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    Plenarprotokoll 18/231 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 231. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 27. April 2017 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Heinz Wiese (Ehingen), Karl-Heinz Wange und Dr. Hans-Ulrich Krüger . . . . . . 23177 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23177 B Absetzung der Tagesordnungspunkte 8 a, 8 b, 9, 14, 28, 29, 34, 43 d und 43 g . . . . . . . . . . . . 23178 B Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . 23178 D Begrüßung des Präsidenten der Versamm- lung der Volksvertreter der Tunesischen Republik, Herrn Mohamed Ennaceur . . . . . 23179 A Begrüßung des Oberbürgermeisters der Stadt Wolgograd, Herrn Andrej Kossolapow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23289 A Tagesordnungspunkt 3: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zum Sondertreffen des Eu- ropäischen Rates zu 27 am 29. April 2017 in Brüssel Dr . Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 23179 B Dr . Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) . . . . . . 23182 D Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 23184 D Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23187 C Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23189 D Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 23192 A Dr . Katarina Barley (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 23192 B Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23193 B Norbert Spinrath (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23195 A Michael Stübgen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23196 A Detlef Seif (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23197 A Tagesordnungspunkt 4: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen schädliche Steuer- praktiken im Zusammenhang mit Rech- teüberlassungen Drucksachen 18/11233, 18/11531, 18/11683 Nr . 8, 18/12128 . . . . . . . . . . . . . 23198 B b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Steu- erumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumge- hungsbekämpfungsgesetz – StUmgBG) Drucksachen 18/11132, 18/11184, 18/12127 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23198 B c) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Lisa Paus, Britta Haßelmann, Anja Hajduk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Für eine Bundessteuerverwaltung – Gleiche Grundsätze von Flensburg bis zum Bodensee Drucksachen 18/2877, 18/12127 . . . . . . . . 23198 C d) Antrag der Abgeordneten Dr . Sahra Wagenknecht, Dr . Dietmar Bartsch, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Illegale Finanzbezie- hungen bekämpfen – Steueroasen aus- trocknen Drucksache 18/8132 . . . . . . . . . . . . . . . . . 23198 C Dr . Mathias Middelberg (CDU/CSU) . . . . . . . 23198 D Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . . 23200 A Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . . 23201 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017II Dr . Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23203 A Dr . Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23204 A Dr . Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23206 A Dr . Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23206 B Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 23206 D Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 23208 B Dr . h . c . Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . 23209 A Dr . Jens Zimmermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 23210 A Uwe Feiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23210 D Bernhard Daldrup (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23211 C Tagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Matthias W . Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Katja Kipping, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gesetzliche Rente stärken, Rentenniveau anheben und die so- lidarische Mindestrente einführen Drucksache 18/10891 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23213 A in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 38: Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Kerstin Andreae, Katja Dörner, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Gesamtkonzept Alterssiche- rung – Verlässlich, nachhaltig, solidarisch und gerecht Drucksache 18/12098 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23213 A Matthias W . Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . 23213 B Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23215 A Matthias W . Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . 23217 A Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23217 D Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23218 C Dr . Martin Rosemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 23220 B Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . 23221 C Ralf Kapschack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23223 B Jutta Eckenbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 23224 C Dagmar Schmidt (Wetzlar) (SPD) . . . . . . . . . 23225 D Tagesordnungspunkt 42: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Protokolls vom 24. Juni 1998 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüber- schreitende Luftverunreinigung betref- fend persistente organische Schadstoffe (POP) Drucksache 18/11843 . . . . . . . . . . . . . . . . 23227 A b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Einbeziehung von Polymerisati- onsanlagen in den Anwendungsbereich des Emissionshandels Drucksache 18/11844 . . . . . . . . . . . . . . . . 23227 B c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Protokolls vom 30. November 1999 (Multikomponen- ten-Protokoll) zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüber- schreitende Luftverunreinigung betref- fend die Verringerung von Versauerung, Eutrophierung und bodennahem Ozon Drucksache 18/11845 . . . . . . . . . . . . . . . . 23227 B d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung des Protokolls vom 24. Juni 1998 zu dem Übereinkommen von 1979 über weiträumige grenzüber- schreitende Luftverunreinigung betref- fend Schwermetalle Drucksache 18/11846 . . . . . . . . . . . . . . . . 23227 C e) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen von Minamata vom 10. Oktober 2013 über Quecksilber (Minamata-Übereinkom- men) Drucksache 18/11847 . . . . . . . . . . . . . . . . 23227 C f) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zu dem Abkommen vom 29. Juni 2016 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Armeni- en zur Vermeidung der Doppelbesteue- rung und zur Verhinderung der Steuer- verkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen Drucksache 18/11867 . . . . . . . . . . . . . . . . 23227 C g) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Protokoll vom 12. November 2012 zur Unterbindung des unerlaubten Handels mit Tabakerzeugnissen Drucksache 18/11868 . . . . . . . . . . . . . . . . 23227 D h) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 III zes zu dem Protokoll vom 14. November 2016 zur Änderung des Abkommens vom 13. Juli 2006 zwischen der Regie- rung der Bundesrepublik Deutschland und der mazedonischen Regierung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkom- men und vom Vermögen Drucksache 18/11869 . . . . . . . . . . . . . . . . 23227 D i) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 21. Novem- ber 2016 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Panama zur Vermeidung der Doppelbesteue- rung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen betreffend den Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im in- ternationalen Verkehr Drucksache 18/11878 . . . . . . . . . . . . . . . . 23228 A j) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 12. Janu- ar 2017 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Moldau über Soziale Sicherheit Drucksache 18/11879 . . . . . . . . . . . . . . . . 23228 A k) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Bundeszen- tralregistergesetzes (7. BZRGÄndG) Drucksache 18/11933 . . . . . . . . . . . . . . . . 23228 A l) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Änderung des Bundesnatur- schutzgesetzes Drucksache 18/11939 . . . . . . . . . . . . . . . . 23228 B m) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfrem- der Arten Drucksache 18/11942 . . . . . . . . . . . . . . . . 23228 B n) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer wasser- rechtlichen Genehmigung für Behand- lungsanlagen für Deponiesickerwasser und zur Änderung der Vorschriften zur Eignungsfeststellung für Anlagen zum Lagern, Abfüllen oder Umschlagen was- sergefährdender Stoffe Drucksache 18/11946 . . . . . . . . . . . . . . . . 23228 B o) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Änderung des Chemikali- engesetzes und zur Änderung weiterer chemikalienrechtlicher Vorschriften Drucksache 18/11949 . . . . . . . . . . . . . . . . 23228 C p) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Änderung des Bundesversor- gungsgesetzes und anderer Vorschriften Drucksache 18/12041 . . . . . . . . . . . . . . . . 23228 C q) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu der am 15. Oktober 2016 in Kigali beschlossenen Änderung des Montrealer Protokolls vom 16. September 1987 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozon- schicht führen Drucksache 18/12048 . . . . . . . . . . . . . . . . 23228 D r) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Aufhebung der Gesetze über Bergmannssiedlungen Drucksache 18/12049 . . . . . . . . . . . . . . . . 23228 D s) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Änderung gebührenrechtlicher Regelungen im Aufenthaltsrecht Drucksache 18/12050 . . . . . . . . . . . . . . . . 23228 D t) Antrag der Abgeordneten Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, Manuel Sarrazin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Euro- päischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/87/EG zwecks Verbesserung der Kosteneffizi- enz von Emissionsminderungsmaßnah- men und zur Förderung von Investitio- nen in CO2-effiziente Technologien KOM(2015) 337 endg.; Rats- dok. 11065/15 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Arti- kel 23 Absatz 3 des Grundgeset- zes Drucksache 18/11744 . . . . . . . . . . . . . . . . 23229 A u) Antrag der Abgeordneten Birgit Menz, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verbot der Haltung wild lebender Tier- arten in Zirkussen Drucksache 18/12088 . . . . . . . . . . . . . . . . 23229 A v) Antrag der Abgeordneten Andrej Hunko, Azize Tank, Wolfgang Gehrcke, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Neustart der Europäischen Union auf der Grundlage Sozialer Men- schenrechte Drucksache 18/12089 . . . . . . . . . . . . . . . . 23229 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017IV w) Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Pia Zimmermann, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Patientinnen und Patienten entlasten – Zuzahlungen bei Arzneimitteln abschaffen Drucksache 18/12090 . . . . . . . . . . . . . . . . 23229 B Zusatztagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung futtermittelrechtlicher und tierschutz- rechtlicher Vorschriften Drucksache 18/12085 . . . . . . . . . . . . . . . . 23229 B b) Antrag der Abgeordneten Harald Petzold (Havelland), Stefan Liebich, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Verfolgung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transpersonen und Intersexuellen (LGBTI) in Tschet- schenien entgegentreten Drucksache 18/12091 . . . . . . . . . . . . . . . . 23229 C c) Antrag der Abgeordneten Dr . Julia Verlinden, Oliver Krischer, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Klimaschutz stärken – Energiesparen verbindlich machen Drucksache 18/12095 . . . . . . . . . . . . . . . . 23229 C Tagesordnungspunkt 43: a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Proto- koll vom 29 . Juni 2016 über die Vorrechte und Immunitäten des Einheitlichen Patent- gerichts Drucksachen 18/11238 (neu), 18/11746, 18/11822 Nr . 12, 18/12147 . . . . . . . . . . . . 23229 D b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der personellen Struktur beim Bundeseisenbahnvermögen und in den Postnachfolgeunternehmen sowie zur Änderung weiterer Vorschriften des Post- dienstrechts Drucksachen 18/11559, 18/12134 . . . . . . . 23230 A c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neufassung der Re- gelungen über Funkanlagen und zur Än- derung des Telekommunikationsgesetzes sowie zur Aufhebung des Gesetzes über Funkanlagen und Telekommunikations- endeinrichtungen Drucksachen 18/11625, 18/12139 . . . . . . . 23230 C e) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes Drucksachen 18/11281, 18/11407, 18/12081, 18/12126 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23230 D f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales – zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Klaus Ernst, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine Befristung von Ar- beitsverträgen ohne Sachgrund – zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Kerstin Andreae, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kein Sachgrund – Keine Befristung Drucksachen 18/11598, 18/11608, 18/11802 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23231 B h) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Pharmazeutische Forschung gegen In- fektionskrankheiten stärken – Nationale Wirkstoffoffensive starten Drucksachen 18/10972, 18/12075 . . . . . . . 23231 C i) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung – zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: MINT-Bildung als Grundlage für den Wirtschafts- standort Deutschland und für die Teilhabe an unserer von Wissen- schaft und Technik geprägten Welt – zu dem Antrag der Abgeordneten Özcan Mutlu, Kai Gehring, Beate Walter- Rosenheimer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für ein gerechtes und innovatives Deutschland 2030 – Als Konsequenz aus den Ergebnissen von PISA 2015 eine Bildungsoffensi- ve starten Drucksachen 18/11164, 18/11179, 18/12063 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23231 D j) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung und Landwirt- schaft zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Gartenbau sowie Garten- und Landschaftsbau als inno- vativen Wirtschaftszweig stärken und zukunftsfest machen Drucksachen 18/10018, 18/12150 . . . . . . . 23232 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 V Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haltung der Bundesregierung zu verschärften Abgas- tests in Europa Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23232 B Alexander Dobrindt, Bundesminister BMVI . 23233 C Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 23235 C Arno Klare (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23237 A Carsten Müller (Braunschweig) (CDU/CSU) . 23238 A Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 23239 C Ulli Nissen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23240 D Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23242 A Patrick Schnieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23243 A Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23244 A Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 23245 C Dr . Matthias Heider (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 23246 C Tagesordnungspunkt 6: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neustrukturierung des Bundeskrimi- nalamtgesetzes Drucksache 18/11163 . . . . . . . . . . . . . . . . 23247 D – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes Drucksachen 18/11326, 18/11658, 18/11822 Nr . 11, 18/12076, 18/12141 . . . . 23247 D – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12077 . . . . . . . . . . . . . . . . 23247 D Dr . Thomas de Maizière, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23248 A Martina Renner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 23249 A Uli Grötsch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23250 A Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23251 C Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . 23252 C Susanne Mittag (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23254 D Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23255 D Tagesordnungspunkt 7: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge- brachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Stär- kung des Schutzes von Vollstreckungs- beamten und Rettungskräften Drucksachen 18/11161, 18/12153 . . . . . . . 23257 B – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Stärkung des Schut- zes von Vollstreckungsbeamten und Ret- tungskräften Drucksachen 18/11547, 18/12153 . . . . . . . 23257 B Christian Lange, Parl . Staatssekretär BMJV . . 23257 C Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 23258 A Dr . Günter Krings, Parl . Staatssekretär BMI . 23259 B Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23260 B Dr . Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 23261 B Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23262 B Bettina Bähr-Losse (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 23264 A Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/ CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23264 D Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 23265 D Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23267 A Zusatztagesordnungspunkt 3: Antrag der Abgeordneten Luise Amtsberg, Omid Nouripour, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Abschiebungen nach Afgha- nistan aussetzen Drucksache 18/12099 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23268 C Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23268 C Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23269 D Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 23271 C Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 23272 A Dr . Lars Castellucci (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 23273 D Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23274 D Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 23275 B Nina Warken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 23275 D Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23277 C Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 23278 A Tagesordnungspunkt 19: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017VI eines Gesetzes zum weiteren quantita- tiven und qualitativen Ausbau der Kin- dertagesbetreuung Drucksachen 18/11408, 18/12158 . . . . . . . 23279 B – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12159 . . . . . . . . . . . . . . . . 23279 B Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23279 C Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE) . . . . 23280 D Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . . 23282 B Dr . Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23284 B Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23285 C Maik Beermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 23286 C Tagesordnungspunkt 10: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Wolfgang Gehrcke, Andrej Hunko, Dr . Alexander S . Neu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für eine neue Ostpolitik Deutschlands Drucksachen 18/11167, 18/11671 . . . . . . . . . . 23288 D Dr . h . c . Gernot Erler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 23289 A Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 23290 D Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23291 C Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 23292 C Elisabeth Motschmann (CDU/CSU) . . . . . . . . 23293 C Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23295 A Dr . Alexander S . Neu (DIE LINKE) . . . . . . 23296 A Jürgen Hardt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 23296 C Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 23296 D Dr . Andreas Nick (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23298 A Tagesordnungspunkt 11: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung des Da- tenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Daten- schutz-Anpassungs- und -Umsetzungs- gesetz EU – DSAnpUG-EU) Drucksachen 18/11325, 18/11655, 18/11822 Nr . 10, 18/12084, 18/12144 . . . . 23299 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Jan Korte, Frank Tempel, Dr . André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Daten- schutzrechte der Bürgerinnen und Bür- ger stärken Drucksachen 18/11401, 18/12084, 18/12144 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23299 B Dr . Thomas de Maizière, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23299 C Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23300 B Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 23301 A Dr . Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23302 D Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . 23304 A Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 23305 D Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Jürgen Trittin, Dr . Frithjof Schmidt, Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schlüssel für eine globale, ökologische und gerechte Energieaußenpolitik Drucksachen 18/10147, 18/11694 . . . . . . . . . . 23307 A Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23307 B Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 23308 A Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . . 23310 D Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 23311 A Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23311 C Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 23312 A Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 23312 C Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23313 C Tagesordnungspunkt 13: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD einge- brachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Aus- weitung des Maßregelrechts bei extre- mistischen Straftätern Drucksachen 18/11162, 18/12155 . . . . . . . 23314 D – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Ausweitung des Maßregelrechts bei extremistischen Straftätern Drucksachen 18/11584, 18/12155 . . . . . . . 23314 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 VII Dr . Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 23315 A Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 23315 D Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23317 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23318 A Bettina Bähr-Losse (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 23319 A Dr . Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . 23319 D Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 23320 C Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Sigrid Hupach, Nicole Gohlke, Dr . Rosemarie Hein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ausstellungsvergütung gesetzlich veran- kern – Gerechtigkeitslücke für bildende Künstlerinnen und Künstler schließen Drucksache 18/12094 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23322 B Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 23322 B Dr . Philipp Lengsfeld (CDU/CSU) . . . . . . . . . 23323 C Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23324 B Burkhard Blienert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23325 C Ansgar Heveling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23327 A Tagesordnungspunkt 15: Zweite und dritte Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Anpassung des Umwelt-Rechts- behelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben Drucksachen 18/9526, 18/9909, 18/10102 Nr . 8, 18/12146 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23328 A Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretä- rin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23328 B Hubertus Zdebel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 23329 A Oliver Grundmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23330 A Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23332 B Tagesordnungspunkt 16: a) Antrag der Abgeordneten Katja Dörner, Dr . Franziska Brantner, Ulle Schauws, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Geld, Zeit, Bildung und Teilhabe – Familien gezielt unterstützen Drucksache 18/12110 . . . . . . . . . . . . . . . . 23333 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frau- en und Jugend zu dem Antrag der Abge- ordneten Katja Dörner, Kerstin Andreae, Dr . Franziska Brantner, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Familien stärken – Kinder fördern Drucksachen 18/10473, 18/12156 . . . . . . . 23333 D c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordne- ten Katja Dörner, Dr . Franziska Brantner, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zeit für mehr – Damit Arbeit gut ins Leben passt Drucksachen 18/9007, 18/12156 . . . . . . . . 23333 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordne- ten Dr . Franziska Brantner, Katja Dörner, Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Alleinerziehende stärken – Teilhabe von Kindern sichern Drucksachen 18/4307, 18/11592 . . . . . . . . . . . 23334 A Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23334 A Markus Koob (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 23335 B Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE) . . . . 23336 D Dr . Fritz Felgentreu (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 23338 B Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23340 B Tagesordnungspunkt 17: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Tele- kommunikationsgesetzes Drucksachen 18/9951, 18/11811 . . . . . . . . . . . 23342 A Klaus Barthel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23342 A Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 23343 B Andreas G . Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 23344 B Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 23345 C Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23346 A Tagesordnungspunkt 18: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Bildung, Forschung und Technik- folgenabschätzung zu dem Antrag der Abge- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017VIII ordneten Dr . Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kein Lobbyismus im Klassenzimmer Drucksachen 18/8887, 18/12064 . . . . . . . . . . 23347 B Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Verhütung und Bekämp- fung von Gewalt gegen Frauen und häusli- cher Gewalt Drucksache 18/12037 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23347 C Tagesordnungspunkt 21: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verarbeitung von Fluggastdaten zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/681 (Fluggastda- tengesetz – FlugDaG) Drucksachen 18/11501, 18/12080, 18/12149 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23347 D – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12157 . . . . . . . . . . . . . . . . 23347 D Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Euro- pol-Gesetzes Drucksachen 18/11502, 18/11931, 18/12122 . 23348 A Tagesordnungspunkt 23: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/1148 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 über Maß- nahmen zur Gewährleistung eines hohen gemeinsamen Sicherheitsniveaus von Netz- und Informationssystemen in der Union Drucksachen 18/11242, 18/11620, 18/11808 . 23348 B Tagesordnungspunkt 24: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ioni- sierender Strahlung Drucksachen 18/11241, 18/11622, 18/11822 Nr . 6, 18/12151 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23348 C Tagesordnungspunkt 25: – Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Anla- ge VI des Umweltschutzprotokolls zum Antarktis-Vertrag vom 14. Juni 2005 über die Haftung bei umweltgefährden- den Notfällen (Antarktis-Haftungsan- nex) Drucksachen 18/11530, 18/12145 . . . . . . . 23349 A – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung der Anla- ge VI des Umweltschutzprotokolls zum Antarktis-Vertrag vom 14. Juni 2005 über die Haftung bei umweltgefährden- den Notfällen (Antarktis-Haftungsge- setz – AntHaftG) Drucksachen 18/11529, 18/12145 . . . . . . . 23349 A Tagesordnungspunkt 26: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren Drucksachen 18/10823, 18/12154 . . . . . . . . . 23349 C Tagesordnungspunkt 27: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu bereichsspezifischen Regelun- gen der Gesichtsverhüllung Drucksachen 18/11180, 18/11813 . . . . . . . . . . 23349 D Tagesordnungspunkt 30: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes Drucksachen 18/11236, 18/11535, 18/11683 Nr . 11, 18/12082 . . . . . . . . . . . . 23350 A – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/12083 . . . . . . . . . . . . . . . . 23350 B Dorothee Bär, Parl . Staatssekretärin BMVI . . 23350 B Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23351 C Dr . Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23352 C Tagesordnungspunkt 31: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 IX Sechsten Gesetzes zur Änderung des Kraft- fahrzeugsteuergesetzes Drucksachen 18/11234, 18/11532, 18/11683 Nr . 9, 18/12143 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23354 A Tagesordnungspunkt 32: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnis- sen bei der Mitwirkung Dritter an der Be- rufsausübung schweigepflichtiger Personen Drucksache 18/11936 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23354 B Tagesordnungspunkt 33: a) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab- kommen vom 11. Juli 2016 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch- land und der Regierung der Arabischen Republik Ägypten über die Zusammen- arbeit im Sicherheitsbereich Drucksachen 18/11508, 18/11812 . . . . . . . 23354 C b) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 26. September 2016 zwischen der Regierung der Bundesre- publik Deutschland und der Regierung der Tunesischen Republik über die Zu- sammenarbeit im Sicherheitsbereich Drucksachen 18/11509, 18/11797 . . . . . . . 23354 C Tagesordnungspunkt 35: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Wettbewerbsregisters Drucksache 18/12051 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23354 D Tagesordnungspunkt 36: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bun- desregierung: Siebenunddreißigste Verord- nung zur Durchführung des Bundes-Im- missionsschutzgesetzes (Verordnung zur Anrechnung von strombasierten Kraftstof- fen und mitverarbeiteten biogenen Ölen auf die Treibhausgasquote – 37. BImSchV) Drucksachen 18/11283, 18/11472 Nr . 2 .1, 18/12152 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23355 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23355 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 23357 A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kein Lobbyis- mus im Klassenzimmer (Tagesordnungspunkt 18) . . . . . . . . . . . . . . . . 23357 D Xaver Jung (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23357 D Sven Volmering (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23359 A Marianne Schieder (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 23360 C Dr . Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . 23361 D Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23362 C Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkom- men des Europarats vom 11 . Mai 2011 zur Ver- hütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Tagesordnungspunkt 20) . . . . . . . . . . . . . . . . 23363 A Dr . Silke Launert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23363 A Sylvia Pantel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 23363 D Cornelia Möhring (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 23365 B Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23365 D Elke Ferner, Parl . Staatssekretärin BMFSFJ . 23366 C Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verarbeitung von Fluggastdaten zur Umsetzung der Richt- linie (EU) 2016/681 (Fluggastdatengesetz – FlugDaG) (Tagesordnungspunkt 21) . . . . . . . . . . . . . . . . 23367 C Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23367 C Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) . . . . . . 23368 B Wolfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23369 A Martina Renner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 23369 D Dr . Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23370 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017X Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Europol-Gesetzes (Tagesordnungspunkt 22) . . . . . . . . . . . . . . . . 23371 D Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) . . . . . . 23371 D Barbara Woltmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23372 C Susanne Mittag (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23373 B Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 23374 B Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23375 B Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/1148 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6 . Juli 2016 über Maßnahmen zur Gewährleistung eines hohen gemeinsamen Sicherheitsniveaus von Netz- und Informationssystemen in der Union (Tagesordnungspunkt 23) . . . . . . . . . . . . . . . . 23375 D Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23375 D Marian Wendt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 23377 C Gerold Reichenbach (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 23378 C Martina Renner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 23380 A Dr . Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23380 D Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts zum Schutz vor der schädlichen Wir- kung ionisierender Strahlung (Tagesordnungspunkt 24) . . . . . . . . . . . . . . . . 23382 A Stephan Albani (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23382 A Oliver Grundmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23383 A Hiltrud Lotze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23384 A René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23384 C Hubertus Zdebel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 23385 A Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23385 D Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretä- rin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23387 B Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Anlage VI des Umweltschutzprotokolls zum Ant- arktis-Vertrag vom 14 . Juni 2005 über die Haftung bei umweltgefährdenden Notfäl- len (Antarktis-Haftungsannex) – des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausfüh- rung der Anlage VI des Umweltschutzpro- tokolls zum Antarktis-Vertrag vom 14 . Juni 2005 über die Haftung bei umweltgefähr- denden Notfällen (Antarktis-Haftungsge- setz – AntHaftG) (Tagesordnungspunkt 25) . . . . . . . . . . . . . . . . 23388 B Dr . Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU) . . . . . . . 23388 B Carsten Träger (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23389 C Birgit Menz (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 23390 A Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23390 D Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenz- verfahren (Tagesordnungspunkt 26) . . . . . . . . . . . . . . . . 23391 C Dr . Heribert Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23391 C Alexander Hoffmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 23392 C Dr . Karl-Heinz Brunner (SPD) . . . . . . . . . . . . 23393 A Dr . Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 23393 C Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 23394 A Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu bereichsspezifi- schen Regelungen der Gesichtsverhüllung (Tagesordnungspunkt 27) . . . . . . . . . . . . . . . . 23394 D Robert Hochbaum (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23394 D Dr . Tim Ostermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23395 B Dr . Lars Castellucci (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 23396 A Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 23396 D Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23397 D Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes (Tagesordnungspunkt 30) . . . . . . . . . . . . . . . . 23398 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 XI Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 23398 B Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 23399 A Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Ände- rung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (Tagesordnungspunkt 31) . . . . . . . . . . . . . . . . 23399 C Dr . h . c . Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . 23399 D Dr . Philipp Murmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 23400 A Arno Klare (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23401 A Andreas Schwarz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23401 C Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 23402 A Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 23402 D Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwir- kung Dritter an der Berufsausübung schweige- pflichtiger Personen (Tagesordnungspunkt 32) . . . . . . . . . . . . . . . . 23403 C Dietrich Monstadt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23403 D Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23404 D Dr . Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . 23405 B Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 23405 D Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 23406 C Christian Lange, Parl . Staatssekretär BMJV . 23407 B Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab- kommen vom 11 . Juli 2016 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutsch- land und der Regierung der Arabischen Re- publik Ägypten über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich – des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab- kommen vom 26 . September 2016 zwi- schen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Tune- sischen Republik über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich (Tagesordnungspunkt 33 a und b) . . . . . . . . . . 23408 A Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) . . . . . . 23408 B Wolfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23409 B Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 23410 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23411 A Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Wettbewerbsregisters (Tagesordnungspunkt 35) . . . . . . . . . . . . . . . . 23412 A Barbara Lanzinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23412 A Marcus Held (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23413 B Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 23413 D Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23414 B Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Siebenunddreißigste Ver- ordnung zur Durchführung des Bundes-Im- missionsschutzgesetzes (Verordnung zur An- rechnung von strombasierten Kraftstoffen und mitverarbeiteten biogenen Ölen auf die Treib- hausgasquote – 37 . BImSchV) (Tagesordnungspunkt 36) . . . . . . . . . . . . . . . . 23414 D Oliver Grundmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23415 A Florian Oßner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23416 A Ulli Nissen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23416 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 23417 D Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23418 C (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23177 231. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 27. April 2017 Beginn: 9 .00 Uhr
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    2) Anlage 16 Vizepräsidentin Claudia Roth (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23357 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dağdelen, Sevim DIE LINKE 27 .04 .2017 De Ridder, Dr . Daniela SPD 27 .04 .2017 Dröge, Katharina * BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27 .04 .2017 Ehrmann, Siegmund SPD 27 .04 .2017 Fabritius, Dr . Bernd CDU/CSU 27 .04 .2017 Haase, Christian CDU/CSU 27 .04 .2017 Heil (Peine), Hubertus SPD 27 .04 .2017 Hellmich, Wolfgang SPD 27 .04 .2017 Hornhues, Bettina CDU/CSU 27 .04 .2017 Irlstorfer, Erich CDU/CSU 27 .04 .2017 Kiesewetter, Roderich CDU/CSU 27 .04 .2017 Kindler, Sven-Christian BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 27 .04 .2017 Kudla, Bettina CDU/CSU 27 .04 .2017 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 27 .04 .2017 Leutert, Michael DIE LINKE 27 .04 .2017 Leyen, Dr . Ursula von der CDU/CSU 27 .04 .2017 Liebing, Ingbert CDU/CSU 27 .04 .2017 Möring, Karsten CDU/CSU 27 .04 .2017 Nahles, Andrea SPD 27 .04 .2017 Obermeier, Julia CDU/CSU 27 .04 .2017 Özoğuz, Aydan SPD 27 .04 .2017 Pitterle, Richard DIE LINKE 27 .04 .2017 Post, Florian SPD 27 .04 .2017 Pronold, Florian SPD 27 .04 .2017 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Roth (Heringen), Michael SPD 27 .04 .2017 Schlecht, Michael DIE LINKE 27 .04 .2017 Schön (St . Wendel), Nadine CDU/CSU 27 .04 .2017 Schwabe, Frank SPD 27 .04 .2017 Siebert, Bernd CDU/CSU 27 .04 .2017 Tank, Azize DIE LINKE 27 .04 .2017 Werner, Katrin DIE LINKE 27 .04 .2017 Zertik, Heinrich CDU/CSU 27 .04 .2017 *aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Sigrid Hupach, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kein Lobbyismus im Klas- senzimmer (Tagesordnungspunkt 18) Xaver Jung (CDU/CSU): Heute diskutieren wir aber- mals den Antrag „Kein Lobbyismus im Klassenzimmer“, in dem die Fraktion Die Linke (praktisch) vorschlägt, Un- ternehmen und Wirtschaftsverbände aus unseren Schulen zu verbannen . Dies gilt es entschieden abzulehnen! Denn weder können noch wollen wir externe Partner auf Kos- ten unserer Schülerinnen und Schüler ausschließen . Lehr- und Lernmittel müssen nach den Schulgeset- zen der Länder zur Erfüllung des Erziehungsauftrages der Schule sowie der besonderen Aufgaben der einzel- nen Schulart geeignet sein . Lehr- und Lernmittel, die an öffentlichen Schulen des Landes verwendet werden, bedürfen in der Regel einer Genehmigung durch die Kul- tusministerien . Der Genehmigungspflicht unterliegen auch Program- me und als Reihe konzipierte Themenhefte, die durch ihren aufeinanderfolgenden Einsatz ein genehmigungs- pflichtiges Schulbuch ersetzen. Entscheiden müssen also Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723358 (A) (C) (B) (D) die Länder, ob uns dies gefällt oder nicht . Solange die Länder dieses Recht nicht an den Bund weitergeben, hal- ten wir hier Fensterreden . In Ihrem Antrag fordern Sie eine Prüfstelle für the- menbezogene zivilgesellschaftliche Lehrmaterialien auf Bundesebene . Na, da wäre ich auf die Reaktion der Län- der gespannt, wenn wir gegen den Willen der Länder ei- nen Oberschiedsrichter beim Bund installieren wollten . Die Linken sehen Probleme bei der Übersichtlichkeit des angebotenen Materials und bei einer möglichen Ein- seitigkeit . Soweit stimme ich Ihrer Problembeschreibung zu. Bei Ihrer Furcht vor einseitiger Beeinflussung über- ziehen Sie erheblich . Sie schütten förmlich das Kind mit dem Bade aus . Es ist zudem naiv, zu glauben, dass wir den Material- einsatz eines jeden einzelnen Lehrers in jeder einzelnen Unterrichtsstunde kontrollieren können . Deshalb haben wir einen Rahmen geschaffen, um einseitige interessen- geleitete Einflussnahmen im Unterricht zu verhindern. Dieser Rahmen bildet sich neben einer Empfehlung der Kultusministerkonferenz, den Lehrmaterial-Zulassungs- stellen der Kultusministerien, den Schulaufsichtsbehör- den und Schulleitungen auch aus dem Beutelsbacher Konsens. Dieser verpflichtet die Lehrenden, den Schü- lerinnen und Schülern keine Meinung aufzuzwingen, sondern sie dabei zu unterstützen, eine eigene Meinung zu bilden . Außerdem müssen Themen, die in der Wis- senschaft und Politik kontrovers erscheinen, auch von Lehrenden kontrovers dargestellt werden . Ferner gilt es, die Lernenden in die Lage zu versetzen, sich eine eigene Meinung zu ihrer Position in der Gesellschaft zu bilden und auch entsprechend aktiv werden zu können . Des Weiteren gibt es noch den „Materialkompass“, dessen Finanzierung mit dem nächsten Koalitionsvertrag fortge- schrieben werden könnte. Dieses Onlineangebot klassifi- ziert Lernmaterial – und kann ebenfalls als Orientierung für die Unterrichtsauswahl dienen . Es zeigt sich also: Wir haben genügend Kriterien für die Sicherung von Qualitätsstandards von Lehrmaterial . Innerhalb dieses Rahmens haben das letzte Wort je- doch immer noch die Lehrerinnen und Lehrer . Wir bil- den sie über viele Jahre darin aus, eine dem Unterricht angemessene Lernmaterialauswahl zu treffen. Denn auch zwischen zugelassenen Materialien muss eine Auswahl getroffen werden, unterscheidet sich dieses doch quali- tativ sehr stark . Mehr Vertrauen seitens aller, auch der Linken, erscheint deshalb angemessen . Zudem sind Lehrende in der Lage, Material von Un- ternehmen kritisch zu hinterfragen, und zwar gemeinsam mit ihren Schülerinnen und Schülern . Ein Problem mit Lobbyismus entsteht doch erst, wenn unklar ist, wer mit welchem Interesse das Material erstellt hat, damit reflek- tiert werden kann, wer mit welchem Interesse das Mate- rial erstellt hat . Es ist doch vollkommen naiv und lebensfern, das, was im Leben der Schülerinnen und Schüler tagtäglich außerhalb der Schule passiert, nicht aufzugreifen, um Neutralität zu erzeugen und zu wahren . Denn die Unter- nehmen sind Teil unserer Gesellschaft und prägen mit ih- ren Produkten den Alltag. Dies muss aufgegriffen, nicht verdrängt werden! Die Frage, die sich mir stellt, ist also: Welches Ziel könnte eine solche Prüfstelle noch verfolgen? Soll sie eine Einteilung in „gute“ und „schlechte“ Einflussnahme vornehmen? Wo wäre denn da die Grenze, und wer kann diese Grenze ziehen, ohne selbst beeinflusst zu sein? Die Grenze, die der DGB vorschlägt, ist auf jeden Fall auch keine Alternative . In seiner Handreichung „Schu- le und Wirtschaft“ kritisiert die Gewerkschaft, dass Unternehmen Einfluss auf die Unterrichtsvermittlung nehmen . Unter anderem würden prekäre Beschäftigung und gerechte Löhne nicht thematisiert werden . Die Ge- werkschaft bietet ihre Hilfe zur Beseitigung dieses Miss- standes an, indem sie Schülerinnen und Schülern einen „objektiven, hinterfragenden Blick ermöglichen“ möch- te . Als Material dafür schlägt sie einzig und allein die Publikation „Böckler Schule“ der Hans-Böckler-Stiftung vor . Das ist keine wertneutrale Quelle . Für die Entwick- lung eines kritischen Blickes ist es unbedingt notwendig, eine andere Meinung hinzuzuziehen . Es zeigt sich: Ein systematischer Ausschluss von Un- ternehmen ist nicht begrüßenswert, würde damit doch der Verlust einer befruchtenden Perspektive einhergehen . Meine Fraktion, die CDU/CSU, ist im Gegenteil sogar davon überzeugt, dass Unternehmen, Initiativen und Ver- bände sogar eine Bereicherung für unsere Schulen dar- stellen! So haben diese externen Partner teilweise eine Ausstattung, die Schulen nicht haben und nicht haben können . Denken Sie nur an die naturwissenschaftlichen Labore, die Mikroskope oder speziellen Pipetten, die sich staatliche Schulen nicht leisten können . Wenn naturwis- senschaftliche Unternehmen hier Labore mit Lehreinhei- ten und Material anbieten, ist das für den Unterricht eine tolle Bereicherung . Im gleichen Berufsfeld sind zudem Fachreferenten eine weitere Bereicherung . Unternehmen wissen, wie der aktuelle Stand der Technik genau ist und sich wirt- schaftlich nutzen lässt, jetzt oder in der Zukunft . Auch dies müssen wir unserem Nachwuchs vermitteln – nicht, weil wir ihre Bildung an den Interessen der Unterneh- men ausrichten wollen, wie es die Linke immer und auch wieder in ihrem Antrag unterstellt, sondern weil es für die Sicherung des Wirtschafts- und Innovationsstandor- tes Deutschland kreativen Nachwuchs braucht, der es versteht, Ideen und Wissen zu entwickeln und auch in wirtschaftlich tragfähige Projekte zu überführen . Es kann doch nicht falsch sein, sich schon vor dem Abschluss da- rüber zu informieren, welche Perspektiven eine Region oder eine Branche bietet . Das können Lehrerinnen und Lehrer in der Regel nicht leisten, weil sie ihr Leben lang in der Schule weilen und die Erfahrung in der Wirtschaft und das Expertenwis- sen einfach selten vorhanden sind . Sie sind daher in der Regel dankbar für aktuelle praxissichere, ideologiefreie Materialien . Sie entnehmen meist nur einzelne Seiten . Sie kennen den Autor und reflektieren mit ihren Schüle- rinnen und Schülern auch die Absicht eines Autors . Mein letzter Punkt ist die Berufs- und Studienorien- tierung . Am Ende eines jeden Schulbesuches steht – so Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23359 (A) (C) (B) (D) sollte es zumindest sein – der Übergang in den Beruf . Damit dieser flüssig und zielgerichtet verlaufen kann, ist es essenziell, dass die Schülerinnen und Schüler wissen, welche Perspektive sie vor allem in ihrer Region haben . An meinem Wahlkreis wird sehr deutlich: Die Region ist ländlich, landschaftlich beeindruckend, aber tendenziell strukturschwach . In unseren vielen Dörfern verstecken sich aber zum Teil weltmarktführende kleine und mit- telständische Unternehmen . Diese brauchen den Nach- wuchs und sind ein attraktiver Arbeitgeber – nur muss das der Jugend erst einmal bewusst werden . Betriebe sind darauf angewiesen, in den Schulen sichtbar zu werden . Dies ist für die Zukunft der gesamten Region ein wichti- ger Schritt und hat nichts mit einseitiger Einflussnahme zu tun . In unseren Schulen handeln wir nach demokratischen Grundsätzen . Einer davon ist die Pluralität von Meinun- gen und Informationsquellen . Dies ist bereichernd, für die Schülerinnen und Schüler, für die Lehrenden und auch für externe Partner . Ein Ausschluss dieser Partner aufgrund irgendwelcher Kriterien, für deren Erstellung wir als Bund nicht einmal zuständig sind, wäre ein Ver- lust für unsere Schulen . Deshalb ist der Antrag der Lin- ken zum Lobbyismus abzulehnen und das zunehmende Engagement verschiedener Akteure für gute Bildung zu begrüßen . Sven Volmering (CDU/CSU): Die gute Nachricht gleich zu Beginn meiner Rede: Die CDU/CSU-Bundes- tagsfraktion wird den vorliegenden Antrag ablehnen . Viel Mühe hat sich die Linke mit dieser Wiederaufbe- reitung einer längst beantworteten Kleinen Anfrage vom 22 . August 2014 nicht gemacht . Dieser Antrag ist ein Do- kument des Misstrauens gegenüber allen, die mit Schule zu tun haben; er ist inhaltlich schwach, und er dient dazu, aus ideologischen Gründen die „ach so böse“ Wirtschaft bloßzustellen . Dass die gewählten Beispiele mit der AOK, mit der das rot-rot-grün geführte Thüringen selbst zusammenarbeitet, nicht die wirklich besten Belege für die Notwendigkeit des Antrags sind, hat die letzte Debat- te ja schon eindrucksvoll bewiesen . Mir erschließt sich in Ihrem Antrag einiges nicht . Grundsätzlich ist festzuhalten, dass alle Bundesländer Regelungen und Richtlinien in ihren Gesetzen und Er- lassen zum Thema Werbung und Sponsoring in Schulen getroffen haben. Die von Ihnen unter Punkt 2 geforderten klaren Kriterien gibt es . Ob dazu zwingend immer eine gesetzliche Regelung in den Schulgesetzen geschaffen werden muss, ist aus meiner Sicht eine Aufgabe, die die Landesregierungen und vor allem die Länderparlamen- te im Rahmen ihrer Zuständigkeit selbst entscheiden müssen . Der Bund braucht sich dort aus meiner Sicht nicht einzumischen . Zusätzlich hilft es zu wissen, dass die KMK am 12 . September 2013 einen Beschluss zur Verbraucherbildung gefasst hat, in dem es ganz klare Hinweise für die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern gibt . Diese müssen sich „inhaltlich am schuli- schen Bildungs- und Erziehungsauftrag orientieren, den Gegebenheiten der einzelnen Schule gerecht werden und die Schulqualität“ fördern . Grundlagen des Unterrichts seien die ja auch von Ih- nen genannten Prinzipien des Beutelsbacher Konsenses, nämlich das Überwältigungsverbot, das Kontroversitäts- gebot und die Schülerorientierung . Ich verstehe wirklich nicht, warum Sie diesen in den 70er-Jahren entwickelten, gut funktionierenden, bis heute unstrittigen und präg- nanten Konsens durch einen bürokratischen Transpa- renzkodex durch die Offenlegung ersticken wollen, wer Unterrichtsmaterialien finanziert, wer die Autoren sind und welche Drittmittel es dafür gibt . Diese Forderung ist schlichtweg nicht umsetzbar . Sie haben in der letz- ten Debatte zu diesem Thema, liebe Frau Hein, darauf hingewiesen, dass bei vielen Hunderttausend – in Ihrem Antrag sprechen Sie dann sogar von 1 Million – Unter- richtsmaterialien kein Ministerium und kein Lehrer in der Lage sei, diese alle zu sichten . Wenn Sie dies selbst nicht mal Ministerien zutrauen, die für die Genehmigung von Schulbüchern und Curricula-Erstellungen zuständig sind, dann brauchen wir auch keine sogenannte unabhän- gige Monitoringstelle, deren rechtliche Legitimation ich deutlich anzweifle. Den Lehrern und Lehrerinnen haben Sie die Kompe- tenz abgesprochen, Materialien auszuwerten . Hier wider- spreche ich . Sie unterschätzen die Kompetenzen der Leh- rer . Mein ehemaliger Fachleiter Werner Völlering hat uns im Referendariat den Spruch eingebläut, dass Lehrer Zeit ihres Lebens Jäger und Sammler seien, immer auf der Suche nach guten Materialien, die sie sichten, kritisch prüfen, wenn es passt, im Unterricht einsetzen und bei Bedarf eben auch wieder austauschen . Bei dieser Suche helfen seriöse Foren und Angebote wie der Bildungsser- ver in NRW, die immer aktuelles Material liefern, aber auch Schulbuchverlage . Oder man nutzt OER, erstellt selbst Materialien, oder man recherchiert eben . Dafür wurden Lehrer ausgebildet, dies ist eine der Kernkompe- tenzen . Ich sage mit entsprechendem Selbstbewusstsein als Lehrer, dass ich eine Monitoringstelle, die mir sagt, welche Materialien ich zu nutzen habe oder nicht, nicht brauche . Dies gilt auch für die überwältigende Mehrheit meiner Kollegen . Ich habe ein wenig den Eindruck, dass Sie mit diesem Antrag eher Lobbyismus für LobbyControl betreiben, wenn ich sehe, wie viele Forderungen dieser Organisa- tion Sie übernommen haben . Bei allem Respekt vor dem Engagement von LobbyControl: Es gehört zur Wahrheit, dass diese Organisation eine bestimmte politische Agen- da verfolgt, die man an verschiedenen Stellen zwingend kritisch hinterfragen muss . Ihr Bestreben, alle Unterrichtsmaterialen zentral be- werten zu wollen, ist noch aus einem anderen Grund voll- kommen unmöglich . In dieser Woche ist eine Broschüre der von Ihnen im Antrag stark kritisierten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft an mein Büro gesandt worden . Der Titel lautet „Deutschland hat die Wahl . Parteien, Positionen, Perspektiven“ . Dort werden Fragen gestellt zur Bundestagswahl, zur sozialen Gerechtigkeit, zum Ar- beitsmarkt, zur Pflegeversicherung, zur Steuerpolitik etc. Beantwortet haben diese Fragen Cem Özdemir, Katarina Barley, sehr überzeugend aus meiner Sicht Peter Tauber für die CDU und Andreas Scheuer für die CSU, sowie – schau an, schau an – Dietmar Bartsch von der Linken . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723360 (A) (C) (B) (D) Warum sollte ein Lehrer diese Broschüre, die nicht ein- mal als Unterrichtsmaterial gedacht ist, nicht im Un- terricht einsetzen, um die verschiedenen Antworten der Politiker durch die Schüler analysieren und bewerten zu lassen? So schlimm können die Fragen nun nicht gewe- sen sein, sonst hätte die Linke sicher nicht mitgemacht . Ähnlich könnte man mit den Wahlprüfsteinen vom DGB umgehen . Allein dieses Beispiel zeigt deutlich, dass Sie niemals in der Lage sein werden, alles zu er- fassen oder zu bewerten, was im Unterricht eingesetzt werden kann . Wenn wir aus ideologischen Gründen je- des Engagement der Wirtschaft hinterfragen, dann darf man sich konsequenterweise als Schule nicht mehr vom Förderverein unterstützen lassen; dann müssten Hunder- te durch Werbung finanzierte Schülerzeitungen, Wettbe- werbe oder Projekte wie „Zeitung in der Schule“ einge- stellt werden . Wenn der Lehrer sich dafür rechtfertigen muss, warum er beim Zeitungsprojekt lieber mit einem Blatt aus Frankfurt statt aus Hamburg oder umgekehrt arbeitet, weil die Zeitung sicher auch junge Leser als zu- künftige Abonnenten im Blick hat, dann schütten wir das Kind mit dem Bade aus . Ich habe es bei meiner letzten Rede zu diesem The- ma bereits gesagt: Sie trauen Direktoren, Lehrern, Eltern und Schülern nichts zu . Sie unterstellen, dass diese nicht in der Lage sind, klare existierende Regeln bei Werbung und Sponsoring sowie bei kontroversen Auseinanderset- zungen einzuhalten . Dies entspricht nicht der Realität und wird von uns als CDU/CSU auf das Schärfste zu- rückgewiesen . Das bisherige System reicht aus, um Fehl- leistungen und eindeutige Fälle von Beeinflussung von Schülern und Schülern zu erkennen und abzustellen . Wir sind der Auffassung, dass wir insgesamt mehr Le- bensrealität in die Schulen holen müssen, um Unterricht lebendiger zu machen . Dazu zählt die Wirtschaft ebenso wie Arbeitnehmerorganisationen, NGOs oder die Bun- deswehr . Entscheidend ist, dass über eine gesamte Un- terrichtsreihe gesehen der Beutelsbacher Konsens einge- halten wird . Zum Abschluss ein letzter Punkt . Wenn man mit Leh- rern spricht, dann spielt das Thema Lobbyismus über- haupt keine Rolle . Ich komme aus NRW, und dort ist die Unzufriedenheit mit der grünen Schulministerin ein viel drängenderes Problem als die Frage einer Koopera- tion mit der Wirtschaft . Viele Lehrer fragen sich: Warum funktioniert das mit der Inklusion in NRW so schlecht? Warum sind so viele Lehrerstellen nicht besetzt? Warum ist man nicht in der Lage, den Unterrichtsausfall digital zu erfassen? Warum kommen Programme wie „Gute Schule“ rein zufällig kurz vor der Wahl, während man ansonsten die Investitionspauschale für Schulbauten nicht erhöht hat? Warum sind die Fortbildungsetats bei gestiegenen Anforderungen so niedrig? Bevor Sie mir nun Wahlkampfgetöse vorwerfen, möchte ich Ihnen einige Zitate der grünen Basis in NRW vorlesen . Vielleicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, glauben Sie ja denen . Am 30 . März berichtete das BBV über die Vorstandswahlen der Grü- nen in Hamminkeln . Was man dort alles lesen konnte, widerspricht schon dem, was Sie hier oft im Bundestag erzählen: Löhrmann, die „schwächste Ministerin“, „Im Grunde hat sie nichts erreicht“, „beim Thema Inklusion stehen ihm die Haare zu Berge“, „die Inkonsequenz beim Thema G8/G9-Abitur sei . . . nicht nachvollziehbar“, „Un- terrichtsausfall“, „Die Stimmung im Kollegium ist abso- lut anti gegenüber unserer Chefin“. Ich glaube, dass die Abstellung dieser Probleme wichtiger ist als irgendeine Materialkontrolle . Ich bin froh, dass wir im Bund mit Frau Wanka jeman- den haben, der immer bereit ist, den Ländern mit sinn- vollen Programmen zu helfen, der Kooperation anbietet und sinnvolle Projekte wie den Digitalpakt auf den Weg bringt und damit dem Gesamtsystem Schule wirklich weiterhilft . Der Antrag tut dies nicht, und wir denken an Johann Wolfgang von Goethe, der gesagt hat: „Wer selbst mißtrauisch ist, verdient kein Vertrauen.“ Treffender kann man den Antrag der Linken nicht zusammenfassen . Marianne Schieder (SPD): Wir beraten heute ab- schließend den Antrag der Fraktion Die Linke „Kein Lobbyismus im Klassenzimmer“ . Und ich muss sagen: Die Kritik, die ich schon zur ersten Lesung geäußert habe, bleibt bestehen . Nichts hat sich geändert . Keines der Probleme konnte ausgeräumt werden . Darum werden wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten dem Antrag auch nicht zustimmen können . Doch beginnen wir vorne: Die Grundüberlegung ist ja gar nicht so verkehrt: Lobbyverbände sollen nicht ein- fach in den Schulen Werbung für die eigene Sache ma- chen dürfen . Das würden die meisten von uns hier wohl so unterschreiben können . Ganz selbstverständlich ist der Staat in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass Schülerinnen und Schüler kritisches Denken erlernen und nicht einsei- tig eine Meinung vorgegeben bekommen . So weit, so gut . Dann beginnen aber schnell die Pro- bleme des Antrags . Denn wenn man ihn sich so durchliest, könnte man meinen: Schulen in Deutschland sind reine Schaufens- ter, in denen sich Konzerne und Unternehmensverbände nach Lust und Laune präsentieren, und niemanden küm- mert es . Ganz so einfach und einseitig ist es nun aber doch nicht . Die Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Die Linke schreiben in ihrem Antrag selbst: „Auftrag der Schule ist die Herausbildung selbstständig denkender, ihre gesellschaftliche Umwelt kritisch reflektierender Menschen.“ Und an anderer Stelle: „Gute Schulen öffnen sich darum dem regionalen Umfeld, sie gehen Koopera- tionen mit unterschiedlichsten Partnern aus der Zivilge- sellschaft ein . . .“ Jawohl, da haben Sie recht! Leider verstehe ich nicht, warum Sie dann alles in einen Topf werfen und jegli- ches Material, das nicht vorher staatlich geprüft und autorisiert wurde, verteufeln . Da gibt es doch unzählige Beispiele, die gut geeignet sind, um den Unterricht zu ergänzen . Denken Sie allein an Broschüren der Kranken- kassen, die über Gesundheitsrisiken aufklären . Das ist doch eine prima Ergänzung für den Unterricht und die Standardlehrbücher – was genau ist daran falsch? Man Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23361 (A) (C) (B) (D) könnte da noch unzählige weitere positive Beispiele nen- nen: von Lehrveranstaltungen mit dem Landesbund für Vogelschutz bis hin zu Betriebsbesichtigungen oder der Gründung von Schülerfirmen, die oft von regionalen Un- ternehmen unterstützt werden . Ist es nun also gut oder schlecht, wenn sich die Schu- len ihrem regionalen Umfeld öffnen und Partner suchen, um den Stoff in der Gesundheitserziehung, Naturkunde oder des Wirtschaftsunterrichts zu veranschaulichen? Wenn Ihr Antrag konsequent umgesetzt würde, wären viele solcher Kooperationsprojekte entweder gar nicht mehr oder zumindest nur erschwert möglich . Darüber hinaus kann es sehr sinnvoll sein, im Unterricht mit Ma- terialien zu arbeiten, die verschiedene Sichtweisen auf bestimmte Sachverhalte vermitteln . Gerade dadurch ler- nen die Schülerinnen und Schüler, vorliegendes Material kritisch zu hinterfragen und sich eine eigene Meinung zu bilden . Auch der Beutelsbacher Konsens, von dem im An- trag gesprochen wird, sieht das Prinzip der Kontroversi- tät vor . Wenn die geforderte Monitoringstelle sämtliche Unterrichtsmaterialien auf Konformität überprüfen soll, dann würde mich interessieren, worin die Kolleginnen und Kollegen von der Linken hier genau das Prinzip der Kontroversität verwirklicht sehen . Vollkommen ab- wegig ist auch die Idee, sämtliche externen Lehrinhalte von dieser eben erwähnten Monitoringstelle überprüfen zu lassen . Man muss sich nur einmal vorstellen, welche konkreten Auswirkungen das auf den tagtäglichen Lehr- betrieb hätte! Konsequenterweise würde das jegliche Mathetextaufgaben betreffen, die nicht aus einem zuge- lassenen Lehrbuch stammen; schließlich wären diese ja nicht bezüglich unerwünschter kommerzieller Einfluss- nahme geprüft worden und dürften demnach wohl nicht mehr verwendet werden . Bereits heute gibt es den Materialkompass der Ver- braucherschutzzentrale . Das ist ein gutes Instrument, das mit übersichtlichen Indikatoren Lehrmedien bewertet . Eine Fortführung des Materialkompasses kann ich mir darum gut vorstellen . Da wissen die Lehrerinnen und Lehrer gleich, woran sie mit einem bestimmten Buch sind, und können abwägen, ob es für ihren Unterricht sinnvoll ist oder nicht . Warum daneben noch eine staat- liche Stelle, die praktisch dasselbe macht, eingerichtet werden soll, verstehe ich nicht . Grundsätzlich bin ich nämlich der Meinung, dass Lehrerinnen und Lehrer sehr wohl Unterrichtsmateria- lien selbstständig in kritischer Weise hinsichtlich ihrer pädagogischen Eignung einschätzen können . Der Antrag suggeriert allerdings, dass Lehrkräfte dazu nicht in der Lage wären . Ich frage mich, ob die Antragstellerinnen und Antragsteller schon einmal mit Lehrkräften über ih- ren Vorschlag gesprochen haben, Fortbildungen darüber abzuhalten, wie man brauchbares Unterrichtsmaterial von unbrauchbarem unterscheidet . Die werden nämlich sagen, dass sie das in einem guten Pädagogikstudium oh- nehin gelernt haben . Unabhängig von der Kritik im Einzelnen muss ich nochmals wiederholen, was ich bereits in der ersten Lesung gesagt habe: Der Antrag überschreitet jegliche Bundeskompetenz . Nun diskutieren wir zum Glück seit längerem eine Aufweichung des Kooperationsverbo- tes, die hoffentlich bald kommt. Eine Entmachtung der Länder bei der Bildungshoheit hat meines Wissens aber vollkommen zu Recht noch niemand gefordert . Genau dem kommt so ein Antrag aber gleich: einer unzuläs- sigen Einmischung in die Angelegenheiten der Länder . Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern scheint dem Antrag aber ohnehin egal zu sein . Immerhin dreht er sich die Argumente, wie er sie braucht . So wird zum Beispiel die Aktion „Unternehmergeist in Schulen“ des Bundeswirtschaftsministeriums angegriffen, weil sie sich angeblich in die Bildungshoheit der Länder ein- mischt . Ja, was denn nun? Soll der Bund sich nun um Bildungsinhalte kümmern oder nicht? Das ist doch alles nicht zu Ende gedacht . Unabhängig davon scheint mir der Antrag ohnehin ein anderes Ansinnen zu haben . Da geht es weniger da- rum, für sinnvolle Verbesserungen zu sorgen, damit es in den Schulen vernünftiges Lehrmaterial gibt . Vielmehr scheint der Antrag gegen jegliche Auseinandersetzung mit wirtschaftlichen Fragen gerichtet zu sein . Wenn ich junge Menschen dazu befähigen will, dass sie mündig wirtschaftliche Entscheidungen treffen können, sei es als Verbraucher, als Bausparerin oder sonst irgendwie, dann kann die Lösung nicht sein, sie möglichst fernzuhalten von der Wirtschaft . Nur wenn sie verstehen, wie das Sys- tem funktioniert, können sie kritisch damit umgehen und müssen es nicht als gegeben hinnehmen . Dazu leistet der vorliegende Antrag unabhängig von der fehlenden Bun- deskompetenz leider keinen Beitrag . Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE): Der Kulturpoliti- sche Ausschuss im Hessischen Landtag hat am 19 . April dieses Jahres ein Werbeverbot an Schulen im Schulge- setz beschlossen . Nun bekommen die beiden regierungs- führenden Fraktionen offensichtlich Schwansfedern und rudern zurück . Für den 2 . Mai wurde extra eine Sonder- sitzung des Kulturpolitischen Ausschusses einberufen, um einen relativierenden Antrag zum Gesetz zu verhan- deln . Angst vor der eigenen Courage, liebe Grüne, kann ich da nur sagen! Seit Jahren laufen Institutionen und zivilgesellschaft- liche Akteure Sturm gegen sich ausbreitende Werbe- strategien vor allem größerer Unternehmen und Lob- bygruppen, die die Schule längst als Adressaten ihrer Unternehmensstrategien erkannt haben und mit viel Geld große und professionelle Werbeabteilungen damit beauf- tragt haben, Lernende als Ziel werberischer Strategien auszumachen und geschickt zu umgarnen . Die Kritik kommt von der Bundeszentrale für politische Bildung ebenso wie von den Verbraucherzentralen und Lobby- Control . Auch die Uni Augsburg und viele Medien haben schon vor Jahren auf die Flut von werbeträchtigen Unter- richtsmaterialien aufmerksam gemacht . Nun muss, wer guten Unterricht machen will, sich an der Lebenswelt orientieren, aktuell sein und anschaulich . Lehrbücher sind nicht immer topaktuell . Für andere ver- fügbare Materialien gibt es oft urheberrechtliche Schran- ken . Da kommen die kostenlosen bunten Heftchen, Ar- beitsblätter und digitalen Angebote von Unternehmen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723362 (A) (C) (B) (D) gerade recht, und man traut ihnen zu, dass sie von ihrem Handwerk etwas verstehen . Mitunter sind diese Materi- alien auch didaktisch gut aufbereitet und auf den Unter- richt zugeschnitten . Mit solchen Materialien verbinden die Absender aber auch offen oder verdeckt Botschaften zur eigenen Unter- nehmensstrategie . Uneigennützigkeit darf man da nicht unterstellen . Schülerinnen und Schülern wird so nicht selten ein- seitig die von ebendiesem Unternehmen oder Verband vertretene Sichtweise auf das eigene Tun nahegebracht . Doch Schulen sind Lernorte, in denen man nicht nur viel fachliches Wissen erwerben soll, sondern auch den kritischen Umgang damit . Darum verbieten sich Werbung und einseitige Informationsstrategien an der Schule . Wir wollen, dass auch im Alltag der Schule und im Unterricht das Kontroversitätsgebot und das Überwältigungsverbot aus der politischen Bildung gelten . Das heißt dann, dass ich bei Themen, die in der Gesellschaft kontrovers disku- tiert werden, immer beide Seiten hören muss . Das wür- de bewirken, dass Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt werden, sich ein eigenes Urteil zu bilden . Materialien außerhalb der zugelassenen Lehrbücher im Unterricht verwenden zu können, ist unerlässlich für gute Schule . Wie man das macht und was dabei zu be- achten ist, diese Verantwortung liegt immer stärker bei den Lehrkräften . Die Kritikerinnen und Kritiker unseres Antrages aus der CDU/CSU-Fraktion und auch manche aus der SPD halten entgegen, dass Lehrkräfte das schon alleine kön- nen und keine Belehrung brauchen . Belehrung sicher nicht, aber Unterstützung . Denn Lehrerinnen und Leh- rer haben inzwischen einen ziemlichen Rucksack zu tragen: Sie sollen immer mehr Wissen vermitteln und kompetenz orientiert und interkulturell bilden, sie sollen inklusiv arbeiten, Berufsorientierung betreiben, sollen digitale Bildung implementieren, individuell fördern usw . usf . Da wäre es doch hilfreich, wenn man unter dem zeit- lichen Druck, unter dem man steht, sich schnell und verlässlich vergewissern kann . Das könnten unabhän- gige Stellen exemplarisch leisten . Hingegen eine Zerti- fizierung und Zulassung aller zur Verfügung stehenden Materialien durch die jeweiligen Kultusministerien, wie das bei den Lehrbüchern üblich ist, ist nicht umsetzbar, weltfremd und auch nicht mehr zeitgemäß . Darum fordern wir, bereits bestehende Instrumente zu erhalten und auszubauen . Eine unabhängige Moni- toringstelle könnte beispielsweise beim Deutschen Bil- dungsserver eingerichtet werden, der heute schon wert- volle Informationen zur Unterrichtsgestaltung bei vielen Themen liefert . Und natürlich geht es uns darum, das Bewusstsein für solche offenen oder auch unterschwelligen Einflussnah- men bei Lernenden, Eltern und auch Lehrenden zu entwi- ckeln . Ein Werbeverbot in den Schulgesetzen würde den kritischen Umgang mit externen Materialien befördern . Dazu gehört auch, dass Bundesministerien sich nicht zum Anwalt einseitiger Interessen machen und ihre Au- torität für Empfehlungen nutzen . Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Staat hat die Aufgabe, die Schulen besser auszustatten, damit Lobbyisten nicht die Deutungshoheit im Unter- richt übernehmen. Dieser Pflicht müssen wir zum Wohle unserer Kinder und im Interesse unseres Landes ohne Wenn und Aber nachkommen . Die Beschreibung der aktuellen Situation in dem Antrag der Linken ist zutreffend. In den letzten Jahren versuchen einige Unternehmen, sich mit scheinbar un- verfänglichen Angeboten wie Broschüren oder attrakti- ven Wettbewerben in den Köpfen der Schülerinnen und Schüler, also der Konsumentinnen und Konsumenten von morgen, festzusetzen . Lobbyismus macht eben kei- nen Halt vor Schultoren . Mittlerweile ist dieser Bereich so professionalisiert, dass Agenturen sich ausschließlich darauf spezialisieren, Kinder und junge Menschen im Schulalltag interessengeleitet zu gewinnen bzw . im Ex- tremfall gar zu manipulieren . Das Ziel hierbei ist es oft, eine frühe Produktbindung zu sichern . Die Frage ist, wo Lobbyismus beginnt und wo die Grenzen zu ziehen sind . Klar ist, dass systematische und einseitige Beeinflussung nicht ins Klassenzimmer gehö- ren . Hier müssen wir Sorge tragen, dass für Lehrkräfte transparent wird, welche Interessen hinter den Materiali- en stecken und dass keine – insbesondere finanziellen – Abhängigkeiten entstehen . Die Gefahr ist gegeben; schließlich ist unser Bildungs- system chronisch unterfinanziert. Daher verwundert es auch nicht, wenn Schulen sich nach anderen Geldgebern oder Sponsoren umsehen . Es ist allgemein bekannt, dass Deutschland im internationalen Vergleich zu wenig in sein Bildungssystem investiert . Die KfW-Studie belegt: Der Investitionsstau in deut- schen Schulen beträgt 34 Milliarden Euro . Viele Kommu- nen und Gemeinden sind nicht in der Lage, die dringend benötigten Investitionen alleine zu tätigen . Stichwort „Kooperationsverbot“, sage ich an dieser Stelle! Der öffentliche Bildungsauftrag darf sich nicht durch geschickt verpackte PR im Klassenzimmer verwässern lassen . Ich habe grundsätzlich nichts gegen Koopera- tionen . Die Wirtschaft kann sich gerne in den Schulen einbringen: Betriebspraktika, Betriebserkundungen oder Jobmessen benötigen selbstverständlich das Mitwirken von Unternehmen . Aber im Unterricht müssen Schüler und Schülerinnen kontrovers und kritisch diskutieren können, sie müssen befähigt werden, ihre eigene Mei- nung zu bilden, um mündige Bürgerinnen und Bürger zu werden . Wir müssen Sorge tragen, dass für Lehrkräfte trans- parent wird, welche Interessen hinter den Materialien stecken und dass keine – insbesondere finanziellen – Abhängigkeiten entstehen . Nur so können wir unserem Leitbild, dem Humboldt’schen Bildungsideal, gerecht werden . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23363 (A) (C) (B) (D) Deshalb fordern wir die Bundesregierung auf, das Projekt Materialkompass Verbraucherbildung zu ver- längern . Obwohl alle Fraktionen das Projekt begrüßen, läuft der Materialkompass Verbraucherbildung im Okto- ber 2017 aus . Wir dürfen Lehrkräfte und Schulen nicht mit der Aus- wertung der Materialfülle alleine lassen . Die Befunde der PISA-Studie 2006 belegen, dass in Deutschland der Einfluss von Wirtschaft und Industrie auf die Lehrinhalte in den Schulen enorm groß ist . Tendenz steigend! Es be- steht riesiger Handlungsbedarf seitens des Bildungsmi- nisteriums und der KMK . Denn Schule muss weiterhin ein geschützter Raum für unsere Kinder bleiben . Wir setzen auf kreative und konstruktive Wege der Kooperation mit der Wirtschaft – ohne Abhängigkeiten und Lobbyismus mit dem schlichten Ziel der Produkt- vermarktung! Anlage 3 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Überein- kommen des Europarats vom 11. Mai 2011 zur Ver- hütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Tagesordnungspunkt 20) Dr. Silke Launert (CDU/CSU): Wir sprechen heu- te über ein Thema, das immer noch ein Tabuthema in Deutschland ist, obwohl es sich dabei keineswegs nur um eine Randerscheinung handelt: Es geht um Gewalt gegen Frauen . Häusliche Gewalt und sexueller Missbrauch von Frauen finden überall, zu jeder Zeit und in allen sozia- len Schichten statt . Und spätestens seit der Silvesternacht in Köln wissen wir, dass sexuelle Gewalt nicht einmal heimlich geschieht . Gewalt gegen Frauen macht vor nichts und nieman- dem halt und greift durch alle Gesellschaftsschichten: junge Frauen wie alte, reiche wie arme, gebildete wie un- gebildete . Und genau das ist der Grund, weshalb die Zahl der Betroffenen auch so hoch ist. Im vergangenen Herbst veröffentlichte das Bundes- kriminalamt erschreckende Zahlen zu Gewalt gegen Frauen in Partnerschaften . Allein im Jahr 2015 wurden 104 000 Frauen in Deutschland durch ihren Partner oder Expartner Opfer von Mord, Totschlag, Körperverletzung, Vergewaltigung, sexueller Nötigung oder Stalking . Und diese Zahlen zeigen längst nicht das gesamte Ausmaß . Experten gehen von einem weitaus größeren Dunkelfeld aus, da viele Frauen gewalttätige oder sexu- elle Übergriffe aus Angst oder Scham gar nicht erst zur Anzeige bringen und ihr Schweigen nicht brechen . Ich freue mich, dass wir heute einen wichtigen Schritt gehen, um den Frauen in Deutschland umfassenden Schutz vor allen Formen von Gewalt zu bieten . Wir werden heute ein Gesetz auf den Weg bringen, das die Istanbul-Konvention des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen umsetzt . Damit nehmen wir eine weitere Hürde auf dem Weg zu einem europaweit einheitlichen Rahmen für Prävention, Opfer- schutz und Strafverfolgung . In den 81 Artikeln der Konvention werden die Maß- nahmen definiert, die die Mitgliedstaaten zu ergreifen ha- ben: Es geht um Maßnahmen des Gewaltschutzes, Schutz und Unterstützung der Opfer und auch um rechtliche Re- gelungen zur Ermittlung und Verfolgung von Straftaten sowie Monitoring und statistische Erhebungen . Deutschland hat bereits alle Verpflichtungen aus der Konvention umgesetzt . Dazu gehört insbesondere die Einrichtung eines bundesweiten Hilfstelefons, über das in den letzten zwei Jahren bereits 100 000 Beratungsge- spräche geführt wurden . Man hat die Hürden bewusst niedrig gehalten, sodass wirklich jede Frau, die Hilfe braucht, auch Hilfe bekommen kann: So besteht das An- gebot rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr per Telefon, Chat oder E-Mail . Die Hilfe wird in insgesamt 17 ver- schiedenen Fremdsprachen sowie in Gebärdensprache angeboten und ist natürlich anonym und vertraulich . Die Nummer lautet 08000 116016 und soll auch an dieser Stelle noch einmal genannt werden . Eine weitere Verpflichtung aus der Konvention betraf das Sexualstrafrecht . Konkret ging es darum, dass alle sexuellen Handlungen, die nicht einvernehmlich gesche- hen, unter Strafe gestellt werden müssen . Ein Nein des Opfers muss ausreichen, um deutlich zu machen, dass es die sexuelle Handlung nicht wünscht . Eigentlich eine Selbstverständlichkeit . Seit November letzten Jahres ist das nun auch gesetzlich klargestellt . Die Istanbul-Konvention und ihre Ratifikation durch das vorliegende Gesetz sind wichtige Schritte im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen . Und dabei geht es nicht nur darum, Maßnahmen zu treffen und neue Gesetze zu schreiben . Es geht vor allem auch darum, das Thema „Gewalt gegen Frauen“ in den Fokus der Öffentlichkeit zu stellen, denn mehr Aufmerksamkeit kann auch schon helfen . Wir sollten daher weiter sensibel und gewiss nicht hinter verschlossenen Türen mit diesem Thema umge- hen . Wir sollten die Scham und das Schweigen brechen und die Frauen dazu ermutigen, auszusprechen, was ih- nen wiederfahren ist, und die Hilfe einzufordern, die sie benötigen . Mir ist es daher ein wichtiges Anliegen, die Stellen zu fördern, die vor Ort die erste Hilfe und Beratung leisten . Das sind die kleinen ehrenamtlichen Vereine, Selbsthil- fegruppen, Frauenhäuser oder auch Frauennotrufe . Diese Einrichtungen leisten wirklich Enormes, um den betrof- fenen Frauen zu helfen und ihnen Mut zu machen . Hier muss unsere Unterstützung einfließen. Ich appelliere da- her an alle, sich dort einzusetzen und starkzumachen . Sylvia Pantel (CDU/CSU): Gewalt gegen Frauen ist in keiner Form und durch nichts zu rechtfertigen . Wir sind uns einig, dass die Bekämpfung von Gewalt gegen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723364 (A) (C) (B) (D) Frauen ein wichtiges und in diesem Haus zu Recht im- mer wiederkehrendes Thema ist . Jeder Mensch hat Anspruch auf Unversehrtheit und ein Leben in Würde . Jede Gewalttat gegen Frauen ist ein Verstoß gegen Menschenrechte und ein Verbrechen . So deutlich müssen wir das formulieren . Und auch keine Re- ligion oder Kultur auf der Welt rechtfertigt es, die Rechte von Frauen einzuschränken, sie zu missachten oder gar Gewalt gegen Frauen anzuwenden . Religionsfreiheit ist ein Grundrecht in unserem Land, aber sie muss dort ihre Schranken finden, wo sie Menschenrechte verletzt. Die Bundesregierung hat am 8 . März dieses Jahres, dem Internationalen Frauentag, dem Entwurf des Geset- zes zum Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häus- licher Gewalt zugestimmt und somit den Weg freige- macht zur Ratifizierung des Abkommens. Die sogenann- te Istanbul-Konvention stuft Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung und eine Form der Diskrimi- nierung ein. Sie wurde bisher von 22 Staaten ratifiziert. 81 Artikel definieren politische und rechtliche Maßnah- men, die Staaten ergreifen müssen, um die vorgeschrie- benen Ziele zu erreichen . Dem Vorwurf, Deutschland hätte die Konvention schon viel früher ratifizieren sollen, möchte ich zwei Punkte entgegenhalten: Erstens war es notwendig, die rechtlichen Voraus- setzungen für eine Ratifizierung zu schaffen. Dazu war zunächst eine Reform des Sexualstrafrechts, des § 177 Strafgesetzbuch, erforderlich . Durch die gesetzliche „Nein heißt Nein“-Regelung, die vorschreibt, dass sich nun jeder strafbar macht, der sich über „den erkennbaren Willen“ des Opfers hinwegsetzt, schaffen wir Rechtssi- cherheit . Die Reform war damit ein wichtiger Schritt und zugleich Voraussetzung für eine Ratifizierung der Istan- bul-Konvention . Ich komme nun zum zweiten Punkt, und zwar zu der Tatsache, dass allein die Unterschrift unter ein Abkom- men noch keine Frau aus häuslicher Gewalt befreit oder diese verhindert hat. Die Ratifizierung der Istanbul-Kon- vention ist richtig und wichtig, aber sie ersetzt nicht kon- krete Maßnahmen vor Ort . Vermeintlicher Schutz auf dem Papier bewirkt noch keine Veränderung der Lebenswirklichkeit von betrof- fenen Frauen . Mit der Unterzeichnung des Abkommens verpflichten sich die Staaten, Maßnahmen zu ergreifen, die geschlechtsbezogene Gewalt verhindern . Dazu zäh- len Prävention, Schutz, Strafverfolgung, organisatori- sche Zusammenarbeit staatlicher und nichtstaatlicher Stellen sowie das Monitoring der Umsetzung . Umfassende Verpflichtungen dienen vor allem dazu, die Gleichstellung von Mann und Frau zu stärken . Dies ist ein wichtiger Punkt . Denn es geht auch und vor allem um die Stärkung des Bewusstseins der Frauen für ihre Rechte . Denn was nutzen Statistiken zu von Gewalt be- troffenen Frauen, wenn diese gar nicht das Bewusstsein dafür haben, dass ihnen Unrecht widerfährt? Wenn diese Frauen nicht den Mut haben, ihre Stimme zu erheben, sich gegen gesellschaftliche Konventionen oder kulturel- le Traditionen zu wehren und Hilfe zu suchen? Die Türkei hat die Istanbul-Konvention bereits 2012 ratifiziert. Und trotzdem ist in Teilen des Landes Ge- walt gegen Frauen nach wie vor ein großes Problem, die „Ehre“ ist häufig die Existenzgrundlage der Fami- lie und nicht selten eine Rechtfertigung von Gewaltta- ten an Frauen. Dabei verpflichten sich, laut Vertrags- text der Istanbul-Konvention, die Unterzeichner dazu, Verhaltensweisen zu ändern, die auf althergebrachten Geschlechterrollen beruhen . So fordert Artikel 12 von den Vertragsparteien, Maßnahmen zu ergreifen, die da- rauf zielen, „Vorurteile, Bräuche, Traditionen und alle sonstigen Vorgehensweisen, die auf der Vorstellung der Unterlegenheit der Frau oder auf Rollenzuweisungen für Frauen und Männer beruhen, zu beseitigen .“ Artikel 42 hält gesondert fest, dass es mit Blick auf Kultur, Traditionen und Religion keine Rechtfertigung für Gewalt gegen Frauen gibt . Dies gelte insbesondere für Verbrechen, die im Namen der „Ehre“ begangen wer- den . Gewalt gegen Frauen ist leider oftmals Ausdruck der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern und ein Spie- gel gesellschaftlicher Machtverhältnisse . Sie reicht von sexueller Belästigung und häuslicher Gewalt über Geni- talverstümmelung bis hin zu Frauenhandel und Zwangs- prostitution . Auch Kinderehen möchte ich hier explizit erwähnen, zumal die Istanbul-Konvention in Artikel 3f unterstreicht, dass der Begriff „Frauen“ ausdrücklich auch Mädchen unter 18 Jahren, also auch Kinder, mit einbezieht . In Artikel 32 ist geregelt, dass sich die Vertragspartei- en dazu verpflichten, erforderliche Maßnahmen zu tref- fen, um sicherzustellen, dass unter Zwang geschlossene Ehen für nichtig erklärt und aufgelöst werden können – und das ohne eine unangemessene finanzielle oder admi- nistrative Belastung für das Opfer . Artikel 37 zur Zwangsheirat regelt, dass die Vertrags- parteien Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass vorsätzliches Verhalten, durch das eine erwachsene Per- son oder ein Kind zur Eheschließung gezwungen wird, unter Strafe gestellt wird . Auch ein Verbot von Zwangs- abtreibungen und Zwangssterilisationen umfasst das Ab- kommen . Mit der Konvention verpflichten sich die Unterzeich- nerstaaten, Schutz- und Hilfsdienste für Frauen, die Gewalt erlitten haben, bereitzustellen . Dazu zählt unter anderem, über Hilfsangebote und juristische Mittel zu in- formieren . Ebenso sollen Schutzräume, Telefon-Hotlines und spezielle Hilfszentren für Vergewaltigungsopfer ge- schaffen werden. Darüber hinaus sieht die Konvention vor, die Gesetzeslage dahin gehend zu ändern, dass es der Polizei erlaubt ist, bei häuslicher Gewalt den gewalt- tätigen Partner aus der Wohnung zu holen und ihn anzu- weisen, sich vom Opfer fernzuhalten . Ich möchte noch einmal erwähnen, dass allein die Ra- tifizierung eines Abkommens wie der Istanbul-Konven- tion nicht die Lösung des Problems ist . Wir müssen das Thema aus der Tabu-Ecke holen, wir müssen aufklären http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/newsletter/57216/deutschland-mehr-hilferufe-wegen-zwangsehen-und-gewalt-im-namen-der-ehre http://www.bpb.de/gesellschaft/migration/newsletter/57216/deutschland-mehr-hilferufe-wegen-zwangsehen-und-gewalt-im-namen-der-ehre Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23365 (A) (C) (B) (D) und Hilfsangebote vor Ort schaffen, unbürokratische kur- ze Wege und Angebote anbieten, die es den Betroffenen leichtmachen, Hilfe auch anzunehmen . Genau hier haben wir, hat Deutschland, gute Ergebnisse vorzuweisen . Wir haben mittlerweile ein breites Netzwerk von Hilfs- und Beratungsangeboten . Das Hilfetelefon „Ge- walt gegen Frauen“, ein bundesweites und vom Bund finanziertes Beratungsangebot, hat vor kurzem, am 30. März, seinen vierten Jahresbericht veröffentlicht. Demnach gab es im Jahr 2016 über 34 400 Beratungen, die auch von immer mehr Frauen mit Fluchthintergrund angenommen werden . Dies entspricht einem Anstieg von rund 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr 2015 . Auch das mehrsprachige Beratungsangebot des Hilfetelefons wird häufig genutzt. Zum 1. Januar dieses Jahres wurde der Dolmetscherdienst um die Sprachen Albanisch und Kurdisch erweitert . Beratungen sind nun in 17 Fremd- sprachen möglich . Diese Zahlen bestätigen, dass Gewalt gegen Frauen weit verbreitet ist, sie machen aber auch deutlich, dass unsere Hilfsangebote bekannt sind und von immer mehr betroffenen Frauen genutzt werden. Allein in 16 000 Fäl- len konnten die Expertinnen des Hilfetelefons 2016 be- troffene Frauen an örtliche Unterstützungseinrichtungen wie Frauenhäuser oder Beratungsstellen weitervermit- teln . Das Hilfetelefon ist damit eine wichtige Säule im Unterstützungssystem für von Gewalt betroffene Frauen und hat sich als sinnvolle Ergänzung der Angebote vor Ort bewährt . Cornelia Möhring (DIE LINKE): Die Ratifizierung der Istanbul-Konvention ist nun nur noch eine Formali- tät . Wie sehr sich Frau Ministerin Schwesig dafür jetzt dennoch feiern lässt, verdeckt, wie lange die Bundesre- gierung gebraucht hat, die notwendigen Gesetzesände- rungen umzusetzen und damit ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung, Mädchen und Frauen das Recht auf ein Leben ohne Gewalt zu gewährleisten, nachzukommen – ganze drei Jahre . Und es verdeckt noch viel mehr, wie viele Maßnahmen noch folgen müssen, wenn wir dieses Recht ernst nehmen . Letztes Jahr haben wir hier im Bundestag einstimmig die Reform des Sexualstrafrechts beschlossen . Ein Rie- senerfolg vor allem für all die engagierten Frauen, die jahrelang dafür gekämpft haben, dass Nein auch Nein heißt! Aber die rechtliche Verankerung reicht nicht, denn es kommt immer auch auf die Umsetzung an . Damit das sexuelle Selbstbestimmungsrecht zukünftig auch tat- sächlich in der Praxis geachtet wird, braucht es allem voran qualifizierte und verpflichtende Fortbildungen und Sensibilisierungen für Polizei und Justiz . Ja, es gibt nicht nichts: Es wurde das Hilfetelefon ein- gerichtet, es gibt Beratungsstellen und rund 350 Frauen- häuser und etwa 40 Zufluchtswohnungen mit insgesamt circa 6 800 Plätzen für gewaltbetroffene Frauen und de- ren Kinder. Ich finde nicht, dass damit die Anforderun- gen der Istanbul-Konvention erfüllt sind, wie es die Bun- desregierung in der Denkschrift schreibt, und wundere mich, ehrlich gesagt, stark über diese Interpretation . Aber ich möchte mich nicht mit Ihnen streiten, ob das formal stimmt oder nicht; das ist nicht mein Maßstab . Der sprin- gende Punkt ist doch: Es gibt auf keinen Fall genug . 18 000 Frauen mit ihren Kindern werden jährlich in den Frauenhäusern aufgenommen – aber noch mal genauso viele werden jährlich abgelehnt, wie es der 7 ./8 . CEDAW-Alternativbericht feststellt . Und dass nicht noch viel mehr Frauen, die von ihrem Partner ge- schlagen, gedemütigt und misshandelt werden, an der Schwelle zu einem Schutzraum abgewiesen werden, ist vor allem dem Personal zu verdanken, das längst jenseits der Belastungsgrenze arbeitet, ohne dafür angemessen bezahlt zu werden . Das erkennen wir an den wenigen Zahlen, die über- haupt erhoben wurden: 35 Prozent der Frauen in Deutschland haben körperliche und/oder sexualisierte Gewalt erfahren . Die aktuellen Zahlen des BKAs gehen von 100 000 Opfern von häuslicher Gewalt aus . Und da die Gewalt gegen Frauen meistens vom Partner ausgeübt wird, ist anzunehmen, dass die Dunkelzahl noch um ei- niges höher liegt . All diesen Frauen hilft ein Recht ohne konkrete Maßnahmen zu dessen Verwirklichung und ohne angemessene Infrastruktur erst einmal wenig, vie- len hilft es rein gar nichts . Ja, es gibt Hilfsangebote, Beratung, Betreuung, Sensi- bilisierungsmaßnahmen, Frauenhäuser . Aber es gibt eben von allem nicht genug – und das ist der Hauptgrund, wa- rum häusliche Gewalt immer noch die größte Lebensge- fahr für Mädchen und Frauen bedeutet . Deshalb brauchen wir endlich einen Rechtsanspruch auf sofortigen Schutz und umfassende Hilfe für von Ge- walt betroffene Frauen und deren Kinder. Ein Recht, das Frauen und ihre Kinder unabhängig von Einkommen, Wohnort, Aufenthaltstitel, Herkunftsort, gesundheitli- chen Einschränkungen oder Behinderungen wirklich in Anspruch nehmen können! Das bleibt trotz der Ratifizie- rung der Istanbul-Konvention das drängende Problem in Deutschland . Die Bundesregierung muss hier endlich ihre Verant- wortung übernehmen, anstatt sich nur feiern zu lassen . Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit der Istanbul-Konvention haben die europäischen Staaten 2014 ein starkes Instrument geschaffen, um die vielfäl- tigen Formen geschlechtsspezifischer Gewalt an Frau- en zu bekämpfen, weil sie zum ersten Mal umfassende Maßnahmen in den Bereichen Prävention, Betreuung und Hilfe, Rechtsschutz und Verfahren vorsieht . Dass die Bundesregierung diesen wichtigen völkerrechtlichen Vertrag nun endlich ratifizieren will, ist allerdings längst überfällig, und das haben wir Grüne schon seit langem gefordert . Denn Gewalt gegen Frauen ist kein individu- elles, sondern ein gesellschaftliches Problem . Jede drit- te Frau in Deutschland wurde bereits einmal Opfer von körperlicher oder sexualisierter Gewalt. Betroffen sind Frauen jeden Alters, jeder Schicht und jeder Nationalität . Leider haben Sie von der Bundesregierung, insbeson- dere Bundesjustizminister Maas sowie das Kanzleramt, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723366 (A) (C) (B) (D) sehr lange gezögert, die Reform des Sexualstrafrechts mit dem Prinzip „Nein heißt Nein“ umzusetzen . Und ich will hier noch einmal ganz klar sagen: Nur dem großen Druck der Frauenverbände, dem Gesetzent- wurf von uns Grünen und der politischen Lage nach Köln ist es letztlich zu verdanken, dass diese zentrale Voraus- setzung zur Ratifizierung der Konvention heute gegeben ist . Jedoch kann das materiell-rechtliche Strafrecht al- lein das Problem der sexualisierten Gewalt nicht lösen . Auch in den Erläuterungen zu Artikel 36 der Konvention heißt es, dass eine wirksame Strafverfolgung gewährleis- tet werden muss . Deshalb braucht es dringend weitere Maßnahmen wie eine qualifizierte Notfallversorgung der Opfer sowie eine gute Ausstattung, systematische Sensi- bilisierung und Schulung von Polizei und Staatsanwalt- schaften . Nach den kürzlich vorgelegten aktuellen Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik 2016 haben sich die Straf- taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung signifikant um 18 Prozent gegenüber 2015 erhöht . Auch darum ist es notwendig, die Praxis und Strafverfolgung nach dem neuen Sexualstrafrecht regelmäßig zu evaluieren, damit seine Wirksamkeit überprüft werden kann . Neben den Maßnahmen im Rahmen des Sexualstraf- rechts muss die Bundesregierung aber noch weitere Schritte im Hinblick auf eine koordinierte Gesamtstra- tegie gehen, um eine effektive Umsetzung der Istan- bul-Konvention sicherzustellen . Den von körperlicher und sexualisierter Gewalt betroffenen Frauen und Mäd- chen Schutz und Hilfe zu gewähren, ist ein Menschen- recht und staatliche Verpflichtung. Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frau- ennotrufe (Bff) und die Zentrale Informationsstelle au- tonomer Frauenhäuser (ZIF) mahnen in ihren Stellung- nahmen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung mit zahlreichen Beispielen hier weiteren dringenden Hand- lungsbedarf an . Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ko- alition, fordere ich Sie auf, sicherzustellen, dass Fach- beratungsstellen, Frauenhäuser und Notrufe finanziell und personell besser ausgestattet werden . Es muss durch Bund und Länder gemeinsam gewährleistet werden, dass allen von Gewalt betroffenen Frauen ein schneller, siche- rer und unbürokratischer Zugang zu diesen Einrichtun- gen gewährt wird . Auch im Bereich der in Artikel 11 der Konvention geforderten umfangreichen Erhebung und Aufschlüs- selung von Daten über alle Formen der Gewalt, über die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen zu ihrer Verhinderung sowie Forschungsprojekte zum Thema „Gewalt gegen Frauen in Deutschland“ muss die Bun- desregierung noch weitere Anstrengungen unternehmen, um diese Vorgaben zu erfüllen . Außer der Polizeilichen Kriminalstatistik sind beispielsweise weitere Statistiken zu Strafverfahren oder Verurteilungen oft nicht nach Ge- schlechtern differenziert. Um eine stringente Koordinierung, Umsetzung, Beob- achtung und Bewertung aller der von der Istanbul-Kon- vention geforderten Maßnahmen zur Verhütung und Be- kämpfung von Gewalt gegen Frauen zu gewährleisten, ist eine Monitoringstelle auf Bundesebene erforderlich . Die in der Denkschrift zu Artikel 10 vorgesehenen vier Bund-Länder-Arbeitsgruppen können diese weitreichen- den Aufgaben meines Erachtens nicht zielführend über- nehmen . Zum Schluss fordere ich die Bundesregierung auf, sich nicht länger an ihre eingelegten Vorbehalte zu den Artikeln 59 Absatz 2 und 3 zu klammern und die Kon- vention endlich vorbehaltlos zu ratifizieren. Die Bundes- regierung darf nicht länger geflüchteten oder migrierten Frauen und Mädchen, die von häuslicher Gewalt betrof- fen sind oder als Zeuginnen in Strafverfahren aussagen, die Möglichkeit auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht verweigern . Elke Ferner, Parl . Staatssekretärin bei der Bun- desministerin für Familie, Senioren, Frauen und Ju- gend: Ich freue mich sehr, dass wir nun auch endlich in Deutschland die Istanbul-Konvention ratifizieren kön- nen . Deutschland hat bei den Verhandlungen über die Istanbul-Konvention eine treibende Rolle gespielt und das Übereinkommen sofort am Tag der Zeichnungsaufle- gung am 11 . Mai 2011 in Istanbul gezeichnet . Doch ratifizieren konnten wir die Istanbul-Konventi- on bisher nicht, weil die Regelungen der Konvention bis zum Herbst letzten Jahres noch nicht vollständig in nati- onales Recht umgesetzt waren . Dennoch war die Istan- bul-Konvention für die nationale Gleichstellungspolitik ein wertvolles Druckmittel . Nach und nach haben wir die Lücken geschlossen . Die Istanbul-Konvention verlangt ein adäquates Hilfs- und Unterstützungssystem für gewaltbetroffene Frauen. Dazu gehört auch eine Telefonberatung . Artikel 24 der Istanbul-Konvention wurde mit dem bundesweiten Hil- fetelefon „Gewalt gegen Frauen“ 2013 umgesetzt . Das Hilfetelefon ist 24 Stunden entgeltfrei erreichbar, jeden Tag, barrierefrei und mittlerweile in 17 Sprachen . Auch Beratung in Gebärdensprache wird angeboten . Fach- kräfte, durchweg Frauen, leisten am Hilfetelefon eine qualifizierte Erstberatung und vermitteln auf Wunsch zu Einrichtungen am Ort der Anruferin . Zusätzlich gibt es über die Webseite des Hilfetelefons Beratung per E-Mail und im Chat . Bis Ende 2016 hatte das Hilfetelefon über 100 000 Beratungskontakte – von Frauen, die von Ge- walt betroffen sind, von Menschen aus ihrem Umfeld und von Fachkräften aus Hilfe und Beratung . Änderungsbedarf gab es auch bei der Datenerhebung . Artikel 11 der Konvention wurde mit einer geänderten Polizeilichen Kriminalstatistik umgesetzt . Wir haben die Erfassung in der Polizeilichen Kriminalstatistik wei- terentwickelt, sodass Fälle häuslicher Gewalt nun ab- gebildet werden . Dadurch wissen wir, dass allein 2015 104 000 Frauen von häuslicher Gewalt in der Partner- schaft betroffen waren. Fast die Hälfte dieser Frauen leb- te zum Tatzeitpunkt mit dem Tatverdächtigen unter einem Dach . Wir wissen mehr über die Merkmale der Opfer und der Tatverdächtigen und über deren Beziehung . Dadurch lassen sich Fälle häuslicher Gewalt besser identifizieren Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23367 (A) (C) (B) (D) und besser analysieren, um geeignete Maßnahmen für Schutz und Intervention zu treffen. Auch das deutsche Sexualstrafrecht stand einer Rati- fizierung im Wege. Denn Artikel 36 der Istanbul-Kon- vention verlangt, dass alle nichteinvernehmlich sexu- ellen Handlungen unter Strafe gestellt werden . Hier gab es noch Schutzlücken im Sexualstrafrecht: Obwohl nach den Vorgaben der Istanbul-Konvention der Straf- tatbestand erfüllt war, blieben die Täter nach deutschem Strafrecht straffrei. Im letzten Jahr hat der Deutsche Bun- destag mit Zustimmung aller Fraktionen einen Paradig- menwechsel im Strafrecht beschlossen und das Prinzip „Nein heißt Nein“ im deutschen Strafrecht verankert . Dafür möchte ich Ihnen nochmals danken – vor allem den weiblichen Abgeordneten, die sich fraktionsüber- greifend dafür eingesetzt haben . Ich erinnere mich noch gut an die Debatten hier im Bundestag zur Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe . Vor fast 20 Jahren, am 15 . Mai 1997, waren die Mehrheiten knapper . Aber auch 1997 waren es die Frauen, die fraktionsübergreifend die Mehrheit im Bundestag davon überzeugen konnten, dass auch die Vergewaltigung in der Ehe ein Verbrechen ist . Mein besonderer Dank gebührt allerdings der Zivilge- sellschaft und dem Bündnis „Nein heißt Nein“ . Ohne de- ren Unterstützung und ohne die Unterstützung der Sach- verständigen hätten wir die Reform des Sexualstrafrechts nicht hinbekommen . Endlich ist der Wille der Frau ausschlaggebend . End- lich ist es nicht mehr erforderlich, dass zusätzlich eine Gewaltanwendung des Täters hinzukommen muss, damit eine Tat als Vergewaltigung strafbar ist . Wer ein Nein der Frau ignoriert, macht sich strafbar . Strafbar macht sich auch, wer eine Frau überrumpelt . Und es gibt einen Straf- tatbestand der sexuellen Belästigung, mit dem Grapsche- reien bestraft werden können . Die geänderte Gesetzesla- ge wird dazu beitragen, dass sich mehr betroffene Frauen zu einer Anzeige entschließen, dass weniger Strafver- fahren eingestellt werden und dass sexuelle Übergriffe besser geahndet werden können . Dies ist ein historischer Schritt im Kampf gegen sexualisierte Gewalt und für die sexuelle Selbstbestimmung der Frauen . Die Voraussetzungen zur Ratifizierung der Istan- bul-Konvention haben wir erfüllt . Mit dem Gesetz zur Ratifizierung verpflichten wir uns, die geschaffenen Standards im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen dau- erhaft aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln . Denn Gewalt gegen Frauen ist kein Randphänomen. Sie findet mitten in unserer Gesellschaft statt; viele Frauen erlei- den Gewalt, doch viele von ihnen schweigen – aus Angst vor weiterer Gewalt oder aus Angst, dass niemand ihnen glaubt . Bürgerinnen und Bürger können sich bei Klagen in Zukunft vor Gericht direkt auf die Istanbul-Konvention beziehen. Die Ratifizierung der Istanbul-Konvention ist ein wichtiger Meilenstein, aber nicht das Ende des We- ges . Das ist erst dann erreicht, wenn die Forderungen der Istanbul-Konvention nicht nur im Recht, sondern im Alltag Wirklichkeit geworden sind und in der Rechtspre- chung angewandt werden . Dazu ist eine Fortbildung für Angehörige von Justiz, Ermittlungsbehörden und Polizei erforderlich . Das liegt in der Zuständigkeit der Länder, und ich kann diese nur ermutigen, Justiz-, Ermittlungs- und Strafverfolgungsbe- hörden schnell mit den neuen Anforderungen vertraut zu machen . Denn nur wenn Gewalt gegen Frauen erkannt wird, kann sie auch bekämpft und geahndet werden . Die Ratifizierung der Istanbul-Konvention und die sich daraus ergebenden Rechte müssen aber auch in der Bevölkerung bekannt gemacht werden . Nur so können gewaltbetroffene Frauen und Mädchen geschützt werden. Jede Gewalttat ist eine zu viel . Die BVG hier in Berlin hat vor kurzem bereits eine tolle Kampagne zur Bekannt- machung des Prinzips „Nein heißt Nein“ initiiert . Ich hoffe, dass es noch viele solche Kampagnen geben wird. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Ver- arbeitung von Fluggastdaten zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/681 (Fluggastdatengesetz – FlugDaG) (Tagesordnungspunkt 21) Clemens Binninger (CDU/CSU): Mit dem Flug- gastdatengesetz, das wir heute beschließen, setzen wir die EU-Richtlinie über die Verwendung von Fluggastda- tensätzen in nationales Recht um . Luftfahrtunternehmen, Reisebüros und Reiseveran- stalter werden Informationen über ihre Fluggäste – wie Namen, Adresse, Angaben zur Reiseroute und zur Zah- lungsart etc . – an die nationale Fluggastdatenzentralstel- le, in Deutschland das Bundeskriminalamt, übermitteln . Die Zentralstelle gleicht die Fluggastdaten mit bestimm- ten Datenbanken und Kriterien ab, um auf diese Weise Personen zu identifizieren, die mit einer terroristischen Straftat oder mit schweren Kriminalitätsdelikten in Zu- sammenhang stehen könnten . Damit verfügen wir über ein weiteres Instrument im Kampf gegen den internati- onalen Terrorismus und bei der Bekämpfung schwerer Kriminalität . Europäische Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich ist nicht neu . Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden in Europa tauschen Erkenntnisse und Informationen zu verdächtigen Personen regelmäßig aus, wobei ich mir von manchen Mitgliedstaaten deutlich mehr Engagement wünschen würde. Die Erkenntnisse betreffen bei den bereits bestehenden Instrumenten und Einrichtungen je- doch hauptsächlich bereits bekannte Personen . Wir wissen aber, dass die Täter in den Bereichen in- ternationaler Terrorismus und schwere Kriminalität häu- fig von Drittstaaten aus in die Europäische Union und zurück reisen . Sie bewegen sich darüber hinaus oft auch länderübergreifend innerhalb der Europäischen Union selbst . Die Täter sind hochmobil, und sie agieren ver- stärkt deliktübergreifend und international . Es ist daher Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723368 (A) (C) (B) (D) nur konsequent, den zuständigen Behörden die Befugnis- se an die Hand zu geben, die es ihnen ermöglichen, auch solche Personen zu identifizieren, die ihnen bislang noch nicht bekannt waren und die mit einer schweren oder ter- roristischen Straftat in Zusammenhang stehen könnten . Die EU-Richtlinie heute in nationales Recht umzuset- zen, ist daher ein richtiger Schritt . Die genannten Gründe gebieten es auch, über die Richtlinie hinauszugehen und ebenfalls innereuropäische Flüge einzubeziehen . In der Sachverständigenanhörung waren die rechtli- chen Bewertungen – wie zu erwarten war – sehr unter- schiedlich . Stellen die Maßnahmen einen Grundrechts- eingriff dar? Ja. Sind die mit dem Gesetz verfolgten Ziele, nämlich die Verhütung und Verfolgung terroristischer Straftaten und schwerer Kriminalität, weniger gewich- tig? Nein, im Gegenteil! Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und auch des EuGH hat der Staat die grundrechtlich und rechtsstaatlich fundier- te Pflicht, eine effektive Strafverfolgung sicherzustellen und Individualrechte vor den Taten durch Schwerkrimi- nelle und Terroristen zu schützen . Um schließlich noch der zu erwartenden Kritik von- seiten der Opposition bezüglich eines Mangels an Daten- schutz entgegenzutreten: Es besteht einerseits eine enge Zweckbindung für die Verwendung von Fluggastdaten im Rahmen des Fluggastdaten-Informationssystems . Sie dürfen nur zu den im Gesetzentwurf bezeichneten Zwe- cken an die zuständigen deutschen Behörden übermittelt werden . Andererseits werden personenbezogene Daten auch streng geschützt . Daten, die etwa Angaben zur ras- sischen oder ethnischen Herkunft enthalten, zu politi- schen Meinungen, zu religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen, zur sexuellen Orientierung etc ., werden unverzüglich nach ihrem Eingang bei der Fluggastda- tenzentralstelle gelöscht . Darüber hinaus werden die Fluggastdaten, die verwendet werden dürfen, sechs Mo- nate nach der Übermittlung depersonalisiert, sodass die Identität der betroffenen Person nicht mehr festgestellt werden kann bzw . nur dann, wenn der Datenabgleich zur Verhütung oder Verfolgung von terroristischen Straftaten erforderlich und richterlich genehmigt ist . Ehrlicherweise muss man in der Debatte aber darauf hinweisen, dass die Kosten, die unter anderem den deut- schen Behörden entstehen, sehr hoch sind . Allein beim Bundesverwaltungsamt und beim Bundeskriminalamt sind für diese Aufgabe über 500 neue Stellen vorgesehen . Ich rate daher dringend dazu, das Gesetz zu evaluieren, sobald valide Zahlen vorliegen, damit wir auch sicher sagen können, ob der hohe Personalaufwand und der Er- kenntnisgewinn durch die Maßnahme in einem vernünf- tigen Verhältnis stehen . Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU): In zweiter und dritter Lesung beraten wir heute abschließend über das neue Fluggastdatengesetz . Mit diesem Gesetz set- zen wir eine europäische Richtlinie zur Speicherung von Fluggastdaten aus dem letzten Jahr um . Wie die ebenfalls heute beschlossene Novelle des Eu- ropol-Gesetzes ist auch dieses Gesetz ein Baustein, um Terrorismus und Kriminalität in der EU zu bekämpfen . Ich betone dabei ausdrücklich: ein Baustein, denn – und darin sind wir uns, glaube ich, alle einig – Verbrechen werden wir niemals völlig verhindern können . Wir kön- nen es allerdings denen, die Verbrechen begehen, schwe- rer machen . Und schon dies ist aus meiner Sicht ein Fort- schritt . Zudem sind wir es als Politiker den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes schuldig, alles Mögliche zu tun, um Verbrechen zumindest zu erschweren . Mit dem nun zu verabschiedenden Gesetz werden un- sere Sicherheitsbehörden in die Lage versetzt, zukünftig noch besser Passagierlisten mit Fahndungsbeständen ab- zugleichen und, wenn nötig, entsprechend zu reagieren, um zu verhindern, dass verdächtige Personen Deutsch- land verlassen oder nach Deutschland einreisen können . Weiterhin wird es anhand der demnächst vorliegenden Daten möglich sein, kriminellen Netzwerken schneller auf die Spur zu kommen, um so ihrem Treiben ein Ende zu bereiten . In diesem Zusammenhang ist es wichtig, zu erwäh- nen, dass nicht nur die Passagierdaten von Flügen aus Europa und nach Europa ausgewertet werden . Im nun zu beschließenden Gesetz ist von Artikel 2 der EU-Richt- linie Gebrauch gemacht worden, nach dem auch Passa- gierdaten von Flügen innerhalb der EU ausgewertet wer- den können . Aus meiner Sicht ist dies richtig, und man kann sich schon die Frage stellen, warum diese Regelung erst auf Anregung des Europäischen Rates Eingang in die PNR-Richtlinie gefunden hat . Denn Kriminelle und Terroristen reisen ja nicht nur über die Außengrenzen der EU . Sie reisen auch innerhalb der EU, und auch dies muss aus unserer Sicht verhindert werden . Mir ist natürlich bewusst, dass viele Reisende ange- sichts der Sammlung und Auswertung von Millionen von Passagierdaten große Sorgen bezüglich des Datenschut- zes haben . Im vorliegenden Gesetzentwurf ist aus mei- ner Sicht hierzu eine gute Lösung gefunden worden . Die Daten werden beim Bundesverwaltungsamt im Auftrag des BKA gespeichert und nach dessen Weisung verarbei- tet . Erst im Fall einer Übereinstimmung mit Merkmalen, die einen Verdacht begründen, wird dies an das BKA als zuständige Fluggastdatenzentralstelle gemeldet, damit dann aus polizeilicher Sicht entschieden wird, wie weiter zu verfahren ist . Damit ist sichergestellt, dass dem BKA nur solche Personen bekannt werden, bei denen es An- haltspunkte gibt, dass sie eine im Fluggastdatengesetz genannte Straftat begangen haben oder innerhalb eines übersehbaren Zeitraumes begehen werden . Die übrigen Passagierdaten verbleiben beim Bundesverwaltungsamt und werden dem BKA nicht zugänglich gemacht . Im Zusammenhang mit dem Datenschutz möchte ich noch erwähnen, dass in der diesem Gesetz zugrunde lie- genden EU-Richtlinie geregelt ist, dass die gespeicherten Daten sechs Monate nach der Übermittlung anonymisiert werden müssen und sie nur auf richterliche Anordnung wieder mit Namen verknüpft werden können . Nach ins- gesamt fünf Jahren müssen die Daten insgesamt gelöscht werden . Wie ich eingangs schon gesagt habe: Der heute zu be- schließende Gesetzentwurf ist nur ein Baustein, um zu verhindern, dass Verbrecher und Terroristen ihre Taten Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23369 (A) (C) (B) (D) begehen können . Gänzlich verhindern können wir Taten nicht . Dennoch sollten wir keine Möglichkeit außer Acht lassen, es zumindest so schwer wie möglich zu machen, Straftaten zu begehen oder Terroranschläge zu verüben . In diesem Zusammenhang können Passagierdaten wert- voll sein, um dieses Ziel zu erreichen . Daher sollten wir dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht nur zustimmen, weil wir dazu verpflichtet sind, eu- ropäische Vorgaben in deutsches Recht umzusetzen, son- dern weil es ein sinnvoller Schritt ist, um die Sicherheit in Deutschland und Europa zu erhöhen . Wolfgang Gunkel (SPD): Seit fast zwölf Jahren bin ich nun schon Bundestagsabgeordneter, und genauso lan- ge begleiten mich Fluggastdaten . Erst die verschiedenen Abkommen der EU mit den USA, Kanada und Australien und nun europaweit . Wir haben den Gesetzentwurf schon hier im Plenum diskutiert und zu Beginn dieser Woche auch noch eine Expertenanhörung im Innenausschuss durchgeführt . Für mich war diese Anhörung sehr aufschlussreich . Die Punkte, bei denen ich Bauchschmerzen habe, wurden auch von einigen Experten kritisch gesehen . Einige mei- ner Bedenken konnten aber auch ausgeräumt werden . Ein Punkt, den ich schon in meiner ersten Rede er- wähnt habe und bei dem ich weiterhin sehr große Be- denken habe, ist die Weitergabe der Fluggastdaten an Drittländer . Da sehe ich eine Weitergabe von Daten, die unter Umständen völlig zweckentfremdet werden oder ganz anderen datenschutzrechtlichen Standards unterlie- gen, sehr kritisch . Wir haben es einfach nicht mehr in der Hand, was mit unseren Daten passiert . Wer Daten abgibt, hat die Kontrolle darüber verloren . Auch in der Anhörung wurden meine Bedenken nicht ausgeräumt; einige Sachverständige teilten diese . Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entschei- dung zum BKA-Gesetz im Jahr 2016 darauf hingewie- sen, dass eine Übermittlung von Daten ins Ausland dazu führt, dass die Gewährleistungen des Grundgesetzes nach der Übermittlung nicht mehr als solche zur Anwendung gebracht werden können und stattdessen die im Ausland geltenden Standards Anwendung finden. Das Bundes- verfassungsgericht hat deshalb die Datenübertragung an Drittstaaten nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber einige Bedingungen gestellt . So ist die Gewährleistung eines angemessen materiellen datenschutzrechtlichen Niveaus für den Umgang mit den übermittelten Daten im Empfängerstaat geboten . Zwingend auszuschließen ist außerdem die Datenübermittlung an Staaten, wenn zu be- fürchten ist, dass elementare rechtsstaatliche Grundsätze verletzt werden . Keinesfalls darf der Staat seine Hand zu Verletzungen der Menschenwürde reichen . Der Gesetz- entwurf verweist auf das Datenschutzgesetz und auf die Kontrolle durch den Datenschutzbeauftragten des BKA . Das ist richtig und wichtig, aber ich möchte dennoch auf die Wahrung der Standards, die uns das Bundesverfas- sungsgericht mit auf den Weg gegeben hat, hinweisen . Ein weiterer Punkt, den ich bereits in der ersten Le- sung ansprach, war für mich die Erhebung der Daten durch das Bundesverwaltungsamt . Es war für mich nicht verständlich, warum eine weitere Behörde für eine so sensible Aufgabe herangezogen wird . Ich bin dem von der SPD benannten Sachverständigen für die Anhörung im Innenausschuss, Herrn Münch, dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes, dankbar, dass er diese Bedenken in der Anhörung ausräumen konnte . Das Bundesverwal- tungsamt ist auch in anderen Bereichen schon Datenhal- ter für das Bundeskriminalamt und insofern ein bewähr- ter Partner . Es stößt den Abgleich der Daten an, sieht aber die Treffer nicht. Ich gehe davon aus, dass diese gute Zu- sammenarbeit auch bei der Erhebung der Fluggastdaten stattfinden wird. Ein Aspekt, der mir in der Diskussion bisher etwas zu kurz gekommen ist, betrifft die Überprüfung des Flug- gastdatenabkommens zwischen der EU und Kanada durch den Europäischen Gerichtshof . Obwohl der Sach- verhalt nicht unmittelbar vergleichbar ist, finde ich es bedauerlich, dass das Gesetzgebungsverfahren hier ab- geschlossen wurde, bevor es zu einer Entscheidung des EuGH kam . Es wird schon interessant sein, zu erfahren, für wie vereinbar mit der Grundrechtecharta der EU der EuGH das Abkommen mit Kanada halten wird . Der Ge- neralanwalt beim EuGH zweifelte eine Vereinbarkeit mit dem Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre bei seinem Schlussvortrag zu dem Abkommen im September des vergangenen Jahres an . Wir diskutieren hier eine Vorlage aus Brüssel, und wir sind verpflichtet, die Richtlinie umzusetzen; insofern ist unser Gestaltungsspielraum nicht allzu groß . Ich erkenne an, dass sich der Gesetzentwurf stark an der Richtlinie orientiert . Ich hätte es aber gern gesehen, wenn man das Gesetz nicht auf innereuropäische Flüge ausgedehnt hätte . Die- se Variante war optional, und nach meinem Empfinden wäre es völlig ausreichend gewesen, wenn wir uns auf Flüge von einem Mitgliedstaat in einen Drittstaat oder umgekehrt beschränkt hätten . Gleichzeitig begrüße ich es, dass es keine weiter ge- henden Verschärfungen oder etwa eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches auf Züge wie etwa in Belgien gibt . Eine völlige Überwachung aller Reisebewegungen innerhalb der EU ist doch völlig utopisch und mit dem Gedanken der Freiheit, der für mich die EU sehr stark ausmacht, unvereinbar . Ich habe einige Kritikpunkte genannt; aber mir ist auch klar, dass wir nicht umhinkommen, angesichts der stei- genden Gefahr durch islamistischen Terror zu handeln . Die Speicherung von Fluggastdaten und somit die Kon- trolle von Gefährdern und das Herausarbeiten von Mus- tern können dafür geeignete Bausteine sein . Ich werde aufmerksam verfolgen, welche Bedrohungen verhindert und welche Fahndungserfolge durch die Speicherung und Bewertung aller Fluggastdaten eintreten werden . Die SPD-Bundestagsfraktion stimmt dem Gesetzent- wurf zu . Martina Renner (DIE LINKE): Auch dieser von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf reiht sich ein Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723370 (A) (C) (B) (D) in die Reihe jener Antiterrorgesetze, die über die rech- te Leitplanke der Verfassungsmäßigkeit hinausschießen und nicht nur daran entlangschrammen . Erneut ein Gesetz mit Mindesthaltbarkeitsdatum . Wer sich die Messlatten der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Vorratsdatenrichtlinie oder des Bundes- verfassungsgerichts zur Rasterfahndung anschaut, der weiß: Dieses Gesetz wird nicht bestehen . Die Gründe dafür sind: Mit dem Gesetzentwurf wird das BKA im Verbund mit dem Bundesverwaltungsamt zur anlasslosen Erhebung, Speicherung, Rasterung der Daten von jährlich circa 170 Millionen Menschen ermächtigt . Bis zu 60 Einzelda- ten sollen verdachtsunabhängig gesammelt und für fünf bis zu 15 Jahre lang gespeichert werden . Hinzu kommt die uferlose Weitergabemöglichkeit der Daten ohne ei- nen konkreten Anhaltspunkt für künftige Straftaten und ohne Zweckbindung auch an ausländische Nachrichten- dienste . Das ist eine verdachts- und anlasslose Massen- datenerhebung und -speicherung! Egal ob ein Flug nur innerhalb der Europäischen Union stattfindet oder in ein Land außerhalb der EU, einziger Anknüpfungspunkt ist eine Flugreise . Dies soll ausreichen, um anhand von Algorithmen und Mustern als Terrorverdächtiger der Zukunft enttarnt zu werden? Wohl kaum . Eher werden unzählige Menschen falschen und abwegigen Verdäch- tigungen ausgesetzt, die zudem heimlich und ohne ihr Wissen durch ganz Europa verbreitet werden . Problematisch ist weiter, welche Fülle an Informatio- nen dem BKA für die Rasterung zur Verfügung gestellt werden soll . Dazu gehören nicht nur Namen und ähnli- che Daten . Zahlungsinformationen, genutzte Buchungs- portale und nicht zuletzt ein Freifeld . Welche sensiblen Daten in diesem Freifeld eingetragen werden können, kann kaum begrenzt oder ernsthaft datenschutzrechtlich geprüft werden . Am Ende kann dort vermerkt sein, wel- che Tageszeitung ich mit habe oder ob ich ein Kopftuch trage . Welche Anhaltspunkte sich daraus für die Raste- rung geben, ist völlig unklar und nicht erkennbar . Die Richtlinie sollte eigentlich dazu dienen, „auslän- dische Kämpfer“, die nach Syrien und in den Irak bzw . wieder nach Europa zurückkehren, zu finden. So wurde es nach dem EU-Gipfel im August 2014 verkündet . Wie dieses Ziel mit den Daten von Urlaubsreisenden auf die Kanaren, nach Athen oder Rom erreicht werden kann, bleibt ein Geheimnis der Big-Brother-Fraktion im Bun- desinnenministerium und in der Großen Koalition . Noch 2011 war die damalige Bundesregierung selbst gegen die Aufnahme von innereuropäischen Flügen in eine Da- tenbank. Aber die Verlockungen des unerschöpflichen Heuhaufens zur Datenauswertung waren wohl zu groß . Erst mal alles speichern und rastern . Den Bürgerinnen und Bürgern wird ein angeblicher Mehrwert an Sicher- heit verkauft . Dass damit tatsächlich Straftaten verhütet werden, erscheint kaum vorstellbar und konnte auch vom BKA in der Anhörung des Innenausschusses nicht an ei- nem einzigen Fall aus den Ländern mit entsprechender Praxis belegt werden . Immer wieder ist zu hören, dass beispielsweise das Bundeskriminalamt kaum in der Lage sei, die Vielzahl von Verfahren mit Terrorismus- oder OK-Bezug noch zu bewältigen . Wären dann die 200 Stellen für die geplan- ten zwei neuen Referate nicht sinnvoller dafür eingesetzt, die bereits vorhandenen Aufgaben zu bewältigen? Dann würde vielleicht eine Liste mit Besitzern kinderporno- grafischer Bilder nicht monatelang ungesichtet und unbe- arbeitet herumliegen . Oder die Hinweise auf Aktivitäten der Mafia oder rechtsterroristischer Gruppen in Deutsch- land mit Nachdruck untersucht . Das wäre allemal zweck- dienlicher, als unbescholtene Bürgerinnen und Bürger zu Verdächtigen zu machen . Das würde die Sicherheit in Deutschland tatsächlich verbessern! Die Fraktion Die Linke lehnt deshalb den Gesetzent- wurf zur Fluggastdatenspeicherung ab . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): In die Flut von Gesetzen, welche die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik schüt- zen und die Gefahren des internationalen Terrorismus be- kämpfen sollen, reiht sich nun auch die Umsetzung der Richtlinie über die Verarbeitung von Fluggastdaten ein . Nach ihrem Willen sollen die Fluggastdaten von al- len Flugreisenden, die in und aus der EU ein- und aus- reisen oder innerhalb der EU eine Flugreise antreten, gespeichert werden . Dienen soll dies der Verhütung, Aufdeckung, Ermittlung und Verfolgung von terroristi- schen Straftaten und schwerer Kriminalität . Ziel ist es, durch die Einführung einer Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten nicht nur bekannte, sondern auch „bisher unbekannte Verdächtige“ zu identifizieren. So weit die bekannte Datensammelwut der großkoalitionären Bun- desregierung . Aber um die Fragwürdigkeit und Absurdität dessen, dass Sie heute hier diesen Gesetzentwurf verabschieden wollen, muss man sich seine Genese in Brüssel verdeut- lichen . Es handelt sich um die Umsetzung einer Richtlinie, die bereits einmal auf europäischer Ebene gestoppt wur- de . Der LIBE-Ausschuss des Europäischen Parlaments hatte sie damals zurückgewiesen . Auch die juristischen Dienste sowohl des Rates der EU als auch des Europä- ischen Parlaments hielten sie für rechtswidrig . Aus die- sem Grund wurde sie erst in einem zweiten Anlauf 2016 verabschiedet . Aber die Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit den eu- ropäischen und deutschen Grundrechten bleiben . Denn nach Artikel 16 Absatz 1 AEUV und Artikel 8 Absatz 1 der EU-Grundrechtecharta hat jede Person das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Da- ten . Dieses Grundrecht darf nach Artikel 52 Absatz 1 der EU-Grundrechtecharta nur eingeschränkt werden, wenn die gesetzliche Regelung den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achtet . Zudem bedarf es bei der Einschränkung der Wahrung des Grundsatzes der Ver- hältnismäßigkeit . Dies bedeutet, eine sie einschränkende Regelung muss erforderlich sein und den von der Union anerkannten, dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23371 (A) (C) (B) (D) Dies ist aber bei der massenhaften und völlig anlass- und verdachtslosen Speicherung der Fluggastdaten von allen Flugreisenden gerade nicht der Fall . Gespeichert werden sollen zig Datenkategorien von allen Bürgerinnen und Bürgern, die in ein Flugzeug steigen, darunter sämtliche Kontaktangaben, Sitzplatz, Gepäck bis hin zur Sachbearbeiterin des Reisebüros . In keiner Weise wird aber in dem Gesetzentwurf festgelegt, weshalb diese Kategorien im Einzelnen für den Zweck der „Verhütung von Straftaten“ – ein denkbar weiter Be- griff, der bereits Fragen hinsichtlich der Normbestimmt- heit aufwirft – notwendig sein sollen . Hinzu kommt, dass es zusätzlich ein „Freitextfeld“ geben soll, bei dem sogar all das gespeichert werden kann, was über diese Katego- rien hinausgeht, und eine gesetzgeberische Bestimmtheit nicht einmal mehr vorgegaukelt wird . Damit werden die Daten von unbescholtenen Bürge- rinnen und Bürgern bis zu fünf Jahre beim Bundeskrimi- nalamt gespeichert, ohne dass diese Bürger irgendeinen anderen Anlass dazu gegeben haben, als in ein Flugzeug zu steigen . Die umfangreiche Fluggastdatenspeicherung geht also bereits deutlich über das Maß hinaus, das zur Verhinderung und Aufdeckung terroristischer Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität erforder- lich ist . Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht einen sogenannten Abgleich mit Mustern vor . Hierbei handelt es sich faktisch um eine Rasterfahndung ohne hinrei- chende Eingriffsschwelle. Die Rasterfahndung aber ist eine polizeiliche Ermittlungsmaßnahme mit besonders hoher Eingriffsintensität: Diejenigen Daten einer großen Menge unverdächtiger Personen werden herausgefiltert, die aus Sicht des BKA für den weiteren Verlauf konven- tioneller Ermittlungen „interessant“ sind, ohne dass ir- gendein Verdacht gegen die Person oder eine konkrete Gefahr besteht . Der Verdacht wird also überhaupt erst durch ein mögliches Muster generiert . Für die Vereinbar- keit einer solchen Maßnahme, die tief in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift, mit dem Grundgesetz bedarf es aber – das hat das Bundesverfas- sungsgericht 2006 entschieden – einer konkreten Gefahr für hochrangige Rechtsgüter wie den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person . Gerade an diese Vorgaben an die Eingriffsschwelle hat sich die Große Koalition in ihrem Gesetzentwurf aber nicht gehalten – mit möglicherweise hochproblemati- schen Konsequenzen und massiven Einschränkungen der Grundrechte auch für unbescholtene Bürgerinnen und Bürger. Denn es ist bei jeder Profiling-Maßnahme immer auch mit „false positive alerts“ zu rechnen und nicht aus- zuschließen, dass die Muster selbst diskriminierend sein können . Nach alledem ist sowohl die Erforderlichkeit der Speicherung einer Vielzahl der vorgesehenen Datenka- tegorien als auch die hinreichende Eingriffsschwelle für den Musterabgleich verfassungs- und europarechtlich bedenklich . Die Möglichkeiten zur Verarbeitung von PNR-Daten über das unbedingt erforderliche Maß hinaus, unabhän- gig von dem Zweck der öffentlichen Sicherheit und der Verhinderung und Aufdeckung terroristischer Straftaten und grenzübergreifender schwerer Kriminalität, hat auch der Generalanwalt beim EuGH Paolo Mengozzi in sei- nem Schlussplädoyer in der Verhandlung des EuGH über das Fluggastdatenabkommen der EU mit Kanada für mit den europäischen Grundrechten unvereinbar bezeichnet . Und ebendies macht die Tatsache, dass wir heute über die Umsetzung dieser Richtlinie zu entscheiden haben, besonders perfide. Denn die Entscheidung des EuGH über das Fluggastdatenabkommen mit Kanada steht unmittelbar bevor . Aus den dargelegten Gründen ist es sehr wahrscheinlich, dass eine Entscheidung die Unvereinbarkeit mit EU-Grundrechten in Teilen erklä- ren wird, welche die Richtlinie und somit auch das hier vorliegende Umsetzungsgesetz unmittelbar betreffen. Sehenden Auges schaffen Sie also ein wahrscheinlich verfassungs- und europarechtswidriges Gesetz, welches die Steuerzahler sage und schreibe 65 Millionen Euro im Jahr und einmalig 78 Millionen Euro kostet und einen tiefen Einschnitt in die Bürgerrechte bedeutet . Und dies übrigens ohne Not – denn die Umsetzungsfrist der Richt- linie endet erst 2018 . Die Entscheidung des EuGH hätte also bequem abgewartet werden können . All dies in Betracht ziehend, kann man Ihnen beim besten Willen keine Fahrlässigkeit mehr unterstellen . Sie wollen Fakten schaffen, ohne Rücksicht auf Verluste. Und nach Ihrer Manier wieder einmal zulasten der Bür- gerrechte . So diskreditiert man einen Rechtsstaat . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Europol-Gesetzes (Tagesordnungs- punkt 22) Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU): Diese No- velle war aufgrund der neuen Europol-Verordnung aus dem vergangenen Jahr, die zum 1 . Mai dieses Jahres in Kraft treten wird, nötig geworden . Es ist aus meiner Sicht erfreulich, dass der Deutsche Bundestag mit der Anpas- sung des Europol-Gesetzes fristgerecht fertig wird . Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen ist auch eine Anregung des Bundesrates aufgegriffen wor- den, welche eine Klarstellung zum Zugriff bzw. zur Zusammenarbeit der Polizeien der Länder und Europol vorsieht . Mit dieser Klarstellung wird eindeutig geregelt, dass auch die Länderpolizeien direkten Zugriff auf den Wissens- und Analyseschatz von Europol bekommen werden . In der europäischen Richtlinie ist ein solcher Zugriff ebenfalls angelegt. In der heutigen Zeit, in der wir alle mobiler werden und immer schneller durch Europa reisen können, ist auch das Verbrechen – gerade das organisierte Verbre- chen – immer mobiler geworden und macht auch an den nationalen Grenzen keinen Halt . Von daher ist es aus Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723372 (A) (C) (B) (D) meiner Sicht wichtig, dass wir auf europäischer Ebene verstärkt zusammenarbeiten . In diesem Zusammenhang spielt Europol eine ent- scheidende Rolle, um dem grenzüberschreitenden Ver- brechen mit möglichst wenig Zeitverlust entgegentreten zu können . Aber auch die Polizeibehörden der Bundes- länder spielen hier eine entscheidende Rolle . Von daher ist die Anregung des Bundesrates zu dieser Klarstellung wichtig und richtig . Wir haben sie daher gerne in die vor- liegende Gesetzesnovelle mit aufgenommen . Zu diesem organisierten Verbrechen gehören aber auch professionelle Schleppernetzwerke . Diese Netz- werke agieren nicht aus reiner Menschlichkeit, um den Flüchtlingen einen gut organisierten Weg in die EU zu ebnen . Nein, hier geht es um das ganz große Geschäft auf dem Rücken von Menschen, deren Flucht ich zuwei- len auch nachvollziehen kann . Gerade wenn die Heimat verlassen wird, um vor politischer Verfolgung oder Krieg zu fliehen. Leider wird mit den Einnahmen aus diesem Geschäft aber in der Regel nichts Gutes gemacht. Es fließt zu gro- ßen Teilen in die Taschen einiger weniger Hintermänner, die es für den Ausbau weiterer Geschäfte nutzen, um so ihren persönlichen Reichtum zu mehren, oder sogar Ter- rorismus damit finanzieren. Dies können und dürfen wir nicht zulassen . Daher ist es richtig, dass Europol auch gegen diese Netzwerke vorgeht . Aus diesem Grund, werte Kollegin Jelpke, kann ich auch nicht Ihre Äußerungen in der ersten Lesung zu der vorliegenden Gesetzesnovelle nachvollziehen, in der Sie ein Verständnis für die Arbeit von Schleppernetzwerken haben anklingen lassen . In der im vergangenen Jahr verabschiedeten Euro- pol-Verordnung findet sich auch eine Regelung bezüg- lich der parlamentarischen Kontrolle von Europol . Die nationalen Parlamente und das Europaparlament sollen gemeinsam die Arbeit von Europol kontrollieren . In den vergangenen Wochen haben wir fraktionsübergreifend – zusammen mit dem Bundesrat – an einer gemeinsamen Position bezüglich der Zusammensetzung und Arbeits- weise dieses Kontrollgremiums gearbeitet . Dies war nicht einfach, aber vieles von dem, was uns in Deutsch- land wichtig war, konnten wir auf europäischer Ebene auch durchsetzen . Das nun Erreichte wird sicherlich auch für eine zu- künftige Zusammenarbeit der Parlamente auf europäi- scher Ebene wegweisend sein . Gerade in einer Zeit der Europa-Skepsis und des Brexits ist diese Zusammenar- beit wichtig, damit niemand das Gefühl hat, dass über seinen Kopf hinweg entschieden wird . Die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes erwarten, dass wir für die Si- cherheit in Deutschland arbeiten. Dies schaffen wir aber nur, wenn wir über die nationalen Grenzen hinweg in Europa kooperieren . Ein wichtiges Instrument für diese Kooperation im Kampf gegen Verbrechen und Terroris- mus ist Europol . Mit der zum 1 . Mai dieses Jahres in Kraft tretenden neuen Europol-Verordnung hat die europäische Ebene geliefert, und nun liegt es an uns, dass wir die Vorausset- zungen auch in Deutschland für einen Erfolg von Euro- pol schaffen. Ich bitte Sie daher, der vorliegenden Geset- zesnovelle die Zustimmung zu geben . Barbara Woltmann (CDU/CSU): Am 1 . Mai 2017 wird die neue europäische Europol-Verordnung, be- schlossen vom Europäischen Parlament und Rat im Jah- re 2016, in Kraft treten . Sie ersetzt bisherige Beschlüsse des Rates von 2009 zur damaligen Errichtung des Euro- päischen Polizeiamtes . Diese neue EU-Verordnung ist in nationales Recht zu übernehmen . Es handelt sich auch nach Aussage des Nationalen Normenkontrollrates um eine Eins-zu-eins- Umsetzung von europäischem Recht in unser nationales Recht . Die CDU/CSU-Fraktion wird daher ihre Zustim- mung zu diesem ersten Gesetz zur Änderung des Euro- pol-Gesetzes geben . Gerade in Zeiten von internationalem Terrorismus und grenzüberschreitender organisierter Kriminalität ist die Stärkung der Sicherheitsarchitektur der Europäischen Union besonders wichtig . Es gilt für den Gesetzgeber, konzentriert und schnell zu handeln . Und das haben wir mit dem Europol-Gesetzentwurf getan . Wenn es um Sicherheit geht, dann bringt Europa ei- nen erheblichen Mehrwert . Wenn wir auf europäischer Ebene besser zusammenarbeiten, führt Europa zu mehr Sicherheit . Die Arbeit von Europol ersetzt natürlich die notwendigen nationalen Maßnahmen nicht, aber sie er- gänzt sie . Aufgrund seiner Stellung im Zentrum der europä- ischen Sicherheitsarchitektur ist Europol in der Lage, spezifische Dienstleistungen zu erbringen. Europol un- terstützt Strafverfolgungsmaßnahmen und ist die zentrale Schaltstelle für Informationen über kriminelle Aktivitä- ten in Europa . Eine der wichtigsten Neuerungen im Eu- ropol-Gesetz ist die Erweiterung und Vereinheitlichung des polizeilichen Informationsaustausches . Dies ermög- licht den Mitgliedstaaten, einen erweiterten Zugang zu Analysedaten zu erhalten . Bislang erhalten die Mitglied- staaten nur die sie selbst betreffenden Analyseberichte. Zukünftig erhalten sie die Befugnis, auf thematische und strategische Analysedaten und auch auf operative Analy- sedaten zuzugreifen . Vor dem Hintergrund der hohen Zahl von Wohnungs- einbrüchen, nicht nur bei uns in Deutschland, sondern auch in unseren Nachbarländern, ist die internationale Zusammenarbeit bei der Erarbeitung von Ermittlungs- ansätzen gegen die Strukturen reisender Täter enorm wichtig . Hier ist beispielsweise die Erhebung, Auswer- tung und Eingabe von Tatortspuren in die polizeilichen Informationssysteme von großer Bedeutung, ohne die die Tatzusammenhänge nicht erkannt werden können . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erhalten die Bundespolizei, der Zollfahndungsdienst und die Länder- polizeien direkten Zugriff auf alle Daten und auf opera- tive Analysedateien bei Europol, und zwar in Form eines Vollzugriffs. Dies erleichtert die Ermittlungsarbeit im- mens, die ja so schnell wie möglich erfolgen soll . Durch einen direkten Zugriff auf das Europol-System durch die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23373 (A) (C) (B) (D) oben genannten Stellen und nicht mehr wie bisher über das BKA werden die Ermittlungsmöglichkeiten der zu- greifenden Stellen erweitert und beschleunigt . Der Zugriff auf Personendaten wird mit dem Ände- rungsgesetz datenschutzrechtlich flankiert. Der Europäi- sche Datenschutzbeauftragte, der zuständig für die Kon- trolle von Europol ist, wird darauf festgelegt, dass er mit den nationalen Kontrollbehörden für den Datenschutz eng zusammenarbeiten muss . Die Datenmenge, die na- tionale Zentralstellen mit Europol bislang austauschen, hat sich in den vergangenen zwei Jahren verzehnfacht . Wir gehen davon aus, dass sich der Datenverkehr mit dem neuen Europol-Gesetz drastisch erhöht . Erwartet werden allein aus der Bundesrepublik 5 000 zusätzliche Abfragen sowie 800 neue Zulieferungen für die Auswer- teschwerpunkte . Wichtig erscheint mir die Einrichtung eines Beirates zu sein, in den Deutschland seine Datenschutzbeauftrag- te entsenden wird . Auch der Europäische Datenschutz- beauftragte wird diesem Gremium angehören . Dem Bundesrat soll die Befugnis eingeräumt werden, einen Vertreter oder eine Vertreterin zu benennen . Die Umsetzung der zum 1 . Mai 2017 wirksam wer- denden Europol-Verordnung ist aufgrund des europäi- schen Rechtsrahmens vorgeschrieben und findet in dem vorliegenden Gesetzentwurf unsere Zustimmung . Die ef- fektive und schnelle Zusammenarbeit der Sicherheitsbe- hörden in der Europäischen Union ist von entscheidender Bedeutung, um unseren Bürgerinnen und Bürgern Schutz vor grenzüberschreitenden international agierenden Ban- den oder Einzeltätern zu gewähren . Susanne Mittag (SPD): Heute haben wir schon ei- nige Gesetze beschlossen, die unsere Sicherheit stärken sollen: das Bundeskriminalamtgesetz, damit unmittelbar verknüpft die Umsetzung der neuen europäischen Richt- linien zum Datenschutz . Diese Gesetze ergänzen sich in der praktischen Umsetzung, organisatorisch und ermitt- lungstechnisch, und wir reagieren damit auf neue Gefah- ren- und Kriminalitätsstrukturen . Mit dem jetzt zu beratenden Gesetz zur Anwendung der EU-Verordnung 2016/7694 – wie es nun nach dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen heißt – pas- sen wir unser deutsches Europol-Gesetz der neuen Eu- ropol-Verordnung an . Wir organisieren dienstlich kurze Wege, damit die deutschen Polizeien den direkten Aus- tausch von Informationen mit Europol nutzen können . Grenzen, seien es zwischen Bundesländern oder Staa- ten, seien es innereuropäische oder außereuropäische, sind keine Hindernisse für Kriminelle und ihre Straftaten . Sie schlagen zu, wo es sich lohnt . Und entziehen sich ger- ne den Ermittlungen durch ein Ausweichen über Grenzen hinweg . Damit müssen sich auch die ermittelnden Poli- zeien über Grenzen hinweg austauschen und kooperieren können . Europol ist dafür ein wichtiger Baustein! In den langen Verhandlungen auf europäischer Ebene wurde das Europäische Polizeiamt neu aufgestellt und gestärkt . Denn wir brauchen einen starken, international sehr guten Polizeipartner, um den Herausforderungen der organisierten Kriminalität und des Terrorismus begegnen zu können . Diese Erkenntnis ist ja nicht erst seit den letz- ten Anschlägen vorhanden . Dabei spielt der Datenaustausch, den Europol zwi- schen den Mitgliedstaaten organisiert, eine herausragen- de Rolle . Darauf werde ich gleich noch eingehen . Aber Europol ist nicht nur eine Sammelstelle für Da- ten, sondern die Ermittler analysieren die Daten, stellen ihre Erkenntnisse den Polizeien zur Verfügung und er- mitteln auch selbst . Ein gutes Beispiel für die erfolgreiche Arbeit von Europol konnten wir in dieser Woche sehen: Bei der gemeinsamen Operation OPSON VI, die Europol mit Interpol in 61 Staaten unternommen hat, wurden knapp 10 000 Tonnen sowie 26 Millionen Liter verfälschte Le- bensmittel durch Polizei, Zoll und die Lebensmittelbe- hörden beschlagnahmt . Ob das gefälschtes Mineralwas- ser in Italien oder mit billigsten Zusatzstoffen gestrecktes Olivenöl in Dänemark oder eben nicht bzw . falsch de- klarierte Nüsse in Deutschland sind: Das organisierte Verbrechen nutzt den freien Warenverkehr in der EU, um sich durch Betrug zu bereichern . Aber es bleibt eben nicht nur bei einem riesigen fi- nanziellen Schaden von geschätzten 230 Millionen Euro für den Verbraucher . Nein, man bedenke nur, was falsch deklarierte Inhaltsstoffe bei Allergikern auslösen kön- nen . Diese Kriminellen nehmen schwerste gesundheitli- che Risiken für ihren Gewinn in Kauf . Gefälschte und verfälschte Waren haben inzwischen einen erheblichen Anteil am Handelsvolumen . Um diese Ermittlungsarbeit aber erledigen zu können, war es nötig, Europol auch in der Informationsverarbei- tung zukunftsfähig zu machen . Deshalb wurden in der Verordnung nicht mehr konkret einzelne IT-Systeme, wie Europol-Informationssystem oder die Arbeitsdatei zu Analysezwecken, benannt . In der neuen Europol-Ver- ordnung wurde die Informationsverarbeitung technik- neutral anhand der Verarbeitungszwecke bestimmt . Also nicht mehr das festgelegte System, bei dem technische Neuerungen dann wieder auch gesetzgeberisch nach- vollzogen werden müssten . Nein, es wurden die Zwecke der Verarbeitung benannt, ohne sich auf die technische Ebene zu begeben, die sich immer wieder ändert durch neue Techniken . Das ist der richtige Weg, führt aber auch dazu, dass wir in Deutschland unseren gesetzlichen Rah- men jetzt anpassen müssen . Die Vielzahl unterschiedlicher Datensysteme ist schon länger als Problem erkannt . Aber nicht nur bei den Syste- men selbst, sondern auch bei den Zugriffsmöglichkeiten wurden Veränderungen vorgenommen: Bisher war das BKA immer die Zentralstelle, über die alle Kommunikation mit Europol laufen musste . Nun können auch die Bundespolizei, das Zollkriminalamt und die Länderpolizeien auf die Daten zugreifen . Das BKA wird aber nicht von den Informationen abgehängt, son- dern bleibt als Zentralstelle weiterhin von herausragen- der Bedeutung . Das haben wir auch im Änderungsantrag zu diesem Gesetzentwurf klargestellt . Im Bundesrat kamen Be- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723374 (A) (C) (B) (D) fürchtungen auf, dass durch das ebenfalls heute verän- derte Bundeskriminalamtgesetz die Länderpolizeien wieder nur in Ausnahmefällen sich direkt an Europol wenden können, um schnell Informationen zu erhalten . Diese Befürchtungen sind unbegründet . Und es ist klar: Wo Sicherheitsbehörden mit teils sehr sensiblen Daten umgehen, braucht es einen guten Da- tenschutz – in Europa und in Deutschland . Deshalb war es auch im Änderungsantrag nötig, zu präzisieren, wie Daten, die von Europol stammen, in das neu zu schaffen- de System des BKA integriert und unter welchen daten- schutzrechtlichen Vorgaben das Ganze stattfinden soll. Wir haben daher festgeschrieben, dass die Berichtigung und Löschung von personenbezogenen Daten sowie die Einschränkung der Verarbeitung künftig unter dem Dach des Bundesdatenschutzgesetzes in der Fassung des Entwurfes zur Anpassung des Datenschutzrechts an die EU-Verordnung 2016/679 und zur Umsetzung der EU-Richtlinie 216/680 geregelt ist . Die Europol-Verordnung tritt schon in der kommen- den Woche, nämlich am 1 . Mai 2017, in Kraft . Durch die enge inhaltliche Verzahnung mit dem neuen BKA-Gesetz und dem ebenfalls heute beschlossenen Bundesdaten- schutzgesetz ist es notwendig, das Inkrafttreten des Eu- ropol-Gesetzes nach hinten zu verschieben . Diese treten nämlich erst am 25 . Mai 2018 in Kraft . Ich denke aber, dass ein guter und effektiver Datenschutz ein etwas spä- teres Nachvollziehen der europäischen Beschlüsse unse- rerseits rechtfertigt und die Rechtskraft des Europol-Ge- setzes ebenfalls erst zum Mai 2018 eintreten sollte . Deshalb möchte ich Albert Einstein zitieren: „Meine Arbeit ist getan .“ Ulla Jelpke (DIE LINKE): Es geht in dieser Debatte um die Anpassung des deutschen Rechts an die neue Eu- ropol-Verordnung . Ich möchte hier zunächst eines betonen: Die Euro- pol-Verordnung selbst steht in unserem Parlament über- haupt nicht zur Debatte . Sie wurde vom Europaparlament und dem Europäischen Rat, also den Regierungen der Mitgliedstaaten, ausgekungelt; die nationalen Parlamen- te dürfen da gar nicht mitreden . Das ist eines von vielen Beispielen, die Zweifel an der demokratischen Legitima- tion der Europäischen Union säen . Trotzdem ist es mir wichtig, dass auch im Bundestag einmal beschrieben wird, was das Problematische an Eu- ropol ist . Selbstverständlich ist es vom Prinzip her nicht ver- kehrt, vielmehr geboten, dass europäische Polizeien grundsätzlich zusammenarbeiten – Kriminelle machen ja an den Grenzen auch nicht halt . Nur: Die Art und Weise, wie das geschieht, geht eindeutig auf Kosten der Grund- und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger . Denn Europol erhält immer mehr Kompetenzen, ohne dass der Datenschutz damit Schritt hält . Wir können ja schon froh sein, dass Europol jetzt – jetzt erst! – wenigs- tens grundsätzlich einer parlamentarischen Kontrolle durchs Europaparlament unterzogen wird . Allerdings: Während die Europol-Verordnung Anfang Mai dieses Jahres wirksam wird, ist das Datenschutzreglement nach wie vor nicht festgelegt. Das zeigt schon die Schiefla- ge, die wir zwischen europäischen Polizeibefugnissen und ihrer Kontrolle haben, und ich sage ganz klar: Einen Polizeiapparat, der außerhalb einer effektiven, auch par- lamentarischen, Kontrolle agiert, den wollen wir nicht, weil das mit dem Schutz unserer freiheitlichen Gesell- schaft nichts mehr zu tun hat . Ich nenne dafür nur einige Beispiele: Europol hat in jüngster Zeit eine sogenannte Internetmeldestelle aufge- baut . Dort werden jede Menge Daten über „verdächtige“ Internetnutzer, insbesondere wo es um Gewaltverherrli- chung geht, gesammelt . Was als verdächtig gilt, was als Gewaltverherrlichung, das entscheidet Europol selbst bzw . jene nationalen Polizeibehörden, die Europol mit den Daten versorgen . Das Amt darf aber die Daten der Nutzer an die private Wirtschaft, zum Beispiel an Face- book, weitergeben und auf eine „freiwillige“ Löschung des jeweiligen Internetinhaltes drängen . Problematisch daran ist schon, dass Europol quasi exekutive Befugnis- se erhält . Nicht weniger problematisch ist, dass private Unternehmen von der Polizei personengebundene Daten über Verdächtige erhalten sollen . Das hatten wir so noch nie . Doch im vorliegenden Gesetzentwurf wird die damit verbundene Grundrechteproblematik noch nicht einmal angedeutet . Anderes Beispiel: das Europäische Zentrum für Ter- rorismusbekämpfung. Dort werden nach offiziellen An- gaben von Europol jede Menge Informationen zwischen den nationalen Polizeibehörden ausgetauscht . Aber was denn genau? Das bleibt im Dunkeln, ebenso wie die zu- nehmende Kooperation von Europol mit Geheimdiens- ten . Bekannt ist allerdings die Absicht der Kommission, eine Art gemeinsames Zentrum europäischer Polizeibe- hörden und Geheimdienste zu installieren . Dabei haben die verschiedenen Polizeibehörden in Europa ganz verschiedene Befugnisse zur Datenerhe- bung . Wir können diese unterschiedlichen Rechtsgrund- lagen ja gar nicht alle überblicken . Aber bei Europol fließt alles zusammen, und jede andere nationale Polizei- behörde kann diese Daten abrufen . Die Tatsache, dass es in Ländern wie Polen und Portugal Polizeibehörden gibt, die zugleich geheimdienstliche Befugnisse haben, wird dabei überhaupt nicht berücksichtigt . Das Europol-Ge- setz erlaubt in Deutschland künftig nicht nur dem BKA, sondern auch jeder Länderpolizei den Datenabruf, sofern er zur eigenen Aufgabenerfüllung als „erforderlich“ er- achtet wird . Dabei ist es angesichts der realen Gefahren durch Kriminalität nicht verkehrt, den Informationsfluss zwischen den Polizeibehörden zu vereinfachen . Aber es wäre im Interesse des Datenschutzes gewesen, hier we- nigstens klarzustellen: Informationen abrufen dürfen nur solche Organisationseinheiten bei den LKA, die auch selbst in den entsprechenden Bereichen arbeiten, also vereinfacht gesagt: Auf Europol-Daten zu Drogenhan- del greifen nur die Drogendezernate zu und nicht alle anderen, die denken, sie könnten die Daten vielleicht auch ganz gut gebrauchen . Aber eine solche Beschrän- kung fehlt im Gesetz, was erneut zeigt, wie gering hier der Datenschutz geachtet wird und wie einseitig nur auf vermeintliche polizeiliche Effektivität gesetzt wird. Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23375 (A) (C) (B) (D) Wenn künftig auch noch alle Polizeien mit allen Geheimdiensten zusammensitzen und ihre Erkenntnis- se miteinander tauschen, dann wäre dies wirklich ein schwarzes Loch für das Recht auf informationelle Selbst- bestimmung . So ein Europa, ein Europa der totalen Über- wachung, wollen wir nicht! Und noch ein Beispiel: Erst vor wenigen Tagen war in den Medien zu lesen, dass Europol jetzt auch mit dem US-Militär zusammenarbeitet. Man hofft darauf, von dort Informationen aus den diversen Kriegsschauplätzen zu erhalten – DNA-Spuren, Fingerabdrücke usw . Unsere Polizei soll also von völkerrechtswidrigen Kriegen profi- tieren – wollen wir das? Die Linke jedenfalls lehnt diese Entwicklung ab . Ich fasse das einmal zusammen: Europol soll künftig alle Informationen von den europäischen Polizeibehör- den erhalten, die es für nötig hält . Jede Länderpolizei wiederum kann nahezu nach Belieben Informationen von Europol abrufen. Dabei fließen die Ergebnisse polizei- licher und perspektivisch auch geheimdienstlicher und militärischer „Recherche“ zusammen . Und weil wir wis- sen, dass es nichts geschenkt gibt, können wir uns aus- rechnen, dass dieser Datenfluss natürlich auch umgekehrt verläuft: Alles, was bei Europol eingegeben wird, kann am Ende zum Beispiel bei der NSA und dem US-Militär wieder herauskommen . Wenn also ein deutsches Landes- kriminalamt Informationen über einen mutmaßlichen „Gefährder“ an Europol übermittelt – ohne dass über- haupt klar geregelt wäre, was eigentlich einen Gefährder ausmacht –, riskiert es damit, dass die CIA eine Killer- drohne startet . Das ist unverantwortlich . Es entsteht ein Datenberg, wie wir ihn uns heute noch gar nicht vorstellen können . Die Bürgerinnen und Bürger verlieren vollends die Kontrolle über ihre Daten . Aus diesem Grund haben die linken Parteien im Eu- ropaparlament die Verordnung abgelehnt . Wie eingangs erwähnt, ist der Bundestag in Hinblick auf die Verord- nung gar nicht zustimmungspflichtig. Wir haben hier nur noch über den Vollzug zu beraten . Nach dem, was ich eben geschildert habe, versteht es sich von selbst, dass wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen . Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Über die Neuordnung der polizeilichen Datenstruktur beim Bundeskriminalamt haben wir gerade heute noch im Rahmen der Debatte zu dem Entwurf für ein neues BKA-Gesetz gesprochen . Jetzt soll diese Struktur, de- ren Verfassungskonformität mindestens zweifelhaft ist und die sich noch kein Stück in der Praxis bewährt hat, auch gleich im Europol-Gesetz festgeschrieben werden . Ich finde das falsch! Auf meine schriftliche Frage hat mir die Bundesregierung erst letzte Woche mitgeteilt, dass es beim BKA dazu erst seit wenigen Monaten oder Wochen ein „Vorprojekt“ gibt . Die Pläne haben aber noch nicht „die nötige Reife“, um sie insbesondere mit der Bundes- beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zu erörtern, so die Antwort der Bundesregierung . Warum also diese Eile, zumal die Regelung erst in über einem Jahr in Kraft treten soll? Glauben Sie wirklich, ein zukünftiger Bundestag würde sich einer entsprechenden Anpassung verschließen, wenn das System einmal tat- sächlich umgesetzt sein wird und sich im polizeilichen Alltag bewährt? Oder schätzen Sie die parlamentarische Befassung schlicht so gering, dass es Sie einfach nicht stört, dass wir hier über die Anwendung von etwas ent- scheiden sollen, von dem noch niemand wirklich sagen kann, wie es tatsächlich einmal aussehen soll? Meine Vorstellung von parlamentarischer Demokratie sieht jedenfalls anders aus, und vor allem vermisse ich – gerade in der Innenpolitik dieser Bundesregierung – den Bezug zu Fakten . Deutschland ist ein großer Wissen- schaftsstandort, aber die Sicherheitspolitik tut gerne so, als agiere sie im luftleeren Raum . Was nicht per se alter- nativlos ist, wird behandelt, als gäbe es keine Alternati- ven . Wie eng dieser Blickwinkel in Zeiten der Großen Koalition allgemein geworden ist, erschreckt mich . Europol bietet für die Sicherheitsbehörden in Europa eine gute Möglichkeit, zusammenzuarbeiten und sich zu vernetzen . Wäre es da nicht eigentlich naheliegend gewe- sen, einmal nachzufragen, wie die anderen europäischen Staaten ihre polizeilichen Daten organisieren und diese Schnittstellen zu Europol betreiben? Da das Gesetz in- soweit erst Ende Mai 2018 in Kraft treten soll, bestünde dazu eigentlich auch jetzt noch Zeit . Und überhaupt: Wer kann schon sagen, ob die IT beim BKA in einem Jahr be- reits umgestellt und einsatzbereit ist? Mit Großprojekten ist das ja manchmal so eine Sache . Eines darf dabei aber vor allem nicht aus dem Auge verloren werden: Die Verbesserung der Arbeit der Sicher- heitsbehörden ist eine Daueraufgabe . Die Kooperation in Europa darf auch nicht einen Moment ins Stocken gera- ten . Das erwarten die Menschen – hier und anderswo – zu Recht von dieser und der nächsten Bundesregierung . Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/1148 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 2016 über Maßnahmen zur Gewährleistung eines hohen ge- meinsamen Sicherheitsniveaus von Netz- und In- formationssystemen in der Union (Tagesordnungs- punkt 23) Thomas Jarzombek (CDU/CSU): Ende Novem- ber 2016 gab es den wahrscheinlich zahlenmäßig größten Angriff auf IT-Infrastruktur in Deutschland. Nur mit viel Glück im Unglück sind 900 000 Internetrouter der Deut- schen Telekom nicht Bestandteil eines weltumspannen- den Botnetzes geworden . Daneben gibt es immer wie- der Meldungen zum Verlust von Nutzerdaten bei großen Internetplattformen; Spielzeug überträgt mitgeschnittene Unterhaltungen der Kinder mit einer Spielzeugpuppe an den Hersteller . Die Gefahren aus dem Internet sind allgegenwärtig . Nicht alles ist ein Hackerangriff, nicht immer steckt eine Cyberarmee hinter entwendeten Nutzerdaten . Für alle Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723376 (A) (C) (B) (D) erdenklichen Szenarien gibt es ausreichend Beispiele tat- sächlicher Fälle im Netz . Einen Kulturwandel zu mehr Sicherheit im Internet gibt es aber immer noch nicht . Das weltweit beliebteste Passwort des vergangenen Jahres war „123456“, in Deutschland lagen „hallo“; „passwort“ und „hallo123“ auf den ersten drei Plätzen . Mit der Digitalen Agenda hat sich die Bundesregie- rung im Jahr 2014 vorgenommen, die IT-Sicherheit durch den Ausbau von Partnerschaften mit Betreibern kritischer Infrastrukturen und durch gesetzliche Vorgaben zu Min- destsicherheitsstandards und eine Meldepflicht für erheb- liche IT-Sicherheitsvorfälle im Rahmen eines IT-Sicher- heitsgesetzes zu stärken . Im Rückblick kann man sagen, dass hier nicht nur versprochen, sondern auch geliefert wurde . Natürlich ist es Augenwischerei eine, hundertpro- zentige Sicherheit im Internet zu versprechen; man muss aber den Blick darauf richten: Was ist kritisch, und was ist nicht kritisch? Deutschland war Vorreiter mit dem IT-Sicherheitsge- setz, war Blaupause für europäische Verhandlungen . Die deutsche Position wurde in Verhandlungen auf europäi- scher Ebene erfolgreich eingebracht . Die EU hat mit der NIS-Richtlinie nachgezogen . Das Gesetz erhöht die Sen- sibilität messbar, denn Betreiber kritischer Infrastruktu- ren müssen sich spätestens jetzt auf Mindeststandards verpflichten. Wichtig ist hier immer, dass die Sicherheits- maßnahmen auch immer realistisch sein müssen, der Wi- derspruch zwischen Nutzerkomfort und Sicherheit muss immer wieder neu austariert werden . Es bringt nichts, die Maßnahmen hochzuschrauben, wenn der Nutzer von IT-Infrastruktur sich quasi zum Ausweichen auf unsiche- re Lösungen gezwungen sieht . Das IT-Sicherheitsgesetz hat aber auch konkret das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gestärkt – sowohl finanziell als auch personell. Im letzten Haushaltsjahr gab es insgesamt 88,7 Millio- nen Euro bei 661,5 Planstellen . Das IT-Sicherheitsgesetz war wichtig, um für die Gefahren erfolgreicher Angriffe auf die IT-Systeme kritischer Infrastrukturen zu sensibi- lisieren und auch die Abwehrfähigkeiten zu verbessern . Kritische Infrastrukturen finden sich nicht nur in Atom- kraftwerken und in Wasserwerken, sondern auch der Ausfall von Flughäfen, Krankenhäusern, Banken und Versicherungen kann schwerwiegende Folgen für das Funktionieren unseres Alltags und die öffentliche Sicher- heit haben . Bisher haben wir immer Glück gehabt, wenn Verschlüsselungstrojaner, sogenannte Ransom-Ware, die IT in Krankenhäusern lahmgelegt haben . Zwar muss- ten Operationen verschoben werden, aber es gab keine weiteren lebensbedrohlichen Folgen . Gerade weil es immer wieder diese Beispiele gibt, die zum Glück ohne schwerwiegende Folgen geblieben sind, bin ich mir si- cher, wir haben den richtigen Weg beschritten, und es ist richtig, dass sich die deutschen Vorschriften auch in der NIS-Richtlinie der Europäischen Union wiederfinden. Die betroffenen Anbieter werden verpflichtet, ihre IT-Systeme auf Schwachstellen zu überprüfen und gege- benenfalls zusätzliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen . Außerdem erstreckt sich die Meldepflicht auf Sicher- heitsvorfälle mit erheblichen Auswirkungen, wobei auch anonyme Meldungen erfolgen können, sofern nicht ein Systemausfall droht . Hier zeigen sich deutlich die Paral- lelen zum IT-Sicherheitsgesetz . Ich begrüße außerdem sehr, dass der Bundesminister des Innern Thomas de Maizière das nationale Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/1148 des Europäi- schen Parlaments und des Rates vom 6 . Juli 2016 über Maßnahmen zur Gewährleistung eines hohen gemeinsa- men Sicherheitsniveaus von Netz- und Informationssys- temen in der Union so schnell vorgelegt hat . Das zeigt: Die Sicherheit der kritischen Infrastrukturen in unserem Land hat in diesem Haus eine hohe Bedeutung, und dank des IT-Sicherheitsgesetzes ergibt sich nur ein geringer Anpassungsbedarf für deutsches Recht . Außerdem sollen die von der Richtlinie erfassten Betreiber und Dienstean- bieter so früh wie möglich Rechtssicherheit erhalten . Mit dem neuen § 5a des BSI-Gesetzes werden Unter- stützungsleistungen des BSI zur Wiederherstellung der Sicherheit oder Funktionsfähigkeit von IT-Systemen in herausgehobenen Fällen durch Mobile Incident Respon- se Teams (MIRT) geregelt . In der Vergangenheit haben einige IT-Vorfälle offen gezeigt, dass die betroffenen Unternehmen teilweise nur auf unzureichende Unterstüt- zung zurückgreifen können . Operativ einsetzbare Exper- ten für solche Fälle sind rar . Das Bundesinnenministe- rium und das BSI haben daher an einem Konzept zum Ausbau von Mobile Incident Response Teams (MIRT) beim BSI gearbeitet . Der Bundestag hat dazu bereits ent- sprechende Haushaltsmittel für das laufende Jahr bewil- ligt, jetzt schaffen wir die rechtlichen Voraussetzungen für den Einsatz . Experten aus der Wirtschaft können also mit ihrem Know-how und als zusätzliches Personal zur Verfügung stehen und die Response Teams des BSI un- terstützen . Gelegentlich werden diese Teams als Cyberwehr be- zeichnet . Diese Cyberwehr soll aus freiwillig und kos- tenlos zur Verfügung stehenden Spezialisten von Un- ternehmen bestehen, die bei der schnellen Beseitigung technischer Folgen eines erfolgreichen IT-Angriffs zur Verfügung stehen . Das BSI soll dazu mit entsprechenden Unternehmen Kooperationsvereinbarungen abschließen . Angesichts des hohen Wettbewerbs auf dem Markt von IT-Fachkräften ist das ein nachvollziehbarer Schritt . Gleichzeitig möchte ich hier die Möglichkeit nutzen, mit Befürchtungen und Halbwahrheiten aufzuräumen: Schon jetzt unterliegen nach den geltenden Vorschriften qualifizierte Dritte, die im Auftrag des BSI tätig werden, denselben Vertraulichkeits- und Unabhängigkeitsanfor- derungen wie das BSI selbst . Der heute zu debattierende Gesetzentwurf ist aber mit- nichten nur die Umsetzung der NIS-Richtlinie, sondern er wird durch einen wichtigen Änderungsantrag ergänzt . Die Koalition hat sich darauf verständigt, das Telekom- munikationsgesetz zu ergänzen . Der massenhafte Angriff auf die Internetrouter der Deutschen Telekom Ende November 2016 hat die Bedeu- tung von Maßnahmen zur IT-Sicherheit auch einer brei- ten Öffentlichkeit deutlich gemacht. Leider sind Angriffe von Botnetzen nichts Neues, sie sind aber Anlass zu gro- ßer Sorge. Nicht mehr nur der infizierte Laptop oder PC kann Ausgangspunkt solcher Attacken werden, sondern Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23377 (A) (C) (B) (D) auch IP-Kameras, Drucker mit Internetverbindung, Rou- ter oder andere mehr oder weniger smarte Geräte, die mit dem Internet verbunden sind . Gleichzeitig wird prognos- tiziert, dass die Zahl von Nutzern ohne technische Erfah- rung zunimmt, die Geräte in der Standardkonfiguration ins Netz bringt . Die Gefahren, die aus solchen Botnetzen erwachsen, sind vielfältig. Schon jetzt ein häufiges Pro- blem sind DDoS-Attacken auf Zahlungssysteme, Web- shops oder andere Plattformen . Deshalb ist es richtig, dass wir mit dem Änderungsan- trag neu regeln, wie Internetanbieter zukünftig mit dem Datenverkehr in ihren Netzen umgehen können, um von Netzseite die IT-Sicherheit zu verbessern . Denn nicht nur die Nutzer haben die Verantwortung für ein sicheres Netz . Zukünftig sollen Diensteanbieter Teile des Daten- verkehrs von und zu einem Nutzer, von denen eine Stö- rung ausgeht, zum Zwecke der Information der Nutzer umleiten können (sogenanntes Sinkholing) . So können noch im eigenen Netz Nutzer mit schadhaften Systemen identifiziert und in die Lage versetzt werden, die Störung zu beseitigen . Wird ein Nutzer nicht tätig, soll der Netz- betreiber das Recht erhalten, den Datenverkehr eines Nutzers bei Vorliegen einer Störung einzuschränken, um- zuleiten oder zu unterbinden oder den Datenverkehr zu filtern, um Gefahren, insbesondere für die Verfügbarkeit von Informations- und Kommunikationsdiensten, durch IT-Angriffe abzuwehren. Wir müssen auch nach diesem Gesetz weiterarbeiten . In der nächsten Periode müssen wir den gesetzlichen Rahmen für das Internet of Things verschärfen . Das be- deutet Produkthaftungsregeln für IT-Sicherheitsmängel und Sicherheitsvorgaben für Hard- und Softwareherstel- ler im Internet der Dinge . Leider konnten wir das Thema IT-Produkthaftung in diesem Gesetzgebungsvorhaben nicht mehr aufgreifen, da Teile des Hauses zu der Auffassung gekommen sind, dass dies Gegenstand europäischer Regelungen ist . Ich bedaure das, denn seit Jahren lässt sich ein gewisses Laissez-faire bei bestimmten Herstellern beobachten . Die Cyber-Sicherheitsstrategie der Bundesregierung 2016 stellt daher Vorgaben für eine angemessene Vertei- lung von Verantwortlichkeiten und Sicherheitsrisiken im Netz in Aussicht . Das müssen der neue Bundestag und die nächste Bundesregierung mit der notwendigen Auf- merksamkeit wieder aufgreifen . Ich persönlich kann mir vorstellen, dass hier Schadenersatzansprüche im Rahmen von Rücknahmepflichten der Hersteller diskutiert werden sollten, wenn während des üblichen Nutzungszeitraums eines Produktes keine Sicherheitsupdates mehr zur Ver- fügung gestellt werden oder wenn Hersteller nichts ge- gen bekannte Sicherheitslücken unternehmen . Hier sehe ich klare Defizite. Das muss auf EU-Ebene flankiert wer- den, um verbindliche IT-Sicherheitseigenschaften für in- ternetfähige Produkten zu schaffen. In meinen Augen kann das freiwillige Gütesiegel ein weiterer Schritt zur Verbesserung der IT-Sicherheit sein . In der aktuellen Cyber-Sicherheitsstrategie der Bun- desregierung heißt es deshalb richtigerweise, dass die Sicherheit von IT-Produkten und Dienstleistungen ins- besondere für die Bürgerinnen und Bürger sowie kleine und mittelständische Unternehmen transparenter darge- stellt werden kann . Dazu wird die Bundesregierung ihre Aktivitäten auf dem Gebiet der Gütesiegel und Zertifika- te für IT-Sicherheit ausbauen und geeignete Vorschläge unterbreiten, insbesondere hinsichtlich übergreifender Systeme für die Zertifizierung und einer einheitlichen Kennzeichnung . Die Anwender sollen künftig auf Basis eines einheitlichen Gütesiegels bei der Kaufentscheidung für neue IT-Produkte und bei der Inanspruchnahme ent- sprechender Dienstleistungen leicht und schnell feststel- len können, welches Angebot sicher ausgestaltet ist und hierdurch zum Schutz der Daten beiträgt . Der Hersteller eines IT-Produktes sollte zum Beispiel im Rahmen eines Gütesiegels seinen zukünftigen Umgang mit Sicherheits- updates offenlegen müssen. Cybersicherheit soll dadurch für jedermann verständlicher und leichter realisierbar ge- macht werden . Das erhöht das Vertrauen in die sichere Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft . Marian Wendt (CDU/CSU): Der europäische digitale Binnenmarkt braucht einheitliche Standards für die IT-Si- cherheit . Die Richtlinie (EU) 2016/1148 vom 8 . August 2016 gibt einen einheitlichen europäischen Rechtsrah- men für den EU-weiten Aufbau nationaler Kapazitäten für die Cybersicherheit und eine stärkere Zusammenar- beit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vor . Da- rüber hinaus werden Mindestsicherheitsanforderungen für Netze und Systeme geschaffen und Meldepflichten für Betreiber festgelegt . Ziel unserer Bemühungen insgesamt und dieses Ge- setzes im Besonderen ist, ein hohes Sicherheitsniveau von Netz- und Informationssystemen in Deutschland und der Europäischen Union zu erwirken . Ein solches hohes Niveau kann nicht mit Sonntagsreden und guten Absich- ten erreicht werden . Es muss auch gegen Widerstand er- arbeitet werden . Die Arbeit der Europäischen Union ist auch hier zu loben . Der Gesetzgeber muss für ein Mindestmaß an Si- cherheit sorgen, wo die Hersteller von internetfähigen Geräten sich gegen ausreichende Sicherheitsvorkehrun- gen entscheiden . Die Unternehmen unterliegen einem Zielkonflikt: Sicherheit macht ein Produkt meistens komplizierter, damit auch teurer . Aber tendenziell nutze- runfreundlicher. Diesen Zielkonflikt kann die Wirtschaft bisher nicht zufriedenstellend lösen . Das marktwirt- schaftliche Argument, Kunden würden ein weniger si- cheres Produkt nicht kaufen, zieht nicht . Hersteller haben noch keinen einen eigenen Anreiz, nur Geräte herzustel- len, die einem hohen Sicherheitsstandard entsprechen . Hersteller haben diesen Anreiz nicht, weil die meis- ten Menschen die Folgen ihrer unsicheren Geräte gar nicht direkt zu spüren bekommen . Das Babyphon mit WLAN-Schnittstelle funktioniert zwar, aber dass es im Hintergrund gerade für einen Angriff auf eine Anlage der kritischen Infrastruktur genutzt wird, erfahren die Besit- zer im Normalfall nicht . Hier liegen Haftung und Risiko nicht in einer Hand . Da muss der Gesetzgeber korrigie- rend eingreifen . Auf nationaler Ebene hat die unionsgeführte Bundes- regierung bereits entscheidende Schritte unternommen, die NIS-Richtlinie umzusetzen . Das IT-Sicherheitsge- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723378 (A) (C) (B) (D) setz sorgt für sicherere Einrichtungen der kritischen In- frastruktur, und die Cyber-Sicherheitsstrategie gibt den Rahmen vor für die Absicherung Deutschlands gegen das digitale organisierte Verbrechen . Mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informati- onstechnik, BSI, auf deutscher Ebene und der Europä- ischen Agentur für Netz- und Informationssicherheit, ENISA, auf europäischer Ebene haben wir bereits zwei höchstkompetente staatliche bzw . überstaatliche Stellen . In deren Hand liegt nun nicht nur Beratung, sondern im Falle des BSI aktive Bekämpfung von digitalen Bedro- hungen. Die geschaffenen Mobile Incident Response Teams sind ein Beispiel für koordiniertes Vorgehen des Staates gegen Cybercrime . Sie sollen Unternehmen, die von Angriffen betroffen sind, schnell helfen, die Lage wieder unter Kontrolle zu bringen . Dies ist entscheidend, weil von befallenen Systemen wiederum Gefahr für an- dere Systeme ausgeht . Hervorzuheben ist neben den besonderen Maßnah- men in unserer Sicherheitsarchitektur auch, dass es Diensteanbietern nun ausdrücklich erlaubt ist, Daten- verkehr, von dem eine Störung ausgeht, zu unterbinden . So können Störungen in den Telekommunikations- und Datenverarbeitungssystemen abgewendet werden . Einen entsprechenden Änderungsantrag haben meine Kollegen und ich, nach schwierigen Gesprächen mit der SPD-Sei- te, eingebracht und wollen ihn heute mit beschließen . Wichtig ist meines Erachtens, auf den heute ebenfalls in der Beschlussempfehlung aufgefassten Entschlie- ßungsantrag hinzuweisen . Hier stellen wir noch einmal klar fest, dass grundsätzlich von sämtlichen an das Inter- net angeschlossenen Geräten Gefahren für unsere Tele- kommunikationsnetze und damit für unsere Infrastruktur ausgehen können. Die Anzahl entsprechender Angriffe steigt stetig und wird auf absehbare Zeit nicht kleiner werden . Es ist daher absolut erforderlich, weitere Maß- nahmen zur Erhöhung der IT-Sicherheit vorzunehmen . Darunter sollte den Anbietern von Telekommunikations- dienstleistungen ermöglicht werden, stärker als bisher gegen Störungen und Schadprogramme vorzugehen . Im gleichen Atemzug muss die Sicherheit jedes einzelnen an das Internet angeschlossenen Geräts erhöht werden . Dies soll durch die Schaffung eines freiwilligen Gü- tesiegels erreicht werden . Ein Gütesiegel, das den Men- schen in Deutschland zeigt, welches Produkt ausreichend hohe Sicherheitsstandards erfüllt und welches nicht . Ein solches Gütesiegel würde die ungleiche Verteilung des Wissens, was ein sicheres Produkt ist und was nicht, zu- mindest zum Teil auflösen und so Hersteller motivieren, bessere Geräte zu verkaufen . Insbesondere im Bereich der regelmäßigen Sicherheitsupdates kann ein Gütesiegel Transparenz schaffen. Es ermöglicht sicheres und selbst- bestimmtes Handeln in einer digitalisierten Umgebung . Ein solches Gütesiegel ist bereits in der Cyber-Sicher- heitsstrategie für Deutschland 2016 angelegt . Wichtig ist es, dass ein solches Gütesiegel bedarfsgerecht ausgestal- tet wird . Ein völlig am Markt vorbeidesigntes digitales Produkt wird kein Mensch brauchen, und dementspre- chend wird es die digitale Sicherheit nicht erhöhen . Es muss also von vornherein klar sein, was ein solches Gü- tesiegel leisten kann und was nicht . Ein Gütesiegel muss dem einzelnen Nutzer glaubwürdig vermitteln, dass das jeweilige mit dem Internet verbundene Produkt auch wirklich sicher ist, und dieses Versprechen muss es hal- ten . Die Festlegung von Standards, die Produkte erfüllen müssen, um mit einem Gütesiegel ausgestattet werden zu können, ist ein komplexes Problem . Daher muss dem BSI, dem die Festlegung dieser Standards auf nationa- ler Ebene obliegen sollte, ein entsprechender Ansatz an Stellen und Mitteln zur Verfügung gestellt werden . Ein Gütesiegel ohne glaubwürdige Vergabestelle ist nutzlos, internationale, neueste Standards zu erfassen, und in Vor- gaben für ein Gütesiegel umzusetzen, ist die große He- rausforderung in dieser Sache . Die Errungenschaften einer digitalisierten Gesell- schaft zu nutzen, bringt den Menschen mehr Wohlstand und mehr Freiheit . Freiheit geht aber nicht ohne Sicher- heit . Diese Sicherheit gibt es nur, wenn sich die Unkultur der Nachlässigkeit im Bereich der IT-Sicherheit ändert . Den großen Schaden, den mangelhafte IT-Sicherheit in der Zukunft anrichten wird, können wir nur abwenden, wenn Verbraucher und Hersteller gemeinsam mit der Politik an besseren Mechanismen arbeiten und Anreize schaffen, dass jeder so sicher wie möglich im Netz ist. Gerold Reichenbach (SPD): 10 660 379 . Dies ist die von dem Unternehmen Check Point ermittelte Anzahl der Hackerangriffe, die allein gestern weltweit stattge- funden hat. Deutschland befindet sich hier zumeist unter den ersten zehn der am meisten attackierten Länder, aber auch der Länder, aus denen Attacken gefahren werden . Dabei handelt es sich oft nicht nur um Server, sondern auch sogenannte Botnetze, also infizierte private Rechner oder andere internetfähige Geräte . Was sagen uns diese Zahlen? Zum einen: Wir haben ein enormes Problem im Bereich der Cyberkriminalität . Zum anderen: Cybersicherheit ist ein Thema, das ganz oben auf der politischen Agenda stehen muss . Das Internet der Dinge hat in einem sehr kurzen Zeit- raum eine enorme Größe erreicht. Selten finden bei die- sen Geräten Softwareupdates statt . Weltweit entstehen so bei Millionen Geräten Sicherheitslücken, die es Krimi- nellen leichtmachen, die Geräte zu kapern . Dieses Pro- blem zeigt, dass wir nicht nur auf gesetzgeberischer Seite im Bereich der Produktsicherheit und der Produkthaf- tung aktiv werden müssen, sondern auch in der Gesamt- bevölkerung über Bildungsmaßnahmen und Kampagnen ein Bewusstsein für die Thematik schaffen müssen: Wer von uns würde permanent die Fenster und Türen seines Hauses oder seiner Wohnung unverschlossen lassen, ins- besondere dann, wenn er wüsste, dass sich in unmittelba- rer Nähe potenzielle Einbrecher aufhalten? Und wer von uns würde den Einbrechern dauerhaften Zugang zur ei- genen Wohnung gewähren? Hier schaltet sich schnell der gesunde Menschenverstand ein, der sagt: Niemals! Hier gibt es ein Bewusstsein für Eigentum, für Privatsphäre und für Eigenverantwortung . In der IT-Welt sieht es jedoch anders aus . Dafür, dass ein unzureichend geschützter IT-fähiger Fernseher Kri- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23379 (A) (C) (B) (D) minellen Einblick in das eigene Wohnzimmer gewähren kann oder dass unzureichend geschützte IT-fähige Baby- phones, Kühlschränke und Waschmaschinen von Krimi- nellen gehackt und vom Besitzer unbemerkt über Wochen und Monate gekapert und für den Aufbau eines Botnetzes zum Angriff auf kritische Infrastrukturen wie beispiels- weise die Stromversorgung genutzt werden können, ist die allgemeine Bewusstseinslage noch sehr gering . So werden Massenwaren, die von jeder Privatperson gekauft werden können, leichtfertig zu einer Gefährdungsquelle der öffentlichen Sicherheit. Ein Schritt, um das Bewusst- sein für dieses Problem zu erhöhen, ist die Einführung eines IT-Gütesiegels, das dem Verbraucher Orientierung mit Blick auf den Sicherheitsaspekt beim Kauf von IT-fä- higen Produkten bietet. Wir benötigen Eingriffsbefugnis- se für die Provider, um Gefahren erkennen und abwehren zu können, und wir benötigen Produkthaftungsregeln in diesem Bereich, um Hersteller zur Erhöhung der Sicher- heitsstandards ihrer Produkte zu bewegen . Zumindest in Teilen konnten einige dieser Aspekte im Zuge des Um- setzungsgesetzes der Richtlinie zur Gewährleistung eines hohen gemeinsamen Sicherheitsniveaus von Netz- und Informationssystemen in der Europäischen Union, kurz NIS-Richtlinie, über welches wir heute in zweiter und dritter Lesung beraten, angegangen werden . Wir haben mit dem IT-Sicherheitsgesetz 2015 bereits viel erreicht . Gleichzeitig sind weiterführende Maßnah- men wie die im NIS-Richtlinien-Umsetzungsgesetz und unseren Anträgen nötig, da das Problem, wie die eingangs angeführten Zahlen eindrucksvoll belegen, ein globales Problem ist . Eine engere Abstimmung auf europäischer Ebene ist daher ein wichtiger und richtiger Schritt . Die NIS-Richtlinie bildet die Grundlage für einen einheit- lichen europäischen Rechtsrahmen, einen EU-weiten Ausbau nationaler Kapazitäten für die Cybersicherheit und eine stärkere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in diesem Bereich . Es werden außerdem Mindestanfor- derungen und Meldepflichten nicht nur für die Betreiber wesentlicher Dienste, also für Betreiber kritischer In- frastrukturen, sondern auch für die Betreiber bestimmter digitaler Dienste geschaffen, also für Unternehmen, die Cloud-Services, Onlinemarktplätze oder auch Online- suchmaschinen anbieten . Unseren Änderungsantrag zum Umsetzungsgesetz sowie den Antrag zum Gütesiegel sehen wir als eine notwendige Ergänzung, um die IT-Sicherheit in Deutsch- land und der Europäischen Union zu erhöhen . In einem im Innenausschuss von den Koalitionsfraktionen parallel zum Änderungsantrag verabschiedeten Antrag fordern wir die Bundesregierung auf, ein Gütesiegel in Abstim- mung mit Verbraucherschützern, Wirtschaftsvertretern, IT-Sicherheitsexperten und Gewerkschaften auszuar- beiten und sich auf europäischer Ebene für verbindliche Anforderungen an IT-Sicherheitseigenschaften von in- ternetfähigen Produkten einzusetzen . Denn nur sichere IT-fähige Produkte, deren Verbreitung durch ein IT-Gü- tesiegel und durch eine Produkthaftungskette gefördert werden können, könnten langfristig die Cybersicherheit in Deutschland erhöhen und das geschilderte Problem einzudämmen helfen . Hierfür bedarf es Regelungen auf Ebene der EU sowie langfristig auch auf internationaler Ebene . Denn weder das Internet noch der Handel enden heute an nationalen Grenzen . Mit dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung nehmen wir weitere Schritte zur Erhöhung der IT-Sicherheit vor . Im Bereich der Meldepflichten führen wir die doppelte Meldepflicht von Sicherheitsvorfällen ein: die Meldung an die Bundesnetzagentur (BNetzA) und an das Bun- desamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) . Aktuelle Cyberangriffe im Telekommunikationsbereich haben gezeigt, dass die Meldewege von der Bundesnetz- agentur zum BSI bei Vorfällen in Telekommunikations- netzen nicht mehr gerecht werden . Durch die parallele Meldung wird es dem BSI ermöglicht, seine Ressourcen und Kompetenzen zeitnah und besser einzusetzen . Aus den Sicherheitsvorfällen der vergangenen Monate haben wir darüber hinaus weitere Lehren gezogen und die Befugnisse von Anbietern von Telekommunikations- diensten zur Abwehr oder Beseitigung von erheblichen Störungen auf rechtssicheren Boden gestellt . Unter sehr engen Vorgaben werden Anbieter nun befugt, Netzwerk- daten zu analysieren, um Angriffswellen und gravierende Folgeschäden einzudämmen sowie Angriffe erkennen und abwehren zu können . Kommunikationsinhalte blei- ben hiervon unberührt . Entgegen mancher Spekulation im Vorfeld handelt es sich hierbei folglich auch um kei- ne Light-Version von Deep Packet Inspection . Hier gilt die Koalitionsvereinbarung . Im Gegenteil, wir haben im Gesetzeswortlaut deutlich formuliert, dass es sich ledig- lich um solche Netzwerkprotokolldaten handeln darf, die unabhängig vom Inhalt eines Kommunikationsvorganges übertragen werden, und dass der Zugriff auf Inhaltsdaten vollständig ausgeschlossen ist . DPI geht so in keinem Fall . Zur Abwehr von Attacken ist es zwingend erfor- derlich, die Netzwerkprotokolldateien zu analysieren . Entscheidend ist, dass dies die Ausnahme und nicht die Regel ist, dass also konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die eine solche Analyse zwingend erforderlich machen . Aber dieser Zugriff auf Netzwerkprotokolldaten muss im Bereich der Abwehr von Angriffen erlaubt sein, sonst kann man keine Angriffe und Muster erkennen und alle Cyberabwehr vergessen . Die Gewährleistung von Notrufverbindungen bleibt von den neuen Eingriffsbefugnissen der Diensteanbieter unberührt . Der Diensteanbieter hat weiterhin alle erfor- derlichen Maßnahmen zu treffen, damit Notrufverbin- dungen jederzeit möglich sind . Die Entwicklungen in unserer extrem verwundbaren IT-basierten Lebenswelt sind rasant schnell, und täglich nimmt die Zahl der Hackerangriffe zu. Da zunehmend al- les mit allem vernetzt ist – Stichwort Internet der Dinge, Internet of Things, IoT –, stellt sich immer drängender die Frage, wie die IT-Sicherheit der vernetzten Dinge si- chergestellt werden kann und wer in der Haftung ist . Wir dürfen uns daher nicht ausruhen . Die Bundesregierung sollte gesetzgeberische Maßnahmen zur Produkthaftung und die Einführung eines verlässlichen Gütesiegels weit oben auf die Agenda setzen und hier auch in Europa mit gutem Beispiel vorangehen . Der vorliegende Gesetzent- wurf der Bundesregierung sowie Änderungsantrag und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723380 (A) (C) (B) (D) Antrag bieten hierfür eine gute Grundlage, die als Aus- gangspunkt für weiter gehende gesetzgeberische Maß- nahmen auf EU-Ebene genutzt werden sollte . Martina Renner (DIE LINKE): Die Sicherheit der Informationstechnologie ist eine wichtige Aufgabe, die nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa und weltweit seit Jahren an Bedeutung gewinnt . Aufgrund der fortschreitenden Vernetzung durch Smartphones, IP-Te- lefonie, der Digitalisierung von Arbeit und Leben und des Internets der Dinge ist Politik gefordert . Es besteht eine staatliche Schutzpflicht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, die sich nicht in der Einrichtung eines Cy- berabwehrzentrums, eines Cyber-Sicherheitsrates oder Meldepflichten für kritische Infrastrukturen erschöpft. Und schon gar nicht durch das ständige Wiederholen von Cyber, Cyber, Cyber . Tatsächlich ist dem vorgelegten Entwurf zur Um- setzung der Richtlinie zur Verbesserung der Netz- und Informationssicherheit anzumerken, dass Deutschland nicht – wie der Kollege Binninger in der ersten Beratung behauptete – vorangegangen ist . Die Bundesregierung hechelt hinterher! Der Gesetzentwurf zum Umsetzungsgesetz bleibt so- wohl in der Definition als auch in der Konkretisierung der Anforderungen für digitale Diensteanbieter weiter- hin völlig unbestimmt . Im Zweifel müssten sich diese Anbieter sowohl an die Regelungen für Anbieter von Telemediendiensten als auch für Anbieter von „digita- len Diensten“ halten . Eine solche Doppelregulierung und unklare Sicherheitspflichten für die Anbieter stärken die Netz- und Informationssicherheit im Ergebnis nicht . Eine nicht eindeutige Regelung widerspricht vielmehr dem Zweck der Richtlinie . Netz- und Informationssi- cherheit werden nicht erhöht, sondern Schlupflöcher geschaffen. Niemandem, weder den Verbrauchern noch den Anbietern, ist damit gedient . Der Systematisierung der IT-Sicherheitspflichten für alle Anbieter und Dienste geht die Bundesregierung aus dem Weg . Tatsächlich sind die Sicherheitsanforderungen von Telekommunikations- netzen, Telemediendiensten, den sogenannten wesentli- chen Diensten, den Vertrauensdiensten und den digitalen Diensten aufgesplittert . Dieses Manko wird nicht durch das vorliegende Umsetzungsgesetz beseitigt . Mittels Änderungsantrag hat die Große Koalition zwischenzeitlich eine begleitende Ergänzung des Te- lekommunikationsgesetzes auf den Weg gebracht . Zur Begründung wird angeführt, dass Telekommunikations- anbieter neben den Bestandsdaten bei einer Störung auch die sogenannten Steuerungsdaten auswerten müssten . Allerdings ist auch dieser Vorschlag viel zu unbestimmt . Tatsächlich wird hier der Weg freigemacht, um bei spä- teren Gesetzänderungen draufsatteln zu können . Dass die Diensteanbieter gehalten sind, Störungen und deren Ursachen zu analysieren, ist das eine . Dass aber dabei aber die Möglichkeit eröffnet wird, die Steuerungsdaten auch für künftige Analysen greifbar zu machen, ist mit dem Datenschutz nicht vereinbar . Der Ausschluss der In- haltsdaten dient hierbei nur der Kosmetik. Der Zugriff auf die Steuerungsdaten erlaubt im Zusammenspiel mit den Bestandsdaten weitreichende Analysen der Betreiber und der Behörden . Anders als behauptet wird das Bundesamt für Sicher- heit in der Informationstechnik (BSI) nicht etwa für die kommenden Entwicklungen gerüstet . Tatsächlich wird das BSI weiter zu einer operativen Behörde ausgebaut . Demgegenüber bleibt der Geburtsfehler der Behörde bestehen, denn sie wird institutionell nicht gestärkt . Das BSI bleibt dem Bundesinnenministerium unterstellt . Sei- ne Unabhängigkeit ist also nicht gewährleistet . Die Sen- sibilität der beim BSI gesammelten Informationen über Sicherheitslücken und -strukturen sowie der Umgang mit persönlichen Daten aus Unternehmen und von Pri- vatpersonen erfordert aber zwingend, es als unabhängige Bundesbehörde mit unzweideutigem Sicherheitsauftrag aufzustellen . Nur so kann das unklare Verhältnis des BSI zu den polizeilichen Sicherheitsbehörden und den Geheimdiensten beseitigt werden . Es braucht diese kla- ren Zuständigkeiten . Andernfalls droht der Sicherheits- auftrag des BSI durch die intensive Zusammenarbeit mit BND, BfV und MAD national über das Cyber-Ab- wehrzentrum oder international in der Kooperation mit der NSA ins Leere zu laufen . Erst recht, wenn die Ge- heimdienste gleichzeitig Sicherheitslücken einkaufen oder erforschen, wie mit der Behörde ZITiS geplant . Das Vertrauensproblem in Bezug auf die für IT-Sicherheit hauptsächlich zuständige Bundesbehörde BSI wird auf diese Weise nicht gelöst . Schließlich verzichtet die Bundesregierung erneut darauf, Regelungen zur Produktsicherheit und Produkt- haftung für IT-Produkte und IT-Dienste einzuführen . Schon bei Verabschiedung des IT-Sicherheitsgesetzes 2015 wurde dies versäumt und bis heute nicht nachge- holt . Ausgangspunkt von Sicherheitsproblemen aber sind in den allermeisten Fällen Sicherheitslücken in der ein- gesetzten Software . Aber auch Router und vernetzte Ge- räte sind eine besondere Gefahrenquelle . Zum Kern des Problems in der IT-Sicherheit vorzudringen, heißt daher, Haftungsverschärfungen für IT-Sicherheitsmängel im IT-Sicherheitsrecht aufzunehmen . Da entsprechende Re- gelungen fehlen, springt das Umsetzungsgesetz zu kurz . Die fehlenden Verschärfungen im IT-Sicherheitsrecht und die Zersplitterung der Sicherheitsanforderung zeigen einmal mehr, dass die Bundesregierung keineswegs vor- angeht, sondern Bruchstücke zur Strategie verklärt . Aus diesen Gründen werden wir dem Umsetzungs- gesetz im Ergebnis nicht zustimmen und den Gesetzent- wurf ablehnen . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Nahezu wöchentlich häufen sich die Meldungen über Hacking-Angriffe auf den Bundestag, auf kleinere und größere Unternehmen mit teils umfangreichen Kun- dendatenbanken, auf Krankenhäuser oder auch immer öfter auf vernetzte Geräte in Küche und Kinderzimmer: All das macht deutlich, dass die Sicherheit im Digitalen zu einer zentralen Herausforderung unserer Infrastruk- turen und Kommunikationssysteme geworden ist, und zwar in so gut wie jedem Lebens-, Gesellschafts- und Wirtschaftsbereich . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23381 (A) (C) (B) (D) Angesichts dieser vielfachen systemischen Risiken in einer immer vernetzteren Welt besteht ein enormer Hand- lungsdruck. Scheinbar simple Programmier- und Konfi- gurationsfehler in Produkten, bei Diensten und Dienst- leistungen können weitreichende Folgen für die gesamte Bevölkerung haben . Potenziell jedes System kann von staatlichen wie nichtstaatlichen Akteuren gehackt und zum Ziel von Überwachung, Kriminalität oder militäri- schen Strategien werden . Die Sicherheit im Digitalen ist somit heute eine wesentliche Bedingung unserer grund- rechtlichen Freiheiten, unserer verfassungsrechtlichen Ordnung sowie der völkerrechtlichen Friedensordnung . IT-Sicherheit geht mithin uns alle an, der entsprechen- de Schutz steht uns allen zu – und nicht nur kritischen Infrastrukturen und strategischen Zielen . Zu oft wird die Debatte um Cyberwar auf militärische Eskalationsszena- rien und kritische Infrastrukturen verengt . Gerade hier darf die Verantwortung zum Selbstschutz nicht allein auf die einfachen Endnutzerinnen und -nutzer oder auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen abgewälzt werden . Dem Staat kommt eine direkt aus unserer Ver- fassung abzuleitende Schutzverantwortung zu . Vielmehr ist daher ein ganzheitlicher Ansatz insbesondere auch auf europäischer und internationaler Ebene gefragt . Vielleicht sollte sich die Bundesregierung anlässlich des gestrigen Hochamts auf ihre Digitale Agenda einmal an das eigene Versprechen, Deutschland zum Verschlüs- selungsland Nummer eins zu machen, besinnen – denn genau das wäre eine solche grundlegende Maßnahme, die Sicherheit im Digitalen effektiv für alle anzugehen. Stattdessen ergingen Sie sich während der vergangenen Jahre vornehmlich in Sonntagsreden, nur um dann in eine Art aktionistischen Schweinsgalopp zu verfallen . Ihre immer neuen hochtrabendenden „Strategien“ von wenig Substanz und umso kürzerer Lebensdauer wirken planlos und wenig koordiniert: Man denke nur an das Cyberabwehrzentrum, die fragwürdigen Hacking-Pläne im ZITiS oder zuletzt gar eine private Cyberwehr . Zum überhasteten nationalen Alleingang mit dem IT-Sicher- heitsgesetz komme ich noch im Folgenden . Anstatt aus den Snowden-Enthüllungen gerade mit Blick auf die Sicherheit im Digitalen die eigentlich ja offensichtlich zwingenden Konsequenzen zu ziehen, mussten wir viel eher ein Rollback der Massenüberwa- chung erleben: Mit dem BND-Gesetz wurde diese Pra- xis schlichtweg nachträglich legalisiert . Unkontrollierte Massenüberwachung gefährdet nicht nur unsere Grund- rechte, sie gefährdet auch immer unsere Sicherheit im Digitalen . Umso bezeichnender ist nun, dass Sie dem staatlichen und militärischen Aufrüsten im Digitalen das Wort reden . Weiterhin halten staatliche Stellen Sicher- heitslücken für ihre Überwachungszwecke offen, kaufen gar entsprechendes Wissen auf – anstatt diese zugunsten der Allgemeinheit umgehend bekannt zu geben und zu schließen . Es ist diese Ambivalenz in der Frage der Sicherheit im Digitalen, die leider die noch so überfälligen und in vielem richtigen Ansätze der nun vorliegenden NIS-Um- setzung konterkarieren . Und genau dieses staatliche Überwachungsinteresse überschattet auch die Arbeit des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik . Solange dieses am langen Arm des Innenministers bleibt, wird es bei noch so guter Arbeit kein vertrauenswürdiger, weil unabhängiger und allein der IT-Sicherheit verpflich- teter Akteur werden können . Die weit hinter den Erwar- tungen gebliebenen Meldezahlen zu erfassten Anlagen bzw . Störfällen in jenen Sektoren, die bereits nach dem IT-Sicherheitsgesetz meldepflichtig sind, sprechen hier Bände . Und umso problematischer sind in der vorliegen- den NIS-Umsetzung die schwammigen Datenschutzvor- gaben für die nun noch erweiterten Eingriffsbefugnisse der BSI-Response-Teams . Gerade in einem so sensiblen Bereich wie den kritischen Infrastrukturen stellt sich hier die Frage nach Datenschutz und Fernmeldegeheimnis zu- mal bei personenbezogenen Daten in verschärfter Form . Apropos IT-Sicherheitsgesetz: Obwohl bereits 2015 absehbar war, dass in Bälde mit der NIS-Richtlinie eine weiter gehende Harmonisierung ganz sinnvollerweise auf europäischer Ebene ansteht, mussten Sie entgegen aller Warnungen partout noch mit einem nationalen Schnellschuss vorpreschen . Immerhin wurden nun dank Brüssel mit den ver- schärften Melde- und Auditpflichten auch jene Störfälle erfasst, die wegen ihrer potenziellen System- und Aus- fallrelevanz so sensibel sind, und auch die entsprechen- den ursächlichen Störungsfälle in Gänze meldepflichtig gemacht . Studien zeigen, dass Sicherheitsbeauftragte solcher Infrastrukturen systematisch das eigene Angriffs- risiko unterschätzen – umfassende Kontroll- und Mel- depflicht sind hier dringend angebracht, wie auch ein abgestimmtes Verfahren bei den ja allzu oft länderüber- greifenden Störfällen . Hingegen werden Sie bei den di- gitalen Diensten mit Ihrer rein formalen Umsetzung ein Dickicht überlappender Regelungen schaffen – Rechtssi- cherheit stellt man so nicht her in diesem Bereich . Zudem wird interessanterweise just in eigener Sache, nämlich bei der Nutzung von Cloud-Angeboten durch die öffent- liche Verwaltung, eine Ausnahme gemacht . Und leider haben die Koalitionsfraktionen mit ihrer Änderung einer TKG-Erweiterung kurz vor der Aus- schusssitzung eine gravierende Verschlimmbesserung eingebaut . Es ist ja löblich, wenn Sie mit Blick auf die schon nach geltender Rechtslage weitreichenden Ein- griffsrechte der Anbieter zur Störungsabwehr eine Prä- zisierung vornehmen wollen . Nur sorgen Sie mit dem rechtlich unbestimmten Begriff der Steuerdaten eher für mehr Sorgen vor einer Deep Packet Inspection durch die Hintertür, die eben nicht trennscharf von Kommunika- tionsinhalten erfolgt . Spätestens seit der parlamentari- schen Aufklärung der massenhaften Geheimdienstüber- wachung sollten wir doch wissen, welchen Aussagewert eben gerade jene Verbindungsdaten zum Beispiel aus entsprechenden Protokolldaten haben . Daher haben wir hierzu im Ausschuss wie auch jetzt im Plenum klar Nein gesagt . Auch diese an sich überfällige, aber leider unent- schlossen umgesetzte und zu wenig abgestimmte Re- form wird an der Grundsatzproblematik nichts ändern: Solange die Bundesregierung aufgrund eigener Überwa- chungsinteressen wie auch aufgrund des Lobbydrucks in der Regulierungs- und Haftungsfrage weiterhin so ambi- valent bleibt und einen umfassend entschlossenen Ansatz Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723382 (A) (C) (B) (D) scheut, steht es schlecht bestellt um die Sicherheit im Di- gitalen von uns allen . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuord- nung des Rechts zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung (Tagesordnungs- punkt 24) Stephan Albani (CDU/CSU): Dies ist ein guter Tag für die forschende Wissenschaft! Nach monatelangen zähen Verhandlungen konnten wir erreichen, dass mit unserem Änderungsantrag die deutsche Forschungsland- schaft endlich Fortschritt im Bereich der Genehmigungs- verfahren für Studien mit ionisierender Strahlung im Be- reich der medizinischen Forschung sieht . Nach 15 Jahren Stillstand ist dies ein gutes Ergebnis . Wir beraten hier über die Novellierung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts zum Schutz vor der schädli- chen Wirkung ionisierender Strahlung . Hintergrund hier- bei ist, dass wir einer Umsetzung der Euratom-Grundnor- men in deutsche Rechtsnormen nachkommen wollten, zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber io- nisierender Strahlung zum Schutz des Menschen . Bislang war das Strahlenschutzrecht in der auf dem Atomgesetz basierenden Strahlenschutzverordnung und der Röntgenverordnung geregelt . Wir novellieren also hiermit nicht nur ein vorhandenes Gesetz und wollen bisherige Einzelgesetze zusammenfügen, sondern möch- ten erstmals und grundsätzlich auf Basis von neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen den Einsatz von Stof- fen oder ionisierender Strahlung zur Früherkennung von Krankheiten regeln . Darüber hinaus gilt es ebenso, die Grenzwerte von Verfahren in der Messung und Überprüfung im Zusam- menhang mit Strahlenbelastung zu verbessern . Diese Reformierung ist für die deutsche Forschungslandschaft dringend nötig und längst überfällig . In der Wissenschaft gibt es ja bekanntermaßen keinen Stillstand . Hier hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel getan . So war bislang der Einsatz von Röntgenstrahlung allein für die Früherkennung von Brustkrebs erlaubt . Die neue Rege- lung zur medizinischen Forschung betrifft auch weiterhin nur studienbedingte zusätzliche Strahlenbelastungen und nicht Maßnahmen in der klinischen Routine . Seit dem Jahre 2003 machten medizinische Fachge- sellschaften und Prüfzentren das Bundesministerium für Umwelt wiederholt auf die Problematik aufmerk- sam, dass es im Bereich der Genehmigungsverfahren in der Begleitdiagnostik in Deutschland keine gesetz- lichen Fristen gibt und Anträge teilweise über ein Jahr lang beim Bundesamt für Strahlenschutz liegen bleiben . Dies hatte in der Vergangenheit erhebliche Auswirkun- gen auf unsere Forschungslandschaft, exakt also auf die Gesundheitsforschungsfelder, in denen unser Land heute eine globale Führungsrolle einnimmt . Forschende Phar- maunternehmen in Deutschland können ohne kalkulier- bare Fristen im Strahlenschutz nicht arbeiten . So kam es in den letzten Jahren zu einer stetigen Abwanderung der Phase-1- und Phase-2-Studien ins Ausland . Es führte in der Vergangenheit sogar dazu, dass deutsche Prüfzentren von multinationalen Studien ausgeschlossen wurden . Dies alles gilt es zu verhindern! Stellen Sie sich vor, Sie sind Inhaber eines Logistikunternehmens und auf den täglichen Transport von Waren wirtschaftlich angewie- sen . Sie haben einen Transporter, der zwecks Straßenver- kehrstauglichkeit von einer Prüfstelle (TÜV, DEKRA) abgenommen werden muss . Diese Prüfstelle teilt Ihnen dann jedoch mit, dass sie Ihnen leider nicht sagen kann, ob und wann Sie Ihr Fahrzeug weiter einsetzen können, „sie bräuchten noch mehr Zeit“ und „wissen nicht, wann Sie Ihren Transporter wieder einsetzen dürfen“ . Diesen Zustand gilt es dringend zu verbessern . Das Beispiel zeigt, dass solche Ungewissheiten nicht tragbar sind und zu eklatanten Planungsrisiken nicht zuletzt auch bei den forschenden Unternehmen führen . Aus diesem Grunde ist es wichtig und richtig, dass die CDU/CSU-Fraktion sich der Sache angenommen hat, um nicht nur forschende Unternehmen, sondern auch zahl- reiche Patientenverbände und medizinische Fachgesell- schaften in ihrem drängenden Streben nach der Einfüh- rung eines Anzeigeverfahrens mit verbindlichen Fristen zu unterstützen . Mit Einsatz unserer Fraktion haben wir nicht zuletzt im Jahre 2013 dieses wichtige Vorhaben im Koalitionsvertrag mit auf den Weg gebracht . Und seit- dem nicht lockergelassen! Mit unserem Antrag „Transfer von Forschungser- gebnissen und Innovationen in die Gesundheitsversor- gung beschleunigen“ vom 15 . Dezember 2015 (Druck- sache 18/7044) forderten wir, „bei der Zulassung der Anwendung ionisierender Strahlung am Menschen in der medizinischen Forschung durch das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) für Fälle der sog . Begleitdiagnostik statt des Genehmigungsverfahrens ein Anzeigeverfahren mit verbindlichen Fristen einzuführen“ . Vieler Schreiben an das Bundesumweltministerium hat es bedurft, um den klaren Auftrag aus unserem Antrag in der Bundesregie- rung in eine schnelle Umsetzung zu bringen . Nicht zuletzt die Ergebnisse des Pharmadialogs im April 2016 zeigen, dass dieses drängende Problem im Strahlenschutzgesetz aufgenommen wurde . Genehmigungsverfahren mit verbindlichen Fristen gibt es in vielen Lebensbereichen . Auch für Studien mit Arzneimittel- und Medizinprodukten sind diese vorhan- den . Heute wollen wir analog dazu auch beim Strahlen- schutz für die medizinische Forschung erreichen, dass es zu einer angemessenen Fristenregelung mit radioaktiven Substanzen und ionisierender Strahlung kommt . Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem uns vorlie- genden Gesetzentwurf der Bundesregierung in geänder- ter Fassung . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23383 (A) (C) (B) (D) Oliver Grundmann (CDU/CSU): Nur die Dosis macht das Gift! Diese rund 500 Jahre alte Erkenntnis des berühmten Arztes und Alchemisten Paracelsus ist unverändert gültig – insbesondere bei der radioaktiven Strahlung. Der Begriff „Radioaktivität“ erzeugt bei vie- len Menschen, auch in meinem Wahlkreis Stade und Ro- tenburg, Unbehagen, und von radioaktiven Stoffen aus- gesandte Strahlung wird oft als bedrohlich empfunden . Dabei wird manchmal vergessen, dass jeder Mensch auf der Erde auf natürliche Weise stets und überall der Strah- lung radioaktiver Stoffe ausgesetzt ist. Hinzu kommen künstliche Strahlungsquellen, die in der heutigen Welt nicht mehr wegzudenken sind, zum Beispiel Röntgenun- tersuchungen oder Nutzung radioaktiver Stoffe in Medi- zin und Technik . Es handelt sich dabei um sogenannte ionisierende Strahlung . Keine Frage also: Das Strahlenschutzrecht, über das wir heute beraten, hat weitreichende Bedeutung für die menschliche Gesundheit und Relevanz für viele Lebens- bereiche . Der vorgelegte Gesetzentwurf der Bundesre- gierung dient der Umsetzung einer EU-Richtlinie von 2013 zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegen- über ionisierender Strahlung und zur Aufhebung weiterer Richtlinien in nationales Recht . Die Umsetzung der Richtlinie soll das deutsche Strah- lenschutzsystem grundlegend neu strukturieren . Gleich- zeitig werden zahlreiche bestehende Vorgaben infolge des wissenschaftlichen Fortschritts angepasst sowie der thematisch bereits breite Anwendungsbereich des deutschen Strahlenschutzrechts erheblich erweitert . Die damit verbundene umfassende Novellierung des Strah- lenschutzrechts bezweckt, den Strahlenschutz zu verbes- sern, übersichtlich und vollzugsfreundlich zu gestalten sowie unnötige bürokratische Hemmnisse abzubauen . Ferner wird der radiologische Notfallschutz auf Grundla- ge der Erfahrungen der Ereignisse in Fukushima konzep- tionell fortentwickelt . Der umfangreiche Gesetzentwurf der Bundesregie- rung stellt ein Rahmengesetz dar . Vielfache Detailrege- lungen müssen also nachträglich durch entsprechende Rechtsverordnungen festgelegt werden . Zum Gesetzent- wurf haben wir als Koalition einen umfangreichen Ände- rungsantrag eingebracht, der fast alle in der Gegenäuße- rung der Bundesregierung zugestandenen Punkte aus der Stellungnahme des Bundesrates umsetzt . Ich bin damit sehr zufrieden; entscheidende Punkte sind aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion umgesetzt . Ein schnelleres Zulassungsverfahren für medizinische Forschung und Diagnostik war dabei ein Herzensan- liegen der Unionsfraktion . In der Vergangenheit wurde seitens Industrie und Forschungseinrichtungen immer wieder stark kritisiert, dass für Zulassungs- bzw . Anzei- geverfahren für die Anwendungen ionisierender Strah- lung am Menschen – Begleitdiagnostik und medizinische Forschung – keine Genehmigungsfristen festgelegt sind, wodurch einzelne Verfahren sehr stark in die Länge ge- zogen wurden . Dem wird jetzt durch die Festlegung von festen Fristen entgegengewirkt . Das ist ein ganz wichtiger Punkt, ins- besondere auch für die Menschen, deren Gesundheit von Forschung und Diagnostik abhängt. Wer selbst betroffen ist oder nahestehende Angehörige bei einer Strahlenthe- rapie begleitet hat, weiß darum, dass diese Therapiefor- men oftmals die letzte Hoffnung auf Heilung bedeuten. Und deshalb ist der Faktor Zeit so wichtig . In meiner Heimatstadt Stade gibt es mit der Klinik Hancken eine der renommiertesten onkologischen Einrichtungen in Deutschland . Hier leisten die Mitarbeiter des Hauses mit viel Einfühlungsvermögen einen großartigen Job . Aus zahlreichen Gesprächen weiß ich: Komplizierte und lan- ge Zulassungsverfahren bei neuartigen Bestrahlungsver- fahren kosten nicht nur Zeit und Geld, sondern können sogar Menschenleben gefährden, wenn die bestmögliche Therapie nicht – oder zu spät – zur Anwendung kommt . Ein anderer uns wichtiger Punkt: Im Gesetzentwurf wird eine gesundheitlich zulässige Radonkonzentrati- on in Innenräumen (Wohnräume und Arbeitsplätze) mit einem Referenzwert von 300 Becquerel/Kubikmeter festgelegt . Für Neubauten müssen bei höheren Referen- zwerten Schutzmaßnahmen getroffen werden. Bestands- bauten sind hiervon ausgenommen. Für betroffene Ar- beitsplatzbereiche müssen entsprechende Maßnahmen seitens des Arbeitgebers ergriffen werden. Die Länder werden zukünftig verpflichtet, Gebiete auszuweisen, in denen in Gebäuden mit erhöhten Radonwerten zu rech- nen ist, sogenannte Radonvorsorgegebiete . Um den Län- dern hierbei entgegenzukommen, werden diese Pläne nun die Länder im Rahmen der Bundesauftragsverwal- tung erarbeiten . Die hierbei entstehenden Kosten für den Bund werden für die nächsten Jahre auf circa 20 Milli- onen Euro geschätzt (vor allem Kosten der Vorortmes- sungen von Radon). Das Bundesfinanzministerium hat zugestimmt . Auch der radiologische Notfallschutz zwischen Bund und Ländern wird verbessert: Alle Behörden und Organi- sationen, die bei einer gegebenen Notfallbewältigung ge- braucht werden, müssen ab sofort ihre Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung eng miteinander abstimmen . Im Gesetzentwurf werden deshalb abgestimmte Notfallplä- ne zwischen Bund und Ländern sowie die Einrichtung eines radiologischen Lagezentrums unter der Leitung des Bundesumweltministeriums vorgeschrieben . Als ehemaliger Geschäftsführer aus der Privatwirt- schaft begrüße ich, dass auch einem Anliegen der Leicht- betonindustrie unbürokratisch Rechnung getragen wird . Es ging um die Frage, ob im Gesetz Bims als Rohstoff benannt werden soll, bei dessen Verwendung als Baupro- dukt eine Bestimmung der spezifischen Aktivität erfor- derlich ist . Eine Aufzählung der Regelbeispiele, um wel- che Gesteine es sich bei sauren magmatischen Gesteinen sowie daraus entstandenen metamorphen und sedimentä- ren Gesteinen handelt, ist nach unserer Intervention nun aber nicht mehr erforderlich . Das Umweltministerium war erfreulicherweise bereit, die ursprünglichen Regel- beispiele, die auch Bims umfassten, wieder zu streichen . Dadurch kann Missverständnissen vorgebeugt werden, beispielsweise im Hinblick auf Bims, dessen Zusammen- setzung sowohl sauer als auch basisch sein kann . Mit dem heute vorgelegten umfangreichen Gesetzes- werk, das ich für die CDU/CSU-Fraktion ausdrücklich Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723384 (A) (C) (B) (D) begrüße, ist ein weiteres wichtiges Vorhaben aus dem Ko- alitionsvertrag auf den Weg gebracht worden . Das neue Strahlenschutzrecht hat weitreichende Bedeutung für die menschliche Gesundheit und Relevanz für viele Lebens- bereiche auch in meiner Heimat Niedersachsen . Mit dem modernisierten und ausgeweiteten Regelwerk schaffen wir aus meiner Sicht nun eine verlässliche Grundlage für einen umfassenden Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor ionisierender Strahlung . In diesem Sinne danke ich abschließend den Mitar- beiterinnen und Mitarbeitern des Bundesumweltministe- riums, der Kollegin Hiltrud Lotze als SPD-Berichterstat- terin sowie meinem Kölner Fraktionskollegen Karsten Möring, der als Berichterstatter für die Union die intensi- ven und detailreichen Verhandlungen in den letzten Mo- naten erfolgreich geführt hat . Hiltrud Lotze (SPD): Ionisierende Strahlung tritt in sehr vielen Situationen auf . Deswegen hat der Strahlen- schutz eine hohe Bedeutung für die menschliche Gesund- heit . Bislang war das Strahlenschutzrecht in der Strahlen- schutzverordnung und der Röntgenverordnung geregelt . Jetzt werden alle Bereiche des Schutzes vor ionisieren- der Strahlung systematisch in einem Gesetz zusammen- gefasst . Das Gesetz regelt unter anderem den Einsatz von Röntgenstrahlung oder radioaktiven Stoffen an Men- schen zur Früherkennung von Krankheiten . Auch der Schutz vor Radon an Arbeitsplätzen und in Wohnräumen wird geregelt . Radon ist ein radioaktives Edelgas, das aus dem Erdreich in Gebäude eindringen kann . Radon ist sta- tistisch nach Tabakrauch die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs . Es ist deswegen gut, dass der Schutz vor Radon erheblich ausgeweitet wird . Der radiologische Notfallschutz zur Bewältigung von Katastrophen in kerntechnischen Anlagen wird weiter- entwickelt . Abgestimmte Notfallpläne von Bund und Ländern decken sowohl Unfälle in Atomkraftwerken im In- und Ausland als auch regionale Unfälle wie zum Bei- spiel Transportunfälle ab . Gerade dieser Tage jährt sich die Katastrophe von Tschernobyl zum 31 . Mal, und wir denken an die Opfer . Wir hoffen, dass uns nie ein Atomunfall ereilt. Sollte es aber doch zu einem ernsthaften Zwischenfall kommen, sind wir mit diesem Gesetz besser vorbereitet . Der Rahmen für den Umgang mit radioaktiven Alt- lasten, die zum Beispiel beim Rückbau von Atomkraft- werken entstehen, wird geregelt . Details müssen in einer noch folgenden Rechtsverordnung festgelegt werden . Auch die Regelungen zur medizinischen Forschung werden grundlegend modernisiert, insbesondere durch die Einführung verbindlicher Fristenregelungen zur Prü- fung von Forschungsvorhaben . Wir haben hier einen gu- ten Kompromiss zwischen den Sicherheitserfordernissen und den Interessen der Forschung gefunden . Das Gesetz stellt einen erheblichen Fortschritt für den Umwelt- und Gesundheitsschutz dar . Der Strahlenschutz wird modernisiert, an den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst, und bisherige Schutzlücken werden geschlossen . Ich bitte Sie, diesem wichtigen Gesetzentwurf zuzu- stimmen . René Röspel (SPD): Als Forschungspolitiker möchte ich die Aufmerksamkeit auf die medizinische Forschung und den entsprechenden Absatz im Gesetz lenken . Deutschland ist weltweit mit an der Spitze der Gesundheitsforschung . In kaum einem anderen Land werden mehr klinische Studien durchgeführt als bei uns . Diese Forschungsergebnisse leisten einen wichtigen Bei- trag zur Verbesserung der Patientenvorsorge, denn nur durch Forschung entstehen Innovationen und damit neue Behandlungsmöglichkeiten in der Medizin . Bei vielen dieser klinischen Studien ist es notwendig, Untersuchungsverfahren mit ionisierender Strahlung ein- zusetzen . Zum Schutz der Probanden und Patientinnen und Patienten ist für solche Untersuchungen eine Ge- nehmigung notwendig . Diesen klinischen Studien ging bisher ein kompliziertes, mitunter lang dauerndes Geneh- migungsverfahren voraus, das weder für die Gesellschaft noch für Probanden, Patientinnen und Patienten und die Forscherinnen und Forscher zusätzliche Vorteile gebracht hat . Viele Studien konnten aufgrund des langwierigen und komplizierten Genehmigungsverfahrens nur mit zum Teil großer Verzögerung beginnen . Oftmals wurden dadurch klinische Studien mit ionisierender Strahlung in anderen Ländern oder ohne eine deutsche Beteiligung durchgeführt . Seit vielen Jahren wird die Vereinfachung des Genehmigungsverfahrens von vielen Forscherinnen und Forschern nachvollziehbar gefordert . Bislang konn- ten wir in den Verhandlungen nur kleine Änderungen und damit zu wenige Verbesserungen für die Genehmigung von klinischen Studien erreichen . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf können wir nun endlich eine deutliche Verbesserung für die medizinische Forschung in Deutschland durchsetzen . Insbesondere die Einführung von Fristen für die Genehmigung von For- schungsvorhaben mit ionisierender Strahlung war drin- gend notwendig . Dabei möchte ich betonen, dass die Einführung von Fristen in keinem Fall zulasten der Probanden- oder Pa- tientensicherheit vorgenommen wird . Der Schutz der Patientinnen und Patienten steht für uns an erster Stelle, und das soll auch so bleiben! Die Bestätigung des medi- zinisch-wissenschaftlichen Vorhabens durch eine Ethik- kommission bleibt weiterhin Grundvoraussetzung für die Durchführung einer klinischen Studie . Die langwierigen Genehmigungsverfahren ohne Zusatznutzen schaden aber nicht nur dem deutschen Forschungsstandort, son- dern auch den vielen Patientinnen und Patienten, die auf die Ergebnisse der medizinischen Forschung angewiesen sind . Medizinischer Fortschritt und damit neue Behand- lungsmöglichkeiten werden beschleunigt, wenn klini- sche Studien nicht monatelang auf eine Genehmigung warten müssen . Auch wenn ich mir natürlich wünsche, dass Geneh- migungsverfahren sorgfältig, aber auch so schnell wie Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23385 (A) (C) (B) (D) möglich und innerhalb der Fristen bearbeitet werden, kann in begründeten Fällen eine Fristverlängerung not- wendig sein . Mit einer Fristverlängerung um weitere 90 Tage können auch kompliziertere medizinische Unter- suchungsvorhaben geprüft werden . Wichtig war uns aber auch – und dafür haben wir uns in den parlamentarischen Verhandlungen stark gemacht –, dass nach Ablauf dieser insgesamt 180-tägigen Frist eine Entscheidung getroffen wird . Wir haben uns lange für eine Verbesserung der Bedin- gungen für klinische Studien eingesetzt . Mit der Rege- lung eines Anzeigeverfahrens für Begleitdiagnostik und darüber hinaus einem klaren Genehmigungsverfahren, wenn radioaktive Stoffe oder ionisierende Strahlung Ge- genstand des Forschungsvorhabens sind, ist ein deutli- cher Fortschritt erzielt worden . Hubertus Zdebel (DIE LINKE): Wie sind die Men- schen vor den gesundheitlich schädlichen Wirkungen ra- dioaktiver Strahlung zu schützen? Nach dem Willen der Bundesregierung und dem hier nun vorgelegten Strahlenschutzgesetz können wir sagen: unzureichend . Denn der Gesetzentwurf ist nach Stand von Wissenschaft und Forschung von vorgestern . Von vorgestern war im Grunde auch schon die Richt- linie der EU, als sie 2014 verabschiedet wurde . Als Basis für die Festsetzung der Dosiswerte für die radioaktiven Strahlen wird auf eine veraltete Empfehlung der Interna- tionalen Strahlenschutzkommission IRCP zurückgegrif- fen, die aus dem Jahr 2007 stammt . Schon damals gab es massive Kritik, dass diese Stellungnahme wichtige For- schungsergebnisse ignorierte . Vor diesem Hintergrund ist es im Grunde beschämend, wenn das Bundesumweltministerium auch noch erklärt, es wolle mit diesem Gesetzentwurf lediglich eine Eins- zu-eins-Umsetzung einer entsprechenden EU-Richtlinie vollziehen . Also genauer: Das BMUB erklärt, dass es se- henden Auges einen veralteten Stand von Wissenschaft und Forschung zur Grundlage dieses Gesetzes macht, und die Regierungsfraktionen stimmen dem im Kern auch noch zu . Studien über die Schädlichkeit auch geringer Strah- lenbelastungen kommen immer wieder zu dem Ergebnis, dass die IRCP nicht ausreichend konservativ vorgeht . Es geht um die biologische Wirksamkeit der Strahlung . Die Kinderkrebsstudie KiKK hat aufgezeigt, dass die Gesundheitsrisiken steigen, je näher Kinder an einem Atomkraftwerk wohnen . Auch für Beschäftigte in Atom- anlagen in England, Frankreich und den USA hat sich gezeigt: Die Risiken einer Erkrankung auch bei geringen, dafür langanhaltenden Strahlenwerten sind höher als er- wartet . Die Konsequenz daraus muss sein: Die Dosiswerte, wie hier jetzt wieder festgezurrt werden sollen, müssten insgesamt um den Faktor 10 reduziert werden . Genau diese Konsequenz aber ziehen Bundesregierung und die Fraktionen von CDU/CSU und SPD mit dem vorliegen- den Gesetzentwurf nicht . Damit setzen sie die Bevölke- rung und die Beschäftigten, die mit Radioaktivität zu tun haben, einem höheren Gesundheitsrisiko aus . Das halten wir nicht für verantwortbar! Ähnlich ist es auch beim Schutz gegen das natürlich vorkommende Radon, das für einen hohen Anteil von Lungenkrebs verantwortlich ist . Das Bundesamt für Strahlenschutz hält einen Richtwert von 100 Beque- rel pro Kubikmeter Luft für notwendig . Aber der Wert wird im Gesetzentwurf nicht übernommen . Dort wird ein Richtwert von 300 reingeschrieben . Das ist nicht verant- wortbar, wenn man sieht, wie viele Lungenkrebserkran- kungen damit schlicht hingenommen werden . Auch beim Umgang mit den Abfällen, die beim Abriss der Atommeiler jetzt in großen Mengen entstehen, sehen wir nicht, dass die mangelhafte Praxis verbessert werden soll, auch wenn eine entsprechende Verordnung noch aussteht . Unstrittig ist: Abrissabfälle, die tatsächlich frei von Radioaktivität sind, können in den Bereich der nor- malen Abfallwirtschaft . Das aber muss mit Messungen zweifelsfrei belegt werden . Die Abfälle aber, die gering kontaminiert sind, dürfen nicht länger freigemessen und zum Beispiel im Straßenbau oder beim Stahlrecycling landen . Wir brauchen eine kontrollierte Lagerung und Überwachung dieser Abfälle auf verbesserten Deponien . Ein letztes Wort noch zu den Notfallplanungen: Die Bundesregierung versucht in dem Gesetzentwurf mit al- len Mitteln, so zu tun, als könnten staatliche und andere Stellen im Falle einer Nuklearkatastrophe die Menschen schützen . Das ist natürlich Unsinn . Neue Untersuchun- gen mit Blick auf Fukushima zeigen, dass die Gebiete, in denen Schutzmaßnahmen erfolgen müssten, viel größer sind als bislang unterstellt . Der Staat muss nach dem Grundgesetz die Gesundheit der Menschen schützen . Bei der Atomenergie aber kann das nur heißen: Schalten Sie jetzt alle noch laufenden AKWs ab, bevor es zu spät ist! Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Radioaktive Strahlung ist mit den menschlichen Sinnen nicht zu fassen, sie ist geruchlos, geräuschlos, unsicht- bar. Strahlenbelastungen können uns daher zwangsläufig nicht so bewusst sein wie andere Gesundheitsgefahren, wie zum Beispiel sichtbarer und riechbarer Zigaret- tenrauch . Und dementsprechend können wir im Alltag Strahlenbelastung oft auch dann nicht aus dem Weg ge- hen, wenn wir das gerne täten . Umso wichtiger ist es, dass der Staat hier seiner Pflicht der Schadensvorsorge für die Bevölkerung möglichst gut nachkommt . Mög- lichst gut heißt, der Gesundheitsschutz muss an erster Stelle stehen . Grundsätzlich ist es sehr begrüßenswert, dass es in Deutschland für den Strahlenschutz nunmehr ein eigenes Gesetz geben wird . Bedauerlicherweise geht die Bun- desregierung bei der Umsetzung der zugrundeliegenden Richtlinie 2013/59/Euratom jedoch inkonsequent vor und nutzt die Möglichkeit, über deren Maßgaben hinauszuge- hen, nur an einzelnen Stellen . In weiten Teilen setzt Ihr Gesetzentwurf die Richtlinie dagegen selbst dann eins zu eins um, wenn deren Vorgaben um Jahre hinter den Stand der deutschen Fachdebatte zurückfallen – gerade auch an entscheidenden Stellen . Dies führt dazu, dass der Ge- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723386 (A) (C) (B) (D) setzentwurf dem wesentlichen Ziel eines möglichst guten Strahlenschutzes nicht gerecht wird . Daran haben auch nach der Einbringung noch vorgenommene Änderungen nichts geändert . Der vorliegende Gesetzentwurf fällt also nach wie vor weit hinter das zurück, was er leisten müss- te . Wie wir in unserem Entschließungsantrag dargelegt haben, beginnt es damit, dass der Gesetzentwurf kon- sequent am Ziel des Gesundheitsschutzes und am Vor- sorgeprinzip auszurichten ist . Das heißt insbesondere, es muss über die Regelungen der Grundnormenrichtlinie hi- nausgegangen werden, wenn entsprechende Erkenntnisse bzw . Positionen hiesiger Fachkreise vorliegen . Konkret müssen deshalb etliche Grenz- und Referenzwerte deut- lich gesenkt werden . Denn den im Entwurf festgelegten Werten liegt eine Fehlannahme zugrunde, die die deut- sche Fachszene in breiter Einmütigkeit von staatlichen Stellen über selbstständige Expertinnen und Experten bis hin zu Umweltschutzverbänden schon vor etlichen Jahren abgeräumt hat: dass Dauerniedrigstrahlung weni- ger schädlich sei als kurzzeitige höhere Strahlendosen . Doch anstatt diese fachliche Steilvorlage zu nutzen und mit dem Gesetz endlich eine längst überfällige Fehler- korrektur vorzunehmen, von der Tausende Menschen in Deutschland gesundheitlich profitieren würden, hat sich die Regierung bewusst anders entschieden . Das ist un- klug, mutlos und pflichtvergessen. Wenn selbst einem so evidenten Handlungsbedarf nicht nachgekommen wird, verwundert es nicht, dass sich die Bundesregierung mit weitergehenden Forde- rungen der Expertinnen und Experten nach Grenzwert- senkungen ebenfalls nicht konstruktiv auseinandersetzt . Dabei kann auch das Argument nicht gelten, dass sich bestimmte Forderungen noch nicht so eindeutig begrün- den lassen wie andere . Denn gerade im Strahlenschutz gilt das Prinzip der Vorsorge, also dass man im Zweifel auch dann präventive Maßnahmen ergreifen soll, wenn es noch keine wissenschaftliche Gewissheit über das ge- naue Ausmaß einer Gefährdung gibt . Wir fordern daher, dass es einen Fachdialog gibt zwischen der Bundesregie- rung und reformorientierten Expertinnen und Experten, um weitere sinnvolle Verschärfungen bei Grenzwerten und anderen Regelungen zu identifizieren. Die Bevölkerungsgruppe, die in der Regel den höchs- ten Dosen ausgesetzt ist, sind die Menschen, die von Berufs wegen Strahlung ausgesetzt sind . Um ihre Ge- sundheit besser zu schützen, fordern wir neben Grenzwer- tehalbierungen unter anderem, das Strahlenschutzregister so zu erweitern, dass man herausstechende Belastungen identifizieren kann. Beispielsweise wenn beim Rück- bau eines Atomkraftwerks das dortige Personal deutlich mehr Strahlung abbekommt als in anderen AKW, die auch zurückgebaut werden . Oder auch, um beim Bei- spiel AKW-Rückbau zu bleiben, wenn der Großteil der Monatsdosis auf eine bestimmte Dekontaminationsmaß- nahme zurückzuführen ist . Dann kann man gezielt anset- zen mit Veränderungen, die die größten Reduktionen der Strahlenbelastung bringen und damit besonders großen Nutzen für die Gesundheit . Ein weiteres Problem bei die- ser Berufsgruppe ist die Frage, inwieweit sich immer an die Vorschriften gehalten wird . Ohne jemandem etwas zu unterstellen, sollte man dieser Frage mit einer Erhebung, mit einem Forschungsvorhaben nachgehen . Denn wenn zum Beispiel die Strahlenschutzvorschrift besagt, dass bei einer bestimmten Arbeit ein Mundschutz zu tragen ist, der aber in Wirklichkeit nicht getragen wird, besteht das Risiko, dass es zu einer relevanten, aber unerkannten Aufnahme von Radioaktivität kommt . Für die Bevölkerung muss und kann der Strahlen- schutz durch verstärkte Aufklärung über Strahlenbe- lastungen im Alltag gestärkt werden . Wer weiß schon, welche Belastungen ein Langstreckenflug, eine Rönt- genuntersuchung oder Strahlenbelastungen aus der Natur im Vergleich zueinander bedeuten? Wo man im Alltag besonders viel Strahlung abbekommt, ohne es zu ah- nen? Hier gibt es Aufklärungsbedarf, den man nicht der Nuklearindustrie überlassen darf, die damit gerne die Ge- fahren aus ihrem Bereich verharmlost . Denn gerade im AKW-Bereich liegt natürlich eines der größten Risiken für die Bevölkerung; deshalb steigen wir ja auch richti- gerweise aus der Atomkraft aus in Deutschland . Aber mit diesen Abschaltdaten für AKW ist es nicht getan . Der Strahlenschutz in Notfallsituationen, so wie ihn das Gesetz vorsieht, ist wieder ein Negativbeispiel . Er basiert auf einer Empfehlung der sogenannten Inter- nationalen Strahlenschutzkommission ICRP aus dem Jahr 2007 . Darin heißt es, dass die Vorsorge und der Umgang mit radiologischen Notfallsituationen wie zum Beispiel einer Atomkatastrophe wie die von Fukushima so gestaltet werden sollten, dass die Belastung für die Be- völkerung sich in einer Bandbreite von 20 bis 100 Mil- lisievert bewegt . Wenn man den Katastrophenschutz so plant, dass er auf die untere Grenze, also möglichst we- nig Strahlung für die Bevölkerung, abzielt, ist das natür- lich besser . Natürlich auch anspruchsvoller, aber es muss doch darum gehen, einen möglichst guten Katastrophen- schutz zu haben und nicht einen möglichst unaufwendi- gen . Von den schon genannten Strahlenbelastungen aus der Natur hat das natürliche Gas Radon eine große Be- deutung. Es ist nach dem Rauchen die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs . Und hier ist es ähnlich wie bei den eingangs erwähnten Grenzwerten . Obwohl das Bundesamt für Strahlenschutz, also der Teil der Exekuti- ve mit der betreffenden Expertise, die Behörde, die man zusammen mit der Weltgesundheitsorganisation extra ein Radon-Handbuch hat erarbeiten lassen, sich seit Jahren aus gesundheitlichen Gründen für einen bestimmten Re- ferenzwert beim Radonschutz ausspricht, legen Sie einen Gesetzentwurf vor, der erheblich davon abweicht, der um ein Dreifaches laxer ist . Das ist inakzeptabel . Dement- sprechend fordert unser Entschließungsantrag auch hier eine sofortige Korrektur . Ein Thema, das bereits kontrovers in der Öffent- lichkeit diskutiert wird, ist der Strahlenschutz beim AKW-Rückbau . Da wir in unserem Antrag auch hierzu konkrete Forderungen aufgestellt haben, lassen Sie mich hervorheben: Es wird Zeit, dass die Bundesregierung in den Dialog mit den Kritikerinnen und Kritikern der bisherigen Praxis tritt. Erstens betrifft das Thema ganz Deutschland, zweitens ist der Konflikt jetzt schon groß, drittens wird er mit jedem weiteren AKW, das zurück- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23387 (A) (C) (B) (D) gebaut wird, noch zunehmen . Die letzten Jahre haben gezeigt, dass die gängige Praxis nicht dazu geeignet ist, Vertrauen zu schaffen. Da hilft es wenig, wenn man sie einfach verteidigt oder schweigt . Schließlich bleibt wieder einmal festzustellen, dass es zu vielen Fragen im Strahlenschutzbereich immer noch erheblichen Forschungsbedarf gibt . Es ist unverständ- lich, ärgerlich und inakzeptabel, stattdessen gebetsmüh- lenartig Millionenausgaben für sinnlose Atomforschung zu verteidigen . Damit muss endlich Schluss sein . Sowohl das Forschungsministerium als auch der eine oder ande- re unbeirrbar atomkraftvernarrte Professor muss endlich einsehen, dass Deutschland einen Beschluss gefasst hat, den man nicht mit steuergeldfinanzierter Forschung hin- tertreiben kann . Es ist doch aberwitzig, dass wir immer noch Millionen für die Forschung an neuen Reaktortypen oder andere Blütenträume atomkraftbegeisterter Forscher ausgeben, andererseits viele Fragen zu Strahlenschäden und Gesundheitsrisiken auch nach Jahrzehnten immer noch nicht und nicht ausreichend beantworten können . Mit dieser Fehlallokation von öffentlichen Mitteln muss endlich Schluss sein! Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass vieles, was wir an dem Gesetzentwurf kritisieren, rasch geändert werden könnte . Es gibt auch keinen Grund, wa- rum wir ihn nicht erst in der kommenden Sitzungswoche beschließen könnten . Darum meine eindringliche Bitte: Es gibt erheblichen Verbesserungsbedarf an dem Ge- setzentwurf . Kommen wir ihm nach! Die Maxime muss dabei sein: Die staatliche Pflicht der Schadensvorsorge gilt hier umso mehr, als sich Bürgerinnen und Bürger vor Strahlung nicht so gut selbst schützen können wie vor anderen Gesundheitsgefahren . Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl . Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Ich freue mich, dass das Gesetz zur Neuordnung des Rechts zum Schutz vor der schädli- chen Wirkung ionisierender Strahlung heute in eine ent- scheidende Phase kommt . Das Gesetz erfüllt den Auftrag aus dem Koalitionsver- trag, das Strahlenschutzrecht zu modernisieren und den radiologischen Notfallschutz auf Grundlage der Erfah- rungen nach Fukushima konzeptionell fortzuentwickeln . Gleichzeitig setzt das Gesetz die neue europäische Strah- lenschutz-Richtlinie um . Radioaktivität ist ein Phänomen, das uns in vielen Si- tuationen begegnet . Uns ist sie vor allem im Zusammen- hang mit der Kerntechnik ein Begriff. Strahlung kommt jedoch auch in ganz anderen Bereichen unseres Alltags vor . Ein großer Anteil der Strahlenbelastung für die Be- völkerung entsteht zum Beispiel im Zusammenhang mit der Medizin . Hier müssen Regeln und Vorkehrungen ge- troffen werden, damit der Schutz der Patientinnen und Patienten sowie des Personals gewährleistet wird . Des Weiteren spielt auch die natürlich vorkommende Strah- lung eine deutlich größere Rolle als die Strahlenbelastung bei kerntechnischen Anwendungen und muss ebenfalls von den Regelungen zum Strahlenschutz erfasst werden . Im Zusammenhang mit der Kerntechnik hat Fukushi- ma uns gelehrt, dass ein Unfall in einem Atomkraftwerk oder ein anderer radiologischer Notfall auch in einem modernen Industriestaat eintreten kann . Die Bevölkerung erwartet daher von uns zu Recht, dass wir im Strahlen- schutzgesetz möglichst effektive Vorkehrungen für einen solchen Notfall treffen. Dies alles wird mit dem neuen Strahlenschutzgesetz erreicht, und deshalb ist es für mich ein Meilenstein für den Umwelt- und Verbraucherschutz . Bisher ist der Strahlenschutz vor allem in der Strahlenschutzverord- nung und in der Röntgenverordnung adressiert worden . Nun wird das Strahlenschutzrecht erstmals umfassend in einem eigenen formellen Gesetz geregelt . Dadurch bekommt das Thema die Sichtbarkeit, die ihm aufgrund seiner großen Bedeutung für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes gebührt . Der hohe Schutz, den das bisherige Strahlenschutz- recht für die Bürgerinnen und Bürger gewährleistet hat, wird mit der Umsetzung der Richtlinie noch deutlich ver- bessert: Das Strahlenschutzgesetz erleichtert den Vollzug des Strahlenschutzrechts durch die Zusammenführung von Regelungen, die bisher in unterschiedlichen Verordnun- gen zu suchen waren . Es setzt Rahmenbedingungen, wenn ionisierende Strahlung zur Früherkennung von Krankheiten einge- setzt wird . Es bestimmt, wie bei radioaktiven Altlasten vorzuge- hen ist . Es enthält Anforderungen für die Prüfung von Radio- aktivität in Bauprodukten . Es enthält erstmals Vorgaben zum Schutz der Bürge- rinnen und Bürger vor Radon in Aufenthaltsräumen . Das Gesetz schafft ferner – und das ist mir beson- ders wichtig – die Grundlage für ein zwischen Bund und Ländern abgestimmtes modernes Notfallmanage- mentsystem . Dabei geht der Bund, und hier speziell das Bundesumweltministerium, mit der Einrichtung eines ra- diologischen Lagezentrums und der Beschaffung der Jod- tabletten für die sogenannte Jodblockade in Vorleistung . Mithilfe der zu erstellenden Notfallpläne werden wir alle für eine Notfallbewältigung erforderlichen Ressourcen von Bund und Ländern konkret aufeinander abstimmen . Ich erwarte, dass wir dadurch, sollte es einen Ereignisfall geben, auf allen Ebenen sofort voll handlungsfähig sein werden . Ich hoffe, meine Aufzählung vermittelt Ihnen einen Eindruck von der Breite des Strahlenschutzes und seiner Relevanz für uns alle . Erstmals adressiert das Strahlenschutzrecht den Schutz vor Radon in Aufenthaltsräumen . Radon ist ein natürliches radioaktives Edelgas, das im Boden vor- kommt und sich in Gebäuden anreichern kann . Es gibt Regionen in Deutschland, in denen das Vorkommen von Radon höher ist als in anderen . Es gilt, Vorgaben zu ma- chen, die einerseits für einen wirksamen Schutz der Bür- gerinnen und Bürger sorgen, ohne sie – auf der anderen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723388 (A) (C) (B) (D) Seite – in unverhältnismäßiger Weise zu belasten . Ich glaube, dies ist in dem Gesetzentwurf gut gelungen . Zum Beispiel gewährleistet der vorgesehene Referenzwert von 300 Becquerel pro Kubikmeter ein hohes Schutzni- veau im Einklang mit dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand . Er entspricht auch vollumfänglich den Anforderungen der Richtlinie 2013/59/Euratom . Das Prinzip preisgünstigen Bauens wird dadurch trotzdem nicht gefährdet . Das Gesetz modernisiert außerdem die Regelungen zur Prüfung medizinischer Forschungsvorhaben, bei denen ionisierende Strahlung eingesetzt wird . Es sieht nun verbindliche Fristenregelungen vor . Dadurch wer- den die Prüfverfahren wesentlich beschleunigt und ein wichtiger Beitrag zur Sicherung des Forschungsstandor- tes Deutschland geleistet . Wir haben entsprechend den Wünschen der Unionsfraktion und der Bundesländer ins- besondere die Fristenregelungen für das Genehmigungs- verfahren weiter präzisiert und mit noch mehr Berechen- barkeit für die Antragsteller versehen . Das Gesetz stellt einen erheblichen Fortschritt für den Umwelt- und Gesundheitsschutz dar . Der Strahlen- schutz in Deutschland wird durch das Gesetz wesentlich modernisiert und an den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst . Bisherige Schutzlücken werden geschlossen . Ich möchte daher schon jetzt an die Länder appellie- ren, diesem Gesetz im kommenden Monat im Bundes- rat zuzustimmen und so sicherzustellen, dass die darin enthaltenen Verbesserungen für den Strahlenschutz noch vor den Bundestagswahlen verabschiedet werden . Ich hoffe auf Ihre breite Unterstützung für den vorgelegten Gesetzentwurf . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anlage VI des Um- weltschutzprotokolls zum Antarktis-Vertrag vom 14. Juni 2005 über die Haftung bei umwelt- gefährdenden Notfällen (Antarktis–Haftungs- annex) – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung der Anlage VI des Umweltschutzprotokolls zum Antarktis Vertrag vom 14. Juni 2005 über die Haftung bei umweltgefährdenden Notfällen (Antarktis-Haftungsgesetz – AntHaftG) (Tagesordnungspunkt 25) Dr. Klaus-Peter Schulze (CDU/CSU): Als James Cook während seiner zweiten Südseereise die Antarktis umsegelte, war auch ein junger Preuße namens Georg Forster an Bord . Während der Reise beteiligte er sich an Studien zur Tier- und Pflanzenwelt sowie zur Länder- und Völkerkunde . Forster wurde später zu einem angese- henen Ethnologen und war zudem glühender Verfechter der französischen Revolution . Wohl aus diesen Gründen wählte die DDR ihn als Namenspatron für ihre antarktische Forschungsstation, die sie im Jahr 1976 in Betrieb genommen hatte . Heute verfügt Deutschland über fünf Stationen in der Antarktis . Auf diesen werden unter anderem das antarktische Kli- ma, die Tier- und Pflanzenwelt sowie das Erdmagnetfeld erforscht . Insgesamt gibt es in der Antarktis über 80 Forschungs- stationen, in denen bis zu 4 000 Wissenschaftler aus der ganzen Welt arbeiten . Die Forschung ist somit die wich- tigste menschliche Aktivität im ewigen Eis am Südpol . Die mit der Wissenschaft verbundenen Personen- und Logistiktransporte führen allerdings auch zu Umweltbe- lastungen . Zudem kann es bei Unfällen zum Austritt von Öl oder Chemikalien kommen . Mit Blick auf das Span- nungsverhältnis zwischen der überaus wichtigen For- schung und dem Schutz der antarktischen Umwelt gilt es somit, die negativen Umweltauswirkungen so gering wie möglich zu halten . Der zweite nennenswerte Bereich, der in der Antarktis zu Umweltbelastungen führt, ist der Tourismus . Mittler- weile kommen pro Saison mehr als 30 000 Besucher vor allem auf Kreuzfahrtschiffen in die Antarktis. Früher lag der Schwerpunkt des Tourismus auf kleinen Landgängen in Küstennähe und dem reinen Besichtigen der Natur . Mittlerweile haben sich die touristischen Aktivitäten je- doch grundlegend gewandelt . Heute steht das Abenteuer Wildnis mit Berg- und Skiwanderungen, Paragliding und Touren ins Landesinnere im Mittelpunkt . Die mit dem Tourismus einhergehenden Umweltbelastungen haben folglich in den vergangenen Jahren zugenommen . Hinzu kommt, dass sich die antarktische Umwelt aufgrund der niedrigen Temperaturen deutlich langsamer regeneriert als in anderen Gebieten der Erde . Der Umfang der Forschungsaktivitäten sowie der wachsende Tourismus machen deutlich, wie wichtig eine umfassende internationale Regelung zum Schutz der sensiblen antarktischen Umwelt und der verbundenen Ökosysteme ist . Im letzten Jahr wurde bereits ein wichtiger Schritt vollzogen, um den Schutzstatus der Antarktis weiter zu verbessern: die Einrichtung des weltweit größten Mee- resschutzgebietes im antarktischen Rossmeer . Das Ross- meer ist ein Teil des Südpolarmeeres und gilt als eines der letzten intakten Meeresökosysteme der Erde . Das Schutzgebiet ist mehr als viermal so groß wie Deutsch- land . Im größten Teil ist für die nächsten 35 Jahre jegliche Fischerei verboten . Deutschland tritt darüber hinaus für die Einrichtung eines weiteren Meeresschutzgebiets in der Antarktis ein . Dabei handelt es sich um das Weddell- meer, dessen Artenvielfalt mit der tropischer Korallenrif- fe vergleichbar ist. So gibt es im Weddellmeer Eisfische, die mit Frostschutzproteinen ein Gefrieren ihres Blutes verhindern . Die große biologische Vielfalt ist Grund für das deutsche Bestreben, die Aktivitäten im Weddellmeer allein auf die wissenschaftliche Forschung zu beschrän- ken . Bisher konnte sich Deutschland mit seinem Anlie- gen leider nicht durchsetzen . Die Europäische Union Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23389 (A) (C) (B) (D) will aber im Herbst dieses Jahres einen entsprechenden Vorschlag bei der Antarktis-Schutzkonferenz einbringen . Der Antarktis-Vertrag stellte das erste internationale Abkommen nach dem Zweiten Weltkrieg dar . In einer Hochphase des Kalten Krieges einigten sich die West- mächte und die Sowjetunion auf eine gemeinsame, fried- liche Nutzung der Antarktis . Der im Jahr 1961 in Kraft getretene Vertrag umfasste dabei noch keine Bestimmun- gen zum Schutz der Umwelt . Diese Ergänzung übernahm das 1991 beschlossene Antarktis-Umweltschutzproto- koll . Die Anlage VI des Protokolls, der sogenannte Haf- tungsannex, wurde im Jahr 2005 vereinbart und regelt für alle Betreiber von Aktivitäten in der Antarktis den Um- gang in Bezug auf umweltgefährdende Notfälle . Ziel ist es, solche Notfälle in der Antarktis zu vermeiden sowie deren Auswirkungen auf die Umwelt zu beschränken . Der Haftungsannex des Antarktis-Umweltschutzpro- tokolls enthält Bestimmungen, die erst noch in das natio- nale Recht übertragen werden müssen . Hierfür nun wird das Antarktis-Haftungsgesetz verabschiedet . Es bildet die rechtliche Grundlage, damit die entsprechenden Re- gelungen auch für die Bundesrepublik Deutschland An- wendung finden. Für den Schutz der antarktischen Umwelt sieht das Gesetz verschiedene Regelungen vor . Diese zielen auf die Bereiche Prävention, Gegenmaßnahmen und Haftung ab . Im Hinblick auf die Prävention bestehen für die Be- treiber von Aktivitäten in der Antarktis Vorgaben . Diese betreffen die technische Ausrüstung von Transportmit- teln, die Schulung von Personal sowie die Anfertigung von Einsatzplänen für den Notfall . Sollte es trotz dieser präventiven Maßnahmen zu einem umweltgefährdenden Notfall kommen, sind die Betreiber zu Gegenmaßnah- men verpflichtet. Diese Gegenmaßnahmen sollen die negativen Auswirkungen auf die Umwelt verhindern oder abmildern . Kommt der Verursacher eines umwelt- gefährdenden Notfalls dieser Pflicht nicht nach, können ihm Kostenersatz- und Ausgleichszahlungen auferlegt werden . Wie Maßnahmen zu Verminderung umweltschädli- cher Auswirkungen aussehen können, zeigt das Vorgehen deutscher staatlicher Betreiber bei entsprechenden Vor- fällen in der Vergangenheit . Um die negativen Folgen für die antarktische Umwelt so gering wie möglich zu halten, wurde öl- oder treibstoffkontaminierter Schnee einge- sammelt, in Fässern gelagert und zurück nach Deutsch- land transportiert . Das Umweltbundesamt ist die zuständige Genehmi- gungsbehörde für alle Tätigkeiten in der Antarktis, die in Deutschland organisiert werden oder vom deutschen Ho- heitsgebiet ausgehen . Dabei ist es Aufgabe der Behörde, zu prüfen, ob die jeweiligen Aktivitäten umweltverträg- lich durchgeführt werden . Aus diesem Grund betraut das Antarktis-Haftungsgesetz das Umweltbundesamt mit der Überwachung der Einhaltung der im Gesetz vorgesehe- nen Betreiberpflichten. Die Antarktis hat eine große Bedeutung für das Weltklima und den globalen Süßwasserhaushalt . Zu- dem befinden sich hier einige der letzten unberührten Ökosysteme mit einer großen Artenvielfalt . Die globa- le Gemeinschaft hat eine historische Pflicht, dieses Ge- biet mit seinen empfindlichen Tiergemeinschaften und Ökosystemen zu schützen . Der Antarktis-Haftungsannex und somit das Antarktis-Haftungsgesetz leisten hier ei- nen wichtigen Beitrag . Carsten Träger (SPD): Die Antarktis ist eines der wenigen noch weitgehend unbeeinflussten natürlichen Ökosysteme und verdient besonderen Schutz . Deshalb wurde schon im Jahre 1961 der Antarktisvertrag beschlos- sen . In ihm haben die Unterzeichnerstaaten geregelt, dass die Antarktis ausschließlich zu friedlichen, nicht aber zu militärischen Zwecken genutzt werden darf . Schwer- punkt muss die wissenschaftliche Forschung sein . Die Antarktis ist aber nicht nur als Ökosystem schützenswert, sie ist auch eine Schlüsselregion für das Klima auf unse- rer Erde . Und sie ist das größte Süßwasserreservoir der Welt . Rund 70 Prozent des Süßwassers der Erde sind in der Antarktis als Eis gebunden . Gründe für einen beson- deren Schutz der Antarktis gibt es somit mehr als genug . Um das fragile Ökosystem zu schützen, wurde der Antarktisvertrag 1991 durch das Zusatzprotokoll ergänzt . Es verbietet seither unter anderem alle Aktivitäten zur Öl- und Erzförderung bis 2046 – eine wichtige Entscheidung für den Schutz dieser letzten großen Wildnis der Erde . Doch wer haftet, wenn in der Antarktis ein Unfall passiert, der die Umwelt gefährdet? Nachdem 13 Jah- re verhandelt wurde, konnte im Jahr 2005 endlich die Anlage VI des Umweltschutzprotokolls zum Antark- tis-Vertrag (USP) beschlossen werden . In ihr werden Haftungsfragen bei umweltgefährdenden Notfällen in der Antarktis geregelt . Damit wird eine bislang bestehen- de Lücke im völkerrechtlichen System des antarktischen Umweltweltschutzes geschlossen . Nach jahrelangen Ver- handlungen ist endlich klar geregelt: Wer die Umwelt in der Antarktis beschädigt oder verschmutzt, soll zukünftig für die Vermeidung oder Beseitigung der Schäden haf- ten . Wer in Zukunft in der Antarktis aktiv ist, muss dann Vorsorge- und Gegenmaßnahmen zur Vermeidung und Bekämpfung umweltgefährdender Notfälle treffen. Als Notfall wird jeder Unfall definiert, der zu erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf die antarktische Um- welt führt oder unmittelbar zu führen droht . Auch wird im Antarktis-Haftungsgesetz festgelegt, dass Organisa- tionen oder Unternehmen für entstandene Schäden und deren Beseitigung aufkommen müssen . Die neuen Regelungen müssen nun international und national umgesetzt werden . Mit dem Antarktis-Haf- tungsgesetz setzt Deutschland den Haftungsannex zum internationalen Antarktis-Umweltschutzprotokoll in in- nerstaatliches Recht um . Er wurde im Januar vom Bun- deskabinett verabschiedet . Neben dem Haftungsgesetz hat das Kabinett einen weiteren Gesetzentwurf beschlos- sen . Dieser dient der Genehmigung des Haftungsannexes und schafft damit die Voraussetzung, dem Haftungsan- nex völkerrechtlich bindend beitreten zu können . Als zuständiger Berichterstatter für Naturschutz und Biodiversität begrüße ich diese Umsetzung ausdrücklich und bin mir sicher, dass dieser Gesetzentwurf hier im Haus große Zustimmung finden wird. Es ist ein weiterer Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723390 (A) (C) (B) (D) Schritt, um die einzigartige Umwelt in der Antarktis zu schützen . Endlich gibt es konkrete Regeln und Verfahren, um die Auswirkungen umweltgefährdender Situationen auf die antarktische Umwelt zu verhindern oder zu kom- pensieren . So wichtig die heutige Verabschiedung von Haftungs- regeln ist, für den Erhalt der Antarktis steht etwas ande- res ganz oben auf der Tagesordnung: die Begrenzung der globalen Erderwärmung . Lange Zeit schien der Klima- wandel der Antarktis nichts anhaben zu können . In den vergangenen Jahren aber mehren sich die Hinweise der Wissenschaftler darauf, dass in der Antarktis schon ver- hältnismäßig kleine Veränderungen gigantische Folgen haben können . Denn nirgendwo sonst auf der Erde wird es schneller warm als in der Arktis und Antarktis . Ent- sprechend schrumpfen die Eisflächen an Nord- und Süd- pol . Nach Berechnungen verschiedener Wissenschaftler würde das Verbrennen aller weltweit verfügbaren fos- silen Ressourcen von Kohle, Öl und Gas dazu führen, dass es zu einem vollständigen Abschmelzen der antark- tischen Eisdecke kommen kann . Wir müssen also – auch um die Antarktis zu schützen – dem Klimaschutz obers- te Priorität einräumen und alles tun, damit die Staaten ihre Klimaziele erhöhen und die globale Erwärmung die Zwei-Grad-Schwelle nicht überschreitet . Birgit Menz (DIE LINKE): Zwar gleicht die Antarktis einer unwirklichen Welt, die scheinbar nur aus einer di- cken Schicht Eis besteht . Doch so karg und verlassen die- ser riesige Kontinent wirkt, ist er bei Weitem nicht . Vor allem an und in den umliegenden Meeren leben verschie- denste Tier- und Pflanzenarten. An den teils eisfreien Küsten gibt es unter anderem Wale, Robben, aber auch zahlreiche Vogel- und Pinguinarten . Nicht zu vergessen, die gigantischen Krill- und Fischschwärme, die elemen- tar für eine funktionierende Nahrungskette sind . Um die Antarktis in ihrer Einzigartigkeit und weit- gehenden Unberührtheit als wichtiges Element des glo- balen Ökosystems zu schützen und dennoch zu nutzen, wurde bereits im Jahr 1991 das Umweltschutzprotokoll als Teil des antarktischen Vertragssystems beschlossen . Es ist mit seinen insgesamt sechs Anhängen eines der umfangreichsten internationalen Regelungsabkommen für den Schutz der Umwelt einer bestimmten Region un- seres Planeten . Nun, nach fast zwölf Jahren, liegt uns endlich der Ent- wurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Haftungsrege- lungen für die Antarktis vor . Die Umsetzung und Etablie- rung geeigneter Regeln und Verfahren zur Haftung bei umweltgefährdenden Notfällen sind von großer Wich- tigkeit, um negative Auswirkungen auf die antarktische Umwelt zu verhindern . Betrachtet man die globale und ökologische Wichtig- keit der Antarktis, kann die Umsetzung des Haftungs- annexes jedoch nur ein weiterer Schritt von vielen noch folgenden sein, um einen nachhaltigeren und umfassen- deren Schutz der Antarktis voranzutreiben . Denn trotz aller Bemühungen, menschliche Einflüsse von der Antarktis fernzuhalten, stellen auch hier Um- weltverschmutzung, Überfischung – insbesondere durch illegale Fischerei – und Klimawandel für das antarkti- sche Ökosystem eine reale Bedrohung dar . Vor allem der ansteigende Tourismus hat das Potenzi- al, die antarktische Umwelt negativ zu beeinträchtigen . Damit einher gehen beispielsweise der vermehrte Perso- nenverkehr mittels Flugzeug oder Schiff und somit auch der zunehmende Ausstoß von Abgasen, mehr Müll und natürlich auch die Gefahren potenzieller Schiffsunfälle und deren für die Umwelt verheerenden Folgen . In diesem Zusammenhang zitiere ich gerne das Um- weltbundesamt mit den Worten: „Touristinnen und Tou- risten haben die Möglichkeit, in bisher völlig unberührte Gebiete der Antarktis zu gelangen, und stellen somit per se eine Gefährdung für die unangetastete Wildnis dar .“ Es ist daher wichtig, im Rahmen zukünftiger Entwick- lungen des antarktischen Vertragssystems dafür Sorge zu tragen, dass der menschliche Einfluss durch Tourismus, Forschung oder auch Fischerei auf ein absolutes Min- destmaß reduziert wird, um dieses Gebiet in seiner Ur- sprünglichkeit und Wichtigkeit für das globale Öko- und Klimasystem so weit wie möglich zu erhalten . Im Sinne des internationalen Ratifizierungsprozesses wäre es wichtig gewesen, einen Entwurf zum Haftungs- gesetz schon viel eher einzubringen . Beabsichtigt man, eine tragende Rolle in Sachen Umweltschutz in der Ant- arktis zu spielen, ist Deutschland in der Pflicht, derartige Abkommen so schnell wie möglich in nationales Recht umzusetzen und damit ein Signal an die übrigen Staaten zu senden . Meeres- und Umweltschutz sind entscheidend, um die ökologische Vielfalt der Antarktis zu bewahren, aber auch, um die Widerstandsfähigkeit im Kampf gegen den Klimawandel zu erhöhen . Daher ist es nicht nur wichtig, Verantwortliche für entstandene Umweltschäden in der Antarktis haftbar zu machen, sondern in Zukunft auch unberührte Ökosysteme und Meeresgebiete in der Ant- arktis vor menschlichen Eingriffen zu schützen. Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mehr als ein Jahrzehnt ist es her, dass die internationalen Ver- tragsstaaten des 1961 in Kraft getretenen Antarktis-Ver- trags in Stockholm zusammengekommen sind, um Ei- nigung über Haftungsfragen bei umweltgefährdenden Notfällen in der Antarktis zu erzielen . Und so hat es auch länger als ein Jahrzehnt gedauert, damit die Bundesregie- rung nun endlich die Anlage VI des Antarktis-Umwelt- protokolls in die Deutsche Rechtsordnung überträgt . Durch den vorliegenden Gesetzentwurf werden Prä- ventions-, Reaktions- und Kompensationspflichten für in der Antarktis agierende Akteure etabliert . Es hat Si- gnalwirkung, dass Deutschland sich diesen Pflichten stellt, und es ist wichtig, dass weitere Staaten diesem Beispiel folgen . Denn die Einzigartigkeit des antarkti- schen Ökosystems und seine Rolle für die Regulation des Weltklimas und als Kinderstube für Tausende von Polar- und Meeresorganismen sind herausragend . Durch die ex- tremen Eigenschaften dieses Ökosystems besteht jedoch auch eine besondere Fragilität . Deswegen begrüßen wir die Umsetzung des Antarktis-Haftungsannexes in dem Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23391 (A) (C) (B) (D) von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf . Dass dieser jedoch erst ein Jahrzehnt nach der Einigung von Stockholm vorgelegt wird, ist schlicht und einfach zu spät . Mit 80 internationalen Forschungsstationen und bis zu 4 000 stationierten Wissenschaftlern, zunehmendem Tourismus und Nutzungsinteressen im Südpolarmeer ist auch die Gefahr von umweltgefährdenden Notfällen in den letzten Jahren angestiegen und wird weiter steigen . Gerade Deutschland hat die Verantwortung, als eine der führenden Forschungsnationen im Bereich der Meeres- und Polarforschung mit positivem Beispiel voranzu- gehen . Für die Bundesregierung gilt es nun, sich dieser Verantwortung bewusst zu sein und sich auf internatio- naler Ebene engagiert für die Ratifizierung durch weitere Staaten einzusetzen, damit der Schutz der Antarktis wei- ter gestärkt wird . Seit der Übereinkunft der Vertragsstaaten zum Ant- arktis-Vertrag 1959 und der Verabschiedung des Um- weltschutzprotokolls in den 1990ern hat sich die Welt drastisch verändert . Die dramatischen Auswirkungen der Klimakrise sind der eigentliche umweltgefährdende Not- fall in der Antarktis . Bisher galt die Antarktis als weitest- gehend verschont von der Klimakrise und musste als Ar- gumentationsstütze für Klimakrisenleugner von der AfD bis zum US-amerikanischen Präsidenten herhalten . Doch spätestens in diesem antarktischen Sommer ist Schluss damit . Die Eisbedeckung hat einen nie dagewesenen Negativrekord erreicht, und die Temperaturen haben mo- natlich neue Hitzerekorde erreicht . Das bedroht nicht nur die an die antarktischen Lebensbedingungen angepassten und hochgradig spezialisierten Tiere, sondern durch das massive Abschmelzen der antarktischen Gletscher auch Millionen von Menschen weltweit: auf Inselstaaten, in Küstenregionen und durch vermehrt auftretende Extrem- wetterereignisse auch in Deutschland . Wer übernimmt die Haftung für diesen umweltgefährdenden Notfall in der Antarktis? Zwar war der Anteil der Antarktis am ansteigenden Meeresspiegel bisher eher zu vernachlässigen, die letz- ten Erkenntnisse von deutschen Wissenschaftlern lassen jedoch einen klaren Trend erkennen . Das bisher als Kor- ken fungierende Schelfeis schmilzt durch den Anstieg der Temperaturen dahin . Der Korken der antarktischen Gletscher wird langsam, aber stetig gezogen . In der Ant- arktis befinden sich bis zu 80 Prozent des weltweiten Süßwasservorrats . Rein theoretisch würde ein gesamtes Abschmelzen der antarktischen Gletscher einen Mee- resspiegelanstieg von 60 Metern zur Folge haben . Ganz real hat jedoch schon heute jeder Zentimeter Meeresspie- gelanstieg weitreichende Konsequenzen weltweit . In der gestrigen Sitzung des Umweltausschusses hat die Parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr- Sutter verdeutlicht, dass sich die Bundesregierung der Lage in der Antarktis durchaus bewusst ist, und auf den Klimavertrag von Paris verwiesen . Und selbstverständ- lich ist der Klimavertrag von Paris ein historischer Erfolg für den Klimaschutz, aber dann muss die Bundesregie- rung eben auch national für diesen entschieden eintreten und nicht schon im ersten Jahr diesen nach allen Regeln der Kunst verwässern . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchfüh- rung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insol- venzverfahren (Tagesordnungspunkt 26) Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU): Wir beraten heute in zweiter und dritter Lesung den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren . Erstens . Der Entwurf passt zunächst die Bestimmun- gen der Neufassung der Europäischen Insolvenzverord- nung (EuInsVO) in das deutsche Verfahrensrecht ein . Dazu sieht er insbesondere die Einführung eines neuen Artikels 102c EGInsO vor, der sich an den geltenden Bestimmungen des Artikels 102 EGInsO orientiert . Der neue Artikel 102c EGInsO berücksichtigt jedoch auch die Ergänzungen und Änderungen, die die Neufassung im Vergleich zur noch geltenden Fassung der EuInsVO erfahren hat . So enthält er insbesondere Bestimmungen zu den in der Neufassung erstmals vorgesehenen Rechts- behelfen und gerichtlichen Entscheidungen, zur örtli- chen Zuständigkeit bei sogenannten Annexklagen, zu verfahrensrechtlichen Einzelheiten der „synthetischen“ Abwicklung von Sekundärinsolvenzverfahren und zu Einzelfragen bei der Bewältigung der Insolvenz der Mit- glieder von Unternehmensgruppen . Das alles ist im We- sentlichen „technisches Recht“ . Wir konnten hier noch viele Details im Gesetzge- bungsverfahren klarer regeln . Den Sachverständigen Kolja von Bismarck, Stephan Madaus und Christoph Niering, die uns hierbei mit ihren Stellungnahmen für unser erweitertes Berichterstattergespräch unterstützt haben, sei deshalb auch an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön gesagt . Zweitens . Wichtiger erscheint – wie ich schon in meiner Rede anlässlich der ersten Lesung des Gesetz- entwurfs gesagt habe – die sozusagen am Rande vorge- schlagene Änderung der §§ 13 und 15a der Insolvenzord- nung . Hier geht es um Reaktionen auf Unstimmigkeiten, die sich bei früheren Änderungen der Insolvenzordnung ergeben haben . So hatte der Deutsche Bundestag näm- lich im ESUG die Anforderungen an einen „korrekten“ Insolvenzantrag in § 13 InsO deutlich erhöht, letztlich um den Insolvenzgerichten eine schnellere und bessere Sachbehandlung des Antrags zu ermöglichen . Das aber hat – naturgemäß – die Fehleranfälligkeit von Insolvenz- anträgen erhöht . Nachdem aber im aktuell geltenden Recht § 15a Ab- satz 4 InsO die Strafbarkeit auch eines „nicht richtig“ gestellten Insolvenzantrages wegen Insolvenzverschlep- pung begründet, gibt es einen Zielkonflikt: Die eigentlich vom Gesetzgeber gewollte zügige Antragstellung wird nämlich schwierig, wenn alle Anforderungen des § 13 InsO korrekt beachtet werden sollen . Werden sie ande- rerseits nicht beachtet, droht Strafbarkeit . Die Insolvenz- gerichte haben sich hier damit beholfen, die (schnelle) Nachbesserung eines zunächst nicht richtigen – und da- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723392 (A) (C) (B) (D) mit möglicherweise unzulässigen – Insolvenzantrages zu verlangen . Wer in einem solchen Fall rechtzeitig nach- bessert, entgeht auch der Strafbarkeit . Diesen Ansatz greift der Gesetzentwurf nunmehr – zu Recht – auf . Gegenüber der Fassung des Regierungsentwurfs ha- ben wir die zunächst vorgeschlagene Neufassung des § 13 Absatz 3 InsO geändert: Die jetzt vorgeschlagene Fassung sieht vor, dass das Gericht den Antragsteller im Falle der Unzulässigkeit des gestellten Insolvenzan- trags auf diese Unzulässigkeit hinweist und ihm Gele- genheit gibt, den Mangel binnen einer angemessenen Frist zu beseitigen . Unvollständigkeiten des Antrages sind danach nur noch dann von Bedeutung, wenn sie zur Unzulässigkeit des Antrags führen . Vor allem aber haben wir auf die Festlegung einer Höchstfrist verzich- tet, um kein Einfallstor dafür zu öffnen, die Eröffnung von Insolvenzverfahren durch fehlerhaft gestellte Insol- venzanträge zu verschleppen . Für die Bestimmung des für eine Insolvenz anfechtung maßgeblichen Zeitraums bleibt aber alles beim Alten: Es kommt also für etwaige Rückrechnungen auf den Zeitpunkt der Stellung des un- richtigen Insolvenz antrages an, auch wenn ein zunächst unrichtig gestellter Antrag erst infolge seiner späteren Nachbesserung zur Verfahrenseröffnung führt. Als Folge konnte § 15a Absatz 4 InsO zunächst ver- einfacht werden, indem – wie im bislang noch geltenden Recht – nur noch auf die „nicht richtige“ Stellung des Insolvenzantrages abgestellt wird . Das Stellen eines un- richtigen Insolvenzantrags ist damit zunächst unabhängig davon strafbar, ob dem Antragsteller ein entsprechender Hinweis nach dem auch neu zu fassenden § 13 Absatz 3 InsO gegeben wurde oder er sonst Kenntnis davon erhal- ten hat . Allerdings wollen wir die Strafbarkeit, wie im neuen § 15a Absatz 6 InsO vorgeschlagen, jetzt an die „objektive Bedingung“ knüpfen, dass das Insolvenzge- richt den gestellten Antrag auch tatsächlich als unzuläs- sig zurückweist . Eine Strafbarkeit soll danach künftig nur noch dann in Betracht kommen, wenn der Antragstel- ler einen entsprechenden gerichtlichen Hinweis mit dem Ziel einer Nachbesserung binnen einer gesetzten Frist missachtet oder ihn nicht richtig umsetzt, der Antrag also unzulässig bleibt . Drittens . In der ersten Lesung zum Gesetzentwurf hatte ich darauf hingewiesen, dass es im Bereich der In- solvenzantragspflicht noch weiteren Handlungsbedarf, insbesondere für den Bereich der „Gründungsfinanzie- rung“ gibt; meine Fraktion hatte hierzu entsprechende Formulierungsvorschläge vorgelegt . Alle genannten Sachverständigen haben diese Einschätzung in dem er- wähnten Berichterstattergespräch geteilt, insbesondere was den Vorschlag angeht, die Strafbarkeit wegen Ver- letzung der Insolvenzantragspflicht nur noch auf Antrag zu verfolgen . In diesem Punkt abweichend von unserem Vorschlag ergab sich dort zudem ein relativ weit reichen- der Konsens, dass es Sinn machen könnte, die Antragsbe- rechtigung in die Hände des Insolvenzrichters zu legen . Bedauerlicherweise war unser Koalitionspartner un- ter Verweis auf die Position des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz nicht bereit, diese – ei- gentlich recht einfache – Änderung in diesem Gesetzge- bungsverfahren zu verwirklichen . Dass die ebenfalls un- sererseits vorgeschlagenen Änderungen im Bereich des Überschuldungsbegriffs (§ 19 InsO) breit diskutiert wer- den müssen, ist zwar richtig . Ich meine aber: Diese Dis- kussion haben wir schon lange geführt, und wir sollten jungen Unternehmensgründern nicht noch weiter Steine in den Weg legen . Ich bitte um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf . Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Das deutsche Insolvenzrecht unternimmt den Versuch, in der schwieri- gen Situation der Zahlungsunfähigkeit zu einem gerech- ten Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zu kom- men, die im Raum stehen . Dabei geht es auch um den Schutz des Rechtsverkehrs und der Allgemeinheit . Den- noch muss der Rechtsstaat der Versuchung widerstehen, zu diesem Schutzzweck übertriebene Anforderungen zu stellen. Dies betrifft insbesondere die Frage, welche Anforderungen an einen Insolvenzantrag zu stellen sind . Deshalb bin ich froh, dass der vorliegende Entwurf hier für Klarheit in der Praxis sorgen wird . Zudem ziehen Veränderungen der Märkte und der praktischen Handhabe auch immer wieder Änderungs- und Anpassungsbedarf in der Rechtsordnung nach sich . Ziel ist, die Rechtsordnung an die Herausforderungen unserer Zeit anzupassen . Im Mittelpunkt steht zunächst eine Neufassung des § 15a Insolvenzordnung . Die Tatbestandsalternative des „nicht richtig“ gestellten Insolvenzantrags wird gestri- chen werden . Stattdessen erfolgt eine Neustrukturierung des Absatzes 2 . Eine Strafbarkeit wegen eines rechtzeitig, aber nicht richtig gestellten Insolvenzantrags soll dem- nach nur noch dann vorliegen, wenn der antragstellende Schuldner seinen Antrag innerhalb von drei Wochen ab Zustellung einer richterlichen Aufforderung nicht nach- bessert . Diese Neuregelung verklart und konkretisiert damit in erfreulicher Art und Weise die bisherige Rechts- praxis und verändert diese Sachfrage sachgerecht und angemessen . Daneben werden weitere Unklarheiten beseitigt, die in der bisherigen Rechtspraxis seit der letzten EU-Ver- ordnung durch die Rechtsprechung aufgeworfen wurden . Auch hier enthält der vorliegende Entwurf zahlreiche weitere Verbesserungen in der Praxis . Ich bin dem Kollegen Hirte sehr dankbar, dass er im parlamentarischen Verfahren eine weitere praktische He- rausforderung aufgeworfen hat: Gerade im Bereich der Start-ups und der Gründungen besteht immer wieder das Problem, dass dort die Finanzausstattung von Tag zu Tag stark schwanken kann – gerade dann, wenn die Neugründung auch ohne ein großes Polster an Eigenka- pital gewagt wird . Umgekehrt wünschen wir uns aber am Technologie- und Forschungsstandort Deutschland Gründergeist und Start-up-Initiativen . Leider sind wir hier in den parlamentarischen Bera- tungen mit unserem Koalitionspartner nicht weiter ge- kommen . Um Missverständnisse auszuräumen: Es geht bei dieser Frage nicht um eine Aufweichung des Insol- venzrechts, sondern um eine praxistaugliche Ausrich- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23393 (A) (C) (B) (D) tung – ein Ansatz, den wir über die heutige Anpassung hinaus nicht aus den Augen verlieren sollten . Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): Mit der heutigen Debatte schließen wir eine gute Sache ab . Ich kann sehr stolz sagen, dass wir den Prüfauftrag, den wir im Koaliti- onsvertrag vereinbart haben, mit dem Gesetz zur Durch- führung der EU-Verordnung über Insolvenzverfahren vollständig erfüllt haben . Es ist uns nicht nur gelungen, unterschiedliche Schwachstellen in den bisherigen Vor- schriften zu finden und diese nachzubessern, nein, es ist auch gelungen, die deutsche Insolvenzordnung in Ein- klang mit den europäischen Vorschriften zu bringen . Einer Umsetzung in das deutsche Recht bedarf die Verordnung nicht; das Gesetz passt aber die Bestim- mungen der Neufassung in das deutsche Verfahrensrecht ein . Es sieht insbesondere die Einführung eines neuen Artikels 102c EGInsO vor, der sich an den geltenden Bestimmungen des Artikels 102 EGInsO orientiert . Der neue Artikel 102c EGInsO enthält insbesondere Bestim- mungen zu den in der Neufassung erstmals vorgesehenen Rechtsbehelfen und gerichtlichen Entscheidungen, zur örtlichen Zuständigkeit bei sogenannten Annexklagen, zu verfahrensrechtlichen Einzelheiten der Abwicklung von Sekundärinsolvenzverfahren und zu Einzelfragen bei der Bewältigung der Insolvenz der Mitglieder von Unternehmensgruppen . Wie es zu einer ordentlichen Gesetzgebung gehört, wurden Expertenmeinungen auch hier nicht außer Acht gelassen . Nach dem intensiven fachlichen Austausch der Sachverständigen wurden durch den Änderungsantrag weitere Nachbesserungen eingepflegt. Bemerkenswert war jedoch, dass sämtliche Sachverständige den Regie- rungsentwurf als durchaus gelungen bezeichneten . Die- ses Lob gebe ich gerne an Bundesminister Maas und sein Haus weiter . Darüber hinaus wurde das vom Bundestag am 9 . März 2017 mühsam verabschiedete Gesetz zur Er- leichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen eingepflegt. Die Ausschussberatungen haben gezeigt, dass die Re- gelungen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Insolvenzverschleppung (§§ 13, 15a der Insolvenzord- nung in der Entwurfsfassung – InsO-E) Anlass geben, das Insolvenzstrafrecht weitergehend und grundlegend zu ändern . In der nun geänderten Fassung sieht § 13 Ab- satz 3 InsO-E vor, dass das Gericht den Antragsteller im Falle der Unzulässigkeit des gestellten Antrags auf die Unzulässigkeit hinweist und ihm Gelegenheit gibt, den Mangel binnen einer angemessenen Frist zu beheben . Das ist gut und richtig . Mit der Anknüpfung an die Un- zulässigkeit des Antrags stellt § 13 Absatz 3 InsO-E in seiner geänderten Fassung klar, dass eine Unvollständig- keit des Antrags nur dann relevant ist, wenn die fehlende Angabe zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen gehört . Mit den Änderungen des § 15a InsO-E soll sicherge- stellt werden, dass das Stellen eines unrichtigen Eröff- nungsantrags unabhängig davon strafbar sein kann, ob dem Antragsteller der gerichtliche Hinweis im Sinne von § 13 Absatz 3 InsO-E zugestellt worden ist oder der Antragsteller auf sonstige Weise von diesem Kenntnis erlangt . Die Strafbarkeit wird allerdings an die objekti- ve Bedingung geknüpft, dass das Gericht den Antrag als unzulässig zurückweist . Ich freue mich ausdrücklich, dass die konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten zu einen guten Ergeb- nis geführt hat . Es bedeutet aber nicht, dass wir weitere Entwicklungen nicht berücksichtigen werden . Nach der Evaluierung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen ist es nicht ausgeschlossen, ich meine sogar erwartbar, dass wir erneut nachsteuern müssen . Aber auch hier gilt der Grundsatz allen Han- delns: Das Einzige, was gewiss ist, ist die Veränderung . Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Seit Inkrafttreten der Europäischen Insolvenzverordnung 1346/2000 im Jahr 2002 besteht in der Europäischen Union ein einheit- licher Rechtsrahmen für die Behandlung von grenzüber- schreitenden Insolvenzen . Aus dem 2012 von der Euro- päischen Kommission vorgelegten Evaluationsbericht zur Europäischen Insolvenzverordnung ist die Verord- nung 2015/848 hervorgegangen, die am 26 . Juni 2017 in Kraft tritt und die bisherigen Regelungen der Europäi- schen Insolvenzverordnung neu fasst . Bei den Regelungen handelt es sich nicht um eine Anpassung oder Vereinheitlichung der nationalen Vor- schriften zum jeweiligen Insolvenzrecht, sondern über- wiegend um Kollisions- und Verfahrensregeln, um die unterschiedlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten so zu verzahnen, dass grenzüberschreitende Insolvenzen im Binnenmarkt besser bewältigt werden können . Es werden damit unter anderem Fragen der Gerichtszustän- digkeit, der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit so- wie des im Einzelfall anwendbaren Rechts beantwortet . Europäische Verordnungen wie die Insolvenzverord- nung sind Rechtsakte, die in jedem Mitgliedstaat unmit- telbar als Gesetz gelten . Im Gegensatz zu Richtlinien bedürfen sie keiner Umsetzung in nationales Recht und lassen keine nennenswerten Spielräume für den nationa- len Gesetzgeber offen. Der deutsche Gesetzgeber nahm das Inkrafttreten der Europäischen Insolvenzverordnung dennoch zum An- lass, im deutschen Recht Verfahrensvorschriften aufzu- nehmen, um das nationale Insolvenzrecht besser in die vorgeschriebenen Verfahrensabläufe des Unionsrechts einzupassen . Auch das vorliegende Gesetz ist ein solches Durch- führungsgesetz, das die Änderungen der Europäischen Insolvenzverordnung aufgreift . Es ist eine undankbare Aufgabe für Abgeordnete, zu einem solchen Gesetz zu debattieren . Zwar ist das internationale Insolvenzrecht durchaus eine praktisch relevante und spannende Materie . Doch die laut zu ver- nehmende Kritik an Einzelregelungen der Europäischen Insolvenzverordnung muss in Brüssel debattiert werden . Hier im Deutschen Bundestag müssen wir uns auf das Durchführungsgesetz beschränken . Und selbst wenn es, wie bei jedem Gesetz selbstverständlich auch hier, auf eine ordentliche handwerkliche Umsetzung ankommt – praktische Relevanz haben die Regelungen im Zweifels- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723394 (A) (C) (B) (D) fall nicht, da die Europäische Verordnung Vorrang hat und alleiniger Maßstab bei der Bewältigung auftretender Rechtsprobleme ist . Insgesamt ist die Fachwelt, die täglich mit dem Gesetz konfrontiert ist, mit den Durchführungsvorschriften ein- verstanden . Wir begrüßen, dass sich die Koalitionsfrak- tionen im Rechtsausschuss die Verbesserungsvorschläge der Praktiker zu Herzen genommen und entsprechend nachgebessert haben . Besonders begrüßen wir die in der Beschlussempfeh- lung dargelegte Einsicht, nicht das gesamte Insolvenz- strafrecht auch noch im Zuge dieses Gesetzgebungsvor- habens und allein aufgrund von Ausschussberatungen umfassend zu reformieren – eine Einsicht, die bei ande- ren Vorhaben in diesem Hause leider nicht häufig zu be- obachten ist . Die von meinem Kollegen Professor Hirte in den Beratungen zur Diskussion gestellten Vorschläge zur Begrenzung der Strafbarkeit im Rahmen von Insol- venzen sind rechtspolitisch diskussionswürdig, bedürfen aber intensiverer Beratungen in einem eigenständigen Gesetzgebungsvorhaben . Abschließend bleibt anzumerken, dass die vom Rechtsausschuss hier empfohlene Änderung des § 15a InsO – Insolvenzverschleppung – gegenüber dem Regie- rungsentwurf ein erster richtiger Schritt zu mehr Klarheit und Bestimmtheit der Norm ist . Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Diesen Gesetzentwurf hätten wir eigentlich bereits im März in abschließender Lesung gemeinsam mit dem Konzernin- solvenzrecht behandeln können . Gleich zu Beginn möchte ich vorwegnehmen, dass ich dem Gesetzentwurf in seiner jetzigen Fassung zustim- men werde . Er dient im Wesentlichen der Durchführung der EU-Verordnung vom 20 . Mai 2015 über Insolvenzver- fahren und löst die bestehende Verordnung aus dem Jahr 2000 für neu zu eröffnende Insolvenzverfahren ab. Das Gesetz passt das deutsche Verfahrensrecht an die neue EU-Verordnung an und schafft in Zeiten zuneh- mender grenzüberschreitender Handelsbeziehungen ein- heitliche Regelungen für die Abwicklung in der EU im Falle des wirtschaftlichen Scheiterns . Die Umsetzung des europäischen Rechts in nationales Recht wird zum Anlass genommen, auch die Regelungen zur Insolvenz- verschleppung zu reformieren . Eine Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung wird nach dem neu eingefügten Absatz 6 in § 15a InsO auf die Fälle beschränkt, in denen der Antragsmangel dazu führt, dass das Gericht den Antrag auf Eröffnung des Insol- venzverfahrens rechtskräftig zurückweist . Die Strafbar- keit tritt also nur noch dann ein, wenn der Antragsteller den Eröffnungsantrag nach einem erteilten gerichtlichen Hinweis nicht nachbessert oder wenn die entsprechende Nachbesserung nicht zur Zulässigkeit des Eröffnungsan- trags führt und die Chance zur Antragsberichtigung so- mit ungenutzt bleibt . Das bloße „nicht richtige“ Stellen eines Antrags ge- nügt anders als bisher also nicht mehr für die Strafbarkeit und trägt in sinnvoller Weise dem Umstand Rechnung, dass das Verfahren der Insolvenzeröffnung sehr komplex ist . Für den Laien ist es oftmals kaum durchschaubar, welche Angaben für eine wirksame Verfahrenseröffnung erforderlich sind . Nach dem gerichtlichen Hinweis ist der Antragsteller damit im Bilde und in der Lage, die fehlen- den Angaben zu ergänzen . In der im vorigen Entwurf vorgesehenen Fassung soll- te bereits der „nicht vollständig“ gestellte Antrag eine Strafbarkeit begründen, wenn dieser nicht innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Zustellung ergänzt wird . Das hätte gegenüber der jetzigen Rechtslage keine Verbesse- rung gebracht . Von daher ist es zu begrüßen, dass sich die Koalition an dieser Stelle doch noch durchgerungen hat, eine Strafvorschrift zu entschärfen . Angesichts der Fülle an neuen Straftatbeständen und Strafverschärfungen, die Sie in den letzten Monaten hier verabschiedet haben, ist jede Strafentschärfung mal eine erfreuliche Nachricht . In diesem Fall wurden die Sachverständigen, die als Prak- tiker näher an der Materie dran sind und die alltäglichen Probleme in der praktischen Umsetzung kennen, mit ihren Vorschlägen ausnahmsweise mal gehört, und ihre vorgeschlagenen Änderungen haben teilweise Eingang in das Gesetz gefunden . Daher hat sich das Expertenge- spräch in diesem Fall doch sehr gelohnt . Trotzdem bleibt das Grundproblem bei den Insolvenz- anträgen aber bestehen . Wir müssen von vornherein mehr zulässige Anträge schaffen, indem das Verfahren an sich vereinfacht wird und den Antragstellern mehr Hilfen etwa bei der Antragstellung zur Verfügung ge- stellt werden . Es wäre ja auch zu schade, wenn es in der nächsten Legislaturperiode keinen Anlass mehr gäbe, das Insolvenzrecht auf die Tagesordnung zu setzen . Ich be- fürchte allerdings, dass wir an diesen Anlässen auch in der nächsten Periode keinen Mangel haben werden . Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zu bereichsspe- zifischen Regelungen der Gesichtsverhüllung (Ta- gesordnungspunkt 27) Robert Hochbaum (CDU/CSU): Der heute ver- handelte Gesetzentwurf ist von größerer Bedeutung für unsere Bundeswehr . Denn neben jenen Regelungen zur Gesichtsverhüllung wird er auch die Neuregelung des Auslandsverwendungszuschlags umfassen . Und dieser ist insbesondere für unsere Soldatinnen und Soldaten be- deutsam, die fernab ihrer Heimat Dienst leisten . Es ist ja kein Geheimnis, dass sich die Sicherheitsla- ge, auch in Europa, verändert hat . Zu Recht wurde in der Vergangenheit von verschiedenen Seiten nachdrücklich darauf hingewiesen, dass Deutschland diesen veränder- ten Bedingungen vielfach Rechnung tragen muss . Wenn nun besonders unsere östlichen NATO-Part- ner in Sorge sind und auf den entschlossenen Beistand ihrer Verbündeten hoffen, so ist es nur natürlich, wenn Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23395 (A) (C) (B) (D) Deutschland diese Sorgen ernst nimmt und entsprechend handelt . Deshalb sind zum Beispiel auch Einheiten der Bundeswehr in das Baltikum entsandt worden . Diese Art von Aufträgen bezeichnen wir als einsatzgleiche Ver- pflichtungen, und sie werfen die Frage auf, wie wir sie unseren Soldatinnen und Soldaten vergüten sollen . Aktuell wird der AVZ ja nur denjenigen Frauen und Männern gewährt, die sich in mandatierten Einsätzen befinden. Einsatzgleiche Verpflichtungen werden jedoch nicht entsprechend vergütet . Momentan werden sie durch Auslandsdienstbezüge oder durch Vergütung zeitlicher Mehrleistung abgegolten . Das sollte kein dauerhafter Zustand bleiben! Denn damit entsteht ein prinzipieller Unterschied zwischen Soldatinnen und Soldaten in ähn- lichen Gebieten und mit ähnlicher Belastung . Das führt zum Beispiel zu Ungerechtigkeiten bei Soldatinnen und Soldaten, die im Baltikum eingesetzt sind, oder jenen Marineangehörigen, die in der Ägäis gegen das Schlep- perwesen engagiert sind . Auch diese Frauen und Männer sind über Wochen und Monate von zu Hause, von ihren Familien, getrennt . Auch sie sind täglich harten Bedin- gungen ausgesetzt, die sich nicht gravierend von denen mandatierter Einsätze unterscheiden . Völlig zu Recht hat unsere Ministerin betont, dass es eine Frage der Gerechtigkeit ist, wenn auch für diese ein- satzgleichen Verpflichtungen der AVZ gewährt wird. Es ist unser Auftrag, dem heute nachzukommen . Wenn nun von manchen gefordert wird, dass die Zah- lung dieser Vergütung auch rückwirkend gilt, so mag dies durchaus nachvollziehbar sein . So verständlich es aber ist, so muss doch festgehalten werden – und das Bun- desministerium der Justiz hat es bestätigt –: Ein rückwir- kendes Inkrafttreten ist ein Fall der echten Rückwirkung . Und dieser ist grundsätzlich verfassungsrechtlich unzu- lässig . Dieses Rückwirkungsverbot zu ignorieren, mag die Absicht auch noch so edel sein, hieße nichts anderes, als geltendes Recht bewusst zu ignorieren . Das ist sicher nicht Ziel dieses Vorstoßes und dient auch nicht den da- mit verbundenen Absichten . Jedes Gesetz entsteht in einem Prozess des Austauschs von Interessen und des Findens von Kompromissen . Der hier vorliegende Gesetzentwurf ist ein wichtiger Schritt im Interesse unserer Soldatinnen und Soldaten und unse- rer Sicherheitspolitik . Wenn wir uns mit diesen Themen befassen, so dürfen wir nicht vergessen: Sicherheit und Frieden in Deutsch- land werden nicht zuletzt durch die Soldatinnen und Sol- daten gewährleistet, die oft unter zahlreichen Risiken und mit größtem persönlichem Einsatz täglich ihren Dienst verrichten. Darum sollten wir uns ihnen verpflichtet füh- len . Ich bitte um Ihre Zustimmung zum Gesetzentwurf . Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU): Zum Abschluss des parlamentarischen Verfahrens zu den bereichsspezi- fischen Regelungen der Gesichtsverhüllung möchte ich die Gelegenheit nutzen, meine Zustimmung zu dem Ge- setzentwurf einschließlich der Änderungen, die wir von der CDU/CSU-Fraktion gemeinsam mit unserem Koali- tionspartner eingebracht haben, zu erläutern . Demnach dürfen Beamtinnen und Beamte sowie Sol- datinnen und Soldaten bei Ausübung ihres Dienstes so- wie bei Tätigkeiten mit unmittelbarem Dienstbezug ihr Gesicht nicht verhüllen . Ausnahmen sind nur aus dienst- lichen und gesundheitlichen Gründen möglich . Endlich schaffen wir als Gesetzgeber eine klare Regelung, mit der untersagt wird, aus weltanschaulich-religiösen Mo- tiven in bestimmten Bereichen im Dienst das Gesicht zu verhüllen. Wir leben in einer offenen Gesellschaft. Unser Zusammenleben beruht darauf, dass man sich unterei- nander offen begegnet. So ist es meiner Ansicht nach nur folgerichtig, dass die Repräsentanten des Staates bei der Ausübung ihrer Tätigkeit Offenheit zeigen und dadurch zur Vertrauensbildung beitragen . Dies ist mit einem ver- hüllten Gesicht nicht möglich . Aus dem gleichen Grund finden sich im vorliegen- den Gesetzentwurf Verbote der Gesichtsverhüllung auch für Mitglieder der Wahlausschüsse und Bürger, die ihre Stimme abgeben möchten . Es muss zu jeder Zeit ein Ab- gleich des Gesichts mit einem Ausweispapier möglich sein . Für mich ist dies eigentlich eine Selbstverständlich- keit . Keiner, der sich in unserem Land aufhält, kann sich einer Identitätsfeststellung entziehen . Dies werden wir nun im Personalausweisgesetz regeln . Wir haben uns in den Beratungen zu dem Gesetzent- wurf darauf geeinigt, das Verfahren dazu zu nutzen, wei- tere dienstrechtliche Regelungen zu treffen. Ich möchte hierzu einzelne Punkte herausgreifen: Um den Dienstbetrieb und die Einsätze der Bundes- wehrfeuerwehr weiterhin sicherzustellen, werden wir eine kurzfristige Verlängerung der bis 2017 befristeten Opt-out-Regelung der Arbeitszeitverordnung festlegen . Die freiwillige Erhöhung der Arbeitszeit für Feuerwehr- leute der Bundeswehr wird bis Ende 2019 gelten . Mit einer Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes bezüglich der Ruhensregelung für Renten aus der Al- terssicherung der Landwirte haben wir den Forderungen des Bundesrechnungshofes und des Rechnungsprüfungs- ausschusses des Deutschen Bundestages Rechnung ge- tragen . Nunmehr unterliegt künftig die Anrechnung von Renten aus der Alterssicherung für Landwirte auf die be- amtenrechtlichen Versorgungsbezüge nicht der Ruhens- regelung . Eine Verbesserung für unsere Bundeswehrsoldaten wird durch eine Änderung des Beamtenbesoldungsge- setzes erfolgen . Verwendungen von Bundeswehrsolda- ten sollen künftig einheitlich mit dem Auslandsverwen- dungszuschlag abgegolten werden . Damit werden die bislang für vergleichbare Verwendungen mit vergleich- baren Belastungen in unterschiedlicher Höhe gezahlten Bezüge auf einen einheitlichen Satz gebracht . Viele notwendige Neuerungen im Zuständigkeitsbe- reich des Innenressorts werden mit dem vorliegenden Gesetzentwurf angegangen und sinnvoll umgesetzt . Den Kern des Entwurfes bilden aber die bereichsspezifischen Regelungen der Gesichtsverhüllung . Wir von der Uni- onsfraktion im Deutschen Bundestag sind davon über- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723396 (A) (C) (B) (D) zeugt, dass wir mit dem Gesetz das richtige Signal an unsere Gesellschaft senden . Ich möchte noch einmal verdeutlichen: In der Burka oder Nikab sehen wir ein Integrationshemmnis . Für mich bedeutet Integration auch, dass wir unsere Werte und die Grenzen unserer Toleranz gegenüber anderen Kulturen deutlich machen . Der vorliegende Gesetzentwurf leistet hierzu einen wertvollen Beitrag . Dr. Lars Castellucci (SPD): Wir beraten heute den Gesetzentwurf zur bereichsspezifischen Regelung der Gesichtsverhüllung in zweiter und dritter Lesung . Im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf wurde in der Diskussion gerne argumentiert, dies sei Symbolpo- litik oder symbolische Politik. Dabei wird der Begriff „symbolische Politik“ meist unpräzise und oft abfällig verwendet . Es ist deshalb sehr erhellend, sich einmal mit den theoretischen Konzeptionen zur symbolischen Poli- tik zu beschäftigen . Grundlegend für das Verständnis des Begriffs ist das auf Murray Edelman zurückgehende Konzept der „sym- bolischen Politik“ . Edelmans Ansatz geht von einer Dop- pelung der politischen Realität aus . Darunter versteht er, dass alle politischen Handlungen und Ereignisse gekenn- zeichnet sind durch die Trennung in eine instrumentelle Dimension bzw . einen Nennwert – also die tatsächlichen Effekte der politischen Handlung – und eine expressive Dimension bzw . einen dramaturgischen Symbolwert – die Darstellung der Handlung für die Öffentlichkeit. In unserem Fall beschreibt gerade diese Zweiteilung – Nennwert und Symbolwert – die Problematik recht gut . Denn im Nennwert, also bei der Frage, was der tatsächli- che Effekt dieses Gesetzes ist, ist relativ wenig geregelt, das den Alltag der Menschen in unserem Land betrifft. Es gibt nach unseren Erkenntnissen kaum Soldatinnen, die eine Burka tragen wollen . Auch in den Wahllokalen zur Bundestagswahl waren vollverschleierte Frauen bisher nicht als Problem aufgefallen, soweit mir das bekannt ist . Insofern regelt der Entwurf vor allem Probleme, die nur am Rande und in vernachlässigenswerten Größenord- nungen und Fallzahlen vorkommen . Auf der anderen Seite ist der Symbolwert recht hoch, denn wir zeigen damit unsere Missbilligung für eine sol- che Verschleierung und Entpersonalisierung von Frauen an . Wir zeigen damit auf, dass wir – wo wir können – die offene Gesellschaft auch leben wollen und wir deshalb auch eine gewisse Offenheit von anderen erwarten bzw. erhoffen. Zudem können sich die Verfechterinnen und Verfech- ter dieses Antrags der Unterstützung der Mehrheit der Bevölkerung sicher sein: Nach einer ARD-Umfrage sind bis zu 80 Prozent der Deutschen für ein Burkaverbot; rund 50 Prozent für ein generelles Verbot und immerhin 31 Prozent für ein teilweises Verbot etwa im öffentlichen Dienst und in Schulen . Häufig werden dafür Gründe wie Integration und die Wahrung westlicher Werte angeführt . Vollschleier wie Burka oder Nikab werden als Zeichen der Unterdrückung der Frauen angesehen, als Zeichen einer patriarchalen Gesellschaft, als Hindernis der Integration und des wech- selseitigen Austausches . Das mag alles stimmen – und in der Tat ist es schwierig, mit einem Gegenüber, das als Individuum quasi unsichtbar ist, in Kontakt zu treten . Die Frage ist allerdings, inwiefern Kleiderverbote und Buß- geldverfahren kulturelle Differenzen aufbrechen sollen, geschweige denn Wege der Integration öffnen. Aber wenn wir bei den Umfragezahlen bleiben, wür- den wir also das Bedürfnis der Mehrheit der Bürgerin- nen und Bürger bedienen, wenn wir ein Gesetz erlassen würden, das die Burka verbieten soll, und könnten zur Tagesordnung übergehen . Ich möchte jedoch nochmals etwas differenzierter auf die Diskussion eingehen, die sich um ein Burkaver- bot in den letzten Jahren entsponnen hat . Der Innenmi- nister Dr . de Maizière hat im Dezember 2015 der Welt am Sonntag gesagt, dass er Bedenken gegen ein Burka- verbot habe . Ein Verbot wäre kompliziert; zudem seien viele Verfassungsrechtler der Meinung, dass ein solches Verbot vor dem Bundesverfassungsgericht nicht Bestand haben würde, so der Minister damals, und man könne schließlich nicht alles verbieten, was einem nicht gefällt . Hier kann ich Herrn de Maizière nur recht geben . Auch ich denke, dass wir ein generelles Verbot nicht verfassungskonform erreichen können . Daher haben wir uns auf einen eher symbolträchtigen Verbotskatalog ge- einigt, der niemanden in seinen religiösen Selbstbestim- mungsrechten verletzt . Verbunden ist dies aber mit einem starken Appell, dass Integration nur gelingen kann, wenn beide Seiten aufeinander zugehen und Offenheit nicht nur vom Gegenüber erwartet wird . Zum Schluss noch einige Worte zu den Vorwürfen, wir würden mit dem Verschleierungsverbot das Geschäft der AfD betreiben und antimuslimische Ressentiments ver- stärken . Aus meiner Sicht sollte es schon möglich sein, Dinge anzusprechen und Debatten zu initiieren . Denn nur so schaffen wir ein Verständnis auch füreinander – für unsere Gemeinsamkeiten und unsere Differenzen. In den Debatten zur Verschleierung wurde sehr viel darüber gesprochen, was dies für die Frauen bedeutet und dass sie dadurch unterdrückt werden; auch ich habe mich in dieser Richtung geäußert . Aber: Hat irgendwer von uns auch mit diesen Frauen gesprochen? Oder nehmen wir das einfach auf Basis unseres – vermeintlichen – Wissens an? Ich bin überzeugt, dass auf dieser Ebene viel eher eine Lösung und Verständigung zu erreichen ist als durch Verbote und Strafen . Deshalb hoffe ich, dass wir mit diesem Gesetz nicht das Ende der Debatte erreicht haben, sondern sie im Ge- genteil erst beginnen . Diese Debatte müssen wir aber mit den Menschen führen, die davon betroffen sind und die uns etwas dazu sagen können . Denn sonst ist das nur eine selbstreferenzielle Ausgrenzung von Personen und Lebensstilen, die an der Debatte nicht beteiligt werden . Ulla Jelpke (DIE LINKE): Die Bundesregierung will mit dem Entwurf eines Gesetzes zu bereichsspezifischen Regelungen der Gesichtsverhüllung verbieten, dass Be- amtinnen und Beamten während ihres Dienstes ihr Ge- sicht verbergen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23397 (A) (C) (B) (D) Neue Gesetze werden in der Regel beschlossen, weil ein gesellschaftliches Problem erkannt wurde, dem zu- mindest nach Meinung der Regierenden mit den bishe- rigen Gesetzen nicht beizukommen ist . Doch im vorlie- genden Fall haben wir es mit einer Gesetzesinitiative zu tun, der keinerlei reelles Problem zugrunde liegt . Es geht hier um rein ideologisch motivierte Propaganda . Union und SPD lassen sich hier vor den Karren der AfD span- nen . Zum Glück nicht im Bund, aber auf Länderebene in Sachsen-Anhalt machen da sogar die Grünen mit . Und das ist nicht nur peinlich, das ist regelrecht gefährlich! Denn auch wenn es nicht so explizit im Gesetzestext genannt ist, so ist doch jedem klar, dass es beim geplan- ten Verbot um gesichtsverhüllende Schleier muslimi- scher Frauen geht . In letzter Zeit ist oft von Fake News die Rede . Doch bei der Debatte um ein sogenanntes Bur- kaverbot haben wir es mit noch weniger als Fake News zu tun, nämlich mit gar keinen, auch keinen erfundenen Fakten . Denn die Bundesregierung konnte bislang kein einziges praktisches Beispiel für die Notwendigkeit die- ses Gesetzes anführen . Amtliche Statistiken darüber, wie viele Frauen in Deutschland Nikab oder gar Burka tragen, gibt es nicht, da hier zum Glück – noch? – keine Meldepflicht besteht. Die niedrigsten Schätzungen liegen bei 200 bis 300 Bur- katrägerinnen, wobei hier wohl nicht zwischen der af- ghanischen Burka und dem wenigstens die Augen frei- lassenden Nikab unterschieden wird . Der Betreiber der Website www .burkaverbot .de kommt auf eine Zahl von 4 000 bis 6 500 Mitgliedern der Nikabi-Gemeinschaft, also aus religiösen Gründen vollverschleierten Mädchen und Frauen in Deutschland . Die Zahl beinhaltet auch Flüchtlinge und arabische Touristinnen sowie andere nur vorübergehend in Deutschland aufhältige Muslimas mit Gesichtsschleier, die sich garantiert nicht um eine Stelle im öffentlichen Dienst bewerben werden. Die Website www .burkaverbot .de setzt sich übrigens entgegen ihrem Namen für das Recht der Muslimas auf freie Religions- ausübung einschließlich des Rechts auf Vollverschleie- rung ein und will Fakten zu dieser Debatte liefern . Egal welche dieser Zahlen wir nehmen: Es geht hier nur um eine verschwindend geringe Zahl unter den rund 2 Millionen Muslimas in Deutschland, die sich überhaupt zumindest zeitweilig vollständig verschleiern . Wie vie- le in ihrer Freizeit vollverschleierte Frauen als Bundes- beamtinnen tätig sind, ist nicht bekannt . Auf jeden Fall habe ich noch von keinem einzigen Fall gehört, in dem eine Beamtin tatsächlich vollverschleiert zum Dienst er- schienen ist . Entweder haben wir es also mit einem unnötigen Vor- ratsgesetz für einen bislang nicht eingetretenen hypothe- tischen Fall zu tun oder sogar mit einem rechtlich unzu- lässigen Einzelfallgesetz . Beides ist abzulehnen . Nach Ansicht der Bundesregierung steht eine Ge- sichtsverhüllung einer „vertrauensvollen Kommunikati- on der staatlichen Funktionsträger mit den Bürgerinnen und Bürgern“ entgegen . Da diese Kommunikation heute in vielen Fällen telefonisch, per Post oder E-Mail statt- findet, kann der Bürger in der Regel gar nicht erfassen, ob die Beamtin, mit der er kommuniziert, Minirock oder Nikab trägt . Eine Ausnahme ist mir freilich bekannt, und das sind Mitglieder von Polizeisonderkommandos . Deren freilich nicht religiös begründete Vermummung etwa am Rande von Demonstrationen und zum Schutze von Großver- anstaltungen stellt allerdings alles andere als eine „ver- trauensvolle Kommunikation“ dar . Doch ein derartiges einschüchterndes Auftreten von SEK-Polizisten wird ja durch den vorliegenden Gesetzentwurf ausdrücklich ge- deckt . Wir haben es nicht nur mit einer Regelung zu tun, die einfach nur sinnlos ist . Es ist schlimmer: Diese Regelung trägt, genauso wie die zum Teil noch viel weiter gehen- den Gesetze auf Landesebene, zur Stimmungsmache gegen ganze Bevölkerungsgruppen bei . Denn hier wird eine seit Jahren wachsende Muslim- und Islamfeind- schaft weiter mit Nahrung versorgt . Und auch viele Mus- lime und Muslimas, die selbst die Vollverschleierung oder überhaupt das Kopftuch ablehnen, empfinden diese Debatte zu Recht als ausgrenzend und diskriminierend . Lassen Sie mich abschließend noch klarstellen, dass ich persönlich nicht nachvollziehen kann, warum sich eine Frau im Namen einer Religion gänzlich verhüllt . Ich kann darin nichts Emanzipatorisches erkennen . Doch letztlich müssen die Muslimas selbst entscheiden . Sollte allerdings Zwang dabei sein – etwa durch männliche Fa- milienmitglieder –, dann lehne ich das entschieden ab . Frauen, die sich aus freier Entscheidung von Nikab oder Burka oder auch nur dem einfachen Schleier lossagen wollen, verdienen dabei jede moralische Unterstützung . Sondergesetze wie das vorliegende sind aber gänzlich ungeeignet zum Schutze der Rechte der betroffenen Frauen. Daher lehnt die Linke dieses völlig überflüssi- ge, aber gleichwohl in seiner Signalwirkung schädliche Gesetz ab . Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Wir sollten bei den Regelungen bleiben, die wir haben, und nicht neuen Unfrieden in unser Land bringen mit einer so sehr spaltenden Diskussion“, so äußerte sich der Bundes- innenminister noch im August letzten Jahres zum Thema Burkaverbot . Dennoch wurde die Diskussion geführt, als habe die Frage der Gesichtsverhüllung für die innere Si- cherheit irgendeine Relevanz . Dem ist nicht so, und da- von ist im vorliegenden Gesetzentwurf auch nicht mehr die Rede . Der Entwurf eines Gesetzes zu bereichsspezifischen Regelungen der Gesichtsverhüllung datiert auf den 15 . Februar 2017, und es wäre wahrlich besser gewesen, der Entwurf wäre früher vorgelegt worden; denn von den markigen Forderungen aus den Reihen der schwarzen Sheriffs bei CDU und CSU ist wahrlich nicht viel übrig geblieben. Dennoch ist offen, ob es für die nun vorgeleg- ten Regelungen, die sich insbesondere auf Bundesbeam- tinnen, Soldatinnen und Richterinnen beziehen, je einen möglichen Anwendungsfall gegeben hat . Dieser Nachweis hätte jedoch geführt werden müs- sen, denn die allgemeine Erfahrung deutet darauf hin, dass die allgemeinen Regelungen für Beamte, Richter http://www.burkaverbot.de http://www.burkaverbot.de Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723398 (A) (C) (B) (D) und Soldaten ausreichen, im notwendigen Maß Fragen der amts- und dienstangemessenen Bekleidung zu regeln . Ohne diesen Nachweis stellt die Regelung – eben gerade aufgrund dieser fehlenden Regelungsbedürftigkeit – in ihrer speziellen Ausprägung eine ungerechtfertigte Vor- verurteilung dar . Dasselbe gilt für jene Regelungen des Entwurfs, die die Identifizierung anhand von Lichtbildern regeln. Auch hier ist nicht bekannt, dass es tatsächlich zu Anwen- dungsfällen kommt, die aufgrund der bestehenden ge- setzlichen Regelungen nicht zu lösen sind . Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich derjenigen Regelungen, die gänzlich ohne Sachbezug zur Frage der Gesichtsverhüllung zum ursprünglichen Antrag durch den Änderungsantrag hinzugekommen sind . Eine An- passung der Versorgungsregelungen insbesondere auch für die Soldatinnen und Soldaten erscheint angezeigt . Meine Fraktion hat dieses Anliegen durch einen eigenen Änderungsantrag konstruktiv unterstützt . Die Verbin- dung zweier völlig unterschiedlicher Sachfragen in einer Initiative mag dem baldigen Ende der Legislaturperiode geschuldet sein; für die öffentliche Wahrnehmung parla- mentarischer Entscheidungen finde ich es wenig glück- lich . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Än- derung des Bundesfernstraßengesetzes (Tagesord- nungspunkt 30) Gero Storjohann (CDU/CSU): Die Verantwortung für den Bau der Radverkehrsinfrastruktur liegt unstreitig bei Land und Kommunen . 1,3 Milliarden Euro stellt der Bund den Ländern als Entflechtungsmitteln unter ande- rem auch für Radverkehr zur Verfügung . Diese bleiben zum größten Teil für den Radverkehr ungenutzt . Daher schieben wir als Bund das Thema Radschnellwege jetzt an . Mit einer erstmaligen Fördersumme von 25 Milli- onen Euro im Haushaltsjahr 2017 für Radschnellwege investieren wir in ein nachhaltiges und zukunftsfähiges Verkehrssystem in Deutschland . Radschnellwege verei- nen die Begriffe Mobilität und Modernität als ein neues Instrument der Verkehrsplanung . Sie sind gerade für ur- bane Räume und Metropolregionen geeignet . Denn Rad- schnellwege sollen gezielt dazu genutzt werden, Quel- le-Ziel-Verkehre zu zentrifugieren, Pendlerverkehre auf das Fahrrad zu verlagern, Staus zu minimieren und den Verkehr zu verflüssigen. Weiter dienen sie auch der Ent- lastung des Bundesfernstraßennetzes, welches gerade in Ballungsgebieten stark für Kurstrecken frequentiert wird . Neben diesen vielen positiven Effekten auf den Ver- kehr können durch Radschnellwege auch negative Ver- kehrsfolgen wie Lärmbelastung und Schadstoffemissio- nen stark minimiert werden . Im Klimaschutz liegt auch der Kern für die Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Schaffung einer bundesgesetzlichen Ermächtigungs- grundlage zur Gewährung von Finanzhilfen für den Bau von Radschnellwegen in fremder Straßenbaulast . Die Ermächtigungsgrundlage folgt aus Artikel 104b Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz . Nach diesem Artikel ist es möglich, dass der Bund den Ländern Finanzhilfen für besondere bedeutsame Investitionen gewährt . Für den vorliegenden Fall des Baus von Radschnellwegen in der Baulast der Länder und Gemeinden liegt diese bedeutsame Investiti- on in Artikel 74 Absatz 1 Nummer 24 Grundgesetz, der Luftreinhaltung . Die Einführung von Radschnellwegen ist somit sehr im Interesse des Bundes als Träger der Straßenbaulast für Bundesfernstraßen . Zwar bestehen jetzt schon Möglich- keiten, den Bau von Radwegen als Bestandteil von Bun- desfernstraßen in der Baulast des Bundes zu finanzieren, jedoch wird mit dem vorliegenden Gesetz nun ermöglicht werden, sich finanziell am Bau von Radschnellwegen in fremder Baulast, das heißt an Radverkehrswegen, welche in der Baulast von Ländern, Gemeinden und Gemeinde- verbänden stehen, durch die gezielte Gewährung von Finanzhilfen zu beteiligen, mit dem Ziel, somit eine er- höhte Umsetzung von Radverkehrsprojekten zu fördern . Die Voraussetzungen für diese Finanzhilfen haben wir bereits 2016 mit der Verabschiedung des Bundesver- kehrswegeplanes 2030 geschaffen. Mit der Umsetzung des vorliegenden Gesetzeses haben wir unseren Arbeits- auftrag erfüllt und eine gesetzliche Grundlage zur Um- setzung der Förderung von Radschnellwegen geschaf- fen . Einzelheiten zu der Verteilung dieser Finanzmittel regelt eine Verwaltungsvereinbarung, welche zwischen Bund und Ländern jetzt geschlossen werden muss . Die- se Verwaltungsvereinbarung wird bis zum Sommer 2017 erstellt werden, sodass es möglich sein wird, noch in die- sem Jahr Finanzhilfen für Radschnellwege abzurufen . Gegenstand dieser speziellen Förderung sind nicht Radwege im Allgemeinen, sondern wirklich nur spezifi- sche Radschnellwege . Diese Radschnellwege werden durch speziel- le Merkmale gekennzeichnet: bauliche Anforderun- gen zur Gewährleistung eines schnellen Radverkehrs; eine Prognosebelastung von in der Regel mindestens 2 000 Fahrradfahrten pro Tag; ein Fahrbahnquerschnitt von in der Regel von 4 Metern Breite; Bildung eines zu- sammenhängenden Netzes; alleiniger oder Mitbestand- teil einer Radschnellwegeverbindung mit einer Mindest- länge von in der Regel 10 Kilometern . Es freut uns, dass auch der Bundesrat dieses Radver- kehrsvorhaben so positiv unterstützt hat . Auf seine Forde- rung der Herabsetzung der Mindestlänge auf 5 Kilometer konnten wir nicht eingehen . Denn für die Förderkriterien müssen wir Radschnellwege von sonstigen Radwegen unterscheiden können . Um größere Nutzerpotenziale zu erschließen, bedarf es einer längeren Fahrstrecke, die mit dem Fahrrad abgewickelt werden kann . Radschnellwege generieren uns auch einen volkswirt- schaftlichen Nutzen, zum Beispiel durch Stauvermei- dung . Bis 2030 werden wachsende Verkehre im Straßen- verkehr bis zu 18 Prozent prognostiziert . Eine Entlastung Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23399 (A) (C) (B) (D) des Straßenverkehrs ist daher dringend notwendig; auch hierfür können Radschnellwege wichtige Impulse setzen . Bereits heute blicken wir auf eine aufstrebende Zu- kunft für Radschnellwege . Schon vor Umsetzung dieses Bundesfernstraßengesetzes sind dem Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur 80 Maßnahmen mit einer Streckenlänge von rund 1 400 Kilometern benannt worden . Ein Bedarf an diesen Projekten ist da und wird auch noch steigen, was eine Erhöhung der Haushaltsmit- tel erforderlich macht . Daher stimmen Sie bitte mit Freude für diesen Gesetz- entwurf, denn er dient der Verbesserung des Radverkehrs und fördert ein modernes, nachhaltiges und zukunftsfähi- ges Verkehrssystem in Deutschland . Sabine Leidig (DIE LINKE): Mit dem Siebten Ge- setz zur Änderung des Bundesfernstraßengesetzes will die Regierungskoalition vor allem eines: 41 Autobahn- und fünf Bundesstraßenausbauprojekte möglichst un- gehindert durchsetzen, damit noch mehr Lkw-Verkehr durch die Republik rollen kann . Das aber ist genau das Gegenteil von Klimaschutz und Verkehrswende, die wir dringend brauchen . Vielerorts haben Bürgerinitiativen und Umweltverbände sinnvolle Alternativen zu noch mehr Autobahnen ausgearbeitet; und es gibt sehr viele berechtigte Einwände, die bei den Plänen der Bundesregierung nicht berücksichtigt werden . Um sich diese möglichst schnell „vom Hals zu schaffen“, will sie für diese 46 im § 17e Absatz 1 genannten Vor- haben den Klageweg einschränken: Das Bundeverwal- tungsgericht soll in erster und letzter Instanz zugleich entscheiden . Das Verfahren auf Landesebene entfällt, und Berufung wird unmöglich . Die Linksfraktion beantragt, dass dieser Paragraf ge- strichen wird . Die ohnehin mageren Rechte der Bürge- rinnen und Bürger dürfen nicht eingeschränkt werden! Es entspricht auch nicht dem föderalen Zustän- digkeitsverständnis, dass ein Bundesgericht erst- und letztinstanzlich entscheidet . Dies ist nur in begrenzten Ausnahmen zulässig, was mit dieser Regelung deutlich überschritten wird . Bedenklich ist zudem, dass damit ein Bundesgericht verbindlich über die Anwendung und Auslegung von Landesrecht entscheidet, weil die Ver- einbarkeit mit den Naturschutz-, Wasser-, Wege- oder Denkmalschutzgesetzen der Länder regelmäßig Teil des gerichtlichen Prüfungsumfangs bei Klagen gegen Plan- feststellungsbeschlüsse ist . Die Gründe, die dazu führten, dass die Alleinzuständigkeit des Bundesverwaltungsge- richtes bei der Anwendung des früheren Verkehrswe- geplanungsbeschleunigungsgesetzes von Verfassungs- experten für ausnahmsweise zulässig erachtet wurde, beruhen ausschließlich auf den Erfordernissen im Zu- sammenhang mit der deutschen Einheit . Die Regierungskoalition will aber die Verfassungs- rechte aus vielerlei Gründen aushebeln: Einbindung der neuen Mitgliedstaaten in die Europäische Union, Verbes- serung der Hinterlandanbindung der deutschen Seehäfen, sonstiger internationaler Bezug oder „besondere Funkti- on zur Beseitigung schwerwiegender Verkehrsengpäs- se“ – damit lässt sich fast jedes Straßenbauprojekt be- gründen . Der ursprüngliche Grund „Herstellung der deutschen Einheit“ gilt auch noch und soll ausgerechnet den völlig unsinnigen und (vom Land Berlin) unerwünschten Wei- terbau der A 100 (17 . Bauabschnitt) beschleunigen . Auch andere hochumstrittene Autobahnen wie die A 20 oder die A 39 stehen auf der „Beschleunigungsliste“ . Wir lehnen diese Projekte ab, und wir lehnen die Ein- schränkung der Bürgerbeteiligung ab! Einem ganz anderen Punkt, der ebenfalls Teil der vor- gelegten Gesetzesänderung ist, stimmen wir allerdings zu: Sie führen die Möglichkeit ein, dass der Bund Finanz- hilfen für den Bau von Radschnellwegen an Länder, Ge- meinden und Gemeindeverbände geben kann . Das wird von der Linksfraktion selbstverständlich unterstützt . Al- lerdings haben wir dafür plädiert, dass der Bund den Bau solcher Radwege nicht erst ab einer Mindestlänge von 10 Kilometern fördern kann, sondern schon ab 5 Kilo- meter – so wie es auch der Bundesrat vorgeschlagen hat . Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (Ta- gesordnungspunkt 31) Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Mit der vorliegenden Gesetzesänderung übernehmen wir die Er- gebnisse eines neuen Testverfahrens für den CO2-Aus- stoß von Kraftfahrzeugen als Grundlage für die künftige Bestimmung der Kraftfahrzeugsteuer . Zur Bestimmung realitätsnäherer Werte für Abgasemissionen für soge- nannte leichte Kraftfahrzeuge hat man sich weltweit auf ein neues einheitliches Testverfahren verständigt . Diese Einführung des Verfahrens in der EU ist schrittweise bis zum 1 . September 2018 vorgesehen . Damit entfällt zu- gleich das bisherige Verfahren, dessen Werte in die Be- rechnung unserer Kfz-Steuer eingehen . Eine Änderung des Kfz-Steuergesetzes ist also unausweichlich . Wir müssen aber als Gesetzgeber dafür sorgen, dass dieses Verfahren transparent und ohne Verwirrung für den Verbraucher geschieht . Deshalb begrüßen wir es als Unionsfraktion, dass die Bundesregierung in ihrem Gesetzentwurf vorsieht, die neuen Werte erst ab 1 . Sep- tember 2018 zur Grundlage der Kfz-Steuerberechnung bei Neuzulassungen zu machen . Damit wird verhindert, dass in einem Übergangszeitraum zwei Berechnungs- verfahren für Neuzulassungen nebeneinander bestehen . Alles andere würde zu einem für die Verbraucher unüber- schaubaren Durcheinander führen . Außerdem wäre eine gleichmäßige Anwendung der neuen Werte und damit auch der Steuerberechnung unmöglich . Deshalb ist das gewählte Vorgehen für die Verbraucher transparent und fair . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723400 (A) (C) (B) (D) Dass die Bundesregierung der Forderung des Bun- desrates nicht folgt, zusätzlich ein Förderprogramm für Maßnahmen zur Reduzierung des Schadstoffausstoßes in durch Stickoxide belasteten Innenstädten aufzulegen, ist für uns nachvollziehbar . Diese Forderung ist nur ein weiterer Versuch, immer neue Programme finanziell ein- seitig beim Bund abzuladen, und zwar völlig unabhängig von der tatsächlichen Zuständigkeit und Verantwortung . Abgesehen davon, dass hier erneut einseitig auf einen einzigen Abgaswert abgehoben wird . Wir können schon erwarten, dass die Länder und Kommunen die vorhande- nen Möglichkeiten nutzen, um ihren Beitrag zu leisten . Die Behauptung, dass den Ländern und Kommunen kei- ne ausreichenden Möglichkeiten zur Senkung der Luft- schadstoffe zur Verfügung stehen, ist nicht nachvollzieh- bar . Abgesehen davon bestehen bereits Programme zur Elektromobilität und zu Carsharing . Deshalb stimmen wir dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung zu . Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU): Wir beraten heu- te nun abschließend die Änderung des sechsten Kraft- fahrzeugsteuergesetzes . Mit diesem Gesetz legen wir den Grundstein für die Einführung eines neuen Messverfah- rens zur Ermittlung von Emissionswerten bei Autos . Durch die Einführung des WLTP-Verfahrens – das steht für Worldwide Harmonized Light Duty Test Proce- dure – werden wir zukünftig verbesserte, und das heißt realitätsnähere, CO2-Emissionswerte im Zuge der Er- mittlung von Abgasemissionen erhalten . Das neue WLTP-Verfahren löst das bisher geltende NEFZ-Verfahren (Neuer Europäischer Fahrzyklus) ab . Im Gegensatz zum NEFZ-Verfahren, bei dem die Emissi- onswerte der Autos unter reinen „Laborbedingungen“ er- mittelt werden, wird das WLTP-Verfahren unter realitäts- nahen Bedingungen die Emissionswerte messen . Wobei diese Realitätsnähe natürlich differenziert zu betrachten ist, da der tatsächliche CO2-Ausstoß im Alltag auch im- mer vom persönlichen Fahrverhalten und den jeweiligen Streckenbedingungen abhängt . Realitätsnähe heißt hier, dass so, wie ein Auto im Straßenverkehr durchschnittlich genutzt wird, auch der Emissionsausstoß gemessen wird . Kein erhöhter Reifen- druck, keine abgebauten Außenspiegel zur Reduzierung des Luftwiderstandes, kein leerer Tank, keine ausgebaute Klimaanlage . Ab dem 1 . September 2018 ist für jedes zugelassene Auto die Abgasmessung mit dem neuen WLTP-Verfah- ren verpflichtend. Die Anhörung hat deutlich gemacht, dass diese Stichtagsregelung allen Betroffenen Planungs- sicherheit bietet, zwangsläufig aber eine unterschiedliche Besteuerung der Fahrzeuge mit sich bringt . Alle anderen Autos auf unseren Straßen, die vor diesem Stichtag zu- gelassen wurden, haben aber natürlich Bestandsschutz! Was wir im Zuge des neuen Messverfahrens ändern, ist aber nicht die Steuerbemessungsgrundlage, sondern die Zulassungsbestimmungen . Haben wir bisher nur „typenbezogen“ zugelassen, so werden wir in Zukunft „autobezogen“ zulassen . Demnach wird es nicht mehr nur eine Rolle spielen, ob man einen Golf, eine S-Klasse oder einen Corsa fährt, sondern welche konkreten Beson- derheiten das Fahrzeug aufweist . Mit oder ohne Klima- anlage? Schmale oder breite Reifen? Wie viele Airbags? Wie viel Hubraum? In der Konsequenz heißt das: Nicht nur der Prüfzyklus wird kleinteiliger, auch die Zulassung von Fahrzeugen wird differenzierter. Diese Differenzierung spiegelt auch die immense Vielfalt und Unterschiedlichkeit der Autos wider, die auf deutschen Straßen unterwegs sind . Inner- halb eines Autotyps wird es aber wohl zur Bildung von „Familien“ kommen, denn eine vollständig individuelle, autobezogene Zulassungsmessung würde den Aufwand extrem in die Höhe treiben . Nach dem ersten großen Aufschrei sollte also nun auch dem Letzten klar geworden sein, dass wir nicht an der Steuerschraube drehen, sondern ausschließlich die Erfassung der Bemessungsgrundlage für die Steuererhe- bung ändern . Weil hier oft Fakten durcheinandergeraten, möchte ich noch einmal folgende Punkte klarstellen: Erstens . Der vorliegende Gesetzentwurf regelt aus- schließlich die Einführung eines neuen Messverfahrens im Verkehrsrecht . Die konkrete technische Ausgestaltung des Messverfahrens wird hingegen über eine unmittelbar wirkende EU-Verordnung ins deutsche Recht implemen- tiert . Die Verordnung kommt aller Voraussicht nach im Mai 2017 . Ab dann gilt prinzipiell auch die Anwendung des WLTP-Verfahrens bei Neufahrzeugen . Diese Verord- nung beschreibt dann genau, wie der Testzyklus auszuse- hen hat . Wir als Gesetzgeber haben auf die Ausgestaltung des Testzyklus keinen Einfluss. Eine Einschätzung, wie das Messverfahren in der Praxis konkret aussehen wird, konnte auch bei der Anhörung keiner der Sachverständi- gen vornehmen . Um bei Käufern und Herstellern Planungs- und Rechtssicherheit zu schaffen und die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherzustellen, ist der Stichtag zur An- wendung des neuen Messverfahrens zur Ermittlung der CO2-Werte für die Besteuerung aber erst der 1 . Septem- ber 2018 . Klarzustellen ist: Bestandsfahrzeuge bleiben unangetastet! Zweitens . Anhand früherer Tests mit Fahrzeugen unter realitätsnahen Bedingungen geht man davon aus, dass es zu einem 20 Prozent höheren CO2-Ausstoß beim WLTF-Verfahren kommen wird . Im Vorhinein können jedoch weder Aussagen über erwartete CO2-Werte ge- macht, noch kann die dadurch zu erwartende Höhe der Kfz-Steuer prognostiziert werden . Studien, die schon jetzt konkrete Zahlen nennen, sehe ich skeptisch . Denn wir wissen de facto weder genau, wie die Autoindustrie auf dieses Messverfahren reagieren wird – zum Beispiel durch veränderte Antriebskonzepte –, noch, für welches Auto sich der Käufer am Ende entscheidet – ob für oder gegen ein CO2-armes Fahrzeug mit mehr oder weniger Ausstattung . Klar ist nur: Wir setzen mit diesem Gesetz einen ganz klaren Anreiz, sich für ein emissionsarmes Fahrzeug zu entscheiden und dadurch selbst zu entschei- den, welche Steuerlast man tragen kann oder will . Drittens . Das vorliegende Gesetz bringt ausdrücklich keine Steuererhöhung mit sich . Was sich ändert, ist aus- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23401 (A) (C) (B) (D) schließlich die Erfassung der Bemessungsgrundlage für die Kfz-Steuer . Und auf die, so habe ich es ausgeführt, haben wir keinen Einfluss. Eine realitätsnähere Ermittlung des Emissionsaussto- ßes ist in unser aller Interesse und wird auf EU-Ebene im Übrigen auch nicht erst seit dem VW-Abgasskandal forciert . Die deutschen Kraftfahrzeughersteller stellen sich schon seit Jahren auf ein neues Messverfahren ein und haben die internationale Standardisierung mit voran- getrieben . Abschließend möchte ich festhalten: A: Unser Ziel, mit der Kfz-Steuer eine Lenkungswir- kung zu erreichen und kleinere und emissionsarme Fahr- zeuge zu bevorteilen, wird mit dem neuen Messverfahren weiter verstärkt . B: Wie sich das Aufkommen der Kfz-Steuer tatsäch- lich entwickelt, haben Sie in der Hand – die Käufer neuer Fahrzeuge, je nachdem, wofür Sie sich entscheiden . Sie haben die Freiheit und damit auch die Verantwortung . C: Unser wirtschaftspolitisches Leitziel gilt weiter: Deutschland soll ein attraktiver Standort für moderne Fahrzeugtechnologien bleiben – für die Fahrer ebenso wie für die Autohersteller und ihre Technologiezuliefe- rer . Dafür werden wir uns auch weiter einsetzen! Sie können dem Gesetzentwurf also mit Freude zu- stimmen . Arno Klare (SPD): Das Gesetz vollzieht einen im Grunde lapidaren Schritt: Es wird ein steuerrechtlicher Stichtag festgesetzt, ab dem Neufahrzeuge nach dem neuen Fahrzyklus WLTP eingestuft werden . WLTP steht übersetzt für „weltweit harmonisiertes Testverfahren für leichte Nutzfahrzeuge“; damit sind Pkw gemeint . Was so einfach erscheint, ist aus verkehrs- und umweltpoliti- scher Sicht ein Meilenstein . In der EU-Verordnung 715/2007 ist bei der Rand- notiz 15 sowie im eigentlichen VO-Teil unter Arti- kel 14 Absatz 3 davon die Rede, dass die Testverfahren zur Feststellung der Verbrauchswerte – und damit der CO2-Emissionen – in einem neuen Prüfstandsmessver- fahren gemessen werden sollten . Seit zehn Jahren, das heißt meilenweit vor dem sogenannten VW-Skandal, begannen die Überlegungen zum neuen Verfahren . Der WLTP wurde seit 2008 auf der Ebene der Wirtschafts- kommission der Vereinten Nationen für Europa entwi- ckelt und als globale technische Regelung (GTR) Nr . 15 durch das Weltforum für die Harmonisierung der Rege- lungen für Kraftfahrzeuge (WP . 29) im März 2014 an- genommen . Später wurde er in EU-Europa zum neuen Testzyklus, der ab dem 1 . September 2018 gilt . Insofern markiert dieses Datum sehr richtig auch den heute zu be- schließenden Stichtag . Der WLTP ist deutlich realitätsnäher als der alte Prüfzyklus NEFZ . Parallel zur Entwicklung des WLTP begannen – auch dies weit vor dem VW-Skandal – die Überlegungen, Fahrzeuge nicht nur auf der Rolle, also im Labor, sondern auch sozusagen live, also bei der Fahrt im Straßenverkehr, zu testen . Dieses Verfahren heißt RDE, Real Driving Emissions . WLTP plus RDE ergeben zu- sammen ein realistisches Bild der Emissionen . Der La- bortest dient der Ermittlung der steuerrelevanten Ver- brauchsdaten . Diese zu ermitteln, geht rechtssicher nur in Labortests, weil diese allein standardisiert und reprodu- zierbar sind . RDE misst dann zusätzlich, ob die Emissio- nen auch im realen Betrieb auf der Straße unter definier- ten Limits bleiben . Alles in allem haben Verbraucher ab dem 1 . September 2018 bei Autokauf wirklichkeitsnahe Verbrauchswerte und können über die Aussagen aus dem RDE-Test überdies ersehen, ob ihr Wagen die Werte ein- hält, die er verspricht . Der heutige Beschluss ist also weit mehr als lediglich die notwendige Fixierung eines steuerrechtlich notwen- digen Stichtags . Andreas Schwarz (SPD): Mit dem heutigen Be- schluss schließen wir ein Gesetzgebungsverfahren ab, dessen Umsetzung einer EU-Richtlinie geschuldet ist . Mit dem heutigen Beschluss implementieren wird das neue sogenannte WLPT-Verfahren, eine weltweit harmo- nisierte Testprozedur zur Ermittlung von Abgasemissio- nen, das realitätsnähere CO2-Emissionswerte darstellen soll. Auch vor dem Hintergrund der Dieselaffären ver- schiedener Autokonzerne begrüßen wir dieses Gesetz . Wir begrüßen, dass das neue Prüfverfahren bei uns erst ab dem 1 . September 2018 für alle dann neu zuge- lassenen Fahrzeuge gelten soll und für alle anderen Fahr- zeuge Bestandsschutz gilt . Ich betone: Die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf bedeutet keineswegs, dass nun alles geklärt ist und wir uns jetzt um nichts mehr küm- mern müssen . Das Gegenteil ist der Fall . Denn die gro- ße Frage lautet: Wie entwickelt sich die Kfz-Steuer? Ich weiß, da machen sich manche Leute Sorgen . Zur Kenntnis genommen haben wir Äußerungen des Bundesfinanzministeriums, wonach Auswirkungen auf die Steuereinnahmen nur schwer voraussagbar seien, zumal es ja auch noch einige Details beim Messverfah- ren zu klären gibt und die Verordnung wohl erst Ende Mai 2017 vorliegen wird . Wir haben uns deshalb mit unserem Koalitionspartner darauf verständigt, dass wir vom Bundesfinanzministe- rium zwölf Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Evaluierung erhalten . Das BMF wird die Auswirkungen des neuen Gesetzes prüfen und den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages unterrichten . Wir wollen wissen, wie sich durch die Neuberechnung die Kraftfahrzeugsteuerbeträge entwickeln und ob und vor allem in welcher Höhe sich eventuelle Mehrbelastun- gen für die Bürgerinnen und Bürger ergeben . Zunächst ändert sich durch das Gesetz lediglich die Bemessungs- grundlage . Ob es dadurch tatsächlich zu Steuererhöhun- gen kommt, ist also überhaupt noch nicht absehbar . Wir wollen uns als Gesetzgeber nach einem Jahr genau an- schauen, wie sich der Fahrzeugbestand in der Bundes- republik entwickelt und ob wir hier gegebenenfalls ge- gensteuern und Maßnahmen ergreifen müssen, damit die Beiträge nicht zu stark ansteigen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723402 (A) (C) (B) (D) Herbert Behrens (DIE LINKE): Der Neue Europäi- sche Fahrzyklus (NEFZ) ist inzwischen gar nicht mehr so neu . Ein in den 70er-Jahren entwickeltes Verfahren zur Ermittlung des Schadstoffausstoßes kann das Emissions- verhalten von Kraftfahrzeugen nicht mehr angemessen abbilden . Die Autos sind heute viel schwerer und leis- tungsstärker als vor 40 Jahren . Und so hat sich die Sche- re zwischen Laborwerten – gemessen nach NEFZ – und realem Kraftstoffverbrauch und Ausstoß von Kohlendi- oxid in den letzten Jahren immer weiter geöffnet. Autos verbrauchen inzwischen fast die Hälfte mehr, als in den Hochglanzprospekten angegeben . Das ist nichts anderes als eine systematische Täuschung der Verbraucherinnen und Verbraucher, und es ist überfällig, dass der Uraltzy- klus NEFZ aus dem Verkehr gezogen wird . Mit dem neuen Prüfverfahren Worldwide Harmoni- zed Light Duty Test Procedure (WLTP) und dem dazu- gehörigen neuen Prüfzyklus kommt man der Wahrheit zumindest ein bisschen näher . In diesem Zyklus werden höhere Geschwindigkeiten gefahren, und die Standzeiten werden reduziert . Reduziert werden damit auch die Mög- lichkeiten für die Hersteller, durch kleine Tricks große Emissionskosmetik zu betreiben . Das ist ein Fortschritt und sollte sofort angewendet werden . Von daher wundere ich mich sehr, dass die Einfüh- rung des WLTP faktisch um ein Jahr verschoben wird . Bereits in diesem Jahr könnte für neue Fahrzeugtypen dieses strengere Prozedere Anwendung finden. Opel hat für seinen neuen Astra das WLTP-Verfahren schon für Juni 2016 angekündigt . Aber die Bundesregierung nimmt lieber eine Kernforderung der Autoindustrie auf und verschiebt den Stichtag auf September 2018 . Das ist völlig kontraproduktiv, und die Linke kann dem vorge- legten Gesetzentwurf daher nicht zustimmen . Dieses Detail im vorgelegten Gesetzentwurf sagt zu- dem viel darüber aus, wie ernst es der Bundesregierung mit der Einführung realistischer Tests wirklich ist . Glei- ches gilt auch für die jahrelangen Bemühungen der Bun- desregierung, in den internationalen Verhandlungsrunden den WLTP zu verwässern . Es sind Unterlagen bekannt geworden, in denen sich die Bundesregierung für einen pauschalen Abschlag von 4 Prozent auf WLTP-Messer- gebnisse einsetzte . Durch Anpassungen der Rahmenbe- dingungen des Fahrzyklus sollten die Werte um weitere 10 Prozent schlechter ausfallen dürfen . Mit ihren Bemü- hungen war die Bundesregierung leider so erfolgreich, dass die USA und Japan aus dem WLTP-Prozess aus- gestiegen sind, weil dessen Vorgaben ihnen schlicht zu lasch sind . Es ist also keineswegs so, dass wir uns jetzt entspannt zurücklehnen können, weil mit dem WLTP alle Probleme gelöst wurden . Am Ende kommt es nämlich darauf an, dass die Zielwerte für klimaschädliche Abgase in der täg- lichen Fahrpraxis eingehalten werden und nicht auf dem Prüfstand . Um Verbrauchern realistische Werte angeben zu können und vor allem endlich einen wirksamen An- reiz zur Reduktion des CO2-Ausstoßes zu schaffen, müs- sen Verbrauchs- und CO2-Werte auf der Straße ermittelt werden . Denn wir wissen alle, dass Testzyklen durch die Motorsoftware erkannt werden können; das heißt, Be- trügereien können im Labor nie ausgeschlossen werden . Mit dem Real-Driving-Emissions-Verfahren (RDE), das für die Messung von Stickoxiden und Rußpartikeln bald zum Standard wird, haben wir bereits eine gute Vorlage, an dem sich eine realistischere Messmethode des Kraft- stoffverbrauches orientieren kann. Dies ist sicherlich Zu- kunftsmusik, aber wenn wir heute nicht mit der Entwick- lung einer Verbrauchsprüfung im Realbetrieb beginnen, wird in den nächsten zehn Jahren auch nichts Anwendba- res auf dem Tisch liegen . Wer dem Klima einen Gefallen tun will, muss aufhö- ren, der Autoindustrie stets und ständig Gefallen zu tun . Diese Forderung richtet sich vor allem an den Verkehrs- minister, der in den letzten Monaten die Hersteller nur mit Samthandschuhen angefasst hat, obwohl die harte Hand nötig gewesen wäre . Wenn es Ihnen, meine Damen und Herren von CDU/CSU und SPD, mit den eigenen Klimazielen wirklich ernst ist, dann werden Sie sofort aktiv und sorgen dafür, dass die wohlklingenden, aber völlig aberwitzigen „Supercredits“, durch die die Au- tokonzerne mit ein paar Elektroautos den CO2-Ausstoß ihrer Fahrzeugflotte schönrechnen können, nicht mehr angewendet werden . Sorgen Sie für Tempolimits auf Autobahnen, für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, und fahren Sie klima- schädliche Subventionen wie das Dienstwagenprivileg und die Steuerbegünstigung für Diesel sofort zurück . Das nützt dem Klima mehr als der beste Prüfzyklus . Politi- sche Stellschrauben zum Klimaschutz im Straßenverkehr gibt es wirklich genügend; man muss nur gewillt sein, daran zu drehen . Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben heute in der Aktuellen Stunde schon ausführlich darüber gesprochen, wie die Bundesregierung unabhängige Ab- gaskontrollen für die Autoindustrie in Brüssel blockiert und den Dieselskandal einfach aussitzt, anstatt dafür zu sorgen, dass die Automobilindustrie zur Verantwortung gezogen und die Autobesitzer entschädigt werden . Da passt sehr gut ins Bild, was die Experten der Kraft- fahrzeughersteller bei der öffentlichen Anhörung verlaut- baren lassen haben . Ab dem 1 . September 2018 werden die bei der Bemes- sung der Kfz-Steuer relevanten CO2-Emissionen nach ei- nem neuen Verfahren gemessen . Das weltweit harmoni- sierte Testverfahren WLPT bietet weniger Schlupflöcher für Tricksereien als sein Vorgänger – das derzeit noch verwendete NEFZ-Verfahren . Und es orientiert sich stär- ker am realistischen Fahrverhalten, weil es beispielswei- se mehr Beschleunigungs- und Bremsvorgänge abdeckt . Durch die Umstellung auf das verbesserte WLTP-Ver- fahren werden sich die gemessenen CO2-Emissionen der Fahrzeuge deswegen aller Voraussicht nach erhöhen . Was eigentlich ein Grund zur Freude ist, verringert sich doch so die Diskrepanz zwischen Real- und Laborwert . Die liegen laut Berechnungen des International Council on Clean Transportation im aktuellen NEFZ-Verfahren bei durchschnittlich 42 Prozent . Nicht so für die deutsche Automobilindustrie . Deren Experten beschwerten sich in der öffentlichen Anhörung Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23403 (A) (C) (B) (D) darüber, dass es durch die Erhöhung der CO2-Emissio- nen zu einer Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer kommen wird . Um eine solche „Steuererhöhung durch die Hin- tertür“ zu verhindern, forderten sie doch allen Ernstes Steuersenkungen – in Form eines Abschlagsfaktors beim Steuertarif. Und das finde ich dann schon ein starkes Stück – werden hier doch Tatsachen verdreht und zu- rechtgebogen . Ohne die leiseste Einsicht, was in den ver- gangenen Jahren alles schiefgelaufen ist . Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft hat die gegenteilige Rechnung aufgestellt . Es zeigt, dass dem Fiskus durch die Differenz zwischen realem CO2-Aus- stoß und Laborwert allein für den Zeitraum 2010 bis 2015 Steuereinnahmen in Höhe von 3,3 Milliarden Euro entgangen sind . Die geringeren Laborwerte und damit auch die gerin- geren Steuereinnahmen erklären sich teilweise aus den Unzulänglichkeiten des aktuellen NEFZ-Verfahrens, aber teilweise eben leider auch, wie im Abgasskandal deutlich wurde, aus betrügerischem Vorgehen bis hin zur bewuss- ten Manipulation seitens der Automobilhersteller . Die durch die Umstellung auf das neue Verfahren zu erwar- tenden höheren Kfz-Steuern sind also keinesfalls Steu- ererhöhungen, sondern schlicht und einfach die Anpas- sung der Kfz-Steuer an die Realität . Die wird diejenigen härter treffen, die die bestehenden Spielräume im NEFZ systematisch ausgenutzt haben und nun im neuen Ver- fahren mit stark erhöhten CO2-Werten rechnen müssen . Eine pauschale Verschiebung der Bemessungsgrundlage in Form eines Abschlagsfaktors wäre also nicht nur nicht sachgerecht, sondern auch ungerecht, weil es die ehrli- cheren Hersteller bestrafen würde . Beipflichten muss ich den Experten vom VDA und vom VDIK in dem Punkt, dass die Umstellung des Ver- fahrens nichts an der Effizienz der Fahrzeuge ändern wird. Hier ist die Automobilindustrie selbst in der Pflicht, mit innovativen Antrieben weltweite Standards zu setzen und sich fit für den Markt des 21. Jahrhunderts zu ma- chen . Aber auch die Politik kann noch mehr tun, um einen erfolgreichen Technologiewandel in der Automobilin- dustrie einzuleiten . Durch die Umstellung auf das neue Verfahren wird die Lenkungswirkung der Kfz-Steuer aufgrund realistischerer CO2-Werte zwar verbessert . Hier ist aber noch deutlich Luft nach oben . Erstens handelt es sich bei dem WLPT-Verfahren nach wie vor um ein Laborverfahren, das nicht vor Manipulationen gefeit ist . Hinzukommen müssen deswegen strukturelle Reformen, was die Typgenehmigung betrifft. Bis heute können die Hersteller sich ihren Lieblingsprüfdienst auswählen . Hier brauchen wir Veränderungen, wie sie auch die EU-Kom- mission anstrebt: Prüfdienste müssen rotieren und dürfen zudem nicht mehr direkt von Herstellern, sondern sollten über ein Gebührensystem und den Staat bezahlt werden . Dem Umweltbundesamt wollen wir zudem eine klare Zuständigkeit für eine wirksame Marktüberwachung in Betrieb befindlicher Fahrzeuge geben. Außerdem kann kein noch so gutes Verfahren reale Straßentests ersetzen. Für Schadstoffe sollen solche RDE (Real Driving Emissions) demnächst eingeführt und für die Zulassung neuer Fahrzeugtypen relevant werden . Wir fordern diese realen Straßentests nicht nur für Stickoxi- de, sondern auch für CO2-Emissionen . Vor allem muss aber Schluss damit sein, dass wir in Deutschland eine Technologie unterstützen, die verhee- rende Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt hat . Deswegen wollen wir die Dieselsubventionen schrittwei- se abbauen . Gleichzeitig wollen wir die Fahrer von Die- sel-Pkw entlasten, indem wir die Kfz-Steuer konsequent nach dem CO2-Ausstoß von Kraftfahrzeugen ausrichten und so jene Dieselmotoren belohnen, die im realen Fahr- betrieb effizienter sind als Ottomotoren. Obwohl wir also die Umstellung auf das verbesserte WLPT-Verfahren ausdrücklich begrüßen, werden wir uns bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf enthalten . Ganz einfach um deutlich zu machen, dass uns die Be- mühungen der Großen Koalition in Bezug auf den drin- gend notwendigen Wechsel hin zu effizienten und emissi- onsfreien Antrieben in der deutschen Automobilindustrie nicht weit genug gehen . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen (Tagesordnungspunkt 32) Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Wir alle müssen uns darauf verlassen, dass Vertrauliches vertraulich bleibt . Das gilt beim Anwalt . Das gilt beim Arzt . Das gilt in vielen anderen Fällen . Der Schutz privater Geheimnis- se genießt in Deutschland einen hohen Stellenwert . Und zwar zu Recht! In Deutschland macht sich nach § 203 StGB strafbar, „wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart“. Natürlich handelt ein Berufsgeheimnisträger nicht un- befugt, wenn er sich bei seiner Arbeit durch Berufsge- hilfen im Sinne des § 203 StGB unterstützen lässt . Hier geht es um enge Mitarbeiter, die zum Beispiel Ärzte und Anwälte bei ihrer täglichen Arbeit unterstützen und Ih- nen zuarbeiten, die Informationen aufnehmen und wei- terleiten, die Recherchen durchführen und vieles mehr . Doch oft reicht dies nicht aus: Gerade heutzutage gibt es viele Aufgaben, die eine besondere Spezialisierung er- fordern . Denken Sie zum Beispiel an die Einrichtung und Wartung komplexer IT-Anlagen . Derartige Aufgaben können regelmäßig nicht durch Berufsgehilfen übernom- men werden . Die Einstellung von spezialisiertem Perso- nal ist im Regelfall hier nicht wirtschaftlich – gerade mit Blick auf unsere überwiegend mittelständisch geprägten Strukturen . Regelmäßig und praxisnah sind Berufsgeheimnisträ- ger daher auf die Unterstützung externer Unternehmen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723404 (A) (C) (B) (D) oder selbstständig tätiger Personen angewiesen . Doch gerade diese Notwendigkeit bedeutet für Ärzte, Anwälte und viele andere nicht selten, sich potenziell strafbar zu machen . Dies kann unter Umständen dann der Fall sein, wenn externe Dienstleister bei ihrer Arbeit Kenntnis über Geheimnisse erlangen können bzw . keine ausdrückliche Einwilligung des Berechtigten vorliegt . Diesen Graube- reich schließen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung und erreichen einen deutlichen Zu- gewinn an Rechtssicherheit . Dafür danke ich schon jetzt allen Beteiligten ausdrücklich . In der gebotenen Kürze darf ich die wichtigsten An- sätze kurz umreißen: Die für Rechtsanwälte und Patentanwälte bereits im Satzungsrecht bestehende Pflicht, Mitarbeiter zur Ver- schwiegenheit zu verpflichten, wird in das Gesetz über- nommen . Außerdem werden in die Bundesrechtsanwaltsord- nung, Bundesnotarordnung, Patentanwaltsordnung, das Steuerberatungsgesetz und die Wirtschaftsprüferordnung Befugnisnormen eingefügt . Damit werden Voraussetzungen und Grenzen, unter denen dritten Dienstleistern der Zugang zu fremden Ge- heimnissen eröffnet werden darf, festgelegt. Für andere Berufsgruppen ist eine Einschränkung der Strafbarkeit vorgesehen, soweit dies für die ordnungsge- mäße Durchführung der Tätigkeit der mitwirkenden Per- sonen erforderlich ist . Dazu wird zunächst klargestellt, dass ein Offenlegen von Geheimnissen gegenüber unmit- telbar in die Sphäre des Berufsgeheimnisträgers einge- bundenen Personen kein strafbares Offenbaren ist. Ist das Offenbaren auch gegenüber externen Dritten beruflich erforderlich, handelt der Berufsgeheimnisträger befugt und damit nicht rechtswidrig . In beiden Konstellationen folgt eine Verringerung des Geheimnisschutzes . Dies wird jedoch dadurch ausgegli- chen, dass mitwirkende Personen in die Strafbarkeit nach § 203 StGB einbezogen werden . Auch haben Berufs- geheimnisträger verpflichtend dafür zu sorgen, dass die einbezogenen Personen zur Geheimhaltung verpflichtet werden . Mit dem vorliegenden Entwurf haben wir eine solide Grundlage, mit der wir nun ins parlamentarische Verfah- ren gehen können . Bereits im Mai werden wir im Rah- men einer Anhörung die Gelegenheit haben, bezüglich der konkreten Ausgestaltung ins Detail zu gehen . Lassen Sie mich abschließend einige Punkte anreißen, die wir dabei unter anderem noch einmal in den Fokus nehmen sollten: § 203 Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 und 2 StGB-Ent- wurf: Wie bereits erwähnt, sollen Berufsgeheimnisträger künftig dafür sorgen, dass in ihre Berufsausübung einge- bundene externe Personen zur Geheimhaltung verpflich- tet werden . Bei Verwirklichung bedeutet dies das Bege- hen einer vorsätzlich strafbaren Handlung . Praxisnah könnte dies jedoch oft eine Sorgfaltspflicht- verletzung darstellen . Aufgrund fehlender Fahrlässig- keitsstrafbarkeit bliebe dies sanktionslos . Erforderlichkeitsanforderung in § 203 StGB unbe- stimmt: Auch im vorliegenden Gesetzentwurf sollten wir Wert darauf legen, unbestimmte Rechtsbegriffe möglichst zu vermeiden . Mit Blick auf die Erforderlichkeit des § 203 StGB sollten wir zumindest prüfen, ob die Aufnahme praxisnaher Beispiele in die Begründung mehr Rechtssi- cherheit schaffen kann. Mitwirkende Personen: Auch bezüglich des Kreises der mitwirkenden Perso- nen scheint eine Nachschärfung sinnvoll . Beispielswei- se ist in vielen Berufsordnungen von Dienstleistern die Rede. Dabei werden wir in der Praxis häufig Fälle sehen, in die ein beauftragter Dienstleister wiederum seine Mit- arbeiter einsetzen wird, die dann die tatsächlich mitwir- kenden Personen sind . Auch hier sollten wir geeignet für Klarheit sorgen . Insgesamt schafft der vorliegende Gesetzentwurf ei- nen guten Ausgleich zwischen dem Schutz von Geheim- nissen und einer praxistauglichen Neuerung, die die Le- benswirklichkeit abbildet . Es war höchste Zeit, insbesondere für eine Vielzahl von Freiberuflern, mehr Rechtssicherheit zu schaffen. Dementsprechend positiv ist auch die Resonanz, die uns bisher erreicht hat . In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren Beratungen . Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Die Verschwiegen- heit zählt zu den Kardinalspflichten eines jeden Arztes, Rechtsanwalts oder Steuerberaters . Verstöße können für die Beteiligten zu irreparablen Schäden führen . Neben einer zivilrechtlichen Haftung wird das unbefugte Offen- baren von Geheimnissen in § 203 Strafgesetzbuch unter Strafe gestellt . Schwerwiegender sind oftmals die berufs- rechtlichen Konsequenzen, die bis zu einem Entzug der Zulassung reichen . Berufsgeheimnisträger können ihre Tätigkeit nicht al- leine bewerkstelligen, sodass sie sich oftmals von weite- ren angestellten Personen unterstützen lassen . Damit die Verschwiegenheitspflicht nicht ins Leere läuft, ist diese Gruppe in strafbewehrter Weise ebenfalls darin einge- schlossen . Allerdings hat sich die Arbeitswelt gewandelt . Eine Vielzahl der unterstützenden Tätigkeiten werden von angestelltem Personal nicht mehr erledigt . Als Beispie- le seien nur die IT-Systemwartung, die Speicherung von Daten durch Cloud-Lösungen oder die Aktenarchivie- rung genannt . Selbst die klassischen Tätigkeiten in Kanz- leien wie die Entgegennahme von Telefonanrufen oder Schreibarbeiten werden oftmals von externen Dienstleis- tern erbracht . Diese externen Dienstleister sind im Gegensatz zum angestellten Personal in der Sphäre des Berufsgeheim- nisträgers jedoch nicht mehr zu verorten . Ein Berufsge- heimnisträger macht sich möglicherweise strafbar, wenn Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23405 (A) (C) (B) (D) er externe Personen, beispielsweise bei der Wartung des IT-Systems, Zugang zu Geheimnissen gewährt . Es be- steht eine erhebliche Rechtsunsicherheit, die gelöst wer- den muss . Mit diesem Gesetzentwurf möchten wir wieder Rechtssicherheit schaffen. Der Gesetzgeber ist aufgeru- fen, die Vorschriften zum Geheimnisschutz an die tat- sächlichen Gegebenheiten anzupassen . Es soll festgeschrieben werden, dass sich Berufsge- heimnisträger nicht strafbar machen, wenn sie sich der Unterstützung externer Dienstleister bedienen . Das hohe Schutzniveau von Geheimnissen muss jedoch aufrechter- halten bleiben, sodass die Erweiterung des Personenkrei- ses unter mehreren Voraussetzungen stehen muss . Die Mitwirkung eines externen Dienstleisters muss für den Berufsgeheimnisträger erforderlich sein . Damit soll der Notwendigkeit einer Ausweitung des Geheim- nisses auf einen nur begrenzten Personenkreis Rechnung getragen werden . Zugleich ist der erweiterte Kreis von Geheimnisträgern zur Verschwiegenheit verpflichtet und macht sich bei Verstößen strafbar . Die Grundrichtung des Gesetzentwurfs ist damit vor- gegeben . Im Detail besteht jedoch noch Bedarf an Ände- rungen und Klarstellungen . Ich möchte dabei drei Punkte herausgreifen: Der Gesetzentwurf spricht im Strafgesetzbuch von be- rufsmäßig tätigen Gehilfen und sonstigen mitwirkenden Personen . Im Recht der freien Berufe, wie beispielswei- se der Wirtschaftsprüferordnung, finden sich stattdessen die Begriffe der beschäftigten Person und des Dienstleis- ters . Für mehr Rechtssicherheit und zur Vermeidung von Strafbarkeitslücken sollte eine einheitliche Terminologie verwendet werden . Es wäre beispielsweise an den ein- heitlichen Begriff der mitwirkenden Person zu denken, der sich schließlich in allen relevanten Regelungen wie- derfindet. Eine weitere Frage stellt sich bei sogenannten Unter- auftragsketten . Darf sich der externe Dienstleister weite- rer mitwirkender Personen bedienen? Um einer Absen- kung des Schutzniveaus entgegenzuwirken, sollten wir noch eine gesetzliche Klarstellung vornehmen . Ohne Beauftragung oder Einverständnis des Berufsgeheim- nisträgers sollte die Offenbarung von Geheimnissen an Unterauftragsnehmer unzulässig sein . Wir müssen auch noch korrespondierende Regelun- gen in der Strafprozessordnung schaffen. Der Geheim- nisschutz wäre nicht durchgehend gewahrt, wenn ein externer Dienstleister im Rahmen seiner Zeugenpflicht in einem Gerichtsverfahren aussagen und das Geheimnis offenbaren müsste. Es bedarf für diese Gruppe der Schaf- fung eines Zeugnisverweigerungsrechts, um Widersprü- che in der Rechtsordnung zu vermeiden . Ich bin zuversichtlich, dass wir die noch offenen Fra- gen in der Anhörung und den Beratungen im Ausschuss klären können . Machen wir uns an die Arbeit! Dr. Johannes Fechner (SPD): Angehörige be- stimmter Berufsgruppen gewinnen innerhalb ihrer beruf- lichen Tätigkeit Einblick in die Privatsphäre derer, die sich hilfesuchend an sie wenden . Bei Rechtsanwälten, Ärzten oder auch Psychologen ist die Kenntnis des per- sönlichen Lebensbereichs des Mandanten oder Patienten mehr oder weniger Voraussetzung für die Erbringung ih- rer Dienstleistung . Umgekehrt muss der Hilfesuchende darauf vertrauen können, dass die von ihm anvertrauten Details nicht unbefugt Dritten offenbart werden. Die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht ist – neben be- rufsrechtlichen Konsequenzen – gemäß § 203 StGB mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bedroht . Das gleiche gilt für die Beschäftigten der sogenannten Berufsgeheimnisträger . Im Binnenverhältnis Berufsge- heimnisträger/Angestellter begründet die Offenbarung von Geheimnissen keine Strafbarkeit, da das Geheimnis den Wissenskreis nicht verlässt . So weit, so gut – zumindest für lange Zeit . Die Digi- talisierung der Arbeitsprozesse hat jedoch zu Schutzlü- cken geführt. Immer häufiger werden Tätigkeiten nicht mehr von eigenen Angestellten erledigt, sondern „ausge- lagert“ . Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn für die Tätigkeit spezielle Kenntnisse erforderlich sind, über die das eigene Personal nicht verfügt, die Einstellung ei- ner Person mit entsprechenden Kenntnissen jedoch nicht wirtschaftlich wäre . Zudem bieten Betrieb, Wartung und Anpassung von informationstechnischen Anlagen und Systemen die Möglichkeit, Kenntnis von allen Daten und damit von geschützten Geheimnissen zu nehmen . Perso- nen, die an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit des Geheimnisträgers mitwirken, ohne jedoch in seine Sphä- re eingebunden zu sein, sind nach herrschender Meinung nicht von § 203 StGB erfasst . Dies führt zu der Situation, dass sich der Berufsgeheimnisträger strafbar zu machen droht, wenn er bestimmte Aufgaben auslagert . Zudem ist der Patient, Mandant oder der sonst eine Dienstleistung in Anspruch Nehmende nur lückenhaft strafrechtlich geschützt, da die Offenbarung von Geheimnissen durch sonstige Mitwirkende nicht strafbewehrt ist . Der Entwurf will die geschilderte Strafbarkeitslücke schließen . Der Berufsgeheimnisträger soll zur Weiter- gabe oder dem Zugänglichmachen von Geheimnissen an externe Dienstleister befugt sein, soweit es für die Inanspruchnahme der Tätigkeit erforderlich ist . Im Um- kehrschluss machen sich diese mitwirkenden Personen strafbar, wenn sie das Geheimnis ihrerseits Dritten offen- baren . Die vorgeschlagene Regelung trägt den veränderten Umständen der Arbeitswelt adäquat Rechnung . Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Grundsätzlich ist der Gesetzentwurf längst überfällig, Deutschland hat aber insbesondere auch hier mal wieder die technische Entwicklung verschlafen und alle Berufsgeheimnisträger seit Jahren der Gefahr strafrechtlicher Verfolgung ausge- setzt, wenn sie zum Beispiel IT-Systeme verwenden, die von Dritten betreut werden . Dies ist jedoch zwischenzeit- lich der Standard bei jeder noch so kleinen Anwaltskanz- lei oder Arztpraxis . Denn diese Helfer waren bisher nicht ausreichend in § 203 StGB berücksichtigt und der im Rahmen ihrer Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723406 (A) (C) (B) (D) vertraglichen Tätigkeit notwendige Zugriff durch sie auf Daten der entsprechenden Berufsgeheimnisträger de lege lata strafbar . Das betraf auch andere Dienstleistungen wie Aktenvernichtung, Aktenarchivierung etc . Die BRAK hat schon versucht, dem durch Änderun- gen der Berufsordnung der Rechtsanwälte Rechnung zu tragen . Dort ist in § 2 geregelt, dass der Rechtsanwalt seine Mitarbeiter zur Verschwiegenheit schriftlich zu verpflichten und anzuhalten hat, auch soweit sie nicht im Mandat, sondern in sonstiger Weise für ihn tätig sind . Dies gilt auch hinsichtlich sonstiger Personen, de- ren Dienste der Rechtsanwalt in Anspruch nimmt und denen er verschwiegenheitsgeschützte Tatsachen zur Kenntnis gibt oder die sich gelegentlich ihrer Leistungs- erbringung Kenntnis von verschwiegenheitsgeschützten Tatsachen verschaffen können. Nimmt der Rechtsan- walt die Dienste von Unternehmen in Anspruch, hat er diesen Unternehmen aufzuerlegen, ihre Mitarbeiter zur Verschwiegenheit über die Tatsachen gemäß Satz 1 zu verpflichten. Die vorgenannten Pflichten gelten nicht, soweit die dienstleistenden Personen oder Unternehmen kraft Gesetzes zur Geheimhaltung verpflichtet sind oder sich aus dem Inhalt der Dienstleistung eine solche Pflicht offenkundig ergibt. Nun soll dem durch Änderung des § 203 StGB Rech- nung getragen werden, indem die Kenntnisnahme von Geheimnissen im Rahmen der vorgenannten Tätigkeiten kein Offenbaren im strafrechtlich relevanten Sinne dar- stellen soll . Allerdings werden die Änderungen nicht durch das Prozessrecht – wie zum Beispiel dem Zeugnisverweige- rungsrecht der Berufshelfer entsprechend § 53a StPO – hinreichend flankiert, was Folgeprobleme aufwirft und zu Rechtsunsicherheit führen wird . Bezeichnenderweise enthält der Gesetzentwurf dazu keinerlei Aussagen . Auch ist der Gesetzgeber wieder im Bereich der In- formationstechnik naiv, wenn er im Rahmen der Ände- rungen zur Rechtsanwaltsordnung bei der Inanspruch- nahme von Dienstleistungen ausländische Anbieter nur zulässt, wenn ein entsprechendes Schutzniveau im Aus- land herrscht. Begriffe wie Cloud und das Problem, dass selbst die USA unter Datenschutzgesichtspunkten nicht als gleichwertig betrachtet werden, finden damit keine hinreichende praxistaugliche Abbildung . Dass darüber hinaus spezifische berufsrechtliche Re- gelungen notwendig sind, erscheint überengagiert und dürfte der Rechtssicherheit ebenfalls abträglich sein . Vollkommen abwegig ist die Einführung eines neu- en Straftatbestandes für Berufsgeheimnisträger, die die Hilfs personen ihrerseits nicht auf Geheimhaltung verpflichten – die Geheimhaltungspflicht ist bereits ge- setzlich für die Hilfspersonen fixiert, und wer sich als Dienstleister in einem solchen Umfeld bewegt, muss seine Pflichten selbst kennen. Überspitzt gesagt: Auch der Messerverkäufer wird nicht bestraft, wenn er Messer verkauft, ohne darauf hinzuweisen, dass damit tunlichst keine Menschen umgebracht werden dürfen . Allenfalls als sanktionierbare Berufspflicht käme die Geheimhal- tungsverpflichtung in Betracht. Na, mal sehen, ob die Beratungen was retten; derzeit kann man den Gesetzentwurf nur ablehnen . Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Ge- setzentwurf der Bundesregierung nimmt sich eines Pro- blems an, dass für viele Berufsgeheimnisträger in der Praxis schon länger besteht und will dazu sowohl das Strafrecht als auch das anwaltliche Berufsrecht ändern . Anwälte, Steuerberater oder Ärzte sind zur Verschwie- genheit verpflichtet und benötigen dennoch die Unter- stützung Dritter bei der Ausübung ihres Berufs . Anwalts- gehilfen oder Arzthelfer sind schon berufsmäßig in die Geheimnisse der Mandanten bzw . Patienten eingebunden und gehören zum sogenannten „geschlossenen Geheim- nisträgerkreis“ . Die freien Berufe müssen sich aber heute aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung immer häufiger externer Dienstleister bedienen . Das fängt bei der Datenspeiche- rung an und geht bis hin zur regelmäßigen Nutzung von IT-Dienstleistern, um nur einige relevante Beispiele zu nennen . Jede Anwältin, die eine IT-Firma beauftragt, steht quasi mit einem Fuß im Knast, weil die Firmen- mitarbeiter Zugang zu den Mandatsdaten haben . Und seit neuestem zwingen wir per Gesetz sogar kleine Kanzleien zu diesem Schritt, weil alle ein elektronisches Postfach vorhalten müssen, das die Datensicherung und -speiche- rung immer komplizierter macht . Für alle Berufsgeheimnisträger soll deshalb jetzt das Strafrecht angepasst bzw . der strafrechtliche Geheimnis- schutz „verlängert“ werden . Es geht um die Vorschrift des § 203 StGB: „Verletzung von Privatgeheimnissen“ . So soll das Offenbaren eines Geheimnisses nicht mehr rechtswidrig sein, wenn die Inanspruchnahme der mit- wirkenden Personen „erforderlich“ war und der Dienst- leister zur Verschwiegenheit verpflichtet wurde. Hier stellt sich schon die Frage, was eigentlich „erfor- derlich“ ist. Entsprechendes soll auch bei mehrstufigen Auftragsverhältnissen gelten, also wenn sich die Dienst- leister ihrerseits weiterer Personen zur Aufgabenerfül- lung bedienen . Wie aber soll der Berufsgeheimnisträger praktisch da- für Sorge tragen, dass ein von ihm beauftragter Dritter auch seine Angestellten zur Verschwiegenheit verpflich- tet? Was muss er tun, um das auch zu überprüfen? Hier muss klar bestimmt werden, welchen Umfang die Sorg- faltspflichten zum Geheimnisschutz tatsächlich haben. Immerhin geht es um Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr . Zudem hat der Bundesrat zu Recht moniert, dass es hier eigentlich um eine Vorsatztat geht und nicht um die Verletzung von Sorgfaltspflichten. Der schwerwiegendste Mangel des Gesetzes ist aller- dings der, dass das Problem nicht zu Ende gedacht wur- de: Es fehlt nämlich das Zeugnisverweigerungsrecht für mitwirkende Personen in der Strafprozessordnung . Bislang ist in § 53a StPO geregelt, dass die klassi- schen Berufshelfer – ebenso wie Ärzte und Rechtsanwäl- te selbst – ein Zeugnisverweigerungsrecht haben . Davon sind aber die IT-Dienstleister gerade nicht erfasst! Was bringt also eine Verschwiegenheitserklärung, wenn die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23407 (A) (C) (B) (D) Mitarbeiter der IT-Dienstleister ihre Kenntnisse ggf . als Zeugen gegenüber der staatlichen Ermittlungsbehörde preisgeben müssen? Auf Seite 22 der Begründung Ihres Gesetzentwurfs wird auf ein gesondertes Gesetzgebungs- verfahren verwiesen, in dem das demnächst geregelt wer- den soll . Dieses Gesetz zur Umsetzung der Berufsaner- kennungsrichtlinie haben wir allerdings in der vorletzten Sitzungswoche bereits verabschiedet, nachdem Sie alles Mögliche daraus wieder gestrichen haben . Auch das Zeugnisverweigerungsrecht wurde dort ge- rade nicht geregelt, weil die Dinge mal wieder kompli- zierter sind, als gedacht . Die Frage, die beantwortet werden muss, ist doch, ob wirklich alle Mitarbeiter von IT-Dienstleistern, Reini- gungsfirmen etc. vom Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53a StPO erfasst werden sollen oder nicht?! Ich finde darüber kann und muss man nachdenken . Der Kreis der zeugnisverweigerungsberechtigen Per- sonen wird dann in der Tat zwar sehr groß, aber ande- rerseits betrifft es ja auch nur Geheimnisse, von denen gerade im Hinblick auf das konkrete Dienstverhältnis Kenntnis genommen wurde . Auf der anderen Seite hat der Bundesrat nicht zu Unrecht angemahnt, dass die Geheimschutzbelange der betroffenen Personen – also Mandanten bzw. Patienten – nicht genug berücksichtigt werden . Es geht mal wieder um des Pudels Kern in der digitalisierten Welt: Muss ich wirklich damit rechnen, dass meine Scheidungsakte oder meine Vergewaltigungsakte in einer I-Cloud oder wo auch immer gespeichert sind, auf die dann eine un- begrenzte Zahl mir nicht bekannter IT-Spezialisten einer von meiner Anwältin beauftragten Firma zugreifen kön- nen? Ich habe hier schon mehrfach deutlich gemacht, dass ich die Pflicht zum elektronischen Rechtsverkehr kritisch sehe . Wenn Sie aber zu dieser Entscheidung stehen wol- len, müssen Sie auch beim Zeugnisverweigerungsrecht nachziehen . Beides sind Seiten ein und derselben Me- daille . Solange Sie diese Frage nicht klar beantworten, ist Ihr Gesetzentwurf in dieser Form bloßes Stückwerk . Christian Lange, Parl . Staatssekretär beim Bun- desminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Nach § 203 des Strafgesetzbuches machen sich die dort ge- nannten Berufsgeheimnisträger strafbar, wenn sie ein Geheimnis, das ihnen in beruflicher Eigenschaft anver- traut wurde, unbefugt offenbaren. Das gilt beispielsweise für Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte, Notare, Steuerbe- rater und Wirtschaftsprüfer . Dieser strafrechtliche Schutz ist notwendig, denn ohne die Pflicht zur Verschwiegenheit kann kein Vertrau- ensverhältnis zwischen den Berufsgeheimnisträgern und dem Anvertrauenden entstehen. Und ohne diese Pflicht kann auch der Berufsgeheimnisträger die ihm zugedach- te Funktion nicht sinnvoll erfüllen . Allerdings können diese Berufsgruppen heute ihre be- ruflichen Tätigkeiten nicht mehr allein oder ausschließ- lich mit der Unterstützung eigenen Personals ausüben . Vielmehr sind sie für bestimmte Tätigkeiten auf darauf spezialisierte Unternehmen oder selbständig tätige Per- sonen angewiesen . Ein besonders plastisches Beispiel ist die Einrichtung, der Betrieb, die Wartung und die Anpassung von IT-Sys- temen . Schon aus Gründen der Informationssicherheit, die nicht zuletzt auch den Personen dient, die den Berufs- geheimnisträgern ihre Geheimnisse anvertrauen, ist es angezeigt, dass hier Fachleute tätig werden . Dass solche Fachleute in einer kleinen Arztpraxis oder Anwaltskanz- lei nicht als eigenes Personal beschäftigt werden können, liegt auf der Hand . Aber auch bei größeren Unternehmen ist es oftmals wirtschaftlich nicht sinnvoll, für all diese unterstützenden Tätigkeiten eigenes Personal vorzuhal- ten . Wer sich mit IT auskennt, dem ist klar, dass mit der Arbeit an solchen Systemen in den meisten Fällen die Möglichkeit verbunden ist, von den dort verarbeiteten Daten Kenntnis zu erlangen . Liegt in diesen Fällen nicht die ausdrückliche Einwil- ligung aller Personen vor, von denen die dort abgespei- cherten Geheimnisse stammen, und regelt auch das Be- rufsrecht die Inanspruchnahme externer Unterstützung nicht, so läuft der Berufsgeheimnisträger nach geltender Rechtslage Gefahr, sich nach § 203 des Strafgesetzbu- ches strafbar zu machen . Mit unserem Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen wollen wir hier Rechtssicherheit schaffen. Der Gesetzentwurf schlägt daher im Wesentlichen vor, ein Offenbaren von Geheimnissen durch den Berufsge- heimnisträger gegenüber dritten Personen zu erlauben, die an der beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit der Berufsgeheimnisträger mitwirken, soweit dieses Offen- baren für die Inanspruchnahme der Tätigkeit der mitwir- kenden Person erforderlich ist . Kompensiert werden soll die damit verbundene Ver- ringerung des strafrechtlichen Geheimnisschutzes durch eine Einbeziehung aller mitwirkenden Personen in den Kreis der tauglichen Täter nach § 203 des Strafgesetz- buches. Den Berufsgeheimnisträger selbst trifft eine strafbewehrte Pflicht dafür Sorge zu tragen, dass die einbezogenen Personen ihrerseits zur Verschwiegenheit verpflichtet werden. Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf Änderungen in einigen Berufsordnungen vor . In die Bundesrechts- anwaltsordnung, die Bundesnotarordnung, die Patent- anwaltsordnung, das Steuerberatungsgesetz und die Wirtschaftsprüferordnung werden nun insbesondere Be- fugnisnormen eingefügt, die Voraussetzungen und Gren- zen festlegen, unter denen Dienstleistern, die an der Be- rufsausübung der Berufsgeheimnisträger mitwirken, der Zugang zu fremden Geheimnissen eröffnet werden darf. Damit regeln wir berufsrechtlich das, was der Bun- desgesetzgeber regeln kann . Denn für andere Berufsge- heimnisträger, wie zum Beispiel Ärzte, liegt die Gesetz- gebungskompetenz nicht beim Bund . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723408 (A) (C) (B) (D) Ich bitte um Unterstützung für diesen Gesetzentwurf . Es ist dringend notwendig, die rechtlichen Regelungen für die Berufsgeheimnisträger den tatsächlichen Erfor- dernissen anzupassen. Bei den Verbänden der betroffe- nen Berufsgruppen, die wir zu dem Referentenentwurf beteiligt hatten, ist das Vorhaben auf breite Zustimmung gestoßen und allgemein die Hoffnung geäußert worden, dass dieses Projekt schnell zu einem erfolgreichen Ab- schluss kommt . Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 11. Juli 2016 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regie- rung der Arabischen Republik Ägypten über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 26. September 2016 zwischen der Regie- rung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Tunesischen Republik über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich (Tagesordnungspunkte 33 a und b) Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU): Heute be- raten wir abschließend über zwei Abkommen im Si- cherheitsbereich mit Tunesien und Ägypten . Mit diesen Abkommen wird die Zusammenarbeit im Sicherheitsbe- reich auf eine neue Stufe gestellt, und die freundschaft- lichen Beziehungen mit Ägypten und Tunesien werden vertieft . Ziel ist insbesondere die Zusammenarbeit im Kampf gegen die schwere Kriminalität, wie zum Beispiel Menschenhandel und Zuhälterei, Schleuserkriminalität, aber auch Geldwäsche, Korruption und Computerkrimi- nalität . Daneben spielt der Kampf gegen den Terrorismus eine wichtige Rolle . Um diese Ziele zu erreichen, sollen sich zukünftig Fachleute aus Deutschland, Tunesien und Ägypten über Methoden der Kriminalitätsverhütung und -bekämpfung austauschen und voneinander lernen . Über diese prak- tische Zusammenarbeit hinaus wird in den Abkommen auch der Informationsaustausch zwischen den Vertrags- parteien geregelt, wobei klargestellt ist, dass hierbei in- nerstaatliches Recht beachtet werden muss . Zusätzlich zu dieser vereinbarten Zusammenarbeit im Bereich der Verbrechensbekämpfung enthält insbe- sondere das Abkommen mit Tunesien noch ausführliche Kapitel zu den Themen Migration und Flüchtlinge sowie der Zusammenarbeit im Bereich des Katastrophenschut- zes . Dabei geht es im Bereich Migration auch um die „Sicherstellung des Schutzes der Rechte von Migranten und Flüchtlingen entsprechend den internationalen Stan- dards“ . Mir ist bewusst – und dies wurde auch im Innenaus- schuss diskutiert –: Die menschenrechtliche Lage gera- de in Ägypten entspricht nicht unseren Vorstellungen . Die ägyptische Regierung schränkt vielmehr massiv die Rechte der eigenen Bürger ein . Ich will in diesem Rah- men auch noch einmal klar unterstreichen, dass wir die Todesstrafe als nicht mit den Menschenrechten vereinbar ansehen und sie ablehnen . Daher appelliere ich an dieser Stelle an die ägyptische Regierung, hier Schritte für Ver- besserungen zu unternehmen . Uns allen sollte aber klar sein, dass wir in einer Welt leben, in der Menschenrechte und Demokratie nach un- seren Vorstellungen leider nicht der globale Standard sind, wobei man anmerken könnte, dass wir auch Mit- gliedstaaten in der Europäischen Union haben, in denen dieser Standard nicht unbedingt hundertprozentig erfüllt wird . Wenn aber nun aus dieser Erkenntnis, dass nur die wenigsten Staaten in dieser Hinsicht unseren Wertvor- stellungen entsprechen, die Konsequenz gezogen werden sollte, mit den übrigen Staaten keine Zusammenarbeit im Kampf gegen Kriminalität und Terror anzustreben, dann macht das weder das Leben in Deutschland noch woan- ders in der Welt sicherer . Dies kann und sollte nicht unser Ziel sein . Wie Sie dem Vertragstext im Abkommen mit Ägypten entnehmen können, ist sich die Bundesregierung der dor- tigen Probleme bei den Menschenrechten bewusst und hat deren Schutz ausdrücklich in den Vertragstext mit aufgenommen . Das geht bis zum möglichen Abbruch der Kooperation, um auf Verletzungen der Menschenrechte zu reagieren . Ich möchte außerdem hervorheben, dass die Zusam- menarbeit im Bereich Forschung und Aus- und Weiter- bildung einen zentralen Teil des Abkommens darstellt . Daraus ergibt sich für uns die Möglichkeit, im Rahmen dieser Kooperation einen konstruktiven Einfluss auf die Ausbildung der Sicherheitskräfte in den betreffenden Ländern zu nehmen . Ich bin überzeugt, dass die Erfah- rungen, die die ägyptischen und tunesischen Sicherheits- kräfte im Austausch mit der Bundesrepublik Deutschland und ihren rechtsstaatlichen Standards machen werden, langfristig positiv auf deren Arbeit zurückwirken werden . Die Welt, in der wir leben, ist nicht perfekt, damit müssen wir zurechtkommen. Die nun zur Ratifikation vorliegenden Verträge können aber dazu beitragen, zu- mindest einen kleinen Schritt in die richtige Richtung zu gehen, um die Welt besser zu machen . So können wir Tunesien helfen, auf seinem Weg zu mehr Demokratie und Menschrechten voranzukommen . Gerade dieses Land hat ja seit dem Beginn des sogenann- ten Arabischen Frühlings eine für die Region recht vor- bildliche Entwicklung genommen . Wenn wir einen Anteil zur Stabilisierung der tunesi- schen Erfolge leisten wollen, dürfen wir nicht die Hände in den Schoß legen . Wir müssen auf mehreren Ebenen ansetzen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23409 (A) (C) (B) (D) Da sehe ich zum einen ganz stark die politische Bil- dung und die Förderung der Zivilgesellschaft und der demokratischen Strukturen . All diese Bemühungen können ihre Wirkung aber nur in einem sicheren Umfeld entfalten . Dazu können die vorliegenden Abkommen einen wertvollen Beitrag leis- ten . Ebenso haben wir auch in Ägypten die Chance, un- seren positiven Einfluss in diesem Bereich geltend zu machen . Besonders im Falle Ägyptens mit seinen über 87 Millionen Einwohnern muss es uns ein Herzensanlie- gen sein, die Bindungen und Kanäle zu diesem wichtigen Staat aufrechtzuerhalten . Denn das Land am Nil kann im besten Falle ein nach außen wirkender Stabilitätsanker für die Region sein, im schlechtesten Falle Herkunfts- und Transitland von Terroristen, die nicht nur die Leben der Menschen dort, sondern auch bei uns in Europa be- drohen . Die Ägypter sind bereits erheblich durch die Gefahr des Terrorismus bedroht . Gerade Minderheiten leiden unter der jetzigen Situation . Besonders die seit längerem bedrohten christlichen Gemeinden werden immer mehr zur Zielscheibe von gewalttätigen Extremisten . Dass wir den Kontakt zur ägyptischen Regierung auch in schwierigen Zeiten halten und auch in der Sicherheits- kooperation vertiefen, ist im Interesse unserer beiden Staaten und deren Bewohner . Das Gleiche gilt für Tunesien . Dies sage ich im Be- sonderen vor dem Hintergrund des Anschlages in Berlin im vergangenen Dezember . Der Fall des Berlin-Attentä- ters Anis Amri, der ja aus Tunesien kam, zeigt doch ganz eindeutig, dass wir die Zusammenarbeit im Sicherheits- bereich vor allem mit den Ländern, die besonders unter dem Extremismus leiden, ausbauen müssen . Dazu gehört im Rahmen des vorliegenden Abkom- mens dementsprechend auch ein Schwerpunkt auf der Fälschungssicherheit von Ausweisdokumenten sowie der Steuerung von Migration in legale und besser kontrollier- bare Kanäle . Glaubt denn jemand hier im Haus ernsthaft, dass sich unsere Sicherheit hier in Deutschland oder die Situation in unseren Partnerländern verbessert, wenn wir auf Abkommen wie dieses verzichten? Gerade auch damit wir Verbrechen wie den Berliner Anschlag in Zukunft effektiver verhindern können, brau- chen wir eine bessere Zusammenarbeit mit den Her- kunftsstaaten von Gefährdern . Und dazu gehören bedau- erlicherweise nun einmal auch Tunesien und Ägypten . Die Abkommen bieten hier die Möglichkeit für positive Entwicklungen . Nichts zu tun, wird jedenfalls nichts be- wirken . Ich bitte Sie daher, den vorliegenden Gesetzen die Zu- stimmung zu erteilen, damit die Abkommen mit Tunesi- en und Ägypten zur Zusammenarbeit im Sicherheitsbe- reich in Kraft treten können . Wolfgang Gunkel (SPD): Polizeiliche Zusammen- arbeit ist ein wichtiger Eckpfeiler unserer inneren Si- cherheit . Ohne länderübergreifende polizeiliche Zusam- menarbeit sind wir den aktuellen Bedrohungen nicht gewachsen, denn im Bereich des Terrorismus und auch im Bereich der organisierten Kriminalität wird durchaus länderübergreifend zusammengearbeitet . Dem können wir uns nicht verschließen . Polizeiliche Zusammenarbeit ist wichtiger denn je . Immer wieder haben wir in den vergangenen Jahren über diese Art von Abkommen diskutiert . Zuletzt ging es um die Zusammenarbeit mit Serbien, Albanien und Ge- orgien, und nun wird die Kooperation auch über Europa hinaus ausgedehnt . Wie sieht die Zusammenarbeit konkret aus? Im Bereich der Kriminalitäts- und Terrorismusbe- kämpfung geht es vor allem um Informationsaustausch unter Fachleuten: zu Methoden der Kriminalitätsbe- kämpfung und Verhütung, ebenso zu Tätern und Metho- den im Bereich der kriminalistischen und kriminologi- schen Forschung . Bei operativen Maßnahmen soll kooperiert werden . So soll bei operativen Ermittlungen durch aufeinander abgestimmte polizeiliche Maßnahmen zusammenge- wirkt und dabei personell, materiell und organisatorisch Unterstützung geleistet werden . Weiterhin sollen sich die Vertragsparteien einander bei der Durchführung von Seminaren, Lehrgängen und praktischen Übungen, der Entsendung von Fachleuten zum Erfahrungsaustausch sowie bei der Erarbeitung von Lehrgangsunterlagen und Lehrplänen unterstützen . Im Bereich des Katastrophenschutzes geht es um die Zusammenarbeit bei Ausbildung und Ausstattung sowie der Entsendung von qualifiziertem Personal im Katast- rophenfall . Im Innenausschuss haben wir bereits die Kehrseite solcher Abkommen diskutiert . Wir können nicht überall von den menschenrechtli- chen Standards ausgehen, die wir an Polizeiarbeit stellen . Gerade das Thema Ägypten bereitet sicher nicht nur mir erhebliche Bauchschmerzen . Die menschenrechtli- che Lage ist nach wie vor sehr angespannt . Die Polizei- arbeit ist nicht immer frei von Willkür und Korruption . Oppositionelle und Minderheiten werden verfolgt, und die Gefahr besteht, dass der Wissensaustausch und die Zusammenarbeit dazu führen, dass Repressionen noch erfolgreicher durchgeführt werden können . Solche Probleme gilt es auch im Rahmen eines part- nerschaftlichen Zusammenarbeitens klar zu benennen . Der vielfältige Erfahrungsaustausch, aber auch die Zu- sammenarbeit bei der Ausbildung und der Gestaltung von Lehrplänen wurden bereits erwähnt . Hier sind die deutschen Partner gefordert, ihre rechtsstaatlichen Ideale und Kenntnisse zu vermitteln und vorbildhaft einzuset- zen . Das Abkommen zeigt daneben auch die Grenzen der Zusammenarbeit auf: Der Zusammenarbeit kann wider- sprochen werden, wenn zum Beispiel wesentliche Inte- ressen einer Vertragspartei beeinträchtigt werden oder die Zusammenarbeit im Widerspruch zu ihrem inner- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723410 (A) (C) (B) (D) staatlichen Recht steht . Hier wird klar formuliert, dass eine Zusammenarbeit nicht stattfinden kann, wenn damit Menschenrechtsverletzungen unterstützt werden . Ich vertraue auf die Kompetenz der handelnden Be- hörden, diese Grenzen zu erkennen und aufzuzeigen . Insgesamt überwiegen die sicherheitspolitischen Inte- ressen, die eine solche Zusammenarbeit erforderlich ma- chen, sodass die SPD-Bundestagsfraktion den Gesetzent- würfen zustimmen kann . Ich bin mir sicher, dass wir durch eine effiziente Zu- sammenarbeit viel erreichen können . Ulla Jelpke (DIE LINKE): Wir beraten hier über Ent- würfe für zwei Gesetze zu Sicherheitsabkommen zwi- schen der Bundesrepublik und den nordafrikanischen Staaten Tunesien und Ägypten . Dabei geht es nicht nur um Kooperation bei der Be- kämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität, sondern auch um die Bekämpfung unerwünschter Migra- tion . Zum Hintergrund beider Abkommen gehört das Be- streben der Bundesregierung, die Migration von Flücht- lingen immer stärker zu kontrollieren und diese Kontrolle auch geografisch vorzuverlagern. Denn geht es nach der Bundesregierung, dann sollen Flüchtlinge bereits in ih- ren Herkunfts- und Transitstaaten gestoppt werden . Ob dort autoritäre Regimes herrschen und Flüchtlinge in ih- ren Menschenrechten auf Verlassen eines Landes verletzt werden, das ist der Bundesregierung offensichtlich völlig egal . Über die derzeitigen Regelungen hinausgehende Si- cherheitsabkommen mit Ägypten und Tunesien verbieten sich zum jetzigen Zeitpunkt aus Sicht der Linken, da bei- de Staaten nicht die erforderlichen menschenrechtlichen und rechtsstaatlichen Standards aufweisen . Dies gilt ins- besondere für Ägypten . Nach dem Putsch gegen die Zi- vildiktatur des islamistischen Präsidenten Mursi herrscht dort jetzt eine noch rigidere Militärdiktatur unter General el-Sisi . Laut dem Jahresbericht 2016 von Amnesty In- ternational ist die Menschenrechtslage verheerend . Es gibt Massenverhaftungen bei Protesten gegen die Regie- rung, auch Journalisten und Menschenrechtsverteidiger werden von Sicherheitskräften verschleppt, Gefangene des Geheimdienstes verschwinden an unbekannten Or- ten . Immer wieder kommt es zu Todesopfern durch un- verhältnismäßige Polizeigewalt . Die Todesstrafe wird regelmäßig verhängt und auch vollstreckt . Polizei und Küstenwache hindern zudem Tausende Flüchtlinge am Verlassen des Landes und damit an der Wahrnehmung ihres Menschenrechts, in einem anderen Land Asyl zu suchen . Gleichzeitig sind Schutzsuchende in Ägypten nicht sicher vor Abschiebungen in ihre Verfolgerstaaten . Mit dem bereits am 11 . Juli 2016 von der deutschen und ägyptischen Regierung unterzeichneten Sicher- heitsabkommen, das jetzt durch das vorliegende Gesetz umgesetzt werden soll, wurde der berüchtigte ägypti- sche Sicherheitsdienst NSS zum Partner des Bundes- kriminalamtes . Der über geheimdienstliche Befugnisse verfügende NSS ist bekannt für seine Folterungen auf Polizeiwachen und in Gefängnissen . Dutzende ranghohe NSS-Beamte wurden bereits nach Deutschland eingela- den, um sie dort in der Bekämpfung des „Terrorismus und Extremismus“ zu schulen . Gelehrt werden etwa Überwachungstechniken für das Internet – die Leidtra- genden werden gewaltfreie Oppositionelle und regime- kritische Journalisten in Ägypten sein, die ebenfalls im Fokus des NSS stehen . Einer der Kooperationspartner deutscher Polizeibehörden wird die ägyptische Stadi- onpolizei sein, die für das Massaker in einem Fußball- stadion in Port Said im Jahr 2012 verantwortlich ist, bei dem über 70 Menschen getötet wurden . Zukünftig soll die Bundespolizei dieser Mördertruppe Fortbildungen geben . Das ist doch ungeheuerlich! Die Bundesregierung wäre gut darin beraten, das Militärregime zu ächten, anstatt mit den Generälen zu kollaborieren . In einer gerade laufenden Petition von Ägyptern gegen dieses Sicherheitsabkommen heißt es: „Unterstützung benötigen wir bei der Aufarbeitung von Verbrechen der ägyptischen Regierungen der vergange- nen Jahrzehnte und nicht beim Verüben von neuen Ver- brechen durch Polizei, Geheimdienste und Militär von el-Sisi .“ Dem kann sich die Linke nur anschließen . Ganz so dramatisch wie in Ägypten ist die Lage zwar in Tunesien nicht . Doch auch dort herrscht seit Novem- ber 2015 der Ausnahmezustand im Kampf gegen isla- mistische Terrorgruppen . Ein Ende Februar von Amnesty International vorgelegter Bericht über „Menschenrechts- verletzungen unter dem Ausnahmezustand“ beklagt willkürliche Verhaftungen, Einschränkungen der Bewe- gungsfreiheit von Verdächtigen, Repression gegen An- gehörige von Terrorismusverdächtigen . Konkret benennt der Amnesty-Bericht 23 Fälle von Folter, Misshandlun- gen und Vergewaltigung durch Sicherheitskräfte . Für den Bereich der Strafverfolgung reichen die beste- henden gesetzlichen Regelungen mit Tunesien völlig aus . Doch darüber hinaus soll das Abkommen eine Grund- lage für den Austausch von Informationen im Bereich der Verhütung von Straftaten bei vielen verschiedenen Kriminalitätsbereichen schaffen. Datenschutzrechtliche Bestimmungen sind zwar vorgesehen . Doch ob diese wirklich konsequent eingehalten werden, ist zu bezwei- feln, da keine wirksamen Mechanismen gegen den Miss- brauch von Informationen durch die tunesischen Sicher- heitskräfte vorgesehen sind . Die Intention der Bundesregierung, Fluchtbewegun- gen aus Tunesien durch den Erhalt und Ausbau innen- politischer Stabilität in dem nordafrikanischen Land zu begegnen, ist nachvollziehbar . Wenn eine solche Stabili- tät aber vor allem auf einem repressiven Apparat lastet, werden damit nicht Fluchtursachen bekämpft, sondern erst geschaffen. Dass die Bundesregierung zugleich darauf drängt, sogenannte islamistische Gefährder, die sich häufig erst in Europa radikalisiert haben, schneller und unbü- rokratischer nach Tunesien abzuschieben, führt die Si- cherheitszusammenarbeit geradezu ad absurdum . Denn schon jetzt gibt es in Tunesien Demonstrationen, die von der Regierung fordern, dschihadistischen Kämpfern die Rückkehr zu verweigern . Die junge tunesische Demokra- tie verdient jede Unterstützung . Doch durch das Sicher- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23411 (A) (C) (B) (D) heitsabkommen würden gerade die autoritären, willkürli- chen und nicht rechtsstaatlichen Strukturen gestärkt . Und das lehnt die Linke ab . Was wir brauchen, ist eine ernsthafte Bekämpfung von Fluchtursachen . Dazu gehört auch eine Stabilisie- rung der Staaten in Nordafrika durch wirtschaftliche und infrastrukturelle Förderung . Doch wer Militärdiktaturen und autoritäre Regimes als Türsteher der Festung Euro- pas einspannt und dafür zu Menschenrechtsverletzungen in diesen Ländern schweigt, trägt nur zu weiteren Flucht- gründen bei . Das hat uns der Flüchtlingspakt mit der Türkei gezeigt . Und das wird mit Ägypten oder Tunesien nicht anders sein . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die Bundesregierung plant erneut, mit zwei Staaten Sicherheitsabkommen zu schließen, in denen die menschenrechtliche Lage problematisch ist . Beson- ders mit Ägypten steht ein Land zur Debatte, in dem mit staatlicher Beteiligung systematische Menschenrechts- verletzungen wie Folter, willkürliche Verhaftungen, Ver- schwindenlassen sowie Unterdrückung der Opposition oder die Anwendung der Todesstrafe alltäglich sind . Es ist daher dringendst geboten, klarzustellen, ob und unter welchen Voraussetzungen Deutschland Sicherheits- abkommen mit Staaten schließen sollte und mit welchen Staaten wir gar nicht zusammenarbeiten sollten . Wir sind nicht grundsätzlich gegen Zusammenarbeit im Sicher- heitsbereich, aber es macht einen großen Unterschied, mit welchen Ländern die Bundesrepublik zusammenar- beitet und welche Sicherheitsbehörden sie damit legiti- miert und unterstützt . Die Bundesregierung sieht das offenkundig anders: Sie hält daran fest, immer wieder die gleichen Textbausteine für die Abkommen zu verwenden . Dieser Standardtext enthält aber keine verbindlichen und überprüfbaren Be- dingungen bezüglich der Achtung der Menschenrechte oder Rechtsstaatsprinzipien . Solange die Bundesregie- rung nicht bereit ist, Sicherheitszusammenarbeit neu zu gestalten und in den Abkommen die Staaten in konkreten verbindlichen Klauseln zur Einhaltung menschenrecht- licher und rechtsstaatlicher Standards zu verpflichten, können wir einer solchen Zusammenarbeit nicht zustim- men . Unsere Fraktion hat das bereits Ende 2014 in einem Antrag gefordert, doch die Bundesregierung lehnt diesen Vorschlag weiter ab . Zwar ist die Präambel des Gesetzentwurfs, nach der die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Ägypten unter Beachtung von Grund- und Menschenrechten zu erfolgen habe, begrüßenswert, aber die bloße Erwähnung von Menschenrechten im Text reicht bei weitem nicht . Es müssen überprüfbare menschenrechtliche Standards und deren Kontrollen vereinbart werden . Dafür braucht es klare Definitionen und eine Exit-Option bei Nichtein- haltung . Das alles fehlt völlig . Der Bundestag ist während der Verhandlungsphase der Abkommen wieder nicht ausreichend über die ver- handelten Punkte informiert worden . Wieder gibt es kei- ne Pflicht der Bundesregierung, dem Bundestag Berichte über die Tätigkeiten und Erfahrungen der Verbindungs- beamten vorzulegen . Wir fordern erneut, dass anhand klarer und vorab verbindlich festgelegter Kriterien über Fort- oder Rückschritte im Bereich der Menschenrech- te und der Korruptionsbekämpfung in den jeweiligen Kooperationsländern berichtet werden muss . Anhaltend negative Ergebnisse müssen zu einer Aussetzung oder Beendigung des Sicherheitsabkommens führen . Im April 2016 haben wir die Bundesregierung gefragt, ob jemals ein geplantes Sicherheitsabkommen aufgrund einer bedenklichen Menschenrechtslage nicht abge- schlossen wurde . Es gab keinen einzigen Fall . Das ist eine erschütternde Bilanz . Das bedeutet, dass nicht mal eine desaströse menschenrechtliche Lage wie in Sau- di-Arabien Grund genug ist, um auf ein solches Abkom- men zu verzichten . Desaströs ist auch die Lage in Ägypten . Zum Bei- spiel wurde diese Woche ein Video in sozialen Netzwer- ken veröffentlicht, das sowohl Amnesty International als auch die New York Times für authentisch halten, das zeigte, wie Mitglieder des ägyptischen Militärs im November 2016 im Norden der Sinai-Halbinsel mehre- re unbewaffnete auf dem Boden liegende Gefangen er- schießen. Danach platzieren die Soldaten Waffen neben den Toten und filmen sie für ein Propagandavideo der ägyptischen Armee . Ein weiteres Beispiel ist der Fall des gefolterten und ermordeten italienischen Studenten Giulio Regeni, der international für Empörung gesorgt hat, in dem vieles auf eine Verstrickung der ägyptischen Behörden hindeutet . Organisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International dokumentieren seit Jahren Fälle von Folter und andere Misshandlungen von Häftlingen . Wir wissen, dass der NSS fürchterlich fol- tert . Selbst Mitarbeiter des Bundeskriminalamts haben größte Bedenken geäußert, die Sicherheitspartnerschaft mit Ägypten weiter fortzusetzen oder zu intensivieren . Letzten Monat hat Ägyptens höchstes Berufungsgericht zehn Todesurteile gegen Fußball-Ultras bestätigt, die an den Ausschreitungen in Port Said beteiligt gewesen sein sollen . In den letzten Jahren ergingen gegen Hun- derte Personen – nach übereinstimmend als grob unfair bezeichneten Gerichtsverfahren – Gefängnisstrafen oder Todesurteile . Auch das Recht auf freie Meinungsäuße- rung sowie die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit werden immer stärker eingeschränkt . Die Bundesregierung selbst antwortete auf die Kleine Anfrage 2016, „dass bei Bekanntwerden von Menschen- rechtsverletzungen sowie bei Nichteinhaltung demokra- tischer und rechtsstaatlicher Grundsätze die polizeiliche Zusammenarbeit mit diesen Staaten reduziert bezie- hungsweise komplett eingestellt wird“ . Was muss denn noch aus Ägypten bekannt werden, damit die Bundesre- gierung endlich die Zusammenarbeit einstellt? Es ist mit diesen Kooperationsabkommen einfach nicht sichergestellt, dass die Ausbildung, das Know-how und die Ausrüstung nicht für solche schweren Straftaten und Menschenrechtsverletzung, wie ich sie beschrieben habe, genutzt werden . Wer glaubt, mit solchen Sicher- heitsbehörden ein Kooperationsabkommen schließen zu können, ohne sich für die gravierenden Menschen- rechtsverletzungen möglicherweise mitverantwortlich zu machen, täuscht sich entweder selbst oder die Bevölke- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723412 (A) (C) (B) (D) rung und den Bundestag . Bei der momentanen Lage in Ägypten kann niemand, der Menschenrechten Geltung verleihen will, die ägyptischen Behörden ausbilden, un- terstützen und ausrüsten wollen . Daher lehnen wir die Si- cherheitsabkommen mit Ägypten und Tunesien ab . Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einfüh- rung eines Wettbewerbsregisters (Tagesordnungs- punkt 35) Barbara Lanzinger (CDU/CSU): Wir beraten heute in erster Lesung den Gesetzentwurf zur Einführung eines bundesweiten Wettbewerbsregisters . Ich begrüße den Entwurf ausdrücklich . Warum brau- chen wir dieses Gesetz? Weil es der letzte Baustein der umfassenden Modernisierung des Vergaberechts in die- ser Legislaturperiode ist und für einen fairen Wettbewerb sorgt . Bund, Länder und Kommunen vergeben jährlich Auf- träge im Wert von über 300 Milliarden Euro an private Unternehmen . Ein Wettbewerbsregister, in das bestimm- te rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen oder Strafbefehle und Bußgeldentscheidungen eingetragen werden, hilft, einen fairen Wettbewerb sicherzustellen . Schon vor einem Jahr haben wir das Vergaberechts- modernisierungsgesetz und die Vergaberechtsmoder- nisierungsverordnung im Deutschen Bundestag ver- abschiedet und damit den Wettbewerb um öffentliche Aufträge gestärkt . Vergabeverfahren sind nun deutlich effizienter, ein- facher und flexibler. Kleine und mittlere Unternehmen können leichter an öffentlichen Vergabeverfahren teil- nehmen . Hintergrund der Reform waren Vorgaben aus Brüssel: das EU-Richtlinien-Paket zur Modernisierung des Verga- berechts, das bis April 2016 umgesetzt werden musste . Erklärtes Ziel der Vergaberechtsmodernisierung ist, Wettbewerb und Transparenz der öffentlichen Auftrags- vergabe zu stärken . Genau dafür ist das bundesweite Wettbewerbsregister, das wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf einrichten, ein wichtiges weiteres Instru- ment . Mit ihm ermöglichen wir öffentlichen Auftraggebern, schwarze Schafe einfacher als bisher von öffentlichen Vergaben auszuschließen . Dabei gehen wir mit Augenmaß vor . Bereits im Vorfeld der parlamentarischen Beratungen ist es uns gelungen, in guter Zusammenarbeit mit dem Bundeswirtschaftsmi- nisterium und dem Koalitionspartner die Weichen so zu stellen, dass ein praktikables Gesetz dabei herauskommt: Öffentliche Auftraggeber werden ab einem Auftrags- wert von 30 000 Euro verpflichtet, vor Erteilung des Zu- schlags auf das von ihnen ausgewählte wirtschaftlichste Angebot beim Register nachzufragen, ob das Unterneh- men, das den Auftrag erhalten soll, eingetragen ist . Nach Ablauf bestimmter Fristen sind eingetragene Unterneh- men aus dem Register zu löschen . Außerdem erhalten öffentliche Auftraggeber eine Ab- fragemöglichkeit für Aufträge unterhalb von 30 000 Euro . Das Gesetz regelt in einem abschließenden Katalog die zur Eintragung führenden Straftaten und Ordnungs- widrigkeiten – rechtskräftige Verurteilungen, Strafbefeh- le oder bestandskräftige Bußgeldentscheidungen, zum Beispiel wegen Bestechung, Geldwäsche und Betrug, Vorenthalten von Sozialabgaben, Steuerhinterziehung, Kartellrechtsverstöße, u .a . Der Katalog enthält Straftaten, die vergaberechtlich zwingende Ausschlussgründe darstellen, sowie nicht zwingende Ausschlussgründe, die die Vergabestellen bis- her im Gewerbezentralregister abfragen mussten . Die Unternehmen werden vor der Eintragung infor- miert und können Einwände erheben . Das Bundekartellamt, das bereits die Zuständigkeit für die Vergabekammern hat, wird als Registerbehörde benannt. Wir schaffen somit Synergien und stellen sicher, dass die Führung des Wettbewerbsregisters in kompeten- ten Händen liegt . Das Bundeskartellamt als registerführende Behörde soll außerdem Leitlinien für die Selbstreinigung erarbei- ten . Unternehmen haben zudem die Möglichkeit, nach erfolgter Selbstreinigung – also insbesondere nach Um- setzung der erforderlichen Compliance-Maßnahmen – einen Antrag auf vorzeitige Löschung aus dem Register zu stellen . Für die vorzeitige Löschung sollen den Unternehmen aber nur die zur Deckung des Verwaltungsaufwands un- bedingt notwendigen Kosten auferlegt werden, wir wol- len keine Sanktionierung durch die Hintertür . Mit der Einführung eines Wettbewerbsregisters auf Bundesebene entfallen gleichzeitig die Länderregister, sodass es keine unterschiedlichen Eintragungsvorausset- zungen mehr geben wird . Für Auftraggeber und betrof- fene Unternehmen wird dadurch mehr Transparenz und Rechtssicherheit geschaffen. Die Verpflichtung der Staatsanwaltschaft zur Prüfung der Übermittlungsvoraussetzungen im Hinblick über die Zurechnung der Handlungen des strafrechtlich Verant- wortlichen auf das Unternehmen wird eindeutig veran- kert . Darüber hinaus verankern wir Ermittlungsbefugnisse für die Registerbehörde – etwa Zeugenbefragung u . a . – im Hinblick auf die von einem eingetragenen Unterneh- men durchgeführten Selbstreinigungsmaßnahmen im Gesetz, für den Fall, dass das Unternehmen die Löschung der Eintragung wegen Selbstreinigung beantragt . Wichtig ist uns dabei: Einen automatischen Aus- schluss der Unternehmen von öffentlichen Aufträgen wird es nicht geben . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23413 (A) (C) (B) (D) Die öffentlichen Auftraggeber entscheiden eigenver- antwortlich beziehungsweise nach Maßgabe der Rege- lungen des Vergaberechts, ob sie ein eingetragenes Un- ternehmen von der Vergabe ausschließen . Die Vorteile eines bundesweiten Registers liegen auf der Hand: Für öffentliche Auftraggeber wird es bedeu- tend einfacher, wenn sie sich nur noch an eine einzige Stelle wenden müssen, um Informationen über die Un- ternehmen einzuholen . Auch für die Unternehmen ist ein bundesweites Re- gister von Vorteil: Unterschiedliche Behandlungen durch unterschiedliche Eintragsvoraussetzungen in den Bun- desländern entfallen . Wie wichtig das Vergaberecht für die Wirtschaft und die öffentlichen Auftraggeber ist, haben bereits die inten- siven Beratungen zur Modernisierung des Vergaberechts im vergangenen Jahr gezeigt . Mit diesem wichtigen letzten Baustein vervollstän- digen wir die neuen Regelungen, mit denen wir mehr Transparenz und fairen Wettbewerb bei der öffentlichen Auftragsvergabe erreichen wollen . Schwarze Schafe werden es künftig schwerer haben, an öffentliche Aufträge zu kommen. Dies stärkt diejeni- gen Unternehmen, die sich rechtskonform und fair ver- halten . In den anstehenden parlamentarischen Beratungen werden wir darauf achten, dass das Wettbewerbsregister nicht doch noch zu einer politischen Spielwiese wird . Ich bitte Sie daher um Ihre Zustimmung . Marcus Held (SPD): Nach der erfolgreichen Verga- berechtsreform im Jahr 2016, bei der wir als Deutscher Bundestag mit Zustimmung der Bundesländer auch die Möglichkeiten zum Ausschluss von Unternehmen von Vergabeverfahren erstmals auf gesetzlicher Ebene im GWB geregelt haben, behandeln wir heute in erster Lesung nun die Einführung eines sogenannten Wettbe- werbsregisters, mit welchem wir die soeben genannte Möglichkeit in ein praktikables Gesetz für die öffentliche Hand umsetzen . Mit der Einführung dieses Wettbewerbsregisters wird Deutschland in der Europäischen Union Vorreiter in Sa- chen Korruptionsprävention im öffentlichen Auftrags- wesen . Damit werden wir schwarzen Schafen das Hand- werk legen . Für uns als SPD war dieses bundeseinheitliche Wett- bewerbsregister seit Jahren ein wichtiges Anliegen . Zwar gibt es schon in einigen Bundesländern solche schwarzen Listen, jedoch werden diese nur im jeweiligen Bundes- land geführt und reichen daher nicht aus . Ich bin deswegen sehr dafür, dass nach der Einführung des Wettbewerbsregisters auf Bundesebene alle beste- henden Landesregister wegfallen . Denn nur ein einheit- liches Bundesregister kann auch die dementsprechende Wirkung auf schwarze Schafe vollumfänglich entfalten . Aber wenn ich mir beispielsweise das Landesregister in Baden-Württemberg anschaue, wo überhaupt kein Unter- nehmen eingetragen ist, sollte das auch problemlos mög- lich sein . Und obendrauf gibt es noch eine wesentliche Bürokratieentlastung . Zudem plädiere ich dafür, dass die Bundesländer ebenso noch einmal über ihre Landesvergabegesetze nachdenken – derzeit sind es ja noch 14 – und die Mög- lichkeit des neuen modernen Vergabegesetzes, was wir in Zusammenarbeit mit den Bundesländern im Jahr 2016 umfassend reformiert haben, nutzen . Auch hier würde es dann zu einer wesentlichen Bürokratieentlastung kom- men . Wir haben uns innerhalb der Koalition auch verstän- digt, dass das Bundeskartellamt die Führung dieses Bun- desregisters künftig übernehmen soll . Bestechung, Terrorismusfinanzierung, Geldwäsche, Betrug zulasten öffentlicher Haushalte und zulasten des Haushalts der EU, Steuerhinterziehung, Kartellrechtsver- stöße, Schwarzarbeit und Verstöße gegen das Mindest- lohngesetz, all das werden zukünftig Ausschlussgründe für kriminelle Unternehmen bei einer öffentlichen Auf- tragsvergabe sein . Rechtskräftige Verurteilungen von Unternehmen oder gegen diese verhängten Bußgeldbe- scheide bei den eben dargestellten Ausschlussgründen sollen künftig in dieses Wettbewerbsregister eingetragen werden. Für öffentliche Auftraggeber wird dies zukünf- tig bei Vergabeverfahren sofort ersichtlich . Denn jährlich vergeben Bund, Länder und Kommunen Aufträge im Wert von 300 Milliarden Euro . Damit stärken wir Un- ternehmen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen . Wichtig ist es mir auch, zu betonen, dass eingetragene Straftaten nach Ablauf von fünf Jahren, Eintragen von Bußgeldentscheidungen spätestens nach Ablauf von drei Jahren ab dem Tag der Rechts- oder Bestandskraft der Entscheidung gelöscht werden . Ebenso wird in § 8 eine vorzeitige Löschung der Eintragung aus dem Wettbe- werbsregister wegen Selbstreinigung geregelt . Ich freue mich auf die vor uns stehende Zusammen- arbeit in der Koalition zu diesem Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren, insbesondere mit meinen beiden Unionskolleginnen Frau Dr . Gundelach und Frau Lanzinger, mit denen ich auch schon bei der Vergabe- rechtsreform hervorragend zusammengearbeitet habe . Wir sollten dieses wichtige Gesetz schnellstmöglich auf den Weg bringen, damit die Registerbehörde auch schnell ihre Arbeit aufnehmen kann . Thomas Lutze (DIE LINKE): Die Linke begrüßt die Einführung von Maßnahmen, die die Korruption großer Konzerne verhindern und die Bürgerinnen und Bürger vor den weitreichenden Auswirkungen von Wirtschafts- kriminalität schützen . Korruption schädigt die gesamte Gesellschaft, und es ist gut, wenn die Bundesregierung hier Maßnahmen ergreifen will . Unternehmen, die hier Rechtsverstöße begangen haben, sollten weder von öf- fentlichen Aufträgen und noch Konzessionen profitieren. Wer sich der Korruption schuldig gemacht hat, hat be- reits vom Steuerzahler gestohlen und sollte nicht weiter an ihm verdienen dürfen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723414 (A) (C) (B) (D) Die Einführung eines Wettbewerbsregisters, anhand dessen öffentliche Stellen vor der Auftragsvergabe un- saubere Unternehmen aussortieren können, wäre für diesen Zweck ein geeignetes Mittel . Allerdings wählt die Bundesregierung wie im Umgang mit Wirtschaftskrimi- nalität mal wieder die mildeste Umsetzung . Schon nach drei beziehungsweise fünf Jahren soll eine Eintragung aus dem Wettbewerbsregister wieder gelöscht werden . Dieser Zeitraum ist inakzeptabel kurz und dürfte auch seine abschreckende Wirkung verfehlen . Darüber hinaus können Unternehmen eine vorzeitige Löschung beantragen, wenn sie daran ein berechtigtes Interesse nachweisen . Sinn und Zweck von Wirtschaftsunterneh- men ist das Erzielen von Profit, und eine Eintragung im Wettbewerbsregister schmälert die Profitaussichten. Also haben alle Unternehmen per Definition ein sogenanntes berechtigtes Interesse . Zusätzlich sollen Maßnahmen ei- ner sogenannten Selbstreinigung nachgewiesen werden . Doch dazu verlassen sich die Kartellbehörden nicht auf eigene Kontrollen, sondern akzeptieren Gutachten als Nachweis . Auch das halte ich für völlig unzureichend . Weiter weist der Gesetzentwurf Schlupflöcher zur Umgehung negativer Konsequenzen eines Eintrages im Wettbewerbsregister auf, die groß wie Scheunentore sind . Tochterunternehmen beispielsweise werden nur er- fasst, wenn der obersten Leitungsebene des Mutterkon- zerns ein Fehlverhalten nachgewiesen werden kann . Es ist absehbar, dass Konzernleitungen ihre Vergehen noch stärker auf einzelne Mitarbeiter abwälzen werden . Aus- und Neugründungen von Tochterunternehmen werden die Regel zur Umgehung eines Registereintrages werden . Wieder einmal vergibt die Bundesregierung in vo- rauseilendem Gehorsam gegenüber der Wirtschaft eine Chance zur wirklichen Bekämpfung von Wirtschaftskri- minalität . Wenn das Gesetz in den Ausschussberatungen nicht noch deutlich verschärft wird, kann die Linke hier nicht zustimmen . Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir begrüßen die Vorlage eines Gesetzentwurfes zur Schaffung eines bundesweit einheitlichen Wettbewerbs- registers . Dieser Schritt ist richtig . Viel zu lange war der Grundsatz, wonach Unternehmen, die gegen bestehendes Recht verstoßen, keine öffentlichen Aufträge bekommen dürfen, in der Praxis reine Makulatur . Er ist aber auch längst überfällig . Denn die Diskus- sion um ein bundeseinheitliches Wettbewerbsregister ist leider keinesfalls neu . Schon seit fünfzehn Jahren gab es immer wieder Versuche, eine für ganz Deutschland ein- heitliche Gesetzgebung zu schaffen und damit ein wirk- sames Instrument zur Bekämpfung von Korruption und Wirtschaftskriminalität . Seit 2002 gab es dazu schon vier Versuche, die alle- samt am Widerstand aus der CDU und CSU gescheitert sind . Dass es mittlerweile in zehn Bundesländern eigene Wettbewerbsregister gibt, liegt deshalb auch an dieser absolut unverständlichen Blockadehaltung der Union . Umso mehr freut es mich, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU und CSU, endlich eingesehen haben, dass so eine Blockade unsinnig ist und der Be- kämpfung von Korruption und Wirtschaftskriminalität im Weg steht . Denn wir alle wissen doch: Fairer Wettbewerb ist ein Eckpfeiler unserer sozialen Marktwirtschaft . Fai- ren Wettbewerb kann es aber nur geben, wenn sich alle Wettbewerber an die gleichen Regeln halten – und wenn diejenigen, die das nicht tun, für ihr Fehlverhalten auch bestraft werden . Bleibt eine solche Bestrafung aus, schafft das Anreize für Fehlverhalten, für Betrug und Korruption . Und um nichts anderes geht es bei der Schaffung von Wettbe- werbsregistern. Wir wollen die öffentliche Hand in die Lage versetzen, gegen solche Straftaten konsequent vor- zugehen und öffentliche Aufträge nur an Unternehmen zu vergeben, die sich an die Spielregeln konsequent halten . Erfreulicherweise könnte der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf diese Ziele durchaus erreichen . Aller- dings muss ich auch Wasser in den Wein gießen . Denn an einer Reihe von Punkten tun Sie viel zu wenig, um den Vergabestellen das richtige Rüstzeug für eine erfolgrei- che Bekämpfung von Korruption und Wirtschaftskrimi- nalität zu gewährleisten . Das sehen wir zum Beispiel bei der Frage der Tatbe- stände, die laut Gesetzentwurf ins Register eingetragen werden müssen . Hier rächt sich Ihre unzureichende Ar- beit bei der GWB-Novelle . Denn § 124 GWB folgend, geht es hier eben nur um Verstöße, die in Deutschland oder in der EU begangen wurden . Wenn ein Unterneh- men aber an anderer Stelle etwa in der Lieferkette gegen internationale Bestimmungen verstößt, führt das nicht zu einer Eintragung . Das ist nicht nachvollziehbar, hier be- steht Nachholbedarf . Überhaupt stellen Experten fest, dass die Eintragungs- voraussetzungen im Gesetzentwurf zu hoch sind . So würde das Register hinter seinen Möglichkeiten zurück- bleiben und Korruption nur ineffektiv bekämpfen. Transparency International hat etwa richtigerweise da- rauf hingewiesen, dass es unangemessen und sachwidrig ist, nur solche Unternehmen einzutragen, die rechtskräf- tig verurteilt worden sind . Dabei verweisen die Experten von Transparancy International auch auf die in Nord- rhein-Westfalen bestehenden Regelungen zur Korrupti- onsbekämpfung, die diesem Problem effektiv begegnen. An dieser Stelle sollten Sie ebenfalls nachbessern . Insgesamt bleibt dennoch ein durchaus positiver Ge- samteindruck . Der Gesetzentwurf kann einen wertvol- len Beitrag zur Bekämpfung von Korruption und Wirt- schaftskriminalität leisten, und eine bundeseinheitliche Regelung wäre für alle Vergabestellen von Kiel bis Kon- stanz eine große Erleichterung . Die genannten Kritik- punkte sollten Sie allerdings dringend aufgreifen, denn ansonsten vergeben Sie eine wichtige Chance . Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Na- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23415 (A) (C) (B) (D) turschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Sieben- unddreißigste Verordnung zur Durchfüh- rung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Anrechnung von strombasierten Kraftstoffen und mitverarbeiteten biogenen Ölen auf die Treibhausgasquote – 37. BImSchV) (Tagesordnungspunkt 36) Oliver Grundmann (CDU/CSU): „Das Wasser ist die Kohle der Zukunft . Die Energie von morgen ist Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist. Die so zerlegten Elemente des Wassers, Wasserstoff und Sauerstoff, werden auf unabsehbare Zeit hinaus die Energieversorgung der Erde sichern .” Das schrieb der französische Schriftsteller Jules Verne 1874 in seinem berühmten Roman Die geheimnisvolle Insel . 2011 war es Daimler-Chef Dieter Zetsche, der bei einem Auftritt ent- husiastisch rief: „Wasserstoff ist das neue Öl.“ Nun, diese Vision hat sich noch nicht bewahrheitet . Was nicht heißt, dass wir nicht versuchen, das zu ändern! Und die Energie aus Wasserstoff und Sauerstoff könnte hier durchaus eine wichtige Rolle spielen . Eine Ausweitung des sogenannten Quotenhandels auf strombasierte Kraftstoffe, insbesondere auf Kraftstoffe aus regenerativ erzeugtem Wasserstoff, ist in den vergan- genen Jahren auf europäischer Ebene intensiv diskutiert worden und schließlich in der EU-Richtlinie 2015/652 des Rates vom 20 . April 2015 verankert worden . Die vorliegende Verordnung zur Anrechnung von strom- basierten Kraftstoffen und mitverarbeiteten biogenen Ölen auf die Treibhausgasquote dient der Umsetzung dieser EU-rechtlichen Vorgaben . Diese Vorgaben wer- den eins zu eins in nationales Recht umgesetzt . Mit der 37 . BImSchV wird unter anderem geregelt, dass strom- basierte Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien im Sinne des EEG auf die Biokraftstoffquote angerechnet werden können . Nicht angerechnet werden darf Energie aus Bio- masse einschließlich Biogas, Biomethan, Deponiegas und Klärgas sowie aus biogenen Abfällen aus Haushalten und Industrie . Die Mineralölwirtschaft wird gemäß Bundes-Immis- sionsschutzgesetz verpflichtet, die Treibhausgasemissio- nen – bezogen auf die jährliche Gesamtabsatzmenge an Otto- und Dieselkraftstoff (einschließlich des Biokraft- stoffanteils) – durch das Inverkehrbringen von Biokraft- stoffen zu senken. Die jeweilige Treibhausgaseinsparung ist prozentual festgelegt und steigt in den nächsten Ka- lenderjahren . Die durch Elektrolyse hergestellten strombasierten Kraftstoffe Wasserstoff und Methan, die mit erneuerba- rem Strom nichtbiogenen Ursprungs hergestellt wurden, können künftig auf die seit 2015 in Deutschland geltende Treibhausgasquote angerechnet werden . Da Elektrolyse einen hohen Energiebedarf aufweist, soll dieser Kraft- stoff nur dann auf die Treibhausgasemissionen ange- rechnet werden können, wenn der Strom aus Erneuerba- re-Energien-Anlagen stammt . Hierfür werden zwei Wege geöffnet, entweder eine direkte Kopplung einer Elektrolyseanlage mit einer Erneuerbare-Energien-Anlage oder die Entnahme des Stroms aus dem Stromnetz (sogenannte netzentkoppelte Anlagen) für die Elektrolyse . Für Letzteres werden Be- dingungen festgelegt, damit auch sichergestellt ist, dass nur EEG-Überschussstrom verwendet wird . Bei mitver- arbeiteten biogenen Ölen werden Pflanzenöle dergestalt verarbeitet, dass sie bestimmte Eigenschaften wie Tem- peraturfestigkeit aufweisen . Damit können sie direkt in der Raffinerie als Bestandteil des Kraftstoffs verarbeitet werden . Ich möchte betonen: Es ist richtig, erneuerbare Ener- gie auch für den Kraftstoffbereich zu nutzen. Es ist auch richtig, damit den Einsatz von landwirtschaftlichen Primärrohstoffen mit den Nutzungskonkurrenzen und Nachhaltigkeitsproblemen durch die Anrechenbarkeit von Biomethan und Wasserstoff zu reduzieren. Die hier getroffenen Einschränkungen sind aus umweltpolitischer Sicht sinnvoll und tragen zur Akzeptanz der strombasier- ten Kraftstoffe bei. Ressourcen effizient zu nutzen, ist extrem wichtig. Ich hatte es eingangs erwähnt: „Wasserstoff ist das neue Öl“. Hier können wir den Verbrauch der kostbaren Ressource Erdöl vermeiden . Und gerade im Bereich Windwasser- stoff sehe ich riesige ungenutzte Potenziale. Überschuss- strom einer sinnvollen Verwendung zuführen, dafür setze ich mich mit aller Kraft ein . Im Norden Deutschlands, insbesondere in der Elbe-Weser-Region vor den Toren Hamburgs, haben wir die allerbesten Voraussetzungen: Wir haben Windstrom im Überfluss, das nötige Know- how für die Umwandlung in Windwasserstoff, natürliche unterirdische Kavernen zur Speicherung – und wir haben mit der Metropolregion Hamburg den idealen Abnehmer . Die Hansestadt will ihren Busliniennahverkehr in den nächsten Jahren auf wasserstoffbasierte Antriebstech- niken umstellen . Zusammen mit Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann möchte ich hier eine fortschrittliche Wind-Wasserstoff-Modellregion entwickeln. Und hier können wir auch von anderen Ländern ler- nen . Gemeinsam mit meinem geschätzten SPD-Kollegen Andreas Rimkus, ebenfalls ein großer Befürworter der Wasserstofftechnologie, habe ich mir in Japan die gro- ßen Zukunftsfelder in diesem Bereich angesehen . Wir haben festgestellt, dass wir hier ordentlich in die Riemen greifen müssen, um mit den Japanern mitzuhalten . Die Aufholjagd beginnt . Und ich bin mir sicher: Wenn wir dieses Ziel fest vor Augen halten, fraktionsübergreifend zusammenstehen und auch Geld für Investitionen und Forschung in die Hand nehmen, dann können wir für unsere deutsche Wirtschaft und für unsere Umwelt ganz viel rausholen . Wer wissen will, was heute technisch möglich und vielleicht schon morgen Alltag ist, sollte nach Nieder- sachsen reisen: Gerade in dieser Woche gilt bei der Han- nover Messe das Motto „Get new technology first“. Das ist etwas, das auch meine Arbeit im Wahlkreis Stade – Rotenburg immer wieder beflügelt: Forschung, Wissen- schaft, neue Erkenntnisse – das sind wichtige Treiber . Wir wollen ja unseren hohen Lebensstandard erhalten . Wir schaffen das, indem wir innovativer sind als andere. Deshalb müssen wir auch immer wieder aufs Neue die richtige Balance von Chancen und Risiken finden, und Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723416 (A) (C) (B) (D) bürokratische Hemmnisse abbauen, um voranzukom- men . Gestatten Sie mir daher an dieser Stelle noch einen Ap- pell an die Bundesregierung bezüglich der 38 . BImSchV, also die direkt anstehende neue Verordnung zur Festle- gung weiterer Bestimmungen zur Treibhausgasminde- rung bei Kraftstoffen. Ich möchte ausdrücklich anmah- nen, dass diese Verordnung jetzt ebenfalls schnell auf den Weg gebracht werden muss, gerade um den Unterneh- men wichtige Planungssicherheit zu geben . Die 37 . BImSchV hat aus meiner Sicht das Potenzial für eine ressourcenschonende Schaffung von Arbeits- plätzen . Die Reduzierung von Ressourcenimporten kann die Kosten der Energiewende reduzieren sowie Industrie und Haushalte entlasten . Die CDU/CSU-Fraktion stimmt daher der 37 . Verordnung zur Durchführung des Bun- des-Immissionsschutzgesetzes zu . In diesem Sinne danke ich abschließend den Mitar- beiterinnen und Mitarbeitern des Bundesumweltministe- riums, der Kollegin Ulli Nissen als SPD-Berichterstat- terin sowie meinem Kölner Fraktionskollegen Karsten Möring, der als CDU/CSU-Berichterstatter die intensi- ven detailreichen Verhandlungen in den letzten Monaten erfolgreich geführt hat . Florian Oßner (CDU/CSU): Mit dem vorliegenden Verordnungsentwurf setzen wir einen weiteren Baustein für die Erreichung unseres Klimaschutzzieles . Unternehmen, die Kraftstoffe in den Verkehr bringen, sind seit dem Jahr 2015 verpflichtet, die Treibhausgase- missionen ihrer Kraftstoffe um einen gesetzlich festge- legten Prozentsatz zu mindern . Man spricht hierbei von der sogenannten Treibhausgasquote . Innerhalb dieser Quote werden Biokraftstoffe, die eine günstigere Klima- bilanz aufweisen, höher angerechnet als Biokraftstoffe mit einer ungünstigeren Bilanz . Als wir diese Quote eingeführt haben, wollten wir ei- nen Anreiz zur Nutzung klimaschonender Biokraftstof- fe schaffen. Dies hat sich derart bewährt, dass wir uns entschieden haben, die Anrechnung auf die Treibhaus- gasquote zu erweitern um Wasserstoff aus erneuerbarem Strom, um Methan sowie um mitverarbeitete biogene Öle . Der Einsatz von Biokraftstoffen hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Klimaschutz. Denn ohne Biokraftstoffe müssten mehr fossile Kraftstoffe ver- braucht werden, konkret im Jahr 2015 etwa 2,9 Millio- nen Tonnen Benzin und Diesel mehr . Hier gilt es, beson- ders unserem Bundesverkehrsminister ein Dankeschön auszusprechen für seine großen Anstrengungen zur De- karbonisierung der Mobilität; lieber Alexander Dobrindt, herzlichen Dank . Mit Kraftstoffen wie Wasserstoff, Power to Gas oder Power to Liquid, die mit Strom aus erneuerbaren Ener- gien produziert werden und bislang nicht auf die Treib- hausgasquote angerechnet wurden, können wir den Ver- brauch fossiler Kraftstoffe weiter reduzieren. Auch in meiner Heimatregion Landshut-Kelheim kämpfen wir gemeinsam in einer Wasserstoffinitiative für den Ausbau dieser Technologie. Zudem trägt jede Tonne Biokraftstoff mit 386 Euro zur Bruttowertschöpfung in Deutschland bei . Im Jahr 2015 leisteten sie insgesamt einen Beitrag von 1,3 Milliarden Euro . Mit ihren umfassenden Investitionen im Wirtschafts- sektor sichert die Biokraftstoffbranche darüber hinaus schätzungsweise 22 000 Arbeitsplätze, die überwiegend im ländlichen Raum angesiedelt sind . Aufgrund der hohen klimapolitischen und volkswirt- schaftlichen Bedeutung von Biokraftstoffen möchte ich die Gelegenheit nutzen, ein paar Worte zu der sich bereits in der Ressortabstimmung befindlichen 38. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu verlieren . Das Bundesumweltministerium beabsich- tigt hier nämlich, die energetische Obergrenze für kon- ventionelle Biokraftstoffe auf 5 Prozent herabzusenken. Konventionelle Biokraftstoffe oberhalb der Obergrenze sollen wie fossile Kraftstoffe behandelt werden. Das BMUB möchte damit direkte Landnutzungsänderungen vermeiden, also eine Verlagerung von Nahrungs- und Futtermittelproduktion zu einem Anbau an Rohstoffen für die Biokraftstoffproduktion. Die Herabsetzung der Obergrenze von derzeit 7 auf 5 Prozent ist jedoch hierfür nicht nötig und hinsichtlich der Erreichung unserer Klimaschutzziele völlig kontra- produktiv . Der kürzlich von der Bundesregierung vor- gelegte Bericht über die Umsetzung und Effekte der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung für den Be- richtzeitraum 2013/2014 zeigt nämlich, dass mit der der- zeit gültigen Obergrenze von 7 Prozent konventioneller Biokraftstoffe eine Verschiebung des Rohstoffanteils zu mehr Rohstoffen aus europäischer Herkunft und zu mehr Abfallstoffen möglich ist. Das Hauptargument für eine Absenkung der Obergrenze auf 5 Prozent ist somit hin- fällig . Nur mit konventionellen Biokraftstoffen kann das EU- Ziel zur Steigerung des erneuerbaren Energieanteils im Verkehrsbereich auf 10 Prozent in 2020 erreicht werden . Das im Klimaschutzplan vorgesehene Ziel, die Treib- hausgasemissionen im Verkehrsbereich bis 2030 um 40 bis 42 Prozent zu senken, ist nur mit einem signifikan- ten Beitrag der konventionellen Biokraftstoffe machbar. Deshalb möchte ich hier an die zuständigen Kollegen appellieren, dies bei den weiteren Beratungen für die nächste Verordnung zu berücksichtigen, und bitte jetzt um Zustimmung für den vorliegenden Verordnungsent- wurf . Ulli Nissen (SPD): Letzter Punkt auf der heutigen Ta- gesordnung ist die Siebenunddreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes . Zunächst geht mein Dank an das BMUB für die gute Zusammenarbeit und vor allem für die gute und kons- tante Information . Mein Dank geht aber auch an meinen Mitberichterstatter von der Union, Herrn Möring, für die wie immer gute Zusammenarbeit . Wir haben nicht nur mit dem BMUB eine Reihe von Runden über diese Verordnung gedreht, sondern auch mit Interessenvertretern unterschiedlichster Art und auch mit Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23417 (A) (C) (B) (D) unseren Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachge- bieten . Sehr interessant ist, welche Begehrlichkeiten diese Verordnung dann geweckt hat . Teilweise hatte ich den Eindruck, die THG-Quote ist die Lösung aller Probleme . Vieles ging dann irgendwann auch mal durcheinander . Aber: Die THG-Quote und allen voran die heute dis- kutierte Verordnung sind leider nicht die Lösung aller Probleme . In der 37 . BImSchV geht es um nicht mehr und nicht weniger als das, was da auch steht: die Anrech- nung strombasierter Kraftstoffe auf die Treibhausgasquo- te und die Anrechnung von mitverarbeitenden biogenen Ölen auf die Treibhausgasquote . Wir haben 2015 die Biokraftstoffquote von einer ener- gischen Quote auf eine Treibhausgasminderungsquo- te (THG-Quote) umgestellt . Das war mit Blick auf den Klimaschutz ein wichtiger Schritt . Das macht aber auch Verordnungen wie diese nötig, damit EU-rechtliche Vor- gaben umgesetzt werden . Mit dieser Verordnung werden für die Quotenver- pflichteten – für die Mineralölwirtschaft also – zwei wei- tere Möglichkeiten geschaffen, die Quote zu erfüllen: Wasserstoff und Methan nicht biogenen Ursprungs können nun auf die THG-Quote angerechnet werden . Wichtig ist, dass die Anrechnung nur möglich ist, wenn der Wasserstoff oder das Methan als Kraftstoff im Fahr- zeug eingesetzt wird . Geregelt ist in der Verordnung auch, wo der Strom, der zur Herstellung genutzt wird, herkommen muss . Denn: Sichergestellt werden muss, dass die gesamte Kli- mabilanz besser ist im Vergleich zu Benzin und Diesel . Das heißt, es muss grüner Strom verwendet werden . Es sind zum einen strombasierte Kraftstoffe aus Anla- gen anrechenbar, die nicht netzgekoppelt sind . Das heißt, es besteht eine direkte Verbindung mit Wind-/Photovol- taikanlagen . Im zweiten Fall wird Netzstrom ausschließ- lich auf Basis von Stromüberschüssen verwendet . Auch hier legt die Verordnung fest, welche Bedingungen er- füllt werden müssen . Die Verordnung legt auch fest, dass biogene Öle, die im raffinerietechnischen Verfahren gemeinsam mit mine- ralölstämmigen Ölen hydriert worden sind, angerechnet werden können . Dieses sogenannte Co-Processing ist in der 37 . BImSchV bis 2020 begrenzt . Eine dauerhafte An- rechnung dieser Kraftstoffe ist EU-rechtlich auch nicht erforderlich . Wir könnten es über 2020 hinaus fortführen, müssen es aber nicht . Denn wir haben gute Gründe, warum wir es zeitlich begrenzt haben . Hier geht mein Blick auch ganz bewusst zu den Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, die im Ausschuss vermuteten, wir wüssten nicht, was wir mit dem Co-Processing täten . Ihr könnt sicher sein: Das tun wir . Aus guten Gründen begrenzen wir das Co-Processing bis 2020 . Denn die Gefahr ist groß, dass sonst ein Anreiz gesetzt wird, der nicht ge- wollt ist, nämlich verstärkt Palmöl zu importieren und einzusetzen . Und das ist etwas, was wir auf keinen Fall wollen – wir wollen nicht mehr Palmöl vertanken . Wir wollen nicht die Nachfrage nach Palmöl noch zusätzlich durch den Biokraftstoffsektor anheizen und verstärken. Das wollen wir genauso wenig wie ihr, und deshalb ist die Anrechenbarkeit begrenzt bis 2020 . Damit setzen wir keinen Anreiz, sondern im Gegenteil – wir setzen eher einen „Anti-Anreiz“ . Was in dieser Verordnung nicht geregelt wird und auch nicht geregelt werden kann, ist jedoch: die Klimawen- de im Verkehr und den Beitrag des Verkehrssektors zur Erreichung der Klimaziele entscheidend voranzubrin- gen . Das ist nicht die Stellschraube hierfür . Aber wir alle wissen, dass hier noch viel geschehen muss . Wir haben heute in der Aktuellen Stunden erneut über die Abgaspro- blematik gesprochen, und auch da wird nur wieder deut- lich, wie hoch die tatsächliche Schadstoffbelastung durch Diesel-Pkw ist . Für den Klimaschutz, aber auch für den Umweltschutz und vor allem den Schutz der Gesundheit müssen wir endlich einmal eine emissionsarme, ja emis- sionsfreie Verkehrswende entscheidend vorantreiben . Die THG-Quote kann einen Beitrag dazu leisten . Bei der 37 . Bundes-Immissionsschutzverordnung geht es heute lediglich um zwei weitere Optionen, um die THG-Quote zu erfüllen . Und die THG-Quote ist auch nicht nach oben unbegrenzt, sondern eine Quote . Das heißt, wir sparen durch die 37 . BImSchV nicht mehr Emissionen ein, sondern andere Kraftstoffe erbringen die Einsparungen . Die Verordnung befasst sich auch nicht mit dem The- ma Einsparungen im Raffineriebetrieb. Auch hier gab es Begehrlichkeiten . Die Verordnung befasst sich auch nicht mit dem Thema Upstream-Emissionen, also mit den Treibhausgasemissionen, die entstanden sind, bevor der Rohstoff in eine Raffinerie kommt. Dieses Thema der UER wird BMUB und uns noch beschäftigen . Aber dies passiert nicht heute und nicht mit dieser Verordnung . Klar ist aber in diesem Zusammenhang eins: Emis- sionsminderungen in der Raffinerie selber können nicht angerechnet werden . Das gibt die EU-Richtlinie nicht her . Wir sollten diese Verordnung also als das sehen, was sie ist: Methan und Wasserstoff, die als Kraftstoff ver- wendet werden, können angerechnet werden . Das ist gut für den grünen Wasserstoff und nicht schlecht für ihn. Grundsätzlich möchte ich BMUB aber bitten und auf- fordern, gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftsministe- rium, das bei den Energiethemen federführend ist, sich dem Thema grüner Wasserstoff anzunehmen. Und mit „annehmen“ meine ich, sich tatsächliche Förderkulissen zu überlegen, die diese Technologie voranbringen kön- nen . Denn daran sollten wir gemeinsam arbeiten – und das ist das gemeinsame Interesse der Umweltpolitiker, der Wirtschafts- und der Verkehrspolitiker . Wir müssen mehr machen und innovativer werden, um unsere Klimaziele zu erreichen . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Die Verord- nung soll aus Ökostrom hergestellte synthetische Kraft- stoffe anrechenbar machen auf die seit dem Jahr 2015 im Kraftstoffsektor geltende Treibhausgasquote. Das klingt Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 201723418 (A) (C) (B) (D) zunächst logisch, weil solcherart Kraftstoff nicht fossilen Ursprungs ist, sondern letztlich auf Ökostrom basiert . Leider hat die Sache einen Haken . Denn stromba- sierte Kraftstoffe sind nur extrem aufwendig herstellbar. Da macht uns die Physik einfach einen Strich durch die Rechnung . Ich zitiere einmal zwei relevante Studien: Erstens . Das „Klimaschutzszenario 2050“ im Auftrag des BMUB kommt auf Seite 213 zu dem Ergebnis: „Die Herstellung stromgenerierter Kraftstoffe ist mit hohen Wirkungsgradverlusten verbunden … Vergleicht man die Verbrennung stromgenerierter Kraftstoffe in einem Ver- brennungsmotor mit dem direkten Einsatz von Strom im Elektromotor, so ist der Strombedarf für die erste Vari- ante rund 6 Mal so hoch . Der direkte Einsatz von Strom im Verkehr über den Elektromotor ist daher wo immer möglich zu priorisieren .“ Zweitens . Die Umweltbundesamt-Studie „Klima- schutzbeitrag des Verkehrs bis 2050“, schreibt auf Sei- te 104: „Aufgrund der direkten Stromverwendung ist bei der Verwendung von EE-Strom der Wirkungsgrad von der Primär- zur Nutzenergie im Vergleich mit dem Einsatz von strombasierten EE-Kraftstoffen in Verbren- nungsmotorkonzepten um etwa den Faktor vier höher .“ Da Ökostrom aber ein ausgesprochen knappes und wertvolles Gut ist, sehen wir diese Anrechenbarkeit kri- tisch . Denn eine Strategie, die nicht auf eine Verkehrs- wende und auf einen Ausstieg aus dem Verbrennungsmo- tor setzt, sondern Unmengen von Ökostrom verlustreich in flüssige Kraftstoffe verwandeln will, ist unserer An- sicht nach nicht effizient und kaum zukunftsfähig. Dabei muss Effizienz erster Maßstab sein. Ansonsten wächst der zusätzliche Bedarf an Ökostrom genauso ins Uner- messliche wie die Kosten . Und dies schadet der Ener- giewende . Aber auch aus Akzeptanzgründen darf man Ökostrom nicht verschwenden, denn diese Methode in größerem Stil würde letztlich höhere Akzeptanzprobleme erzeu- gen – wir haben schon jetzt regional Antiwindkraftpro- teste wachsenden Ausmaßes . Es ist in Ordnung, wenn in zeitweisen Netzengpass- gebieten mit der Sektorkopplung experimentiert wird . Wir sollten aber nicht so tun, als gäbe es heute schon Ökostrom im Überfluss. Zwei Drittel des Strombedarfs werden nach wie vor mit fossil-atomarem Strom gedeckt . Ferner sollen mit der Verordnung künftig biogene Öle – etwa Rapsöle – auf die seit dem Jahr 2015 geltende Treibhausgasquote auch dann anrechenbar sein, wenn sie gemeinsam (und nicht getrennt) mit klassischen Mine- ralölen hydriert worden sind, um daraus Diesel zu ma- chen . Diese Regel sehen wir ebenfalls kritisch . Denn sie wird die zentralistische Großproduktion von Biodiesel erleichtern . Aber auch das ist eine Sackgasse, denn die Flächen sind begrenzt und die Treibhausgasbilanz von Biodiesel ist fraglich, wenn man auch indirekte Effekte einbezieht . Zudem könnten auch mehr und mehr Palmöle untergemixt werden, was ja ohnehin schon in wachsen- dem Maße geschieht . Das ist ja vermutlich bekannt, zu welchem Kahlschlag die Palmölproduktion in Ländern wie Indonesien und Malaysia führt . Unser riesiger Hun- ger nach Palmöl darf nicht noch steigen . Wir lehnen daher diese Verordnung ab . Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Un- ter dem harmlos klingenden Titel „37 . Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes“ befasst sich der Deutsche Bundestag auf Initiative von CDU/CSU und SPD heute mit der Ausweitung der Palm- ölbeimischung in Dieselkraftstoff. Die Koalitionsfraktio- nen haben diese Verordnung ganz am Ende der Tagesord- nung zu nachtschlafender Zeit versteckt und versuchen der Öffentlichkeit diese Verordnung als einen Beitrag zum Klimaschutz zu verkaufen . Das Gegenteil ist jedoch der Fall! Die Folgen der Klimakrise spüren wir schon heute deutlich: Die Arktis hat so wenig Eis wie nie zuvor . In Peru sterben Menschen, weil der zu warme Ozean Un- wetter auslöst, und das wundervolle Great Barrier Reef ist durch das Korallensterben wahrscheinlich für unse- re Nachkommen unwiederbringlich verloren . In Paris hat die Weltgemeinschaft und damit auch Deutschland im letzten Jahr das Internationale Klimaabkommen be- schlossen, das die globale Erderhitzung auf 1,5 Grad be- grenzen soll. Nur wenige Monate später ist offensichtlich, dass die Bundesregierung ihr Klimaziel für 2020 nicht halten wird und auch nichts Relevantes unternimmt, um es zu erfüllen . Stattdessen versucht die Bundesregierung nun an allen Ecken, die deutsche Klimabilanz zu schö- nen, und dafür ist sie sogar bereit, die Beimischung von Palmöl in den Dieselkraftstoff massiv auszuweiten. Mit dieser Verordnung erkauft sich die Große Koalition Kli- maschutz in Deutschland mit der Regenwaldzerstörung in Indonesien . Unternehmen, die Kraftstoffe in Verkehr bringen, sol- len durch das Beimischen von Agrokraftstoffen Emissi- onen sparen; das besagt die Treibhausgasquote . Schon das allein war fraglich, denn es hat dazu geführt, dass in Deutschland dem Dieselkraftstoff Palmöl beigemischt wird und die Autofahrer – in der Regel ohne es zu wis- sen – den Regenwald durch ihren Auspuff jagen. Der Globiom-Bericht der EU-Kommission macht deutlich, dass Agrokraftstoff eine schlechte Klimabilanz hat; im Durchschnitt sind die CO2-Emissionen um 80 Prozent höher als die aus fossilen Kraftstoffen. Grund dafür sind unter anderem die Treibhausgasemissionen aus der indi- rekten Landnutzung, beispielsweise der Rodung von Re- genwald und dem Abbrennen tropischer Torflandschaf- ten für Palmölplantagen . Schon jetzt landen 45 Prozent des importierten Palm- öls im Tank . Bereits jetzt trägt Deutschland mit einem Verbrauch von 1,8 Millionen Tonnen Palmöl jährlich massiv zur Waldzerstörung und Naturvernichtung bei, ohne damit irgendeinen Beitrag zum Klimaschutz zu leis- ten, wie immer wieder versucht wird zu suggerieren . Im Gegenteil: Die Klimabilanz von Palmöl ist ganz klar ne- gativ . Die Palmölproduktion steigt aber seit Jahrzehnten immer weiter an . Mehr als 17 Millionen Hektar werden derzeit für den Anbau genutzt . Die vorgeschriebene Zer- tifizierung der Nachhaltigkeit des Palmöls für Agrosprit Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 231 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 27 . April 2017 23419 (A) (C) (B) (D) greift nicht, denn indirekte Landnutzungsänderungen werden gar nicht berücksichtigt . Wie viel Hektar Land in anderen Regionen der Erde sollen denn noch für die falsche Politik der Bundesregierung verbraucht werden? Diese Fehlentwicklung soll nach dem Willen der Bun- desregierung nun weiter angeheizt werden . Die hier vor- gelegte Verordnung macht es Mineralölunternehmen nun möglich, auch mitverarbeitete biogene Öle auf die Treib- hausgasquote bis 2020 anzurechnen . Diese entstehen während der gemeinsamen Verarbeitung von biogenen mit fossilen Ölen in Mineralölraffinerien. Hier wird aber hautsächlich Palmöl zum Zuge kommen, denn technisch ist es am einfachsten zu verwenden und am günstigsten . Die Bundesregierung ermöglicht Mineralölunternehmen, den Verbrauchern in noch größerem Maßstab Palmöl in den Tank zu schmuggeln, um ihre Treibhausgasquote zu erfüllen . Der Einsatz von Palmöl wird also weiter stei- gen – mit allen negativen Konsequenzen für Regenwald, Landrechte, Menschenrechte, Artenvielfalt und Klima . Und die Verbraucher werden über das Palmöl in ihren Tanks noch nicht einmal informiert! Bei der Beratung im Umweltausschuss hat das Bun- desumweltministerium diese ganze Palmölsauerei sogar eingeräumt und versucht sich damit herauszureden, dass das Ganze nur bis 2020 gelten solle . Das ist an Naivität fast nicht mehr zu übertreffen, denn was ab 2021 passiert, darauf gibt uns das im letzten Herbst vorgestellte „Win- terpaket“ der EU einen Vorgeschmack: Von der Abkehr von Agrosprit und insbesondere Palmöl ist dort nichts zu finden. Palmöl und andere Agrokraftstoffe müssen raus aus dem Tank – das ist längst überfällig . Darüber hinaus brauchen wir eine Reduktionsstrategie für den Verbrauch von Palmöl in allen Sektoren und ein Importverbot von Palmöl, das nicht sozialen und ökologischen Mindestan- forderungen entspricht . Die europäische Richtlinie für erneuerbare Energien lässt zahlreiche andere Möglichkeiten zur Minderung von Treibhausgasen im Verkehrssektor zu . Ich fordere die Bundesregierung auf, diese endlich zu nutzen, anstatt noch mehr Umweltzerstörung durch den forcierten Pal- möleinsatz zu verursachen . Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 231. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 3 Regierungserklärung zum Europäischen Rat TOP 4 Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken TOP 5, 38 Rentenpolitik TOP 42, ZP 1 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 43 Abschließende Beratungen ohne Aussprache ZP 2 Aktuelle Stunde zu verschärften Abgastests in Europa TOP 6 Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes TOP 7 Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten ZP 3 Abschiebungen nach Afghanistan TOP 19 Ausbau der Kindertagesbetreuung TOP 10 Deutsche Ostpolitik TOP 11 Datenschutz-Anpassungs- und -Umsetzungsgesetz EU TOP 12 Energieaußenpolitik TOP 13 Aufenthaltsüberwachung extremistischer Straftäter ZP 4 Ausstellungsvergütung für Kunstschaffende TOP 15 Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes TOP 16, ZP 5 Förderung von Familien und Kindern TOP 17 Änderung des Telekommunikationsgesetzes TOP 18 Lobbyismus in Schulen TOP 20 Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen TOP 21 Fluggastdatengesetz TOP 22 Änderung des Europol-Gesetzes TOP 23 Sicherheit von Informationssystemen in der EU TOP 24 Recht zum Schutz vor ionisierender Strahlung TOP 25 Antarktis-Haftungsannex TOP 26 Gesetz zur EU-Verordnung über Insolvenzverfahren TOP 27 Gesetz zu Regelungen der Gesichtsverhüllung TOP 30 Änderung des Bundesfernstraßengesetzes TOP 31 Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes TOP 32 Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen TOP 33 Abkommen mit Ägypten und Tunesien TOP 35 Einführung eines Wettbewerbsregisters TOP 36 37. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15 Anlage 16
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Stephan Mayer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)


    Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kol-

    leginnen! Sehr geehrte Kollegen! Die erste Lesung des
    BKA-Gesetzes fand am 17 . Februar dieses Jahres noch
    unter dem starken und sehr authentischen Eindruck des
    schrecklichen, unfassbaren Anschlags vom Breitscheid-
    platz kurz vor Weihnachten 2016 statt . Aber die Welt ist
    seitdem nicht stillgestanden . Es gab weitere terroristisch
    bzw . islamistisch motivierte Anschläge – in London, in
    Stockholm, in Paris – mit vielen weiteren Toten .

    Die terroristische Bedrohung ist unvermindert hoch .
    Ich glaube, man kann mit Fug und Recht behaupten: Sie
    war nie größer . Auch die vom Bundesinnenminister am
    vergangenen Montag vorgestellte Polizeiliche Kriminal-
    statistik für das Jahr 2016 zeigt auf sehr eindrucksvolle
    Weise, dass insbesondere die Anzahl der Delikte im Be-
    reich der politisch motivierten Ausländerkriminalität von
    2015 auf 2016 deutlich gestiegen ist, und zwar um sage
    und schreibe 66,5 Prozent .


    (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die rechten Straftaten auch! Gut, dass Sie das ansprechen, Herr Mayer!)


    Damit haben wir die höchste absolute Zahl von politisch
    motivierten Ausländerkriminalitätsdelikten seit 2001,
    seit Beginn dieses Meldedienstes, erreicht .


    (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt täuscht schon ein Rechtsextremist angebliche islamistische Anschläge vor! – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch mal etwas zu rechts!)


    Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, un-
    sere Sicherheitsbehörden stehen vor großen, enormen
    Herausforderungen . In der Sicherheitsarchitektur unse-
    res Landes kommt dem Bundeskriminalamt aufgrund
    seiner Zentralstellenfunktion eine besondere Bedeutung
    zu, natürlich auch wegen seiner originären Kompetenz

    Irene Mihalic






    (A) (C)



    (B) (D)


    bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und
    der Bekämpfung der organisierten Kriminalität .


    (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erzählen Sie das mal Herrn Herrmann!)


    Die Novellierung des BKA-Gesetzes, die wir heute
    abschließen, ist nicht die erste Novellierung des Bun-
    deskriminalamtgesetzes, das es seit 1951 gibt, aber mit
    Sicherheit seine umfassendste . Mit der Beschlussfassung
    über dieses Gesetz schaffen wir es, die Vorgaben des Ur-
    teils des Bundesverfassungsgerichts vom 20 . April letz-
    ten Jahres umzusetzen .

    Frau Kollegin Renner, es stimmt nicht, dass der Da-
    tenschutz durch dieses neue Gesetz unterminiert oder
    reduziert wird . Der Datenschutz wird sogar ausgeweitet .


    (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo?)


    Es gibt mehr datenschutzrechtliche Kontrolle . Es gibt
    eine Stärkung der Transparenz . Es gibt eine Ausweitung
    der Löschungspflichten. Es gibt mit diesem Gesetz auch
    eine Stärkung des individuellen Rechtsschutzes .


    (Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)


    Frau Kollegin Mihalic und Frau Kollegin Renner, Sie
    müssen sich schon einmal entscheiden . Sie werfen uns
    einerseits vor, dass wir Copy-and-paste machen und die
    Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zu detailgenau
    im Gesetz niederschreiben .


    (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Ihre Experten Ihnen vorgeworfen! – Gegenruf des Abg . Clemens Binninger [CDU/CSU]: Das war kein Vorwurf! Das war nur eine Feststellung!)


    Andererseits werfen Sie uns vor, wir würden verfas-
    sungswidrig handeln .


    (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gehen Sie noch mal zu Ihren Experten aus der Anhörung! Ihre Experten waren das! – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das waren doch Ihre Sachverständigen!)


    Es kann nur eine Argumentation stimmen . Entweder hal-
    ten wir uns zu eng an das Urteil des Bundesverfassungs-
    gerichts, oder wir negieren das Urteil des Bundesver-
    fassungsgerichts und arbeiten mit weit überschießender
    Tendenz verfassungswidrig .


    (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es waren Ihre Sachverständigen, Herr Mayer!)


    Beides kann nicht zusammenpassen, meine sehr verehr-
    ten Kolleginnen und Kollegen .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Burkhard Lischka [SPD])


    Ich bin der festen Überzeugung, dass wir hier, ins-
    besondere vor dem Hintergrund des Grundsatzes der
    hypothetischen Datenneuerhebung, den das Bundesver-

    fassungsgericht aufgestellt hat, gesetzgeberisch sehr or-
    dentlich und sehr genau gearbeitet haben .


    (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das attestiert man sich gerne!)


    Wir setzen darüber hinaus die Datenschutzrichtlinie der
    Europäischen Union für den öffentlichen Sicherheitsbe-
    reich um . Auch das ist ein sehr wichtiger Aspekt . Der
    Austausch von Informationen zwischen den Sicherheits-
    behörden in Europa ist von elementarer Bedeutung, auch
    für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in unse-
    rem Land . Indem wir als erstes EU-Land die EU-Daten-
    schutzrichtlinie in nationales Recht umsetzen, erleichtern
    wir die Datenweitergabe an andere Sicherheitsbehörden
    in Europa . Damit stärken wir die Sicherheitslage in unse-
    rem Land, aber auch in anderen Ländern .


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ein
    sehr wesentlicher Punkt ist – das ist, glaube ich, ein wirk-
    lich epochaler Schritt –, dass wir die IT-Infrastruktur der
    gesamten Sicherheitsbehörden in Deutschland auf neue
    Beine stellen . Die IT-Sicherheitsarchitektur hat über eine
    zu lange Zeit hinweg immer noch den Geist der 70er-Jah-
    re in sich getragen .


    (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, stimmt!)


    Es ist richtig, dass wir hier eine Modernisierung bzw . Er-
    tüchtigung vornehmen .

    Ich bin auch sehr dankbar, dass es insbesondere auf
    Initiative der Innen- und Sicherheitspolitiker der Unions-
    bundestagsfraktion gelungen ist, im parlamentarischen
    Verfahren einen Änderungsantrag zustande zu bringen,
    der gewährleistet, dass vorhandene Altdaten von den
    Ländern weiter genutzt werden können . Ich sage hier
    sehr ernsthaft und sehr eindringlich: Es wäre wirklich
    unwürdig und aus meiner Sicht der Sicherheit unseres
    Landes nicht zuträglich gewesen, wenn wir auf Basis des
    Ausgangsentwurfs die Regelung getroffen hätten, dass
    die Altdaten zwar weiterhin von den Ländern vorgehal-
    ten werden dürfen, wir den Länderpolizeibehörden aber
    untersagt hätten, diese Daten weiter zu nutzen . Das wäre
    unverantwortlich gewesen .


    (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre ein Stück aus dem Tollhaus gewesen!)


    Deswegen ist es richtig, dass wir es mit unserem Ände-
    rungsantrag, der heute ebenfalls zur Abstimmung gestellt
    wird,


    (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gratulieren wir Ihnen!)


    ermöglichen, dass die Länderpolizeibehörden nicht
    künstlich blind gehalten und künstlich zur Untätigkeit
    verdammt werden, sondern dass diese Altdaten weiter
    genutzt und verwertet werden dürfen .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Burkhard Lischka [SPD])


    Stephan Mayer (Altötting)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, die
    elektronische Fußfessel ist nun mit Sicherheit kein All-
    heilmittel .


    (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Dafür gibt es jetzt 5 Euro ins Phrasenschwein! Aber was ist sie dann? – Gegenruf des Abg . Clemens Binninger [CDU/ CSU]: Eine Fußfessel!)


    Frau Kollegin Mihalic, niemand hat behauptet, dass Anis
    Amri prädestiniert gewesen wäre für das Tragen einer
    elektronischen Fußfessel . Aber ich bin der festen Über-
    zeugung, Herr Kollege von Notz, dass der Einsatz der
    elektronischen Fußfessel in dem einen oder anderen Fall


    (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In wie vielen Fällen?)


    unterstützend durchaus ein wertvolles Instrument sein
    kann, um Gefährder, die auch wissen, dass sie als Ge-
    fährder eingestuft werden, zu kontrollieren .


    (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das gibt es sonst nirgendwo auf der Welt!)


    Es ist bekannt, dass die Rund-um-die-Uhr-Überwa-
    chung eines Gefährders 24 bis 30 Mitarbeiter des Verfas-
    sungsschutzes bindet .


    (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unstreitig!)


    Gerade vor dem Hintergrund der starken personellen In-
    anspruchnahme der Verfassungsschutzämter ist es mei-
    nes Erachtens richtig, dass wir mit der Möglichkeit des
    Einsatzes der elektronischen Fußfessel hier ein weiteres
    Instrument zur Unterstützung schaffen.


    (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, das machen die Länder!)


    Ich sage auch ganz offen: Derzeit gibt es auf Bundes-
    ebene keinen einzigen Gefährder, der für das Tragen der
    elektronischen Fußfessel prädestiniert wäre .


    (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach so!)


    Deshalb sind mein klarer Wunsch und mein klarer Appell
    im Rahmen dieser Gesetzgebung, dass sich die Länder
    bitte ein Beispiel an der Novellierung des BKA-Gesetzes
    nehmen und in ihren Polizeiaufgabengesetzen die Mög-
    lichkeit schaffen, die Gefährder, die bei den Ländern ge-
    halten werden,


    (Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch die haben keine Gefährder, die dafür in Frage kommen! Das macht alles keinen Sinn!)


    auch mit der elektronischen Fußfessel entsprechend
    überwachen zu können .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Burkhard Lischka [SPD])


    Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich
    bin gespannt – wir werden ja den Praxistest machen kön-

    nen –, welche Länder von dieser Möglichkeit Gebrauch
    machen . Ich bin mir zum Beispiel sicher, dass mein Hei-
    matland Bayern diese Möglichkeit sehr schnell in das
    bayerische Polizeiaufgabengesetz übernehmen wird .


    (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können Sie ja in Hammelburg damit anfangen!)


    Ich bin mir sehr sicher, dass es auch andere Länder geben
    wird . Frau Mihalic, wenn Ihr Heimatbundesland Nord-
    rhein-Westfalen so weiterregiert werden würde, wie es
    jetzt regiert wird, wird es von dieser Möglichkeit nicht
    Gebrauch machen .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Burkhard Lischka [SPD] – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Machen wir deshalb in einem Jahr den Praxistest und
    sehen wir dann, wie viele Länder entsprechend verant-
    wortungsbewusst handeln . Ich bitte um Zustimmung zu
    diesem wichtigen Gesetzentwurf .

    Danke für Ihre Aufmerksamkeit .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das Niveau abgefallen! Unfassbar!)




Rede von Michaela Tadjadod
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Mayer . – Als Nächs-

te hat das Wort die Kollegin Susanne Mittag von der
SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD – Dr . Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hoffentlich kommst du aus dem richtigen Bundesland!)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Susanne Mittag


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr de

    Maizière! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehr-
    te Damen und Herren! Mit der heute zu beschließenden
    Neustrukturierung des Bundeskriminalamtgesetzes ha-
    ben wir es mit einem, wie man bei uns im Norden – da
    sind die richtigen Bundesländer – sagt, echten Dickschiff
    zu tun, und zwar nicht nur, was den Tiefgang der Be-
    ratungen angeht – wir haben uns damit ordentlich be-
    schäftigt –, sondern auch, welche Bugwelle das Ganze
    gesetzgeberisch und besonders organisatorisch für das
    BKA vor sich herschiebt . Denn wir haben es nicht nur
    mit einer vollkommenen Umstrukturierung – das ist
    schon erwähnt worden – des Datenbestandes des BKA
    zu tun, die auch die Länder betrifft, nein, in diesem Ge-
    leitzug werden wir heute auch das Datenschutz-Anpas-
    sungs- und -Umsetzungsgesetz und das Europol-Gesetz
    beschließen . Alle drei Gesetze haben Bezüge zueinander .
    Das Europol-Gesetz wird heute Abend ebenfalls im Ple-
    num behandelt und wurde hinsichtlich der Umsetzungs-
    fristen dem BKA-Gesetz angepasst .

    Bei der Diskussion und Prüfung wurde deutlich, dass
    die Gesetze nur bedingt aufeinander bzw . auf die Bun-
    desländer abgestimmt waren . Wir haben nochmals Ex-
    perten aus den Polizeien der Länder zu Rate gezogen .

    Stephan Mayer (Altötting)







    (A) (C)



    (B) (D)


    Dabei stellte sich heraus, dass das BKA-Gesetz in seinem
    ersten Entwurf in der Praxis gar nicht hätte umgesetzt
    werden können .


    (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach so!)


    Die Daten der Länderpolizeien hätten nicht automatisiert
    in das neue System übernommen werden können, son-
    dern hätten erst überprüft und katalogisiert werden müs-
    sen . Das wäre nur mit einem immensen Personalaufwand
    möglich gewesen und war damit indiskutabel . Ich möch-
    te mich deswegen ganz ausdrücklich bei den Länderpoli-
    zeien aus Niedersachsen, Baden-Württemberg und Bay-
    ern bedanken, die uns innerhalb kürzester Zeit mit ihrer
    Expertise geholfen und zu einer praktikablen Lösung
    beigetragen haben, wie auch beim Kollegen Binninger .
    Sie haben das Gesetz zusammen mit der SPD gemacht,
    damit es umsetzbar ist und sich nicht die Länder fragen,
    was wir hier im Bund beschlossen haben .

    Ausgangspunkt für die komplette Umstrukturierung
    der Datensysteme war das Urteil des Bundesverfassungs-
    gerichtes – das ist hier schon erwähnt worden –, das das
    BKA-Gesetz in der bisherigen Form in Teilen als nicht
    rechtmäßig ansah .


    (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil Sie Mist gemacht haben!)


    Das hat dazu geführt, dass das BMI uns sicherheitshal-
    ber – wie passend – einen Entwurf vorgelegt hat, der
    sich zum Teil wortwörtlich an den Vorgaben des höchs-
    ten deutschen Gerichtes orientiert . In Anhörungen haben
    einige Sachverständige bemängelt, so genau hätte man
    das gar nicht machen müssen, das wäre gar nicht nötig
    gewesen . Das mag sein, verhindert, wie ich denke, aber
    sicherlich eine neue Verfassungsrechtsproblematik .


    (Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, na!)


    Denn wir müssen dem BKA die nötige Zeit und Sicher-
    heit geben, um die so wichtige Aufgabe der Umstruktu-
    rierung neben den bereits erheblich gewachsenen Aufga-
    ben erfüllen zu können . Dabei fangen sie jedoch nicht
    bei Null an .

    Ich habe gerade schon die Zusammenarbeit mit den
    Länderpolizeien bei den Beratungen gelobt . Diese Zu-
    sammenarbeit wird sich in den nächsten Jahren noch ver-
    tiefen, und zwar als gleichberechtigte Partner .

    Ich möchte hier klarstellen, dass das Bundeskrimi-
    nalamt eine Zentralstellenfunktion für das polizeiliche
    Nachrichten- und Auskunftswesen hat und Dienstleister
    ist . Das heißt nicht, dass sich daraus eine übergeordnete
    Vorgesetztenfunktion ergibt . Ziel ist eine informations-
    technische Verknüpfung in einem föderalen System . Wir
    alle haben es mitgekriegt: Das hat in den letzten Jahren
    nicht immer gut geklappt .

    Bei endlichen finanziellen und personellen Ressour-
    cen, wachsenden Aufgaben und neuen Phänomenen kön-
    nen wir uns 19 Parallelstrukturen in diesem Land nicht
    leisten . Man denke nur an das Ausmaß der Netzkrimi-
    nalität, die zu bearbeiten ist . Bei den Verfahren geht es
    derzeit locker um Daten im Terabyte-Bereich .

    Als Beispiel möchte ich hier auch einmal das Hinweis-
    portal des BKA nennen, die sogenannte Boston Cloud .
    Diese vom BKA betriebene Infrastruktur wird anlass-
    bezogen und für einen begrenzten Zeitraum, in dem die
    Bürgerinnen und Bürger Fotos und Videos hochladen
    können, freigeschaltet . Diese Daten stehen dann den Po-
    lizeibehörden in den Ländern für ihre Ermittlungen zur
    Verfügung. Das ist zuletzt nach den Angriffen bei dem
    Bundesligaspiel des BVB gegen Leipzig am 4 . Februar
    2017 der Fall gewesen .

    Das sind wichtige Strukturen, die die Polizei für ihre
    länderübergreifende Arbeit benötigt. Durch die flächen-
    deckende Verbreitung und den andauernden Gebrauch
    von Smartphones kommen hier riesige Datenmengen
    zusammen, die den Behörden übermittelt werden . Diese
    müssen auch erst einmal verarbeitet und geschützt wer-
    den; denn es gab auch schon Hackerangriffe auf dieses
    Portal .

    Es ist zukunftsorientiert, dass das BKA als Zentral-
    stelle diesen Service anbietet und die Arbeit der Poli-
    zei vernetzt und unterstützt . Das gilt auch in Bezug auf
    die Informations-, Einsatz- und Kriminaltechnik in der
    bisherigen Form – diese ganze Arbeit läuft ja weiter –,
    in Bezug auf die neuen Bereiche wie die elektronische
    Aufenthaltsüberwachung – so heißt das nämlich – und
    in Bezug auf die Organisation des Inneren Sicherheits-
    fonds – unter anderem zur Bekämpfung der organisierten
    Kriminalität –, was nämlich auch beim BKA stattfindet.

    Ich denke, dieser Gesetzentwurf ist ein wichtiger
    Schritt zur Verbesserung unserer Sicherheitsstruktu-
    ren und zur effizienten Kriminalitätsbekämpfung. Über
    die haushalterischen Auswirkungen unterhalten wir uns
    demnächst noch einmal; denn dazu gibt es auch noch ei-
    niges zu beschließen .

    Herzlichen Dank .


    (Beifall bei der SPD)