein Ende! Das ist unwürdig in der ersten Sitzung!)

Ich bestehe auf der Abstimmung über unsern Antrag.

Dr. Erich Köhler (CDU):
Rede ID: ID0100102200
Meine Damen und Herren, ich habe festgestellt, daß das Haus diese Anträge zur Kenntnis genommen hat. Es ist Sache des Ältestenrats, zusammen mit mir morgen die Tagesordnung der nächsten Sitzung und deren Termin festzusetzen.
Weitere Anregungen liegen nicht vor.
Ich schließe die erste, konstituierende Sitzung des Deutschen Bundestags der Bundesrepublik Deutschland.