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    Plenarprotokoll 18/228 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 228. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Inhalt: Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22839 B Absetzung des Tagesordnungspunktes 41 c . . . 22840 A Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 22840 A Tagesordnungspunkt 3: a) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Innovation und Forschung als Wettbewerbsvorteil der deutschen mari- timen Wirtschaft Drucksache 18/11725 . . . . . . . . . . . . . . . . 22840 C b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Maritime Agenda 2025: Für die Zukunft des maritimen Wirtschaftsstandorts Deutschland Drucksache 18/10911 . . . . . . . . . . . . . . . . 22840 C c) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fünfter Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung und Zukunftsper- spektiven der maritimen Wirtschaft in Deutschland Drucksache 18/11150 . . . . . . . . . . . . . . . . 22840 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Dieter Janecek, Tabea Rößner, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Digitalisierung als Ausweg aus der Schifffahrtskrise nutzen Drucksache 18/11742 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22841 A Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär BMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22841 A Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 22842 B Rüdiger Kruse (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 22843 D Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22845 C Peter Stein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22847 C Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22848 D Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 22849 D Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 22850 C Dr. Birgit Malecha-Nissen (SPD) . . . . . . . . . . 22852 A Hans-Werner Kammer (CDU/CSU) . . . . . . . . 22853 A Tagesordnungspunkt 4: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Finanzdienst- leistungsaufsichtsrechts im Bereich der Maßnahmen bei Gefahren für die Stabili- tät des Finanzsystems und zur Änderung der Umsetzung der Wohnimmobilienkre- ditrichtlinie (Finanzaufsichtsrechtergän- zungsgesetz) Drucksachen 18/10935, 18/11420, 18/11472 Nr. 1.5, 18/11774 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22854 B Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 22854 B Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 22855 B Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22856 B Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22857 B Matthias Hauer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 22858 C Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017II Dr. Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 22859 C Alexander Radwan (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 22860 B Sarah Ryglewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22861 C Tagesordnungspunkt 5: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Verbot des Betriebs lauter Güterwagen (Schienenlärmschutzgesetz – SchlärmschG) Drucksachen 18/11287, 18/11769 . . . . . . . . . . 22862 C Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22862 D Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) . . . . . . . . 22863 C Dr. André Hahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 22864 B Annette Sawade (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22865 C Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22866 D Michael Donth (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 22867 D Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22868 D Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU) . . . . . . . 22869 D Tagesordnungspunkt 6: a) Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Matthias Gastel, Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Investitionsstau auflösen – Zukunft des ÖPNV sichern – Jetzt die Weichen für den öffentlichen Verkehr von morgen stellen Drucksache 18/10747 . . . . . . . . . . . . . . . . 22871 B b) Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Britta Haßelmann, Matthias Gastel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Fairen Wettbewerb und kommunale Ge- staltungsmöglichkeiten im Nahverkehr sicherstellen Drucksache 18/10978 . . . . . . . . . . . . . . . . 22871 C Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22871 C Michael Donth (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 22872 C Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 22873 D Sören Bartol (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22874 D Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 22875 D Kerstin Kassner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 22877 B Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 22878 A Thomas Jarzombek (CDU/CSU) . . . . . . . . 22878 C Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22880 B Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 22881 C Birgit Kömpel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22882 C Arnold Vaatz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 22883 C Tagesordnungspunkt 40: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Katja Keul, Luise Amtsberg, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungs- gerichtsgesetzes (Verankerung eines Verfahrens zur Überprüfung von Ent- scheidungen über den Einsatz der Bun- deswehr im Ausland) Drucksache 18/8277 . . . . . . . . . . . . . . . . . 22885 A b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Intelligente Verkehrssysteme Gesetzes Drucksache 18/11494 . . . . . . . . . . . . . . . . 22885 A c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zu dem Übereinkommen vom 25. Oktober 2016 zur Errichtung der Internationalen EU-LAK-Stiftung Drucksache 18/11507 . . . . . . . . . . . . . . . . 22885 B d) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zu dem Übereinkommen vom 14. März 2014 über die Ausstellung mehrsprachiger, codierter Auszüge und Bescheinigungen aus Personenstandsre- gistern Drucksache 18/11510 . . . . . . . . . . . . . . . . 22885 B e) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zu dem Beitrittsprotokoll vom 11. November 2016 zum Handelsüber- einkommen vom 26. Juni 2012 zwischen der Europäischen Union und ihren Mit- gliedstaaten einerseits sowie Kolumbien und Peru andererseits betreffend den Beitritt Ecuadors Drucksache 18/11556 . . . . . . . . . . . . . . . . 22885 C f) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung per- sonenstandsrechtlicher Vorschriften (2. Personenstandsrechts-Änderungsge- setz – 2. PStRÄndG) Drucksache 18/11612 . . . . . . . . . . . . . . . . 22885 C g) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 III zes zur Verbesserung der Sachaufklä- rung in der Verwaltungsvollstreckung Drucksache 18/11613 . . . . . . . . . . . . . . . . 22885 C h) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld Drucksache 18/11615 . . . . . . . . . . . . . . . . 22885 D i) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Neufassung der Regelungen über Funkanlagen und zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes sowie zur Aufhebung des Gesetzes über Funkan- lagen und Telekommunikationsendein- richtungen Drucksache 18/11625 . . . . . . . . . . . . . . . . 22885 D j) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Neustart für eine friedliche und gerechte Europäi- sche Union Drucksache 18/11723 . . . . . . . . . . . . . . . . 22886 A k) Antrag der Abgeordneten Birgit Menz, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Tierversuche beenden Drucksache 18/11724 . . . . . . . . . . . . . . . . 22886 A l) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über den Fortgang der eingeleiteten Reformpro- zesse, mögliche Missstände und sonstige aktuelle Entwicklungen in der Trans- plantationsmedizin Drucksache 18/3566 . . . . . . . . . . . . . . . . . 22886 A m) Beratung der Unterrichtung durch den Deutschen Ethikrat: Stellungnahme des Deutschen Ethikrates: Hirntod und Ent- scheidung zur Organspende Drucksache 18/4256 . . . . . . . . . . . . . . . . . 22886 B n) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Zweiter Bericht der Bundesregierung über den Fortgang der eingeleiteten Re- formprozesse, mögliche Missstände und sonstige aktuelle Entwicklungen in der Transplantationsmedizin Drucksache 18/7269 . . . . . . . . . . . . . . . . . 22886 B o) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Dritter Bericht der Bundesregierung über den Fortgang der eingeleiteten Re- formprozesse, mögliche Missstände und sonstige aktuelle Entwicklungen in der Transplantationsmedizin Drucksache 18/10854 . . . . . . . . . . . . . . . . 22886 C Tagesordnungspunkt 41: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Zweiten Gesetzes zur Än- derung des BDBOS-Gesetzes Drucksache 18/11139, 18/11660 . . . . . 22886 D – Bericht des Haushaltsausschusses ge- mäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/11664 . . . . . . . . . . . . . 22886 D b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) 2016/424 des Europä- ischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über Seilbahnen und zur Aufhebung der Richtlinie 2000/9/EG (Seil- bahndurchführungsgesetz – SeilbDG) Drucksachen 18/11258, 18/11702 . . . . . . . 22887 A d) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Ab- kommen vom 29. August 2016 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Turkmenistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Ver- mögen Drucksachen 18/11557, 18/11766 . . . . . . . 22887 B e) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 8. Dezember 2016 zwischen der Regierung der Bundesre- publik Deutschland und der Europäi- schen Agentur für Flugsicherheit über den Sitz der Europäischen Agentur für Flugsicherheit Drucksachen 18/11558, 18/11768 . . . . . . . 22887 C f) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Sven-Christian Kindler, Tabea Rößner, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Telekomanteile veräußern – In Breitbandausbau inves- tieren Drucksachen 18/9799, 18/11209 . . . . . . . . 22887 D g) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Biodiversität schützen – Taxonomische Forschung ausbauen Drucksachen 18/10971, 18/11700 . . . . . . . 22888 A h) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Verord- nung der Bundesregierung: Sechste Ver- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017IV ordnung zur Änderung der Elektro- und Elektronikgeräte-Stoff-Verordnung Drucksachen 18/11293, 18/11472 Nr. 2.2, 18/11772 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22888 A i) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung über die Bewirtschaftung von gewerblichen Siedlungsabfällen und von bestimmten Bau- und Abbruchabfällen (Gewerbeab- fallverordnung – GewAbfV) Drucksachen 18/11294, 18/11472 Nr. 2.3, 18/11773 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22888 B j)–o) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 422, 423, 424, 425, 426 und 427 zu Petitionen Drucksachen 18/11629, 18/11630, 18/11631, 18/11632, 18/11633, 18/11634 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22888 C Zusatztagesordnungspunkt 2: a)–e) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 428, 429, 430, 431 und 432 zu Petitio- nen Drucksachen 18/11751, 18/11752, 18/11753, 18/11754, 18/11755 . . . . . . . . . 22889 A Tagesordnungspunkt 7: Wahlvorschläge der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Wahl der Mitglieder des Stiftungs- rates der „Kulturstiftung des Bundes“ Drucksache 18/11728 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22889 C Tagesordnungspunkt 8: Vereinbarte Debatte: zur Mitteilung des Ver- einigten Königreichs über seine Absicht, aus der Europäischen Union auszutreten Sigmar Gabriel, Bundesminister AA . . . . . . . . 22889 D Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 22892 C Ralph Brinkhaus (CDU/CSU). . . . . . . . . . . . . 22893 C Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22895 C Detlef Seif (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22897 C Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 22899 A Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . . 22900 B Andrea Lindholz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 22901 A Dr. Jens Zimmermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 22902 B Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 22903 A Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . 22904 B Tagesordnungspunkt 9: Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streit- kräfte an der Militärmission der Europäi- schen Union als Beitrag zur Ausbildung der malischen Streitkräfte (EUTM Mali) Drucksache 18/11628 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22905 C Sigmar Gabriel, Bundesminister AA . . . . . . . . 22905 C Heike Hänsel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 22906 B Jan van Aken (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 22908 B Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 22909 D Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22910 D Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . . 22911 D Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 22913 A Tagesordnungspunkt 10: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Straßenver- kehrsgesetzes Drucksachen 18/11300, 18/11534, 18/11683 Nr. 10, 18/11776 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22914 A Alexander Dobrindt, Bundesminister BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22914 A Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 22915 C Kirsten Lühmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22916 B Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22917 C Steffen Bilger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 22918 C Andreas Rimkus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22919 C Ulrich Lange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 22920 D Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Dr. Rosemarie Hein, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Soziale Durchlässigkeit bei Zugang und Zu- lassung zu Hochschulen durchsetzen Drucksache 18/11418 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22922 A Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 22922 A Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 22923 A Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22925 C Dr. Daniela De Ridder (SPD) . . . . . . . . . . . . . 22927 A Katrin Albsteiger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 22928 B Oliver Kaczmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 22930 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 V Tagesordnungspunkt 12: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Trans- parenz von Entgeltstrukturen Drucksachen 18/11133, 18/11727, 18/11733 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22931 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Möhring, Sigrid Hupach, Matthias W. Birkwald, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit für Frauen und Männer durchsetzen – zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Ulle Schauws, Dr. Franziska Brantner, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Frauen ver- dienen gleichen Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit Drucksachen 18/4321, 18/6550, 18/11727, 18/11733 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22931 C c) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Müller- Gemmeke, Ulle Schauws, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Frauen gerecht entlohnen und si- cher beschäftigen Drucksachen 18/847, 18/11641 . . . . . . . . . 22931 D Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22931 D Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22933 C Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . . 22934 C Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22936 A Dr. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 22937 A Ursula Groden-Kranich (CDU/CSU) . . . . . . . 22938 B Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 22939 C Namentliche Abstimmungen . . . . . . . 22940 D, 22940 D Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22941 C, 22944 C Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt, Uwe Kekeritz, Tom Koenigs, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Südsudan – Hungersnot abwen- den, Völkermord verhindern Drucksache 18/11732 (neu) . . . . . . . . . . . . . . 22947 B Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22947 B Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 22948 C Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22949 C Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 22950 C Gabriela Heinrich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22951 D Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 22952 D Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 22954 A Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU) . . . . 22955 A Tagesordnungspunkt 14: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Aus- bildungs- und Beratungsmission EUTM Somalia Drucksachen 18/11273, 18/11673 . . . . . . . 22956 B – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/11674 . . . . . . . . . . . . . . . . 22956 B Jürgen Coße (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22956 C Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 22957 C Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . 22958 B Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22959 D Dr. Mathias Edwin Höschel (CDU/CSU) . . . . 22960 D Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 22961 D Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22963 C Tagesordnungspunkt 15: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Gesundheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gerechte Krankenkassenbeiträ- ge für Selbstständige in der gesetzlichen Krankenversicherung – zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017VI Gerechte Krankenkassenbeiträge für freiwillig in der gesetzlichen Kranken- versicherung Versicherte Drucksachen 18/9711, 18/9712, 18/11771 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22962 A Reiner Meier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 22962 B Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 22965 B Heike Baehrens (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22966 D Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22967 C Maria Michalk (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 22968 C Dirk Heidenblut (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22969 C Tagesordnungspunkt 16: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Mutter- schutzrechts Drucksachen 18/8963, 18/11782 . . . . . . . . . . . 22970 C Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22970 C Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 22971 B Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU). . . 22972 C Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 22973 C Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22974 C Gülistan Yüksel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22975 C Bettina Hornhues (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 22976 B Tagesordnungspunkt 17: a) Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Tabea Rößner, Dr. Konstantin von Notz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nutzungs- rechte digitaler Güter für Verbrauche- rinnen und Verbraucher verbessern Drucksache 18/11416 . . . . . . . . . . . . . . . . 22977 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucher- schutz zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Renate Künast, Markus Tressel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mehr Transparenz und Klarheit bei Bu- chungs- und Vergleichsportalen schaf- fen Drucksachen 18/10043, 18/11471 . . . . . . . 22977 C Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22977 C Kathrin Rösel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 22978 D Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 22980 B Petra Rode-Bosse (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22981 A Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 22981 D Dirk Heidenblut (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22983 B Tagesordnungspunkt 18: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bevorrechtigung des Carsharing (Carsharinggesetz – CsgG) Drucksachen 18/11285, 18/11770 . . . . . . . 22984 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infra- struktur zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), Markus Tressel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Intelligente Mobilität fördern – Rechtssichere Regelung zur Ausweisung von Carsharing-Stationen schaffen Drucksachen 18/7652, 18/11770 . . . . . . . . 22984 B Alexander Dobrindt, Bundesminister BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22984 C Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 22985 B Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretä- rin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22986 B Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22987 B Steffen Bilger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 22988 A Arno Klare (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22989 B Tagesordnungspunkt 19: a) Antrag der Abgeordneten Frank Tempel, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Entkriminali- sierung von Drogenkonsumierenden Drucksache 18/11610 . . . . . . . . . . . . . . . . 22990 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Tempel, Jan Korte, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeord- neter und der Fraktionen DIE LINKE sowie der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Maria Klein-Schmeink, Elisabeth Scharfenberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Beabsich- tigte und unbeabsichtigte Auswirkungen des Betäubungsmittelrechts überprüfen Drucksachen 18/1613, 18/10445 . . . . . . . . 22990 C Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 22990 D Emmi Zeulner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 22991 C Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 22992 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 VII Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22993 C Burkhard Blienert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22994 D Tino Sorge (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22996 A Frank Tempel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 22997 A Tagesordnungspunkt 20: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortentwicklung der haus- haltsnahen Getrennterfassung von wert- stoffhaltigen Abfällen Drucksachen 18/11274, 18/11781 . . . . . . . . . . 22999 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 3: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abge- ordneten Peter Meiwald, Britta Haßelmann, Christian Kühn (Tübingen), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wertstoffgesetz jetzt vorlegen Drucksachen 18/4648, 18/9693 . . . . . . . . . . . 22999 B Florian Pronold, Parl. Staatssekretär BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22999 C Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 23000 C Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 23001 B Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23002 C Michael Thews (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23003 C Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 23004 C Tagesordnungspunkt 21: Beschlussempfehlung und Bericht des Haus- haltsausschusses zu dem Antrag der Abgeord- neten Heidrun Bluhm, Norbert Müller (Pots- dam), Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine Beteiligung des Bundes am Wiederaufbau der Garni- sonkirche Potsdam Drucksachen 18/10061, 18/11642 . . . . . . . . . . 23006 B Tagesordnungspunkt 22: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Novellie- rung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Zwei- tes Finanzmarktnovellierungsgesetz – 2. FiMaNoG) Drucksachen 18/10936, 18/11290, 18/11472 Nr. 1.4, 18/11775 . . . . . . . . . . . . 23006 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Uwe Kekeritz, Dr. Gerhard Schick, Harald Ebner, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für eine De- legierte Verordnung der Kommission zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungs- standards für die Anwendung von Positionslimits für Warenderivate K(2016)4362 endg.; Ratsdok. 15163/16 hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 8 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesre- gierung und Deutschem Bundes- tag in Angelegenheiten der Euro- päischen Union Nahrungsmittelspekulationen stoppen – Kommissionsvorschlag zurückweisen Drucksachen 18/11173, 18/11775 . . . . . . . 23006 D c) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Susanna Karawanskij, Klaus Ernst, Jutta Krellmann, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Finanzaufsicht nach Anlagepleiten zum Schutz von Verbraucherinteressen stär- ken Drucksachen 18/8609, 18/9734 . . . . . . . . . 23006 D Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung des von den Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Dr. André Hahn, weiteren Abgeordneten und der Frakti- on DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Artikel 10-Ge- setzes und weiterer Gesetze mit Befugnis für die Nachrichtendienste des Bundes zu Be- schränkungen von Artikel 10 des Grundge- setzes (G 10-Aufhebungsgesetz – G 10-Auf- hG) Drucksache 18/5453 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23007 C Tagesordnungspunkt 24: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie: Anpassungsvertrag ERP-För- derrücklage: Einholung eines zustimmen- den Beschlusses des Deutschen Bundestages Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017VIII gemäß § 6 Absatz 3 des ERP-Verwaltungs- gesetzes Drucksachen 18/10825, 18/11779 . . . . . . . . . . 23007 D Tagesordnungspunkt 25: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Annette Groth, Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Willy-Brandt-Korps für eine soli- darische humanitäre Hilfe Drucksachen 18/8390, 18/8649 . . . . . . . . . . . 23008 A Tagesordnungspunkt 26: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Wirtschaft und Energie: – zu dem Vorschlag für eine Ver- ordnung des Europäischen Parla- ments und des Rates über den Elek- trizitätsbinnenmarkt (Neufassung) KOM(2016) 861 endg.; Ratsdok. 15135/16 – zu dem Vorschlag für eine Verord- nung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Gründung einer Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Energie- regulierungsbehörden (Neufassung) KOM(2016) 863 endg.; Ratsdok. 15149/16 hier: Stellungnahme gemäß Protokoll Nr. 2 zum Vertrag von Lissabon (Grund- sätze der Subsidiaritäts- und Verhält- nismäßigkeitsprüfung) Drucksachen 18/11229 A.16 und A.17, 18/11777 (neu) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23008 B Tagesordnungspunkt 27: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Fahrlehrerwesen und zur Änderung anderer straßenverkehrsrecht- licher Vorschriften Drucksachen 18/10937, 18/11289, 18/11472 Nr. 1.3, 18/11706 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23008 C Tagesordnungspunkt 28: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neufassung des Ge- setzes zur Regelung von Sekundierun- gen im Rahmen von Einsätzen der zivi- len Krisenprävention Drucksachen 18/11134, 18/11672 . . . . . . . 23008 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Für eine aktive zivile Friedenspolitik Drucksachen 18/11166, 18/11670 . . . . . . . 23009 A c) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zivile Krisenprävention und Friedens- förderung stärken – Neue Lösungsan- sätze erarbeiten und umsetzen Drucksachen 18/11174, 18/11669 . . . . . . . 23009 A d) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner, Tom Koenigs, Annalena Baerbock, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: „Group of Friends“ für Konfliktprävention im Rahmen der Vereinten Nationen Drucksachen 18/11175, 18/11668 . . . . . . . 23009 B Zusatztagesordnungspunkt 4: – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (Zweites Bü- rokratieentlastungsgesetz) Drucksachen 18/9949, 18/11778 . . . . . . . . 23009 D – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/11790 . . . . . . . . . . . . . . . . 23009 D Tagesordnungspunkt 29: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünfzehnten Gesetzes zur Ände- rung des Atomgesetzes Drucksachen 18/11276, 18/11659 . . . . . . . 23010 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Sicherheit hat Vorrang – Ohne Stand von Wissenschaft und Technik keine Inbetriebnahme von Schacht Konrad Drucksachen 18/6773, 18/11690 . . . . . . . . 23010 A Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretä- rin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23010 B Hubertus Zdebel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 23011 C Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 IX Steffen Kanitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23012 B Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23014 C Hiltrud Lotze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23015 C Tagesordnungspunkt 30: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Verfahren für die elek- tronische Abgabe von Meldungen für Schif- fe im Seeverkehr über das Zentrale Melde- portal des Bundes und zur Änderung des IGV-Durchführungsgesetzes Drucksachen 18/11292, 18/11703 . . . . . . . . . . 23016 C Tagesordnungspunkt 31: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Eisenbah- nunfalluntersuchung Drucksachen 18/11288, 18/11666 . . . . . . . . . . 23016 D Tagesordnungspunkt 32: Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 19. Mai 2016 zwischen der Bundes- republik Deutschland und dem Obersten Hauptquartier der Alliierten Mächte Eu- ropa zur Änderung des Abkommens vom 13. März 1967 zwischen der Bundesrepu- blik Deutschland und dem Obersten Haupt- quartier der Alliierten Mächte Europa über die besonderen Bedingungen für die Ein- richtung und den Betrieb internationaler militärischer Hauptquartiere in der Bun- desrepublik Deutschland Drucksachen 18/11280, 18/11665 . . . . . . . . . . 23017 A Tagesordnungspunkt 33: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungs- vertrieb und zur Änderung des Außenwirt- schaftsgesetzes Drucksache 18/11627 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23017 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23017 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 23019 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ursula Groden-Kranich (CDU/CSU) zu der Abstimmung über den von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zum Verbot des Betriebs lauter Güterwagen (Schienenlärmschutzgesetz – SchlärmschG) (Tagesordnungspunkt 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . 23019 D Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zu der Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen (Tagesordnungspunkt 12 a) . . . . . . . . . . . . . . . 23020 B Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 23020 B Dr . Kristina Schröder (Wiesbaden) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23020 D Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Norbert Müller (Potsdam), Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine Beteili- gung des Bundes am Wiederaufbau der Garni- sonkirche Potsdam (Tagesordnungspunkt 21) . . . . . . . . . . . . . . . . 23021 A Rüdiger Kruse (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23021 B Dr . Philipp Lengsfeld (CDU/CSU) . . . . . . . . . 23021 D Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23022 B Hiltrud Lotze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23023 A Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE) . . . . 23023 C Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23024 A Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschrif- ten auf Grund europäischer Rechtsakte (Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz – 2. FiMaNoG) – der Beschlussempfehlung und des Be- richts des Finanzausschusses zu dem An- trag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Dr. Gerhard Schick, Harald Ebner, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Vorschlag für eine Delegierte Verordnung der Kommission zur Ergänzung der Richt- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017X linie 2014/65/EU des Europäischen Par- laments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die Anwendung von Positionslimits für Warenderivate K(2016)4362 endg.; Ratsdok. 15163/16 hier: Stellungnahme des Deutschen Bun- destages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 8 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deut- schem Bundestag in Angelegenhei- ten der Europäischen Union Nahrungsmittelspekulationen stoppen – Kom- missionsvorschlag zurückweisen – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Susanna Karawanskij, Klaus Ernst, Jutta Krellmann, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Finanzaufsicht nach Anlagepleiten zum Schutz von Verbraucherinteressen stärken (Tagesordnungspunkt 22 a bis c) . . . . . . . . . . 23025 A Matthias Hauer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 23025 C Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23026 C Christian Petry (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23027 A Sarah Ryglewski (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23027 D Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . . 23028 B Dr . Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23029 B Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von den Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Dr. André Hahn, weiteren Abgeordne- ten und der Fraktion DIE LINKE eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Artikel 10-Gesetzes und weiterer Gesetze mit Befugnis für die Nachrichtendienste des Bundes zu Beschränkungen von Artikel 10 des Grundgesetzes (G 10-Aufhebungsgesetz – G 10-AufhG) (Tagesordnungspunkt 23) . . . . . . . . . . . . . . . . 23030 A Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . 23030 B Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23031 C Uli Grötsch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23032 B Halina Wawzyniak (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 23033 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23034 A Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Bera- tung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag des Bundes- ministeriums für Wirtschaft und Energie: Anpassungsvertrag ERP-Förderrücklage Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages gemäß § 6 Ab- satz 3 des ERP-Verwaltungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 24) . . . . . . . . . . . . . . . . 23034 D Astrid Grotelüschen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 23035 A Dr . Andreas Lenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 23035 D Andrea Wicklein (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23037 A Thomas Nord (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 23038 B Dr . Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23039 A Dirk Wiese, Parl . Staatssekretär BMWi . . . . . 23040 C Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und hu- manitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeord- neten Annette Groth, Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion DIE LINKE: Willy-Brandt-Korps für eine solidarische humanitäre Hilfe (Tagesordnungspunkt 25) . . . . . . . . . . . . . . . . 23040 D Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU) . . . . 23041 A Dr . Ute Finckh-Krämer (SPD) . . . . . . . . . . . . 23042 B Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 23043 B Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23044 A Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Energie: – zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Elektrizitätsbinnenmarkt (Neufassung) KOM(2016) 861 endg.; Ratsdok. 15135/16 – zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Gründung einer Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Ener- gieregulierungsbehörden (Neufassung) KOM(2016) 863 endg.; Ratsdok. 15149/16 hier: Stellungnahme gemäß Protokoll Nr. 2 zum Vertrag von Lissabon (Grundsätze der Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprüfung) (Tagesordnungspunkt 26) . . . . . . . . . . . . . . . . 23044 D Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23045 A Barbara Lanzinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23045 D Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23046 D Dr . Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23047 B Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 XI Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 23048 A Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23049 A Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Fahrlehrer- wesen und zur Änderung anderer straßenver- kehrsrechtlicher Vorschriften (Tagesordnungspunkt 27) . . . . . . . . . . . . . . . . 23050 C Karl Holmeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23050 C Gero Storjohann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 23051 B Stefan Zierke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23052 C Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 23053 D Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23054 C Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Neufas- sung des Gesetzes zur Regelung von Se- kundierungen im Rahmen von Einsätzen der zivilen Krisenprävention – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für eine aktive zivile Friedenspo- litik – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Zivile Krisenprävention und Frie- densförderung stärken – Neue Lösungsan- sätze erarbeiten und umsetzen – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner, Tom Koenigs, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: „Group of Friends“ für Konfliktprävention im Rahmen der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 28 a bis d) . . . . . . . . . . 23055 A Thorsten Frei (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 23055 B Dr . h . c . Edelgard Bulmahn (SPD) . . . . . . . . . 23057 A Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 23058 B Dr . Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23058 D Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Entlas- tung insbesondere der mittelständischen Wirt- schaft von Bürokratie (Zweites Bürokratieent- lastungsgesetz) (Zusatztagesordnungspunkt 4) . . . . . . . . . . . . 23059 B Helmut Nowak (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 23059 C Andrea Wicklein (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23060 D Michael Schlecht (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 23062 A Dr . Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23062 C Dirk Wiese, Parl . Staatssekretär BMWi . . . . . 23064 A Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Verfahren für die elektronische Abgabe von Meldungen für Schiffe im Seeverkehr über das Zentrale Meldeportal des Bundes und zur Änderung des IGV-Durchführungsgesetzes (Tagesordnungspunkt 30) . . . . . . . . . . . . . . . . 23064 C Hans-Werner Kammer (CDU/CSU) . . . . . . . . 23064 C Dr . Birgit Malecha-Nissen (SPD) . . . . . . . . . . 23065 B Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 23065 D Dr . Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23066 C Enak Ferlemann, Parl . Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23067 A Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Eisenbahnunfalluntersuchung (Tagesordnungspunkt 31) . . . . . . . . . . . . . . . . 23067 D Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU) . . . . . . 23067 D Martin Burkert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23068 B Sabine Leidig (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 23069 B Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23069 C Enak Ferlemann, Parl . Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23070 C Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017XII Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zu dem Abkommen vom 19. Mai 2016 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Obersten Hauptquartier der Alliierten Mächte Europa zur Änderung des Abkommens vom 13. März 1967 zwischen der Bundesre- publik Deutschland und dem Obersten Haupt- quartier der Alliierten Mächte Europa über die besonderen Bedingungen für die Einrich- tung und den Betrieb internationaler militäri- scher Hauptquartiere in der Bundesrepublik Deutschland (Tagesordnungspunkt 32) . . . . . . . . . . . . . . . . 23071 A Dr . Mathias Edwin Höschel (CDU/CSU) . . . . 23071 B Karin Strenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 23071 D Matthias Ilgen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23072 C Dr . Alexander S . Neu (DIE LINKE) . . . . . . . . 23073 B Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23074 A Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb und zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes (Tagesordnungspunkt 33) . . . . . . . . . . . . . . . . 23074 C Astrid Grotelüschen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 23074 D Barbara Lanzinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 23075 C Marcus Held (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23076 A Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . . 23076 D Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23077 C (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 22839 228. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Beginn: 9.03 Uhr
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    2) Anlage 16 Vizepräsidentin Ulla Schmidt (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23019 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.03.2017 Barthle, Norbert CDU/CSU 30.03.2017 Böhmer, Dr. Maria CDU/CSU 30.03.2017 Buchholz, Christine DIE LINKE 30.03.2017 Bülow, Marco SPD 30.03.2017 Dröge, Katharina * BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.03.2017 Flisek, Christian SPD 30.03.2017 Fuchtel, Hans-Joachim CDU/CSU 30.03.2017 Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 30.03.2017 Gohlke, Nicole DIE LINKE 30.03.2017 Gröhe, Hermann CDU/CSU 30.03.2017 Gunkel, Wolfgang SPD 30.03.2017 Hajek, Rainer CDU/CSU 30.03.2017 Hardt, Jürgen CDU/CSU 30.03.2017 Heller, Uda CDU/CSU 30.03.2017 Huber, Charles M. CDU/CSU 30.03.2017 Hüppe, Hubert CDU/CSU 30.03.2017 Jung, Andreas CDU/CSU 30.03.2017 Koenigs, Tom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.03.2017 Krüger, Dr. Hans-Ulrich SPD 30.03.2017 Merkel, Dr. Angela CDU/CSU 30.03.2017 Möhring, Cornelia DIE LINKE 30.03.2017 Mosblech, Volker CDU/CSU 30.03.2017 Nahles, Andrea SPD 30.03.2017 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.03.2017 Petzold (Havelland), Harald DIE LINKE 30.03.2017 Rüthrich, Susann * SPD 30.03.2017 Schipanski, Tankred CDU/CSU 30.03.2017 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 30.03.2017 Schmidt (Ühlingen), Gabriele CDU/CSU 30.03.2017 Schmidt, Dr. Frithjof BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.03.2017 Stauche, Carola CDU/CSU 30.03.2017 Strebl, Matthäus CDU/CSU 30.03.2017 Trittin, Jürgen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.03.2017 Wagner, Doris BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 30.03.2017 Wöllert, Birgit DIE LINKE 30.03.2017 Woltmann, Barbara CDU/CSU 30.03.2017 Zech, Tobias CDU/CSU 30.03.2017 *aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ursula Groden-Kranich (CDU/ CSU) zu der Abstimmung über den von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurf eines Geset- zes zum Verbot des Betriebs lauter Güterwagen (Schienenlärmschutzgesetz – SchlärmschG) (Ta- gesordnungspunkt 5) Dem Entwurf eines Gesetzes zum Verbot des Betriebs lauter Güterwagen werde ich zustimmen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723020 (A) (C) (B) (D) Wir setzen damit ein – besonders für meinen Wahl- kreis – wichtiges Projekt des Koalitionsvertrages um. Die Anwohner im Mittelrheintal leiden seit vielen Jahren unter Schienenlärm, der insbesondere von Güterwagen verursacht wird. Der Deutsche Bundestag hat bereits in erheblichem Umfang finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, um innovative Methoden des Lärmschutzes, angepasst an die besondere Topographie der Region, zu entwickeln und in der Praxis zu erproben. Mit dem nun- mehr vorliegenden Gesetz fügen wir dem Lärmschutz- konzept für das Mittelrheintal einen weiteren, wichtigen Baustein hinzu. Ab dem Fahrplanwechsel am 13. Dezember 2020 wird ein Schallemissionswert festgelegt, den nur leise Güterwagen einhalten können bzw. laute Güterwagen nur dann, wenn sie mit deutlich reduzierter Geschwin- digkeit fahren. Damit wird es wesentlich leiser auf den deutschen Schienenwegen. Der Betrieb lauter Güterzü- ge auf dem deutschen Schienennetz ist dann nur noch in Ausnahmefällen möglich. Diese Ausnahmefälle sind so konstruiert, dass sie den Betrieb lauter Güterwagen wirt- schaftlich unattraktiv machen und somit einen weiteren Anreiz zur Umrüstung oder Ausmusterung darstellen. Er- gänzend hierzu fördert der Bund schon heute die Umrüs- tung der Güterwagen auf lärmmindernde Bremstechnik. Natürlich dürfen wir in unseren Bemühungen um Lärmreduzierung jetzt nicht nachlassen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen mit den technischen Neu- erungen Schritt halten. Dies bleibt eine Daueraufgabe – gerade zum Wohl der Menschen im Mittelrheintal. Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zu der Abstimmung über den von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen (Tagesordnungspunkt 12 a) Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Der Deutsche Bundes- tag stimmt heute über den Entwurf des Gesetzes zur För- derung der Transparenz von Entgeltstrukturen ab. Ich stimme mit meiner Fraktion für den Gesetzent- wurf der Bundesregierung und gegen die Anträge von Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Linken. Immer noch verdienen Frauen im Durchschnitt 21 Pro- zent weniger als Männer. Auch wenn man he rausrechnet, dass sie häufiger in Teilzeit arbeiten, seltener in Füh- rungspositionen aufsteigen oder eher in sozialen Berufen mit geringeren Verdiensten tätig sind, verbleibt eine Lü- cke von durchschnittlich 7 Prozent. Wir haben uns bereits in der letzten Legislaturperiode unter anderem mit einem detaillierten Gesetzentwurf für die Beseitigung dieser Entgeltlücke eingesetzt und die Verabschiedung eines Gesetzes zur Lohngerechtigkeit 2013 zu Beginn dieser Wahlperiode im Koalitionsvertrag mit der Union vereinbart. Im Dezember 2015 hat das Bundesfamilienministe- rium dazu einen wirksamen Gesetzesentwurf vorgelegt, der von der Union fast ein Jahr lang blockiert wurde. Ich freue mich, dass es uns nun gelungen ist, die Uni- on vor dem Ende der Wahlperiode mit einem verschlank- ten Entwurf zum Einlenken zu bewegen und das Entgelt- gleichheitsgesetz doch noch zu verabschieden. Sicherlich hätten wir uns als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, genauso wie Gewerkschaften und Frauenverbände, mehr gewünscht. Vorgaben, wie zum Beispiel ein Verbandsklagerecht oder Verpflich- tungen zur Entgeltgleichheit für Unternehmen mit unter 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, halte auch ich für sinnvoll. Jedoch sehe ich im aktuellen Gesetzesentwurf einen ersten zentralen Schritt zu mehr Lohngerechtigkeit, der die Diskussion voranbringen wird und der auch eini- ge Chancen bietet. Denn wir sorgen dafür, dass in Deutschland durch das Gesetz mehr über „das Gehalt“ gesprochen wird und die Höhe des Verdienstes nicht mehr länger als Tabu gelten kann. Damit unterstützen wir das Ziel, zu Lohngleichheit bei gleicher und gleichwertiger Arbeit zwischen Män- nern und Frauen zu kommen. Hinzu kommt, dass Unternehmen nun die Möglichkeit haben, vorne mit dabei zu sein und bestehende Diskri- minierungen offensiv zu beheben. Damit kann Lohnge- rechtigkeit in Zukunft zu einem wichtigen Argument für Betriebe im Wettbewerb um gute Arbeitskräfte werden. Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) (CDU/CSU): Ich lehne das „Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen“ ab. Der Beweis, dass die Lohndifferenz zwischen Män- nern und Frauen systematisch auf eine Diskriminierung von Frauen zurückzuführen ist, wurde nicht erbracht. Auch in der in diesem Zusammenhang oft zitierten Studie des Statistischen Bundesamtes (2006) wird darauf hin- gewiesen, dass auch die bereinigte Lohndifferenz nicht mit einer erwiesenen Diskriminierung gleichzusetzen ist. Unbezahlte Überstunden etwa, die in Deutschland nach einer Studie des Leibniz-Instituts für Wirtschafts- forschung Halle (2012) mehr als doppelt so oft von Män- nern wie von Frauen geleistet werden, werden in keiner der einschlägigen Studien berücksichtigt. Man kann die Lohnlücke darauf zurückführen, dass Frauen „in traditionellen Rollenbildern verharren“, „glä- serne Decken nicht durchstoßen können“ oder in die „Teilzeitfalle gedrängt“ werden. Ich hingegen gehe da- von aus, dass Menschen in ihrem Leben Entscheidungen treffen, darüber, welchen Beruf sie ergreifen, welches Gewicht sie der Karriere einräumen und wie viel Zeit sie für ihre Familie haben möchten. Diese Entscheidungen, mit allen ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen, hat der Staat nicht zu bewerten. Erst recht ist es nicht Aufgabe des Staates, den Versuch zu unternehmen, Menschen um- zuerziehen, damit sich männliche und weibliche Biogra- fien möglichst angleichen. Denn nur dann, wenn Männer und Frauen sich in der Wahl ihrer Ausbildungen und Stu- dienfächer, in der Länge ihrer beruflichen Auszeiten nach Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23021 (A) (C) (B) (D) der Geburt eines Kindes, ihrer Bereitschaft, Teilzeit zu arbeiten, Unternehmen zu gründen und unbezahlte Über- stunden zu leisten, nicht mehr unterscheiden, wird sich rechnerisch keine Lohndifferenz mehr zwischen Frauen und Männern ergeben. Der vorliegende Gesetzentwurf zielt im Kern auf eine Angleichung männlicher und weiblicher Biografien ab. Er trägt dies auf dem Rücken von Unternehmen aus, die unter den Generalverdacht gestellt werden, ihre Mitar- beiterinnen grundlos schlechter zu entlohnen als ihre Mitarbeiter. Dass daran irgendetwas nicht stimmen kann, zeigt schon eine schlichte ökonomische Betrachtung: Wenn wirklich Frauen in Deutschland für die gleiche Arbeit bei gleicher Ausbildung, gleicher Erfahrung und gleichem Arbeitseinsatz sechs Prozent weniger Gehalt bekämen, warum kommen dann nicht mehr Unterneh- men auf die Idee, ausschließlich Frauen einzustellen, um so sechs Prozent Lohnkosten zu sparen? Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Norbert Müller (Potsdam), Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine Beteiligung des Bundes am Wiederaufbau der Garnisonkirche Potsdam (Tagesordnungspunkt 21) Rüdiger Kruse (CDU/CSU): „Ja! Wir werden Tür- me haben, zum Beispiel einen Turm fürs Rathaus, einen Turm fürs Kulturhaus. Andere Türme können wir in der sozialistischen Stadt nicht gebrauchen“, so hat der SED- Chef Walter Ulbricht seine städtebaulichen Vorstellun- gen 1953 zum Ausdruck gebracht. Und das SED-Regime wurde dieser Ansage gerecht. Zwischen 1949 und 1985 wurden auf dem Gebiet der DDR ungefähr 50 Kirchen abgerissen oder gesprengt. Nach Einschätzung von Fachleuten hätten die meisten Kirchen gerettet werden können. Das Schicksal traf auch die Garnisonkirche von Potsdam. Walter Ulbricht hatte sich am 22. Juli 1967 vor einer Wahlkundgebung in Potsdam die Stadt angeschaut und beschlossen, dass der Turm der Garnisonkirche entfernt werden soll. Im Protokoll seines Besuches kann man seinen Satz lesen: „Die Ruine der Garnisonkirche kann man auch auf der Fotografie zeigen und sie verkaufen als Postkarten für Ausländer.“ Auch die Zeit der Sprengung – Sonntagvormittag um 10 Uhr – wurde bewusst auf die Zeit gesetzt, wo jede Woche traditionell die Gemeinde zum Gottesdienst zu- sammenkam. Bei mehreren anderen Kirchensprengun- gen verlief das nach gleichem Muster. Die Garnisonkirche von Potsdam ist kein Bau mit ei- ner einfachen Geschichte gewesen. Sie war mit der Zeit des preußischen Militarismus und noch mehr mit der des Nationalsozialismus bedauerlich eng verbunden. Sollten die Gebäude aber dafür haften, was in ihnen passiert ist, würden wir wegen des dann notwendigen Abreißens un- sere Städte nicht wiedererkennen. Doch dem ist nicht so. Wir haben vielmehr die Mög- lichkeit, durch das Erhaltene oder auch das Wiederauf- gebaute nicht zu vergessen und daraus zu lernen. Dieje- nigen, die sagen, dass auch Bronzetafeln diesen Zweck erfüllen können, müssen sich fragen lassen: Wie wenig lebendig ist denn die Erinnerung durch eine Tafel im Ver- gleich zu einem Kirchenturmbau mit einer Kapelle, unter dessen Dach Aufarbeitung stattfindet und Versöhnung an Kraft gewinnt? Nur wer sich eigener Geschichte stellt, kann versöhnt in die Zukunft blicken. Oft wird dies auf die Aufarbei- tung der großen tragischen Kriegsereignisse des 20. Jahr- hunderts bezogen. Und es stimmt auch. Allerdings gilt es auch für jeden einzelnen Menschen, in dessen Inneren nicht immer nur das Gute waltet. Die wiederaufgebaute Garnisonkirche wird insofern nicht nur ein Erinnerungs- ort sein, sondern auch als Besinnungsort dienen können. Denn Versöhnung zwischen den Völkern steht und fällt mit der Fähigkeit zu friedvoller Verständigung ihrer ein- zelnen Glieder – der einzelnen Menschen. Auch für die Linkspartei bietet die Garnisonkirche die Chance, sich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen und diese anzunehmen. Hier sehe ich die versöhnliche Rolle der wiederaufzu- bauenden Garnisonkirche. Der Erfolg des Projektes wird nicht daran gemessen, ob die letzte Barockverzierung ih- ren Platz an der Fassade findet, sondern daran, ob hier Menschen zueinanderfinden werden und sich aufrichtig der Geschichte stellen. Der Turm der Garnisonkirche wird auch in der finanzi- ell kleineren Variante mit allen Räumlichkeiten und Aus- sichtsplattform nutzbar sein. Die inhaltliche Arbeit wird unabhängig von der Fassadengestaltung vollständig und ohne Einschränkungen stattfinden können. Daher war es richtig, dass wir hier im Deutschen Bun- destag vor einigen Wochen die Unterstützung für das Projekt signalisiert haben. Dies war das entscheidende Signal, das den Start dieses wichtigen Bauvorhabens demnächst ermöglicht. Dr. Philipp Lengsfeld (CDU/CSU): Es ist eine wirk- lich schöne Nachricht, dass der Turm der Garnisonkirche in Potsdam nun wieder errichtet wird. So sehr ich es be- grüße, dass wir uns im Deutschen Bundestag mit dem Thema noch einmal befassen, so sehr bedaure ich, dass die Linkspartei weiterhin gegen dieses Projekt kämpft. Ich registriere zwar, dass sich der Tonfall in den Reihen der Linkspartei insgesamt gemäßigt hat, aber dies ändert am Grundsätzlichen leider nichts. Die Linkspartei ver- passt – mal wieder – die Gelegenheit, ein Zeichen der Versöhnung zu senden. Sie ist und bleibt die Partei der Spaltung, sei es in Potsdam oder anderswo. Hauptziel des Wiederaufbaus des Turms der Gar- nisonkirche ist die Wiederherstellung eines barocken, stadtprägenden kirchlichen Prunkstücks, dessen kultu- relle Bedeutung weit über Potsdam hinausreicht. Und da hat sich die Diskussion in Potsdam doch stark beruhigt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723022 (A) (C) (B) (D) Der Landtag arbeitet im wiedererstandenen Schloss, das Interhotel kann weiterhin mit schönstem Blick, in bester Innenstadtlage und mit Geschichten aus der alten Zeit Gäste beherbergen, und sogar das Rechenzentrum mit seiner sozialistischen Kitschkunst hat seinen Platz neben dem Kirchturm. Darüber hinaus geht es auch um die Wiederbelebung einer ehemals aktiven christlichen Gemeinde, ein nicht zu unterschätzender Punkt. Deshalb hat das Projekt ja eine so breite Zustimmung innerhalb der EKD, trotz des lautstarken Protests einer kleinen innerkirchlichen Min- derheit. In den Kirchen der Reformation lebt eben eine tief demokratische Tradition. Und auch die Diskussion um den geschichtlichen Symbolismus hat sich doch stark versachlicht. Hier muss insbesondere die Wiederaufbauinitiative ausdrücklich gelobt werden: Die problematischen Kapitel der Kir- che – Stichwort „Tag von Potsdam“ oder „preußische Militärkirche“ – werden offensiv und damit nachhaltig aufgegriffen. Eigentlich könnten wir uns alle sehr einvernehmlich hinter dieses Projekt stellen. Aber das scheint ja leider für die Linkspartei keine Option zu sein. Stattdessen führt sie wie die anderen verbliebenen Gegner des Pro- jekts bewusst oder unbewusst das Werk der SED fort. Die Sprengung des nur mittelmäßig beschädigten markanten Kirchturms und die Beseitigung einer aktiven Gemein- de – es gab eine Kapelle – war und ist durch nichts zu rechtfertigen. Und es ging nicht nur um die Garnisonkir- che, sondern um die Bekämpfung des religiösen Lebens und religiöser Bauten in Ostdeutschland insgesamt. Das war damals das Ziel der Kampagne von Walter Ulbricht und der SED, dem neben der Garnisonkirche Potsdam viele weitere Kirchen in Ostdeutschland zum Opfer fielen. In Summe waren es bis 1968 satte 50 Gebäude, darunter die vollkommen intakte Universitätskirche Leipzig, die Ulrichskirche in Magdeburg oder die Gna- denkirche Berlin. Dieses Vorgehen reihte sich ein in die Unterdrückung der Jungen Gemeinden in den ersten Jahrzehnten der DDR und der schulischen, beruflichen und akademischen Benachteiligung von getauften Kin- dern, insbesondere von Kindern aus Pfarrerfamilien. Es ist für mich schon eine ganz bittere Ironie, dass eine geschichtsvergessene Enkelgeneration mit überborden- dem Selbstbewusstsein den ideologischen Feldzug ihrer Funktionärsgroßeltern weiterführt. Um versöhnlich zu enden: Auf der exzellenten und sehr sachlichen Webseite Kirchensprengung.de von Dr. Tobias Köppe aus Magdeburg, einem plastischen Chirurgen und Vorsitzenden des Kuratoriums Ulrichskir- che Magdeburg, werden die ganzen großen und kleinen Barbareien der SED-Kampagne aufgelistet. An einigen zentralen Punkten hat es schon versöhnende Neuanfänge geben; prominentestes Beispiel ist der Kompromiss bei der Universitätskirche in Leipzig. Der Wiederaufbau des Garnisonkirchenturms in Potsdam reiht sich in diese po- sitive Geschichte ein. Darüber freue ich mich sehr. Johannes Kahrs (SPD): März 2017: Ein amerika- nischer Präsident verweigert der deutschen Bundeskanz- lerin den Handschlag vor laufenden Kameras – ein sehr ungewöhnlicher, unhöflicher und symbolträchtiger Vor- gang. März 1933: Ein deutscher Präsident reicht dem deut- schen Reichskanzler Adolf Hitler auf den Stufen der Gar- nisonkirche die Hand – ein Bild wird zum Symbol. Beide Vorgänge stehen selbstredend in keinem politi- schen oder zeitlichen Zusammenhang, verraten uns aber viel über die Macht der Bilder, und sie verdeutlichen, wie Bilder instrumentalisiert werden können. Leider entstand kein Bild im März des Jahres 1809, als in Potsdam der erste freigewählte Magistrat zusam- mentrat und im selben Jahr in der Potsdamer Garnison- kirche feierlich vereidigt wurde – ein historischer Mo- ment für die Stadt Potsdam und dennoch weitestgehend vergessen. Die Linke ist offenbar der Meinung – anders erklärt sich ihr Antrag nicht –, dass wir der Geschichtsklitterung der Nationalsozialisten, die sich um den sogenannten „Tag von Potsdam“ rangt, nichts entgegenzusetzen ha- ben. Dieser Meinung bin ich explizit nicht. Die Potsdamer Garnisonkirche ist weit mehr als das Symbol, das die Nationalsozialisten daraus gern ma- chen wollten, und ich weigere mich, ihnen darin die Deutungshoheit zu überlassen. Die Kirche gilt als der bedeutendste Sakralbau des barocken Preußens und war das Wahrzeichen Potsdams. Sie prägte das Stadtbild. Sie ist Motor für jahrelanges bürgerschaftliches Engagement und nicht zuletzt für kontroverse Debatten, von denen unsere Demokratie ja bekanntlich lebt. Ich glaube, dass es deshalb wichtig und richtig ist, die Kirche wieder aufzubauen. Einer der prominentesten Un- terstützer des Wiederaufbaus, Günther Jauch, sagte, man brauche diese „authentischen Orte, um uns an die Viel- schichtigkeit unserer Geschichte zu erinnern und unsere Lehren daraus zu ziehen ... Dort, wo nichts mehr steht, wird auch nach nichts gefragt.“ Und er hat recht. Denn es gibt ja einen guten Grund, warum wir selbst die ultimativsten Orte des Bösen, die Konzentrationslager der Nazis, als Gedenkstätten erhal- ten haben. Sie sind Teil unserer Geschichte, und die darf nicht in Vergessenheit geraten. Und wenn das wahr ist, dann gilt das mindestens ge- nauso für Orte, die die Nazis für sich vereinnahmen woll- ten, obwohl deren Geschichte in Wahrheit weit mehr ist. Deshalb ist es richtig, dass mit dem Wiederaufbau der Kirche ein Ort für Frieden und Versöhnung geschaffen werden soll, der die vielschichtige Vergangenheit des Or- tes nicht leugnet, sondern sie richtig einordnet. Der Stiftung „Garnisonkirche“ wurden 12 Millionen Euro des Bundes zugesagt, wenn die restlichen Mittel für den Wiederaufbau des Turms durch Spenden gesi- chert seien. Nach Informationen der Stiftung betragen die Spenden nach heutigem Stand 9,1 Millionen Euro. Weitere 5 Millionen Euro sollen durch ein zinsfreies Dar- lehen der evangelischen Kirche bereitgestellt werden. Die Stiftung bittet den Bund nun, für 26,1 Millionen Euro zunächst eine reduzierte Version des Turms bauen http://www.kirchensprengung.de Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23023 (A) (C) (B) (D) zu dürfen. Damit verbindet sich die berechtigte Hoff- nung, dass das Spendenaufkommen weiter steigt, sobald für die Menschen etwas Greifbares zu sehen ist. In einer zweiten Stufe könnte dann der Turm inklusive Turmhau- be, Glocken, Glockenspiel und einem Teil der Schmuck- fassade wiederhergestellt werden. Die zuständigen Berichterstatter der Koalition haben dem zugestimmt. Sie haben aber auch klargestellt, dass der Bund sich an der zweiten Bauphase nicht noch ein- mal beteiligen wird. Die Bundesbeauftrage für Kultur und Medien hat die Aufgabe, den Bau zu begleiten, und ich habe Vertrauen darin, dass das Projekt in Kooperation mit der Stadt Potsdam und der Stiftung „Garnisonkirche“ zu einem guten Ende geführt wird. Hiltrud Lotze (SPD): Die Garnisonkirche blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Berühmte Preu- ßenkönige wurden in der Gruft der Garnisonkirche bei- gesetzt; berühmte Musiker wie Johann Sebastian Bach spielten in der Kirche auf der Orgel. Auch Demokratie- feinden hat die Garnisonkirche immer wieder eine Büh- ne geboten. Bereits in der Weimarer Republik war sie Kundgebungsort für rechtsgerichtete Organisationen. Im Nationalsozialismus avancierte die Kirche zu einer der wichtigsten Stätten der Nazis, insbesondere am „Tag von Potsdam“. 1945 wurde die Kirche dann durch Bomben- angriffe schwer beschädigt und in der DDR endgültig gesprengt. Dass die Garnisonkirche bis 1945 vor allem für Mi- litarismus und Demokratiefeindlichkeit stand, ist un- umstritten. Die Garnisonkirche aufzubauen, ohne daran zu erinnern, ist ausgeschlossen. Da gebe ich der Linken recht. Die Linke schreibt jedoch in ihrem Antrag, der Wie- deraufbau der Garnisonkirche sei ein falsches politisches Signal. Das sehe ich anders. Nach dieser Logik hätte man auch das Brandenburger Tor nach dem Zweiten Weltkrieg nicht instand setzen dürfen. Es ist ja nicht das Bauwerk an sich, das verantwortlich ist für die nationalsozialisti- sche Vereinnahmung, sondern es sind die dort handeln- den Akteure und ihre Taten. Deswegen kommt es heute darauf an, welches Konzept hinter dem Wiederaufbau steht. Eine unkritische Rekonstruktion des Vergangenen darf es nicht geben. Darum geht es der Stiftung „Garnisonkirche Potsdam“ aber auch nicht. Das haben mir Gespräche gezeigt. Die Stiftung leugnet die Vergangenheit nicht, sondern greift sie auf. Die wiederaufgebaute Garnisonkirche plant sie als Zentrum für Frieden und Versöhnung. Sie soll eine Bürgerkirche und ein offener Ort für alle Menschen in Potsdam sein. Das spiegeln auch die offene Bauweise wi- der und die Pläne für die Aussichtsplattform. Es gibt noch einen weiteren Punkt, weswegen der Wiederaufbau unterstützenswert ist: Die Garnisonkirche war einer der schönsten barocken Kirchenbauten aus der Zeit Preußens. Städtebaulich und architektonisch würde die Garnisonkirche die historische Mitte Potsdams her- vorragend ergänzen. Mittlerweile ist auch die Finanzierung geklärt. Die Variante mit der reduzierten Version des Turmes ist eine gute Lösung. Die Haushälter haben die BKM darum ge- beten, auch in Zukunft auf dem aktuellen Stand der Fi- nanzierung gehalten zu werden. Sie werden also weiter- hin ein Auge auf dieses Projekt haben. Das gilt auch für uns Kulturpolitiker. Die Garnisonkirche ist kein „normales“ Wiederauf- bauprojekt. Wir als SPD stehen zu der Förderung durch den Bund. Aber die ist an Bedingungen geknüpft, und dazu gehört für mich der kritische Umgang mit der Ge- schichte. Ich werde das Projekt dementsprechend weiter beglei- ten. Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE): Wie kaum ein anderes Bauwerk stand die Potsdamer Garnisonkir- che für den preußischen und deutschen Militarismus und Nationalismus. Sie war die Hof- und Militärkirche Preu- ßens. Militärs ließen hier ihre Kriegszüge segnen und feierten anschließend eben hier ihre Siege. So war die Garnisonkirche Symbol der militärischen Stärke und des Herrschaftsanspruches Preußens. Auch im Ersten Welt- krieg wurde hier in Predigten und Gebeten zum Krieg aufgerufen, und die ins Feld ziehenden Soldaten wurden hier gesegnet. So ist es kaum verwunderlich, dass sich die Garnison- kirche in der Zwischenkriegszeit schnell zum Pilgerort all jener deutschnationalen, revisionistischen und reak- tionären Kräfte entwickelte, die vor allem eines im Sinn hatten: die schnellstmögliche Beseitigung der Weimarer Republik. Der sogenannte „Tag von Potsdam“, der mit dem öffentlichen Schulterschluss zwischen konservati- ven Eliten und Nationalsozialisten das Ende der Weima- rer Republik besiegelte, war da nur noch das Tüpfelchen auf dem i. Festzuhalten ist: Die Potsdamer Garnisonkirche stand wie kaum ein anderes Gebäude für die lange Traditions- linie des preußisch-deutschen Militarismus und Nationa- lismus, die letztendlich in den unvergleichlichen Verbre- chen des Zweiten Weltkrieges mündete. Und festzuhalten ist auch: Eine neuaufgebaute Kopie der Potsdamer Gar- nisonkirche würde genauso für ebenjene unsägliche Tra- ditionslinie stehen. Da ist es ganz egal, ob in diesem Ge- bäude dann auch ein sogenanntes Versöhnungszentrum Platz findet oder nicht. Der Bau der Garnisonkirchenkopie wäre aber nicht nur unter historischen Gesichtspunkten ein riesiger Feh- ler, auch aus städtebaulicher Sicht würde mit dem Baube- ginn ein großes Risiko eingegangen werden. Wenn vom „Wiederaufbau der Garnisonkirche“ gesprochen wird, meint dies ja schon lange nicht mehr den Nachbau der kompletten Kirche. Schließlich wissen auch die Befür- worter und Befürworterinnen, dass es völlig aussichtlos ist, die finanziellen Mittel für die gesamte Kirche inklu- sive Schiff zusammenzubekommen. Stattdessen geht es nur noch um den Bau des Turms. Da es aber offenbar schwierig ist, selbst hierfür die entsprechenden Gelder zu akquirieren, will die Garnisonkirchenstiftung zunächst mit dem Bau des Turmrumpfes ohne Zierrat und Turm- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723024 (A) (C) (B) (D) haube beginnen, und das, obwohl der Bau auf wunder- same Weise in den langen Jahren der Planung nach An- gaben der Stiftung immer billiger geworden ist und sich dabei die anvisierte Bauzeit auch noch ständig verkürzt hat. Ich möchte, wenn ich mir andere Bauprojekte so an- schaue, ja schon fast von einem Hauch göttlichen Segens für die Garnisonkirchenkopie sprechen. Nun Spaß beiseite: Tatsächlich setzen die Befürwor- terinnen und Befürworter vor allem auf eines: auf Spe- kulation, die Spekulation nämlich, die restlichen Gelder für den Bau des gesamten Turmes würden im Laufe des Baugeschehens schon noch irgendwie zusammenkom- men. Was hierdurch droht, ist offensichtlich: eine riesige Bauruine mitten in Potsdams Zentrum. Wenn der Bund nun tatsächlich 12 Millionen Euro für die Garnisonkirchenkopie bereitstellen sollte, dann ist das erinnerungs- und geschichtspolitisch also nicht nur völlig daneben, sondern auch noch aus städtebaulichen sowie haushalterischen Erwägungen im höchsten Maße unvernünftig. Daher werbe ich für die Zustimmung für unseren An- trag. Lassen Sie uns das Kapitel Garnisonkirche ein für alle Mal beenden! Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): „Stadt trifft Kirche“ ist das Motto des Potsdamer Beitrags zum Reformationsjubiläum. Auf eine Potsda- mer Kirche – und um die geht es hier heute Abend – trifft das Motto aber leider nicht so ganz zu: die Potsdamer Garnisionkirche bzw. das, was davon noch übrig ist. Hier müsste das Motto eher heißen: Stadt streitet über Kirche. In der einstigen Hof- und Militärkirche Preußens fand am 21. März 1933 – nach dem Reichstagsbrand –, beglei- tet von Protesten der Kirchenleitung, der Festakt zur kon- stituierenden Sitzung des Reichstages statt. Den dortigen Handschlag Adolf Hiltlers mit dem Reichspräsidenten Paul von Hindenburg nutzten die Nationalsozialisten, um das Ereignis zum „Tag von Potsdam“ zu überhöhen, was wiederum in der DDR dazu genutzt wurde, die Kirche als angebliches Symbol des deutschen Militarismus spren- gen zu lassen. Ob die Kirchengemeinde nach 1933 besonders rechts und linientreu gewesen ist, darüber gibt es unterschied- liche Quellen. Und daher halte ich auch den Feststel- lungsteil des Linkenantrags, über den wir hier heute abstimmen, für sachlich nicht angemessen. In anderen Potsdamer Kirchen soll im Gegensatz zur Garnisonkir- che „Mein Kampf“ auf dem Altar neben der Bibel gele- gen haben. Mit dem NS-Regime verbundene Pfarrer sol- len sich eher über die mangelnde Linientreue innerhalb der Garnisonkirchengemeinde beschwert haben. Adolf Hitler war zwei Stunden in der Garnisonkirche. Aus der gleichen Kirchgemeinde sind aber mehr als zwanzig Männer und Frauen hingerichtet worden, weil sie gegen Hitler waren. Was meine Fraktion und ich aber definitiv unterstüt- zen, ist die Forderung des Linkenantrags, dass der Bund sich nicht finanziell an dem Wiederaufbau beteiligen soll. Wir werden daher trotz einiger für uns kritischer Formu- lierungen im Feststellungsteil dem Antrag der Linken insgesamt zustimmen. Einer privaten Aufbauinitiative, die sich kritisch der Geschichte des Bauwerks stellt, stehen wir nicht im Wege. Aber wir sehen keine Veranlassung zu öffentlicher Förderung in Millionenhöhe von einem Streitobjekt, zu- mal Potsdam weder einen Mangel an Kirchen noch an historischen Bauwerken hat und die Stiftung Garnison- kirche 2008 zu Beginn ihrer Arbeit für den Wiederaufbau versicherte, ausschließlich Spendengelder für den Wie- deraufbau einzuwerben. In diesem Sinne kann ich nur an die Worte des ehe- maligen obersten Brandenburgischen Denkmalschüt- zers Detlef Karg erinnern, der im Februar 2012 zu dem geplanten Bau sagte, es sei „nicht Aufgabe der Denk- malpflege, einen verlorenen Bau wieder aufzurichten. … Wenn man in Potsdam am alten Standort eine Kirche bauen will, kann man das auch in der heutigen Architek- tursprache tun.“ Er verwies in seiner Kritik, an die Ad- resse der Evangelischen Kirche gerichtet, insbesondere darauf, dass im Land Brandenburg 1 164 Dorfkirchen und 700 Stadtpfarrkirchen in ihrer Bausubstanz ernsthaft gefährdet seien. Ich habe etliche dieser Dorfkirchen be- sucht und bin überzeugt, dass ihr Erhalt für das Gemein- wohl weitaus wichtiger wäre. Was diesen lokalen Kirchenneubau gegenüber ande- ren Projekten so national bedeutsam macht, dass dafür Millionenbeträge aus dem Kulturhaushalt des Bundes bereitgestellt werden, ist meiner Fraktion jedenfalls ver- schlossen geblieben. Wir könnten viele andere Kultur- projekte nennen, die das Geld aus unserer Sicht dringen- der bräuchten. An anderer Stelle im Land Brandenburg wie zum Beispiel in Frankfurt/Oder kann die dortige Kommune die für die Sanierung ihrer Konzerthalle not- wendigen 5,2 Millionen Euro einfach nicht aufbringen. Dabei ist sie die Spielstätte des international anerkannten Brandenburgischen Staatsorchesters und die ehemalige Kirche des 1270 errichteten früheren Franziskanerklos- ters. Unsere Ablehnung der öffentlichen Förderung bedeu- tet jedoch nicht, dass wir das Anliegen der Nagelkreuz- gemeinschaft, wovon das Garnisonkirchen-Projekt seit 2004 Mitglied ist, nicht auch als Grüne teilen würden. Die Ziele der weltweiten Nagelkreuzgemeinschaft lau- ten neben der Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg: Wunden der Geschichte heilen, mit Verschiedenheiten leben und die Vielfalt feiern, an einer Kultur des Frie- dens bauen. Allein in Deutschland sind das 63 Orte in 49 Städten. Aus unserer Sicht muss sich das Neubauprojekt dann aber auch kritisch mit der militärisch geprägten Ge- schichte des Bauwerks auseinandersetzen und einen kla- ren Schnitt vollziehen. Der Potsdamer Historiker Martin Sabrow, Direktor des Zentrums für Zeithistorische For- schung, formulierte treffend, dass „das Projekt zum Wiederaufbau der Kirche nur dann seine Realisierungs- chance wird nutzen können, wenn es die feine Trennlinie zwischen Mythos und Erinnerungsort nicht überschreitet und immer wieder deutlich macht, dass es darum geht, https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_von_Hindenburg https://de.wikipedia.org/wiki/Tag_von_Potsdam Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23025 (A) (C) (B) (D) das Zeugnis der Vergangenheit zu restaurieren, nicht aber die Vergangenheit selbst“. Ob diese Trennlinie tatsächlich gewahrt wird, da ha- ben wir bisher jedoch Zweifel. Warum ist in der Baupla- nung das Nagelkreuz von Coventry als Versöhnungszei- chen von der alten Wetterfahne mit preußischem Adler und anderen Herrscherinsignien verdrängt worden? Wa- rum wurde das „Internationale Versöhnungszentrum“ aus dem Nutzungskonzept gestrichen? Auch ein ausgearbei- tetes inhaltliches Konzept zur geplanten Versöhnungsar- beit ist nicht bekannt. Als Nagelkreuzgemeinde darf der Kirchenneubau aus unserer Sicht zudem nicht wieder zum Ort für Soldaten- segnungen werden; denn dann bestünde eine Kontinuität zum Vorgängerbau aus Kaiserzeiten, die wir alle nicht wollen. Viele Christen könnten die Kirche dann zu Recht nicht als die ihre betrachten. Soldaten als Einzelpersonen und in Zivil sollten willkommen sein, aber keine militä- rischen Formationen. Die Tatsache, dass auch dies alles nicht geklärt ist, unterstreicht für uns, wie falsch es ist, nun öffentliche Gelder fließen zu lassen. Doch die Stiftung steht unter Druck: Da die Baugenehmigung für den Turm Ende 2018 abläuft, muss das Bauwerk nach brandenburgischem Baurecht spätestens ein Jahr später fertiggestellt sein. Ob diese Kirche so die Stadt trifft, ist mehr als fraglich. Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines zweiten Gesetzes zur Novellie- rung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Zweites Finanz- marktnovellierungsgesetz – 2. FiMaNoG) – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeord- neten Uwe Kekeritz, Dr. Gerhard Schick, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: zu dem Vorschlag für eine Delegierte Verordnung der Kommission zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die An- wendung von Positionslimits für Warenderivate K(2016)4362 endg.; Ratsdok. 15163/16 hier: Stellungnahme des Deutschen Bundesta- ges gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grund- gesetzes i. V. m. § 8 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegen- heiten der Europäischen Union Nahrungsmittelspekulationen stoppen – Kommis- sionsvorschlag zurückweisen – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abge- ordneten Susanna Karawanskij, Klaus Ernst, Jutta Krellmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Finanzaufsicht nach Anlagepleiten zum Schutz von Verbraucher- interessen stärken (Tagesordnungspunkt 22 a bis c) Matthias Hauer (CDU/CSU): Mit der abschließen- den Beratung des Zweiten Finanzmarktnovellierungsge- setzes verankern wir die Finanzmarktrichtlinie MiFID II, die dazugehörige Verordnung MiFIR sowie weitere europäische Rechtsakte – die SFT-Verordnung und die Benchmark-Verordnung – im deutschen Recht. Bei den europäischen Vorgaben handelt es sich um umfangreiche Modernisierungen und Überarbeitungen bestehender Regelungen, in die viele Erfahrungen, die wir in der Folge der Finanzkrise ab 2007 gesammelt ha- ben, eingeflossen sind. Das nun zu beschließende deut- sche Umsetzungsgesetz wie auch die zugrunde liegenden europäischen Rechtsakte verfolgen das Ziel, die Märkte zu stabilisieren, die Anfälligkeit für neue Finanzkrisen zu reduzieren und den Anlegerschutz zu erhöhen. Wir von der Union begrüßen, dass es sich bei dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf wei- testgehend um eine Eins-zu-eins-Umsetzung der euro- päischen Vorgaben handelt. So wird sichergestellt, dass EU-weit ein einheitlicher Rechtsrahmen gilt. Gleichzei- tig steht dadurch aber auch fest, dass der Gestaltungs- spielraum für den nationalen Gesetzgeber gering ist. Die parlamentarischen Beratungen haben wir daher vor allem dazu genutzt, dort, wo es geboten und möglich war, Er- gänzungen und Klarstellungen vorzunehmen. Erfreulich ist, dass wir das Gesetzgebungsverfahren zudem dazu nutzen konnten, auf Initiative der Union Verbesserungen in der Aktienberatung vorzunehmen. Wir kommen damit einen guten Schritt voran – für mehr und verständlichere Beratung in Aktien. Die Änderungen betreffen Aktien, die an organisierten Märkten gehandelt werden. Derzeit müssen Berater Hunderte individuali- sierte Produktinformationsblätter vorhalten, wenn sie Aktienberatung anbieten wollen. Diese Produktinfor- mationsblätter werden wir nun standardisieren. Die der- zeitige Regelung ist für Anlageberater und Verbraucher gleichermaßen unbefriedigend, da sie auf der einen Seite zu höheren Kosten sowie mehr Bürokratie führt und auf der anderen Seite keinen Mehrwert für den Verbraucher bietet. Wir mussten sogar einen Rückgang in der Aktien- beratung feststellen, weil sich vor allem kleinere Institute wegen des hohen bürokratischen Aufwands aus der Akti- enberatung zurückgezogen haben. Wir brauchen in Deutschland aber mehr statt weniger Aktienkultur. Deshalb gehen wir das Thema mit dem Gesetzentwurf an. Wir beseitigen damit Bürokratie und sorgen für mehr Verbraucherschutz. Künftig wird es die Option geben, individuelle Informationsblätter durch ein einheitliches Informationsblatt zu ersetzen, welches die Gattung Aktie beschreibt. Das wird den Bankkundinnen und Bankkunden – gerade in der aktuellen Niedrigzins- phase – zugutekommen und die Aktienkultur in Deutsch- land stärken. Bei der Formulierung des standardisierten Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723026 (A) (C) (B) (D) Aktieninformationsblattes wird es auf Initiative der Uni- on neben einer Einbeziehung von Vertreterinnen und Ver- tretern aus Kreditwirtschaft und Verbraucherschutz auch eine Unterstützung durch die Gesellschaft für deutsche Sprache geben. Das stellt die Verständlichkeit und Trans- parenz sowie eine praxistaugliche Ausgestaltung sicher. Auch beim Beratungsprotokoll gibt es nun Änderun- gen. Dieses sorgte seit seiner Einführung 2010 für großen bürokratischen Aufwand und oft sogar für zusätzlichen Streit zwischen Anlegern und Anlageberatern. Das Be- ratungsprotokoll wird nun durch die sogenannte Geeig- netheitserklärung ersetzt. Darin muss der Anlageberater künftig schriftlich erklären, aus welchen Gründen er dem Kunden ein Finanzprodukt empfiehlt. Die bislang vorgeschriebene bürokratische Protokollierung der Bera- tungsgespräche entfällt. Die Erfahrungen mit dem Bera- tungsprotokoll haben uns zudem veranlasst, das Bundes- ministerium der Finanzen zu bitten, bis Ende 2020 die praktischen Erfahrungen mit der Geeignetheitserklärung im Hinblick darauf zu evaluieren, ob eine stärkere Stan- dardisierung angebracht ist. Darüber hinaus haben wir das Ministerium gebeten, sich auf europäischer Ebene für Lösungen für die mit der Gesetzesnovelle einhergehenden besonderen Proble- me im Telefonordergeschäft und bei den Förderbanken einzusetzen, da in diesen Fällen dem nationalen Gesetz- geber durch die europäischen Vorgaben weitgehend die Hände gebunden sind. Abschließend möchte ich noch kurz auf die ebenfalls zur Debatte stehenden Anträge der Opposition eingehen. Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen befasst sich mit dem Thema Nahrungsmittelspekulationen. Sie fordern darin die Bundesregierung auf, einen Vorschlag der Eu- ropäischen Kommission zurückzuweisen. Der Antrag ist allein schon deshalb abzulehnen, weil die Aufforderung an die Bundesregierung ins Leere läuft, da der Vorschlag der Kommission auf europäischer Ebene bereits be- schlossen ist. Wir, CDU und CSU, gehen klar gegen Nahrungsmit- telspekulationen vor. Die europäischen Vorgaben bilden dafür einen guten Rahmen. Über die auf nationaler Ebe- ne zuständige Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs- aufsicht wollen wir als Koalition erreichen, dass bei der Festlegung von Positionslimits in Bezug auf Nah- rungsderivate strenge Maßstäbe angelegt werden – ge- rade um der Entstehung monopolistischer Strukturen an den Nahrungsmittelderivatemärkten entgegenzuwirken. Damit bekämpfen wir Nahrungsmittelspekulationen in Deutschland. Auch der Antrag der Linken schießt weit über das Ziel hinaus. Insbesondere verkennt die Linke darin die Auf- gaben einer Aufsichtsbehörde. Sie will die Grenze zur Zuständigkeit von Zivilgerichten verwischen. Das leh- nen wir ab. Zum Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens bedan- ke ich mich bei meinen Berichterstatterkollegen, Herrn Staatssekretär Dr. Meister sowie den zuständigen Fach- beamten des Bundesministeriums der Finanzen für die gute und konstruktive Zusammenarbeit. Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Das Zweite Finanz- marktnovellierungsgesetz ist ein weiterer Schritt zur Aufarbeitung der Finanzkrise, zur Verhinderung weiterer Verwerfungen und zu mehr Anlegerschutz. Mit diesem Gesetzentwurf werden die Rechtsakte des europäischen Gesetzgebers nachvollzogen und in das deutsche Recht umgesetzt. Der Deutsche Bundestag hat bereits in der laufenden Legislaturperiode mit dem Ersten Finanzmarktnovellie- rungsgesetz auf die Folgen der Finanzkrise reagiert. Es ist erklärtes Ziel, die Transparenz und Integrität der Finanz- märkte zu stärken. Die Finanzkrise ab dem Jahr 2008 hat uns gezeigt, dass die Märkte nicht ausreichend reguliert waren. Die unmittelbar spürbare Folge der Finanzkrise war der Vermögensverlust vieler Anleger. Das Vertrauen der Verbraucher in Geldanlagen und in die Finanzbran- che wurde nachhaltig erschüttert. Der Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz stellt den Anlegerschutz, regulierte Märkte, Informationspflichten und eine Stärkung der Aufsichtsbefugnisse in den Vor- dergrund. Die Finanzmarktrichtlinie MiFID II und die dazugehörigen Finanzmarktverordnung MiFIR stellen das regulatorische Rahmenwerk in der Europäischen Union dar. Die MiFID II ist die Grundlage für das Wert- papiergeschäft in Europa mit Verhaltens- und Organisa- tionspflichten von Wertpapierdienstleistungsunterneh- men. Im nationalen Recht werden sich diese Vorgaben im Wertpapierhandelsgesetz, im Kreditwesengesetz, im Börsengesetz, im Kapitalanlagegesetzbuch und im Ver- sicherungsaufsichtsgesetz widerspiegeln. Hervorzuhe- ben ist eine Eins-zu-eins-Umsetzung der europäischen Vorgaben, sodass ein einheitlicher Rechtsrahmen in den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen geschaffen wird. Jetzt muss der Anlegerschutz dokumentieren, dass das Produkt für den Anleger geeignet ist. Das ist ein Fort- schritt für den Anlegerschutz. Dieser Gesetzentwurf ist auch eine Antwort auf Al- leingänge einzelner Staaten innerhalb der Europäischen Union. Mit der Harmonisierung der Vorschriften werden wirksame Instrumente für transparentere Finanzmärkte geschaffen. Die grenzüberschreitenden Finanzmärkte sind ein gutes Beispiel, weshalb mehr Zusammenarbeit in Europa notwendig ist. Mit diesem Gesetz wird nicht zuletzt bezweckt, eine gemeinsame Stabilisierung zu erreichen und die Anfälligkeit für neue Finanzkrisen zu reduzieren. Der Anlegerschutz ist mir ein persönliches Anliegen, weshalb ich einen Punkt herausgreifen möchte. Mit die- sem Gesetz wird das Beratungsprotokoll abgeschafft. Das Beratungsprotokoll wurde im Jahr 2010 mit dem Ziel eingeführt, Rechtssicherheit bei der Anlageberatung zu schaffen und mögliche Fehler nachweisen zu können. In der Praxis wurden die Erwartungen durch fehlerhafte und unpräzise Angaben nicht erfüllt. Für Anlageberater führt das Beratungsprotokoll zu einem übermäßigen bü- rokratischen Aufwand. Es ist ein unbefriedigender Zu- stand für alle Seiten entstanden. Mit der Ersetzung des Beratungsprotokolls durch eine Geeignetheitserklärung gehen wir einen Schritt weiter. Anleger erhalten künftig eine schriftliche Erklärung über die konkrete Geeignet- heit eines Finanzinstruments. Der Anlageberater proto- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23027 (A) (C) (B) (D) kolliert nicht mehr den Verlauf der Beratung, sondern wird verpflichtet, die Gründe für die Empfehlung eines Produktes darzulegen. Mit der Geeignetheitserklärung wird mehr Rechtssicherheit geschaffen. Das Anleger- schutzniveau wird erhöht, indem eine fehlerhafte Anla- geberatung künftig besser nachzuweisen sein wird. Zu den beiden Anträgen sind nur ein paar kurze Wor- te nötig. Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz wurden die Befugnisse der BaFin bereits erweitert und der Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen als weiteres Auf- sichtsziel in den Statuten der BaFin verankert. Mit dem vorliegenden Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetz wird der Verbraucherschutz an den sinnvollen Stellen verbessert. Ich bitte Sie um Zustimmung zu diesem Ge- setz. Christian Petry (SPD): Das Zweite Finanzmarktno- vellierungsgesetz verankert vier europäische Rechtsakte im deutschen Recht: die europäische Richtlinie „Market in Financial Instruments“ (MiFID II), die dazugehörige Durchführungsverordnung MiFIR, die Verordnung über die Transparenz von Wertpapierfinanzierungsgeschäften sowie die Benchmark-Verordnung. Die Regelungen des Gesetzes haben umfangreiche Auswirkungen auf die Struktur der Finanzmärkte in Eu- ropa. Die Schaffung einer weiteren Kategorie für den organisierten Wertpapierhandel und die Ausweitung von Transparenzpflichten wird die Marktransparenz für Anle- gerinnen und Anleger dabei spürbar erhöhen. Daneben werden durch europaeinheitliche Regelun- gen der Hochfrequenzhandel sowie der außerbörsliche OTC-Handel umfassender reguliert und eingeschränkt. Besonders die EU-weite Regulierung des Hochfrequenz- handels ist überfällig. Diese Art des „Handels“ erfüllt keinen sittlichen Mehrwert. Die ökonomische Sinnhaf- tigkeit dieser Zockerei darf mehr als bezweifelt werden. Die jetzt umzusetzenden Regeln sind ein erster wichtiger Schritt zur Eindämmung des Hochfrequenzhandels. Wei- tere Schritte müssen folgen. Vertriebsseitig stärkt das Zweite Finanzmarktnovel- lierungsgesetz den Schutz der Anlegerinnen und Anleger deutlich. Durch die EU-weit zu erstellende Geeignet- heitserklärung muss Kunden zukünftig im Rahmen der Anlageberatung eine Erklärung zur Geeignetheit des empfohlenen Finanzproduktes übermittelt werden. Für jedes Finanzprodukt muss deshalb ein Zielmarkt defi- niert werden, der sicherstellt, dass das jeweilige Produkt mit den Kundenbedürfnissen übereinstimmt. Durch die Einführung des „unabhängigen Hono- rar-Anlageberaters“ wird die Möglichkeit, Provisionen oder andere nichtmonetäre Vorteile einzubehalten, bei der unabhängigen Finanzanlageberatung stark einge- schränkt. Zudem müssen alle Passagen eines Beratungs- gesprächs, die zu einer Order führen, aufgenommen und mindestens fünf Jahre dokumentiert werden. Einen wichtigen Teil der parlamentarischen Beratun- gen zum Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetz nahm die Diskussion über die Regulierung von Warenderivaten ein. Auf Druck der SPD fordert der Deutsche Bundes- tag in seinem Abschlussbericht die Bundesanstalt für Fi- nanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf, Positionslimits bei Nahrungsmittelderivaten so festzulegen, dass mono- polistische Strukturen an diesen Märkten ausgeschlossen sind. Der Bundestag hat in diesem Punkt aufgrund der europäischen Vorgaben keinen Gestaltungsspielraum. Das Festlegen der Positionslimits ist Aufgabe der natio- nalen Aufsichtsbehörden. Die von der BaFin zu erstellenden Positionslimits werden wir sehr aufmerksam verfolgen. Die Bundes- anstalt untersteht der direkten Aufsicht des Bundesfi- nanzministeriums. Die Bundesregierung muss deshalb sicherstellen, dass das unanständige Spekulieren mit Nahrungsmittel- und Rohstoffderivaten entsprechend den europäischen Vorgaben eingedämmt wird. Der Ge- staltungsspielraum, der der BaFin hierbei zur Verfügung steht, muss so genutzt werden, dass Monopole beim De- rivatehandel ausgeschlossen sind. Ein weiterer wichtiger Diskussionspunkt betrifft die deutschen Förderbanken. Die Regelungen der europä- ischen Finanzmarktrichtlinie MiFID II, auf denen das Zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz in weiten Teilen beruht, erfassen alle Wertpapiergeschäfte eines Unter- nehmens, das Mitglied einer Börse ist. Förderbanken in Deutschland führen an Börsen durch Wertpapiere besi- cherte Geschäfte des Liquiditätsmanagements durch. Sie unterfallen demnach den Regeln der MiFID II. Dieser Umstand ist innerhalb der beiden Regierungsfraktionen umstritten. Der Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb in seinem Abschlussbericht auf, die Europäische Kom- mission auf die besondere Funktion der öffentlichen För- derbanken des Bundes und der Länder aufmerksam zu machen. Die risikoaversen Anlagestrategien der Förder- banken müssen bei der Regulierung berücksichtigt wer- den. Sowohl regulatorisch als auch aufsichtstechnisch muss man dem Förderauftrag der Banken gerecht wer- den. Dies hat der Bundestag in seinem Abschlussbericht noch einmal deutlich gemacht und festgeschrieben. Die parlamentarischen Beratungen zum Zweiten Fi- nanzmarktnovellierungsgesetz verliefen konstruktiv und geräuschlos. Die öffentliche Sichtbarkeit dieses Mam- mutgesetzes im Deutschen Bundestag entspricht aber leider nicht seiner großen Bedeutung. Sarah Ryglewski (SPD): Mit dem Zweiten Finanz- marktnovellierungsgesetz stärkt die Koalition den An- legerschutz. Wir sorgen für mehr Transparenz und Ge- rechtigkeit, insbesondere im Hinblick auf Vergütung, Charakter und Qualität von Finanzberatung. Provisionen können in der Beratung zu Interessen- konflikten führen, weil Berater dem Anreiz unterliegen, nicht das beste Produkt anzubieten, sondern das mit den höchsten Provisionen. Jedoch scheuen viele Verbrau- cherinnen und Verbraucher noch davor zurück, für un- abhängige Beratung zu bezahlen. Wir lassen mit dem Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetz, das wir heute im Bundestag beschließen wollen, bewusst beide Wege offen – die provisionsbasierte und die unabhängige Ho- norarberatung. Wir stellen jedoch sicher, dass die Kos- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723028 (A) (C) (B) (D) ten der Beratung in jedem Fall offengelegt werden. Da- bei gilt: Provisionen sind nur dann erlaubt, wenn sie die Beratungsqualität verbessern. Außerdem sollen Kunden schon beim Betreten einer Bank wissen, ob sie unabhän- gig oder auf Provisionsbasis beraten werden. Erst diese Transparenz ermöglicht den fairen Vergleich zwischen den Anbietern und verringert die bestehenden Wettbe- werbsnachteile der unabhängigen Honorarberatung. Wir Sozialdemokraten hätten auch Vertriebsmargen aus Festpreisgeschäften wie Provisionen behandelt. Da- bei kauft der Kunde die Wertpapiere direkt von der Bank zu einem festgelegten Preis. Der Gewinn des Instituts resultiert daraus, dass es die Wertpapiere teurer verkauft als es die Wertpapiere selbst einkauft. Auch hieraus ent- stehen Anreize, die zu Interessenkonflikten bei Beratern führen können. Doch für Festpreisgeschäfte werden die uneingeschränkten Offenlegungspflichten nicht gelten. Die SPD wird auch in Zukunft daran arbeiten, diese Un- gleichbehandlung zu überwinden. Gleichermaßen setzen wir uns weiter dafür ein, auch die begriffliche Ungleichbehandlung zwischen unabhän- giger Honorarberatung und provisionsbasierter Beratung zu überwinden: Unabhängige Beratung sollte auch be- grifflich für Anlegerinnen und Anleger erkennbar sein und eine Betonung des „Honorars“ vermieden werden. Neben den Offenlegungspflichten ersetzen wir das Beratungsprotokoll, das in der Praxis Schwächen zeigte, durch die neue Geeignetheitserklärung. In Zukunft sollen damit inhaltsleere Sätze wie: „Das Produkt ist für den Kunden geeignet, weil es zu seinen Präferenzen passt“, der Vergangenheit angehörigen. Das heißt, Berater müs- sen künftig für den einzelnen Kunden nachweisen, dass das Produkt für den Kunden geeignet ist und darlegen, warum sie es empfohlen haben. Wir haben deshalb im Gesetz eine Evaluierung festgeschrieben und werden nachsteuern, falls auch die Geeignetheitserklärung nicht zu mehr Anlegerschutz führt. Susanna Karawanskij (DIE LINKE): Ich möchte mich hier in der Schlussdebatte auf drei Bereiche kon- zentrieren, in denen wir jeweils per Antrag ganz konkrete Forderungen gestellt haben, auf die Sie von der Großen Koalition leider nicht im Geringsten eingegangen sind. Beim ersten Punkt, dem Hochfrequenzhandel, hat- ten Sie in der Vergangenheit schon ganz andere Töne angestimmt. Die SPD hat in der letzten Wahlperiode eine Mindestverweildauer für Orders gefordert, um den Hochfrequenzhandel einzudämmen. So hat der Kollege Binding in einer Pressemeldung verkündet: „Außerdem müssen Mindesthaltefristen verbindlich vorgegeben wer- den, um eine tatsächliche Ausführung der Handelsorder zu gewährleisten und der Schaffung von Scheinliquidität entgegenzuwirken.“ Der Kollege Zöllmer pflichtete ihm 2013 hier im Plenum bei: „Es gäbe einen wirklichen He- bel, um die Märkte zu entschleunigen, um Luft heraus- zulassen aus dem, was heißgelaufen ist: die Einführung einer Mindesthaltefrist.“ Auch die Bundesbank sieht in dieser Richtung Handlungsbedarf. Dann lassen Sie uns dies doch endlich beschließen! Wir stellen heute einen Änderungsantrag zur Einführung einer Mindestverweil- dauer zur Abstimmung in der Hoffnung, dass sich gerade unsere Kolleginnen und Kollegen von der SPD an ihre ei- genen Forderungen erinnern; denn damit und obendrein mit einer Finanztransaktionsteuer würden wir es schaf- fen, ein bisschen Luft aus dem hochgepuschten, teils nur noch absurden Finanzmarktkapitalismus zu lassen. Der zweite Bereich umfasst die Anlageberatung. Die Koalition scheint leider nicht zur Kenntnis zu nehmen, dass die Qualität der Anlageberatung in Deutschland ziemlich schlecht ist. Dies haben etliche Untersuchun- gen unter anderem von Stiftung Warentest belegt. Die Folgen für die Bürger sind verheerend. Wegen Fehlbe- ratung beim Abschluss von Geldanlagen und Versiche- rungen erleiden diese je nach Schätzungen zwischen 30 und 98 Milliarden Euro Verlust, und das pro Jahr. Geld geht verloren, das die Menschen dringend für ihre Al- tersvorsorge benötigen. Zentrales Problem ist die Bera- tung, die auf Provisionen und anderen Verkaufsanreizen beruht. Allzu oft wird leider das Produkt empfohlen, das dem Berater/Verkäufer die höchste Provision bringt, aber nicht den Kundenbedürfnissen entspricht. Auch dazu gibt es zahlreiche Studien. Die Linke fordert daher mit- telfristig die Überwindung der Provisionsberatung. In einem ersten Schritt müsste aber die unabhängige Beratung, also zum Beispiel die Honorarberatung, zu- mindest mit der abhängigen Beratung, der Provisionsbe- ratung, auf Augenhöhe stehen. Doch der Gesetzentwurf benachteiligt weiter die unabhängige Beratung. Wir wol- len den Bestandsschutz der Provisionsberatung beseiti- gen und zunächst einen fairen Wettbewerb zwischen den Vertriebsformen einleiten. Dafür müssen unter anderem nicht nur die Provisionen, sondern insbesondere die Mar- gen im Rahmen der Festpreisgeschäfte offengelegt wer- den. Ansonsten kann die Branche immer wieder die Pro- visionsoffenlegung umgehen und weiter kassieren. Auch muss den Kunden bereits vor der Beratung klar sein, um welche Form der Beratung es sich handelt und wo die jeweiligen Vor- und Nachteile liegen. Es ist zudem un- gerecht, dass die unabhängigen Berater das Wort „Hono- rar“ in ihrer Berufsbezeichnung tragen müssen, während Provisionsberater freier ihren Titel wählen dürfen. Dies muss dringend geändert werden, wenn Sie es mit ver- brauchergerechter Anlageberatung ernst meinen. Neben einer nicht manipulierbaren Dokumentation des Beratungsvorgangs sowie einer einheitlichen Be- aufsichtigung der Finanzanlagenvermittler durch die Finanzaufsicht BaFin statt durch Gewerbeämter fordern wir speziell für einkommensschwache Menschen eine unabhängige Finanzberatung insbesondere durch Ver- braucherzentralen sowie eine Stärkung der Schuldnerbe- ratungsstellen. Wenn Sie tatsächlich etwas für besseren finanziellen Verbraucherschutz tun wollen, sollten Sie die Forde- rungen aus unserem lesenswerten Entschließungsantrag ebenso umsetzen wie die zentrale Forderung aus unserem tollen Antrag „Finanzaufsicht nach Anlagepleiten zum Schutz von Verbraucherinteressen stärken“. Dies alles sind kleine, aber sehr effektive Hebel, um die Rechte von Verbrauchern zu stärken. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23029 (A) (C) (B) (D) Wir kommen folglich zum dritten Bereich: Uns geht es nicht nur darum, dass Kunden ein Produkt empfoh- len bekommen, das zu ihren Bedürfnissen und ihrer Ri- sikoneigung passt. Uns geht es ebenfalls darum, dass die Käufer einer solchen Geldanlage auch dann besser geschützt werden, wenn durch Marktmissbrauch oder betrügerisches Handeln der Anbieter einer Geldanlage „pleitegeht“ und sich der Anbieter nun zum Beispiel aus dem Staub machen oder in die Insolvenz gehen will, ohne seine Kunden zu entschädigen. An dieser Stelle muss die Finanzaufsicht BaFin stellvertretend für die Gesamtheit der geschädigten Verbraucher dafür sorgen, dass gesi- chert ist, dass die Anleger ihre Rechte auch durchsetzen können. Anbietern darf es nicht ermöglicht werden, eine Pleite zu vertuschen oder schlicht auszusitzen, weil für viele Verbraucher eine Klage zu teuer ist oder deren An- sprüche schon längst verjährt sind. Die Finanzaufsicht soll nur die Türen offen halten und damit sichern, dass die Gruppe der geschädigten Anleger überhaupt recht- zeitig die Chance bekommt, ihre Rechte durchzusetzen. Bisher ist mir noch kein stichhaltiges Argument gegen diese kleine Forderung untergekommen; denn es gibt ja noch keine umfassenden Möglichkeiten zur Muster- bzw. Gruppenklage. Apropos „Klage“: Wie Sie sich hinter der schnöden Umsetzung einer EU-Richtlinie verstecken, ist schon kläglich. Da ist viel mehr Luft nach oben. Wenn Sie von der Regierungskoalition nicht mehr Bestandsschützer der Provisionsberatung wären, Verbraucher nach Anla- gepleiten besser schützen und endlich Luft aus den Fi- nanzmärkten nehmen würden, gäbe es deutlich weniger Gründe für Klagen. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich will zunächst auf zwei Geschäftsmodelle eingehen, um deren wirksame Regulierung wir Grünen seit Jahren in Deutschland und Europa ringen: den Hochfrequenz- handel und die Nahrungsmittelspekulation. Die durchschnittliche Haltedauer von Wertpapieren wurde vor wenigen Jahrzehnten noch in Jahren angege- ben. Daraus wurden dann Monate, Wochen, Tage, und in den USA, dem Epizentrum des Hochfrequenzhandels, soll sie mittlerweile bei knapp über 20 Sekunden liegen. Dabei hat sich das Anlageverhalten privater und instituti- oneller Anleger kaum verändert – der Hochfrequenzhan- del, in dem Millisekunden Millionen bedeuten können, ist für die Veränderung des Durchschnitts verantwortlich, und das zeigt das gewaltige Ausmaß, das er mittlerweile angenommen hat. Aber bei der Regulierung des Hochfrequenzhan- dels tut dieses Gesetz zu wenig. Sie haben Angst, eine wirksame Regulierung einzuführen, da Sie den Hochfre- quenzhandel in Deutschland halten wollen. Doch warum eigentlich? Der Mehrwert von Hochfrequenzhändlern ist höchst umstritten, wahrscheinlich schaden sie sogar. Die Bundesbank hat dazu im Oktober 2016 eine Studie vor- gelegt. Ihr Ergebnis war eindeutig: Hochfrequenzhandel wird dann gefährlich, wenn sich Märkte krisenhaft ent- wickeln. Die vermeintliche Bereitstellung von Liquidität verschwindet genau dann, wenn sie benötigt wird. Der Antrag der Linken hat hier das richtige Ziel vor Augen. Wir teilen dieses, sehen aber andere Instrumente als wirkungsvoller an, weshalb wir uns enthalten. Auch bei Nahrungsmittelspekulationen ist die Große Koalition inkonsequent. Um diese einzudämmen, sieht die MiFID II Positionslimits für bestimmte Warenderiva- te vor. Die Regeln hierzu werden auf EU-Ebene gemacht. Doch die dort vorgelegten Standards sind schwach und verhindern Spekulation nicht. Wir haben in unserem Antrag dazu aufgefordert, bei diesen EU-Regeln nach- zubessern. Sie haben den Antrag dann an den Ausschuss verwiesen, obwohl klar war, dass dadurch die Frist zur Nachbesserung verstreichen würde. Jetzt fordern Sie, dass die Aufsicht die schwachen Regeln besonders streng umsetzt. Das erschließt sich mir nur folgendermaßen: Entweder, Sie haben spät eingesehen, dass unser Anlie- gen richtig war, oder Ihr Interesse an der Eindämmung der Nahrungsmittelspekulation ist nur Schaufensterpoli- tik. Auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes hat die Bun- desregierung es versäumt, die von vielen Seiten geäußer- ten Kritikpunkte aufzugreifen. Wir müssen uns fragen: Warum ist das Anlageverhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern in Deutschland von so geringer Kos- teneffizienz und entsprechend geringer Rendite geprägt? Warum stecken deutsche Haushalte ihr Geldvermögen zu vier Fünfteln in Bargeld, Einlagen oder Versicherungs- und Alterssicherungsansprüche, obwohl das oft nicht zum individuellen Bedarf passt? Betrachtet man die MiFID-II-Umsetzung, dann sind die Antworten bekannt: Es mangelt an einer verbraucher- gerechten Beratung und Offenlegungspflichten vor und während der Vertragsdauer, damit Verbraucherinnen und Verbrauchern überhaupt die Möglichkeit gegeben wird, Produkte zu vergleichen und eine mündige Anlageent- scheidung zu treffen. Es geht um Wettbewerbsneutralität bei der Benennung und Regulierung der unabhängigen Honorarberatung und der nichtunabhängigen Provisi- onsberatung. Und es geht auch darum, dass wir als Ge- setzgeber ehrlich sind gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern: Die Bundesregierung hält daran fest, dass die bloße Bereitstellung eines weitverzweigten regionalen Filialnetzes die Qualität der individuellen Beratungs- dienstleistung für Kundeninnen und Kunden verbessern würde. Die gesetzliche Folge wäre, dass als eine weitere Ausnahme vom eigentlichen Provisionsverbot auch in diesen Fällen Provisionen ohne Weiteres erlaubt blie- ben. Das ist absurd. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungskoalition, ich gehe davon aus, dass Sie demnächst deutlich häufiger bei McDonald’s konspi- rieren als im Borchardt’s; schließlich gewährleistet das weitverzweigte regionale Filialnetz des großen „M“ ein gesteigertes Maß an Qualität. Der Antrag der Linken hat hier ebenfalls viele wichtige Punkte aufgegriffen, die ich daher nicht weiter ausführen will. Wenn wir über den Tellerrand dieses Gesetzes blicken, dann gibt es noch andere Gründe für das ineffiziente Anla- geverhalten in Deutschland. Wer rechtlichen Rat braucht, sucht sich einen Anwalt, wer seine Steuern regeln will, einen Steuerberater. Aber wer eine Anlageentscheidung treffen will, müsste sich überlegen: Gehe ich zum Versi- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723030 (A) (C) (B) (D) cherungsberater, zum Versicherungsvermittler oder doch eher zum Finanzanlageberater? Dabei sage ich „müsste“; denn wem sind die gewerberechtlichen Unterschiede zwischen diesen Berufsgruppen überhaupt bekannt? Ähnlich wie bei der Rechts- und Steuerberatung brauchen wir ein einheitliches Berufsbild des Finanz- beraters, der Verbraucherinnen und Verbraucher umfas- send und unabhängig bei ihren Anlageentscheidungen zur Seite steht. Zusammengehörende Themenkomple- xe wie die Offenlegungs- und Informationspflichten in MiFID II und IDD müssen dafür inhaltlich kongruent sein. Es darf beispielsweise nicht passieren, dass für Fi- nanzprodukte andere Offenlegungspflichten gelten als für kapitalbildende Versicherungen. Mit ihrem jüngsten Änderungsantrag verschärft die Regierungskoalition die- se Problematik weiter. Ausgerechnet bei Altersvorsor- ge- und Basisrentenverträgen, also in zentralen Fragen der persönlichen Lebensplanung, sollen Kundinnen und Kunden die eigentlich nach der MiFID II vorgesehenen Informationen über Kosten und Nebenkosten erst auf Nachfrage zur Verfügung gestellt bekommen. Standar- disierung und Harmonisierung von Informationsblättern sind ein wichtiges Anliegen. Aber sie müssen auf dem höchstmöglichen Verbraucherschutzniveau stattfinden, wenn sie nicht als Einladung für Umgehungsgeschäfte genutzt werden sollen. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von den Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Dr. Andre Hahn, weite- ren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhe- bung des Artikel 10-Gesetzes und weiterer Gesetze mit Befugnis für die Nachrichtendienste des Bun- des zu Beschränkungen von Artikel 10 des Grund- gesetzes (G 10-Aufhebungsgesetz – G 10-AufhG) (Tagesordnungspunkt 23) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Wir beraten heute das G 10-Aufhebungsgesetz, einen Gesetzentwurf der Fraktion der Linken. Und um es gleich vorwegzuneh- men: Es passiert wirklich selten, dass hier ein Gesetzent- wurf gelesen wird, der so sehr die Zeichen der Zeit – kon- kret sind es hier die aktuellen Herausforderungen durch den internationalen Terrorismus – verkennt, wie dieser Entwurf. Worum geht es inhaltlich? Die vorgelegten Rege- lungsvorschläge sind schnell zusammengefasst: Den Nachrichtendiensten von Bund und Ländern sollen die Befugnisse entzogen werden, die das G 10-Gesetz ihnen einräumt; das Gesetz soll in Gänze aufgehoben werden. Nachrichtendienstliche Eingriffe in das Brief-, Post- oder Fernmeldegeheimnis wären nicht mehr möglich. Im Klartext: Abgesehen von den menschlichen Quellen wären Nachrichtendienste „blind“; sie müssten ihren Erkenntnisgewinn auf öffentlich zugängliche Quellen beschränken, im Klartext: Sie dürften nur noch googeln oder – etwas traditioneller – Zeitungsausschnitte sam- meln. Auf diese Idee, das G 10-Gesetz ersatzlos zu strei- chen und den Nachrichtendiensten das nach allgemeiner Ansicht aller Fachleute unverzichtbare Instrumentarium zu nehmen, muss man erst einmal kommen! Aber vielleicht nennt der Gesetzentwurf ja gute Grün- de für die Abschaffung von G 10-Maßnahmen. Welche Beweggründe werden angeführt? Zuerst heißt es, „dass die Nachrichtendienste mittelbar Aufgaben der Gefah- renabwehr- und der Strafverfolgung (mit)übernehmen“. Der Erklärungsansatz erscheint schlicht unverständlich; denn Aufgaben und Zuständigkeiten von Polizei und Strafverfolgungsbehörden einerseits und Nachrichten- diensten andererseits sind aus guten Gründen klar von- einander getrennt. Es wird ein weiterer Aufhebungsgrund genannt: Eine wirksame Kontrolle der G 10-Maßnahmen sei nicht möglich, da gemäß § 1 des Gesetzes über die Kontrol- le der Nachrichtendienste des Bundes allein die Bundes- regierung Gegenstand der Kontrolle sei. Das ist schlicht falsch! Ich zitiere aus einem Kommentar zu § 1 PKGrG, wo es klar und eindeutig heißt: „Die Kontrolle des Parla- mentarischen Kontrollgremiums ist auf die Bundesregie- rung und die ihr untergeordneten Nachrichtendienste des Bundes beschränkt“. Ein anderer Kommentar schreibt zu den Kontrollobjekten nicht minder eindeutig: „Beobach- tungsobjekt der parlamentarischen Kontrolle ist nur die Tätigkeit der in § 1 Satz 1 genannten drei Nachrichten- dienste des Bundes“. Es ist somit völlig klar, dass sich die Kontrolltätigkeit des PKGr nicht auf die Bundesre- gierung beschränkt. Die hier gegebene Begründung ist völlig falsch. Hinzu kommt, dass die G 10-Kommissi- on hier überhaupt nicht genannt wird. Die G 10-Kom- mission entscheidet von Amts wegen als unabhängiges und an keine Weisungen gebundenes Organ über die Notwendigkeit und Zulässigkeit sämtlicher durch die Nachrichtendienste des Bundes – Bundesnachrichten- dienst, Bundesamt für Verfassungsschutz, Militärischer Abschirmdienst – durchgeführten Beschränkungsmaß- nahmen im Bereich des Brief-, Post- und Fernmeldege- heimnisses nach Artikel 10 des Grundgesetzes. Wie man ihre Tätigkeit in diesem Zusammenhang hier übersehen kann, ist bemerkenswert. Da zudem die Reichweite der Aufgabe des PKGr, wie soeben gezeigt, zudem völlig falsch verstanden wird, kann man an dieser Stelle nur zu dem Schluss kommen: Dieser Gesetzentwurf ist – einmal abgesehen von allen politischen Bewertungen – bereits handwerklich missglückt und schon insoweit eine ärger- liche Fehlleistung. Wichtiger und viel problematischer als die dargeleg- ten formalen Unzulänglichkeiten des Gesetzentwurfs ist die inhaltliche Zielrichtung, die er verfolgt. Um das zu zeigen, müssen wir uns bloß die noch frische furchtba- re Blutspur anschauen, die der islamistische Terrorismus allein in der jüngsten Zeit durch Europa gezogen hat. Ich beginne quasi vor der Haustür: Amri, der Attentäter vom Breitscheidplatz, kommunizierte im Vorfeld – ich betone: im Vorfeld, denn ich komme später noch darauf zurück – unter Nutzung sogenannter Messengerdienste wie WhatsApp oder Telegram. Ein weiterer Terrorakt aus Deutschland: Die Planungen für einen Anschlag auf den Sikh-Tempel wurden gar innerhalb einer Whats- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23031 (A) (C) (B) (D) App-Gruppe geplant, zu der sich die Täter zusammen- schlossen. Und ganz aktuell: Nach den jüngsten An- schlägen in London fordert die britische Innenministerin Amber Rudd den Zugriff auf WhatsApp; die Sicherheits- behörden bräuchten den Zugang zu den verschlüsselten Nachrichten der einschlägigen Messengerdienste. Warum erwähne ich all das? Es zieht sich wie ein ro- ter Faden durch die Vorbereitungshandlungen aller terro- ristischen Anschläge – meine Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit – der jüngeren Vergangen- heit, dass die Kommunikation im Vorfeld über Messen- gerdienste vorgenommen wurde, die den Sicherheitsbe- hörden erhebliche Probleme bereiten, weil sie hier nicht mitlesen können. Ihnen fehlen sowohl die technischen als auch die rechtlichen Voraussetzungen zum Sammeln der dort kommunizierten Informationen. Was hat das jetzt alles mit dem vorliegenden Gesetz- entwurf zu tun? Nach allgemeiner Ansicht aller Sicher- heitsexperten brauchen wir ein Mehr an Überwachung der Kommunikation von Terroristen im Vorfeld von Anschlägen. Und die Linke fordert ein Weniger an tech- nischen Mitteln! Die offensichtlich nicht ausreichenden Möglichkeiten, die unsere Nachrichtendienste – darum hatte ich vorhin auf die Kommunikation im Vorfeld abge- stellt; ihre Überwachung obliegt nämlich den Nachrich- tendiensten, nicht den Polizeien – haben, wollen Sie noch einschränken, nein, sogar abschaffen. Es ist erstaunlich, in welchem Maße der Gesetzent- wurf nicht nur die innenpolitischen Zeichen der Zeit ver- kennt; verwunderlich ist zudem, dass kaum jemand in der Bevölkerung Verständnis dafür haben dürfte, wenn der Staat bei der Wahrnehmung seiner Kernzuständig- keit, der Gewährleistung der inneren Sicherheit, auf die bereits jetzt kaum ausreichenden Instrumente auch noch ohne Not verzichtet. Ich wage die Prognose, dass auch die Anhänger und Wähler der Linken zu schätzen wissen, wenn unser Staat angemessen gerüstet ist, um den He- rausforderungen durch den islamistischen Terrorismus wehrhaft gegenübertreten zu können. Daher erscheint mir der Anlass für die Vorlage dieses Gesetzentwurfs umso rätselhafter, je länger ich über ihn spreche. Schließlich bleibt die Frage: Wozu soll der Gesetzent- wurf denn überhaupt gut sein? Ein fachlicher Grund ist nicht erkennbar. Was ist es dann? Ich sage es Ihnen: Es ist ihr fast schon pathologisches Misstrauen gegenüber unseren Nachrichtendiensten. Ich versage mir Spekula- tionen, woher es rühren mag; ich verweise lieber darauf, dass unsere Nachrichtendienste wie im Übrigen auch alle anderen Sicherheitsbehörden viele Anschläge – nicht nur in Deutschland, sondern auch zum Schutz unserer Soldaten in Afghanistan – erfolgreich verhindert haben, weshalb sie unsere Unterstützung verdienen und kein ge- nerelles Misstrauen. Weltweit gibt es in jedem Land Nachrichtendienste; aber die Vorbehalte, die ihnen in Deutschland vor allem von Ihnen entgegengebracht werden, dürften weltweit einzigartig sein. Begleiten Sie die Arbeit der Nachrich- tendienste ruhig mit konstruktiver Kritik, und bringen Sie sich sachlich und kenntnisreich in die Debatte ein – aber verschonen Sie uns mit Gesetzentwürfen wie dem vorliegenden, der neben seinen handwerklichen Feh- lern auch inhaltlich in die völlig falsche Richtung geht. Wenn Sie sich in den Debatten zur inneren Sicherheit, die Deutschland auf absehbare Zeit beschäftigen werden, Gehör verschaffen wollen: Konzentrieren Sie sich auf seriöse Reformvorschläge, und Sie werden auch gehört werden. Legen Sie weiterhin Gesetzentwürfe dieser Art vor, kann Sie niemand ernst nehmen. Ich glaube kaum, dass das Ihr politisches Ziel sein kann. Clemens Binninger (CDU/CSU): Eine starke und wehrhafte Demokratie braucht leistungsfähige und pro- fessionelle Nachrichtendienste, die in der Lage sind, mit ihrer Arbeit die Sicherheit im Land zu gewährleisten. Dies gilt besonders in Zeiten großer Herausforderun- gen, wie wir sie momentan erleben. Zu dieser Arbeit der Sicherheitsbehörden kann und muss auch die Überwa- chung der Telekommunikation von extremistischen Ge- fährdern gehören. Es geht im Artikel 10-Gesetz um eine Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses nach Arti- kel 10 unseres Grundgesetzes. In § 1 heißt es ganz deut- lich, dass die Überwachung und Aufzeichnung von Tele- kommunikation zur Abwehr von drohenden Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder den Bestand oder die Sicherheit des Bundes erfolgen kann, wenn hierfür tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. Ich bin der Meinung, dass eine solche Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses zu rechtferti- gen ist. Sie ist deshalb zu rechtfertigen, weil es hierbei nicht um eine willkürliche Überwachung von beliebigen Bür- gerinnen und Bürgern geht, sondern weil es eine ganz gezielte Maßnahme ist, die dazu beiträgt, die Sicherheit der Bundesrepublik bei einer konkreten Gefahr sicher- zustellen. Es ist doch zwingend erforderlich, dass unsere Nachrichtendienste die Kommunikation von Terroristen aufzeichnen und überwachen, um Terroranschläge effek- tiv verhindern zu können. Zudem müssen wir doch nach- vollziehen können, mit wem diese Terroristen in Kontakt standen, um an Hintermänner und deren Netzwerke he- ranzukommen. Der vorgelegte Gesetzentwurf soll die Handlungsfä- higkeit der Nachrichtendienste in einer Zeit, in der wir alles Notwendige tun sollten, die innere Sicherheit weiter zu stärken, massiv einschränken. Das ist angesichts der aktuellen Bedrohungen nicht nur total falsch, sondern in Bezug auf unsere Sicherheitsinteressen sogar fahrlässig. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Die Lin- ke, Sie führen in Ihrer Begründung aus, dass eine Kon- trolle der Maßnahme nicht gewährleistet sei. Lassen Sie mich kurz begründen, warum das nicht stimmt: Mit der G 10-Kommission haben wir ein unabhängiges Gremium, das über die Zulässigkeit von solchen Beschränkungs- maßnahmen entscheidet. Die Beschränkungsmaßnahmen können erst vollzogen werden, wenn die G 10-Kommis- sion den Antrag der Sicherheitsbehörde genehmigt hat, der zuvor auch vom Bundesministerium des Innern als berechtigt eingestuft wurde. Ansonsten kann eine solche Überwachung aufgrund des Artikel 10-Gesetzes nicht Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723032 (A) (C) (B) (D) erfolgen. Selbst wenn die Umstände es erfordern, sofort Daten zu erheben, können diese nur mit Zustimmung der Kommission, die in diesem Fall innerhalb von 24 Stun- den erfolgen muss, ausgewertet werden. Andernfalls sind sie unverzüglich wieder zu löschen. Die zwingend notwendige parlamentarische Kontrolle ist daher im Ar- tikel 10-Gesetz gegeben. Den Nachrichtendiensten in der Begründung Ihres Entwurfs zu unterstellen, die Maßnah- me teilweise durchzuführen, ohne dies vorher zu beantra- gen, da sie darin keinen Eingriff in die Grundrechte se- hen würden, halte ich nicht nur für sehr abwegig, sondern schlicht auch für unprofessionell. Unsere Nachrichtendienste wurden in den vergange- nen Jahren mehrfach – und teilweise ja auch zu Recht – kritisiert; dennoch waren und sind sie für unsere Sicher- heit von höchster Bedeutung. Wir haben in den letzten Jahren erlebt, dass unsere Nachrichtendienste vor großen technischen Herausforderungen stehen; denn Terroristen nutzen immer mehr verschlüsselte Kommunikationswe- ge. Daher war es auch zwingend notwendig, mit ZITIS eine zentrale Stelle zur Beratung und Unterstützung der Terrorismusbekämpfung ins Leben zu rufen, die unsere Sicherheitsbehörden bei diesen neuen Herausforderun- gen zur Seite steht. Die innere Sicherheit so leichtfertig infrage zu stel- len, wie Sie das tun, halte ich für sehr gefährlich. Zum Kampf gegen den islamistischen Terrorismus sollten wir den Nachrichtendiensten alle notwendigen Instrumente zur Verfügung stellen, damit Anschläge in Zukunft noch effektiver verhindert werden können. Ihnen die notwen- digen Instrumente mit einem solchen Gesetzentwurf wieder wegnehmen zu wollen, entbehrt daher jeglicher Logik. Welchen Eindruck macht es denn auf die Bürge- rinnen und Bürger, wenn die Sicherheit im Falle einer konkreten Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht gewährleistet werden kann, weil die Nachrichtendienste nicht die notwendigen Maßnahmen anwenden können? Ihr Entwurf zeigt wieder einmal, dass eine vernünftige Sicherheitspolitik mit Ihrer Fraktion nicht zu machen ist. Ich möchte dazu auch ganz klar sagen: Wer die Nach- richtendienste langfristig abschaffen will, der trägt sicher nicht zur Sicherheit in unserem Land bei. Gleichzeitig stellt sich dann auch die Frage, ob man mit so einer Ein- stellung die Nachrichtendienste überhaupt objektiv kon- trollieren kann. Der Gesetzentwurf jedenfalls verhindert die wichtige professionelle nachrichtendienstliche Arbeit, schränkt unsere Sicherheitsbehörden in ihren Möglichkeiten mas- siv ein und ist daher abzulehnen. Uli Grötsch (SPD): Die Linke bringt heute einen zweifelhaften Gesetzentwurf zur Abschaffung des so- genannten G 10-Gesetzes ein. Das G 10-Gesetz ist die rechtliche Grundlage dafür, dass unsere Nachrichten- dienste des Bundes und die Verfassungsschutzbehörden der Länder zur Terrorabwehr Grundrechtseingriffe in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis tätigen können. Nach dem Willen der Linken, brauchen unsere Nach- richtendienste in Zukunft diese Befugnisse nicht mehr. Nachrichtendienstliche Aufklärungsarbeit, zum Beispiel das Abhören von Telefonaten, um Terroranschläge zu verhindern, sind dann nicht mehr möglich. Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll? Vielleicht handelt es sich ja um einen verfrühten und missglückten Aprilscherz? Ihr Gesetzentwurf reiht sich in andere ähnliche Forderungen wie die Abschaffung des Verfassungsschutzes in Gänze etc. ein und ist so absurd, dass ich als Sicherheitspolitiker nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen kann. Dieser Vorschlag sei ein erster Schritt zur Auflösung der Nachrichtendienste, das schreiben Sie ja auch hier. Ich will gerne versuchen – weil Sie es ja offenbar nicht verstehen –, Ihnen zu erklären, warum unsere Nachrich- tendienste die Befugnisse, die sie haben, auch brauchen. Sie schreiben: Durch die Abschaffung des G 10, das den Nachrichtendiensten des Bundes die Befugnis zur Beschränkung der Grundrechte aus Artikel 10 GG zu- gesteht, entstehe keine Schutzlücke. Das ist eine sehr waghalsige Behauptung. Sie argumentieren, dass es ja das BKA-Gesetz und § 100 a StPO gibt. Liebe Kollegin- nen und Kollegen von den Linken, Strafverfolgung ist doch etwas völlig anderes. Bei G 10 geht es um terroris- tische Bedrohungen, die möglichst im Vorfeld weiterer Konkretisierung entdeckt werden sollen, also setzt G 10 vor der polizeilichen Gefahrenschwelle an. Aufklärung im Vorfeld, das ist es, was Nachrichtendienste tun, ob es Ihnen gefällt oder nicht. Ich finde, unsere Nachrich- tendienste machen ihren Job hervorragend; davon habe ich mich erst diese Woche für den Bereich Cyberabwehr überzeugt. Die angeblich ausreichenden Grundlagen, die Sie nen- nen, setzen doch eine konkretere Gefahr voraus im Ge- gensatz zu den Befugnissen nach G 10. Aber auch diese Grundlagen, BKAG und § 100 a StPO, sind Ihnen ja wie- derum nicht gut genug. Sie sollen so zurechtgestutzt wer- den, dass notwendige grundrechtsintensive Maßnahmen am besten gar nicht mehr gehen. Und dann noch behaup- ten, es entstünde keine Schutzlücke? Das geht gar nicht. Ich sage Ihnen noch etwas: Ihr Antrag ist aus 2015. In der Zwischenzeit sind in Deutschland furchtbare terroris- tische Angriffe geschehen. Und dennoch legen Sie diese abenteuerliche Vorlage vor? Sie bemängeln doch im Fall Anis Amri Behördenhandeln und wollen als Antwort da- rauf die nachrichtendienstlichen Aufklärungsmöglichkei- ten wegnehmen? Sie blamieren sich mit Ihrem Entwurf, der schnellstmöglich in der Mülltonne landen sollte. Er ist nichts weiter als verantwortungslos. Ich möchte auch auf den Bereich „parlamentarische Kontrolle der Nachrichtendienste“ eingehen, weil ich Mitglied in diesem Gremium bin und weil das nicht richtig ist, was Sie dazu schreiben. Sie schreiben, dass das PKGr allein die Tätigkeit der Bundesregierung in Bezug auf Nachrichtendienste kontrolliert und nicht direkt die Nachrichtendienste. Dann frage ich Sie: Wer trägt denn die politische Verantwortung für das Handeln der Nachrichtendienste? Wem gegenüber sind denn die Dienste weisungsgebunden und rechenschaftspflichtig? Außerdem möchte ich Sie daran erinnern, dass wir die parlamentarische Kontrolle gerade deutlich gestärkt ha- ben. Dass Sie das in Ihrem Antrag jetzt als „Kosmetik“ Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23033 (A) (C) (B) (D) bezeichnen und Ihnen die Kontrollbefugnisse nicht weit genug gehen, kann ich aus Ihrer Warte verstehen. Wir als SPD sehen das jedenfalls als ersten Schritt in die richtige Richtung. Ich möchte außerdem etwas Grundsätzliches zum Schluss sagen: Ihr Gesetzentwurf zeugt von tiefem Miss- trauen gegenüber den Nachrichtendiensten und ihren Tä- tigkeiten. Ich glaube, dass Sie den Tausenden Mitarbeite- rinnen und Mitarbeitern, die jeden Tag für die Sicherheit in Deutschland ihren Dienst verrichten, unrecht tun. Auch dank unserer Nachrichtendienste haben wir bereits zahlreiche terroristische Anschläge in den letzten Jahren vereitelt. Jetzt tun Sie in Ihrem Gesetzentwurf so, als ob die Nachrichtendienste willkürlich zum Selbstzweck in die Grundrechte von unschuldigen Bürgerinnen und Bür- gern eingreifen und nicht ausreichend an die Kette gelegt werden. Das ist undankbar. Daran ändert auch nichts, dass Sie die Mitarbeiter, die durch Ihren Vorschlag ihren Job verlieren würden, durch Umschulungen in andere Behörden verfrachten wollen. Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Wir reden heu- te über einen von der Fraktion Die Linke vorgelegten Gesetzentwurf. Es geht uns mit diesem Gesetzentwurf darum, den Nachrichtendiensten des Bundes die Befug- nis zu entziehen, einen Eingriff in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis vorzunehmen. Das sogenannte G-10-Gesetz – das steht für Artikel 10 GG – und weitere Gesetze räumen den Nachrichtendiensten des Bundes ge- nau diese Befugnis ein. Ein Eingriff in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheim- nis ist für eine Demokratie immer ein schwerwiegender Eingriff, weil die Möglichkeit, frei von staatlicher Kennt- nisnahme zu kommunizieren, wesentlicher Bestandteil einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist. Wir sind der Auffassung, dass dieser Eingriff so schwer und die Hürde für den Eingriff durch Nachrichtendienste des Bundes und die Verfassungsschutzbehörden der Län- der so gering ist, dass ein Rechtsstaat auch ohne diese Eingriffe auskommen kann, ohne dass Sicherheitslücken entstehen. Es ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das G-10-Ge- setz die Befugnisse zur Einschränkung der Telekommu- nikationsfreiheit für die Landespolizeien, die Bundespo- lizei und das Bundeskriminalamt unberührt lässt. Deren Befugnisse zur Einschränkung der Telekommunikations- freiheit sind im BKAG und in der StPO geregelt. Wir nehmen also keine Einschränkung der Befugnisse für die Landespolizeien, die Bundespolizei und das Bundeskri- minalamt vor. Wir beschränken uns ausdrücklich auf die Nachrichtendienste des Bundes. Das hat auch eine innere Logik. Die einfache und bestechende Logik besteht darin, dass der Rechtsstaat wieder vom Kopf auf die Füße gestellt wird. Ein grund- legendes Prinzip des Rechtstaates besteht darin, von staatlichen Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen ausgenommen zu sein, soweit keine Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Verhalten vorliegen. Für die Bekämpfung von Straftaten sowie die Abwehr von Gefahren entsteht keine Schutzlücke, soweit auf das G-10-Gesetz verzichtet wird. Die in den §§ 3, 5 und 8 G-10-Gesetz benannten Gefahren fallen als Straftaten in den Bereich des § 100 a StPO und in die Zuständigkeit des deutschen Strafrechts. Wir haben das in der Anla- ge 1 unseres Gesetzesentwurfes detailliert dargestellt. Da nicht nur die Begehung von Straftaten nach dem Straf- gesetzbuch strafbar ist, sondern im konkreten Fall auch der Versuch, kann mit den Mitteln der StPO also bereits vor Schadenseintritt gearbeitet werden. Wer eine Straftat des Kataloges des § 100 a StPO versucht, hat wiederum keinen Anspruch darauf, von staatlichen Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen verschont zu bleiben. Das tatsächliche Problem besteht ja derzeit darin, dass bis auf die Entführungsfälle nach § 8 G-10-Gesetz die anderen Voraussetzungen für eine Einschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses niedriger lie- gen als für die Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbe- hörden. Im G-10-Gesetz werden „tatsächliche Anhalts- punkte“ verlangt, im § 100 a StPO hingegen „bestimmte Tatsachen“. Für strategische Beschränkungsmaßnahmen wiederum soll weder eine konkrete Gefahr, wie sie tradi- tionell im Bereich der Gefahrenabwehr gefordert wird, noch gar ein hinreichender Tatverdacht, der Maßnahmen im Bereich der Strafverfolgung erlaubt, ausreichend sein, um in das Grundrecht nach Artikel 10 GG einzugreifen. Das finden wir aus dem genannten Grund problematisch. Hinzu kommt, dass damit die Nachrichtendienste des Bundes Aufgaben der Strafverfolgung und Gefahrenab- wehr zumindest mit übernehmen. Die Frage der tatsächlich nicht zu realisierenden Kontrolle hinsichtlich der Einhaltung der Vorgaben des G-10-Gesetzes durch die Nachrichtendienste würde sich bei einer Abschaffung des G-10-Gesetzes nicht stellen. Durch das Parlamentarische Kontrollgremium werden nicht die Nachrichtendienste des Bundes kontrolliert, sondern allein die Tätigkeit der Bundesregierung in Be- zug auf die Nachrichtendienste. Die vom Parlamentari- schen Kontrollgremium bestellte G-10-Kommission ent- scheidet nach § 15 G-10-Gesetz von Amts wegen oder aufgrund von Beschwerden über die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Beschränkungsmaßnahmen. Sie soll insoweit an die Stelle eines Gerichtes treten. Dabei ist aber zu beachten, dass das Verfahren wie folgt abläuft – ich zitiere –: Der jeweilige Dienst stellt einen Antrag beim Bun- desministerium des Inneren. Das Ministerium prüft den Antrag … Wenn es ihn für berechtigt hält, ge- nehmigt es diesen Antrag und erlässt eine entspre- chende Anordnung, die aber in der Regel nicht voll- zogen darf, bevor nicht die G-10-Kommission ihre Zustimmung erteilt hat. So Huber in vorgänge Nr. 206/207, S. 43. Die G 10-Kommission kann also lediglich das ge- nehmigen, was Nachrichtendienste des Bundes bei ihr beantragen. Soweit die Nachrichtendienste des Bundes der Ansicht sind, es liege überhaupt kein Eingriff in das Grundrecht aus Artikel 10 GG vor, wird die G 10-Kom- mission davon nichts erfahren und kann demzufolge auch Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723034 (A) (C) (B) (D) keine Entscheidung treffen. Leider hat der NSA-Skandal gezeigt, dass dies nicht nur ein theoretisches Szenario ist. Lassen Sie mich am Ende noch etwas klarstellen. Die von dem Wegfall der Aufgaben nach dem G-10-Gesetz betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen in anderen Behörden, gegebenenfalls nach einer Umschu- lung, eine Anstellung finden. Denn für uns als Linke ist klar, ein Stellenabbau im öffentlichen Dienst ist mit dem vorliegenden Gesetz nicht angestrebt, da dies eine rote Haltelinie überschreiten würde. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit diesem Gesetzentwurf, für den die Linke primär ein „Fleißkärtchen“ verdient, will sie das G-10-Gesetz aufheben und diverse Gesetze bezüglich Telekommunikationsüberwachung anpassen. Das „G 10“ sei für die Bekämpfung der darin genannten Gefahren weder geeignet, erforderlich noch angemessen. In weitem Umfang Kritik an zunehmender Telekom- munikationsüberwachung – wir haben dies schon weit früher kritisiert, als es Linke bzw. PDS noch gar nicht gab. Die Problemanalyse und Schlussfolgerung der Lin- ken in ihrem Gesetzentwurf ist aber in mehrfacher Hin- sicht unscharf, unzutreffend und nicht weitreichend ge- nug. Unscharf ist die Analyse zum Beispiel, weil die Lin- ken das Problem zunehmender Kommunikationsüber- wachung nicht, wie nötig, schon verorten bei der 1968 verfügten Einschränkung des Grundrechts auf Fernmel- defreiheit. Vielmehr setzt die Kritik der Einbringer erst an bei dem Ausführungsgesetz hierzu, dem G 10. Dieses Gesetz ist in der Tat seither vielfach erweitert worden, wie auch wir kritisiert haben. Unzutreffend scheint uns etwa die Analyse hinsicht- lich des Umfangs bzw. der zahlenmäßigen Bedeutung formeller G-10-Überwachungen; denn nach dem kürz- lich veröffentlichten Bericht des Bundestages hat der BND im Jahr 2015 aus 2 000 strategisch erfassten Kom- munikationen nur 52 als relevant eingestuft und weiter- bearbeitet. Die Presse fasste dies ironisch zusammen als „eine Mail pro Woche“. Ähnlich gering sind die Zahlen bei individueller G-10-Überwachung. Demgegenüber sind nach Quantität und Qualität weit bedeutsamer die millionenfachen Massenüberwachungen sogenannter Routineverkehre, die der BND im Ausland durchführt. Dazu hat der NSA-Untersuchungsausschuss ja sehr vie- le Details zutage gefördert. Dieses Problem aber würde nicht beseitigt, ja soweit erkennbar, nicht einmal berührt durch den Gesetzentwurf. Insofern ist dieser Regelungs- entwurf nicht weitreichend genug. Die Schlussfolgerungen des Gesetzentwurfs sind so- gar teils richtiggehend kontraproduktiv. Ein Beispiel: Wir teilen zwar die Analyse des Gesetzentwurfs, die im G 10 vorgesehene sogenannte G 10-Kommission zur Kontrol- le solcher Überwachungen sei zu schwach ausgestaltet und werde durch die Regierung sogar ausgetrickst. Doch die daraus gezogene Folgerung des Gesetzentwurfs, die- ses Kontrollgremium ganz abzuschaffen, verbessert die- se Lage überhaupt nicht. Ein zweites ärgeres Beispiel: Die Initiatoren des Ent- wurfs meinen, bei Abschaffung des G 10 könnte ja ent- sprechende Kommunikationsüberwachung künftig alter- nativ durch die Polizei durchgeführt werden aufgrund § 100 a StPO, ohne dass eine Schutzlücke verbleibe. Die Folgerung, der Polizei noch mehr bisher geheimdienst- liche Befugnisse zu übertragen, halten wir schon für rechtspolitisch zumindest bedenklich. Uns scheint außerdem die Annahme, die G-10-Befug- nisse könnten alternativ 1 : 1 wahrgenommen werden durch schon bestehende polizeiliche Befugnisse, auch rechtlich nicht sorgfältig subsumiert zu sein, sondern eher vom politischen Bemühen darum getragen. Au- ßerdem: Wenn bloß die wahrnehmenden Behörden und Rechtsgrundlagen ausgetauscht würden, wo läge dann überhaupt der Mehrwert für die Bürgerrechte, den Um- fang der Überwachung zu reduzieren? Schließlich glauben offenbar die Einbringer selbst nicht ihre kühne These, bei Abschaffung des G 10 dro- he keine Schutzlücke. Die Einbringer schreiben nämlich auf Seite 28 ihres Entwurfs als letzten Satz selbst ein- schränkend: „Es ergibt sich mithin keine Schutzlücke, wenn §§ 5 und 8 G 10 abgeschafft werden. Jedenfalls dann nicht, wenn es um die Sicherheit der Bundesrepu- blik Deutschland geht.“ Damit räumen die Initiatoren des Entwurfs selbst drohende Schutzlücken ein, wenn die strategische Auslandsüberwachung – § 5 – entfiele, die über Deutschland hinaus etwa auf internationalen Waf- fenhandel und Kriegsgefahren zielt. Denn wer sollte das mit welchen technischen Mitteln ersetzen, etwa die deut- sche Polizei? Und noch deutlicher wird die verbleibende Schutz- lücke im zweiten von den Linken genannten Bereich, in § 8, nämlich der Kommunikationsüberwachung des BND zugunsten im Ausland entführter Personen. Wie stellt sich die Linke da die Alternative vor? Sollen künf- tig stattdessen etwa deutsche Polizisten mit Richtmikro- fon und Peilgerät irgendwo durch den Urwald robben, um Entführte zu orten? Ich karikiere dies hier bewusst. Doch schon diese we- nigen Beispiele zeigen: Über diesen Gesetzentwurf soll- ten auch die einbringenden Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion nochmals vertieft nachdenken. Dazu haben wir miteinander im Ausschuss Gelegenheit. Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirt- schaft und Energie zu dem Antrag des Bun- desministeriums für Wirtschaft und Energie: Anpassungsvertrag ERP-Förderrücklage Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages gemäß § 6 Absatz 3 des ERP-Verwaltungsgesetzes (Tagesordnungs- punkt 24) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23035 (A) (C) (B) (D) Astrid Grotelüschen (CDU/CSU): Am 11. Januar 2017 hatte das Bundeskabinett dem Entwurf eines Ände- rungsvertrages zwischen dem ERP-Sondervermögen und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zur Härtung der Kapitalrücklage (ERP-Förderrücklage I) zugestimmt. Gleichzeitig wurden die allgemeinen Eckpunkte für ein künftiges intensives Engagement der KfW im Be- reich Wagniskapital- und Beteiligungsfinanzierung be- schlossen. Heute wollen wir den Forderungen der BaFin, die eine Härtung der Förderrücklage I der KfW verlangt, mit einem sogenannten Anpassungsvertrag zustimmen, mit dem wir die Vereinbarkeit der ERP-Förderrücklage mit den Vorgaben der Kapitaladäquanzverordnung und deren Zurechnung als Kernkapital der KfW eindeutig regeln. Darüber hinaus, und das ist aus meiner Sicht nicht weniger wichtig, geht es weiterhin darum, die seit fast 70 Jahren bewährte KfW-Förderung qualitativ und quan- titativ für ein neues Jahrzehnt aufzustellen. Dabei gilt es bei Zeiten langanhaltender niedriger Zinsen den Bedarf der mittelständischen Wirtschaft ab- zufragen und der Nachfrage nach den unterschiedlichen Kredit- bzw. Finanzierungsmodellen Rechnung zu tra- gen. Hier ist aus meiner Sicht der Schritt der KfW, ein zusätzliches Engagement im Bereich der Beteiligungsfi- nanzierung am Markt anzubieten, zu unterstützen. Aber zunächst kurz zum Verständnis der Hintergrün- de, die eine Neuordnung der ERP-Wirtschaftsförderung erforderlich machen: 2007 wurde ein Teil des Sondervermögens in unsere Durchführungsorganisation KfW eingebracht, darunter 4,65 Milliarden Euro als Kapitalrücklage. Die Bundesan- stalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hatte vor einem Jahr festgestellt, dass diese Kapitalrücklage aber nicht den Vorgaben im Zusammenhang mit „Basel III“ entspricht und deshalb nicht mehr dem harten Kernkapi- tal der KfW zugerechnet werden kann. Damit das Fördervolumen, die gesamten Überschüs- se des Sondervermögens, jedoch zur Finanzierung zur Verfügung gestellt werden kann, muss eine „Härtung“ erfolgen. Leider blieb in den vergangenen Jahren die tatsäch- liche Förderleistung unter der angestrebten Mindest- zielgröße zurück. Obwohl der Bundesrechnungshof hier mehrfach intervenierte und wiederholt darauf hingewie- sen hatte, kam es nicht zu einer Veränderung im Förder- portfolio, das zur Verfügung stehende Kapital wurde von den Unternehmen nicht abgefragt. In diesem Punkt gilt es, für die Zukunft das Instru- mentarium und die Angebote so zu verändern, dass es zu einem verbesserten Mittelabfluss der 800 Millionen Euro, die alleine im Jahr 2015 zur Verfügung stehen, kommen kann – Förderkredite, die elementarer Bestand- teil der KfW-Förderung sind. Zusätzlich machen wir auch mit unserem Entschlie- ßungsantrag deutlich, dass es für mittelständische Unter- nehmen, Start-ups einen sehr großen Bedarf im Bereich der Beteiligungsfinanzierung und auch des Wagniskapi- tals gibt. Aus meiner Sicht existiert daher geradezu eine för- derpolitische Notwendigkeit, diese Innovationsfähigkeit ganz besonders zu stärken. Es müssen hier umfassende Angebote geschaffen werden, vor allem in der Wachs- tumsphase dieser Unternehmen. Zwar sind im letzten Jahr 12 Millionen Euro als Grün- derkredite über die KfW zum Beispiel in Start-ups in meinen Landkreis Oldenburg geflossen. Dies ist aber hier wie auch auf ganz Deutschland bezogen zu wenig. Zum Vergleich: In den USA werden circa 60 Milli- arden in Wagniskapital investiert, in Deutschland aber lediglich 800 Millionen Euro. Um diese strukturelle Schwäche zu beseitigen, müs- sen wir also neue Instrumente finden. Der zehn Jahre alte Vertrag zwischen dem ERP-Sondervermögen und der KfW ist auch aus diesem Grunde anzupassen. Unser übergeordnetes Ziel ist klar: die Potenziale des ERP-Sondervermögens auszuschöpfen, um damit die Förderkraft nachhaltig zu erhöhen. Wir müssen seit lan- gem brach liegendes Kapital endlich für die Förderung nutzen. Unsere Erwartung an die KfW ist, dass sie in Hinblick auf veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen und unterschiedliche Bedürfnisse unserer Unternehmen ihre Förderaufgaben flexibel anpasst und kompetent gestal- tend tätig wird. Damit könnten wir, gemeinsam mit der größten natio- nalen Förderbank der Welt, einen wichtigen Beitrag zur Stabilität und zudem zum wirtschaftlichen Wachstum in Deutschland leisten. Konkretes Ziel ist es dabei, in mehreren Stufen ein marktrelevantes Volumen für eine Beteiligungsfinanzie- rung mit Unterstützung der KfW aufzubauen. Angestrebt wird eine Verdopplung des Wagniskapi- talvolumens in Deutschland zum Vergleichsjahr 2016 in den kommenden Jahren insbesondere durch Privatwirt- schaft, den Bund und unter Einbeziehung verlässlicher europäischer Finanzpartner. Deshalb fordern wir nicht zuletzt mit dem vorliegen- den Entschließungsantrag, jährlich ausführlich über die ERP-Förderung informiert zu werden. Denn die Informationen über die aktuelle Situation beim ERP-Sondervermögen im Allgemeinen und eine nachhaltige KfW-Beteiligungsfinanzierung im Besonde- ren sind für eine sinnvolle Förderpolitik unerlässlich. Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Der Wohlstand von morgen, das sind die Unternehmensgründungen von heu- te. Deshalb müssen wir schauen, dass wir die Vorausset- zungen schaffen, dass Gründungen von der Idee bis zum Börsengang – bis zum Global Player – in Deutschland auf ein bestmögliches Umfeld stoßen. Dabei müssen wir Risiken eingehen, dabei muss der Unternehmer Vorbild sein dürfen, und dabei brauchen wir Geschichten, die be- geistern und zum Nachahmen einladen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723036 (A) (C) (B) (D) Zahlen und Fakten: Die Verfügbarkeit an Wagniskapital ist in Deutsch- land im Verhältnis zur Größe unserer Volkswirtschaft sehr gering. Der Anteil des investierten Wagniskapitals am Bruttoinlandsprodukt liegt bei etwa knapp 0,03 Pro- zent – im Vergleich liegt dieser Anteil in den USA bei 0,33 Prozent. Anders ausgedrückt: In den USA werden circa 60 Milliarden Euro in Wagniskapital investiert, in Deutschland 800 Millionen – obwohl unser BIP ein Sechstel der USA beträgt. Venture-Capital-Fonds in Frankreich und Großbri- tannien können im Vergleich deutlich mehr Kapital ein- sammeln: 2011 bis 2015 nahmen Venture-Capital-Fonds in Großbritannien 1,8 Milliarden Euro, in Frankreich 1,4 Milliarden Euro, in Deutschland hingegen ledig- lich 736 Millionen Euro Kapital auf. Fest steht also, für Gründer und junge aufstrebende Unternehmen steht in Deutschland zu wenig Wagniskapital zur Verfügung. Schaut man sich den Markt für Beteiligungsfinanzie- rungen genauer an, dann finden sich die Finanzierungs- schwierigkeiten für junge, schnell wachsende Unter- nehmen vor allem bei der Anschlussfinanzierung in der Start-up- und frühen Wachstumsphase. Diese Angebots- lücke liegt in einer Größenordnung von jährlich mindes- tens 500 Millionen Euro. Ich glaube jedoch, dass das Po- tenzial noch wesentlich höher ist. Oft spielt Deutschland in den Anfangsphasen der Entwicklung neuer Technologien, auch aufgrund der hervorragenden Förderlandschaft, ganz vorne mit, aber die Wachstumsphase scheitert nicht selten an fehlenden Finanzierungsmöglichkeiten. Innovative Unternehmen werden in der Gründungsphase häufig mit öffentlichen Mitteln finanziert, die Marktreifephase wird aber häufig ausländischen Venture-Capital-Gebern überlassen. Dies gefährdet mittel- und langfristig die Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) muss ein ausreichendes Kapitalangebot speziell in der Phase, in der die Unternehmen neue Märkte erschließen und schnell wachsen, zur Verfügung gestellt werden, damit sie „durchhalten“ können und nicht scheitern. Um diese strukturelle Schwäche im Bereich der Wachstumsfinanzierung zu beseitigen, muss man auch in Deutschland kreative Wege gehen. Ziel für Deutschland muss sein, den Bereich der Wag- nisfinanzierungen zu stärken. Wir benötigen langjährig erfahrene Management-Teams, denen es über mehrere Fonds-Generationen hinweg gelingt, Gelder in substan- zieller Größenordnung von erfahrenen Investoren einzu- sammeln. Ein neu zu entwickelndes Instrument der KfW kann hier beispielsweise als Ankerinvestor behilflich sein. Stand bisher: Die von der KfW geplanten Förderhöhen für den Mittelstand durch die Programme des ERP-Sonderver- mögens können momentan nicht vollständig erfüllt wer- den. Dies liegt vor allem am Niedrigzinsumfeld, in dem Zinsverbilligungen nicht mehr die gewünschte Wirkung entfalten können. 2015 fand bereits eine Neuausrichtung der Beteili- gungsfinanzierung innerhalb der KfW in Abstimmung mit dem Bundeswirtschaftsministerium statt, fokussiert auf die Finanzierung von Fonds. Die bereits bestehen- den Instrumente High-Tech Gründerfonds, coparion und ERP-VC-Fondsinvestprogramm wurden erfolgreich wei- terentwickelt. Seit 2015 hat die KfW mithilfe der genannten drei Instrumente 181 Millionen Euro – davon 112 Millionen Euro gemeinsam mit dem ERP-Sondervermögen – in den deutschen Venture-Capital Markt-investiert. Gerade die Gründungen in der Startphase finden also ein intaktes Förderinstrumentarium vor. Neue Schritte: Ein Ausbau der Beteiligungsfinanzierung innerhalb der KfW soll daher ein zweites Förderstandbein schaffen, mit dem ein verbessertes Kapitalangebot in der besonders kapitalintensiven Wachstumsphase von Unternehmen erreicht werden soll. Ziel ist es, in mehreren Stufen ein marktrelevantes Volumen für Beteiligungsfinanzierung in Deutschland mithilfe der KfW aufzubauen. Konkret sollen Beteiligungs- und Mezzaninfinanzierungen beihil- fefrei und in allen Marktsegmenten und Strukturierungs- formen ermöglicht werden. Aber: Öffentliche Mittel können die Angebotslücke nur teilweise schließen. Bedeutsamer ist die Hebelwir- kung zur Mobilisierung privater Investoren. Beteiligungsgesellschaft: Eine Beteiligungsgesellschaft, die private Kapitalge- ber hinzuzieht, kann hier ansetzen. Zudem muss gewährleistet werden, dass durch eine solche Gesellschaft marktgerechte Investitionsentschei- dungen getroffen werden. Es wird sicher zusätzlichen Know-hows bedürfen, um diese neuen Aufgaben zu stemmen. Aber dieses Engagement wird sich lohnen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Europäische Inves- titionsfonds (EIF), auch wenn natürlich keine Eins-zu- eins-Umsetzung auf die Bundesebene erfolgen soll und kann. Es braucht vor allem eine eigene Struktur, die auf die spezifischen Bedürfnisse der deutschen Wagniskapi- talindustrie eingehen kann. Die klassische Einteilung junger Firmen in Seed-, Start-up- oder Growth-Phase korreliert nicht direkt mit den Mittelbedarfen. Ein Internet-Start-up kann mit 1 Mil- lion ein fertiges Produkt entwickeln, für ein Unterneh- men der Medizintechnik- oder Pharmabranche oder der erneuerbaren Energien ist es ein Tropfen auf den heißen Stein. Für reife Unternehmen können Venture-Debt- oder Mezzanin-Finanzierungen der richtige Baustein sein. Jedwede Wagniskapitalförderung muss sicherstellen, dass langfristig Marktteilnehmern die für sie relevanten Angebote zur Verfügung stehen. Wir brauchen in Deutschland sicher auch eine höhere Bereitschaft, Risiken einzugehen. „Wer wagt, gewinnt“ – das gilt vor allem bei disruptiven Veränderungsprozes- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23037 (A) (C) (B) (D) sen. Abwarten macht die Wahrscheinlichkeit, nicht zu gewinnen, hingegen umso höher. Ich wünsche mir auch innerhalb der Konzerne Deutschlands mehr Abteilungen, die gezielt in deutsche Start-ups investieren, anstatt dies gar nicht oder nur in Übersee zu tun. Aber auch institutionellen Anlegern sollte der Rahmen gegeben werden, verstärkt in Wagniskapital zu investie- ren. Dies fördert letztlich die Diversifizierung, auch weil die Zyklen oft gegenläufig zu denen der Kapitalmärkte verlaufen. Hier besteht gerade in Deutschland noch ein hohes Potenzial. Mit der Schaffung eines neuen Instruments zur Förde- rung von Wagnisfinanzierungen gehen wir einen ersten Schritt nach vorne, und zwar einen richtigen. Andrea Wicklein (SPD): Wenn auch zu später Stun- de, so ist das Thema der heutigen Debatte dennoch enorm wichtig für die Innovationskraft und die Wettbewerbsfä- higkeit der deutschen Wirtschaft. Zum einen entscheiden wir heute über den Anpas- sungsvertrag zur ERP-Förderrücklage. Die Vertragsan- passung ist notwendig, weil nicht sichergestellt ist, dass die ERP-Förderrücklage I als hartes Kernkapital der KfW anrechenbar ist. Das hatte eine Prüfung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht erge- ben. Eine Nichtanrechnung der Förderrücklage als hartes Kernkapital würde dazu führen, dass die KfW die Eigen- kapitalvorschriften gemäß Basel III in den kommenden Jahren nicht einhalten kann. Mit dem Anpassungsvertrag erreichen wir, dass die ERP-Förderrücklage gleichran- gig – wie auch die übrigen Eigenkapitalbestandteile der KfW – zum Ausgleich etwaiger Verluste zur Verfü- gung steht. Diesen Vertragsänderungen haben sowohl der Unterausschuss Regionale Wirtschaftspolitik und ERP-Wirtschaftspläne am vergangenen Freitag als auch der Wirtschaftsausschuss am Mittwoch einstimmig zuge- stimmt, und ich gehe fest davon aus, dass heute auch der Deutsche Bundestag die vertraglichen Änderungen zur ERP-Förderrücklage I befürwortet. So weit die techni- schen Details. Zum anderen beraten wir heute über die Neuausrich- tung der KfW im Bereich des Wagniskapitalmarktes. Schon seit langem wissen wir, dass es in Deutschland im Vergleich zu anderen Staaten wie den USA, Israel oder Großbritannien noch erhebliche Reserven bei der Aktivierung von privatem Beteiligungskapital gibt. Laut OECD wird in den USA in Relation zum Bruttoinlands- produkt rund 12-mal so viel Wagniskapital investiert wie in Deutschland. Um aufzuschließen, müsste unser Wag- niskapitalmarkt von derzeit rund 800 Millionen Euro auf etwa 10 Milliarden Euro steigen. Es ist und bleibt richtig: Im Bereich der Zinsvergüns- tigungen ist die KfW unschlagbar. Die Mittelstandspro- gramme aus dem ERP-Sondervermögen gehören mit ihren zinsgünstigen Krediten zu den wichtigsten Instru- menten der deutschen Wirtschaftsförderung. Seit Jahren erreicht die KfW durch ihre sehr günstigen Refinan- zierungen Zusagen im Bereich der inländischen Wirt- schaftsförderung von jährlich über 50 Milliarden Euro. Allein im Jahr 2016 konnte die KfW insgesamt rund 16 000 ERP-Kredite mit einem Gesamtvolumen von an- nähernd 5 Milliarden Euro bereitstellen. Allerdings – und darauf habe ich bereits im Bundestag bei den Beratungen zum ERP-Wirtschaftsplangesetz im Herbst 2016 hinge- wiesen – müssen sich die ERP-Programme immer wieder aufs Neue der Realität stellen; denn wir wollen, dass die Gelder den Mittelstand auch tatsächlich erreichen. Der Bundesrechnungshof hatte schon mehrfach da- rauf hingewiesen, dass das geplante Fördervolumen seit längerem nicht vollständig ausgeschöpft werde. Ich bin deshalb sehr froh, dass die KfW und die Bundesregie- rung diese Hinweise aufgegriffen haben und die Säule der Wagniskapital- und Beteiligungsfinanzierung der KfW deutlich und nachhaltig stärken wollen. Die deutsche Wirtschaft benötigt dringend bessere Fördermöglichkeiten im Bereich der Wagnis- und Risi- kokapital- sowie Mezzaninfinanzierung. Während für innovative Unternehmen in der Gründungsphase ausrei- chend öffentliches Kapital vorhanden ist, mangelt es in Deutschland gerade in der besonders kapitalintensiven Wachstumsphase an Geld, in einer Phase, wo die Unter- nehmen von den Banken oftmals noch kein Geld erhal- ten. Dieses Problem betrifft insbesondere Unternehmen in den besonders kapitalintensiven Technologiefeldern wie zum Beispiel Cleantech, Life Science oder Medizin- technik. Wir wissen nur zu gut, was daraus folgt, wenn in Deutschland nicht ausreichend Wagniskapital über alle Phasen von unternehmerischen Innovationen zur Verfü- gung steht: Sie suchen sich ausländische Kapitalgeber, die es in den USA und teilweise auch anderswo gibt. Sie wandern aus und bauen im Erfolgsfall ihr Unternehmen im Ausland auf. – Wir sollten kein Interesse daran haben, dass Ideen in Deutschland entstehen, in der Frühphase gut gefördert werden und nur, weil die problematische Wachstumsphase nicht finanzierbar ist, Know-how, Be- schäftigung und unternehmerischer Erfolg abwandern müssen. Als eine der führenden Volkswirtschaften, die sich auf dem Weg zur digitalen Industrie- und Arbeits- welt befindet, können wir uns diese Abwanderung nicht länger leisten. Es ist an der Zeit, zu handeln. Deshalb finde ich es richtig, dass der Anpassungsvertrag auch die entschei- denden Eckpunkte für eine substanzielle Intensivierung des KfW-Engagements im Bereich Wagniskapital- und Beteiligungsfinanzierung enthält. Im Unterausschuss haben wir die ersten Details der Planungen mit Vertretern der KfW und des BMWi in- tensiv diskutiert. Bei einer Expertenanhörung in der ver- gangenen Woche haben wir von Sachverständigen von Banken, Kapitalbeteiligungsgesellschaften und Fonds erfahren, wo genau der Bedarf gesehen wird. Die Ein- schätzungen der Experten stimmen mit unseren überein: Wagniskapital wird insbesondere in der Wachstumsphase gebraucht. Benötigt werden vor allem größere Finanzie- rungssummen. Eine Lücke besteht gerade im Bereich der Hightechbranchen wie Medizintechnik. Synergien mit den Landesbanken wie etwa der NRW-Bank oder der Bürgschaftsbank Brandenburg, die kleinere Finanzierun- gen anbieten, wären sinnvoll. Eine neue Sparte im Be- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723038 (A) (C) (B) (D) reich Wagniskapital- und Beteiligungsfinanzierung bei der KfW würde vor allem mehr privates Fondskapital anregen. – Gerade den letzten Punkt möchte ich betonen: Die KfW wäre aus meiner Sicht der ideale Ankerinvestor für bedeutend mehr privates Kapital. Allein aus öffent- lichen Mitteln können die Kapitalbedürfnisse nicht ge- schultert werden. Alles in allem haben die Experten der Anhörung die Gründung einer inländischen Beteiligungsgesellschaft der KfW befürwortet. Auch der Unterausschuss steht die- sem Ziel positiv gegenüber und hat deshalb den Antrag der Bundesregierung einstimmig angenommen. Die SPD-Bundestagsfraktion wird den Aufbau einer Beteiligungsgesellschaft intensiv begleiten. Wir haben mit unserem Koalitionspartner und den Grünen einen Entschließungsantrag eingebracht, der Maßgaben an die Bundesregierung enthält. Es ist uns sehr wichtig, dass die Finanzierungssäule des Beteiligungskapitals deutlich und nachhaltig gestärkt wird. Klar ist, dass dies Schritt für Schritt geschehen muss. Wir erwarten, dass die Bundesregierung in Zusam- menarbeit mit der KfW bis Juni 2017 ein Gesamtkonzept erstellt und dem Deutschen Bundestag übermittelt. Die Struktur-, Rechts- und Finanzierungselemente der subs- tanziellen Intensivierung des KfW-Engagements müssen klar definiert und geregelt sein. Unser Ziel in den kommenden Jahren ist eine Ver- dopplung des Wagniskapitalvolumens in Deutschland zum Vergleichsjahr 2016 durch Privatwirtschaft, Bund, KfW und unter Einbeziehung europäischer Finanzpart- ner. Dabei wird die KfW als Ankerinvestor eine entschei- dende Rolle spielen. Entscheidend ist für uns, dass das Substanzerhal- tungsgebot des ERP-Sondervermögens gewahrt und die Risikotragfähigkeit und angemessene Kapitalausstattung der KfW gesichert bleiben. Wir erwarten darüber hinaus, dass dem Bundestag jährlich ein aussagekräftiger Bericht vorgelegt wird, der die aktuelle Situation beim ERP-Son- dervermögen bei der KfW-Beteiligungsfinanzierung aus- führlich darstellt. Der eingeschlagene Weg zum Ausbau der Beteili- gungsfinanzierung ist notwendig und richtig. Ich bitte Sie um Zustimmung zum Anpassungsvertrag zur ERP-För- derrücklage und zum Entschließungsantrag der Koaliti- onsfraktionen und der Fraktion der Grünen. Thomas Nord (DIE LINKE): Wir diskutieren heute einen Entschließungsantrag über den Anpassungsvertrag für die ERP-Förderrücklage zwischen dem Ministerium für Wirtschaft und der KfW. Im Kern geht es um zwei Dinge: erstens um die Härtung der ERP-Förderrücklage I als Kernkapital für die KfW und zweitens um die Ver- wendung der daraus zu erwartenden Erträge als Wagnis- kapital und Beteiligungsfinanzierung. Zu Ersterem ist zu sagen, dass mit dem Erlass des ERP-Wirtschaftsförderungsneuordnungsgesetzes von 2007 die aus dem ERP-Sondervermögen finanzierte Wirtschaftsförderung neu geordnet wurde. Heute gelten neue aufsichtsrechtliche Anforderungen für die KfW; diese resultieren aus europäischem Recht und sind ent- sprechend anzuwenden. Unter anderem aus diesen Grün- den verlangt die BaFin eine zügige Anpassung der betref- fenden Regelungen des Durchführungsvertrages, damit die ERP-Förderrücklage als hartes Kapital zur Verfügung steht. Dem sollten wir nachkommen. Zweitens geht es um die Verwendung der dabei wahr- scheinlichen Steigerungen der Erträge aus dem ERP-SV. Die vom Bundesrechnungshof 2016 festgestellte Un- terauslastung des ERP-Förderpotenzials muss reduziert werden. Mit den bisherigen ERP-Förderprogrammen konnte die vorgesehene Förderleistung, beispielsweise zinsver- billigte Kleinkredite, nicht erreicht werden. Zugleich gibt es im Bereich „Wagniskapital und Beteiligungsfi- nanzierung“ eine Finanzlücke. Um den technologischen Wandel besser zu unterstützen, soll die Finanzierung von Start-ups unter anderem im Bereich digitaler Technologi- en weiterentwickelt und ausgeweitet werden. Im Ergebnis soll dies zu einer substanziellen Intensi- vierung des KfW-Engagements im Venture Capital füh- ren. In mehreren Stufen soll ein marktrelevantes Volumen für Beteiligungsfinanzierung in Deutschland mithilfe der KfW aufgebaut werden. Im Vergleich zum Jahr 2016 soll das Wagniskapitalvolumen in Deutschland durch Privat- wirtschaft, Bund, KfW und unter Einbeziehung europäi- scher Finanzpartner verdoppelt werden. Die Linke stimmt der Einschätzung zu, dass gerade Start-ups im Hightechbereich und im Bereich der digi- talen Technologien deutlich zur Verbesserung der wirt- schaftlichen Entwicklung beitragen können, was aber ohne einen erhöhten Ansatz an Risikokapital nicht funk- tionieren wird. Insbesondere auch für die wirtschaftliche Entwicklung in Berlin, Brandenburg und weiteren Wirt- schaftskernen im Osten sind die Förderung von Start-ups und die Sicherung ihrer langfristigen Entwicklung in der Region von besonderer Bedeutung. Dieses Engagement der KfW im VC-Bereich verlangt den Aufbau eines eigenständigen Geschäftsbereichs für Beteiligungsmanagement in der KfW. Dies fordert je- doch eine große Transparenz und starke Kontrolle. Bis Juni 2017 soll die KfW dem Deutschen Bun- destag ein kohärentes Gesamtkonzept übermitteln. Die Linke erwartet, dass die Struktur-, Rechts- und Finan- zierungselemente der substanziellen Intensivierung des KfW-Engagements darin klar definiert und geregelt sind. Wir werden diese Elemente bei aller konstruktiven Be- gleitung einer sehr kritischen Überprüfung unterziehen. Es kommt darauf an, eine für die Erfordernisse des Mittelstands geeignete institutionelle, personelle, beihil- ferechtliche und aufsichtsrechtlich transparente Struktur zu erarbeiten, in der die substanzielle Erweiterung des KfW-Engagements im Bereich Wagniskapital-, Beteili- gungs- und Mezzaninfinanzierungen dauerhaft umge- setzt werden kann. Wichtig ist für die Linke, dass das Substanzerhal- tungsgebot des ERP-Sondervermögens gewahrt bleibt. Wichtig ist es, auch zukünftig angemessene Rückstellun- gen zu bilden, um Sonderbelastungen für das ERP-SV zu Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23039 (A) (C) (B) (D) vermeiden. Wichtig ist, ein ausreichendes Kapitalpolster oberhalb des realen Vermögenssubstanzerhalts zu ge- währleisten. Die Linke dringt darauf, dass der Deutsche Bundes- tag im Rahmen der jährlichen Berichterstattung über die ERP-Förderung jeweils bis Mitte des Jahres über die ak- tuelle Situation des ERP-Sondervermögens im Allgemei- nen und die KfW-Beteiligungsfinanzierung im Besonde- ren detailliert informiert wird. Bei der Erarbeitung des Entwurfs des ERP-Wirt- schaftsplangesetzes soll auch zukünftig die substanziel- le Intensivierung des Engagements der KfW im Bereich Beteiligungsfinanzierung berücksichtigt werden. Die Planungsansätze für Beteiligungs- und Kreditfinanzie- rung sollen getrennt ausgewiesen und nachvollziehbar erläutert werden. Für die Linke erfordert die Zustimmung zum Engage- ment im Risikokapital einen hohen Vertrauensvorschuss für die KfW. Jüngste Überweisungspannen vor allem bei Überweisungen werfen da Fragen auf, ob das gerecht- fertigt ist. Trotz dieser Bedenken stimmt die Linke dem Antrag zu. Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Mit der heutigen Vertragsanpassung wollen wir das Engagement im Bereich der Wagniskapital- und Beteiligungsfinanzierung verstärken. Das ist ein rich- tiger Schritt und ein wichtiges Signal, das wir Grüne ausdrücklich befürworten; denn für Gründer und junge aufstrebende Unternehmen ist die Finanzierung – vor allem in der Wachstumsphase – eine, wenn nicht die entscheidende Hürde bei der Entwicklung ihres unter- nehmerischen Vorhabens. Im Vergleich insbesondere mit den USA ist der Anteil der Wagniskapitalinvestitionen am BIP in Deutschland fast verschwindend: Während in den USA die Investitionen mit Wagniskapital, kurz VC für Venture Capital, mit 60 Milliarden US-Dollar jähr- lich beziffert werden, beträgt das VC in Deutschland nur 800 Millionen Euro, also etwas mehr als ein Hundertstel des in den USA investierten VC. Dabei beträgt der Grö- ßenunterschied der Volkswirtschaften nur das Zehnfache. Und der Trend ist eher negativ in Deutschland: Von 2015 zu 2016 verzeichnet Deutschland laut Bericht des Wirt- schaftsministeriums einen Investitionsrückgang um be- achtliche 30 Prozent im VC-Bereich. Diesem Trend gilt es zu begegnen. Der Wettbewerb um gute Ideen und Unternehmen wird am Unternehmen Mobileye beispielhaft deutlich. 1999 in Israel gegründet, hat das Unternehmen sich eine Führungsposition bei der Digitalisierung im Fahrzeug- bereich erarbeitet. So stellt das Unternehmen heute die Prozessoren für autonom fahrende Fahrzeuge her. Einer der Hauptabnehmer ist BMW. Künftig wird Mobileye wohl die komplette künstliche Intelligenz zur Fahrzeug- steuerung insbesondere für BMW entwickeln. Die Zu- kunftstechnologie auch im Bereich des Fahrzeugwesens wird sich verlagern vom konstruktiven Kraftfahrzeug- bau, in dem man Deutschland eine technologische Spit- zenposition zuschreibt, zu den digitalen Technologien. Der Wert des Autos wird nicht mehr die Fahrzeugtechnik, sondern die Intelligenz der Fahrersysteme sein, daneben ganz besonders auch die Qualität der internetbasierten Servicebereitstellung. Warum erwähne ich das? Mobil- eye wurde am 13. März 2017 von einem amerikanischen Chipgiganten aufgekauft, Kaufpreis 15,3 Milliarden US-Dollar. Eine solche Summe müsste ein VC-Fonds stemmen können – um die Unabhängigkeit eines solchen Unternehmens zu bewirken – oder müsste, will man die Technologie in Deutschland halten, hier in Deutschland aufgebracht werden. Von solchen Dimensionen sind wir in Deutschland noch weit entfernt. Bei uns in Deutschland stehen Finan- zierungsrunden im zweistelligen Millionenbereich im Fokus, also junge Unternehmen „in der Pubertät“, wie in der Anhörung bezeichnet. Aber wir müssen uns in einem immer dynamischeren Umfeld auch an Investitionen mit weit höheren Volumina herantrauen; Zielmarke ist aber erst einmal der dreistellige Millionenbetrag. Und dafür gilt es, die geeigneten Strukturen innerhalb der KfW zu schaffen. Die Grünenfraktion unterstützt das verstärkte KfW-Engagement. Aus diesem Grund haben wir uns im Wirtschaftsausschuss dem gemeinsamen Entschlie- ßungsantrag der Koalitionsfraktionen angeschlossen. Doch wir sollten uns, bei aller Euphorie, nicht besof- fen reden. Dass das Wagniskapitalengagement gerade jetzt – mit Blick auf den Wahlkampf möchte man sagen „noch“ – ausgeweitet wird, ist den aufsichtsrechtlichen Bestimmungen geschuldet, genauer: den Eigenkapitalan- forderungen der BaFin. Es wäre falsch, zu behaupten, dass ein ausdrücklicher politischer Wille hinter diesem Projekt stand. Vielmehr müssen wir der Großen Koaliti- on an dieser Stelle eine Nichterfüllung der selbst verein- barten Ziele attestieren. So heißt es im Koalitionsvertrag von 2013: „Wir werden Deutschland als Investitions- standort für Wagniskapital international attraktiv machen und dafür ein eigenständiges Regelwerk (Venture-Capi- tal-Gesetz) … erlassen, das unter anderem die Tätigkeit von Wagniskapitalgebern verbessert.“ Auf ein solches Gesetz warten wir bis heute. Inhaltlich gibt es noch einige wichtige Ergänzungen und Anmerkungen zu den vorgelegten Eckpunkten. Zen- tral ist uns die realistische Risikobewertung bei der Be- reitstellung von Eigenkapital. Die Investments können im schlechtesten Fall vollständig aufgezehrt werden. Über dieses Risiko sollten sich alle Beteiligten klar sein und es einkalkulieren. Insbesondere wird die ins Auge gefasste Beteiligungsgesellschaft – unabhängig von der gesellschaftsrechtlichen Form – durch eine Lernkurve gehen und Anfangsverluste in Kauf nehmen müssen. Und in der Sache selbst steckt natürlich ein anderes Ri- siko als das klassische Kreditrisiko: Wir können nicht so agieren, als könnte man die Eigenkapitalrisiken wie bei einem Kredit kontrollieren. Dies ist illusorisch. Die Besonderheiten des Geschäftsfeldes müssen auch bei der Risikosteuerung und den angewandten Steuerungs- modellen berücksichtig werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die ins Auge gefasste Beteiligungsgesellschaft innerhalb oder außerhalb der KfW gegründet wird. Auch sollten wir die bisherigen KfW-Erfahrungen im Bereich Equity berücksichtigen. 2004 hat man sich Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723040 (A) (C) (B) (D) sprunghaft aus dem Beteiligungsgeschäft verabschiedet. Damit hat man einen schlagartigen Verlust von Know- how in der Equity-Finanzierung hingenommen. Die entsprechenden Lehren zu ziehen, sich des langfristigen Zeithorizonts des Engagements bewusst zu machen, ist unabdingbar. Bei volatilen Entwicklungen mit kurzfris- tigen Werteinbußen darf nicht panisch das Geschäftsfeld abgebaut werden. Wir brauchen Nachhaltigkeit. Es muss die Entwicklung einer Lernkurve, der Aufbau von Know- how ermöglicht werden. Neben den Strukturen innerhalb einer künftigen Ge- sellschaft ist der Blick auf das Umfeld mindestens ge- nauso wichtig. Wie wir in der Anhörung unisono gehört haben, ist die Aktivierung privaten Kapitals „der Fla- schenhals, durch den wir müssen“. Aufgrund der beihil- ferechtlichen Vorgaben ist es wesentlich, dass zugleich zusätzliches privates Kapital aktiviert wird. Hierzu gibt es beispielsweise in Dänemark oder Österreich bereits Erfahrungen, von denen wir in Deutschland profitieren können und müssen. Am Ende des Tages ist das heute angestoßene Projekt auch eine „Kulturfrage“; denn Innovationen und Grün- dergeist erfordern eine gewisse Risikobereitschaft, die in Deutschland oft noch vermisst wird. Hier muss es gerade die Aufgabe für uns Politiker sein, das gesellschaftliche Umfeld zu entwickeln. Ein von mir persönlich bereits mehrfach vorgetragener Vorschlag ist ein mindestens vierwöchiges Praktikum in einem Unternehmen für je- den Schüler, unabhängig vom Schultyp, und nach Mög- lichkeit einzelne Besuche in Unternehmen schon im Vor- schul- und im Grundschulalter. Aber in diesem Bereich gibt es sicher noch viele weitere kreative Ideen; sie müs- sen nur umgesetzt werden. Wenn wir das Umfeld der Unternehmen in den Blick nehmen, benötigen wir – neben der Finanzierung – eine schnellere Entwicklung der Rahmenbedingungen, also zum Beispiel Datensicherheit, aber auch solche Din- ge wie Änderungen im Personenbeförderungsgesetz in Hinblick auf internetgestützte Mobilität oder rechtliche Rahmenbedingungen für das autonome Fahren. Sie sind entscheidend für den Erfolg neuer, innovativer Unterneh- men. Dabei haben wir eine Schere zwischen Anforderun- gen der Gesellschaft an spezifischere, den individuellen Gegebenheiten der einzelnen Person oder Personengrup- pe genügenden Regelungen einerseits und den immer schnelleren technischen und damit auch gesellschaftli- chen Änderungen auf der anderen Seite. Wir Grüne werden den Prozess weiterhin sehr kon- struktiv begleiten. Über die Parteigrenzen hinweg gilt es hier, Deutschland in Richtung Innovationsfreundlichkeit und Gründungskultur zu entwickeln. Ich kann nur hoffen, dass sich die konservativen Kräfte in der Union und der SPD hier nicht als zu stark erweisen, ganz zu schweigen von den rückwärtsgewandten Aussagen mancher Popu- listen, wobei Risiken nicht an die Seite geschoben wer- den dürfen; sie müssen adressiert und lösungsorientiert eingedämmt werden. Natürlich brauchen wir bei den auf uns zukommenden Herausforderungen und Veränderun- gen Augenmaß, aber auch Mut für die Zukunft. Wir Grü- ne haben diesen. Dirk Wiese (SPD): Wir beraten heute den Entschlie- ßungsantrag des Deutschen Bundestages zum Anpas- sungsvertrag ERP-Förderrücklage. Ich sehe das heute als Meilenstein. Wir haben in dieser Legislaturperiode eine wichtige Wegstrecke bei der Stärkung der Start-up-För- derung und der Beteiligungsfinanzierung hinter uns ge- legt. Wir haben Förderinstrumente wie das Programm INVEST ausgebaut und gesetzgeberische Maßnahmen ergriffen, etwa den neuen § 8d Körperschaftsteuergesetz zum Erhalt des Verlustvortrags. Auch dieser heute vorliegende Antrag zeigt, dass die Bundesregierung auf diesem Weg intensiv vom Parla- ment begleitet wurde und parlamentarische Interessen stark in den Prozess und in die Sache eingebracht wer- den. Denn wir stimmen heute nicht nur der Härtung eines Kapitalbestandteils des ERP-Sondervermögens in der KfW in Höhe von 4,65 Milliarden Euro zu. Wir legen hier und heute auch die Richtschnur zur Stärkung der Be- teiligungsfinanzierung in Deutschland. Hier hat Deutschland Nachholbedarf. Insbesondere junge innovative Unternehmen können nur mithilfe von Risikokapital gründen und wachsen. Und dieses Angebot gilt es zu stärken! Wir streben im Vergleich zu 2016 eine Verdopplung des Wagniskapitalvolumens durch Privat- wirtschaft, Bund, KfW und EU an. Dies wollen wir auf zweierlei Weise schaffen. In einem ersten Schritt wollen wir gemeinsam mit der KfW die bestehenden Wagnis- kapitalangebote wie Hightech Gründerfonds, Coparion und ERP-VC-Fondsinvestments ausbauen. Des Weiteren wollen wir bis Juni dieses Jahres in Zusammenarbeit mit der KfW ein kohärentes Konzept zum Aufbau beteili- gungsspezifischer Strukturen und Prozesse erstellen. Die Expertenanhörung im Wirtschaftsausschuss am 22. März 2017 hat gezeigt, dass Ziel sein muss, private Mittel für Beteiligungsfinanzierung anzuziehen. Die Ex- perten haben sich deutlich für die Schaffung eigenständi- ger Strukturen im Rahmen einer KfW-Tochter – Beteili- gungsgesellschaft – ausgesprochen. Damit wird man auf dem Markt sichtbar und gibt ein dauerhaftes verlässliches Signal. Deutlich wurde auch, dass ein schnell agierender Marktpartner gefordert ist, der in seinen Entscheidungs- prozessen mit privaten Kapitalgebern mithalten und bei- hilfefrei agieren kann. Wir werden gemeinsam mit der KfW jetzt Strukturen erarbeiten, die dieses ermöglichen sollen. Wir werden den Deutschen Bundestag auch weiterhin in diesem Pro- zess beteiligen und bis Juni 2017 ein Konzept übermit- teln. Mit dieser Initiative schaffen wir wesentliche Voraus- setzungen für die Innovationskraft unserer Volkswirt- schaft und stärken den Standort Deutschland. Ich bitte um Ihre Zustimmung zum Entschließungsantrag. Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordne- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23041 (A) (C) (B) (D) ten Annette Groth, Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Willy-Brandt-Korps für eine solidarische humanitäre Hilfe (Tagesordnungspunkt 25) Frank Heinrich (Chemnitz) (CDU/CSU): Im Mai vergangenen Jahres haben wir über diesen Antrag ge- sprochen, und ich hatte damals schon die Gelegenheit, hierzu Stellung zu beziehen. Wir standen kurz vor dem ersten Humanitären Weltgipfel in Istanbul. UN-General- sekretär Ban Ki-Moon lud selbst dazu ein. Ich freue mich, zu sehen, dass sich das öffentliche Verständnis und die staatliche Bereitschaft in den vergan- genen Monaten weiter zum Positiven gewandelt haben. Bürgerinnen und Bürger verstehen immer besser, warum es so wichtig ist, dass wir humanitäre Hilfe wie auch Ent- wicklungszusammenarbeit leisten. Und die Bundesregie- rung hat für dieses Jahr 1,2 Milliarden Euro des Bundes- haushaltes für die Humanitäre Hilfe vorgesehen. Das ist gut, doch es ist auch notwendig! In dem Antrag werden als Begründung für die For- derung nach einem Willy-Brandt-Korps die großen He- rausforderungen an die internationale Hilfe genannt. Der Finanzierungsbedarf allein von Organisationen der Vereinten Nationen war 2015 nicht einmal zur Hälfte ge- deckt. Deshalb stimme ich Ihnen zu: Ja, wir müssen die humanitäre Hilfe mehr in den Fokus rücken. Und dabei müssen wir uns auch die Freiheit lassen, diese neu zu denken. Dass Planungssicherheit für Hilfsorganisationen be- steht und eine enge Zusammenarbeit mit lokalen NGOs gegeben sein muss, ist ein wichtiges Anliegen dieses An- trags. Und ich denke, da kann die Internationale Gemein- schaft noch besser werden, auch wenn wir hier schon in die richtige Richtung gehen. Doch eine Konkurrenz zu diesen NGOs und UN-Agenturen zu schaffen, sehe ich als den falschen Weg an. Sie zu stärken und ihnen zu hel- fen, dass sie ihre Arbeit sicher tun können, sollte unser Anliegen sein. Vor einigen Tagen waren spätabends noch Offiziere bei mir im Büro. Während unseres Gesprächs bemerkte eine von ihnen: Der Bundeshaushalt sieht doch vor, einen gewissen Anteil des BIP an die Armee zu geben. Könnten nicht 0,1 Prozent an die Arbeit der Heilsarmee gehen? – Die Offizierin war eben von der Heilsarmee, und natür- lich war die Frage von einem Augenzwinkern begleitet. Auch wenn das natürlich schwierig ist, hat der Gedan- ke einen wahren Kern. Wir müssen die unterstützen, die vor Ort Hilfe leisten. Es muss sichergestellt sein, dass sie die finanziellen Mittel, die Nahrung, das Personal haben, um den Menschen in Not zu helfen. Wir können, nein, wir dürfen es nicht akzeptieren, dass Kinder im Südsu- dan teilweise mit zehn Liter Wasser pro Tag auskommen müssen. Ich weigere mich, die Krise im Jemen oder in Nigeria einfach zu vergessen und die Menschen dort ver- recken zu lassen. Da müssen wir hinschauen. Und des- halb bin ich dankbar, wenn wir die Gelegenheit haben, diese Länder und das Schicksal einzelner Personen vor Ort hier auf die Tagesordnung zu bringen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Die Lin- ke, Sie fordern in Ihrem Antrag, dass Deutschland seine internationale Verantwortung ausschließlich mit zivilen Mitteln wahrnehmen soll. Genau hier liegt die Schiefla- ge Ihrer Sichtweise. Sie lassen uns keine andere Wahl, als den Antrag abzulehnen. Es wird nicht gefordert, zu- nächst alle diplomatischen und zivilgesellschaftlichen Instrumente zu nutzen. Die internationale Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland soll zukünftig ohne die Bundeswehr wahrgenommen werden. Jedes militärische Eingreifen wird ausgeschlossen. Gerade das Beispiel Südsudan – erst vor ein paar Stunden durfte ich zu der Lage vor Ort sprechen – zeigt, dass die humanitäre Hilfe allein nicht die Probleme löst. Diese Krise ist nicht Resultat einer Naturkatastrophe, auch wenn El Niño natürlich die Situation noch verstärkt. Doch der Bürgerkrieg, der seit über drei Jahren wütet, kann nicht durch humanitäre Hilfe beendet werden. Die Regierung vor Ort tut momentan fast nichts, um der ei- genen Bevölkerung zu helfen. Warum soll Deutschland hier politisch keine Verantwortung übernehmen? Unser Botschafter in Juba ist es, der immer wieder mit dem Prä- sidenten spricht und ihn darin bestärkt, mit den verschie- denen ethnischen Gruppen in den Dialog zu treten. Ihr Antrag lässt vermuten, dass Sie die naive These vertre- ten, dass es nur schwarz oder weiß gibt, humanitäre Hil- fe oder Kriegseinsatz. Aber dass dazwischen noch eine Menge Spielraum ist, den wir nutzen können, ja nutzen sollen, lässt ihr Antrag und ein Willy-Brandt-Korps, wie Sie es fordern, gar nicht zu. Nein, es ist ein Antrag, der die Bundeswehr abschaffen und in eine Art zweites Technisches Hilfswerk umbau- en will. Die Bundesregierung verfügt jedoch durch das THW schon über einen sehr leistungsfähigen Akteur in der Katastrophenhilfe. Es leistet technische Hilfe im Zi- vilschutz und in der Katastrophenbekämpfung. Das Engagement der über 80 000 ehrenamtlichen Hel- ferinnen und Helfer des THW verdient unser aller Aner- kennung. Deshalb haben wir im November letzten Jahres beschlossen, die Mittel für das THW auf 260 Millionen Euro aufzustocken und ein Förderprogramm zur Fahr- zeugbeschaffung in Höhe von 100 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Damit erhält das THW insgesamt 170 zusätzliche Stellen. Und damit können insgesamt bis 2023 mehr als 621 Lkw und Bergungsräumgeräte ange- schafft und ausgetauscht werden. Hier wird schon viel erfüllt, was die Linken mit ihrem Willy-Brandt-Korps fordern. Unsere Bundeswehr als Parlamentsarmee hat einen zentralen sicherheits- und friedenspolitischen Ansatz. Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass die Vermischung von politischen, militärischen und humanitären Zielen gefährlich ist. Da stimme ich Ihnen zu. Doch das Ziel, Frieden, Sicherheit und Entwicklung in einem Land zu schaffen, kann nicht nur auf einem Weg erreicht werden und braucht ein Zusammenspiel vieler unterschiedlicher Akteure. Das Weißbuch 2016, das im vergangenen Jahr von unserer Verteidigungsministerin vorgestellt wurde, zeigt deutlich, wie wichtig dieses Zusammenspiel ist und dass Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723042 (A) (C) (B) (D) dieses von der Bundesregierung ausdrücklich gefördert wird. Dazu gehört die humanitäre Versorgung durch zi- vile und öffentliche Organisationen, doch eben auch ein Instrument, das es den Organisationen gewährleistet, zu den Menschen in Not sicher zu gelangen und dabei nicht selbst Zielscheibe von Gewalt und Krieg zu werden. Ge- nau für diese Sicherheit sorgt unsere Bundeswehr. Das Grundverständnis eines jeden Soldaten in der deutschen Bundeswehr ist es, der Allgemeinheit zu dienen und für das Wohl derer einzutreten, die sich selber nicht verteidi- gen können oder wollen. Es heißt nun, in dem Zusammenspiel Missbrauchs- möglichkeiten zu minimieren, aber das Prinzip der ge- meinsamen Zielerreichung voranzubringen und in guter Zusammenarbeit Konflikt- und Krisensituationen immer weiter zurückzudrängen. Doch Ideologien sind kein Er- satz für eine verantwortungsbewusste wertegeleitete Au- ßen- und Sicherheitspolitik. Ich möchte meine Ausführungen schließen mit einer persönlichen Erfahrung, die ich mit der Bundeswehr und ihrem Einsatz gemacht habe, und das in dem nicht gerade unumstrittenen Einsatz in Afghanistan. Die International Security Assistance Force ist schon über 13 Jahre dort vor Ort. Viel wurde seither erreicht. Deutschland betei- ligt sich seit dem 1. Januar 2015 an Resolute Support mit mittlerweile 980 deutschen Soldaten. In der Regi- on Masar-i-Scharif konnte ich zusammen mit Kollegen vor einiger Zeit mit verschiedenen Vorsitzenden lokaler NGOs sprechen. Ich werde nie vergessen, wie sie uns für den Einsatz unserer Bundeswehr dankten. Seit die deut- schen Schutztruppen für Sicherheit sorgen, können ihre Kinder wieder ungehindert Bildungsangebote und Ge- sundheitsvorsorge wahrnehmen. Sie müssen keine Angst mehr haben, dass die Taliban ungehindert um sich schie- ßen kann. Natürlich gibt es auch kritische Stimmen, und es wird nicht alles perfekt laufen; aber diese Begegnung zeigt mir, wie wichtig der Einsatz unserer Bundeswehr ist. In der Erklärung „Gerechter Friede“ der deutschen Bi- schöfe von 2000 heißt es: „Eine Welt, in der den meisten Menschen vorenthalten wird, was ein menschenwürdi- ges Leben ausmacht, ist nicht zukunftsfähig. Sie steckt auch dann voller Gewalt, wenn es keinen Krieg gibt.“ Ich möchte werben und selbst dafür eintreten, dass im- mer mehr Menschen das nicht nur wissen, sondern auch erleben. Ich will, dass Menschen weltweit eine Zukunft haben. Ich will, dass sie wissen, wer sie sind und was sie ausmacht. Ich will, dass sie in Sicherheit leben können. Dafür müssen wir humanitäre und politische Verantwor- tung übernehmen. Doch manchmal ist eine militärische Option eine letzte politische Notwendigkeit, um dieses Ziel zu erreichen. Diese von vornherein komplett auszu- schließen, halte ich für feige und verantwortungslos. Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD): Mit dem Antrag der Linken wird ein wichtiges Thema angesprochen. Aller- dings greift der Antrag zu kurz, denn wir haben bereits Strukturen für internationale humanitäre und die Kata- strophenhilfe. Es macht daher aus meiner Sicht keinen Sinn, dafür ein neues Instrument zu entwickeln. Das wür- de zu Doppelstrukturen führen, und genau die sollten wir vermeiden, wenn wir effektive Hilfe leisten wollen. Auf die Vielfalt der humanitären Hilfsorganisationen in Deutschland bin ich bereits in der ersten Lesung des Antrags am 12. Mai 2016 eingegangen. In dem Antrag wird der Humanitäre Weltgipfel ange- sprochen, der am 23. und 24. Mai 2016 abgehalten wur- de. Ich habe in meiner Rede zur ersten Lesung zusätzlich den Flüchtlingsgipfel in New York angesprochen, und wir haben in diesem Haus nach dem Gipfel bereits über die Ergebnisse diskutiert. Nun bietet sich die Gelegen- heit, kurz Bilanz zu ziehen: Was haben wir auf dem Hu- manitären Weltgipfel erreicht, was haben wir getan, was ist noch zu erledigen? Bei dem Gipfel ging es nicht um Finanzzusagen, son- dern um strukturelle Reformen der globalen humanitä- ren Hilfe. Deutschland hat auf dem Gipfel insbesondere zugesagt, die finanziellen Strukturen zu stärken und ei- nen Paradigmenwechsel hin zu vorausschauender Hilfe zu unterstützen. Konkret wollen wir insbesondere den Schutz für Klimaflüchtlinge stärken. Bereits im Jahr 2012 hat Deutschland damit begon- nen, Mechanismen für vorausschauende Hilfe zu etablie- ren. Am 1. Juli 2016 hat es zusammen mit Bangladesch den Vorsitz der „Platform on Disaster Displacement“ übernommen. Wir befinden uns gerade in der Testpha- se des Aufbaus eines Systems, das Vorwarnungen und damit schnelle Handlungsfähigkeit im Katastrophenfall ermöglicht. Diese Aktivitäten werden vom Deutschen Roten Kreuz unterstützt. Auf dem Gipfel haben wir 174 Zusagen über die ge- meinsamen Vereinbarungen hinaus gegeben. Auf der „Platform for Action, Commitments and Transforma- tion“, PACT, sind die Zusagen aller Teilnehmerstaaten des Gipfels veröffentlicht. Sie lassen sich dort nachlesen. Fortschritte bei der Umsetzung können die Akteure dort selbst eintragen. Organisatorisch will ich besonders die Rolle des Bü- ros der Vereinten Nationen zur Koordinierung der Huma- nitären Hilfe – Office for Coordination of Humanitarian Aid, OCHA – betonen. Es soll die Umsetzung der Vor- haben des Gipfels beobachten und darüber regelmäßig Bericht erstatten. Ich komme zur deutschen humanitären Hilfe. Mit Ih- rem Antrag ignorieren Sie die humanitäre Hilfe, die wir in Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen und Nichtre- gierungsorganisationen bereits leisten. Die Koalition hat auf Betreiben der SPD die Mittel für humanitäre Hilfe dauerhaft deutlich erhöht und dem realen Bedarf ange- nähert. Darüber hinaus haben wir bereits eine funktionierende technische Institution, das Technische Hilfswerk, THW, das nationale und internationale Katastrophen- und hu- manitäre Hilfe leistet. Das THW führt Projekte mit den Vereinten Nationen durch und ist in den Zivil- und Ka- tastrophenschutz der Europäischen Union bestens inte- griert. Es war schon in mehr als 130 Ländern im Einsatz. Als Beispiele will ich die Unterstützung bei der Flut in Polen 2010 und die Hilfe für die Menschen in Indonesi- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23043 (A) (C) (B) (D) en nach dem Tsunami 2004 nennen. Sie sehen: Mit dem Vorschlag der Linken würden wir nicht etwas qualitativ Neues, sondern lediglich Doppelstrukturen schaffen. Das andere große Thema, gerade angesichts der ka- tastrophalen humanitären Lage im Nahen und Mittleren Osten, ist die Flüchtlingsfrage. Deutschland leistet in großem Umfang humanitäre Hilfe in der Region. Auch das THW war dort am Aufbau von Flüchtlingsunter- künften und der Versorgung von Flüchtlingslagern mit funktionierenden Wasser- und Abwassersystemen be- teiligt. Deutschland hat in den letzten Jahren zusätzlich eine große Zahl von Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlin- gen aufgenommen. Hier möchte ich besonders auf die vielen Menschen in Deutschland hinweisen, die täglich dabei helfen, Flüchtlinge zu integrieren. Leider war es in der Europäischen Union nicht möglich, zu einer ein- heitlichen Flüchtlingspolitik zu kommen. Die bisherigen Ergebnisse, wie das Abkommen mit der Türkei und die Abgrenzungspolitik im Mittelmeer, sind auf Dauer keine Lösung. Wer glaubt, dadurch das Flüchtlingsproblem lö- sen zu können, denkt völlig unrealistisch. Im letzten Jahr gab es im September zwei Gipfel in New York zu diesem gegenwärtig dringlichsten humani- tären Problem der globalen Flucht und Zwangsmigrati- on: den Flüchtlingsgipfel der Vereinten Nationen in New York und, auf Einladung des damaligen US-Präsidenten Barack Obama, einen Gipfel, der konkrete Hilfszusagen bringen sollte. Auf dem Weltflüchtlingsgipfel der Verein- ten Nationen wurde beschlossen, bis 2018 einen globalen Flüchtlingspakt zu erarbeiten. Zum US-Flüchtlingsgip- fel, bei dem unter anderem auch Deutschland Mitgast- geber war, haben die 52 teilnehmenden Länder die Zu- sage gemacht, 360 000 Flüchtlinge aufzunehmen. Am Ergebnis beider Gipfel kann man sehen, dass trotz Fort- schritten die Arbeit mühsam bleibt. Außerdem wurden Maßnahmen vereinbart, die Bildungs- und Ausbildungs- möglichkeiten für Flüchtlingskinder und Jugendliche zu verbessern. Solange man nicht auf der internationalen Ebene zu substanziellen Verbesserungen kommt, können wir nur mit den Mitteln, die wir haben, arbeiten und diese Schritt für Schritt verbessern. Wie ich am Humanitären Weltgipfel und dessen Fol- low-up-Prozess gezeigt habe, engagiert sich Deutschland intensiv. Wir sollten weiterhin die bestehenden Struktu- ren, national und international, unterstützen und in ihrer Handlungsfähigkeit stärken. Die Vielfalt der bestehenden Organisationen mit unterschiedlichen Kompetenzen und Fähigkeiten bieten eine gute Grundlage dafür. Zusammenfassend kann ich sagen: Obwohl der Antrag wichtige Themen anspricht und es gut und notwendig ist, darüber zu diskutieren, fehlen die Voraussetzungen für eine Zustimmung. Ich denke, wir befinden uns mit unse- rer Politik auf einem guten Weg. Inge Höger (DIE LINKE): Nach Angaben des Aus- wärtigen Amtes vom letzten Jahr hat sich die Zahl der Menschen, die dringend auf humanitäre Hilfe angewie- sen sind, in den letzten zehn Jahren vervierfacht: Welt- weit sind es heute mindestens 125 Millionen. Die welt- weite humanitäre Lage bleibt unübersehbar. In Ostafrika bedroht derzeit eine Hungersnot das Leben Tausender Menschen; aktuell gibt es Hungertote im Nordosten Ni- gerias, in einigen Dörfern dort leben keine Kinder unter fünf Jahren mehr. Weltweit zählen wir über 40 Millionen Binnenflüchtlinge und mehr als 20 Millionen Menschen, die außerhalb ihres Heimatstaates Zuflucht suchen. Ex- treme Armut, Hunger, Wassermangel, fehlende Gesund- heitsversorgung und Epidemien verlangen dringend tat- kräftige humanitäre Hilfe. Das millionenfache Leid ist keine zufällige Entwick- lung. Eine Ursache sind ungleiche Handelsbeziehungen. Insbesondere durch westliche Freihandels- und Inves- titionsschutzabkommen werden Entwicklungsländer wirtschaftlich geschröpft und ihre sozio-ökonomischen Grundlagen zerstört. Zunehmend entzieht ebenso der Klimawandel vielen Menschen ihre Lebensgrundlage, insbesondere durch Dürren und Flutkatastrophen. Der Klimawandel, der sowohl zu Überschwemmungen als auch zu verheerenden Dürreperioden führt, ist das Pro- dukt der profitorientierten Wirtschaftsaktivität der west- lichen Industriestaaten. Eine wichtige Ursache der sozialen Zerstörung sind zudem Kriege, welche durch zahlreiche westliche Mili- tärinterventionen und Rüstungsexporte geschürt werden. Unter den größten Herkunftsländern bei Geflüchteten befinden sich beispielsweise Afghanistan und Somalia. Das sind Staaten, in denen die Bundeswehr seit Jahren in militärischen Auslandseinsätzen aktiv ist, vorgeblich zur Herstellung von nationaler Sicherheit und zum Schutz der Bevölkerung. Real geht es um die Umsetzung geopo- litischer und geoökonomischer Interessen. Statt dieser Militärinterventionen muss die Bundesre- gierung ihre internationale Verantwortung deutlich mehr und ausschließlich zivil wahrnehmen. Im Haushaltse- tat für 2017 ist eine derartige Strategie nicht erkennbar. Während lediglich rund 1,2 Milliarden Euro für huma- nitäre Hilfsmaßnahmen bereitstehen, steigt der Wehretat um 2,7 Milliarden Euro auf insgesamt über 37 Milliarden Euro. Obwohl die Bundeswehr explizit keinen humani- tären Auftrag hat, greift die Bundesregierung bei großen Krisen immer wieder auf die personelle und logistische Infrastruktur der Bundeswehr zurück. Eine auf Kriegs- führung spezialisierte Armee im Einsatz für humanitäre Hilfsmaßnahmen bedeutet eine Vermischung militäri- scher Interessen mit ureigenen zivilen Aufgaben! Für den Schutz der Bevölkerung in akuten Krisensi- tuationen sind zivile Maßnahmen zur humanitären Ver- sorgung der richtige Schritt. Entscheidend ist dabei, dass ausreichend finanzielle Mittel vorhanden sind, die nöti- ge Schnelligkeit gegeben ist und die beteiligten Akteure aufeinander abgestimmt arbeiten. Nötig sind zivile Ka- pazitäten; dazu gehören Transportflugzeuge, Hubschrau- ber, Schiffe, Lastwagen, mobile Krankenhäuser sowie Logistikzentren und weitere technische Hilfsmittel. Das sind notwendige Voraussetzungen, um in Katastrophen- gebieten flexibel Hilfe leisten zu können. Für eine zivile humanitäre Hilfe müssen diese durch Konversionsmaß- nahmen aus dem Bestand der Bundeswehr umgerüstet oder notfalls neu angeschafft werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723044 (A) (C) (B) (D) Deshalb beantragt die Linke, logistische Hilfe ab so- fort durch eine unabhängige Instanz und nicht über die Bundeswehr zu organisieren. Die Aufstellung eines zivi- len Willy-Brandt-Korps für internationale Katastrophen- hilfe, ein Gemeinschaftswerk aus zivilgesellschaftlichen und öffentlichen Organisationen, ist unseres Erachtens die richtige Antwort auf den genannten massiven Bedarf an humanitärer Hilfe und die dafür benötigte Infrastruk- tur. Auf diese Weise kann die Neutralität von humanitärer Hilfe gewährleistet werden. Eine feste und ausreichende Finanzierung muss sichergestellt werden, eine zuver- lässige Koordinierung gewährleistet und die öffentliche Kontrolle über die internationale humanitäre Hilfe der Bundesregierung verbessert werden. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Der Antrag der Linken fordert, jegliches militäri- sches Engagement im Ausland abzuschaffen. Das betrifft also auch die friedenserhaltenden Missionen der Verein- ten Nationen, die ja weitgehend gewaltfrei – wenn auch mit militärischer Unterstützung – zivile Ziele verfolgen. Damit fordert die Linke, eines der wichtigsten frieden- spolitischen Instrumente, das die Weltgemeinschaft be- sitzt, abzuschaffen. Dass die Aufgabe der friedenserhaltenden Missionen unendlich schwierig ist, ist keine Frage. Das ist aber kein Grund, sie nicht anzugehen; denn dass die UN-Friedens- missionen in zahlreichen Konfliktregionen dieser Welt Entscheidendes geleistet haben, kann niemand ernst- haft bezweifeln. Dabei haben sie keinen militärischen Kampfauftrag, vielmehr werden militärische Kapazitä- ten eingesetzt, um Zivilisten vor Angriffen bewaffneter Gruppen zu schützen, um Kombattanten zu entwaffnen, um einen Friedensschluss zu begleiten, Wahlen zu si- chern oder zwei Kriegsparteien zu trennen, bis eine Ei- nigung erzielt ist. Über 70 Missionen sind in den letzten 70 Jahren entsandt worden. Über 22 000 Zivilisten arbei- ten heute in den Friedensmissionen der Vereinten Natio- nen, ebenso wie über 100 000 Soldatinnen und Soldaten und 12 000 Polizeikräfte. Die Aufgaben der Blauhelme sind über die Jahre im- mer komplexer, immer vielfältiger geworden. Der Bedarf an Friedenssicherung war nie größer als heute, und die finanziellen, personellen und materiellen Kapazitäten, die die Mitgliedstaaten bereitstellen, reichen nicht aus, um diesen Bedarf zu decken. Immer noch wird ungleich mehr Geld aufgewendet, um Kriege vorzubereiten, als um Frieden zu schaffen. Dennoch – und unter teilweise widrigsten Umständen – haben die Vereinten Nationen in den letzten Jahren die Friedensprozesse in Liberia, in Sierra Leone, in Nepal, in Timor-Leste, in der Elfenbein- küste, in Guinea-Bissau, in Haiti vorangebracht. Derzeit stehen der Kongo, Mali, Kolumbien, die Zentralafrika- nische Republik oder der Süd-Sudan auf der Tagesord- nung, aber auch rein politische Vermittlungsbemühungen in Libyen oder Syrien. Diese Missionen, so verschieden ihre Aufgaben auch sein mögen, sind vor allem dann erfolgreich, wenn sich die Kriegsparteien dem Friedensprozess verpflichtet füh- len und wenn die internationale Gemeinschaft sie dabei tatkräftig unterstützt. Es geht also nicht darum, einen Krieg mit militärischen Mitteln zu beenden, sondern da- rum, den gesellschaftlichen Frieden und die Menschen- rechte so zu etablieren helfen, dass der Rückfall in Krieg und Konflikt unwahrscheinlich wird. Das hat die Linke offenbar missverstanden. Nun möchte die Linke statt alledem ein national orga- nisiertes „Korps“ entsenden, also Deutsche, die in aller Welt „helfen“. Die Probleme, die die humanitäre Hilfe heute hat – vom Fehlen der Mittel, über die schwierige Koordination der zahlreichen Hilfsorganisationen bis hin zum Problem, die Betroffenen im Bombenhagel über- haupt zu erreichen –, werden aber sicherlich nicht durch eine weitere Truppe nichtlokaler, westlicher „Experten“ gelöst, die dann vor Ort im Weg herumstehen. Wir haben zwar eine hoch angesehene Organisation für Katastrophenhilfe, das Technische Hilfswerk. Dieses kommt in dem uns vorliegenden Antrag aber gar nicht vor, ebenso wenig wie die zahlreichen humanitären Hilfsorganisationen, die hervorragende Arbeit leisten. Eine – wie die Linke will – deutsche „zivil humanitäre Dachstruktur“ brauchen sie nicht. Welchen Vorteil ein neu zu gründendes, deutsches Willy-Brandt-Korps haben soll, ist also nicht ersichtlich. Im Gegenteil, viele der Schwierigkeiten, die die humani- täre Hilfe heute plagen, würden mit einem solchen Korps ja noch verstärkt. Dringend benötigte Mittel würden von etablierten und gut funktionierten Organisationen ab- gezogen, und die humanitäre Hilfe würde nationalisiert anstatt internationalisiert werden, obwohl sie ein von Grund auf multilaterales Unterfangen ist und sein muss. So scheint das Willy-Brandt-Korps nur ein ideologi- scher Schlenker zu sein auf dem Weg zum eigentlichen Ziel: Deutschland nimmt seine internationalen Ver- pflichtungen ausschließlich mit zivilen Mitteln wahr. – Wir sollen uns also in unverantwortlicher Weise vom UNO-System verabschieden und überlassen die Verant- wortung für die internationale Ordnung den anderen. Wir suchen einen deutschen Sonderweg in die internationale Isolation. Da treffen sich dann die Nationalisten von links und rechts. Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Ener- gie: – zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Eu- ropäischen Parlaments und des Rates über den Elektrizitätsbinnenmarkt (Neufassung) KOM(2016) 861 endg.; Ratsdok. 15135/16 – zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Gründung einer Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit der Ener- gieregulierungsbehörden (Neufassung) KOM(2016) 863 endg.; Ratsdok. 15149/16 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23045 (A) (C) (B) (D) hier: Stellungnahme gemäß Protokoll Nr. 2 zum Vertrag von Lissabon (Grundsätze der Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeits- prüfung) (Tagesordnungspunkt 26) Thomas Bareiß (CDU/CSU): Die Europäische Uni- on hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen in Europa um mindestens 40 Prozent reduziert werden, die Energieeffizienz soll um bis zu 30 Prozent gesteigert werden, und die erneu- erbaren Energien auf einen Mindestanteil von 27 Prozent am europäischen Stromverbrauch ausgebaut werden. Diese Ziele machen deutlich: Unsere Energieversor- gung wird sich auch auf europäischer Ebene radikal wan- deln. Volatile erneuerbare Erzeugung wird zunehmen, konventionelle Kraftwerke kommen weniger zum Ein- satz, Energieeffizienz muss angereizt und Instrumente zur Senkung der Treibhausgasemissionen im Verkehrs- und Wärmesektor müssen entwickelt werden. Uns sind diese Herausforderungen aus der Umsetzung der deut- schen Energiewende teils gut bekannt. Mit dem Winterpaket „Saubere Energie für alle Eu- ropäer“ hat die Europäische Kommission ein umfassen- des und teils komplexes Rechts- und Regelungspaket vorgelegt, das diese Herausforderungen adressiert. Die ambitionierten Ziele werden mit einem konkreten regu- latorischen Rahmen für die ganze EU hinterlegt, um so gemeinsam den Wandel unserer Energieversorgung zu meistern. Das ist zu begrüßen; denn die Energie- und Stromversorgung macht an den Staatsgrenzen nicht halt. Der europäische Energiebinnenmarkt ist eine große Errungenschaft der Europäischen Union. Eine rein na- tionale Energieversorgung ist kaum noch denkbar. Der gemeinsame Binnenmarkt sichert unsere Energieversor- gung und sorgt für ausreichend Wettbewerb. Das kommt den Verbrauchern in Form von wirtschaftlichen Ener- giepreisen zugute. Diesen Binnenmarkt weiterzuentwi- ckeln, ist richtig, und sieben Jahre nach Verabschiedung des dritten Energiebinnenmarktpakets auch notwendig. Die Grundausrichtung des europäischen Marktde- signs, die von der Kommission vorgeschlagen wird, findet sich bereits in unserer energiepolitischen Gesetz- gebung wieder, wie zum Beispiel die freie Preisbildung, der Wettbewerb der Flexibilitätsoptionen und die schritt- weise Heranführung der erneuerbaren Energien an den Markt. Auch die ACER, die Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden, hat seit ihrer Grün- dung im Jahre 2009 durchaus gute und wertvolle Arbeit bei der Koordinierung der nationalen Energieregulie- rungsbehörden geleistet. Problematisch ist jedoch, dass in zwei zentralen Rechtsakten des Winterpakets – die Elektrizitätsbin- nenmarktverordnung und die ACER-Verordnung – eine Fülle von Kompetenzerweiterungen vorgesehen sind, die nicht mit den Grundsätzen der Subsidiarität und der Ver- hältnismäßigkeit vereinbar sind. Es werden Sachverhalte auf die europäische Ebene gezogen, die auf nationaler Ebene bisher erfolgreich, auch mit unseren europäischen Partnern, geregelt werden konnten. Besonders hervorheben möchte ich die neuen Verfah- ren zur Festlegung von Gebotszonen. Deutschland hat bisher eine Preiszone. Bislang kann diese nur mit un- serer Zustimmung aufgeteilt werden. Zukünftig soll die EU-Kommission die Entscheidungskompetenz erhalten. Das geht aus unserer Sicht zu weit. Gerade als Bundespo- litiker ist es unsere Pflicht, zu gewährleisten, dass inner- halb Deutschlands ähnliche Lebens- und Wettbewerbs- bedingungen herrschen. Eine Aufteilung Deutschlands in zwei oder mehrere Strompreiszonen würde dies massiv konterkarieren. In Süddeutschland würden die Strom- preise erheblich steigen. Im Norden würden erhebliche Überkapazitäten am Strommarkt entstehen. Die Kompe- tenz zum Erhalt der Strompreiszonen muss daher in der Hand der Nationalstaaten bleiben. Nur so gibt es auch ausreichend Anreize für einen schnellen Netzausbau in- nerhalb unseres Landes. Die primäre Aufgabe der ACER ist es, die Arbeit der nationalen Energieregulierungsbehörden zu ergänzen und zu koordinieren. Sie soll bewusst nicht die Arbeit der nationalen Regulierer übernehmen. Aus unserer Sicht hat sich die Arbeitsteilung bisher bewährt, und wir hal- ten es für unangebracht, die Zuständigkeiten von ACER, teils ohne Zustimmung des Parlaments und des Rats, zu erweitern. Daher verstoßen bestimmte Regelungen der ACER-Verordnung klar gegen das Subsidiaritätsprinzip. Hinzu kommt, dass der Einfluss großer Mitgliedstaa- ten innerhalb von ACER geschwächt werden soll. Her- vorzuheben ist das Abstimmungsverfahren. Zwar gilt bisher auch, dass jedes Mitgliedsland eine Stimme hat. Aber zukünftig sollen Entscheidungen mit einfacher Mehrheit getroffen werden. Bisher brauchte man dazu eine Zweidrittelmehrheit. Notwendig ist daher aus unse- rer Sicht eine Stimmgewichtung der Mitgliedstaaten wie im Rat; große Mitgliedstaaten brauchen ein entsprechen- des Stimmgewicht. Mit der Subsidiaritätsrüge wollen wir klarmachen, dass Kompetenzerweiterungen und Verhältnismäßig- keit bei energiepolitischen Vorhaben der EU gewahrt bleiben müssen. Das bedeutet nicht, dass wir eine ener- giepolitische Weiterentwicklung auf europäischer Ebe- ne verhindern wollen. Im Gegenteil: Die EU muss den Binnenmarkt weiter vertiefen. Es bedarf jedoch einer gemeinsamen europäischen Energiepolitik mit den Na- tionalstaaten. Barbara Lanzinger (CDU/CSU): Im vergangenen November hat die Europäische Kommission umfassende Legislativvorschläge veröffentlicht, die als „Winterpa- ket“ unter dem Namen „Saubere Energie für alle Euro- päer“ bekannt geworden sind. Dieses Paket ist sehr um- fassend. Dabei ist nicht alles in dem Paket falsch; das auszudrücken, ist nicht die Intention des vorliegenden Antrags. Aber bei manchen Punkten geht die Europäi- sche Kommission schlicht zu weit. Sie sind mit essen- ziellen EU-Grundprinzipen nicht mehr vereinbar. Be- stimmte Teile des Pakets verstoßen gegen das Prinzip der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit. Daher haben Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723046 (A) (C) (B) (D) wir uns in der Koalition für eine Subsidiaritätsrüge ent- schieden. Das Paket umfasst Regelungen beispielsweise zur Erneuerbaren-Energien-Richtlinie, der Energieeffizi- enz-Richtlinie, der ACER-Verordnung und der Elek- trizitätsbinnenmarktverordnung. Dadurch soll der EU-Energierahmen neu gestaltet werden und an neue Gegebenheiten, beispielsweise an einen zunehmenden Anteil erneuerbarer Energien, angepasst werden. Die Energiewende in Europa und in Deutschland wird da- durch entscheidend mitbestimmt. Ich will betonen. Die grundlegende Intention dahin- ter ist gut und richtig. Wir wollen und wir müssen die Energiewende weiter gestalten, auch grenzübergreifend und in Zusammenarbeit mit unseren europäischen Part- nern. Es macht durchaus Sinn, manches auf EU-Ebene zu regeln, länderübergreifende Kooperationen zu ver- bessern, Koordinierungen effizienter zu gestalten, grenz- überschreitend stärker zusammenzuarbeiten. Da liegt noch viel Arbeit vor uns. Aber insbesondere die Rege- lungen der ACER-Verordnung und der Elektrizitätsbin- nenmarktverordnung des Winterpakets schießen über das Ziel hinaus. Subsidiarität kommt aus dem Lateinischen und be- deutet sinngemäß „zurücktreten“ oder „nachrangig sein“. Politisch bedeutet das in der EU, Regelungen auf der Ebene vorzunehmen, auf der es sinnvoll ist – in Brüssel, in Berlin oder oft doch vor Ort in einer Kommune. Im Lissabon-Vertrag sind in Artikel 5 EUV die Prinzipien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit als unver- rückbare Grundsätze festgelegt. Unter Absatz 3 heißt es: „Nach dem Subsidiaritätsprinzip wird die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständig- keit fallen, nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaa- ten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind.“ In Absatz 4 heißt es: „Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehen die Maßnahmen der Union inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge er- forderliche Maß hinaus.“ Sowohl in der ACER- als auch der Elektrizitätsbinnenmarktverordnung haben wir er- hebliche Bedenken bezüglich dieser Grundprinzipien. Exemplarisch greife ich einzelne Punkte heraus. Vor dem Hintergrund des Artikels 5 EUV ist es nicht zu erklären, dass die Europäische Kommission durch die Elektrizitätsbinnenmarktverordnung die alleinige Ent- scheidungskompetenz für die Frage des Gebotszonen- zuschnitts innerhalb eines Mitgliedstaates erhalten solle. Das bedeutet vereinfacht ausgedrückt, dass die Kommis- sion darüber entscheiden kann, dass die Strompreise im Süden Deutschlands stark steigen würden. Vor dem Hintergrund des Artikels 5 EUV ist es nicht zu erklären, dass durch die Elektrizitätsbinnenmarktver- ordnung ganze Themenfelder in sogenannte delegierte Rechtsakte übertragen werden können sollen. In einem damit verbundenen Verfahren ist keine Zustimmung der Mitgliedstaaten mehr vorgesehen. Das ist politisch sehr fragwürdig, da dadurch ganze Themenbereiche mit gro- ßer politischer Relevanz betroffen wären, aber auf Be- amtenebene entschieden würden. Das ist unangemessen. Es ist weiterhin nicht zu erklären, dass die EU-Kom- mission durch die ACER-Verordnung unter bestimmten Bedingungen zusätzliche Entscheidungskompetenzen an die ACER-Behörde übertragen können soll. Bisher konnten nur Aufgaben übertragen werden, die keine Entscheidungskompetenz umfassen. Es ist die alleinige Aufgabe des Unionsgesetzgebers, zu entscheiden, wer welche Entscheidungsbefugnisse wahrnimmt! Auch die geplante Abschwächung der Mehrheitsverhältnisse im Regulierungs- wie im Verwaltungsrat der ACER ist nicht gerechtfertigt. Damit sind nur einige Punkte genannt. Vor allem bei den im Antrag angesprochenen Punkten sind wir davon überzeugt, dass die Ziele der Maßnah- men gut auf nationalstaatlicher Ebene und nicht besser auf EU-Ebene geregelt werden können. Daher lehnen wir die Vorschläge ab. Sehr geehrte Damen und Herren der Europäischen Kommission, wir wollen mit Ihnen zusammen die Eu- ropäische Union verbessern und weiterentwickeln, auch im Bereich der Energiepolitik. Aber an dieser Stelle schießen Sie über das Ziel weit hinaus. Die Prinzipien der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit sind kei- ne leeren Worthülsen und dürfen es nie werden. Nur mit diesen Grundprinzipien kann dieses so vielfältige Europa politisch funktionieren. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, die richtige Balance zu finden. Bei den in unserem Antrag genannten Punkten ist sie nicht gewahrt. Wir werden auch bei den anderen Vorhaben des Winterpakets genau hinschauen, wie es darum steht. Johann Saathoff (SPD): Wie wir alle in den letz- ten Jahren mehr und mehr erfahren haben, wird über die deutsche Energiepolitik zunehmend auf europäischer Ebene entschieden. Bei den EEGs, dem KWKG, dem Strommarktgesetz und bei vielen anderen Vorhaben geht nichts mehr ohne den Stempel aus Brüssel. Außer für die Energiepolitik bin ich in meiner Frak- tion auch für Fischereipolitik zuständig. Die europäi- sche Fischerei ist seit über 30 Jahren vollständig verge- meinschaftet. Als die Gemeinsame Fischereipolitik vor wenigen Jahren reformiert wurde, kam es zu enormen Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission. Die Situation stellte sich damals genauso wie heute dar: Die Kommis- sion versucht, mittels delegierter Rechtsakte, also ohne Beteiligung von Rat und Parlament, Kompetenzen an sich zu ziehen. Sie darf das nach dem Lissabon-Vertrag bei nicht-wesentlichen Teilen eines Gesetzgebungsaktes tun. Wir hatten nun einige Wochen Zeit, die ACER-Ver- ordnung und die Strommarkt-Verordnung zu lesen; denn nur um diese beiden Verordnungsentwürfe geht es heute. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23047 (A) (C) (B) (D) Nach dem Studium dieser Verordnungsentwürfe kann man sagen: Auch hier versucht die Kommission wie- der, Kompetenzen an sich zu ziehen und Rat und Par- lament gegeneinander auszuspielen. Und dabei geht es eben nicht um nicht-wesentliche Bestandteile des Pakets, sondern um entscheidende Fragen, wie zum Beispiel die regionalen Betriebszentren, die Ausgestaltung von Netz- kodizes oder eine mögliche Aufteilung in Gebotszonen. Das sind für jeden Mitgliedstaat zentrale Fragen der Energiepolitik, und die wollen wir auch zukünftig selbst entscheiden. Das hat gar nichts zu tun mit Europafeind- lichkeit, denn die Zuständigkeiten sind in den EU-Verträ- gen klar geregelt. In unseren Augen geht es nur darum, dass die Kommission hier versucht, sich unzulässiger- weise Kompetenzen anzueignen. In diesem Zusammenhang möchte ich noch meine Sorge zum Ausdruck bringen, was künftige Entschei- dungskompetenzen bei den angesprochenen Verord- nungsentwürfen betrifft. Mag man es vielleicht noch hinnehmen, dass die EU einzelne zentrale Fragen der Energiepolitik im Sinne der Koordinierung und Verein- heitlichung regeln möchte, so halte ich es aber nicht für akzeptabel, dass sich die Entscheidungskompetenzen auch mit diesen Entwürfen immer weiter vom Parlament auch in der EU hin zur Exekutive verlagern sollen. „So sitt Hark in’t Steel“, sagt man in Ostfriesland, wenn man die Deutungshoheit über eine Sache behalten möchte. Und genau um diese Deutungshoheit muss es uns als Parlamentarier gehen. Aus diesen Gründen freue ich mich, dass wir hier heu- te als Parlament diese Subsidiaritätsrüge verabschieden und uns damit in guter Gesellschaft mit einigen ande- ren Mitgliedstaaten befinden. Damit stärken wir unse- rer Bundesregierung bei den weiteren Verhandlungen in Brüssel den Rücken, und selbstverständlich werden wir auch die weiteren Verordnungen mit Blick auf das Subsi- diaritätsgebot prüfen. Auf jeden Fall bildet die heutige Debatte nur den Auf- takt zu einem längeren Diskussionsprozess; denn bis zur endgültigen Verabschiedung des Clean-Energy-Pakets wird es noch eine ganze Zeit dauern. Ich freue mich auf diese Debatte. Dr. Nina Scheer (SPD): In Form des vorliegenden Antrags befasst sich das Parlament mit der Frage, inwie- fern Maßnahmen aus dem sogenannten EU-Winterpaket bzw. „Saubere Energien für alle Europäer“ die Grundsät- ze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit tangie- ren bzw. gegen diese verstoßen. Auch wenn der Antrag nur zwei Bereiche benennt – die Elektrizitätsbinnenmarktverordnung sowie die ACER-Verordnung –, möchte ich unterstreichen, dass sich der Bundestag hiermit ausdrücklich vorbehält, auch zu weiteren Aspekten des Vorschlagspakets Stellung zu beziehen; denn das betreffende und noch im Einzelnen zu beratende Paket erzielt solch grundlegende Neu- strukturierungen zum Umgang mit Energie, dass hierbei zwangsläufig auch Bereiche angesprochen sind, die aus- weislich des Vertrages von Lissabon Angelegenheit der Mitgliedstaaten sind. Die mit dem EU-Energiepakt zu klärenden Fragen werfen somit zugleich eine ganz grundsätzliche Frage auf: Wie gehen wir mit Kompetenzüberschneidungen zur Ausgestaltung des Binnenmarktes in EU-Zuständigkeit auf der einen Seite und Artikel 192 sowie 194 des Vertra- ges von Lissabon auf der anderen Seite um, wonach der Energiemix Angelegenheit der Mitgliedstaaten ist? Dies betrifft auch Maßnahmen, die die allgemeine Struktur der Energieversorgung eines Mitgliedstaates erheblich berühren. Am Beispiel Deutschlands lässt sich gut erkennen, wie sich dieses Spannungsverhältnis darstellt: Mit einem wachsenden Anteil erneuerbarer Energien, insbesondere Wind und Solar und damit sogenannten fluktuierenden Energien, steigt der Bedarf an Flexibilitäten, um eine Versorgung kontinuierlich aufrechtzuerhalten. Sinn- vollerweise sind hierbei Synergien zu heben, sowohl in Form einer Verknüpfung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität als auch unter Einbindung von bereits vor- handener oder auszubauender Infrastruktur. Wenn etwa die Einbeziehung von Speichern sowohl mit Blick auf kontinuierliche Verfügbarkeit von Energie als auch für die Mobilität gelingt, ist dies ökonomisch sinnvoll und lässt uns schneller sektorübergreifend den klimapolitisch und ressourcenverknappungsbedingt notwendigen Um- stieg auf erneuerbare Energien gelingen. Dies ist auch aus Gründen der Gerechtigkeit wichtig: Nicht erst, wenn der Klimawandel um sich greift und verknappte Ener- gieressourcen zum Spekulationsobjekt werden, sollten wir die Energiewende vollzogen haben. Die skizzierte Entwicklung bedeutet aber auch, dass sich Fragen des Energiemixes, des Einsatzes von Energie und Fragen der Energievermarktung sowie Energieverbringung immer enger miteinander verflechten. Damit wird ein Ausein- anderhalten der unterschiedlichen Kompetenzen immer schwerer. Im Lichte der Subsidiarität und der geschilderten Zusammenhänge erwarte ich, dass die Kommission ein stärkeres Augenmerk darauf richtet, welcher Bereich der Energiewirtschaft sinnvollerweise als Angelegenheit der Mitgliedstaaten in deren Regelungshoheit verbleibt. Der europäische Energiemarkt darf sich nicht überfordern. Er sollte nicht stärker zusammenwachsen, als dies der Um- gang mit dem jeweiligen Energiemix der Mitgliedstaaten mit Blick auf alle Sektoren sinnvollerweise erlaubt. Im Sinne der Subsidiarität sollten Staaten Netzma- nagementaufgaben insoweit regelungstechnisch vorbe- halten bleiben, wie dies mit Blick auf ihren jeweiligen Energiemix sinnvollerweise ihrerseits zu regulieren ist. So ist etwa die Änderung des ACER-Abstimmungs- verfahrens kritisch zu sehen. Die Gestaltung des Ener- giemarktes sollte wegen dessen Verquickung mit dem nationalen Energiemix nicht den nationalen Gestal- tungsmöglichkeiten entzogen werden. Andernfalls droht insbesondere in solchen Staaten die Energiewende ins Stocken zu geraten, in denen ein vergleichsweise hoher Flexibilitätsbedarf besteht, somit in Staaten mit einem wachsenden bzw. hohen Anteil erneuerbarer Energien. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723048 (A) (C) (B) (D) Damit würden wir weder unseren internationalen Klima- schutzverpflichtungen gerecht noch den mit der Energie- wende gegebenen Chancen. Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Da es unmög- lich ist, die acht Dossiers zum Winterpaket der EU-Kom- mission zusammen zu beraten, ist es gut, dass wir von dem 4 300-seitigen Werk heute zunächst nur zwei Doku- mente anberaten. Zunächst ein paar Schlaglichter zum Winterpaket insgesamt aus unserer Sicht. Das größte Manko: Das Winterpaket basiert auf den veralteten EU-Klimaschutz- zielen. Die Kommission hat bei ihren Vorschlägen offen- sichtlich verdrängt, dass uns der Klimavertrag von Paris Aufgaben gestellt hat, um die 1,5- bis 2-Grad-Grenze nicht zu überschreiten. So orientiert es sich an dem, was der Europäische Rat im Oktober 2014 beschlossen hat, also lediglich 40 Prozent Treibhausgasminderung bis 2030, 27 Prozent-Erneuerbaren-Anteil und plus 27 Pro- zent Energieeffizienz. Damit liegt Europa aber bei wei- tem nicht auf einem Zielpfad, der zu rund 95 Prozent we- niger Treibhausgasen bis 2050 führt. In den einzelnen Vorschlägen ist nicht zu erkennen, dass die Dekarbonisierung des Energiesektors oder der rasante Ausbau der Erneuerbaren wirkliches Ziel der Kommission ist. Schwerpunkte sind vielmehr Marktre- geln für einen stärkeren Energieverbund und zudem selt- same Governance-Regeln, die eigentlich nur kaschieren sollen, dass es in der Energieunion an Verbindlichkeit der Ziele für die einzelnen Mitgliedsländer mangelt. Es gibt, isoliert betrachtet, ein paar positive Aspekte, aber die sind schnell aufgezählt. So soll das Effizienzziel für die EU insgesamt nun verbindlich sein, ähnlich wie das EE-Ausbauziel. Allerdings mangelt es beiden daran, dass die Verbindlichkeit nicht verteilt wird auf die Mit- gliedstaaten. Es gibt also nur eine kollektive Pflicht der EU-Länder zur Zielerreichung. Die Regeln zur Gover- nance, die allerdings erst ab 2024 wirken sollen, sollen dann einzelne Mitgliedstaaten irgendwie finanziell zur Verantwortung ziehen. Bis dahin kann eigentlich jeder machen, was er will. Das wird Europa in ärgste Schwie- rigkeiten bei der Erfüllung der Klimaschutzziele bringen. Nun zur Neufassung der Elektrizitätsbinnenmarkt- verordnung. Das Paket erteilt beim Marktdesign zwar Kapazitätsmärkten weitgehend eine Absage, der Ener- gy-only-Markt soll hier Vorrang haben. Kapazitätsme- chanismen, in denen alte Technologien überwintern kön- nen, sind unter bestimmten Bedingungen dann aber doch wieder zugelassen. Und in diesen Mechanismen dürfen zwar infolge des eingezogenen Emissionsstandards – 550 g CO2 pro Kilowattstunde – Kohlekraftwerke nicht mehr vergütet werden, der Einsatz von Atomkraftwerken für diese Zwecke wäre jedoch nicht ausgeschlossen. Eine der umstrittensten Fragen dieses Entwurfs ist, inwieweit künftig der Einspeisevorrang für EE-Anlagen gelten und wirken wird. Auch uns ist dies etwas unklar. Zunächst schafft die Kommission den EE-Einspeisevor- rang als „expliziten Grundsatz“ ab. Er soll aber zumin- dest weitgehend ersetzt werden durch einen „relativen/ impliziten“ Einspeisevorrang im Rahmen des Einspei- semanagements sowie durch Bestandsschutzklauseln. Möglicherweise gibt es darüber hinaus einen Transpa- renzgewinn durch erweiterte Berichts- und Rechtferti- gungspflichten der ÜNB/VNB im Falle von Abregelun- gen. Was den Einspeisevorrang beim Dispatch betrifft, so sind die Schwellenwerte für einen garantierten Marktzu- gang bei Neuanlagen für Wind, PV und Biomasse wohl kein Problem; denn in Deutschland liegen sie schließlich mit der EEG-Festvergütung, also der garantierten Abnah- me durch den Übertragungsnetzbetreiber, bis zur Leis- tung von maximal 100 Kilowatt bereits heute unter je- nen 250 Kilowatt, die die Kommission nun vorschreiben will. Über diesen Wert hinaus muss jeweils verpflichtend direkt an der Börse vermarktet werden. Weil die Markt- prämie die EE-Differenzkosten deckt, der Betreiber also seinen EE-Strom sicher los wird, kann man hier von einem impliziten Einspeisevorrang sprechen, der auch in Zukunft gewährt wird. Das gilt zwar in Deutschland nicht für Situationen mit negativen Preisen länger als sechs Stunden, aber das ist ein anderes Thema. Die vorgeschlagene Grenze der EU-Kommission wäre übrigens einmal Anlass, den Schwellenwert für die Direktvermarktung in Deutschland von 100 auf 250 Ki- lowatt zu erhöhen. Dann hätten Bürgerenergien wieder mehr Chancen, an der garantierten Einspeisevergütung zu partizipieren. Der Einspeisevorrang ist nicht nur für den Dispatch wichtig, sondern auch im Falle des Managements von Netzengpässen. Im Rahmen dessen dürfen in Deutsch- land erst dann, wenn Kohle und Atom auf die technische Mindesterzeugung abgeregelt worden sind, wenn nötig, auch Erneuerbare zwangsweise vom Netz, gegen 95-pro- zentige Entschädigung. Wir wissen zwar, dass gegen die Abregelungshierarchie in der Praxis häufig verstoßen wird, weil sie kaum kontrolliert wird. Aber es gibt sie. Nunmehr soll es hierbei nach dem Willen der Kommis- sion künftig ein Primat eines „marktlichen Redispatchs“ geben, in den dann auch Erneuerbare einbezogen sein würden. In Deutschland unterliegen dagegen momen- tan sowohl das Einspeisemanagement der EE-Anlagen als auch das Redispatch der konventionellen Erzeugung überwiegend den Netzbetreibern. Wir fragen uns, was von einem Vorrang für einen „marktlichen Redispatch“ zu erwarten wäre. Nach mei- nem Verständnis haben die Erneuerbaren eine hohe Flexibilität und werden in einigen Fällen billiger abzu- schalten sein als Kohlekraftwerke. Entsprechende Aus- schreibungen, die etwa adäquat zum Regelenergiemarkt stattfinden könnten, könnten sie gewinnen. Dabei verlö- ren die EE-Betreiber zwar kein Geld, es ginge aber auf Kosten des Klimaschutzes. Sollte es stimmen, dass mit dem Entwurf der Bundes- regierung weitgehende Entscheidungskompetenzen zur Gestaltung der Netzentgeltsystematik entzogen werden, so wäre dies zunächst kritisch zu sehen. Allerdings hat die Bundesregierung diese Kompetenz bislang kaum im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher eingesetzt; denn es werden weder bundesweit einheitliche Netzent- gelte eingeführt noch unberechtigte Industrieprivilegien Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23049 (A) (C) (B) (D) abgebaut, die andere über die hohen Netzentgelte bezah- len. Zum Schluss ein Wort zur Regulierungsbehörde ACER. Koalition und Bundesregierung haben Beden- ken, dass sich die EU-Behörde zu viel Kompetenzen auf den Tisch zieht und vielleicht sogar Deutschland in zwei Gebotszonen spalten könnte. Mein Vorschlag: Leiten Sie zügig den Einstieg in den Kohleausstieg ein. Dann ent- spannt sich auch die Netzsituation, und die Aufteilung in zwei Strompreiszonen wäre gebannt. Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Gestern, während in den verschiedenen Bundes- tagsausschüssen Ihre Subsidiaritätsrüge beraten wurde, war Theresa May unterwegs, um mit Artikel 50 den Bre- xit zu notifizieren. Dies kam nicht überraschend; denn der Austrittsantrag wurde seit dem Referendum vor neun Monaten erwartet. Trotzdem ist es traurig, dass die Koa- litionsfraktionen in den dunkelsten Stunden unserer Eu- ropäischen Union erneut die Keule der Subsidiaritätsrüge schwingen und sich zum Steigbügelhalter mancher An- ti-Europäer machen. Erst in der letzten Sitzungswoche erklärte Frau Strothmann von der CDU bei Ihrer letzten KoA-Subsidiaritätsrüge, es wäre jetzt auch mal Zeit, dass der Bundestag sich diesbezüglich nicht so zurückhalte. Ähnliche Töne zu meinem Erschrecken nun auch von der SPD im Wirtschaftsausschuss, wonach man Brüssel ja schon lange einmal zeigen müsse, wer energiepolitisch das Sagen hätte, und Brüssel ohnehin zu viel Energiepo- litik betreibe. Mit dem vorgelegten Winterpaket macht die Kommis- sion einen Umsetzungsvorschlag für die Ratsschlussfol- gerungen aus dem Oktober 2014. Dort war Ihre Bundes- regierung durch die Bundeskanzlerin vertreten und hat die Richtung vorgegeben. Wenn wir uns hier und heute über die Ausreizung euro- parechtlicher Vorgaben für die Energiepolitik verständi- gen, dann gehört auch zur Wahrheit, dass die Staats- und Regierungschefs damals weit über politische Leitlinien hinausgingen und bis auf die letzte Kommastelle detail- lierte Vorgaben für Energie- und Klimapolitik machten. Damit schränkten sie den Spielraum der Kommission extrem ein und verdealten nationale Egoismen. In den Zielen wiederum waren diese Vorgaben energie- und klimapolitisch viel zu schwach und reichen bei weitem nicht aus, um unsere klimapolitischen Verpflichtungen und Notwendigkeiten zu erfüllen. Wenn wir heute hier Ihre zweite Subsidiaritätsrüge innerhalb von drei Wochen behandeln, dann riecht das – mit Verlaub – auch ein wenig nach plumpem Wahlkampf auf Kosten der Europäischen Kommission. Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, stellen Sie sich wahlkampftaktisch in die Reihe von Verkehrs- minister Dobrindt und seiner europafeindlichen Wahl- kampfmaut. Zumindest haben Sie sich anders noch als letzte Sitzungswoche diesmal zumindest die Mühe ge- macht, nicht mehr nur die schlechte Vorlage Ihrer baye- rischen Kollegen aus dem Bundesrat abzuschreiben, son- dern sind auch wirklich bei den entscheidenden Punkten in die Tiefe gegangen. Bevor ich darauf im Detail eingehe, möchte ich aber noch einmal betonen: Die Energiewende ist kein deut- sches Projekt. Die Energiewende ist ein europäisches Projekt und braucht gemeinsame europäische Politiken. Hier kann die Kommission groß in großen Dingen sein, wie es Präsident Juncker zu Beginn seiner Amtszeit ver- kündete; denn der Umbau und die Modernisierung un- serer Wirtschaft und Energiegewinnung zum Wohle un- serer künftigen Generationen gehören zweifelsohne zu den größten Dingen unserer Zeit. Und auch unser Ziel „von den fossilen Energien auf 100 Prozent erneuerbare Energien“ werden wir nur erreichen können, wenn wir es europäisch angehen. Die Kommission macht in ihrem Winterpaket dafür auch einige gute Vorschläge. Manche Vorschläge sehen auch wir kritisch; die müssen und werden wir im norma- len Gesetzgebungsverfahren verändern und verbessern. Grundlage der Vorschläge ist Artikel 194 AEUV. Da- rin heißt es in Absatz 1: „Die Energiepolitik der Union verfolgt im Geiste der Solidarität zwischen den Mitglied- staaten im Rahmen der Verwirklichung oder des Funkti- onierens des Binnenmarkts und unter Berücksichtigung der Notwendigkeit der Erhaltung und Verbesserung der Umwelt folgende Ziele: a) Sicherstellung des Funktionierens des Energie- markts; b) Gewährleistung der Energieversorgungssicher- heit in der Union; c) Förderung der Energieeffizienz und von Energie- einsparungen sowie Entwicklung neuer und er- neuerbarer Energiequellen und d) Förderung der Interkonnektion der Energie- netze.“ Sie sehen: Selbst im Vertrag von Lissabon sind die Ziele des Netzausbaus und der europäischen Netzverbin- dung, der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Ver- besserung der Energieeinsparung festgeschrieben. Zugespitzt könnte man vielleicht sogar sagen, dass Ihr schwarz-rotes Festhalten an der schmutzigen und gefähr- lichen Braunkohle, der schleppende Netzausbau und die Belastung der Stromnetze unserer Nachbarn mit drecki- gem deutschem Kohlestrom aus massiven Kohleüber- kapazitäten dem Europarecht widerspricht, zumindest unseren Zielen. Klar ist aber zumindest, dass Ihr diesbe- zügliches Handeln in diesen Bereichen auch dazu geführt hat, dass die Kommission hier aktiv werden muss. Aber kommen wir zu den Details Ihrer Rüge. Subsi- diarität bedeutet im engeren Sinne, dass die Europäische Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig wird, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden kön- nen, sondern wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind. Die Ministerien der Bundesregierung und auch die Juristen des Bundestags haben nun festgestellt, dass die beiden heute hier beratenen Verordnungsvorschläge Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723050 (A) (C) (B) (D) grundsätzlich mit dem Prinzip der Subsidiarität vereinbar sind. Sie melden aber in Detailfragen Subsidiaritätsbe- denken an. Diese Bedenken sind aus unserer Sicht auch berechtigt. Die europäische Organisation von Gebotszo- nen kann zwar grundsätzlich helfen, die Versorgungssi- cherheit auch bei zunehmendem Anteil fluktuierender Solar- und Windstromanteile im Netz stabil zu halten und zu hohe Kosten sowie die Überkapazitäten zu ver- hindern. Dies sollte aber im Einklang durch enge Koope- ration der Mitgliedstaaten geschehen und nicht im allei- nigen Zuständigkeitsbereich der Kommission liegen. Bei der Frage unterstützen wir das Ansinnen der Koalition, sagen aber auch, dass dies besser durch eine glaubhaf- te und klare Arbeit der Bundesregierung statt durch eine Subsidiaritätsrüge erreicht werden sollte. Die Vorschläge zur Einrichtung regionaler Betriebs- zentren sollten so ausgestaltet werden, dass die nationalen und die für die Versorgungssicherheit verantwortlichen Übertragungsnetzbetreiber sowie die Bundesnetzagentur als zuständige Aufsichtsbehörde zwar in einem engen Austausch mit den europäischen Nachbarstaaten zur Be- wältigung der Herausforderungen eines zunehmend eu- ropäisierten Netzverbunds und Energiemarkts stehen, in letzter Instanz jedoch alleine entscheidungsbefugt blei- ben. Hier kann man beim bewährten Prinzip bleiben und die Verantwortung und Entscheidungsbefugnis für die Netzführung in nationalstaatlicher Hand behalten, aber gleichzeitig die grenzüberschreitende Kooperation for- cieren. Und hier passiert auch Ihrerseits zu wenig. Bei der Frage der Netzkodizes gemäß Artikel 55 des Verordnungsvorschlags zum Elektrizitätsbinnenmarkt erklären uns unsere Juristinnen: Die Kommission ist nach geltendem Recht grundsätzlich befugt, Rechtset- zungsakte ohne Gesetzgebungscharakter zu erlassen. Diese als „exekutive Rechtsetzung“ bezeichnete und im Vertrag von Lissabon – Artikel 290 AEUV – geregelte Befugnis ermöglicht es ihr, innerhalb gewisser Grenzen Elemente eines Sekundärrechtsakts durch einen biswei- len sogenannten „tertiären“ Rechtsakt zu ändern. Zu Recht wird kritisiert, dass die KOM hierzu nicht ausreichend dargelegt hat, warum derartig weit gefasste delegierte Rechtsakte notwendig sind. Als Europäerinnen sollten wir alle sagen, dass die ge- planten Maßnahmen sich der Regelungskompetenz für die Themenbereiche einem ordentlichen parlamentari- schen Verfahren entziehen und wir das ändern wollen. Hierfür können wir die Bundesregierung auffordern und sagen: Lasst uns die Netzkodizes nicht durch legitime, aber zu weitreichende delegierte Rechtsakte klären, son- dern vom tertiären Recht zurück ins sekundäre Recht holen, zum Beispiel bei Regeln für den Netzanschluss oder Netzzugang Dritter, Regeln für den Datenaustausch und die Abrechnung, die Interoperabilität oder operative Verfahren bei Notfällen. Dies können und wollen wir zu- rück in eine Verordnung holen. Doch von dieser mögli- chen Option hört man bei Ihnen nichts, und damit ist Ihre Rüge ein reines Wahlkampfgetöse. Die Subsidiaritätsrüge ist ein wichtiges Instrument. Sie beweisen mit Ihrer Rüge auch, dass Brüssel nicht irgend- wo weit weg ist, sondern wir Parlamentarier im Bundes- tag ganz selbstverständlich Einfluss auf die Vorschläge der EU-Kommission nehmen können. Wir wissen aber auch, dass die Subsidiaritätsrüge eines der schärfsten Schwerter ist, die uns in unserer demokratischen par- lamentarischen Arbeit in Europa zur Verfügung stehen. Dieses Schwert taugt nicht zum Säbelrasseln. Übermä- ßiger Gebrauch macht es stumpf. Daher hoffen wir sehr, dass Sie es nun nicht alle paar Wochen einsetzen. Da wir Ihre materielle Kritik bei der Frage der Netz- kodizes jedoch teilen und Nachbesserungen bei den regi- onalen Betriebszentren und Gebotszonen sehen, enthal- ten wir uns bei der Abstimmung über Ihren Antrag. Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Fahrlehrerwesen und zur Änderung anderer stra- ßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (Tagesord- nungspunkt 27) Karl Holmeier (CDU/CSU): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf realisieren wir ein Projekt, das wir im Ko- alitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vereinbart haben: Wir verbessern die Ausbildung der Fahranfänger und erhöhen die Qualität der pädagogischen Ausbildung der Fahrlehrer. Wir kommen mit dem Gesetzentwurf auch einer Bitte der Verkehrsministerkonferenz aus dem April 2012 nach, auf der Grundlage eines Eckpunktepa- piers einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe eine umfassen- de Reform des Fahrlehrerrechts in Angriff zu nehmen. Wir wollen mit unserem Gesetz auch den Problemen des Fahrschulsektors Rechnung tragen und das in seinen Grundzügen seit 1969 unveränderte Fahrlehrerrecht re- formieren. Ferner hat die Bundesregierung den Abbau von An- zeige- und Nachweispflichten für Fahrschulen, die Er- leichterung der Zusammenarbeit von Fahrschulen sowie die Überarbeitung der Zugangsvoraussetzungen für den Fahrlehrerberuf mit dem Ziel der Verbesserung der wirt- schaftlichen Situation von Fahrschulen und der Bekämp- fung des Nachwuchsmangels in ihr Arbeitsprogramm „Bessere Rechtsetzung 2016“ aufgenommen. Ziel der von uns angestrengten Reform ist die Verbes- serung der Fahrlehreraus- und -weiterbildung, die für die Erhöhung der Verkehrssicherheit gerade der besonders gefährdeten jungen Fahranfängerinnen und Fahranfänger von besonderer Bedeutung ist. Durch eine zielorientierte Entbürokratisierung und Erleichterung von Kooperatio- nen wollen wir schließlich die wirtschaftliche Situation der überwiegend durch kleinstbetriebliche Strukturen ge- prägten Fahrschulen verbessern. Mit der Überarbeitung der Zugangsvoraussetzungen für den Fahrlehrerberuf soll auch dem drohenden Nachwuchsmangel begegnet werden. Gerade der Begegnung des Nachwuchsmangels ist in Zeiten des demografischen Wandels hin zur alternden Be- völkerung besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Da Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23051 (A) (C) (B) (D) unterscheidet sich der Fahrlehrerberuf kaum von vielen anderen Berufsständen, die über fehlenden Nachwuchs klagen. Die Zahl der Fahrlehrer ist das siebte Jahr in Fol- ge gesunken. Bundesweit haben nur noch etwas mehr als 45 000 Personen eine Fahrlehrererlaubnis, und das Durchschnittsalter liegt bei 53 Jahren. Mit großer Masse ist der überwiegende Teil der Fahrlehrerlaubnisinhaber – 75 Prozent plus x – 45 Jahre oder älter und wird sich in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren aus dem Beruf ver- abschieden. Frauen stellen derzeit weniger als 9 Prozent aller Fahrlehrer in Deutschland. Der Nachwuchsmangel hängt auch mit der geringen finanziellen Perspektive des Berufes zusammen, und das Fahrlehrergehalt ist starken regionalen Schwankungen ausgesetzt. In strukturschwa- chen Gebieten mit wenigen Fahrschülern und niedrigen Fahrstundenpreisen verdienen Fahrlehrer tatsächlich oft nicht mehr als 1 400 Euro brutto im Monat. Im Rahmen der Expertenanhörung am 8. März 2017 haben wir unser Reformprojekt dem Praxistest unterzo- gen. Ich möchte an dieser Stelle den Sachverständigen danken, dass sie uns umfangreich Rede und Antwort ge- standen haben. Die Anregungen zu den Themenkomplexen Wegfall der Zweigstellenbegrenzung, Rolle des verantwortlichen Leiters, Nutzen der 495-Minuten-Regelung, Wegfall der Verpflichtung des Tagesnachweises, Nachwuchsmangel bei Fahrschulen, wirtschaftliche Situation der Fahrschu- len, Zugangsvoraussetzungen für Fahrlehrer insbeson- dere im Hinblick auf Schulabschluss und Mindestalter, Standards für die Überwachung von Fahrschulen, Teil- zeitausbildung, Verkehrssicherheit als Ausbildungsziel und Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes haben wir nach der Anhörung ausgiebig in der Koalition diskutiert. Mit unserem Änderungsantrag haben wir die Arbeits- zeit auf 495 Minuten und die Anzahl der Zweigstellen auf zehn begrenzt. Das ist ein angemessener Mittelweg. Auch die Einbeziehung freiberuflicher Fahrlehrer ist sachgerecht, da diese zwar die Ausnahme bilden, aber dennoch in der Praxis zu berücksichtigen sind. Mit der heutigen Verabschiedung des Gesetzes und den Änderungen, die die Koalition im parlamentari- schen Verfahren vorgenommen hat, bringen wir einen bereits länger dauernden Prozess zu einem guten Ende und entsprechen der Forderung der Fahrlehrerschaft nach einer Vereinfachung und Verbesserung der gesetzlichen Grundlagen. Wir stärken die Wettbewerbsfähigkeit und erhöhen die Qualität der Ausbildung. Gero Storjohann (CDU/CSU): Seit 2012 versuchen wir, eine Reform des Fahrlehrerwesens anzustreben, um eine Verbesserung des Fahrschullehrerwesens zu erzie- len. Heute debattieren wir einen Entwurf, der nur eine Schlussfolgerung zulässt: Dieses Anliegen ist uns nun endlich, nach einem langen Weg, gelungen. Lassen Sie mich diesen Weg kurz skizzieren: Beginnen möchte ich im Jahre 2012. Damals bat die Verkehrsministerkonferenz das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, auf Grundlage eines Eckpunktepapiers eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe für eine umfassende Reform der Fahrlehrerrechts zu grün- den. Seitdem ist viel passiert. Den Grundstein für die Reform legte der 2013 ge- schlossene Koalitionsvertrag. Die Ausbildung der Fahr- anfänger zu verbessern und die Qualität der pädagogi- schen Ausbildung der Fahrlehrer zu erhöhen, lautet der Leitsatz. Dieser Grundstein wurde erweitert durch die Aufnahme des Themas in das Arbeitsprogramm ,,Besse- re Rechtsetzung 2016“ der Bundesregierung. Hierdurch kamen die folgenden Grundpfeiler, wie die Erleichterung der Zusammenarbeit von Fahrschulen sowie die Über- arbeitung der Zugangsvoraussetzungen für den Fahrleh- rerberuf mit dem Ziel der Verbesserung der wirtschaftli- chen Situation von Fahrschulen und der Bekämpfung des Nachwuchsmangels, zu unserem Arbeitsauftrag hinzu. Seit 2016 befassen wir uns nun intensiv im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur mit diesem Arbeits- auftrag, der keinen anderen Schluss zuließ, um den An- liegen der Länder und der Bundesregierung zu entspre- chen und gleichzeitig den gegenwärtigen Problemen des Fahrschulsektors Rechnung zu tragen: Eine umfassende Reform musste her. Das Ziel stand somit fest: Das in seinen Grundzügen seit 1969 unveränderte Fahrlehrerrecht sollte grundle- gend reformiert werden. Ein Hauptziel dieser Reform ist die Verbesserung der Fahrlehrerausbildung und Fahrleh- rerweiterbildung, die für die Erhöhung der Verkehrssi- cherheit gerade der besonders gefährdeten jungen Fahr- anfänger und Fahranfängerinnen von großer Bedeutung ist. Zudem soll mit Maßnahmen zur Entbürokratisierung – Erleichterung von Kooperationen sowie Vergrößerung der Zweigstellenanzahl – die wirtschaftliche Situation der überwiegend durch kleinstbetriebliche Strukturen ge- prägten Fahrschulen grundlegend verbessert werden. Außerdem soll durch die Überarbeitung der Zugangs- voraussetzung für den Beruf des Fahrlehrers dem dro- henden Nachwuchsmangel begegnet werden. Um diesem Nachwuchsmangel konkret entgegenzuwirken, wurden insbesondere die Berufszugangsregelungen, die struktu- relle und inhaltliche Gestaltung der Fahrlehrerausausbil- dung und auch der Fahrlehrerweiterbildung und die Fahr- schulüberwachung an aktuelle Erfordernisse angepasst. Die angesprochene wirtschaftliche Situation soll mit diesem Gesetz nach Berechnungen des Ministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur durch mehr als 84 Mil- lionen Euro für die Fahrschulen entlastend wirken. Die Fahrschulen sollen weniger Zeit mit Formalien verbrin- gen müssen und mehr Zeit für die Fahrschulausbildung ihrer Schüler haben. Die neuen Regelungen der Fahr- schulüberwachung sollen eine verbesserte Fahrschulaus- bildung bewirken. Um die Einhaltung dieser neuen Vorschriften zu ga- rantieren, schaffen wir den Rahmen für eine bundesein- heitliche Überwachung der Fahrschulen, bei der es sich jetzt nicht nur um eine reine Formalüberwachung han- delt. Vielmehr legen wir Wert darauf, dass diese Überwa- chung auch auf pädagogischer Ebene erfolgt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723052 (A) (C) (B) (D) Besonders hervorheben möchte ich noch drei weitere Erneuerungen, welche aus der Arbeit im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur resultieren: Erstens. Die nicht erforderliche Übergangsfrist im § 69 Fahrschullehrgesetz für Kooperationen und Zweig- stellen aus dem ersten Entwurf des Fahrlehrergesetzes konnte gestrichen werde; denn die Fahrschulunterneh- men sind schon jetzt bereit, die Erneuerungen umzu- setzen. Es bedurfte folglich keinerlei Übergangsfrist für diese Regelung. Zweitens. Die seit Jahren bestehende Beschränkung auf drei Zweigstellen, welche mit dazu beigetragen hat, dass das Fahrschulgewerbe kleinstbetrieblich strukturiert ist, ist nicht mehr länger als zeitgemäß anzusehen. Die Anzahl künftig möglicher Zweigstellen wird auf zehn Zweigstellen angehoben. Einerseits wird damit dem auch wirtschaftlichen Wunsch nach größeren Unterneh- menseinheiten Rechnung getragen. Anderseits zeigt die Beibehaltung der gesetzlichen Beschränkung und keine grenzenlose Lockerung der Zweistellenanzahl, dass die Inhaber einer Fahrschulerlaubnis bzw. die verantwortli- che Leitung von Ausbildungsfahrschulen die im Fahrleh- rergesetz festgelegten Pflichten in Bezug zur Ausbildung der Fahrschüler nach den Qualitätskriterien für die Fahr- schulausbildung und zur Überwachung der Ausbildung ausreichend nachkommen können. Dies ist gerade wegen der hohen Bedeutung einer ordnungsgemäßen Ausbil- dung der Fahrschüler für die Verkehrssicherheit und für die Unfallbekämpfung als sachgerecht zu sehen. Die Anhebung der Zahl möglicher Zweigstellen ist allein mit Blick auf die heute bestehenden Möglichkei- ten der modernen Kommunikation und Unternehmens- führung geboten. Sie ist im ersten Schritt mit einer Be- schränkung auf zehn Zweigstellen, was einer spürbaren, aber gleichwohl noch maßvollen Steigerung entspricht, auch ausreichend. Damit wird allen Fahrschulen, die sich an die gesetzlich vorgegebene Zweigstellenbeschrän- kung gehalten haben, unter Beibehaltung des Lehrauf- trags ein fließender Übergang von der kleinstgewerbli- chen Struktur zu anderen Unternehmensstrukturen und anderen Formen der Zusammenarbeit, wie den neu ge- schaffenen Kooperationen, erleichtert. Umgekehrt wer- den Unternehmen, die wachsen wollen und können, nicht darin behindert. Drittens. Die Arbeitszeitbegrenzung des praktischen Unterrichts wurde auf 495 Minuten begrenzt. Diese Re- gelung gilt für den angestellten Fahrlehrer wie auch für den selbstständigen Fahrlehrer. Dies ist sehr im Sinne der Verkehrssicherheit. Damit kommen wir zu einem Punkt, der mir sehr am Herzen liegt: Die Verkehrssicherheit. Der aktuelle Un- fallverhütungsbericht macht wieder einmal deutlich, dass wir immer mehr Mittel einsetzen müssen, um die Zahl der Verletzten und Getöteten im Straßenverkehr weiter zu reduzieren. Das größte Unfallrisiko bleibt laut diesem Bericht in unserem Straßenverkehr der Faktor Mensch. Diesem Faktor können wir mit einem verbesserten Fahr- schullehrerwesen entgegenwirken. Gut qualifizierte Fahrlehrer produzieren auch gut qualifizierte Fahranfän- ger. Bedauerlicherweise sind es gerade die Fahranfän- ger, welche weiterhin die am stärksten unfallgefährdete Gruppe aller Verkehrsteilnehmer darstellen. Dagegen wollen wir mit diesem Gesetz etwas tun. Bitte stimmen Sie mit Freude für diesen Gesetzesent- wurf und unseren Änderungsantrag; denn dies dient der Verkehrssicherheit und der Verbesserung der Fahrschul- branchen in Deutschland. Stefan Zierke (SPD): Zuerst möchte ich drei Stich- worte nennen, von denen man sagen kann, dass sie im Jahre 1969 – im Jahr der Verabschiedung des Fahrleh- rergesetzes in seiner ursprünglichen Version – wohl wie eine Zukunftsvision geklungen haben müssen: automa- tisiertes Fahren, selbstfahrende Autos und Elektromobi- lität. Nun reformieren wir mit dem heute zu verabschieden- den Fahrlehrergesetz und der entsprechenden Verordnung weder das automatisierte Fahren noch die E-Mobilität. Dafür haben wir parallel laufende Gesetzesvorhaben bzw. Förderprogramme. Aber ich möchte mit diesen Stichworten verdeutlichen, dass die Mobilitätsbranche durch viele technische Neuerungen und eine hohe Inno- vationsrate gekennzeichnet ist. Von vielem, was uns heu- te alltäglich erscheint, konnte vor etwa 50 Jahren noch keine Rede sein. Autos von früher sind nicht mit denen von heute zu vergleichen. Ebenso hat sich die pädagogische Wissensvermittlung sowohl in der Ausbildung als auch in der praktischen An- wendung weiterentwickelt. So ging es früher, ob in Schu- le, Ausbildung, Universität oder Fahrschule, verstärkt um Wissensvermittlung, oft auch als Frontalunterricht für Schüler oder Auszubildende. Heute rückt das Thema Kompetenzen in den Vordergrund. Das „Lernen lernen“ ist hier zum geflügelten Wort geworden. Auch vor der Ausbildung der Fahrlehrer und Fahrleh- rerinnen haben technische Innovationen und veränderte Ansprüche an pädagogische Konzepte nicht haltgemacht. Und da im Fahrlehrergesetz über die Jahre Reformbedarf in den gerade kurz skizzierten Bereichen entstanden ist, haben sich die Koalitionsfraktionen diesem Thema auch im Koalitionsvertrag von 2013 gewidmet, zwar nur in einem kleinen Satz, aber dieser Satz führt nun zu der not- wendigen Reform, über die wir heute abstimmen werden. In Zusammenarbeit mit dem Ministerium, mit den Fahrschulverbänden und nicht zuletzt mit dem Koaliti- onspartner haben wir über einen langen Zeitraum in sehr guter und sachlicher Art und Weise einen Gesetzestext zusammengebracht. Wir als SPD-Fraktion haben schon allein zwei Runde Tische mit Fahrlehrerverbänden und einzelnen Fahrschulen organisiert, ganz abgesehen von den vielen Hintergrund- und Expertengesprächen. Das Gesetz, das nun als Entwurf vorliegt, und der von un- serer Fraktion und der CDU/CSU eingebrachte Ände- rungsantrag enthalten natürlich Kompromisse. In seiner Gänze wird aber das eingelöst, was SPD und CDU/CSU in ihren Koalitionsvertrag geschrieben haben, und auch vieles von dem, was aus der Fahrschulbranche im Ge- setzgebungsverfahren an uns herangetragen wurde. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23053 (A) (C) (B) (D) Doch lassen Sie mich nun konkreter auf einige einzel- ne Punkte des Gesetzes und unseren gemeinsamen Ände- rungsantrag eingehen: Neben formalen Änderungen nehmen wir in unserem Änderungsantrag einige Empfehlungen des Bundesra- tes auf. So wird nun geregelt, dass bei Kooperations- fahrschulen die nach Landesrecht zuständige Behörde zuständig ist, in deren Gebiet der Sitz der Auftrag ge- benden Fahrschule zuständig wird. Bisher war das nicht in dieser Form geregelt. Ebenso dürfen auf Empfehlung des Bundesrates Auszüge aus dem Bundeszentralregister nun zum Beispiel nicht älter als drei Monate sein. Alles vernünftige Dinge, die wir in den Änderungsantrag auf- genommen haben. Als SPD-Fraktion haben wir uns darüber hinaus er- folgreich für die Beibehaltung der 495-Minuten-Rege- lung starkgemacht. Dies ist meiner Fraktion, aber auch mir persönlich, eine unheimlich wichtige Sache, und zwar aus Sicherheitsaspekten und aus Kontrollgründen. Wir wollen damit verhindern, dass Fahrlehrer oder Fahr- lehrerinnen, die freiberuflich praktischen Fahrunterricht geben, dies ohne Kontrolle und ohne zeitliche Begren- zung machen. Daher die Reglementierung auf 495 Mi- nuten pro Tag. Lassen Sie mich an dieser Stelle auch gleich zu den Freiberuflern kommen. Wir, die SPD-Fraktion, sehen dies eigentlich so wie die Mehrzahl der Verbände. Der Freiberufler ist schwer zu kontrollieren und – das sagt ja schon sein Name – „frei“ beruflich unterwegs. Wenn also ein Fahrschulinhaber einen Freiberufler einsetzt, kann er diesen, anders als einen eigenen angestellten Fahrlehrer, nur bedingt kontrollieren. Ob er zum Beispiel vorher schon in einer anderen Fahrschule ein paar Stunden ge- geben hat oder nach den beiden Stunden, die er gerade gibt, noch eine Nachtfahrt hinten dranhängt, ist schwer zu kontrollieren. Hier sieht meine Fraktion ein Problem unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit. Fahr- lehrer müssen fit sein, das Fahrgeschehen ihrer Schü- ler dauerhaft beobachten, und ja, gegebenenfalls auch schnell und beherzt ins Fahrgeschehen eingreifen. Dazu müssen sie aber wach und konzentriert sein. Das kann man aber nicht mehr nach elf Fahrstunden! Nun kann man sagen – und glauben Sie mir, das habe ich schon oft als Argument gehört; aber es wird dadurch aber nicht stichhaltiger –, wir hätten doch auch freibe- rufliche Ärzte, Rechtsanwälte oder freiberufliche Pro- grammierer. Die reglementiere man doch auch nicht. Ja, sage ich Ihnen, das stimmt, und unsere Kritik am frei- beruflichen Fahrlehrer richtet sich ja auch nicht als An- griff auf das Freiberuflertum an sich. Sie müssen meines Erachtens hier aber unterscheiden, was zum Beispiel die Honorare von Ärzten und Fahrlehrern betrifft. Ein Arzt oder Rechtsanwalt hat in der Regel bessere Stundensätze als ein Fahrlehrer. Und wenn ein freiberuflicher Kreati- ver einschläft und seinen Kopf auf die Tastatur sinken lässt, geht davon keine Gefahr aus. Vielleicht ist das vor- her Programmierte gelöscht. Aber davon ist keiner gegen einen Baum gefahren. Ein Fahrlehrer darf aber nicht ein- mal kurz einen Sekundenschlaf haben oder unkonzent- riert sein. Das ist zu gefährlich. Und hier sehen wir die Sorge, dass sich Freiberufler gewissermaßen selbst aus- beuten, mehr Stunden machen, als sie sich zutrauen soll- ten, gegebenenfalls für einige Jahre die Beiträge für die Sozialversicherung „sparen“, um besser über die Runden zu kommen – mit den entsprechenden Konsequenzen, was zum Beispiel das Thema Altersarmut angeht. Dies wollte meine Fraktion so nicht. Aber wir haben uns mit unserem Koalitionspartner nun darauf geeinigt und wol- len die notwendige Verkehrssicherheit als SPD über die 495-Minuten-Regelung erreichen. Besser wäre es für uns ohne Freiberufler. Aber so steht nun der Kompromiss. Im alten Fahrlehrergesetz war die Zweigstellenanzahl auf drei festgelegt. Das Ziel des Gesetzes ist es unter anderem, eine stärkere Konzentration und damit nicht zuletzt Skaleneffekte mit größeren Fahrschuleinheiten herstellen zu können. Daher hat sich die Koalition, nach- dem im Entwurf keine Zahl genannt ist, nun auf zehn Zweigstellen geeinigt. So kann eine Konzentrationswir- kung stattfinden; aber auch aus Kontrollgesichtspunkten werden keine riesigen Fahrschulkonglomerate möglich sein – wobei es so sein wird, dass bei Gemeinschafts- fahrschulen diese Regelung für jeden Gesellschafter gilt, also auch hier weiterhin in der Praxis Spielraum besteht. Für viel Aufregung sorgte die Übergangsfrist aus dem § 69 Absatz 1, die bisher im Gesetzentwurf stand. Die- se hätte bedeutet, dass Zweigstellen und Kooperations- fahrschulen erst ab dem 1. Juli 2019 möglich geworden wären, auch wenn wir das Gesetz jetzt schon auf den Weg bringen. Wenn das Gesetz aber genau diese Punkte einräumen will, brauchen wir hier nicht zu warten. Die ganze Branche sagte uns, sie seien bereit und warteten auf diese Regelung. Deshalb besteht hier kein Bedarf für diese Übergangsfrist; wir können sie ohne Weiteres und ohne schlechtes Gewissen herausnehmen. Auch dies werden Sie daher in unserem Änderungsantrag finden. Es ist ein hohes Gut, ortsnahe und kompetente Fahr- schulen in ganz Deutschland zu haben. Von der Ucker- mark bis in den hintersten Bayerischen Wald wollen wir die Fahrschullandschaft stabilisieren und modernisieren, damit junge Menschen sicher und verantwortungsvoll auf unseren Straßen Auto und Motorrad fahren können. Ich denke, wir haben hier auf der Grundlage unseres gu- ten Koalitionsvertrages ein gutes Gesetz entworfen. Ich bitte daher um Ihre Zustimmung. Thomas Lutze (DIE LINKE): Zunächst einmal ist es erfreulich, dass bei der Debatte zum Gesetzentwurf fachliche Fragen im Vordergrund standen und wir uns die ideologischen Schaukämpfe, wie sie die Diskussion um die Pkw-Maut prägten, sparen können. Die Linksfrakti- on unterstützt, dass die Bundesregierung die Ausbildung der Fahranfänger verbessern und auch die pädagogische Ausbildung der Fahrlehrer erhöhen möchte. Bereits im April 2012 hatte die Verkehrsministerkonferenz dazu auf- gefordert, eine umfassende Reform des Fahrlehrerrechts in Angriff zu nehmen. Das wird allerhöchste Zeit; schließlich hatte es seit 1969 kaum Anpassungen gegeben. Wir alle wissen, dass Fahranfänger im Straßenverkehr zum einen besonders gefährdet sind, zum anderen von ihnen aber auch die meiste Gefahr für andere Verkehrs- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723054 (A) (C) (B) (D) teilnehmer ausgeht. Eine gute Ausbildung der Fahrlehrer erhöht die Verkehrssicherheit insgesamt. Es ist begrüßenswert, dass der Besitz der Führerschei- ne A und C als zwingende Voraussetzung für den Erwerb der Fahrlehrerlaubnisklasse BE wegfallen soll. Ein Ge- setz zu erlassen, ist die eine Sache. Zu schauen, ob die Folgeentwicklungen auch tatsächlich so eintreten, wie man sich es erhofft hat, ist die andere Sache. Wir sollten daher in der Zukunft ganz genau darauf schauen, ob ge- gebenenfalls noch Anpassungen vorgenommen werden müssen: Der Bedarf an Kompetenz für diese Fahrzeug- klassen wird weiterhin vorhanden sein. Die Lockerung von Zugangsmöglichkeiten ist oft eine Gratwanderung. Es darf keine Situation eintreten, bei der am Ende zu we- nig Fahrlehrer dieser Klassen vorhanden sind. Außerdem schadet es nicht, wenn ein Fahrlehrer auch die Perspekti- ve eines Motorrad- oder Lkw-Fahrers kennt. Auch wenn die Führerscheinklassen A und C nicht mehr zwingende Voraussetzung sein sollten, sollte also dennoch darauf hingewirkt werden, dass die Auszubildenden auch dahin gehende Kompetenzen vermittelt bekommen. Die Linksfraktion unterstützt, dass mit der Reform der Fahrlehrerausbildung pädagogischen Aspekten mehr Be- deutung zukommen soll. Fahrlehrer sind heute oftmals mit einer veränderten Altersstruktur konfrontiert: Neben 18- oder 17-Jährigen sitzen immer öfter Menschen mitt- leren Alters in der Fahrschule. Ferner ist es richtig, die Ausbildungsinhalte zu straffen und von überflüssigem Ballast zu befreien. Hierbei muss jedoch darauf geachtet werden, dass „überflüssig“ auch genau das heißt: Straf- fung darf nicht auf Kosten der Qualität gehen. Kompe- tenzvermittlung muss den Raum bekommen, den eine gute Ausbildung verlangt. Um genau das zu erkennen, wird es nötig sein, die Fahrlehrerausbildung künftig bes- ser zu evaluieren. Bedauerlich ist, dass es für die päda- gogische Fahrschulüberwachung keine einheitlichen in- haltlichen Kriterien geben soll. Dass diese Überwachung im Laufe der Gesetzgebung von einer Muss- zu einer Kannbestimmung geworden ist, macht das Ganze noch ärgerlicher. Was in anderen Branchen bereits lange möglich ist, gilt bisher nicht so für die Fahrschulen. Die Linksfrakti- on unterstützt, dass künftig Kooperationen möglich sein sollen, wie dies für andere Branchen längst üblich ist. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund begrüßens- wert, dass die Ausstattung von Unterrichtsräumen mit moderner Technik einiges kostet, und in Netzwerkstruk- turen ist dies eindeutig besser zu stemmen. Die Probleme, die heute im Fahrlehrerwesen existie- ren, sind zu einem großen Teil darauf zurückzuführen, dass die Politik viel zu lange weggeschaut hat. Das betrifft insbesondere die Arbeitsbedingungen. Wir brauchen eine bessere Angestelltenkultur, und auch die Verdienstmög- lichkeiten müssen sich verbessern. Im Fahrlehrerwesen sind Arbeitsverträge ohne Arbeitszeitkonto, ohne Festge- halt und ohne bezahlte Fortbildung nicht selten. Oft wer- den arbeitsrechtliche Bestimmungen nicht eingehalten, sodass in der Folge Feiertage und Urlaub nicht bezahlt werden oder es im Krankheitsfall keinen Lohn gibt. Auch über die im Gesetzentwurf geplanten Änderungen hinaus muss die Politik bei der Bezahlung nach Branchenmin- destlöhnen für Fahrschulen genauer hinschauen. Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): „Was lange währt, wird endlich gut“, so heißt es in einem bekannten Sprichwort. Das Gesetz zum Fahr- lehrerwesen war auf jeden Fall ein langwieriges Vorha- ben, das ohne die intensiven Vorarbeiten der Länder – und in diesem Zusammenhang möchte ich insbesondere das Engagement des Landes Baden-Württemberg her- vorheben – heute nicht beschlossen werden könnte. Von dieser Seite also auch noch einmal einen Dank für die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Landes- und Bundesebene. Insgesamt bringt das Gesetz zum Fahrlehrerwesen in wichtigen Punkten Fortschritte. Zu nennen sind die Neuregelung der Zugangsvoraussetzungen zum Fahr- lehrerberuf, die Modernisierung der Fahrlehreraus- und -weiterbildung, die Verbesserung der Kooperationsmög- lichkeiten von Fahrschulen und der Fahrschulüberwa- chung, die Einführung der Fortbildungspflicht bis hin zur Entbürokratisierung. Ein zentraler Baustein der modernisierten Fahrlehrer- ausbildung ist die deutliche Erhöhung des Anteils päd- agogischer Inhalte. Die Orientierung des Curriculums der Fahrlehrerausbildung an Kompetenzstandards und die Berücksichtigung neuer Inhalte wie E-Mobilität und Fahrerassistenzsysteme sind weitere Puzzleteile, die die Qualität der Fahrlehrer- und damit auch der Fahrschul- ausbildung anheben. Durch die jüngsten Änderungen konnten weitere Ver- besserungen erreicht werden, die meine Fraktion schon frühzeitig angemerkt hat. Dazu zählt die Arbeitszeitbe- schränkung, die jetzt wieder nach der 495-Minuten-Re- gel erfolgen soll. Damit soll vor allem dem Missbrauch durch die unter besonderem wirtschaftlichen Druck ste- henden selbstständigen Fahrerlehrer vorgebeugt werden. Auch die Streichung der Übergangsfrist, wonach Ko- operationen unter Fahrschulen und die Errichtung von Zweigstellen erst ab dem 1. Juli 2019 möglich sein soll- ten, findet unsere Zustimmung. Damit kann der anhalten- de Strukturwandel in der Fahrschulbranche hin zu wirt- schaftlich tragfähigen Unternehmensgrößen nun endlich unter verlässlichen Rahmenbedingungen stattfinden und von den Fahrschulen vorbereitet und gestaltet werden. Allerdings wird mit dem Änderungsantrag der Gro- ßen Koalition nun wieder der Einsatz von freiberuflichen Fahrlehrern ermöglicht. Das lehnen wir ab. Denn hier geht es in Wirklichkeit nicht um den „freien Beruf“ des Fahrlehrers, sondern letztendlich um die Verschleierung prekärer Arbeitsverhältnisse. Schließlich lehnt meine Fraktion auch die jetzige Re- gelung bei den Überwachungsvorschriften und Kontrol- len für die Fahrschulen und Fahrlehrerausbildungsstätten ab. Wichtig wäre in diesem Zusammenhang gewesen, dass die dazu notwendigen Regelungen bundesweit einheitlich umgesetzt werden. Die vorgesehene Sollbe- stimmung hätte unbedingt durch eine Mussbestimmung ersetzt werden müssen. In der jetzigen Fassung bleibt es Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23055 (A) (C) (B) (D) daher sehr zweifelhaft, ob die angestrebte Verbesserung der pädagogischen Qualität in der Praxis auch gelingt, da es keine einheitlichen und klaren Kriterien für ihre Über- wachung gibt. Meine Fraktion wird sich daher enthalten. Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neufassung des Gesetzes zur Regelung von Sekundierungen im Rahmen von Einsätzen der zivilen Krisenprä- vention – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für eine aktive zivile Friedenspolitik – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bre- men), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zivile Krisenprä- vention und Friedensförderung stärken – Neue Lösungsansätze erarbeiten und umsetzen – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Franziska Brantner, Tom Koenigs, Annalena Baerbock, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: ,,Group of Friends“ für Konfliktprä- vention im Rahmen der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 28 a bis d) Thorsten Frei (CDU/CSU): Deutschland muss allein schon aus Eigeninteresse mehr internationale Verantwor- tung übernehmen – unabhängig von den Forderungen un- serer Partner. Dabei geht es nicht nur darum, dass wir uns an die Vereinbarungen halten, zu denen wir uns selbst verpflichtet haben. Es geht auch darum, dass wir selbst Verantwortung für unsere Sicherheit und den Schutz unserer Bürger übernehmen. Dazu gehören sowohl die Stärkung der militärischen Fähigkeiten als auch unsere Möglichkeiten etwa in der zivilen Krisenprävention. Das betrifft neben unserer Bereitschaft, vor Ort mehr zu leisten und insgesamt mehr Geld in die Hand zu neh- men, zuallererst die Erledigung unserer Hausaufgaben in Deutschland, um die entsprechenden Rahmenbedingun- gen für mehr Engagement zu legen. Mit der Novellierung des Sekundierungsgesetzes legt die Bundesregierung den Grundstein für gesteigerte Entsendezahlen von zivilen Experten in die Krisenregionen rund um Europa und vor allem in Afrika. Schließlich sind die Menschen und ihr Know-how das Fundament für ein erfolgreiches Kri- senmanagement. Mit dem neuen Sekundierungsgesetz werden wir unserer Verantwortung nach innen und nach außen besser als bisher gerecht. Zum einen galt und gilt es, die Rahmenbedingungen von Friedenseinsätzen so zu verbessern, dass das not- wendige zivile Personal quantitativ mehr, deutlich ziel- genauer und insgesamt spürbar schneller rekrutiert und entsendet werden kann. Dadurch können wir in der je- weiligen Krisensituation besser als bisher einen Beitrag für Stabilität und Sicherheit leisten. Die Übertragung der Sekundierungsaufgaben an das Zentrum für Internationa- le Friedenseinsätze, ZIF, wird dies ermöglichen, genauso wie die Dualität von Sekundierungs- und Arbeitsver- trägen für mehr Flexibilität beim ZIF und die höheren Absicherungsstandards für mehr Attraktivität bei den zu entsendenden Experten sorgen werden. Durch mehr entsendete Experten würde auch die Befähigung zum ei- genverantwortlichen Handeln krisengebeutelter Staaten schneller sichtbar und die Durchdringungstiefe unserer Bemühungen nähme zu. Wenn man an die Vielzahl der unterschiedlichen Aufgaben der Sekundierten wie beispielsweise den Aufbau unabhängiger Medien, Vermittlung demokrati- scher Strukturen und Prozesse, Flüchtlingsarbeit, Über- wachung der Menschenrechte, politische Beratung und Analyse, Wahlbeobachtung und Begleitung von Versöh- nungsprozessen denkt, wird offenkundig, dass es für die erfolgreiche Konfliktbeilegung einen sehr hohen Bedarf an außenstehender Hilfe gibt. Hier können und müssen wir weiter deutlich zulegen. Ich hoffe, dass wir dieses Ziel offensiv angehen. Ich bin überzeugt, dass durch die nunmehr besseren Rahmenbedingungen tatsächlich auch mehr Menschen bereit sein werden, die Strapazen der Missionen auf sich zu nehmen. Im gleichen Atemzug wird auch das quali- tative Angebot von Interessenten weiter zunehmen. Das wird auch unseren Friedensbemühungen zugutekommen. Und es ist auch klar, dass schnellere Reaktionen der in- ternationalen Gemeinschaft in Bezug auf das frühzeitige und kurzfristige Entsenden von Expertenteams deeska- lierend auf schwelende und anwachsende Konflikte wir- ken können. Die Friedensaussichten und die Hoffnungen auf Vermeidung unnötiger und dauerhafter Schäden stei- gen. Das neue Sekundierungsgesetz verspricht uns damit eine echte Friedensdividende. Ganz besonders wichtig ist mir jedoch, dass das über- arbeitete Sekundierungsgesetz vor allem auch Ausdruck für unsere Verantwortung nach innen und die Wertschät- zung der Arbeit und Aufopferung der vielen zivilen Ex- pertinnen und Experten ist. Endlich erhalten die, die sich zum Teil von ihren Aufgaben im Inland entbinden lassen und oft von altruistischen Motiven geleitet werden, die notwendige Rechtssicherheit und die notwendige per- sönliche Sicherheit. Sie werden künftig in arbeits- und versorgungsrechtlichen Fragen sowie in Haftungsangele- genheiten besser geschützt. Die Änderungen werden der deutschen Krisenprä- vention hoffentlich einen spürbaren Schub verleihen. Im Moment werden wir unserer Verantwortung mit jährlich Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723056 (A) (C) (B) (D) gerade einmal 160 sekundierten Personen nur sehr ein- geschränkt gerecht. Auch hier gilt: Geld allein ist nicht alles. Auch wenn wir eines der größten Geberländer sind, kann Geld allein nicht die notwendigen Veränderungen im Feld herbeiführen. Seit dem Jahr 2002 hat das Berliner Zentrum für In- ternationale Friedenseinsätze einen Expertenpool aufge- baut, der mittlerweile über 1 400 Fach- und Führungs- kräfte aus unterschiedlichen Branchen beinhaltet. Aber wir brauchen heute angesichts der Herausforderungen deutlich mehr Potenzial und Kapazität. Bisher konnten andere Entsendeorganisationen oft at- traktivere Konditionen anbieten. Auch deswegen ist die Novellierung ein wichtiger Schritt in die richtige Rich- tung. Die gesetzlich verankerte Verbesserung von so- zialer Absicherung und finanzieller Vergütung wird für mehr Attraktivität und Konkurrenzfähigkeit des ZIF in Entsendungsfragen sorgen. Die Bindung an den Tarif- vertrag im öffentlichen Dienst sowie die Möglichkeiten zur Eingruppierung oberhalb dieses Rahmens sind rich- tig, um Spitzenpersonal zu gewinnen. Durch den Wegfall der Aufwandsentschädigungen fallen endlich die mit den vom Bundesrechnungshof zur Geltung gebrachten Steu- erunsicherheiten weg. Wichtige Anpassungen erfolgen außerdem im Bereich der Arbeitslosen- und Rentenver- sicherungen, insbesondere für den Fall, dass während einer Mission ein dauerhafter Schaden an Leib und Le- ben eintritt, sowie beim Abschluss einer Haftpflichtver- sicherung. Dadurch, dass die Entsendeorganisation die Kosten übernimmt und Gleichstellungen mit den Vor- schriften normaler Arbeitsverhältnisse geregelt werden, werden die notwendigen Vorkehrungen nicht mehr auf den Dienstleistenden abgewälzt, was in der Vergangen- heit immer wieder zu schlechten Schutzniveaus aus Kos- tengründen führte. Die vorliegenden Änderungen sind wir unseren Experten längst schuldig. Zusätzlich werden die Familienverhältnisse der Se- kundierten stärker berücksichtigt. Die „Duty of care“, also die Fürsorge für die entsandten Personen und deren Familienmitglieder, erfährt im neuen Gesetz einen ganz anderen Stellenwert. Dieser findet sich in einer Familien- versicherung, einem Mietzuschuss und einem möglichen Familiennachzug wieder. Da das ZIF zu einer vollwertigen Entsendeorganisati- on ausgebaut werden soll, kann sich diese Organisation gleichzeitig zu einem attraktiven Arbeitgeber entwickeln und eine aktive Personalentwicklung betreiben. Beides bringt viele Vorteile mit sich. Die bestehenden Reibungs- verluste im Dreiecksverhältnis Entsendeperson – ZIF – Ministerium werden der Vergangenheit angehören. Die gesamte organisatorische Abwicklung wird in Zukunft vom ZIF übernommen. Dies kann bei dringendem Be- darf und im konkreten Fall viel Zeit sparen. Es gibt eine zentrale Anlaufstelle für alle Bewerber und Mitglieder des Expertenpools. Kurz: Das Berliner Forum wird pro- fessionalisiert. All diese – aus meiner Sicht längst fälligen – Anpas- sungen unterstreichen die von der Bundesregierung emp- fundene Anerkennung für die Arbeit der zivilen Experten in Friedensmissionen. Viele unter uns wissen, was es bedeutet, oft von zu Hause weg und von der Familie ge- trennt zu sein. Sekundierte, gerade in akuten Krisenregi- onen, bekommen ihre Familie und Freunde mehrere Mo- nate nicht zu Gesicht. Die Zurückgebliebenen fürchten oft um das Wohlergehen der in der Ferne Arbeitenden. Das neue Gesetz ist auch ein Ausdruck der Wertschät- zung für eine derartig getroffene Lebensentscheidung. Dennoch ist uns allen bereits heute klar, dass wir kei- ne Zeit haben, um uns auf dem Status quo auszuruhen. Die in den vergangenen Jahren gestiegene Anzahl von Menschen auf der Flucht und der immer weiter steigen- de, wirtschaftlich intendierte Migrationsdruck aus Afrika werden dafür sorgen, dass der Bedarf an qualifizierten Helfern und die Erwartungen an Deutschland weiter stei- gen werden. Wir werden auf absehbare Zeit mehr Helfer ins Feld bringen müssen, um die Lebensbedingungen zu verbessern. Deshalb werden wir die Rahmenbedin- gungen für die begrenzte Anzahl infrage kommender Helfer weiter anpassen und verbessern müssen, und die Strukturen des ZIF – auch das wird sich im Haushalt wi- derspiegeln müssen – müssen einer vollständigen und leistungsfähigen Entsendeorganisation entsprechen. Es reicht nicht einfach, die 4,5 im Auswärtigen Amt veran- schlagten Stellen ins ZIF zu verlegen. Wenn man höhere Zahlen als 160 erreichen will, braucht es mehr Geld im Einzelplan 5. Aus meiner Sicht wäre mehr Geld für das ZIF eine gute Investition in die Zukunft Deutschlands, vor allem wenn man bedenkt, dass Deutschland in 2016 23 Milliarden Euro für die Versorgung und Unterbrin- gung von Asylbewerbern in Deutschland ausgegeben hat, während für den Transfer von Expertise zur Bekämpfung von Fluchtursachen lediglich 13,3 Millionen Euro im Einzelplan 5 vorgesehen sind. Auch darüber werden wir in Zukunft weiter sprechen müssen. Bei aller zum Ausdruck kommenden Wertschätzung für unsere zivilen Experten müssen wir aber auch immer an die Entsendung von Soldaten und den großen Be- darf – den wir ebenfalls viel stärker bedienen sollten – an deutschen Polizisten in VN-Missionen denken. Wir wissen nicht zuletzt durch die angeregten gesellschaft- lichen Diskussionen über unsere NATO- und ODA-Zu- sagen oder über die Idee eines 2+1-Prozent-Ziels, dass die Erwartungen an uns in diesem Bereich ebenso hoch sind. Und wenn man bedenkt, dass nicht wenige Marine- soldaten angesichts der Missionen UNIFIL, Atalanta und Sophia teilweise mehr als 280 Seetage pro Jahr auf dem Buckel haben, erkennt man auch in diesem Bereich aku- ten Handlungsbedarf. Auch diesem Bedarf müssen wir in der ganzheitlichen Betrachtung unseres Engagements der Krisenprävention und Konfliktbeilegung gerecht werden. Leider ist es eben viel zu oft so, dass die Präsenz von Militär und Polizei überhaupt erst den Einsatz ziviler Mittel und Akteure erlaubt. Jüngstes Beispiel ist die Hun- gerkatastrophe in Ostafrika. Knapp 20 Millionen Men- schen droht der Hungertod. Dabei ist es nicht so, dass die Dürre von El Niño nicht vorhersehbar war. Vielmehr leiden die Menschen in Südsudan, Somalia, Nordnigeria, der Zentralafrikanischen Republik oder dem Jemen, weil dort Konflikte im vollen Gange sind. Die lokalen Regie- rungen investieren lieber in Waffen als in Nahrungsmit- tel. Wegen der Gefahren können die Bauern weder säen Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23057 (A) (C) (B) (D) noch ernten. Hilfsorganisationen werden zum Teil offen- siv von ihrer Hilfeleistung abgehalten und kommen gar nicht in die notwendigen Regionen, obwohl sie sogar vor Ort vertreten sind. Hier braucht es eben auch den ande- ren Teil des Instrumentenkastens. Das sollten wir heute in der Diskussion nicht vergessen. Unsere Erfahrungen machen schließlich deutlich, dass der vernetzte Ansatz, also der Rückgriff auf diplomati- sche, zivilgesellgesellschaftliche, entwicklungspoliti- sche, polizeiliche und militärische Mittel, die beste Basis bietet, um den heutigen Konfliktherausforderungen zu begegnen und einen nachhaltigen Frieden zu schaffen. Deshalb haben wir in einem gesamthaften Ansatz unsere Leitlinien für die Krisenprävention, Stabilisierung und Friedensförderung konzeptionell erneuert, um die Leh- ren aus den bisherigen Einsätzen einzuarbeiten, unsere Fähigkeiten zu verbessern und gerade auch die Perspek- tiven der zivilgesellschaftlichen Akteure deutlicher her- auszuarbeiten. Die neuen Leitlinien, die Ertüchtigungsinitiative und das Sekundierungsgesetz gehen Hand in Hand, um die passenden Antworten auf die heutigen und zukünftigen Herausforderungen in unserer Nachbarschaft zu geben. Die Bundesregierung unterstreicht mit ihren vielfältigen Initiativen und ihrem ambitionierten Handeln, dass sie Deutschlands Rolle als Friedensbeschleuniger sehr ernst nimmt und aktiv führen wird. Dr. h. c. Edelgard Bulmahn (SPD): Ich freue mich außerordentlich, dass wir heute den Gesetzentwurf zur Neuregelung von Sekundierungen im Rahmen von Ein- sätzen der zivilen Krisenprävention diskutieren. Seit vielen Jahren leisten zivile Expertinnen und Ex- perten aus Deutschland weltweit einen wichtigen Beitrag zur internationalen Krisenprävention. Dafür gebühren ihnen unser Respekt und unsere Anerkennung. Zugleich haben sie einen Anspruch darauf, dass sie durch ih- ren Einsatz keine persönlichen Nachteile erleiden. Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich daher seit langem für eine bessere rechtliche Absicherung dieser Friedenskräf- te eingesetzt. Mit diesem Gesetz schaffen wir erheblich bessere Rahmenbedingungen für die Einsätze ziviler Fachkräf- te in Krisengebieten. Dieses Gesetz ist gleichzeitig ein Ausdruck des hohen Stellenwerts und der Wertschät- zung, den das Parlament der Arbeit und Leistung dieser Fachkräfte zumisst. Die Notwendigkeit für eine Neuregelung des Gesetzes wurde besonders klar, als im Mai 2014 mehrere Helfer, darunter auch drei deutsche sekundierte Mitarbeiter einer EU-Mission in Dschibuti, Opfer eines Anschlags wur- den. Schwerverletzt mussten sie nach Deutschland aus- geflogen werden. Sie waren durch das Sekundierungsge- setz von 2009 nur unzureichend abgesichert. Von einer vergleichbaren Absicherung, zum Beispiel im Vergleich zur Bundeswehr, konnte keine Rede sein. Aber nicht nur für Ausnahmesituationen wollten wir unsere zivilen sekundierten Fachkräfte besser absichern; auch bei der Ausgestaltung der Verträge für sekundierte zivile Expertinnen und Experten zeigte sich in der Praxis Nachbesserungsbedarf. Mit dem vorliegenden Gesetz- entwurf wird die Sekundierung für zivile Fachkräfte zu- künftig deutlich verbessert; denn durch die Änderungen im Gesetz wird die Sekundierung flexibler, effizienter, und vor allem bieten die Sekundierungsverhältnisse zu- künftig eine bessere soziale Absicherung. Das zivile Fachpersonal, das häufig unter schwierigs- ten Bedingungen in Krisengebieten seine Arbeit durch- führt, hat diese spürbar bessere Absicherung mehr als verdient. Es leistet für uns alle eine unermesslich wich- tige Arbeit. Es leistet für die Menschen in den Krisen- regionen einen wichtigen Beitrag zur friedlichen Kon- fliktbewältigung, zur Versöhnungsarbeit, zum Aufbau von Rechtsstaatlichkeit, zu einer besseren Bildung und besseren wirtschaftlichen Perspektiven. Weder innerstaatliche Konflikte noch Konflikte zwi- schen Staaten können durch militärische Interventionen gelöst werden. Letztere können einen Waffenstillstand erzwingen, der Konflikt selbst aber muss durch Verhand- lungen und Vereinbarungen gelöst werden. Deshalb hat die zivile Krisenprävention und Konfliktbearbeitung für die Förderung von Frieden und Sicherheit weltweit eine besonders hohe Bedeutung. Mit der Neuregelung des Se- kundierungsgesetzes leisten wir einen wichtigen Beitrag dazu, Deutschlands zivile Fähigkeiten zur Krisenpräven- tion und Konfliktbeilegung zu verbessern. Momentan befinden sich ungefähr 160 Personen als sekundierte zivile Expertinnen und Experten in Friedens- missionen. Zukünftig werden wir eher mehr als weniger sekundierte Fachkräfte benötigen. Und wir brauchen die besten Expertinnen und Experten, die wir bekommen können. Viele Länder vertrauen auf deutsche, europäische und internationale Unterstützung beim Wiederaufbau staatlicher Strukturen, bei der Korruptionsbekämpfung oder beim Voranbringen von Verfassungsreformen. Auch wenn Krisen und Konflikte hoffnungslos erscheinen, gibt es immer wieder positive Beispiele, aus denen wir neue Energie schöpfen. Die Friedensprozesse in Ruan- da, Sierra Leone oder in Kolumbien zeigen: Auch schier unlösbare Konflikte, auch von Kriegen zutiefst verletzte Länder können wieder Frieden finden. Für diese oft langwierigen Aufgaben benötigen wir motivierte und tatkräftige zivile Fachkräfte. Ob Rich- ter, Journalisten, Finanzexperten oder Supply Chain Manager, sie alle sind gefragt in der Krisenprävention und Friedensförderung. Das neue Sekundierungsgesetz schafft die Grundlage, damit diese zivilen Expertinnen und Experten ihre Arbeit unter sicheren und besseren Rahmenbedingungen leisten können. Sekundierungsverträge werden zukünftig zum Aus- nahmefall; sie sollen hauptsächlich bei kurzen Wahlbe- obachtungen verwendet werden. Für längerfristige Se- kundierungen werden Arbeitsverträge zum Regelfall, die an die TVÖD-Entgelttabelle angelehnt sind. Die soziale Absicherung, also Altersvorsorge, Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, sowie die Einbeziehung in den Schutzbereich der Arbeitsförderung werden im neuen Sekundierungsgesetz explizit geregelt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723058 (A) (C) (B) (D) Seit unter Rot-Grün im Jahr 2002 das Zentrum für In- ternationale Friedenseinsätze, kurz: ZIF, gegründet wur- de, arbeitet es im Auftrag der Bundesregierung und des Bundestages eng mit dem Auswärtigen Amt zusammen. Das ZIF übernimmt die Personalvorauswahl, trainiert und vermittelt die ausgewählten Fachkräfte in interna- tionale Friedenseinsätze. Der Abschluss des Sekundie- rungsvertrages lag bisher in der Hand des Auswärtigen Amtes. Um Effizienzverluste zu vermeiden, soll diese Aufgabe nun auch dem ZIF übertragen werden. So wird das ZIF zu einer vollwertigen Entsendeorganisation ausgebaut. Das ist eine sehr positive Entwicklung. Das ZIF leistet eine hervorragende und unersetzliche Arbeit. Vielen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ZIF. Die Neuregelung des Sekundierungsgesetzes ist ein wichtiger Schritt, um die deutsche zivile Krisenpräven- tion und damit die deutsche Außenpolitik weiter zu stär- ken. Ungewollte Versorgungslücken werden geschlos- sen, die Sekundierung wird attraktiver. Zivile Fachkräfte müssen sich zukünftig keine Sorgen mehr um ihre Absi- cherung machen. Wenn es um die Wertschätzung von zivilen Exper- tinnen und Experten und ihre Reintegration in den deut- schen Arbeitsmarkt nach einem Auslandseinsatz geht, ist hiermit ein wichtiger Schritt gemacht. Zivile Fachkräfte in Friedensmissionen leisten Außerordentliches unter enormen Druck, jeden Tag. Wir ehren diese besonderen Persönlichkeiten seit 2013 mit dem Tag des Peacekeepers und sagen Danke für die wichtige Arbeit, die deutsche Friedensmacher in Mali, Afghanistan oder im Kosovo leisten. Das Thema gehört in die Mitte der Gesellschaft. Ohne tatkräftige zivile Expertinnen und Experten wäre deutsches Engagement in Friedenseinsätzen und unsere Außenpolitik deutlich weniger wirksam! Kathrin Vogler (DIE LINKE): Ich freue mich, dass wir heute ein gemeinsames Anliegen aller Bundestags- fraktionen hier auf den Weg bringen können: die bessere soziale Absicherung von Fachkräften, die in der zivilen Krisenprävention und Konfliktbearbeitung im Ausland eingesetzt werden. Tatsächlich macht sich vermutlich niemand, der es nicht selbst erlebt hat, Gedanken darü- ber, welche rechtlichen Spitzfindigkeiten zu beachten sind, wenn Deutschland zivile Fachkräfte in Friedens- missionen etwa der Vereinten Nationen oder der OSZE entsendet. Da geht es um recht komplizierte Fragen des Arbeitsverhältnisses und der sozialen Absicherung, über Krankenversicherung, Rente, Arbeitslosenversicherung oder steuerrechtliche Fragen, die den Betroffenen noch zusätzlich zu ihrem oft komplizierten Einsatz in Krisen- gebieten erheblich zu schaffen machten. Das Sekundierungsgesetz löst viele dieser Probleme, und in der Anhörung haben uns sowohl das Auswärtige Amt als auch das Zentrum für Internationale Friedensein- sätze, das nun zur Entsendeorganisation für die Fachkräf- te wird, glaubhaft versichert, dass sie in der Praxis auch solche Fragen, die hier nicht geregelt sind, wohlwollend im Sinne der Betroffenen zu lösen gewillt sind, wie etwa die Heimflüge zur Familie, die Kosten für notwendige Gepäcktransporte oder die betriebliche Mitbestimmung der Entsandten. Deswegen stimmt meine Fraktion die- sem Gesetzentwurf nun auch zu. Gleichzeitig stimmen wir hier heute auch über einen Antrag meiner Fraktion ab, der die Bundesregierung dazu auffordert, ein ziviles Leitbild für eine friedensfördernde Außenpolitik zu entwickeln und umzusetzen. Noch Au- ßenminister Steinmeier hat im vergangenen Jahr einen Prozess in Gang gesetzt, der zu einem Leitbild der Bun- desregierung für das außenpolitische Handeln in Krisen und Konflikten führen sollte. Das Ergebnis wollte er ei- gentlich im Februar präsentieren. Doch nach allem, was man hört, stockt der Beratungsprozess im Kabinett, weil sich vor allem das Verteidigungsministerium gegen jede politische Festlegung auf einen Vorrang von ziviler Kri- senprävention und Konfliktbearbeitung stemmt. Nichts soll nach Auffassung der Ministerin von der Leyen den Machtanspruch der Bundeswehr einschränken, nicht ein- mal symbolisch. Und an keiner Stelle soll eine Präferenz für ziviles und gewaltfreies Handeln in internationalen Krisen auch nur angedeutet werden. Das politische An- liegen, das sich 2004 im Aktionsplan „Zivile Krisen- prävention“ noch widergespiegelt hat, dass nämlich die Bundesrepublik Deutschland ihre Friedensverantwor- tung in der Welt vorwiegend zivil und nicht militärisch wahrnimmt, soll nun vollständig entkernt und seiner Be- deutung entkleidet werden. Da rächt sich nun, dass die Bundeswehr seit 1992 systematisch zur Einsatzarmee und zum Instrument für sogenannte deutsche Interessen in aller Welt umgebaut wurde. Ein wenig erinnert das an Goethes Zauberlehr- ling, der die militaristischen Geister, die er zum schein- bar wohltätigen Werk rief, nun nicht mehr loswird. Und manchmal hat man ja sogar den Eindruck, dass jemand wie Wladimir Putin oder Donald Trump den politischen Eliten dieses Landes gerade recht ist – als billige Begrün- dung dafür, das eigene Militär noch mehr aufzuwerten, weiter aufzurüsten und auch die EU in ein Militärbündnis umzubauen. Überaus billig und durchschaubar ist auch der Ver- such, das 2-Prozent-Ziel der NATO hinter einem 3-Pro- zent-Ziel zu verstecken, in dem dann Ausgaben für Di- plomatie, Krisenprävention, Entwicklungspolitik und sogar Humanitäre Hilfe aufgehen. Sie wissen nämlich genau, dass die Bevölkerung die massive Aufstockung der Militärausgaben ablehnt, und so wollen Sie den Men- schen Sand in die Augen streuen. Seien Sie gewiss: Die Linke wird diese falsche und fatale Politik nicht akzep- tieren, nicht heute, nicht nach der Wahl und auch nicht in 10 oder 20 Jahren. Wir werden weiter dafür kämpfen, dass deutsche Außenpolitik endlich zivile Friedenspolitik wird, ohne Wenn und Aber. Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Mitte Februar, bei der ersten Lesung, waren es mickrige 25 Minuten Debattenzeit; jetzt wird der Tages- ordnungspunkt „zivile Krisenprävention“ zu nachtschla- fender Zeit abgehandelt. So feiert diese Bundesregierung die bislang umfangreichste Verbesserung für ihre zivilen Expertinnen und Experten, die sie in internationale Ein- sätze schickt. Wie Sie sich ihr immer wieder betontes Plädoyer für „mehr Verantwortung“ vorstellen, meine Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23059 (A) (C) (B) (D) Damen und Herren von der Großen Koalition, soll offen- bar niemand mitbekommen. Aber zum Glück wirkt das Gesetz in der Praxis, und damit wird es demnächst konkret spürbar für alle Betrof- fenen. Alle zivilen Expertinnen und Experten erhalten demnächst einen regulären Arbeitsvertrag. Damit sind sie erstmals versicherungsrechtlich abgesichert. Dadurch verschwindet das Risiko von internationalen Einsätzen zwar nicht; aber es lässt sich besser abschätzen und ob- liegt nicht mehr gänzlich den jeweiligen Betroffenen. Die Bundesregierung übernimmt also die Verantwortung, die ihr zukommt, wenn sie Menschen in ihrem Auftrag zur Friedensarbeit in der Welt entsendet. Endlich! Auch das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze wird das neue Gesetz spüren, wenn es demnächst eine vollständige Entsendeorganisation ist und ihre Aufgabe als Arbeitgeberin noch besser wahrnehmen kann. Es sind und werden spannende Zeiten für das ZIF, die hoffentlich zum Ergebnis haben werden, dass wir in Zukunft mehr deutsche Expertise in weltweiten Einsätzen erleben wer- den. Trotz der Verbesserungen, die erreicht wurden: Das, was wir heute hier abschließend beraten, könnte für die Sekundierten noch besser sein. Ich denke da an simple, aber wichtige Dinge wie Beschränkungen des Reisege- päcks, keine regelmäßigen Heimatflüge, keine Regelung für den Familiennachzug. Kurzum: Da ist noch Luft nach oben! So wenig die Öffentlichkeit offenbar von den Verbes- serungen erfahren soll, so unklar bleibt die Bundesregie- rung auch bei ihren Zielen in den zukünftigen Leitlinien zur zivilen Krisenprävention. Unsere Anträge wurden routinemäßig abgelehnt. Dabei vergibt die Bundesregie- rung eine Chance, die zivile Konfliktbearbeitung kontro- vers zu diskutieren und nach bestmöglichen Lösungen zu suchen. Wo ist denn das neue Grundsatzdokument zur zi- vilen Krisenprävention, das ursprünglich für Anfang des Jahres angekündigt war? Gibt es etwa – auch bei diesem Thema – koalitionsinternen Zoff? Oder wissen Sie nicht, worum es gehen soll? Wir geben Ihnen gern Nachhilfe. Warum brauchen Sie so lange? Greifen Sie einfach unse- re Ideen auf! Gerade wir Grünen haben uns intensiv mit den Möglichkeiten und Grenzen der zivilen Krisenprä- vention auseinandergesetzt. Dieses Thema gehörte und gehört immer zum Kern unserer Außenpolitik. Wer im Bereich „zivile Krisenprävention, Menschen- rechts- und Entwicklungszusammenarbeit“ eine so schlechte Bilanz hat, der muss sich nicht feiern lassen – oder er weiß genau, warum er zu nachtschlafender Zeit darüber debattieren lässt. Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Ge- setzes zur Entlastung insbesondere der mit- telständischen Wirtschaft von Bürokratie (Zweites Bürokratieentlastungsgesetz) (Zusatzta- gesordnungspunkt 4) Helmut Nowak (CDU/CSU): Ein hochentwickel- tes staatliches Gemeinwesen wie die Bundesrepublik Deutschland benötigt eine leistungsfähige Bürokratie. Dennoch müssen wir uns fragen, ob es bei uns seit länge- rem nicht ein Zuviel des Guten gibt. Allein zwischen Juli 2015 und Juli 2016 sind die jähr- lichen Folgekosten von Gesetzen für Bürger, Wirtschaft und Verwaltung insgesamt um 453 Millionen Euro an- gestiegen. Der hohe Anstieg in diesem Zeitraum ist vor allem auf ein Regelungsvorhaben zurückzuführen: Allein das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende verur- sacht 139 Millionen Euro Folgekosten, jährlich! Von dem Anstieg besonders betroffen ist, wie auch in den vergan- genen Jahren, die Wirtschaft. Hier erhöhten sich die Fol- gekosten im Vergleich zur Vorperiode um 299 Millionen Euro, vor allem durch die Umsetzung von EU-Recht. Wir müssen zusehen, dass wir die derzeitigen Erfol- ge der deutschen Wirtschaft auch noch in Zukunft feiern können. Nur eine erfolgreiche Wirtschaft sichert unseren sozialen Wohlstand. Unternehmer und Freiberufler sollen sich doch in erster Linie um ihre Unternehmung küm- mern und nicht primär um die Befriedigung der Statistik. Schaut man sich einmal die Unzahl an Berichtspflichten und Meldungen an staatliche Stellen an, die bereits klei- ne Firmen heute zu bewerkstelligen haben, so lässt sich durchaus nachvollziehen, dass viele Menschen in unse- rem Land schlicht keine Lust haben, sich selbstständig zu machen. Wir sollten daher als Politik dringend han- deln und sehen, wo wir denjenigen, die in Deutschland im besten Sinne des Wortes etwas „unternehmen“, Steine aus dem Weg räumen können. Die Rahmenbedingungen, die die Politik setzen will und muss, dürfen nicht mehr Bürokratie aufbauen, als er- forderlich ist. Dieser Leitspruch hat uns auch in dieser Le- gislaturperiode begleitet. Das führte zu zwei erfolgreich verabschiedeten Bürokratieentlastungsgesetzen. Das ers- te wies einen reduzierten jährlichen wirtschaftsseitigen Erfüllungsaufwand von rund 744 Millionen Euro auf. Mit dem vorliegenden erreichen wir erneut eine große Entlastung für die Wirtschaft, circa 365 Millionen Euro pro Jahr. Zusammen mit der Modernisierung im Vergabe- recht kommen wir damit auf eine Entlastung von bis zu 2 Milliarden. Ein wirklich erfreuliches Ergebnis! Der aktuelle Gesetzentwurf ist also wieder ein Schritt in die richtige Richtung. Er enthält viele gute Ansätze, insbesondere in der Schwerpunktsetzung für die mittel- ständische Wirtschaft. So müssen künftig Unternehmen Lieferscheine, die keine Buchungsbelege sind, nicht mehr zwingend aufbewahren. In einem zukünftigen Schritt wäre es wünschenswert, die Aufbewahrungsfris- ten insgesamt zu überprüfen und gegebenenfalls neu zu definieren bzw. deutlich zu verkürzen. Die unterschiedli- chen Aufbewahrungsfristen führen bei manchen Firmen dazu, vorsichtshalber nahezu alles aufzubewahren, so- dass auch die von uns gutgemeinten Verkürzungen teil- weise ins Leere laufen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723060 (A) (C) (B) (D) Die Anhebung der Grenze für die Fälligkeit von Lohnsteuer von 4 000 auf 5 000 Euro wird insbesondere kleinere Unternehmen spürbar von Meldepflichten be- freien. Es wäre noch besser, die Grenze auf zumindest 5 500 Euro anzuheben. Lassen Sie mich das kurz ver- deutlichen: Mit zwei Mitarbeitern, vollzeitbeschäftigt, mit dem Mindestlohn von 8,84 Euro, 40 Arbeitsstunden an 52 Wochen – das ergibt 36 780 Euro. Die Grenze für 5 000 Euro liegt bei 34 850 Euro. Die Erhöhung der Kleinbetragsgrenzen von 150 auf 250 Euro ist eine gute und bürokratieentlastende Vor- schrift. EU-rechtlich wären sogar 400 Euro möglich. Zu begrüßen ist auch die Vereinheitlichung der Fäl- ligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen, bei der, wie vom Nationalen Normenkontrollrat vorgeschlagen, eine bisherige Ausnahmeregelung nunmehr als vereinfachtes Verfahren zur dauerhaften Regelung wird. Diese Rege- lung stellt ebenfalls eine Verbesserung dar. Hier habe ich mir gewünscht, dass wir den Mut gehabt hätten, die Rückkehr zur alten Regelung von vor 2006 zu beschlie- ßen. Die Änderung wurde damals mit der angespannten Haushaltssituation der sozialen Sicherungssysteme be- gründet, was heute wahrlich nicht mehr zutrifft. Einmal als sinnvoll erachtete und daher zugestande- ne Freibeträge und Schwellenwerte sollten daher einer regelmäßigen Anpassung unterzogen werden, um ihren ursprünglichen Sinn zu erhalten. Das trifft insbesonde- re auch auf die Anhebung der Schwellenwerte für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter, GWG, zu. Das ist übrigens ein gutes Beispiel dafür, wie langwierig es sein kann, ein kleines Stück Bürokratie abzubauen: Die GWG-Grenze ist seit 53 Jahren nicht mehr angehoben worden und liegt unverändert bei um- gerechnet 410 Euro, was heute inflationsbereinigt etwa 1 570 Euro entspricht. Die letzte Anpassung war im Jahr 1964! Ich habe mich seit drei Jahren für eine Erhö- hung des Schwellenwertes eingesetzt und nach langem, stetigem Einsatz nun endlich eine Einigung mit dem Ko- alitionspartner gefunden: die Anhebung von 410 Euro auf 800 Euro. In diesem Zusammenhang möchte ich mich auch für die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Frau Wicklein von der SPD bedanken, mit der ich stets einen vertrauens- vollen Austausch hatte. Noch besser wäre die von mir favorisierte Anhebung auf 1 000 Euro gewesen. Damit wäre die Poolabschreibung entfallen und zusätzliche Bü- rokratie abgebaut worden. Ich freue mich trotzdem, dass wir durch diese Anhebung auf 800 Euro auch insbeson- dere kleinere und mittlere Unternehmen erreichen, die davon profitieren und einen Investitionsimpuls von circa 400 Millionen Euro auslösen werden. Eine weitere positive Entwicklung ist bei der One-in- one-out-Regel zu beobachten. In den anderthalb Jahren seit Einführung der Regel zum 1. Januar 2015 ist das „out“, die Entlastung der Wirtschaft, um knapp 1 Milliar- de Euro höher ausgefallen als das „in“, also die Belastung der Wirtschaft. Ausschlaggebend für diese Entlastungen sind vor allem die beiden Bürokratieentlastungsgesetze. Dadurch wurden insbesondere kleine und mittlere Un- ternehmen sowie Unternehmensgründer von unnötigem bürokratischem Aufwand befreit. Kern der One-in-one-out-Regel ist, in gleichem Maße Belastungen abzubauen, wie durch neue Regelungsvor- haben zusätzliche Belastungen entstehen. Die Bundes- regierung ist damit auf einem guten Weg, ihr Ziel, den Anstieg von Belastungen dauerhaft zu begrenzen, ohne politisch gewollte Maßnahmen zu behindern, zu errei- chen. Eine weitere positive Entwicklung sehe ich bei dem von der Bundesregierung 2015 initiierten Lebenslagen- modell. Das Statistische Bundesamt befragt seit 2014 ergänzend zu den bisher eingeführten quantitativen Verfahren des Regierungsprogramms „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ regelmäßig Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen: Wie werden innerhalb be- stimmter Lebenslagen der Kontakt und die Zusammen- arbeit mit der Verwaltung wahrgenommen? Gerade die Behördenkontakte sind es doch, bei denen der Einzelne mit überbordender Bürokratie konfrontiert wird. Aus den Ergebnissen der Befragung können Hinweise zu mögli- chen Optimierungen von Verwaltungskontakten abgelei- tet werden. Die Ergebnisse der ersten Befragung waren sehr aufschlussreich. Vor allem eine transparentere und schnellere Verwaltung wäre sowohl für Bürger als auch für Unternehmen erstrebenswert. Die Lebenslage „Bau einer Betriebsstätte“ schien Betrieben besondere Sorgen zu bereiten. Zu Beginn dieses Jahres startete eine weitere Befra- gungsrunde. Wünschenswert wäre es, wenn die Zufrie- denheit bei Transparenz und Schnelligkeit zugenommen hätte, also eine spürbare Verbesserung wahrgenommen worden wäre. Bürokratie ist ein wichtiges Thema und wird dies auch zukünftig bleiben. Das zeigt auch die heutige Debatte zum Bürokratieentlastungsgesetz II. In dieser Legislaturperiode sind wir bereits ein gutes Stück vorangekommen. Darauf sollten wir uns nicht aus- ruhen. Wir müssen in Zukunft noch besser darauf achten, dass Gesetze für Bürger, Wirtschaft und Verwaltungen verständlicher sind und auf unnötige Bürokratie verzich- tet wird. Wie die öffentliche Anhörung zum Bürokratie- entlastungsgesetz deutlich gezeigt hat, besteht noch viel Handlungsbedarf. Die Wichtigkeit des Bürokratieabbaus wurde auch be- reits am Anfang der Legislaturperiode von der Bundes- kanzlerin herausgestellt und als zentrales Querschnitts- thema identifiziert. Es war daher nur folgerichtig, das Bürokratieentlastungsgesetz II anzugehen, wobei ich mir sicher bin, dass uns dieses Thema auch künftig begleiten wird. Andrea Wicklein (SPD): Heute ist ein guter Tag für den Bürokratieabbau in Deutschland. Heute beschließen wir das Zweite Bürokratieentlastungsgesetz in dieser Le- gislaturperiode. Wir werden damit den Verwaltungsauf- wand in den Unternehmen um insgesamt jährlich rund 360 Millionen Euro verringern. Das sind etwa 10 Millio- nen Arbeitsstunden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23061 (A) (C) (B) (D) Unsere Bilanz beim Bürokratieabbau und bei besserer Rechtsetzung in dieser Legislaturperiode kann sich sehen lassen: Bereits mit dem Ersten Bürokratieentlastungsge- setz 2015 haben wir die Wirtschaft um rund 700 Milli- onen Euro pro Jahr entlastet. Damals haben wir über- flüssige Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten oder Meldepflichten für Existenzgründerinnen und Existenz- gründer sowie junge Unternehmen reduziert und rund 150 000 Unternehmen spürbar entlastet. Beim Zweiten Bürokratieentlastungsgesetz haben wir jetzt Kleinstunternehmen mit nur zwei bis drei Mitar- beiterinnen und Mitarbeitern in den Blick genommen. Gerade diese Kleinstunternehmen spüren unnötige bü- rokratische Belastungen besonders stark. Wir müssen uns immer wieder bewusst machen: Große Unternehmen können sich eigene Steuer- oder Personalabteilungen leisten. Bei Kleinstunternehmen muss der Handwerker oder Freiberufler die Bürokratie neben der eigentlichen Arbeit selbst erledigen. Davon wollen wir sie jetzt mit dem Zweiten Bürokratieentlastungsgesetz noch mehr entlasten, damit mehr Zeit für das Wesentliche bleibt. Laut Statistischem Bundesamt ist mehr als jedes vierte Unternehmen in Deutschland ein Kleinstunternehmen mit maximal drei Mitarbeitern. Was viele nicht wissen: Diese Kleinsten haben eine enorme wirtschaftliche Bedeutung für unser Land, für Beschäftigung und Wohlstand. Sie zählen etwa 1,6 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und erwirtschaften einen Umsatz von mehr als 240 Milliarden Euro. Dazu gehören das Handwerk und die Freien Berufe und zählen vor allem Branchen wie das Baugewerbe, der Handel, das Gastgewerbe oder der Dienstleistungsbereich. Worum geht es im Zweiten Bürokratieentlastungsge- setz? Wir modernisieren die Handwerksordnung. Künf- tig sollen Handwerkskammern mit ihren Mitgliedern stärker digital kommunizieren können. Hierfür können sie elektronische Kontaktdaten erfragen und in die Hand- werksrolle aufnehmen. Das Entlastungvolumen wird da- bei 14,2 Millionen Euro betragen. Wir vereinfachen die Berechnung der Sozialversiche- rungsbeiträge. Anstatt jeden Monat die Beitragshöhe zu schätzen und im darauffolgenden Monat eine Korrektur vorzunehmen, können die Unternehmen künftig den Vormonatswert verwenden. Dieses erleichterte Beitrags- berechnungsverfahren werden geschätzt zusätzlich rund 300 000 Unternehmen nutzen. Die Entlastung beträgt hier alleine 64 Millionen Euro. Wir erleichtern die vereinfachte Rechnungsstellung. Wir heben deshalb den Schwellenwert für Kleinbetrags- rechnungen von 150 Euro auf 250 Euro Rechnungsbetrag an – Entlastung: mindestens 43 Millionen Euro. Wir verbessern das Verfahren bei den Lohnsteueran- meldungen. Die Grenze, bis zu der eine vierteljährliche anstelle der üblichen monatlichen Abgabe von Lohnsteu- eranmeldungen möglich ist, wird von 4 000 Euro auf 5 000 Euro angehoben – Entlastung: 2 Millionen Euro. Wir stärken den Einheitlichen Ansprechpartner und das E-Government. Der Bund wird künftig Auslegungshilfen zu Gesetzen und Verordnungen auf den Internetportalen von Bund, Ländern und Kommunen bereitstellen. Hier- durch wird gewährleistet, dass auf den verschiedenen Verwaltungsebenen einheitliche, auf gemeinsamen Stan- dards beruhende Informationen verfügbar sind. Und schließlich entlasten wir die Pflege. Künftig wird eine sichere Übermittlung aller für die Abrechnung von pflegerischen Leistungen erforderlichen Unterlagen in Form elektronischer Dokumente möglich sein – Entlas- tung: 12,4 Millionen Euro. Die Expertenanhörung zum Zweiten Bürokratieent- lastungsgesetz hat deutlich gemacht, dass diese Entlas- tungen richtig sind. Sie hat aber auch gezeigt, dass wir den Abbau unnötiger bürokratischer Regelungen konse- quent fortsetzen müssen. Ich bin deshalb sehr froh, dass wir uns mit der CDU/CSU-Fraktion doch noch auf eine deutliche Anhebung des Schwellenwertes für die So- fortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter eini- gen konnten. Zwar wird diese Entlastung nicht Teil des Zweiten Bürokratieentlastungsgesetzes sein, sondern auf Wunsch der Unionsfraktion in einem Steuergesetz unter- gebracht. Aber das Gesetz ist mir eigentlich egal. Ent- scheidend ist vielmehr, dass die Sofortabschreibung ab 2018 dann nicht mehr nur für geringwertige Wirtschafts- güter bis 410 Euro, sondern bis 800 Euro möglich wird. Darauf haben gerade die kleinen Unternehmen schon viel zu lange gewartet. Es stimmt: In der Politik braucht man oft einen langen Atem. Aber diese Anpassung hat schon eine kleine Ewigkeit gedauert. Seit 1965 sind die Schwellenwerte für die Sofortab- schreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter von 800 DM und jetzt umgerechnet 410 Euro netto unverändert ge- blieben. 410 Euro sind es seit 52 Jahren! In keiner der vorherigen Legislaturperioden gab es im Deutschen Bun- destag eine Mehrheit für eine Anpassung des Schwellen- wertes. Selbst die Erfindung des Handys oder des Tablets hat nicht zu einer Anpassung des Schwellenwertes für die Sofortabschreibung geführt. Dabei muss doch allen klar sein, dass sich die Preise für geringwertige Wirtschafts- güter in den vergangenen Jahrzehnten mehr als verdop- pelt haben. Ich war deshalb sehr froh, als der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel diesen Punkt bereits Anfang 2014 auf seine Agenda bei den Bürokra- tieentlastungsmaßnahmen gesetzt hat. Und ich bin sehr froh, mit meinem Kollegen von der CDU, Helmut Nowak, einen hartnäckigen Partner im po- litischen Streit um die Anhebung der Geringwertigen an meiner Seite zu wissen. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich und ganz herzlich bei Helmut Nowak bedanken. Gemeinsam auch mit vielen weiteren Mitstrei- tern ist es uns am Ende gelungen, wie gesagt, nach mehr als 50 Jahren! Der höhere Schwellenwert wird bei Freiberuflern, Handwerk und Mittelstand zu Entlastungen führen und darüber hinaus Investitionen auslösen. Alle Sachverstän- digen haben bei der Anhörung unterstrichen: Die Anhe- bung verringert Aufzeichnungspflichten und entlastet Unternehmen, Kommunen sowie Finanzverwaltungen. Der größte Vereinfachungseffekt entsteht für nicht buch- führungspflichtige Unternehmen, also Gewerbetreibende mit einem Gewinn bis maximal 50 000 Euro jährlich bzw. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723062 (A) (C) (B) (D) Umsatz bis maximal 500 000 Euro jährlich und Freibe- rufler. Damit ist diese Anhebung eine Vereinfachung für die mehrheitlich kleinen Unternehmen. Der DIHK geht von wenigstens 3 Millionen betroffenen Unternehmen und zusätzlich 15 Millionen Wirtschaftsgütern aus und beziffert die Entlastung auf sogar rund 385 Millionen Euro. Mit den beiden Bürokratieentlastungsgesetzen und dem neuen Vergaberecht haben wir in dieser Legisla- turperiode den Erfüllungsaufwand für Unternehmen um 2 Milliarden Euro gesenkt. Das ist erheblich. Hin- zu kommt die One-in-one-out-Regelung, die bereits seit 1. Juli 2015 in Kraft ist und die Bundesregierung dazu verpflichtet, wenn durch neue Regelungen Belastungen für die Wirtschaft entstehen, sie an anderer Stelle abzu- bauen. Das hat zusätzlichen Druck in die Ministerien gebracht, die eigenen Regelungen auf das Notwendige zu beschränken und immer wieder kritisch zu verfolgen. Ich finde, wir haben mit unseren Maßnahmen zum Ab- bau von unnötiger Bürokratie und besserer Rechtsetzung in dieser Legislaturperiode einen guten Weg eingeschla- gen, der vom kommenden Bundestag fortgesetzt werden muss; denn Abbau von unnötiger Bürokratie und bessere Rechtsetzung sind und bleiben eine Daueraufgabe von Regierung und Parlament. Michael Schlecht (DIE LINKE): Es ist bemerkens- wert, dass die Koalition beim Ersten Bürokratieentlas- tungsgesetz noch die ganz große Bühne in der Kernde- battenzeit des Parlaments gesucht hat und nun mehr das Thema gleich sehr weit nach hinten gerutscht ist. Offen- sichtlich haben Sie auch erkannt, dass das Thema nur be- grenzt begeistern kann. Ich will es kurz halten: Ich hatte Ihnen, den Damen und Herren der Regierungsparteien, beim ersten Büro- kratieentlastungsgesetz einen Tipp gegeben, wie sie mit dem Thema Bürokratieabbau massenhaft Jubelstürme auslösen könnten. Schaffen Sie das Bürokratiemonster Hartz IV ab. Die durchschnittliche Akte eines Hartz-IV- Haushalts bei der Agentur für Arbeit ist etwa 650 Seiten dick. Das ist und bleibt Bürokratieunfug. Jetzt liegt uns also das Zweite Bürokratieentlastungs- gesetz vor. Und wieder geht es um bürokratische Entlas- tungen ausschließlich für Unternehmen. Unternehmerin- nen und Unternehmer dürfen sich freuen, für alle anderen bringt dieses Bürokratieentlastungsgesetz wieder nichts. In den Gesetzesbegründungen nehmen Sie wieder Bezug auf die sogenannte One-in-one-out-Regelung, nach der bei einer zusätzlichen bürokratischen Belastung durch ein neues Gesetz eine zwingende Entlastung für Unternehmen vorzusehen ist. Mit der One-in-one-out- Regelung entscheidet nicht mehr Sach- und Fachpolitik über Sinnhaftigkeit von gesetzlichen Regelungen, son- dern das Gebot, dass die Kostenbelastung der Unterneh- men nicht durch Regelungstatbestände – auch wenn sie sinnvoll sind – erhöht werden darf. Das lehnen wir wei- terhin ab. Notwendige soziale oder ökologische Regulie- rungen werden so nur künstlich erschwert. Den meisten einzelnen konkreten Maßnahmen im vorliegenden Gesetz könnten wir durchaus zustimmen, allerdings halten wir den Grundansatz des Gesetzes für falsch. Daher können wir uns hier nur enthalten. Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Bürokratieentlastung – wer von uns fordert dies nicht, wenn Steuererklärungen ausgefüllt, eine Bestel- lung aufgegeben oder ein Anmeldeformular ausgefüllt werden muss. Auch wenn wir die Sinnhaftigkeit mancher Information in Zweifel ziehen, so müssen wir aber immer wieder zugeben: Viele der Informationen sind unabding- bar für ein geordnetes gesellschaftliches Zusammenle- ben. Aber spätestens bei zum Beispiel dem Schriftver- kehr zu einer Ordnungswidrigkeit im Verkehr oder der Einladung zu einem Gerichtstermin, der Beantragung ei- ner Zahnbehandlung oder eines neuen Personalausweises ist man erschrocken, in welch geringem Umfang die mo- dernen Methoden der digitalen Wirtschaft Einzug in Ver- waltungshandeln gefunden haben. Was im persönlichen Bereich lästig ist, kostet im Bereich der Unternehmen aber schlicht Geld und mindert die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Damit komme ich zu einem zentralen Vorwurf an die Regierungsfraktionen gleich vorab: Viel zu gering sind Ihre Bemühungen, die Chancen für einen substanziellen Bürokratieabbau durch Digitalisierung zu nutzen. Mir ist schon klar, dass dies nicht im Vorbeigehen zu erledigen ist, umso mehr kritisiere ich, dass die Bundesregierung weder in der Zusammensetzung entsprechender Gremi- en noch im Projektmanagement die Herausforderungen der Digitalisierung angenommen hat. Das hat mindestens die Dimension des Versagens der Aufsicht beim Berliner Flughafen BER – mit dem Unterschied, dass das Versa- gen der Regierung hier nicht offenkundig, aber Abhilfe noch weniger in Sicht ist als beim Berliner Flughafen. So sind wir im Bereich der Digitalisierung bald deutlich mehr als fünf Jahre hintendran – und das wird zuneh- mend ein Wettbewerbsnachteil für Deutschland. Aber schauen wir uns den vorliegenden Gesetzentwurf genauer an. Ja, es ist ja richtig: Bei Bürokratieentlastung geht es nicht um den ganz großen Wurf. Vielmehr sind viele kleine Schritte nötig, um bürokratische Belastungen abzubauen. Mit dieser Perspektive ist zunächst auch das heute vorliegende Gesetz zu bewerten. So die positive Feststellung: Die vorgeschlagenen Maßnahmen gehen in die richtige Richtung und sorgen für punktuelle Erleich- terungen. Deshalb werden wir dem Gesetzentwurf auch zustimmen. Gleichzeitig müssen wir aber auch massive Kritik an- melden. Einige Maßnahmen sind definitiv nicht weitfüh- rend genug. Und viele Maßnahmen fehlen gänzlich. Ich will das gerne näher ausführen: Wenn wir die Änderungen schon anpacken, dann bitte schön auch so, dass wir den Rahmen der möglichen Ent- lastung auch voll ausschöpfen. Das betrifft vor allem die Fälligkeitsregelung der Sozialversicherungsbeiträge. Ich komme darauf gleich noch mal darauf zurück. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23063 (A) (C) (B) (D) Aber dann fehlen auch ganz wichtige Projekte und Themen: Digitalisierung – das Thema habe ich schon an- gesprochen – und das Thema Poolabschreibung bei ge- ringwertigen Wirtschaftsgütern. Das hätte so dringend in dieses Gesetz gehört, so wie mehrfach angekündigt. Da- bei geht es nicht nur um die Erhöhung des Betrages, son- dern ganz besonders um den Bürokratieabbau. Was für ein gravierender Fehler, dieses Thema in die Hände der Haushälter und Steuerberater im Wirtschaftsausschuss zu legen. Beide sind erkennbar sehr weit von der Realität in den Betrieben entfernt – übrigens sind das oft auch die Steuerabteilungen in den Betrieben selbst. Wer wie ich 25 Jahre in der Industrie zugebracht hat, weiß, dass auch in den Betrieben das Verständnis zwischen operativ Verantwortlichen und Steuerabteilung nicht immer vom Respekt gegenüber der jeweils anderen Fachabteilung geprägt ist. Also hier ist – wenn ich die Signale aus Mi- nisterium und Koalitionsfraktion richtig empfange – ein Desaster zu erwarten: Man habe sich auf „eine Verdopp- lung des Wertes“, also 800 Euro, geeinigt, ohne damit die wichtige Grenze von 1 000 Euro als Bedingung für die Abschaffung der Poolabschreibung zu erreichen. Ich sage das jetzt bewusst einmal so, dass es jeder verstehen kann: Eine bescheuertere Entscheidung ist schlicht nicht vorstellbar. Eine Schande für Herrn Gabriel, der sich schnell auf den Außenministerposten abgemacht hat und seine Zusagen als Wirtschaftsminister in dieser Sache im Mittelstandsausschuss des Wirtschaftsministeriums hier nicht mehr einlösen kann. Hier kann ich nur erneut an die Kolleginnen und Kol- legen der Koalitionsfraktionen appellieren: Der Wert für die geringwertigen Wirtschaftsgüter und damit die Sofortabschreibung wurde zuletzt 1964 unter einem Bundeskanzler Ludwig Erhardt erhöht. Wenn wir diese Regelung nun anpassen, dann so, dass sie eine echte Ver- waltungsvereinfachung bringt und auch beständig ist. Es könnte ja erneut 53 Jahre bis zu einer Anpassung dauern. Darum: Schaffen Sie die Poolabschreibung ab. Wir Grü- ne werden uns im weiteren Prozess hierfür einsetzen. Und dann noch mal zurück zum Thema Abführung der Sozialversicherungsbeiträge: Auch hier eine allenfalls Second-best-Lösung. Dies hat der Normenkontrollrat in seinem Gutachten geprüft und festgestellt. Ja, ich gestehe ein: Hier kann mit der getroffenen Regelung die Bürokra- tie deutlich eingeschränkt werden. Aber wir belasten Un- ternehmen mit stark schwankenden Beiträgen mit hohen Liquiditätseinbußen, indem die Lohnsumme des Vor- monats angesetzt wird. In Zeiten guter Liquidität auch und gerade der Sozialkassen hätte doch hier der Schritt zur Wiedereinführung der Regelung vor 2006 erfolgen können. Erinnern wir uns: Damals wurde das Vorziehen der Abführung der Sozialversicherungsbeiträge aufgrund einer akuten Notlage der Sozialversicherungskassen vorgenommen – aber diese Notlage ist doch bei weitem nicht mehr gegeben. Da muss man doch sehen, dass wir uns in den guten Zeiten wieder einen Puffer zulegen. Und natürlich gilt auch hier: Bürokratieabbau: Es muss das Ziel sein, dass kleine und mittlere Unternehmen nur einmal zahlen, nur einmal im Monat sich mit dem Thema befassen müssen und damit tatsächlich entlastet werden. Das geht nur mit Rückkehr zur Regelung, die vor 2006 galt. Dabei kommt dann regelmäßig die Bemer- kung: Das kostet 30 Milliarden Euro. Aber es ist eben nur eine Verschiebung von 30 Milliarden Euro in das nächste Haushaltsjahr. Das ist also nur ein Liquiditätseffekt, den wir uns übrigens gerade jetzt in Zeiten niedriger Zinsen gut leisten könnten. Wann werden sich endlich unterneh- merisches Denken und Aspekte der Bilanzierung auch in den Ministerien und bei den Haushältern durchsetzen? Kommen wir aber zu weiteren Punkten: Zur Aufbe- wahrungspflicht von Lieferscheinen sieht das Gesetz eine neue Reglung vor. Die Pflicht zur Aufbewahrung von Lieferscheinen entfällt dann, wenn Lieferscheine keine Buchungsbelege sind. Diese Regelung soll rund zwei Drittel der kalkulierten Bürokratieentlastung im ge- samten Gesetz bringen. Aber hören wir genau hin: Diese Höhe ist bei der Vielzahl der vorgebrachten Bedenken von Bundesrat und Verbänden zweifelhaft. In der Anhö- rung haben Handwerk und Industrie deutlich gemacht, dass sie Probleme bei der praktischen Anwendung sehen. Auch die Steuerberater kritisieren die neugeschaffene Rechtsunsicherheit. Konkret besteht die Gefahr, dass Lieferscheine zu früh vernichtet werden, was bei den Unternehmen zu Problemen beim Vorsteuerabzug führen kann. Auch die Länder im Bundesrat lehnen diese Rege- lung ab. Weil Lieferscheine oft Bestandteil der Rechnun- gen und bei Bargeschäften oft der einzige Anhaltspunkt bei der Ermittlung von Steuerhinterziehung sind, kann die neue Regelung Lücken bei der Verfolgung erzeugen. Und auch hier noch mal der Hinweis: In der Digitalen Welt wäre das Thema erledigt. Heute schon werden Lie- ferungen und Leistungen zu weit über 90 Prozent digital abgebildet – aber wir sind weit entfernt, diese Möglich- keiten für die entsprechenden Verwaltungsvorgänge an der Schnittstelle von Privatwirtschaft und Staat zu nut- zen. Eine Schande! Kurz vor Abschluss der Beratungen hat die Koalition dann doch noch Verbesserungsbedarf gesehen und Än- derungen eingebracht. Anpassung an erhöhten Mindest- lohn bei pauschalierter Lohnsteueranmeldung sowie die Anhebung der Kleinbetragsrechnung von 150 Euro auf 250 Euro. Hierfür werden rund 10 Millionen Euro Steu- ermindereinnahmen gegenüber 28,6 Millionen Euro Ent- lastung seitens der Wirtschaft veranschlagt. Immerhin. Aber was für ein Armutszeugnis gegenüber dem Einspa- rungspotenzial beim E-Government in der Größenord- nung von einigen Milliarden Euro. Ich möchte nicht schließen, ohne nicht noch einen weiteren Schritt auf dem mühsamen Weg des Bürokratie- abbaus vorzuschlagen. Eine handfeste Erleichterung und echte Anpassung an die Lebenswirklichkeit, die wir auch in die Ausschussberatungen eingebracht haben – leider erfolglos. Er betrifft die Umsatzsteuervoranmeldung und die wirklichkeitsfremde Berufseinschränkung von Bi- lanzbuchhalterinnen und Bilanzbuchhaltern. Sie dürfen die Umsatzsteuervoranmeldung offiziell nicht ans Fi- nanzamt senden, obwohl ihr tägliches Brot die Erstellung exakt dieser Unterlage ist. Eine entsprechende Änderung würde Rechtssicherheit für die Betroffenen schaffen und überflüssige Verwaltungsschritte in Unternehmen abbau- en. Aber der Änderungsantrag scheiterte an den Koaliti- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723064 (A) (C) (B) (D) onsfraktionen – oder sollte ich sagen: an der fehlenden Lobby? Bürokratieabbau ist ein mühseliges Geschäft. Die Ko- alitionsfraktionen haben in ihrer Mehrheit offensichtlich nicht begriffen, dass es hier ganz wesentlich um die in- ternationale Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft geht, sonst hätten sie das Thema viel ambitionierter angepackt. Ich kann nur hoffen und mich dafür einsetzen, dass In- stitutionen wie der Normenkontrollrat gestärkt werden, um das Thema Bürokratieabbau weiter voranzutreiben. An uns Grünen soll es nicht liegen! Dirk Wiese, Parl . Staatssekretär bei der Bundesmi- nisterin für Wirtschaft und Energie: Bürokratieabbau ist eine Daueraufgabe und ein Anliegen jeder Regierung. Das Wirtschaftsministerium hat in dieser Legislatur- periode mit dem Bürokratieentlastungsgesetz I und der Vergaberechtsmodernisierung bereits maßgeblich Büro- kratie abgebaut. Dabei wollen wir nicht stehen bleiben. Heute beraten Sie abschließend über das zweite Bürokratieentlastungs- gesetz. Das BEG II wird insbesondere kleinen Betrieben mit zwei bis drei Mitarbeitern zugutekommen und ihnen den Alltag erleichtern. Wir können mit diesem Gesetz ei- nige wichtige Forderungen der Wirtschaft umsetzen. Ich denke etwa an die dort vorgesehenen Erleichterungen bei der Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge: Die bisherige aufwendige Schätzung der Beiträge entfällt. Stattdessen dürfen die Unternehmen künftig auf den Vor- monatswert abstellen. Große Potenziale für Entbürokratisierung bestehen im Bereich des E-Governments und der Digitalisierung. Das hat der NKR zu Recht wiederholt angemahnt. Mit dem BEG II tun wir einen Schritt in diese Richtung: Erstens. Über die zentrale Bundesredaktion werden Leistungsinformationen bereitgestellt. Das sind Ausle- gungshilfen zu Gesetzen und Verordnungen des Bundes. So werden auf den verschiedenen Verwaltungsebenen einheitliche und leicht verständliche Informationen ver- fügbar sein. Zweitens. Wir öffnen die Handwerksordnung für die elektronische Kommunikation. Dadurch entlasten wir die Handwerkskammern und ihre Mitgliedsunternehmen. Drittens. Schließlich wird die Abrechnung von Pfle- gedienstleistungen erleichtert. Elektronische Dokumente ersetzen Belege in Papierform. Dadurch bleibt mehr Zeit für Pflege. Und schließlich: Das BEG II entlastet die Wirtschaft im Bereich des Steuerrechts, und zwar in ganz erhebli- chem Umfang. Wichtige Schwellenwerte im Steuerrecht werden an- gehoben, und zwar bei den Kleinbetragsrechnungen und beim Verzeichnis für geringwertige Wirtschaftsgüter. Es freut mich, dass Sie hierbei über die Vorschläge des Re- gierungsentwurfs hinausgehen wollen. Bei Lieferscheinen, deren Inhalt durch die Rechnung dokumentiert ist, entfällt die Pflicht zur Aufbewahrung. Und schließlich wird die Grenze für die vierteljährli- che Abgabe der Lohnsteueranmeldung angehoben. Und lassen Sie mich kurz über den Tellerrand des BEG II schauen: Ich begrüße es besonders, dass die Ab- schreibungsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter signifikant auf 800 Euro angehoben werden soll. Auch dies ist eine ganz wichtige Maßnahme zur Bürokratieent- lastung, die das BEG I und BEG II ergänzt. Kurz: Am Ende der Legislaturperiode gelingen wich- tige Schritte, die – besser als manches Konjunkturpro- gramm – unsere Ziele fördern: mehr Wachstum, mehr und bessere Beschäftigung und mehr Innovationen. Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Verfahren für die elektronische Abgabe von Mel- dungen für Schiffe im Seeverkehr über das Zent- rale Meldeportal des Bundes und zur Änderung des IGV-Durchführungsgesetzes (Tagesordnungs- punkt 30) Hans-Werner Kammer (CDU/CSU): Heute Morgen haben wir leidenschaftlich über die Zukunft der mariti- men Branche diskutiert. Die maritime Politik der Bun- desregierung und der Begleitantrag der Koalition zur Na- tionalen Maritimen Konferenz machen zwei Dinge ganz deutlich. Erstens. Bei uns sind Schifffahrt und maritime Wirtschaft in guten Händen. Zweitens. Um die Branche zukunftsfest zu machen, sind viele kleine Einzelmaßnah- men notwendig. Eine dieser kleinen, aber wichtigen Maßnahmen ist die Modernisierung und Digitalisierung der Meldeforma- litäten für die Seeschifffahrt. Es gibt fast ein Dutzend un- terschiedlicher Meldepflichten: Gefahrgutmeldung, Ab- fallmeldung, Gesundheitsmeldung, Sicherheitsmeldung, Verkehrsmeldung usw. Zuständig sind die verschiedens- ten Behörden von Bund und Ländern. Ein zentrales Meldeportal für anlaufende Schiffe er- leichtert den Schiffseignern, Reedereien und Kapitänen, aber auch den deutschen Verwaltungsorganen die Arbeit enorm. Seit 2015 ist daher das sogenannte National Sing- le Window aktiv. Hier werden alle für das Anlaufen eines deutschen Hafens erforderlichen Informationen eingege- ben und allen betroffenen Behörden zur Verfügung ge- stellt. Das mehrfache Melden gleicher Informationen an verschiedene Behörden entfällt. Der Zeitaufwand und die Kosten für die Abgabe der Meldungen sinken, die Effizi- enz der Schifffahrt und der beteiligten Behörden steigt. Dazu wurden die Inhalte der Meldungen harmonisiert. Auch dieses System macht weiter einen Informations- austausch zwischen verschiedenen Behörden mit unter- schiedlichen Zuständigkeiten notwendig. Das Gesetz, das als Entwurf vorliegt, schafft die rechtliche Grundlage für diesen Datenaustausch. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23065 (A) (C) (B) (D) Mit dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen greifen wir einen sinnvollen Vorschlag des Bundesrates auf. Alle Bekanntmachungen und Veröffentlichungen, die das Seeschifffahrt-Meldeportal-Gesetz betreffen, werden nicht nur im Bundesanzeiger, sondern auch im Verkehrsblatt veröffentlicht. Die betroffenen Schiffseig- ner, Reedereien, Makler und Kapitäne haben das Ver- kehrsblatt ohnehin auf dem Schirm. Es handelt sich da- mit um eine praxisnahe Ergänzung des Gesetzentwurfes. Außerdem weisen wir der Berufsgenossenschaft Verkehr zusätzliche Aufgaben beim Abwracken von Seeschiffen zu. Die BG Verkehr soll zukünftig Besichti- gungen durchführen und Zeugnisse ausstellen bzw. ver- längern. Das ist eine wichtige Vorbereitung für die noch ausstehende Ratifizierung des Übereinkommens von Hongkong über das umweltfreundliche Recycling von Schiffen. Gleichzeitig setzen wir eine europarechtliche Vorgabe um. Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Mosaikstein- chen eines größeren Bildes: Die Koalition steht zur mari- timen Branche. Wir stellen uns den vielen Aufgaben und Herausforderungen, um die maritime Wirtschaft durch unruhige See zu begleiten; denn wir wissen um ihre Be- deutung für unser Land. Und eines möchte ich noch ein- mal betonen: Auch in Zukunft findet die maritime Bran- che bei der Union immer ein offenes Ohr! Im Ausschuss haben wir uns einstimmig für dieses Gesetz ausgesprochen. Ich bitte Sie auch heute um breite Unterstützung für dieses Vorhaben. Dr. Birgit Malecha-Nissen (SPD): Wir beraten heu- te den Regierungsentwurf eines Gesetzes über das Ver- fahren für die elektronische Abgabe von Meldungen für Schiffe im Seeverkehr. In Zukunft erfolgt diese Abgabe von Meldungen über das Zentrale Meldeportal des Bun- des. Gleichzeitig wird das Gesetz zur Durchführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften, IGV-Durchfüh- rungsgesetz, neu gefasst. Dieses regelt Verpflichtungen zur elektronischen Abgabe der Seegesundheitserklärung. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzen wir die europäische Richtlinie 2010/65/EU vom 20. Oktober 2010 über Meldeformalitäten für Schiffe beim Einlau- fen in und/oder Auslaufen aus Häfen der Mitgliedstaa- ten um. Es war dringend notwendig, dass wir auch in Deutschland die gesetzliche Grundlage für die elektroni- sche Abgabe von Meldungen für Schiffe im Seeverkehr schaffen. Nach der EU-Richtlinie sollten zum 1. Juni 2015 Meldungen in der Schifffahrt nur noch auf elektro- nischem Weg akzeptiert werden. Bisher wurden Meldun- gen in der Seeschifffahrt an mehrere Behörden einzeln gemeldet. Das war umständlich und ineffizient. Mit dem Zentralen Meldeportal erreichen wir eine erhebliche Ver- einfachung des innereuropäischen Warenverkehrs und verbessern das Meldewesen für die Seeschifffahrt. Dies erhöht zusätzlich die Konkurrenzfähigkeit in Hinblick auf die europäischen Nachbarstaaten. Es ermöglicht der Wirtschaft, Meldungen in der Seeschifffahrt über ein mo- dernes einzelnes zentrales Meldeportal abzugeben. Dies führt zu einer Vereinfachung und Beschleunigung der Arbeitsvorgänge. Besonders in Zeiten der Digitalisierung ist das unabdingbar! Das Zentrale Meldeportal nimmt alle Meldungen ent- gegen und leitet sie an die zuständigen datenverarbeiten- den Stellen weiter. Damit dient es als Eingangsschnitt- stelle, das Meldungen automatisiert an verschiedene Empfängerbehörden wie Bundes- und Landesbehörden weiterleitet. In Deutschland hat das neue System bereits am 27. Mai 2015 seine Arbeit aufgenommen. Mit dem vorliegenden Gesetz schaffen wir nun endlich auch die gesetzlichen Grundlagen. Die Zielsetzung ist klar: Die zusätzlichen Regelungen sind notwendig, um Daten rechtssicher und geschützt weiterleiten zu können. Das Gesetz regelt das Verfahren der elektronischen Abgabe von Meldungen für Schiffe beim Einlaufen in Häfen. Darüber hinaus wird über das Zentrale Meldeportal der Aufenthalt in und/oder das Auslaufen aus deutschen Gewässern oder Seehäfen sowie das Befahren des Nord-Ostsee-Kanals geregelt. Gleichzeitig mit diesem Gesetz wird das IGV-Durch- führungsgesetz geändert, welches die Angabe von Gesundheitserklärungen regelt. Die Neufassung des Gesetzes zur Durchführung der Internationalen Gesund- heitsvorschriften regelt nun die Verpflichtungen zur elek- tronischen Abgabe der Seegesundheitserklärung. Insbe- sondere aus datenschutzrechtlichen Gründen ist dieses Gesetz notwendig. Das ist deshalb sinnvoll und zielfüh- rend, da wir bei Fragen zur Gesundheit eine hohe Sensi- bilität und Vertraulichkeit benötigen. Abschließend kann man sagen, dass wir mit dem vor- liegenden Gesetz unserer Verpflichtung als Mitgliedstaat nachkommen, die EU-Richtlinie aus dem Jahr 2010 um- zusetzen. Nachdem die technische Umsetzung bereits 2015 vollzogen wurde, wird hiermit die ergänzende Er- mächtigung zur Datendurchleitung aus datenschutzrecht- lichen Gründen in Form eines Gesetzes erteilt. Wir begrüßen, dass der Bund eine Koordinierungs- stelle im Bundesverkehrsministerium schafft, die daten- schutzrechtlich das Zentrale Meldeportal betreibt. Die Einrichtung des Zentralen Meldeportals verursacht jährliche Kosten in Höhe von insgesamt 241 027 Euro. Der Mehrbedarf an Sach- und Personalmitteln wird fi- nanziell im Haushalt des Verkehrsetats ausgeglichen. Das Zentrale Meldeportal ist ein weiterer zentraler Schritt im Zeitalter der Digitalisierung, der dringend not- wendig war. Besonders im Hinblick auf die Gefahr von Cyberkriminalität ist die gesetzliche Grundlage für Da- tenschutz und den Schutz der Persönlichkeitsrechte im Seeverkehr von entscheidender Bedeutung. Herbert Behrens (DIE LINKE): An dem vorliegen- den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen hat auch die Fraktion Die Linke wenig auszusetzen; denn damit wird nur die Richtlinie 2010/65/EU des Europaparlaments und des Europäischen Rates vom 20. Oktober 2010 über Meldeformalitäten für Schiffe beim Einlaufen in und Auslaufen aus EU-Häfen in nationales Recht umgesetzt. Das Ziel dabei ist die Sicherstellung des ordnungsgemä- ßen Schiffsverkehrs. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723066 (A) (C) (B) (D) Zur Erfüllung dieser Richtlinie ist in Deutschland ein System zur Verfügung gestellt worden, das alle Meldun- gen entgegennimmt und an die zuständigen maritimen Behörden weiterleitet. Es ist höchste Zeit, dass dafür die entsprechende gesetzliche Regelung eingerichtet wird; denn das neue System ist schon vor fast zwei Jahren, nämlich am 27. Mai 2015, in Betrieb genommen worden. Bisher wurden gesetzlich vorgeschriebene Meldun- gen einzeln an oft mehrere zuständige Behörden von den Meldenden geschickt. Künftig soll eine Meldung, die über das Zentrale Meldeportal abgegeben wird, erst ein- mal über die zuständige Bundesbehörde auf Anforderung der empfangenden Stelle bei der bereitgestellten Ein- gangsschnittstelle eingehen. Im Zentralen Meldeportal sind lediglich der Meldungstyp und eine Anlaufreferenz- nummer ersichtlich. Letztere ist eine standardisierte Re- ferenznummer, die bei jeder Meldung anzugeben ist. Das dient der Zuordnung des Vorgangs zu einem bestimmten Hafenbesuch. Anschließend werden die Meldungen dann mit einer technischen Rückmeldung an den Melder nach einer Prüfung angenommen oder abgelehnt. Aus datenschutztechnischer Sicht ist der Gesetzent- wurf unbedenklich; denn die Verarbeitung der Schiffs- meldungen beschränkt sich hier auf den Empfang, die Weiterleitung und die Löschung von Daten durch die zu- ständige Behörde. Eine inhaltliche Zugriffsmöglichkeit ist für das Meldeportal nicht vorgesehen. Die ergänzende Anregung des Bundesrates, dass die Meldungen nicht nur im Bundesanzeiger, sondern auch im Verkehrsblatt zu veröffentlichen sind, ist angesichts der weitverbreiteten Nutzung des Verkehrsblatts im See- verkehr zu begrüßen. So weit, so gut. Aber mit diesem Gesetzentwurf sind allerdings noch keine Weichen für die maritime Arbeit der Zukunft gestellt. Davon ist die Bundesrepublik noch weit entfernt, wie auch die DGB-Vorsitzende Katja Karger be- stätigte. Ich zitiere aus der Verdi-Zeitung „Schifffahrt“: „Im Hafenbereich wurde der Anschluss an Arbeit 4.0 und die Digitalisierung bisher weitgehend verpasst, es liegt strukturell ziemlich viel im Argen. Es müssen dringend Ideen und Lösungen für die Zukunft her.“ Heute Morgen, bei der Debatte über die Zukunft der maritimen Industrie, hatten die Kolleginnen und Kolle- gen der Koalitionsfraktionen die Gelegenheit, ihre Ide- en einzubringen. Aber stattdessen war in ihrem Antrag nur zu lesen, dass der Bundestag beschließen möge, „im Zuge der Digitalisierungs- und Automatisierungs- prozesse und der zu erwartenden Entwicklungen in den deutschen Häfen geeignete Lösungsansätze in Hinblick auf die Ausbildungs- und Beschäftigungsstrategien zu finden“. Am Ende einer Regierungsperiode ist die bloße Erklärung einer Absicht, in Zukunft Lösungen zu finden, mehr als dürftig. An dieser Stelle haben Sie Ihre Amtszeit verschlafen, meine Damen und Herren der CDU/CSU und der SPD! Ich kann Ihnen nur raten, endlich die dringlichen Aufgaben, vor denen angesichts Automatisierung und Digitalisierung die Kolleginnen und Kollegen in den Hä- fen, Werften und auf hoher See stehen, ernst zu nehmen. Gehen Sie auf die berechtigte Kritik ihrer Gewerkschaft Verdi, die letztes Jahr gezwungen wurde, aus dem Mari- timen Bündnis auszusteigen, ein. Verhandeln Sie auf Au- genhöhe über Maßnahmen, die die Digitalisierung und Automatisierung im maritimen Sektor für die nächsten Jahrzehnte sozialverträglich regeln können. Bieten Sie den Kolleginnen und Kolleginnen wieder eine Zukunfts- perspektive! Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir debattieren heute ein Gesetz zur elektronischen Mel- dung von Schiffsdaten. Das steht eigentlich auch im di- rekten Zusammenhang mit dem Digitalisierungsprozess, der zurzeit als Schlagwort kursiert. Dadurch ließe sich das auch sehr gut mit Meldeformalitäten von Schiffs-, Crew-, Fracht- und Zolldaten verknüpfen. Seitens der Bundesregierung wird jetzt damit der Anfang gemacht. Aber um das vollständig umzusetzen, fehlt noch eine ganze Menge. Wenn der Anfang einmal gemacht ist, wäre es jetzt nur konsequent, beim Thema Digitalisie- rung in der Seeschifffahrt am Ball zu bleiben. Daher haben wir heute auch in der Debatte zur mariti- men Wirtschaft einen Antrag eingebracht, der auf genau diese Punkte eingeht: Ein Schwerpunkt der Maritimen Konferenz in wenigen Tagen soll ja die Digitalisierung der maritimen Branche sein. Genau diesen Prozess könn- ten Sie mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eigentlich weiterführen. Der Wunsch der maritimen Wirtschaft ist es, dass der Staat mithilfe der Digitalisierung auch die geforderten Meldeprozesse vereinfacht und standardi- siert. Aber die wirklichen Probleme werden hier leider – wen wundert es eigentlich? – nicht angegangen. Es kann nicht sein, dass wir in Europa ein sogenanntes Single Maritime Window für Melde- und Dokumenten- prozesse beschließen. Doch die Mitgliedstaaten beharren alle weiterhin auf ihren nationalen oder regionalen Lö- sungen. Jeder schaut weiter durch sein eigenes kleines Fenster. Sofern sich die Nationalstaaten hier nicht eini- gen und Zollverwaltungen sich nicht einmal national, geschweige denn europaweit abstimmen können, wird es dauerhaft bei Insellösungen bleiben. Die eigentlich geplanten Vorteile wie Zeit- und Geldersparnis rücken dadurch für alle Beteiligten in weite Ferne. Das wäre nur zu schade. Insofern hoffe ich hier auf eine deutlichere Beweglichkeit. Aber auch das Personal an Bord der Schiffe ist die überbordende Bürokratie leid. Über 50 Prozent der Ar- beitszeit werden nicht mit dem Steuern des Schiffes verbracht, sondern mit dem Ausführen von Verwaltungs- akten. Die Kapitäninnen und Kapitäne werden somit zu Sekretären der Reedereien sowie der öffentlichen Ver- waltung. Sie sind Leidtragende der fehlenden Bereit- schaft zu Standardisierung und Kooperation der europä- ischen Staaten. Das hat erst kürzlich sehr eindrucksvoll ein Kapitän in einem Fachgespräch unserer Fraktion zu diesem Thema geschildert. Deutschland darf sich daher nicht zurücklehnen, sondern muss zusammen mit den an- deren Mitgliedstaaten brauchbare Lösungen im Rahmen der Digitalisierung finden. Als Antwort auf den vermeint- lichen Trend von Protektionismus und falscher Abschot- tung brauchen wir mehr Europa und dadurch auch ein Zusammenwachsen der Staaten. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23067 (A) (C) (B) (D) Lassen Sie mich schließlich noch einen Hinweis geben, da die maritime Wirtschaft aktuell unter solch großen Überkapazitäten leidet: Auch im Vorfeld von geplanten Verschrottungen von Seeschiffen müssen Meldungen an die nationalen Stellen durchgeführt wer- den. Sicher haben Sie hier schon eine spätere Ratifizie- rung des Hongkong-Abkommens für das Recycling von Seeschiffen im Auge. Sofern in den zukünftigen dafür relevanten Gesetzentwürfen eine Vorbereitung für das Hongkong-Abkommen vorgesehen ist, begrüße ich das auch. Allerdings: Machen Sie Nägel mit Köpfen, und ra- tifizieren Sie das Abkommen sofort. Es geht nicht nur um bessere Arbeitsbedingungen und umweltgerechtes Ent- sorgen, auch in europäischen Werften. Es geht bei dem Abkommen auch direkt um die Zukunft der maritimen Wirtschaft in Deutschland in Europa. Enak Ferlemann, Parl . Staatssekretär beim Bundes- minister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Heute beraten wir das sogenannte Meldeportalgesetz. Ein- fach gesagt, bildet Artikel 1 des Gesetzes die rechtliche Grundlage für ein zentrales elektronisches Meldeportal für den Schiffsverkehr in Deutschland. Das klingt erst einmal sehr abstrakt. Die tatsächliche Bedeutung des Gesetzes wird erst klar, wenn man die Situation vor wenigen Jahren be- trachtet: Jeder Hafen, jedes Bundesland und einzelne Behörden hatten für den Schiffsanlauf ein eigenes Mel- dewesen. Viele Meldungen wurden per Telefon, Telefax oder über Listen und Formulare abgegeben. Wir spre- chen hier über Meldungen in 72 deutschen Anlaufhäfen, an insgesamt 240 betroffene Behörden bei aktuell circa 1,3 Millionen Anläufen jährlich. Gerade in der global agierenden Seeschifffahrt ist das eine weder von den be- troffenen Reedereien noch von den betroffenen Behörden zu bewältigende Herausforderung und in Zeiten der Digi- talisierung nicht hinnehmbar. Der notwendige Prozess der Vereinheitlichung der Meldungen in der Schifffahrt hat in Deutschland mit der im Jahr 2012 erfolgten Umsetzung der europäischen Richtlinie 2010/65/EU über Meldeformalitäten für Schif- fe begonnen. Ziel ist es, alle von der Seeschifffahrt an Behörden an Land abzugebenden Meldungen zentrali- siert elektronisch über ein einziges elektronisches Portal abgeben zu können. Die Durchleitung an die zuständigen Bundes- und Landesbehörden erfolgt automatisch. Weitere Vereinheitlichungen sind jedoch notwendig. Zudem halten die Zunahme der Datenströme und die Weiterentwicklung der Systeme weitere Herausforde- rungen bereit. Auf europäischer wie auf nationaler Ebene arbeiten wir deshalb an der Weiterentwicklung der Kon- zepte für eine effektive Digitalisierung der Schifffahrt, die alle Belange berücksichtigen. Für diesen Prozess schafft der vorliegende Gesetzent- wurf den notwendigen rechtlichen Rahmen. Er ermög- licht eine klarere Zuordnung behördlicher Zuständig- keiten, technische Prozesse werden beschrieben und die datenschutzrechtliche Ermächtigung für die Erhebung sowie Verteilung aller relevanten Daten geschaffen. Ziel des Gesetzes ist es dabei insbesondere auch, die Grund- lage für eine effektivere Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zu bieten. Die Digitalisierung in der See- schifffahrt und gerade auch dieses Gesetz sind ein Bei- spiel für die gelebte gute Zusammenarbeit zwischen Län- dern und Bund. Mit dem Gesetz, das als Entwurf vorliegt, wird gleich- zeitig auch das Gesetz zur Durchführung der Internati- onalen Gesundheitsvorschriften an die Anforderungen des Zentralen Meldeportals angepasst. Durch die Abgabe von Informationen zum Gesundheitszustand der an Bord befindlichen Personen über das Zentrale Meldeportal soll den nationalen Gesundheitsbehörden ermöglicht werden, frühzeitig auf Gesundheitsgefahren reagieren zu können. Ich bin meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dankbar, die durch langwierige und komplexe Abstim- mungsprozesse mit den Küstenländern und den betroffe- nen Behörden einen, so glaube ich, guten Gesetzentwurf formuliert haben. Ich danke insbesondere auch dem Bun- desrat und den beiden Koalitionsfraktionen. Die einge- brachten Änderungen am Meldeportalgesetz werden den Zugang zu den für die Nutzung des Meldeportals not- wendigen Informationen deutlich erleichtern. Ich möchte den Koalitionsfraktionen außerdem für den Vorschlag für einen neuen Artikel 3 danken. Die vor- geschlagene Änderung des Seeaufgabengesetzes schafft die Grundlage dafür, dass Deutschland zu den internati- onalen und europäischen Bemühungen zur Verbesserung der Situation beim Recycling von Schiffen beitragen und die entsprechenden Regelungen zügig umsetzen kann. Im Interesse der Umwelt und der Arbeitssicherheit sollte Deutschland seine Verantwortung auch hier wahrneh- men. Insgesamt haben wir – da bin ich mir sicher – einen guten Gesetzentwurf. Die Digitalisierung der Schifffahrt und Schiffsrecycling sind wichtige Herausforderungen. Hier werden die notwendigen Schritte für die dazugehö- rige Rechtssicherheit gemacht. Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Eisenbahnunfalluntersuchung (Tagesord- nungspunkt 31) Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Mit dem Gesetz zur Neuordnung der Eisenbahnunfalluntersu- chung werden zwei Ziele verfolgt: Zum einen werden die gesetzlichen Grundlagen geschaffen, die bisherigen Kompetenzen des Bundes im Bereich der Untersuchung gefährlicher Ereignisse im Eisenbahnbetrieb auf bun- deseigenen Schienenwegen auf eine neue selbstständige Bundesoberbehörde zu übertragen, der Bundesstelle für Eisenbahn-Unfalluntersuchung. Diese wird dem Bundes- ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur unter- stehen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723068 (A) (C) (B) (D) Bislang war die Eisenbahnunfalluntersuchung mit der Umsetzung der EU-Richtlinie über die Eisenbahn- sicherheit aus dem Jahr 2007 organisatorisch zweige- teilt. Die Leitung der Eisenbahnunfalluntersuchung des Bundes oblag dem seinerzeitigen Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Die Untersu- chungszentrale für die operativen Aufgaben hatte das Eisenbahn-Bundesamt inne. Die Bundesregierung hat gegenüber dem Bundestag ausgeführt, dass eine Orga- nisationsuntersuchung im Jahr 2015 gezeigt habe, dass es sinnvoller sei, die Eisenbahnunfalluntersuchung des Bundes einer selbstständigen Behörde zu übertragen. Zum anderen werden mit dem Gesetz Vorgaben der EU-Richtlinie über Eisenbahnsicherheit vom 11. Mai 2016 umgesetzt. Ich begrüße es, dass die Unabhängigkeit der Eisenbahnunfalluntersuchung von der Eisenbahnauf- sicht, die vom Eisenbahn-Bundesamt wahrgenommen wird, gestärkt wird. Die Mitwirkungspflichten der Eisen- bahnen bei der Eisenbahnunfalluntersuchung und Daten- schutzregelungen werden ebenfalls festgelegt. Von den Rechtsänderungen betroffen sind das Allge- meine Eisenbahngesetz und das Bundeseisenbahnver- kehrsverwaltungsgesetz. Bisher sind im Allgemeinen Eisenbahngesetz nur die Aufgaben und Befugnisse der Eisenbahnaufsichtsbehörden geregelt. Diese sollen mit den Aufgaben und Befugnissen der Stellen für Eisen- bahn-Unfalluntersuchung ergänzt werden. So wird die neue Bundesstelle für Eisenbahn-Unfalluntersuchung unter anderem Meldungen zu gefährlichen Ereignissen im Eisenbahnbetrieb entgegennehmen und kategorisie- ren, gefährliche Ereignisse untersuchen und Untersu- chungsberichte erstellen und veröffentlichen. Die Bundesländer haben am 10. Februar 2017 zum Entwurf des Gesetzes Stellung genommen und gering- fügige Änderungsanträge eingebracht, die in einem Än- derungsantrag der Fraktionen von CDU/CSU und SPD berücksichtigt wurden. Die Änderungsvorschläge des Bundesrates haben das Ziel, die Zuständigkeit der Eisen- bahnaufsichtsbehörden der Länder für die Untersuchung von Unfällen auf Eisenbahnnetzen, die nur für die Per- sonenbeförderung im örtlichen Verkehr, Stadt- oder Vor- ortverkehr genutzt werden, deutlicher hervorzuheben. Ein weiterer Änderungsvorschlag betont die Gleichran- gigkeit der Befugnisse der für die Strafverfolgung und die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten zuständigen Behörden. Dem Gesetzentwurf einschließlich des Änderungs- antrags der Koalitionsfraktion wurde in der Sitzung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur am 22. März 2017 einstimmig zugestimmt. Daher wird dem Bundestag der Beschluss des geänderten Gesetzentwurfs der Bundesregierung empfohlen. Martin Burkert (SPD): Es ist stets dieselbe Frage, und sie ist berechtigt. Sie wird nach jedem schweren Zug unglück gestellt. Die Frage lautet: Wie sicher ist es, in Deutschland mit dem Zug zu fahren? Die Antwort ist eindeutig: Sehr sicher – auch wenn es immer wieder zu Unfällen kommt. Doch deren Zahl ist niedrig, und es ster- ben dabei viel weniger Menschen als im Straßenverkehr. In der Vergangenheit hat es aber leider auch tragische Zugunfälle gegeben, bei denen Menschen ihr Leben ver- loren haben und Sachschäden in Millionenhöhe entstan- den sind. Auch ich, mit meiner Ausbildung bei der Bahn und heute als Verkehrsausschussvorsitzender im Bundes- tag, kann nach so einer Katastrophe nicht einfach zum normalen Arbeitsalltag übergehen. Eine lückenlose und vor allem schnelle Aufklärung der Ursachen für diese Unfälle ist wichtig, um den Eisenbahnverkehrsunterneh- men und den Infrastrukturbetreibern mögliche Verbesse- rungen an die Hand zu geben und die Zahl der Unfälle zu reduzieren. Aber auch für die Opfer und Hinterbliebenen ist es wichtig, für Klarheit zu sorgen. Untersuchungen haben gezeigt, dass es dabei sinnvol- ler ist, die Untersuchung von Eisenbahnunfällen in einer Hand zu belassen. Dies regelt nun der Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Eisenbahnunfalluntersu- chung. Er schafft die auf Gesetzesebene erforderlichen rechtlichen Grundlagen für die Einrichtung einer Bun- desstelle für Eisenbahn-Unfalluntersuchung. So wird auch die Unabhängigkeit der untersuchenden Behörde gestärkt. Diese eigene Behörde soll in Zukunft für Aufgaben der Untersuchung gefährlicher Ereignisse im Eisenbahn- betrieb zuständig sein. Hiermit soll die bestehende Auf- teilung der Eisenbahn-Unfalluntersuchung des Bundes beseitigt werden. Denn bisher ist die Leitung der Eisen- bahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes (EUB) im Verkehrsministerium angesiedelt. Als operative Stelle agiert die EUB ebenfalls seit 2008 beim Eisenbahn-Bun- desamt (EBA). Beamte und Arbeitnehmer des EBA, die zum Zeit- punkt der Errichtung der Bundesstelle für Eisenbahn-Un- falluntersuchung Aufgaben wahrnehmen, die dieser Stelle obliegen, sind von diesem Zeitpunkt an Beamte und Arbeitnehmer bei der Bundesstelle für Eisenbahn- Unfall untersuchung. An dieser Stelle möchte ich zu- nächst einmal diesen Beschäftigten danken, die in den vergangenen Jahren durch ihren Einsatz zur Aufklärung von Eisenbahnunfällen beigetragen haben. Bei den Aufgaben der Eisenbahnaufsicht sollen nach der vorliegenden Gesetzesbegründung auch keine Ände- rungen bewirkt werden. Daher möchte ich noch einmal dafür plädieren, dass das EBA mit mehr Personal ausge- stattet wird und der bestehende Beförderungsstau aufge- löst wird. Um die Schiene zu stärken, brauchen wir auch starke Behörden, mit qualifiziertem Fachpersonal und guten Aufstiegsmöglichkeiten. Ich möchte gerne die enorme Bedeutung der Eisen- bahn-Unfalluntersuchungsstelle (EUB) und zukünftigen Bundesstelle (BEU) hervorheben und dazu ihre Aufga- ben skizzieren: Die EUB hat zum Ziel, die Ursachen von gefährlichen Ereignissen im Eisenbahnbetrieb aufzuklären. Die da- raus gewonnenen Erkenntnisse sollen dazu dienen, die Sicherheit im Eisenbahnverkehr zu optimieren und so- mit Unfällen vorzubeugen. In der Praxis heißt das: Die EUB sammelt Fakten und Informationen, um das Unfall- geschehen zu rekonstruieren. Dabei werden neben der Infrastruktur selbstverständlich auch die betrieblichen Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23069 (A) (C) (B) (D) Abläufe und die am Unglück beteiligten Fahrzeuge mit einbezogen. Tätig wird die EUB nur nach schweren Un- fällen. Dies regelt eine europäische Richtlinie: Ein Un- fall gilt dann als schwer, wenn bei einem Zusammenstoß oder bei einer Entgleisung von Zügen ein Mensch getötet oder mindestens fünf Menschen schwer verletzt wurden. Trifft dies bei einem Eisenbahnunglück nicht zu, kann die Untersuchungsstelle im Einzelfall immer noch ent- scheiden, ob sie eine Untersuchung einleitet. Noch einmal zusammengefasst: Die Arbeit der Eisen- bahn-Unfalluntersuchungsstelle dient dazu, die Ursache von Unfällen zu ermitteln, damit sich solche Ereignisse in der Zukunft nicht wiederholen und besser verhindern lassen und damit ganz allgemein die Sicherheit im Eisen- bahnverkehr weiterentwickelt werden kann. Die Arbeit der Eisenbahnunfall-Untersuchungsstelle ist nicht abhängig von gerichtlichen Ermittlungen. Sie dient nicht dazu, Schuldzuweisungen vorzunehmen oder Haftungsfragen zu klären. Um die bisherige Arbeit von EUB und EBA weiter stärken zu können, ist die Schaffung einer eigenen Bun- desbehörde – wie im vorliegenden Entwurf eines Geset- zes zur Neuordnung der Eisenbahnunfalluntersuchung vorgesehen – der Schritt in die richtige Richtung. Denn wir müssen die Schiene weiter stärken. Und dazu gehört ganz sicher auch eine lückenlose und zügige Aufklärung von Eisenbahnunfällen, um diese in Zukunft zu vermei- den. Dies steht und fällt aber mit sachkundigem und in ausreichender Anzahl vorhandenem Personal. Hier müs- sen wir nachhaltig investieren, und ich wünsche mir, dass das mit diesem Gesetz – ohne Wenn und Aber – umge- setzt wird. Sabine Leidig (DIE LINKE): Bislang gibt es für die Untersuchung von Bahnunfällen die Eisenbahn-Unfall- untersuchungsstelle des Bundes, EUB, die als operati- ve Stelle beim Eisenbahn-Bundesamt, EBA, und damit letztlich beim BMVBS/BMVI angesiedelt ist. Nun soll die Untersuchungsstelle in eine selbstständige Behörde umgewandelt werden. Offenbar gibt es dafür zwei Gründe: Zum einen hat die Organisationsuntersuchung im Jahr 2015 gezeigt, dass es sinnvoller sei, die Eisenbahnunfalluntersuchung des Bundes einer selbstständigen Behörde zu übertragen. Außerdem sollen mit der geänderten Organisation die Vorschriften der Richtlinie 2016/798 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über Eisen- bahnsicherheit umgesetzt werden. Aus der Sicht der Linksfraktion ist es durchaus sinn- voll, die Untersuchung von Eisenbahnunfällen zu ver- bessern. Zwar hat die bisherige Struktur prinzipiell funk- tioniert, allerdings extrem langsam. Die Berichte der EBA-Untersuchungsstelle waren meist erst Monate nach dem eigentlichen Unfall verfügbar; manchmal dauerte es sogar Jahre. In einigen Fällen sind die Unfallberichte auch sehr verklausuliert und – möglicherweise aus politischen Gründen – unzureichend auf die eigentlichen Ursachen eingegangen. Ein Beispiel dafür waren die Untersuchun- gen der mehrfachen Entgleisungsvorgänge im umgebau- ten Stuttgarter Hauptbahnhof. Dort wurde letztlich auf angeblich defekte Puffer verwiesen, während der um- fangreiche Umbau des Bahnhofs als Vorbereitung von Stuttgart 21 außer Acht blieb. Unsere Fraktion stimmt der geplanten Einrichtung einer selbstständigen Behörde zu, weil zumindest eine größere Unabhängigkeit vom Ministerium zu erwarten ist. Damit besteht die Chance, dass die Untersuchungs- berichte weniger auf „Diplomatie“ und mehr auf Trans- parenz ausgerichtet sind. Ob sich diese Hoffnung erfüllt, wird allerdings erst die zukünftige Praxis zeigen. Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Am Abend werden die Faulen munter. Auch hier legt die schwarz-rote Koalition kurz vor Ende der Legislatur einen Gesetzentwurf vor, der schon hätte viel eher kom- men können. Schon mehrfach habe ich in diesem Hohen Haus die Trägheit bei der Bearbeitung der Fälle in der Eisenbahnunfalluntersuchung angemahnt. Viel zu oft ist nichts passiert. Nehmen wir den Fall eines ICE-Achsbruchs in Köln aus dem Juli 2008. Dieser Fall sorgte in der ganzen Repu- blik über Wochen für Schlagzeilen. Ein ICE springt nach einem Achsbruch auf der Hohenzollernbrücke direkt vor dem Kölner Hauptbahnhof aus dem Gleis. Ein Glück für die Fahrgäste dieses Zuges, dass der Hauptbahnhof in Köln so überlastet ist, dass alle Züge auf der Brücke nur langsam fahren dürfen. So wurde niemand verletzt. Es wäre besser nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn der ICE bei voller Fahrt einen Achsbruch erlitten hätte; denn diese ICE-Züge fahren zwischen Köln und Frank- furt mit bis zu 300 Stundenkilometern. Die Deutsche Bahn hat danach zwar alle Züge des- selben Typs einer umfassenden Untersuchung unterzo- gen, mit erheblichen Folgen für Tausende Reisende in Deutschland, die dann von Zugausfällen betroffen wa- ren. Es geht aber um eine unabhängige Unfallaufklärung, wie sie schon damals die EU eingefordert hat. Es ist gut, wenn das Bahnunternehmen eigene Untersuchungen an- stellt; aber als Unfallbeteiligte ist sie gleichzeitig auch befangen. Daher soll eine Behörde derartige Unfälle un- tersuchen: die Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes. Erst auf Drängen der EU wurde sie eingerichtet und ans Bundesverkehrsministerium angegliedert. Und doch wartet trotz allem der Achsbruch auf der Kölner Hohenzollernbrücke auf einen ordentlichen Abschluss- bericht von der Eisenbahnunfalluntersuchung, seit in- zwischen fast neun Jahren! Neun Jahre Untersuchungen ohne Ergebnis, das sieht sehr danach aus, als ob hier jemand etwas zu verschleiern oder zu verstecken hätte. Neun Jahre sind aber vor allem viel zu viel Zeit für eine Unfalluntersuchung. Die Fahrgäste haben ein Anrecht darauf, zu erfahren, was die damaligen Unfallursachen in Köln waren und welche Schlussfolgerungen die Bahnin- dustrie ziehen muss. Stattdessen bis heute keine Spur von klaren Erkenntnissen! Das darf nicht sein. Meine deutliche Kritik zur Trägheit bei der Unfall- untersuchung vor etwa einem Jahr hier im Hohen Haus hat dann wohl auch einige zum Umdenken gebracht. An- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723070 (A) (C) (B) (D) fang letzten Jahres habe ich mir einmal die Arbeit der Eisenbahnunfalluntersuchung hieb- und stichfest vom Verkehrsministerium zusammenstellen lassen. Ernüch- terndes Ergebnis: Eine schnelle Unfallaufklärung ist nur graue Theorie. Zwischen April 2008 und Novem- ber 2015 wurden 69 zu untersuchende Unfälle mit einem Abschlussbericht versehen, aber 76 Unfälle aus diesen sieben Jahren sind 2016 immer noch in Bearbeitung ge- wesen. Also mehr als die Hälfte aller Fälle sind nicht ab- gearbeitet gewesen. Mehr als die Hälfte! Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Meine Feststellung von damals bleibt dieselbe: Die aktuelle Arbeit in der Eisenbahnunfalluntersuchung ist hochgradig ineffizient. Die Abschlussberichte lassen zu lange auf sich warten, und die Ergebnisse sind häufig nicht so, dass man wirklich Konsequenzen daraus zie- hen kann, weil die wirklichen Unfallursachen viel zu spät aufgeklärt werden. Wir wollten schon damals die Eisenbahnunfallun- tersuchung vom Verkehrsministerium lösen, damit die Stelle wirklich unabhängig arbeiten kann. Wir wollen auch, dass das Personal deutlich aufgestockt wird. Bei der Ausgliederung der Eisenbahnunfalluntersuchung im Jahr 2008 hatte die Behörde noch 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, jetzt nur noch 21 Personen. Wenn wir hier nicht deutlich nachsteuern, schleppen wir das Perso- nalproblem in die neue Struktur mit hinein und dann wird das nichts mehr mit einer schnellen Unfallaufklärung bei den Bahnen. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf hat sich nun ei- nigen unserer Kritikpunkte tatsächlich angenommen und damit im Kern unsere grüne Kritik an der bisherigen Form der Eisenbahnunfalluntersuchung bestätigt. Eine Organi- sationsuntersuchung zur Eisenbahnunfalluntersuchung hat nun schwarz auf weiß benannt, was wir schon lange sagen: Die bisherige Zuordnung der Eisenbahn-Unfall- untersuchungsstelle beim Bundesverkehrsministerium hat Effizienzverluste zur Folge, fördert im Zweifel sogar Mauscheleien und damit unnötig Misstrauen bei den an- sonsten guten Abschlussberichten, wenn sie denn auch tatsächlich vorliegen. Wir Grüne wollen uns daher nicht dem Anliegen des Gesetzentwurfes verweigern, die Ei- senbahnunfalluntersuchung tatsächlich unabhängig zu organisieren und so einer selbstständigen Behörde zu übertragen. Wir stimmen daher dem Anliegen zu. Mit dem Gesetzentwurf kommen wir zwar einen Schritt weiter; aber unsere Grundkritik bleibt. Die Eisen- bahnunfalluntersuchung braucht mehr Personal, sodass wieder ein schlagkräftiges Team zu schnelleren Ergeb- nissen und Abschlussberichten kommen kann. Nur so kann die Bahnindustrie schnell Fehlentwicklungen auf- nehmen, schnell Schlussfolgerungen bei der Fahrzeug- herstellung ziehen, und nur so ist die Sicherheit der Fahr- gäste im Bahnverkehr bestmöglich gewährleistet. Das wird eine Aufgabe für die Zukunft bleiben, die die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD wohl nicht mehr in dieser Legislaturperiode erledigen wird. Wir Grüne ha- ben weiter ein Auge darauf; spätestens in der nächsten Legislaturperiode wollen wir auch das Personalproblem endlich beheben. Enak Ferlemann, Parl . Staatssekretär beim Bundes- minister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Die Ei- senbahn ist – bezogen auf die Transportleistung – eines der sichersten Verkehrsmittel. Absolute Sicherheit gibt es auch dort nicht, sodass seit jeher Unfälle und Ereig- nisse, die zu einem Unfall hätten führen können, unter- sucht und ausgewertet wurden, um die Betriebsprozesse einschließlich des Baus und der Instandhaltung von An- lagen und Fahrzeugen sowie die Betriebsvorschriften zu verbessern. Dies ist zunächst Aufgabe der Eisenbahnunternehmen im Rahmen ihrer Betreiberverantwortung und ihres Si- cherheitsmanagementsystems gemäß § 4 Allgemeines Eisenbahngesetz. Seit 1994 wurde die Eisenbahnun- falluntersuchung von den Eisenbahnaufsichtsbehörden vorgenommen. Mit der Richtlinie 2004/49/EG des Euro- päischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft und zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen und der Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahr- wegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Si- cherheitsbescheinigung – Richtlinie über die Eisenbahn- sicherheit – wurde erstmals die Forderung gestellt, be- stimmte Unfälle unabhängig von der Eisenbahnaufsicht durch eine funktional unabhängige Stelle zu untersuchen. Diese Vorgabe wurde mit dem Fünften Gesetz zur Än- derung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 16. April 2007 im Allgemeinen Eisenbahngesetz umgesetzt. Da- bei wurde in einem Organisationserlass die Leitung der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes, EUB, im seinerzeitigen BMVBS verankert und als operative Stelle die funktional unabhängige Untersuchungszentra- le beim Eisenbahn-Bundesamt, EBA, geschaffen. Außer- dem wurden vier Untersuchungsbezirke in Berlin, Essen, Karlsruhe und München eingerichtet, um eventuelle Un- fallstellen schneller als von einem Standort aus erreichen zu können. Eine Organisationsuntersuchung im Jahr 2015 hat erwiesen, dass es sinnvoller ist, die Eisenbahnunfallun- tersuchung des Bundes einer selbstständigen Behörde zu übertragen. In diesem Zusammenhang wurde auch die Zusammenfassung der Unfalluntersuchung für Ei- senbahn, Luftfahrt und Schifffahrt in einer gemeinsamen Bundesstelle geprüft. Es hat sich jedoch gezeigt, dass hierdurch keine Synergieeffekte erzielt werden, sodass diese Alternative nicht weiter verfolgt wurde. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden durch Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes und des Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetzes die Bun- desstelle für Eisenbahn-Unfalluntersuchung als selbst- ständige Bundesoberbehörde eingerichtet, ihre Aufgaben und Befugnisse beschrieben sowie Mitwirkungspflichten der Eisenbahnen bei der Eisenbahnunfalluntersuchung und Datenschutzregelungen festgelegt. Die Aufgaben und Befugnisse der für die Strafverfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten zuständigen Behörden sowie der für Gefahrenabwehr zuständigen Eisenbahnaufsichts- behörden bleiben unberührt. Im Rahmen des Gesetzent- wurfs werden Vorschriften des Kapitels V der Richtlinie Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23071 (A) (C) (B) (D) (EU) 2016/798 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2016 über Eisenbahnsicherheit um- gesetzt, die die bereits genannte Richtlinie 2004/49/EG ablöst. Diese Richtlinie lässt wie auch ihre Vorgängerin für bestimmte Infrastrukturen Ausnahmen von den Bestim- mungen der Richtlinie zu. Dies betrifft zum Beispiel vom übrigen Eisenbahnsystem der Union funktional getrennte Netze, Gleisanschlüsse, Infrastrukturen und Fahrzeuge für den lokal begrenzten Einsatz oder historische oder touristische Zwecke. Diese Möglichkeit wurde genutzt, soweit die gefährlichen Ereignisse sich nicht auf Eisen- bahninfrastrukturen des Bundes ereignen. Damit wird die Bundesstelle für Eisenbahn-Unfalluntersuchung für gefährliche Ereignisse zuständig, die sich auf Infrastruk- turen der Eisenbahnen des Bundes ereignen. Für die Nichtbundeseigenen Eisenbahnen bleibt es bei der Zu- ständigkeit der von den Ländern bestimmten Behörden für Eisenbahnaufsicht. Mit der Annahme des Gesetzentwurfs werden die Unabhängigkeit der Eisenbahnunfalluntersuchung des Bundes gestärkt und Möglichkeiten zur Steigerung der Effizienz eröffnet. Auch wird der Kritik der EU an der Umsetzung der Richtlinie 2004/49/EU entgegengewirkt. Gleichwohl möchte ich die Hoffnung äußern, dass sich nicht viele Anlässe ergeben, bei denen die Behörde tätig werden muss. Anlage 15 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 19. Mai 2016 zwi- schen der Bundesrepublik Deutschland und dem Obersten Hauptquartier der Alliierten Mächte Eu- ropa zur Änderung des Abkommens vom 13. März 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Obersten Hauptquartier der Alliierten Mächte Europa über die besonderen Bedingungen für die Einrichtung und den Betrieb internationa- ler militärischer Hauptquartiere in der Bundesre- publik Deutschland (Tagesordnungspunkt 32) Dr. Mathias Edwin Höschel (CDU/CSU): Die Grundziele der NATO, die Verteidigung der eigenen Si- cherheit und die der Partnerstaaten sowie die Gewähr- leistung globaler Stabilität, sind im Laufe des 68-jäh- rigen Bestehens im Prinzip gleich geblieben. Doch die Organisation musste im Laufe dieser Jahrzehnte immer wieder ihre Struktur anpassen. Die Gründe hierfür lie- gen in den großen sicherheitspolitischen Umbrüchen wie der Weiterentwicklung der Waffensysteme, dem Ende des Kalten Krieges, dem Aufkommen neuer Akteure, der asymmetrischen Kriegsführung und zuletzt der Möglich- keiten und Etablierung des Cyberwars. Zuletzt wurde im Jahr 2011 eine solche Reform der Kommandostrukturen der NATO beschlossen. Im Zuge dessen wurden auch haushalterische Änderungen vorge- nommen. Die Änderung betrifft die Kostenverteilung für Betrieb und Einrichtung von NATO-Hauptquartieren in Deutschland bzw. in anderen Gastgeberländern. Um die- se Reformen umzusetzen, beschloss die Bundesrepublik zusammen mit dem Hauptquartier der Alliierten Mächte in Europa, die Änderung eines Abkommens aus dem Jah- re 1967. Diese Änderung bedarf eines Gesetzes, welches wir nun heute beschließen wollen. Grundsätzlich ist erst einmal zu erwähnen, dass wir mit dieser Regelung nun eine sehr faire Kostenvertei- lung vorliegen haben. Gastgeberland und NATO teilen sich hälftig die anfallenden Kosten für die militärischen Einrichtungen. Die finanziellen Aufwendungen, die der Bundesrepublik durch diese Regelung anfallen, werden in der Gesetzesbegründung mit 200 000 Euro angege- ben. Vonseiten des Ministeriums heißt es, dass weitere 600 000 Euro pro Jahr für personalbezogene liegen- schaftsbezogene Leistungen eingeplant seien. Interes- santerweise stehen diesen neuen Ausgaben jedoch Ent- lastungen in Höhe von 1,72 Millionen Euro entgegen, die sich aus dieser Kostenteilung zwischen NATO und Bundesrepublik ergeben; denn da sich die Gesamtauf- wendungen für den Betrieb von NATO-Hauptquartieren durch die Kostenverteilung von 23,6 Millionen Euro auf 11,8 Millionen Euro verringern, senkt sich auch der Be- trag, mit dem sich Deutschland an diesen Kosten betei- ligt. Somit spart die Bundesrepublik durch die Änderung des Abkommens Kosten ein. Dass wir überhaupt von dieser Regelung betroffen sind, verdanken wir dem Umstand, dass SHAPE, wie die englische Abkürzung des europäischen NATO-Kom- mandos lautet, in der Bundesrepublik drei Kommando- behördeneinrichtungen betreibt: das Fernmeldebataillon der NATO CIS Group in Wesel, das Combined Air Ope- rations Centre in Uedem und natürlich das Hauptquartier des Allied Air Command in Ramstein. Darauf können wir stolz sein; denn als Gastgebernation für unser Ver- teidigungsbündnis zu dienen, hat wichtige politische und militärische Synergieeffekte. Es liegen daher gute Gründe für die Beschließung dieses Gesetzes vor: die Beteiligung an der finanziel- len Verantwortlichkeit der NATO Einrichtungen als Gastgebernation, die Würdigung der Standortwahl der Einrichtungen in Deutschland und natürlich die daraus resultierende faktische finanzielle Entlastung der Bun- desrepublik. Karin Strenz (CDU/CSU): Stettin in Polen, Lille in Frankreich, Neapel in Italien und auch Wesel am Rhein – was haben diese Städte gemeinsam? An jedem dieser Orte befinden sich internationale Liegenschaften der NATO. Die NATO hat, wie wir wissen, derzeit 28 Mit- gliedsländer auf drei verschiedenen Kontinenten. Dem- entsprechend viele Hauptquartiere und Liegenschaften müssen jedes Jahr umgebaut bzw. renoviert werden; dementsprechend viele neue Gebäude müssen errichtet werden. Das Abkommen vom 13. März 1967 zwischen Deutschland und dem Obersten Hauptquartier der Alli- ierten Mächte in Europa hat bisher bestimmt: Die NATO trägt alleine die regelmäßig anfallenden Kosten für NA- TO-Hauptquartiere auf deutschem Gebiet. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723072 (A) (C) (B) (D) Im Jahr 2010 wurde auf dem Gipfel der NATO in Lissabon die Reform der Kommandostruktur der NATO beschlossen. Das bedeutete konkret: Die Zahl der mili- tärischen Hauptquartiere wurde reduziert. Für Deutsch- land bedeutete das konkret die Schließung des takti- schen Kommandos der Landstreitkräfte in Heidelberg im Jahr 2013. Durch diese Reform sind aber nicht nur die Kommandostrukturen effizienter gestaltet worden. Sinn der Sache war auch eine deutliche Entlastung des gemeinsamen NATO-Militärhaushaltes. In diesem Zusammenhang können Sie auch das Ab- kommen vom 19. Mai 2016 verstehen. Die Außenmi- nister der NATO-Mitgliedsländer trafen sich an diesem Tag im letzten Frühjahr in Brüssel. Grundlegendes in der Finanzierung der NATO-Liegenschaften weltweit hat sich an diesem Tag geändert. Der deutsche Botschafter bei der NATO, Hans-Dieter Lucas, und der NATO-Ober- befehlshaber für Europa, General Curtis Scaparrotti, haben in Brüssel gemeinsam ein Abkommen unterzeich- net. Zukünftig sollen die Kosten für die Instandsetzung und Instandhaltung der NATO-Liegenschaften aufgeteilt werden. Die eine Hälfte wird durch den NATO-Haushalt bestritten, die andere Hälfte wird durch den Aufnahme- staat, sozusagen den Gastgeber, getragen, in unserem Fall also die Bundesrepublik Deutschland. Damit diese sinn- volle Vereinbarung in Kraft treten kann, muss auch der Deutsche Bundestag zustimmen. Das ist gut und wichtig. Konkret geht es bei uns um drei Stützpunkte: das Hauptquartier mit dem Luftwaffenoberkommando der NATO in Ramstein, den Gefechtsstand der NATO zur Führung von Luftstreitkräften in Uedem/Kalkar nahe der holländischen Grenze und das 1. NATO-Fernmeldeba- taillon in Wesel. Zur Hälfte würden wir in Zukunft die Infrastrukturkosten dieser Standorte übernehmen. Lassen Sie mich Ihnen kurz darstellen, warum wir die- sem Gesetzentwurf zustimmen sollten. Mit diesem neuen Gesetz sind keine zukünftigen Aus- gabenexplosionen verbunden. Ganz im Gegenteil, wir erwarten dadurch sogar Einsparungen im siebenstelligen Bereich. Kurz ein paar Zahlen zur Veranschaulichung: Durch die Aufteilung dieser sogenannten Infrastruk- turkosten wird die NATO jährlich rund 11,8 Millionen Euro einsparen, und damit auch wir. Deutschland trägt einen Anteil von fast 15 Prozent am gemeinsamen NA- TO-Haushalt. Mit dem neuen Gesetz würden wir deshalb rund 1,72 Millionen Euro an NATO-Ausgaben pro Jahr einsparen. Demgegenüber stehen nur geringe Mehraus- gaben für die NATO-Liegenschaften in unserem Land. Das sind jährlich rund 200 000 Euro. Sie können nun selbst die Rechnung aufstellen. Wir würden deutlich mehr als 1 Million Euro pro Jahr einsparen. Das macht für jeden Sinn. Wir stehen als Union für solide und ver- antwortliche Haushaltspolitik. Auch deshalb unterstütze ich diesen Entwurf ohne Vorbehalt. Ich ermutige uns, die deutschen Militärausgaben als Ganzes zu betrachten. Diese Rechnung macht Sinn für unseren Bund – egal wie man es dreht und wendet. Sie könnten jetzt vielleicht sagen: Was haben wir da- von, wenn wir uns Mehrausgaben für Instandsetzung und Instandhaltung von NATO-Gebäuden in Deutschland aufhalsen? Ich sage Ihnen, das wäre zu kurz gedacht. Wir sind eben nicht nur Gastgeber der NATO in unse- rem Land, sondern tragen auch nicht unerhebliche Betei- ligung an NATO-Einrichtungen in 27 anderen Ländern, zum Beispiel beim Multinationalen Korps Nordost in Stettin in Polen. Die Einsparungen, verbunden mit unse- rer starken Beteiligung am NATO-Haushalt, übersteigen die Ausgaben bei weitem. Ich bitte Sie deshalb, diesem Gesetz ihre Zustim- mung zu geben. Es macht Sinn für die Bundesrepublik Deutschland, sowohl wirtschaftlich als auch finanziell. Die Einsparungen, die wir hier erzielen, können in an- deren Bereichen des Verteidigungshaushalts sehr gut genutzt werden. In einer Zeit von steigenden Verteidi- gungsausgaben für unser Land, auch weil wir uns stärker in der NATO engagieren und das wahrscheinlich noch zunehmen wird, müssen wir einem Gesetz zustimmen, das an den richtigen Stellen Kosten einspart. Unsere Kol- legen aus dem Bundesrat haben diesem Entwurf bereits am 10. Februar ohne Einwende zugestimmt. Das ist ein sehr gutes Zeichen. Matthias Ilgen (SPD): Wie ich bereits anlässlich der ersten Lesung des vorliegenden Gesetzentwurfes sagte, spiegelt dieser die Umsetzung von Teilen einer bereits im Jahre 2010 beschlossenen NATO-Reform wider. Diese Reform wiederum mündete im letzten Jahr in ei- nem Änderungsabkommen zwischen der Bundesrepu- blik Deutschland und dem Obersten Hauptquartier der Alliierten Mächte in Europa. Der daraus resultierende Gesetzentwurf sieht, kurz gesprochen, eine Umschich- tung der durch NATO-Hauptquartiere in Deutschland bzw. in allen NATO-Staaten entstehenden Kosten vor. Dies betrifft hierzulande beispielsweise das sogenannte Headquarters Allied Air Command oder kurz: HQ AIR- COM in Ramstein und auch das Headquarters Rapid Deployable German-Netherlands Corps in Münster. Ziel des Gesetzentwurfs respektive der NATO-Reform, die wir hier auf nationalstaatlicher Ebene umsetzen, ist eine gerechtere Verteilung der Kosten innerhalb des Nordat- lantischen Bündnisses. Die bisherige Regelung, was die Unterhaltung der NA- TO-Hauptquartiere betrifft, entstammt dem Abkommen von 1967 und sieht dabei eine Übernahme der Kosten seitens der NATO zu 100 Prozent vor. Im Zuge der Re- form der NATO-Kommandostruktur aus dem Jahre 2010 wurde beschlossen, diesen Schlüssel dahin gehend anzu- passen, dass sich künftig NATO und Gastgeberland diese Kosten hälftig teilen, also im Verhältnis 50 : 50, statt wie bisher 100 : 0. Um es noch einmal kurz zu erklären: Durch die hälf- tige Übernahme der Kosten für Liegenschaftsinstand- setzung und Liegenschaftsinstandhaltung entstehen im Kapitel 1408 des Bundeshaushaltes – das Kapitel im Haushalt des Bundesministeriums der Verteidigung, wel- ches sich unter dem Schlagwort „Unterbringung“ auch mit den Liegenschaften beschäftigt – Mehrausgaben in Höhe von 200 000 Euro. Auf der anderen Seite reduzie- ren sich die Ausgaben in Kapitel 1401 – dieses Kapitel beinhaltet unter anderem die sogenannten „Verpflichtun- http://www.1gnc.org/ http://www.1gnc.org/ Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23073 (A) (C) (B) (D) gen im Rahmen der Mitgliedschaft zur NATO“ – um gut 1,7 Millionen Euro. Derzeit gibt die NATO 23,6 Millionen Euro für die Unterhaltung der Hauptquartiere aus. An der in Zukunft eingesparten Hälfte dieser Summe, nämlich 11,8 Mil- lionen Euro, ist Deutschland, durch seinen Anteil am NATO-Haushalt von 14,65 Prozent mit eben diesen be- sagten 1,7 Millionen Euro beteiligt. Der hier vorliegende Gesetzentwurf führt in seiner Konsequenz also zu Min- derausgaben von 1,5 Millionen Euro. Anderen NATO-Mitgliedstaaten, deren Anteil am NATO-Budget prozentual kleiner ist, die aber über ent- sprechende NATO-Hauptquartiere innerhalb ihrer Lan- desgrenzen verfügen, entstehen dadurch entsprechend Mehrkosten. Der Punkt dabei ist, dass die Verteilung der Gesamtkosten auf die Mitgliedsländer der NATO sich in Zukunft etwas gerechter darstellt. Der US-amerikanische Präsident, der dahin gehend ja offenbar gerne die eine oder andere Rechnung ausstellen würde, geriete ob die- ser Tatsache sicherlich in leichte Verzückung. Ich möchte es hier an dieser Stelle noch einmal in al- ler Deutlichkeit sagen: Die Tatsache, dass die NATO im Zuge des Machtwechsels in den USA Objekt einer De- batte geworden ist, ist per se gar nicht verkehrt meiner Ansicht nach. Es ist sogar begrüßenswert, wenn Europa und die USA sich wieder mehr Gedanken machen über die Zukunft unserer gemeinsamen Sicherheitsarchitek- tur. Daraus aber die Ableitung zu machen, die gesamte Zukunft des transatlantischen Bündnisses sei infrage gestellt, halte ich für eine unsägliche Debatte und einen vollkommen unzulässigen Schritt. Fest steht vielmehr: Die NATO ist für Deutschland seit über 60 Jahren ein Garant für unsere Sicherheit und für die westliche Sicherheitsarchitektur als Ganzes. Auch wenn das manche Kolleginnen und Kollegen in der Op- position nicht gerne hören: Daran wird sich zukünftig auch nichts ändern. Gerade die veränderte sicherheitspolitische Lage in- nerhalb Europas und an den südlichen und südöstlichen Grenzen des Bündnisses macht die NATO auf absehba- re Zeit unersetzlich. Umso wichtiger ist es dabei, diese Institution auch weiterhin modern, dynamisch und fit zu halten, um auch in Zukunft ein Instrument an der Hand zu haben, mithilfe dessen Deutschland auf sicherheitspo- litische Herausforderungen angemessen reagieren kann. Deshalb ist es wichtig, die auf NATO-Ebene angescho- benen Reformen auch hierzulande umzusetzen. Wir als SPD-Bundestagsfraktion stimmen diesem Ge- setz abschließend zu. Dr. Alexander S. Neu (DIE LINKE): Die Sunday Times berichtete vergangenes Wochenende, US-Präsi- dent Trump habe im Kontext des Besuchs von Bundes- kanzlerin Merkel in Washington in der vorvergangenen Woche nicht nur per Twitter behauptet, Deutschland schulde der Nato und den USA „riesige“ Summen für die Verteidigung des Landes. Er habe ihr auch gleich eine Rechnung über umgerechnet rund 350 Milliarden Euro übergeben. Beginnend im Jahr 2002 seien darin – ein- schließlich Zinsen – die Beträge aufaddiert worden, die Deutschland zurückgeblieben sei hinter dem NATO-Ziel, 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Militärausga- ben aufzubringen. Die Bundesregierung dementiert, dass eine Rechnung übergeben wurde. Ein deutscher Militär- blogger las in dieser Meldung: Die Milliardenrechnung sei Deutschland für die Stationierung von US-Truppen in Deutschland präsentiert worden. Im hier debattierten Gesetzentwurf der Bundesregie- rung geht es um die Kosten der NATO-Hauptquartiere in Deutschland. Im Vergleich zu der bei der Sunday Times thematisierten 350-Milliarden-Euro-Rechnung – und auch mit Blick auf den deutschen Militäretat von in die- sem Jahr fast 40 Milliarden Euro – geht es in dem Ge- setzentwurf um geringere Beträge. Er soll eine veränder- te Kostenteilung zwischen der NATO und Deutschland als Stationierungsstaat möglich machen. Die anderen Fraktionen weisen darauf hin, dass die auf Grundlage des Gesetzentwurfs zu erwartenden Mehrkosten für Instandsetzung und Instandhaltung der NATO-Liegenschaften in Deutschland sich auf „nur“ 0,2 Millionen Euro beliefen, während Einsparungen in Höhe von 1,5 Millionen Euro zu erwarten seien, weil der deutsche Anteil am gemeinsamen NATO-Haushalt sich auf Basis des zugrunde liegenden Abkommens von 2016 reduziere. Was alle anderen Fraktionen zu erwähnen ver- gessen, sind die Kosten, die damit verbunden sind, dass die Nutzung der Hauptquartiere durch die NATO-Trup- pen für diese unentgeltlich ist, was bedeutet: Diese Kos- ten, die die ersparten Kostenansätze natürlich deutlich übersteigen, tragen weiterhin die deutschen Steuerzahle- rinnen und Steuerzahler. Worüber die anderen Fraktionen außerdem beiläufig hinweggehen, sind die Einrichtungen, um die es hier konkret geht, zum Beispiel das Hauptquartier Uedem, zum Beispiel das Hauptquartier Ramstein – das Ram- stein, das schon seit langem als militärisches Luft- und Drehkreuz der konventionellen Kriegführung von USA und NATO dient und sowohl die Einsatzzentrale der in Deutschland stationierten Atomwaffen ist als auch Füh- rungs-, Kommando- und Kontrollstützpunkt für das NA- TO-Raketenabwehrsystem, und das Ramstein, auf dem die US-Armee eine Satelliten-Relaisstation errichtet hat, über die die für den völkerrechtswidrigen Drohnenkrieg der USA notwendigen Signale übermittelt werden – mit- hilfe dieser Station werden die Kampfdrohnen in den Einsatzregionen gesteuert; sie ist erforderlich, um An- griffsbefehle an diese Killerdrohnen weiterzuleiten –, die Airbase Ramstein also, die die Bundesregierung schon längst hätte schließen sollen, weil die Völkerrechts- widrigkeit von sogenannten „gezielten Tötungen“, also Hinrichtungen mutmaßlicher Terroristen mit Drohnen im US-Antiterrorkrieg, zugleich eine rechtswidrige Nut- zung des Hauptquartiers in Ramstein bedeutet. Die Bun- desregierung muss verhindern, dass vom Territorium der Bundesrepublik Deutschland aus rechtswidrige Militär- einsätze unterstützt werden. Da sie das ganz offenbar von selbst nicht tut, werden wir jede Gelegenheit nutzen, sie daran zu erinnern. Verteidigungsministerin von der Leyen fühlt sich dem 2-Prozent-Ziel der NATO verpflichtet. Auf dem Stand des Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723074 (A) (C) (B) (D) heutigen Bruttoinlandsprodukts wären das rund 76 Mil- liarden Euro, die sie ausgeben will – fast eine Verdopp- lung des derzeitigen ohnehin viel zu hohen Militäretats. Deutschland hätte damit einen der höchsten Militäretats der Welt, höher als die russischen Militärausgaben. Das wäre außerdem eine Summe, mit der die Kapazitäten der NATO erhöht werden könnten. Eine Stärkung der kriegerischen Struktur der NATO lehnen wir ab. Wir fordern die Auflösung der NATO und einen sofortigen Ausstieg aus den militärischen Struk- turen der NATO. Stattdessen setzen wir uns ein für ein System kollektiver Sicherheit unter Einschluss aller eu- ropäischer Staaten, also beispielsweise auch Russlands, Weißrusslands und der Ukraine; denn die NATO, über die wir hier reden, ist gerade kein Garant für Sicherheit irgendwo auf der Welt, wie es die anderen Fraktionen darstellen wollen, sondern Akteurin der globalen Desta- bilisierung. Wir Linke lehnen den Gesetzentwurf der Bundesre- gierung daher ab und bleiben bei unseren Forderungen: Auflösung und sofortiger Ausstieg aus den militärischen Strukturen der NATO, keine Übernahme des 2-Pro- zent-Ziels der NATO, Ramstein schließen, und den völ- kerrechtswidrigen Drohnenkrieg beenden! Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir sprechen heute über die 0,2 Millionen Euro, die Deutsch- land zur Finanzierung der NATO-Hauptquartiere aus- geben soll. Diese Hauptquartiere dienen der besseren Vernetzung der Strukturen innerhalb der NATO. Diese relativ geringe Summe ist daher gut eingesetztes Geld – auch wenn ich es als Grüner als vertane Chance anse- he, dass wir die kühne Dachkonstruktion im neuen NA- TO-Hauptquartier in Brüssel nicht für mehr Solarpanels nutzen. Heute geht es auch nicht um die Frage, ob die Kantine in Brüssel hinreichend Diversity berücksichtigt und sowohl Halal wie Vegan anbietet. Und selbst die ka- tastrophal niedrige Quote an Frauen in Führungsfunkti- onen im Brüsseler Hauptquartier soll nicht unser Thema sein. Mir machen nicht die 0,2 Millionen für die NA- TO-Hauptquartiere Sorgen, sondern die 2 Prozent des BIP, die Angela Merkel und Ursula von der Leyen dem Donald Trump in vorauseilenden Gehorsam versprochen haben. Dabei wäre es ein angemessener Beitrag, wenn Europas NATO-Staaten allein doppelt so viel für Rüs- tung ausgeben wie Russland. Das hieße, die Europäer könnten ihre Rüstungsausgaben um ein Drittel senken; denn die europäischen NATO-Staaten geben heute schon dreimal mehr für Rüstung aus als Russland. Und den- noch möchte Frau Merkel jedes Jahr 24 Milliarden mehr für Panzer und Fregatten ausgeben, fast die Hälfte von dem, was Donald Trump in seinem neuen Haushalt für die US-Army verlangt. Dann würde Deutschland allein fast so viel ins eigene Militär stecken wie die Atommacht Russland. Das ist sicherheits- und finanzpolitischer Irr- sinn. Und wofür soll dieses Geld ausgegeben werden? Von einer Nachrüstungslücke kann man bei der Bundeswehr nicht sprechen, vielmehr von einer Beschaffungspolitik, die aus Unfähigkeit unter Lobbyeinfluss Milliarden für unnötige Rüstungsprojekte aus dem Fenster schmeißt. Da gibt es Fregatten, die vor allem auf Druck der Ko- alitionsfraktionen angeschafft wurden, und die Panzer für den Wahlkreis des Kollegen Otte. Diese milliarden- schweren Anschaffungen gehen vollkommen an den si- cherheitspolitischen Realitäten vorbei. Die größten Gefahren für Frieden und Sicherheit sind zerfallende Staaten und Terrornetzwerke, wachsen- de Ungleichheit und die immer weiter fortschreitende Klima krise. Es sind asymmetrische Konflikte, die nicht dadurch symmetrischer werden, dass wir ein paar Hun- dert Panzer mehr anschaffen. Wir brauchen keine milli- ardenschwere Aufrüstung, sondern gezielte Investitionen in Fähigkeiten, mit denen wir einen substanziellen Bei- trag zu Friedensmissionen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union leisten können. Und wir müssen endlich die Zusage einhalten, 0,7 Prozent des Bruttona- tionaleinkommens für Entwicklung auszugeben, und die zivile Krisenprävention stärken. 0,2 Millionen für die NATO-Hauptquartiere – damit habe ich kein Problem. 2 Prozent für milliardenschwere Aufrüstung – das wird es mit uns Grünen nicht geben! Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Par- laments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb und zur Änderung des Au- ßenwirtschaftsgesetzes (Tagesordnungspunkt 33) Astrid Grotelüschen (CDU/CSU): Wir beraten in erster Lesung die Umsetzung der europäischen Versiche- rungsvertriebsrichtlinie, IDD genannt, welche die Anfor- derungen an Versicherungsvermittler, wie zum Beispiel die Erlaubnispflicht und Registrierung sowie erweiterte Informations- und Dokumentationspflichten gegenüber dem Verbraucher, regeln soll. Vor dem Hintergrund des Koalitionsvertrags besteht das Ziel, zusätzlich ein Provisionsgebot für Versiche- rungsvertreter bzw. Versicherungsmakler sowie ein Pro- visionsverbot für Versicherungsberater einzuführen. Nachdem das Kabinett am 18. Januar 2017 den Ge- setzentwurf beschlossen hat, ist die IDD, die übrigens recht bald – bis zum 23. Februar 2018 – in nationales Recht umzusetzen ist, auch intensiv in den beteiligten Ressorts diskutiert worden. Zur Umsetzung sind vor al- lem die Gewerbeordnung – BMWi –, das Versicherungs- aufsichtsgesetz – BMF –, aber auch das Versicherungs- vertragsgesetz – BMJV – zu ändern. Ebenso wie ihre Vorgängerrichtlinie aus dem Jahr 2002 regelt die IDD die erwähnten Anforderungen an Versicherungsvermittler, enthält allerdings einige zu diskutierende zusätzliche Regelungen: die Einbeziehung des Direktvertriebs, erweiterte Informations- und Doku- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23075 (A) (C) (B) (D) mentationspflichten und Vorgaben für die Vermittlung von Versicherungsanlageprodukten. Zusätzlich zu einer Eins-zu-eins-Umsetzung, die für mich ein Muss ist und über die es nicht hinausgehen sollte, enthält der vorliegende Entwurf Regelungen, die die Honorarberatung im Versicherungsbereich stärken sollen – ein besonderes Anliegen des BMJV. Außerdem soll das Provisionsabgabeverbot, also konkret das Verbot der Weiterleitung von Provisionen durch den Vermittler an den Verbraucher, ebenfalls gesetzlich festgeschrieben werden. Aktuell sind 228 289 Versicherungsvermittler und -berater registriert – Tendenz fallend. Etwa 65 Prozent sind sogenannte gebundene Versicherungsvermittler, und 21 Prozent zählen zu den Versicherungsmaklern. Abge- sehen von fast 30 000 Versicherungsvertretern mit Er- laubnis, haben wir noch 2 Prozent sogenannte produktak- zessorische Vermittler und 311 Versicherungsberater auf dem Markt. Anhand dieser Zahlen erkennen Sie, dass wir in Deutschland ein sehr unterschiedliches „Berufsbild“ haben. Für den Verbraucher oder Käufer einer Versiche- rung stellt dies eine große Herausforderung dar. Im Zuge der Diskussion um mehr Transparenz sollte unser Augen- merk auf eine möglicherweise vereinfachte Struktur der Vertriebswege und zusätzliche Informationsgewinnung gerichtet sein. Eine zentrale Frage ist außerdem: Wie erreichen wir eine gute Abwägung einerseits zwischen Verbraucher- schutzinteressen und andererseits der Möglichkeit für unsere mittelständischen sich am Markt zu behauptenden Unternehmen, sich gleichzeitig zukunftsfest aufzustel- len? Denn ich möchte nicht, dass die familiengeführten Unternehmen, die regional langjährig erstklassige Bera- tung leisten, oder auch jene, die sich in unterschiedlichen Branchen erfolgreich spezialisiert haben, ihre Perspek- tiven verlieren und mit noch mehr Bürokratie durch ein unnötig kompliziertes Gesetzesvorhaben belastet wer- den. Unsere mittelständischen Anbieter sollen schließ- lich ihre wesentlichen Strukturen erhalten können; und daher ist zunächst ganz grundsätzlich zu prüfen, was wir unbedingt als EU-Recht umsetzen müssen. Abschließend möchte ich aber auch für einen Bereich der IDD sensibilisieren, der manchmal in Vergessenheit gerät, jedoch besonders die kleinen Unternehmen und Unternehmer treffen kann: den Vertrieb ohne persönliche Beratung oder neudeutsch auch „Robo-Advice“ genannt. Die Richtlinie erlaubt grundsätzlich auch den beratungs- freien Vertrieb, anders als bisher in Deutschland, wo der- zeit eine Beratungspflicht besteht. Wir sollten besonders genau hinschauen, was hier aus Verbraucherschutzgrün- den verbessert werden muss, damit ein internetbasierter Vertrieb nach möglichst einheitlichen Strukturen einen praktikablen Weg darstellt. Generell wird nämlich unter- schieden zwischen der Beratung mit einer persönlichen Empfehlung an den Kunden, also warum ein bestimm- tes Produkt den Bedürfnissen optimal entspricht, und dem Abschluss eines rechtsverbindlichen Vertrages, der die Wünsche des Verbrauchers widerspiegelt aufgrund seiner Angaben, die online ermittelt werden. Jetzt stellt sich für mich die Frage, wie bei entsprechenden Inter- net-Suchmasken und Vergleichsportalen optimal ermit- telt werden kann, was der Kunde wünscht. Wie objektiv sind die Informationen, die der Verbraucher erhält, um seine Entscheidung – wohlgemerkt: ohne Beratung – zu treffen? Am 17. Mai 2017 planen wir eine öffentliche Ex- pertenanhörung im federführenden Ausschuss Wirtschaft und Energie durchzuführen. Dann werden wir auch auf diesen Punkt ein besonderes Augenmerk richten. Mir ist wichtig, dass wir am Ende ein ausgewogenes Regelwerk für den Versicherungsvertrieb entwickeln, damit der Mittelstand sich in einem derzeit herausfor- dernden Umfeld auch gut bewähren kann. Der hierzu nö- tige Gesetzentwurf muss ein tragfähiges Fundament für einen Versicherungsmarkt mit transparenten und für alle Marktteilnehmer fairen Regeln bieten. Barbara Lanzinger (CDU/CSU): Heute beraten wir im Bundestag in erster Lesung den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur nationalen Umsetzung der Versi- cherungsvertriebsrichtlinie. Damit beginnen wir das par- lamentarische Verfahren. Der Gesetzentwurf ist gründ- lich zu diskutieren. Uns liegt ein Entwurf vor, der die EU-Richtlinie – kurz IDD genannt – in deutsches Recht umsetzen soll. Da die bisherige Richtlinie aus dem Jahr 2002 stammt, wurde sie überarbeitet und an neue Gegebenheiten angepasst, beispielsweise an neue Vertriebswege und technische Möglichkeiten. Das Ziel ist eine Mindestharmonisierung nationaler Vorschriften für den Versicherungs- und Rück- versicherungsvertrieb zur Stärkung des Binnenmarktes in diesem Bereich. Weiterhin soll der Verbraucherschutz gestärkt werden. Meinen Dank möchte ich an dieser Stelle den Kolle- ginnen und Kollegen in Brüssel vor allem im Europä- ischen Parlament aussprechen, die eine gute rechtliche Grundlage ausgearbeitet haben. In dem darauf aufbau- enden Gesetzentwurf der Bundesregierung werden ins- besondere die Gewerbeordnung, das Versicherungs- aufsichtsgesetz sowie das Versicherungsvertragsgesetz geändert. Wir begrüßen in dem Gesetzentwurf die Eins- zu-eins-Umsetzung der IDD. An mancher Stelle geht er darüber hinaus. Darauf liegt unser Augenmerk. Wir in der CDU/CSU-Fraktion wollen einerseits einen starken Verbraucherschutz mit einer qualitativ möglichst hochwertigen Beratung. Andererseits wollen wir aber auch einen mündigen Verbraucher, der auf Grundlage transparenter Informationen selber entscheiden kann, ohne ihm alles vorzuschreiben. Manchmal ist weniger mehr. Wir wollen einen gesunden Wettbewerb zwischen Versicherungsanbietern und zwischen denjenigen, die beispielsweise Versicherungsprodukte auf welchem Weg auch immer vertreiben und vermitteln. Was wir nicht wollen, ist Überregulierung. Der Ge- setzentwurf soll den Verbrauchern dienen, aber genauso praktikabel sein für unsere Wirtschaft, unseren Mittel- stand und unsere Selbstständigen. Auf eine gesunde Ba- lance werden wir achten. Manches werden wir uns dabei ganz besonders genau anschauen. Dazu zählt die neue Regelung zur Vergütung von Versicherungsvermittlern, sprich beispielsweise Ver- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723076 (A) (C) (B) (D) sicherungsmaklern, und den Versicherungsberatern. Als sehr positiv bewerte ich es, dass Gewerbekunden auch in Zukunft gegen Honorar von Maklern beraten werden dürfen. Mit dem nun beginnenden Verfahren beginnen erst die parlamentarischen Verhandlungen zum vorliegenden Gesetzentwurf. Ich freue mich auf die kommenden Ver- handlungen und darauf, mit allen Betroffenen und Be- teiligten in einen guten Austausch zu gelangen. Ich gehe davon aus, dass auch die SPD nach wie vor Interesse an konstruktiver Zusammenarbeit hat. Marcus Held (SPD): Heute behandeln wir in erster Lesung den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Um- setzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb und zur Änderung des Außenwirt- schaftsgesetzes. Lassen Sie mich dazu kurz ein paar Din- ge vorwegnehmen. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen in der Frakti- on wurden auf dieses Thema in ihren Wahlkreisen zuletzt angesprochen, weil viele, die diese Umsetzung betrifft, auch so schnell wie möglich Antworten wollen. Auch die Kolleginnen von der Union und auch mich haben eine Vielzahl von Stellungnahmen und Zuschriften seitens zahlreicher Verbände, aber auch vieler Versicherungsma- klerinnen und -makler erreicht. Viele erwecken in ihren Schreiben den Eindruck, dass es fünf vor zwölf sei. Dazu möchte ich gerne sagen, dass mit der ersten Lesung heute nun auch das parlamentarische Verfahren beginnt. Das heißt, nach der Lesung heute werden wir uns im feder- führenden Ausschuss für Wirtschaft und Energie, aber auch in den mitberatenden Ausschüssen für Verbrau- cherschutz und für Finanzen intensiv mit der Umsetzung der Richtlinie zu IDD beschäftigen. Dazu haben wir uns vorgenommen, dass wir diese Umsetzung noch vor der Sommerpause abschließen wollen und werden. Uns bleibt also in noch fünf verbleibenden Sitzungswochen die Zeit, uns vollumfänglich diesem Thema zu widmen. Die IDD ist bis zum 23. Februar 2018 in nationales Recht umzusetzen. Erforderlich sind dazu Änderungen im Gewerberecht, im Versicherungsvertragsrecht und im Versicherungsaufsichtsrecht, die in einem Artikelgesetz zusammengeführt werden sollen. Um was geht es bei dieser Richtlinie? Es geht schlichtweg erst einmal um mehr Verbraucherschutz und um mehr Qualität. Dazu enthält diese Richtlinie Weiter- bildungsverpflichtungen und Transparenzpflichten. Zu- gleich haben wir im Koalitionsvertrag aufgenommen, dass „wir die Einführung der Honorarberatung als Alter- native zu einer Beratung auf Provisionsbasis für alle Fi- nanzprodukte vorantreiben und hohe Anforderungen an die Qualität der Beratung festlegen“ werden. Für mich besonders wichtig sind die Qualitätsmerk- male, die diese Richtlinie vorgibt. Dazu gehören, wie soeben angesprochen, die Weiterbildungsverpflichtun- gen. Hier wurde im Gesetzentwurf in § 34d Absatz 9 neu aufgenommen, dass „die unmittelbar bei der Vermittlung oder Beratung mitwirkenden Beschäftigten sich in einem Umfang von 15 Stunden je Kalenderjahr weiterbilden“ müssen. In einer Versicherungsvermittlerverordnung werden dann mögliche Inhalte der Weiterbildung, Arten der Weiterbildung, Nachweise etc. näher und praxisnah geregelt. Auch der Punkt der Beratung ist in Bezug auf die Qua- litätssteigerung im Versicherungsbetrieb ein unverzicht- barer Bestandteil dieses Gesetzentwurfs. So wird in § 6 des Versicherungsvertragsgesetzes neu geregelt, dass es keine Ausnahmen von der Beratungspflicht geben soll, auch nicht, wenn ein Versicherungsabschluss über das Internet oder fernmündlich erfolgt, es sei denn, der Versi- cherungsnehmer verzichtet darauf. Ein weiterer Punkt im Gesetzentwurf, der viele Ver- sicherungsmaklerinnen und Versicherungsmakler be- schäftigt hat und weswegen meine Kolleginnen und ich auch angeschrieben wurden: Der Entwurf sieht vor, wie es auch im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, dem Kunden Honorarberatung einerseits und Versicherungs- vermittlung auf Provisionsbasis andererseits als gleich- wertige Alternativen anzubieten. Ein Mischmodell soll zukünftig ausgeschlossen werden. Die uns erreichten Zuschriften werden wir innerhalb der Koalition prüfen und in unsere Beratungen einfließen lassen. Ich freue mich auf die vor uns liegende Zusam- menarbeit in der Koalition zu diesem Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren, insbesondere mit meinen beiden Unionskolleginnen Frau Grotelüschen und Frau Lanzinger, und bin guter Dinge, dass wir ein für alle Sei- ten anständiges und annehmbares Gesetz hinbekommen werden. Susanna Karawanskij (DIE LINKE): Wie schon bei der abschließenden Beratung des Zweiten Finanzmarkt- novellierungsgesetzes – der MiFiD-II-Umsetzung – bin ich ebenso bei der nun anstehenden ersten Beratung der Umsetzung der Versicherungsvermittlerrichtlinie etwas enttäuscht, dass hier im Hohen Hause keine breitere De- batte zu solch wichtigen Inhalten geführt wird. Mir ist bewusst, dass zum Ende einer Wahlperiode viele Vorha- ben noch durchgedrückt werden müssen. Aber ganz ehr- lich: Ein klein wenig zeigt sich dabei schon auch, wie wichtig der Großen Koalition bestimmte Themen sind und wie sehr Sie bereit sind, sich hier einer kritischen Auseinandersetzung um die Stärkung des finanziellen Verbraucherschutzes zu stellen. Denn bei der IDD-Umsetzung besteht doch deutlicher Nachholbedarf, um Verbraucher besser zu schützen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir es hier mit einer Mini- malharmonisierung zu tun haben und es somit zweifels- frei möglich wäre, bestimmte Felder strenger zu regeln. Doch Sie setzen die Richtlinie teilweise nicht einmal vollständig um oder – noch schlimmer – wollen Sonder- vorschriften erlassen wie zu den Restschuldversicherun- gen, die schwächer als in der Richtlinie und nachteilig für die Verbraucher sind. Restschuldversicherungen sind oftmals stark überteuert und nicht auf den Bedarf der Verbraucher zugeschnitten. Diesen wird suggeriert, sie erhielten einen bestimmten Kredit nur, wenn sie dazu eine Restschuldversicherung mit abschließen. Dazu be- steht aber kein Zwang. Der Linken ist es hier wichtig, Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 2017 23077 (A) (C) (B) (D) dass Kreditinstitute, Banken und Versicherungen ver- pflichtet werden, zwei unterschiedliche, voneinander getrennte Verträge zum Kredit und zur Restschuldversi- cherung anzubieten. Dazu gehört, dass Verbraucher auf alle Fälle ausnahmslos über die Restschuldversicherung aufgeklärt, informiert und beraten werden. Was die Aufsicht betrifft, sträubt sich die Bundesre- gierung erbittert dagegen, das bestehende Aufsichtsge- fälle einzuebnen. Wie bei den Finanzanlagenvermittlern werden auch die Versicherungsvermittler nur durch die Industrie- und Handelskammern bzw. durch die Gewer- beämter beaufsichtigt. Versicherungsunternehmen wer- den dagegen durch die Finanzaufsicht BaFin kontrolliert. Die Linke fordert eine Abkehr von diesem zweistufigen Aufsichtssystem und somit eine einheitliche, flächende- ckende Aufsicht durch die BaFin. Beim Thema Provisionen wird zum wiederholten Male deutlich, dass Union und SPD zum Besitzstands- wahrer des Provisionssystems verkommen sind. Das An- sinnen, die unabhängige Beratung, die Honorarberatung zumindest auf Augenhöhe mit der Provisionsberatung zu stellen, erweist sich immer mehr als Lippenbekenntnis. Unter MiFiD II sind Provisionen nur zulässig, wenn aus der Provision ein Vorteil für den Verbraucher entsteht. Bei IDD hingegen sind Provisionen bereits zulässig, wenn für die Verbraucher kein Nachteil besteht. Weil es einfacher ist, Provisionen zu beziehen, prophezeie ich, dass künftig lieber Versicherungsprodukte an die Kunden vertrieben werden. So sieht unabhängige Beratung aber gerade nicht aus. Auch bei der Offenlegung der Provisi- onen und Vertriebsvergütungen bietet IDD noch zu viele Schlupflöcher, was einen fairen Wettbewerb zwischen den Vertriebsformen verhindert. Daran anknüpfend gilt es zudem, endlich das Provisi- onsabgabeverbot vom Thron zu stoßen. Sinnvoller wäre es doch, dass Verbraucher selbst entscheiden können, welchen Vertriebsweg sie wählen und damit auch, wel- che Kosten sie dafür entrichten. Umfassende Beratung ist dann vergleichsweise teurer, während diejenigen, die keine Beratung benötigen, auch nicht dafür zahlen müs- sen. Dazu müssen aber endlich die Vertriebskosten aus den Versicherungsprodukten herausgenommen werden. Die Linke fordert daher das Ende des Provisionsabgabe- verbots sowie die Einführung eines Nettopreissystems. Wenngleich bei der IDD-Umsetzung das sogenann- te Provisionsdurchleitungsgebot ein Schrittchen hin zur Stärkung der Beratung auf Honorarbasis ist, wird eines bei dem ganzen Geplänkel um Provisionen, Verkaufsan- reize, Courtagen, Abgabeverbote und Durchleitungen doch klar: Provisionen sorgen für Interessenkonflikte, die zu schlechten Anlageempfehlungen führen können. Oft wird halt Kunden gerade das Finanzinstrument emp- fohlen und verkauft, das den für den Berater höchsten Vertriebsgewinn abwirft. Mittelfristig muss deshalb aus Sicht der Linken das Provisionssystem überwunden und durch eine unabhängige, flächendeckende, verbrauch- erorientierte und kostengünstige Finanzberatung ersetzt werden. Die Verbraucherzentralen sind mit ihren Bera- tungsangeboten speziell für einkommensschwache Men- schen neben Schuldnerberatungsstellen zu stärken. Wir haben dazu schon mehrfach eine mehrjährige Anschub- finanzierung durch den Bund angeregt. Daraufhin sollen alle Unternehmen der Finanz- und Versicherungsbranche für diese Kosten nach dem Verursacherprinzip aufkom- men. Meine Damen und Herren von der Regierungsbank, nutzen Sie doch den Gestaltungsspielraum, der Ihnen bei der IDD-Umsetzung zweifelsfrei zur Verfügung steht. In anderen Bereichen ist Ihnen ein fairer Wettbewerb auf dem Markt doch auch wichtig. Dann sollte er Ihnen im Fall der unabhängigen Versicherungsberatung doch auch wichtig sein, wenn Sie schon nicht sofort Verbraucher besser schützen wollen, indem Sie das Provisionssystem zu Grabe tragen. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Si- cherheit ist ein Grundbedürfnis von Menschen. Da das ganze Leben von Unsicherheiten geprägt ist, haben Menschen schon immer nach Wegen gesucht, sich abzu- sichern. Darauf beruht das grundsätzlich sinnvolle Ge- schäftsmodell von Versicherungen. Leider können Verbraucherinnen und Verbraucher in vielen Fällen nicht darauf vertrauen, dass die Versi- cherungen, die sie abschließen, ihnen wirklich nützen. Undurchsichtige Produkte mit vielen unbestimmten Ver- tragsklauseln, überhöhte Abschluss- und Vertriebskos- ten, schlechte Beratungsqualität – das sind nur einige der Probleme, mit denen Verbraucherinnen und Verbraucher kämpfen. Die Versicherungsvertriebsrichtlinie soll nun für mehr Transparenz und mehr Verbraucherschutz auf dem Versicherungsmarkt sorgen. Kernstück ist dabei, dass unabhängige Beratung und provisionsbasierte Ver- mittlung klar voneinander getrennt werden. Diese Tren- nung begrüßen wir grundsätzlich. Auch soll durch die Umsetzung der Richtlinie angestrebt werden, die unab- hängige Beratung zu stärken. Auch das befürworten wir ausdrücklich. Wir fordern seit langem eine substanzielle Stärkung der unabhängigen Honorarberatung; denn auch wenn es sicher auch gute, provisionsbasierte Beratung gibt – das Risiko von Fehlberatungen durch eine Aus- richtung an den lukrativsten Provisionen ist für Verbrau- cherinnen und Verbraucher deutlich zu groß. Doch ob der vorliegende Gesetzentwurf tatsächlich zu mehr Verbraucherschutz und einer Stärkung der un- abhängigen Honorarberatung beiträgt, muss stark be- zweifelt werden. Ich sehe hier vier zentrale Punkte, die unbedingt Nachbesserungen benötigen: Erstens, die Aufsicht: Bislang ist es so, dass die Ba- Fin für die Beaufsichtigung der Versicherungsunterneh- men zuständig ist. Die Versicherungsvermittler werden allerdings von den Industrie- und Handelskammern be- aufsichtigt. Diese Aufsplitterung ist für eine wirksame Aufsicht hinderlich. Deshalb fordere ich: Bessern Sie hier nach, und bündeln Sie die Aufsicht bei der BaFin. Zweitens: Das Provisionsabgabeverbot stammt aus dem Jahre 1923. Damals zogen Versicherungsvermittler noch von Haustür zu Haustür. Das Provisionsabgabever- bot sollte verhindern, dass ein Unterbietungswettkampf unter den Vermittlern beim Auskehren der Provisionen an die Kundinnen und Kunden entsteht. Das Provisions- abgabeverbot ist heute nicht mehr zeitgemäß – und das Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 228. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. März 201723078 (A) (C) (B) (D) Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de sage nicht nur ich als Verbraucherschützerin. Eine Ab- schaffung des Provisionsabgabeverbotes ist notwendig, damit endlich ein für Verbraucherinnen und Verbraucher nützlicher Wettbewerb um Provisionen entsteht. Die Bundesregierung ist doch sonst so oft dafür, dass es der Markt regeln soll. Warum hier nicht? Außerdem ist es doch nicht einzusehen, dass Verbraucherinnen und Ver- braucher auf allen Vertriebswegen gleiche Provisionen zahlen, wenn doch beispielsweise der Vermittlungsauf- wand im Internet deutlich geringer ausfällt als im stati- onären Vertrieb. Drittens. Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich unabhängig beraten lassen und sich dann für ein Versi- cherungsprodukt entscheiden, müssen oft doppelt zahlen; denn Bruttopreise sind nach wie vor Standard, das heißt, die Kunden müssen die Provisionen mitzahlen. Die Aus- wahl an Nettopolicen ist nach wie vor gering. Das macht die unabhängige Honorarberatung unattraktiv. Deshalb ist es absolut richtig und wichtig, dass Provisionen vom Versicherungsunternehmen an die Kundinnen und Kun- den weitergeleitet werden. Die Detailregelungen hierzu sind aber nicht fair. Warum sollen pauschal 20 Prozent Abschlag anfallen? Warum soll die Weiterleitung auf die ersten fünf Jahre begrenzt werden? Das ist nicht nach- vollziehbar und sollte geändert werden. Viertens und letztens, aber von zentraler Bedeutung: Restschuldschuldversicherungen. Sie sind der Inbegriff von Verbraucherabzocke. Zum Teil sind bis zu 70 Pro- zent Provisionen fällig. Verbraucherinnen und Verbrau- cher verschulden sich erheblich zusätzlich, um allein die Versicherung auf den Kredit zu finanzieren. Wahrschein- lich ist das Ihnen in der SPD und der CDU egal, sonst hätten Sie das bereits im Rahmen der Wohnimmobilien- kreditrichtlinie regeln können. Aber da bessern Sie ja lieber auf Zuruf der Sparkassen und Banken nach – und machen nichts für Verbraucherinnen und Verbraucher. Falls es Ihnen doch nicht egal ist, dann werden Sie endlich tätig: Verbieten Sie Querverkäufe ohne Kunden- nutzen. Die Kopplung oder Bündelung von Finanzpro- dukten sollte nur bei einem klar erkennbaren Nutzen für die Verbraucherinnen und Verbraucher zugelassen wer- den. Außerdem: Verbessern Sie die Informations- und Beratungspflichten beim Verkauf von Restschuldversi- cherungen. Ich komme zum Schluss. Wir werden aufmerksam verfolgen, welche Änderungen Sie noch vornehmen. Ich bin gespannt, ob am Ende echter Verbraucherschutz raus- kommt. 228. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 3, ZP 1 Maritime Wirtschaft TOP 4 Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz TOP 5 Schienenlärmschutzgesetz TOP 6 Öffentlicher Personennahverkehr TOP 40 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 41, ZP 2 Abschließende Beratungen ohne Aussprache TOP 7 Wahl „Kulturstiftung des Bundes“ TOP 8 Vereinbarte Debatte zumEU-Austritt Großbritanniens TOP 9 Bundeswehreinsatz EUTM Mali TOP 10 Änderung des Straßenverkehrsgesetzes TOP 11 Zugang und Zulassung zu Hochschulen TOP 12 Transparenz von Entgeltstrukturen TOP 13 Hungersnot und Völkermord in Südsudan TOP 14 Bundeswehreinsatz EUTM Somalia TOP 15 Krankenkassenbeiträge für Selbstständige TOP 16 Neuregelung des Mutterschutzrechts TOP 17 Nutzungsrechte digitaler Güter TOP 18 Carsharing TOP 19 Betäubungsmittelrecht TOP 20, ZP 3 Getrennterfassung von wertstoffhaltigen Abfällen TOP 21 Wiederaufbau der Garnisonkirche Potsdam TOP 22 Finanzmarktnovellierungsgesetz TOP 23 G 10-Aufhebungsgesetz TOP 24 Anpassungsvertrag ERP-Förderrücklage TOP 25 Willy-Brandt-Korps TOP 26 EU-Binnenmarkt für Elektrizität TOP 27 Gesetz über das Fahrlehrerwesen TOP 28 Zivile Krisenprävention ZP 4 Entlastung derWirtschaft von Bürokratie TOP 29 Änderung des Atomgesetzes TOP 30 Elektronische Meldungen in der Seeschifffahrt TOP 31 Neuordnung der Eisenbahnunfalluntersuchung TOP 32 Abkommen zu militärischen Hauptquartieren TOP 33 EU-Richtlinie über Versicherungsvertrieb Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15 Anlage 16
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Axel Troost


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

    Beginn der globalen Finanzkrise liegt bald zehn Jahre
    zurück, und nicht nur wir Linken bezweifeln, dass wir
    als Parlament genug aus der Krise gelernt haben. Als

    Auslöser der globalen Finanzkrise gelten das Platzen der
    Preisblase am US-Immobilienmarkt und der nachfolgen-
    de Kollaps einer ganzen Gattung windiger Wertpapiere.
    Anschließend platzten auch in Island, Irland und Spanien
    irrwitzige Immobilienblasen.

    Niemand wird bestreiten, dass Immobilienblasen ein
    ganz typischer Auslöser für Finanzmarktkrisen sind.
    Immobilienblasen sind ein immer wiederkehrendes Pro-
    blem, weil Immobilien nicht nur ein konkretes Bauwerk
    mit Nutzwert sind, sondern weil es auch eine Geldanlage
    ist. Sobald es die Erwartung gibt, dass die Preise von Im-
    mobilien steigen, werden sie automatisch zum Spekula-
    tionsobjekt. Denn man kann damit nicht nur Einnahmen
    aus Vermietung erzielen, sondern auch Gewinn beim
    Weiterverkauf.

    Die Folge: Immer mehr Investoren und Privatleute
    kaufen Immobilien auf Kredit. Die Preise für Häuser und
    Wohnungen steigen weiter an. Die Blase bläht sich im-
    mer weiter auf.

    Auch Deutschland ist gefährdet, da zwar die wirt-
    schaftliche Entwicklung gut ist, die Zinsen für Immobi-
    lienkredite aber wegen der Krise in den meisten anderen
    europäischen Ländern extrem niedrig sind. Schon seit
    Jahren beobachten wir Preissteigerungen für Wohnim-
    mobilien in deutschen Ballungsräumen von teilweise bis
    zu 10 Prozent jährlich.

    Wir haben es daher grundsätzlich sehr begrüßt, dass
    die Bundesregierung aus der Krise immerhin die Kon-
    sequenz gezogen hat, ein ernstgemeintes Vorwarnsystem
    gegen Finanzkrisen aufzubauen. Der dazu installierte
    Ausschuss für Finanzstabilität, bestehend aus Vertretern
    des Bundesfinanzministeriums, der Finanzaufsicht BaFin
    und der Bundesbank, hat seine Aufgabe wirklich ernst
    genommen und im Zuge der Finanzmarktbeobachtung
    auf eventuelle Gefahren einer Immobilienblase hinge-
    wiesen. Dieser Ausschuss hat dem Parlament konkrete
    Handlungsempfehlungen vorgelegt, wie durch zusätzli-
    che Instrumente für die Finanzaufsicht die Risiken einer
    Immobilienblase reduziert werden können. Dann hat die
    Bundesregierung diese Handlungsempfehlungen tatsäch-
    lich in einen Gesetzentwurf umgemünzt. Das ist zwar al-
    les nicht revolutionär, aber immerhin solide Handwerks-
    arbeit.

    Dann – Tatort Berlin, Februar/März 2017 – lässt sich
    die Große Koalition im Gesetzgebungsverfahren zwei
    der vom Ausschuss für Finanzstabilität vorgeschlagenen
    vier Instrumente gegen eine Immobilienblase kurzerhand
    von den Banken wieder ausreden.


    (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist ja nicht zu fassen!)


    Ich sage nur: Wer den Sumpf trockenlegen will, der darf
    nicht die Frösche befragen.


    (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


    Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, sind nach
    guter alter Tradition der Bankenlobby wieder komplett
    auf den Leim gegangen.

    Antje Tillmann






    (A) (C)



    (B) (D)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Ge-
    setzentwurf blamiert sich die Koalition nicht nur selbst,
    sondern sie blamiert auch ihre eigene Bundesregierung
    und deren Frühwarnsystem. Bundesbank und BaFin sind
    sicher unverdächtig, linksradikale Einschnitte ins Ban-
    kensystem vornehmen zu wollen, aber selbst deren vor-
    sichtige Vorschläge, wie eine Regulierung zielgerichtet
    verschärft werden kann, werden von Ihnen sabotiert.

    Die Vertreterinnen und Vertreter der Bundesbank und
    auch des Sachverständigenrates haben auf Nachfrage in
    der Anhörung betont, dass die vier ursprünglich vorgese-
    henen Instrumente der Standard seien, den „man eigent-
    lich haben sollte, wenn man die Systemstabilität gewähr-
    leisten will“. Andere Länder haben sogar deutlich mehr
    Instrumente.


    (Antje Tillmann [CDU/CSU]: Das ist gar nicht wahr! – Manfred Zöllmer [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! Das weißt du doch auch!)


    Sie haben zwei dieser Instrumente beseitigt. Es wurde
    schon darauf hingewiesen: Sie haben weitere Maßnah-
    men zurückgenommen und letztlich sogar beschlossen,
    dass die Instrumente, wenn sie überhaupt angewendet
    werden sollen – wohlgemerkt: das steht jetzt überhaupt
    nicht an –, vorher im Finanzausschuss noch einmal be-
    raten werden müssen. Es gibt sozusagen keine Regelbin-
    dung, sondern man fängt dann an, alles noch einmal zu
    relativieren und möglicherweise zurückzunehmen.


    (Antje Tillmann [CDU/CSU]: Das geht ja nicht!)


    So sieht für uns keine vorbeugende Finanzstabilität
    aus.


    (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


    Deswegen sagt die Linke Nein dazu und wird dem Ge-
    setzentwurf nicht zustimmen.

    Danke schön.


    (Beifall bei der LINKEN)




Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Das Wort erhält nun der Kollege Manfred Zöllmer für

die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Manfred Zöllmer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als

    Autofahrer weiß man: Gleichzeitig Gasgeben und Brem-
    sen ist suboptimal. Das gilt auch für die Finanzmarkts-
    tabilität auf dem Markt für Wohnimmobilienkredite, auf
    dem wir uns hier befinden. Wir brauchen in Deutschland
    mehr Wohnungen. Wir wollen, dass Menschen dort in-
    vestieren. Die Bundesregierung unterstützt dies mit einer
    Vielzahl von Programmen, und das ist auch gut so.

    Mit dem Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz und
    dem Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkredit-
    richtlinie haben wir Gesetze vorliegen, die in der Gefahr

    standen, mit einer Überregulierung die Immobilienkre-
    ditvergabe übermäßig zu beschränken, also Gasgeben
    und Bremsen gleichzeitig. Es ist natürlich richtig, dass
    Blasen auf dem Markt für Wohnimmobilienkredite eine
    Gefahr für die Finanzmarktstabilität sind. Das haben die
    Märkte in den USA, in Spanien und in Irland gezeigt.
    Axel, aber du weißt natürlich auch, dass diese Märkte
    völlig unterschiedlich sind von den Gepflogenheiten her,
    die wir hier haben. In Deutschland hat es keine Immobi-
    lienblase gegeben.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Doch!)


    Wir haben hier eine ausgeprägte Festzins- und Langfrist-
    kultur. Darüber hinaus ist es nachvollziehbar, dass man
    für den Fall des Falles mithilfe eines Instrumentenkas-
    tens handlungsfähig sein wollte.

    Mit der Wohnimmobilienkreditrichtlinie wurde die
    Kreditvergabe bereits in vielfacher Weise in Richtung
    Kreditnehmer reguliert; der Kollege wird dazu gleich
    noch etwas sagen. Mit dem Finanzaufsichtsrechtergän-
    zungsgesetz – ich kann für diesen Titel nichts – haben
    wir jetzt einen Kasten mit makroprudenziellen Instru-
    menten geschaffen, das heißt etwas, was für die gesamte
    Volkwirtschaft gilt. Dieser Instrumentenkasten kann im
    Bedarfsfall scharfgeschaltet werden.

    Wir alle kennen das Struck’sche Gesetz. Dieses Ge-
    setz ist auch in diesem Fall wieder zur Anwendung ge-
    kommen. Wir haben den vorgeschlagenen Gesetzentwurf
    überarbeitet und modifiziert. Lieber Axel, das ist die Auf-
    gabe eines frei gewählten Parlaments. Wir haben Ober-
    grenzen für Darlehensvolumen, eine Immobilienwer-
    trelation und Amortisierungsanforderungen vorgesehen.
    Wir haben diejenigen Instrumente übernommen, die in
    vielen europäischen Ländern ebenfalls zu finden sind und
    die auf der vorhandenen Datenbasis wirklich eingesetzt
    werden können.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Durch die Konzentration auf diese beiden Instrumente
    wird die Gefahr unbeabsichtigter Verzerrungen auf den
    Immobilienmärkten deutlich reduziert und die robuste
    Schuldentragfähigkeit der deutschen Haushalte berück-
    sichtigt. Daneben gibt es Freikontingente, eine Baga-
    tellgrenze und Abstufungen, die die Kollegin Tillmann
    eben erläutert hat. Damit berücksichtigen wir die extrem
    unterschiedliche regionale Situation auf den Immobilien-
    märkten in Deutschland.


    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)


    Neben einer Reihe städtischer Hotspots wie München,
    Frankfurt, Hamburg, Berlin oder Köln gibt es eine gan-
    ze Reihe überwiegend ländlich geprägter Regionen, in
    denen man sehr große Probleme hat, eine Immobilie zu
    verkaufen. Für diese Regionen wollen wir keine Restrik-
    tionen im normalen Kreditgeschäft. Deshalb gibt es diese
    Freigrenze. Wir haben auch den sozialen Wohnungsbau
    und die Finanzierung des Umbaus einer Wohnung außen
    vor gelassen. Ich halte das für absolut richtig.


    (Beifall bei der SPD)


    Dr. Axel Troost






    (A) (C)



    (B) (D)


    Vor einer Scharfschaltung der Instrumente soll der Fi-
    nanzausschuss informiert werden. Darüber beklagen sich
    auf einmal die Linken und die Grünen.


    (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Bei anderen Gesetzen gibt es das nicht!)


    Ich kann das nicht verstehen; ich halte das für richtig. Ihr
    fordert doch sonst immer, dass der Finanzausschuss in
    solche Maßnahmen einbezogen wird. Jetzt machen wir
    das, und jetzt kritisiert ihr das.


    (Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Weil ihr das bremsen wollt!)


    Nachvollziehbar ist das nicht.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Gesetz
    ist es uns insgesamt gelungen, die berechtigten Bedenken
    zu berücksichtigen und eine zusätzliche bürokratische
    Belastung zu minimieren. Gleichzeitig haben wir ein In-
    strumentarium geschaffen, das im Krisenfall eingesetzt
    werden kann, um eine Immobilienblase zu bekämpfen.
    Nach wie vor bleibt aber das Problem der Diagnose:
    Wann haben wir eine Blase, und wann sind die Entwick-
    lungen normal?

    Die Ökonomen sind sich in der Vergangenheit nie-
    mals einig gewesen. Blasen sind im Regelfall immer erst
    hinterher diagnostiziert worden. Mit diesem Problem
    werden wir leben müssen. Die deutschen Immobilien-
    kreditmärkte sind sehr robust. Eine Immobilienblase hat
    es bisher nicht gegeben. Ich bin sicher, das wird auch in
    Zukunft so bleiben. Dann werden diese Instrumente im
    Koffer bleiben können, und die Menschen, die eine Woh-
    nung suchen, werden auch eine zu bezahlbaren Bedin-
    gungen finden.

    Wir geben Gas beim Wohnungsbau und bremsen erst,
    wenn Gefahr droht.

    Vielen Dank.


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)