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    Plenarprotokoll 18/234 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 234. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 18. Mai 2017 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Bundes- ministerin Dr. Barbara Hendricks sowie der Abgeordneten Bärbel Höhn, Gabriele Fograscher, Heinrich Zertik, Wolfgang Gunkel und Dr. h. c. Gernot Erler . . . . . . . . 23585 B Wahl der Abgeordneten Katharina Dröge als Schriftführerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23585 B Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23585 C Absetzung des Tagesordnungspunktes 37 . . . . 23588 A Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 23588 A Tagesordnungspunkt 7: Unterrichtung durch die Bundesregierung: 15. Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregierung Drucksache 18/12300 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23588 D Dr . Gerd Müller, Bundesminister BMZ . . . . . 23589 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 23591 A Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23592 B Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23593 A Dagmar G . Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23595 A Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 23597 A Gabi Weber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23597 D Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23598 D Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 23599 D Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23601 D Tagesordnungspunkt 8: Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Caren Lay, Herbert Behrens, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Sozialer Wohnungsbau in Deutschland – Entwicklung, Bestand, Perspektive Drucksachen 18/8855, 18/11403 . . . . . . . . . . . 23603 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abge- ordneten Christian Kühn (Tübingen), Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gemeinsam für bezahlbares Wohnen – Lebenswert und klimafreundlich Drucksachen 18/10027, 18/11020 . . . . . . . . . . 23603 B Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 23603 B Sylvia Jörrißen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23605 B Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23607 C Florian Pronold, Parl . Staatssekretär BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23609 B Dr . Anja Weisgerber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 23610 C Michael Groß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23612 A Oliver Grundmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23613 A Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 23614 B Carsten Träger (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23615 A Detlev Pilger (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23615 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017II Tagesordnungspunkt 9: Unterrichtung durch die Bundesregierung: Verbraucherpolitischer Bericht der Bun- desregierung 2016 Drucksache 18/9495 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23616 D Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . 23616 D Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 23618 C Mechthild Heil (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23620 A Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23621 D Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . 23622 D Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23624 A Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23625 D Petra Rode-Bosse (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23627 A Iris Ripsam (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23627 D Tagesordnungspunkt 43: a) Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Susanna Karawanskij, weiteren Abgeord- neten und der Fraktion DIE LINKE ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abschaffung der sachgrundlosen Befris- tung Drucksache 18/12354 . . . . . . . . . . . . . . . . 23628 D b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu der am 19. Juni 1997 beschlos- senen Urkunde zur Abänderung der Verfassung der Internationalen Arbeits- organisation Drucksache 18/12331 . . . . . . . . . . . . . . . . 23628 D c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zum Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Festlegung eines Mehrjah- resrahmens für die Agentur der Europä- ischen Union für Grundrechte für den Zeitraum 2018–2022 Drucksache 18/12332 . . . . . . . . . . . . . . . . 23629 A d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Akkreditierungsstelle Drucksache 18/12333 . . . . . . . . . . . . . . . . 23629 A e) Antrag der Abgeordneten Thomas Lutze, Jan Korte, Caren Lay, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion DIE LINKE: Unent- geltliche Nutzung der WC-Anlagen an Bundesautobahnen und Bahnhöfen Drucksache 18/9223 . . . . . . . . . . . . . . . . . 23629 A f) Antrag der Abgeordneten Kerstin Kassner, Susanna Karawanskij, Caren Lay, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gewerbesteuer zu einer Ge- meindewirtschaftsteuer weiterentwi- ckeln und kommunale Wirtschaftskreis- läufe fördern Drucksache 18/12365 . . . . . . . . . . . . . . . . 23629 B g) Antrag der Abgeordneten Heike Hänsel, Niema Movassat, Inge Höger, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Menschenrechtsverletzungen von Un- ternehmen verbindlich sanktionieren – UN-Treaty-Prozess unterstützen Drucksache 18/12366 . . . . . . . . . . . . . . . . 23629 B Zusatztagesordnungspunkt 3: a) Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Katja Keul, Luise Amtsberg, Renate Künast, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Asylgesetzes zur Be- schleunigung von Verfahren Drucksache 18/12360 . . . . . . . . . . . . . . . . 23629 C b) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Kooperationsmodelle im Nacht- zugverkehr stärken Drucksache 18/12363 . . . . . . . . . . . . . . . . 23629 C c) Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Konto- gebühren – Transparenz und Verbrau- cherschutz erhöhen Drucksache 18/12367 . . . . . . . . . . . . . . . . 23629 D Tagesordnungspunkt 44: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 14. März 2014 über die Ausstellung mehrsprachiger, codierter Auszüge und Bescheinigungen aus Personenstandsre- gistern Drucksachen 18/11510, 18/12123 . . . . . . . 23629 D b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Sachaufklärung in der Verwaltungsvoll- streckung Drucksachen 18/11613, 18/12125 . . . . . . . 23630 B c) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Pro- tokoll vom 14. November 2016 zur Än- derung des Abkommens vom 13. Juli Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 III 2006 zwischen der Regierung der Bun- desrepublik Deutschland und der ma- zedonischen Regierung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen Drucksachen 18/11869, 18/12398 . . . . . . . 23630 C d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 21. November 2016 zwischen der Bun- desrepublik Deutschland und der Re- publik Panama zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen betreffend den Betrieb von Seeschiffen oder Luft- fahrzeugen im internationalen Verkehr Drucksachen 18/11878, 18/12398 . . . . . . . 23630 D e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erstellung gesamt- wirtschaftlicher Vorausschätzungen der Bundesregierung (Vorausschätzungsge- setz – EgVG) Drucksachen 18/11257, 18/12425 . . . . . . . 23631 A f) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Intelligente Verkehrssysteme Gesetzes Drucksachen 18/11494, 18/11880, 18/12181 Nr . 1 .6, 18/12411 . . . . . . . . . . . . 23631 B g) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 12. Januar 2017 zwischen der Bundes- republik Deutschland und der Republik Moldau über Soziale Sicherheit Drucksachen 18/11879, 18/12394 . . . . . . . 23631 C h) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Katharina Dröge, Anja Hajduk, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Globale Investitionen im Sin- ne einer nachhaltigen Entwicklung ge- stalten Drucksachen 18/11410, 18/12301 . . . . . . . 23631 D i) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Verord- nung der Bundesregierung: Zweite Ver- ordnung zur Änderung der Sportanla- genlärmschutzverordnung Drucksachen 18/11945, 18/12181 Nr . 2, 18/12407 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23632 A j)–p) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 433, 434, 435, 436, 437, 438 und 439 zu Petitionen Drucksachen 18/12114, 18/12115, 18/12116, 18/12117, 18/12118, 18/12119, 18/12120 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23632 B Zusatztagesordnungspunkt 4: a) Zweite und dritte Beratung des von den Ab- geordneten Dr . Harald Terpe, Katja Dörner, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordne- ten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zur Gleichstel- lung verheirateter, verpartnerter und auf Dauer in einer Lebensgemeinschaft lebender Paare bei der Kostenübernah- me der gesetzlichen Krankenversiche- rung für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung Drucksachen 18/3279, 18/7517 . . . . . . . . . 23633 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Abgeordneten Ulle Schauws, Katja Keul, Kai Gehring, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Provenienzforschung stärken – Bessere Rahmenbedingungen für einen angemessenen und fairen Um- gang mit Kulturgutverlust schaffen Drucksachen 18/3046, 18/7532 . . . . . . . . . 23633 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Steffi Lemke, Peter Meiwald, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verbindliche Umwelt- und Sozialstandards in der internationalen Palmölproduktion verankern Drucksachen 18/8398, 18/10611 . . . . . . . . 23633 B d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und hu- manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abge- ordneten Dr . Franziska Brantner, Omid Nouripour, Tom Koenigs, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Kein Frieden und kei- ne Stabilität ohne Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit – Für eine weitsich- tige europäische Nachbarschaftspolitik gegenüber den Staaten Nordafrikas Drucksachen 18/6551, 18/10848 . . . . . . . . 23633 C e) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Ekin Deligöz, Kerstin Andreae, Sven-Christian Kindler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine trans- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017IV parente und geschlechtergerechte Haus- haltspolitik – Gender Budgeting als Instrument von Good Governance Drucksachen 18/9042, 18/11433 . . . . . . . . 23633 D f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung zu dem An- trag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Ulle Schauws, Anja Hajduk, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Initiative „She Decides“ un- terstützen – Die sexuellen und reproduk- tiven Rechte und die Selbstbestimmung und Gesundheit von Frauen und Mäd- chen in Ländern des globalen Südens stärken Drucksachen 18/11177, 18/11649 . . . . . . . 23633 D g) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Bildung, Forschung und Tech- nikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Oliver Krischer, Kai Gehring, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kein Atommüll-Export aus dem Reaktor AVR Jülich in die USA Drucksachen 18/2624, 18/12408 . . . . . . . . 23634 A h) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz-Asche, Uwe Kekeritz, Ulle Schauws, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Die Aids-Epi- demie in Deutschland und weltweit bis 2030 beenden Drucksachen 18/6775, 18/12424 . . . . . . . . 23634 B Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haltung der Bundesregierung zu den Vorschlägen von Präsident Macron im Bereich der EU-Wirt- schafts- und Finanzpolitik, insbesondere zu gemeinsamen europäischen Investitionen Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23634 C Dr . Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23635 C Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 23636 C Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23637 D Ursula Groden-Kranich (CDU/CSU) . . . . . . . 23638 D Dr . Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 23639 C Christian Petry (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23640 C Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23641 D Uwe Feiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23642 D Bernd Westphal (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23644 A Volkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23645 A Alexander Radwan (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23646 A Tagesordnungspunkt 10: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Verbesse- rung des Hochwasserschutzes und zur Vereinfachung von Verfahren des Hoch- wasserschutzes (Hochwasserschutzge- setz II) Drucksachen 18/10879, 18/12404 . . . . . . . 23647 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Unter- richtung durch die Bundesregierung: Bun- desprogramm „Blaues Band Deutsch- land“ Drucksachen 18/11099, 18/11225 Nr . 5, 18/12204 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23647 C Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23647 C Dr . André Hahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 23648 D Ulrich Petzold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23649 D Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23651 A Carsten Träger (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23652 C Dr . Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU) . . . . . . . 23653 B Dr . Anja Weisgerber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 23654 B Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Ulle Schauws, Tabea Rößner, Lisa Paus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Soziale und wirtschaftliche Lage von Künst- lerinnen, Künstlern und Kreativen verbes- sern, Kulturförderung gerecht gestalten Drucksache 18/12373 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23655 C Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23655 C Ute Bertram (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 23656 D Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 23658 C Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 23659 D Dr . Astrid Freudenstein (CDU/CSU) . . . . . . . 23661 A Burkhard Blienert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23662 B Tagesordnungspunkt 12: Zweite und dritte Beratung des von den Frak- tionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 V Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung fut- termittelrechtlicher und tierschutzrechtli- cher Vorschriften Drucksachen 18/12085, 18/12403 . . . . . . . . . 23663 B Dr . Maria Flachsbarth, Parl . Staatssekretärin BMEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23663 C Dr . Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . 23664 D Ute Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23665 D Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23666 D Thomas Mahlberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23667 C Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23668 C Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23669 C Christina Jantz-Herrmann (SPD) . . . . . . . . . . 23670 A Tagesordnungspunkt 13: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Ernährung und Landwirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Binder, Caren Lay, Herbert Behrens, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bundesprogramm Kita- und Schulverpfle- gung – Für alle Kinder und Jugendlichen eine hochwertige und unentgeltliche Es- sensversorgung sicherstellen Drucksachen 18/8611, 18/12178 . . . . . . . . . . . 23671 D Carola Stauche (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23671 D Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 23674 A Dr . h . c . Albert Weiler (CDU/CSU) . . . . . . 23675 A Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 23676 C Jeannine Pflugradt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 23677 B Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23678 C Alois Rainer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 23680 A Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . 23680 D Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . 23681 D Tagesordnungspunkt 14: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Militärmission der Europäischen Union als Beitrag zur Ausbildung der malischen Streitkräfte (EUTM Mali) Drucksachen 18/11628, 18/12205 . . . . . . . 23682 D – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12206 . . . . . . . . . . . . . . . . 23682 D Dr . h . c . Edelgard Bulmahn (SPD) . . . . . . . . . 23682 D Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . 23684 B Jürgen Hardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 23685 B Dr . Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23686 A Thomas Hitschler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23686 D Dr . Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 23687 D Michael Vietz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 23688 D Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 23690 A Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23692 C Tagesordnungspunkt 15: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und hu- manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeord- neten Katja Keul, Dr . Franziska Brantner, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verbrechen nach dem Völ- kerstrafrecht nicht ungesühnt lassen Drucksachen 18/10031, 18/10626 . . . . . . . 23690 A b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Katja Keul, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordne- ten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesver- fassungsgerichtsgesetzes (Verankerung eines Verfahrens zur Überprüfung von Entscheidungen über den Einsatz der Bundeswehr im Ausland) Drucksachen 18/8277, 18/12413 . . . . . . . . 23690 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucher- schutz zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Renate Künast, Dr . Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Internationale rechtliche Zusammenar- beit stärken und ausbauen Drucksachen 18/9675, 18/11780 . . . . . . . . 23690 B Dr . Ute Finckh-Krämer (SPD) . . . . . . . . . . . . 23690 C Dr . Alexander S . Neu (DIE LINKE) . . . . . . . . 23691 A Dr . Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU) . . . . . . 23694 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23696 B Bettina Bähr-Losse (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 23697 B Dr . Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . 23698 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017VI Tagesordnungspunkt 16: – Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Betei- ligung bewaffneter deutscher Streitkräf- te an der durch die Europäische Union geführten EU NAVFOR Somalia Opera- tion Atalanta zur Bekämpfung der Pira- terie vor der Küste Somalias Drucksachen 18/11621, 18/12207 . . . . . . . 23699 C – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12208 . . . . . . . . . . . . . . . . 23699 C Dagmar Freitag (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23699 C Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 23700 C Dr . Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . 23701 B Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23702 B Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 23703 A Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 23704 B Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23706 C Tagesordnungspunkt 17: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Azize Tank, Katja Kipping, Sabine Zimmermann (Zwickau), weite- ren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundge- setzes (Aufnahme sozialer Grundrechte in das Grundgesetz) Drucksachen 18/10860, 18/12412 . . . . . . . 23704 B b) Erste Beratung des von den Abgeordne- ten Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg, Dr . Franziska Brantner, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Gewährleistung der Wahrnehmung sozialer Rechte von Menschen ohne Aufenthaltsstatus Drucksache 18/6278 . . . . . . . . . . . . . . . . . 23704 C Dr . Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 23704 C Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23705 B Azize Tank (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 23708 B Dr . Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU) . . . . . . 23709 D Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23711 A Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 23712 B Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23713 A Tagesordnungspunkt 18: Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der interna- tionalen Sicherheitspräsenz in Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch-Tech- nischen Abkommens zwischen der interna- tionalen Sicherheitspräsenz (KFOR) und den Regierungen der Bundesrepublik Ju- goslawien (jetzt: Republik Serbien) und der Republik Serbien vom 9. Juni 1999 Drucksache 18/12298 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23714 B Josip Juratovic (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23714 C Dr . Alexander S . Neu (DIE LINKE) . . . . . . . . 23715 D Dr . Ralf Brauksiepe, Parl . Staatssekretär BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23716 D Dr . Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23717 C Dr . Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 23718 C Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE: Sofortiger Ab- zug der Bundeswehr aus Incirlik Drucksache 18/12372 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23719 C Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23719 C Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . . 23720 C Dr . Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 23721 C Dr . Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 23722 D Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 23724 A Tagesordnungspunkt 20: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht Drucksachen 18/11546, 18/11654, 18/11822 Nr . 9, 18/12415 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23725 C Dr . Ole Schröder, Parl . Staatssekretär BMI . . . 23725 D Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 23726 D Burkhard Lischka (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23727 D Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23728 D Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . 23730 A Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23731 A Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23731 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 VII Tagesordnungspunkt 21: Antrag der Abgeordneten Karin Binder, Caren Lay, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Lebensmittel- retterinnen und Lebensmittelretter entkri- minalisieren Drucksache 18/12364 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23733 A Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Fi- nanztransaktionsuntersuchungen Drucksachen 18/11555, 18/11928, 18/12181 Nr . 1 .8, 18/12405 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23733 B Tagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Omid Nouripour, Katrin Göring-Eckardt, Cem Özdemir, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Für einen radikalen Kurswechsel in der Jemenpolitik Drucksache 18/12121 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23733 D Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23733 D Dr . Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . 23734 D Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 23735 D Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23736 D Thorsten Frei (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 23738 D Tagesordnungspunkt 23: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises Drucksachen 18/11279, 18/12417 . . . . . . . . . . 23739 D Tagesordnungspunkt 24: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vor- schriften Drucksachen 18/11239, 18/11938, 18/12181 Nr . 1 .12, 18/12397 . . . . . . . . . . . 23740 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des In- nenausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Dr . Konstantin von Notz, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mehr Sicherheit durch weniger Waffen – zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Abgabe von anschlagsfähigen Ausgangsstoffen beschränken Drucksachen 18/11417, 18/7654, 18/12397 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23740 B Tagesordnungspunkt 25: Zweite und dritte Beratung des vom Bundes- rat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten und Lebenspartnern in Angelegenheiten der Gesundheitssorge und in Fürsorgeangelegenheiten Drucksachen 18/10485, 18/12427 . . . . . . . . . 23740 D Dr . Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 23741 A Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . . 23742 B Dr . Sabine Sütterlin-Waack (CDU/CSU) . . . . 23743 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23744 B Alexander Hoffmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 23745 B Tagesordnungspunkt 26: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen von Minamata vom 10. Oktober 2013 über Quecksilber (Minamata-Überein- kommen) Drucksachen 18/11847, 18/12401 . . . . . . . 23746 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Meiwald, Oliver Krischer, Annalena Baerbock, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Minamata-Konvention zu Quecksilber unverzüglich ratifizieren Drucksachen 18/7657, 18/12401 . . . . . . . . 23746 D Tagesordnungspunkt 27: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen und zur weiteren För- derung des elektronischen Rechtsverkehrs Drucksachen 18/9416, 18/12203 . . . . . . . . . . 23747 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017VIII Tagesordnungspunkt 28: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des E-Go- vernment-Gesetzes Drucksachen 18/11614, 18/12406 . . . . . . . . . . 23747 C Tagesordnungspunkt 29: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung perso- nenstandsrechtlicher Vorschriften (2. Per- sonenstandsrechts-Änderungsgesetz – 2. PStRÄndG) Drucksachen 18/11612, 18/12124 . . . . . . . . . . 23747 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ulle Schauws, Monika Lazar, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anerkennung der selbst bestimmten Geschlechtsidentität und zur Änderung anderer Gesetze (Selbst- bestimmungsgesetz – SelbstBestG) Drucksache 18/12179 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23747 D Tagesordnungspunkt 30: a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld . . . . . . . . . . . . . Drucksachen 18/11397, 18/12421 . . . . 23748 B – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebe- nengeld Drucksachen 18/11615, 18/12421 . . . . 23748 B b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Katja Keul, Renate Künast, Luise Amtsberg, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewaltta- ten (Opferentschädigungsgesetz – OEG) Drucksachen 18/10965, 18/12400 . . . . . . . 23748 C Tagesordnungspunkt 31: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 25. Oktober 2016 zur Errichtung der Inter- nationalen EU-LAK-Stiftung Drucksachen 18/11507, 18/12418 . . . . . . . . . . 23749 A Tagesordnungspunkt 32: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktu- ellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Ge- setz – UrhWissG) Drucksachen 18/12329, 18/12378 . . . . . . . . . 23749 B Tagesordnungspunkt 33: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von Mieter- strom und zur Änderung weiterer Vor- schriften des Erneuerbare-Energien-Geset- zes Drucksache 18/12355 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23749 B Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23749 C Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 23750 C Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23751 B Dr . Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23752 B Klaus Mindrup (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23753 A Dr . Andreas Lenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23754 A Tagesordnungspunkt 34: Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Beitrittspro- tokoll vom 11. November 2016 zum Han- delsübereinkommen vom 26. Juni 2012 zwischen der Europäischen Union und ih- ren Mitgliedstaaten einerseits sowie Kolum- bien und Peru andererseits betreffend den Beitritt Ecuadors Drucksachen 18/11556, 18/12410 . . . . . . . . . . 23755 A Tagesordnungspunkt 35: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (Kinder- und Jugendstärkungsgesetz – KJSG) Drucksache 18/12330 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23755 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 IX in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Antrag der Abgeordneten Beate Walter- Rosenheimer, Katja Dörner, Dr . Franziska Brantner, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Stark ins eigene Leben – Wirksame Hilfen für junge Menschen Drucksache 18/12374 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23755 B Caren Marks, Parl . Staatssekretärin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23755 C Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE) . . . . 23756 C Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . . 23757 C Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23758 D Christina Schwarzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 23759 C Tagesordnungspunkt 36: a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Reformbestrebungen weiter mit Leben füllen – Leistung, Transparenz, Fairness und Sauberkeit in den Mittel- punkt der künftigen Spitzensportförde- rung stellen Drucksache 18/12362 . . . . . . . . . . . . . . . . 23760 D b) Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu, Monika Lazar, Anja Hajduk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Konzept zur Spit- zensportreform grundlegend überarbei- ten – Beteiligungsrechte für Athletinnen und Athleten verankern Drucksache 18/10981 . . . . . . . . . . . . . . . . 23760 D Zusatztagesordnungspunkt 9: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen Drucksachen 18/11291, 18/12422 . . . . . . . . . . 23761 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Katja Dörner, Luise Amtsberg, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Elternschaftsvereinbarung bei Samenspende und das Recht auf Kenntnis eigener Abstammung Drucksachen 18/7655, 18/11785 . . . . . . . . . . . 23761 A Zusatztagesordnungspunkt 11: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Energie: – zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Durchsetzung der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt, zur Festlegung eines Noti- fizierungsverfahrens für dienstleistungs- bezogene Genehmigungsregelungen und Anforderungen sowie zur Änderung der Richtlinie 2006/123/EG und der Verord- nung (EU) Nr. 1024/2012 über die Ver- waltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems KOM(2016)821 endg.; Ratsdok. 5278/17 – zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierun- gen KOM(2016)822 endg.; Ratsdok. 5281/17 – zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Ra- tes über den rechtlichen und operativen Rahmen für die durch die Verordnung ... [ESC Regulation] eingeführte Elektroni- sche Europäische Dienstleistungskarte KOM(2016)823 endg.; Ratsdok. 5283/17 – zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung einer Elektroni- schen Europäischen Dienstleistungskar- te und entsprechender Verwaltungser- leichterungen KOM(2016)824 endg.; Ratsdok. 5284/17 hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Artikel 23 Ab- satz 3 des Grundgesetzes Drucksachen 18/11229 A .8 bis A .11, 18/12426 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23761 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23762 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 23763 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Josef Göppel, Jens Koeppen und Elisabeth Winkelmeier-Becker (alle CDU/CSU) zu der Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017X eines Gesetzes zur Änderung futtermittelrecht- licher und tierschutzrechtlicher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 12) . . . . . . . . . . . . . . . . 23763 B Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Omid Nouripour, Kerstin Andreae, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Ekin Deligöz, Kai Gehring, Anja Hajduk, Dieter Janecek, Dr . Tobias Lindner, Cem Özdemir, Brigitte Pothmer, Tabea Rößner, Manuel Sarrazin, Kordula Schulz-Asche, Markus Tressel, Doris Wagner und Dr . Valerie Wilms (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der na- mentlichen Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streit- kräfte an der durch die Europäische Union geführten EU NAVFOR Somalia Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias (Tagesordnungspunkt 16) . . . . . . . . . . . . . . . . 23763 C Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärti- gen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesre- gierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaff- neter deutscher Streitkräfte an der durch die Europäische Union geführten EU NAVFOR Somalia Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias (Tagesordnungspunkt 16) . . . . . . . . . . . . . . . . 23764 B Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags der Abgeordneten Karin Binder, Caren Lay, Herbert Behrens, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Le- bensmittelretterinnen und Lebensmittelretter entkriminalisieren (Tagesordnungspunkt 21) . . . . . . . . . . . . . . . . 23764 D Kordula Kovac (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23764 D Katharina Landgraf (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 23765 C Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . 23766 B Karin Binder (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 23767 A Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23767 D Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Aus- führung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Fi- nanztransaktionsuntersuchungen (Tagesordnungspunkt 22) . . . . . . . . . . . . . . . . 23768 C Margaret Horb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23768 C Dr . Frank Steffel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 23769 B Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 23770 A Dr . Jens Zimmermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 23771 A Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 23772 C Dr . Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23773 A Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises (Tagesordnungspunkt 23) . . . . . . . . . . . . . . . . 23774 B Heinrich Zertik (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23774 B Mahmut Özdemir (Duisburg) (SPD) . . . . . . . . 23775 A Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 23776 C Dr . Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23777 C Dr . Ole Schröder, Parl . Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23778 C Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften – zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Dr . Konstantin von Notz, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mehr Sicherheit durch weniger Waffen – zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Abgabe von anschlagsfähigen Ausgangs- stoffen beschränken (Tagesordnungspunkt 24 a und b) . . . . . . . . . . 23779 A Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 23779 B Oswin Veith (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23780 A Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 23781 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 XI Martina Renner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 23782 A Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23783 B Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen von Minamata vom 10 . Oktober 2013 über Quecksilber (Minama- ta-Übereinkommen) – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Meiwald, Oliver Krischer, Annalena Baerbock, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Minamata-Konvention zu Quecksilber unverzüglich ratifizieren (Tagesordnungspunkt 26 a und b) . . . . . . . . . . 23784 B Karsten Möring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 23784 C Ulli Nissen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23785 C Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 23786 B Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23787 A Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs (Tagesordnungspunkt 27) . . . . . . . . . . . . . . . . 23788 A Dr . Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . 23788 A Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23789 A Dr . Karl-Heinz Brunner (SPD) . . . . . . . . . . . . 23789 C Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . . 23790 A Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 23790 D Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des E-Government-Gesetzes (Tagesordnungspunkt 28) . . . . . . . . . . . . . . . . 23791 C Marian Wendt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 23791 C Saskia Esken (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23792 C Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 23793 B Dr . Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 23793 D Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23794 B Dr . Ole Schröder, Parl . Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23795 A Anlage 12 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr . André Hahn (DIE LINKE) zu der Abstim- mung über den von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des E-Government-Gesetzes (Tagesordnungspunkt 28) . . . . . . . . . . . . . . . . 23795 C Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung personenstandsrechtlicher Vor- schriften (2 . Personenstandsrechts-Ände- rungsgesetz – 2 . PStRÄndG) – des von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ulle Schauws, Monika Lazar, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Anerken- nung der selbst bestimmten Geschlechts- identität und zur Änderung anderer Gesetze (Selbstbestimmungsgesetz – SelbstBestG) (Tagesordnungspunkt 29 und Zusatztagesord- nungspunkt 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23796 A Thorsten Hoffmann (Dortmund) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23796 A Dr . Tim Ostermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23797 A Gabriele Fograscher (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 23797 C Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23798 D Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23799 B Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung : – des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld – des von den Abgeordneten Katja Keul, Renate Künast, Luise Amtsberg, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsge- setz – OEG) (Tagesordnungspunkt 30 a und b) . . . . . . . . . . 23800 A Alexander Hoffmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 23800 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017XII Dr . Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU) . . . . . . 23800 C Dr . Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . 23802 A Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . . 23803 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 23803 D Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkom- men vom 25 . Oktober 2016 zur Errichtung der Internationalen EU-LAK-Stiftung (Tagesordnungspunkt 31) . . . . . . . . . . . . . . . . 23804 D Dr . Andreas Nick (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23804 D Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23806 A Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 23806 D Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23807 B Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (Urheberrechts-Wis- sensgesellschafts-Gesetz – UrhWissG) (Tagesordnungspunkt 32) . . . . . . . . . . . . . . . . 23808 A Dr . Stefan Heck (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23808 A Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23809 A Christian Flisek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23809 D Dr . Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 23810 B Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23810 D Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . . 23811 C Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Beitrittspro- tokoll vom 11 . November 2016 zum Handels- übereinkommen vom 26 . Juni 2012 zwischen der Europäischen Union und ihren Mitglied- staaten einerseits sowie Kolumbien und Peru andererseits betreffend den Beitritt Ecuadors (Tagesordnungspunkt 34) . . . . . . . . . . . . . . . . 23812 C Andreas G . Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 23812 C Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23813 C Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 23814 C Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23815 A Anlage 18 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Karin Binder, Nicole Gohlke, Annette Groth, Inge Höger, Andrej Hunko, Ulla Jelpke und Alexander Ulrich (alle DIE LINKE) zu der Abstimmung über den von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Beitrittsprotokoll vom 11 . Novem- ber 2016 zum Handelsübereinkommen vom 26 . Juni 2012 zwischen der Europäischen Uni- on und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie Kolumbien und Peru andererseits betreffend den Beitritt Ecuadors (Tagesordnungspunkt 34) . . . . . . . . . . . . . . . . 23815 D Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Reformbestrebungen weiter mit Leben füllen – Leistung, Transparenz, Fair- ness und Sauberkeit in den Mittelpunkt der künftigen Spitzensportförderung stellen – des Antrags der Abgeordneten Özcan Mutlu, Monika Lazar, Anja Hajduk, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Konzept zur Spit- zensportreform grundlegend überarbeiten – Beteiligungsrechte für Athletinnen und Athleten verankern (Tagesordnungspunkt 36 a und b) . . . . . . . . . . 23816 B Eberhard Gienger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23816 C Jeannine Pflugradt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 23818 A Matthias Schmidt (Berlin) (SPD) . . . . . . . . . . 23818 D Dr . André Hahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 23819 B Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23820 D Dr . Ole Schröder, Parl . Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23821 D Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbrau- cherschutz zu dem Antrag der Abgeord- neten Katja Keul, Katja Dörner, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Elternschaftsvereinbarung bei Samenspen- de und das Recht auf Kenntnis eigener Ab- stammung (Zusatztagesordnungspunkte 9 und 10) . . . . . 23822 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 XIII Dr . Georg Kippels (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23822 C Dietrich Monstadt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23823 C Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23824 B Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 23825 A Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 23825 D Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie: – zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Ra- tes über die Durchsetzung der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt, zur Festlegung eines Notifi- zierungsverfahrens für dienstleistungs-be- zogene Genehmigungsregelungen und Anforderungen sowie zur Änderung der Richtlinie 2006/123/EG und der Verord- nung (EU) Nr . 1024/2012 über die Ver- waltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems KOM(2016)821 endg .; Ratsdok . 5278/17 – zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen KOM(2016)822 endg .; Ratsdok . 5281/17 – zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen und operativen Rah- men für die durch die Verordnung . . . [ESC Regulation] eingeführte Elektronische Europäische Dienstleistungskarte KOM(2016)823 endg .; Ratsdok . 5283/17 – zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung einer Elektronischen Euro- päischen Dienstleistungskarte und entspre- chender Verwaltungserleichterungen KOM(2016)824 endg .; Ratsdok . 5284/17 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesre- gierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes (Zusatztagesordnungspunkt 11) . . . . . . . . . . . 23826 C Astrid Grotelüschen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 23827 A Sabine Poschmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 23829 A Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 23829 D Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23830 D (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23585 234. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 18. Mai 2017 Beginn: 9 .29 Uhr
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    Vizepräsidentin Petra Pau (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23763 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Albsteiger, Katrin CDU/CSU 18 .05 .2017 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 18 .05 .2017 Färber, Hermann CDU/CSU 18 .05 .2017 Fischbach, Ingrid CDU/CSU 18 .05 .2017 Gabriel, Sigmar SPD 18 .05 .2017 Gröhe, Hermann CDU/CSU 18 .05 .2017 Klare, Arno SPD 18 .05 .2017 Launert, Dr . Silke CDU/CSU 18 .05 .2017 Lotze, Hiltrud SPD 18 .05 .2017 Maizière, Dr . Thomas de CDU/CSU 18 .05 .2017 Möhring, Cornelia DIE LINKE 18 .05 .2017 Nahles, Andrea SPD 18 .05 .2017 Obermeier, Julia CDU/CSU 18 .05 .2017 Roth (Heringen), Michael SPD 18 .05 .2017 Schlecht, Michael DIE LINKE 18 .05 .2017 Strenz, Karin CDU/CSU 18 .05 .2017 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18 .05 .2017 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 18 .05 .2017 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Josef Göppel, Jens Koeppen und Elisabeth Winkelmeier-Becker (alle CDU/CSU) zu der Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung futtermittelrechtlicher und tierschutzrechtlicher Vorschriften (Tagesord- nungspunkt 12) Ich stimme der Aufhebung des Fütterungsverbots von tierischen Fetten an Wiederkäuer nicht zu . Wiederkäuer nehmen von Natur aus nach dem Ende des Säugens am Muttertier kein tierisches Fett auf . Zie- gen, Schafe oder Rinder fressen in freier Weidehaltung niemals tierische Lebewesen, weder lebende Tiere noch Aas . Die Verfütterung von tierischen Fetten an Wieder- käuer als Mehl oder in Flüssigkeiten ist deren Verdau- ungstrakt artfremd . In der Begründung des Gesetzentwurfes wird ausge- führt, dass die BSE-Fälle mittlerweile deutlich zurück- gegangen sind . Die Bundesregierung folgert daraus, dass die Verunreinigung von Wiederkäuergewebe mit infek- tiösem Nervengewebe „unwahrscheinlich“ ist . Mehr Wahrscheinlichkeit hat nach meiner Meinung jedoch die Wirkung des Fütterungsverbots seit dem Jahr 2000 . Des- halb sollte es aufrechterhalten bleiben . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Omid Nouripour, Kerstin Andreae, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Ekin Deligöz, Kai Gehring, Anja Hajduk, Dieter Janecek, Dr. Tobias Lindner, Cem Özdemir, Brigitte Pothmer, Tabea Rößner, Manuel Sarrazin, Kordula Schulz-Asche, Markus Tressel, Doris Wagner und Dr. Valerie Wilms (alle BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Ab- stimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bun- desregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaff- neter deutscher Streitkräfte an der durch die Eu- ropäische Union geführten EU NAVFOR Somalia Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias (Tagesordnungspunkt 16) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Einrich- tung der Mission EU NAVFOR Atalanta von Anfang an unterstützt . Die Mission hat die Eindämmung der Fol- gen der Piraterie vor dem Horn von Afrika zum Ziel, in erster Linie den Schutz humanitärer Hilfslieferungen des Welternährungsprogramms . Unsere Unterstützung geschah im Wissen darum, dass diese Mission nur eine Symptombekämpfung sein kann, denn die Ursachen für die Piraterie liegen in der andauernden Krise des soma- lischen Staats . Die im Jahr 2012 erfolgte Ergänzung des Mandats um die Möglichkeit, auch an Land zu operieren, und zwar in einem zwei Kilometer in das Landesinnere reichenden Küstenstreifen, hat den Charakter der Mission verändert . Viele Expertinnen und Experten warnten damals davor, dass Operationen an Land zur Eskalation des Konflikts in Somalia beitragen und die Mission in innersomalische Kämpfe verwickeln könnte – zum Schaden ihres eigentli- chen Ziels . Aus diesem Grund hat sich die grüne Bundes- tagsfraktion bei den Abstimmungen zu diesem Mandat in Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723764 (A) (C) (B) (D) den vergangenen Jahren mit großer Mehrheit enthalten . In den vergangenen fünf Jahren hat Atalanta lediglich einmal an Land operiert . Das Eskalationsrisiko bei einem erneuten Einsatz dieser Art besteht aber weiter . Gleichzeitig hat sich die humanitäre und politische Lage in Somalia in den vergangenen beiden Jahren ver- ändert . Aufgrund der anhaltenden Dürren hat sich die Abhängigkeit der Bevölkerung von Hilfslieferungen deutlich verstärkt . Die Zahl der Schiffe, die Hilfsgüter durch den Golf von Aden transportieren, ist gestiegen und bedingt einen höheren Schutzbedarf . Nach Jahren eines steten Rückgangs der Piraterieaktivität ist diese in den vergangenen Monaten – auch aufgrund der reduzierten Präsenz von Atalanta und anderen Anti-Piraterie-Missio- nen – wieder leicht gestiegen . Anfang dieses Jahres wurde eine neue somalische Regierung gewählt . Die somalische Bevölkerung und die internationale Gemeinschaft verbinden mit ihr große Hoffnung auf eine Wende hin zu einer konstruktiveren und weniger korrupten Politik, die zur Stabilisierung des Landes und damit auch zur Eindämmung der Pirate- rieursachen beitragen könnte . Bis sie die Chance hat, ihr Programm umzusetzen, wäre ein erneutes Erstarken der Piraten auch für diese Regierung eine Gefahr . Wir stehen daher in der Abwägung zwischen den schwerwiegenden Bedenken gegen einen möglichen Einsatz an Land und den Bedrohungen der Piraterie für die humanitäre Versorgung und das Reformprogramm der neuen somalischen Regierung . Angesichts der bisher sehr zurückhaltenden Nutzung der Landoption und des wachsenden Ernsts der humanitären Lage ist unsere Ent- scheidung für eine Zustimmung zu dem Mandat gefallen . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Ab- stimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bun- desregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaff- neter deutscher Streitkräfte an der durch die Eu- ropäische Union geführten EU NAVFOR Somalia Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias (Tagesordnungspunkt 16) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Einrich- tung der Mission EU NAVFOR Atalanta von Anfang an unterstützt . Die Mission hat die Eindämmung der Fol- gen der Piraterie vor dem Horn von Afrika zum Ziel, in erster Linie den Schutz humanitärer Hilfslieferungen des Welternährungsprogramms . Unsere Unterstützung geschah im Wissen darum, dass diese Mission nur eine Symptombekämpfung sein kann, denn die Ursachen für die Piraterie liegen in der andauernden Krise des soma- lischen Staats . Die im Jahr 2012 erfolgte Ergänzung des Mandats um die Möglichkeit, auch an Land zu operieren, in einem 2 km in Landesinnere reichenden Küstenstreifen, hat den Charakter der Mission verändert . Viele Expertinnen und Experten warnten damals davor, dass Operationen an Land zur Eskalation des Konflikts in Somalia beitragen und die Mission in innersomalische Kämpfe verwickeln könnte – zum Schaden ihres eigentlichen Ziels . Dies hat dazu geführt, dass sich die Grüne Bundestagsfraktion bei dieser Abstimmung in den letzten Jahren mit großer Mehrheit enthalten hat . In den letzten fünf Jahren hat Atalanta lediglich einmal an Land operiert, das Eskala- tionsrisiko bei einem erneuten Einsatz dieser Art aber besteht weiter . Gleichzeitig hat sich die humanitäre und politische Lage in Somalia in den letzten beiden Jahren verändert . Durch anhaltende Dürren hat sich die Abhängigkeit der Bevölkerung von Hilfslieferungen deutlich verstärkt, die Zahl der Schiffe, die Hilfsgüter durch den Golf von Aden transportieren, ist gestiegen und bedingt einen höheren Schutzbedarf . Nach Jahren eines steten Rückgangs der Piraterieaktivität ist diese in den letzten Monaten – auch aufgrund der reduzierten Präsenz von Atalanta und an- deren Anti-Piraterie-Missionen – wieder leicht gestiegen . Anfang dieses Jahres wurde eine neue somalische Regierung gewählt . Die somalische Bevölkerung und die internationale Gemeinschaft verbinden mit ihr große Hoffnung auf eine Wende hin zu einer konstruktiveren und weniger korrupten Politik, die zur Stabilisierung des Landes und damit auch zur Eindämmung der Pirate- rieursachen beitragen könnte . Bis sie eine Chance hat, ihr Programm umzusetzen, wäre ein erneutes Erstarken der Piraten auch für diese Regierung eine Gefahr . Wir stehen daher in der Abwägung zwischen den schwerwiegenden Bedenken gegen einen möglichen Einsatz an Land und den Bedrohungen der Piraterie für die humanitäre Versorgung und das Reformprogramm der neuen somalischen Regierung . Angesichts der bisher sehr zurückhaltenden Nutzung der Landoption und des wachsenden Ernsts der humanitären Lage ist unsere Ent- scheidung für eine Zustimmung zu dem Mandat gefallen . Wir stimmen deshalb diesem Einsatz zu . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags der Abgeordneten Karin Binder, Caren Lay, Herbert Behrens, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Lebens- mittelretterinnen und Lebensmittelretter entkri- minalisieren (Tagesordnungspunkt 21) Kordula Kovac (CDU/CSU): Erst vor zwei Tagen, am 16 . Mai 2017, wurde der Tag des Deutschen Brotes gefeiert . Und wir haben ja auch allen Grund zu feiern: Nirgendwo sonst gibt es eine so große Brotvielfalt wie in Deutschland . Mehr als 300 Brotsorten bieten die Bä- ckerinnen und Bäcker in Deutschland an . Und deutsches Brot ist beliebt: Bei über 90 Prozent der deutschen Haus- halte kommt Brot täglich auf den Tisch . Aber es gibt auch weniger schöne Fakten, die so gar nicht zum Feiern anregen: Rund 15 Prozent von Brot und Backwaren in Privathaushalten wandern in den Müll . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23765 (A) (C) (B) (D) Lebensmittelverschwendung ist ein Problem, das uns alle angeht, denn die Dimensionen der Verschwendung sind riesig: Weltweit gehen nach Angaben des WWF ent- lang der globalen Wertschöpfungskette bis einschließ- lich des Verbrauchers mindestens 1,3 Milliarden Tonnen Nahrungsmittel verloren . Industrie, Handel, Großver- braucher und Privathaushalte werfen laut einer vom BMEL geförderten Studie der Universität Stuttgart in Deutschland jährlich 11 Millionen Tonnen Lebensmittel in den Müll . Allein deutsche Privathaushalte schmeißen pro Kopf und Jahr 81,6 Kilogramm Lebensmittel weg . Bei 793 Millionen unterernährten Menschen auf der Welt ist dieses Ausmaß der Verschwendung beschämend . Die Linke greift mit dem vorliegenden Antrag daher ein wichtiges Thema auf . Aber sie verzerren auch die Wirklichkeit . Sie suggerieren eine einfache Problemlö- sung, die in Wahrheit keine Ursachenbekämpfung ist . Der Antrag selbst führt aus: „Ein Viertel der vermeid- baren Nahrungsmittelverluste fallen im Lebensmittel- handel an .“ Ein Viertel! Das größte Einsparpotenzial zur Vermeidung von Le- bensmittelverschwendung liegt aber – zumindest in den Industrienationen – bei uns selbst, beim Verbraucher . In unserer Wohlstandsgesellschaft ist bei vielen das Be- wusstsein für den Wert von Lebensmitteln verloren ge- gangen . Anstatt Reste zu verwerten, wird Neues gekauft . Brot ist hier nur ein Beispiel unter vielen . Bevor wir darüber diskutieren, ob und wie weggewor- fene Lebensmittel gerettet werden könnten, sollten wir darüber sprechen, wie wir verhindern können, dass Le- bensmittel überhaupt erst in der Tonne anstatt auf dem Teller landen . Mit der Informationskampagne „Zu gut für die Ton- ne“ setzt das BMEL den richtigen Hebel an: Durch Auf- klärung sowohl über das erschreckende Ausmaß der Lebensmittelverschwendung als auch Informationen und verbraucherfreundliche Hilfsmittel wie etwa Han- dy-Apps zur Restevermeidung bzw . -verwertung wird jedem einzelnen von uns beinahe mundgerecht serviert, wie bewusster Umgang mit Nahrungsmitteln aussehen kann . Das Deprimierende ist doch, dass aber nicht nur man- gelndes Wissen oder Bereitschaft Ursache für Lebensmit- telverschwendung ist, sondern oftmals auch schlicht die Ästhetik . Wir werfen nicht in erster Linie tatsächlich Ver- dorbenes weg, sondern Produkte, die uns nicht mehr gut und appetitlich genug erscheinen . Das betrifft vor allem Obst und Gemüse: welken Salat, schrumpelige Möhren oder Äpfel mit Druckstellen . Hier ist der Verbraucher ge- nauso in der Verantwortung wie der Lebensmittelhandel . Auch das leidige Thema des Mindesthaltbarkeitsda- tums spielt hier eine Rolle . Oftmals werden vor allem Milchprodukte ungeöffnet entsorgt, nur weil das Datum überschritten wurde . Gesunder Menschenverstand bzw . eine gute Nase sollten hier aber eher der „Riecher“ sein . Nichtsdestotrotz stimme ich mit dem Antrag in dem Punkt überein, dass die Politik mehr Verantwortung für die Gestaltung der Rahmenbedingungen dafür überneh- men sollte, dass die kostenfreie Abgabe von genießba- ren, aber aus dem Verkauf genommenen Lebensmitteln zwischen Lebensmittelhandel und den gemeinnützigen Vereinen wie den Tafeln verbessert wird . Was jedoch für die Union nicht tragbar ist, ist die Entkriminalisierung von sogenanntem „Containern“, also dem Entwenden weggeworfener Lebensmittel aus Mülltonnen auf dem Grundstück von Lebensmittelläden . Wenn widerrechtlich das Gelände betreten wird, ist dies eine Straftat – egal wo und aus welchen Gründen dies geschieht . Zwar würde durch die Deklaration von Lebensmitteln als herrenlose Sache der Straftatbestand des Diebstahls ausgeschlossen, aber ob man es wirklich als Gesetzgeber verantworten möchte, dass das Klettern in Mülltonnen unser Gesellschaftsbild prägt, möchte ich doch mal an dieser Stelle kritisch hinterfragen . Kurzum: Da der Antrag der Fraktion Die Linke zwar ein wichtiges Thema aufgreift, aber die falschen Mit- tel wählt, um das Ziel zu erreichen, bitte ich Sie, meine Damen und Herren, gegen den vorliegenden Antrag zu stimmen . Katharina Landgraf (CDU/CSU): Zuerst eine grundsätzliche Anmerkung: Was wir hier heute Abend diskutieren, liegt in erster Linie in der Zuständigkeit der Rechtspolitiker . Die sehen es ganz sicher nicht gerne, wenn wir Landwirtschaftspolitiker uns ins Strafrecht ein- mischen . Ihr Ansinnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion, den Handel per Gesetz zu verpflichten, seine Waren zu verschenken, wenn er diese nicht mehr verkaufen kann, ist schlicht absurd . Noch absurder ist die Idee, die Unternehmen auch noch zu bestrafen, wenn sie dieser Anordnung nicht Folge leisten . Wir können doch nicht in das Eigentumsrecht und die wirtschaftliche Ei- genverantwortung der Händler derartig eingreifen . Das möchte ich auch gar nicht . Mir geht es vielmehr darum, das Gesamtproblem der Lebensmittelverschwendung anzupacken . Der Schwer- punkt sollte dabei meines Erachtens auf der Vermeidung der Verschwendung liegen . Dann müssen wir uns gar nicht erst mit dem Problem der Strafbarkeit von sogenannten Lebensmittelrettern beschäftigen . Der EU-Rechnungshof merkt zu Recht an, dass Lebensmittelverschwendung ein Problem entlang der gesamten Wertschöpfungskette ist . Deshalb sollte ein Vorgehen auf die ganze Kette ausge- richtet sein und potenzielle Vorteile für alle Beteiligten bieten . Unstrittig ist jedoch, dass in vielen Bereichen das be- stehende Potenzial zur Bekämpfung von Lebensmittel- verschwendung noch nicht voll ausgeschöpft wird . Da- her wird derzeit in der EU-Kommission an einer Leitlinie für Lebensmittelspenden gearbeitet . Dies ist nötig, da momentan im Zusammenhang mit Lebensmittelspenden noch einige Hindernisse aus dem Weg zu räumen sind . Unter anderem müssen die unterschiedlichen Auslegun- gen von Rechtsvorschriften vereinheitlicht werden, um das Spenden von Lebensmitteln zu erleichtern . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723766 (A) (C) (B) (D) Auch in Deutschland bestehen noch viele Unsi- cherheiten bei Spendern wie bei Nehmern, obwohl das BMEL bereits 2012 einen „Leitfaden für die Weitergabe von Lebensmitteln an soziale Einrichtungen – Rechtli- che Aspekte“ veröffentlicht hat . Eine Klarstellung und Vereinfachung bestehender Rechtsvorschriften durch die EU könnte hier zu einer höheren Spendenbereitschaft führen . Wobei man aber auch sagen muss, dass bereits jetzt schon ein großer Teil beispielsweise an die Tafeln abgegeben wird . Ich hatte erst kürzlich ein Gespräch mit Mitarbeitern der Tafeln aus Sachsen und Brandenburg, und dort wurde deutlich, dass die Spendenbereitschaft der Supermärkte sehr hoch ist und es manchmal gar nicht möglich ist, alle Spenden rechtzeitig abzuholen . Das liegt aber auch an einem anderen Problem: Oft findet sich kein Fahrer, der bereit ist, für das Fahrzeug die Verantwor- tung zu übernehmen . Solche Aufgaben können meines Erachtens nicht von Ehrenamtlichen übernommen wer- den . Hier müssen wir überlegen, wie den Tafeln geholfen werden kann, dieses Problem zu lösen . Damit packen wir das Thema an einer richtigen Stelle an, und es könnten noch mehr Lebensmittel „gerettet“ werden und armen Menschen zugutekommen, als dies bei den sogenannten Lebensmittelrettern der Fall ist . Die einzige Möglichkeit für die „Lebensmittelretter“ besteht darin, die Supermärkte oder Betriebe ganz offi- ziell anzufragen, ob sie die Container nach brauchbaren Lebensmitteln durchsuchen dürfen . Frei nach dem Motto „Fragen kostet ja nichts“ . Vielleicht gibt es auch mehr positive Antworten, als man im ersten Moment vermu- tet . Wenn nicht, muss das Verbot des sogenannten „Con- tainerns“ auf jeden Fall beachtet werden . Ich möchte noch einmal ganz klar sagen, dass kriminelle Handlun- gen mit welchem Ziel auch immer nicht geduldet werden können . In diesem Fall heiligt der Zweck nämlich nicht die Mittel . Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Bis 2030 müssen wir die Lebensmittelverschwendung um die Hälfte reduziert haben . Zumindest, wenn wir die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen ernst nehmen, und ich hoffe doch sehr, dass wir das allesamt tun . Bis 2030 sind es noch zwölfeinhalb Jahre . Klingt lang, ist es aber nicht . Es ist also allerhöchste Zeit, dass wir endlich aus dem Knick kommen . Wir reden, debattieren und berichten nun schon viele Jahre über das Thema . 2012 haben wir hier im Bundestag gemeinsam einen fraktionsübergreifenden Antrag verabschiedet, der unter anderem Zielmarken für die Reduktion der Lebensmittel- verluste in den einzelnen Branchen vorsah . 2015 haben wir das seitens der Koalitionsfraktionen nochmals bestätigt . Das Europäische Parlament hat gerade erst vorgestern die Kommission aufgefordert, etwas gegen Lebensmit- telverschwendung zu unternehmen . Positiv gesprochen zeigt das: Im Prinzip sind wir uns einig, dass etwas passieren muss . Dass es so nicht weitergehen kann . Dass es nicht akzeptabel ist, dass so viele noch essbare Lebensmittel im Müll landen . Und zwar nicht nur im Hausmüll, sondern auch im Müll in der Gastronomie, im Handel, in der Industrie und in der Landwirtschaft . Allein – die bisherigen Maßnahmen ha- ben ganz offensichtlich noch nicht zu einer Änderung der Situation geführt . Der Europäische Rechnungshof hat der Kommission kürzlich bescheinigt, viel zu unambitioniert gegen Le- bensmittelverschwendung vorzugehen . Der Bundesrechnungshof hat dem hiesigen Ernäh- rungsministerium ebenfalls bescheinigt, eine ziemlich wirkungslose und dazu schlecht geplante Kampagne ge- fahren zu haben . Wir haben in Deutschland zahlreiche tolle Initiativen, die versuchen, im Kleinen etwas zu verändern, und die dazu beitragen, das Thema in der Öffentlichkeit und in unserer aller Köpfe zu verankern . Wir haben auch inzwischen eine Plattform, gefördert von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, die der Wirt- schaft Analysen und Instrumente zur Verfügung stellt, Lebensmittelverluste zu reduzieren . Nicht zu vergessen die wichtige Arbeit, die Verbrau- cherzentralen und Universitäten wie Münster oder Wit- ten/Herdecke bei dem Thema leisten . Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfrakti- on, ich bin sehr wohl bei Ihnen und Ihrer Forderung, Le- bensmittelretterinnen und -retter zu entkriminalisieren . Ich halte auch viel davon, den Handel zu verpflichten, aus dem Verkauf genommene Waren kostenlos an ge- meinnützige Organisationen abgeben zu müssen . Aber: Das allein reicht nicht . Es wird auch nicht dazu führen, dass sich überall in der Wertschöpfungskette etwas än- dert . Denn auch in der Gastronomie wird viel weggewor- fen . In der Landwirtschaft bleibt viel essbares Gemüse einfach auf dem Acker liegen . Wenn wir daran etwas ändern wollen, brauchen wir eine umfassende Strategie, ich glaube sogar, wir brau- chen ein Gesetz, das alle Akteure adressiert, das end- lich für eine ausreichende Datenlage sorgt, verbindliche Zielmarken für die einzelnen Branchen festlegt und das sicherstellt, dass diese Branchen bei der Umsetzung un- terstützt werden . Es reicht mir nicht, nur darüber zu reden, wie noch essbare Lebensmittel nach Feierabend des Supermark- tes vor der Entsorgung bewahrt werden . Ja, Lebensmit- telspenden zu erleichtern, ist ein wichtiger Punkt . Aber wenn wir Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion nachhaltiger machen wollen, wenn wir dafür sorgen wollen, dass weniger Ressourcen verschwendet werden, dann müssen wir uns vor allem um die Schnittstellen in der Lebensmittelkette kümmern . Ein erheblicher Teil der Verluste entsteht nämlich durch optische Anforderungen, Vertragsklauseln oder bestimmte Unternehmensprakti- ken . Keiner verschwendet gern oder gezielt Lebensmittel . Aber offensichtlich braucht es eine übergreifende gesell- schaftliche und politische Anstrengung, den Status quo zu ändern . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23767 (A) (C) (B) (D) Das, was das Bundesernährungsministerium bisher unternommen hat, reicht nicht . Ich bedaure, dass der Mi- nister es nicht geschafft hat, die Lebensmittelwirtschaft wirklich effektiv in die Pflicht zu nehmen oder für eine bessere Datengrundlage zu sorgen . Für meine Fraktion kann ich nur noch einmal beto- nen: Wir wollen eine nationale umfassende Strategie ge- gen Lebensmittelverschwendung mit Zielmarken für die Wirtschaft . Anders werden wir das Ziel, 50 Prozent weniger zu verschwenden, bis 2030 ganz sicher nicht erreichen . Karin Binder (DIE LINKE): In Deutschland landen pro Jahr über 18 Millionen Tonnen Nahrungsmittel auf dem Müll . Supermärkte sortieren Lebensmittel mit Ab- lauf des Mindesthaltbarkeitsdatums aus, obwohl diese meist deutlich länger genießbar sind . Manche Händler weisen ganze Lkw-Ladungen frischer Lebensmittel ab, weil die Lieferung nicht pünktlich kam . Wenn im Netz mit Orangen eine zerdrückt ist, landet die ganze Packung auf dem Müll. Am häufigsten wird gutes und genießbares Obst, Gemüse und Brot weggeworfen . Zum Anbau die- ser Menge an Lebensmitteln werden ungefähr 2,6 Milli- onen Hektar Nutzfläche benötigt. Das entspricht der Flä- che Mecklenburg-Vorpommerns . Auch all die anderen zur Bewirtschaftung benötigten Ressourcen wie Arbeits- kraft, Wasser, Dünger und Pflanzenschutzmittel werden verschwendet . Aber die Vernichtung von Lebensmitteln ist für die Wirtschaft profitabel. Das Retten entsorgter Lebensmittel hingegen ist strafbar . Das ist für die Linke nicht hinnehmbar . Das wollen wir ändern . Über die Hälfte der Lebensmittelverluste könnten wir sofort und ohne zusätzlichen Aufwand vermeiden . Das belegt die Studie „Das große Wegschmeißen” der Natur- schutzorganisation World Wide Fund for Nature (WWF) . Dazu müssten wir in der globalen Erzeugungskette aber sorgfältiger mit den Waren umgehen und gleichzeitig re- gionale Vermarktung und nachhaltigen Konsum stärken . Für 60 Prozent der Lebensmittelverschwendung ist die Wirtschaft verantwortlich . Ein Viertel der vermeid- baren Nahrungsmittelverluste fallen allein im Lebens- mittelhandel an . Um Personalkosten zu sparen, wird bei Discountern und Supermarktketten genießbares Essen weggeworfen . Auch aus Marketinggründen wird Essen vernichtet . Alles soll bis kurz vor Ladenschluss verfüg- bar sein und immer frisch aussehen . Der Wirtschafts- und Sozialausschuss im Europapar- lament stellte dazu fest: In den EU-Mitgliedstaaten ist es für den Handel profitabler, überschüssige Lebensmittel zu entsorgen als zu spenden . Wegwerfen ist also billiger als der achtsame Umgang mit Essen . Dieses Prinzip wird von Lebensmittelretterinnen und Lebensmittelrettern durch das „Containern“ gestört . Beim Containern geht es um das Retten und Herausfi- schen weggeworfener, noch genießbarer Lebensmittel aus den Müllcontainern der Supermärkte . Lebensmit- telretterinnen und -retter machen damit auf die maßlose Verschwendung und systematische Überproduktion von Lebensmitteln aufmerksam . Das Problem des kapita- listischen Systems ist: Je mehr Lebensmittel kostenlos gerettet werden, desto weniger werden beim Discounter gekauft . Auch deshalb ist Containern unerwünscht . Viele Supermärkte reagieren darauf mit Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch und Diebstahl . In Deutschland dürfen Unternehmer also straffrei und bedenkenlos gute Lebensmittel wegwerfen, während Containern strafbar ist . Das ist absurd . 2012 verurteilte beispielsweise ein Gericht in Düren zwei Personen wegen Hausfriedensbruch und Diebstahl zu hohen Geldstrafen, nachdem sie Lebensmittel aus Containern eines Supermarktes genommen hatten . Der Grund: Abfall ist so lange Eigentum der Supermärkte, bis er von der Müllabfuhr abgeholt wurde . Die Linke fordert deshalb die Umkehr der Rechtslage . Lebensmittelabfälle sollen, wie in anderen europäischen Ländern auch, als „herrenlose Sache“ gelten . Der Handel muss, wie zum Beispiel wie in Frankreich und Italien, gesetzlich verpflichtet werden, genießbare Lebensmittel, die aus dem Verkauf genommen werden, kostenfrei an interessierte Menschen, Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter oder gemeinnützige Einrichtungen weiterzugeben . Die Zuwiderhandlung der Märkte muss ordnungsrechtlich geahndet und bestraft werden, damit sich für Aldi, Lidl, Rewe und Edeka die Vernichtung von Essen nicht mehr lohnt . Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Seit Jahren diskutieren wir hier regelmäßig im Plenum über das massive Umweltproblem der Lebensmittelver- schwendung . Beileibe nicht, weil die Bundesregierung so aktiv wäre, diese zu bekämpfen – das wäre wünschenswert –, sondern weil die Opposition es immer und immer wieder auf die Tagesordnung setzt . Schon alleine deshalb ist An- trag der Linken zu begrüßen . Die Kolleginnen und Kolle- gen der Linken haben sich wenigstens Gedanken darüber gemacht, wie man Essensretter entkriminalisieren und Lebensmittelmüll reduzieren kann . Diese Vorschläge setzen erst am Ende der Wertschöp- fungskette an. Ich finde, man muss früher ran an das Pro- blem . Bekämpft werden müssen die Ursachen von Le- bensmittelmüll . Unsere Vorschläge und Forderungen dazu – allen vo- ran die Vereinbarung auf branchenspezifische Reduk- tionsziele – liegen auf dem Tisch . Und das seit inzwi- schen über fünf Jahren . 2012 haben wir dazu schon einen Antrag in den Bundestag eingebracht . Selbst Union und SPD haben das mit gefordert . Doch passiert ist seitdem viel zu wenig . Es ist ja kein Geheimnis, dass Minister Schmidt kein Aktivposten dieser Bundesregierung ist . Sein Credo der „verbindlichen Freiwilligkeit“ hat eine gewisse traurige Bekanntheit erlangt . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723768 (A) (C) (B) (D) Der Minister fällt also vor allem durch Nichtstun auf – und durch regelmäßige Presseankündigungen in nach- richtenarmen Zeiten, die dann leider folgenlos bleiben . So zum Beispiel bezüglich der Abschaffung des Min- desthaltbarkeitsdatums . Das hat er mehrfach angekün- digt, wobei er sich nicht so ganz sicher war, ob er es nun abschaffen oder verlängern oder doch lieber einen neuen Begriff einführen will . Da war er nicht ganz konsistent in seinen Interviews . Aber ohnehin hat er dabei immer nur bequem an Brüssel verwiesen; die sollten aktiv werden, nicht er . Pressewirksam hat er auch behauptet, 10 Millionen Euro für die Entwicklung intelligenter Verpackungen auszugeben . Später musste sein Haus dann kleinlaut zugeben, dass zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal eine Ausschreibung für ein solches Forschungsprojekt exis- tierte und auch nicht geplant war, die ganzen 10 Millio- nen nur für diesen Zweck auszugeben . Aber was hat der Minister tatsächlich gemacht? Er hat die von seiner Vorgängerin Aigner gestartete Kampagne „Zu gut für die Tonne“ weiter fortgeführt . Er behauptet, mit Erfolg . Diese Einschätzung teile ich nicht . Genauso wenig wie der Bundesrechnungshof, der die Kampagne als „unzureichend vorbereitet“ und den „Er- folg (als) nicht nachweisbar“ bezeichnet . Denn belegen kann Minister Schmidt nicht, inwiefern seine Postkarten und Apps tatsächlich dazu führen, dass es in Deutschland weniger Lebensmittelverschwendung gibt . Und was hat er nicht gemacht? Nicht umgesetzt hat er jegliche Forderungen des Par- laments . Er ignoriert die klaren und konkreten Forde- rungen, die wir hier fraktionsübergreifend bereits 2012 beschlossen haben und die zu Beginn dieser Legislatur- periode noch einmal unter anderem von den Abgeord- neten seiner eigenen Fraktion bekräftigt wurden . Allen voran brauchen wir endlich branchenspezifische Reduk- tionsziele . Gemeinsam mit allen Akteuren entlang der Wertschöpfungskette wie Handel, Industrie und Gastro- nomie muss festlegt werden, wie viele Verluste bis wann reduziert werden . Angekündigt hat Minister Schmidt auch das bereits seit 2015 . Passiert ist nichts . Weitere Ankündigungen: Die Kampagne „Zu gut für die Tonne“ sollte ausgeweitet werden zu einer echten Strategie gegen Lebensmittelverwendung . Für alle Stu- fen der Wertschöpfungskette sollten die fehlenden Daten zu Ausmaß und Gründen der Lebensmittelverluste ermit- telt werden . Für die Erzeugung, aber auch etwa für Dis- counter gibt es noch immer keine verlässlichen Zahlen . Die lässt der Minister völlig aus dem Blick . Doch diese sind absolut notwendig, um sinnvolle Stra- tegien und konkrete Reduktionsziele zu erarbeiten . So- wohl die EU-Kommission, das Europaparlament als auch die Vereinten Nationen in den SDGs haben konkrete Mi- nimierungsziele beschlossen . Diese Bundesregierung hinkt in ihren Bemühungen hinterher . Mein Fazit daher: Minister Schmidts Regierungszeit waren vier verlorene Jahre für den Kampf gegen Lebens- mittelverschwendung . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie, zur Aus- führung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztrans- aktionsuntersuchungen (Tagesordnungspunkt 22) Margaret Horb (CDU/CSU): Dass Geldwäsche nur wenig mit Seifenlauge und Waschmaschinen zu tun hat, wohl aber in einem Waschsalon stattfinden kann, wissen wir von Al Capone . Es ist bekannt, dass der Unterwelt- boss die Einnahmen seiner Waschsalons mit Geldern aus illegalen Geschäften aufbesserte und diese Einkünfte somit zu „sauberem“ Geld machte . Dies war durch den Münzbetrieb der Waschmaschinen problemlos möglich . Und es war auch nicht gelogen, wenn er behauptete: „Ich bin im Wäscherei-Business tätig .“ Damals ein durchaus kreativer Ansatz . Heutzutage gibt es durch den technischen Fortschritt nahezu unbegrenzte Möglichkeiten, illegale Gelder in den legalen Wirtschaftskreislauf einzuschleusen . Mit dem vorliegenden Gesetz zur nationalen Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie beabsichtigen wir, ge- nau das zu erschweren, ja zu verhindern . Die wohl entscheidendste Stärkung der Geldwäsche- bekämpfung wird mit der Neuausrichtung der Zentral- stelle für Finanztransaktionsuntersuchungen, der so- genannten Financial Intelligence Unit (FIU), erfolgen . Diese Spezialeinheit wird fachlich und organisatorisch neu ausgerichtet und sowohl technisch als auch personell besser ausgestattet . Statt bislang 25 Mitarbeiter – vorran- gig Polizisten – werden künftig 165 Fachleute aus un- terschiedlichsten Bereichen dieser Einheit angehören . Die FIU wird bei der Generalzolldirektion angegliedert sein – eine sinnvolle Bündelung, da der Zoll bereits durch seinen originären Arbeits- und Geschäftsbereich über entsprechende Spezialkenntnisse verfügt . Neben Polizisten und Beschäftigten der Zollverwal- tung werden jedoch auch Unternehmer, Steuer- und Finanzbeamte, Bankangestellte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfas- sungsschutz und des Bundeskartellamtes sowie Beschäf- tigte aus Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen ihre Erfahrungen und Kenntnisse einbringen . Finanzana- lytische, steuerliche und kriminalistische, aber auch wirt- schaftliche und juristische Perspektiven werden gebün- delt und in die Sachverhaltsbewertung einbezogen . Ein strukturiertes und zielorientiertes Vorgehen ge- gen die international organisierte Kriminalität soll durch die drei Hauptaufgabenbereiche der Zentralstelle für Fi- nanztransaktionsuntersuchungen gewährleistet werden: Erstens . Filtern von Verdachtsmeldungen: Eingehende Meldungen mit Verdacht auf Geldwäsche oder Terroris- musfinanzierung werden von den Spezialisten risikoba- siert analysiert, aufbereitet und an Polizei und Staatsan- waltschaft vor Ort weitergeleitet . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23769 (A) (C) (B) (D) Zweitens . Information und Prävention: Die FIU wird Unternehmen, Verbände und Behörden über neue Arten der Geldwäsche informieren und schulen . Sie koordiniert und stellt somit sicher, dass das Geldwäschegesetz in al- len Bundesländern mit gleicher Wirkung umgesetzt wird . Drittens . Daten- und Informationsaustausch auf natio- naler und internationaler Ebene: Geldwäsche kennt keine Landesgrenzen – weder innerhalb Deutschlands noch in Europa . Geldwäsche agiert global . Mit diesem Gesetz wird die Grundlage geschaffen, dass der Daten- und Informationsaustausch auf nationa- ler und internationaler Ebene optimiert und intensiviert wird . Erstmals werden der deutschen Zentralstelle Daten von Finanz- und Verwaltungsbehörden im automatisier- ten Abruf zur Verfügung stehen, sodass die Datenbasis für die Bewertung und Analyse breiter aufgestellt wird . Denn erst durch den Austausch und die Aufbereitung der Daten, wie der Vorsitzende der Deutschen Steuer-Ge- werkschaft, Thomas Eigenthaler, zu Recht ausführt, kön- nen die Ermittlungsbehörden effektiv den Schlag gegen die Geldwäsche führen . Im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinan- zierung setzen wir von der CDU/CSU-Bundestagsfrakti- on auf Transparenz und effektive nationale wie internati- onale Zusammenarbeit . Wir setzen aber auch explizit auf die Kompetenz und das Engagement unserer Zöllner, Fi- nanzbeamten und Polizisten, unserer Fachleute auf allen Ebenen, die Tag für Tag eine großartige Arbeit machen – auch unter Einsatz ihres Lebens . Daher von dieser Stelle unseren ganz besonderen Dank für Ihre Arbeit! Gerade diese Men- und Womenpower vor Ort, auf Länderebene, müssen wir gleichzeitig mit der Verstär- kung der FIU auf Bundesebene konsequent aus- und aufbauen . Auch wenn der Steuervollzug und der Bereich der Güterhändler im Nicht-Finanzsektor in das Aufga- ben- und Hoheitsgebiet der Bundesländer fallen: Ille- galer Internethandel und kriminelle Strukturen der Um- satzsteuerkarusselle operieren weltweit; die organisierte Kriminalität im digitalisierten Wirtschaftsraum kennt keine Ländergrenzen . Das haben wir an der Cyberattacke letzte Woche wieder einmal gesehen . Kompetente und hochmotivierte Fachleute, ausgerüs- tet und unterstützt mit moderner Technik, sind unsere Waffe im Kampf gegen Geldwäsche . Es waren ja letz- ten Endes auch die Steuerbeamten der amerikanischen Steuerbehörde IRS, die den „Staatsfeind Nummer eins“ Al Capone hinter Gitter brachten . Nicht wegen seiner illegalen Geschäfte ging er für elf Jahre ins Gefängnis, sondern wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Geldwäsche . Dr. Frank Steffel (CDU/CSU): Mit der Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie unternimmt die Bundesregierung einen weiteren wichtigen Schritt im Kampf gegen die Geldwäsche und Terrorismusfinanzie- rung . Mit ihm passen wir die nationale Gesetzgebung an die 2012 überarbeiteten Empfehlungen der Financial Ac- tion Task Force (FATF) an . Seit der ersten Lesung im März erreichten uns zahl- reiche Änderungsanträge . Als einen Punkt nehmen wir nun Veranstalter und Vermittler von Lotterien aus, die nicht im Internet veranstaltet werden und eine staatli- che Erlaubnis haben . Außerdem berücksichtigen wir die Schweigepflicht gegenüber der Financial Intelligence Unit (FIU) bei allen Berufen, die einer Schweigepflicht unterliegen . Bislang trägt die Ausnahme bzw . Rückaus- nahme im GwG-Entwurf nur der Verschwiegenheits- pflicht von Berufsgeheimnisträgern Rechnung, soweit diese eine Rechtsberatung vornehmen . Die Änderungen berücksichtigen nun umfassend alle Tätigkeiten, die ei- ner Schweigepflicht unterliegen, wie zum Beispiel Steu- erberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte . Wir stellen heute abschließend klar, dass wir die In- teressen von Güterhändlern berücksichtigen und für sie eine Erleichterung geschaffen haben. So gilt die Pflicht, interne Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen, nunmehr nur für Güterhändler, die Barzahlungen ab 10 000 Euro annehmen oder tätigen . Wir stellen außerdem sicher, dass Unbefugte keinen Missbrauch mit dem Transparenzre- gister betreiben können, zum Beispiel durch die Abfrage der Personalausweisnummer oder der Umsatzsteuer-ID bei Unternehmen . Auch stellen wir sicher, dass Rechnun- gen für Onlinegeschäfte oder Strom weiter in bar an der Supermarktkasse bezahlt werden können . Nach intensiver Diskussion und Arbeit bringen wir das Gesetz heute auf den Weg . Es umfasst im Wesentli- chen fünf zentrale Punkte: Erstens schaffen wir mit ihm ein elektronisches Trans- parenzregister . Es erhöht die Transparenz und erschwert den Missbrauch von Gesellschaften und Trusts zu Zwe- cken der Geldwäsche sowie ihrer Vortaten, wie Steuer- betrug und Terrorismusfinanzierung. Dabei wurde darauf geachtet, dass der Bürokratieaufwand für die Unterneh- men möglichst gering bleibt . Zugang erhält nur, wer ein berechtigtes Interesse vorweisen kann . Zweitens ermöglicht das Gesetz die Ansiedlung einer Zentralstelle für Verdachtsmeldungen im Bundesminis- terium für Finanzen . Die Zentralstelle für Finanztransak- tionsuntersuchungen war bislang polizeilich ausgerichtet und beim Bundeskriminalamt im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern angesiedelt . Mit der Neuausrichtung erhält die Zentralstelle eine Filterfunkti- on und kann dadurch die Strafverfolgungsbehörden ent- lasten . Das Gesetz stärkt drittens den risikobasierten An- satz. Das heißt, die Verpflichteten müssen künftig jede Geschäftsbeziehung und Transaktion individuell auf das jeweilige Risiko in Bezug auf Geldwäsche und Terroris- musfinanzierung hin prüfen. Viertens erweitern wir den Verpflichtetenkreis und ver- schärfen fünftens die Sanktionen und machen Verstöße sichtbar . So beträgt die maximale Höhe des Bußgeldrah- mens nunmehr für alle schwerwiegenden, wiederholten oder systematischen Verstöße gegen geldwäscherechtli- che Vorschriften 1 Million Euro oder das Zweifache des aus dem Verstoß gezogenen wirtschaftlichen Vorteils; für Kredit- und Finanzinstitute 5 Millionen Euro sowie die Möglichkeit einer umsatzbezogenen Geldbuße . Für Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723770 (A) (C) (B) (D) die übrigen Fälle setzen wir den Bußgeldrahmen auf 200 000 Euro fest . Die Aufsichtsbehörden müssen alle unanfechtbar gewordenen Maßnahmen und Bußgeldent- scheidungen auf ihrer Internetseite bekanntgeben . Nach der Einführung des Straftatbestandes der Selbst- geldwäsche im November 2015 und der Einführung des Straftatbestandes der Terrorismusfinanzierung im Juli 2015 ist das heutige Gesetz ein weiterer Schritt der Bundesregierung im Kampf gegen Geldwäsche und Ter- rorismusfinanzierung in dieser Legislaturperiode. Die Bundesregierung wird weiterhin alles daransetzen, ge- zielt gegen diese Form der Kriminalität und Bedrohung vorzugehen . Der englische Staatsphilosoph John Locke hat einmal gesagt: „Der beste Weg zur Wahrheit ist, die Dinge so zu betrachten, wie sie sind, und nicht so, wie wir schließen dass sie zu sein hätten .“ Das haben wir auch bei diesem Gesetz getan . Ich möchte allen Fraktionskollegen, dem Koalitions- partner und dem Bundesministerium für Finanzen für die gute Zusammenarbeit danken . Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Der Bundestag beschließt heute in zweiter und dritter Lesung das Gesetz zur Umsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie . Damit werden die Behörden im Kampf gegen Geldwä- sche erheblich gestärkt und die Regeln zur Verhinderung von Geldwäsche deutlich verschärft . Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt insbesondere die Einführung eines Transparenzregisters über wirt- schaftlich Berechtigte . Dies ist eine wichtige europäische Antwort auf die sogenannten „Panama-Papiere“, die ei- nen tiefen Einblick in die globale Schattenwirtschaft der Briefkastenfirmen gegeben haben. Diese Firmen dienten zur Verschleierung der tatsächlichen Eigentümer und der Herkunft ihrer Vermögen . Damit leisten sie nicht nur Geldwäsche und Steuerbetrug Vorschub, sondern sind auch Teil der wirtschaftlichen und finanziellen Infrastruk- tur der organisierten Kriminalität und des Terrorismus . Als Briefkastenfirma bezeichnen wir ein Unternehmen, das zwar rechtlich existiert, aber keine wirtschaftliche Aktivität aufweist . Darüber hinaus ist der wirtschaftlich Berechtigte unbekannt . Mit der Einführung eines Transparenzregisters mit Informationen zu den wirtschaftlich Berechtigten wird es mehr Klarheit darüber geben, wer an welchen Unter- nehmen maßgeblich beteiligt ist . Das hilft Behörden bei der Aufklärung von Geldwäscheverdachtsfällen und wird hoffentlich gezielt dazu beitragen, den Missbrauch von Unternehmensgestaltungen für Geldwäsche zu verhin- dern . Im Gesetz ist vorgesehen, dass Dritten die Einsicht in das Register nur bei Vorliegen eines berechtigten Interes- ses ermöglicht wird . Wir haben uns bei der Einführung des Registers für einen öffentlichen Zugang eingesetzt, bei dem einerseits die datenschutzrechtlichen Interessen der wirtschaftlich Berechtigten gewahrt bleiben, ande- rerseits die Öffentlichkeit Einsicht erhalten kann . Diese weitere Öffnung des Registers zur effektiveren Bekämp- fung der Geldwäsche ist aber an der mangelnden Bereit- schaft der CDU/CSU-Fraktion gescheitert . Dafür hat die SPD-Bundestagsfraktion aber im Aus- schussbericht klare Bedingungen für den Nachweis eines berechtigten Interesses festgehalten, mit denen der Zu- gang für Nichtregierungsorganisationen und Journalisten zum Register erleichtert wird . So wird auf jeden Fall mit dem heute zu beschließenden Gesetz schon die beab- sichtigte Wirkung, NGOs und Journalisten einen Zugang zum Transparenzregister zu gewährleisten, erfüllt . Ich bin zudem zuversichtlich, dass uns eine gezielte weitere Öffnung des Transparenzregisters künftig durch die europäische Gesetzgebung vorgegeben wird . Eine mögliche weitere Öffnung des Transparenzregisters ist eine der zentralen Themen im Rahmen der aktuellen Trilogverhandlungen zur Fünften europäischen Geldwä- scherichtlinie . Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen haben wir genau darauf geachtet, dass durch das Umsetzungs- gesetz keine ungewollten Kollateralschäden für einzelne Nischenunternehmen entstehen . Der ursprüngliche Re- gierungsentwurf hätte Geschäftsmodelle unmöglich ge- macht, mit denen unter anderem Stromrechnungen in bar an der Supermarktkasse bezahlt werden können . Für vie- le Menschen ist dies aber eine wichtige Bezahlmöglich- keit, um Rechnungen zeitnah zu begleichen und Mahn- gebühren oder andere Konsequenzen zu vermeiden . Um innovative Geschäftsmodelle weiterhin zu ermöglichen und insbesondere im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher, hat sich die SPD-Bundestagsfraktion erfolgreich dafür eingesetzt, dass wie bisher diese Ge- schäftsmodelle bzw . Geschäfte ohne höheren Verwal- tungsaufwand bis 1 000 Euro möglich sind . Wir haben ebenfalls darauf geachtet, dass keine Schlupflöcher durch Ausnahmeregelungen entstehen. Der BDI hat sich unter anderem dafür eingesetzt, dass Güterhändler ihre Sorgfaltspflichten bei der Geldwäsche- prüfung nur dann erfüllen müssen, wenn sie Barzahlun- gen über 10 000 Euro tätigen oder entgegennehmen . Die- se Ausnahme hätte jedoch eine signifikante Absenkung des Schutzniveaus im Geldwäschegesetz zur Folge ge- habt . Ein zentrales Ziel des Gesetzes ist es ja, gerade den Nicht-Finanzbereich für Geldwäsche zu sensibilisieren und Geldwäsche so zu erschweren . Das war mit uns nicht zu machen . Nicht zuletzt die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung zum Geld- wäschemodell der sogenannten „russischen Waschma- schine“ hat gezeigt, dass Güterhändler oft der neural- gische Punkt bei Geldwäsche sind. Häufig lagen die Beträge dabei unterhalb von 10 000 Euro . Die SPD-Bundestagsfraktion unterstützt zudem die Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransakti- onsuntersuchungen . Die oberste Geldwäschebekämp- fungsbehörde wird vom Bundeskriminalamt zum Zoll verlagert und dabei personell erheblich aufgestockt . Das ist ein guter und richtiger Beschluss . Darüber hinaus ist im Kampf gegen Geldwäsche eine deutliche personelle Aufstockung der zuständigen Auf- sichtsbehörden der Länder notwendig . Deshalb fordere Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23771 (A) (C) (B) (D) ich die Bundesregierung auf, die Gespräche mit den Län- dern im Hinblick auf eine angemessene Ausübung der Geldwäscheaufsicht im Nichtfinanzsektor und im Hin- blick auf eine effektive Aufsichtsstruktur voranzutreiben . Die Aufsicht über Geldwäsche und Terrorismusfinan- zierung im Nichtfinanzsektor wird in den einzelnen Län- dern unterschiedlich geregelt . Hierdurch ergeben sich Effizienzverluste in der Bekämpfung der Geldwäsche, die auch mit einer über Jahre andauernden zu geringen Personalausstattung und fehlender Informations- und Kommunikationstechnologie in Verbindung stehen . Hier sind Verbesserungen dringend geboten, um die allgemei- ne Schlagkräftigkeit Deutschlands im Kampf gegen die Geldwäsche weiter zu stärken . Dr. Jens Zimmermann (SPD): Die im letzten Jahr bekanntgewordenen Enthüllungen um die sogenannten „Panama Papers“ sowie die erst kürzlich aufgedeckten Konstruktionen der russischen Waschmaschine zeigen, dass Geldwäsche weiterhin ein Riesenproblem ist . Geldwäsche bezeichnet das Einschleusen illegal er- wirtschafteten Vermögens – beispielsweise aus Drogen- verkäufen, Raubüberfällen oder Betrug – in den legalen Wirtschaftskreislauf, um die illegale Herkunft des Gel- des zu verschleiern, das Geld also zu „waschen“ . Der weltweite Umfang von Geldwäsche kann nur geschätzt werden . Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass jährlich Geldvermögen im Umfang von 1,3 Bil- lionen US-Dollar gewaschen wird . Dies entspricht fast 3 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung . Alle Indizien legen nahe, dass Deutschland ein attrak- tives Ziel für die Geldwäscheaktivitäten der internationa- len organisierten Kriminalität ist . Alleine in der Bundes- republik werden schätzungsweise bis zu 100 Milliarden Euro jährlich gewaschen . Wir wissen, dass hiervon auch in starkem Maße der sogenannte Nicht-Finanzbereich betroffen ist, insbeson- dere dort, wo mit großen Summen – oft in bar – umge- gangen wird . Die Milliarden aus illegalen Geschäften, die jährlich von der organisierten Kriminalität in Spiel- hallen, bei Immobiliengeschäften oder bei Autohändlern gewaschen werden, sind für die Aufsichts- und Ermitt- lungsbehörden eine große Herausforderung . Geldwäsche schadet der deutschen Volkswirtschaft erheblich . Es werden enorme Summen an illegalem Vermögen gewaschen; dem Staat werden so Milliarden an Steuereinnahmen vorenthalten . Geldwäsche betrifft deshalb nicht nur eine bestimmte Klientel, sondern alle Bürgerinnen und Bürger, die ehrlich ihre Steuern zahlen . Deshalb begrüßen wir es als SPD-Fraktion sehr, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, mit dem wir die Vierte EU-Geldwäscherichtlinie umsetzen, die Regeln zur Bekämpfung der Geldwäsche deutlich verschärft werden . Wir haben uns in den parlamentarischen Verhand- lungen intensiv mit dem Gesetzentwurf beschäftigt und gemeinsam mit unserem Koalitionspartner für viele Ver- besserungen an dem Gesetzentwurf gesorgt, um den Ver- waltungsaufwand zu verringern und die Anwendung des Geldwäschegesetzes für die Aufsichtsbehörden und die Verpflichteten zu vereinfachen. Eine der wichtigsten Neuerungen, die mit der Verab- schiedung dieses Gesetzes kommen wird, ist die Einfüh- rung eines Transparenzregisters über die wirtschaftlich Berechtigten: juristische Personen, eingetragene Perso- nengesellschaften, Trusts und Trust-ähnliche Rechtsge- staltungen . Die Skandale der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Geldwäsche häufig einhergeht mit Unter- nehmenskonstruktionen, bei denen nicht klar ist, wer eigentlich die Geschicke bestimmt . Mit dem Transpa- renzregister, das in Zukunft mit den entsprechenden Re- gistern in den anderen EU-Staaten zu einem EU-weiten Transparenzregister vernetzt werden soll, werden wir endlich wissen, wem was gehört und wer an welchen Unternehmen wie beteiligt ist . Hierzu soll das Register als Portal fungieren, über das Dokumente aus anderen öffentlich zugänglichen Regis- tern, beispielsweise dem Handels- oder dem Vereinsre- gister, abrufbar sind . Neue Meldungen an das Register sollen nur nötig sein, wenn sich die Informationen nicht aus bestehenden Registern ergeben . Im Gesetzentwurf ist ein gestaffelter Zugang zu den Registerinformationen vorgesehen . Behörden erhalten Zugang, soweit es zur Erfüllung ihrer Aufgaben nötig ist . Verpflichtete erhalten Zugang, soweit es zur Erfüllung ihrer geldwäscherechtlichen Sorgfaltspflichten nötig ist. Der Zugang für Dritte ist an ein berechtigtes Interesse geknüpft, das gegenüber der registerführenden Stelle nachgewiesen werden muss . Intensiv diskutiert haben wir in den Verhandlungen die Frage, ob der Zugang zum Transparenzregister öf- fentlich sein soll . Wir als SPD-Fraktion haben uns in den parlamentarischen Verhandlungen für einen öffentlichen Zugang eingesetzt, bei dem die datenschutzrechtlichen Interessen der wirtschaftlich Berechtigten gewahrt blei- ben . Eine Öffnung des Registers zur effektiveren Bekämp- fung der Geldwäsche ist an der mangelnden Bereitschaft unseres Koalitionspartners gescheitert . Dafür haben wir aber im Ausschussbericht klare Bedingungen für den Nachweis eines berechtigten Interesses festgehalten, mit denen der Zugang zum Register für Nichtregierungsorga- nisationen und Journalisten erleichtert wird . Die Frage des öffentlichen Transparenzregisters ist ein zentraler Punkt in den momentan auf EU-Ebene laufen- den Verhandlungen für eine Richtlinie zur Überarbeitung der Vierten Geldwäscherichtlinie . Wir werden uns bei der nationalen Umsetzung der nächsten EU-Geldwä- scherichtlinie, die voraussichtlich in den nächsten zwei Jahren ansteht, erneut für die komplette Öffnung des Zu- gangs zum Transparenzregister einsetzen . In den Verhandlungen haben wir uns ebenso intensiv unter geldwäscherechtlichen Gesichtspunkten auch mit Geschäftsmodellen auseinandergesetzt, mit denen unter anderem Stromrechnungen in bar an der Supermarktkas- se bezahlt werden können . Der ursprüngliche Gesetzent- wurf hätte diese Geschäftsmodelle unmöglich gemacht Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723772 (A) (C) (B) (D) und wäre damit deutlich über die Vorgaben in der Richt- linie hinausgegangen . Für viele Menschen ist dies aber eine wichtige Bezahl- möglichkeit, um Rechnungen zeitnah zu begleichen und Mahngebühren oder weitergehende Konsequenzen zu vermeiden . Um innovative Geschäftsmodelle weiterhin zu ermöglichen und insbesondere im Interesse der Ver- braucherinnen und Verbraucher hat sich die SPD-Bun- destagsfraktion erfolgreich dafür eingesetzt, dass diese Geschäftsmodelle wie bisher ohne höheren Verwaltungs- aufwand bis 1 000 Euro möglich sind . Gleichzeitig haben wir als Koalitionsfraktionen im Bericht des Finanzausschusses festgehalten, dass wir von der Finanzaufsicht erwarten, diese Geschäftsmodel- le weiterhin genau im Auge zu behalten . Wir waren uns einig, dass mit dem nächsten nationalen Umsetzungsver- fahren das Thema noch mal aufgerufen und hinsichtlich der spezifischen Risiken für Geldwäsche und Terroris- musfinanzierung diskutiert werden soll. Im Nicht-Finanzbereich sorgen wir mit dem vorliegen- den Gesetzentwurf für ein wesentlich höheres Schutzni- veau. Künftig müssen die Verpflichteten bei Barzahlun- gen ab 10 000 Euro – bisher waren es 15 000 Euro – in jedem Fall die Sorgfaltspflichten des Geldwäschegeset- zes, zu denen unter anderem eine Identifizierung des Käufers gehört, erfüllen . Ein wesentlicher Fortschritt in diesem Zusammen- hang, mit dem wir auch internationale Vorgaben zur Geldwäschebekämpfung berücksichtigen, ist die Stär- kung des sogenannten risikobasierten Ansatzes . Er zielt darauf ab, dass die geldwäscherechtlich Verpflichteten künftig jede Geschäftsbeziehung und jede Transaktion individuell auf das jeweilige Risiko hin prüfen und ge- gebenenfalls zusätzliche Maßnahmen ergreifen müssen . Gleichzeitig haben wir vielen Bedenken aus der Praxis – insbesondere aus dem Bereich der Güterhändler – Rech- nung getragen und im Ausschussbericht festgehalten, un- ter welchen Voraussetzungen und mit welchem Aufwand die geldwäscherechtlichen Sorgfaltspflichten erfüllt und Geldwäscheverdachtsmeldungen abgeben werden müs- sen . Für eine noch effektivere Geldwäschebekämpfung ist es nötig, dass Bund und Länder bei der Geldwäscheauf- sicht besser zusammenarbeiten . Um dies zu erreichen, ist eine genaue Analyse der Aufsichtstätigkeit in den Bun- desländern nötig . Als Grundlage hierfür haben wir uns als Koalitionsfraktionen auf eine gesetzlich verankerte Berichtspflicht für die Länder gegenüber dem Bundes- finanzministerium geeinigt. Die jährlichen Berichte über die Aufsichtstätigkeit der Länder im Nicht-Finanzbereich sollen zukünftig zu einer wirksamen Geldwäschebe- kämpfung beitragen . Zu einer besseren Koordinierung der Bundes- und Landesbehörden soll auch die neue Zentralstelle für Fi- nanztransaktionsuntersuchungen beitragen . Die bishe- rige Zentralstelle für Verdachtsmeldungen (BKA) wird in die Generalzolldirektion überführt und personell er- heblich verstärkt . Die Aufgaben und Kompetenzen der obersten nationalen Geldwäschebehörde werden neu geregelt: Verdachtsmeldungen werden nicht mehr nur entgegengenommen, angereichert und bewertet . Zusätz- lich wird die neue FIU eine Filterfunktion wahrnehmen . Nur werthaltige Meldungen werden nach Abgleich mit anderen Informationen an die Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet . Außerdem wird die neue FIU Länder bei der Umsetzung der Aufsicht unterstützen . Insgesamt enthält der vorliegende Gesetzentwurf viele wichtige Maßnahmen, die die Behörden im Kampf gegen die Geldwäsche erheblich stärken . Wir als SPD-Fraktion stimmen dem Gesetzentwurf zu . Richard Pitterle (DIE LINKE): Wenn die Bundes- regierung bei der Bekämpfung von Geldwäsche so wei- termacht wie mit dem vorliegenden Gesetz, dann kann man bald schon wieder die Sektkorken in den Steueroa- sen und Schattenfinanzplätzen dieser Welt knallen hören. Dabei hat der Bundesfinanzminister höchstselbst bei der Vorstellung des Gesetzes Ende Februar verlauten lassen: „Wir brauchen schlagkräftige Instrumente im Kampf ge- gen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.“ Damit hat Herr Schäuble natürlich absolut Recht! Und wie schön, dass ihm dieser Gedanke nach über sieben Jahren im Amt des Bundesfinanzministers auch einmal kommt . Nur leider ist das vorgelegte Gesetz eben nicht son- derlich schlagkräftig . Insbesondere beim geplanten Transparenzregister, sozusagen dem Kernstück des Ge- setzes, muss nachgebessert werden, damit nicht durch verschachtelte Gesellschaftskonstruktionen Hintermän- ner und Profiteure von Unternehmen weiter verschleiert werden können . Zwei Punkte möchte ich insbesondere ansprechen . Erstens . Nach dem Gesetz kann man in Ausnahme- fällen immer noch andere Personen, zum Beispiel ge- schäftsführende Gesellschafter, anstelle der wirtschaft- lich Berechtigten in das Register eintragen lassen . Das widerspricht dem Grundgedanken, dass die tatsächlich Handelnden zu identifizieren und notfalls in Haftung zu nehmen sind . Da gehen wir von der Linken nicht mit . Diese Ausnah- men müssen gestrichen werden . Es muss sichergestellt sein, dass stets die wahren wirtschaftlich Berechtigten identifiziert werden, auch wenn die Identifikation auf- wendig ist . Denn sonst würden wieder einmal die dreis- testen Verschleierungstechniken mit unzähligen hinterei- nandergeschalteten Gesellschaften belohnt . Zweitens . In manchen Fällen sind nach diesem Gesetz lediglich die wirtschaftlich Berechtigten selbst gegenüber dem Transparenzregister meldepflichtig, insbesondere dann, wenn weitere Gesellschaften dazwischengeschal- tet sind . Und wenn diese wiederum in irgendwelchen Steueroasen sitzen, kann man die Mitteilungspflichten schlichtweg nicht durchsetzen . Wer Cocktails schwen- kend am Karibikstrand sitzt, kann über Post vom deut- schen Transparenzregister doch nur lachen . Wir Linke fordern daher, dass von Anfang an die gesamte Kontroll- und Beteiligungsstruktur durch die Gesellschaften ermittelt werden muss . Anders ist den Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23773 (A) (C) (B) (D) verschachtelten Konstruktionen der Geldwäscher nicht beizukommen . Und noch eines ist mir wichtig: Beim Transparenzre- gister ist für mich entscheidend, dass Strafverfolgungs- behörden und Finanzbehörden auf das Register zugreifen können . Das ist aber nur die halbe Miete . Wichtig ist nämlich auch, dass diese Behörden personell so ausgestattet sind, dass sie mit den Daten effektiv arbeiten können, damit Geldwäsche konsequent bekämpft wird . Wie alle, die sich mit der Problematik beschäftigen, wissen, ist das insbesondere bei den Ländern sehr dürftig . Das muss ge- ändert werden . Warum nicht endlich dem Vorschlag der Linken folgen, eine Bundesfinanzpolizei einzurichten? Genug Arbeit hätte sie auf jeden Fall . Bis dahin liegt es auch an der Bundesregierung, ge- meinsam mit den Ländern auf Verbesserungen bei der Geldwäschebekämpfung, insbesondere auch im Nicht-Fi- nanzsektor, hinzuwirken . Denn gerade im Nicht-Finanz- sektor, also zum Beispiel in der Immobilienbranche oder beim Autohandel, gibt es mangels einer zentralen Auf- sichtsbehörde sehr unterschiedliche Handhabungen sei- tens der Länder . Ich denke, dass uns allen sehr daran liegt, die Geldwä- sche effektiv und wirkungsvoll auszumerzen . Mit unse- ren Vorschlägen bekommt dieses Gesetz die notwendige Schlagkraft und bleibt nicht bloß ein Papiertiger . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Organisierte Kriminalität und internationaler Terroris- mus kennen keine staatlichen Grenzen . Die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung erfordert daher konzertierte Anstrengungen auf Länder-, Bundes- und europäischer Ebene . Aber die Bundesregierung war und ist kein Vorreiter bei der Bekämpfung der Geldwä- sche . Die Bundesregierung hinkt seit Jahren hinterher . Dem Bundesfinanzminister fehlt eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfi- nanzierung . Wie in der Vergangenheit beschränkt er sich auch heute auf eine möglichst halbherzige Umsetzung der europäischen Antigeldwäscherichtlinien . Auf Länderebene hatte der Bundesrat die Bundesre- gierung schon 2012 im Rahmen seiner Stellungnahme zum damaligen GwG-Ergänzungsgesetzentwurf dazu aufgefordert, die Bekämpfung der Geldwäsche im beson- ders anfälligen Nicht-Finanzbereich bundeseinheitlich zu übernehmen . Schon damals hieß es zutreffend, die Erfas- sung der regelmäßig länderübergreifenden Sachverhalte bedeute einen erheblichen Abstimmungs- und Koordinie- rungsaufwand; die föderale Zuständigkeitszersplitterung führe zu einer unnötigen Vervielfachung der vorzuhalten- den Ressourcen, und es gelte daher, Vollzugsdefizite gar nicht erst entstehen zu lassen. Der Bundesfinanzminister hat den Vorschlag verworfen . Heute sprechen Experten von einem jährlichen Geldwäschevolumen im Nicht-Fi- nanzsektor von 20 Milliarden bis 30 Milliarden Euro . Mit ihrem Vorschlag aus 2012 sind die Bundesländer aber keinesfalls aus der Verantwortung entlassen . Die Anfragen der Grünenfraktion zum Antigeldwäschevoll- zug in den Ländern liefern eindrucksvolle und erschre- ckende Zahlen zur Vernachlässigung des Problems . Or- ganisierte Gewalt- und Drogenkriminalität wird erst dann profitabel, wenn das ergaunerte Geld auch im legalen Geldkreislauf reinvestiert werden kann . Die Verharmlo- sung des völlig unzureichenden Antigeldwäschevollzugs muss umgehend ein Ende finden! Deshalb haben wir parteiübergreifend im Finanzausschuss die Bundesre- gierung aufgefordert, die Gespräche mit den Ländern im Hinblick auf eine angemessene Ausübung der Geldwä- scheaufsicht im Nicht-Finanzsektor und eine sinnvolle Aufsichtsstruktur zu forcieren . In anderen Punkten ist die Regierungskoalition leider weniger interessiert an klaren Handlungsaufforderungen gegenüber der Bundesregierung . Für welche Anliegen die Bundesregierung in Brüssel bei der Überarbeitung der Vierten AMLD streiten soll, will die Regierungsko- alition nicht beeinflussen. Während die Grünenfraktion dieser Tage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Aushöhlung der parlamentarischen Verfassungsrech- te kämpft, zeigen SPD und CDU/CSU in vorauseilendem Gehorsam überhaupt kein Interesse daran, auf das Ein- fluss zu nehmen, was sie anschließend möglichst eins zu eins umsetzen werden . Wie unmündig sich die Kollegen aus der Regierungs- koalition damit machen, zeigt die Umsetzung des soge- nannten Transparenzregisters . „Wir hätten ja nichts ge- gen ein öffentliches Register, aber leider müsste das auf EU-Ebene beschlossen werden“ wird einerseits behaup- tet, während man sich andererseits nicht für eine entspre- chende (oder irgendeine andere konkrete) Ausgestaltung der Fünften AMLD einsetzen will . Zu der Rolle rückwärts der Bundesregierung beim Transparenzregister ist im Übrigen bereits alles gesagt worden . Wir unterstützen den entsprechenden Ände- rungsantrag der Linken, mahnen allerdings auch eine datenschutzsensible Ausgestaltung des öffentlichen Re- gisters an . Selbst wenn sich die Regierungskoalition aus der Ver- antwortung stehlen möchte: Immer wichtiger wird jetzt, was im Rahmen der Überarbeitung der Vierten AMLD auf europäischer Ebene beschlossen werden wird . Dabei werden wir Grünen uns aktiv nicht nur für ein öffent- liches Transparenzregister, sondern insbesondere auch für die europaweite Einführung von Immobilienregistern einsetzen, damit die Strafverfolgungsbehörden ermitteln können, wo Kriminelle ihr Geld parken . Die Feststellung von Immobiliareigentum sowie Rechten an Immobilien ist seit Jahren unter anderem im Bereich der Vermögensabschöpfung ein zentrales Anlie- gen der Strafverfolgungsbehörden . Die Suche nach In- habern von Immobilien oder Grundstücken gestaltet sich in Deutschland mangels eines zentralen Immobilienre- gisters teils sehr aufwendig . Wenn nähere Angaben zur geographischen Lage von Grundstücken fehlen, müssen einzelne Anfragen bei allen Landesvermessungsämtern der Bundesländer erfolgen . In einigen Bundesländern ist selbst eine landesinterne Abfrage ohne Angabe der Ge- markung und Blattnummer nicht möglich . In der Konse- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723774 (A) (C) (B) (D) quenz muten wir unseren Beamten zu, teilweise händisch Grundbücher zu durchforsten . Das ist kein haltbarer Zustand! Wir brauchen ein Immobilienregister, das nicht öffentlich einsehbar sein, dafür aber Angaben zum wirtschaftlich Berechtigten beinhalten soll . Denn anders, als es vielfach behauptet wird, ist unser Grundbuch weder darauf ausgelegt noch dazu geeignet, zur Kriminalitätsbekämpfung hinreichend beizutragen . Denn weder ist derzeit in Deutschland Im- mobilieneigentum zu ermitteln, das durch Eintragung eines lebenslangen Wohnrechts oder als Grundschuld verschleiert wird, noch sind die vielen sogenannten Sharedeal-Konstruktionen im Grundbuch abgebildet, in denen statt der Immobilie selbst einfach eine Eigentü- mergesellschaft verkauft wird . Während normale Bürge- rinnen und Bürger seit vielen Jahren mit stets steigenden Grunderwerbsteuern hadern, erlauben wir es Investoren, diese Steuern zu umgehen, und Kriminellen gleichzeitig, etwa mittels luxemburgischer Gesellschaftsformen, ohne Aufdeckungsrisiko ihre Gelder zu waschen . Das vorgelegte Umsetzungsgesetz enttäuscht insge- samt zu sehr, als dass Sie mit unserer Zustimmung rech- nen können . Ob die großen Ankündigungen im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung am Ende erfüllt werden, darf bezweifelt werden . Es wider- spräche den bisherigen Erfahrungen . Die Umsetzung der europäischen Richtlinie ist aber erforderlich . Auch trägt die Neufassung zu einer etwas besseren Lesbarkeit bei . Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass am Ende Ver- pflichtete, von denen wir etwas wollen und auf deren Mitwirken wir im Kampf gegen Geldwäsche angewiesen sind, dieses Gesetz verstehen und umsetzen müssen . Auch die Angliederung der Zentralstelle für Fi- nanztransaktionsuntersuchungen an den Zoll, statt, wie bisher, an das BKA, wird unterschiedlich beurteilt . Klar ist aber: Die entscheidenden Probleme bei der Geldwä- schebekämpfung werden durch sie nicht gelöst werden . Wir werden uns daher enthalten . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises (Tages- ordnungspunkt 23) Heinrich Zertik (CDU/CSU): Unser Alltagsgesche- hen wird schon fast in jeder Minute digital bestimmt: Computer, Smartphone, Tablet sind nicht mehr wegzu- denken, und ohne sie wäre die Arbeit nicht zu erledigen . Wir kommunizieren digital und erledigen ganz selbstver- ständlich Bankgeschäfte, Einkäufe und Urlaubsplanung im Netz . Auch die Politik ist auf diesen Zug aufgesprungen: Vor drei Jahren hat das Bundeskabinett die Digitale Agenda 2014–2017 beschlossen . Meine Kolleginnen und Kollegen in der AG Digitale Agenda und wir im Innen- ausschuss begleiten diesen Prozess und bringen unsere Ideen ein . Datenschutz und Datenmissbrauch werden kritisch diskutiert . Auch die Sicherheit der Daten wird mit den Fachbehörden diskutiert . Das Netz arbeitet sehr schnell, und wir müssen immer wieder nachbessern, um auf dem neuesten Stand zu sein . Die Datenschutzbeauftragte überwacht alle Gesetzesvorhaben, bei denen Bürgerda- ten berührt sind . Ihre Anregungen werden aufgegriffen und fließen in die Gesetzesanträge ein. Die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland können sich darauf verlassen, dass bei allen Gesetzesvorhaben die Sicherheit ihrer Da- ten oberste Priorität hat . Auch bei unserem Vorhaben zur Förderung des elek- tronischen Identitätsnachweises war die Datenschutzbe- auftragte einbezogen . Ich kann deshalb nicht verstehen, warum Sie in der Opposition die Einführung des elektro- nischen Identitätsnachweises immer noch boykottieren . In der letzten Anhörung haben die meisten der anwesen- den Experten bestätigt, dass der elektronische Ausweis derzeit das sicherste Dokument weltweit ist . Die soge- nannte Zwei-Faktor-Authentifizierung trägt dazu bei. Ohne Pin funktioniert der Ausweis nicht . Das ist ein großer Fortschritt gegenüber dem alten Verfahren zur persönlichen Identifizierung. Es spart Zeit und Personal . Es ist bürgerfreundlich und entlastet die Behörden . Das elektronische Auslesen der Daten kann auch die Fehlerquote verringern, die beim händischen Ausfüllen von Formularen entstehen konnte, und bietet damit viel mehr Verlässlichkeit . Davon können Bürge- rinnen und Bürger profitieren. Auch die Wirtschaft und die Behörden profitieren davon. Sie sollten deshalb jetzt mehr Anwendungen bereitstellen, bei denen der elektro- nische Nachweis genutzt werden kann . Daraus entsteht eine Win-win-Situation . Für die Wirtschaft sieht der Gesetzentwurf vereinfach- te Verfahren vor, um ein sogenanntes Berechtigungszer- tifikat zu erhalten. Das ist fortschrittlich. Es trägt dazu bei, dass mehr Anwendungen bereitgestellt werden, bei denen die Kunden die elektronische Ausweisfunktion zur Identifizierung nutzen können. Trotzdem können die Kundinnen und Kunden sicher sein, dass ihre Daten geschützt sind . Wer als Anbieter einmal Daten missbräuchlich verwendet hat, erhält kein Berechtigungszertifikat. Die Kontrolle erfolgt sorgsam und bevor die Berechtigung erteilt wird . Auf eine weitere wichtige Neuerung möchte ich hin- weisen . Sie ist auch ein kleiner, aber wichtiger Baustein für die Sicherheitsarchitektur in Deutschland: Das ist der automatisierte Lichtbildabruf . Polizei, Bundesnachrich- tendienst, Zoll und der Verfassungsschutz dürfen von nun an jederzeit auf die Lichtbilder zugreifen, um ihre Sicherheitsaufgaben zu erfüllen und Gefahren abzuwen- den . Das ermöglicht den Sicherheitsbehörden ein rasches Handeln, wenn Gefahr im Verzug ist . Jeder Abruf muss protokolliert werden und kann dadurch nachverfolgt werden . Deshalb ist es auch richtig, dass die elektronische Funktion im Ausweis dauerhaft eingeschaltet sein soll . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23775 (A) (C) (B) (D) Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden werden darüber informieren . Die Wahlfreiheit haben die Bürgerinnen und Bürger trotzdem . Sie können die elek- tronische Funktion abschalten . Es bleibt auch jedem Ein- zelnen überlassen, ob er diese Funktion nutzen möchte . Ich bin davon überzeugt: Wenn das elektronische Ver- fahren erst einmal bekannt ist und erfolgreich ausprobiert wurde, wird es sich bewähren, und immer mehr Men- schen werden es auch nutzen . Auf europäischer Ebene kommen wir nicht darum he- rum . Deutschland kann ein Vorreiter sein . Österreich hat den elektronischen Nachweis bereits eingeführt . Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Gesetz, damit Deutschland konkurrenzfähig bleibt und den Anschluss an die digitale Welt nicht verliert . Mahmut Özdemir (Duisburg) (SPD): In der vergan- genen Zeit war oft zu hören und zu lesen, dass Deutsch- land Gefahr läuft, das digitale Zeitalter zu verschlafen . Gerne wird in diesem Zusammenhang auch die deutsche Verwaltung genannt und von ihr das Bild einer behäbi- gen und ineffizienten Bürokratiemaschinerie gezeichnet. Allerdings entspricht diese Zustandsbeschreibung unse- rer Verwaltung nicht den Tatsachen, und darüber hinaus schmälert sie die hervorragenden Leistungen der Beam- tinnen und Beamten sowie der Mitarbeiterinnen und Mit- arbeiter des öffentlichen Dienstes . Schon zum November 2010 wurde in Deutschland der elektronische Identitätsausweis eingeführt . Der elektro- nische Identitätsausweis ist ein staatlich zertifiziertes und im weltweiten Maßstab äußerst sicheres Identifizierungs- instrument, das es den Bürgerinnen und Bürgern ermög- lichen soll, sich im Geschäftsverkehr sicher und eindeu- tig dem Geschäftspartner gegenüber zu identifizieren. Anwendbar ist der elektronische Identitätsnachweis also zwischen Bürgern und Behörden, aber auch zwischen Bürgern und Unternehmen . Bisher erfolgt der Nachweis der Identität zum Groß- teil vor allem im Geschäftsleben durch die Eingabe der Personendaten und der Onlineübermittlung von Pass- wörtern . Diese Vorgehensweise ist jedoch sehr anfällig für Angriffe von Kriminellen . Die Kriminalstatistiken zeigen, dass der Passwortdiebstahl und damit verbunden auch der Identitätsdiebstahl – jedenfalls der Daten, die in dem betreffenden Benutzerkonto hinterlegt sind – in den vergangenen Jahren stark zugenommen haben . Insbeson- dere im Onlinebanking wird darüber hinaus vielfältig kulant reagiert, und Vorfälle erreichen folglich nicht das Licht der Statistik . Gleichzeitig wickeln die Bürgerinnen und Bürger aber immer mehr ihre Geschäftsbeziehungen online ab . Heutzutage ist es für viele gelebte Realität, selbst den Abschluss von Versicherungen und Käufe von hohem Wert über das Internet vorzunehmen . Geht bei diesen Geschäftsbeziehungen etwas schief, kann dies für die Geschädigten weitreichende Folgen haben . Hier wol- len wir auch als Staat in der Lebensrealität der Menschen präsent werden und für mehr Sicherheit in der digitalen Welt sorgen . Auch im Verhältnis Bürger/Staat könnte der elek- tronische Identitätsnachweis seine Stärken ausspielen . Viele Behördengänge, die oftmals mit Wartezeiten und längeren Fahrtwegen verbunden sind, ließen sich einspa- ren, wenn die Bürgerinnen und Bürger konsequenter die eID-Funktion ihres Personalausweises nutzen könnten und würden: Die An- oder Abmeldung des Autos, die Beantragung eines Führungszeugnisses, all dies könnte mit der eID-Funktion bequem von zu Hause aus erledigt werden . Mit der Nutzung der eID verhält es sich näm- lich streckenweise wie bei der gegenseitigen Schuldzu- weisung von Angebot und Nachfrage: Wird die eID nicht genutzt, weil sie von Staat und Wirtschaft nicht als An- knüpfung angeboten wird oder weil zu wenig Bürger sie tatsächlich nutzen könnten? Ich sage bewusst „könnten“, denn um den elektroni- schen Identitätsnachweis und seine Funktion auch nut- zen zu können, muss die Funktion zunächst einmal ein- geschaltet sein . Und hier kommen wir zum Kernpunkt dieses Geset- zesvorhabens: Bislang hatten die Bürgerinnen und Bür- ger bei der Antragstellung für einen Personalausweis die Wahl, ob sie die eID-Funktion einschalten lassen wollen . Diese bewusste Entscheidung für die Einschaltung ent- sprach dem sogenannten Opt-in-Verfahren . Wir sind der Meinung, dass wir hier eine Vorzeichenumkehr vorneh- men sollten, um die Verbreitung der eID-Funktion stärker zu fördern . Fortan wird die eID-Funktion standardmäßig eingeschaltet sein . Die Bürgerinnen und Bürger werden also nicht extra befragt, sondern bekommen ihren Perso- nalausweis mit aktiver eID-Funktion ausgehändigt . Folgende Anmerkungen sind aber dringendst zu be- achten: Die zuständige Behörde ist – ich sage bewusst „ist“, weil es auch im Gesetz als solche Regelung aus- gestaltet ist – weiterhin gesetzlich verpflichtet, die Bür- gerinnen und Bürger über die Nutzung der eID-Funktion und ihrer Möglichkeiten zu informieren, beispielsweise durch mündliche Belehrung, oder durch das Aushändi- gen einer leicht verständlichen Informationsbroschüre selber zur Information zu befähigen . Die Behörde ist aber ebenso ausdrücklich verpflich- tet, die Bürgerinnen und Bürger über die Möglichkeit der Ausschaltung der eID-Funktion zu unterrichten . Denn anders als dies einige eher mäßig recherchierte Artikel und einige eher mäßig informierte Oppositionspolitiker haben verlauten lassen, besteht für die Bürgerinnen und Bürger im Nachgang der Aushändigung jederzeit die Möglichkeit, die eID-Funktion, beispielsweise durch ei- nen einfachen Anruf, sperren zu lassen . Eine „Zwangsbe- glückung“ der Bürger durch den Staat soll gerade nicht stattfinden. Dies wäre auch mit einem sozialliberalen Politikverständnis nicht vereinbar . Die Bürgerinnen und Bürger sind weiterhin der Souverän über die eID und deren Inverkehrbringen . Diese klare Opt-out-Möglich- keit haben wir in den Verhandlungen mit dem Koaliti- onspartner durchgesetzt . Wir glauben, dass diese neue gesetzliche Regelung einerseits dem Grundgedanken des Vorhabens, der Förderung der eID-Funktion, Rechnung trägt, aber auch der Freiheit des Einzelnen, diese Funkti- on nicht eingeschaltet zu haben und auch nicht nutzen zu wollen oder gar zu müssen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723776 (A) (C) (B) (D) Mit diesem Artikelgesetz werden aber noch weitere Regelungen getroffen: Die Sicherheitslage in Deutschland und Westeuropa hat sich in den letzten Jahren aufgrund der anhaltenden Gefahr durch Terroristen deutlich verschärft . Dieser neu- en Realität müssen wir auch in gesetzgeberischer Hin- sicht Rechnung tragen . Die Tätigkeiten der Sicherheits- behörden unterliegen heutzutage mehr denn je zeitlichen Zwängen . Oftmals werden Informationen zur Gefahren- abwehr binnen weniger Stunden, manchmal gar Minuten benötigt . Mit diesem Gesetz wird daher die Rechtsgrundlage für einen automatisierten Lichtbildabruf für die Polizei- behörden des Bundes und der Länder, das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Verfassungsschutzbehörden der Länder, den Militärischen Abschirmdienst, den Bundes- nachrichtendienst, die Steuerfahndungsdienststellen der Länder, den Zollfahndungsdienst und die Hauptzolläm- ter eingeführt . Schon bislang bestand für die Sicherheits- behörden die Möglichkeit, bei der zuständigen Behörde einen Lichtbildabruf zu beantragen . In Fällen, in denen die Anfrage außerhalb der behördlichen Öffnungszeiten erfolgte, konnte das Lichtbild automatisch abgerufen werden . Der bisherige Zwischenschritt, der sicherheits- relevante Verzögerungen verursachen kann, entfällt nun . Als SPD-Bundestagsfraktion hätten wir uns im Zweifel auch eine Beibehaltung der aktuellen Rechtslage vorstel- len können; wir erkennen aber mit der nun gefundenen Kompromisslösung das gestiegene Sicherheitsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger sowie die stark veränderte Sicherheitslage an . Ferner haben wir für die Anknüpfung durch die Wirt- schaft klare Regeln geschaffen: An sogenannte Diens- teanbieter, denen wir die Nutzung dieser staatlichen Schnittstelle ermöglichen, damit die Onlinegeschäfte vom Mobilfunkvertrag bis zur Warenbestellung über eine sichere beglaubigte Identität ablaufen können, stellen wir hohe Anforderungen . Ein Katalog von Voraussetzungen, der in Summe erfüllt sein muss, sieht unter anderem vor, dass sogenannte Berechtigungszertifikate vom Bund aus- gestellt werden, die natürlich jederzeit gesperrt und/oder entzogen werden können . Unbeschadet der datenschutz- rechtlichen Vorschriften ist ein betrieblicher Datenschutz vom Diensteanbieter nachzuweisen . Darüber hinaus muss die geplante organisationsbe- zogene Nutzung zur Erlangung des Zertifikates, um an den „ePerso“ anknüpfen zu können, mit einem be- rechtigten Interesse nachgewiesen werden . So wird die Einzelfallprüfung zur Regel . Damit soll verhindert wer- den, dass große Konzerne eine einmal erlangte globale Berechtigung zu einem beliebigen weiteren Zweck in Tochtergesellschaften weiterverwenden können . Jedes Geschäftsmodell und jeder Geschäftszweig muss ein entsprechendes für diese Organisationseinheit nachvoll- ziehbares Interesse darlegen . Dies erhöht die Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger und ermöglicht es der Berechtigungsstelle, parzellenscharf Berechtigungen zu sperren oder zu entziehen und darüber hinaus auch Ord- nungswidrigkeiten entsprechend zu ahnden . Schließlich wird mit dem Gesetz auch ein neuer Pass- versagungsgrund geschaffen . Er soll Auslandsreisen ver- hindern, die mit dem Ziel unternommen werden, eine Verstümmelung weiblicher Genitalien vorzunehmen oder zu veranlassen . Neben dem Strafrecht ist dies ein wichtiger Baustein, um den Missbrauch und die Körper- verletzung junger Frauen und Kinder zu verhindern . Ich bin überzeugt, dass wir mit diesem Gesetz einen weiteren Schritt in die richtige Richtung gehen . Wir för- dern ein sicheres staatliches Instrument und erhöhen so den Schutz für unsere Bürgerinnen und Bürger . Denn in- nere Sicherheit ist nicht nur Polizei und Pistole – auch im Netz muss der Staat seine Bürgerinnen und Bürger schützen . Ich bitte Sie, den Gesetzentwurf mit Ihrer Stimme zu unterstützen . Ulla Jelpke (DIE LINKE): Die Bundesregierung will die Onlinefunktion des Personalausweises künftig zur Pflicht machen. Die Bürgerinnen und Bürger können dann nicht mehr, wie bisher, bei der Aushändigung des Dokumentes selbst entscheiden, ob die Funktion aktiviert wird oder nicht . Damit verbunden sind zahlreiche Ein- griffe in den Datenschutz, auf die ich gleich noch kom- men werde . Außerdem will die Bundesregierung den Polizeibehörden und Geheimdiensten künftig erlauben, sämtliche Passfotos aus den Meldebehörden im automa- tisierten Verfahren abzurufen . Die bisherige Einschrän- kung, die den Nachweis einer Eilbedürftigkeit verlangt, wird abgeschafft . Die Datenschützer, die bei der Anhörung des Innen- ausschusses zu diesem Gesetzentwurf befragt worden sind, waren sich einig: Dieses Gesetz bringt gravierende Verschlechterungen für die Bürger mit sich . Ich zitiere hier nur die Bundesdatenschutzbeauftragte, die sagte, es würden „mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nach wie vor das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger übergangen und datenschutzsi- chernde Standards unterlaufen“ . Warum will die Bundesregierung die bisherige Wahl- freiheit bei der Aktivierung der Onlinefunktion abschaf- fen? Ganz einfach: Die Bürger haben von ihrer Freiheit zu ausgiebig Gebrauch gemacht und sich zu zwei Drit- teln gegen die Internetfunktion entschieden . Das passt der Bundesregierung nicht, weswegen sie jetzt die Mög- lichkeit, sich dagegen zu entscheiden, einfach streicht . Das ist doch wirklich ein Rückfall in den Obrigkeitsstaat . Die neue Regelung soll laut Gesetzesbegründung der Wirtschaft ein großes Potenzial neuer Kunden zuführen . Das ist ein eindeutiger Missbrauch der Ausweispflicht zur Technologieförderung und zur Profitsteigerung, der noch dazu auf Kosten der Sicherheit geht . Der eigentliche Grund, weswegen nur eine Minderheit die Onlinefunktion freischalten lässt, ist doch: Die Leute versprechen sich keinen Nutzen davon, und sie vertrauen der Technologie nicht . Aus gutem Grund . Zur sicheren Identifizierung haben Onlinedienste schon längst ande- re Verfahren entwickelt, inklusive internationaler Nut- zungsmöglichkeit, die Mobiltelefone als Instrumente einsetzen . Das verspricht allemal kundenfreundlicher zu Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23777 (A) (C) (B) (D) sein als eine rein nationale Lösung, die noch dazu per Gesetz erzwungen wird . Trotz zahlreicher Einwände der Datenschützer in der Anhörung hat die Koalition nicht nachgebessert; im Ge- genteil, der Datenschutz wurde sogar noch weiter aus- gehöhlt . Ich nenne hier nur einige Beispiele: Die Zertifizierung der Diensteanbieter im Internet wird „entbürokratisiert“, behauptet die Koalition . Tatsächlich wird hier aber am Datenschutz gespart . Die Dienstean- bieter werden direkt mit der Zertifizierung berechtigt, die persönlichen Daten der Nutzer zu verwenden, und zwar unabhängig davon, ob diese Daten für den jeweils festge- legten Zweck auch tatsächlich erforderlich sind . Um das zu überprüfen, kommt auf die Datenschutzbeauftragten in Bund und Ländern jetzt erhebliche Mehrarbeit zu – für die es aber keine Aufstockung des Personals gibt . Un- term Strich, so hat der Chaos Computer Club gewarnt, „wird letztlich beim präventiven Datenschutz zurückge- steckt“, und zwar im Interesse der Wirtschaft . Das zeigt sich zum Beispiel auch darin, dass den Bürgern die jetzt noch bestehende Möglichkeit genommen werden soll, gegen die Übermittlung einzelner Daten Widerspruch einzulegen . Wer das System in Zukunft nutzen will, muss immer sämtliche Daten übermitteln, auch wenn das im Einzelfall gar nicht nötig wäre . Zurückgesteckt wird auch bei den Informationen für die Bürger . Wenn sie schon zur Annahme eines aktivier- ten E-Passes gezwungen werden, dann müsste man ihnen wenigstens ordentliches Informationsmaterial über die Risiken an die Hand geben . Aber das soll nur auf An- frage geschehen, und es bleibt den Meldeämtern selbst überlassen, dieses Material zu erstellen . Das ist absolut unzureichend . Dass der Bund sich die Mühe macht, ein bundesweit einheitliches Informations- angebot zu erstellen, das ausführlich über die Risiken aufklärt, wäre doch das Mindeste! Ich will abschließend einen Absatz im Gesetzentwurf ansprechen, den ich für eine regelrechte Sauerei halte: die Erweiterung der Befugnisse von Polizei und Geheim- diensten, denen künftig erlaubt wird, sich ohne jeden Anlass im automatisierten Verfahren die Passbilder aller Bürgerinnen und Bürger bei den Meldebehörden zu be- sorgen . Bislang müssen sie dafür wenigstens noch eine Dringlichkeit nachweisen, wodurch der größte Miss- brauch verhindert werden konnte . Diese Einschränkung soll jetzt wegfallen . Die Geheimdienste können, wenn sie wollen, eine komplette Bilddatei der Bevölkerung anlegen – wie gesagt, ohne jeden Anlass . Mit dem rest- lichen Anliegen des Gesetzentwurfs hat das überhaupt nichts zu tun – diese Bestimmung ist wie ein Trojani- sches Pferd. Ich finde das wirklich ein Horrorszenario für die Bürgerrechte . In der Anhörung hagelte es hierzu Kritik – und jetzt haben wir einen Änderungsantrag der Koalition, der diese Kritik nicht nur ignoriert, sondern alles noch schlimmer macht: Sie bekräftigen nicht nur diesen Datenrechtsverstoß, sondern weiten den Kreis der dazu Berechtigten gleich noch auf Zollkriminaläm- ter und Steuerfahnder aus . Und die neue Regelung soll nicht, wie zunächst geplant, erst 2021, sondern sofort in Kraft treten . Ich fasse zusammen: Dieses Gesetz versucht zum ei- nen, die Bürger zwangsweise zur Nutzung einer unsiche- ren und überflüssigen Technologie anzustiften, wobei es unter dem Vorwand der Entbürokratisierung beim Daten- schutz spart . Zum anderen baut es ohne jede Begründung die Befugnisse der Geheimdienste aus . Es ist selbstver- ständlich, dass die Linke ein solches Gesetz, das aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eine Farce macht, ablehnt . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wie so häufig in letzter Zeit, reden wir heute nicht lediglich über ein parlamentarisches Vorhaben, über das mit dem vorliegenden Gesetzentwurf entschieden werden soll . In einem scheinbar harmlosen Gesetz zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises verstecken Sie einen Angriff auf die Privatsphäre aller Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, die uns wieder einen Schritt nä- her an den Abgrund staatlicher Totalüberwachung bringt . Aber der Reihe nach: E-Government mit Nachdruck zu fördern, ist eine wichtige Aufgabe . Und eine datenschutzrechtlich soli- de Ausgestaltung des elektronischen Personalausweises wäre sicherlich eine solche Förderung . Aber: Seit Ein- führung der eID-Funktion des Personalausweises haben die Bürgerinnen und Bürger diese in freier Entscheidung zu zwei Dritteln der rund 51 Millionen ausgegebenen Ausweise/eAT deaktivieren lassen . Das liegt vornehm- lich daran, dass nie wirklich kommuniziert wurde, worin eigentlich der Mehrwert dieses elektronischen Ausweises liegt . Das hatte eine gewisse Schlüssigkeit, weil der Aus- weis bisher auch nie wirklich sonderlich viel Vorweisba- res konnte und kann . Die Vorstellung jedenfalls, dass der elektronische Per- sonalausweis zum zentralen Online-Identitätstool der Menschen im geschäftlichen Leben sowie im Umgang mit Behörden werden könnte, ist schon deshalb abwegig, weil es schlicht bis heute an den dazugehörigen Angebo- ten fehlt . In solchen Fällen gilt bei der Großen Koalition dann offenbar folgende Logik: Die Bürgerinnen und Bürger haben kein Interesse? Dann müssen wir sie eben zwin- gen! Und so wird die sogenannte eID-Funktion zum elek- tronischen Identitätsnachweis künftig bei jedem Aus- weis automatisch und dauerhaft eingeschaltet . Dies mit der Argumentation, dass so die eID-Funktion schneller verbreitet und dadurch ein Anreiz für Behörden und Un- ternehmen geschaffen werden soll, mehr Anwendungen bereitzustellen . Nach dem Motto: Wenn ich euch zum Essen zwinge, wird der Appetit schon kommen . – So geht es nicht . So weit, so schlecht . Dem Fass den Boden aus schlägt allerdings der zweite Teil Ihres Gesetzentwurfs, in dem Sie offenbar Orwell’schen Fantasien völlig nachgeben . Nach der ersten Lesung dachten wir – lassen Sie mich dies deutlich sagen –, es könne nicht schlimmer kom- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723778 (A) (C) (B) (D) men: der fast voraussetzungslose Abruf der Pass- und Personalausweisbilder einer jeden Bürgerin und eines jeden Bürgers im automatisierten Verfahren durch die Polizeien und nun auch die bundesdeutschen Nachrich- tendienste . Dieses ist nichts anderes als der unverhohlene Einstieg in eine bundesweite biometrische Bilddaten- bank aller Bundesbürger . Und dies vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Sie derzeit am Bahnhof Südkreuz in Berlin die intelligente Videoüberwachung mit Gesichts- erkennung an öffentlichen Plätzen testen . Aber wir haben uns getäuscht: Wenn wir den „fast“ voraussetzungslosen Abruf im ersten Entwurf kritisier- ten, so scheint dies nur ein Anreiz für Sie gewesen zu sein, das „fast“ zu einem „völlig“ werden zu lassen . Denn nun wird ein Änderungsantrag zu Ihrem Gesetz- entwurf mitverabschiedet, welcher es nicht einmal mehr nötig macht, dass die Behörde, bei der das Lichtbild abgerufen wird, auf andere Weise nicht erreichbar ist . Diese Absenkung der Voraussetzungen gilt nun auch für die Polizeibehörden des Bundes und der Länder, die Steuerfahndungsdienststellen, den Zollfahndungsdienst und die Hauptzollämter . Und dies nach einer Sachver- ständigenanhörung im Innenausschuss, welche eindeutig die Gefahren einer solchen gigantomanischen Datenbank dargelegt hat . Was dies bedeutet, muss man sich einmal klarma- chen: Ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Geset- zes dürfen alle oben genannten Behörden jederzeit „zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ auf die Onlinedatenbanken, in der die Lichtbilder aller Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik gespeichert sind, zugreifen . Dann kön- nen die Abrufmöglichkeiten längerfristig aber auch dazu verwendet werden, im Rahmen der intelligenten Video- überwachung alle Menschen zu identifizieren, die sich in einem Bahnhof, auf einem Flughafen, in einem Ein- kaufszentrum oder auf einem öffentlichen Platz wie dem Bahnhof Südkreuz in Berlin aufhalten . Begründet wird diese Verschärfung gegenüber dem ohnehin schon bürgerrechtlich dramatischen Entwurf damit, dass man so „den Aufgaben der Personalausweis- oder Passbehörden als auch der Sicherheitsbehörden als auch der derzeitigen Sicherheitslage gerecht wird“ . Nicht gerecht wird dieser Entwurf jedoch den Bür- gerrechten in der freiheitlich-demokratischen Grundord- nung . Denn Sicherheit in einem Rechtsstaat heißt nicht nur „Sicherheit durch den Staat“, sondern immer auch „Sicherheit vor dem Staat“ . Indem Sie die Sicherheits- behörden in diesem Land nach dem Prinzip „Alles was kann, soll auch“ mit Rechten ausstatten, kratzen Sie nicht mehr an unserem freiheitlichen Rechtsstaat, sondern Sie hobeln daran . Und das, obwohl verschiedene Skandale uns immer wieder zeigen, dass die notwendige parla- mentarische und rechtsstaatliche Kontrolle der Dienste bis heute völlig unzureichend läuft . Ich habe es bereits in der ersten Lesung gesagt, und ich wiederhole es heu- te hier: Deutlicher kann man Demokratie- und Rechts- staatsgleichgültigkeit nicht zum Ausdruck bringen . Die- ses Gesetz wird Ihnen noch viel Ärger machen . Dr. Ole Schröder, Parl . Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: Für viele Onlineanwendungen ist eine Identifikation notwendig. Das System „Benut- zername/Passwort“ ist nicht die Zukunft . Es ist anfällig für Identitätsdiebstahl und schwer zu handhaben . Für sicherheitssensible Anwendungen ist es schon gar nicht geeignet . Die Frage ist, welche Systeme zukünftig für eine si- chere Online-Identifikation sorgen werden. Überlassen wir dies privaten Anbietern, insbesondere den Login-Gi- ganten, deren Rechenzentren nicht in Europa stehen? Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass es Auf- gabe des Staates ist, eine Infrastruktur für eine sichere Onlinekommunikation anzubieten . Die Bürger verdienen ein hohes Niveau von Datensicherheit und Datenschutz . Mit dem elektronischen Personalausweis bieten wir in Deutschland das weltweit sicherste System hierfür an . Mit der Onlineausweisfunktion steht eine verlässliche Infrastruktur zur gegenseitigen Identifizierung zur Ver- fügung . Sie wurde in der Vergangenheit nur weniger ge- nutzt als erwartet . Gründe hierfür sind, dass der Ausweis bisher nicht mobil einzusetzen war und die Anwendung zu kompliziert ist . Bisher brauchte man zum Onlineaus- weisen zwingend ein spezielles Lesegerät . Nur wenige Menschen haben sich einen solchen Kartenleser instal- liert . Der elektronische Personalausweis blieb so ein Ni- schenprodukt . Mittlerweile ist es möglich, den Ausweis auch mobil auszulesen . Immer mehr Smartphones und Tablets bieten diese Möglichkeit . Die vorhandenen rechtlichen Hürden werden wir mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises absenken . Bei der Anhörung im Innenausschuss wurde der Entwurf ausführlich erörtert . Es wurde deutlich, dass die On- lineausweisfunktion auch weiterhin ein Höchstmaß an Datensicherheit bietet . Bei der Anhörung der Sachver- ständigen wurde aber auch deutlich, dass das geltende Personalausweisgesetz der weiteren Verbreitung in man- chen Punkten entgegensteht . Einige Vorschriften sind zu kompliziert und das Gegenteil von anwenderfreundlich . Zu den wesentlichen Änderungen gehört, dass der Personalausweis künftig durchgängig mit einer einsatz- bereiten Onlinefunktion ausgegeben wird . Die Zahl der potenziellen Nutzer wird so erhöht . Dies macht es für Behörden und Unternehmen attraktiver, Onlinedienste über den elektronischen Personalausweis anzubieten . Es handelt sich um ein Angebot, nicht um einen Zwang . Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden frei darüber, ob sie die Funktion einsetzen möchten . Wir sind überzeugt, dass die Onlineausweisfunkti- on das Potenzial hat, im europaweiten Wettbewerb der Identifizierungsmittel eine wichtige Rolle zu spielen – im E-Business ebenso wie im E-Government . Der elektronische Personalausweis bietet hoheitlich geprüfte Identitätsdaten und eine vertrauenswürdige Identifizierung auf höchstem Sicherheitsniveau – nicht nur für Behörden und Unternehmen, sondern gerade auch für die Ausweisinhaber selbst . Dies hebt ihn ab von anderen Methoden der Online-Identifizierung. Deshalb Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23779 (A) (C) (B) (D) werden wir im E-Government auf den elektronischen Personalausweis als feste Grundlage für Bürger- und Un- ternehmenskonten bauen . Über den Bundesrat hatten die Länder einige Verbes- serungsvorschläge eingebracht . Dies betraf beispielswei- se die Regelung zum automatisierten Abruf von Lichtbil- dern aus den Pass- und Personalausweisregistern – eine Maßnahme, die der öffentlichen Sicherheit dient und mit der Onlineausweisfunktion nichts zu tun hat . Der Vor- schlag des Bundesrates hierzu erschien uns sinnvoll, weil er eine Reihe von Präzisierungen mit sich bringt . Wir ha- ben ihn deshalb weitestgehend übernommen . Ich bitte um Ihre Zustimmung zu diesem wichtigen Gesetz . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses: – zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mehr Sicherheit durch weniger Waffen – zu dem Antrag der Abgeordneten Irene Mihalic, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ab- gabe von anschlagsfähigen Ausgangsstoffen beschränken (Tagesordnungspunkt 24 a und b) Michael Frieser (CDU/CSU): Worum geht es der CDU/CSU, wenn wir heute die Überarbeitung des Waf- fenrechts beraten? Die Union will die Sicherheit im Umgang mit Waffen erhöhen und die Gefahr eines Miss- brauchs verringern . Was wir nicht wollen, ist, Bürgerin- nen und Bürger, in diesem Fall Sportschützen und Jäger, ohne Gewinn für die Sicherheit zu drangsalieren . An die Adresse der Grünen: Auch wenn schon Wahl- kampf ist – die Bürgerinnen und Bürger erwarten nicht von uns, dass wir hier über Bedarf dramatisieren, ideo- logischen Zerrbildern hinterherlaufen und uns in „Ver- bieteritis“ ergehen . Sie erwarten auf aktuelle Probleme angemessene Lösungen . Das Problem – ich nehme das mal vorweg – sind nicht Sportschützen und Jäger, die nach Prüfungen und unter Auflagen legale Waffen legal bei sich zu Hause im Waffenschrank aufbewahren . Das Problem sind die illegalen Waffen, die in Deutschland kursieren . Wer diesen Unterschied nachvollziehen kann, erkennt auch, dass die Union die echten Probleme angeht und die Grünen schon wieder über das Ziel hinausschie- ßen . Es ist ganz wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen, dass für den Kauf, Besitz und Umgang mit Waffen und Munition in Deutschland strenge gesetzliche Regeln gel- ten . Wir haben bereits jetzt eines der schärfsten Waffen- rechte in der EU! Dieses Waffenrecht hat sich insgesamt bewährt . Eine systematische Verschärfung des Waffen- rechts ist deshalb nicht notwendig . Es besteht aber ein Anpassungsbedarf durch interna- tionale Vorgaben und Vereinbarungen des Koalitionsver- trages . Auch Anregungen von Praktikern aus den Waf- fenbehörden der Länder werden in dem vorliegenden Gesetzentwurf aufgegriffen und umgesetzt . Ein vieldiskutierter Aspekt des ursprünglichen Ge- setzentwurfs ist die Weiternutzbarkeit von Waffen- schränken . Ein Waffenschrank gilt bislang gemäß § 36 Absatz 2 WaffG als sicher, wenn er die technische Norm VDMA 24992 erfüllt . Der Maschinenbauverband VDMA hat diese technische Kategorie zurückgezogen . Deshalb muss das Gesetz jetzt angepasst werden . Nun haben zahlreiche Bürgerinnen und Bürger be- fürchtet, dass sie ihre teuer eingekauften Waffenschränke der gestrichenen VDMA-Kategorie ab jetzt nicht wei- ternutzen dürfen und sich sofort um die Finanzierung eines neuen kümmern müssen . CDU und CSU nehmen diese Bürgersorgen ernst . Wir wollen das Vertrauen der Sportschützen und Jäger in die bisher geltende Rechts- lage schützen . Deshalb werden wir dafür sorgen, dass das neue Gesetz einen umfassenden und zeitlich unbe- schränkten Bestandsschutz für Waffenschränke der Ka- tegorie VDMA 24992 mit den Sicherheitsstufen A und B enthält . Dies bedeutet: Jäger und Sportschützen können ihren Waffenschrank auch in Zukunft nutzen, sofern er den heute geltenden Vorschriften entspricht . Wir setzen nicht nur diese Besitzstandsregelung durch . Wir dehnen sie auch auf Fälle der gemeinschaftlichen Nutzung aus . Personen, die in häuslicher Gemeinschaft leben, werden Sicherheitsbehältnisse der Kategorie VDMA 24992 auch dann mitnutzen dürfen, wenn sie ihre waffenrechtlichen Erlaubnisse erst nach Inkrafttreten des Gesetzes erwerben . Die Besitzstandsregelung kann auch dann in Anspruch genommen werden, wenn die häusli- che Gemeinschaft erst nach Inkrafttreten des Gesetzes begründet wird . Zudem soll die Möglichkeit bestehen, die Behältnisse diesen Mitnutzern zu vererben . Für alle in Zukunft neu angeschafften Waffenschränke wird das Sicherheitsniveau angehoben und an aktuelle technische Standards angepasst . Auch das Thema Verstoß gegen die Aufbewahrungs- vorschriften von Munition treibt viele um . Der Gesetz- entwurf sah zunächst vor, dass schon ein fahrlässiger Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschriften für Muni- tion zu bestrafen ist . Das geht unserer Meinung nach zu weit . Wir wollen keine vorschnelle Kriminalisierung der Legalwaffenbesitzer . Deshalb werden wir den ursprüng- lichen Gesetzentwurf, auch auf Anregung vieler Schüt- zen und Jäger, korrigieren . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723780 (A) (C) (B) (D) Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit sind die ille- galen Waffen, die in unserem Land zirkulieren . Um eine Motivation zu schaffen, diese abzugeben, wird es eine auf ein Jahr befristete Strafverzichtsregelung für den un- erlaubten Besitz von Waffen und Munition geben, wenn diese einer zuständigen Behörde oder Polizeidienststelle überlassen werden . Oftmals finden Erben bei Wohnungsauflösungen alte und ungenutzte Waffen und sind dann mit der Entsor- gung derselben konfrontiert . Für diese Zielgruppe ist die geplante Amnestie eine gute Lösung . Nach dem Amok- lauf an einer Realschule im baden-württembergischen Winnenden im Jahr 2009 gab es ebenfalls eine Amnestie . Polizei und Landesbehörden erhielten deutschlandweit circa 200 000 Waffen, die unschädlich gemacht werden konnten . Ich sagte es eingangs: Die Bürgerinnen und Bürger er- warten – zu Recht –, dass der Gesetzgeber angemessene Lösungen für aktuelle Probleme erarbeitet . Sie erwarten ein Höchstmaß an Sicherheit, und sie erwarten die Wah- rung ihrer Freiheitsrechte . Mit dem Gesetzentwurf zum Waffengesetz liefert die Bundessregierung genau das . Und deshalb sollten wir den Gesetzentwurf heute verab- schieden . Oswin Veith (CDU/CSU): Zu später Stunde beraten wir heute abschließend über die Änderungen am Waffen- gesetz . In den letzten Wochen gab es im Hinblick auf diese Gesetzesänderung sehr viel Gesprächsbedarf . Die große Befürchtung der legalen Waffenbesitzer ist nach wie vor eine einschneidende Verschärfung des nationalen Waf- fengesetzes . Wie auch schon in meiner letzten Rede zu diesem Gesetzentwurf sage ich: Keine weiteren Verbo- te, keine weiteren Einschränkungen oder verschärfenden Pflichten für gesetzestreue, legale Waffenbesitzer. Dennoch: Die öffentliche Akzeptanz des privaten Waffenbesitzes steht und fällt mit einem sicheren Waf- fenrecht . Ein sicheres Waffengesetz bedeutet, dass den Interessen der legalen Waffenbesitzer und den Sicher- heitsinteressen der Bevölkerung Rechnung getragen wird . Ein sicheres Waffenrecht heißt aber nicht, dass wir legalen Waffenbesitzern das Leben unnötig schwer ma- chen, indem wir überstrenge gesetzliche Auflagen vor- geben . Der Umgang mit Waffen birgt ein gewisses Gefahren- risiko; das liegt auf der Hand . Aus diesem Grund haben wir in Deutschland ein sehr strenges Gesetz geschaffen, um diese Gefahren zu minimieren und ein Höchstmaß an Sicherheit für unsere Bürger zu garantieren . Das unter- stütze ich . Wollen wir ein höchstmögliches Sicherheitsniveau, führt das aber auch dazu, dass wir unser Waffengesetz auf Aktualität überprüfen und Änderungen vornehmen müssen, wenn sie der Sicherheit dienen . Mit diesem Ge- setzentwurf bringen wir unser Waffengesetz auf den neu- esten Stand . Was wollen wir ändern, und was haben wir erreicht? Nun, wir wollen in erster Linie die Vorgaben für Waf- fenschränke an den aktuellen Sicherheitsstandard an- passen . Das bedeutet, dass auch neue Technologien, die einen entsprechend hohen Sicherheitsstandard zur Auf- bewahrung von Waffen bieten, künftig eingesetzt werden können . Weiterhin erhöhen wir den Sicherheitsstandard, indem wir eine nicht mehr existente DIN-Norm aus dem Gesetz streichen . Bislang konnten Waffenschränke weiterhin entsprechend dieser DIN-Norm hergestellt werden . Mit der Konsequenz, dass lediglich der Hersteller garantiert hat, dass der Waffenschrank nach dieser DIN-Norm ge- fertigt wurde – eine nicht ganz unerhebliche Sicherheits- lücke . An einer gesetzlichen Änderung der Aufbewah- rungsvorschriften für Waffen und Munition führte somit kein Weg vorbei . An diesem Punkt gab es im Vorfeld verständlicherwei- se heftige Diskussionen, ist die Konsequenz doch, dass veraltete Waffenschränke nicht mehr als sicher gelten und entsorgt werden müssten . Um hier eine komfortable Lösung zu finden, haben wir über einen Bestandsschutz für jene Waffenschränke, die bislang als sicher galten, diskutiert . Ich bin froh, dass die Union diesen Bestandsschutz für Waffenbesitzer, die ihre Waffen nach den derzeit gel- tenden waffengesetzlichen Regelungen in Waffenschrän- ken lagern, im Gesetzentwurf verankern konnte . Nur für Neuanschaffungen sollen aktualisierte technische Vorga- ben verpflichtend sein. Im parlamentarischen Verfahren konnte die Union zudem die Bestandsschutzregeln auf die Fälle erweitern, bei denen die Waffenschränke gemeinschaftlich genutzt werden . Natürlich wollen auch wir nicht, dass in 100 Jah- ren verrostete und veraltete Waffenschränke weiterhin in Gebrauch sind . Daher haben wir die Vererbung auf einen Erbfall begrenzt . Aus meiner Sicht ein gangbarer und zu- friedenstellender Weg . Wir wollen aber nicht nur für sichere Waffenschränke Sorge tragen . Wir wollen auch, dass Waffen nicht in die falschen Hände geraten . In der letzten Zeit wurde ver- mehrt über gefährliche Reichsbürger berichtet, die in Be- sitz von Waffen sind . Der hessische Verfassungsschutz gibt eine Zahl von 400 gefährlichen Reichsbürgern an . Ob diese Gefährlichkeit auch die Zuverlässigkeit beim Führen einer Waffe beeinträchtigen kann, dass können nur die Sicherheitsbehörden einschätzen . Mit der Gesetzesänderung werden nun auch alle Waf- fenanträge im Nationalen Waffenregister erfasst . Darauf haben auch die Sicherheitsbehörden Zugriff und können gegebenenfalls auf mögliche (rechts-)extreme und ge- fährliche Neigungen des Antragstellers hinweisen . Eine Regelabfrage aller Waffenbesitzer, die von ei- nigen Landesinnenministerien gefordert wird und zur Konsequenz hätte, dass alle Waffenbesitzer unter einen Generalverdacht gestellt werden, wird es mit der CDU nicht geben . Wie Sie sehen, nehmen wir keine drastischen Ände- rungen am Waffengesetz vor . Vielmehr wird es zukunfts- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23781 (A) (C) (B) (D) fähig und sicherer ausgestaltet . Das kommt auch unseren Jägern, Sportschützen und Sammlern zugute . Die Befürchtungen von legalen Waffenbesitzern hin- sichtlich noch strengerer Regelungen nehmen wir sehr ernst . Ganz klar ist, dass wir nichts verschärfen wollen, was schon scharf genug ist . Und das deutsche Waffenge- setz gehört zu den strengsten Waffengesetzen der Welt . Wir wollen keine weiteren Verschärfungen, wir wollen ein sicheres Waffengesetz . Dies ist mit dem heute zur De- batte stehenden Gesetzentwurf gelungen . Daher bitte ich um Ihre Zustimmung . Gabriele Fograscher (SPD): Alle bisherigen Än- derungen im Waffenrecht, die wir vorgenommen haben, haben wir mit Augenmaß gemacht . Und wir haben nur Änderungen beschlossen, die einen echten Sicherheits- gewinn mit sich bringen . Im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart: „Wir wer- den das Waffenrecht im Hinblick auf die technische Ent- wicklung und auf seine Praktikabilität hin anpassen . Die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger hat dabei oberste Priorität . Wir streben eine erneute befristete Amnestie an . Zur Erhöhung der öffentlichen Sicherheit werden wir darüber hinaus gemeinsam mit den Ländern schrittweise das nationale Waffenregister weiterentwickeln .“ Dieser Vereinbarung kommen wir nun nach: Wir pas- sen die Aufbewahrungsstandards an die neuen techni- schen Entwicklungen an . Dieser Punkt wird kritisch gesehen . Ich habe zahlrei- che E-Mails erhalten, in denen es heißt, dass diese neuen Sicherheitsbehältnisse zu statischen Problemen in Woh- nungen, vor allem in Altbauten, führen würden . Dazu heißt es in einem Vermerk aus dem Bundesinnenminis- terium, dass dieser Kritik nicht pauschal zugestimmt werden könne . Schließlich seien Holzmöbel mit Büchern oder Geschirr, große Aquarien oder Wasserbetten vom Gewicht her vergleichbar mit den neuen Sicherheitsbe- hältnissen . Mit dieser Änderung ist eine Besitzstandsregelung verbunden . Diese haben wir – im Gegensatz zum Gesetz- entwurf – noch durch einen Änderungsantrag ausgewei- tet . Von der Besitzstandsregelung werden auch in häus- licher Gemeinschaft lebende Waffenbesitzer umfassend profitieren. Häusliche Gemeinschaft umfasst das gemein- same Bewohnen einer Wohnung oder eines Hauses durch nahe Familienangehörige . Dazu zählen auch Studenten, Wochenendheimfahrer oder nahe Angehörige, die regel- mäßig kommen und jederzeit Zutritt haben . Auch im Fal- le des Todes des bisherigen Besitzers kann der Mitnutzer als Erbe das alte Sicherheitsbehältnis weiternutzen . Um aber das Ziel, langfristig die alten Sicherheitsbehältnisse zu ersetzen, zu erreichen, kann in einem solchen Erbfalle keine neue gemeinschaftliche Aufbewahrung mehr be- gründet werden . Der Gesetzentwurf vereinfacht das komplizierte Waf- fengesetz, in dem Verweise, technische Normen etc . künftig auf der Ebene der Rechtsverordnung geregelt sind . Somit wird die Zahl unwillentlich begangener straf- bewehrter Rechtsverstöße minimiert . Wichtig für uns ist die Erneuerung der Amnestierege- lung . Wir führen wieder eine befristete Strafverzichtsre- gelung ein, um die Zahl illegaler Waffen zu verringern . Für den Zeitraum von einem Jahr können unerlaubt be- sessene Waffen oder Munition straflos bei den zustän- digen Stellen abgegeben werden . Eine Überlassung der Gegenstände an Berechtigte ist nicht möglich . Wir setzen die EU-Deaktivierungsdurchführungs- verordnung um . Damit werden neue Standards für die Unbrauchbarmachung von Schusswaffen sowie die Ein- zelprüfung jeder deaktivierten Schusswaffe in nationales Recht umgesetzt . In der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfes hatte ich angekündigt, dass wir als SPD-Bundestagsfraktion drin- gend eine Regelung fordern, dass Waffen nicht legal in die Hände von Extremisten gelangen . Mit unserem Ände- rungsantrag setzen wir dieses wichtige Ziel um . Es kann nicht sein, dass Menschen, die unsere freiheitlich-demo- kratische Grundordnung bekämpfen, sie gar abschaffen wollen, legal Schusswaffen besitzen oder erwerben kön- nen . Künftig wird es so sein, dass die Waffenbehörden bereits die Anträge auf waffenrechtliche Erlaubnisse und entsprechende Versagungen im Nationalen Waffenregis- ter speichern . Damit erhalten die abfrageberechtigten Stellen wie Polizei und Nachrichtendienste bereits frühzeitig Infor- mationen, wer eine Waffe beantragt . Doppelbeantragun- gen werden sofort erkannt . Diese Daten im Nationalen Waffenregister werden regelmäßig automatisiert mit dem Nachrichtendienstlichen Informationssystem NADIS ab- geglichen . Eine entsprechende Rechtsgrundlage ist be- reits im Nationalen Waffenregister enthalten . So erhalten die Dienste die Information, ob eine bei ihnen gespei- cherte Person eine waffenrechtliche Erlaubnis beantragt hat . Diese Information wird dann, so keine Informations- sperre vorliegt, an die zuständige Waffenbehörde weiter- geleitet . Diese kann dann die Erlaubnis verweigern oder entziehen . Der Abgleich zwischen Nationalem Waffen- register und NADIS wird circa alle vier Wochen statt- finden. Dies ist in der Praxis effektiver als die Abfrage durch die örtlichen Waffenbehörden, die vielfach unter Personalmangel leiden . Ein weiterer Vorteil dieser Regelung: Wird eine Per- son aufgrund zum Beispiel extremistischer Bestrebun- gen in NADIS registriert, kann durch den automatischen Abgleich mit dem Nationalen Waffenregister festgestellt werden, ob diese legal eine Waffe besitzt . Ist das der Fall, kann die Erlaubnis entzogen werden . Bei dem anderen Verfahren wäre dies nicht möglich . Jetzt geht es darum, die technische Umsetzung für den Datenabgleich möglichst zügig zu schaffen . Dazu hat Staatssekretär Krings auf meine Anfrage in einer Mail vom 9 . Mai 2017 erklärt: „Das Bundesministerium des Innern geht davon aus, dass die technische Umsetzung des Abgleichs von in NADIS gespeicherten Extremisten mit im NWR gespeicherten Erlaubnisinhabern binnen weniger Monate erfolgen kann . Die Speicherung von Anträgen im NWR, die ein Einschreiten der Verfassungs- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723782 (A) (C) (B) (D) schutzbehörden bereits im Vorfeld einer Erlaubnisertei- lung gewährleisten soll, kann bis zum 1 . Januar 2019 erfolgen . Die technische Umsetzung einer Regelanfrage würde einen vergleichbaren Zeitraum beanspruchen .“ Sehr geehrter Herr Staatssekretär, wir nehmen Sie hier beim Wort und erwarten, dass Sie Ihre Zusage einhalten . Abschließend behandelt wird heute auch der Antrag der Grünen mit dem Titel „Mehr Sicherheit durch weni- ger Waffen“ . Dazu habe ich mich bereits in meiner Rede am 10 . März dieses Jahres ausführlich geäußert . Das können Sie gerne im Protokoll nachlesen . Ihre Forderun- gen haben nur Alibicharakter . Ich bleibe dabei: Nicht die Legalwaffenbesitzer sind das Problem . Die übergroße Mehrheit von ihnen ist gesetzestreu und hält sich an die Vorschriften des Waffengesetzes . Anstatt weitere Ver- schärfungen zu fordern, sollten Sie von den Grünen Ihre Energie lieber darauf verwenden, mit uns Maßnahmen zu entwickeln, damit Kriminelle und Extremisten effizi- enter am Zugang und an der Nutzung von Waffen und Sprengstoffen gehindert werden . Martina Renner (DIE LINKE): Die Möglichkeiten des Besitzes und Umgangs mit privaten Waffen stehen im Spannungsfeld der Abwägung zwischen persönlichen Interessen von Schützen, Jägern und Sammlern und dem Sicherheitsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger . Der Gesetzgeber agiert in der Frage Restriktion und Kontrol- le des privaten Waffenbesitzes weder unter Generalver- dacht noch in Unkenntnis der Tatsache, dass der weitaus größere Teil bei Straftaten unter Schusswaffeneinsatz mit illegalen Waffen verübt wird . Zuschriften mit Bedenken gegen die Umsetzung der EU-Feuerwaffenrichtlinie neh- men wir zur Kenntnis . Allerdings sei noch einmal klar gesagt: Wir kennen die Statistiken und wissen um die Tatsache, dass die über- wiegende Zahl von Straftaten unter Schusswaffeneinsatz mit illegalen Pistolen und Gewehren stattfindet. Aber wer uns schreibt, alle Inhaber von Waffenbesitzkarten und -scheinen in diesem Land seien gesetzestreue Bür- ger und es drohe eine Enteignung von Waffenbesitzern und Ähnliches, der sucht nicht wirklich eine sachliche Debatte und verschließt die Augen vor den Gefahren, die mit jeder Form des Waffenbesitzes verbunden sind und minimiert werden müssen . Zu den Fakten: Nur 25 Prozent der bei Straftaten au- ßerhalb des Waffenrechts verwendeten und dann sicher- gestellten Schusswaffen waren im Jahr 2015 illegale Waffen . In den übrigen Fällen, also bei 75 Prozent, wur- den überwiegend erlaubnisfreie und auch legale Waffen eingesetzt und sichergestellt . Diese Zahlen belegen eben, dass auch der legale Waffen- und Munitionsbesitz eine reale Gefahrenquelle ist mit hohem Potenzial, Menschen zu verletzen oder auch zu töten . Die Schützen- und Jägerlobby sollte sich intensiver mit den Zahlen und Vorgängen befassen, auch um je- den Verdacht zu vermeiden, man bagatellisiere oder ig- noriere entsprechende Fälle . Dazu nur zwei Beispiele: Ein Schießsportverein in München wird von der Polizei durchsucht, da der Verdacht besteht, er agiere als bewaff- neter Arm der rassistischen rechten Pegida-Bewegung in München . Ein Verbot des Vereins wird derzeit durch die Behörden geprüft . In einem anderen Falle sind un- ter anderem Verantwortliche eines Schützenvereins in Niedersachsen angeklagt, weil 53 waffenrechtliche Ge- nehmigungen unter Mithilfe von Vorstandsmitgliedern erschwindelt worden sein sollen . Kurz gesagt wurde so unrechtmäßiger und illegaler Waffenbesitz und -erwerb ermöglicht . Das Zusammenspiel von Hetze gegen Minderheiten und Straftaten auch unter Waffeneinsatz verdeutlicht sich in der Gewalt gegen Geflohene und deren Unter- bringung . Die Zahl dieser Angriffe hat sich im Jahr 2016 gegenüber dem Jahr 2015 mehr als verdoppelt . Stieg die Zahl rechter Straftaten unter Einsatz von Schusswaffen von 143 Fällen im Jahr 2010 auf 536 im Jahr 2014, wur- den im Jahr 2015 schon 1 253 rechte Straftaten mit Waf- fenbezug festgestellt . Gemeint sind natürlich nicht nur Waffen im Sinne des Waffengesetzes . Das macht die Ge- fahr oder das Problem jedoch nicht kleiner . Man muss bei einer Gefährdungsanalyse in diesem Deliktfeld auch in Rechnung stellen, dass allein 750 Neonazis und „rund“ 700 sogenannte Reichsbürger über waffenrechtliche Er- laubnisse verfügen . Die Umsetzung der EU-Feuerwaffenrichtlinie ist an- gesichts dieser Zahlen keine bloße Förmelei . Weitere Fakten: Das Bundeskriminalamt hat schon 2015 festgestellt, dass der illegale Umbau und Handel sogenannter Dekorations- und Salutwaffen massiv zu- nimmt und einen nicht unerheblichen Teil der Waffenkri- minalität ausmacht . Eine solche reaktivierte Salutwaffe hatte der rassistische Hitlerverehrer in München benutzt, um insgesamt neun Menschen überwiegend mit Migra- tionshintergrund zu töten . Inzwischen wurde auch der Verkäufer dieser Waffe zur Verantwortung gezogen . Er hatte an Menschen zwischen 17 und 60 Jahren ähnliche Waffen verkauft . Noch immer sind solche Dekowaffen – die teils mit nur wenigen Handgriffen, auch unter Anlei- tung aus dem Internet, wieder schussfähig und damit zur tödlichen Gefahr werden – frei verfügbar . Selbst die ver- schiedenen Verbände von Schützen und Jägern fordern, dass hier höchste Standards europaweit gelten müssen, damit solche Waffen dauerhaft unbrauchbar sind . Es feh- len aber – und das vermutlich noch viel zu lange – euro- päische Standards zu Genehmigung, Handel, Kennzeich- nung und Deaktivierung von Schusswaffen . Die Tatwaffen der Massaker von Winnenden, Erfurt und Utoya/Schweden – halbautomatische Pistolen – sind bis heute für deutsche Schützen legal verfügbar . Gera- de Sportschützen, aber auch Jäger nutzen solche Waffen gerne . Solche Waffen können dazu verwendet werden, in kurzer Zeit gezielt eine Vielzahl von Menschen zu verlet- zen oder zu töten . Dies gilt nicht nur dann, wenn es sich um ehemalige automatische Waffen handelt, die wieder in solche zurückgebaut werden können . Auch solche Selbstlader, die mit einem größeren Magazin bestückt werden können, stellen eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger dar und wurden in der Vergangenheit schon für schreckliche Taten miss- braucht . Hier ist die Bundesregierung gefordert, Besitz und Nutzung solcher halbautomatischer Waffen endlich zu verbieten, mindestens aber drastisch einzuschränken . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23783 (A) (C) (B) (D) Die Behauptung, dass Waffenbesitzer durch die Um- setzung der EU-Richtlinie enteignet würden, ist un- haltbar und falsch . Es sind großzügige und langfristige Übergangsfristen und Vererbungsmöglichkeiten aufge- nommen worden . Tatsächlich ist es eine Selbstverständ- lichkeit, dass solche Systeme, wie sie für die Aufbewah- rung für Schusswaffen und Munition verwendet werden, auf dem neuesten technischen Stand sein müssen . Nur auf diese Weise ist gesichert, dass von Besitz und Auf- bewahrung potenziell tödlicher Waffen eine möglichst geringe Gefahr für die Bürgerinnen und Bürger ausgeht . Tragfähige Argumente haben die Kritiker hiergegen nicht liefern können . Entgegen dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen darf ich für unsere Fraktion festhalten, dass der Verfas- sungsschutz kein Partner in der Zuverlässigkeitsprüfung für waffenrechtliche Erlaubnisse sein kann . Bekannter- maßen wurde V-Leuten der Neonaziszene zugeraten, sich solche Erlaubnisse erst zu beschaffen oder – wie im Falle des Thüringers Tino Brandt – schießen üben zu gehen . So wurden Gefahren von Amtswegen erst geschaffen und verstärkt . Schon deshalb dürfen die Informationen des Verfassungsschutzes hier nicht maßgeblich sein . Auch im Interesse der Rechtswegegarantie müssen Bürgerin- nen und Bürger schließlich die Möglichkeit haben, eine vollständige gerichtliche Überprüfung einer Verweige- rung oder des Entzugs der waffenrechtlichen Erlaubnis einleiten zu können . Bei Involvierung der Geheimdiens- te in die Beurteilung ist dies aber von vornherein verun- möglicht . Es bleibt dabei und ist auch nicht zu leugnen: Von Waffen geht grundsätzlich eine potenziell tödliche Ge- fahr aus . Noch größer ist die Gefahr, wenn Menschen meinen, dass sie sich selbst bewaffnen müssten, oder an- dere dazu anstacheln – ob Rechtsextremist, Reichsbürger oder als Bürgerwehr . Und diese Gefahr hat gar nichts da- mit zu tun, ob es legale oder illegale Waffen sind . Wenn wir der Gefahr wirklich Einhalt gebieten wol- len, dann kommen wir um wirksame Beschränkungen im Waffenrecht und eine effektive Kontrolle nicht herum . Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Bei ‚Gefährlicher und schwerer Körperverletzung‘ nahm die Zahl der Fälle, in denen geschossen wurde, gegenüber dem Vorjahr um 25,4 Prozent auf 805 Fälle zu .“ So heißt es wörtlich im „Bericht zur Polizeilichen Kriminalsta- tistik 2016“. Die Waffengewalt gegen Geflüchtete, Un- terkünfte und Helfer hat sich im Vergleich zum Vorjahr sogar verdoppelt . Auch die Zahl bekannter Rechtsextre- misten, die eine Waffenerlaubnis besitzen, hat sich seit 2014 nahezu verdoppelt . Wenn das alles für Sie nicht besorgniserregend ist, für mich ist es das schon . Ich bin darüber besorgt, dass es für Straftäter weiterhin viel zu leicht ist, an eine Schusswaffe zu gelangen . Die Bundesregierung scheint diese Sorge jedoch nicht zu teilen; insbesondere scheint die Bundes- regierung nicht wegen der vielen Schusswaffen besorgt zu sein, die Jahr für Jahr in Deutschland abhandenkom- men oder gestohlen werden . Die Dunkelziffer ist kaum zu schätzen . Mit Stand vom 30 . September 2016 waren allein 15 260 Schusswaffen im nationalen Waffenregister als abhandengekommen gemeldet . Inzwischen dürften es mindestens einige Hundert mehr sein . Ein Trend, an dem auch die jetzt geänderten Aufbewahrungsvorschriften nichts ändern werden, ebenso wenig wie an der aktuel- len Aufbewahrungssituation: Waffenschränke, die keinen hinreichenden Schutz gegen Aufhebeln oder Aufbrechen bieten, weil sie noch einem Standard entsprechen, der schon seit 14 Jahren nicht mehr gilt, können nach Ihrem Gesetzentwurf sogar noch an die Enkelgeneration wei- tervererbt werden . Einzige Voraussetzung: Der Enkel stellt in 30 Jahren oder später – nur eben vor dem Tod des Großvaters – eine eigene Waffe in Großvaters Waf- fenschrank und erhält einen Wohnungsschlüssel . Wie das später kontrolliert werden soll, bleibt offen . Das gewähl- te Regelungskonzept erscheint mindestens fragwürdig . Ein regelungstechnischer Sonderfall ist es in jedem Fall . Schon dass es eine spezifisch waffenrechtliche Defini- tion des Begriffs der häuslichen Gemeinschaft gibt, sagt viel über das deutsche Waffenrecht aus, bei dem „kom- pliziert“ oft mit „streng“ verwechselt wird, selbst wenn erhebliche Regelungslücken bereits offen zutage treten . Denken Sie nur an die bekannt gewordenen Fälle, in denen Schützenvereine eine wichtige Rolle bei der Be- waffnung eigentlich ausgeschlossener Personen gespielt haben: Da ist zum einen der jüngste Fall der Schießsportgrup- pe München e . V .: Ein eingetragener Verein, von dem nun befürchtet wird, dass schon die Vereinsgründung nicht sportlich motiviert war, sondern als Instrument zur lega- len Bewaffnung einer ganzen Bewegung gesehen wurde . Nicht zuletzt die tödlichen Schüsse auf einen Polizisten bei Nürnberg im letzten Jahr und die umfangreiche Waf- fensammlung des Mannes, dessen Ansichten und Bestre- bungen der Reichsbürgerbewegung zuzurechnen waren, machen die Brisanz einer solchen legalen Möglichkeit der Bewaffnung mit scharfen Schusswaffen deutlich . Kaum weniger besorgniserregend ist die Praxis eines Schützenvereins in Hameln, dessen Funktionäre zah- lungswilligen Kunden auch dann zu einer Schusswaffe verhalfen, wenn diese beispielsweise aufgrund einer Vor- strafe keine auf legalem Weg erhalten konnten, es eiliger hatten, als es die Gesetze zulassen, oder aus sonstigen Gründen lieber keinen eigenen Antrag bei der Waffenbe- hörde stellen wollten . Hier offenbart sich ein Konstruktionsfehler des deut- schen Waffenrechts, der eine grundlegende Reform not- wendig erscheinen lässt . Gleichzeitig gibt es eine Reihe weiterer Regelungen des geltenden Waffenrechts, die die Belange der öffentlichen Sicherheit nicht hinreichend berücksichtigen . Den daraus resultierenden gesetzgebe- rischen Handlungsbedarf haben wir in unserem Antrag „Mehr Sicherheit durch weniger Waffen“ ausführlich dargelegt, der heute ebenfalls zur Abstimmung steht . Auch möchte ich in diesem Zusammenhang noch einmal an die Anhörung dazu im Innenausschuss erinnern, bei der viele Experten wichtige Hinweise gegeben haben, die jedoch leider keine Resonanz im vorliegenden Gesetz- entwurf der Bundesregierung gefunden haben . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723784 (A) (C) (B) (D) Ich bin davon überzeugt, dass diese Untätigkeit Men- schenleben kostet! Mir ist das jedenfalls unbegreiflich: Sicherheitsgesetze scheinen bei der Großen Koalition Konjunktur wie nie zu haben – nur beim Waffenrecht halten sie den Ball lieber flach. Dabei wäre das die Art echter sachlicher Sicherheitspolitik, die tatsächlich ei- nen Beitrag zu mehr Sicherheit leisten kann . Polizisten im Streifendienst werden es Ihnen bestätigen: Weniger Waffen im Umlauf sind ein direkter Beitrag zu mehr Si- cherheit . Mehr Sicherheit brächte auch eine Beschränkung der Abgabe von anschlagsfähigen Ausgangsstoffen . Die Lis- te schwerer Straftaten, die in der jüngsten Vergangen- heit mit Acetonperoxid, auch bekannt als APEX oder TATP, begangen wurden, ist lang . Die nationalen Tatorte der letzten Jahre lagen unter anderem im Sauerland, in Frankfurt/Oberursel, in Bottrop, Ansbach, Leipzig und Chemnitz . Oder denken Sie auch an die Anschläge in Paris und Brüssel . All diese Täter haben sich für TATP entschieden und die erheblichen Risiken bei dessen Her- stellung in Kauf genommen, da sie die notwenigen Aus- gangsstoffe relativ leicht beschaffen konnten . Ein sicher- heitsrelevanter Umstand, dem viel zu lange zu geringe Aufmerksamkeit zuteilwurde . Inzwischen liegt eine Neufassung der Chemikali- en-Verbotsverordnung vor . Doch am Grundproblem ändert sich dadurch wenig, denn ohne entsprechend konkrete Kriterien zur Identifizierung verdächtiger Trans- aktionen hängt weiterhin zu viel von der Aufmerksam- keit des Verkaufspersonals beispielsweise im Baumarkt ab . Eine sachlich begründete Sicherheitspolitik, die den Rat der Sachverständigen und Experten ernst nimmt und die Praxis im Blick hat, sieht anders aus . Und – damit bin ich wieder beim Waffengesetz – ein Gesetz, dass auf so zentrale Weise Auswirkungen auf die innere Sicherheit hat, sollte so geschrieben sein, dass seine Anwendung möglichst einfach und rechtssicher ist . Das Bestreben, dies zu erreichen, vermag ich weder beim vorliegenden Gesetzentwurf noch beim Änderungsantrag zu erkennen, weshalb wir diesem Gesetz trotz einiger Verbesserungen im Detail insgesamt nicht zustimmen können . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkom- men von Minamata vom 10. Oktober 2013 über Quecksilber (Minamata-Übereinkommen) – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Ab- geordneten Peter Meiwald, Oliver Krischer, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Minamata-Konvention zu Quecksilber unver- züglich ratifizieren (Tagesordnungspunkt 26 a und b) Karsten Möring (CDU/CSU): Die sogenannte Mi- namata-Konvention der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2013, die wir heute diskutieren, fordert den Aus- stieg aus der Quecksilberwirtschaft bis zum Jahr 2020 . Minamata ist der Name einer Stadt in Japan, in der eine Quecksilberkatastrophe Mitte letzten Jahrhunderts viele Opfer forderte: Der Chemiekonzern Chisso leitete seiner- zeit jahrelang quecksilberhaltiges Abwasser in die vorge- lagerte Bucht der Stadt – und vergiftete damit unzählige Menschen . Viele litten unter Lähmungen, Nerven- und Organschäden, Kinder kamen mit Missbildungen zur Welt . Mit der Namensgebung soll an die Opfer erinnert und zugleich vor den Folgen der Quecksilberemissionen und des verantwortungslosen Umgangs mit dem Schwer- metall gewarnt werden . Es gibt nur einen Weg, solche Unfälle sicher zu ver- meiden: den konsequenten Ausstieg aus der Quecksilber- produktion . Da unsere Wirtschaft heute global vernetzt ist, müssen dabei alle Staaten an einem Strang ziehen . Dieses Kunststück ist beim Insektenvernichtungsmittel DDT und oder den Treibhausgasen FCKW bereits gelun- gen . Jetzt soll auch Quecksilber weltweit aus Produkten verschwinden – das ist eines der wichtigsten Ziele der internationalen Minamata-Konvention . Ein Meilenstein für die Umwelt: Deutschland hat sich daher seit Verhand- lungsbeginn stark für die Konvention eingesetzt . Quecksilber ist ein hochgiftiges Schwermetall, das in hoher Dosierung tödlich ist . Am höchsten ist das Ge- sundheitsrisiko, wenn Quecksilberdämpfe eingeatmet werden oder Quecksilber in Kontakt mit der Haut gerät . In der Umwelt breitet sich Quecksilber oftmals weiträu- mig über Wasser und Luft aus . Es wird von Tieren und Pflanzen aufgenommen. Mehr als 20 Prozent der welt- weiten Emissionen entstehen als Abfallprodukt bei der Verbrennung von Kohle zur Stromerzeugung – einer der Haupt emittenten ist zum Beispiel China . Durch die Entwicklung von alternativen Technologien und Reini- gungsverfahren und einem entsprechenden Technolo- gietransfer zur Unterstützung der Entwicklungs- und Schwellenländer sollen diese Emissionen langfristig ver- ringert werden . Ziel der Minamata-Konvention ist es, den Ausstoß von Quecksilber weltweit einzudämmen . Sie dient damit dem Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt dort, wo Quecksilberemissionen unmittelbar entstehen, aber auch dort, wo sie hintransportiert werden . So müs- sen die künftigen Vertragsstaaten dafür sorgen, die Ver- wendung von Quecksilber bei der industriellen Produkti- on deutlich zu reduzieren. Die Staaten verpflichten sich, ab 2020 keine quecksilberhaltigen Produkte wie Batte- rien, Beleuchtungskörper, Kosmetika, Seifen, Schalter oder Thermometer mehr herzustellen oder zu verkaufen . Abfälle des hochgiftigen Schwermetalls dürfen nur unter strengen Auflagen gelagert und entsorgt werden. Nach Inkrafttreten der Konvention dürfen in den Ver- tragsstaaten keine neuen Quecksilberminen mehr eröff- net werden . Für den kleingewerblichen Goldbergbau müssen die Staaten zudem Maßnahmen zum Schutz der Arbeiterinnen und Arbeiter ergreifen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23785 (A) (C) (B) (D) Viele Goldschürfer setzen beim Schürfprozess Queck- silber ein, welches verdampft und die Gesundheit der Ar- beiterinnen und Arbeiter sowie die Umwelt gefährdet . Für neue Kohlekraftwerke gilt der Grundsatz, die beste verfügbare Technik zum Schutz vor Quecksilberemissi- onen einzusetzen . Ein im Rahmen der Konvention neu einzurichtender Ausschuss soll die Umsetzung der Kon- vention überwachen . Ende letzten Jahres haben sich Unterhändler des Eu- ropäischen Parlaments und der Mitgliedstaaten auf eine neue EU-Quecksilberverordnung verständigt . Die CDU/ CSU bewertet die Einigung als ausgewogenen und rea- listischen Kompromiss, der viele Themen- und Indust- riebereiche betrifft . So sieht die neue Verordnung unter anderem ein Verbot bzw . einen streng regulierten Im- und Export vor . Die Verwendung von Quecksilber bei der in- dustriellen Produktion soll außerdem deutlich reduziert werden . In Deutschland und Europa sind im weltwei- ten Vergleich bereits strenge Vorgaben Quecksilber be- treffend in Kraft sind . Von den hohen Standards, die in Minamata beschlossen und jetzt durch die EU umgesetzt werden, profitieren aber natürlich auch die europäischen und deutschen Verbraucher durch einen weltweit sinken- den Ausstoß . Insbesondere die Quecksilberbelastung von Fischen ist nämlich vielerorts auch in Europa schon ein Problem . Es ist richtig, dass wir überzogenen Forderungen, etwa nach einem sofortigen Komplettverbot bestimmter industrieller Prozesse oder einem sofortigen Zahnamal- gamverbot, nicht nachgeben . Wir sollten hier nicht das Kind mit dem Bade ausschütten . Die Sicherheitsstan- dards in Deutschland und Europa sind sowohl im Um- welt- als auch im Gesundheitsbereich sehr hoch . Es wur- de in diesem Bereich ein Kompromiss mit Augenmaß gefunden: So soll ab dem 1 . Juli 2018 Zahnamalgam bei Kindern sowie schwangeren und stillenden Frauen nur noch in absoluten medizinischen Ausnahmen verwendet werden . Bis 2020 wird geprüft, ob Zahnärzte ab 2030 ganz darauf verzichten sollen . Ich denke, dass diese Re- gelung nicht nur realistischer, sondern auch im Interesse der Patientinnen und Patienten deutlich besser ist als die Idee eines Komplettverbots von Amalgam . Das Inkrafttreten des Übereinkommens erfolgt mit der Ratifikation durch mindestens 50 Staaten. Mittlerweile wurde das Übereinkommen von 128 Staaten gezeich- net und von 35 Staaten ratifiziert. Da die Umsetzung der Verpflichtungen EU-weit im Wege einer unmittelbar in den Mitgliedstaaten geltenden Verordnung erfolgen wird, waren zunächst die entsprechenden Verhandlun- gen abzuwarten . Nach der Einigung zwischen Kommis- sion, Rat und Europaparlament zum Entwurf der neuen EU-Quecksilberverordnung Ende letzten Jahres hat die Bundesregierung unverzüglich die notwendigen Schritte für die rechtzeitige Ratifikation eingeleitet. Ich bin zuversichtlich: Mit dem Minamata-Überein- kommen rückt das Vorhaben, das giftige Schwermetall weltweit zu verbannen, in immer greifbarere Nähe . Seit- dem bemühen sich die Staaten um die Reduzierung der Emissionen und forschen an alternativen Technologien, um Quecksilber in der Produktion erfolgreich zu erset- zen . Politik und Unternehmen müssen diese Herausfor- derung annehmen – damit sich Ereignisse wie in Mi- namata nicht wiederholen . Deshalb bitte ich Sie, ja ich fordere Sie auf, jetzt Ihre Zustimmung zu diesem wichti- gen Gesetz zu geben . Ulli Nissen (SPD): Mit der heutigen zweiten und drit- ten Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Über- einkommen von Minamata vom 10 . Oktober 2013 über Quecksilber (Minamata-Übereinkommen) machen wir den Weg frei für die Ratifizierung. Gemäß Artikel 59 Absatz 2 Grundgesetz muss hierfür die Zustimmung des Bundestages eingeholt werden . Das tun wir heute, und es wird auch höchste Zeit, dass wir dieses Abkommen ratifizieren. Das Minamata-Übereinkommen über Quecksilber wurde am 19 . Januar 2013 in Genf ausgehandelt und am 10 . Oktober 2013 von der Bundesregierung in Ja- pan unterzeichnet . Worum geht es in diesem Abkom- men überhaupt? Das Minamata-Übereinkommen soll die menschliche Gesundheit und die Umwelt vor durch den Menschen verursachten Emissionen und der Freisetzung von Quecksilber und Quecksilberverbindungen schützen . Menschen und Umwelt sollen dort geschützt werden, wo Quecksilberemissionen unmittelbar entstehen, aber auch dort, wo sie hintransportiert werden . Der Name geht zurück auf die Stadt Minamata . Mitte der 1950er-Jahre kam es dort bei zahlreichen Menschen und Tieren zu schwersten Gesundheitsschäden . Sie erlit- ten Schädigungen am zentralen Nervensystem aufgrund chronischer Quecksilbervergiftung . Der Chemiekonzern Chisso hatte jahrelang quecksilberhaltiges Abwasser un- gefiltert in die der Stadt vorgelagerte Bucht eingeleitet. Die Quecksilberverbindungen waren über das Trinkwas- ser und Lebensmittel, vor allem über Fisch, aufgenom- men worden . Symptome der sogenannten Mi namata- Krankheit sind Müdigkeit, Lähmungen, Missbildungen, Organ- und Nervenschäden sowie Schädigungen am Im- munsystem . Schätzungen zufolge wurden etwa 17 000 Menschen durch die Quecksilberverbindungen mehr oder weniger schwer geschädigt . Die Zahl der Toten wird auf bis zu 3 000 geschätzt . Indem das Abkommen nun den Namen trägt, soll auch an die Toten und die tragischen Ereignisse gedacht werden . Und natürlich soll das Übereinkommen dafür sorgen, dass zukünftig niemand mehr zu Schaden kommen wird . Mit dem Übereinkommen von Minamata sollen negative Einflüsse durch den Umgang mit Quecksilber verringert und Risiken minimiert werden, indem Nutzung, Produk- tion, Lagerung und Handel reguliert werden . So wird es ab 2020 verboten sein, quecksilberhaltige Produkte wie bestimmte Leuchtmittel oder Thermometer zu produzieren oder zu verkaufen . Zudem wird es strenge Auflagen für Lagerung und Entsorgung von Quecksilber- abfällen geben . Auch sollen neue Quecksilberminen ver- boten werden . Für kleingewerblichen Bergbau müssen die Vertragsstaaten zudem Maßnahmen zum Schutz der Arbeiterinnen und Arbeiter treffen . Für Kohlekraftwerke gilt es die beste verfügbare Schutztechnik vor Quecksil- beremissionen zu nutzen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723786 (A) (C) (B) (D) Wir finden also zahlreiche gute und wichtige Maßnah- men zum Schutz von Mensch und Umwelt . Warum hat es denn nun fast vier Jahre gedauert von der Unterzeichnung bis zur Ratifizierung? Der Grund lag da- rin, dass einiges im EU-Recht angepasst werden musste . Denn auch wenn vieles im Minamata-Übereinkommen EU-weit bereits geregelt war, gab es doch einige regu- latorische Lücken . So fehlten zum Beispiel Regelungen über die Einfuhr von Quecksilber, die Ausfuhr bestimm- ter mit Quecksilber versetzter Produkte, die Verwendung von Quecksilber in bestimmten Herstellungsprozessen und auch über die Verwendung von Quecksilber im kleingewerblichen Goldbergbau oder beispielsweise die Verwendung von Quecksilber in Dentalamalgam . Im Sinne der Rechtsklarheit sollten die aus dem Über- einkommen erwachsenden Verpflichtungen, die noch nicht in EU-Recht umgesetzt waren, in einem einzigen Rechtsakt zusammengefasst werden. Dieses EU-Ratifi- kationspaket wurde am 6 . Dezember 2016 abschließend ausgehandelt . Neben dem Gesetzentwurf haben wir heute auch den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorliegen: „Minamata-Konvention zu Quecksilber unverzüglich ra- tifizieren“. Da wir dies ja nun gerade tun, ist Ihr Antrag damit auch überflüssig. Und es wird Sie nicht verwun- dern, dass wir ihn ablehnen werden . Das Minamata-Übereinkommen tritt 90 Tage nach der Ratifizierung durch den 50. Unterzeichnerstaat in Kraft. Bis heute waren es 44 Staaten der 128 Unterzeichner, die das Abkommen bereits ratifiziert haben. Im Ausschuss – das sei noch kurz erwähnt – haben alle Fraktionen dem Gesetzentwurf zugestimmt . Denn natürlich ist es nur zu begrüßen, dass Deutschland nun als 45 . Staat das Übereinkommen ratifiziert. Von 24 . bis 29 . September dieses Jahres wird in Genf die erste Vertragsstaatenkonferenz des Minamata-Über- einkommens stattfinden. Auf dieser Konferenz sollen sich die Staaten, die das Abkommen ratifiziert haben, über weitere Maßnahmen austauschen . Dabei kann es um technische, administrative, aber auch finanzielle Angele- genheiten gehen . Ralph Lenkert (DIE LINKE): Dass Quecksilber gif- tig ist, wissen fast alle . Dass es, einmal freigesetzt, sich in der Natur nicht abbaut und dann irgendwann in unse- rer Nahrung landet, ist eine Tatsache . Aus diesem Grund wird die Verwendung von Quecksilber für Industriepro- zesse und in den meisten Gebrauchsgegenständen seit Jahren eingedämmt und verboten . Aber bei Energiesparlampen wird weiter Quecksilber erlaubt, und das gelangt beim Zerbrechen der Lampe oder bei falscher Entsorgung in die Umwelt . Auch die Kohle- kraftwerke sind als Quecksilberschleudern bekannt . Die Linke begrüßt deshalb die Ratifizierung des Min- amata-Abkommens ausdrücklich und wird dem Ge- setzentwurf der Bundesregierung zustimmen; denn mit diesem Abkommen verpflichten sich die Staaten, Queck- silberemissionen zu verringern . Es ist höchste Zeit, dass das Abkommen in Kraft tritt und die noch fehlenden Ratifizierungen durch andere Staaten schnell zustande kommen . Trotz allem Positiven, was das Abkommen bringt, stellen sich uns konkrete Fragen: Wird die Bundesregierung ihren politischen Einfluss nutzen, um bilateral weitere Staaten zur Ratifizierung zu bringen und Impulse zu setzen, dass das Abkommen schnell in Kraft treten kann? Wie lange wird es nach Inkrafttreten des Abkommens dauern, bis wir einen nationalen Maßnahmenplan vor- liegen haben, der wirksam den Quecksilberausstoß in Deutschland signifikant reduzieren kann? Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Gro- ßen Koalition: Einigen Ihrer Freunde aus der Kohleener- giewirtschaft wird dieses Abkommen Sorgenfalten ins Gesicht treiben . Pro Jahr emittiert der deutsche Kohle- kraftwerkpark 9 Tonnen Quecksilber . 9 Tonnen Queck- silber – das entspricht einer Kugel mit einem Durchmes- ser von 1 Meter . Eine solche Quecksilberkugel steigt allein aus unseren Kohlekraftwerken jährlich in die At- mosphäre auf . Diese Quecksilbermenge muss dann mit Filtern oder über die Abschaltung der Kraftwerke verrin- gert werden . Wird das Minamata-Abkommen zu einem zügigen Kohleausstieg in Deutschland führen, oder setzt die Bun- desregierung auf technischen Umbau der Kraftwerke, da- mit die Quecksilbergrenzwerte eingehalten werden? Und wer soll diesen Umbau bezahlen? So oder so: Es wird deutlich, dass der ach so billige Kohlestrom gar nicht so billig ist und unsere Gesellschaft die Folgekosten für Umwelt und Natur irgendwann zah- len muss . Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie strenge Regeln für die Einhaltung der notwendigen Grenzwerte schafft . Verzichten Sie auf lange Übergangs- bestimmungen; unsere Gesundheit ist keine Verhand- lungsmasse! Die Linke fordert, dass die Kosten für die Quecksilberreduktion von den Kraftwerksbetreibern zu zahlen sind und nicht auf die Strompreise umgelegt wer- den dürfen . Aber wahrscheinlich werden CDU/CSU, SPD, even- tuell die FDP und diese falsche Alternative vor der Kraft- werkslobby einknicken und die Kosten den Stromkunden aufdrücken oder unsere Natur weiter mit Quecksilber be- lasten . Deswegen nenne ich Ihnen die wirkliche Alternative: Die Linke fordert einen zügigen Ausstieg aus der Kohle . Das ist der einzige Weg, mit dem Problem gesundheits- politisch, umweltgerecht und sozial verantwortungsvoll umzugehen . Alles andere wäre Hinhaltetaktik . Wir freuen uns über die Ratifizierung des Abkom- mens . Es ist ein wesentlicher Schritt vorwärts . An der Art der Umsetzung in Deutschland werden wir bewerten, wie ernsthaft und auf wessen Kosten die anderen Parteien das Problem Quecksilber angehen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23787 (A) (C) (B) (D) Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach jahrelangen Vorarbeiten wurde im Oktober 2013 das Minamata-Übereinkommen zu Quecksilber unterzeich- net . Ich begrüße die Konvention, denn die Auswirkungen von Quecksilber auf die Gesundheit sind gravierend . Bei Erwachsenen führen Quecksilbervergiftungen zu irreparablen Schädigungen der inneren Organe wie etwa der Leber und der Nieren sowie des Nervensys- tems . Hochgradig gefährdet sind Föten, Säuglinge und Kleinkinder, da eine Quecksilbervergiftung in der früh- kindlichen Entwicklungsphase zu Missbildungen, geisti- ger Behinderung, Krampfanfällen, Seh- und Hörverlust, verzögerter Entwicklung, Sprachstörungen und Gedächt- nisverlust führt . Da Quecksilber (Hg) weder biologisch noch chemisch abbaubar ist, reichert es sich in der Nahrungskette an . Gerade organische Quecksilberverbindungen sind hoch- toxisch und können zu einer chronischen Quecksilberver- giftung, auch bekannt als Minamata-Krankheit, führen . Chronische Vergiftungen entstehen unter anderem über die Aufnahme von Quecksilber am Arbeitsplatz wie etwa durch das Einatmen von Quecksilberdämpfen im Gesundheitswesen oder in Laboren, Unfälle oder schlecht verarbeitetes Zahnmetall (Amalgam) . Eine weitere Ursache für chronische Quecksilberver- giftungen ist die Aufnahme von Quecksilber über die Nahrungskette . Gerade in der marinen Nahrungskette reichern sich organische Quecksilberverbindungen in Lebewesen an . Als erster Unterzeichnerstaat haben die USA bereits am 6 . November 2013 die Minamata-Konvention rati- fiziert. Mittlerweile sind 43 Staaten hinzugekommen, darunter auch Japan, Kanada und China . Nun wird die Konvention endlich auch von Deutschland ratifiziert und umgesetzt . Wir Grüne haben die Bundesregierung schon vor ei- nem Jahr mit unserem Antrag aufgefordert, endlich die erforderlichen Schritte zur Ratifizierung in die Wege zu leiten . Es ist zwar zu begrüßen, dass Deutschland die Min- amata-Konvention nun ratifiziert. Allerdings stellen sich mir durchaus einige Fragen: Warum ist Deutschland bei einem umweltpolitischen Thema mal wieder Nachzüg- ler? Wieso fehlt ein Fahrplan zur konkreten Umsetzung der Konvention in praktische Politik völlig, obwohl Sie mehr als drei Jahre Zeit dafür hatten? Laut dem Umweltinformationsportal des Bundes wur- den von 2013 bis 2015 über 20 Tonnen Quecksilber in die Luft emittiert . Quecksilber ist schon heute im Fettge- webe von Fischen in allen Gewässern Deutschlands ubi- quitär, das heißt überall nachweisbar . Angesichts dieser Tatsache ist das, was Sie betreiben, nicht mehr Regieren mit ruhiger Hand, sondern fast schon fahrlässige Körper- verletzung . Was wir dringend brauchen, ist ein Fahrplan für den Quecksilberausstieg . Hier möchte ich Ihnen das Gut- achten einer medienübergreifenden Quecksilbermin- derungsstrategie für Nordrhein-Westfalen aus 2016 ans Herz legen. Vielleicht finden Sie ja dort die ein oder an- dere hilfreiche Anregung . Auch begrüße ich die neue Verordnung der EU über Quecksilber, denn bisher gab es kaum verbindliche Vor- gaben im europäischen Recht zur Begrenzung von Queck- silberemissionen . Weder das Merkblatt „Beste verfügba- re Technik“ für Großfeuerungsanlagen (BVT-Merkblatt) aus dem Jahr 2006 noch die Industrieemissionsrichtlinie aus dem Jahr 2010 enthielt bisher Emissionsgrenzwerte für Quecksilber aus Kohlekraftwerken . Es liegt jetzt an der Bundesregierung, die Verordnung konsequent anzu- wenden . Zwar wurden in den vergangenen Jahren die BVT-Merkblätter überarbeitet; allerdings wäre dies kein Hinderungsgrund gewesen, schärfere Umweltvorschrif- ten in der Verordnung über Großfeuerungs-, Gasturbinen und Verbrennungsmotoranlagen (13 . BImSchV) sowie der Verordnung über die Verbrennung und die Mitver- brennung von Abfällen (17 . BImSchV) einzuführen und die Bevölkerung effektiv vor Quecksilber zu schützen . Diese Auffassung wird auch in dem genannten Gutachten vertreten . Steigen Sie endlich in den Kohleausstieg ein! So kön- nen Sie quasi zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: die klimapolitischen Ziele erfüllen und die Bevölkerung vor Quecksilberemissionen schützen . Dazu wäre es sinnvoll, endlich die immissionsschutzrechtliche Privilegierung der Kohleverstromung aufzuheben und die Einhaltung von strengen Emissionsgrenzwerten für krebserzeugende Stoffe sicherzustellen, indem man sich beispielsweise an den US-Grenzwerten für Quecksilberemissionen orien- tiert . In der Gesundheitspolitik sollten wir es Schweden und Norwegen nachmachen, die Amalgamfüllungen bereits verboten haben . Folgen Sie doch einfach einer Studie im Auftrag der EU-Kommission zur Abschätzung der Aus- wirkung verschiedener Handlungsoptionen bezüglich Zahnamalgam . Diese hat nämlich bereits festgestellt, dass ein Amalgamverbot gesamtwirtschaftlich die vor- teilhafteste Lösung wäre . Das Europäische Parlament hat wenigstens bewirkt, dass in der oben genannten Verordnung festgelegt wur- de, dass ab dem 1 . Juli 2018 Dentalamalgam nicht mehr für die zahnärztliche Behandlung von Milchzähnen, von Kindern unter 15 Jahren und von Schwangeren oder Stil- lenden verwendet werden darf . Allerdings mit der Aus- nahme, dass eine Behandlung mit Dentalamalgam auf- grund medizinischer Erfordernisse bei einem Patienten als zwingend notwendig angesehen wird . Sie sehen: Die heutige Ratifizierung der Minama- ta-Konvention ist ein notwendiger, richtiger Schritt zur Reduzierung der Belastung unserer Bevölkerung und un- serer Umwelt mit giftigem Quecksilber . Hinreichend ist er nicht! Es bleibt viel zu tun für die nächste Regierung, im Interesse von Umwelt und Gesundheitsschutz – hof- fentlich dann unter starker grüner Beteiligung! Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723788 (A) (C) (B) (D) Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsver- kehrs (Tagesordnungspunkt 27) Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Mit dem vor- liegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung soll nun auch im Strafverfahren eine gesetzliche Grundlage für die Einführung der elektronischen Akte geschaffen wer- den . Dies soll als Voraussetzung für einen Medienwech- sel geschehen, welcher den technischen Fortschritt nach- vollziehen und die Strafjustiz modernisieren wird . Wenn in der Privatwirtschaft und in vielen Behörden bereits di- gital gearbeitet wird und die Vorzüge der elektronischen Aktenführung genutzt werden, darf die Justiz in Strafver- fahren nicht hinter modernen Standards zurückbleiben . Ich begrüße daher das Anliegen dieses Gesetzentwur- fes, auch für Strafsachen den elektronischen Rechtsver- kehr einzuführen und die Möglichkeit der elektronischen Aktenführung zu schaffen . Straf- und Ermittlungsakten könnten mit dem Inkrafttreten der Neuregelung elektro- nisch angelegt und geführt werden . Insoweit wird auch für den Bereich der Strafsachen die Rechtsgrundlage geschaffen, welche für andere Verfahrensarten bereits existiert . So haben wir schon Regelungen in den §§ 298a ZPO, § 46e ArbGG, § 52b FGO, § 65b SGG und § 55b VwGO . Auf dieser Grundlage ist der elektronische Rechts- verkehr beispielsweise in Nordrhein-Westfalen bei allen Verwaltungs-, Finanz-, Sozial- und Arbeitsgerichten so- wie in bestimmten Zivilverfahren, wie im Mahnverfah- ren oder in Registersachen, und bei einzelnen Land- und Amtsgerichten eröffnet . Verfahrensbezogene Dokumente können elektronisch eingereicht werden . Die Ausdeh- nung auf das Strafverfahren ist daher nur folgerichtig . Ebenfalls begrüßenswert ist, dass erstmals ein Stich- tag festgesetzt werden soll, ab dem bundesweit die Füh- rung der elektronischen Akten gesetzlich verpflichtend wird . Bis zum 25 . Dezember 2025 würde die elektro- nische Aktenführung dabei lediglich eine Option dar- stellen . Ab dem 1 . Januar 2026 sollen neu anzulegende Akten dann nur noch elektronisch zu führen sein . Damit soll die flächendeckende verbindliche Einführung der elektronischen Aktenführung im Bereich der Strafjustiz bereits jetzt gesetzlich vorgegeben werden . Ein einheit- licher Stichtag bietet Planungssicherheit und erhöht zu- dem die Chance, alle Beteiligten frühzeitig in die Umset- zung einzubinden . Diese Chance sollte genutzt werden, zum Wohle einer effektiven, modernen und effizienten Strafjustiz . Im Zusammenhang mit der Zulassung elektronischer Strafakten soll zugleich die elektronische Kommunikati- on zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den Ge- richten sowie der elektronische Rechtsverkehr im Straf- verfahren unter Absenkung bestehender Zugangshürden neu geregelt werden . Das bundeseinheitliche Vorgehen bei der Einführung der elektronischen Akte in der Jus- tiz minimiert Medienbrüche und fördert länderüber- greifend sinnvolle Lösungen für einheitliche Standards und bundeseinheitliche Austauschformate . Ich halte die lange Übergangsfrist bis zur verbindlichen Einführung am 1 . Januar 2026 für sinnvoll, um die entsprechenden Fachverfahren für vollelektronische Geschäftsprozesse pilotieren zu können . Die bisher durchgeführten Mo- dellprojekte und Pilotprojekte, wie z . B . eIP in Bayern, VIS-Justiz in Baden-Württemberg oder e2A in Nord- rhein-Westfalen betreffen ausschließlich das Zivilrecht . Was genau versteht man unter einer „e-Akte“? Sie wird beschrieben als „ein definiertes System elektro- nisch gespeicherter Daten“ . Dies ist im Hinblick auf die schnell fortschreitende Entwicklung der Informations- technik grundsätzlich sachgerecht . Allerdings wird da- durch umso wichtiger, dass Bund und Länder bei den für ihre jeweiligen Bereiche zu erlassenden Regelungen von gleichen Voraussetzungen ausgehen . Die elektronische Akte ist deutlich mehr als die Pa- pierakte . Die mit einer elektronischen Aktenführung ein- hergehende automatisierte Verarbeitung personenbezo- gener Daten ermöglicht im Vergleich zur papierbasierten Aktenführung eine wesentlich einfachere und schnellere Recherche, Filterung oder Verknüpfung von Daten . Dies bedeutet letztlich auch eine Beschleunigung der Arbeits- prozesse insgesamt – bei der täglichen Arbeit bei den Ge- richten und Staatsanwaltschaften . Neben der höheren Informationsqualität und Informa- tionsaktualität zählt auch der Platzgewinn . In der brei- ten Öffentlichkeit fehlt jedoch oft das Vertrauen, dass Daten elektronisch besser geschützt sind als in Papier- form . Die Datensicherheit und der Datenschutz sind ein großes Thema und genießen auf nationaler und europäi- scher Ebene einen hohen Stellenwert . Viele fürchten die Manipulation der Daten durch Hackerangriffe oder auch staatliche Kontrolle . Dabei ist die Sicherheit von elek- tronischen Akten keinesfalls geringer als von Akten in Papierform . Wir müssen daher genau regeln, innerhalb welcher Grenzen die Strafverfolgungsbehörden die in den Akten gespeicherten Daten verwenden dürfen und welche Personen Zugriff erhalten . Dies ist mit dem vor- liegenden Gesetzesentwurf gelungen . Zum einen haben wir die unbestimmten Rechtsbegriffe wie „Rahmenbe- dingungen“ und „geltende Standards“ näher bestimmt, so zum Beispiel durch Einführung des Begriffs „Stand der Technik“ . Des Weiteren haben wir Schutzziele klarer benannt, indem wir das Verhältnis zur „Grundnorm“ § 9 BDSG konkreter herausgearbeitet haben . Ein wichtiges Anliegen für uns war die gesellschaft- liche Teilhabe von Menschen mit Behinderung – vor al- lem, den barrierefreien Zugang zur Justiz zu verbessern . Mit diesem Gesetzesentwurf wird hierfür eine wichtige Voraussetzung geschaffen . Durch viele Gespräche mit zum Beispiel sehbehinderten Menschen konnten deren Interessen so gut wie möglich im Gesetz Berücksichti- gung finden. Die flächendeckende Umstellung des Strafverfahrens auf elektronische Arbeitsgrundlagen ist ein ambitionier- tes Vorhaben, welches nur gelingen kann, wenn es gründ- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23789 (A) (C) (B) (D) lich vorbereitet und sorgfältig durchgeführt wird und wenn hierbei alle Beteiligten intensiv und vertrauensvoll zusammenarbeiten . Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Mit der heutigen Be- ratung möchten wir den Gesetzentwurf zur Einführung der elektronischen Akte im Strafverfahren zum Ende bringen . Ich möchte den Beteiligten für die guten Ver- handlungen und den gelungenen Abschluss danken . Es steht ein zukunftsweisender Gesetzentwurf zur Abstim- mung . Viele Anwaltskanzleien verzichten heute bereits auf die Papierakte, sodass nach Akteneinsicht nur noch eine Kopie in digitaler Form vorliegt . Die Vorteile lassen sich nicht von der Hand weisen: Umfangreiches Aktenmate- rial muss zur Hauptverhandlung nicht in den Gerichts- saal geschleppt werden . Der Strafverteidiger hat die Akte handlich und leicht transportabel auf dem Laptop dabei . Aber auch Ermittlungsbehörden und Gerichte sichten be- reits heute große digitalisierte Aktenbestände am Bild- schirm . Selbst die Papierakte besteht aus einer Vielzahl von Dokumenten, die auch elektronisch vorliegen, wie beispielsweise der Mailverkehr oder Vernehmungsproto- kolle . Die Einführung der elektronischen Akte im Straf- verfahren ist der logische Schritt, damit der technische Fortschritt nachvollzogen wird . Die Modernisierung der Strafjustiz ist uns ein großes Anliegen, zumal die elektronische Gerichtsakte in den anderen Verfahrensordnungen bereits im Jahr 2013 be- schlossen wurde . Ich bin überzeugt, dass die elektronische Aktenfüh- rung bei den Praktikern in der Justiz und Anwaltschaft auf Zustimmung stoßen wird . Um einen behutsamen Übergang zu schaffen und mögliche Startprobleme zu beseitigen, wird die elektronische Verfahrensakte erst im Jahr 2026 verpflichtend sein. Die Möglichkeit der elektronischen Aktenführung wird aber bereits ab dem Jahr 2018 bestehen . Wir haben ein Gesetz geschaffen, das wichtige Weichen für die Strafjustiz stellt und weit in die Zukunft reichen wird . Bereits in der ersten Lesung war es mir sehr wichtig, auf die Notwendigkeit eines ausreichenden Datenschut- zes hinzuweisen . Die elektronische Verfahrensakte stellt einen Eingriff in das grundrechtlich geschützte Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar . Nur bei einem absoluten Datenschutz wird dieser Grundrechtseingriff gewährleistet sein. Ein Abfließen von Informationen aus der Ermittlungsakte an die Öffentlichkeit würde die Be- schuldigtenrechte massiv einschränken . Einer Bekannt- gabe über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens folgt oftmals eine Vorverurteilung durch Medien und die Öffentlichkeit, sodass die Unschuldsvermutung wertlos erscheint . Es freut mich deshalb, dass in den Verhandlungen nochmals eine Klarstellung erreicht wurde, dass die tech- nischen Rahmenbedingungen auch dem jeweiligen Stand der Technik entsprechen müssen . In Zeiten von immer mehr Datenskandalen ist es die Pflicht des Staates, sen- sible Daten aus Ermittlungsverfahren mit höchster Sorg- falt zu behandeln. Zu dieser Pflicht gehört es auch, die technischen Voraussetzungen des Datenschutzes an den Fortschritt anzupassen . Nachdem die Bedenken aus unserer Sicht ausgeräumt werden konnten, bleibt mir nur, einen Blick in die Zukunft zu werfen . Ich verspreche mir mit der Einführung der elektronischen Akte eine Vielzahl von Synergieeffekten . Insbesondere das Versenden der Akten zwischen Staats- anwaltschaft und den ermittelnden Polizeibehörden oder an den Strafverteidiger zur Akteneinsicht nimmt derzeit noch viel Zeit in Anspruch . Mit einem schnellen Zugriff auf die elektronische Akte wird sich die Verfahrensdauer zwischen einer Tat und deren Aburteilung voraussicht- lich erheblich verkürzen . Dies wäre ein großer Schritt für mehr Vertrauen in und Akzeptanz der Justiz . Ich kann nur um Zustimmung zu diesem Gesetz bitten . Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): Im 21 . Jahrhundert sind wir in der Epoche der Digitalisierung angekommen . Auch wenn für den einen oder die andere das Internet noch Neuland ist, führt kein Weg davon zurück . Ohne elektronischen Datenverkehr und den Zugang zu Infor- mationen ist das heutige Leben unvorstellbar . In weiten Bereichen der privaten, geschäftlichen und öffentlichen Kommunikation hat sich die elektronische Dokumentenerstellung, -übermittlung und -speicherung durchgesetzt . Auch in den meisten gerichtlichen Verfah- rensordnungen besteht seit vielen Jahren die Möglichkeit der elektronischen Aktenführung . Strafakten sind dage- gen bislang noch in Papierform zu führen, obwohl die Mehrzahl der darin befindlichen Dokumente bereits mit- tels elektronischer Datenverarbeitung erstellt wurde und zunehmend auch elektronisch übermittelt werden wird . Daher wird mit diesem Gesetz nun auch in Strafver- fahren eine gesetzliche Grundlage für die Einführung ei- ner elektronischen Akte als Voraussetzung für einen Me- dienwechsel geschaffen, die den technischen Fortschritt nachvollzieht und die Strafjustiz modernisiert . Die mit einer elektronischen Aktenführung einhergehende au- tomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten er- möglicht im Vergleich zur papierbasierten Aktenführung eine wesentlich einfachere und schnellere Recherche, Filterung oder Verknüpfung von Daten . Zugleich werden die Vorschriften über den elektronischen Rechtsverkehr in Strafsachen an die Regelungen angeglichen, die für die übrigen Gerichtsbarkeiten bereits im Jahr 2013 geschaf- fen wurden . Damit die Bundesländer nicht zu sehr überfordert wer- den, sieht der Gesetzentwurf eine optionale elektronische Aktenführung bis zum 31 . Dezember 2025 vor und ver- langt sie erst ab dem 1. Januar 2026 als verpflichtend und flächendeckend. Somit haben die Justizverwaltungen der Länder nun acht Jahre Zeit, sich vorzubereiten und sie umzusetzen . Wie mein Kollege Dirk Wiese bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfes richtig betont hat, ist diese Anpassung dringend notwendig, denn alleine der Prozess der Erstellung von Strafakten entbehrt derzeit einer ge- wissen Logik . Nach dem fachlichen Austausch wurden die Experten- meinungen berücksichtigt und die Nachbesserungen mit Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723790 (A) (C) (B) (D) dem Änderungsantrag der Koalition eingepflegt. Die Er- gänzung in § 32 Absatz 2 dient der Klarstellung, dass die durch Rechtsverordnung zu bestimmenden datenschutz- rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen stets dem jeweiligen Stand der Technik entsprechen müssen . Für mich als Sozialdemokraten war besonders wich- tig, das Thema Barrierefreiheit zu berücksichtigen . Es soll ausdrücklich klargestellt werden, dass in allen Ver- fahrensordnungen auch die Anforderungen an die Bar- rierefreiheit der elektronischen Akten in den jeweiligen Rechtsverordnungen geregelt werden müssen . Die aus- drückliche Einbeziehung der Barrierefreiheit in die Ver- ordnungsermächtigung stärkt das Recht der Betroffenen auf barrierefreien Zugang zu den Akten . Zudem soll die Einhaltung der Anforderungen an die Barrierefreiheit in der vorgesehenen Evaluierung überprüft werden . Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Wir dis- kutieren heute hier abschließend über die gesetzlichen Grundlagen für die Führung elektronischer Akten in Strafsachen . Das ist ein scheinbar trockenes und unspan- nendes Thema . Ist es aber nicht, denn mit der Einführung elektronischer Aktenführung könnte die Akteneinsicht auch in Zivilverfahren in Zukunft über ein elektronisches Akteneinsichtsportal möglich werden . Und das wäre eine gute Sache, wie alle bestätigen werden, die schon einmal mit so einem Verfahren zu tun hatten . Das Gesetzesvor- haben ist damit ein wichtiger Schritt in die richtige Rich- tung, um den Herausforderungen der Digitalisierung im Justizalltag insbesondere auch in Strafverfahren gerecht werden zu können . Der Gesetzentwurf sieht vor, ab dem 1 . Januar 2018 für einen Übergangszeitraum bis zum 31 . Dezember 2025 elektronische Akten in Strafsachen führen zu kön- nen, um sie danach ab dem 1. Januar 2026 verpflichtend und flächendeckend einzuführen. So viel zum positiven Teil des Vorhabens . Denn die Umsetzung des Gesetzes- vorhabens ist mal wieder, wie so oft bei Gesetzentwürfen der Bundesregierung, eine Mischung aus ein paar guten und vielen mangelhaften oder schlechten Bausteinen . So besteht bei der Überführung der Aktendokumen- te von stofflichem in elektronisches Medium die Unsi- cherheit, ob die elektronische Akte im Vergleich zu dem, was bisher in der Strafrechtspflege unter einer Akte zu verstehen war, auseinanderfallen könnte . Hier sind Fra- gen bezüglich der Aktenvollständigkeit und Authentizi- tät offen geblieben . Um diese Unsicherheiten ausräumen zu können, wäre es notwendig, eine umfassende Doku- mentations- und Kontrollpflicht im Gesetz zu verankern. Davon ist allerdings in dem heute zur Abstimmung ste- henden Entwurf nichts zu erkennen . Alle Versuche, hier nachhaltige Verbesserungen zu erreichen, waren ver- gebens, auch wenn die Koalitionsfraktionen mit einem eigenen Änderungsantrag wenigstens die schlimmsten Mängel gemildert haben . Für die Linke ein klarer Kri- tikpunkt . Darüber hinaus werfen die im Gesetz geregelten Ein- sichtsmöglichkeiten eines nicht anwaltlich vertretenen Verletzten Fragen bezüglich des Schutzes der Persönlich- keitsrechte von Zeugen und Beschuldigten auf . Für die Linke nicht nachvollziehbar . Unklar bleibt, wie die Akteneinsicht für einen Be- schuldigten geregelt sein soll, der sich in Untersuchungs- haft befindet. Darauf ist nachdrücklich aufmerksam gemacht worden . Ergebnis: Null Reaktion der Koaliti- onsmehrheit . Für die Linke völlig unverständlich . Schließlich fehlen im Gesetzentwurf verbindliche Aussagen zur Frage sicherer Übertragungswege sowie notwendiger technischer Infrastruktur . Dabei betont der Gesetzentwurf in seiner Begründung diese Dinge ausdrücklich . Zu Recht, wie die Linke meint . Aber die konkrete Ausgestaltung hält damit nicht Schritt . Dies betrifft insbesondere den elektronischen Datenaustausch zwischen Verteidiger und Gericht . Was in aller Welt hat Sie darüber hinaus geritten, den Betrieb der notwendigen technischen Infrastruktur auch für private Auftragnehmer offen zu halten? Damit besteht berechtigterweise Grund zu der Annahme, dass sich die sensiblen Akten dann nicht mehr in der alleinigen Kontrolle der Justiz befin- den . Auch die nachträglich eingearbeitete Zugangsbe- schränkung durch die öffentliche Hand heilt aus Sicht der Linken diesen Mangel nicht und räumt die auch in der Anhörung vorgetragenen Bedenken nicht hinreichend aus . Alles in allem: Ein notwendiges Gesetz, aber ober- flächlich und nicht in allen Fragen nachhaltig gestaltet. Die Linke wird ihm deshalb nicht zustimmen und sich stattdessen der Stimme enthalten . Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Letz- te Woche durften wir erleben, wie kriminelle Elemente mit dem größten Cyberangriff der Geschichte weltweit Krankenhäuser und sonstige sensible Infrastruktur lahm- legten, um Lösegeld für die Freigabe der Daten zu er- pressen . Die Einführung der elektronischen Akte auch im Strafverfahren ist zwar ein hehres Ziel und kann am Ende, wenn sie gelingt, vielleicht sogar eine Arbeitser- leichterung in der Praxis erbringen . Der Nutzervorteil muss aber im Verhältnis stehen zu den Risiken, die durch die elektronische Akte entstehen – und davon sind wir heute noch weit entfernt . Trotzdem will die Bundesregierung, dass wir hier heute das Jahr 2026 als einheitlichen Verbindlichkeitster- min für alle Verfahrensordnungen beschließen, obwohl das Gesetz bislang weder datenschutzrechtlichen noch grundgesetzlichen Maßstäben genügt . Wir stehen mit unserer Kritik keinesfalls alleine da . Viele unserer Bedenken im Hinblick auf die elektroni- sche Akte in Strafsachen wurden in dem Berichterstatter- gespräch im Januar bestätigt . Der Richterbund etwa hat zu Recht darauf hingewie- sen, dass neben datenschutzrechtlichen Aspekten die Nutzervorteile im Vordergrund stehen müssten – schließ- lich soll die elektronische Aktenführung Prozesse und Abläufe erleichtern . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23791 (A) (C) (B) (D) Praktiker, die bereits Erfahrung mit der elektronischen Akte haben, berichten jedoch über erhebliche Arbeitser- schwerung in den Abläufen . Aufgrund der Mängel und Unklarheiten werden derzeit elektronische Zweitakten neben der Papierakte geführt . Das ist keine Arbeitser- leichterung, sondern bürokratische Absurdität . Zunächst einmal müssten die entsprechenden Pilot- und Modellprojekte vernünftig ausgewertet werden, be- vor womöglich auf Kosten des Datenschutzes und der Rechte der Betroffenen Nägel mit Köpfen gemacht wer- den . Auch aus den Reihen der Strafverteidiger wurden be- rechtige Bedenken geäußert . Es sei etwa wichtig, die Ak- tenauthentizität und Aktenintegrität sicherzustellen, da ansonsten eine Verletzung des Rechts auf eine effektive Strafverteidigung aus Artikel 6 EMRK verletzt würde . Um dieses Recht zu gewährleisten, muss die Strafvertei- digung Einblick in die Akten nehmen könne, so wie sie dem Gericht vorliegen . Aus Praktikersicht muss unbedingt geklärt werden, wie Beweisdokumente übermittelt werden müssen, auch die vorgesehene Löschung der Beweismittel nach sechs Monaten sei unverantwortlich, solange das Verfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen sei . Der Datenschutz wird bei dem Gesetzentwurf noch immer sträflich vernachlässigt. Die Datenschutzbeauf- tragte stellte in der Anhörung klar, dass die technische Datensicherheit Aufgabe des Gesetzgebers sei und die- se Aufgabe gerade bei so sensiblen persönlichen Daten nicht durch Verordnungsermächtigung delegiert werden dürfe . Und die Bundesregierung hat mit ihrem Änderungs- antrag nicht wirklich nachgebessert . Selbst die Bedenken ihrer eigenen Datenschutzbeauftragten nimmt sie nicht ernst und behauptet wider besseres Wissen, dass weitere Konkretisierungen im Bereich des Datenschutzes nicht erforderlich seien . Strafakten dürfen kein Informationspool werden, es darf nicht zu einer unzulässigen Aufweichung der Zweck- bindung beim Zugang zu den Daten kommen . Durch die vorgesehenen Regelungen besteht die Gefahr, dass die Funktion der Strafakte als Verwaltungsgedächtnis aufge- weicht und sie zunehmend zum Daten- oder Informati- onspool wird . Das wäre allerdings mit dem Grundgesetz nicht vereinbar . Mit dem Änderungsantrag haben Sie jetzt zwar an verschiedenen Verfahrensordnungen geschraubt, die maßgeblichen Kritikpunkte haben Sie jedoch nicht auf- gegriffen . Die für den Bereich des Ermittlungs- und Strafverfah- rens maßgebliche EU-Richtlinie wurde mit dem neuen Bundesdatenschutzgesetz zwar umgesetzt, aber das er- setzt keinesfalls die bereichsspezifischen, datenschutz- rechtlichen Regelungen in der Strafprozessordnung selbst . Soll es wirklich 17 verschiedene Rechtsverord- nungen von Bund und Ländern dazu geben? Gerade die besondere Sensibilität des Umgangs mit höchstpersönlichen Daten von Beschuldigten, Zeugen und Nebenklägern und das durch Digitalisierung und neue Zugangs- und Verbreitungsmöglichkeiten geschaf- fene Gefahrenpotenzial für Grund- und Verfahrensrechte erfordern eine besondere Sorgfalt im Gesetzgebungsver- fahren . Die sehe ich hier aber nicht, im Gegenteil . Sie zäumen das Pferd von hinten auf und schaffen ge- setzliche Tatsachen ohne Rücksicht darauf, ob die Um- setzung überhaupt leistbar und verantwortbar ist . Auch für den elektronischen Rechtsverkehr gilt: Erst müssen wir die Risiken beherrschen, bevor wir das Sys- tem umstellen und uns in neue Abhängigkeiten begeben . Solange dies nicht gewährleistet ist, werden wir einer gesetzlichen Umstellungspflicht nicht zustimmen. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des E-Government-Gesetzes (Tagesord- nungspunkt 28) Marian Wendt (CDU/CSU): Mit dem heute zu be- schließenden Open-Data-Gesetz veröffentlichen wir die Datenbestände der unmittelbaren Bundesverwaltung als Open Data . Dies ist der erste große Schritt zu einer all- gemeinen Öffnung der Datenschätze in Deutschland . Der Bund ist damit Vorbild für alle Länder und Kommunen, die zwar teilweise schon eigene Projekte zur Veröffent- lichung der Verwaltungsdaten haben, welche aber noch nicht ausreichend gut koordiniert und vereinheitlicht sind . Daten werden zu Recht häufig als das neue Öl be- zeichnet . In Ländern, die bereits eine etablierte Strate- gie zur Veröffentlichung ihrer jeweiligen Datenschätze haben, zeigt sich, wie groß der aus ihnen zu schöpfende Nutzen sein kann . Großbritannien hat mit seiner umfas- senden Initiative, alle Regierungsdaten offenzulegen, be- reits einen großen Mehrwert für seine Bürger geschaffen . Die britische Regierung schätzt den positiven Effekt auf über 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ein; das ist ein dreistelliger Milliardenbetrag . Welche Daten wie genutzt werden können und welche Daten nicht, ist im Vorhinein nur sehr schwer abschätz- bar . Das macht eine selektive Strategie bei der Veröffent- lichung von Daten sehr schwer . Der Schlüssel dazu, wirt- schaftlichen Nutzen zu stiften, liegt darin, die gesamte Bandbreite aller möglichen Daten freizugeben . Natürlich geschieht dies mit der Voraussetzung, dass Datenschutz sowie sicherheits- und urheberrechtliche In- teressen mitbedacht sind . Sie müssen stets Teil der Er- wägungen zu Open Data sein . Mit dem Verweis auf die Einschränkungsgründe für die Veröffentlichung im In- formationsfreiheitsgesetz haben meine Kollegen und ich eine gute, abwägende Lösung gefunden, die bereits in der Praxis erprobt ist . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723792 (A) (C) (B) (D) Dass kleine und neue Unternehmen, also Start-ups, durch den wesentlich vereinfachten Informationszu- gang einen leichteren Marktzutritt bekommen, finde ich besonders wichtig . Große, etablierte Unternehmen wie Google oder Amazon haben bereits große Datenbasen, aus denen sie schöpfen können . Neue Unternehmen mit innovativen Ideen haben jetzt die Möglichkeit, aus dem Datenstroh sprichwörtlich Gold zu spinnen . Die Anlehnung des Open-Data-Gesetzes an die zehn Prinzipien der Sunlight Foundation, die meine Kollegin- nen und Kollegen der CDU/CSU-Fraktion auch in un- serem Thesenpapier zu Open Data aufgegriffen haben, ist ein richtiger Schritt . Dieses Gesetz orientiert sich an international anerkannten und mittlerweile in verschiede- nen Ländern erprobten Grundprinzipien für Open Data . Diese sind im Übrigen auch von der Enquete-Kommis- sion „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages in der vergangenen Wahlperiode für ein Open-Data-Gesetz empfohlen worden . Der breite Konsens, der in der politischen Debatte in- nerhalb und außerhalb des Bundestages herrscht, stimmt mich zuversichtlich . Open Data benötigt aber auch einen Kulturwandel in den Verwaltungen . Einen Kulturwandel weg von den Verwaltungen mit Herrschaftswissen, weg von dem Gedanken „Da könnte ja jeder kommen“ . Mit Open Data kann jeder kommen und die Daten nutzen . Das ist gerade der Schlüssel . Experimentieren, auspro- bieren und dann sinnvolle Möglichkeiten finden, die Da- ten zu nutzen – da liegt ein Schlüssel zu Open Data . Aber es muss auch einen Wandel geben, was die Aus- stattung von Verwaltungen und deren Arbeit angeht . Nur ein Wechsel von Papier auf elektronische Dokumen- te reicht nicht . Es muss auch ein umfassender Wandel einsetzen in der Frage, wie Verwaltungen arbeiten . Der vielfach bewährte Grundsatz des Förderns und Forderns könnte auch in diesem Zusammenhang die nötigen An- reize bieten . Die Digitalisierung der Verwaltungen – das zeigt der kürzlich veröffentlichte Evaluierungsbericht zum Regierungsprogramm 2020 – ist noch nicht weit ge- nug fortgeschritten . In Zeiten eines scheinbar wachsenden Misstrauens in den Staat und seine Organe wird Open Data zu mehr Ver- trauen in den Staat führen . Entscheidungen werden nach- vollziehbarer . Willkür wird ein Riegel vorgeschoben, und dies kann den Menschen glaubwürdig gezeigt werden . Verwaltungshandeln, das durch offenliegende Entschei- dungsgrundlagen nachvollziehbarer und transparenter ist, fördert auch innerhalb der Verwaltungen die Anrei- ze zu mehr Sorgfalt und Genauigkeit . Bürger können so besser beteiligt werden und haben die Möglichkeit, eben ohne großen bürokratischen Aufwand Entscheidungen in Eigenregie zu hinterfragen . Dies steigert die Legitimität unseres staatlichen Handelns erheblich . Dabei ist klar festzuhalten: Ein neues Informations- freiheitsgesetz ist das Open-Data-Gesetz nicht . Es geht nicht um den Rechtsanspruch des Einzelnen gegenüber der Verwaltung in ausgewählten Verwaltungsverfahren, sondern eben um die große und zusammenhängende Ver- öffentlichung von Daten der Verwaltung . Daten sind in diesem Sinne die erhobenen Rohdaten, die in einem Ver- waltungsvorgang als Entscheidungsgrundlage dienten oder dienen, nicht aber der Vorgang selbst . In den Debatten der vergangenen Wochen ist klar ge- worden, dass Deutschland in Bezug auf die Veröffentli- chung von Verwaltungsdaten jetzt einen großen Schritt braucht . Diesen Schritt gehen meine Kollegen und ich mit diesem Gesetz . Ich persönlich freue mich auf die innovativen Ideen, die das Leben der Menschen in un- serem Land lebenswerter und besser machen . Ideen, die nachhaltig Werte schaffen werden . Denn im Grunde ist Open Data genau dies: eine Strategie, wirtschaftliches Handeln der Menschen zu ermöglichen, das vorher eben nicht möglich war . Saskia Esken (SPD): In einem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion aus dem Jahr 2013 heißt es: „Transpa- renz ist konstitutiv für den demokratischen und sozialen Rechtsstaat . Transparenz stärkt die demokratischen Be- teiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger, erleichtert Planungsentscheidungen, wirkt Staatsverdrossenheit ent- gegen und erschwert Manipulationen und Korruption .“ Mit der Offenlegung von Daten der Verwaltung und mit der Transparenz ihres Handelns, also mit den Pro- jekten um Open Data und Open Government, verfolgen wir zentrale innenpolitische Projekte der digitalen Agen- da, die die Bundesverwaltung modernisieren und für die Gesellschaft öffnen . Die SPD-Bundestagsfraktion will das Recht der Bür- gerinnen und Bürger auf Informationsfreiheit seitens der Verwaltung weiterentwickeln . Wir wollen, dass die Verwaltung ihr Wissen nicht auf Anfrage, sondern pro- aktiv und lesbar für Menschen und Maschinen öffentlich macht, sodass jeder und jede darauf zugreifen kann . Wir wollen also einen Rechtsanspruch auf offene Daten, auf Open Data . Diese Transparenz ist gut für die Bevölkerung, da sie ohne die Mühe des Antragstellens auf Verwaltungsdaten zugreifen kann . Die Transparenz signalisiert den Bürge- rinnen und Bürgern, dass der Staat keine Geheimnisse vor seinem Auftraggeber, dem Volk, hat . Die Transpa- renz wirkt sich aber auch für die Verwaltung positiv aus, denn sie muss nur einmal gründlich überlegen: Eignet sich diese Information zur Veröffentlichung, oder unter- liegt sie einem Ausnahmetatbestand, zum Beispiel dem Datenschutz? Die Transparenz und der freie Zugang zum Wissen der Verwaltung können zu neuen, nützlichen Anwendungen führen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen kön- nen: ein Stadtplan, der Pollenkonzentrationen anzeigt, aus Verkehrsdaten zusammengestellte Routenplaner für Fahrradwege in Großstädten oder eine Zusammenfüh- rung der Wartelisten aller Kitas in einem Bezirk – der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt, ebenso wenig wie dem gesellschaftlichen Mehrwert . Ich freue mich deshalb, dass die Koalition nach lan- gem Warten noch in dieser Legislaturperiode den Ent- wurf eines Open-Data-Gesetzes als Änderung des E-Gov ernment-Gesetzes zur Beratung eingebracht hat . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23793 (A) (C) (B) (D) Leider konnten wir uns mit unserem Koalitionspartner nicht auf einen einklagbaren Rechtsanspruch auf Open Data verständigen . Das Gesetz enthält nun aber in einem ersten Schritt die Verpflichtung der unmittelbaren Bun- desbehörden, ihre Daten proaktiv der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen . In den parlamentarischen Beratungen ist es uns darü- ber hinaus gelungen, den Gesetzentwurf zu verbessern . Wir haben den Katalog der Ausnahmetatbestände, die die Veröffentlichung der Daten verhindern, auf das Nö- tige beschränkt . Er entspricht jetzt dem Ausnahmekata- log aus dem Informationsfreiheitgesetz . Damit sorgen wir für Einheitlichkeit und Rechtsklarheit; denn es wäre widersinnig, wenn die Behörden Daten nicht offenlegen müssten, die sie dann aber auf Verlangen nach dem Infor- mationsfreiheitsgesetz herausgeben müssten . Auch ist es uns gelungen, die Verpflichtung für die Offenlegung der Daten festzuschreiben, die vor Inkraft- treten des Gesetzes erhoben worden sind, sofern diese bereits in elektronischer Form vorlagen und verwendet wurden . Es ist uns mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ein großer Schritt in Richtung offener Verwaltungsdaten gelungen, doch wir wollen uns auf diesem Gesetz nicht ausruhen . Ich erwarte insbesondere, dass uns die Evalua- tion des Gesetzes zur Weiterentwicklung hin zu einem Rechtsanspruch auf Open Data führen wird . Der rich- tige Regelungsstandort wäre unserer Auffassung nach das Informationsfreiheitsgesetz, das die SPD zu einem Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz weiterent- wickeln will . Ich würde mich sehr freuen, wenn uns dies in der nächsten Legislaturperiode gelänge . Sebastian Hartmann (SPD): Mit der Änderung des E-Government-Gesetzes beschließen wir heute das ers- te bundesweite Open-Data-Gesetz . Damit setzen wir ein Vorhaben um, das die SPD im Koalitionsvertrag durch- setzen konnte und worauf wir lange gedrängt haben: ein Gesetz, das die unmittelbaren Bundesbehörden zur Bereitstellung offener Daten in einheitlichen maschinen- lesbaren Formaten und unter freien Lizenzbedingungen anhält . Das ist ein großer Schritt im Sinne einer nutzer- freundlichen und transparenten öffentlichen Verwaltung, der nach dem von der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2005 auf den Weg gebrachten Informationsfreiheits- gesetz aber auch notwendig geworden ist . Bereits damals hat sich die SPD als Vorreiter darangemacht, die Behör- den transparenter zu gestalten, und auch heute ist es die SPD, die vorangeht in dem Bestreben nach einer effizien- ten und offenen Bundesverwaltung . Denn offene Daten sind heute mehr denn je von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Innovationskraft der Wirtschaft und mehr Teilhabe für interessierte Bürgerinnen und Bürgern . Offene Daten ermöglichen Impulse für Innovationen und liefern neue Geschäftsmodelle für Unternehmen . In der ersten Lesung zur Änderung des E-Govern- ment-Gesetzes hatte ich einige Punkte des Regierungsent- wurfes angesprochen, bei denen noch Nachbesserungsbe- darf bestand . Gemeinsam mit den Unionskollegen haben wir nun substanzielle Verbesserungen erreicht . So wird der Übergangszeitraum für die Behörden der unmittelba- ren Bundesverwaltung für die erstmalige Bereitstellung der Daten von drei auf zwei Jahre begrenzt . Zudem sind nun nicht nur die Daten bereitzustellen, die nach dem Inkrafttreten erhoben wurden . Auch maschinenlesbare Rohdaten, die bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes entstanden sind, aber weiterhin oder erneut verwendet werden, sind nun in dem Gesetz mit eingefasst . Vor al- lem haben wir die verschiedenen Ausnahmeregelungen auf den bereits bestehenden und in den Verwaltungen bekannten Katalog des Informationsfreiheitsgesetzes be- schränkt . Ausgenommen sind solche Daten, die Persön- lichkeitsrechte betreffen, Belange der äußeren oder inne- ren Sicherheit berühren sowie den Schutz des geistigen Eigentums und des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses Dritter verletzen . Dadurch, dass wir auf den Ausnahme- katalog des IFG verweisen, geben wir den Mitarbeiterin- nen und Mitarbeitern in den Verwaltungen eine klare und bereits bekannte Regelung an die Hand und machen es nicht komplizierter, als unbedingt notwendig . Es gibt noch weitere Punkte, die wir explizit in die Evaluation aufgenommen haben, da sie für eine zukünf- tige Weiterentwicklung des Open-Data-Gesetzes zu prü- fen sind . Die Erweiterung des Anwendungsbereiches auf mittelbare Bundesbehörden, unter anderem die Bundes- agentur für Arbeit oder der Einbezug von Forschungs- daten, sind Aspekte, die wir genau prüfen werden . Aber nun haben wir einen ersten Schritt getan, und das Gesetz bietet schon heute in Verbindung mit dem vorliegenden Änderungsantrag eine große Chance für einen echten Schub der Digitalisierung Deutschlands . Wir haben uns in weiten Teilen mit unserem Anliegen einer modernen und transparenten Verwaltung durchset- zen können . Für einen umfassenden Rechtsanspruch und eine Umkehr des Regel-Ausnahme-Verhältnisses werden wir uns auch weiterhin einsetzen . Das Open-Data-Gesetz sehe ich als einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zu einem modernen und umfassenden Transparenzgesetz, in dem das Informationsfreiheitsgesetz, das Open-Data-Ge- setz und weitere Gesetze zu Auskunftsrechten gegenüber Bundesbehörden zusammengefasst werden . Dafür setzt sich die SPD-Bundestagsfraktion weiterhin ein . Aber nun stimmen wir dem vorliegenden Gesetzentwurf zu und nehmen damit einen wichtigen Schritt auf dem Weg . Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Als ich hier vor nicht allzu langer Zeit zur ersten Lesung des vorliegenden Ge- setzes geredet habe, habe ich Kritik sowohl im großen Ganzen als auch an einzelnen Details geübt . Mit Blick auf die Änderungen, die die Koalition noch am Entwurf vorgenommen hat, kann ich feststellen: Die Kritik im Detail scheint an vielen Stellen angekommen zu sein, die größeren Probleme bleiben bestehen . Es ist zu begrüßen, dass jetzt einige sinnlose Beschrän- kungen wegfallen sollen, die im ursprünglichen Entwurf für die Veröffentlichung offener Daten vorgesehen wa- ren . Das betrifft einige Ausnahmeregelungen, die über jene des Informationsfreiheitsgesetzes hinausgehen, die Anwendung auf in der Vergangenheit erhobene Datensät- ze und die begrenzte Zuständigkeit der Beratungsstelle . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723794 (A) (C) (B) (D) Aber größere Lücken bleiben bestehen . Insbesondere wird das Gesetz weiterhin nur Behörden der unmittel- baren Bundesverwaltung zur Bereitstellung von Daten verpflichten. Dass Sie jetzt diesen Punkt noch einmal ex- plizit in den Evaluationsauftrag aufnehmen – wie auch die Ausnahme für zu Forschungszwecken erhobene Da- ten –, ist reine Kosmetik . Denn natürlich sollte von einer Evaluation zu erwarten sein, dass sie sämtliche Einzelre- gelungen in den Blick nimmt . Evaluationsaufträge ersetzen aber keinen politischen Willen . Entweder will man durch die öffentliche Hand erhobene Daten in möglichst großem Umfang der Allge- meinheit zur Verfügung stellen – oder eben nicht . Andere große Lücken verbleiben im Gesetzentwurf und fehlen nun auch in der Liste der zu evaluierenden Fragen . Insbesondere sollen weiterhin keine Daten ver- öffentlicht werden, die die öffentliche Verwaltung selbst betreffen, also etwa keine offenen Haushaltsdaten oder Daten über Zuwendungen . Auch soll es nach wie vor kei- nen durchsetzbaren rechtlichen Anspruch auf die Veröf- fentlichung geben . Daraus wird die diesem Gesetz zugrunde liegende Linie deutlich sichtbar: Offene Daten werden hier aus- schließlich als wirtschaftlicher Faktor gesehen, und da- ran hat auch der Änderungsantrag an keiner Stelle etwas bewegt . Auch wenn das ein wichtiger Aspekt ist, wäre es ein großer Fehler, die Potenziale offener Daten für die Demokratie zu ignorieren . Offene Daten können dazu beitragen, Informations- gefälle zwischen Politik und Öffentlichkeit abzubauen . Sie können eine Grundlage nicht nur für wirtschaftliche Verwertung, sondern auch für politische Beteiligung und zivilgesellschaftliches Engagement sein . Um dieses Ziel tatsächlich zu erreichen, führt kein Weg daran vorbei, gesetzlich ein umfassendes, im Ein- zelfall durchsetzbares Recht auf die Veröffentlichung von Informationen zu schaffen . Dazu brauchen wir die Weiterentwicklung des Informationsfreiheitsgesetzes zu einem echten Transparenzgesetz, wie es mehrere Bun- desländer schon vorgemacht haben . Ein überzeugender Schritt in diese Richtung ist der vorliegende Gesetzentwurf nicht . Aber selbst als reines Open-Data-Gesetz überzeugt es nur begrenzt . Da das Thema nicht erst seit gestern auf der Agenda steht, hätte man hier mehr erwarten können . Als Fazit am Ende der Legislaturperiode bleibt festzustellen: Den tatsächlichen Übergang zur Öffnung der staatlichen Datenbestände, der sich mit dem Begriff Open Data verbindet, hat diese Bundesregierung nicht in die Wege gebracht . Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es kommt vielleicht nicht ganz überraschend am Ende einer Regierungsbilanz, die im Bereich der Digitalpolitik vor allem durch Kompetenzstreitigkeiten und ein Wirrwarr an Zuständigkeiten geprägt war und in der wir von we- nig ambitionierten Visionen – ich sage nur: 50 Mbit pro Sekunde – und handwerklich schlechten Gesetzen – ich sage nur: Störerhaftung – beileibe genug gesehen haben: Auch im Bereich der offenen Daten springt die Große Koalition einmal mehr zu kurz . Besonders enttäuschend – und da spreche ich sicher nicht nur für meine Fraktion – war in dieser Hinsicht auch Ihr Änderungsantrag, sehr geehrte Damen und Her- ren der Großen Koalition . Nachdem Ihr Gesetzentwurf von verschiedensten Seiten aus in der Kritik stand, gera- de auch vonseiten der Fachszene und der Fachverbände, hätten nicht nur wir uns von Ihrem Änderungsantrag noch ein paar grundsätzliche Nachbesserungen erhofft . Diese sind leider ausgeblieben . Geringfügige Verbesserungen wie beispielsweise die Verkürzung der Übergangsfrist zur Bereitstellung von Daten durch die Behörden bei unverhältnismäßig hohen Aufwänden von drei auf „nur“ zwei Jahre und eine – wenn auch nur partiell geltende – Rückwirkung bei der Bereitstellung bereits vor dem In- krafttreten des Gesetzes erhobener Daten können nicht darüber hinwegtäuschen, dass keine der offensichtlichen und überfälligen Stellschrauben angegangen wurde . Im Gegenteil erweitern Sie in Ihrem Änderungsantrag auch noch die Ausnahmevoraussetzungen unter Bezugnahme auf das elf Jahre alte Informationsfreiheitsgesetz . Offene Daten haben – da sind wir uns ja alle einig – eine enorme Bedeutung für Mitbestimmung, Teilhabe, Transparenz und nicht zuletzt auch für die Kontrolle der öffentlichen Verwaltung durch Bürgerinnen und Bürger, und – das möchte ich an dieser Stelle auch noch einmal explizit erwähnen – sie leisten einen wichtigen Beitrag, um das Informationsungleichgewicht zwischen öffentli- cher Verwaltung und Gesellschaft zu verringern . Zugleich haben sie einen großen Wert für alle, die aus diesen Informationen mehr machen, als es die Behörden mit ihren begrenzten Ressourcen tun können und sollten . Also für die, die kreativ sind, querdenken, mittels neu- er Auswertungen, Anwendungen und Verknüpfung mit anderen Daten zusätzliches Wissen generieren, Prozesse vereinfachen oder zusätzliche Angebote schaffen, die uns allen zugutekommen . Es hätte sich also wirklich sehr ausgezahlt, mutiger zu sein in diesem Gesetzentwurf . Durch eine umfassen- de Berücksichtigung der Datenbestände nicht nur der Bundesbehörden, sondern auch der öffentlichen Stiftun- gen und Körperschaften hätten Sie zeigen können, dass Deutschland nicht vorhat, bei Open Government weiter- hin auf den hinteren Plätzen der Industrienationen zu ver- harren . Sie hätten zeigen können, dass es ein Ziel dieser Regierung ist, eine transparente, bürgerfreundliche und leistungsstarke digitale Verwaltung zu etablieren, die kei- ne Angst davor hat, in ihrem Verwaltungshandeln einer informierten Bewertung der Bürgerinnen und Bürger zu unterliegen . Sie hätten mit modernen Datenschutzstan- dards und deren konsequenter Berücksichtigung im Zuge der Prozesse der Bereitstellung offener Daten beweisen können, dass für Datenschutz und IT-Sicherheit auch in deutschen Behörden höchste Ansprüche gelten, anstatt sich hier auf elf Jahre alte Standards zu verlassen, die aus einer Zeit stammen, in der mit dem Begriff „Big Data“ noch niemand etwas anzufangen wusste . Und nicht zu- letzt hätten Sie der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft auf Grundlage der mit ihren Steuergeldern erhobenen Daten ein echtes Angebot machen können für moderne, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23795 (A) (C) (B) (D) innovative und auf hohen Datenschutzstandards basie- rende neue und kreative Anwendungen und Dienstleis- tungen . Meine Damen und Herren der Großen Koalition, Sie hätten hier die Gelegenheit zu einer wirklichen Reform und dem Vorlegen eines echten und umfassenden Trans- parenzgesetzes gehabt . Diese Chance haben Sie verge- ben . Wir können Ihrem Gesetzentwurf deshalb so nicht zustimmen . Dr. Ole Schröder, Parl . Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: Mit dem vorgelegten Gesetzent- wurf werden rund 300 Behörden des Bundes verpflichtet werden, ihre Daten für den Bürger zu öffnen . Mit der Regelung wird ein Paradigmenwechsel eingeleitet . Die Offenlegung erklären wir zum Standard . Die Nichtveröf- fentlichung wird fortan zur Ausnahme . Open Data, das heißt die Bereitstellung von Datenbe- ständen zur freien Verwendung, ist ein Thema, das sich international, aber vor allem auch in Europa rasant wei- terentwickelt . Die Bundesregierung geht nun innerhalb von Deutschland voran . Mit der Erklärung zur Teilnahme an der internatio- nalen Open Government Partnership hat die Bundesre- gierung im vergangenen Dezember bekräftigt, dass sie mehr Offenheit anstrebt . Solch ein Kulturwandel ist je- doch nicht einfach zu erwirken und kann nicht von oben verordnet werden . Man muss diesen Wandel schrittweise herbeiführen . Dieses Gesetz bildet eine Rechtsgrundlage für die Veröffentlichung von Daten und macht dies zugleich zur öffentlich-rechtlichen Aufgabe . Ganz bewusst ist im Gesetz die Evaluierung der Regelung vorgesehen . So verpflichtet sich die Bundesregierung, die erzielten Wir- kungen mit den Absichten zu vergleichen . Das eröffnet die Möglichkeit, je nach Entwicklung Anpassungen vor- zunehmen und das Thema weiterzuentwickeln . Sicherlich wird es bei der Umsetzung des Gesetzes Herausforderungen geben . Die Verwaltungskultur wan- delt sich nicht automatisch, nur weil ein neuer Geset- zestext existiert . Es wird stark auf die Vermittlung von Wissen und auf geeignete Beratung ankommen, um den Open-Data-Gedanken in der Verwaltung zu vertiefen . Das Gesetz sieht daher die Einrichtung einer Beratungs- stelle vor, die diesen Wissensaufbau begleiten und gestal- ten soll . Hier wird der Veränderungsprozess koordiniert und das Thema insgesamt weiterentwickelt . Hinzu kommt, dass die Beratungsstelle nun auch als Ansprechstelle für die Länder dienen soll . Bereits in der ersten Lesung hat die Bundesregierung darauf hingewie- sen, dass Open Data nur dann erfolgreich werden kann, wenn alle Ebenen an einem Strang ziehen . Das kann aber nicht von einer einzigen Beratungsstelle organisiert wer- den . Hier ist letztlich auch jeder Einzelne gefragt, die Botschaft in seinen Wahlkreis zu tragen und für ein ge- meinsames Vorgehen zu werben . Die Gelegenheit ist günstig: Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme die Initiative der Bundesregie- rung ausdrücklich begrüßt . Zudem hat die Ministerprä- sidentenkonferenz beschlossen, dass auch die Länder Open-Data-Gesetze erlassen werden . Diesen Schwung müssen wir nutzen, um Open Data weiter voranzubrin- gen . Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt eine wichtige Grundlage für mehr einheitliches Open Data in Deutschland vor . Ich bitte Sie daher, das Thema gemeinsam zu unterstützen und dem Gesetzentwurf zu- zustimmen . Anlage 12 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. André Hahn (DIE LINKE) zu der Abstimmung über den von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des E-Government-Gesetzes (Tages- ordnungspunkt 28) Ich enthalte mich bei diesem Gesetzentwurf aus fol- genden Gründen: Der Vorstoß, eine „Open Data“-Regelung für von Bundesbehörden erhobene Rohdaten zu schaffen, ist vor allem durch einen behaupteten wirtschaftlichen Nutzen in Milliardenhöhe motiviert, nicht durch Trans- parenzziele . Es gibt daher auch keinen Rechtsanspruch von Bürgerinnen und Bürgern auf die von öffentlichen Stellen erhobenen Daten und damit, anders als im Infor- mationsfreiheitsgesetz (IFG), auch keine Einklagbarkeit . Gegenüber dem Informationsfreiheitsgesetz werden so- gar zusätzliche Ausnahmetatbestände geschaffen . Für die betroffenen Verwaltungen ist keine angemessene perso- nelle Verstärkung zur Umsetzung der Vorgaben des Ge- setzentwurfs vorgesehen . Die Linke sieht deshalb im Ausbau des IFG hin zu ei- nem Transparenzgesetz den deutlich besseren Weg, die Ziele von „Open Data“ zu verwirklichen . Anstelle müh- samer Kleinarbeit der Bürgerinnen und Bürger, für ihr Anliegen die jeweils zuständigen Stellen zu finden und mit kostenpflichtigen Anträgen zur Herausgabe von In- formationen zu bewegen, stünde dann eine weitgehende Veröffentlichungspflicht der Behörden. Die Koalition hat zu ihrem Änderungsantrag eine er- gänzte Fassung vorgelegt . Sie enthält – im Übrigen ohne jeden Sachbezug – eine weitere Änderung, mit der die Frist zur Beantragung von Entschädigung nach dem Do- pingopferhilfegesetz um ein Jahr verlängert werden soll . Diese Änderung findet meine ausdrückliche Zustim- mung, auch wenn eine gänzliche Streichung der Frist die bessere Lösung wäre . Allerdings wird es dem Leid der Opfer des Dopings in der DDR nicht gerecht, diese Fristverlängerung in einem völlig sachfremden Änderungsantrag zu verstecken . Zudem fehlt im Gesetz über eine finanzielle Hilfe für Dopingopfer weiterhin die Öffnung gegenüber Opfern von systematischem Sportdoping in der alten Bundesre- publik bezüglich einer vergleichbaren finanziellen Unter- stützung . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723796 (A) (C) (B) (D) Aus den angeführten Gründen enthalte ich mich bei der Abstimmung zum Ersten Gesetz zur Änderung des E-Government-Gesetzes . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Ände- rung personenstandsrechtlicher Vorschriften (2. Personenstandsrechts-Änderungsgesetz – 2. PStRÄndG) – des von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Ulle Schauws, Monika Lazar, weiteren Abge- ordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Anerkennung der selbst bestimm- ten Geschlechtsidentität und zur Änderung anderer Gesetze (Selbstbestimmungsgesetz – SelbstBestG) (Tagesordnungspunkt 29 und Zusatztagesord- nungspunkt 7) Thorsten Hoffmann (Dortmund) (CDU/CSU): Ge- setze, die nur punktuell verbessert und optimiert werden müssen, sind mir am liebsten . Einmal sehen wir, dass das Gesetz im Prinzip genau richtig ist . Es funktioniert . Aber die Praxis ist oft unberechenbar . Ein guter Gesetzgeber weiß das, und er weiß auch, dass er deshalb Gesetze über- prüfen, auswerten und gegebenenfalls anpassen muss . Beim Personenstandsrechts-Änderungsgesetz ist ge- nau dies der Fall . Wir haben 2009 eine sinnvolle und dringend notwendige Modernisierung des Personen- standsrechts durchgeführt . Jetzt passen wir es an, damit es noch näher am Bürger und noch näher an unserem Zeitgeist ist . Einmal mussten wir vor acht Jahren, wie bei so vie- len Änderungen, den modernen technischen Anforderun- gen gerecht werden . Deshalb wurden die behördlichen Verfahren dem technologischen und gesellschaftlichen Wandel angepasst . Besonders in der Praxis führte das zu optimierten Arbeitsabläufen . Mit der Änderung der personenstandsrechtlichen Vor- schriften in Form des Personenstandsrechts-Änderungs- gesetzes soll die Entwicklung der vergangenen Jahre in diesem Bereich fortgeführt werden . Wir haben gesehen, dass einzelne Punkte in der Praxis noch nicht optimal funktionieren . Deshalb werden wir mit dem Personen- standsrechts-Änderungsgesetz speziell Regelungslücken und noch vorhandene Schwachstellen in den Arbeitspro- zessen der Standesämter beheben . Eine weitere sinnvolle Anpassung ist die Entlastung des Standesamtes 1 in Berlin . Hierzu wird die Zustän- digkeit für die Beurkundung von Personenstandsfällen und Namenserklärungen von Deutschen im Ausland auf die regionalen Wohnsitzstandesämter verlagert, wenn der Betroffene einen früheren Wohnsitz im Inland hat- te . Auch die Entgegennahme namensrechtlicher Erklä- rungen, für die kein inländischer Personenstandseintrag besteht, wird Aufgabe der lokalen Standesämter . Das soll nicht dazu führen, dass das Standesamt I in Berlin in Zu- kunft ohne Arbeit dasteht . Es soll auch nicht dazu führen, dass andere Standesämter mit Arbeit überflutet werden. Es soll einfach gerechter aufgeteilt werden . Dies führt aber nicht nur zu der nötigen Entlastung der dortigen Standesbeamten, sondern auch zu einem deut- lich optimierten und deshalb auch schnelleren Bearbei- tungsverfahren . Für die im Ausland lebenden Deutschen ist die Beantragung der hier betroffenen Beurkundungen in Zukunft auch kein (großer) zeitlicher Aufwand mehr . Die zweite große Anpassung ist diejenige, bei der es um den Bereich der Vornamen geht . Wir alle kennen das aus unserem Bekannten-, Freundes- oder Verwandten- kreis . Da bekommen die Kinder nicht immer nur einen Vornamen, sondern gerne zwei oder drei . Die werden dann kombiniert oder aneinandergereiht . Da heißt dann die Emilie nicht nur Emilie, sondern Emilie Rosa . Und vielleicht möchte sie sich irgendwann einmal entschei- den, wie sie genannt wird: ob Emilie oder Rosa oder bei- des . Die Anpassung der Gesetzgebung an die gesellschaft- liche Entwicklung spiegelt sich in diesem Entwurf in der Möglichkeit, die Reihe der Vornamen in Zukunft per An- trag beim Standesamt selbst bestimmen zu können, wi- der . Hiermit werden wir verhindern, dass zum Beispiel Versicherungen, Banken, Fluggesellschaften etc . den im Alltag ungebräuchlichen Vornamen vor allem im pos- talischen Verkehr verwenden . Das kenne ich nur zu gut . Da denkt man sich, wenn man einen Katalog oder einen Werbebrief eines Nachbarn sieht, schon dann und wann mal: Ach, so heißt der . – Und dann trifft man ihn, kommt zum Du und merkt auf einmal, dass er gar nicht so heißt, wie es auf dem Brief steht, weil er eben seit der Schulzeit schon immer den zweiten Namen zum Rufnamen hatte . Und das soll eben jeder selbst am besten wissen, was der Rufname ist und was für ein Name auf dem Brief stehen soll . Dies ist ein wichtiger Schritt, um die betroffenen Bürger in ihrer Individualität und freien Bestimmung der eigenen Lebensweise zu unterstützen . Einen letzten Punkt spreche ich noch an: Die Verlän- gerung der Fortführungsfrist der Sterbefallbeurkundung auf 80 Jahre für Sterbefälle in ehemaligen Konzentrati- onslagern bedarf in der Regel keiner ausführlichen Be- gründung . Viele Schicksale der Vermissten sind nicht geklärt, sodass auch die Arbeit des Sonderstandesamts in Bad Arolsen im Sinne der Hinterbliebenen noch lange nicht getan ist . Neben der Optimierung der Beurkundungsmodali- täten und dem damit einhergehenden Bürokratieabbau kann mit Einsparungen von etwa 406 000 Euro gerechnet werden . Geringe Kosten und kürzere Wartezeiten sind Indiz einer modernen Verwaltung, die mit dieser Ände- rung geschaffen werden soll . Und der Verbraucher muss mit keinen zusätzlichen Kosten rechnen . Alles in allem sind die Änderungen des Personen- standsrechtsgesetzes angebracht und werden zu positiven Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23797 (A) (C) (B) (D) Entwicklungen führen . Ich bitte deshalb um Ihre Zustim- mung . Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU): Die Dokumentati- on der familienrechtlichen Verhältnisse erfolgt nach den Vorschriften des Personenstandsgesetzes ausschließlich durch den Standesbeamten . Er beurkundet die Perso- nenstandsfälle (Eheschließungen, Begründungen von Lebenspartnerschaften, Geburten und Sterbefälle) in den von ihm geführten Personenstandsregistern (Heiratsre- gister, Lebenspartnerschaftsregister, Geburtenregister und Sterberegister) . Die Vorschriften für die Beurkundung des Personen- stands sind durch das Gesetz zur Reform des Personen- standsrechts vom 19 . Februar 2007 neu geregelt worden . Das Reformgesetz ist am 1 . Januar 2009 in Kraft getre- ten und enthält als Kernelement vor allem die Beurkun- dung in elektronisch geführten Personenstandsregistern, die nach einer Übergangszeit von fünf Jahren seit dem 1 . Januar 2014 obligatorisch ist . Nähere Ausführungs- vorschriften, insbesondere auch zu den technischen Vorgaben zur Durchführung der elektronischen Perso- nenstandsregistrierung und des elektronischen Datenaus- tausches, wurden in der Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes geregelt, die ebenfalls am 1 . Ja- nuar 2009 in Kraft trat . Mit dem Gesetz zur Änderung personenstandsrechtli- cher Vorschriften vom 7 . Mai 2013 wurden erste Erfah- rungen der Standesämter und Rechenzentren mit dem neuen Recht und der Anwendung der elektronischen Prozesse in das Personenstandsgesetz und die Perso- nenstandsverordnung übernommen . Inzwischen liegen weitere Erfahrungswerte aus der standesamtlichen Praxis vor, die eine Anpassung des personenstandsrechtlichen Regelungswerks erforderlich machen . Der vorliegende Gesetzentwurf beseitigt Schwach- stellen und Regelungslücken in den personenstandsrecht- lichen Vorschriften . Auf Grundlage der Empfehlung des Bundesrates sowie des Berichtes und der Beschlussemp- fehlung des Innenausschusses werden entsprechende Än- derungen vorgenommen, die seit der ersten Reform des Personenstandsrechts im Jahr 2009 notwendig geworden sind . Ich möchte beispielhaft auf zwei wesentliche Punkte eingehen: Der Entwurf erweitert die Zuständigkeit des Wohn- sitzstandesamts für die Nachbeurkundung von Geburten, Eheschließungen, Lebenspartnerschaften und Sterbefäl- len von Deutschen, die im Ausland leben . Bislang war allein das Standesamt I in Berlin für diese Fälle verant- wortlich . Zur Verkürzung von Wartezeiten wird künftig die Zuständigkeit auf die regionalen Wohnsitzstandesäm- ter verlagert, wenn der Betroffene einen früheren Wohn- sitz in Deutschland hat . Gerade die begrenzte Zahl der Fälle führt nach unserer Ansicht nicht zu einer übermä- ßigen Belastung einzelner Standesämter, weshalb wir an dieser Änderung festhalten werden . Darüber hinaus eröffnet das Gesetz betroffenen Per- sonen zukünftig die Möglichkeit, die Reihenfolge ihrer Vornamen durch eine Erklärung vor dem Standesamt neu zu bestimmen . Damit wird verhindert, dass zum Beispiel Fluggesellschaften oder Banken anstatt des Rufnamens den in der Vornamensreihenfolge im Ausweisdokument stehenden ersten Namen verwenden . Die noch geltende Regelung führt bei den Betroffenen häufig zu Unmut, da im Alltag oft nicht der Rufname Verwendung findet. Ich denke, dass wir mit dieser Reform des Personen- standsrechts die Schwachstellen, die seit der letzten Re- form verblieben sind, beseitigen können . Deswegen wer- be ich um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf . Teil dieser Debatte ist auch der Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen zur Anerkennung der selbst be- stimmten Geschlechtsidentität und zur Änderung anderer Gesetze . Das Transsexuellengesetz soll nach Vorstellung der Grünen durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt und einzelne Paragrafen des Personenstandsrechts im Hinblick auf selbst bestimmte Geschlechtsidentität ge- ändert werden . Der Gesetzentwurf wird nun an den In- nenausschuss überwiesen . Die weiteren Beratungen im parlamentarischen Verfahren werden zeigen, ob die vor- geschlagenen Änderungen sinnvoll sind . Gabriele Fograscher (SPD): Das Personenstands- recht regelt die Anzeige und Dokumentation famili- enrechtlicher Verhältnisse gegenüber der zuständigen Behörde, dem Standesamt . Beim Standesamt werden Personenstandsfälle, also Eheschließungen, Begründun- gen von Lebenspartnerschaften, Geburten und Sterbefäl- le, in den dort geführten Personenstandsregistern beur- kundet . Zum 1 . Januar 2009 hatten wir das Personenstands- recht umfassend reformiert . Schwerpunkte der Reform waren: die Einführung elektronischer Personenstands- register anstelle der bisherigen papiergebundenen Per- sonenstandsbücher, die Begrenzung der Fortführung der Personenstandsregister durch das Standesamt sowie die Abgabe der Register an die Archive, die Ersetzung des Familienbuchs durch Beurkundungen in den Personen- standsregistern, die Reduzierung der Beurkundungsdaten auf das für die Dokumentation des Personenstandes er- forderliche Maß, die Neuordnung der Benutzung der Per- sonenstandsbücher sowie die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für eine Testamentsdatei . 2013 gab es einige technische und redaktionelle Ände- rungen aufgrund einer Evaluierung des Gesetzes . Geän- dert wurde auch die Regelung zum Geschlechtseintrag . Seit dem 1 . November 2013 gilt die Regelung: Wenn ein Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Ge- schlecht zugeordnet werden kann, kann auf diese Angabe im Geburtenregister verzichtet werden . Mit dem heute vorliegenden Entwurf eines Zwei- ten Gesetzes zur Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften beschließen wir weitere Verbesserungen . Beurkundungsmodalitäten werden optimiert und ange- passt . Die Praxis hat gezeigt, dass es bei Beurkundungen durch das Standesamt I Berlin zu sehr langen Wartezeiten kommt . Das Standesamt I Berlin ist das sogenannte Aus- landsstandesamt der Bundesrepublik Deutschland . Seine Aufgaben sind vielfältig . Dazu gehören unter anderem: Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723798 (A) (C) (B) (D) Beurkundung von Geburten und Sterbefällen Deut- scher ohne Inlandswohnsitz, die sich im Ausland ereig- net haben; Beurkundung von im Ausland geschlossenen Ehen und Lebenspartnerschaften Deutscher ohne Inlands- wohnsitz; Beurkundung von Geburten und Sterbefällen auf deut- schen Seeschiffen; Ausstellung von Ehefähigkeitszeugnissen für Deut- sche, die niemals einen Inlandswohnsitz hatten; Ausstellung von Bescheinigungen über die Namens- führung von Ehegatten, Lebenspartnern und Kindern; Führung der Konsular- und Kolonialregister; Führung der beim ehemaligen Standesamt I Berlin (Ost) sowie von den Auslandsvertretungen der DDR in der Zeit von 1948 bis 1990 angelegten Personenstands- bücher; Führung von deutschen Standesamtsregistern ehema- liger besetzter Gebiete; Führung des sogenannten Wehrmachtfamilienbuchs (Einträge zu im Ausland geschlossenen Ehen von Ange- hörigen der ehemaligen deutschen Wehrmacht) . Um das Standesamt I Berlin zu entlasten und Bearbei- tungszeiten zu verkürzen, werden künftig die ehemaligen Wohnsitzstandesämter für Deutsche im Ausland für die Beurkundungen von Personenstandsfällen und Namens- erklärungen zuständig . Personen, die mehrere Vornamen haben, deren erster Vorname aber nicht der Rufname ist, bekommen von vie- len Einrichtungen wie Banken oder Versicherungen Post, in denen meist nur der erste Vorname in der Anschrift steht, aber nicht der Rufname . Das führt oftmals zu Irri- tationen . Deshalb regelt das Gesetz, dass erstmals Perso- nen die Reihenfolge ihrer Vornamen per Erklärung beim Standesamt ändern können . Damit wird ermöglicht, dass der gebräuchliche Vorname als Erstes in den Ausweis- dokumenten steht und nicht ein Name, der im täglichen Leben nicht gebräuchlich ist . Seit Jahren mahnen meine Fraktion und ich eine No- vellierung des Transsexuellengesetzes von 1980 an . Mehrere Vorschriften dieses überholten und nicht mehr der Lebenswirklichkeit entsprechenden Gesetzes sind inzwischen vom Bundesverfassungsgericht als verfas- sungswidrig eingestuft und somit als nicht anwendbar erklärt worden . Leider konnten wir unseren Koalitionspartner nicht überzeugen, hier Änderungen herbeizuführen . Das wer- den wir dann in der nächsten Wahlperiode in einer ande- ren Konstellation machen müssen . Deshalb begrüße ich es umso mehr, dass die Bundes- regierung eine Anregung des Bundesrates aufgenommen hat und wir als Koalitionsfraktionen diesen Vorschlag in unseren Änderungsantrag aufgenommen haben . Wir werden § 3 Transsexuellengesetz – Verfahrensfä- higkeit, Beteiligte – ändern . Das bisherige Recht schreibt vor, dass für Verfahren nach diesem Gesetz ein Vertreter des öffentlichen Interesses beteiligt werden muss . Diese Vertreter sind per Rechtsverordnungen der Landesregie- rungen entweder die Staatsanwaltschaften bei Land- oder Oberlandesgerichten oder bestimmte Behörden der In- nenverwaltung . Aufgrund der steigenden Anzahl der Verfahren hat der Verwaltungsaufwand stark zugenommen . Da aber die Einwirkungsmöglichkeiten des Vertreters des öffentli- chen Interesses sehr gering sind, kann durchaus auf diese Institution verzichtet werden . Da wir als SPD-Bundestagsfraktion bereits mehrfach Versuche unternommen haben, das Transsexuellengesetz zu reformieren, begrüßen wir den Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen . Viele Ideen, die dieser Gesetz- entwurf enthält, finden unsere Unterstützung. Inzwischen gibt es auch einen Antrag des Landes Rheinland-Pfalz, dem Brandenburg, Bremen und Thü- ringen beigetreten sind . Dieser fordert die Aufhebung des Transsexuellengesetzes sowie die Erarbeitung eines Gesetzes zur Anerkennung der Geschlechtsidentität und zum Schutz der Selbstbestimmung bei der Geschlechter- zuordnung . Gerne hätten wir in dieser Legislaturperiode Verbes- serungen für die betroffenen Menschen geschaffen, doch leider macht da unser Koalitionspartner mal wieder nicht mit . Ich unterstütze ausdrücklich die Aussage von Heiko Maas, dass es mit der SPD nur einen Koalitionsvertrag geben wird, der die Ehe für alle beinhaltet, und füge hinzu: Es wird auch nur einen Koalitionsvertrag mit uns geben, der eine Modernisierung des Transsexuellenge- setzes vorsieht . Petra Pau (DIE LINKE): Wir debattieren heute ab- schließend über einen Gesetzentwurf der Koalition zu ei- nigen Änderungen im Personenstandsrecht und in erster Lesung über einen Entwurf der Grünen für ein Gesetz zur Anerkennung der selbst bestimmten Geschlechtsidenti- tät . Zunächst zum Gesetzentwurf der Koalitionsfraktio- nen . Der Gesetzentwurf enthält im Nachgang zur vor- angegangenen größeren Änderung des Personenstands- rechts der 16 . Wahlperiode ein paar kleinere Änderungen, die insbesondere auf die Bedürfnisse von Deutschen im Ausland und Personen, die im Alltag ihren zweiten Vor- namen gebrauchen und dies auch im Behördenverkehr und bei Beurkundungen tun wollen, stärker Rücksicht nehmen wollen . Beispielsweise müssen Anträge auf Per- sonenstandsurkunden vom Ausland aus zukünftig nicht mehr beim Standesamt I Berlin gestellt werden . Wer im Ausland lebt und vorher in Deutschland gemeldet war, kann zukünftig bei der regional zuständigen Meldebe- hörde Urkunden beantragen . Mit einem Änderungsan- trag wurden hierzu noch Übergangsregelungen ergänzt, die für die Verwaltungsabläufe wichtig sind . Das sind alles kleine, aber sinnvolle Verbesserungen für die Bür- gerinnen und Bürger, die wir begrüßen . Wir werden dem Gesetzentwurf daher zustimmen . In eine ganz andere Richtung geht der Gesetzentwurf der Grünenfraktion zur Anerkennung der selbst bestimm- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23799 (A) (C) (B) (D) ten Geschlechtsidentität . Dadurch soll das derzeit gelten- de Transsexuellengesetz ersetzt werden . Auch die Linke sieht die Probleme beim geltenden Transsexuellengesetz . Daher begrüßen wir, das The- ma noch einmal ernsthaft anzugehen und zu überlegen, wie wir die Bedürfnisse von Trans- und Intersexuellen und Transgender besser berücksichtigen können . Leider kommt der Gesetzentwurf nun etwas kurz vor knapp; eine wirklich gründliche Beratung wird angesichts von drei verbleibenden Sitzungswochen schwierig . Worum geht es genau? Uns allen erscheint es voll- kommen normal, dass uns ab Geburt ein bestimmtes Geschlecht zugeschrieben wird, männlich oder weiblich . Einen entsprechenden Eintrag gibt es in Personenstands- urkunden, im Personalausweis und im Reisepass . Nun gibt es Menschen, die sich dem Geschlecht in ihrem Per- sonalausweis nicht mehr zurechnen und die dann gern ihren Vornamen und den entsprechenden Eintrag ändern wollen . Das ist bislang nur möglich, wenn zuvor hohe Hürden genommen werden . Schon für eine Änderung des Vornamens brauchen die Betroffenen nach derzei- tiger Rechtslage ein psychologisches Gutachten . Wer seinen Geschlechtseintrag und den Vornamen ändern lassen will, muss sich also medizinisch befunden lassen . Damit werden die betroffenen Menschen weiterhin als irgendwie abnormal bis krank behandelt . Dieser Um- gang stammt noch aus einer Zeit, als Transsexualität im Wesentlichen als psychiatrische Störung gesehen wurde . Gerade angesichts der zunehmenden rechten Hetze ge- gen sexuelle Vielfalt sind wir als Gesetzgeber gefragt, hier ein deutliches Zeichen zu setzen . Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Rechte von Transpersonen sind Menschenrechte . Und das muss sich auch in unserem Recht widerspiegeln . Der heute vorliegende Gesetzentwurf der Bundesre- gierung zur Änderung personenstandsrechtlicher Vor- schriften vereinfacht die Änderung der Reihenfolge von Vornamen . Diesen liberalen Geist wünsche ich mir von Union und SPD auch dann, wenn es um Transpersonen geht . Der Gesetzentwurf vereinfacht das Verfahren zur Personenstandsänderung für Transpersonen ein kleines bisschen, indem die nach bisherigem Recht vorgeschrie- bene Beteiligung des Vertreters des öffentlichen Interes- ses entfällt . Beteiligte des Verfahrens sind also nur noch die Antragstellenden . Das ist eine Minimaländerung und kein großer Wurf . Dabei gibt es personenstandsrechtlich einigen Nachbesserungsbedarf, dem man nicht durch mi- nimales Herumdoktern am Transsexuellengesetz gerecht wird . Schauen Sie sich das Transexuellengesetz einmal an: Es ist über 30 Jahre alt, und viele Einzelbestimmungen wurden mittlerweile durch das Bundesverfassungsge- richt in insgesamt sechs Urteilen für verfassungswidrig erklärt . Das Gesetz liegt in Trümmern . Zwei wissen- schaftliche Gutachten aus diesem Jahr, von der Bundes- vereinigung Trans* und vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der Humboldt-Univer- sität zu Berlin, kommen zum gleichen Ergebnis: Es gibt dringenden Reformbedarf! Das Transsexuellengesetz baut unbegründete Hürden für die Änderung des Vornamens und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit auf . Transpersonen, die ih- ren Personenstand ändern wollen, müssen Zeit und Geld investieren, um zwei Gutachten bei Gericht vorlegen zu können, die ihre sexuelle Identität „bescheinigen“ . Was für ein Unsinn! Niemand außer den Betroffenen selbst kann Auskunft über das Geschlecht geben . Sexuelle Identität lässt sich nicht diagnostizieren . Alle Menschen haben ein Recht darauf, dass ihre Geschlechtsidentität re- spektiert wird . Wer im Laufe des Lebens feststellt, dass das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht nicht der tat- sächlichen Geschlechtsidentität entspricht, dem steht es zu, dass seine Identität anerkannt wird . Deshalb haben wir Grüne heute einen neuen Gesetz- entwurf vorgelegt: das Selbstbestimmungsgesetz . Ein neues Gesetz muss den Respekt für die Identität der Men- schen in den Mittelpunkt stellen . Das Recht ist schließ- lich für die Menschen da und nicht umgekehrt! Die An- erkennung der selbst bestimmten Geschlechtsidentität ist ein Menschenrecht . Wenn der Staat schon darauf besteht, das Geschlecht seiner Bürgerinnen und Bürger zu regis- trieren, dann sollen sie das frei und unkompliziert selbst bestimmen dürfen . Andere Länder machen es vor, zum Beispiel Argentinien, Malta, Dänemark, Irland, Norwe- gen . Allesamt sind sie weiter als Deutschland! Das Selbstbestimmungsgesetz soll das Verfahren zur Änderung der Vornamen und zur Anpassung der Ge- schlechtszugehörigkeit vereinfachen . Beides soll nur noch vom Geschlechtsempfinden des Antragstellenden abhängig sein . Statt entwürdigender Gutachten zur Ge- schlechtsfeststellung und Verfahren vor dem Amtsgericht sollen Vornamen- und Personenstandsänderung im Rah- men eines einfachen Verwaltungsaktes beim Standesamt erfolgen . Denn geschlechtliche Identität kann man nicht diagnostizieren . Lediglich Betroffene können darüber kompetent Auskunft geben . Mit Vollendung des 14 . Lebensjahres sollen die- se Vorgänge auch ohne das Mitwirken eines gesetzli- chen Vertreters möglich sein . Ab diesem Alter misst die Rechtsordnung Minderjährigen die Fähigkeit bei, Verantwortung für Entscheidungen zu übernehmen . Das muss auch für identitätsbezogene Entscheidungen gelten . Beratungen sollen über mögliche Folgen aufklären . Hier ist die Bundesregierung in der Pflicht, Beratungsstellen auszubauen . Nach einer Personenstandsänderung muss es den Be- troffenen möglich sein, eine Ehe in eine Lebenspartner- schaft zu überführen oder umgekehrt . Dadurch werden Zwangsoutings vermieden, solange die Lebenspartner- schaft noch nicht durch die Ehe für alle überwunden ist . Das Offenbarungsverbot, also das Verbot, die Eintra- gungsänderung ohne berechtigtes rechtliches Interesse auszuforschen oder zu offenbaren, soll verschärft wer- den . Betroffene müssen vor Behörden und Unternehmen durchsetzen können, Unterlagen und Zeugnisse entspre- chend ihrer Geschlechtsidentität ausgestellt zu bekom- men . Wir brauchen eine Politik, die vom Respekt der ge- schlechtlichen Identität und Vielfalt der Menschen aus- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723800 (A) (C) (B) (D) geht anstatt von irgendwelchen Normalitätsvorstellun- gen, denen sich der Mensch zu unterwerfen hat . Unser Vorschlag für ein Selbstbestimmungsgesetz stellt die Selbstbestimmung und die Würde des Menschen in den Mittelpunkt . Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ein- führung eines Anspruchs auf Hinterbliebenen- geld – des von den Abgeordneten Katja Keul, Renate Künast, Luise Amtsberg, weiteren Abgeordne- ten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Entschädi- gung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschä- digungsgesetz – OEG) (Tagesordnungspunkt 30 a und b) Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Wenn ein Mensch durch fremdes Verschulden zu Tode kommt, dann muss der Rechtsstaat darauf eine Reaktion folgen lassen . Diese Reaktion ist gerade für die Hinterbliebenen unglaublich wichtig. Sie finden sich und ihre schwere, schier unerträgliche Situation im Rechtsstaat anerkannt . Der Staat reagiert auf zwei Wegen: zum einen über das Strafrecht . Hier geht es um Sanktion, um Schuld und Sühne . Der zweite Weg ist das Zivilrecht . Hier geht es um die Frage, inwieweit der Schmerz, das Leid der An- gehörigen durch Schmerzensgeld Anerkennung erfahren kann . Dabei sind wir uns alle einig, dass Geld einen sol- chen Verlust niemals wird aufwerten können . Bei selbstkritischer Betrachtung müssen wir fest- stellen, dass gerade auf der zivilrechtlichen Seite eine Regelungslücke besteht . Der bayerische Justizminister Winfried Bausback hat das sehr zutreffend umschrieben: Wenn ein junges Ehepaar das Kind auf dem Schulweg durch einen Verkehrsunfall mit dem Fahrrad verliert, hat der Staat zur Antwort, dass er den Verlust des Fahrrades ausgleicht – durch Schadensersatz –, aber nicht den Ver- lust des Kindes in Form von Schmerzensgeld . Die Voraussetzungen, welche die Rechtsprechung für Schmerzensgeld infolge eines Schockschadens von An- gehörigen formuliert, sind sehr hoch . Es muss zu einer Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens von einigem Gewicht und einiger Dauer kommen . Die bloße Trauer genügt dafür nicht . Deshalb war es gerade der CSU ein Anliegen, die Be- seitigung dieser Regelungslücke in den Koalitionsvertrag hineinzuverhandeln . Als dann in den Folgemonaten aus dem Bundesministerium für Justiz und Verbraucher- schutz keinerlei Vorschläge unterbreitet wurden, brachte Bayern bereits im Jahr 2015 einen entsprechenden Ge- setzentwurf in den Bundesrat ein . Der vorliegende Entwurf schließt die Gesetzeslücke und stellt den Schmerzensgeldanspruch der Hinterblie- benen in das Ermessen des Gerichts . Zum Schluss möchte ich noch einige Sätze über den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen verlieren . Mir ist schon wichtig, dass wir parteiübergreifend den Hand- lungsbedarf im Opferentschädigungsgesetz erkannt haben . Bereits vor dem Anschlag in Berlin hat das zu- ständige Ministerium mit umfassenden Reformüberle- gungen im Entschädigungs- und Schadensersatzrecht begonnen . Es handelt sich hier um eine komplexe Mate- rie mit vielen inneren Zusammenhängen . Daher wäre es nicht richtig, eine Einzelfrage nun vorab herauszulösen und isoliert zu entscheiden . Ich glaube, es ist verantwor- tungsbewusst, die umfassende, konsistente und in sich schlüssige Gesamtreform abzuwarten . Allerdings bitte ich die Opposition auch darum, nicht immer wieder den Eindruck zu erwecken, als stünden die Verletzten durch Autoattacken schutzlos da . Der Entschädigungsfonds der Verkehrsopferhilfe verfügt allerdings über eine Decke- lung von 7,5 Millionen Euro, die beseitigt werden muss . Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU): Heute kön- nen wir endlich den Gesetzentwurf zur Einführung ei- nes Hinterbliebenengeldes abschließend beraten und beschließen . Dieser Gesetzentwurf stützt sich auf den Koalitionsvertrag, in den die Union dieses Vorhaben hi- neinverhandelt hat . Wie bei vielen anderen unserer Punkte stand die Einführung eines Hinterbliebenengeldes auf der Prio- ritätenliste von Bundesjustizminister Heiko Maas nicht oben . Aus diesem Grund hat es bedauerlicherweise fast vier Jahre gedauert, bis wir heute das Gesetz beschließen können . Menschen, die einen nahen Angehörigen durch Ver- schulden eines Dritten verloren haben, sollen als Zeichen der Anerkennung ihres seelischen Leids einen eigenstän- digen Schmerzensgeldanspruch bekommen, der sich in das deutsche System des Schadensersatzrechts einfügt . Anders als andere europäische Rechtsordnungen sieht das deutsche Haftungsrecht bislang kein Hinterbliebe- nengeld oder Angehörigenschmerzensgeld vor . Nur bei sogenannten Schockschäden werden neben den materi- ellen Schäden auch die immateriellen Folgen ersetzt . Bei diesen wird ein am Geschehen an sich unbeteiligter Drit- ter durch das Miterleben oder die Benachrichtigung über den Tod nach einem Unfall psychisch so stark belastet, dass dieser Schock selbst Krankheitswert hat . Dann hat der Verursacher den Dritten in dessen eigener Gesundheit verletzt . Dafür müssen nach ständiger Rechtsprechung die medizinisch fassbaren Auswirkungen nach Art und Schwere deutlich über die gesundheitlichen Beeinträchti- gungen hinausgehen, denen nahe Angehörige bei Todes- nachrichten erfahrungsgemäß ausgesetzt sind . Bleibt der unmittelbar Verletzte am Leben, hat er der- zeit Anspruch auf Ersatz sämtlicher Vermögens- und auch Nichtvermögensschäden . Im Falle seines Todes können Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23801 (A) (C) (B) (D) die Angehörigen aber nur Ersatz der durch die Tötung zugefügten Vermögensschäden fordern, wie Beerdi- gungskosten und gegebenenfalls Unterhalt . Das heißt, ein Schädiger steht im Falle der Tötung eines Dritten wirtschaftlich besser da als bei einer Körperverletzung . Das ist ein Wertungswiderspruch und nicht gerecht . In der Anhörung wurde die Frage der Kommerziali- sierung von persönlichem Leid problematisiert . Damit haben wir uns selbstverständlich auch zuvor schon aus- einandergesetzt . Deshalb sei noch einmal betont, dass es nicht um die materielle Bewertung menschlichen Lebens geht, sondern um eine symbolische Anerkennung seeli- schen Leids . Es ist nicht nachvollziehbar, dass der tiefe seelische Schmerz, unter dem man ein Leben lang leidet, wenn etwa das eigene Kind bei einem Unfall getötet wird, von der deutschen Rechtsordnung bislang überhaupt nicht anerkannt wird . Das gilt umso mehr, weil beispielswei- se für entgangene Urlaubsfreude, Ehrverletzungen und Kfz-Nutzungsausfall Entschädigung gezahlt werden muss . Während Hinterbliebene in Deutschland ihren Trau- erschmerz nach einem solchen Schicksalsschlag bislang entschädigungslos verarbeiten müssen, sehen andere europäische Rechtsordnungen Ansprüche auf Angehöri- genschmerzensgeld vor . Selbstverständlich kann kein Geld der Welt die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen wirklich aus- gleichen . Das will und kann das Gesetz auch nicht . Der Anspruch ist daher auf einen symbolischen Ausgleich des Trauerschmerzes gerichtet . Damit setzt die Rechts- gemeinschaft aber zugleich ein Zeichen der Solidarität mit den Hinterbliebenen . So wird mit dem Hinterbliebe- nengeld gezeigt, dass ein Tod mehr auslöst als Beerdi- gungskosten und entgehenden Unterhalt . Künftig wird ein Ersatzpflichtiger denjenigen Hinter- bliebenen, die zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stan- den, für das zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld leisten müssen . Der Kreis der Anspruchsberechtigten ist bewusst eng gefasst, lässt aber auch die erforderliche Flexibilität . Das besondere persönliche Näheverhältnis wird bei Ehegat- ten, Lebenspartnern, Elternteilen oder Kindern vermu- tet . Bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften setzt der Anspruch ein zwischen den Partnern bestehendes „be- sonderes persönliches Näheverhältnis“ voraus, das dem Verhältnis entspricht, das typischerweise zwischen Ehe- gatten, Lebenspartnern sowie Eltern und Kindern besteht . Über die konkrete Anspruchshöhe werden die Gerich- te entscheiden . Diese werden berücksichtigen, dass für den Anspruch kein Gesundheitsschaden nachgewiesen werden muss und Ziel des Hinterbliebenengeldes ein symbolischer Ausgleich ist . Dabei ist klar, dass sich die Summen in das eher restriktive deutsche Schadensersatz- recht einfügen müssen, um Wertungswidersprüche zu vermeiden . Auch in der Anhörung waren sich die Sachverstän- digen einig, dass die künftig als Hinterbliebenengeld gezahlten Beträge aufgrund Gesetzeszweck und Rege- lungssystematik hinter den für Schockschäden zugespro- chenen Summen zurückbleiben, das heißt niedriger sein müssen als beispielsweise Schadensersatz für nachge- wiesene Gesundheitsschäden . Die anfänglich vom Koalitionspartner publizierten Überlegungen, jedem anspruchsberechtigten Hinterblie- benen könnten bis zu 60 000 Euro zustehen, waren rein politisch motiviert und sind in der Sache völlig abwegig . Sie finden in diesem Gesetz keine Grundlage. Wir als Union wollen das gut austarierte deutsche Schadenser- satzrecht nicht auf den Kopf stellen . Zu Irritationen geführt hat die vom BMJV im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung skizzierte Berechnung der weiteren Kosten, die lautet: „Angesichts der durch- schnittlichen Beträge von etwa 10 000 Euro, die derzeit von den Gerichten bei der Tötung eines Angehörigen als Entschädigung für sog . Schockschäden, die über das ge- wöhnliche Maß an Trauer und seelischem Leid hinausge- hen, zugesprochen werden, ist mit jährlichen Gesamtkos- ten durch die Zahlung von Hinterbliebenengeld von nicht mehr als rund 240 Mio . Euro zu rechnen .“ Nachdem das BMJV zunächst aus bestimmten Grün- den komplett auf Ausführungen zum Erfüllungsaufwand und zu Kosten verzichten wollte, wurde dann im Ergeb- nis „mit dem dicken Daumen“ auf der Grundlage der Schockschadenrechtsprechung eine theoretische Maxi- malsumme berechnet . Tatsächlich sollen die Summen nach dem Willen des Gesetzgebers leicht unter denen der Schockschadenrechtsprechung liegen . Die CDU/CSU-Fraktion wollte schließlich im Rah- men der parlamentarischen Beratungen eine Änderung beim Zugewinnausgleich regeln und Schmerzens- geldansprüche vom Zugewinnausgleich ausnehmen . Entschädigungen für immaterielle Schäden sollen dem Anfangsvermögen zugerechnet werden, denn sie sind der höchstpersönlichen Sphäre eines Ehegatten zuzuord- nen . Sie stehen gerade nicht im Zusammenhang mit der ehelichen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft . Gerade beim Hinterbliebenengeld wird die enge Verbindung zum persönlichen Schicksal des Geschädigten und zu dessen sehr individuell empfundenen Trauer besonders deutlich . Diese gehört nicht in den Zugewinnausgleich, denn der andere Ehegatte wird regelmäßig nicht so mitbetroffen sein, dass seine nachträgliche Beteiligung über einen Zugewinnausgleich gerechtfertigt wäre . Deshalb hatte auch der Rechtsausschuss des Bundesrates gefordert, das Schmerzens- und Hinterbliebenengeld künftig aus dem Zugewinnausgleich herauszunehmen . Mit dem Koalitionspartner war das in der ablaufenden Wahlperiode nicht mehr umsetzbar; deshalb werden wir dies auf unsere Agenda für die kommende Wahlperiode setzen . Ich freue mich, dass wir fraktionsübergreifend dieses Gesetz nun beschließen werden . Es ist für die Tausenden von Angehörigen, die einen geliebten Menschen verloren haben, ein Zeichen des Mitgefühls und der Anteilnahme unserer Rechtsgemeinschaft . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723802 (A) (C) (B) (D) Dr. Johannes Fechner (SPD): Wir freuen uns sehr, dass wir nach intensiven und guten Beratungen, für die ich allen Beteiligten danke, heute das parlamentarische Verfahren abschließen und für Hinterbliebene eine ei- gene zivilgesetzliche Anspruchsgrundlage für eine Ent- schädigung schaffen . Damit stehen wir den Hinterbliebenen zur Seite und stellen klar: Das seelische Leid von Menschen, die einen nahestehenden Menschen durch einen Unfall oder eine Straftat verloren haben, wird künftig nicht mehr ohne Anerkennung bleiben . Der Tod eines nahestehenden Menschen ist der schlimmste Verlust, den man sich vorstellen kann, und wir werden das Leid der Hinterbliebenen nicht durch Geld aufheben können . Aber zumindest ein Stück weit kann das Leid von Hinterbliebenen durch eine Geldzah- lung gelindert werden, und dafür ist im Bürgerlichen Ge- setzbuch eine eigene Anspruchsgrundlage für Hinterblie- bene erforderlich . Es ist nach heutiger Rechtslage zu kompliziert und zu schwierig für Angehörige von Todesopfern, nach den von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes festge- legten Grundsätzen Entschädigungszahlungen zu erlan- gen . Denn nach heutiger Rechtslage haben Angehörige nur dann einen Anspruch, wenn sie eine über das Maß der normalen Trauer hinausgehende seelische Beein- trächtigung nachweisen können . Dies gelingt nur selten . Es war mir persönlich und der SPD-Fraktion deshalb ein großes Anliegen, für die Angehörigen eine klare Rechtsgrundlage für eigene Ansprüche zu schaffen, bei denen die Hürden für eine Entschädigungszahlung nicht derart hoch sind . Deshalb wird das Bürgerliche Gesetzbuch künftig mit dem neuen Absatz 3 des § 844 BGB den Personen einen Entschädigungsanspruch gegen den Schädiger gewäh- ren, die einen nahestehenden – nicht notwendigerweise verwandten – Menschen durch eine Straftat oder einen Unfall verloren haben . Systematisch richtig ist der Anspruch im Gesetz im Zusammenhang mit den Vorschriften über die Ansprüche Dritter infolge unerlaubter Handlungen verortet . Der Begriff „Hinterbliebene“ ist bewusst gewählt . Da- mit sind auch Mitglieder von Patchwork-Familien oder unverheiratete Partner erfasst . Wir haben uns gegen den deutlich engeren Begriff der „Angehörigen“ entschie- den . Denn Verwandtschaft allein sagt nichts über das Näheverhältnis zweier Menschen aus . Dieses kann bei nichtverwandten Menschen so eng sein, dass der Verlust eines nahestehenden Menschen erheblichen seelischen Schmerz auslöst . Beispielsweise kann ein unverheirate- ter Partner dem Verstorbenen so nahegestanden haben, dass wir ihm oder ihr zum Ausgleich seines seelischen Leides einen eigenen Anspruch geben sollten . Umge- kehrt besteht kein Bedürfnis, Familienangehörigen, die schon über Jahre keinen Kontakt mehr miteinander ha- ben, quasi automatisch und in jedem Fall einen Entschä- digungsanspruch zu gewähren . Wir haben uns daher für die Lösung entschieden, die für nahe Familienangehörige ein Näheverhältnis vermu- tet . Das wird in § 844 Absatz 3 Satz 2 BGB geregelt . Diese gesetzliche Vermutung legt ein intaktes Familien- verhältnis zugrunde und erspart den Hinterbliebenen, die Existenz dieses Regelfalls darzulegen und gegebenen- falls beweisen zu müssen . Die Betroffenen sollen damit im Unglücksfall nicht noch belastet werden . Wenn dies tatsächlich nicht der Fall ist, kann die Vermutung vom Anspruchsgegner im Einzelfall widerlegt werden . Damit können Fälle ausgeschlossen werden, in denen zwischen den privilegierten Anspruchstellern und dem Opfer nur noch ein formales familienrechtliches Band, aber mögli- cherweise gar kein Kontakt mehr bestand . Die gewählte Formulierung stellt also auf die indivi- duellen Verhältnisse im Einzelfall ab und kommt so zu ausgewogenen und angemessenen Lösungen . Was die Höhe des Anspruchs angeht, so haben wir uns dafür entschieden, diese Festlegung der Rechtsprechung zu überlassen, die den Einzelfall beurteilen und dann konkrete Summen festlegen kann . Wir als SPD-Fraktion hätten uns vorstellen können, in der Gesetzesbegründung Näheres zur Höhe des An- spruchs zu regeln . Denn wir müssen vermeiden, dass Hinterbliebene zwar eine eigene Anspruchsgrundlage ha- ben, aber dann womöglich nur kleinere Beträge erhalten . Dies wäre zum Beispiel mit der Vorgabe von Entschädi- gungssummen oder Mindestsummen möglich gewesen . Immerhin: Wir haben in der Gesetzesbegründung den klaren Hinweis auf die bisherige deutsche und europä- ische Rechtsprechung . Die Urteile, auf die in der Ge- setzesbegründung verwiesen wird, sollen den Gerichten als Orientierung dienen . In den Beispielsfällen wurden Zahlungen von bis zu 25 000 Euro zugesprochen, was als Mindestbetrag gelten sollte . Aus meiner Sicht könnte sich diese Rechtsprechung durchaus dahin gehend entwi- ckeln, dass höhere Beträge zugesprochen werden . Denn ich finde, wenn wir schon eine Anspruchsgrundlage schaffen, dann sollte auch gewährleistet sein, dass Zah- lungen in angemessener Höhe mindestens im Umfang der in der Gesetzesbegründung zitierten Rechtsprechung erfolgen . Dieser Lösungsweg wurde von den Sachverständi- gen in der öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss als gangbar beurteilt . Die Einzelfallbetrachtung hat den Vorteil, dass das persönliche Leid, das bei jedem Hin- terbliebenen unterschiedlich ausfällt, Grundlage für den individuellen Entschädigungsanspruch ist . Deshalb ist die Feststellung der konkreten Summen sehr gut bei den Gerichten aufgehoben – der Gesetzgeber kann in allge- meingültigen Regeln nur generell geltende Richtwerte vorgeben . Nicht zuletzt die Germanwings-Katastrophe hat uns gezeigt, dass Hinterbliebene eine klare Rechtsgrundlage und einen eigenen Rechtsanspruch auf Entschädigungs- zahlungen haben müssen . Nach der Germanwings-Ka- tastrophe mussten Angehörige in der schweren Zeit der Trauer in komplizierte Verhandlungen eintreten . Es darf nicht sein, dass Hinterbliebene in der schweren Zeit der Trauer in ein unwürdiges Geschacher mit dem Schädiger oder dessen Versicherungen eintreten müssen, nur weil Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23803 (A) (C) (B) (D) eine klare Rechtsgrundlage fehlt . Dies wird ihrer Situati- on nicht gerecht . Künftig wird das nicht mehr vorkommen . Mit der neu- en Regelung steht eine eindeutige Anspruchsgrundlage im Gesetz, mit der sichergestellt ist, dass das Leid von Hinterbliebenen durch eine Geldzahlung ein Stück weit gelindert wird . Natürlich können wir nicht verhindern, dass Ansprü- che gegen den Täter oder den Unfallverursacher ins Leere laufen, wenn der Täter oder Unfallverursacher kein Vermögen hat . Wie etwa der Täter des schreckli- chen Anschlages auf den Berliner Breitscheidplatz . Ich möchte deshalb noch einmal ausdrücklich loben, dass die Bundesregierung mit Kurt Beck einen Beauftragten der Bundesregierung für die Anliegen der Opfer und Hinter- bliebenen des Terroranschlages auf dem Breitscheidplatz bestimmt hat, um die Entschädigung der Opfer dieses schlimmen Anschlages zu gewährleisten . Nach meinem aktuellen Kenntnisstand konnte allen Opfern bzw . deren Hinterbliebenen geholfen werden . Neben Leistungen des Härtefallfonds für Betroffene und Hinterbliebene bei terroristischen Straftaten sowie Leistungen der Verkehrsopferhilfe werden auch Leistun- gen nach dem Opferentschädigungsgesetz zur Verfügung gestellt . Eine Lücke im Opferentschädigungsgesetz, die – wie von den Grünen gefordert – eine Änderung des Gesetzes erforderlich macht, ist demnach nicht gegeben . Tatsächlich würde eine Änderung der Rechtsnorm, wie sie von den Initiatoren vorgeschlagen wird, statt zu bes- seren Hilfsmöglichkeiten für Geschädigte nur zu einer Entlastung der Versicherungswirtschaft führen und den Steuerzahler mit den Kosten belasten . Dies wäre eine Schieflage, die nicht gewollt sein kann. Ich freue mich sehr, dass wir das Hinterbliebenengeld einführen und damit für die Hinterbliebenen eine Grund- lage für ihre Ansprüche schaffen, um ihr großes Leid zu- mindest ein Stück weit zu lindern . In der Zeit der Trauer werden ihnen künftig komplizierte Rechtsstreitigkeiten um Anspruchsgrundlagen und ihnen letztlich zustehen- de Entschädigungszahlungen erspart bleiben . Lassen Sie uns diesem Gesetz mit breiter Unterstützung zustimmen! Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Wir dis- kutieren heute hier abschließend über Gesetzentwürfe zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld bzw . über Opferentschädigung . Dem sind viele, teilweise wenig fruchtbare Debatten vorausgegangen, in denen die Fraktionen der Großen Koalition ihr Nichtstun in dieser wichtigen Frage verteidigt haben und auf der anderen Seite die Opposition Druck machen musste, damit dann im März dieses Jahres sowohl durch die Koalitionsfrak- tionen als auch durch die Bundesregierung endlich ein wortgleicher Vorschlag für die Regelung dieser wich- tigen Frage vorgelegt worden ist . Dies war dann auch der Beginn, den Gesetzentwurf der Bündnisgrünen im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz endlich zu behandeln . Sonst wäre wahrscheinlich auch dieser Ge- setzentwurf immer noch im Stadium der Nichtbehand- lung – wie die Gesetzentwürfe von Linken, Bündnisgrü- nen und Bundesrat zur Öffnung der Ehe für Menschen gleichen Geschlechts; wir haben darüber erst gestern wieder hier sehr ausführlich diskutiert . Bereits in meiner Rede zur ersten Lesung dieser Ge- setzentwürfe habe ich betont, dass wir gesetzliche Re- gelungen zur Einführung eines Anspruchs auf Hinter- bliebenengeld für sehr wichtig halten und grundsätzlich unterstützen . Denn mit diesen Gesetzen wird endlich da- für gesorgt, dass Angehörige von Todesopfern fremdver- schuldeter Straftaten Anspruch auf ein Schmerzensgeld gegenüber den Verantwortlichen der Straftat haben . Bis- her haben sie einen solchen Anspruch nämlich nur dann, wenn sie im Falle des Todes eines nahen Angehörigen durch eine fremdverschuldete Straftat eine eigene Ge- sundheitsbeschädigung im Sinne unseres Bürgerlichen Gesetzbuches erleiden . Dafür müssen sie psychische Be- einträchtigungen medizinisch fassbar nachweisen kön- nen, die über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen Hinterbliebene im Todesfall erfah- rungsgemäß ausgesetzt sind . Lediglich bei einem soge- nannten Schockschaden konnte bisher Schadensersatz eingefordert werden, darüber hinaus für materielle Schä- den wie Beerdigungskosten, entgangenen Unterhalt oder entgangene Dienste . Für ihr seelisches Leid erhielten die Hinterbliebenen bisher keinerlei Entschädigung . Das führte beispielsweise zu der absurden Situation, dass die Hinterbliebenen der furchtbaren Flugzeugselbstmordka- tastrophe der Germanwings die Hinterbliebenen auf den Goodwill der Fluggesellschaft angewiesen waren, um für ihr seelisches Leid eine Entschädigung zu erhalten . Hinterbliebene sollen also künftig im Sinne einer An- erkennung ihres seelischen Leids wegen der Tötung ei- nes ihnen besonders nahestehenden Menschen von dem hierfür Verantwortlichen eine Entschädigung verlangen können . Das ist gut so und wird von der Linken vorbe- haltlos unterstützt . Bedauerlich finde ich, dass die Forderungen der Op- ferverbände, wie zum Beispiel des Weißen Rings, keine Berücksichtigung gefunden haben . Darum hatte ich Sie in der ersten Lesung ausdrücklich gebeten . Damit wer- den Angehörige von schwerstverletzten Opfern einer fremdverschuldeten Straftat auch künftig leer ausgehen . Ein wie vom Weißen Ring gefordertes Trauergeld für Angehörige schwerstverletzter Opfer wird es also nicht geben. Ihre lebenslange Aufopferung zur Pflege eines schwerstverletzten nahen Angehörigen wird dadurch genauso als eigener Schmerzensgeldanspruch unberück- sichtigt bleiben wie ihr tagtägliches Konfrontiertsein mit dem Leid des schwerstverletzten nahen Angehörigen . Für die Linke sage ich hier: Dies ist nicht gerecht . Letzten Endes beeinträchtigt dieser Mangel allerdings die Bereitschaft meiner Fraktion Die Linke zur Zustim- mung zu diesem Gesetz nicht . Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir sind uns hier alle einig, dass es künftig bei schuldhafter Tö- tung einer Person für die Trauer und den Schmerz eines nahen Angehörigen eine Entschädigung in Geld geben soll . Gleiches soll bei Gefährdungshaftung, wie bei- spielsweise bei Flugzeugabstürzen, gelten . Trotz dieser Einigkeit im Parlament war diese Grundsatzfrage bis zu- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723804 (A) (C) (B) (D) letzt nicht unumstritten – und deshalb muss sie hier in der Debatte noch einmal begründet werden . Zunächst einmal fällt auf, dass ein solches Schmer- zensgeld im internationalen Vergleich durchaus üblich und Deutschland hier bislang einsame Ausnahme ist . Warum also die Trauer in Italien oder in Frankreich be- zifferbar ist, in Deutschland aber nicht, ist schon schwer genug zu erklären . Auch die Experten in der Anhörung waren über- wiegend der Auffassung, dass ein solch immaterieller Entschädigungsanspruch für eine Trauer unterhalb der Schwelle eines medizinisch nachweisbaren Schockscha- dens kein unüberwindbarer Systembruch oder gar eine Abkehr von der Schuldrechtssystematik im BGB wäre . Letztlich ist auch der medizinisch nachweisbare Verlust eines Beines nur ein Indiz für das Leid und die Schmer- zen, die mit dem Schmerzensgeld beziffert werden . Auch in einem solchen Fall ist das Schmerzensgeld nicht dazu da, das Bein zu ersetzen . Und auch für Todesangst wird bereits nach jetziger Rechtslage ein Schmerzensgeld an- erkannt, das im Falle des tatsächlichen Todes sogar an die Angehörigen vererbt werden kann . Für die nähere Ausgestaltung des Hinterbliebenen- geldes gibt es allerdings unterschiedliche Optionen . Die Expertenanhörung hat bestätigt, dass es sinnvoll ist, den Kreis der Anspruchsberechtigten nicht formal festzule- gen, also beispielsweise auf Ehegatten und Kinder . Das würde zwar die Darlegungs- und Beweislast im Prozess erheblich erleichtern, dafür aber sehenden Auges zu Un- gerechtigkeiten im Einzelfall führen . So sind sehr enge Näheverhältnisse außerhalb der Eltern-Kind-Beziehung ebenso vorstellbar wie Eheleute, die ihre Ehe nur noch formal aufrechterhalten . Dass in der Regel Angehörige die Trauernden sind, kommt in der Vermutungsregel zum Ausdruck . Trotzdem bleibt genügend Spielraum, um an- dere Verhältnisse im Einzelfall zu berücksichtigen . Weiteres Thema in der Anhörung war die Frage, ob wir als Gesetzgeber die Anspruchshöhe im Gesetz näher bestimmen sollten . So ist durchaus verständlich, dass ge- rade die Haftpflichtversicherer gerne genauer wüssten, auf was sie sich einstellen müssen . Es sprechen aber gute Gründe dafür, es bei der „angemessenen Entschädigung in Geld“ zu belassen . Zum einen machen feste Geldbe- träge im Laufe der Jahre immer wieder Gesetzesanpas- sungen erforderlich . Zum anderen ist davon auszugehen, dass sich relativ schnell handhabbare Tabellen entwickeln werden, wie es schon beim Schmerzensgeld der Fall war . Die Rechtsprechung hat bereits bewiesen, dass sie in der Lage ist, selbst Bemessungskriterien zu entwickeln, die auch die erforderliche Rechtssicherheit schaffen werden . Zuletzt ging es noch um die Frage, wo der neue An- spruch systematisch anzusiedeln ist: im Schuldrecht bei § 253 BGB oder – so wie es jetzt im Gesetzentwurf steht – im Deliktsrecht bei § 844 BGB . Wir Grüne hätten den Anspruch ja lieber im allgemeinen Schuldrecht, also beim § 253 BGB gesehen, damit klargestellt ist, dass alle Arten von Anspruchsgrundlagen – also auch die vertrag- lichen – davon erfasst sind . Das Gegenargument, dass im allgemeinen Teil nur die Ausgestaltung der Ansprüche geregelt ist und das Hinterbliebenengeld als eigene neue Anspruchsgrundlage deswegen in den besonderen Teil gehöre, hat zugegebenermaßen auch etwas für sich . Die- se kleine Uneinigkeit wird uns somit nicht daran hindern, Ihrem Gesetzentwurf insgesamt unsere Zustimmung zu geben . Immerhin waren wir es, die in dieser Legislatur als Erstes Initiativen für die Einführung eines Hinterblie- benengeldes vorgelegt hatten . Wir haben heute aufgrund des Sachzusammenhanges auch unseren Antrag zur Änderung des Opferentschä- digungsgesetzes (OEG) zur zweiten Lesung vorgelegt . Nach diesem Gesetz können Opfer von Gewalttaten Leistungen bekommen, wenn beim Täter kein Schadens- ersatz zu holen ist . So kann es bei schweren Verletzungen beispielsweise eine lebenslange Rente geben . Allerdings gilt dies aufgrund einer Ausnahmevor- schrift nicht: wenn eine Gewalttat durch den Gebrauch eines Kraftfahrzeuges verübt wurde . Dann soll nur der Verkehrshilfefonds der Haftpflichtversicherer eintreten, der aber nicht dieselben Leistungen gewährt wie das Opferentschädigungsgesetz . Wir wollen, dass alle Opfer von Gewalttaten künftig gleich behandelt werden, un- abhängig davon, ob die Tatwaffe eine Schusswaffe, ein Messer oder eben ein Kfz ist . Und auch wenn Sie diesen Antrag heute ablehnen, wird das Thema Opferentschädigung damit nicht zu Ende sein . Dass es bei der Opferentschädigung weiter gehenden Reformbedarf gibt und dies in der nächsten Le- gislatur dringend wieder aufgerufen werden muss, steht wohl außer Frage . Gut ist es jedenfalls, dass wir das Hinterbliebenengeld jetzt auf den Weg gebracht haben und heute hier gemein- sam verabschieden . Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Über- einkommen vom 25. Oktober 2016 zur Errichtung der Internationalen EU-LAK-Stiftung (Tagesord- nungspunkt 31) Dr. Andreas Nick (CDU/CSU): Die strategische Partnerschaft zwischen der EU und der Staatengemein- schaft Lateinamerikas und der Karibik (CELAC) wurde 1999 mit dem Ziel begründet, den Dialog beider Regio- nen durch regelmäßige Gipfeltreffen zu vertiefen . Auch wenn sich die Zusammenarbeit beider Regionen auf politischem, wirtschaftlichem, kulturellem und wissen- schaftlich-technologischem Gebiet seitdem verbessert hat, bleibt festzustellen: Lateinamerika ist in unserer öf- fentlichen Wahrnehmung in den letzten 20 Jahren eher in den Hintergrund gerückt . Die 2010 beschlossene Gründung der EU-Lateiname- rika/Karibik-Stiftung soll diesem Trend entgegenwirken und helfen, die strategische Partnerschaft mit neuem Leben zu erfüllen . Diese ursprüngliche Gründung als Stiftung nach deutschem Recht diente lediglich einer Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23805 (A) (C) (B) (D) beschleunigten Arbeitsaufnahme . Von Beginn an war es Konsens zwischen der Europäischen Union und den Staaten Lateinamerikas und der Karibik, den biregiona- len Charakter der Stiftung zu betonen . Im Oktober letzten Jahres wurde daher beschlossen, sie in eine internationa- le Organisation umzuwandeln . Ziel der Stiftung ist es, den lateinamerikanisch-euro- päischen Dialog zu stärken, das gegenseitige Verständnis zu fördern und die politischen, wirtschaftlichen und wis- senschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Regionen unter Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Akteure wie akademischer Einrichtungen weiter zu vertiefen . Be- sonderer Wert wird darauf gelegt, dass die Stiftung der Partnerschaft eine erhöhte Präsenz in der Öffentlichkeit verleiht . Die Bundesregierung hat sich erfolgreich dafür ein- gesetzt, dass die Freie und Hansestadt Hamburg zum Sitz bestimmt wurde . Hamburg hat durch internationalen Handel und Schifffahrt seit Jahrhunderten gewachsene historische Verbindungen nach Lateinamerika . Ende des 19 . Jahrhunderts verließen zahlreiche Auswanderer Eu- ropa über den Hamburger Hafen in Richtung Südameri- ka . Neben der Städtepartnerschaft mit León in Nicaragua verdeutlichen die 20 konsularischen Vertretungen latein- amerikanischer Staaten in Hamburg die enge Bindung . Durch die Wahl der Hansestadt unterstreicht Deutschland sein Interesse an einer engen Partnerschaft mit der Zu- kunftsregion Lateinamerika/Karibik . Auch wenn die Krisenherde und Bedrohungslagen in Osteuropa, im Mittleren Osten und in Nordafrika und nicht zuletzt auch die dynamische wirtschaftliche Ent- wicklung Asiens viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen: Lateinamerika ist und bleibt für uns in Deutschland und Europa eine wichtige Partnerregion . In der EU und La- teinamerika leben zusammen über 1 Milliarde Menschen . Die EU und die CELAC-Staaten stellen mit insgesamt 61 Staaten ein Drittel der Mitglieder der Vereinten Natio- nen, darunter fast die Hälfte der G-20-Staaten . Sie produ- zieren gemeinsam 40 Prozent des Weltsozialproduktes . Die EU ist der größte ausländische Investor in der Regi- on, der zweitgrößte Handelspartner der lateinamerikani- schen und karibischen Staaten und der größte Geber der Entwicklungszusammenarbeit in Lateinamerika und der Karibik . Mit kaum einer anderen Region der Welt sind wir Europäer historisch enger verflochten und kulturell stärker verbunden . Dies bildet die Grundlage für gemein- same Werte und eine dauerhafte Zusammenarbeit . An diese Gemeinsamkeiten gilt es immer wieder an- zuknüpfen, zum beiderseitigen Vorteil, aber auch in ge- meinsamer Verantwortung . Die Gründung der EU-Lateinamerika/Karibik-Stif- tung als Folge der strategischen Gespräche zwischen der EU und Lateinamerika kommt zum richtigen Zeitpunkt, denn gegenwärtig bietet sich ein günstiges Zeitfenster der Gelegenheit zur Revitalisierung der Beziehungen zwischen beiden Regionen: Nach den Wahlen in Argentinien, Peru, den politischen Veränderungen in Brasilien sowie durch den fortschrei- tenden Friedensprozess in Kolumbien zeichnet sich ein politischer Wandel ab, der sich trotz mancher Rückschlä- ge positiv auf den gesamten Kontinent auswirken könnte . Die relative politische Öffnung in Kuba wurde an- fänglich als ein positives Signal wahrgenommen . Aller- dings implizieren die damit verbundenen wirtschaftli- chen Chancen bisher leider keine direkte Stärkung der Demokratie oder eine deutliche Verbesserung der Men- schenrechtslage . Die anfänglich positive Entwicklung in Venezuela – 2015 erreichte die Opposition eine Zweidrittelmehrheit bei den Parlamentswahlen – wurde durch das Vorgehen der chavistischen Regierung konterkariert . Leider ist in Venezuela eine friedliche und demokratische Verände- rung nicht absehbar; das Land leidet unter einer katastro- phalen wirtschaftlichen und humanitären Entwicklung . Präsident Nicolás Maduro versucht mit allen Mitteln, die Rechte der Oppositionsparteien zu unterdrücken und ein Votum über seine Abwahl zu verhindern . Deshalb steht das Land am Rande eines Bürgerkrieges . Aber auch die Veränderungen der geopolitischen Lage für Lateinamerika lassen ein verstärktes Interesse Eu- ropas an der Region geboten erscheinen . Während die USA unter Donald Trump offenbar stärker auf Abschot- tung und Protektionismus setzen und sich eher von ihren südlichen Nachbarn distanzieren, weitet China seinen Einfluss in der Region aus. Die Beziehungen zu Latein- amerika als ein traditioneller und auch für die Zukunft wichtiger Partner Europas müssen gestärkt werden . Wir können unsere Partner in Lateinamerika nur ermutigen, wirtschaftlich wie politisch auf verstärkte Zusammenar- beit und regionale Integration zu setzen . So wäre eine stärkere Annäherung von Mercosur und der Pazifik-Allianz zweifelsohne wünschenswert, nicht nur was die Größe und Relevanz des gemeinsa- men Marktes, sondern vor allem was die grundsätzliche wirtschaftspolitische Ausrichtung angeht . Die vier Mit- gliedsländer des Mercosur erwirtschaften fast 40 Prozent des gesamten BIP Lateinamerikas . Die vier Länder der Pazifik-Allianz könnten sich zu einer Drehscheibe des Handels zwischen Atlantik und Pazifik entwickeln und so von der wirtschaftlichen Dynamik in Ostasien profi- tieren . Bei einer erfolgreichen marktwirtschaftlich ge- prägten Integration könnten beide Regionalbündnisse ihren Mitgliedern die Möglichkeit bieten, die Wertschöp- fungsketten in den Mitgliedsländern zu verlängern und ihre Industrien insgesamt zu stärken . Dies könnte auch der Diskussion um ein Freihandelsabkommen mit der EU neue Impulse geben . Wir müssen mit der größten Aussicht auf Erfolg die geeigneten politischen Partner stärken, die mit unserem Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell inhaltlich über- einstimmen . Doch der Kontinent weist immer noch sehr unterschiedliche wirtschaftliche und politische Entwick- lungen auf . Immer noch leben in Lateinamerika 180 Mil- lionen Menschen in Armut, vor allem die indigene Be- völkerung . Der Zugang zu zentralen öffentlichen Gütern wie Bildung und Gesundheit ist für große Teile der Be- völkerung nicht gesichert . Die Agenda 2030 der Verein- ten Nationen mit ihren 17 globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723806 (A) (C) (B) (D) gilt für alle Staaten dieser Welt, und ihre Umsetzung stellt die grundlegende Voraussetzung für eine breite Teilhabe an Wohlstand und Entwicklung dar – auch in Lateinamerika . Deutschland kann mit seiner auf fortgeschrittene Partnerländer zugeschnittenen entwicklungspolitischen Zusammenarbeit Staaten Lateinamerikas bei der Umset- zung der Sustainable Development Goals unterstützen . Schwerpunkte des gemeinsamen Handelns orientie- ren sich am Bedarf der Partner, der Leistungsfähigkeit Deutschlands und an der Umsetzung globaler internatio- naler Vereinbarungen . Viele lateinamerikanische Länder erweisen sich dabei als sehr verlässliche Partner . Lateinamerika ist in einer volatiler gewordenen Welt trotz mancher sozialer und wirtschaftlicher Probleme ein relativ stabiler und friedlicher Kontinent . Diesen Zustand gilt es durch partnerschaftliche Zusammenarbeit zu festi- gen . Wir müssen daher die Partnerschaft mit Lateiname- rika pflegen und weiter ausbauen, um dem politischen Dialog zwischen beiden Seiten in allen Politikbereichen eine neue Qualität zu verleihen . Gemeinsam können wir die Globalisierung im Sinne unserer Werte und Interes- sen prägen . Dafür bietet die EU-Lateinamerika/Karibik-Stiftung die richtige Plattform . Deshalb unterstützt die CDU/ CSU-Fraktion ihre Gründung nachdrücklich . Klaus Barthel (SPD): Heute schaffen wir für die Bundesrepublik Deutschland die Voraussetzungen für die Umwandlung der EU-Lateinamerika-Karibik-Stif- tung (EU-LAK-Stiftung) in eine internationale Organi- sation . Noch in diesem Jahr soll dann das entsprechende Übereinkommen in Kraft treten, wenn mindestsens acht EU-Staaten – das ist schon erreicht – und acht LAK-Staa- ten unterzeichnet haben . Diese gemeinsame Stiftung ist ein Ergebnis der be- reits 1999 ausgerufenen strategischen Partnerschaft der EU mit Lateinamerika und der Karibik . Nun könnte man sagen: ein bescheidenes Ergebnis in Relation zum ge- radezu inflationär gebrauchten Pathos der strategischen Partnerschaften . Dennoch: Die Stiftung verfolgt einen richtigen An- satz, nämlich einen biregionalen zwischen zwei global wichtigen Großräumen mit zusammen 1 Milliarde Ein- wohnerinnen und Einwohnern . In einer Welt mit immer mehr nationalistischen Ab- schottungstendenzen, mit immer mehr bilateralen statt multilateralen Abkommen ist das ein wichtiger Ansatz . Das gilt sowohl für die Stärkung der Kooperation inner- halb der Regionen als auch zwischen den Regionen . Diese Kooperationsstruktur erhält mit der Gestalt der internationalen Organisation – statt wie bisher einer Stiftung deutschen Rechts – einen wesentlich verbindli- cheren Charakter . Das gilt sowohl für den Zugzwang bei den – bescheidenen – Beiträgen als auch bei der Mitar- beit . Gelingen wird das Projekt aber nur, wenn wir Eu- ropäerinnen und Europäer und auch insbesondere wir Deutsche mit Hamburg als Sitzland auf jeden Anflug von Überheblichkeit verzichten . Aus guten Gründen sind hier viele unserer Partnerländer nach jahrhundertelanger Be- vormundung empfindlich. In einem Dialog auf Augenhöhe gibt es genug zu tun: Kooperation und Forschung auf wissenschaftlichem, kulturellem und bildungspolitischem Gebiet, Erstellung von Studien dazu, eine personelle und institutionelle In- frastruktur können Grundlage für ein Mehr sein, also für eine Vertiefung der Kooperation, die auf gegenseitigem Wissen und Empathie beruht . Ziel muss es natürlich sein, nicht nur freundlich miteinander zu reden, sondern auch zu helfen, Probleme zu lösen und gemeinsamen Nutzen zu erzeugen . Gelingen kann dies nur, wenn, wie explizit im Gesetz formuliert, die Zivilgesellschaft gestaltend einbezogen wird . Das darf aber nicht so gelesen werden, dass es hier vorrangig um wirtschaftliche und unternehmerische In- teressen geht, die erfahrungsgemäß als Erste die entspre- chenden Ressourcen mobilisieren können . Die Stiftung wird hoffentlich ein eigenes Konzept zur zivilgesell- schaftlichen Beteiligung entwickeln, damit die strategi- sche Partnerschaft auch wirklich mit Leben erfüllt wer- den kann . Wenn wir auf die Probleme unserer Regionen blicken, sehen wir genügend gemeinsame Probleme, Fragestel- lungen und Lösungsbedarfe . Wachsende Ungleichheit, wirtschaftliche und finanzielle Krisen, Gefährdungen für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, Spaltungen und Konflikte innerhalb und zwischen den Staaten, Folgen des Klimawandels – trotz unterschiedlicher Ausgangsbe- dingungen existieren zahlreiche Parallelen . Mit gegenseitigen Fingerzeigen wird man nichts er- reichen . Deshalb will ich an dieser Stelle auch nicht auf einzelne Probleme in einzelnen Partnerstaaten eingehen, schon allein weil eine Auswahl willkürlich und einseitig wäre . Im heute zu verabschiedenden Gesetzentwurf ist nachzulesen, welche Tätigkeiten und Arbeitsformen mit der Stiftung möglich sind und mit Leben gefüllt werden . Zu begrüßen ist auch der finanzielle deutsche Beitrag von jährlich knapp 300 000 Euro, der hoffentlich auch von den anderen Mitgliedstaaten aufgestockt werden wird . Zu hoffen bleibt auch, dass die Stiftung so arbeiten wird, dass sie weit über das bisher vorgesehene Maß eine eige- ne positive Dynamik entfalten wird . Heike Hänsel (DIE LINKE): Die EU-LAK-Stiftung hat das Ziel, die Partnerschaft zwischen der EU und den Staaten Lateinamerikas und der Karibik zu stärken . Das ist natürlich zu begrüßen, zumal der EU nicht die von den USA dominierte OAS gegenübersteht, sondern die CELAC . Die CELAC wurde auf Initiative der linken Re- gierungen der Region gegründet, um ein Gegengewicht gegen die Einmischung aus dem Norden zu bilden . Entsprechend werden die lateinamerikanischen Staa- ten darauf achten, dass sich die EU-LAK-Stiftung nicht in die politischen Verhältnisse in den Ländern einmischt . Da haben ja auch deutsche Stiftungen eine belastete Vor- geschichte . Wie etwa die FDP-nahe Naumann-Stiftung am Putsch in Honduras mitwirkte, um den gewählten Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23807 (A) (C) (B) (D) Präsidenten Zelaya zu stürzen, das war wirklich unwür- dig und kriminell . In diesem Sinne muss die Stiftung hier Wiedergutmachungsarbeit leisten und sich für friedliche, solidarische Beziehungen einsetzen, statt Regime Chan- ges zugunsten des neoliberalen Nordens zu unterstützen . Wir sind zum Beispiel gespannt, welche Position die Stiftung gegenüber Brasiliens rechtem Putschpräsiden- ten Temer einnimmt . Noch ist über die Pläne ja nicht viel bekannt . Es gibt lediglich ein Verzeichnis von Institutionen, in denen durchaus auch progressive Akteure aus Deutschland wie amerika21 und die Lateinamerika-Nachrichten zu finden sind . Ich hoffe, dass viele zivilgesellschaftliche Organi- sationen mit innovativen Ideen durch die Stiftung unter- stützt werden . An solchen Ideen mangelt es dem Kontinent wahrlich nicht, und Deutschland kann in vielerlei Hinsicht von La- teinamerika lernen . Ich denke da an das ALBA-Bündnis oder die Vorschläge von Bolivien und Ecuador für ein entwicklungsförderliches Handelsmandat . Daran könnte sich die EU ein Beispiel nehmen, statt mit ihrer neolibe- ralen Handelspolitik die Armut im Globalen Süden wei- ter zu verschärfen . Diesen Diskurs könnte die Stiftung wissenschaftlich weiter voranbringen und Stimmen aus dem Süden auch hierzulande Gehör verschaffen . Ein konkretes Projekt, das die EU-LAK-Stiftung un- terstützen könnte, ist die kolumbianische Universität für den Frieden, die in vielen Teilen des Landes aktiv ist und den Prozess für Frieden und Wiedergutmachung voran- bringt . Sie wurde von der ökumenischen Kommission für Gerechtigkeit und Frieden geschaffen, arbeitet an der Ba- sis; ausreichende finanzielle Unterstützung blieb ihr aber bisher versagt . Bisher hat die EU die eigenständige Entwicklung La- teinamerikas leider nicht unterstützt, sondern durch Spal- tung untergraben, etwa wenn es darum ging, die Freihan- delsabkommen mit Peru und Kolumbien abzuschließen, oder mit dem Mercosur-Bündnis nach dem Putsch in Brasilien . Der EU geht es in Lateinamerika weniger da- rum, die soziale Entwicklung zu fördern, sondern eher darum, Absatz- und Rohstoffmärkte für die eigene Wirt- schaft zu erschließen . Die CELAC und die EU haben in dieser Hinsicht unterschiedliche Auffassungen; wohl deswegen haben die Verhandlungen auch ganze fünf Jah- re gedauert . Es ist bedauerlich, dass noch so wenig bekannt ist, vor allem über die politische Ausrichtung . Aber wir begrüßen die Einrichtung der Stiftung – unter der Maßgabe, dass sie nicht als Instrument zur Einmischung und Kontrolle über Lateinamerika genutzt wird, sondern auf Augenhö- he arbeitet und fortschrittlichen Ideen auf beiden Seiten Gehör verschafft . Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Gründung der Internationalen EU-Lateinamerika/ Karibik-Stiftung im Jahr 2011 war ein positives Zeichen in Richtung einer stärkeren Zusammenarbeit und eines verstärkten Austausches zwischen diesen beiden Weltre- gionen . Die Pläne zur Gründung dieser Institution lagen zu dem Zeitpunkt bereits Jahre zurück, und die breite Tragfähigkeit des Beschlusses zeigte, dass auf EU-Ebe- ne und in den lateinamerikanischen und karibischen Partnerländern ein Konsens bestand, die gegenseitigen Verbindungen zu stärken . Die Umwandlung der Stiftung in eine internationale Organisation, die nach nunmehr sechsjährigem Bestehen vollzogen werden soll, ist über- fällig und nicht zu beanstanden . Gerade in Zeiten, in denen den Beziehungen zwischen den USA und den Ländern Lateinamerikas und der Ka- ribik starke Veränderungen bevorstehen zu scheinen, scheint der Zeitpunkt reif, den gegenseitigen Beziehun- gen neue Impulse zu verleihen, wie zum Beispiel auch Günther Maihold von der Stiftung Wissenschaft und Politik jüngst argumentierte . Mit ihrer wirtschaftlichen Stärke, dynamischen Zivilgesellschaft und gemeinsamen Wertebasis können die EU und die LAK wichtige Bünd- nispartner auf der Suche nach Lösungen für weltweite Herausforderungen wie die Wirtschafts-, Klima- und Er- nährungskrisen sein . Doch damit die EU-LAK-Stiftung ihrem Auftrag ge- recht werden kann, den gemeinsamen Dialog zu fördern, sollten endlich die schon seit der Gründung bestehenden Kritikpunkte angegangen werden . Die anstehende Verän- derung der Rechtsform sollte dazu genutzt werden, auch eine Veränderung der inhaltlichen und organisatorischen Strukturen voranzutreiben . Hierzu zählen zuvorderst ein verstärkter Fokus auf die Förderung zivilgesellschaftlicher Initiativen sowie ein Ende der Intransparenz von Mandat und Funktionsweise der Stiftung . Die Stiftung muss sich stärker der Zivilge- sellschaft öffnen, da sie sonst weiterhin im Verdacht ste- hen wird, die vor allem auf wirtschaftlichen Interessen beruhende Zusammenarbeit der sie tragenden Regierun- gen zu fördern . In Zeiten, in denen Räume für kritische Zivilgesell- schaft weltweit in höchst besorgniserregendem Maße eingeschränkt werden, müssen dagegen Zeichen gesetzt werden . Sowohl in Lateinamerika als auch in Europa erleben wir in einigen Ländern einen Rechtsruck, in dessen Folge die Zivilgesellschaft massiv unter Druck gerät . Bislang hat die EU-LAK-Stiftung eine Stärkung der kritischen Zivilgesellschaft jedoch vermissen las- sen . Auch die für das restliche Jahr angekündigten Ge- sprächsrunden fallen durch Begriffe wie „strategische Partnerschaft“ auf, aber sparen eine Beleuchtung von Problemfeldern in den teilnehmenden Ländern aus . Doch wenn beispielsweise in Brasilien Aktivisten und Gewerkschafter unter Druck gesetzt, Minderheitenrechte eingeschränkt und die Umweltressourcen schonungslos wirtschaftlichen Interessen untergeordnet werden, wenn in Venezuela, wo die Lage noch viel dramatischer ist, die Regierung eine Hungerkrise provoziert und de facto ge- gen das gewählte Parlament putscht, dann müssen auch die Themen Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte viel stärker auf die Prioritätenliste einer Organisation wie der EU-LAK-Stiftung gesetzt werden . Auch bei den Themen von Ökologie und wirtschaft- licher Diversifizierung bzw. Nachhaltigkeit gilt es, im Rahmen der EU-LAK-Stiftung einen Dialog auf Augen- höhe zu führen . In manchen Ländern der LAK-Region Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723808 (A) (C) (B) (D) gibt es ein Phänomen einer neuartigen Umweltausbeu- tung, bei der Raubbau und Rohstoffexport im Zentrum der wirtschaftlichen Strategie stehen und menschenrecht- liche und ökologische Aspekte vernachlässigt werden . Dieses Phänomen steht in direktem Zusammenhang mit wirtschaftlicher Nachfrage und dem energieintensiven und wenig nachhaltigen Lebensmodell in der EU . Die Partnerschaft zwischen der EU und den LAK-Län- dern birgt ungemein viel Potenzial; das ist offensichtlich . Die Stiftung, bald voraussichtlich in der Rechtsform ei- ner internationalen Organisation, könnte ein Instrument sein, diese Partnerschaft durch zivilgesellschaftlichen Austausch weiter zu befördern . Leider konnte sie diesem Anspruch bislang aufgrund der intransparenten Arbeits- weise und einem zu starken Fokus auf offizielle Ebenen nicht gerecht werden . Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft (Urheberrechts-Wissens- gesellschafts-Gesetz – UrhWissG) (Tagesordnungs- punkt 32) Dr. Stefan Heck (CDU/CSU): Ende letzten Jahres haben wir alles getan, um Schlimmeres für die Verlage zu verhindern: Aufgrund europäischer und nationaler Rechtsprechung mussten sie nicht nur erhebliche Rück- zahlungen leisten, sondern wurden zukünftig von den Ausschüttungen der VG WORT ausgeschlossen . Wir haben eine gesetzliche Lösung beschlossen, die einen wirtschaftlichen Ruin vieler Verlage – vorerst – verhindert hat; eine Übergangslösung, bis wir auf eu- ropäischer Ebene endgültig Rechtssicherheit herstellen können . Heute beraten wir einen Gesetzentwurf, der alles Vor- herige und alle politischen Zusagen an die Verlage als Farce erscheinen lässt . Im Koalitionsvertrag, den wir heute umsetzen wollen, haben wir uns darauf geeinigt, eine Bildungs- und Wissenschaftsschranke einzufüh- ren, die den Belangen der Wissenschaft, Bildung und Forschung stärker Rechnung trägt . Allerdings müssen hierbei die Interessen der Urheber und Verlage ausrei- chend berücksichtigt werden . Der Gesetzentwurf von Bundesminister Maas ist aber weit von einem solchen Interessenausgleich entfernt . Vielmehr sieht er einen Ei- gentumseingriff vor, der Wissenschafts- und Presseverla- gen sowie Autoren die Grundlage ihres wirtschaftlichen Daseins und ihrer Existenz nehmen wird . Hier kann auch das Interesse der Allgemeinheit kein ausreichend schwe- res Gewicht in der Waagschale bilden . Die Begrenzung der Rechte des Urhebers ist kein Novum . Auch das geistige Eigentum unterliegt der So- zialgebundenheit, sodass das Recht seiner Verwertung in einem gewissen Umfang zurückstehen muss, wenn es um den Zugang der Allgemeinheit zu Bildung und Forschung geht . Auch sehe ich die Notwendigkeit, die aktuellen ge- setzlichen Regelungen der Wissenschaftsschranke neu zu regulieren und zu strukturieren, um Übersichtlichkeit zu schaffen und die Anwendung zu vereinfachen . Das war und ist unser ausdrückliches Ziel . Aber hierbei geht es wie immer um das richtige Maß . Und der uns vorliegende Entwurf schießt weit über das Ziel hinaus. Auch wenn Eigentum verpflichtet, darf es zu keiner Enteignung führen . Versagt eine Beschränkung der Rechte privatwirtschaftliches Agieren und macht sie die Refinanzierung von Investitionen unmöglich, dann können wir das nicht unterstützen . Eine solche Konse- quenz ist untragbar . Regelungen, die gesetzliche Nutzungsbestimmungen vor Lizenzangeboten den Vorrang gewähren und damit Lizenzen letztlich unerheblich machen, nehmen nicht nur jeden Anreiz für Publikationen, sondern machen privat- wirtschaftliches Handeln letztlich unmöglich . Autoren und Wissenschaftsverlage haben künftig keinen Einfluss mehr darauf, zu welchen Konditionen und zu welchem Preis ihre Inhalte genutzt werden dürfen . Denn ein an- gemessenes Angebot soll nach Vorstellung von Minister Maas irrelevant sein . Regelungen, die einen erlaubnisfreien Nutzungs- umfang von 15 Prozent gewähren, bedrohen den Pri- märmarkt vieler Verlage . Denn wer wird sich ein Buch kaufen, wenn er sich die entscheidenden Passagen „zu- sammenkopieren“ kann? Regelungen, die künftig erlau- ben, „einzelne Artikel“ aus Zeitungen und Zeitschriften vollständig zu nutzen, gefährden das primäre Geschäfts- modell von Zeitungen und damit die freie Presse . Wer hierbei ins Feld führt, dass den Rechteinhabern doch ausdrücklich das Recht auf eine angemessene Vergütung für die Nutzung ihrer Werke und Inhalte zugesprochen wird, den kann ich nur fragen, ob er ernsthaft annimmt, dass hier nicht ganz andere Interessen vordergründig eine Rolle spielen werden . Die Länder haben ihre berechtigten fiskalpolitischen Interessen . Dies hat sich bereits im Beschluss des Bun- desrates gezeigt . Wie viel den Ländern Bildung und Forschung wert ist, zeigt sich in der Forderung, dass der erlaubnisfreie Nutzungsumfang von den 15 Prozent auf die bereits aus dem Referentenentwurf vorgeschlagenen 25 Prozent zurückgedreht werden sollte und die vorgese- hene Vergütungspflicht für nichtkommerzielle Nutzung zu hinterfragen ist . Sie haben großes Interesse daran, die Ausgaben für Bildung und Forschung zu deckeln . Da kommen ein Vorrang der gesetzlichen Nutzungsbe- stimmungen und eine pauschale Vergütungsregel gerade recht . Letztlich birgt ein „unkontrollierter“ Zugang zu Werken zudem die Gefahr des Missbrauchs . Wenn Ver- lage nicht in der Hand haben, darüber zu entscheiden, in welchem Umfang und zu welchem Preis ihre Werke genutzt werden, wer garantiert ihnen dann, dass Nutzer Nutzungsgrenzen nicht überschreiten werden? Denn wer wird kontrollieren, ob nur 15 Prozent oder vielleicht doch ein bisschen mehr oder doch erheblich mehr genutzt wer- den? Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23809 (A) (C) (B) (D) Für ein zukunftsfähiges Deutschland wollen wir den einfachen Zugang von Studenten und Lehrenden zu wis- senschaftlicher Literatur ermöglichen . Es ist nicht unser Ziel, Bildung und Forschung unnötig Steine in den Weg zu legen . Aber dieses Ziel darf nicht einhergehen mit ei- ner Absage an die freie Marktwirtschaft . Derzeit gilt das Gebot des Lizenzvorrangs . Verlage haben es in der Hand, ein angemessenes Angebot für die Nutzung von Werken zu unterbreiten . Sollten sie dazu nicht in der Lage sein, dann greifen die gesetzlichen Nut- zungsvorgaben . Daran sollten wir grundsätzlich festhal- ten . Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Wir beraten heute in erster Lesung über das Urheberrechts-Wissensgesell- schafts-Gesetz . Hinter diesem sperrigen Namen verbirgt sich die Einführung einer sogenannten Bildungs- und Wissenschaftsschranke im Urheberrecht . Das Urhebergesetz sieht bereits jetzt in einzelnen Vor- schriften gesetzlich erlaubte Nutzungen für Unterricht, Wissenschaft und Institutionen vor . Die Vorschriften regeln, unter welchen Voraussetzungen urheberrecht- lich geschützte Werke für die Zwecke von Bildung und Wissenschaft verwendet werden dürfen, ohne in jedem Einzelfall Rechte zu klären und Erlaubnisse einholen zu müssen . In der Regel ist die gesetzlich erlaubte Nutzung mit einer Vergütungspflicht verbunden. Das ist auch sinnvoll: Schulen und Universitäten sind in hohem Maße auf den Zugang zu urheberrechtlich ge- schütztem Material für Lehre und Forschung angewie- sen . So kann ein Hochschullehrer zum Beispiel schon nach geltender Rechtslage „kleine Teile“ eines Werkes zu Unterrichtszwecken vervielfältigen und an seine Stu- dierenden weiterleiten, ohne dafür immer eine Geneh- migung vom Verlag einzuholen zu müssen . Diese Vor- schriften sind aber teilweise unverständlich formuliert und über das gesamte Urhebergesetz verstreut . Hinzu kommt, dass sich in den letzten Jahren durch die Digitalisierung vieles verändert hat . Das gilt insbe- sondere für die Verbreitung und die Nutzung urheber- rechtlich geschützter Inhalte . Wir wollen das Urheberrecht deshalb an dieser Stel- le modernisieren und an die Veränderungen der letzten Jahre anpassen . Schließlich sind die gesetzlichen Erlaub- nistatbestände für Bildung und Wissenschaft seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr angefasst worden . Es ist das dritte große Reformvorhaben, das wir in dieser Legislaturperiode im Urheberrecht verabschieden wollen . Zuletzt haben wir Ende des vergangenen Jahres schon das Verwertungsgesellschaftengesetz sowie das Urhebervertragsrecht reformiert . Begrüßenswert ist, dass wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf einen selbstständigen Abschnitt für die er- laubnisfreien Nutzungen von Bildung und Wissenschaft einführen und praxistaugliche und verständliche Rege- lungen formulieren . Sie sorgen für eine einfachere Hand- habung der Ausnahmetatbestände . Davon werden die Anwender, also zum Beispiel Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler, Lehrende an den Hochschulen, Studierende sowie Beschäftigte in Bibliotheken und Archiven, profi- tieren . Das entspricht auch unserem Wunsch nach einem wissenschafts- und bildungsfreundlichen Urheberrecht . Als Gesetzgeber ist es aber auch unsere Aufgabe, die Interessen der Urheber und Wissenschaftsverlage im Blick zu behalten . Denn wie immer im Urheberrecht gilt: Wir müssen einen gerechten Interessensausgleich zwi- schen Urhebern, Nutzern und Verwertern schaffen . Deshalb haben wir uns auch von dem ersten Vorschlag verabschiedet, dass 25 Prozent eines urheberrechtlich geschützten Werkes ohne Genehmigung des Rechteinha- bers für Unterricht und Lehre sowie für die wissenschaft- liche Forschung genutzt werden können . Zum einen ist eine derart weite Ausdehnung des Nutzungsumfangs nur schwerlich mit dem Schutz des Eigentums aus Ar- tikel 14 GG zu vereinbaren . Zum anderen besteht die Gefahr, dass keiner mehr die wissenschaftlichen Werke kaufen würde . Nicht zuletzt aus diesem Grund war der ursprüngliche Referentenentwurf zu weitgehend . Jetzt sieht der Entwurf vor, dass erlaubnisfreie Nutzungen für Unterricht und Lehre sowie wissenschaftliche Forschung in der Regel noch in einem Umfang von 15 Prozent zu- lässig sind . Der Gesetzgeber hat stets die Pflicht, mit Weitsicht zu- kunftstaugliche Regelungen zu schaffen: Die Digitalisie- rung umfasst mittlerweile nahezu alle Bereiche wissen- schaftlichen Arbeitens . Die urheberrechtliche Situation hat sich ebenfalls grundlegend geändert . Wie im Koaliti- onsvertrag eindeutig vereinbart, wollen und brauchen wir für Wissenschaft und Bildung noch in dieser Legislatur- periode eine gute Lösung im Urheberrecht . Unser ausdrückliches Ziel ist es, dass die Stärken und Vorteile der analogen Welt auch im digitalen Zeitalter weiterbestehen . Dies bedeutet nicht zuletzt, eine stets an- gemessene Vergütung der Urheber zu gewähren . Aus praktischer Sicht ist es von großer Bedeutung, dass bürokratischer und kostenintensiver Aufwand bei Nutzung und Abrechnung vermieden wird . Die im Ent- wurf ausdrücklich erlaubte pauschale Abrechnung der Nutzungsvergütungen ist aus dieser Perspektive richtig . Lassen Sie mich abschließend festhalten: Wir brau- chen im Bereich der Bildung und Wissenschaft ein transparentes und benutzerfreundliches Urheberrecht, das dem digitalen Zeitalter gerecht wird . Der parlamen- tarische Prozess bedeutet daher immer auch, einen Inte- ressenausgleich zwischen den Urhebern und Nutzern zu schaffen . Wir wollen uns im Verfahren im Detail mit den Regelungen auseinandersetzen und einen angemessenen Ausgleich der verschiedenen Interessengruppen finden. Der Entwurf bedarf Nachbesserungen . Darüber wird zu sprechen sein . Christian Flisek (SPD): Wir sprechen heute über ei- nen Gesetzentwurf, der endlich Rechtssicherheit in ganz wichtige Bereiche unserer Bildungs- und Wissenschafts- landschaft bringen wird . In Lehre und Forschung, an den Schulen und Universitäten und in den Bibliotheken und Archiven wird dieser Gesetzentwurf für klare Verhältnis- se sorgen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723810 (A) (C) (B) (D) Die Probleme der aktuellen Rechtslage sind bekannt: Die bisherigen gesetzlichen Nutzungserlaubnisse im Ur- heberrechtsgesetz sind veraltet, unübersichtlich geregelt und selbst für Expertinnen und Experten kaum verständ- lich . Aufgrund etlicher auslegungsbedürftiger Begriffe führen jahrelange gerichtliche Auseinandersetzungen zu einer unerträglichen Rechtsunsicherheit auf allen Seiten . Der Gesetzentwurf reagiert auf diese Missstände . Er errichtet einen praktikablen Rechtsrahmen für die Nut- zung von wissenschaftlichen Arbeiten und Lehrmaterial in Unterricht und Lehre . Der Gesetzentwurf sieht kein vergütungsfreies Nutzungsrecht vor . Er sieht einen ver- gütungspflichtigen Mindeststandard an Nutzungsrechten vor, damit Lehrer, Professoren, Bibliothekare und Archi- vare wissen, was sie nutzen dürfen und was nicht . Zurzeit versinken die Bibliothekare der Universitäten in zahllo- sen, ganz unterschiedlich ausgestalteten Lizenzverträgen . Die Unübersichtlichkeit führt dazu, dass Professoren und Dozenten entweder auf Nutzungen ganz verzichten oder dass illegal genutzt wird – beides ist nicht gut . Zugleich profitieren die Rechtsinhaber, also zum Beispiel Autoren und Fachverlage; denn sie erhalten eine angemessene Vergütung für Nutzungen, die ansonsten oft unterblieben wären oder rechtswidrig (und damit ebenfalls ohne Ver- gütung) stattgefunden hätten . Nachdem wir schon Anfang des Jahres in der SPD-Fraktion sowohl Verlage als auch Vertreter von Uni- versitäten und Bibliotheken angehört haben, haben wir in den letzten Wochen zahlreiche bilaterale Gespräche ge- führt . In den letzten Tagen haben sich nun Zeitungsverla- ge zu Wort gemeldet, die Sorge um ihre Archive haben . Auch damit werden wir uns im parlamentarischen Ver- fahren intensiv beschäftigen . Eines ist besonders zu betonen: Es ist für mich ganz entscheidend, dass die gesetzlichen Regelungen nicht kategorisch ausgehebelt werden können . Ein pauschaler Vorrang von Lizenzangeboten würde den Zweck des Ge- setzes vereiteln: Ein Vorrang von Lizenzangeboten wür- de erneut zu Rechtsstreitigkeiten führen, weil niemand weiß, was denn ein „angemessenes Angebot“ ist . Die Konsequenz wäre wieder Rechtsunsicherheit sowie eine Überlastung der Bibliothekare an Universitäten und an- deren Einrichtungen aufgrund zahlreicher unterschiedli- cher Lizenzangebote und -verträge . Das wollen wir aber gerade verhindern! Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Die Anpassung der ur- heberrechtlichen Schranken für die Zwecke von Bildung und Wissenschaft überfällig zu nennen, wäre eine maß- lose Untertreibung . Die Diskussion darum ist so alt wie der erste Einzug der Digitalisierung in die Bildungs- und Forschungsein- richtungen selbst . Seitdem müssen sich Lehrende und Forschende für ihre tägliche Arbeit mit einem unüber- sichtlichen, anachronistischen Regelwerk mit erhebli- cher Rechtsunsicherheit herumschlagen. Profitiert haben jedenfalls die Urheberinnen und Urheber niemals davon . Dennoch hat sich trotz zahlreicher Ankündigungen und Vorschläge lange nichts getan . Selbst nachdem Ende letzten Jahres im universitären Bereich die Aushandlung eines tragfähigen Rahmenvertrags derart scheiterte, dass der Rückfall in vordigitale Zeiten nur notdürftig verscho- ben wurde, wussten wir bis zuletzt nicht, ob der vorlie- gende Gesetzentwurf tatsächlich das Licht der Welt er- blicken würde . Dass er nun vorliegt, in einer Form, die unbestritten eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Status quo wäre, stellt insofern eine Erleichterung dar . Bildungs- und forschungsfeindlich sind die darin vorgesehenen Re- gelungen nicht mehr . Allerdings: Im Koalitionsvertrag bemühen Sie das Wort „freundlich“, und so weit würde ich noch nicht gehen . Zumal gegenüber dem Referentenentwurf der Umfang der erlaubten Nutzung noch einmal deutlich ein- geschränkt wurde – von 25 auf 15 Prozent in den zentra- len Erlaubnistatbeständen . Hier scheint es dann doch ein Einknicken vor der reichlich fragwürdigen Kampagne der Verlage gegeben zu haben . Für uns bleibt der Goldstandard eine allgemeine Bil- dungs- und Wissenschaftsschranke, wie wir sie seit je- her fordern und wie sie mit diesem Entwurf gerade nicht umgesetzt wird . Es ist nicht verständlich, warum die er- laubte Nutzung für die Zwecke der Bildung und Wissen- schaft überhaupt eingeschränkt werden sollte . Faire Ver- gütungsregeln vorausgesetzt, deckt sich eine allgemeine Schranke auch mit den Interessen der Urheberinnen und Urheber . Sie hätte darüber hinaus den Vorteil der Offenheit gegenüber neuen technischen Entwicklungen . Der jetzt vorliegende Entwurf hingegen wird regelmäßiger Über- arbeitung bedürfen, um nicht hinter die Zeit zurückzu- fallen . Bereits jetzt spart er zum Beispiel eine Regelung zum Verleih von E-Books aus, wie wir sie hier bereits vor zwei Jahren gefordert haben . In Anbetracht all dessen gilt es jetzt, den vorliegen- den Entwurf zügig, aber gründlich daraufhin zu über- prüfen, wo er im Sinne eines möglichst bildungs- und forschungsfreundlichen Urheberrechts noch nachjustiert werden kann . In jedem Fall muss noch vor der Wahl ein Gesetz daraus werden, das dann so schnell wie möglich zur Anwendung kommen sollte . Das Ziel bleibt aber – jedenfalls für uns –, zu einer Regelung zu kommen, die tatsächlich im Sinne einer all- gemeinen Schranke die Nutzung für Zwecke der Bildung und Wissenschaft ungehindert erlaubt . Nur so kommen wir zu einem Urheberrecht, das nicht nur – wie es hier im Titel des Gesetzes heißt – an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft angeglichen ist, sondern auch ihre Zukunft im Blick behält . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Große Koalition ist spät dran, wenn es darum geht, das Urheberrecht endlich anzupacken, um es zugunsten von Bildung und Wissenschaft zu modernisieren: Zu später Stunde steht ihr Vorschlag auf der Tagesordnung, wie sie die Schrankenregelungen im Urhebergesetz reformie- ren will . Das steht symptomatisch dafür, wie die Große Koalition das Thema die gesamte Legislaturperiode ver- schleppt hat . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23811 (A) (C) (B) (D) Seit 2007 wird darüber diskutiert, dass die kleinteili- gen und höchst komplizierten Schranken im Urheberge- setz Bildung und Forschung nicht in die Lage versetzen, die digitalen Potenziale zu nutzen . Wir Grünen im Bun- destag fordern daher schon seit langem die Einführung einer allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke . Mit einer solchen „Schranke“ könnten viele Nutzungs- und Vergütungsregeln klar und verständlich geregelt werden . Wir halten sie für den besten Weg, um das Ur- heberrecht für Forschung, Lehre und Lernen im digita- len Zeitalter fitzumachen. Diese Lösung wird auch seit Jahren von vielen Vertreterinnen und Vertretern aus der Wissenschaftscommunity favorisiert . In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich die Koalitions- partner diesen Ansatz ebenfalls zu eigen gemacht und angekündigt, eine Bildungs- und Wissenschaftsschranke einzuführen . Als Grüne im Bundestag haben wir in dieser Wahlperiode der Regierungskoalition immer wieder Bei- ne gemacht, ihr Versprechen einzulösen und eine weitrei- chende und zukunftsfeste Lösung zu schaffen . Wir haben das getan, unter anderem auch per parlamentarischem Antrag „Jetzt Zugang zu Wissen erleichtern – Urheber- recht bildungs- und wissenschaftsfreundlich gestalten“ . Unseren Vorschlag haben Sie abgelehnt, obwohl er eine umfassende Bildungs- und Wissenschaftsschranke ge- bracht hätte, die es Lehrenden, Lernenden und Forschen- den erleichtern würde, publizistische Werke jedweder medialer Art für den nichtgewerblichen wissenschaftli- chen Gebrauch generell genehmigungsfrei und ohne Ein- schränkungen zu nutzen . Kurz vor Ende der Wahlperiode und Ihrer Koalition haben Sie sich entschieden, etwas anderes zu liefern als das, was Sie in Aussicht gestellt haben . Ihr Entwurf zu ei- nem Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz enthält nämlich keine allgemeine Bildungs- und Wissenschafts- schranke . Das alles zeigt: Den großen angepeilten Wurf haben Union und SPD nicht hinbekommen . Stattdessen werden im Gesetzentwurf einige Erlaubnistatbestände zur Nutzung erweitert . Dort, wo überfällige Erleichte- rungen für Bildung und Wissenschaft ins Auge gefasst werden, finde ich das richtig. So wird zum Beispiel die VG-WORT-Problematik gelöst . Ich erkenne auch den Versuch der Koalition an, verständliche und rechtssi- chere Regelungen zu finden. Klar ist zugleich: Die Be- ratungen im Bundestag haben jetzt erst begonnen . In den kommenden Wochen werden wir weiter prüfen, ob die vorgeschlagene Alternative in Gänze trägt, um das Wis- senschaftsurheberrecht fair und innovationsfreundlich zu gestalten . Auf die Prüfung durch die Sachverständi- gen im Rahmen der Anhörung im Rechtsausschuss am 29 . Mai bin ich gespannt . Im Gesetzentwurf ist die Rede davon, dass die „Aus- gaben für Zahlungen an Verwertungsgesellschaften (ge- setzliche Vergütung) … sich in dem Maße erhöhen [wer- den], als die Begünstigten zukünftig von den erweiterten gesetzlichen Nutzungsbefugnissen Gebrauch machen“ . In diesem Zusammenhang stellt sich mir eine Frage, die sich auch aus einem Vergleich zwischen Referentenent- wurf und tatsächlichem Gesetzentwurf ergibt: Es sollen nun nicht mehr 25 Prozent, wie im Referentenentwurf vorgesehen, sondern lediglich 15 Prozent eines veröf- fentlichten Werkes genehmigungsfrei nutzbar sein . Der Bundesrat setzt sich in seiner Stellungnahme dafür ein, zu den ursprünglich angepeilten 25 Prozent zurückzu- kehren . Warum ist die Bundesregierung vor einer Aus- weitung auf 25 Prozent zurückgeschreckt? Unsere Position in der Sache war immer, den für Bil- dung und Wissenschaft notwendigen Zugang zu Wissen unter angemessenen und für alle Seiten fairen Bedingun- gen zu gewährleisten . Wir wollen den Modernisierungs- stau im Urheberrecht auflösen. Dieser große Wurf kommt nicht . Wenigstens aber hoffe ich, dass der Regierungsko- alition bei der Beratung des Urheberrechts-Wissensge- sellschafts-Gesetz auf den letzten Metern nicht die Puste ausgeht . Es wäre schlecht für den Innovationsstandort und für alle Lehrenden und Lernenden in Deutschland, wenn wir in der nächsten Legislaturperiode wieder bei null anfangen müssten und altbekannte Debatten wie- derholen . Dann doch lieber jetzt Schritte in die richtige Richtung gehen . Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver- braucherschutz: Seit fast zwei Jahrzehnten diskutieren wir über die „Bildungs- und Wissenschaftsschranke“ – jetzt liegt der Vorschlag auf dem Tisch . Wie immer im Urheberrecht geht es um den Ausgleich einer Vielzahl von Interessen: um die Rechte von Auto- ren und Verlagen und um die Interessen der Nutzer, der Bildungseinrichtungen sowie ihrer Träger, die das deut- sche Bildungssystem finanzieren. In der Wissensgesellschaft sind insbesondere Forscher und Wissenschaftler sowohl Nutzer bestehender Werke als auch Schöpfer neuer Inhalte: Sie bauen auf vorhan- denem Wissen auf und benötigen deshalb einen gut funk- tionierenden Zugang zu Büchern, Zeitschriften und Da- ten – analog wie digital . Und als Schöpfer neuer Werke haben sie Interesse an deren Verbreitung, natürlich auf Grundlage des Urheberrechtsschutzes . Unser Entwurf regelt den Zugang zu geschützten In- halten: Welche Texte dürfen Hochschuldozenten für ihre Studierenden in den Digitalen Semesterapparat einstel- len, ohne zuvor eine Lizenz erwerben zu müssen? Aber auch: Können beispielsweise unsere Kinder Fotos aus dem Internet in ihre Präsentation für den Geschichts- unterricht einfügen, ohne eine Rechtsverletzung zu ris- kieren? Grundlage hierfür sind die „Schrankenbestim- mungen“ des Urheberrechtsgesetzes, also Regelungen, die eine Nutzung auf gesetzlicher Grundlage erlauben; deshalb auch die Bezeichnung „Bildungs- und Wissen- schaftsschranke“ . Nun, entsprechende Vorschriften bestehen bereits im geltenden Recht . Was wollen wir im Interesse von Bil- dung und Wissenschaft ändern? Erstens . Die derzeit geltenden Bestimmungen sind sehr kompliziert, daher kaum verständlich und teilweise auch veraltet . Die Rechtsanwender wissen deshalb häu- fig gar nicht, was erlaubt ist und was nicht. Der Entwurf schafft deshalb klare Regeln . Nur verständliches Recht wird auch akzeptiert und gelebt – eine wichtige Voraus- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723812 (A) (C) (B) (D) setzung für den Respekt vor dem geistigen Eigentum, ge- rade auch in den Schulen und Universitäten . Zweitens. Wir schaffen einen klar definierten Basis- zugang zu Inhalten, und zwar unabhängig von etwaigen Lizenzvereinbarungen oder Verlagsangeboten . So dürfen beispielsweise künftig in jedem Fall 15 Prozent eines Textes für Unterrichtszwecke digital verfügbar gemacht werden . Auch das schafft Klarheit für alle Beteiligten . Selbstverständlich werden Universitäten weiterhin Bü- cher kaufen und elektronische Angebote der Verlage li- zenzieren . Wissenschaftler und Studierende brauchen in der Regel nämlich den Zugang zur vollständigen Mono- grafie oder zur kompletten elektronischen Ausgabe der internationalen Fachzeitschrift . Aber die Dozentin, die für die Teilnehmer des nächsten Seminars Kopien eines einzelnen Aufsatzes aus einer Fachzeitschrift braucht, muss künftig nicht mehr nach Verlagsangeboten suchen oder gar den Preis und die Lizenzklauseln auf Ihre Ange- messenheit beurteilen – in der Praxis ohnehin ein Ding der Unmöglichkeit . Diese lebensfremde Regelung schaf- fen wir deshalb ab . Drittens . Autoren und Verleger erhalten für die gesetz- lich erlaubten Nutzungen eine angemessene Vergütung . Denn wir beschränken das exklusive Verwertungsrecht der Urheber und der Unternehmen, die in die Herstellung und Verbreitung der Inhalte investieren . Die Vergütung ist also die Kompensation für die gesetzlich erlaubte Nut- zung . Wir stellen gleichzeitig klar, dass nicht jede klein- teilige Nutzung individuell abgerechnet werden muss . Es kann nicht sein, dass die Erfassung und Abrechnung auf Nutzerseite mehr kostet, als Autoren und Verlage am Ende des Tages als Vergütung erhalten . Mit einer Änderung des Verwertungsgesellschaften- gesetzes Ende 2016 haben wir die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Autoren ihre Verleger auch weiterhin an diesen Vergütungen beteiligen können . Und auf europä- ischer Ebene setzen wir uns weiterhin dafür ein, dass im europäischen Recht klargestellt wird, dass gemeinsame Verwertungsgesellschaften von Autoren und Verlegern möglich bleiben . Dies dient allen Beteiligten: Autoren und Verleger können ihre gemeinsamen Interessen gebündelt wahr- nehmen . Und für die Nutzerseite – also Bibliotheken oder die Träger von Bildungseinrichtungen – ist es ebenfalls besser, wenn eine gemeinsame Verwertungsgesellschaft von Autoren und Verlegern in einem One-Stop-Shop ihr Ansprechpartner ist . Wir verstehen die Sorgen einiger Wissenschaftsverla- ge, sind aber sicher, dass deren Geschäftsmodell auch im digitalen Umfeld eine Zukunft hat, nämlich als Dienst- leister der Wissensgesellschaft . Dieses Geschäftsmodell ist durch einen lizenzfreien, zugleich aber vergüteten Ba- siszugang zu urheberrechtlich geschützten Inhalten nicht infrage gestellt . Ich bin überzeugt, dass uns ein fairer Interessenaus- gleich gelungen ist . Die Bundesregierung ist zuversicht- lich, dass der Abschluss dieses Gesetzgebungsverfahrens noch in dieser Legislaturperiode gelingen wird . Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Beitrittsprotokoll vom 11. November 2016 zum Handelsübereinkommen vom 26. Juni 2012 zwi- schen der Europäischen Union und ihren Mit- gliedstaaten einerseits sowie Kolumbien und Peru andererseits betreffend den Beitritt Ecuadors (Ta- gesordnungspunkt 34) Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Wir verabschie- den heute in zweiter Lesung ein Gesetz, welchem eine besondere Bedeutung zukommt . In der momentanen Debatte, die fast nur noch von Protektionismusfreunden, weltweiten Freihandelsfeinden und Realitätsverweige- rern in der Opposition geprägt wird, kommt das Thema Freihandel zu oft unter die Räder . Das hier vorliegende Vertragsgesetz regelt den Beitritt Ecuadors zum bereits bestehenden Handelsabkommen der Europäischen Union mit Peru und Kolumbien . Mit dem Handelsübereinkom- men sollen mögliche Wettbewerbsnachteile für deutsche und europäische Unternehmen beim Marktzugang in der Republik Ecuador gegenüber anderen Industrieländern verhindert werden . Es ist davon auszugehen, dass da- von die breit aufgestellte deutsche Wirtschaft profitieren wird . Ich möchte Ihnen hier nochmals kurz die Genese der Verhandlungen verdeutlichen, damit Ihnen die zeitliche Dimension der geführten Verhandlungen bewusst wird . Ursprünglich war Ecuador Verhandlungspartner eines Assoziierungsabkommens mit den anderen Andenstaaten Kolumbien, Peru und Bolivien, welches im April 2007 von der EU unter deutscher EU-Präsidentschaft initiiert wurde . 2008 verließen Bolivien und Ecuador jedoch aufgrund von Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Andengemeinschaft diese Verhandlungen . 2009 wurden die Gespräche dann auf der Grundlage eines neuen Man- dates als Freihandelsverhandlungen mit Kolumbien und Peru fortgeführt und im Mai 2010 abgeschlossen . Mit der EU kam es dann erst 2012 zur Unterzeichnung eines Ver- trages in Form eines gemischten Abkommens . Der Deut- sche Bundestag hat dem Abkommen am 1 . August 2013 seinen Segen gegeben . Bis heute haben aus unterschiedli- chen Gründen Österreich, Belgien und Griechenland die Ratifizierung in den nationalen Parlamenten immer noch nicht abgeschlossen . Einige schaffen es eben schneller, andere brauchen Jahre . Somit ist das Abkommen bisher nur in der vorläufigen Anwendung. Leider auch eine eu- ropäische Realität . Die Entscheidung Ecuadors, dem bestehenden Han- delsabkommen beizutreten, hat das Land 2013 gefasst, da die mit Peru und Kolumbien geschlossene Übereinkunft die Möglichkeit eines Beitritts weiterhin offengehalten hat . Ecuador hat sich nun zu einem Beitritt entschlossen . 2014 sind dann die Verhandlungen abgeschlossen wor- den . 2016 wurde das Übereinkommen unterzeichnet und vom EU-Parlament bestätigt . Seit dem 1 . Januar 2017 wird das Handelsübereinkommen vorläufig angewendet und beschränkt sich damit auf die Teile des Abkommens, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23813 (A) (C) (B) (D) welche in die ausschließliche Zuständigkeit der EU fallen . Es handelt sich daher bei dem Beitritt Ecuadors ebenfalls um ein sogenanntes gemischtes Abkommen, das die Not- wendigkeit eines Vertragsgesetzes auslöst und damit ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren durchläuft . Nach Frankreich und Finnland sind wir zum jetzigen Zeitpunkt der dritte Mitgliedstaat der EU, welcher das Abkommen förmlich notifiziert. Das werte ich als weiteres starkes Si- gnal Deutschlands für den Freihandel . So viel zur Genese und zur zeitlichen Dimension . Nun aber einige Bemerkungen zum Inhalt und zur Bedeutung des Handelsvertrages . Der Beitritt Ecuadors zum Handelsübereinkommen ist ein wichtiger Schritt zum Ausbau der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen zwischen der EU und Ecua- dor . Es deckt 99 Prozent der EU-Ausfuhren ab, darunter 100 Prozent der industriellen Güter und 85 Prozent der landwirtschaftlichen Güter . Ecuador erhält mit Inkraft- treten des Beitritts 100 Prozent Zollfreiheit auf seine Industriegüter . Ersten Berechnungen zufolge ist mit nur geringen EU-Mindereinnahmen durch ausfallende Zölle zu rechnen – nach zehn Jahren circa 80 Millionen Euro . 17 Jahre nach Inkrafttreten werden nahezu alle Zölle ab- geschafft sein . Der Beitritt stellt somit einen wichtigen Beitrag zum Abbau von Marktzugangshindernissen dar und soll mögliche Wettbewerbsnachteile für europäische Unternehmen beim Marktzugang gegenüber anderen Ländern wie die USA, China oder Kanada verhindern . Insbesondere die Automobilindustrie, der Maschinen- bau, die chemische Industrie sowie der Dienstleistungs- bereich werden vom Beitritt profitieren können. Das Handelsübereinkommen geht in vielen Bereichen über Standards der WTO hinaus und lässt sich daher gut den neuen, modernen Handelsabkommen zuordnen . Bei- spielhaft lassen sich Kompromisse zu nichttarifären Han- delshemmnissen, Dienstleistungen und Streitschlichtung beim Schutz von Rechten des Eigentums nennen . Und es greift weitere Themen auf, die in der WTO sonst nicht verhandelt werden, wie Investitions- und Wettbewerbsre- geln, Umwelt- und Sozialstandards mit einem Nachhal- tigkeitskapitel . Des Weiteren sind weitreichende Monito- ring- und Dialogplattformen implementiert . Das Kapitel zur nachhaltigen Entwicklung deckt dabei die sozialen und ökologischen Komplexe ab . Es enthält unter anderem die Übereinkunft der Vertragsparteien, die Verpflichtungen aus einer Reihe internationaler Überein- künfte einzuhalten, darunter die arbeitsrechtlichen Min- destnormen der internationalen Arbeitsorganisation so- wie multilaterale Umweltübereinkünfte . Darüber hinaus sind Bestimmungen zum Handel mit forstwirtschaftli- chen Erzeugnissen und Fischereierzeugnissen, zur bio- logischen Vielfalt, Klimaschutz etc . enthalten . Ferner legt das Handelsübereinkommen Mechanismen fest, mit denen die Durchführung der Bestimmungen überwacht wird . Dies wird die Beziehungen konstruktiv voranbrin- gen und deutlich verbessern . Der Beitritt Ecuadors zum Handelsübereinkommen von Peru und Kolumbien ist Garant für mehr Handel, Investitionen, Arbeitsplätze und größeres Wirtschafts- wachstum zugunsten aller Bevölkerungsschichten in Ecuador . Damit kann das Land in seinen Anstrengungen für mehr Entwicklung, Stabilität und die Stärkung der Menschenrechte unterstützt werden . Ich möchte hier auch ganz generell nochmals eine Lanze für den Freihandel brechen . Gerade wir als Deut- sche haben in den letzten Jahrzehnten mit am meisten von freien Märkten profitiert, wir sind ja praktisch die Erfinder von Freihandelsabkommen. Ich kann ja durch- aus nachvollziehen, dass es in einzelnen Parteien hier im Hohen Haus schwer zu verkraften ist, dass ein Land frei- willig einem Freihandelsvertrag beitreten möchte . Dies rechtfertigt aber in keiner Weise eine Blockadehaltung, welche den Menschen in Ecuador bestimmt nicht helfen wird . Die Europäische Union setzt mit ihren Freihan- delsabkommen Maßstäbe für die Welt . Die Gestaltung eines fairen und freien Welthandels ist für uns die beste Möglichkeit, unseren Wohlstand zu sichern und anderen Teilen der Welt zu Wohlstand zu verhelfen . Deswegen stimmt die CDU/CSU-Fraktion diesem Gesetzentwurf zu . Klaus Barthel (SPD): Heute geht es um den Beitritt Ecuadors zum Freihandelsabkommen der EU mit Peru und Kolumbien . Dieses ursprüngliche Abkommen hat die SPD-Bundestagsfraktion am 21 . März 2013 abge- lehnt und damit Pflöcke gesetzt für die Neuausrichtung unserer Handelspolitik in der Zukunft . Wir können heute noch jeden Satz der seinerzeitigen Begründung unter- schreiben, die uns auch in der Debatte um CETA geleitet hat . Und egal wie in der nächsten Legislaturperiode über die nationale Ratifizierung von CETA entschieden wer- den wird: Beispielsweise in der Frage der verbindliche- ren Durchsetzung von ökologischen und sozialen Stan- dards sind wir zwar nicht am Ziel angekommen, aber viel weiter als seinerzeit bei Kolumbien und Peru . Heute sehen wir: Das sogenannte Nachhaltigkeitska- pitel des Kolumbien-Peru-Abkommens stellt sich bisher als genau der zahnlose Tiger heraus, als den wir es sei- nerzeit gebrandmarkt haben . Die SPD hat im Ausschuss für Wirtschaft und Energie dazu einen Bericht der Bun- desregierung angefordert, der das eindrucksvoll belegt . Zwar haben in den knapp vier Jahren seit Inkrafttreten sage und schreibe drei Unterausschusssitzungen „Handel und nachhaltige Entwicklung“ stattgefunden, mit jeweils im Anschluss einem „öffentlichen Dialog“ . Wenn man allerdings nach konkreten Veränderungen in den Ländern sucht, etwa auch nach einer Überprüfung der Ankündi- gungen der Regierungen Perus und Kolumbiens, wird man wenig finden, auch im Bericht der EU-Kommission vom Februar 2016 . Zwar sind Nachfragen und Präsen- tationen seitens der EU erwähnt, aber keinerlei Analy- sen über tatsächliche Veränderungen . Wenn man diese Berichte so liest und im Land nach dem proklamierten gesellschaftlichen Dialog fragt, bekommt man den Ein- druck, als bewege man sich in ganz verschiedenen Wel- ten . Gerade in Kolumbien wäre dies aber angesichts der notwendigen Umsetzung des Friedensprozesses drin- gend geboten . Das Land steht am Scheideweg . Nach der Entwaffnung der FARC-Guerilla ist jetzt die Regierung am Zug, Menschen und Natur vor neuer Gewalt zum Bei- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723814 (A) (C) (B) (D) spiel durch Paramilitärs, Vertreibung, Banden- und Dro- genkriminalität und Umweltzerstörung zu schützen und für Wahrheitsfindung, Aussöhnung und Gerechtigkeit zu sorgen . Uns erreichen aber alarmierende Berichte über Morde, Einschüchterung, Entführungen und ein Machtvakuum in vielen Gebieten, aus denen sich die FARC zurückge- zogen hat . Gleichzeitig lesen wir, dass sich der Palmölex- port in die EU in drei Jahren mehr als verdoppelt hat, was in der Regel mit Vertreibung und Naturzerstörung ein- hergeht, zumindest wenn es keine entsprechende Flan- kierung gibt . Die Zeit reicht nicht aus, um im Detail über den Zu- sammenhang von Handel, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Recht und Gerechtigkeit zu referieren . Bisher lässt sich jedoch feststellen – auch mit Blick auf Peru –, dass die Verheißungen des Freihandels keineswegs in Form einer Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen angekommen sind . Dabei hätten auch wir in Deutschland und in der EU ein dringendes Interesse an ökologischer Nachhaltigkeit – Stichwort zum Beispiel Klimaschutz und Walderhaltung – und noch mehr sozi- aler Gerechtigkeit in den Partnerländern, Stichwort Ab- satzmärkte durch mehr Kaufkraft statt Ausplünderung von Rohstoffen und Agrarflächen, friedliches Wachstum statt Bürgerkrieg und Gewalt . Der Beitrag der Handelspolitik dazu stellt sich eben nicht automatisch ein, sondern bedarf massiver An- strengungen . So dringend geboten und so löblich das Engagement der Bundesregierung, auch in Gestalt des Sonderbeauftragten Tom Koenigs, im kolumbianischen Friedensprozess ist, so dringend geboten wäre die Flan- kierung dieser Bemühungen durch die EU-Handelspoli- tik und die ernsthafte Anwendung des Nachhaltigkeitska- pitels des Freihandelsabkommens . Ein weiterer Punkt unserer Kritik war und ist der bi- laterale Charakter des Abkommens, der Nachbarländern wie Ecuador keine Chance lässt, ihren eigenen Weg zu gehen . Aus guten Gründen hatten Ecuador und Bolivien seinerzeit die Verhandlungen verlassen . Da Ecuador ähn- liche Produkte wie Kolumbien und Peru ausführen will und die Zollpräferenzen verloren hat, sieht es sich nun zu einem Beitritt gezwungen, damit es wichtige Absatz- märkte in Europa nicht verliert . Bilaterale Abkommen nehmen also auf differenzier- te Interessenlagen keine Rücksicht, schaffen aber Sach- zwänge für andere Staaten . Ein Beweis mehr dafür, dass nur multilaterale, zumindest regionale Handelsbeziehun- gen und Handelsregeln dauerhaft mehr Fairness statt ein- seitiger Interessendurchsetzung bringen können . Nachdem die USA jahrhundertelang ihrem „Hinter- hof“ in Lateinamerika die Bedingungen diktiert haben und sich jetzt von ihren südlichen Nachbarn abwen- den, besteht die Chance für die EU darin, genau nicht in die postkolonialen Fußstapfen des großen Nachbarn zu treten, sondern echte Partnerschaft auf Augenhöhe, sei es ökonomisch oder politisch, anzustreben . Die Sto- ry EU-Kolumbien-Peru-Ecuador wird diesem Anspruch nicht gerecht . Wenn wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokra- ten dem Beitrittsgesetz dennoch zustimmen, dann nur deshalb, um kurzfristig großen Schaden von Ecuador ab- zuwenden, der durch den Verlust seiner Zollpräferenzen gegenüber der EU entstünde . Wir werden uns dafür einsetzen, dass dieses Abkom- men als Grundlage für Lern-, Veränderungs- und Neuge- staltungsprozesse dient . Vielleicht gelingt dieses ja schon im Zuge der Verhandlungen mit dem Mercosur, die jetzt wieder in Gang gekommen sind . Die EU-Kommission wäre gut beraten, solche Lernprozesse aufzunehmen, an- statt zu glauben, die Antwort auf Trump und den wach- senden Protektionismus sei ein Weiter-so in Gestalt einer neoliberal geprägten Handelspolitik . Heike Hänsel (DIE LINKE): Gerechtes Handelsab- kommen zwischen Ecuador und EU aufbauen! Wir entscheiden heute im Deutschen Bundestag über das Freihandelsabkommen mit Ecuador . Viel weniger zu entscheiden hatte dabei allerdings Ecuador selbst: Die EU hat dem Andenland in den Verhandlungen die Pistole auf die Brust gesetzt . Die Regierung von Ecuador hat sich immer gegen die neoliberale Freihandelspolitik gestellt, hat auf regionale Integration und soziale Wirtschaftsentwicklung gesetzt – statt sich ihre Politik von den reichen Ländern diktieren zu lassen . Ecuador und Bolivien haben eigene Vorschlä- ge für ein entwicklungsförderliches Handelsabkommen gemacht; alle wurden brüsk von der EU zurückgewie- sen . Nach jahrelangem Druck in den Verhandlungen hat Ecuador nur die Wahl, sich der neoliberalen Handelslo- gik der EU anzuschließen – oder all seine Zollpräferen- zen zu verlieren . Das hätte fatale Auswirkungen für die ecuadorianische Wirtschaft . Diese erpresserische Politik der EU lehnen wir entschieden ab! Ecuador hat seit dem Amtsantritt von Rafael Correa deutlich gemacht, wie soziale Entwicklung gelingen kann: Die Armutsrate wurde drastisch gesenkt, Bildung und Gesundheit sind heute kostenlos, die Kriminalitäts- rate ist deutlich gesunken . Das alles wurde möglich durch soziale Umverteilung: Der reichen Oberschicht wurden die Steuern erhöht, zugunsten der großen Mehrheit . Da- ran könnte sich auch die Bundesregierung ein Beispiel nehmen . Außenpolitisch hat sich Ecuador zum Sprachrohr des Globalen Südens gemacht, zum Beispiel im Menschen- rechtsrat der UN . Dort hat die Regierung von Correa den UN-Treaty-Prozess gestartet, um ein internationa- les Abkommen gegen Menschenrechtsverletzungen von Unternehmen zu erwirken . Aber den blockiert die Bun- desregierung . Genau wie sie auch die Yasuní-Initiative in Ecuador blockiert hat und dadurch effektiven Klima- schutz in Verbindung mit sozialer Entwicklungspolitik verhindert hat . Außerdem ist Ecuador in dem Handelsbündnis ALBA engagiert, um Handelspolitik grundlegend anders zu ge- stalten . Stattdessen muss das Land jetzt seinen Markt und seine Rohstoffe für die EU-Konzerne öffnen . Zu 90 Pro- zent sollen nun die Einfuhrzölle auf Nahrungsmittel ge- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23815 (A) (C) (B) (D) strichen werden, dem billigen Milchpulver aus der EU ist dann Tür und Tor geöffnet, keine Chance für lokale, nachhaltige Produktion . Das sehen wir heute schon in Kolumbien und Peru, die diese Abkommen mit der EU schon viel früher abgeschlossen haben . Diese Politik ist unverantwortlich . Am Beispiel Ecuador zeigt sich heute einmal mehr, wie die EU mit ihren sogenannten Partnerländern im Globalen Süden umgeht . Progressiven Regierungen, die wirklich die Situation der Bevölkerung verbessern wol- len, wird kein Raum gelassen . Gegenüber der mächti- gen EU bleibt Ecuador nur die Wahl zwischen Pest und Cholera – das war im Kolonialismus übrigens auch nicht anders . Dieser neoliberalen Handelspolitik können wir als Linke nicht zustimmen . Genauso wenig wollen wir aber der Bevölkerung von Ecuador noch größeren wirtschaft- lichen Schaden zufügen . Deswegen enthalten wir uns heute und fordern die Bundesregierung auf: Lernen Sie von Regierungen wie Ecuador, und sorgen Sie endlich für gerechte, solidarische Handelsbeziehungen mit La- teinamerika und dem Globalen Süden! Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Handelsabkommen der Europäischen Union mit Peru und Kolumbien war schon damals ein Fehler . Es ist stark an den Interessen transnationaler Konzerne ausgerichtet . Die dringend nötige Diversifizierung der lateinameri- kanischen Wirtschaft wird durch das Abkommen unter- bunden statt befördert . Uns liegen dazu mittlerweile die ersten empirischen Belege für die negativen Auswirkun- gen des Abkommens mit Peru und Kolumbien vor . Das Transnational Institute dokumentiert in seiner Studie, dass die beiden Länder sogar stärker als bisher als Roh- stofflieferanten fungieren. So sind die Ausfuhrmengen etwa an Kohle und Palmöl gestiegen, während gerade die weiterverarbeitende Industrie etwa im Textilbereich Einbußen verzeichnet . Auch die Regelungen zur Kapital- verkehrsfreiheit begünstigen Geldwäsche, Steuervermei- dung und Steuerhinterziehung, statt diesen einen Riegel vorzuschieben . Auch verbindliche Menschenrechts-, Öko- und So- zialstandards sucht man vergebens . Gerade erst saßen zwei Menschenrechtsaktivisten aus der südamerikani- schen Andenregion in meinem Büro . Sie berichteten von schweren Umweltzerstörungen und Menschenrechtsver- letzungen im Bergbausektor . Luft und Böden werden verseucht . Das Wasser verschmutzt, und Menschen wer- den aus ihrer Heimat vertrieben . Oft helfen korrupte Eli- ten oder gar staatliche Sicherheitskräfte dabei, die rück- sichtslose Politik der Unternehmen gegen den Willen der Bevölkerung umzusetzen . Wir dürfen die Konzerne da- mit nicht davonkommen lassen . Hierzu braucht es mehr Transparenz, gesetzliche menschenrechtliche Sorgfalts- pflichten und wirksame Sanktionen, aber auch eine Ab- kehr von der auf Extraktivismus basierenden deutschen und europäischen Rohstoffpolitik . Gerade Handelsab- kommen wie mit Peru und Kolumbien und nun Ecuador leisten solchen Entwicklungen Vorschub . Die Einhaltung internationaler Konventionen zu Menschenrechts- und Arbeitsstandards, Umweltstandards und verantwortungs- voller Regierungsführung muss deshalb wirksam in den Handelsabkommen verankert werden . All das macht deutlich, dass Ecuador und Bolivien damals aus gutem Grund aus den Verhandlungen ausge- stiegen sind . Statt auf eine gemeinsame Lösung mit der Andengemeinschaft zu setzen, haben die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten das Abkommen mit nur zwei Staaten abgeschlossen und so eine Spaltung der Andengemeinschaft vorangetrieben . Leider hat nun die verfehlte Reform des Allgemeinen Präferenzsystems dazu geführt, dass Ecuador seinen prä- ferenziellen Zugang zum europäischen Markt verliert . Und natürlich hätte dies deutliche Auswirkungen auf das Land . Ecuador drohen damit wichtige Einnahmen und Arbeitsplätze wegzubrechen . Gerade die entwicklungs- politischen Erfolge der letzten Jahre könnten durch die Verluste konterkariert werden . Wenngleich wir das Abkommen mit Peru und Kolum- bien damals abgelehnt haben, ist es in Kraft getreten und hat leider Fakten geschaffen . Diese jetzt zu ignorieren, würde unter Umständen zulasten der ecuadorianischen Entwicklungserfolge gehen . Wir werden uns deshalb enthalten . Wir wollen deutlich machen, dass wir dem Abkommen sehr kritisch gegenüberstehen . Allerdings müssen wir den nun geschaffenen Tatsachen Rechnung tragen und dürfen Ecuador nicht aufgrund einer verpass- ten Reform der europäischen Handelspolitik den ver- günstigten Zugang zum europäischen Markt verweigern . Anlage 18 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Karin Binder, Nicole Gohlke, Annette Groth, Inge Höger, Andrej Hunko, Ulla Jelpke und Alexander Ulrich (alle DIE LINKE) zu der Abstimmung über den von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Beitrittsprotokoll vom 11. November 2016 zum Handelsübereinkommen vom 26. Juni 2012 zwischen der Europäischen Union und ihren Mit- gliedstaaten einerseits sowie Kolumbien und Peru andererseits betreffend den Beitritt Ecuadors (Ta- gesordnungspunkt 34) Nein zu EU-Handelsabkommen mit Ecuador! Ja zu nachhaltiger Entwicklung! Mitten in der Nacht zum Freitag fand die zweite Le- sung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung über den Beitritt Ecuadors zum Han- delsabkommen zwischen der Europäischen Union (EU) einerseits sowie Kolumbien und Peru andererseits – Drucksache 18/11556 – statt, welches der Zustimmung der nationalen Parlamente unterliegt . Unter Rücksicht- nahme auf die ecuadorianische Regierung und das lin- ke Regierungsbündnis Alianza Pafs hat die Fraktion Die Linke bei der Abstimmung für eine Enthaltung plädiert . Wir lehnen sowohl den Inhalt als auch die Bedingun- gen, unter denen das Handelsabkommen zustande kam, strikt ab . Der Beitritt Ecuadors zu dem Handels- und In- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723816 (A) (C) (B) (D) vestitionsschutzabkommen, das seit dem 26 . Juni 2012 für Kolumbien und Peru gilt, ist aus einer ökonomischen Drucksituation heraus erzwungen worden . Aufgrund der Zollvorteile der konkurrierenden Nachbarstaaten im EU-Handel und des gleichzeitigen Entzugs der Zoller- mäßigungen aus dem ASP-System der EU hat die ecua- dorianische Regierung dem äußeren Druck nachgegeben . Der bevorstehende Verlust der Zollpräferenzen für die wichtigsten Exportgüter Ecuadors, darunter Bananen, Garnelen, Thunfisch und Palmöl, zwang die Regierung in die Verhandlungen . Der niedrige Ölpreis und das schwere Erdbeben von 2016, das einen erheblichen Teil der ecuadorianischen Exportgüterproduktion schwächte, erschweren zunehmend die Refinanzierung der dortigen Sozialprogramme . Das Handelsabkommen forciert den Abbau nichttari- färer Handelshemmnisse und sichert so den Zugang der EU-Konzerne zum ecuadorianischen Markt . Es treibt die Rohstoff-Extraktion voran, die Privatisierung im öffent- lichen Bereich sowie den Schutz von Investitionen und geistigem Eigentum durch Patente – ohne mit der Stär- kung sozialer und ökologischer Maßnahmen ein Gegen- gewicht zu schaffen . Für Kleinproduzenten wirkt die un- geschützte Konkurrenz aus der EU existenzgefährdend . Patente ersetzen günstigere Generika, die bisher eine breite Behandlung lebensbedrohlicher Krankheiten wie HIV/Aids ermöglichten . Die traditionelle Handelsstruk- tur zwischen den Industriestaaten als Fertigwarenexpor- teuren und den Entwicklungsländern als Rohstoffanbie- tern wird so bewusst aufrechterhalten und gestärkt . Auf eine nachhaltige Entwicklungspolitik, die auf wirtschaft- liche Diversifizierung unter Beachtung sozialer und um- weltverträglicher Standards setzt, wird verzichtet . Unsere Ablehnung richtet sich nicht gegen die ecua- dorianische Regierung und die Politik unserer Schwes- terpartei Alianza Pafs, sondern gegen die erpresserische Handelspolitik der EU sowie die auf die Exportwirtschaft ausgerichtete Politik der Bundesregierung . Die Linke lehnt alle neoliberalen Handels- und In- vestitionsschutzabkommen ab . Bei dieser Ablehnung bleiben wir . Ein Bruch mit der neoliberalen Außenwirt- schaftspolitik der EU ist eine wichtige Voraussetzung für weltweite ökonomische Entwicklung und sozialen Frie- den . Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Reformbestrebungen weiter mit Leben füllen – Leistung, Transparenz, Fairness und Sauberkeit in den Mittelpunkt der künftigen Spitzensportförderung stellen – des Antrags der Abgeordneten Özcan Mutlu, Monika Lazar, Anja Hajduk, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Konzept zur Spitzensportreform grundlegend überarbeiten – Beteiligungsrechte für Athletinnen und Athleten verankern (Tagesordnungspunkt 36 a und b) Eberhard Gienger (CDU/CSU): Die Reform des Leistungssports und der Spitzensportförderung war und ist ein zentrales Versprechen im Koalitionsvertrag . Die Bundesregierung hat – zusammen mit dem organisier- ten Sport, den Bundesländern, vielen Wissenschaftlern und Expertengruppen – ein wegweisendes Reformpa- pier erarbeitet . Noch im letzten Jahr konnte das Kom- pendium der Öffentlichkeit vorgestellt werden . Bei der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) im Dezember 2016 wurden die Reformbestrebungen mit großer Mehrheit bestätigt . Das umfassende Konzept verspricht eine Vielzahl an innova- tiven Neuerungen und nachhaltigen Verbesserungen für die im Mittelpunkt stehenden Athleten und Athletinnen . Mit dem Reformkonzept und dem heute eingebrachten Antrag lösen wir in diesem Sinne unser Versprechen ein und untermauern unser Engagement für eine Erneuerung des Spitzensports in Deutschland . Die Unionsmitglieder im Sportausschuss haben sich mit der Gesamtthematik lange befasst, einzelne Aspekte intensiv beraten und die Reform nicht zuletzt mit dem vorliegenden Antrag konstruktiv begleitet und geprägt . Wir gehen in der parlamentarischen Initiative auf zahl- reiche „Bausteine“ des Reformprojektes differenziert ein und tragen an verschiedenen Stellen zu einer „Feinjustie- rung“ bei . Dabei haben wir insbesondere die Fragen und Sorgen unserer Athleten und Athletinnen aufgegriffen und in den Mittelpunkt gestellt . Mit einigen Präzisierun- gen im Antrag können wir zudem hoffentlich so manches Missverständnis im öffentlichen Diskurs aufklären . Zu den Forderungspunkten im Antrag: Für das Gelin- gen des Reformprozesses halten wir eine unabhängige sowie hauptamtlich geführte Athletenvertretung für un- verzichtbar. Dies wollen wir auch finanziell unterstützen. Welchen Mehrwert und Fortschritt dies bedeuten kann, sieht man eindrucksvoll an den aktuell eingebrachten Vorschlägen der Athletenvertretung zur „Dualen Karrie- re“ bei der Bundeswehr . Die Bundesverteidigungsminis- terin Ursula von der Leyen hat prompt reagiert und kon- krete Verbesserungen angestoßen, wovon künftig viele Sportler und Sportlerinnen profitieren werden. Wir wollen aber auch Initiativen mit der Wirtschaft, den Handwerkskammern und Bildungsträgern in den Blick nehmen, um eine bessere Vereinbarkeit von Spit- zensport und (schulischer, beruflicher, akademischer) Ausbildung zu ermöglichen. Die sportliche und berufli- che Entwicklung von Leistungssportlern soll sich dahin gehend ebenso in der Reform widerspiegeln . Deshalb fordern wir eine enge Abstimmung mit den Bundeslän- dern, zum Beispiel bei der Nachwuchsförderung (unter anderem bezüglich wohnortnaher Angebote) . Die durch Thomas de Maizière angestoßene BMI-In- itiative „Sprungbrett“ bildet in diesem Kontext eine Art „Klammer“ und steht für die sportpolitische Prämisse, die Athleten und Athletinnen nach der sportlichen Karri- ere nicht einfach sich selbst zu überlassen . Die angespro- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23817 (A) (C) (B) (D) chene „Nach-Aktiven-Förderung“ sichert einen geordne- ten Übergang der Athleten in den Beruf und ermöglicht zugleich, sich zum Ende der (sportlichen) Karriere noch- mals komplett auf das Training bzw . den Zielwettkampf zu konzentrieren . In unserem Antrag setzen wir uns weiterhin dafür ein, dass nach Lösungen für einen Ausgleich bei der Alterssicherung gesucht wird . Erst am Mittwoch, dem 17 . Mai 2017, haben wir dies im Sportausschuss erneut mit der Athletenvertretung diskutiert . Der Verweis auf die UN-Behindertenrechtskonvention macht im Übrigen deutlich, dass wir bei allen Punkten im Antrag auf die In- klusion und Gleichbehandlung von Spitzensportlern mit bzw . ohne Behinderungen setzen . Die Athleten und der Schutz ihrer Gesundheit stehen für uns an erster Stelle! Übergeordnet ist damit das Be- kenntnis zum humanen Leistungssport verbunden . Es bedeutet aber auch gleichsam die „Null-Toleranz“ ge- genüber Doping oder anderen Formen der Manipulation . Im engeren Sinne sind unter dem Gesundheitsas- pekt natürlich genauso konkrete Präventionsmaßnah- men bezüglich der Vermeidung akuter oder chronischer Sportverletzungen zu verstehen . So muss zum Beispiel chronischen Gehirnerschütterungen bzw . Kopftraumata entschieden begegnet werden . Zum Gesundheitsschutz zählt zudem die Unversehrt- heit der Person: Die Safe-Studie der Deutschen Sportju- gend (DSJ) wie auch einzelne Vorfälle an Trainingsorten haben auf erschreckende Weise neuen Handlungsbedarf gegen sexualisierte Gewalt im Sport offengelegt . Lassen Sie mich das ganz deutlich sagen: Die Bundesregierung wird die staatlichen Zuwendungen künftig von wirksa- men Präventionskonzepten abhängig machen, um alles nur Erdenkliche gegen derartige Vorkommnisse und Ge- fahren zu unternehmen . Niemand wird bestreiten, dass für eine erfolgreiche Umsetzung der Leistungssportreform auch die Trainer und Trainerinnen und ihr Arbeitsumfeld in den Blick ge- nommen werden müssen: Mit unserem Antrag wollen wir dazu beitragen, dass das Berufsbild „Trainer“ geschärft wird und die Arbeitsbedingungen nachhaltig verbessert werden . Die angestrebte Konzentration von Olympia- und Bundesstützpunkten soll einer deutlichen Verbes- serung der Trainingsbedingungen dienen und auf einer faktengestützten Analyse basieren . Insgesamt gilt es, der Sportinfrastruktur des Spitzensports einen größeren Stel- lenwert beizumessen und behinderten Leistungssportlern moderne und praxistaugliche Trainingsmöglichkeiten zu bieten . Das beste Reformkonzept ist nichts wert, wenn es in der „Schublade“ verschwindet und nicht konsequent umgesetzt wird . Deshalb freue ich mich sehr, dass nach dem Beschluss des Reformvorhabens mit der Realisie- rung bereits begonnen wurde . So konnte zum Beispiel die Potenzialanalyse-Kommission (PotAS-Kommission) am 8 . Mai 2017 in Berlin vorgestellt werden . Ende die- ses Jahres sollen schon erste Arbeitsergebnisse vorliegen . Dahin gehend begrüßen wir im Antrag ausdrücklich, dass die Ergebnisse zu den Förderkriterien (60 Attribute) künftig für jeden im Internet abrufbar sind bzw . transpa- rent dargestellt werden . Wir wollen gleichsam die Poten- zialanalyse fortlaufend evaluieren und davor bewahren, durch immer mehr Variablen zu einem „Bürokratiemons- ter“ zu werden . Die Verwaltungskosten müssen in einem „gesunden Verhältnis“ zu den Sportfördersummen ste- hen . Die Liste der Förderattribute zeigt, dass wir die olym- pischen (Sommer-/Winter-)Sportverbände bei ihrer Ar- beit unterstützen wollen, gegebenenfalls nicht genutzte Potenziale für die Athleten und Athletinnen zu aktivieren . Und schließlich: Der dritte Fördercluster mit bis dato festgestellten „wenig Potenzialaussichten“ bedeutet nicht das Ende! Hier soll den (gegebenenfalls betroffe- nen) olympischen Verbänden eine Basisförderung auf vier Jahre in Aussicht gestellt werden, damit ein An- schluss bzw . eine Rückkehr an die Weltspitze möglich bleibt . Unser Sportminister Thomas de Maizière (BMI) hat zudem immer wieder betont, dass auf Reformen auch Investitionen folgen . Kurzum: Auch als Haushaltsgesetz- geber wollen wir als Parlamentarier zu einer Moderni- sierung des Spitzensports beitragen und uns für entspre- chende Rahmenbedingungen einsetzen . Der Unionsantrag zur Reform des Leistungssports bzw . der Spitzensportförderung befasst sich ferner inten- siv mit der Wertedimension und dem Schutz der Integ- rität des Sports: Die Forderungen der Union im Antrag können dahin gehend in direkter Verbindung zum neuen Anti-Doping-Gesetz und zum Gesetz zur Bekämpfung von Spiel- und Wettmanipulation gesehen werden . Bei- des sind Erfolge der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in der 18 . Wahlperiode und ein Zeichen für eine verantwor- tungsvolle Sportpolitik . Nach den strafrechtlichen Ver- schärfungen brauchen wir allerdings nunmehr eine ver- stärkte Ermittlungsarbeit sowie die Einrichtung weiterer Schwerpunktstaatsanwaltschaften . Und: Es gilt, vor allem eine breite sowie offene Debat- te über die Bedeutung des Spitzensports und dessen Wer- tekanon zu führen . Ich bin zuversichtlich, dass zum Bei- spiel der Fair-Play-Preis vonseiten der Bundesregierung wieder enger begleitet und unterstützt wird, wie auch an- dere programmatisch-pädagogische Maßnahmen ergrif- fen werden . Denn: Das Strafrecht soll – dem Grundsatz nach – immer die Ultima Ratio darstellen! Eine Reform des Spitzensports und Unterstützung durch die Bundesregierung machen allerdings nur Sinn, wenn von einer Chancengleichheit der Athleten im inter- nationalen Wettbewerb (um Platzierungen und Medail- len) ausgegangen werden kann . Das russische Staatsdo- ping zu Olympischen Spielen, die neuen Auffälligkeiten bei (Doping-)Nachtests oder die gänzlich unterschiedli- chen (Doping-)Kontrollsysteme in verschiedenen Län- dern untergraben das Vertrauen in den fairen internati- onalen Wettbewerb . Deshalb fordern wir im Antrag, auf Ebene der Weltsportministerkonferenz und des Europa- rates den Kampf gegen Doping im Sport zu verstärken und sich für eine größere Unabhängigkeit der Welt-An- ti-Doping-Agentur (WADA) einzusetzen . Über eine fraktionsübergreifende parlamentarische Initiative zur Reform des Spitzensports hätte ich mich gefreut . Der Antrag der Opposition überzeugt leider Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723818 (A) (C) (B) (D) nicht, da fachliche Fehler offensichtlich werden . Zu- dem verbleiben die Forderungen auf dem Niveau von Allgemeinplätzen . Positiv beim Grünen-Antrag ist, dass nicht – wie zuletzt – mit „Kopieren“ und „Einfügen“ ge- arbeitet wurde . Allen an der Reform beteiligten Personen sei hier nochmals ganz herzlich für ihren Einsatz gedankt . Ich bin sicher, dass sich die Arbeit gelohnt hat und wir die Rahmenbedingungen für unsere Athleten und Athletin- nen deutlich verbessern werden . Jeannine Pflugradt (SPD): Für mich ist der deut- sche Spitzensport unmittelbar mit der Umsetzung dua- ler Laufbahnen verbunden . Da Athletinnen und Athleten keinen anerkannten Beruf – Stichwort: Berufssportler – mit monatlichem Grundgehalt ausüben, sind sie auf ei- nen zweiten – den beruflichen – „Karriereweg“ ange- wiesen . Die Bundespolitik ist deshalb als Förderer des Spitzensports – unabhängig von Bundeswehr, Bundes- polizei, Zoll und schon bestehenden Projekten wie dem BMI-Projekt „Sprungbrett Karriere“ sowie der Stiftung Deutsche Sporthilfe – besonders gefordert, Akteure des Sports, des Bildungssektors, der Wirtschaft und der Lan- despolitik zu einer engeren Zusammenarbeit zu bewegen und auf eine intensive Unterstützung der Athletinnen und Athleten zu drängen . Um eine dauerhafte Spitzenposition im internationa- len Sport einzunehmen, bedarf es eines wirksamen För- dersystems, dessen Wirksamkeit sich nicht allein anhand der Höhe der bereitgestellten finanziellen Mittel messen lässt . Die deutsche Spitzensportförderung hat einen hu- manen Anspruch und übernimmt auch nach der sportli- chen Laufbahn Verantwortung für ihre Athletinnen und Athleten . Deshalb nimmt die Förderung der dualen Lauf- bahn hierzulande zu Recht eine besondere Stellung ein . In richtiger Abstimmung miteinander verstärken sich Spitzensport und Berufs- bzw . Bildungslaufbahn gegen- seitig . Erfolgsentscheidend dabei ist, ob einer individuell für die Athletin oder den Athleten entwickelten ganzheitli- chen Strategie gefolgt wird . Eine solche Strategie setzt bestenfalls schon im Kindesalter an und orientiert sich stark an den Wünschen, Zielen und Bedürfnissen der Athletinnen und Athleten . Besondere Wichtigkeit erlangt eine ganzheitliche Strategie in der Zeit nach dem Schul- abschluss . Für Jugendliche und junge Erwachsene sollten sich in dieser wichtigen Umbruchphase aussichtsreiche Perspektiven für ein Leben mit und nach dem Spitzen- sport eröffnen . Derzeit gibt es 37 Laufbahnberaterinnen und -berater des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), die aufgrund der Anzahl der Spitzensportler keine ganz- heitliche, langfristig angelegte sowie individuelle Lauf- bahnberatung anbieten können . Hier, denke ich, ist eine Aufstockung der Zahl der Beraterinnen und Berater sehr sinnvoll und notwendig . Bedauerlicherweise sind mir im neuen Förderkonzept für den Spitzensport zu viele Fragen um das Thema „Du- ale Karriere“ bei Spitzensportlern offen geblieben . Das Konzept rund um die Entwicklung der PotAS-Kommis- sion enthält weitgehend oberflächliche sowie vage Infor- mationen und nur wenig Neues in diesem Bereich . Den Athleten in den Mittelpunkt des Förderkonzepts zu stellen, bedeutet nicht nur, ihn in bestimmte För- dercluster einzuordnen, sondern ihn als Mensch mit au- ßergewöhnlichen sportlichen sowie gesellschaftlichen Leistungen zu betrachten . Ein praktikables sowie funk- tionelles Nebeneinander beider Laufbahnen ist für jeden Athleten unermesslich und steigert die Qualität der Leis- tung . Deshalb spreche ich mich dafür aus, gemeinsam mit den Bundesländern auf die bundesweit flächendecken- de Einführung von Profilquoten für einen erleichterten Hochschulzugang der Athletinnen und Athleten in allen Bachelor- und Masterstudiengängen hinzuwirken . Wir sollten in Zeiten des digitalen Wandels gemein- sam mit den Bundesländern eine Flexibilisierung der Studienbedingungen durch mehr E-Learning-Angebote, weniger Präsenzpflicht, mehr Blockunterricht, ein grö- ßeres Angebot an Fernstudiengängen und eine Verrin- gerung der örtlichen Bindung bei der Ableistung von Prüfungen erreichen . Und wir sollten gemeinsam mit den Akteuren der Wirtschaft, den Handwerkskammern und den Bildungsträgern auf eine Entlastung der Athletinnen und Athleten hinwirken, indem nach § 8 des Berufsbil- dungsgesetzes (BBiG) und § 27 des Gesetzes zur Ord- nung des Handwerkes (HwO) mehr Ausbildungs- und Arbeitsplätze in Teilzeit sowie mehr Möglichkeiten der Arbeit im Homeoffice geschaffen werden. Spitzensportlerinnen und Spitzensportler verdienen es, dass wir ihnen die bestmöglichen Rahmenbedingun- gen für beide „Karrierewege“ ermöglichen . Matthias Schmidt (Berlin) (SPD): Wenn wir an den Leistungssport denken, haben wir sofort drahtige Athle- tinnen und Athleten vor Augen, die unter vollem körper- lichen Einsatz sportliche Höchstleistungen vollbringen . Wir denken an die Olympischen und Paralympischen Spiele, an Medaillen, an volle Stadien und ein begeister- tes Publikum . Wir alle sehen die Erfolge am Ende einer langen Pha- se der Vorbereitung – der Blick in das Vorfeld dieser Höchstleistungen entzieht sich den meisten . Doch dieser Blick lohnt sich! Die Athletinnen und Athleten sind in ihrer Wettkampf- vorbereitung von einem Kompetenznetzwerk umgeben: Trainerinnen und Trainer, Physiotherapeuten, Sportpsy- chologen – sie alle unterstützen die Sportler auf vielfäl- tige Weise . Dazu kommt eine sportwissenschaftliche Be- treuung . Hier wird ausgelotet, wo es noch Stellschrauben gibt, um die Leistungen zu verbessern, sei es beim Sport- ler selber oder beim Sportgerät . Das Ziel ist, Leistungen mit wissenschaftlichen Instrumenten zu optimieren und dabei Wettbewerbsvorteile zu schaffen . Drei solcher In- stitute sind fester Bestandteil unserer Spitzensportförde- rung: das Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT), die Trainerakademie (TA) und das Institut zur Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23819 (A) (C) (B) (D) Und das eine davon – das FES – befindet sich in meinem Wahlkreis Treptow-Köpenick . Ein tolles Team arbeitet hier täglich daran, die best- möglichen technischen Voraussetzungen für unsere Spit- zensportlerinnen und Spitzensportler zu schaffen . Davon konnte ich mich mehrfach überzeugen . In ihrer Arbeit kommt es manchmal auf minimale Veränderungen am Sportgerät an . Nehmen wir den Bob-Sport . Da geht es zum Beispiel um vibrationsarme Hauben, um aerodyna- mische Sitze, um komplizierte Lenksysteme und um auf jedes Eis abgestimmte Kufen . Das ist ein hochkomple- xer Vorgang, und der technologische und internationale Wettstreit um das beste Material und die beste Konstruk- tion schreitet ständig fort . Millisekunden entscheiden über Sieg oder Niederlage, und damit steht auch die Technologie im Wettkampf . Fest steht, die Arbeit der wissenschaftlichen Institu- te ist für den Erfolg der Athletinnen und Athleten ganz maßgeblich, und ihre Bedeutung nimmt mit dem Fort- schritt bei Analyse und Technik zu . Im internationalen Wettbewerb ist die Anwendung wissenschaftlicher Tech- niken bei der Optimierung des Zusammenspiels zwi- schen Sportgerät und Sportler längst zu einem entschei- denden Parameter geworden . Hier gibt es kein Zurück . Das bedeutet auch, dass die Institute finanziell so gestellt werden müssen, dass der Leistungssport davon profitie- ren kann . Die gerade laufende Reform der Spitzensportförde- rung ist für uns Anlass, diesen Anspruch noch einmal deutlich zu machen . Wissenschaft und Spitzensport sind untrennbar miteinander verbunden, und wir wollen, dass sich dieser Grundsatz in einer verstetigten Förderung der Institute IAT, FES und der Trainerakademie nieder- schlägt . Deswegen haben wir diesen Aspekt und weite- re uns wichtige Punkte in unserem Antrag aufgegriffen . Lassen Sie uns gerne in den Ausschussberatungen dazu ins Gespräch kommen . Dr. André Hahn (DIE LINKE): Eigentlich sollten die Anträge der Koalition und der Grünen zum Konzept der Spitzensportreform ohne Debatte in den Sportausschuss überwiesen werden – dies hat die Linke nicht akzeptiert . Statt einer echten Debatte als Tagesordnungspunkt 36 um 5 Uhr morgens vor einem sicherlich nahezu leeren Plen- arsaal werden nun die Reden zu Protokoll gegeben . Warum haben wir als Linke eine Diskussion gefor- dert? Am 28 . September 2016 stellten Bundesinnenminister de Maiziere und DOSB-Präsident Hörmann dem Sport- ausschuss ihr Konzept zur „Neustrukturierung des Leis- tungssports und der Spitzensportförderung“ vor . Am 3 . Dezember 2016 stimmte der DOSB auf seiner Mitgliederversammlung diesem nach massiver Kritik mit Datum vom 24 . November 2016 nur leicht veränderten und noch immer unvollständigen Konzept bei nur einer Gegenstimme zu . Ich war ja in Magdeburg dabei und verstehe das bis heute nicht . Für den Sport sind mit diesem Konzept sehr gewichti- ge und tiefgreifende Entscheidungen verbunden, die mei- nes Erachtens die Mitwirkung des Parlaments erfordern . Dies hat die Linke mehrfach im Sportausschuss und in Anfragen an die Bundesregierung deutlich gemacht . Trotzdem erfolgte keine förmliche Einbindung des Par- laments . Erst mit dem Antrag der Grünen von Ende Januar wur- de ein Weg geschaffen, das Thema doch noch in dieser Wahlperiode im Bundestag zu debattieren . Die in dem Antrag formulierten Forderungen stimmen weitgehend überein mit den Positionen, die die sportpolitischen Spre- cher und Sprecherinnen der Linken im Bundestag und in den Landtagen in einer „Magdeburger Erklärung“ am 7 . November 2016 bereits öffentlich gemacht hatten . Zur Erinnerung hier noch einmal die fünf Punkte: „1 . Nicht akzeptabel ist zuerst das intransparente Verfahren . Gremium und Arbeitsgruppen aus DOSB, BMI und Sportministerkonferenz (SMK) tagten hinter verschlossenen Türen . Wichtige Akteure wie die Sport- politiker und Sportpolitikerinnen des Bundestages und der Landtage oder der Allgemeine Deutsche Hochschul- sportverband (adh) waren nicht beteiligt und werden jetzt vor vollendete Tatsachen gestellt … 2 . Nicht akzeptabel ist insbesondere die ausschließ- liche Fixierung auf Podiumsplätze bei Olympischen Spielen, Paralympics und Deaflympics. Medaillen dür- fen nicht das einzige Kriterium einer künftigen Förde- rung des Spitzensports sein . Vielmehr ist das Verhältnis des Spitzen- und Leistungssports zum Schul- und Brei- tensport zu klären . Wir brauchen dringend eine öffent- liche Diskussion über den Stellenwert des Sports in der Gesellschaft . 3 . Nicht akzeptabel sind weiterhin die wenig substan- ziellen Vorschläge zur Nachwuchsentwicklung und zur „Dualen Karriere“ . Letztere darf nicht nur bei Bundes- wehr, Polizei und Zoll, sondern muss auch in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes und in der Privat- wirtschaft möglich sein . Zweifelhaft scheinen auch die Wirksamkeit der computergestützten Potenzialanalyse und der Sinn der geplanten neuen Kaderstrukturen . 4 . Nicht akzeptabel ist die aktuelle Situation der Trai- nerinnen und Trainer . Der organisierte Sport braucht gut ausgebildetes Personal und in angemessener Zahl Traine- rinnen und Trainer mit langfristigen Tarifverträgen, die in der Eingruppierung mindestens denen von Lehrerinnen und Lehrern an öffentlichen Schulen anzugleichen sind . 5 . Nicht akzeptabel sind schließlich auch die Vorschlä- ge zur künftigen Förderung des Spitzensports von Men- schen mit Behinderungen . Wenn überhaupt, kommen die Paralympics und Deaflympics in diesem Konzept nur am Rande vor . Notwendig ist aber eine gleichwertige Förde- rung für Sportlerinnen und Sportler, für Trainerinnen und Trainern und dem sonstigen Personal in diesem Bereich . Der Behindertensport darf nicht länger schlechter gestellt werden, im Gegenteil: Behindertenbedingte Nachteile und Mehraufwendungen müssen künftig ausgeglichen werden .“ Insofern werden wir also den Antrag der Grünen auch unterstützen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723820 (A) (C) (B) (D) Seit gestern liegt nun doch noch ein Antrag der Koali- tion zur Spitzensportreform vor – acht Monate, nachdem die von ihr getragene Regierung ihr Konzept vorstellte und seitdem viel Unruhe und Chaos schuf . Allerdings entsprechen die im Antrag enthaltenen Feststellungen und Forderungen doch erkennbar dem un- verbindlichen Ton des eigentlichen Konzeptes . Auch in den einzelnen Handlungssträngen – die zudem zuerst von den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln abhängig gemacht werden – fehlt die gerade von den Aktiven ge- wünschte Klarheit . Wie eine Monstranz tragen der orga- nisierte Sport und das Innenministerium seit Monaten die Floskel vor sich her „Die Athletin, der Athlet stehen im Mittelpunkt“ . Allerdings fehlt jede inhaltliche, vor allem aber finanzielle Unterfütterung eines solchen Bekennt- nisses, auch im Antrag der Koalition . Zumindest haben Union und SPD eine Forderung von Sporthistorikern und Sportphilosophen aufgegriffen, die die Linksfraktion seit geraumer Zeit auch im politischen Raum erhebt: Es muss endlich eine gesellschaftliche De- batte zur Bedeutung des Spitzensports geben . Dies ist übrigens ein weiterer Grund für mich, zumin- dest diese Protokoll-Debatte im Bundestag zu führen . Die Koalitionsfraktionen sind trotz der im Antrag einge- forderten Gesellschaftsdebatte weiterhin nicht bereit, im Sportausschuss öffentlich zu tagen . Fraglich ist zudem auch, ob die Anträge angesichts der wenigen Sitzungswochen bis zur Bundestagswahl über- haupt noch abschließend im Plenum debattiert werden . Nunmehr hat die Öffentlichkeit wenigstens durch die zu Protokoll gegebenen Reden die Möglichkeit, zu erfahren, wie sich die Fraktionen zu den beiden Anträgen, aber auch zur Spitzensportreform an sich positionieren . Das vom Bundesinnenminister präsentierte Konzept zur „Neustrukturierung des Leistungssports und der Spit- zensportförderung“ lag der Bundesregierung bei ihrer Kenntnisnahme in der Kabinettssitzung am 15 . Febru- ar 2017 ebenso wie dem DOSB am 3 . Dezember 2016 nur unfertig vor . Alle Erfahrungen und Berichte aus den Sportfachverbänden verdeutlichen zudem akuten Nach- besserungsbedarf . Ich meine: Diese Baustellen müssen endlich in ei- nem transparenten Verfahren zwischen dem DOSB und seinen Mitgliedsverbänden sowie der Politik mit ihren Vertreterinnen und Vertretern aus Bundesregierung, Bundesländern und Bundestag bearbeitet werden . Die derzeit erlebbare Ignoranz und Selbstherrlichkeit der Verantwortlichen im Bundesinnenministerium könnten perspektivisch zum Sargnagel für das Konzept werden und damit dem Leistungs- und Spitzensport großen Scha- den zufügen . Bei der Diskussion zum 13 . Sportbericht der Bundes- regierung am 19 . Januar 2017 hatten wir mit Blick auf die überfällige gesellschaftliche Debatte einen Entschlie- ßungsantrag vorgelegt, der fünf Kernforderungen sport- politischer Leitlinien der Linken enthielt: Erstens soll der Sport als Staatsziel im Grundgesetz verankert und endlich ein Sportfördergesetz erarbeitet werden . Zweitens soll jede Sportförderung des Bundes auch einer zunehmenden breiten sportlichen Betätigung für alle und der Gesundheit der Menschen von frühes- ter Kindheit bis ins hohe Alter dienen . Drittens soll die Spitzensportförderung angemessene, verlässliche und langfristige Rahmenbedingungen für die Sportlerinnen und Sportler, für Trainerinnen und Trainer und weitere Akteure schaffen . Viertens muss die Sportstätteninfra- struktur in Bund, Ländern und Kommunen erhalten und systematisch verbessert werden . Und fünftens brauchen wir einen konsequenten Kampf gegen Doping, Betrug und Korruption im Sport . Die Linke begrüßt das grundsätzliche Ansinnen, die Spitzensportförderung neu zu strukturieren . Das vorge- legte Konzept zur Reform halten wir aber nach wie vor in mehrfacher Hinsicht für äußerst problematisch . Es fehlen weiterhin wichtige Bestandteile wie bei- spielsweise das Finanzierungskonzept . Zumindest ist uns bisher keines bekannt . Angesprochen habe ich auch schon die prekäre Personalsituation bei Trainerinnen und Trainern, und völlig unzureichend sind auch weiter- hin die Möglichkeiten für eine duale Karriere von Spit- zensportlern . Die Athletenkommission drängt zu Recht nachdrücklich und öffentlich auf eine Fürsorgepflicht des organisierten Sports und der Politik für seine her- ausragenden Präsentanten – und das sind nun einmal die Sportlerinnen und Sportler, die die Erfolge erringen . Auch die aus Sicht der Linken nicht akzeptable Fixie- rung auf Medaillen bei Paralympics und Olympischen Spielen muss korrigiert werden und darf aus unserer Sicht nicht vorrangiger Maßstab für die Sportförderung von Innenministerium, DOSB und der Deutschen Sport- hilfe sein . Und klar sollte auch sein: Die Zukunft des Sports darf definitiv nicht über eine computergestützte Potenzialanalyse definiert und auf eine medaillenorien- tierte Kaderschmiede reduziert werden . Ich bin sicher, dass wir zur Zukunft des Sports und des Spitzensports nicht das letzte Mal in diesem Hause diskutieren . Ernsthafte Korrekturen sind in dieser Wahl- periode mit der jetzigen Koalition leider nicht mehr zu erwarten . Es bleibt die Hoffnung, dass nach der Bun- destagswahl mit anderen Mehrheiten und deutlich mehr Druck aus den Reihen des organisierten Sports, vor allen vonseiten der Athletinnen und Athleten, ein wirklich zu- kunftsfähiges Konzept entsteht . Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister De Maizière, die Reform der Spitzensportförde- rung, die Sie derzeit bereits umsetzen, gehört aus grüner Sicht dringend überarbeitet . Warum, ist ganz einfach zu erklären . Die gewünschte Vorbildwirkung des Sports und der tatsächliche Zustand des funktionärsdominierten Spit- zensports klaffen zurzeit weit auseinander . Innenminis- terium und Deutscher Olympischer Sportbund haben aber nie eine sachgerechte Analyse dazu durchgeführt . Es wäre dringend notwendig gewesen, Situation und Zu- stand des Spitzensports bereits im Vorfeld der Reform zu diskutieren, und zwar mit einer breiten Öffentlich- keit, mit Sportlerinnen und Trainern, Wissenschaftle- rinnen und Bürgern . Stattdessen sind Ihre Vorschläge an Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23821 (A) (C) (B) (D) Schreibtischen und in Geheimrunden gefallen . Am Ende haben Sie leider Vorschläge aus einem verengten Sport- verständnis heraus vorgelegt . Für uns steht fest: Spitzensport darf keine Möglichkei- ten der Machtdemonstration mehr bieten . Einen Rückfall in den Kalten Krieg darf es nicht mehr geben . Es muss Schluss sein mit staatlichem Doping in einigen Ländern, um mehr Medaillen zu gewinnen . Ein Geheimdienst wie in Russland hat im Sport nichts zu suchen . Wir müssen endlich Prinzipien eines humanen Spitzensports ver- ankern . Es darf nicht sein, dass im Spitzensport einige Länder Kleinkinder über Jahre mit brachialen Methoden trimmen, um sie dann nach und nach – oft halbkaputt – wieder auszusortieren . In solcher Gesellschaft wollen wir uns nicht wiederfinden. Ist das der Sinn von Olympischen Spielen? Wollen wir da mitmachen? Begeistert uns nicht vielmehr diese olympische Idee, die so oft wiederholt wird, aber von der Wahrheit weit entfernt ist, der Traum vom friedlichen Kräftemessen mit Menschen aus aller Welt, von span- nenden Wettkämpfen mit Fairness im Vordergrund, vom großen Sportfest, „Dabei sein ist alles“, eine gute Platzie- rung ein Riesenerfolg? Die Reform der Spitzensportförderung aus dem In- nenministerium will die Gelder nun so verteilen, dass Deutschland sich im Medaillenspielgel im Idealfall bald irgendwo zwischen China und Russland wiederfindet. Daran gibt es berechtigte Kritik . Der Sportphilosoph Gunter Gebauer hat das in einer öffentlichen Anhörung des Sportausschusses zu Recht als „schlechte Nachbar- schaft“ bezeichnet . Das bestehende, kranke Spitzensport- system wird damit nicht hinterfragt, nicht kritisiert oder gar verändert, sondern es wird in seiner einseitigen Me- daillenausrichtung zementiert . Dabei könnte und sollte Deutschland einen anderen Weg gehen und Vorbild sein . Und genau das ist der Grund, warum diese Reform drin- gend überarbeitet werden sollte . Dass eine Reform bitter nötig ist, darin waren und sind wir uns einig . Wir sagen, es braucht eine Reform, weil die Situation von Athletinnen, Athleten, Trainerin- nen und Trainern im Spitzensport häufig prekär ist. Sie, Herr De Maizière, sagen, es braucht eine Reform, weil diese Athletinnen und Athleten zu wenige Medaillen ge- winnen . Wir sagen, es braucht eine Reform, weil der Sport und die Sporttreibenden drohen in Doping-, Spielbetrugs-, Korruptions-, und Manipulationsskandalen verloren- und kaputtzugehen . Sie, Herr De Maizière, sagen, wir brau- chen eine Reform für mehr Medaillen, um dort anzukom- men, wo die dreisten Dopingnationen schon sind . Wir sagen, es braucht eine Reform, weil die Gelder für den Spitzensport derzeit vollkommen intransparent ver- geben werden . Sie sagen, die Gelder sollen an diejenigen vergeben werden, die mehr Medaillen bringen . Wir möchten die Athletinnen und Athleten, die Men- schen und den Sport in den Mittelpunkt stellen . Ihnen geht es um den „Return on Investment“, als wäre der Sport Teil der Marktwirtschaft, der Staat der Investor, Athletinnen und Athleten die Medaillenproduzenten . Kein Wunder aber, dass die Reform breit kritisiert wird: Sie haben im Vorfeld keine öffentliche Debatte geführt . Die Erfahrungen von Trainerinnen und Trainern und Athletinnen und Athleten haben kaum Eingang in die Vorschläge gefunden . Die Sportwissenschaft hat gefehlt . Sie haben den Spitzensport vom Breitensport getrennt, als gäbe es das eine ohne das andere . Wer hätte denn bei den Geheimverhandlungen, die Sie mit dem DOSB – und ohne den Sportausschuss – geführt haben, kritischen In- put geben können? Dass das Grundgerüst der Reform, Potenzial vorherzusagen, aus wissenschaftlicher Sicht gar nicht möglich ist, haben Sie ja bereits während der Anhörung im Sportausschuss von zahlreichen Expertin- nen und Experten erklärt bekommen . Kurz gesagt: Keine Debatte, falsches Ziel, falsche Schwerpunkte, schlechtes Ergebnis . Deshalb, sehr geehrter Herr Minister, fordern wir in unserem Antrag ein Gesamtkonzept zur Sportentwick- lung . Athletinnen, Athleten, Trainerinnen und Trainer müssen im Mittelpunkt stehen, mit besseren Beteili- gungs- und Mitspracherechten . Wir fordern ein fundier- tes Konzept zur Dualen Karriere und zur Vereinbarung von Studium und Sport . Besonders die Förderung durch staatliche Arbeitgeber bedarf an mancher Stelle dringen- der Überarbeitung . Trainerinnen und Trainer brauchen echte Berufsperspektiven, aber keine Kettenverträge . Doping, Korruption, Spielmanipulation, sexualisierte, physische und psychische Gewalt müssen wirksam und glaubwürdig bekämpft werden, in weltweiter Koopera- tion . Wie das aussehen kann, haben wir in zahlreichen Initiativen in den letzten Monaten ausgeführt . Klar ist: Hier muss dringend etwas geschehen . Mit dem aktuellen Konzept, Herr Minister, schaden Sie dem Sport in Deutschland; da müssen Sie noch or- dentlich nachbessern . Dass das Ihre eigenen Koalitions- fraktionen auch so sehen, können Sie in deren Antrag nachlesen, in 20 Punkten! 20! Dass es acht Monate ge- dauert hat, bis sich die Regierungsfraktionen endlich auf eine offizielle Meinung in einem Antrag einigen konnten, ist allerdings peinlich . Abgesehen davon stimmen mich die beiden Anträge, die wir heute in den Sportausschuss überweisen, bezüg- lich einer guten Debatte im Sportausschuss jedoch opti- mistischer . Ich freue mich auf die Diskussion und hof- fe auf eine tatsächlich grundlegende Überarbeitung der Spitzensportreform . Dr. Ole Schröder, Parl . Staatssekretär beim Bundes- minister des Innern: Die Bundesregierung begrüßt es, dass sich der Deutsche Bundestag zur Reform des Leis- tungssports und der Spitzensportförderung positioniert . Es war uns sehr wichtig, den für das Projekt zuständigen Sportausschuss kontinuierlich zu informieren und von dort auch Impulse für unsere Arbeit zu erhalten . BMI und DOSB haben dem Ausschuss mehrfach be- richtet . Im September 2016, als schließlich die Konturen der Reform erkennbar waren, trugen der Bundesinnenmi- nister und der DOSB-Präsident deren Eckpunkte vor, und im Monat darauf folgte eine Sachverständigenanhörung . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723822 (A) (C) (B) (D) Namens der Bundesregierung danke ich den Mitglie- dern des Sportausschusses für die konstruktive Zusam- menarbeit bei dem Reformvorhaben . Danken möchte ich auch dem Haushaltsausschuss; denn Teile der Reform waren schon relevant für den Haushalt 2018 . Hinweise auf fehlende Etatreife an der einen oder anderen Stelle nehmen wir als Ansporn für eine zügige Umsetzung der Reform, und ich hoffe, die anderen Beteiligten sehen dies genauso . Inzwischen wurde das Reformkonzept von der DOSB-Mitgliederversammlung mit großer Mehrheit ver- abschiedet, und auch das Bundeskabinett hat die Reform zustimmend zur Kenntnis genommen . Der Abschluss des Reformkonzepts entspricht auch der Zielstellung des Ko- alitionsvertrags zum Thema Sport . Deutschland soll als erfolgreiche Sportnation erhalten bleiben . Die Spitzensportreform fand in der öffentlichen wie in der politischen Diskussion sowohl Zustimmung als auch Kritik . Beides wird in den Anträgen, über die der Bun- destag heute abstimmt, reflektiert. Der Antrag der Koali- tionsfraktionen unterstützt unser Konzept . Selbst der Antrag der Grünen enthält eine Reihe von Maßnahmen, die im Konzept bereits zu finden sind, wie etwa verbesserte Möglichkeiten einer Dualen Karrie- re sowie Verbesserungen bei der beruflichen Situation der Trainer . Auch bei der Bekämpfung von Doping und Spielmanipulation hat die Bundesregierung mit von ihr initiierten und inzwischen in Kraft getretenen Gesetzen ihre Entschlossenheit bewiesen . Hier hätten Sie, Kolle- ginnen und Kollegen von den Grünen, bei einem sorg- fältigen Lesen des Konzepts sowie einer aufmerksamen Bewertung der Sportpolitik der Bundesregierung in die- ser Wahlperiode auf manchen Spiegelstrich verzichten können . Der Reformprozess ist aber bei Weitem nicht zu Ende . Wir haben bereits einige wichtige Schritte bei der Umset- zung unternommen . Hervorheben möchte ich die Einsetzung der Po- tAS-Kommission durch Bundesinnenminister Thomas de Maizière und DOSB Präsident Alfons Hörmann am 8 . Mai 2017 . Es ist uns gelungen, Mitglieder zu gewin- nen mit Erfahrungen jeweils als aktive Athletin, Ver- bandsverantwortlicher und Wissenschaftler . Weitere Umsetzungsmaßnahmen werden nunmehr rasch folgen; einige sind auch bereits eingeleitet . So sind wir im BMI zurzeit im Gespräch mit Vertretern der Länder, um an verschiedenen Nahtstellen Fragen der ge- meinsamen Finanzierung zu klären . Sportpolitisches Förderziel des Bundes ist es, dass sich Deutschland als Sportnation noch besser präsen- tiert – erfolgreicher, aber zugleich fair und sauber . Fairness, Achtung sportlicher Regeln und Werte sowie ein kompromissloses Nein zu Doping gehören genauso zum deutschen Spitzensport wie Leistung und Erfolg . Die Spitzensportreform auf der einen sowie das An- ti-Dopinggesetz und die Neuauflage des Dopingop- fer-Hilfefonds auf der anderen Seite sowie das Gesetz zur Strafbarkeit von Sportwettbetrug und der Manipulation berufssportlicher Wettbewerbe möchte ich hier noch er- wähnen . Sie ergänzen sich und runden eine erfolgreiche Sportpolitik der Bundesregierung, ausgerichtet an Leis- tung und Fair Play, in dieser nunmehr zu Ende gehenden Wahlperiode ab . Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei he- terologer Verwendung von Samen – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Keul, Katja Dörner, Luise Amtsberg, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Elternschaftsvereinbarung bei Sa- menspende und das Recht auf Kenntnis eigener Abstammung (Zusatztagesordnungspunkte 9 und 10) Dr. Georg Kippels (CDU/CSU): Ein erfüllter Kin- derwunsch ist für viele Ehepaare die Vervollkommnung ihrer persönlichen Lebensplanung, weil sie Liebe und Fürsorge für einen Menschen übernehmen wollen und in diesem und durch diesen Menschen die Fortsetzung ihrer persönlichen Vita erleben möchten . Ein unerfüllter Kinderwunsch ist demgegenüber für so manches Paar eine psychische und emotionale Belastung, die bis zum Scheitern dieser Verbindung führen kann . Lange Zeit konnte dies nur durch die Aufnahme ei- nes bereits geborenen Menschen in die Obhut der Fa- milie gelöst werden . Die Adoption, juristisch übersetzt: die Annahme an Kindes statt oder als Kind, durch Be- gründung eines rechtlichen Eltern-Kind-Verhältnisses ohne biologische Abstammung wurde schon durch das römische Recht und im Römischen Reich begründet und ermöglicht . Wie lange das emotionale Bedürfnis zur Be- gründung einer Familie schon existiert, wird hierdurch eindrucksvoll belegt . Zwischen 1940 und 1960 wurden in England in ei- ner sogenannten Fruchtbarkeitsklinik erste Forschun- gen über die künstliche Befruchtung durchgeführt . Auf- grund der mangelnden gesellschaftlichen Akzeptanz für eine Samenspende musste der damalige Begründer der Klinik, Berthold Wiesner, mit eigenem Samen die For- schung betreiben . Nach entsprechenden Aufzeichnungen führte dies zu circa 600 Kindern aus seiner Abstammung . 1978 kam mit Louise Joy Brown das erste sehr unpas- send als „Retortenbaby“ bezeichnete und im Reagenzglas gezeugte Kind zur Welt . Der medizinische Fortschritt, der durch die künstliche Befruchtung, die Insemination, also die Überwindung biologischer Fruchtbarkeitshin- dernisse, ermöglicht wurde, setzte sich dann – medizi- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23823 (A) (C) (B) (D) nisch konsequent – auch in der sogenannten heterologen Insemination fort, bei der der Samen nicht vom Ehepart- ner der Frau stammt, sondern durch die sogenannte Sa- menspende einer Drittperson gewonnen wird . Bei nüchterner medizinischer Betrachtung ist der Sachverhalt relativ unspektakulär und für die Eltern sehr erfreulich . Doch dies ist nur die Sichtweise der Eltern . Also wo liegt das Problem? Zu Beginn dieser Ent- wicklung schien die Frage des emotionalen Befindens des gezeugten Kindes bei Kenntnis seiner Zeugung und seiner genetischen Abstammung nicht im Fokus der han- delnden Personen, also der Eltern, gewesen zu sein . Viel- leicht hat man diese Frage auch nicht erkannt . Abstammung ist ein Teil der Individualität. Wir defi- nieren uns aus unserer Umwelt und aus den Personen, mit denen wir verwandt sind, insbesondere aus den Personen, aus denen wir hervorgegangen sind oder zumindest her- vorgegangen zu sein glauben . Insofern kann es eigentlich nicht zufällig sein, dass seit jeher eine gewisse Tendenz vorhanden war, diese Abweichung von der normalen bzw . als solcher empfundenen, aber nicht zutreffenden Abstammung gegenüber dem Kind verborgen zu halten . Die Rechtsprechung hat dies dann zunächst für die Frage der Adoption im Sinne der Persönlichkeitsidenti- fikation entschieden und ein Recht auf Kenntnis um die Abstammung anerkannt . Der BGH hat dies dann im Jah- re 2015 auch zugunsten des durch künstliche Befruch- tung durch Samenspende gezeugten Kindes fortgeschrie- ben . Das Samenspenderregistergesetz regelt deshalb, aber auch nur konzentriert auf den dortigen Sachverhalts- komplex, das Recht des Kindes bzw . seiner gesetzlichen Vertreter auf Kenntnis des genetischen Erzeugers und die dazu notwendigen Strukturen . Die Vorenthaltung dieser Kenntnis wäre eine unvertretbare Verletzung des Persön- lichkeitsrechts des Kindes, die durch kein Interesse eines Außenstehenden, auch wenn es sich bei der Mutter sogar um den leiblichen Elternteil handelt, gerechtfertigt wer- den könnte . Gleichwohl ist dies kein Prozess, der ohne Auswir- kung auf die psychische Situation des Betroffenen wie auch seines Umfeldes bleiben kann . Hier bedarf es der vorgesehenen Beratung- und Informationsangebote . Denn plötzlich entspricht das soziale Gefüge nicht mehr der Vorstellung . Dem trägt das Gesetz Rechnung . Eine Betroffenheit gibt es aber auch für einen wei- teren Beteiligten, den Samenspender . Aus seiner me- dizinischen Bereitschaft wird auf einmal ein konkretes menschliches Gegenüber, mit dem man sich auseinan- dersetzen muss . Der anonyme Spender wollte jedoch gerade nicht familiäre Verantwortung übernehmen . Eine solche Konsequenz muss zum Erhalt der Spendenbereit- schaft vermieden werden . Diesem Regelungsbedarf trägt das Gesetz durch den Ausschluss der rechtlichen Fest- stellung der Abstammung Rechnung . Die Erfüllung eines Informationsanspruchs zur Ab- stammung, der zu den elementarsten Interessen eines Menschen gehört, wird durch das Gesetz für einen not- wendigerweise streng reglementierten Bereich ermög- licht . Die Abstammungsregelung für den Spender ist hierbei jedoch nur ein notwendiger und folgerichtiger Annex eines speziellen Falles und dient in keiner Weise als Blaupause für eine generelle Abstammungsdiskussi- on . Dazu sind die Rechtspolitiker zu einem späteren Zeit- punkt berufen . Ich bitte daher um Zustimmung zu diesem Gesetz . Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Zu wissen, wer die eigenen, leiblichen Eltern sind, ist das Recht eines jeden Menschen . Jeder von uns hat das Recht, zu erfahren, von wem er abstammt . Dies muss auch für diejenigen Men- schen, die mithilfe einer Samenspende gezeugt wurden, gelten . Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung wird aus dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Per- sönlichkeit aus Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit der Würde des Menschen aus Artikel 1 Absatz 1 GG abgeleitet . Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Recht in ei- nem Urteil vom 31 . Januar 1989 wie folgt beschrieben: „Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen einen auto- nomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er sei- ne Individualität entwickeln und wahren kann . Verständ- nis und Entfaltung der Individualität sind aber mit der Kenntnis der für sie konstitutiven Faktoren eng verbun- den . Zu diesen zählt neben anderen die Abstammung . Sie legt nicht nur die genetische Ausstattung des Einzelnen fest und prägt so seine Persönlichkeit mit .“ Die Abstam- mung nehme auch eine Schlüsselstellung für Individuali- tätsfindung und Selbstverständnis ein. Dass die Kenntnis der eigenen Abstammung damit das Persönlichkeitsrecht umfasst, bestätigte zuletzt auch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28 . Januar 2015 . Seit fast 20 Jahren besteht damit ein persönliches Auskunfts- recht auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Ver- wendung von Samen . Die Frage ist, ob die Angaben, die nach der TPG-Ge- webeordnung in den Entnahmestellen zu dokumentieren sind, dies noch hinreichend gewährleisten . Vielmehr mussten wir in der Vergangenheit feststellen, dass die Suche der Betroffenen nach der eigenen Herkunft oft- mals mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden war: Welche Entnahmeeinrichtung ist die richtige? Erhalte ich dort auch die richtigen Daten? Sind die Daten überhaupt noch vorhanden? Ein langer Weg für die rund 1 000 Kin- der, die jährlich mit Hilfe einer anonymen Samenspende in Deutschland gezeugt werden . Zudem waren und sind Erb- und Unterhaltsansprüche auf beiden Seiten gesetz- lich nicht vollständig ausgeschlossen, was zu großen Problemen führt bzw . führen kann . Bereits im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart, das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft bei Samenspenden gesetzlich zu regeln . Dies wird jetzt um- gesetzt . Es wird ein zentrales Samenspenderregister beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) eingerichtet . Dort können Perso- nen, die mittels heterologer Verwendung von Samen im Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723824 (A) (C) (B) (D) Rahmen einer ärztlich unterstützten künstlichen Befruch- tung gezeugt wurden, künftig auf Antrag Kenntnis über ihre Abstammung erlangen . Neben den geweberechtlichen Anforderungen wer- den dort alle notwendigen verpflichtenden Aufklärungs-, Dokumentations- und Meldepflichten verwaltet – unter Gewährung des höchstmöglichen Datenschutzstandards . Diese Daten werden beim DIMDI maximal 110 Jahre gespeichert . Dies sichert einen uneingeschränkten und nachhaltigen Auskunftsanspruch der Spenderkinder . Wer sind meine Eltern? Wer sind meine Großeltern? Diese Fragen werden künftig über eine zentrale Informations- stelle schneller und leichter beantwortet . Damit folgen wir dem ausdrücklichen Wunsch des Spenderkindes . Kindeswohl statt Anonymität des Spenders . Genau das ist der richtige Weg . Vor jeder Samenspende muss aufgeklärt werden . Dies ist eine unabdingbare Voraussetzung für die heterologe Verwendung von Samen . Zukünftig müssen sowohl der Samenspender als auch die Empfängerin der Samenspen- de darüber aufgeklärt werden, dass potenzielle Kinder Zugang zu den Daten haben . Dabei muss auch klar sein, dass der Anspruch des Spenderkindes bei erteilter Aus- kunft nicht erlischt . Dies gilt sowohl bei einer Auskunfts- erteilung an gesetzliche Vertreter vor Vollendung des 16 . Lebensjahres des Spenderkindes als auch bei selbst eingeholter Auskunft . Letztlich haben wir auch geregelt, dass der Spender nicht als rechtlicher Vater festgestellt werden kann . Eine ergänzende Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch soll die gerichtliche Feststellung der rechtlichen Vaterschaft des Samenspenders künftig ausschließen . Damit sind Ansprüche im Bereich des Sorge-, Unterhalts- und Erb- schaftsrechts gegenüber dem Spender nicht möglich . Wir greifen damit gezielt das Anliegen der Betroffe- nen auf, das Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung und das Finden ihrer biologischen Väter sicherzustellen . Mit dem vorliegenden Entwurf des Samenspenderre- gistergesetzes gehen wir einen wichtigen und richtigen Schritt in Richtung Zukunft . Verfahren werden verein- heitlicht und vereinfacht . Die Rechte der biologischen Spender werden klar geregelt . Deshalb werbe ich um Ihre Zustimmung . Mechthild Rawert (SPD): Menschen, die durch Sa- menspende gezeugt wurden, haben das Recht, ihre Ab- stammung zu kennen, das heißt ihren genetischen Vater . Diesem Recht entsprechen wir mit der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes . Wir schaffen damit die Voraus- setzungen, ein bundesweites Samenspenderregister beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) einzurichten . 110 Jahre werden die Daten zu den Spendern aufbe- wahrt, und genauso lang bestehen Auskunftspflichten ge- genüber den Kindern von Samenspendern darüber, wer ihr genetischer Vater ist . Es folgt aus dem Persönlichkeitsrecht des Grundge- setzes, dass Kinder von Samenspendern die Möglichkeit erhalten müssen, zu erfahren, woher sie genetisch stam- men . Es ist enorm wichtig für die Betroffenen: Das Wis- sen um die Abstammung prägt die Persönlichkeit mit . Der Regelungsbedarf, der zu diesem Gesetz führte, er- gab sich aus mehreren Gerichtsurteilen, zuletzt dem Ur- teil des Bundesgerichtshofs vom 28 . Januar 2015 . Dieses Urteil stellt klar, dass durch Samenspende gezeugte Per- sonen unabhängig von ihrem Alter ein Recht auf Kennt- nis ihrer Abstammung haben . Wir regeln mit dem Gesetz auch, dass der Samenspen- der weder durch das Kind noch durch dessen Eltern als rechtlicher Vater belangt werden kann, zum Beispiel für Erbschafts- oder Unterhaltsansprüche . Die biologischen Spender werden entlastet, bei Wunsch des Kindes auf Kenntnis der Abstammung Verantwortung übernehmen zu müssen . Ich gehe davon aus, dass dank der nun herge- stellten Rechtssicherheit die Möglichkeit einer Kontakt- aufnahme, eines Kennenlernens erleichtert wird . Dieses Gesetz ist aber noch nicht das Ende der Fah- nenstange . Es gibt weiteren Reform- und Regelungsbe- darf, denn der Themenkomplex ist riesig; außerdem hat er eine hohe gesellschaftspolitische Relevanz . Die repro- duktive Medizin, ihre technischen Möglichkeiten, ihre ethischen Fragen und gesellschaftlichen Auswirkungen sind zunehmend drängende gesellschaftspolitische The- men . Es geht schließlich um tiefsitzende Wünsche, um die Freiheit, unterschiedliche Familienformen selbstbe- stimmt zu gestalten und zu verantworten, es geht um die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit und die Erfüllung im Leben . Dieser Gesetzentwurf nimmt ausschließlich Bezug auf die ärztlich unterstützte künstliche Befruchtung, auf die „offizielle“ Samenspende. Wir müssen aber auch dis- kutieren über gleiche Chancen für alle beim Thema der privaten Spende . Gerade lesbische oder alleinstehende Frauen greifen oft auf diese Möglichkeit zurück, weil für sie von vielen Ärztinnen und Ärzten, von Ärztekammern die künstliche Befruchtung abgelehnt wird . Sie greifen aber auch da- rauf zurück, weil sie bewusst andere familiale Verant- wortungsgemeinschaften leben wollen . Ich befürworte, dass für lesbische Frauen bzw . Paare oder alleinstehende Frauen die gleichen Rechte gelten wie für heterosexuelle Menschen, wenn es um die künstliche Befruchtung geht . Ich bin der Meinung, dass eine heterologe Insemination allen Frauen, das heißt unabhängig von sexueller Identi- tät oder Familienstand, offenstehen sollte . Offen ist auch noch die Frage, welche Regelungen wir hinsichtlich des Rechts auf Kenntnis der Abstammung finden, wenn der biologische Spender in einer auslän- dischen Samenbank aufgeführt ist; offen sind auch die Regelungen bei einer Eizellspende im Ausland . Darf es, kann es eine Ungleichbehandlung der Beteiligten bezüg- lich der Rechtsfolgen geben im Vergleich zu Menschen, die im Inland gespendet haben bzw . gezeugt wurden? Das Themenfeld ist groß: Wir müssen auch über die abstammungsrechtlichen Fragen diskutieren, die durch die beiden Studien des Bundesministeriums für Fami- lie, Senioren, Frauen und Jugend aufgeworfen werden: Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23825 (A) (C) (B) (D) „Geschlechtervielfalt im Recht“ und „Regelungs- und Reformbedarf für transgeschlechtliche Menschen“ . All diese Fragen werden wir intensiv diskutieren, wenn die Ergebnisse des Arbeitskreises Abstammung im Sommer 2017 vorliegen . Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat im Februar 2015 die- sen interdisziplinären Arbeitskreis eingerichtet . An ihm sind Sachverständige für die Bereiche Familienrecht, Verfassungsrecht, Ethik und Medizin bzw . Psychologie zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern verschiede- ner Bundes- und Landesministerien beteiligt . Ich bin schon jetzt sehr gespannt auf diese gesell- schaftliche und politische Debatte und die weiteren Re- gelungen, die wir treffen werden, um dem gesellschaftli- chen Wandel hin zu mehr Vielfalt gerecht zu werden . Wir wollen für viele Menschen gute Voraussetzungen für ein erfülltes Familienleben, ohne Rechtsstreitigkeiten schaf- fen . Kathrin Vogler (DIE LINKE): Mit dem Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen soll ein bundes- weites Samenspenderregister geschaffen und anonyme Samenspenden sollen untersagt werden . Das begrüße ich, da Spenderkinder nur auf diesem Wege endlich die Möglichkeit erhalten können, zu erfahren, von wem sie abstammen . Ein solches Gesetz war längst überfällig; zu lange schon bestand Rechtsunsicherheit für Samenspen- der und eine unerträgliche Situation für die Spenderkin- der . Doch hat die Bundesregierung leider einen sehr schlampigen Gesetzentwurf vorgelegt, der viele Fragen offenlässt . Die meisten Schwangerschaften nach Sa- menspende entstehen in Deutschland nicht durch ärzt- liche Eingriffe mit Unterstützung von Samenbanken, sondern im privaten Raum . Diese Kinder haben weiter- hin kein Auskunftsrecht über ihre genetischen Verwandt- schaftsverhältnisse . Es ist richtig, eine rechtliche Verwandtschaftsbezie- hung zwischen Samenspender und Spenderkind grund- sätzlich auszuschließen . Warum soll es aber kategorisch ausgeschlossen werden, dass ein genetischer Vater auch rechtlicher Vater werden kann, falls sich eine entspre- chend gute und vertrauensvolle Beziehung zwischen ge- netischem Vater und Kind entwickeln sollte? Hier hätten wir uns eine Ausnahmemöglichkeit gewünscht, wenn beide Seiten dies wünschen . Es ist für mich auch nicht akzeptabel, dass bei den Festlegungen zur rechtlichen Vaterschaft bei künstlicher Befruchtung weiterhin getrennt wird zwischen verheira- teten und nichtverheirateten Paaren . Der männliche Part- ner der Beziehung soll nur dann automatisch rechtlicher Vater sein, wenn das Paar verheiratet ist . Für Unverheira- tete oder erst recht für alleinstehende Frauen oder lesbi- sche Paare gibt es keine gesetzliche Regelung, sodass die konservativen Richtlinien der Ärztekammern für künstli- che Befruchtung weiterhin gelten . Zu kritisieren bleibt auch, dass ein Auskunftsanspruch eines Spenderkinds erst ab 16 gilt . Real fängt bei vielen die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität in der Pubertät an . Bereits ab 14 ist man in Deutschland reli- gionsmündig und eingeschränkt straffähig . Aus unserer Sicht wäre dies eine bessere Altersgrenze auch für das Auskunftsrecht gewesen . Auch wäre es wünschenswert, wenn bestimmte grundlegende persönliche Eigenschaf- ten des Samenspenders, also zum Beispiel Beruf, Hob- bys und dergleichen, gespeichert würden . Dann könnten sich die Spenderkinder auch ohne Kontaktaufnahme mit dem genetischen Vater eine Vorstellung von ihm machen . In Großbritannien gilt die Regelung, dass Samenspender einen persönlichen Brief hinterlegen sollen . Das könnte eine Lösung sein . Das Nichtwissen über die eigene Abstammung bleibt aber aus anderen Gründen weiter bestehen: Im Geburten- register gibt es nämlich keinen Hinweis darauf, dass die Zeugung per Samenspende erfolgte . So wissen die Be- troffenen nicht, dass der rechtliche auch der genetische Vater ist, wenn sie von ihren sozialen Eltern nicht über ihre genetische Herkunft aufgeklärt worden sind . Aber das betrifft auch die Enkel, denen ebenfalls ein Recht auf Kenntnis der Abstammung zugestanden werden sollte . Eine Fußnote im Geburtenregister für weiter gehende Daten könnte eine Lösung darstellen . Leider fehlt eine Regelung für dieses Problem im Gesetzentwurf, genauso wie Auskunftsrechte für Enkel und Kontaktmöglichkei- ten für Halbgeschwister, also Kinder des gleichen Sa- menspenders . Es fehlen weiter gehende Regelungen für die heute lebenden Spenderkinder, die ihr Recht auf Kenntnis der Abstammung nach wie vor nicht umsetzen können . Über 100 000 so gezeugten Menschen in Deutschland wird dieses Gesetz leider nicht mehr helfen . Besonders unglücklich finde ich es, dass die Zahl der per Samen eines einzelnen Spenders gezeugten Kinder nicht begrenzt wird . So kann es zu einer unübersichtlich großen Zahl an genetisch verwandten Spenderkindern kommen, verbunden mit der Gefahr, unwissentlich mit einem Halbgeschwisterkind eine Familie zu gründen, und dem damit verbundenen höheren Risiko von Erb- krankheiten . Außerdem fehlt eine Regelung zur Embryonenspen- de, sodass die Rechtsunsicherheiten in diesem Bereich bestehen bleiben . Zeugungen in Form von Embryo- nenspenden sind zwar gesetzlich nicht zulässig, aber es gibt sie dennoch . Darum muss auch für die auf diesem Wege gezeugten Kinder gesorgt werden . So geht dieses überfällige Gesetz zwar in die richtige Richtung, doch weist es bedauerlich viele handwerkliche Mängel und Regelungslücken auf . Deswegen kann sich die Linke nur enthalten . Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit Ih- rem Gesetz führen Sie endlich ein Samenspenderegister ein, und das ist zunächst einmal zu begrüßen . Leider ha- ben Sie die familien- und verfassungsrechtlichen Impli- kationen Ihres Gesetzes völlig verkannt . Aber zuerst zum positiven Teil: Das Verfassungsge- richt hat seit den 80er-Jahren mehrfach klargestellt, dass Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723826 (A) (C) (B) (D) Kinder einen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf Auskunft gegenüber ihren Eltern haben . Niemand be- streitet mehr, dass die Kenntnis der eigenen Abstammung zentral bei der eigenen Identitätsfindung sein kann und die Unkenntnis entsprechend zu gravierenden psychi- schen Belastungen führen kann . Deswegen ist eine ano- nyme Samenspende auch jetzt schon unzulässig und eine Verletzung der Rechte des Kindes . Es gibt aber bislang einen leider sehr unterschiedli- chen Umgang mit den Auskunftspflichten gegenüber den Kindern, bis hin zur gezielten praktischen Verhinderung . Solange die Rechtslage nicht geklärt ist, will man die ei- genen Kunden vor etwaigen Erb- oder Unterhaltsansprü- chen schützen . Es ist also richtig und wichtig, dass Sie den Aus- kunftsanspruch der Kinder zumindest gegenüber den Samenbanken gesetzlich verankern . Leider beschränken Sie sich auf die Samenbanken und versäumen es, den Auskunftsanspruch auch für die privaten, also vertrau- lichen, Spenden im BGB allgemein zu verankern . Dafür nehmen Sie dem Kind durch eine einfache Ergänzung des § 1600d BGB mal eben das Recht, die Vaterschaft des biologischen Vaters feststellen zu lassen . Die Inter- essenlage der Samenbanken und ihrer Kunden ist zwar klar und eindeutig – wer Auskunft erteilen muss, will auch vor etwaigen Erb- oder Unterhaltsansprüchen abge- sichert sein . So einfach ist das allerdings nicht, und hier liegt das Grundproblem Ihres Gesetzes: Sie bringen im Gesundheitsressort ein neues Register- gesetz auf den Weg, ohne die familienrechtlichen Folgen zu Ende zu denken . So hat das Kind grundsätzlich Recht auf zwei Elternteile . Die einseitige Streichung des Fest- stellungsrechtes ginge allein zulasten des Kindes und ist damit verfassungsrechtlich unhaltbar . Wir müssen sicherstellen, dass das im Wege der Sa- menspende gezeugte Kind seinen zweiten Elternteil nicht von vorneherein verliert, weil dieser es sich möglicher- weise anders überlegt . Es muss schon vor der Zeugung möglich werden, in einer Elternschaftsvereinbarung die rechtliche Elternschaft des Wunschvaters vertraglich und verbindlich zu regeln . Das schafft nicht nur Sicherheit bei Spenden über Samenbanken, sondern gerade auch für sogenannte vertrauliche Spenden im privaten Umfeld, vor allem wenn die Eltern nicht miteinander verheiratet sind . Diese Vereinbarung sollte beim Jugendamt proto- kolliert werden und mit einer entsprechenden Belehrung über den zukünftigen Umgang mit dem Auskunftsrecht gegenüber dem Kind zu dessen Wohl verbunden sein . Außerdem müssen wir dem Kind einen gesetzlichen Weg eröffnen, künftig die biologische Vaterschaft des Spenders feststellen zu lassen, ohne dabei zugleich die rechtliche Vaterschaft neu zuzuordnen . Eine solche ge- richtlich festgestellte biologische Vaterschaft ohne Sta- tusänderung haben wir bereits vor einigen Jahren ins Gesetz eingeführt, als es um die Durchsetzung von Um- gangsrechten des biologischen Vaters ging . Es handelt sich also nicht um eine völlig neue Konstruktion . Nur wenn dem Kind ein solcher Weg zur Verfügung steht, ist es verfassungsrechtlich vertretbar, im Gegen- zug das Anfechtungsrecht der Kinder gegenüber dem rechtlichen Vater auszuschließen . Im Ergebnis würde die Elternschaftsvereinbarung sowie eine Minderjährigenad- option wirken, bei der das Kind ja ebenfalls kein Anfech- tungsrecht erhält . Nach vielen Gesprächen mit den Verbänden sowohl der Eltern als auch der Kinder kann ich Ihnen sagen: Der Ausgleich der durchaus gegenläufigen Interessen ist alles andere als banal . Die Eltern wünschen keinen zusätzli- chen Druck zur Aufklärung ihrer Kinder durch einen Eintrag im Geburtenregister, während die Spenderkinder gerne an ihrem Anfechtungsrecht gegenüber dem recht- lichen Vater festhalten, was aber die Rechtsunsicherheit aufseiten der Spender nicht aufheben würde . Unser Vorschlag, den wir hier heute zur Abstimmung stellen, ist das ausgewogene Ergebnis eines Abwägungs- prozesses zwischen Auskunftsanspruch auf der einen und Anfechtungsrecht auf der anderen Seite . Mit Ihrem Gesetz haben Sie es sich schlicht zu einfach gemacht und die Grundrechte des Kindes nicht beachtet . Weil das Samenspenderegister jetzt immerhin teilwei- se den Auskunftsanspruch des Kindes sichert, wird sich meine Fraktion heute enthalten . Die Nachbesserung im Familienrecht ist allerdings unverzichtbar und sollte so schnell wie möglich erfolgen . Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Ener- gie: – zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Eu- ropäischen Parlaments und des Rates über die Durchsetzung der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt, zur Festle- gung eines Notifizierungsverfahrens für dienst- leistungsbezogene Genehmigungsregelungen und Anforderungen sowie zur Änderung der Richtlinie 2006/123/EG und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszu- sammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-In- formationssystems KOM(2016)821 endg.; Rats- dok. 5278/17 – zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Euro- päischen Parlaments und des Rates über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neu- er Berufsreglementierungen KOM(2016)822 endg.; Ratsdok. 5281/17 – zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen und operativen Rah- men für die durch die Verordnung ... [ESC Regulation] eingeführte Elektronische Eu- ropäische Dienstleistungskarte KOM(2016)823 endg.; Ratsdok. 5283/17 – zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23827 (A) (C) (B) (D) zur Einführung einer Elektronischen Euro- päischen Dienstleistungskarte und entspre- chender Verwaltungserleichterungen KOM(2016)824 endg.; Ratsdok. 5284/17 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregie- rung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grund- gesetzes (Zusatztagesordnungspunkt 11) Astrid Grotelüschen (CDU/CSU): Der vorliegen- de Entschließungsantrag zu dem im Januar 2017 von der EU-Kommission vorgelegten Dienstleistungspa- ket soll mit Nachdruck die kritische Haltung der CDU/ CSU-Fraktion verdeutlichen . Deshalb ist es wichtig, dass wir die vom Bundestag am 9 . März 2017 verabschiedeten Subsidiaritätsrügen und Verhältnismäßigkeitsbedenken nun auch zielführend nachverfolgen . Daher soll der heu- tige Antrag die Bundesregierung bei ihren Verhandlun- gen im Rat der EU unterstützen und gleichzeitig unseren Bedenken Rechnung tragen . Das vorliegende Dienstleistungspaket geht weit über die Grenzen des Notwendigen hinaus . Es enthält zu viel Bürokratie und unnötige Regelungen, die besonders den vielen kleinen und mittelständischen Dienstleistungsan- bietern nicht zumutbar sind . Und es sind ja gerade die rund 2,5 Millionen dem Dienstleistungssektor zuzurech- nenden Betriebe in Deutschland, die unbürokratischer und leichter ihre Dienstleistungen auch im europäischen Binnenmarkt sollen anbieten können . Dies wird mit dem vorliegenden Paket der Kommissi- on nicht nur nicht gewährleistet, sondern es konterkariert auch bereits beschlossene Regelungen – zum Beispiel im Bereich der Richtlinie über die Anerkennung von Berufs- qualifikationen oder dem Einheitlichen Ansprechpartner der Dienstleistungsrichtlinie von 2006 . Wir müssen hier wachsam sein, damit Doppelstrukturen vermieden wer- den . Doch am schwersten wiegen die Bedenken des Bun- destages im Bereich der Subsidiarität und der Verhältnis- mäßigkeit der vorgeschlagenen Regelungen, welche in den im März erhobenen Subsidiaritätsrügen zum Aus- druck kamen . Ich möchte betonen, dass wir das Ziel der Kommissi- on – die Vollendung des Binnenmarktes für Dienstleis- tungen – unterstützen . Das haben wir in unserer Stellung- nahme vom 23 . Juni 2016 deutlich gemacht . Dennoch sehen wir bei dem vorliegenden Paket drin- genden Überarbeitungsbedarf . Ich möchte dies im Fol- genden ausführen . Bei dem Richtlinienvorschlag zur Festlegung eines Notifizierungsverfahrens dienstleistungsbezogener Ge- nehmigungsverfahren geht es bei unserer Kritik im Kern um zwei Punkte: die Begründungspflichten und Notifi- zierungsfristen sowie das vorgesehene Beschlussrecht der Kommission, welches vorsieht, dass hier nationale Gesetzgeber mit einem De-facto-Prüfvorbehalt der Kom- mission belegt werden . Über die Länge von Fristen und den Umfang von Be- gründungspflichten lässt sich streiten: Der vorliegende Entwurf ist besonders in Hinsicht auf die Verhältnismä- ßigkeit, gelinde gesagt, fragwürdig . Wirklich problematisch wird es jedoch, wenn um- fangreiche Begründungspflichten und kurze Fristen mit einem Prüfvorbehalt der Kommission verquickt werden . Deshalb wurde dieser Punkt mit der Rüge vom März auch ausdrücklich an dieser Stelle angemahnt . Denn die Regelungen sehen vor: Wenn die Kommission Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit einer geplanten Vorschrift mit der Dienstleistungsrichtlinie sieht, ist eine dreimona- tige Frist vorgesehen . Während dieser darf die geplante Vorschrift, vorbehaltlich der von der Kommission gefor- derten Änderungen, nicht in Kraft treten . Bestehen dann noch weiterhin Bedenken, kann die Kommission den Erlass der Vorschriften per Beschluss ganz untersagen . Ein Mitgliedstaat müsste somit den Weg vor den Europä- ischen Gerichtshof beschreiten, bevor er sein Gesetzge- bungsrecht wahrnehmen kann . Das geht zu weit! Dass die Kommission hier ihre Kompetenzen überschreitet, sollte offensichtlich sein . Denn es gibt bereits den im Vertrag von Lissabon verein- barten Weg der Klage vor dem EuGH, wenn die Kom- mission der Meinung ist, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Pflichten verstoßen hat. Diesen Weg „umschiffen“ zu wollen, stellt nicht nur in den Augen von Bundesrat und Bundestag eine Überschreitung der Kompetenzen der Kommission dar – auch unsere Freunde und Partner in den beiden Kammern des französischen Parlaments haben hier eindeutig in Form einer Subsidiaritätsrüge Stellung bezogen . Daher fordern wir mit dem Entschließungsantrag von heute ganz deutlich: Wir müssen uns auch bei den ande- ren Mitgliedstaaten dafür einsetzen, dass dieses Notifi- zierungsverfahren nur dann zustimmungsfähig ist, wenn die Vorschläge so abgeändert werden, dass der „präventi- ve Prüfvorbehalt“ der Kommission entfällt . Ähnlich kritisch ist die Situation bei der vorgeschla- genen Richtlinie über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen . Ich betone: Die ständige Rechtsprechung des EuGH ist eindeutig: Die Reglementierung von Berufen ist Sache der Mitgliedstaaten . Natürlich ist es für einen funktionie- renden Binnenmarkt – zumal bei Dienstleistungen – not- wendig, eine inhaltliche Annäherung der verschiedenen europäischen Berufsreglementierungen zu erzielen . Nur so können wir guten Gewissens die beruflichen Qualifi- kationen anderer Mitgliedstaaten anerkennen – guten Ge- wissens nicht zuletzt auch im Interesse der Verbraucher, die als Kunden Dienstleistungen in Anspruch nehmen . Aber mit der Anerkennungsrichtlinie existiert bereits eine Regelung, die sicherstellt, dass weitere nationale Berufsreglementierungen nicht zu marktverzerrenden Effekten führen . Bereits jetzt wird so anhand von vier Prüfkriterien, welche auf der EuGH-Rechtsprechung zur Verhältnismäßigkeit basieren, die Verhältnismäßigkeit neuer, nationaler Reglementierungen festgestellt – oder eben nicht . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723828 (A) (C) (B) (D) Dass nun mit dem vorliegenden Vorschlag der Kom- mission elf (!) neue Prüfkriterien hinzukommen sollen, reicht aber noch nicht; nein, diese elf Kriterien werden noch um zehn weitere ergänzt! Die Kommission mag dies für effektive, engmaschige Harmonisierung auf dem Weg zu einem „durchharmoni- sierten“ Dienstleistungsbinnenmarkt halten . Ich nenne es unverhältnismäßige Bürokratie, unzulässiges Einschrän- ken nationaler Entscheidungshoheiten und ganz generell „Herumdoktern“ an der falschen Stelle . Besonders im Dienstleistungssektor, der in hohem Maße von Innovation, Qualität und Flexibilität abhängt, droht eine Überregulierung nicht nur den Dienstleis- tungsmarkt zu bremsen, sondern ihm gar zu schaden . Hier gehört nicht durchharmonisiert; hier gehört Innova- tion, Qualität und Flexibilität gefördert . Dass dies auf der Basis verlässlicher Qualitätsstandard geschehen muss, ist, wie bereits erwähnt, mit der Aner- kennungsrichtlinie sichergestellt . Und sollten hier Verän- derungen objektiv notwendig sein, sind wir auch immer für Argumente und Anpassungen mit Augenmaß offen . Aber auf einen Schlag 21 neue Kriterien einzuführen, das grenzt an puren Aktionismus, ist unverhältnismäßig und droht durch seine Engmaschigkeit die Gesetzge- bungskompetenz der Mitgliedstaaten in Bereichen einzu- schränken, in denen Harmonisierungsverbot herrscht – so zum Beispiel in der Bildungspolitik . Dies ist insbesonde- re bei uns in Deutschland mit unserem Meisterbrief und unserem vielgelobten dualen Ausbildungssystem nicht akzeptabel! Daher war und ist hier eine Subsidiaritätsrüge ange- bracht, und deshalb fordern wir auch heute mit diesem Entschließungsantrag die Bundesregierung auf, sich da- für einzusetzen, dass klargestellt wird, dass die Regle- mentierung von Berufen eine autonome Entscheidung der Mitgliedstaaten ist und auch in Zukunft bleiben wird . Das Harmonisierungsverbot im Bereich der Bildungspo- litik muss respektiert werden . Gegen den Vorschlag einer Richtlinie sowie einer Verordnung zur Einführung der Elektronischen Europä- ischen Dienstleistungskarte haben wir keine Subsidia- ritätsrüge erhoben . Die Zuständigkeit der Kommission steht hier außer Frage . Doch die vorliegende Ausgestaltung der Kommis- sion wirft massive Fragen der Verhältnismäßigkeit auf . Offensichtlich sollen hier Doppelstrukturen geschaffen werden . Wie verhält sich die geplante Dienstleistungskarte zum erst 2013 eingeführten Berufsausweis? Ungeklärt . Auch die geplanten, für die Erteilung der Dienstleis- tungskarte zuständigen „koordinierenden Behörden“ im Herkunfts- und Aufnahmestaat tragen das Risiko der Schaffung von Doppelstrukturen in sich . Wie verhalten sich die geplanten „koordinierenden Behörden“ zum mit der Dienstleistungsrichtlinie verfolgten Konzept der Ein- heitlichen Ansprechpartner? Ebenfalls ungeklärt . Hier setzt auch einer der Hauptkritikpunkte an der Dienstleistungskarte an . Diese soll von den Mitglied- staaten als Nachweis dafür akzeptiert werden, dass der Inhaber in seinem Herkunftsstaat niedergelassen und be- rechtigt ist, die ausgewiesene Dienstleistung anzubieten . Jeder Mitgliedstaat soll zu diesem Zweck eine – oben bereits erwähnte – koordinierende Behörde einrichten . Die Dienstleistungskarte wird bei der koordinierenden Behörde des Herkunftsstaates gestellt . Dieser prüft die Unterlagen und leitet sie an den Aufnahmestaat weiter . Der Aufnahmestaat hat dann innerhalb von nur vier bis sechs Wochen den weitergeleiteten Antrag zu prüfen und gegebenenfalls Widerspruch einzulegen . Kann der Aufnahmestaat diese Prüffrist nicht einhalten, soll eine Genehmigungsfiktion greifen – mit anderen Worten: Die Karte gilt dann als erteilt und kann auch nicht im Nach- hinein entzogen werden . Dies ist die Einführung des Herkunftslandprinzips durch die Hintertür und das muss verhindert werden! Wieder ist es die Mischung aus zu kurz bemessenen – aber verhandelbaren – Prüffristen gepaart mit einer – bei Nichteinhaltung – automatisch greifenden Kompetenz- aneignung der Kommission, die eine Zustimmung zur Dienstleistungskarte in der hier vorliegenden Form un- möglich macht . Daher sagen wir ausdrücklich: Die Bundesregierung muss klären, in welchem Verhältnis die vorgeschlagenen Regelungen zu bereits bestehenden Strukturen stehen, insbesondere mit Bezug zum Berufsausweis und dem Konzept des Einheitlichen Ansprechpartners . Vor allem aber muss sie darauf hinwirken, dass die Regelungen nicht faktisch auf eine Einführung des Herkunftsland- prinzips und eine Änderung geltenden Rechts in den Mit- gliedstaaten hinausläuft . Lassen Sie mich abschließend noch ein paar Worte zum Instrument der Subsidiaritätsrüge sagen . Da gab es ja durchaus Kritik, dass eine solche Rüge gar nicht ange- bracht sei und wir hier nur aktiv würden, „um der Kom- mission eins auszuwischen“ . Hierzu sage ich: Das ist sachlich nicht richtig! Ich habe Ihnen gute Gründe für die beiden erhobenen Subsidiari- tätsrügen zum Notifizierungsverfahren und zur Verhält- nismäßigkeitsprüfung genannt . Wir haben eben bewusst von einem solchen Schritt bei der Dienstleistungskarte abgesehen, da wir hier keine Kompetenzüberschreitung der Kommission sehen, sondern die inhaltliche Unver- hältnismäßigkeit des Richtlinienvorschlags deutlich ma- chen . Daher ist der Vorwurf, wir würden Stimmung ge- gen die EU machen konstruiert . Wir als Deutscher Bundestag haben die Pflicht, früh- zeitig und klar unsere Position zu verdeutlichen . Ich kann nicht deutlich genug die Worte von Kommissionspräsi- dent Jean-Claude Junker anlässlich des 70-jährigen Be- stehens des Niedersächsischen Landtags unterstreichen: Klopfen Sie der Kommission auf die Finger, wenn wir die Finger zu weit ausstrecken . Wenn die Par- lamente sich nicht einmischen, dann mischen die Populisten sich ein . Genau das tun wir heute . Wir mischen uns ein, und wir gestalten konstruktiv mit . Dieses starke Signal an die Kommission ist meiner Meinung nach zutiefst europä- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23829 (A) (C) (B) (D) isch: Wir zeigen der Kommission deutlich auf, dass sie hier an den Realitäten vorbei gezielt hat . In enger Ab- stimmung mit unseren europäischen Partnern und durch das Instrument der Subsidiaritätsrüge unterstützen wir die von uns allen gewünschte Konsolidierung des euro- päischen Dienstleistungsmarkts . Und wir bewahren die Kommission davor, in unseren Wahlkreisen von den rund 2,5 Millionen Betrieben mit ihren über 32 Millionen Be- schäftigten abermals als ausuferndes Bürokratiemonster wahrgenommen zu werden . Das ist proeuropäisches Ver- halten und im Sinne unseres gemeinsamen Binnenmark- tes . Ich bitte Sie daher, dem vorliegenden Entschließungs- antrag zuzustimmen . Sabine Poschmann (SPD): Wie im März bereits angekündigt, haben wir in der Zwischenzeit einen Ent- schließungsantrag erarbeitet, in dem wir uns kritisch mit der Dienstleistungskarte auseinandersetzen . Diese ist Teil der Vorschläge der Europäischen Kommission für ein Dienstleistungspaket, mit der sie den Marktzugang von Dienstleistern vereinfachen und den Wettbewerb be- leben will . Die ebenfalls im Paket enthaltenen Richtlinienvor- schläge zum Notifizierungsverfahren und zur Verhältnis- mäßigkeitsprüfung hatten wir im März bereits gegenüber der Kommission gerügt, weil wir das Subsidiaritätsprin- zip der EU-Verträge verletzt sahen . Die Idee der Dienstleistungskarte mag auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen . Sie soll Handwerkern aus der Baubranche sowie Architekten und Ingenieuren erlauben, überall in der EU ohne großen bürokratischen Aufwand tätig zu sein . So soll es im Herkunftsland eine Behörde geben, bei der der Dienstleister seine Unterlagen digital und in seiner Landessprache einreichen kann . Diese prüft und gibt sie an das Aufnahmeland weiter . Hier wird er- neut geprüft, und das Einverständnis führt zur Ausstel- lung der Karte – Ausgabe wiederum im Herkunftsland . Doch bei diesem Vorschlag gibt es gravierende Be- denken unsererseits . Der Prüfungszeitraum im Aufnahmeland beträgt le- diglich vier Wochen bei vorübergehender und sechs Wo- chen bei dauerhafter Dienstleistungserbringung . Kann in dieser Zeit beispielsweise aufgrund von fehlenden Kapa- zitäten nicht widersprochen werden, gelten die Angaben der Karte dennoch als anerkannt, und zwar dauerhaft . Eine so kurze Prüffrist für einen derart komplexen Vor- gang käme daher einer Einführung des Herkunftsland- prinzips gleich – demzufolge die gesetzlichen Bestim- mungen des Heimatlandes auch für das Aufnahmeland gelten, zumal keine weiteren Anforderungen im Nachhi- nein an den Besitzer einer Karte gestellt werden dürfen . Ferner können die konkreten Unterlagen des Dienst- leisters, wie Ausbildungsabschlüsse, die nur der Behörde im Herkunftsland vorliegen, jenseits der Grenze nicht kontrolliert werden . Die nationalen Kontrollrechte des Aufnahmelandes werden so umgangen; denn dieses wür- de vielleicht zu einer anderen Einschätzung kommen . Auch kann mit falschen Angaben zur Branchenzugehö- rigkeit und zur Selbstständigkeit der branchenspezifische Mindestlohn umgangen werden . Wir sehen zudem die Gefahr, dass die Karte an sich auch als Beleg für eine selbstständige Tätigkeit herangezogen werden könnte, obwohl der Besitzer tatsächlich abhängig beschäftigt ist . Damit würde natürlich die Sozialversicherungspflicht umgangen und die Scheinselbstständigkeit gefördert werden . Tief in die Souveränität der Mitgliedstaaten greift der Vorschlag ein, eine koordinierende Stelle einzurichten . Ihre Aufgabe wäre es, die Unterlagen für die Karte zu sichten, zu vergleichen und zu prüfen . Diese Behörde müsste in Deutschland auf Bundesebene entstehen und widerspricht somit unserer föderalen Struktur – zumal wir auf Länderebene Berufskammern haben, die im Gegensatz zu der neuen Behörde über das notwendige Know-how verfügen . Darüber hinaus würden hier unnö- tige Doppelstrukturen entstehen . Deshalb bekräftigen wir mit dem vorliegenden Antrag unsere Forderung, den Vorschlag zur Dienstleistungskar- te grundsätzlich zu überarbeiten . Auch drängen wir erneut darauf, dass die Vorschläge zum Notifizierungsverfahren sowie zur Verhältnismäßigkeitsprüfung abgeändert wer- den . Ein Gutachten aus dem BMWi bestätigt, dass die EU mit dem Vorschlag zum Notifizierungsverfahren ihre Kompetenzen überschreitet . Deswegen wissen wir auch unsere Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries hinter uns . Sie hat ebenfalls Widerstand bei der Dienstleistungskarte angekündigt und wird die Interessen des Parlaments ge- genüber der Europäischen Kommission vertreten . Es kann nicht sein, dass Wettbewerb vor Verbraucher- schutz und Arbeitnehmerrechte geht . Aber das scheint der EU in diesem Punkt wichtiger zu sein . Deregulierung kann offenbar nur erreicht werden, wenn Anforderun- gen an Qualifikation des Dienstleisters sowie Qualität der Dienstleistung gesenkt werden . Aber ist das wirklich das, was wir wollen? Zumal das dann bedeuten würde, dass der Meisterbrief und somit unsere duale Ausbildung grundsätzlich ebenfalls in Gefahr ist . Da sagen wir eindeutig Nein; da gehen wir nicht mit . Wir bleiben dabei: Berufsausübungsregeln und Hono- rarordnungen sind sinnvoll, wenn sie für Qualität, Ver- braucherschutz und den Schutz der Beschäftigten sorgen . Deswegen bleiben wir hier hart und werden unsere Zu- ständigkeit und unsere Standards weiter verteidigen . Klaus Ernst (DIE LINKE): Wenn die Große Koali- tion ausnahmsweise mal etwas Richtiges macht – was selten genug vorkommt –, hat sie unsere Unterstützung . Bei der Kritik am EU-Dienstleistungspaket ist das der Fall . Das Paket ist Teil der Binnenmarktstrategie der Kommission vom Oktober 2015, in welcher die Kom- mission bereits Maßnahmen für einen Binnenmarkt ohne Grenzen für Dienstleistungen angekündigt hatte . Mit dem EU-Dienstleistungspakt möchte die Kommission die Notifizierung von Dienstleistungsberufen sowie die Verhältnismäßigkeit nationaler Regeln zur Berufszu- lassung verändern und eine Elektronische Europäische Dienstleistungskarte einführen . Das soll einer angeblich Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 201723830 (A) (C) (B) (D) mangelnden Mobilität der Unternehmen und Beschäftig- ten auf dem Arbeits- und Dienstleistungsmarkt aufgrund von vorhandenen Reglementierungen entgegenwirken . Ich möchte diese drei Punkte kurz erläutern: Die bestehende EU-Dienstleistungsrichtlinie regelt, dass bestimmte nationale Rechtsvorschriften zu Dienst- leistungsberufen und qualitativen Anforderungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht widersprechen dürfen und im Sinne des Allgemeininteresses begründet sein müssen . Neue oder geänderte Regelungen und An- forderungen zur Berufszulassung müssen der EU-Kom- mission mitgeteilt, das heißt notifiziert werden. Nun will die Kommission, dass bereits Entwürfe von berufsreglementierenden Rechtsvorschriften spätestens drei Monate vor deren Erlass notifiziert werden. Darauf soll eine Konsultationsphase folgen . Bei Bedenken kann die Kommission die Stillhaltefrist um weitere drei Mona- te ausdehnen, in der das Gesetz oder die Vorschrift nicht erlassen werden dürfen . Die Kommission soll zudem das Recht bekommen, die Unvereinbarkeit des geplanten nationalen Rechtsakts mit der Dienstleistungsrichtlinie festzustellen und vom EU-Mitgliedstaat zu verlangen, von diesem Abstand zu nehmen . Gegen diesen Beschluss wiederum könnte der Mitgliedstaat vor dem Europäi- schen Gerichtshof eine Nichtigkeitsklage erheben . Wir sagen: Diese Regelungen würden die Entscheidungsfrei- heit nationaler Gesetzgebung über die Maßen einschrän- ken . Das Gleiche gilt für den Richtlinien-Entwurf zur Ver- hältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsregle- mentierungen . Dieser hat das Ziel, Kriterien festzulegen, nach denen die Mitgliedstaaten vor Erlass von einschrän- kenden Bestimmungen zum Zugang oder zur Ausübung reglementierter Berufe deren Verhältnismäßigkeit prüfen sollen . Hier kritisieren wir erstens, dass die EU nicht zu- ständig ist . Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes spricht dafür, dass die Mitgliedstaaten in eigener Regelungsbefugnis bestimmen können, welche Berufe auf welchem Niveau reglementiert werden . Zweitens stößt die angestrebte Vereinheitlichung der Verfahren aufgrund der sehr unterschiedlichen Ausbil- dungs-, Zulassungs- und Qualifikationsanforderungen an klare Grenzen . Etwa viele Handwerksberufe sind in Deutschland aus gutem Grund reglementiert . Bereits vollzogene Deregulierungen haben gezeigt, dass dies prekäre Soloselbstständigkeit befördert und sich in der Folge negativ auf Beschäftigung und Ausbildung aus- wirkt . Das wollen wir nicht . Mit der Richtlinie zur Elektronischen Dienstleistungs- karte sollen Dienstleistungsanbieter einen Ansprechpart- ner im Heimatland und in ihrer eigenen Sprache bekom- men, bei dem sie die Dienstleistungskarte beantragen können . Diese soll die Niederlassung im Herkunftsland belegen und nachweisen, dass ihr Inhaber berechtigt ist, die ausgewiesene Dienstleistung im Aufnahmeland aus- zuüben . Dafür prüft die Koordinierungsstelle im Her- kunftsland den Antrag und die Dokumente und leitet sie dann an die Koordinierungsstelle im Aufnahmeland wei- ter . Letzteres bleibt formal zuständig für die Anwendung der nationalen Vorschriften und die Entscheidung, ob der Antragsteller in seinem Hoheitsgebiet überhaupt Dienst- leistungen anbieten darf . Laut Richtlinienentwurf hat allerdings die zuständige Behörde des Aufnahmestaates nur zwei Wochen Zeit, um den Antrag auf Zulassung als Dienstleister zu prüfen . Re- agiert er nicht innerhalb von vier Wochen nach Übersen- dung des Antrags, stellt der Herkunftsstaat die Dienstleis- tungskarte aus, die laut Richtlinien-Entwurf unbegrenzt gültig sein soll . Das ist natürlich absurd! Die Prüf- und Einspruchsfristen im Aufnahmeland sind viel zu kurz . Dazu kommt, dass das Aufnahmeland schwerlich in der Lage sein wird, zu kontrollieren, ob die übermittelten Da- ten korrekt und aktuell sind – zumal der öffentliche Sek- tor in den EU-Mitgliedstaaten zusammengespart wurde und an Personalnot leidet . Die Dienstleistungskarte in der vorgeschlagenen Form wird Schmutzkonkurrenz und Scheinselbstständigkeit im Dienstleistungsbereich weiter befördern . Der Bundestag hatte zusammen mit dem Bundesrat bereits eine Subsidiaritätsrüge zum EU-Dienstleistungs- paket erhoben . Mit einem zweiten Entschließungsantrag bekräftigt die Große Koalition einige inhaltliche Kritik- punkte . Die Kritik müsste jedoch tiefer gehen: Wer den eu- ropäischen Binnenmarkt mit den Freiheiten für Perso- nen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zu den größten Errungenschaften Europas zählt, ist in der Pflicht, das Funktionieren mit guten Regeln und gemein- samen hohen Standards zu sichern . Ansonsten kommt es zu einer Abwärtsspirale bei Standards, Sozialabga- ben und auch Steuern – das lehren uns nicht zuletzt die bisherigen Erfahrungen . Das bislang dominante Wettbe- werbs- und Konkurrenzmotiv im Binnenmarkt hat über Vorschriften und Richtlinien einen Prozess des stetigen Sozial- und Lohndumping befördert, der heimische An- bieter von Dienstleistungen stark unter Druck gesetzt hat . Zugleich ist durch die massive Rückführung der öffent- lichen Beschäftigung und den Abbau der Kapazitäten in den Behörden eine schnelle, sachliche Prüfung zur Auf- deckung von Verstößen gar nicht mehr möglich . Doch nur ein soziales Europa wird Rückhalt bei den Bürgerin- nen und Bürgern haben . Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die Dienstleistungsfreiheit ist eine der vier zen- tralen Säulen der EU, und es ist Aufgabe der Kommissi- on, den gemeinsamen Binnenmarkt weiterzuentwickeln . Deshalb haben wir auch die Subsidiaritätsrüge zum Dienstleistungspaket nicht mitgetragen . Wenn Hürden für die europaweit tätigen Dienstleis- ter bestehen, dann müssen sie natürlich abgebaut wer- den . Aber die Veränderungen müssen immer den hart erkämpften Grundsätzen der Dienstleistungsrichtlinie entsprechen . Konkret bedeutet dies, dass immer die Ar- beits- und Sozialstandards des Ziellandes garantiert wer- den müssen . Die Regeln im Zielland müssen einheitlich sein, denn nur so ist ein fairer Wettbewerb möglich – zum Schutz der Beschäftigten, aber auch der Betriebe . Dafür haben wir uns immer eingesetzt, und nach diesen Grund- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 234 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 18 . Mai 2017 23831 (A) (C) (B) (D) sätzen bewerten wir auch das geplante Dienstleistungs- paket . Wir begrüßen es, dass sich die Regierungsfraktio- nen jetzt nicht mehr mit der Frage beschäftigten, ob die Kommission tätig werden darf, sondern sich endlich in- haltlich mit den vorgeschlagenen Maßnahmen der Kom- mission auseinandersetzen . Und wir begrüßen auch den vorliegenden Entschließungsantrag, dem wir zustimmen werden . Denn auch wir wollen die Einführung des Her- kunftslandprinzips um jeden Preis verhindern . Nationale Standards und Arbeitnehmerrechte dürfen der Dienstleis- tungsfreiheit nicht untergeordnet werden . Die drei wesentlichen Aspekte des Dienstleistungs- paketes möchte ich kurz ansprechen . Beim sogenannten Notifizierungsverfahren soll die Kommission ein Ein- spruchsrecht erhalten und bei berufsreglementierenden Regelungen in Deutschland bereits früher eingreifen können . Dieses veränderte Verfahren betrachten wir mit Sorge; denn so könnte der Handlungsspielraum der Mit- gliedstaaten stark eingeschränkt werden . Und das lehnen wir ab; denn nationale Berufsreglementierungen sind uns wichtig . Die geplante Dienstleistungskarte könnte, gut ausge- staltet, zu mehr Transparenz führen . Voraussetzung dafür wäre aber, dass solch eine Karte im Aufnahmestaat und nicht im Herkunftsstaat beantragt wird . Ist das nicht der Fall, dann wird – aufgrund der sehr kurzen Fristen und der Genehmigungsfiktion im vorgelegten Entwurf – das Herkunftslandprinzip durch die Hintertür eingeführt . Und das lehnen wir strikt ab . Sichergestellt werden muss auch, dass die Entsen- derichtlinie Beachtung findet und branchenspezifische Mindestlöhne nicht durch die Branchenzuordnung um- gangen werden können . Denn Mindestlöhne sind elemen- tar wichtig, um einen Wettbewerb über die niedrigsten Löhne zu verhindern. Davon profitieren die Beschäftig- ten und auch die verantwortlich handelnden Betriebe . Und schlussendlich haben wir auch noch Anforderungen an die Verhältnismäßigkeitsprüfung . Berufsreglementie- rungen sollen weiterhin in der Kompetenz der Mitglied- staaten bleiben . Wir fordern die Bundesregierung auf, bei den Ver- handlungen die geltenden Sozial- und Arbeitsstandards zu verteidigen, aber gleichzeitig konstruktiv an der Wei- terentwicklung des europäischen Dienstleistungsmarktes mitzuwirken . Eines ist mir aber noch wichtig: Die Regierungsfrak- tionen verteidigen gerade sehr stark nationale Interessen . Vor diesem Hintergrund fordern wir aber auch konse- quentes Handeln bei anderen relevanten Themen . Die Bundesregierung muss sich genauso stark auf europäi- scher Ebene für das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ einsetzen . Scheinselbstständig- keit und Schwarzarbeit müssen auf nationaler und eu- ropäischer Ebene verhindert werden . Elementar wich- tig sind dafür effektive Kontrollen . Deshalb muss die Finanzkontrolle Schwarzarbeit endlich mit ausreichend Personal ausgestattet werden . Wer für einen fairen Wett- bewerb kämpft, der muss die Betriebe und die Beschäf- tigten gleichermaßen schützen . Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 234. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 7 15 Entwicklungspolitischer Bericht TOP 8, ZP 2 Entwicklung und Bestand des sozialen Wohnungsbaus TOP 9 Verbraucherpolitischer Bericht TOP 43, ZP 3 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 44, ZP 4 Abschließende Beratungen ohne Aussprache ZP 5 Aktuelle Stunde zu den Vorschlägen von Präsident Macron zur EU-Wirtschafts- und Finanzpolitik TOP 10 Verbesserung des Hochwasserschutzes TOP 11 Kulturförderung TOP 12 Futtermittel- und tierschutzrechtliche Vorschriften TOP 13 Kita- und Schulverpflegung TOP 14 Bundeswehreinsatz EUTM Mali TOP 15 Völkerstrafrecht und internationale Beziehungen TOP 16 Bundeswehreinsatz EU NAFVOR Operation Atalanta TOP 17 Aufnahme sozialer Grundrechte in das Grundgesetz TOP 18 Bundeswehreinsatz KFOR in Kosovo ZP 6 Abzug der Bundeswehr aus Incirlik TOP 20 Durchsetzung der Ausreisepflicht TOP 21 Entkriminalisierung von Lebensmittelrettern TOP 22 Umsetzung der EU-Geldwäscherichtlinie TOP 19 Jemenpolitik TOP 23 Elektronischer Identitätsnachweis TOP 24 Änderung des Waffengesetzes TOP 25 Bevollmächtigung im Bereich der Gesundheitssorge TOP 26 Minamata-Übereinkommen über Quecksilber TOP 27 Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen TOP 28 Änderung des E-Government-Gesetzes TOP 29, ZP 7 Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften TOP 30 Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld TOP 31 Errichtung einer EU-Lateinamerika/Karibik-Stiftung TOP 32 Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz TOP 33 Gesetz zur Förderung von Mieterstrom TOP 34 Beitritt Ecuadors zu einem EU-Handelsübereinkommen TOP 35, ZP 8 Kinder- und Jugendstärkungsgesetz TOP 36 Spitzensportförderung ZP 9 u. ZP 10 Kenntnis auf Abstammung bei Samenspende ZP 11 Dienstleistungen im Binnenmarkt Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15 Anlage 16 Anlage 17 Anlage 18 Anlage 19 Anlage 20 Anlage 21
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alexander S. Neu


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte

    Frau Präsidentin! Wir reden heute wieder über einen
    KFOR-Einsatz. Wir befinden uns jetzt, glaube ich, im 16.
    oder 17 . Jahr dieses Einsatzes . Es geht also um die Ver-
    längerung eines Militäreinsatzes zur fortgesetzten Beset-
    zung der südserbischen Provinz Kosovo .


    (Lachen bei der CDU/CSU – Zurufe von der CDU/CSU: Da lachen sogar die Linken! Man muss nicht alles ablesen, Kollege Neu!)


    – Das zeigt einmal mehr Ihr Selbstverständnis, meine
    Kolleginnen und Kollegen, und auch, wie sehr Sie sich
    mit Verfassungsrecht und Völkerrecht auskennen .

    Vorausgegangen sind dem zwei völkerrechtswidrige
    Handlungen . Die erste war der NATO-Angriffskrieg im
    Jahr 1999 gegen den damals souveränen Staat Jugosla-
    wien unter Beteiligung Deutschlands, das zu dieser Zeit
    von einer rot-grünen Regierung geführt wurde . Dieser
    Angriffskrieg diente seinerzeit der Unterstützung der

    Josip Juratovic






    (A) (C)



    (B) (D)


    UCK, einer terroristisch-nationalistischen Organisation .
    Ich sage das deshalb, weil vor mir der Kollege auf den
    Nationalismus auf dem Balkan hingewiesen hat . Der
    Vorwand für die militärische Unterstützung der UCK war
    ein angeblicher oder drohender Genozid, der nie stattge-
    funden hat, also auch nicht bewiesen werden konnte .

    Die zweite rechtswidrige Handlung bestand darin,
    dass die Regierung des Kosovo gegenüber Serbien einen
    Territorialraub beging, begründet mit dem Selbstbestim-
    mungsrecht der albanischen Ethnien .

    Lassen Sie mich mit dem Blick auf die Krim eine klei-
    ne Anmerkung machen . Auch dort hat die Bevölkerung
    ihr Selbstbestimmungsrecht – allerdings ohne Kriegsfüh-
    rung – geltend gemacht . Aber auch das war ein verfas-
    sungswidriger Akt seitens der Bewohner der Krim . Und
    es war ein Völkerrechtsbruch seitens der Russischen Fö-
    deration, die Krim zu integrieren .

    Warum aber unterstützen Deutschland und der Westen
    solche Organisationen wie die UCK?


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Es gibt eine ganz schnöde Antwort: Es geht um geostra-
    tegische Machtpolitik . Gerade Serbien hat in der ersten
    Hälfte des 20 . Jahrhunderts erfolgreich Widerstand ge-
    gen die deutsche und österreichische Imperialpolitik
    geleistet . Daher musste Jugoslawien nach dem Kalten
    Krieg zerlegt und Serbien geteilt werden . Unter Ihnen
    gibt es doch sicherlich den einen oder anderen, der die
    Aussage vom damaligen Außenminister Klaus Kinkel
    aus dem Jahre 1992 kennt: Wir müssen Serbien in die
    Knie zwingen . – Das ist das Vokabular, das zeigt, wie
    man mit Kleinstaaten umgeht, die einem nicht unbedingt
    wohlgesonnen sind .

    Es ist auch kein Zufall, dass Deutschland und Öster-
    reich gerade die separatistisch-nationalistischen Kräfte
    unterstützten, die sie auch schon im Zweiten Weltkrieg
    unterstützt haben:


    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


    die Domobrancen in Slowenien, die Ustascha in Kroati-
    en, die Waffen-Gebirgsdivision der SS „Handschar“ in
    Bosnien-Herzegowina sowie die Waffen-Gebirgsdivisi-
    on der SS „Skanderbeg“, deren logischer Nachfahre die
    UCK war .

    Sehr geehrte Damen und Herren, in dem Antrag der
    Bundesregierung – das finde ich auch ganz interessant –
    steht ja – und ich zitiere –:

    Eine fortgesetzte Beteiligung deutscher Soldatinnen
    und Soldaten an KFOR liegt damit im deutschen si-
    cherheitspolitischen Interesse .

    Wenn man „sicherheitspolitisch“ durch „machtpolitisch“
    oder „geopolitisch“ ersetzen würde, käme man der Wahr-
    heit näher .

    Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die deutsche und
    insgesamt die westliche Außen- und Sicherheitspolitik –
    man ging Arm in Arm mit den USA vor – nach dem Ende
    des Kalten Krieges eine rücksichtslose geostrategische
    Expansionspolitik gewesen ist . Statt ein gemeinsames
    Haus Europa zu bauen und einen Wirtschaftsraum zu

    schaffen, der von Vancouver bis Wladiwostok reicht, gab
    es eine NATO- und EU-Expansion .

    Das meistgenutzte Instrument der westlichen Geo-
    politik in Osteuropa ist – als staatliches Emanzipati-
    onsprojekt – die Unterstützung und Befeuerung des
    Nationalismus . Das geschieht mit der Verwendung von
    Täuschungsbegriffen wie „Demokratie“ und „Freiheit“ .


    (Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Die Linke scheint nicht ganz glücklich zu sein mit dieser Rede!)


    Das Ergebnis war und ist ein gewaltiger Nationalismus
    in der Ukraine und in Jugoslawien in einer militärischen
    Dimension, die zu mehr als 100 000 Toten führte .

    Im Baltikum, in Ungarn, Polen und Tschechien, in
    der Slowakei, in Rumänien und Bulgarien haben wir es
    teilweise mit reaktionären Regierungen zu tun, die sich
    bisweilen sogar rassistisch äußern . Die Ausgrenzung von
    Minderheiten sowie die dezidierte Ablehnung der Auf-
    nahme von Flüchtlingen in Osteuropa sprechen doch
    Bände, sehr geehrte Damen und Herren . Das können Sie
    doch nicht leugnen . Das sind die Früchte Ihrer Politik .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wegen dieser Politik werden wir den KFOR-Antrag
    natürlich nicht unterstützen .

    Ich danke Ihnen .


    (Beifall bei der LINKEN)




Rede von Ulla Schmidt
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

Nächster Redner ist der Parlamentarische Staatssekre-

tär Dr . Ralf Brauksiepe .


(Beifall bei der CDU/CSU)


D
  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ralf Brauksiepe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)



    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
    Ich glaube, es ist nach dem letzten Beitrag sinnvoll, uns
    jetzt wieder mit der realen Welt zu beschäftigen .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


    Man hätte ja – wenn man die Beschreibungen zur Kennt-
    nis nimmt, die man hier hört – manchmal Lust, zu sehen,
    wie eigentlich die Weltkarten von Kollegen aussehen, die
    sie vielleicht in ihrem Büro haben . Das wäre lustig, wenn
    es angesichts dessen, um was es hier geht, nicht so traurig
    wäre .

    Ich erinnere mich wie viele, die dabei waren, an die
    Entscheidungen, die wir 1998/99 im Deutschen Bundes-
    tag damals noch in Bonn getroffen haben und die keinem
    von uns leichtgefallen sind . Ich meine die Entscheidun-
    gen betreffend die Jugoslawienkonflikte – diesen Flä-
    chenbrand und die damaligen Kriegsverbrechen mitten
    in Europa – in den 90er-Jahren . Wie gesagt, Herr Kolle-

    Dr. Alexander S. Neu






    (A) (C)



    (B) (D)


    ge, wenn es nicht so traurig wäre, könnte man über das
    lachen, was Sie hier erzählt haben .


    (Dr . Alexander S . Neu [DIE LINKE]: Es ist traurig!)


    Ich wünschte, dass Sie einmal Gelegenheit hätten, mit
    den Angehörigen der vielen Opfer zu sprechen, von de-
    nen Sie eben behauptet haben, es sei gar nicht bewiesen,
    dass es sich um Opfer handele .


    (Dr . Alexander S . Neu [DIE LINKE]: Ich habe dort zwei Jahre gearbeitet und gelebt!)


    An Zynismus ist das, was Sie gesagt haben, kaum zu
    überbieten . Es ist einfach peinlich .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Wir haben damals erkannt, dass blutige Konflikte auf
    unserem Kontinent nicht schon Geschichte waren . Wir
    sahen die Zündkraft dieser Konflikte auch und gerade für
    Deutschland . Frieden und Stabilität in Europa sind unser
    höchstes Gut, heute genauso wie damals, als wir das –
    auch aus humanitärer Sicht – Notwendige getan haben .
    Deshalb engagieren wir uns seit mittlerweile fast 20 Jah-
    ren auf dem westlichen Balkan sehr stark mit zivilen,
    aber darüber hinaus auch mit militärischen Mitteln . Wir
    haben das trotz vieler Schwierigkeiten beharrlich und mit
    Erfolg getan .

    Das gemeinsame Engagement mit unseren Partnern in
    der NATO, der Europäischen Union und den Vereinten
    Nationen hat sichtbar Früchte getragen . Wir sehen das
    insbesondere im Kosovo, wo sich die allgemeine Sicher-
    heitslage deutlich verbessert hat und wo sich die Bezie-
    hungen zu Serbien langsam, aber immerhin normalisie-
    ren .

    Nicht alles verläuft spannungsfrei, was die Umset-
    zung des Normalisierungsabkommens von 2013 zur Ein-
    gliederung der kosovo-serbischen Parallelstrukturen an-
    geht . Eine nachhaltige Stabilisierung der Grenzregion im
    Nordkosovo bleibt daher unsere oberste Priorität; denn
    dort besteht nach wie vor Eskalations- und Konfliktpo-
    tenzial . Einzelne Zwischenfälle wie etwa die Ausschrei-
    tungen bei Demonstrationen in Pristina im Januar letzten
    Jahres verdeutlichen, wie schnell sich die Gesamtlage
    wieder anspannen kann . Daher bleibt es wichtig, unseren
    Einsatz mit unseren Partnern für Frieden und Sicherheit
    im Kosovo fortzuführen .

    Im Einklang mit den Bekenntnissen des Warschauer
    Gipfels der NATO von 2016 ist das militärische Kräf-
    tedispositiv der KFOR nun erneut an die insgesamt ver-
    besserte Sicherheitslage im Kosovo anzupassen . Es geht
    neben der Reduzierung der Truppen um eine Schwer-
    punktverlagerung hin zu mehr Aufklärungs- und Be-
    ratungsfähigkeiten . Dies bedeutet für die Bundeswehr
    nicht nur eine Reduzierung der nationalen Mandatsober-
    grenze von 1 350 auf 800 einsetzbare Soldatinnen und
    Soldaten . Es wird auch real auf eine Reduzierung unseres
    Kräftedispositivs hinauslaufen . Wir schöpfen die Man-
    datsobergrenze bisher bei weitem nicht aus . Wir werden
    sowohl die im Kosovo stationierten Soldatinnen und Sol-
    daten zahlenmäßig reduzieren als auch die Reserve, die

    wir und unsere österreichischen Partner in Deutschland
    bzw . Österreich vorhalten . Damit reagieren wir auf die
    Verbesserung der Sicherheitslage .

    Aber wir erkennen genauso an: Es bedarf weiterhin
    eines Beitrags zur Stabilisierung des Kosovo . Mit der
    Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der internati-
    onalen Sicherheitspräsenz im Kosovo senden wir das Si-
    gnal: Für Frieden und Stabilität in Europa übernehmen
    wir weiterhin gemeinsam mit unseren Partnern Verant-
    wortung . Wir wissen, dass noch viel zu tun ist und dass
    es in den Ländern, zu deren Stabilisierung wir beitragen,
    vieler Maßnahmen und Anstrengungen bedarf .

    Wir tun gut daran, selbstkritisch das zu betrachten,
    was wir tun . Aber wir tun auch gut daran, uns nicht jeden
    Schuh anzuziehen und nicht selbstanklagend auf uns zu
    zeigen aufgrund jedes Problems, das auf dem Westbal-
    kan besteht . Wir haben keinen Grund zur Selbstanklage .
    Wir sind Teil der Lösung und nicht Teil des Problems .
    Daran wollen wir weiter arbeiten . Dafür bitte ich Sie um
    Unterstützung .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)