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ID1822519000

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    Plenarprotokoll 18/225 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 225. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 23. März 2017 Inhalt: Gedenken an die Opfer des Anschlags in Lon- don am britischen Parlament . . . . . . . . . . . . . . 22485 A Benennung von Gebäuden des Deutschen Bundestages in Otto-Wels-Haus und Matthias-Erzberger-Haus . . . . . . . . . . . . . . 22485 B Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22486 B Absetzung der Tagesordnungspunkte 6, 15 a und 15 b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22487 C Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 22487 D Tagesordnungspunkt 3: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortent- wicklung des Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endla- ger für Wärme entwickelnde radioakti- ve Abfälle und anderer Gesetze Drucksachen 18/11398, 18/11647 . . . . . . . 22488 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Exportver- bot für hochradioaktive Abfälle – zu dem Abschlussbericht der Kom- mission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe: Verantwortung für die Zukunft: Ein faires und transparen- tes Verfahren für die Auswahl eines nationalen Endlagerstandortes Drucksachen 18/9791, 18/9100, 18/11647 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22488 D c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Umgang mit Atommüll – Defizite des Entwurfs des Nationalen Entsorgungs- programms beheben und Konsequenzen aus dem Atommülldesaster ziehen Drucksachen 18/5228, 18/7275 . . . . . . . . . 22488 D Dr . Barbara Hendricks, Bundesministerin BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22489 A Hubertus Zdebel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 22490 D Steffen Kanitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 22491 D Winfried Kretschmann, Ministerpräsident (Baden-Württemberg) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22494 C Dr . Matthias Miersch (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 22496 A Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22497 B Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 22497 C Dr . Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 22498 C Hiltrud Lotze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22501 A Dr . Philipp Lengsfeld (CDU/CSU) . . . . . . . . . 22502 B Eckhard Pols (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 22503 A Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Dr . Konstantin von Notz, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017II BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Arbeit 4.0 – Arbeitswelt von morgen gestalten Drucksache 18/10254 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22504 D Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22505 A Uwe Lagosky (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 22506 B Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 22508 A Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22509 C Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22510 C Ralf Kapschack (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 22511 B Kai Whittaker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 22512 A Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 22514 A Kai Whittaker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 22514 C Dr . Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 22515 B Michael Gerdes (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22516 A Antje Lezius (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 22517 B René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22518 C Stephan Stracke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 22519 D Dr . Hans-Joachim Schabedoth (SPD) . . . . . . . 22521 A Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . 22521 D Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht Drucksache 18/11546 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22523 B Dr . Thomas de Maizière, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22523 B Petra Pau (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22525 A Dr . Lars Castellucci (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 22526 A Luise Amtsberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22528 A Dr . Stephan Harbarth (CDU/CSU) . . . . . . . . . 22529 A Sebastian Hartmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 22530 B Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22532 A Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . . 22533 A Nina Warken (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 22534 C Tagesordnungspunkt 34: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Modernisierung des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung Drucksache 18/11499 . . . . . . . . . . . . . . . . 22535 C b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 11. Juli 2016 zwischen der Regierung der Bundesre- publik Deutschland und der Regierung der Arabischen Republik Ägypten über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbe- reich Drucksache 18/11508 . . . . . . . . . . . . . . . . 22535 D c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 26. Septem- ber 2016 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Tunesischen Republik über die Zusammenarbeit im Sicher- heitsbereich Drucksache 18/11509 . . . . . . . . . . . . . . . . 22535 D d) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Strafge- setzbuches – Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungs- kräften Drucksache 18/11547 . . . . . . . . . . . . . . . . 22536 A e) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zu dem Abkommen vom 29. Au- gust 2016 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Turkmenistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkom- men und vom Vermögen Drucksache 18/11557 . . . . . . . . . . . . . . . . 22536 A f) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Abkommen vom 8. Dezem- ber 2016 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Agentur für Flugsicher- heit über den Sitz der Europäischen Agentur für Flugsicherheit Drucksache 18/11558 . . . . . . . . . . . . . . . . 22536 A g) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Änderung des Gesetzes zur Verbesserung der personellen Struktur beim Bundeseisenbahnvermögen und in den Postnachfolgeunternehmen sowie zur Änderung weiterer Vorschriften des Postdienstrechts Drucksache 18/11559 . . . . . . . . . . . . . . . . 22536 B h) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines … Ge- setzes zur Änderung des Strafgesetzbu- ches – Ausweitung des Maßregelrechts bei extremistischen Straftätern Drucksache 18/11584 . . . . . . . . . . . . . . . . 22536 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 III i) Antrag der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Atomwaffen aus Deutschland abziehen und Neustationierung stoppen Drucksache 18/6808 . . . . . . . . . . . . . . . . . 22536 C j) Antrag der Abgeordneten Ralph Lenkert, Caren Lay, Herbert Behrens, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Abschaffung der Zeitumstellung Drucksache 18/10697 . . . . . . . . . . . . . . . . 22536 C k) Antrag der Abgeordneten Klaus Ernst, Matthias W . Birkwald, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Einen armuts- festen gesetzlichen Mindestlohn sicher- stellen Drucksache 18/11599 . . . . . . . . . . . . . . . . 22536 C Zusatztagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Ausführung der Anlage VI des Umweltschutzprotokolls zum Ant- arktis-Vertrag vom 14. Juni 2005 über die Haftung bei umweltgefährdenden Notfällen (Antarktis-Haftungsgesetz – AntHaftG) Drucksache 18/11529 . . . . . . . . . . . . . . . . 22536 D b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Anlage VI des Umweltschutz- protokolls zum Antarktis-Vertrag vom 14. Juni 2005 über die Haftung bei um- weltgefährdenden Notfällen (Antark- tis-Haftungsannex) Drucksache 18/11530 . . . . . . . . . . . . . . . . 22536 D c) Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einrich- tung eines Bundesprogramms „Zugang zu Land – Chancen für neue Betriebe ermöglichen“ Drucksache 18/11601 . . . . . . . . . . . . . . . . 22537 A d) Antrag der Abgeordneten Kordula Schulz- Asche, Maria Klein-Schmeink, Dr . Harald Terpe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Arzneimittelversorgung an Bedürfnis- sen der Patientinnen und Patienten ori- entieren – Heute und in Zukunft Drucksache 18/11607 . . . . . . . . . . . . . . . . 22537 A Tagesordnungspunkt 35: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Auf- bewahrung von Notariatsunterlagen und zur Einrichtung des Elektronischen Urkundenarchivs bei der Bundesnotar- kammer Drucksachen 18/10607, 18/11636 . . . . . . . 22537 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu der Verordnung der Bundesregierung: Siebte Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung Drucksachen 18/10829, 18/10924 Nr . 2 .2, 18/11214 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22537 C c)–h) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 416, 417, 418, 419, 420 und 421 zu Petitionen Drucksachen 18/11422, 18/11423, 18/11424, 18/11425, 18/11426, 18/11427 . 22537 D Zusatztagesordnungspunkt 2: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Straf- sachen Drucksachen 18/11140, 18/11638 . . . . . . . . . . 22538 B Zusatztagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: 60 Jahre Rö- mische Verträge Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22538 D Thorsten Frei (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 22539 D Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 22540 D Michael Roth, Staatsminister AA . . . . . . . . . . 22542 A Ursula Groden-Kranich (CDU/CSU) . . . . . . . 22543 D Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 22544 D Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22546 A Annalena Baerbock (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22547 A Matern von Marschall (CDU/CSU) . . . . . . . . 22548 B Dr . Dorothee Schlegel (SPD) . . . . . . . . . . . . . 22549 A Iris Eberl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22550 A Norbert Spinrath (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22551 B Dr . Christoph Bergner (CDU/CSU) . . . . . . . . 22552 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017IV Tagesordnungspunkt 32: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erleichterung unternehmerischer Initiati- ven aus bürgerschaftlichem Engagement und zum Bürokratieabbau bei Genossen- schaften Drucksache 18/11506 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22553 D Christian Lange, Parl . Staatssekretär BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22553 D Dr . Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 22554 D Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 22555 D Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22557 B Dr . Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 22558 B Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 22559 B Tagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W . Birkwald, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kreis der Anspruchsberechtig- ten und die Bezugsdauer in der Arbeitslo- senversicherung erweitern Drucksache 18/11419 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22560 B Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 22560 C Dr . h . c . Albert Weiler (CDU/CSU) . . . . . . . . 22562 A Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22563 C Markus Paschke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22564 D Dr . Matthias Zimmer (CDU/CSU) . . . . . . . 22565 B Tobias Zech (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 22566 C Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 22567 A Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) . . . . . . . 22568 C Tagesordnungspunkt 8: a) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Umsetzung der Vierten EU-Geld- wäscherichtlinie, zur Ausführung der EU-Geldtransferverordnung und zur Neuorganisation der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen Drucksache 18/11555 . . . . . . . . . . . . . . . . 22569 C b) Antrag der Abgeordneten Dr . Sahra Wagenknecht, Dr . Dietmar Bartsch, Dr . Petra Sitte und der Fraktion DIE LINKE: Anonyme Briefkastenfirmen verbieten – Transparenzregister einrich- ten Drucksache 18/8133 . . . . . . . . . . . . . . . . . 22569 D Dr . Michael Meister, Parl . Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22569 D Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 22571 A Dr . Jens Zimmermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 22571 D Dr . Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22573 A Dr. Frank Steffel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 22574 A Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 22575 B Dr . h . c . Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . 22576 C Tagesordnungspunkt 9: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Kai Gehring, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Europaweiten Atomausstieg voranbrin- gen – Euratom-Vertrag reformieren oder aussteigen Drucksachen 18/8242, 18/8439 . . . . . . . . . 22577 C b) Antrag der Abgeordneten Alexander Ulrich, Hubertus Zdebel, Wolfgang Gehrcke, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: EU-Förderung von Atomener- gie stoppen – EURATOM-Vertrag been- den Drucksache 18/11595 . . . . . . . . . . . . . . . . 22577 C c) Antrag der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ausfuhr von Uran-Brennstof- fen für den Betrieb störanfälliger Atom- kraftwerke im Ausland stoppen Drucksache 18/11596 . . . . . . . . . . . . . . . . 22577 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeord- neten Sylvia Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Brennstofflieferungen für belgische Atom- kraftwerke stoppen Drucksachen 18/9676, 18/10934 . . . . . . . . . . 22577 D Dr . Nina Scheer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22577 D Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 22579 D Barbara Lanzinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 22581 A Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22582 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 V Steffen Kanitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 22583 D Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22584 C Tagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum weiteren quantitativen und qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung Drucksache 18/11408 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22586 A Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22586 B Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE) . . . . 22587 C Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . . 22588 C Dr . Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22590 C Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22591 C Ingrid Pahlmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 22592 C Tagesordnungspunkt 11: Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Sigrid Hupach, Klaus Ernst, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Prekäre Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft wirksam bekämpfen Drucksache 18/11597 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22594 B Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 22594 B Alexandra Dinges-Dierig (CDU/CSU) . . . . . . 22595 B Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22596 D Dr . Simone Raatz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22598 A Dr. Wolfgang Stefinger (CDU/CSU) . . . . . . . 22600 A Tagesordnungspunkt 12: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Zweiten Zahlungsdienste- richtlinie Drucksache 18/11495 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22601 B Dr . Michael Meister, Parl . Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22601 B Susanna Karawanskij (DIE LINKE) . . . . . . . . 22602 B Christian Lange, Parl . Staatssekretär BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22603 A Dr . Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22603 D Matthias Hauer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 22604 C Dr . Jens Zimmermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 22605 B Tagesordnungspunkt 13: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Tom Koenigs, Claudia Roth (Augsburg), Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rechte in- digener Völker stärken durch Ratifikation der ILO-Konvention 169 Drucksachen 18/4688, 18/11569 . . . . . . . . . . . 22606 A Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22606 B Annette Groth (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 22607 A Sylvia Pantel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 22608 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22608 C Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22610 A Tagesordnungspunkt 14: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verarbeitung von Fluggastdaten zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/681 (Fluggastdatengesetz – FlugDaG) Drucksache 18/11501 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22611 A Dr . Günter Krings, Parl . Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22611 B Jan Korte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22612 B Wolfgang Gunkel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22613 A Dr . Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22614 B Clemens Binninger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 22615 B Zusatztagesordnungspunkt 5: Antrag der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE sowie der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Jürgen Trittin, Katja Keul, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Verhandlungen über einen Atomwaffenverbotsvertrag aktiv unterstüt- zen Drucksache 18/11609 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22616 D Inge Höger (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 22617 A Dr . Katja Leikert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 22618 A Dr . Alexander S . Neu (DIE LINKE) . . . . . . 22618 D Agnieszka Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22619 D Dr . Ute Finckh-Krämer (SPD) . . . . . . . . . . . . 22620 D Dr . Alexander S . Neu (DIE LINKE) . . . . . . 22621 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017VI Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Geset- zes zur Änderung des Europol-Gesetzes Drucksache 18/11502 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22622 B Tagesordnungspunkt 17: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Geset- zes zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes Drucksache 18/11493 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22622 C Tagesordnungspunkt 18: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung Drucksachen 18/9525, 18/10146, 18/10307 Nr . 7, 18/11640 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22622 D Tagesordnungspunkt 19: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Berufsaner- kennungsrichtlinie und zur Änderung wei- terer Vorschriften im Bereich der rechtsbe- ratenden Berufe Drucksachen 18/9521, 18/9948, 18/10102 Nr . 13, 18/11468 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22623 A Christian Flisek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22623 A Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 22625 A Detlef Seif (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22626 A Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22627 B Alexander Hoffmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 22628 C Tagesordnungspunkt 20: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften im Bereich des Internationalen Privat- und Zi- vilverfahrensrechts Drucksachen 18/10714, 18/11637 . . . . . . . . . . 22629 D Tagesordnungspunkt 21: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Wein- gesetzes Drucksachen 18/10944, 18/11284, 18/11472 Nr . 1 .2, 18/11635 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22630 A Tagesordnungspunkt 22: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Innovationskraft von kleinen und mittleren Unternehmen stärken – Anreize für mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung schaffen Drucksache 18/11594 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22630 B Andreas G . Lämmel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 22630 C Thomas Lutze (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 22631 B Sabine Poschmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 22632 A Dr . Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22633 A Dr . Stefan Kaufmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 22634 A Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur (Netzentgeltmodernisierungsgesetz) Drucksache 18/11528 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22635 B Tagesordnungspunkt 24: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Geset- zes zur Änderung des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst Drucksache 18/11533 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22635 B Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Ände- rung anderer Vorschriften Drucksache 18/11488 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22635 C Tagesordnungspunkt 26: Bericht des Ausschusses für Bildung, For- schung und Technikfolgenabschätzung gemäß § 56a der Geschäftsordnung: Technikfolgen- abschätzung (TA) – Synthetische Biologie – Die nächste Stufe der Bio- und Gentechno- logie Drucksache 18/7216 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22635 D Stephan Albani (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 22636 A Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 22637 A Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22637 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 VII Tagesordnungspunkt 27: Beschlussempfehlung und Bericht des Innen- ausschusses – zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU und SPD: Innovativer Staat – Po- tenziale einer digitalen Verwaltung nutzen und elektronische Verwaltungs- dienstleistungen ausbauen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dieter Janecek, Dr . Konstantin von Notz, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Stillstand beim E-Government behe- ben – Für einen innovativen Staat und eine moderne Verwaltung Drucksachen 18/9788, 18/9056, 18/10865 . . . 22639 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22639 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 22641 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Dr . Thomas Feist, Michael Kretschmer, Yvonne Magwas, Maria Michalk und Marco Wanderwitz (alle CDU/CSU) zu der Abstim- mung über den von den Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurf eines Gesetzes zur Fortent- wicklung des Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle und anderer Gesetze (Tagesordnungspunkt 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22641 D Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zu der Abstim- mung über den von den Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurf eines Gesetzes zur Fortent- wicklung des Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle und anderer Gesetze (Tagesordnungspunkt 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . 22642 A Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22642 B Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 22643 C Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Europol-Gesetzes (Tagesordnungspunkt 16) . . . . . . . . . . . . . . . . 22644 B Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) . . . . . . 22644 B Susanne Mittag (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22645 A Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 22646 A Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22646 D Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22647 C Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Ände- rung des Energiesteuer- und des Stromsteuer- gesetzes (Tagesordnungspunkt 17) . . . . . . . . . . . . . . . . 22648 B Norbert Schindler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 22648 B Christian Petry (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22649 C Andreas Rimkus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22650 B Herbert Behrens (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 22650 D Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22651 C Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22652 C Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der straf- rechtlichen Vermögensabschöpfung (Tagesordnungspunkt 18) . . . . . . . . . . . . . . . . 22653 B Alexander Hoffmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 22653 C Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) . . . . . . . . 22653 D Dr. Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . 22655 B Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 22656 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22656 D Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften im Bereich des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts (Tagesordnungspunkt 20) . . . . . . . . . . . . . . . . 22658 A Dr. Silke Launert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 22658 B Sebastian Steineke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 22659 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017VIII Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22660 A Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . . 22661 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 22662 A Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Ände- rung des Weingesetzes (Tagesordnungspunkt 21) . . . . . . . . . . . . . . . . 22662 D Kordula Kovac (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 22662 D Marlene Mortler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 22663 D Gustav Herzog (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22664 D Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 22665 C Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22666 A Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur (Netzentgeltmoderni- sierungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 23) . . . . . . . . . . . . . . . . 22667 B Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 22667 B Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 22668 A Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22669 B Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 22670 B Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22671 B Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst (Tagesordnungspunkt 24) . . . . . . . . . . . . . . . . 22672 A Günter Lach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 22672 A Arno Klare (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22673 B Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 22673 C Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22674 B Dorothee Bär, Parl. Staatssekretärin BMVI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22675 A Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebezuberei- tungen und zur Änderung anderer Vorschriften (Tagesordnungspunkt 25) . . . . . . . . . . . . . . . . 22676 A Dr. Roy Kühne (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 22676 A Emmi Zeulner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 22677 B Hilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22678 A Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 22679 D Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22680 B Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ge- mäß § 56a der Geschäftsordnung: Technikfolgenabschätzung (TA) – Syntheti- sche Biologie – Die nächste Stufe der Bio- und Gentechnologie (Tagesordnungspunkt 26) . . . . . . . . . . . . . . . . 22681 A Dr. Philipp Lengsfeld (CDU/CSU) . . . . . . . . . 22681 B René Röspel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22681 D Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Inno- vativer Staat – Potenziale einer digitalen Verwaltung nutzen und elektronische Ver- waltungsdienstleistungen ausbauen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dieter Janecek, Dr . Konstantin von Notz, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Stillstand beim E-Government beheben – Für einen innovativen Staat und eine mo- derne Verwaltung (Tagesordnungspunkt 27) . . . . . . . . . . . . . . . . 22682 D Michael Frieser (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 22683 A Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 22683 C Saskia Esken (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22684 A Mahmut Özdemir (Duisburg) (SPD) . . . . . . . . 22684 D Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 22685 D Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22686 C (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22485 225. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 23. März 2017 Beginn: 9 .01 Uhr
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    Vizepräsidentin Ulla Schmidt (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22641 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Albsteiger, Katrin CDU/CSU 23 .03 .2017 Barthle, Norbert CDU/CSU 23 .03 .2017 Binder, Karin DIE LINKE 23 .03 .2017 Bülow, Marco SPD 23 .03 .2017 Dröge, Katharina * BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23 .03 .2017 Funk, Alexander CDU/CSU 23 .03 .2017 Gabriel, Sigmar SPD 23 .03 .2017 Groneberg, Gabriele SPD 23 .03 .2017 Gysi, Dr . Gregor DIE LINKE 23 .03 .2017 Hajek, Rainer CDU/CSU 23 .03 .2017 Heller, Uda CDU/CSU 23 .03 .2017 Jelpke, Ulla DIE LINKE 23 .03 .2017 Klein, Volkmar CDU/CSU 23 .03 .2017 Kudla, Bettina CDU/CSU 23 .03 .2017 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 23 .03 .2017 Möhring, Cornelia DIE LINKE 23 .03 .2017 Mosblech, Volker CDU/CSU 23 .03 .2017 Müntefering, Michelle SPD 23 .03 .2017 Pfeiffer, Dr. Joachim CDU/CSU 23 .03 .2017 Post, Florian SPD 23 .03 .2017 Pronold, Florian SPD 23 .03 .2017 Rüthrich, Susann * SPD 23 .03 .2017 Sarrazin, Manuel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23 .03 .2017 Schlecht, Michael DIE LINKE 23 .03 .2017 Schmidt (Ühlingen), Gabriele CDU/CSU 23 .03 .2017 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schmidt, Dr . Frithjof BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23 .03 .2017 Schwarzelühr-Sutter, Rita SPD 23 .03 .2017 Stauche, Carola CDU/CSU 23 .03 .2017 Strebl, Matthäus CDU/CSU 23 .03 .2017 Tank, Azize DIE LINKE 23 .03 .2017 Tressel, Markus BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23 .03 .2017 Wagenknecht, Dr . Sahra DIE LINKE 23 .03 .2017 Wöllert, Birgit DIE LINKE 23 .03 .2017 *aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Thomas Feist, Michael Kretschmer, Yvonne Magwas, Maria Michalk und Marco Wanderwitz (alle CDU/CSU) zu der Abstimmung über den von den Fraktionen CDU/ CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein- gebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Fortent- wicklung des Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme ent- wickelnde radioaktive Abfälle und anderer Gesetze (Tagesordnungspunkt 3) Wir können dem Gesetz zur Fortentwicklung des Ge- setzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle (StandAG) nicht zustimmen . Obwohl in der Schlussberatung des federführenden Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reak- torsicherheit Zugeständnisse seitens des Bundesumwelt- ministeriums hinsichtlich der Forschungsreaktoren des Forschungszentrums Rossendorf gemacht wurden, bleibt ein endgültiges Exportverbot Teil des Standortauswahl- gesetzes . Der Freistaat Sachsen trägt vorerst als einziges Bundesland weiter die Lasten für die Zwischenlagerung der Kernbrennstoffe aus dem DDR-Reaktor. Die im Protokoll des Umweltausschusses vom 22. März 2017 getroffene Verabredung, Gespräche sei- tens des Bundes mit dem Freistaat Sachsen über mögli- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722642 (A) (C) (B) (D) che Kompensationsleistungen zu führen, sind unverzüg- lich einzuleiten . Weitaus schwerer wiegt jedoch die unzureichende Formulierung hinsichtlich der Sicherungsvorschriften in § 21 . Die vorgesehene Regelung hindert die Weiterent- wicklung des Bergbaus im Freistaat Sachsen . In einigen Gebieten mit zu betrachtendem Wirtsgestein wurden in den vergangenen Jahren bergbauliche Erkundungen durchgeführt, die zur Genehmigung anstünden . Diese werden nun erheblich beeinträchtigt . Für den Fall, dass einzelne Gebiete oberirdisch erkundet werden, ist dort von einer langjährigen Veränderungssperre auszugehen. Leider konnte sich nicht auf eine klarstellende Formu- lierung geeinigt werden, die bestehende oder beantragte Bergbauvorhaben von einer Veränderungssperre aus- nimmt . Dies betrifft in erster Linie ländlich geprägte Regio- nen im Freistaat Sachsen . Deren Zukunftsfähigkeit hängt besonders von Arbeitsplätzen ab . Eine mittelfristige Un- terbrechung der laufenden Projekte würde einem Ab- bruch des jeweiligen Vorhabens gleichkommen. Das ist nicht akzeptabel . Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zu der Abstimmung über den von den Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Fort- entwicklung des Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme ent- wickelnde radioaktive Abfälle und anderer Gesetze (Tagesordnungspunkt 3) Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit der heutigen Abstimmung wird das Standortauswahl- gesetz (StandAG) von 2013 novelliert – dabei liegen Er- gebnisse der mehrjährigen Arbeit der „Atommüll-Kom- mission“ – Kommission zur Lagerung hoch radioaktiver Abfälle/Endlagerkommission – zugrunde . Mir ist ein echter Neubeginn bei der Suche nach ei- nem bestmöglichen Aufbewahrungsort in Deutschland für den hochradioaktiven Atommüll wichtig . Und unter Umständen wird es am Ende nur der „am wenigsten un- geeignete“ Standort . Als Bundestagsabgeordnete für Bündnis 90/Die Grü- nen aus dem Wahlkreis Lüneburg-Lüchow-Dannenberg kenne ich die über 40-jährige Geschichte der bisherigen verfehlten Atommüllpolitik in Deutschland nur zu gut . Gerade der Missstand, dass Gorleben 1977 nicht durch ein wissenschaftsbasiertes vergleichendes Verfahren für die Erkundung als Atommüll-Endlager ausgewählt wur- de, ist der Hauptgrund für den heutigen neuen Anlauf . Auch mir ist es ein besonders dringliches Anliegen, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen, sondern aus ihnen zu lernen . Deswegen erwarte ich eine transparente, und an wis- senschaftlichen Kriterien orientierte Suche als „selbst- hinterfragendes und lernendes Verfahren“ und mit größt- möglicher Bürgerbeteiligung von Anfang an . Zur heutigen Abstimmung im Bundestag: Im Vergleich zum Kabinettsbeschluss der Bundes- regierung – Dezember 2016 – wurden bereits bis zur parlamentarischen Einbringung des Gesetzentwurfs der Bundestagsfraktionen zur ersten Lesung – Febru- ar 2017 – mehrere Verbesserungen und Klarstellungen am Text erreicht . Das geschah insbesondere auf Drängen der grünen Bundestagsfraktion . So wurden zum Beispiel die Stellung des Partizipa- tionsbeauftragten sowie die Aufgabenbeschreibung des Nationalen Begleitgremiums (NBG) erweitert und kon- kretisiert . Und es wurde korrigiert, dass die Aufgabe des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE), zu Ausnahmen nach § 21 Stellung zu nehmen, nicht erst Monate später in Kraft tritt als der Rest des Gesetzes . Auch enthält das Gesetz durch den von Bündnis 90/ Die Grünen, SPD und CDU/CSU eingebrachten Ände- rungsantrag jetzt erneut mehrere deutliche Verbesserun- gen im Vergleich zum Stand des Gesetzestextes von der ersten Lesung im Februar. Diese Verbesserungen wurden vor allem von Bündnis 90/Die Grünen in die Verhand- lungen zwischen den Bundestagsfraktionen erfolgreich eingebracht und wurden von Sachverständigen in der Expertenanhörung im Umweltausschuss des Bundestags bestätigt . Beispielsweise hat die Inanspruchnahme des Rechts- schutzes nach § 17 und § 19 nun aufschiebende Wirkung im Verfahren. Besonders wichtig ist mir das zügige Inkrafttreten der Sicherung potenzieller Atommüll-Endlager-Standorte in ganz Deutschland – Stichwort „bundesweite Verände- rungssperre“. Damit sollen Anträge auf Rohstoffabbau oder andere Bohrungen nicht genehmigt werden, solan- ge sich ein Gebiet noch im Suchverfahren befindet. Mit den in § 21 aufgenommenen Schutzvorkehrungen wird nun erstmals ein Großteil der bundesweit vorhandenen Wirtsgesteine vor schädigendem Zugriff geschützt. Eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Status quo, denn bisher galt die Veränderungssperre ausschließlich für Gorleben . Die Sicherung potenzieller Standorte ist für mich eine ganz zentrale Grundvoraussetzung für ein faires Verfah- ren, damit es im letzten Schritt der Endlagersuche über- haupt mehrere unbeschädigte Standorte in den verschie- denen Wirtsgesteinen gibt, die untertägig erkundet und miteinander verglichen werden können . Dafür habe ich mich seit Jahren eingesetzt . Ein Gesetz oder ein Verfahren kann geändert werden. Rücksprünge sind hier möglich . Doch wenn die Geologie einmal irreversibel geschädigt wurde, dann steht der ent- sprechende Standort für die sichere Lagerung des Atom- mülls über 1 Million Jahre nicht mehr zu Verfügung. Deswegen ist es so wichtig, dass potenzielle Standorte nicht für andere kurzfristige Interessen genutzt werden, sondern die Option erhalten bleibt, tatsächlich einen ge- eigneten Ort für den Atommüll zu finden. Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22643 (A) (C) (B) (D) Zwar wurden von den Bundestagsfraktionen die möglichen Ausnahmen in § 21 Absatz 2 für untertägige Nutzung – im Vergleich zum Gesetzentwurf der Bundes- regierung – weiter eingeschränkt, aber aus meiner Sicht gehen die Ausnahmen noch zu weit . Eine ganz entscheidende Verbesserung ist, dass nun das BfE laut § 21 nicht nur eine Stellungnahme zu mög- lichen Ausnahmen bei Anträgen auf untertägige Nut- zung abgeben wird, sondern in vielen Fällen sogar ein Vetorecht hat. Diesen Punkt hatte ich während der Ex- pertenanhörung im Umweltausschuss angesprochen . Ich erwarte hierdurch einen recht weitgehenden Schutz für potenzielle Endlagerstandorte . Insgesamt gibt es somit im Vergleich zur bisherigen Gesetzeslage im StandAG einige Verbesserungen. Durch die Umsetzung der Ergebnisse der Atommüll-Kommis- sion wird die neue Rechtslage insgesamt besser sein, als wenn das StandAG von 2013 weiterhin unverändert in Kraft wäre. Zu diesen Verbesserungen gehört zum Bei- spiel auch der Rechtsschutz für Bürgerinnen und Bürger und Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer . Hier- für hatten sich in der Atommüll-Kommission sowohl die Vertreter und Vertreterinnen von Bündnis 90/Die Grünen als auch der Vertreter des Bundes für Umwelt und Natur- schutz Deutschland (BUND) eingesetzt . Meine Kritik am heute abzustimmenden Gesetz, unter anderem: Für ein vergleichendes wissenschaftliches Verfahren sollten immer mindestens zwei Standorte pro Wirtsge- stein – Ton, Salz, Kristallin – mit der gleichen Erkennt- nistiefe erkundet werden . Dieses aus meiner Sicht ganz zentrale Prinzip wurde bedauerlicherweise nicht im Ge- setz festgeschrieben . Hierzu gab es schon in der Atom- müll-Kommission leider keine Einigung . Laut § 8 sei die Rolle des Nationalen Begleitgremiums (NBG) die „vermittelnde und unabhängige Begleitung“, Zweck ist, „Vertrauen in die Verfahrensdurchführung zu ermöglichen“ . Relevant dafür, dass das NBG diese Aufgabe auch erfüllen kann, sind ausreichende finanzi- elle Mittel, breite Befugnisse und echte Unabhängigkeit . Diese Rahmenbedingungen und Rechte des NBG können nur in eingeschränktem Maße gesetzlich verankert wer- den . Jedoch erwarte ich von allen Bundestagsfraktionen ein klares Bekenntnis hierzu – auch hinsichtlich der zu- künftigen Haushaltsberatungen . § 22 wurde nach der Anhörung konkretisiert und hier deutlich gemacht, dass Erkundungsmaßnahmen so geplant und durchgeführt werden müssen, „dass der einschlusswirksame Gebirgsbereich nur in dem für den erforderlichen Informationsgewinn unvermeidlichen Ausmaß verritzt und seine Integrität nicht gefährdet wird“ . Doch auch in der neuen Fassung des Gesetzes soll eine Schädigung eines Standortes, die möglicherweise durch die Erkundung entstanden ist, nicht sofort zum Ausschluss dieses Standortes führen, selbst wenn da- durch negative Einflüsse auf den Spannungszustand oder die Permeabilität des Gebirges entstanden sind . Stattdes- sen soll erst bei der vorläufigen Sicherheitsuntersuchung geprüft werden, ob ein sicherer Einschluss trotz dieser Folgen sichergestellt werden kann . Das führt dazu, dass unter Umständen ein nicht geeigneter Standort länger im Verfahren bleibt als nötig. Und dies ist aus meiner Sicht nicht zielführend . Nach sorgfältiger Abwägung all dieser Punkte werde ich mich bei der Abstimmung zum Gesetz enthalten . Dr. Anja Weisgerber (CDU/CSU): Mit der Verab- schiedung des Standortauswahlgesetzes (StandAG) im Sommer 2013 haben Bund und Länder gemeinsam die Voraussetzungen dafür geschaffen, die Suche nach einem Endlager für Wärme entwickelnde hochradioaktive Ab- fälle auf eine neue Grundlage zu stellen . Auch die auf Basis dieses Gesetzes einberufene Kommission „Lage- rung hoch radioaktiver Abfallstoffe“ und ihr am 28. Juni 2016 beschlossener Abschlussbericht mit den Empfeh- lungen für ein neues Endlagersuchverfahren waren zen- trale Meilensteine für einen zukunftsweisenden Konsens, den ich grundsätzlich mittrage . Dieser Konsens kann in meinen Augen zu einer möglichen Befriedung eines jahr- zehntelangen und die gesamte Gesellschaft beschäftigen- den Konflikts beitragen. Als Abgeordnete des Wahlkrei- ses mit dem stillgelegten Kernkraftwerk Grafenrheinfeld sehe ich es auch als wichtig an, der Region mit dem Ge- setz hinsichtlich der Endlagerung der hochradioaktiven Abfälle eine Perspektive zu geben . Nicht zuletzt war für mich ausschlaggebend, dass durch die Festlegung, das Endlager in allen drei Wirtsgesteinen zu suchen, der Standort Gorleben weiterhin Teil der Endlagersuche sein wird . Dies sind die Hauptgründe meiner Zustimmung zum StandAG-Fortentwicklungsgesetz . Kritisch sehe ich die im Gesetz vorgesehene Gleichran- gigkeit verschiedener Endlagerkonzepte in den Wirtsge- steinen Steinsalz, Ton- und Kristallingestein . Dies habe ich auch während der parlamentarischen Beratungen zum Ausdruck gebracht . Nach dem internationalen Stand von Wissenschaft und Technik kann in Steinsalz, Ton- und wohl auch in Kristallingestein ein sicheres Endlager für hochradio- aktive Abfälle für eine Million Jahre realisiert werden . Kristallingestein ist jedoch im Gegensatz zu Steinsalz und Tongestein meist geklüftet . Deshalb müssen dann geotechnische und technische Barrieren – Streckenver- füllung aus Bentonit (Ton) plus Endlagerbehälter – die Isolation der Abfälle für den langen Betrachtungszeit- raum gewährleisten . Das Konzept des einschlusswirksa- men Gebirgsbereichs (ewG), bei welchem die Geologie die Hauptlasst der Isolation der Abfälle von der Biosphä- re trägt, ist dann nicht zu realisieren . Der vorliegende Gesetzentwurf legt für die künftige Endlagersuche den hohen Anspruch der „bestmöglichen Sicherheit“ mit einem Vergleich von Standorten fest. Vor diesem Hintergrund gibt es einen maßgeblichen Unter- schied zwischen dem ewG- und dem Kristallinkonzept: Im ewG-Konzept beruhen die Aussagen der Langzeit- sicherheit maßgeblich auf der Geologie, welche viel ro- buster für 1 Million Jahre zu prognostizieren ist als für Konzepte mit geotechnischen und technischen Barrieren . Ich bin mir sicher, dass vor dem Hintergrund der „bestmöglichen Sicherheit“ nur ein Endlagerstandort Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722644 (A) (C) (B) (D) mit dem Konzept des einschlusswirksamen Gebirgsbe- reiches (ewG) sich am Ende des Endlagersuchverfahrens durchsetzen wird bzw . kein Endlagerkonzept mit maß- geblichen technischen oder geotechnischen Barrieren in Deutschland zum Einsatz kommen wird . Letztendlich wird dies dann aber nur die Durchführung des Verfahrens erbringen . Aufgrund der Klarstellung im Gesetzentwurf, dass – bei einem Behälterkonzept deutlich höhere Anfor- derungen an die Langzeitintegrität des Behälters zu stellen sind, – der Nachweis des sicheren Einschlusses der Ra- dionuklide für eine Million Jahre im Vergleich zu anderen Standorten mit dem Anspruch der „best- möglichen Sicherheit“ geführt werden muss, – der Bund nach Verabschiedung des „Gesetzes zur Neuordnung der Verantwortung der kerntechni- schen Entsorgung“ entsprechend dem Verursa- cherprinzip die Rückstellungen der Energieversor- gungsunternehmen für die atomare Zwischen- und Endlagerung übertragen bekommen hat und im Gegenzug nun für diese Aufgabe voll organisato- risch und finanziell verantwortlich ist und – aufgrund der überragenden politischen Bedeutung des überfraktionellen Konsenses stimme ich dem Gesetz dennoch zu . Dies tue ich insbe- sondere auch für die Bürgerinnen und Bürgern im Land- kreis Schweinfurt, die ein Recht auf eine verlässliche Perspektive durch eine mittelfristige Endlagerlösung haben . Anlage 4 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Europol-Gesetzes (Tagesordnungs- punkt 16) Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU): Wie kürz- lich bekannt wurde, hat es Mitte Januar in Spanien einen Schlag gegen einen riesigen Waffenhändlerring gege- ben, bei dem mehr als 10 000 Waffen sichergestellt und fünf beteiligte Personen festgenommen werden konnten . Nach Presseberichten war man dem Händlerring im Rah- men der Ermittlungen zum Anschlag auf das jüdische Museum in Brüssel im Jahr 2014 auf die Spur gekom- men . Unterstützt wurden diese Ermittlungen durch Euro- pol. Dies zeigt, wie wichtig Europol bei der Verbrechens- bekämpfung in der EU heutzutage ist . Mit der Verabschiedung der neuen Europolverord- nung im Mai vergangenen Jahres haben das Europapar- lament und der Rat dafür gesorgt, dass die Agentur noch schlagkräftiger agieren kann . Bei der Erweiterung der Rechte von Europol wurde aber nicht nur die Frage der künftigen Schlagkraft, sondern auch des Datenschutzes und der parlamentarischen Kontrolle berücksichtigt . So hat der europäische Datenschutzbeauftrage erweiterte Kontrollrechte gegenüber Europol erhalten, und auch eine parlamentarische Kontrolle ist nun vorgesehen . Die- se wird zukünftig durch ein gemeinsames Gremium der nationalen Parlamente und des europäischen Parlaments ausgeübt . An der genauen Ausgestaltung dieser neuen und mei- nes Erachtens zukunftsweisenden Zusammenarbeit der europäischen und nationalen Ebene wird derzeit fieber- haft unter Beteiligung aller europäischen Parlamente gearbeitet. Ich hoffe, dass wir bis zum Wirksamwerden der neuen Europol-Verordnung Anfang Mai hier Vollzug melden können . Um Europol die neuen Aufgaben zu ermöglichen, ist aber auch auf Ebene der Mitgliedstaaten die Umsetzung der neuen Verordnung in nationales Recht nötig. Mit dem nun vorliegenden ersten Gesetz zur Änderung des Euro- polgesetzes wird diese Umsetzungsarbeit vom Bundes- tag in Angriff genommen. Einer der wesentlichen Punkte der Änderungen, die auf EU-Ebene vorgenommen wurden ist, dass zukünftig der Kreis der Polizeibehörden, die Vollzugriff auf die Da- ten von Europol bekommen können, erweitert wird . In Deutschland soll der Bundespolizei, dem Zollfahndungs- dienst und den Polizeibehörden der Länder dieser Zugriff auf das Europolsystem und seine Datenbanken gewährt werden . Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Frage der techni- schen Umsetzung . Diese erfolgt im Gegensatz zum bis- herigen Ansatz des Europolratsbeschlusses technikneu- tral. Es wird also auf bestimmte Verarbeitungszwecke abgestellt und nicht auf bestimmte technische Systeme . Dies führt innerhalb des Europolsystems zum einen zu mehr Flexibilität, und zum anderen kann das System besser an zukünftige technische Entwicklung angepasst werden . Mit den nun zu beschließenden gesetzlichen Ände- rungen wird die polizeiliche Arbeitsebene zukünftig Zu- griff auf wichtige Erkenntnisse von Europol haben. Dies wird dazu beitragen, die tägliche Polizeiarbeit schnel- ler, erfolgreicher und effizienter zu machen. Gerade in der heutigen Zeit, in der Verbrechen und Verbrecher an Staatsgrenzen nicht mehr Halt machen – wie der ein- gangs erwähnte erfolgreiche Schlag gegen einen Waf- fenhändlerring in Spanien zeigt –, ist die effektive und schnelle Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in der EU von entscheidender Bedeutung, um den Bürgerinnen und Bürgern die Sicherheit zu bieten, die sie von ihrem Staat erwarten . Da die neue europäische Verordnung am 1. Mai dieses Jahres in Kraft treten wird, wäre es wichtig, dass wir die parlamentarischen Beratungen zügig abschließen . Damit wäre gewährleistet, dass Deutschland direkt zum Start am reformierten Europolsystem teilnehmen kann . Sowohl vonseiten der Bundesländer als auch vonsei- ten der Bundesbeauftragten für den Datenschutz wurde kein Widerstand gegen das vorliegende Gesetz geäußert . Dies ist erfreulich und sollte dazu beitragen, dass wir nun anstehende Beratungen schnell abschließen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22645 (A) (C) (B) (D) Packen wir’s an, wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern zeigen, dass Europa für uns alle einen Mehrwert hat, gerade wenn es um die Sicherheit von uns allen geht . Susanne Mittag (SPD): Kriminalität ist ein weltwei- tes Phänomen . Es macht vor keinen Grenzen Halt, ganz im Gegenteil: Kriminelle nutzen Grenzen, um sich der Verfolgung über Staatsgrenzen hinweg zu entziehen. Sie nutzen unterschiedliche Strafverfolgungs- und Ermitt- lungssysteme gezielt aus . Die organisierte Kriminalität handelt mit allem Illegalen, mit dem sich viel Geld ver- dienen lässt: Menschen, Drogen, Waffen, Kunstgegen- ständen aus Raubgrabungen . Hochwertige Fahrzeuge stehen gerade hoch im Kurs . Oder es sind mobile Banden, die Wohnungseinbrüche begehen oder alte Menschen mit dem sogenannten Enkeltrick betrügen . Sie schlagen mal in Holland, mal entlang der A2 zu, um sich dann weiter in den Osten zu bewegen; ein großer Teil ist in drei Ländern unterwegs . Deshalb ist es vollkommen richtig und wichtig, dass auch die Polizeien sich besser international vernetzen . Innerhalb der Europäischen Union wurde dafür schon 1999 das Europäische Polizeiamt mit Sitz in Den Haag gegründet . Europol, wie das Polizeiamt auch kurz ge- nannt wird, hilft den nationalen – also auch deutschen – Strafverfolgungsbehörden bei der Bekämpfung schwerer internationaler Kriminalität und von Terrorismus . Beides gehört mehr und mehr zusammen . Aber zum Beispiel auch Subventionsbetrug, Kriegs- verbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gehören jetzt zu den Aufgabengebieten von Europol . Eu- ropol fungiert als Knotenpunkt für den Informationsaus- tausch zwischen den nationalen Polizeien zu kriminellen Aktivitäten innerhalb der EU und erstellt gemeinsame Ermittlungsgruppen . Aber Europol dient nicht nur zur Informationsvertei- lung, sondern bereitet aus den zur Verfügung gestellten Daten Analysen zu unterschiedlichen Kriminalitätsberei- chen auf . In Den Haag ist also ein Kompetenzzentrum mit aus den Mitgliedstaaten entsandten Polizisten ent- standen . Hier können durch die internationale Vernetzung ganzheitliche Analysen unterschiedlicher Phänomenbe- reiche erarbeitet und den Polizeibehörden zur Verfügung gestellt werden: zum Ermitteln, Verhaften und Werte-Si- chern . Beispielhaft für solch eine Analyse möchte ich hier nur kurz den SOCTA-Bericht 2017, der Anfang des Mo- nats erschienen ist, nennen . In diesem Bericht beleuch- tet Europol die schwere und organisierte Kriminalität in Europa . In der EU werden derzeit rund 5 000 bekann- te Gruppen der OK in Ermittlungen überprüft . Eine OK-Gruppe besteht dabei aus drei und mehr Personen, die über eine bestimmte Zeitspanne zusammenarbeitet, um Gewinne aus Straftaten zu erzielen . Rund 76 Prozent dieser Gruppen haben sechs und mehr Mitglieder, sind meist hierarchisch organisiert und arbeiten nur bedingt deliktsbezogen, das heißt umgangssprachlich: klauen, was bestellt wird. Vor allem die Bereiche des illegalen Warenhandels im Internet, Drogen, Menschenschmuggel und Menschenhandel sowie organisierte Eigentumsde- likte sind Hauptbetätigungsfelder der OK . Die organisierte Kriminalität gefährdet aber nicht nur mit ihren Taten die Sicherheit in unserer Gesellschaft, und zwar alle, Arm und Reich, nein, Terroristen nehmen gerne Dienstleistungen von OK-Gruppen, wie zum Bei- spiel den Menschenschmuggel, Dokumentenfälschungen oder illegalen Waffenhandel, in Anspruch, um so mög- lichst unter dem Radar der Sicherheitsbehörden einreisen zu können bzw . ihre Taten vorzubereiten . Um auch hier wirkungsvoll ansetzen zu können, brau- chen wir eine verbesserte internationale Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden . Dafür brauchen wir ein gut aufgestelltes Europäisches Polizeiamt Europol und einen modernen Rechtsrahmen, in dem Europol agieren kann . Das ist die sogenannte Europol-Verordnung. Die Verordnung, die im Mai vergangenen Jahres vom Europäischen Parlament und vom Rat beschlossen wur- de, war ein hartes Stück Arbeit für die Kolleginnen und Kollegen des Europäischen Parlamentes . Auch der Bun- destag hat sich eingehend damit befasst. Die zehn Ver- handlungsrunden im Trilog zeugen davon, dass hier sehr ausdauernd an sinnvollen Lösungen gearbeitet wurde . Ich denke, es hat sich gelohnt . Europol hat nun eine parlamentarische Kontrolle, be- stehend aus Vertretern der nationalen Parlamente und dem zuständigen LIBE- Ausschuss im EP, erhalten . Das ist wichtig . Denn durch eine starke parlamentarische Kontrolle entsteht auch die Legitimität und Akzeptanz in den einzelnen Ländern, die eine EU-Polizeibehörde für ihre Arbeit braucht . Nun ist die Verordnung beschlossen und tritt am 1 . Mai 2018 in Kraft . Wir müssen jetzt kleinere, zuweilen eher redaktionelle Änderungen an unserem Europol-Ge- setz vornehmen, um es an die Verordnung anzupassen. Endlich sollen auch die Bundespolizei, der Zollfahn- dungsdienst und die Länderpolizeien direkten Zugriff auf operative Analysedateien bei Europol erhalten . Oftmals müssen die Erkenntnisse schnell erlangt werden . Der veraltete „Dienstweg“ wurde mit der Europol-Verord- nung modifiziert. Wo mit Daten, besonders mit so sensiblen wie Per- sonendaten gearbeitet wird, muss es eine aktuelle und rechtssichere Datenschutzsystematik geben . Deshalb wurde auch der Europäische Datenschutzbeauftragte, der zuständig für die Kontrolle von Europol ist, darauf fest- gelegt, dass er mit den nationalen Kontrollbehörden für den Datenschutz eng zusammenarbeiten muss . Hierfür wurde nach zähem Ringen der Beirat für die Zusammen- arbeit gegründet, der sich aus je einem Vertreter der Kon- trollbehörden der Mitgliedstaaten und dem Europäischen Beauftragten für den Datenschutz zusammensetzt . Die spannende Frage bei Kontrollen ist aber doch immer: Wer benennt denn den Kontrolleur? Eigent- lich logisch, dass im Entwurf das Ernennungsrecht des deutschen Vertreters bei der Beauftragten für den Daten- schutz und die Informationsfreiheit liegt . Wo sonst? Die sogenannte BfDI ist ja auch in Deutschland die unabhän- gige Kontrollinstanz im Bereich des Datenschutzes . Des- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722646 (A) (C) (B) (D) halb ist es gut, diese Systematik auch beim Beirat für die Zusammenarbeit für Europol beizubehalten . Insgesamt halte ich den Entwurf für einen wichtigen Schritt zur Bekämpfung der OK und bin gespannt auf die parlamentarischen Beratungen . Ulla Jelpke (DIE LINKE): Die Bundesregierung will das Europol-Gesetz umschreiben, um es an die verän- derte europäische Rechtslage anzupassen . Anlass ist die im vorigen Jahr erfolgte Ersetzung des früheren Euro- pol-Ratsbeschlusses durch die Europol-Verordnung, die jetzt ihren Niederschlag in einem deutschen Gesetz fin- den soll . Die Linke wird diesem Gesetz die Zustimmung ver- weigern, genau wie es unsere Schwesterfraktion im Eu- roparlament gemacht hat. Denn die Europol-Verordnung ist ein Schritt auf dem Weg zu einer Art Super-Polizeibe- hörde, die immer mehr Kompetenzen erhält, ohne dass die Kontrollbefugnisse von Parlamenten und Datenschüt- zern damit Schritt halten . Die Bürgerrechte, insbesondere das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, bleiben dabei auf der Strecke . Sicherlich ist die Koordination europäischer Polizei- behörden wichtig, damit sich Kriminelle nicht einfach dem Zugriff entziehen können, indem sie sich in ein anderes Mitgliedsland absetzen . Es muss aber klare Zu- ständigkeiten und Kontrollbefugnisse geben, und daran mangelt es leider . Europol hat in den letzten Jahren erheblich aufgerüs- tet . Die Behörde verfügt jetzt beispielsweise über eine sogenannte Meldestelle für Internetinhalte, die gewalt- verherrlichende Seiten aufspüren und ihre Löschung veranlassen soll . Die Kriterien dafür bleiben, wie so vie- les bei Europol, im Unklaren . So geht diese Meldestelle mittlerweile auch gegen Facebook-Gruppen professio- neller Schleusernetzwerke vor, was letztlich dazu führen wird, dass die Fluchtwege noch gefährlicher werden . Sie darf zudem von privaten Konzernen wie Google, Face- book, Twitter usw . die Nutzerdaten anfordern und so ei- nen gigantischen Datenberg anhäufen . Unklar bleibt auch, was genau das von Europol An- fang 2016 eingerichtete Europäische Zentrum für Ter- rorismusbekämpfung macht . Europol-Direktor Rob Wainwright bezeichnete das Zentrum im Januar 2017 als „Meilenstein im Kampf gegen den Terrorismus“; der In- formationsaustausch zwischen den europäischen Polizei- behörden habe erheblich zugenommen . – Das glaube ich gerne, aber ich kann darin nicht nur einen Vorteil sehen, sondern ich sehe auch eine Bedrohung für die Bürger- rechte, wenn es keine effektive Kontrolle darüber gibt, welche Art von Daten hier auf welcher Grundlage ausge- tauscht werden . Deswegen ist es äußerst bedenklich, wenn die Euro- pol-Verordnung festschreibt, dass die nationalen Polizei- behörden Europol „alle nötigen Informationen“ für die Terrorbekämpfung zukommen lassen sollen . Dem Gesetz zufolge sollen die Polizeibehörden der Bundesländer selbst Europol zuarbeiten und auch von dort Daten abru- fen können . Da muss doch wenigstens geklärt sein: Wer definiert, was Terrorbekämpfung ist, wer definiert, was die nötigen Informationen sind, und – nicht zuletzt – wer prüft nach, was mit diesen Informationen passiert und an wen sie schlussendlich weitergegeben werden? Das alles ist völlig unklar . Europol wird zur Blackbox, die für nie- manden kontrollierbar ist . Das gilt noch mehr für den angestrebten Datenaus- tausch mit Geheimdiensten . In mehreren Mitgliedstaa- ten gibt es schon eine institutionalisierte Zusammenar- beit zwischen Polizei- und Geheimdienstbehörden, in Deutschland etwa im Gemeinsamen Terrorabwehrzent- rum und dem Gemeinsamen Extremismus- und Terroris- musabwehrzentrum. Voriges Jahr schlug die Europäische Kommission nun vor, ebenfalls ein „Drehkreuz für den Informationsaustausch“ zwischen europäischen Polizei- und Geheimdienstbehörden einzurichten, wobei Europol wiederum eine zentrale Rolle erhalten soll . Die Linke lehnt diese gemeinsamen Zentren in Deutschland ab, weil sie das Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten unterlaufen . Sie ermöglichen es Polizeibehörden, an Informationen zu gelangen, an die sie nach eigenem Recht gar nicht gelangen könnten, und umgekehrt . Dieses Prinzip darf nicht auch noch auf die ganze EU ausgedehnt werden . Denn natürlich operieren diese Zentren quasi in einem rechtsfreien Raum und sind weder durch nationale Parlamente zu kontrollieren noch durch das Europaparlament . Auf diese Weise könnten etwa deutsche Polizei- und Geheimdienstbehörden die Beschränkungen des Informationsaustauschs, die ihnen deutsches Recht auferlegt, klammheimlich und unbe- merkt hintergehen . Die Entwicklung von Europol geht damit in die fal- sche Richtung . Internationaler polizeilicher Datenaus- tausch muss konkret dem Kampf gegen Kriminalität dienen und darf nicht zum Selbstzweck werden . Er muss zudem einer parlamentarischen und soweit wie möglich auch öffentlichen Kontrolle unterliegen. Dieser enge Rahmen wird hier eindeutig verlassen . Die Zweckbin- dung erhobener Daten, der Respekt vor der informati- onellen Selbstbestimmung, das Prinzip der Trennung polizeilicher und geheimdienstlicher Arbeit, all das wird für hinfällig erklärt . Europol wird Schritt für Schritt zum unkontrollierbaren Datenkraken aufgebaut . Das gibt den Einwohnerinnen und Einwohnern der Europäischen Uni- on nicht mehr Sicherheit, sondern es nimmt ihnen Frei- heitsrechte . Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der vorliegende Gesetzentwurf reagiert auf die im Mai 2016 beschlossene neue Verordnung 2016/794 des Europä- ischen Parlaments und des Rates zu Europol und be- schränkt sich im Wesentlichen darauf, die nach der Ver- ordnung zwingend vorgegebenen nationalen Regelungen zu schaffen. Europol hat dabei weiterhin in erster Linie die Auf- gabe, die Tätigkeit der zuständigen Behörden der Mit- gliedstaaten zu stärken sowie deren Zusammenarbeit bei der Prävention und Bekämpfung von organisierter Kriminalität, Terrorismus und anderen Formen schwerer Kriminalität zu unterstützen . Dabei steht die eigene Da- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22647 (A) (C) (B) (D) tenverarbeitung durch Europol sowie die Weitergabe von Informationen und Analysen an nationale Behörden im Zentrum . Ein wesentlicher Punkt dabei ist aber, dass die Abfra- gen nationaler Behörden künftig nicht mehr durch das jeweilige Verbindungsbüro, sondern direkt durch die jeweilige nationale Polizeibehörde erfolgen sollen . Ein solcher Schritt war ja zu erwarten . Ob dadurch aber eine bessere Nutzung der Systeme durch die Mitgliedstaaten erreicht wird, wird man erst in der Praxis sehen können . Neu ist aber auch, dass nationalen Behörden dabei nun auch der Zugang zu Daten eröffnet wird, die bei Euro- pol bisher nur zu Analysezwecken verarbeitet werden . In diesem Zusammenhang besonders wichtig ist daher, dass der europäische Gesetzgeber dem Thema Datenschutz erhebliches Gewicht beimisst . So wurde ein ganz neues Kapitel der Verordnung allein den Datenschutzgarantien gewidmet . Die Verordnung nimmt außerdem stärker alle Krimi- nalitätsformen in den Blick, die durch die Nutzung des Internets erleichtert, gefördert oder begangen werden, und die Herausforderungen, die sich daraus für die po- lizeiliche Arbeit ergeben . In diesem Zusammenhang de- finiert die Verordnung eine völlig neue Aufgabe: Euro- pol soll zukünftig in Kontakt zu privaten Anbietern von Onlinediensten treten, damit diese auf freiwilliger Basis die Vereinbarkeit bestimmter Inhalte mit ihren jeweiligen Geschäftsbedingungen überprüfen und gegebenenfalls Inhalte oder Links löschen . Die Regelung müssen wir uns sehr genau anschauen, da hier eine Datenweitergabe von einer nationalen Poli- zeibehörde – also beispielsweise der Bundespolizei – an Europol und von Europol an den privaten Betreiber eines Onlinedienstes – also beispielsweise Facebook – erfolgt, und das ist nach meiner Einschätzung etwas, das ein nationaler Gesetzgeber explizit regeln sollte . Immerhin wird hier eine private Stelle in die Erfüllung öffentlicher Aufgaben einbezogen . Die dadurch ausgelösten Restrik- tionen können durchaus grundrechtsrelevant sein oder Grundrechtseingriffen jedenfalls sehr nahe kommen. Der vorliegende Gesetzentwurf greift diese Fragen jedoch nicht auf . Geeignete nationale Regeln wären hier aber besonders wichtig, um ein rechtsstaatliches Verfahren sicherzustel- len . Immerhin ist davon auszugehen, dass die Folge der Übermittlung polizeilicher Daten in aller Regel eine Lö- schung oder Sperrung sein wird, wobei auch die Auswir- kungen auf den Rechtsweg beziehungsweise den Rechts- schutz der Betroffenen sehr schwer wiegen können. Vor allem ist es aber eine Grundsatzentscheidung, wie Private in die Erfüllung von Sicherheitsaufgaben ein- gebunden werden sollen . Ich verweise hier nur auf die Diskussion, die wir gerade zur Erweiterung der privaten Videoüberwachung führen. In der Anhörung zu dem ent- sprechenden Gesetzentwurf wurde vonseiten der Sach- verständigen schließlich auch auf die engen datenschutz- rechtlichen Grenzen hingewiesen . Aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit, aber auch im In- teresse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit wäre es im Übrigen dringend angezeigt, weitere Regelungen in den Gesetzentwurf aufzunehmen . Wesentliche Ansätze hinsichtlich der Frage der Zweckbindung polizeilicher Daten hat zum Beispiel die Anhörung zum BKA-Gesetz geliefert, die man auch hier aufgreifen könnte . Dazu ist es jedoch notwendig, Anhörungen nicht nur durchzu- führen, sondern die Stellungnahmen der Experten auch tatsächlich in das Gesetzgebungsverfahren einfließen zu lassen . Und auch das zeigt der vorliegende Gesetzentwurf deutlich: Europol braucht schon allein aufgrund der Mas- se an polizeilichen Daten, die dort zukünftig zusammen- laufen sollen, eine bessere parlamentarische Kontrolle . Als nationales Parlament sollten wir daher unseren ge- samten Einfluss geltend machen, das zu gewährleisten. Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister des Innern: In der Sicherheitsarchitektur der Europäischen Union nimmt Europol mittlerweile eine zentrale Rolle beim gemeinsamen Informationsaus- tausch und der Zusammenarbeit der Polizeibehörden der Mitgliedstaaten ein . Am Sitz von Europol in Den Haag arbeiten mittler- weile über 1 000 Personen . Der Haushalt von Europol beträgt mehr als 100 Millionen Euro im Jahr . Insbesondere im Bereich der Terrorismusbekämpfung hat Europol in den vergangenen zwei Jahren bedeutende Fortschritte erzielt . Hervorzuheben sind etwa die Ein- richtung eines Europäischen Zentrums zur Terrorismus- bekämpfung und die EU-Internet-Meldestelle . Ein weiterer bedeutender Baustein in dieser Entwick- lung war im Mai vergangenen Jahres die Verabschiedung einer neuen Rechtsgrundlage für Europol . Durch die neue Europol-Verordnung (EU) 2016/794 werden die Arbeitsfähigkeit von Europol gestärkt und die bestehenden hohen Schutzstandards gewahrt . Lassen Sie mich nur drei Beispiele herausgreifen: Die Zuständigkeit von Europol wird auf weitere Kri- minalitätsformen erstreckt, darunter der sexuelle Miss- brauch von Kindern, schwerer Diebstahl sowie Völker- mord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Europol erhält mehr Flexibilität bei der Ausgestaltung seiner IT-Strukturen, indem technikneutral auf bestimm- te Verarbeitungszwecke abgestellt wird, anstatt einzelne IT-Systeme durchzuregeln . Schließlich wird der Informationsaustausch mit den Mitgliedstaaten, mit Drittparteien und in eng umgrenzten Fällen auch privaten Parteien erweitert . Zugleich sind die datenschutzrechtlichen Vorkehrun- gen bei Europol ausgeweitet worden . Der Europäische Datenschutzbeauftragte erhält erweiterte Befugnisse und kann insbesondere Anordnungen und Untersagungen mit Blick auf Verarbeitungsvorgänge aussprechen. Zudem ist erstmals bei einer EU-Agentur eine parlamentarische Kontrolle durch das Europäische Parlament unter Betei- ligung der nationalen Parlamente vorgesehen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722648 (A) (C) (B) (D) Gegenstand des vorliegenden Gesetzentwurfs ist die Anpassung der Vorschriften des Europol-Gesetzes an die neue Europol-Verordnung. Die Verweise im Europol-Gesetz auf den Euro- pol-Ratsbeschluss sollen an die entsprechenden Vor- schriften der Europol-Verordnung angepasst werden. Soweit im Europol-Gesetz einzelne IT-Systeme von Europol, wie das Europol-Informationssystem, genannt oder vorausgesetzt werden, soll eine Anpassung an die neue zweckorientierte Verarbeitung nach der Euro- pol-Verordnung erfolgen. Die Europol-Verordnung räumt den Mitgliedstaaten einen erweiterten Zugang zu Analysedaten bei Europol ein . Bislang erhalten die Mitgliedstaaten die sie betref- fenden Analyseberichte . Nunmehr sind die Mitglied- staaten befugt, auf thematische und strategische Analy- sedaten und im Treffer/Kein-Treffer-Verfahren auch auf operative Analysedaten zuzugreifen . Der Gesetzentwurf sieht insoweit vor, den Zugang den Behörden einzuräumen, welche derzeit bereits das Euro- pol-Informationssystem nutzen . Durch den Wechsel der Datenschutzaufsicht bei Euro- pol hin zum Europäischen Datenschutzbeauftragten be- darf es einer Anpassung der Entsendung von Vertretern der nationalen Datenschutzaufsicht in die entsprechen- den Gremien . Ferner sollen die Vorschriften zur Erstattungspflicht bei Schäden aus widerrechtlicher Datenverarbeitung an- gepasst werden . Die Ausgestaltung der eben erwähnten parlamentari- schen Kontrolle von Europol unter Beteiligung der na- tionalen Parlamente überlässt die Europol-Verordnung zuständigkeitshalber der interparlamentarischen Verstän- digung . Im weiteren Verfahren im Bundestag soll rechtsförm- lich eine Anpassung der Verweise an den Entwurf eines Gesetzes zur Neustrukturierung des Bundeskriminalamt- gesetzes erfolgen . Hierfür hat sich auch der Bundesrat ausgesprochen . Anlage 5 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Än- derung des Energiesteuer- und des Stromsteuerge- setzes (Tagesordnungspunkt 17) Norbert Schindler (CDU/CSU): Wir befassen uns heute erstmalig mit dem Gesetzentwurf der Bundesre- gierung zur Änderung des Energiesteuer- und Stromsteu- ergesetzes, die zwingend notwendig ist, um Vorgaben des Rechts der Europäischen Union in nationales Recht umzusetzen . Darüber müssen auch Entscheidungen der EU-Kommission und des EuGH in die Regelungen des Energiesteuer- und Stromsteuergesetzes eingearbeitet werden . In erster Linie dient das Gesetz jedoch der Umset- zung des Auftrages des Deutschen Bundestages aus dem Sommer 2015, die Steuerbegünstigungen für gasförmige Kraftstoffe – Erdgas und Autogas –, die Ende des Jah- res 2018 auslaufen, zu überprüfen, mit dem Ziel, diese zu verlängern . Dies ist mit dem Gesetzentwurf auch zum Teil gelungen . Ich bin sehr froh, dass es der Bundesregierung gelun- gen ist, den Gesetzentwurf nach fast einem Jahr Ressort- abstimmung endlich in den Deutschen Bundestag einge- bracht zu haben. Denn dieser schafft endlich Rechts- und Planungssicherheit im nationalen Recht und enthält teil- weise gute, schlanke Lösungen, die wir im Energiesteu- errecht nicht immer gewohnt waren und sind . Den inhaltlichen Schwerpunkt bilden Maßnahmen, um nationale Steuerbegünstigungen im Energie- und Stromsteuerbereich an das im Jahr 2014 novellierte EU-Beihilferecht und die EU-Energiesteuer-Richtlinie anzupassen . Für den Bereich der Elektromobilität wird das Stromsteuergesetz so angepasst, dass Befreiungen und Ermäßigungen insbesondere für den öffentlichen Nahverkehr zukünftig möglich sein werden . Des Weiteren werden bisherige Ausnahmen – die als Beihilfe problematisch sein können – abgebaut, zum Beispiel bei KWK-Anlagen oder beim sogenannten Her- stellerprivileg, jedoch ist die ursprünglich vorgesehene Entflechtung von KWK-Ausnahmen und EEG-Förde- rung durch Einführung der sogenannten Kumulierungs- höchstgrenze nicht mehr Bestandteil des Gesetzentwurfs . Andererseits müssen jetzt die Fördertatbestände im Ener- giesteuerrecht auf die Fördertatbestände des EEG bzw . KWK oder anderer Förderungen von Bund, Ländern und Kommunen einzeln aufeinander justiert werden, um den europarechtlichen Anforderungen entsprechen zu kön- nen . Der Gesetzentwurf enthält zudem Verfahrensverein- fachungen und Regelungen zum Abbau der Bürokratie und schafft die Ermächtigungsgrundlage für eine elektro- nische Kommunikation zwischen den Wirtschaftsbetei- ligten und der Verwaltung im Energie- und Stromsteu- erbereich. Hoffen wir, dass diese dann auch reibungslos funktioniert . Doch dazu später . Wie zuvor angesprochen, ist zudem eine Verlängerung der Steuerbegünstigung für als Kraftstoff verwendetes Erdgas (CNG/ LNG) über das Jahr 2018 bis Ende 2026 – abschmelzend ab 2024 – enthalten . Damit ist ein Teil der Forderungen des von den Koalitionsfraktionen initiier- ten Antrags vom Sommer 2015 umgesetzt worden, auch dank Unterstützung von Bundesminister Dobrindt, des- sen Ressort die Steuerausfälle übernimmt . Über den anderen Teil des Antrages – Verlängerung der Steuerbegünstigung für Autogas (LPG) – ist noch zu debattieren . Sowohl im Koalitionsvertrag als auch im Antrag der Koalitionsfraktionen haben wir uns für eine Verlängerung über 2018 hinaus ausgesprochen. Die Ar- gumente für und wider sind schon vielfach ausgetauscht . Ich möchte hier aber nochmals drei Fakten besonders he- rausstellen: Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22649 (A) (C) (B) (D) Erstens . Auch bei dem schon jetzt im Gesetz vorge- sehenen Normalsteuersatz – ohne Steuerermäßigung – bleibt der Einsatz von Autogas gegenüber anderen Ener- gieträgern im Kraftfahrzeugbereich weiter vorteilhaft . Zweitens . Im Gegensatz zu Erdgas wird Autogas schon seit vielen Jahren steuerlich gefördert . Dies spie- gelt sich auch im Tankstellennetz wider, das bei Erdgas in dieser Größenordnung nicht existiert und erst noch aufgebaut werden muss . Drittens . Autogas ist mehr oder weniger ein Ab- fallprodukt aus den Raffinerien, das meines Erachtens durchaus zu einem niedrigeren Preis angeboten werden könnte; hier sehe ich auch die Hersteller in der Pflicht. Eine Steueranpassung könnte von diesen zum Teil abge- federt werden . Trotzdem wäre ein abrupter Ausstieg aus der Förde- rung kein gutes Signal für die Wirtschaftsbeteiligten, seien es LPG-Autobesitzer, Umrüstbetriebe, Tankstel- lenpächter oder die Mineralölindustrie . Deshalb werden wir in den weiteren Beratungen abwägen müssen, was wir diesen abverlangen können und wie wir andererseits die Einnahmen aus der Energiesteuer verstetigen können . Ich plädiere hier offen für eine stufenweise Abschmel- zung der Steuervergünstigungen . Durch die Gesetzesnovelle entfallen zudem eine Viel- zahl von Einzelgenehmigungsanträgen bei der KOM, zum Beispiel bei der Steuerentlastung für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft . So kann die Praxis der teil- weisen Steuererstattung für „Agrardiesel“ und „Bioag- rardiesel“ bis zum Auslaufen der Freistellungsanzeige bei der KOM weitergeführt werden . Auch hierzu muss ich noch ins Detail gehen . Kritisch betrachtet werden muss die Streichung des § 60 EnergStG: Die Streichung ist europarechtlichen Be- denken geschuldet, da die Regelung nur für mittelstän- dische Unternehmen zur Anwendung kommt und damit selektiv wirkt – Beihilfe . Auf den Inhalt möchte ich gar nicht eingehen; ich teile die Bedenken nicht und setze mich für eine Beibehaltung dieser Regelung ein . Weitere Kritikpunkte am ansonsten gelungenen Ge- setzentwurf: Einige Regelungen sind nach EU-Recht nicht zwingend und schießen somit über das Ziel der Eins-zu-eins-Umsetzung der Energiesteuerrichtlinie hi- naus . Andere berechtigte Forderungen, wie die Gleich- stellung der Industriegaseproduktion mit anderem produ- zierenden Gewerbe, werden nicht berücksichtigt . Auch hier halte ich Nachbesserungen für notwendig . Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Bundes- finanzministerium bei der Anpassung des Energie- und Stromsteuergesetzes an neues EU-Recht und an die Rechtsprechung nunmehr fast durchgängig vernünftige und praktikable Lösungen gefunden hat . Auch wenn da- bei teilweise die so beliebte Einzelfallgerechtigkeit leidet, so teile ich die Priorität des Gesetzentwurfes: möglichst viel Bürokratieabbau, auch im Verhältnis zur KOM. Die bisher dauernd notwendigen Notifizierungen bei der KOM, beim Agrardiesel beispielsweise ein Riesen- aufwand für ein halbes Kalenderjahr bis 30 . Juni 2017, entfallen, und so haben wir hoffentlich für ein paar Jahre Rechtssicherheit und Klarheit im Verwaltungshandeln. Bürokratieabbau im Verhältnis zur EU darf aber nicht zu weiterem Bürokratieaufbau bei den Bürgern führen . Wenn im Vorgriff auf dieses Gesetz nun für die Bean- tragung der Steuerrückerstattung für Agrardiesel zu den schon bestehenden und schwer zu verstehenden Antrags- formularen drei neue eingeführt werden, so widerspricht dies dem Sinn des Gesetzes . Deshalb, liebes BMF, liebe Generalzolldirektion: Geht in euch und schafft auch im Verhältnis zu den Antragstellern den schlanken Staat. Dass es uns mithilfe von Bundesminister Schmidt gelungen ist, die Steuerermäßigung für Biodiesel zur Verwendung in der Landwirtschaft beizubehalten, freut mich als Landwirt und Vertreter der Biokraftstoffbranche ganz besonders, da in diesem Bereich unsere Landwirte gleichzeitig Hersteller und Verwender sind. So kann eine kleine, regionale Kreislaufwirtschaft aussehen, die die landwirtschaftlichen Betriebe stärkt . Abschließend wünsche ich uns gute Beratungen des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes, mit einem Ergebnis, mit dem sowohl der Fiskus als auch die von der Besteuerung Be- troffenen gut leben können. Wir Parlamentarier gehen jetzt die Fragestellungen an, und seien Sie gewiss, auch bei diesem Gesetzentwurf gilt das „erste Struck’sche Ge- setz“: „Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist .“ Christian Petry (SPD): „Was lange währt, wird endlich gut!“ – Mit diesen Worten kann man den Wer- degang des vorliegenden Gesetzentwurfs zur Änderung des Stromsteuer- und Energiesteuergesetzes treffend zu- sammenfassen . Ursprünglicher Kern dieser Gesetzesinitiative war die im Koalitionsvertrag von SPD und Union festgelegte Verlängerung der energiesteuerrechtlichen Ausnahmetat- bestände für Erdgas und Autogas . Nun wurde der Koaliti- onsvertrag bekanntlich schon im Jahr 2013 ausgehandelt . Dass wir erst kurz vor dem Ende der Legislaturperiode dieses Vorhaben umsetzen, ist schade. Schließlich hat der Deutsche Bundestag bereits im Sommer 2015 die Bundesregierung zur Vorlage eines entsprechenden Ge- setzentwurfs aufgefordert . Nach einer langwierigen Res- sortabstimmung liegt nun also der Entwurf vor und wir starten mit dem parlamentarischen Verfahren. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich einige Punk- te loben, die sich vom ersten Referentenentwurf bis zum Kabinettsbeschluss geändert haben . Eine wesentliche Änderung betrifft das zunächst im Entwurf enthaltene allgemeine Kumulierungsverbot von Steuerbegünstigungen mit anderen Beihilfen . Hier hat das Bundeswirtschaftsministerium hart verhandelt und schlussendlich eine Streichung dieses Kumulierungsver- bots bewirkt . Darüber hinaus wurde im Rahmen der Ressortabstim- mung die vom BMF geplante Streichung der Steuerent- lastung für die Stromerzeugung in kleinen Anlagen nicht übernommen . Das ist ein wichtiger Erfolg des Bundes- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722650 (A) (C) (B) (D) wirtschaftsministeriums . Die ursprünglich geplante Neu- fassung des § 9 StromStG wird im aktuellen Gesetzes- vorhaben nicht weiterverfolgt . Neben diesen positiven Punkten möchte ich aber auch auf ein großes Manko des Gesetzentwurfs hinweisen: Der Entwurf der Bundesregierung enthält einen klaren Verstoß gegen den Koalitionsvertrag. Im Koalitionsver- trag haben wir uns schließlich auf eine Weiterförderung von Erdgas und Autogas verständigt . Der Regierungsent- wurf nimmt das Autogas jedoch komplett von der Wei- terförderung aus . Es ist daher nicht überraschend, dass ich an dieser Stelle das oft zitierte Struck’sche Gesetz bemühe: „Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es ein- gebracht worden ist .“ Es gibt gute Gründe dafür, sowohl das Erdgas als auch das Autogas über das Jahr 2018 hinaus weiter zu fördern . Eine Schlüsselrolle bei der Reduzierung der Treib- hausgasemissionen kommt dem Verkehrssektor zu. Da- bei spielen Erdgas und Autogas eine entscheidende Rol- le: Beide Kraftstoffe emittieren im Vergleich zu fossilen Benzin-Kraftstoffen deutlich weniger CO2 . Dabei gibt es aktuell circa 500 000 Pkw in Deutsch- land, die mit Autogas betrieben werden, beim Erdgas sind es etwa 80 000 Fahrzeuge. Beide Kraftstoffe sind damit noch eine Nischentechnologie, die es auch weiter- hin zu fördern gilt . Für mich geht es dabei auch um das Einhalten politi- scher Versprechen. Die Halter der 500 000 Autogas-Pkw haben sich darauf verlassen, dass das Autogas auch über 2018 hinaus gefördert wird . Ich finde es in diesem Zusammenhang übrigens rich- tig, zwischen Erdgas und Autogas zu differenzieren. Beim Erdgas gibt es eine regenerative Komponente, und die Marktdurchdringung ist noch deutlich schwächer als beim Autogas. Dies sollten wir bei einer Verlängerung der steuerlichen Ausnahmetatbestände berücksichtigen . Über genaue Förderzeiträume werden wir im anste- henden parlamentarischen Verfahren in Ruhe beraten. Auch weitere Punkte im Energie- und Stromsteuerrecht, die vom Gesetzentwurf betroffen sind, werden wir uns anschauen und dort, wo nötig, ändern . In diesem Sinne freue ich mich auf die Beratungen im Finanzausschuss . Glück auf! Andreas Rimkus (SPD): Ich spreche ja regelmäßig vor Ihnen zum Thema Reduktion von Emissionen im Verkehr. Auch der vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet Maßnahmen, die wichtige Meilensteine auf dem Weg zur Energiewende im Verkehr sind. Die Klimaziele sind klar: Bis 2050 wollen wir eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent gegenüber 1990 erreichen . Sektorenübergrei- fend sollen CO2-Emissionen bis 2020 um mindestens 40 Prozent gesenkt werden. Dies schaffen wir jedoch nur, wenn wir beim Ausbau der erneuerbaren Energien voran- kommen und die Energieeffizienz steigern. Um diese Ziele jedoch zu erreichen, müssen wir auch im Verkehrssektor besser werden. Der von Barbara Hendricks vorgelegte Klimaschutzplan gibt uns kla- re Hausaufgaben. Er mahnt uns, im Verkehrsbereich 10 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente einzusparen . Das setzt uns unter enormen Handlungsdruck, doch diese He- rausforderung nehme ich gerne an . Mit diesem Gesetz bekennen wir uns zu den genann- ten Zielen und wollen die Steuerbegünstigung für Erdgas (CNG/LNG) über das Jahr 2018 hinaus verlängern . So soll nach dem aktuellen Entwurf eine Verlängerung bis Ende 2026 beschlossen werden, wobei die Begünstigung ab 2024 schrittweise verringert werden soll . Ausgenom- men von der Verlängerung ist nach dem Kabinettsent- wurf Autogas . Hierzu wird es noch weitere Beratungen geben, da sich die Koalitionsfraktionen im Koalitions- vertrag und auch der Bundestag in einem Antrag auf eine Verlängerung sowohl von Erd- als auch Flüssiggas ver- ständigt haben . Dies schließt die Laufzeit und die Höhe der Steuervergünstigung ein . Kern unserer Politik sollte es sein, vor allen Dingen die Technologien zu fördern, die im Zuge der Kraftstoffwende – hin zu erneuerbaren Kraftstoffen, wie EE-Strom, EE-Wasserstoff oder EE- Gas – Integrationsmöglichkeiten bieten . Deshalb ist es auch folgerichtig, wenn wir Autogas, das vor allen Din- gen auch hilft, die NOx-Werte in unseren Städten zu re- duzieren, über 2018 hinaus fördern . Erfreulich ist, dass wir bei Autogas schon eine gute Marktdurchdringung haben, die bereits jetzt auf unseren Straßen hilft, Emissi- onen zu reduzieren . Mit überschaubaren Kosten zur Um- rüstung bietet Autogas die Möglichkeit für Menschen, die sonst nicht das nötige Kleingeld haben, sich neue, emissionsarme Technologien anzuschaffen, ihren Beitrag zur Energiewende zu leisten . Daneben sieht der Gesetzentwurf vor, Steuerbe- günstigungen bei der Energie- und Stromsteuer an das EU-Beihilferecht und die EU-Energiesteuerrichtlinie anzupassen . Auch bei der Förderung des ökologischen ÖPNV setzen wir Akzente und stellen Elektrofahrzeuge, die im öffentlichen Personennahverkehr eingesetzt wer- den, künftig steuerlich mit Oberleitungsomnibussen und Schienenbahnen gleich . Ich finde, das klingt nach einem Strauß guter Nach- richten, und glaube, dass wir damit den Weg in die richti- ge Richtung einschlagen . Herbert Behrens (DIE LINKE): Die Automobilin- dustrie bringt Autos auf den Markt, die erheblich drecki- ger sind als angegeben . Es wird getrickst und getäuscht, um Marktanteile und Profite zu sichern. Die Menschen werden gesundheitlich geschädigt, die Umwelt ver- dreckt, und die Arbeitsplätze werden durch diese Unter- nehmenspolitik gefährdet . Der Abgasskandal, der nicht allein ein Diesel-Abgas- skandal ist, hat noch einmal deutlich gemacht: Fossile Brennstoffe und saubere Autos passen nicht zusammen. Wir brauchen deshalb eine Verkehrswende, die ökolo- gisch ist und die sozial gerecht ist . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22651 (A) (C) (B) (D) Im Straßenverkehr müssen wir wegkommen von Kraftstoffen, die Menschen und Umwelt belasten. Das geht nicht von heute auf morgen . Wir brauchen Zwi- schenschritte, ohne das Ziel, den vollständigen Verzicht auf fossile Kraftstoffe, aus den Augen zu verlieren. Erdgasbetriebene Fahrzeuge stoßen erheblich weniger Schadstoffe aus als benzin- oder insbesondere dieselbe- triebene Fahrzeuge . Da ist es sinnvoll, mit Steuerermäßi- gungen Erdgas als Kraftstoff zu fördern. Aber es sind nicht nur Erdgasautos, sondern auch Fahrzeuge mit Autogas, die weniger Stickoxide, weni- ger Feinstaub und weniger CO2 ausstoßen . Darum ist es überhaupt nicht nachvollziehbar, dass die jetzige Förde- rung von Autogas als Kraftstoff 2018 auslaufen soll. Erstens . Es gibt einen Beschluss des Deutschen Bun- destages von 2015, der die Bundesregierung auffordert, die Steuerermäßigung für verflüssigtes Erdgas und für Flüssiggas über 2018 hinaus zu verlängern . Zweitens . Es steht sogar im Koalitionsvertrag, dass die Große Koalition die Verlängerung der Steuerermäßigung von Erdgas und Flüssiggas als Kraftstoff will. In diesem Tagen wird ja viel vom Koalitionsvertrag gesprochen, der selbst dann eingehalten werden muss, wenn eine of- fenkundig EU-rechtswidrige Ausländer-Maut beschlos- sen werden soll . Aber im Unterschied zum Maut-Gesetz kann man den vorgelegten Gesetzentwurf zur Energie- steuer verbessern . Drittens . In einer Studie des ifeu – Institut für Ener- gie- und Umweltforschung Heidelberg – für das Finanz- ministerium heißt es, bis 2030 wird der Anteil der Auto- gasfahrzeuge von heute etwa 500 000 auf etwa 700 000 steigen . Bei Erdgasfahrzeugen soll es eine Steigerung geben von 100 000 auf 600 000 . Nicht nachvollziehbar, zumindest nicht umweltpoli- tisch nachvollziehbar, ist die Ungleichbehandlung von Erdgas- und Autogasfahrzeugen, weil viertens Erdgas einen geringeren Marktanteil und eine schlechtere Tank- stelleninfrastruktur hat, so die ifeu-Studie . Autogas kann man an 19 Tankstellen pro 1 000 km2 tanken, Erdgas bei 2,5 pro 1 000 km2. Und das Vertrauen in eine positive Erdgasautoentwicklung ist nicht sehr verbreitet . Der nie- dersächsische Energieversorger EWE zum Beispiel hat sich aus der Kaufprämie für Erdgasautos zurückgezo- gen ebenso wie die Stadtwerke in meiner Stadt Oster- holz-Scharmbeck, die zusätzlich auch die einzige Erd- gastankstelle in der Kreisstadt mit 30 000 Einwohnern zum Ende des Jahres schließen wird . Heiß debattiert wird heute über Fahrverbote für Diesel und blaue Plaketten für Innenstädte, wo die Menschen unter Feinstaub und Stickoxiden leiden . Und da will ich jetzt mal den Verkehrsminister Dobrindt lobend zitie- ren . Er sagte der Berliner Zeitung im Juli 2016: „Es ist nicht wirkungsvoll, Autos mit Verboten zu belegen, die ein- oder zweimal im Monat in die Stadt fahren . Wo wir ran müssen, sind Fahrzeuge, die sich ständig im Straßen- verkehr befinden, etwas Taxis, Busse, Behördenfahrzeu- ge .“ Diese müssten baldmöglichst auf alternative Antrie- be umgestellt werden . Das diene der Reduzierung von Stickoxiden deutlich mehr als Einfahrverbote . Um noch einmal eins deutlich zu machen: Die Förde- rung von Erdgas und Autogas ist eine Zwischenlösung . Aber sie kann eine schnell wirksame Zwischenlösung sein, die technisch auch durch Umrüstung von Fahrzeu- gen verwirklicht werden kann und die dringend nötig ist . Der Finanzminister will jedoch möglich billig davon- kommen, ohne sich um die gefährlichen Schadstoffbelas- tungen insbesondere in den Städten zu kümmern . Nicht nur Rauchen gefährdet die Gesundheit, auch Umweltpo- litik aus dem Finanzministerium schadet der Gesundheit . Darum die Forderung der Linken an die Bundesre- gierung: erstens den vorliegenden Entwurf zur Ände- rung des Energiegesetzes überarbeiten; zweitens bei der Überarbeitung auf keinen Fall den Finanzminister für umweltrelevante Fragen zuständig machen; drittens den Koalitionsvertrag einhalten und Erdgas und Autogas als Brückentechnologie bei Kraftstoffen weitgehend gleich behandeln . Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Gro- ße Koalition hat wieder einmal die Chance vergeben, Deutschland auf die Anforderungen des 21 . Jahrhunderts einzustellen . Denn beim Energie- und Stromsteuergesetz hat sie es versäumt, die wichtige Verknüpfung von Wirt- schafts- und Umweltpolitik herzustellen . Die zweite Novelle des Energiesteuer- und des Strom- steuergesetzes soll in erster Linie die nationalen Steuer- begünstigungen an das im Jahr 2014 novellierte EU-Bei- hilferecht und die EU-Energiesteuerrichtlinie anpassen . In der Förderlogik der Großen Koalition geht es wieder nur um die Subvention bestimmter Energiequellen . Man lässt die Gutachter aufeinander losgehen und stellvertretend streiten . Dabei gerät das grundlegende Versäumnis der Bundesregierung aus dem Blick: Nötig wäre ein grundlegender Wechsel zu einer konsistenten Besteuerung nach ökologischen Kriterien . Anstatt zukunftsorientierte Wirtschafts- und Umwelt- politik zu machen, begnügt sich die Bundesregierung mit Klientelpolitik . Die Diskussion um die Fortführung der Steuererleichterungen für Erd- und Flüssiggas (Autogas) gerade im Kraftstoffbereich ist dabei symptomatisch. Es hat den Anschein, als fände sich die Bundesregierung im Dickicht ihres eigenen Förderdschungels selbst nicht mehr zurecht . Unbestritten ist, dass insbesondere Neuwagen mit Erdgasantrieb im Vergleich mit ihren Schwestermodel- len sehr gute Umwelteigenschaften aufweisen . So stoßen Erdgasautos bis zu einem Viertel weniger CO2 aus als vergleichbare Benzinmodelle . Dabei agiert die Koalition aber auch politisch nicht besonders geschickt . Im Koalitionsvertrag kündigt sie erst eine Verlängerung der Steuerermäßigungen für Erd- und Flüssiggas an . Jetzt, fast vier Jahre später, macht sie etwas anderes: Die Regierung lässt die Förderung von Flüssiggas bis 2018 auslaufen, wohingegen Erdgas befristet und abschmelzend bis Ende 2026 weitergeför- dert werden soll – all das, während in Dieselkraftstoff, den größten Luftverschmutzer in den Städten, mit rund Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722652 (A) (C) (B) (D) 8 Milliarden Euro jährlich ein Vielfaches an Subventio- nen gepumpt wird . Das ist nicht nur un-logisch, sondern auch un-ökolo- gisch und das zeigt: Der großen Koalition fehlt bei der Energiebesteuerung jeder Kompass . Im Gesamtkontext dieser Förderpolitik aber allein über den Klimavorteil von Erdgas oder Flüssiggas zu diskutieren, reicht einfach nicht aus . Im Bereich der Industrieausnahmeregelungen und umweltschädlichen Subventionen lässt sich die Liste weiter fortsetzen: Neben den jährlich 8 Milliarden Euro für Dieselsubventionen gibt es eine ganze Reihe anderer Millionensubventionen, zum Beispiel für den Luftver- kehr, und die fortdauernde Subventionierung von schwe- ren Dienstwagen . Um eines ganz klar zu machen: Die unterschiedlichen und nicht nachvollziehbaren Steuersätze und -begünsti- gungen aller Kraftstoffarten sind nicht mehr zeitgemäß. Wir brauchen eine Energiebesteuerung, die sich konse- quent nach CO2-Ausstoß und Energiegehalt ausrichtet, nicht noch mehr widersprüchliche und umweltschädliche Besteuerung . Ohne dass wir die strukturellen Marktver- zerrungen und falschen Preissignale angehen, werden wir die Lage nie in den Griff bekommen. Denn machen wir uns nichts vor: Solange Diesel im Verhältnis zum Ökostrom weiter so günstig ist, wird kein Strom getankt . Und wenn Heizöl so günstig bleibt, gibt es wenig Anreiz, Gebäude energieeffizient zu moderni- sieren . Mit einer konsequenten Besteuerung nach Energie- wert und CO2-Ausstoß wären die Klimaschutzziele von Paris vielleicht noch zu schaffen. Und das würde auch nicht die deutsche Wettbewerbsfähigkeit schädigen – wie gerne behauptet wird. Denn anders als häufig vermutet ist der Anteil der Umweltsteuern an den Gesamtsteuer- einnahmen in Deutschland nicht besonders hoch . Er liegt nur noch bei unterdurchschnittlichen 9 Prozent, sodass die OECD Deutschland empfiehlt, Steuervergünstigun- gen für umweltschädliche Aktivitäten abzuschaffen und Mehreinnahmen durch wirkungsvollere Umweltsteuern zu erzielen . Deshalb sage ich: Wir brauchen einen neuen Ansatz . Wir Grünen fordern seit langem eine Energiebesteuerung nach CO2-Ausstoß und Energiewert – ganz konsequent, unabhängig von Technologie, Verursacher oder Energie- träger . In diesem Modell würden vermutlich Erdgas oder andere Energieträger mit Klimavorteil einen relativen Preisvorteil haben . Das wäre eine bessere Förderung als die Steuermillionen, die jetzt hineinfließen. Konsequent nach Energiewert und CO2 besteuern – das fordert übrigens auch die EU-Kommission seit lan- gem . Das zeigt erneut: Die Große Koalition spricht zwar gerne von Energiewende, aber ihr fehlen Mut und Kon- zepte, sie umzusetzen . Dies hätten der politische Auftrag und auch der eigene Anspruch der Bundesregierung sein müssen . Wir sehen sehr wohl, dass es bei der Novellierung ei- nige Versuche gibt, die umweltschädlichen Subventionen abzubauen und ökologisch umzusteuern. Aber der Ver- such bleibt zu zaghaft und zu widersprüchlich . Damit ist die historische Herausforderung des Klimawandels nicht zu bewältigen . Mehr als eine Enthaltung können Sie da- für von der grünen Fraktion nicht erwarten . Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister der Finanzen: Ich freue mich, Ihnen heute den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes vorstellen zu dürfen . Es handelt sich um einen wichtigen Gesetz- entwurf . Wichtig alleine schon daher, weil es um den Bereich der Energie- und Stromsteuer geht, der mit rund 47,1 Milliarden Euro Steuereinnahmen und über 7 Milli- arden Steuerentlastungen einen essenziellen Beitrag zum Bundeshaushalt leistet . Der Gesetzentwurf sieht diverse Änderungen im Ener- gie- und Stromsteuerrecht vor . Geschuldet ist dies dem Umstand, dass die Bundesregierung gleich mehrfach „in der Pflicht“ steht. Neben der Umsetzung eines Gesetzge- bungsauftrags des Deutschen Bundestages geht es vor- nehmlich um Anpassungen der Steuerbegünstigungen an das Recht der Europäischen Union aber auch an neuere technologische Entwicklungen. Die wesentlichen Vorga- ben stammen aus dem in 2014 novellierten EU-Beihil- ferecht, der Energiesteuerrichtlinie sowie Gerichtsent- scheidungen des Europäischen Gerichtshofes: Lassen Sie mich die zentralen Änderungen in Kürze darstellen . Erstens: Umsetzung von EU-Recht . Unter anderem werden die Regelungen für die Begünstigung hocheffizi- enter KWK-Anlagen beihilferechtskonform ausgestaltet . Ferner wird das sogenannte Herstellerprivileg zurückge- führt auf den Umfang der nach der Energiesteuerricht- linie obligatorisch vorgesehenen Steuerbegünstigung für selbst hergestellte Energieerzeugnisse . Schließlich sieht der Gesetzentwurf – im Einklang mit der Energiesteu- errichtlinie – eine neue Steuerbegünstigung für Elek- tro- und sogenannte Plug-in-Hybridfahrzeuge vor, die im öffentlichen Personennahverkehr eingesetzt werden. Da- mit werden Elektro- und Plug-in-Hybridbusse mit dem bereits geförderten Schienenverkehr gleichgestellt; der technologischen Entwicklung im Verkehrssektor wird Rechnung getragen . Zweitens: die elektronische Kommunikation . Der Gesetzentwurf enthält die Ermächtigungen für eine elektronische Kommunikation zwischen den Wirt- schaftsbeteiligten und der Verwaltung im Energie- und Stromsteuerbereich, die die Abläufe im Besteuerungs- verfahren weiter vereinfachen werden und das derzeit laufende Projekt zur Modernisierung der IT-Unterstüt- zung für die Verbrauchsteuern (MoeVe) flankieren. Drittens: Verlängerung der Steuerbegünstigung für Erdgas. Die Steuerbegünstigung für Erdgas als Kraftstoff (CNG und LNG) wird über das Jahr 2018 hinaus verlän- gert – und das bis 2026 (sukzessive verringert ab 2024) . Die Steuerbegünstigung für Flüssiggas/Autogas (LPG) wird nach Ende 2018 hingegen nicht fortgeführt . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22653 (A) (C) (B) (D) Mit Beschluss vom 2 . Juli 2015 hat der Deutsche Bun- destag die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetz- entwurf zur Verlängerung der Steuerbegünstigung ein- schließlich valider Gegenfinanzierung auf Grundlage der Ergebnisse des Forschungsvorhabens zur Entwicklung der Energiesteuereinnahmen im Kraftstoffsektor vorzule- gen . Das entsprechende Gutachten, welches ich Ihnen im Dezember 2015 übermittelt habe, sieht keinen fachlichen Bedarf für eine weitere Förderung von Autogas . Laut dem Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) bietet vielmehr Erdgas als Kraftstoff mehr strategische Optionen für erneuerbare Energien und gewährleistet einen deutlichen Beitrag zum Klima- schutz . Wegen des derzeit noch geringeren Marktanteils und schlechterer Tankstelleninfrastruktur gegenüber Au- togas besteht überdies noch ein größerer Förderbedarf . Hohes Potenzial wird auch bei Erdgas in verflüssigter Form (LNG) gesehen . Vor diesem Hintergrund und nicht zuletzt wegen der fehlenden, aber notwendigen Gegenfinanzierung sieht der Gesetzentwurf keine Verlängerung der Steuerbegüns- tigung auch für Autogas vor . Die Nutzung von Autogas als alternativer Kraftstoff wird jedoch attraktiv bleiben, da die Besteuerung bei Autogas, auch ohne zusätzliche steuerliche Förderung, weiterhin geringer sein wird als bei Benzin und Diesel . Das sukzessive Auslaufen der Steuerbegünstigung für Erdgas ab 2024 schafft ausreichend Planungssicherheit, sendet zugleich aber ein klares Signal, dass die Steuerbe- günstigung – auch wegen der insgesamt zu erwartenden sinkenden Einnahmen im Kraftstoffsektor – nicht unbe- grenzt fortgeführt wird . Dies trägt dem erklärten Ziel des Subventionsabbaus Rechnung . Der vierte und letzte Punkt fällt aus der Reihe, weil er gerade keine im Gesetzentwurf vorgesehene Änderung betrifft, sondern im Gegenteil der Status quo beibehalten wird . Es geht um die Steuerbefreiungen für Strom aus erneuerbaren Energieträgern und aus sogenannten Klein- anlagen mit einer elektrischen Nennleistung bis zu 2 MW (§ 9 Absatz 1 Nummer 1 und Nummer 3 StromStG) . Die Bundesregierung hat – nach intensiven Beratungen – be- schlossen, die gegenwärtigen Steuerbefreiungen des § 9 StromStG unverändert zu lassen, sie aber zur Schaffung von Rechtssicherheit für die betreffenden Wirtschaftsteil- nehmer parallel mit den beihilferelevanten Tatbeständen des Gesetzentwurfes der Europäischen Kommission zur beihilferechtlichen Prüfung vorzulegen . Dies ist bereits geschehen, und die Kommission hat ihre Prüfung begon- nen – mit derzeit noch offenem Ergebnis. Anlage 6 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung (Tages- ordnungspunkt 18) Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Das Strafrecht verfolgt drei Zielsetzungen: Da ist einmal Strafe, Schuld und Sühne als vordringliches Ziel . Daneben hat aber das Strafrecht auch die General- und die Spezialprävention im Blick und eben auch den Opferschutz . Ich freue mich, dass das vorliegende Gesetz gerade auf die letzten beiden Punkte einen Schwerpunkt legt . Präventiv setzt das Gesetz an, da ein Geld- bzw. Ver- mögenszuwachs meist die Hauptmotivation eines Täters ist . Deshalb ist es naheliegend, das Signal auszusenden: „Das nehmen wir dir!“ Es gilt der Satz: „Wer Straftaten bekämpfen will, der muss den Profit aus Straftaten be- kämpfen .“ Das vorliegende Gesetz setzt genau dort an: Das Recht der Vermögensabschöpfung wird grundlegend verein- facht, und wir schließen nicht vertretbare Systemlücken . So wird die bisherige Beschränkung des Anwendungsbe- reichs auf gewerbsmäßige und bandenmäßige Begehung aufgehoben . Zudem soll eine Einziehung zukünftig auch dann möglich sein, wenn klar ist, dass ein Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat stammt, aber eine Verurtei- lung nicht möglich ist . Lassen Sie mich auch noch einiges zum Opferschutz ausführen: Bisher konnte die Strafjustiz zwar im Wege der Rück- gewinnungshilfe Gegenstände sichern . Der Anspruch musste jedoch zivilrechtlich später durch das Opfer gel- tend gemacht werden . Das kostete Geld bzw . Zeit, und es galt das Prinzip „Wer zuerst kommt, der mahlt zuerst“ . Nun erfolgt im Rahmen der Strafvollstreckung zu- nächst die Sicherstellung, nach Rechtskraft des Urteils die Verwertung und am Ende die Auskehrung des Er- löses an das Opfer . Das ist unkomplizierter, vor allem aber kostenfrei für das Opfer . Wir gewährleisten so die Gleichbehandlung aller Geschädigten und kommen ge- gebenenfalls zu einer Quotenregelung wie in der Insol- venzordnung für den Fall, dass beim Täter kein ausrei- chendes Vermögen mehr vorhanden ist. Das ist echter Opferschutz! Ich kann die Gegenargumente nicht einmal im Ansatz nachvollziehen . Wenn da behauptet wird, das Adhäsions- verfahren sei ein ausreichendes Instrument, dann müsste der Praktiker eigentlich wissen, dass das ein stumpfes Schwert ist . Denn es wird in der Praxis von Richtern re- gelmäßig gemieden, weil die Durchsetzung zivilrechtli- cher Ansprüche erhebliche Mehrarbeit verursacht . Diese soll hier durch ein schlankeres und effizienteres Verfah- ren gerade vermieden werden . Damit glaube ich auch nicht an eine Mehrbelastung der Justiz . Wenn man aller- dings so argumentiert, dann müsste man ehrlicherweise auch die Entlastung auf dem Zivilrechtsweg ausleuchten . Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen also: Insgesamt ein sehr gelungenes Gesetz, weshalb ich um Ihre Zustimmung bitte . Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Als Union sa- gen wir ganz klar: Verbrechen dürfen sich nicht lohnen. – Dies erfordert nicht nur mit ausreichenden Befugnissen und Ressourcen ausgestattete Polizei- und Ermittlungs- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722654 (A) (C) (B) (D) behörden . Auch Strafgesetze müssen so ausgestaltet sein, dass sie eine gezielte Bekämpfung von Straftaten ermög- lichen und auch die Folgen von Straftaten in den Blick nehmen . Der Vermögensabschöpfung kommt dabei eine ganz zentrale Rolle zu, um Vermögenswerte aus strafbaren Handlungen schnell, wirksam und umfassend dem Tä- ter wieder zu entziehen . Das ist in mehrfacher Hinsicht wichtig: Erstens schwindet so der Anreiz für die Bege- hung der Tat. Zweitens wird der finanzielle Boden dafür entzogen, auch in Zukunft Straftaten begehen zu kön- nen – insbesondere im Bereich des Terrorismus und der organisierten Kriminalität ist dies ein zentraler Gesichts- punkt . Heute scheitert eine erfolgreiche Vermögensabschöp- fung in der Praxis allerdings häufig an der außerordent- lich komplexen und unübersichtlichen Rechtsmaterie . Das wollen wir als Union ändern. Die Reform der Ver- mögensabschöpfung war für uns daher ein wichtiges und dringendes Vorhaben, das wir im Koalitionsvertrag verankert haben . Dies setzen wir mit dem vorliegenden Gesetz nun um . Ziel ist es, das Abschöpfungsverfahren effektiver und einfacher zu gestalten und die Rechtsposition von Opfern zu verbessern. Dazu bedarf es einer Vielzahl an Neurege- lungen, die straf-, zivil- und insolvenzrechtliche Aspekte besser miteinander verzahnen und für die Praxis hand- habbar machen . Dabei schließen wir Abschöpfungslücken, indem etwa die bisherigen Beschränkungen bei der erweiterten Einziehung aufgehoben werden . Aktuell kann sie nur in Bezug auf bestimmte Straftatbestände angeordnet wer- den . Wird etwa im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Bandendiebstahls Bargeld gefunden, das aus ei- ner anderen Straftat stammt, so kann dies eingezogen werden – bei Ermittlungen wegen Wohnungseinbruchs- diebstahls hingegen nicht. Diese Differenzierung – so- gar innerhalb eines Qualifikationstatbestands – ist nicht nachvollziehbar . Das gleichen wir an . Ob ein Vermögenswert aus der einen oder der ande- ren rechtswidrigen Tat herrührt, darf keinen Unterschied machen . Insofern ist es gut, dass zukünftig jede rechts- widrige Tat ausreicht, um die erweiterte Einziehung eines Vermögensgegenstandes anzuordnen, wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass er aus einer anderen rechtswid- rigen Tat stammt . Das ist ein wichtiger Beitrag für eine effektive Ver- brechensbekämpfung – genauso wie die umfassende Neuregelung der selbstständigen Einziehung: Derzeit ist es so, dass grundsätzlich keine Möglichkeit besteht, Vermögenswerte einzuziehen, wenn rechtliche Gründe wie Strafklageverbrauch entgegenstehen . Gleiches gilt, wenn kein Zweifel daran besteht, dass das Geld aus ei- ner rechtswidrigen Straftat herrührt, aber eine konkrete Straftat nicht nachgewiesen werden kann, aus der der Vermögensgegenstand stammt. Die Möglichkeit der selbstständigen Anordnung be- schränkt sich bislang auf Fälle, bei denen der persönli- chen Verfolgung des Täters ein tatsächliches Hindernis entgegensteht, die materielle Strafbarkeit der Tat aber un- berührt bleibt – etwa wenn der Täter ins Ausland geflüch- tet ist . Das ist im höchsten Maße unbefriedigend und ge- nau das Gegenteil einer effektiven Strafverfolgung. Dies ändern wir nun: Künftig besteht nicht nur die Möglich- keit, Vermögensgegenstände selbstständig einzuziehen, wenn etwa prozessuale Hindernisse wie Strafklagever- brauch bestehen. Auch bei deliktisch erlangtem Vermö- gen unklarer Herkunft – unabhängig vom Nachweis einer konkreten rechtswidrigen Tat – ist die selbstständige Ein- ziehung möglich . Kritiker wenden ein, dass die selbstständige Einzie- hung nicht mit der Eigentumsgarantie aus Artikel 14 Grundgesetz vereinbar sei und im Widerspruch zur Un- schuldsvermutung stünde . Diese Bedenken haben wir sehr ernst genommen . In der Abwägung sehe ich jedoch nicht, dass diese Kritik durchgreift: Auf der einen Seite stehen im Interesse der Sicherheit aller Menschen eine effektive Strafverfolgung, der Opferschutz und das Ziel, die finanziellen Quellen organisierter Kriminalität und des Terrorismus auszutrocknen . Auf der anderen Seite stehen die Rechte der Beschuldigten . Vor diesem Hintergrund sind an die selbstständige Einziehung bereits hohe rechtsstaatliche Anforderungen zu stellen . Diesen wird unser Gesetz gerecht: – So ist die selbstständige Einziehung unabhängig vom Nachweis einer konkreten rechtswidrigen Tat nur im Zusammenhang mit Delikten aus dem Bereich des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität zulässig wie etwa der Bildung krimi- neller und terroristischer Vereinigungen oder des gewerbs- oder bandenmäßigen Menschenhandels . Mit dem Änderungsantrag haben wir die Katalo- gdaten unter anderem um die Zuhälterei wie auch die gewerbs- und bandenmäßige Steuerhehlerei er- gänzt, die typischerweise im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität stehen . – Zudem ist die selbstständige Einziehung nur unter der Voraussetzung der uneingeschränkten rich- terlichen Überzeugung zulässig, dass der Vermö- genswert aus einer rechtswidrigen Tat herrührt . Das Gericht kann sich dabei „insbesondere auf ein grobes Missverhältnis zwischen dem Wert des Ge- genstands und den rechtmäßigen Einkünften des Betroffenen“ stützen. Auch die Unschuldsvermutung ist nicht tangiert, da die Vermögensabschöpfung keinen Strafcharakter hat. Sie ist auf den Vermögenswert, also die Sache, und nicht auf die Person bezogen . Den Opferschutz stärken wir zum Beispiel auch darü- ber, dass wir ersatzlos die gesetzliche Regelung in § 73 Absatz 1 Satz 2 streichen, nach der die Vermögensab- schöpfung versagt wird, wenn dem Opfer Ersatzansprü- che gegen den Täter zustehen – bekannt als „Totengräber des Verfalls“. Das ist ein unhaltbarer Zustand, weil damit das Opfer – insbesondere im Bereich der Vermögensde- likte – mit allen prozessualen Risiken alleine gelassen wird . Künftig kann der Staat dem Opfer mit dem Mittel des Strafrechts auch in diesen Fällen zur Seite stehen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22655 (A) (C) (B) (D) Neben einem staatlichen Entschädigungsverfahren stärken wir den Opferschutz zudem durch eine bessere Verzahnung mit insolvenzrechtlichen Vorschriften: Nicht immer wird am Ende eines Strafverfahrens das Vermö- gen eines Täters ausreichen, um sämtliche Schäden aus- zugleichen . Insofern ist es richtig, dass das Gesetz auch schon vor einer Verurteilung Sicherungsmöglichkeiten bietet . Nur so kann verhindert werden, dass Gelder zu- lasten von Opfern verschoben werden . Mit dem Änderungsantrag erreichen wir insofern wei- tere Verbesserungen und führen die Möglichkeit ein, dass die Staatsanwaltschaften aus eigenem Recht einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen können. Zu beachten ist jedoch, dass die wirtschaftliche Stel- lung eines Unternehmers, insbesondere eines Selbst- ständigen, durch einen Insolvenzantrag erheblich beein- trächtigt werden und nicht zuletzt die Existenz bedrohen kann – gerade zu einem Zeitpunkt, zu dem noch die Unschuldsvermutung gilt . Insofern ist das Sicherungs- interesse des Staates mit den Belastungen etwa für ein Unternehmen im Einzelfall sorgfältig abzuwägen . Das muss die Staatsanwaltschaft bei der Antragstellung be- rücksichtigen . Mit dem Gesetz schließen wir erfolgreich Abschöp- fungslücken, vereinfachen die Einziehung deliktisch erlangter Vermögenswerte, erleichtern deren vorläufige Sicherstellung und stärken die Rechtsposition von Tatop- fern . Es ist ein gutes Gesetz, ich bitte daher um Ihre Zu- stimmung . Dr. Johannes Fechner (SPD): Ich freue mich sehr, dass wir heute nach intensiven Beratungen das Gesetz zur Vermögensabschöpfung beschließen können. Damit schaffen wir ein wichtiges Instrument, um Opfer einfa- cher zu entschädigen, vor allem aber, um Gewinne aus Verbrechen abzuschöpfen, damit der vielzitierte, aber eben auch absolut richtige Grundsatz gilt: Verbrechen darf sich nicht auszahlen . Schon das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Sinne geurteilt und festgehalten, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Gerechtigkeit und in die Unverbrüch- lichkeit der Rechtsordnung Schaden nehmen kann, wenn Straftäter deliktisch erlangte Vermögensvorteile dauer- haft behalten dürfen . Und deutlich führt das Bundesver- fassungsgericht aus, dass das Vertrauen der Bürger in die Justiz Schaden nehmen kann: Die Duldung strafrechts- widriger Vermögensanlagen durch den Staat kann den Eindruck hervorrufen, dass sich kriminelles Verhalten auszahlt . Daraus ergibt sich für uns die Pflicht, das rechtsstaat- lich Mögliche zu unternehmen, um Straftätern die Ge- winne aus ihren Verbrechen zu nehmen. Genau diesem Ziel dient der vorliegende Gesetzentwurf zur Vermö- gensabschöpfung . Ich möchte mich auf die wichtigsten Änderungen beschränken: Wichtig ist, dass die Vermögensabschöpfung zum Re- gelfall wird . Leider wird allzu oft, etwa bei komplizierten Fällen aus der Wirtschaftskriminalität, trotz erheblicher Schäden auf die Vermögensabschöpfung im Sinne eines schnellen Verfahrensabschlusses verzichtet. Dies führt dann weiter dazu, dass gerade hohe Schäden nicht aus- geglichen werden und – viel schlimmer noch – dass hohe Beträge aus der kriminellen Tätigkeit beim Täter verblei- ben. Dies schwächt, wie ich finde, in ganz erheblichem Maße das Vertrauen in unseren Rechtsstaat. Und deshalb ist es eine wichtige Maßnahme, dass zukünftig die Ver- mögensabschöpfung zum Regelfall wird . Die Gerichte können dabei die Entscheidung über die Vermögensabschöpfung vom Strafprozess abtrennen und in einem Nachverfahren treffen. Bei geringen Schäden kann das Gericht von Vermögensabschöpfung absehen. Und es ist sogar möglich, dass die Vermögensabschöp- fung auch nachgeholt werden kann, etwa wenn sich erst später nachträglich entdecktes Vermögen bei einem im Zeitpunkt des Strafverfahrens scheinbar mittellosen Tä- ter zeigt . Eine zweite wichtige Neuerung besteht darin, dass zu- künftig die Vermögensabschöpfung bei allen Straftaten möglich ist . Bislang war dies im Wesentlichen auf den sogenannten Gewerbestrich und bandenmäßige Taten beschränkt . Die Reform wird dabei das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren und die Hauptverhandlung erleich- tern und vereinfachen . Dazu trägt insbesondere bei, dass die Entscheidung über die Vermögensabschöpfung in der Hauptverhandlung abgetrennt und später auch nachge- holt werden kann . Nicht nötig sind zukünftig auch die bislang nötigen aufwendigen Beweisfeststellungen zu einer möglichen Entreicherung des Angeklagten . Und wir stellen klar, dass so das Bruttoprinzip gilt . Bislang war in der Recht- sprechung nicht klar, was tatsächlich abgeschöpft wer- den kann bzw . was der Straftäter gegenrechnen darf . Mit unserer Regelung tragen wir Sorge für Klarheit in der Strafrechtspraxis . Und es wird für die Opfer wesentlich einfacher wer- den, eine Entschädigung zu erlangen . Das Windhund- rennen wird der Vergangenheit angehören, vielmehr gewährleistet diese Reform, dass alle Verletzten und alle Opfer gleichmäßig und gerecht entschädigt werden . Insbesondere müssen Opfer keinen Vollstreckungstitel mehr gegen den Täter erstreiten, weil die Entschädigung im Zuge des Strafvollstreckungsverfahrens oder im In- solvenzverfahren erfolgen kann, was für die Opfer einfa- cher, schneller und kostengünstiger ist . Die bedeutendste Verbesserung der Rechtslage ist aber, dass bei organisierter Kriminalität und Terrorismus zukünftig Vermögen unklarer Herkunft eingezogen wer- den kann . Wenn etwa eine Person an einem Flughafen in einer Kontrolle mit 100 000 Euro Bargeld erwischt wird und das Gericht dann durch weitere Indizien zur Überzeugung gelangt, dass Geldwäsche vorliegt oder die Person als Kurier einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung tätig ist, dann kann das Geld eingezogen werden, ohne dass dem Täter eine konkrete Straftat nach- gewiesen werden muss . Ausreichend ist, dass das Gericht davon überzeugt ist, dass der Vermögensgegenstand aus irgendeiner Straftat herrührt . Damit schließen wir eine große Lücke in der Einziehung von Taterträgen, und da- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722656 (A) (C) (B) (D) durch werden den Opfern ganz erhebliche Summen zur Schadenswiedergutmachung zur Verfügung stehen. In den Gesetzesberatungen haben wir, wie ich fin- de, noch die wichtige Klarstellung vorgenommen, dass nämlich auch für Altfälle das neue Recht gelten soll . Die Strafjustiz wird so davor bewahrt, dass es möglicher- weise jahrelang ein Nebeneinander von alten nach neu- em Recht gibt . Ab Inkrafttreten des Gesetzes sind aus- schließlich die neuen Vorschriften anzuwenden. Mit dieser Neuregelung zur Vermögensabschöpfung leisten wir einen enorm wichtigen Beitrag zur Bekämp- fung von Kriminalität und Terrorismus . Durch dieses Gesetz verlieren Straftäter Beute, und die Opfer werden schnell entschädigt . Stimmen wir also diesem guten Ge- setz zu . Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Bei dem vorlie- genden Gesetz geht es nach wie vor – vereinfacht aus- gedrückt – um die Frage, wie der vermögensrechtliche Schaden aus einer Straftat dem Geschädigten wieder zu- geführt werden kann. In Fällen, in denen der Betroffene nicht ermittelt werden kann, soll der Vermögensvorteil aus der Straftat trotzdem nicht beim Täter verbleiben . Denn nach wie vor gilt: Verbrechen soll sich nicht loh- nen . – Klingt erstmal gut . Aber wie soll es umgesetzt werden? Was soll letztlich dem Täter wieder weggenommen werden? Alles durch die Tat Erlangte oder doch nur ein Teil? Die Regierung hat dazu ausgeführt, dass es im Kern dabei um die bis- lang strittige Frage ginge, ob und – gegebenenfalls – in welchem Umfang Aufwendungen des Täters berücksich- tigt werden sollten . Der neuen Regelung läge folgender Rechtsgedanke zugrunde: Was in Verbotenes investiert wird, ist unwiederbringlich verloren . Im Übrigen müssen Aufwendungen hingegen berücksichtigt werden . Damit sei eine umfassende Abschöpfung gewährleistet . Die Frage ist, ob es da nicht sinnvoll ist, bei der Ver- mögensabschöpfung einen Straftatenkatalog für die Taten einzuführen, bei denen richtige Gewinne gemacht wer- den . Denn so logisch es auf den ersten Blick erscheint, alle Straftaten in die Gewinnabschöpfung einzubeziehen, um eine umfassende Gewinnabschöpfung zu gewährleis- ten, sehe ich doch in der Praxis Schwierigkeiten . Ich den- ke nur an Beförderungserschleichung – das sogenannte Schwarzfahren –, Ladendiebstahl, an Kleinstkriminalität eben. In all diesen Fällen die Vermögensabschöpfung zu prüfen, ohne die Justiz über Gebühr zu belasten – das schafft man personell einfach nicht mehr. So sieht es ja auch der Deutsche Richterbund, der in seiner Stellungnahme ausgeführt hat, dass der Mehrauf- wand mit dem vorhandenen Personal nicht ausgeglichen werden kann . Diese Annahme entbehre jeder Grundlage . Ich möchte einmal den Deutschen Richterbund aus sei- ner Stellungnahme zitieren: „Eine erfolgreiche und ge- rechte Opferentschädigung setzt neben der Aufklärung der Schuld- und Straffrage die eingehende Klärung zivil- rechtlicher Positionen im Strafverfahren voraus . Dadurch ist zu besorgen, dass mit dieser zusätzlichen Belastung durch aufwendige Nebenentscheidungen die Funktions- fähigkeit der Strafrechtspflege in ihrem Kernbereich Schaden erleidet, da die Strafgerichte schon heute ange- sichts knapper personeller Ressourcen an der Grenze der Belastbarkeit arbeiten .“ Vor zwei Wochen hat die Regierung noch bekräftigt, dass der Staat von Verfassungs wegen gehalten ist, eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch ver- holfen werden kann . Ich bin der Überzeugung, dass dieses Gesetz dem Durchbruch der Gerechtigkeit nicht dient . Nicht nur we- gen der Belastung der Gerichte und Staatsanwaltschaften . Ich finde, gerade im Bereich der Wirtschaftskriminalität und bei Firmendreiecksverhältnissen ist der Vermögens- abschöpfung ein Riegel vorgeschoben . Ich möchte versu- chen, dies an einem Beispiel zu erklären . Ein Industriekonzern erwirtschaftet durch betrügeri- sche Geschäfte 500 Millionen Euro . Diese investiert er in ein Tochterunternehmen, welches legale Geschäfte be- treibt, jedoch (leider) keinen Gewinn, sondern Verluste macht . Nach zwei Jahren wird das Tochterunternehmen aufgelöst, die investierten 500 Millionen sind bis auf den Verkaufserlös von 200 Millionen weg. Diese werden für Abfindungen der Manger verbraucht. Der Betrug fliegt auf . Die Geschäftsführer werden verurteilt . Das zu Un- recht erlangte Vermögen soll abgeschöpft werden. Nun kann der Mutterkonzern die Investitionen von den er- gaunerten 500 Millionen abziehen, wozu unter anderem alle mit dem Tochterunternehmen verbundenen Kosten zählen. So auch etwa die Gehälter und Abfindungen der Manager etc . Dies kann der Ladendieb und der Schwarzfahrer nicht . Ein Schelm, wer Arges dabei denkt . Aber es galt ja schon früher der Grundsatz: Die kleinen Diebe hängt man, die großen lässt man laufen . – Mich würde schon interes- sieren, welcher Konzern bei diesem Gesetzentwurf Pate gestanden hat . Nach wie vor bestehen auch nach der Änderung durch die Koalition Bedenken hinsichtlich der Einbeziehung der Erben in die Vermögensabschöpfung. Hier wird zu sehr in das entsprechend Artikel 14 GG geschützte Ei- gentum eingegriffen. Alles in allem bleibt zu konstatieren: Das Gesetz wird seinem Ziel nicht gerecht, es begünstigt das Großkapi- tal und belastet Gerichte und Staatsanwaltschaften über Gebühr, ohne für einen personellen Ausgleich zu sorgen oder entsprechende Regelungen zu treffen, und ist ver- fassungsmäßig zumindest bedenklich . Die Linke lehnt solch ein Gesetz ab . Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Gestern im Rechtsausschuss habe ich schon ver- sucht, die Kolleginnen und Kollegen von der Koalition davon zu überzeugen, dass die von ihnen hier vorge- schlagenen Neuregelungen der Vermögensabschöpfung nicht praxistauglich, sondern viel zu kompliziert sind . Vor allem werden sie nicht dazu führen, Opfer von Straf- taten rasch und problemlos zu entschädigen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22657 (A) (C) (B) (D) Das Vorhaben, die strafrechtliche Vermögensabschöp- fung zu reformieren, begrüßen wir grundsätzlich . Das geltende Recht ist unübersichtlich, schwer anwendbar und fehleranfällig . Die Gerichte wenden es deshalb äu- ßerst zurückhaltend und selten an . Deshalb muss vieles geändert werden . Opfer von Straftaten müssen in der Tat schneller und einfacher ihr Geld oder ihr Eigentum – Auto, Fahrrad, die goldene Uhr; das, was ihnen durch eine Straftat entzogen wurde – zurückerhalten oder Er- satz dafür. Und Verbrechen dürfen sich nicht materiell lohnen . Darüber sind wir uns einig . Die Reformvorschläge, die Sie mit diesem Gesetz vor- legen, tragen wir jedoch nicht mit . Ich gestehe zu, dass diese Rechtsmaterie äußerst komplex und schwierig, die Neuregelung daher eine große Herausforderung ist . Nach der ersten Runde hier im Plenum hatten Sie angeboten, wir sollten nochmals über die einzelnen Änderungen re- den . Aber es fand erst einmal nur eine Anhörung statt . Kundige Sachverständige, auch aus der Praxis, Vertreter der Staatsanwaltschaft, Richter, Anwälte fanden lobende Worte für Ihr Projekt, zeigten aber auch Schwächen Ih- res Entwurfs deutlich auf . Das war im November letzten Jahres . Umso erstaunter war ich, dass Sie angebotene Be- richterstattergespräche nicht annahmen und das Gesetz nun nahezu unverändert zur Verabschiedung vorlegen. Um daran doch noch etwas zu ändern, hat die Fraktion der Grünen gestern im Rechtsausschuss einen Entschlie- ßungsantrag eingebracht – zu finden in Beschlussempfeh- lung und Bericht auf Bundestagsdrucksache 18/11640 –, den die Regierungsfraktionen leider abgelehnt haben . Dieser benennt unsere grundsätzlichen Bedenken zu dem Vorhaben und stützt sich dabei auch auf die Einlassungen der Praktiker. Er enthält aber auch Vorschläge für die not- wendigsten Änderungen . Wir bezweifeln stark, dass durch die Vorschläge der Bundesregierung Geschädigte von Straftaten wirklich schneller und einfacher entschädigt werden können . Zwar sollen nun den Tatgeschädigten der Gang zum Zi- vilgericht und damit weitere Kosten erspart bleiben . Häu- fig werden sie aber unzumutbar lange auf die Herausgabe des Genommenen oder eine Entschädigung warten müs- sen . Die Strafjustiz arbeitet langsam . Bis zum rechtskräf- tigen Urteil können Jahre vergehen. Vorher gibt es in der Regel nichts . Dabei kann das Abwarten-Müssen auf das Strafurteil existenzbedrohend sein . Deshalb haben wir vorgeschlagen, in den Vorschriften §§ 73 ff. StGB-E in Verbindung mit § 459h StPO-E zu verankern, dass, sofern Geschädigte parallel den zivil- rechtlichen Weg beschreiten, dieser prioritär ist und eben nicht die Rechtskraft des strafrechtlichen Urteils abge- wartet werden muss . So besteht für den Geschädigten jedenfalls die Möglichkeit, schneller entschädigt zu wer- den. Vorrangig sollten auch etwaige freiwillige Vereinba- rungen zur Schadensregulierung mit dem Beschuldigen gelten. Diese haben daran häufig Interesse, weil sie dann auf ein milderes Urteil hoffen. Die neuen Regelungen zur erweiterten Einziehung (§ 73a StGB-E), der selbstständigen Einziehung (§ 76a Absatz 1 StGB-E) sowie der Einziehung von Vermögen unklarer Herkunft (§ 76a Absatz 4 StGB-E) halten wir sogar für verfassungsrechtlich sehr problematisch . Das Institut der erweiterten Einziehung beispielsweise soll danach auf alle Straftatbestände – auch Kleinkrimi- nalität – ausgedehnt werden und nicht mehr, wie jetzt, beschränkt sein auf Taten mit Bezug zur organisierten Kriminalität und auf banden- und gewerbsmäßig began- gene Taten. Und das, obwohl eine Verurteilung wegen dieser „anderen rechtswidrigen Taten“ nicht erfolgt ist . Außerdem soll nun möglich sein, in einem laufenden Verfahren, „Vermögen unklarer Herkunft unabhängig vom Nachweis einer konkreten [anderen] rechtswidrigen Tat (selbstständig) einzuziehen, wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass der sichergestellte Gegenstand aus (irgend-)einer rechtswidrigen Tat herrührt . Es ist nicht erforderlich, dass die Tat im Einzelnen festgestellt wird“ . Maßgaben für die Einschätzung des Gerichts, ob der Ge- genstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt, sind unter anderem „ein grobes Missverhältnis zwischen dem Wert des Gegenstandes und den rechtmäßigen Einkünften des Betroffenen“ und „sonstige persönliche und wirtschaftli- che Verhältnisse des Betroffenen“. Diese Regelung, die zu einer faktischen Beweislastumkehr zulasten des Be- troffenen führt und gegen die Unschuldsvermutung ver- stößt, wird zu Recht heftig kritisiert . Es ist richtig, dass bestimmte Fallkonstellationen bis- her in der Praxis zu unbefriedigenden Ergebnissen füh- ren . Ein Beispiel: das geklaute Fahrrad wird im Keller des Diebes aufgefunden, daneben aber noch ein Geldkof- fer mit 500 000 Euro . Da § 242 StGB (Diebstahl) nicht auf § 73d StGB (erweiterter Verfall) verweist, kann das Geld aus dem Koffer nach geltendem Recht nicht einge- zogen werden . Das versteht erst einmal keiner . Trotzdem kann es nicht sein, dass die Bundesregie- rung versucht, solches dolose Vermögen oder Vermögen unklarer Herkunft auf Grundlage verfassungswidriger Gesetze einzuziehen . Zu guter Gesetzgebung gehört, rechtsstaatlich einwandfreie Lösungen zu erarbeiten . Wenn wir anfangen – gerade im Strafrecht – rote Linien zu überschreiten, dann ist das gefährlich . Das Austesten der Verfassungsmäßigkeit einer Regelung und bewuss- tes Anheimstellen der Verfassungsrechtsprechung ist das Gegenteil guter Gesetzgebung . Ein „Meilenstein“, wie die Neuregelungen zur erweiterten und selbstständigen Einziehung im Rechtsausschuss von Vertretern der Gro- ßen Koalition bezeichnet wurden, sind sie also mitnich- ten . Bedenken ergeben sich auch hinsichtlich des Vor- schlags in § 73d Absatz 1 Satz 1 StGB-E . Die vorgesehe- ne Abzugsregelung wurde von verschiedenen Seiten als faktische Abkehr vom Bruttoprinzip beurteilt . Dazu wur- den wir insbesondere von Vertretern der Richterschaft angeschrieben. Es wäre doch möglich gewesen, den Vor- schlag in § 73d StGB Absatz 1 StGB-E dahin gehend zu überarbeiten, dass eine Abkehr vom sogenannten Brutto- prinzip ausgeschlossen und aktuell bestehende Abschöp- fungsmöglichkeiten nicht nachteilig beschränkt werden . Hinzu kommt, dass bei den geplanten Änderungen der Insolvenzordnung das Parlament einhellig das sogenann- te Fiskusprivileg abgelehnt hat . Hier in diesem Gesetz- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722658 (A) (C) (B) (D) entwurf taucht es nun wieder auf . Ist der Täter insolvent, soll der Staat vorrangig auf sein noch vorhandenes Rest- vermögen zugreifen können . Die noch zu verteilende Masse wird dadurch für den Rest der Geschädigten ge- schmälert . Das ist nicht vereinbar mit dem Ziel des Ge- setzes – der verbesserten Entschädigung der Verletzten. Nein, die höchst komplizierten Neuregelungen zur Vermögenseinziehung sind nicht praxistauglich. Die be- reits jetzt schon überlasteten Strafverfolgungsbehörden und Gerichte erhalten Steine statt Brot . Wenn das Gesetz, so wie vorgesehen, konsequent angewandt wird, werden die ohnehin viel kritisierten langen Verfahren noch viel länger dauern . Ein großer Apparat zur Feststellung der Einziehungsgüter, ihrer Einziehung, Aufbewahrung, Ver- waltung und Verteilung muss im Bereich der Staatsan- waltschaften aufgebaut werden . Ich fürchte, das neue Gesetz wird genauso wenig von der Praxis angewandt werden wie das bisher geltende . In zwei Jahren kann der Rechtsausschuss des Bun- destags noch einmal Strafrichter, Staatsanwälte und Rechtspfleger einladen und sich berichten lassen, warum das wieder nicht klappt mit der Verkürzung der Strafver- fahren und der raschen Opferentschädigung . Sie werden dann feststellen, dass sich Verbrechen immer noch loh- nen . Leider . Anlage 7 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften im Bereich des Internationa- len Privat- und Zivilverfahrensrechts (Tagesord- nungspunkt 20) Dr. Silke Launert (CDU/CSU): In einer globalisier- ten Welt sehen wir uns immer häufiger mit grenzüber- schreitenden Rechtsstreitigkeiten konfrontiert . Das inter- nationale Privat- und Zivilverfahrensrecht gewinnt damit zunehmend an Bedeutung . Auf EU-Ebene und durch diverse internationale Übereinkommen wurden in der Vergangenheit bereits zahlreiche Instrumente geschaffen, um den Menschen bei Streitigkeiten mit Auslandsbezug die Möglichkeit zu geben, ihr Recht einzufordern und durchzusetzen . Wie es aber so ist mit dem Recht: Es tun sich immer wieder Lücken oder auch Rechtsunsicherheiten auf, die uns durch die Rechtspraxis oder auch den Europäischen Gerichtshof aufgezeigt werden . Man kann bei den Ge- setzgebungsverfahren eben nicht alles vorab im Blick haben . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, über den wir heute abschließend beraten, wollen wir daher eine Rei- he von Vorschriften, die Fälle mit Auslandsbezug regeln, ändern und an den aktuellen Stand anpassen . Konkret geht es darum, Klarstellungen zu schaffen, Präzisierun- gen vorzunehmen und Gesetzeslücken zu schließen . Im Einzelnen enthält der Entwurf zunächst vor al- lem technische Änderungen verschiedener Gesetze im Bereich der Auslandszustellung von Schriftstücken, des Europäischen Mahnverfahrens und des Verfahrens zum Eintreiben geringfügiger Forderungen . So stellen wir beispielsweise im Rahmen der Aus- landszustellung klar, dass die grenzüberschreitende Zu- stellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstü- cke in Zivil- oder Handelssachen abschließend durch die entsprechende europäische Verordnung geregelt ist. In diesem Zusammenhang führen wir auch eine gesetzliche Klarstellung ein, dass für ein fiktives Zustellungsverfah- ren, wie es die deutsche Zivilprozessordnung in § 184 kennt, bei der Auslandszustellung kein Raum ist . Damit sorgen wir für mehr Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bei den Beteiligten, wenn es um gerichtliche Auseinan- dersetzungen mit Auslandsbezug geht . Weitere Anpassungen betreffen die Frist für die Klage- zustellung im Ausland und die Einspruchsfrist gegen ein Versäumnisurteil, welches im Ausland zugestellt wurde. Damit tragen wir dem Umstand Rechnung, dass in diesen Konstellationen typischerweise mit längeren Postlaufzei- ten gerechnet werden muss . Zudem überarbeiten wir die Vorschriften über die Durchführung der Verordnung zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens . Insbesondere wird ein gesonderter Rechtsbehelf eingeführt, mit dem der An- tragsgegner die Aufhebung des Europäischen Zahlungs- befehls beantragen kann, wenn ihm dieser nicht oder nicht ordnungsgemäß zugestellt wurde . Knackpunkt bei diesem Gesetzentwurf war sicher- lich die Frage, ob wir unsere Rechtshilfe in Zivilsachen für „pre-trial discovery of documents“-Ersuchen durch US-amerikanische Gerichte öffnen. Diese Möglichkeit besteht im Rahmen der Umsetzung des Haager Bewei- saufnahmeübereinkommens . Deutschland hatte hiervon zunächst keinen Gebrauch gemacht, und mit der heutigen abschließenden Beratung soll es auch dabei bleiben . Eine entsprechende Änderung wurde aus dem vorliegenden Gesetzentwurf herausgenommen . Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Änderung auf Drängen der Union gestrichen wurde . Anders als im deutschen Recht, wo der Beibringungsgrundsatz gilt, wird der Sachverhalt im amerikanischen Rechtssystem im Wege eines gerichtlichen Vorverfahrens der Parteien ermittelt . Solche Ausforschungsbeweise sind dem deut- schen Prozessrecht aber fremd, und das soll auch so blei- ben . Denn würde der Ausforschungsbeweis Einzug hal- ten, würden vor allem deutsche Unternehmen mit Sitz in den USA erheblichen Risiken ausgesetzt werden . Selbst wenn Klagen nicht begründet wären, könnten sie ver- pflichtet werden, Dokumente in großem Umfang heraus- zugeben . Das wäre mit erheblichen Kosten und Aufwand verbunden und würde den Datenschutz der Betroffenen erheblich schwächen . In Deutschland wird der Datenschutz immer noch großgeschrieben . Nicht zuletzt deswegen werden wir unsere Unternehmen weiterhin bei der Herausgabe von Dokumenten in Zivil-/Handelsverfahren in den USA schützen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22659 (A) (C) (B) (D) Die Idee, den Ausforschungsbeweis ins deutsche Recht zu übernehmen, war auch verbunden mit der Hoff- nung, dass die USA im Gegenzug ebenfalls weitere Vor- schriften des Haager Beweisaufnahmeübereinkommens anwenden . Davon ist aber nicht zu auszugehen, weswe- gen wir erst recht keinen Anlass sehen, unsere Rechtshil- fe für „pre-trial discovery“-Ersuchen zu öffnen. Was das internationale Privatrecht angeht, werden wir heute eine wichtige Lücke schließen: Bislang waren die Voraussetzungen und Wirkungen einer Stellvertretung aufgrund einer Vollmacht bei grenzüberschreitendem Sachverhalt nur durch die Rechtsprechung und Literatur herausgearbeitet worden . Das werden wir nun ändern: In einem neuen Artikel 8 EGBGB werden künftig die auf eine gewillkürte Stellvertretung anwendbaren Kollisi- onsnormen präzise festgeschrieben, um den Rechtsan- wendern klare Regelungen an die Hand zu geben . Abschließend möchte ich festhalten: Auch wenn das vorliegende Gesetz zunächst sehr technisch erscheint, stellt es doch einen weiteren wichtigen Baustein dar, um für mehr Klarheit und Sicherheit im internationalen Rechtsverkehr zu sorgen und so den Lebensalltag der Bürgerinnen und Bürger weiter zu erleichtern . Und er- freulicherweise waren wir uns da auch ausnahmsweise fraktionsübergreifend einig . Sebastian Steineke (CDU/CSU): Der vorliegen- de Gesetzentwurf beinhaltet in erster Linie die Klar- stellung einzelner Vorschriften, weil sich aufgrund des internationalen Zivilverfahrensrechts Änderungs- und Präzisionsbedarf ergeben hat . Hintergrund hierfür sind vor allem die Entwicklungen aus der Rechtspraxis und der Rechtsprechung, insbesondere der des Europäischen Gerichtshofes . Weiterhin war aufgrund der Änderung der EU-Verordnung zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen eine Anpas- sung zivilprozessualer Vorschriften notwendig. Zuletzt schließen wir mit einer Regelung zur gewillkürten Stell- vertretung eine Rechtslücke, die bisher in der Praxis nur aufgrund von Richterrecht Anwendung finden konnte. Trotz vieler kleinteiliger Regelungsinhalte dieses Ge- setzentwurfs, die augenscheinlich unproblematisch sind, gab es einen zentralen Punkt, den wir als Union sehr kritisch gesehen haben . Und dies war der im Gesetz- entwurf der Bundesregierung enthaltene § 14 des Aus- führungsgesetzes zum Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schrift- stücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen und des Haager Übereinkommens über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen . Der Entwurf sah vor, eine Erledigung von Rechtshilfeersuchen aus dem Ausland unter bestimmten Voraussetzungen zu ermögli- chen, wenn das Ersuchen ein Verfahren nach Artikel 23 des Übereinkommens zum Gegenstand hat . Lassen Sie mich das nachfolgend etwas näher erläutern . Bei Verfahren nach Artikel 23 des Haager Über- einkommens handelt es sich um Verfahren, bei denen der Vertragsstaat, in unserem Fall die Bundesrepublik Deutschland, bei der Unterzeichnung, bei der Ratifika- tion oder beim Beitritt erklärt hat, dass er Rechtshilfeer- suchen nicht erledigt, die ein Verfahren zum Gegenstand haben, das in den Rechtskreisen des Common Law unter der Bezeichnung „pre-trial discovery of documents“ be- kannt ist. In erster Linie geht der Blick dabei auf Verfah- ren vor US-amerikanischen Gerichten . Hier ist es üblich, dass Prozessbeteiligte in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung in einem förmlichen Beweisverfahren die Beweismittel offenlegen, auf die sie sich später berufen wollen . Deutschland hat hier aus gutem Grund eine ent- sprechende Erklärung zu dem Übereinkommen abgege- ben, die verhindert, dass dies bei uns möglich ist . Dies ist unserem Recht völlig fremd . Der Gesetzentwurf wollte die Erledigung solcher Rechtshilfeersuchen nun aber ohne Not zulassen, wenn das Herausgabeverlangen nicht gegen wesentliche deut- sche Rechtsgrundsätze verstößt, die vorzulegenden Dokumente genau bezeichnet werden und von grundle- gender Bedeutung für das Verfahren sind und die Do- kumente sich im Besitz einer am Verfahren beteiligten Partei befinden. Auch wenn sich innerhalb dieser Vo- raussetzungen immer noch einige, vor allem aber auch unbestimmte Hürden befinden, wäre eine solche Rege- lung aus unserer Sicht ein Einfallstor zu weiteren Aus- forschungsmöglichkeiten gegen eine Prozesspartei und auch gegen Dritte . Deutsche Unternehmen, die in den Vereinigten Staaten tätig sind, wären als betroffene Partei oder gegebenenfalls als Dritte erheblichen Risiken aus- gesetzt, zum Beispiel bezüglich der Kosten, die mit der Dokumentenherausgabe verbunden sein würden sowie bei datenschutz- und arbeitsrechtlichen Problemen . Sol- che Ausforschungsbeweise sind mit dem deutschen Pro- zessrecht nicht vereinbar und dürfen auch nicht über den internationalen Rechtsverkehr Einzug halten . Die Hoffnung des Bundesjustizministeriums bestand darin, US-amerikanische Gerichte dazu zu bringen, das Haager Übereinkommen anzuwenden, was in der Pra- xis bislang so gut wie gar nicht der Fall ist . Dies hätte sich durch den vorgesehenen Artikel 14 jedoch in keiner Weise geändert . Selbst der US Supreme Court sieht das Haager Übereinkommen nur als fakultative Ergänzung für die Erlangung von Beweismaterial aus dem Ausland . In Deutschland ist es hingegen verbindlich . Schon diese Auffassung des höchsten amerikanischen Gerichts zeigt, wie die Anwendungspraxis in den Vereinigten Staaten aussieht . Wir empfehlen stattdessen zunächst eine entsprechen- de Evaluierung zu den Auswirkungen einer solchen mög- lichen Änderung, insbesondere unter Berücksichtigung der Erfahrungen von Frankreich, Dänemark, Finnland, den Niederlanden und Schweden . Ich freue mich, dass wir mit dem Koalitionspartner hier schnell eine Einigung erzielen und einen entsprechenden gemeinsamen Ände- rungsantrag auf den Weg bringen konnten . Damit erwei- sen wir den deutschen Unternehmen, die mittlerweile in einer beachtlichen Zahl auf dem internationalen Markt tätig sind, einen großen Dienst . Dies kann man in dieser Deutlichkeit ruhig mal betonen . Im Ausschuss haben alle Fraktionen dieses Hauses zugestimmt . Daher bitte ich auch hier um Ihre Zustim- mung zu dem Gesetzentwurf in der Fassung unseres Än- derungsantrags . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722660 (A) (C) (B) (D) Sonja Steffen (SPD): Der vorliegende Gesetzent- wurf befasst sich mit Änderungen im Bereich des inter- nationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht . Beim internationalen Privatrecht (IPR) handelt es sich um die Gesamtheit der Rechtssätze des nationalen Rechts, die festlegen, welche von mehreren möglichen internationalen Privatrechtsordnungen in einem Kollisi- onsfall angewandt werden . Das IPR regelt private Sach- verhalte also nicht unmittelbar, sondern durch Verweise, die die jeweils anzuwendende Rechtsordnung festlegen . In Deutschland finden sich die Regelungen zum IPR im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch, dem EGBGB . Das internationale Zivilverfahrensrecht widmet sich unter anderem der internationalen Zuständigkeit, der Gerichtsbarkeit und den Besonderheiten von Verfahren mit Auslandsbezug. Das IZVR ist überwiegend in der Zi- vilprozessordnung und internationalen Abkommen gere- gelt . Konkret beinhaltet der vorliegende Gesetzentwurf in den Artikeln 1, 2, 4 und 6 notwendige und unproblemati- sche Änderungen der ZPO, des Einführungsgesetzes des Gerichtsverfassungsgesetzes, des Internationalen Famili- enrechtsverfahrensgesetzes sowie Folgeänderungen . Im Bereich der ZPO werden insbesondere die Vor- schriften über die Auslandszustellung präziser gefasst und Anpassungen an geltendes EU-Recht vorgenommen . Aufgrund einer EuGH-Entscheidung wird ein spezieller Rechtsbehelf im Rahmen des Europäischen Mahnverfah- rens eingeführt. Weitere Vorschriften der ZPO wurden redaktionell an Veränderungen einer EU-Verordnung an- gepasst . Auch wurde eine Konzentrationsermächtigung für die Länder in europäischen Verfahren für geringfü- gige Forderungen geschaffen. Weiterhin soll eine Ände- rung des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetz die Befugnisse des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz beim automatisierten Abruf von Meldedaten erweitern . Es handelt sich also neben redak- tionellen Änderungen vor allem um Regelungen, die eine stärkere Systematisierung und Kompetenzbündelung zum Ziel haben . Artikel 5 des Gesetzentwurfs soll die gewillkürte Stellvertretung, also die reguläre rechtsgeschäftliche Stellvertretung im Sinne der §§ 164 ff. BGB, im Fall des Auslandsbezugs eines Rechtsgeschäfts regeln . Durch den neu einzuführenden Artikel 8 EGBGB soll eine Gesetzeslücke geschlossen werden . So beruhte das anwendbare Recht bis dato auf Richterrecht, was die Einzelfallanwendung unnötig verkomplizierte . Auf der Grundlage dieses Richterrechts hat der Deutsche Rat für Internationales Privatrecht einen Entwurf verfasst, der die durch Rechtsprechung und Literatur herausgearbei- teten und praktizierten, ungeschriebenen Kollisionsnor- men zur gewillkürten Stellvertretung rechtlich fixiert. Dieser liegt nun diesem Gesetzentwurf zugrunde . So enthält die Norm unterschiedliche Fallgruppen: Grundsätzlich soll die Wahl der Rechtsordnung, also die Rechtswahl, bei der Bevollmächtigung vorrangig sein . Dies entspricht dem Gedanken der Privatautonomie der Vertragsparteien. Fehlt es an einer solchen Rechtswahl, knüpft die Regelung in erster Linie an den Ort an, an dem von der Vollmacht Gebrauch gemacht wird. Ausnahms- weise kann bei der Bevollmächtigung eines Unterneh- mers oder eines Arbeitnehmers sowie der Unkenntnis des Dritten über den Gebrauchsort an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Bevollmächtigten oder des Bevoll- mächtigenden angeknüpft werden . Der Gesetzentwurf regelt also abschließend und für jedermann ersichtlich, wann welche Rechtsordnung im Bereich der gewillkür- ten Stellvertretung mit Auslandsbezug zu gelten hat . Diskutiert wurde dabei auch ein spezielles Formerfor- dernis der Rechtswahlvereinbarung . Mit gutem Grund hat man die konkrete Formbedürftigkeit jedoch abge- lehnt . Schließlich gilt auch in diesem Rahmen die Form- vorschrift des Artikel 11 EGBGB . Ein Rechtsgeschäft ist damit immer dann formgültig, wenn es die Formerfor- dernisse des Rechts, das auf das seinen Gegenstand bil- dende Rechtsverhältnis anzuwenden ist, oder des Rechts des Staates erfüllt, in dem es vorgenommen wird . Artikel 3 des Gesetzentwurfs sieht zwei Änderun- gen des Gesetzes zur Ausführung des Haager Überein- kommens vom 15 . November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen und des Haager Übereinkommens vom 18 . März 1970 über die Beweis- aufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 22 . Dezember 1977 (HZÜ/HBÜ) vor . Sinnvoll ist die im ersten Teil genannte Kompetenz- bündelungen bei Spezialgerichten . Schließlich verlangen diese sehr speziellen Fälle kundige und erfahrene Rich- ter . Ursprünglich befand sich in dem Gesetzentwurf auch eine Regelung für zukünftige Beweisaufnahmeersu- chen . In der Sache ging es um die sogenannte „pre-trial discovery of documents“ . Diese sollte zukünftig, unter strengen Voraussetzungen, ermöglicht werden. Bei der „pre-trial discovery of documents“ – übersetzt: vorpro- zessuale Dokumentenherausgabe – handelt es sich um die im angloamerikanischen Recht vorgesehene Mög- lichkeit, bereits vor der Verhandlung zur Sache die mög- lichen Wissensträger der Gegenseite intensiv zu befragen und Einsicht in die Dokumentenlage der Gegenseite zu nehmen . Aus deutscher Sicht wird dadurch eine unzu- lässige Ausforschung der Gegenseite ermöglicht . Eine Gesetzesnovellierung wurde vom BMJV angeregt, weil US-amerikanische Gerichte begannen, ihr Prozessrecht entgegen den Wertungen des Haager Übereinkommens extraterritorial anzuwenden . Zwar war der Gesetzentwurf des BMJV diesbezüglich sehr differenziert und hatte ein höheres Maß an Beklag- tenschutz deutscher Parteien in den USA zum Ziel . Doch haben wir uns als Beteiligte der Koalition mit dem BMJV vernünftigerweise darauf verständigt, erst einmal die Re- aktion US-amerikanischer Gerichte auf gleichgerichtete Regelungen in anderen europäischen Staaten (zum Bei- spiel in Frankreich oder den Niederlanden) abzuwarten . Schließlich kann es sich hier um datenschutzrechtlich höchst brisante Dokumente handeln. So haben die Ver- bände wiederholt zu verstehen gegeben, dass eine Ge- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22661 (A) (C) (B) (D) setzesneufassung mit erheblichen Risiken für deutsche Prozessparteien in den USA verbunden sein könnte . Hier gilt es also bedächtig vorzugehen . Der Praxistest in den anderen europäischen Ländern wird zeigen, ob es hier zukünftig einer Regelung bedarf oder nicht . In der Gesamtbetrachtung handelt es sich also um ei- nen sehr ausgewogenen Gesetzentwurf . Neben redakti- onellen Änderungen, Kompetenzbündelungen und einer stärkeren Systematisierung vorhandener Regelungen wird vor allem ein höheres Maß an Rechtsklarheit ge- schaffen. Dabei werden Gesetzeslücken geschlossen und notwendige Konkretisierungen und Anpassungen an gel- tendes EU-Recht vorgenommen . Dabei wurden viele Im- pulse aus Rechtsprechung und Rechtspraxis aufgegriffen und umgesetzt . Gerade bei der Regelung zur gewillkürten Stellvertre- tung bei Rechtsgeschäften mit Auslandsbezug wurden Forderungen aus Wissenschaft und Praxis sorgfältig um- gesetzt, was zu einem erhöhten Maß an Rechtssicherheit in derartigen Fällen führen wird . Zu loben ist vor allem die gelungene Abstimmung zwischen dem BMJV, den beteiligten Abgeordneten, den Ländern, den Verbänden und der Wissenschaft. Damit handelt es sich bei dem vorliegenden Entwurf um ei- nen richtigen und wichtigen Beitrag im internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht, der auf breiter Zustim- mung beruht und von mir und der Fraktion der SPD nur zu begrüßen ist . Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Wir diskutieren heute hier abschließend über einen Gesetz- entwurf zur Änderung von Vorschriften im Bereich des internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts . Die Linke wird – das kann ich vorab schon zusichern – die- sem Gesetz ihre Zustimmung geben . Auch wenn wir im Detail durchaus Kritik haben, bedeuten die Änderungen, Präzisierungen und Ergänzungen von Vorschriften des internationalen Zivilverfahrensrechts für die Bürgerin- nen und Bürger Verbesserungen, zu ihrem guten Recht kommen zu können . Zwei Beispiele dafür: Stellen Sie sich vor, Sie verkau- fen über ein Onlineverkaufsportal eine Ware an einen In- teressenten aus Dänemark, Holland, Schweden . Sie wer- den sich über das Internet einig . Sie versenden die Ware, erhalten aber kein Geld . Auf Ihre mahnenden E-Mails gibt es keine Antwort . Sie müssen sich an ein Gericht wenden, um Ihr Geld einzuklagen . Dies war bisher ein umständliches und für viele Ver- braucherinnen und Verbraucher schwer nachvollzieh- bares Verfahren. Oft musste man zum Landgericht ge- hen – für viele mit weiten Wegen verbunden . Ein Richter konnte entscheiden, dass er nicht zuständig ist, sondern ein anderer Richter – eine sogenannte gewillkürte Stell- vertretung . Dies wird jetzt geändert und für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbarer gestaltet, indem Gerichte be- reits auf der Ebene von Amtsgerichten – also in meinem Wahlkreis wäre das zum Beispiel in Oranienburg mög- lich – zu zuständigen Gerichten erklärt werden . Durch die Möglichkeit, ein Amtsgericht mehrerer Amtsge- richtsbezirke zum zuständigen Gericht zu erklären, hat dieses die Möglichkeit, sich auf das jeweilige Rechtsge- biet zu spezialisieren und damit wirkungsvoll, schneller und effizienter im Sinne von Verbraucherinnen und Ver- brauchern Recht zu sprechen . Zweites Beispiel: Ein Paar – sie Deutsche, er US-Ame- rikaner – haben ein gemeinsames Kind . Sie sind aber nicht verheiratet. Es kommt zu Konflikten, sie wollen das Kind aber nicht darunter leiden lassen und einigen sich auf Umgangsmöglichkeiten für die einzelnen Elterntei- le. Plötzlich fällt dem Vater ein: Ich fahre mit dem Kind in die Staaten und bleibe dort dauerhaft; soll doch die Mutter sehen, wie sie künftig zu ihrem Umgangsrecht kommt . Die USA sind ein weites Land und haben Regionen, die hin und wieder auch mal ohne Internet sind . Der ge- wöhnliche Aufenthaltsort des Kindes kann sich verlau- fen . Die Mutter wartet und wartet, sie schreibt eine E-Mail nach der anderen – keine Reaktion von ihrem ehemaligen Lebensgefährten . Ihr bleibt nur der Rechtsweg . Bisher ein sehr kompliziertes Verfahren, zu dem sie in die Staa- ten fahren musste, dort einen Anwalt nehmen, Überset- zungsleistungen beibringen usw . Jetzt wird das Internationale Familienrechtsverfah- rensgesetz so geändert, dass die zentrale Behörde im automatisierten Abrufverfahren Daten abrufen kann, wie zum Beispiel derzeitige Staatsangehörigkeiten, frühere Anschriften, gekennzeichnet nach Haupt- und Neben- wohnungen, sowie das Einzugs- und Auszugsdatum . Dadurch könnte die Mutter von Deutschland aus und deutlich schneller und unkomplizierter als bisher an In- formationen über den gewöhnlichen Aufenthaltsort ihres Kindes herankommen . Ich weiß, dies ändert alles noch gar nichts an einer ganzen Reihe von Rechtsproblemen, mit denen Bürge- rinnen und Bürger ebenfalls konfrontiert sein können . Und die Regelungen betreffen, wie gesagt, nur den Be- reich des internationalen Privat- und Zivilrechts . Aber es sind Schritte in die richtige Richtung . Außerdem werden Lücken im internationalen Privatrecht geschlossen . Auch im internationalen Zivilverfahrensrecht gab es in mehr- facher Hinsicht Klarstellungs- und Änderungsbedarf, einschließlich der Rechtshilfe und des internationalen Familienverfahrensrechts . Darüber hinaus hat die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu Rechtsunsicher- heiten für die Rechtspraxis geführt . Der bestehende Rechtshilfeverkehr mit den USA ist um weitere Möglich- keiten ergänzt worden . All dies ist im Sinne der Bürge- rinnen und Bürger und wird von der Linken unterstützt . Allerdings können wir der Bundesregierung eine wichtige Kritik nicht ersparen: Im ursprünglichen Ge- setzentwurf haben Sie ohne Not das im deutschen Zi- vilverfahrensrecht geltende Ausforschungsverbot im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr, insbesondere im Verhältnis zu den USA, aufgegeben, ohne dass dem greifbare Vorteile gegenübergestanden hätten. Es be- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722662 (A) (C) (B) (D) durfte erst wieder erheblichen Protestes aus der Zivil- gesellschaft und eines Änderungsantrages im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens, um diese Absicht zu vereiteln . Dies ermöglicht uns die Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf in geänderter Fassung . Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit dem Gesetzentwurf, den wir heute hier beraten, sollen einige Vorschriften im Bereich des internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts geändert oder klargestellt werden . Es ist ein kleiner Rundumschlag, der Regelungen in der Zivilprozessordnung, den Einführungsgesetzen zum BGB, dem Gerichtsverfassungsgesetz und dem Famili- enrechtsverfahrensgesetz betrifft. Das Vorhaben greift verschiedene Entwicklungen aus Rechtsprechung und Praxis auf und ist im Interesse der Rechtsklarheit zu be- grüßen . In der ZPO werden insbesondere die Vorschriften über die Auslandszustellung präzisiert . Bei geringfügigen For- derungen wird für europäische Verfahren eine Zuständig- keitskonzentration ermöglicht . Im Europäischen Mahn- verfahren soll bei Nichtzustellung des Europäischen Zahlungsbefehls ein Rechtsbehelf eingeführt werden . Ins Kollisionsrecht des EGBGB wird eine Regelung zum anwendbaren Recht bei Stellvertretung aufgenom- men. So wird der Rechtswahl des Vollmachtgebers Vor- rang eingeräumt und Regelungen für Fälle getroffen, wenn keine Rechtswahl erfolgt ist . Dies entspricht den bisher in der Praxis angewandten Kriterien . Im Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetz werden die Möglichkeiten zum Abrufen von Meldedaten durch das Bundesamt für Justiz erweitert . Das Bundes- amt für Justiz ist zum Beispiel zuständig für die Rück- führung von entführten Kindern . Die im automatisierten Verfahren abrufbaren Daten sollen zur Ermittlung des Aufenthaltes eines Kindes um Staatsangehörigkeit und frühere Anschriften ergänzt werden . Im parlamentarischen Verfahren ist glücklicherweise die rechtspolitisch fragwürdige Erweiterung der Rechts- hilfemöglichkeiten nach dem Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Han- delssachen entfallen, die ursprünglich im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehen war . In Deutschland gilt zwar auch bisher schon dieses Haager Übereinkommen, doch die Bundesrepublik Deutschland hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen Vorbehalt gegen die Vorgaben zur Dokumentenhe- rausgabe einzulegen . Rechtshilfeersuchen, die das im Common Law verbreitete „pre-trial discovery“-Verfah- ren zum Gegenstand haben, werden entsprechend dem Vorbehalt nicht erledigt. Ursprünglich war von der Bundesregierung vorge- sehen, dass auf Rechtshilfeersuchen beispielsweise aus den USA unter bestimmten Voraussetzungen Dokumente herausgegeben werden sollten, wenn die Beweisaufnah- me im „pre-trial discovery“-Verfahren stattfindet, also in einem bei uns nicht vorhandenen Beweisermittlungsver- fahren zwischen Klageerhebung und Hauptverhandlung . Das steht im Gegensatz zur Grundmaxime des deut- schen Zivilprozessrechts, wonach – als Ausprägung des Beibringungsgrundsatzes – die Ausforschung der Gegen- seite unzulässig ist . Dieser Grundsatz sollte nicht ohne Not durchbrochen werden . Zugegebenermaßen ist auch die aktuelle Rechtsla- ge etwas unbefriedigend . Nachdem deutsche Gerichte Rechtshilfeersuchen aus den USA, die auf Dokumenten- herausgabe im Rahmen der „pre-trial discovery“ gerich- tet waren, abgelehnt hatten, begannen US-Gerichte, ihr eigenes Zivilverfahrensrecht extraterritorial anzuwen- den. Wird die Vorlage von Dokumenten unter Berufung auf das deutsche Recht verweigert, drohen der deutschen Partei im US-Verfahren prozessuale Nachteile. Der vom Vorbehalt zum Haager Übereinkommen intendierte Schutz der deutschen Prozesspartei läuft dann leer . Dass aber eine – mit rechtlichen Hürden versehene – Anwendung der Regelung des Haager Übereinkommens über die Dokumentenherausgabe zum Ziel führen wür- de, ist zweifelhaft . Denn auch wenn der Weg der grenz- überschreitenden Beweisaufnahme „pre-trial“ über das Ausführungsgesetz zum Haager Übereinkommen er- öffnet wäre, würde dies nur einen zusätzlichen Weg für die US-Gerichte bedeuten, nicht den bisher gegangen Weg – die Anwendung des eigenen Verfahrensrechts – ausschließen . Im Ergebnis wäre also nichts gewonnen, wenn die USA weiterhin auf die Anwendung ihres eige- nen, weitergehenden Rechtes setzen würde . Und wenn die Erreichung des Ziels eines Gesetzes so unsicher ist, sollten wir dafür keine nationalen prozessrechtlichen Grundsätze über Bord werfen . Die Bundesregierung tut also gut daran, wenn sie zu- nächst die Auswirkungen auf die US-Praxis in anderen Vertragsstaaten des Haager Übereinkommens untersucht, die bereits das Verfahren der Dokumentenherausgabe über das Übereinkommen zulassen . Nur wenn dort posi- tive Erfahrungen festgestellt werden, lohnt es sich über- haupt, hier über eine begrenzte Öffnung des deutschen Verfahrensrechts zu diskutieren, um die aktuelle US-Pra- xis abzuwehren . Gesetzesänderungen müssen auf einer ausreichenden Faktenanalyse basieren . Diesen Grundsatz hat die Ko- alition hier letztlich beherzigt – die ursprünglich vom Bundesjustizministerium vorgesehene Fassung des Re- gierungsentwurfes wurde entsprechend geändert . Ich wünschte nur, die Koalition würde auch bei ande- ren Bereichen die Faktenlage auswerten, bevor sie Geset- ze ändert oder beschließt . Anlage 8 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Zehnten Gesetzes zur Än- derung des Weingesetzes (Tagesordnungspunkt 21) Kordula Kovac (CDU/CSU): Manchen von Ihnen mag es aufgefallen sein: Bei den verschiedenen Festak- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22663 (A) (C) (B) (D) ten anlässlich der Bundesversammlung wurde überwie- gend deutscher Wein serviert . Zu meiner großen Freude sogar auch Wein aus meiner Heimat Südbaden . Das war nicht immer so und ist letztendlich auch ein Verdienst der Arbeit des Parlamentarischen Weinforums . Dieses wurde nämlich im Jahr 2003 auf überparteiliche Initiative hin gegründet in dem Bestreben, dass bei Veranstaltungen des Deutschen Bundestages auch deutscher Wein bzw . deutscher Winzersekt ausgeschenkt wird . Kann natürlich sein, dass das jetzt dem ein oder an- deren der „Mulitkulti-Fraktion“ gegen den Strich geht, aber: Deutscher Wein braucht schließlich den Vergleich zur ausländischen Konkurrenz nicht zu scheuen . Damit dies auch in Zukunft so bleibt, muss die Politik hin und wieder die Rahmenbedingungen der Weinbranche in Deutschland überprüfen und gegebenenfalls anpassen . Genau dies tun wir mit dem vorliegenden Gesetz . Zwar mag der Titel des Gesetzes etwas schwerfällig über die Lippen kommen, die konkreten Beschlüsse sind aber vor allem durch Vereinfachung von Verwaltung und Verfahren und dem Vorbeugen von möglichen Marktstö- rungen geprägt . Erlauben Sie mir, die wichtigsten Punkte zusammenzufassen: Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden die Bun- desländer ermächtigt, durch Rechtsverordnungen sowohl Schutzgemeinschaften zur Verwaltung der Lastenhefte als auch Branchenverbände auf ihrem Hoheitsgebiet zu erlauben . Durch die nun erlaubte Einführung von Schutzge- meinschaften vereinfachen wir die Verwaltung von her- kunftsgeschützten Weinen, da hierdurch die Anträge zur Änderung der Produktspezifikationen einer geschützten Ursprungsbezeichnung oder einer geschützten geogra- fischen Angabe nicht mehr einzeln durch die Erzeuger, sondern durch die jeweilige Schutzgemeinschaft vorbe- reitet und gestellt werden kann . Die genaue Ausgestal- tung der Struktur der Schutzgemeinschaften soll durch eine Rechtsverordnung der Bundesländer geregelt wer- den . Gleichzeitig gewährleisten wir aber bundeseinheitlich eine hinreichende Repräsentativität für das entsprechen- de Gebiet, indem die Schutzgemeinschaft nur anerkannt werden kann, wenn sie durch mindestens zwei Drittel der Erzeuger des jeweiligen Anbaugebiets vertreten ist und auf sie zusätzlich zwei Drittel der Weinerzeugung ent- fallen . Durch das Aufheben des bisherigen Verbots der Bran- chenverbände im Weinbau entsprechen wir dem Wunsch der Bundesländer, ihren spezifischen regionalen Beson- derheiten Rechnung tragen zu können . Mit der dement- sprechend notwendigen Änderung des Agrarmarktstruk- turgesetzes ermöglichen wir erstmals, dass durch die vielzähligen Fördermöglichkeiten und Funktionen von Branchenverbänden Synergien zwischen Weinbauver- bänden, Gebietsweinwerbung und Schutzverbänden er- möglicht werden . Zukünftige Marktstörungen verhindern wir durch eine Länderermächtigung zur Festsetzung eines Hektar- höchstbetrages von bis zu 200 Hektoliter/Hektar für Wei- ne ohne Herkunftsbezeichnung, insbesondere für Flächen außerhalb der Anbau- und Landweingebiete . Außerdem schreibt das Gesetz bundeseinheitlich 200 Hektoliter/ Hektar vor, sollten die Länder nicht durch eine eigene Rechtsverordnung aktiv werden . Einem zukünftigen Überangebot kommen wir zu- vor, indem die Begrenzung von Neuanpflanzungen auf 0,3 Prozent der bepflanzten Gesamtfläche auf drei weite- re Jahre bis 2020 ausgeweitet wird . Durch die Kombination dieser beiden Anbauhöchst- grenzen vermeiden wir einen bundesweiten Flickentep- pich und verhindern, dass der Weinsektor durch eine Mehrmenge von bis zu 9 Millionen Liter Wein pro Jahr belastet wird . Eine solche Menge würde bei einer Neube- pflanzung von 1 Prozent der Rebflächen in Deutschland, wie sie die EU erlaubt, zusätzlich auf den Weinmarkt drängen, wenn wir auf nationaler Ebene die 0,3 Pro- zent-Begrenzung nicht fortsetzten . Durch die Einbeziehung der Stadtstaaten in den Vor- wegabzug, also die Erlaubnis der 5-Hektar-Neubepflan- zung, entsprechen wir den Interessen dieser Bundeslän- der, ohne dass der Markt hierdurch signifikant gestört wird . Last, but not least: Mit der Anhebung der Bagatell- grenze von 5 auf 10 Ar reduzieren wir nicht nur die Zahl der abgabepflichtigen Betriebe, sondern verringern auch den Verwaltungsaufwand. Die finanziellen Einbußen die- ser Maßnahme entsprechen gerade mal 1,34 Prozent und können dementsprechend vernachlässigt werden . Kurzum vereinfacht dieses Gesetz somit, um es noch einmal zu wiederholen, die Verwaltung und beugt Markt- störungen vor . Auf rund 100 000 Hektar Rebfläche werden in Deutschland durchschnittlich 9,5 Millionen Hektoli- ter Wein pro Jahr erzeugt . Insgesamt konsumieren die Deutschen im Jahr rund 20 Millionen Hektoliter Wein . 13 Millionen Hektoliter davon sind allerdings auslän- dische Erzeugnisse . Deutschland ist damit der größte Weinimporteur der Welt . Helfen Sie mit, dass deutsche Winzerinnen und Winzer auch auf dem einheimischen Weinmarkt konkurrenzfähig bleiben und stimmen Sie diesem Gesetz zu . Marlene Mortler (CDU/CSU): Die Krise in der Milchwirtschaft hat es uns im letzten Jahr schmerzlich vor Augen geführt: Wenn wir den Branchen in der Land- wirtschaft keine Eigenverantwortung zugestehen, kön- nen sie nicht angemessen auf Marktschwankungen und -krisen reagieren . Was die Milchbranche angeht, hat der Deutsche Bun- destag bereits 2016 eine gangbare Lösung gefunden: Seitdem können sich unter anderem Branchenverbän- de freiwillig zusammentun, um zeitlich befristet die Rohmilchproduktion zu regulieren . Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf eröffnen wir nun den Ländern die Möglichkeit, der Weinbranche ähnliche gestalterische Freiheiten zu übertragen . Wir wollen sie – genauso wie die gesamte Landwirtschaft – fit für den Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722664 (A) (C) (B) (D) internationalen Wettbewerb und damit für die Zukunft machen . Der Weinsektor ist, wie kaum eine andere Branche in der Landwirtschaft, aufs Engste mit seinen Anbau- regionen verwoben . Diesen besonderen Gegebenheiten müssen wir Rechnung tragen . Die Länder sollen daher künftig selbst für ihr Territorium entscheiden können, ob sie Branchenverbände anerkennen . Dies soll durch eine Bundesverordnung ganz oder teilweise an die Landesre- gierungen delegiert werden . Für Weine, die ohne Herkunftsbezeichnung vermark- tet werden, können zudem Hektarhöchsterträge festge- legt werden . Damit wirken wir Marktverzerrungen ent- gegen . Bereits jetzt ist in der Novelle des Weingesetzes vor- gesehen, in den Jahren 2018 und 2019 die Neuanpflan- zungen auf 0,3 Prozent der Gesamtrebfläche zu begren- zen . Damit erreichen wir mehr Preisstabilität . Vor allem in der Neuregelung für den Zusammen- schluss von Branchenverbänden sehe ich große Vorteile, auch für uns in Bayern: Über reine Marktanpassungs- strategien hinaus sind es in erster Linie Synergieeffekte, die Branchenverbände attraktiv machen. Der Verwal- tungsaufwand, um beispielweise EU-Förderungen zu beantragen, kann geteilt und damit für einzelne Betriebe verringert werden . Gemeinsame Absatz- und Marke- tingstrategien ermöglichen eine optimale Ausrichtung auf den Markt . Angebote können gebündelt und gemein- same Werbemaßnahmen auf den Weg gebracht werden . Jede Branche hat darüber hinaus ihre berechtigten Interessen, die sie gegenüber Wirtschaft, Gesellschaft und Politik vertreten möchte und muss . Wer mit einer Stimme für alle oder zumindest viele spricht, kann seine Anliegen natürlich wesentlich besser durchsetzen als ein Einzelkämpfer . Das zeigt ein Blick in die romanischen Weinbauländer: Die Champagne und Südtirol sind er- folgreiche Beispiele für die Einrichtung von Branchen- verbänden . Unsere Landwirte bewegen sich heute in globalisier- ten Märkten . Dadurch sind einerseits Handelshemmnis- se weggefallen und Absatzmärkte dazugekommen . An- dererseits müssen sich unsere Bäuerinnen und Bauern sowie auch alle anderen international tätigen Branchen einer wesentlich breiteren Konkurrenz stellen als früher . Derzeit haben wir in Deutschland einen Anteil von ausländischen Weinen von rund 56 Prozent . Wir sind weltweit Weinimportland Nummer eins . Das zeigt, welch große Vielfalt auf dem deutschen Markt herrscht. Gleichzeitig ist der Weinexport gesunken . Unsere eige- nen Weinerzeugnisse stehen unter einem erheblichen Marktdruck . Schlimmer noch: Es herrscht ein regelrech- ter Verdrängungswettbewerb. Zwei Drittel aller Weine im Lebensmitteleinzelhandel und Discount werden für 1,99 Euro verkauft – ein Preis, zu dem in Deutschland schwer qualitätsbewusster Weinbau betrieben werden kann . Branchenverbände können hierfür die ideale Antwort sein. Sie schärfen und profilieren eine Herkunft als Mar- ke . Und sie bieten die Möglichkeit, sich von der inter- nationalen Konkurrenz abzuheben . Unserem Ziel, auf Klasse anstatt auf Masse zu setzen, kommen wir dadurch einen guten Schritt näher . Wir wissen dank vieler praktischer Erkenntnisse, dass Kooperationen innerhalb einer Branche oder sogar von mehreren Branchen gerade in der Landwirtschaft erfolg- versprechend sind . Zum Beispiel ist es auch Zuckerrü- benbauern möglich, dass sie sich zusammenschließen, um Preisverhandlungen mit der Industrie zu führen . Um der schwierigen Marktlage und dem unaufhalt- samen Strukturwandel zu trotzen, schaffen sich unsere Bäuerinnen und Bauern immer häufiger mehrere Stand- beine . Sie wandeln damit oft zwischen den „Branchen- welten“ . Nehmen Sie nur das Konzept „Ferien auf dem Bauernhof“ . Es vereint die Landwirtschaft mit der Tou- rismuswirtschaft . Mit einem schönen Beispiel aus meiner Heimat möch- te ich aufzeigen, dass und wie solche integrativen Stra- tegien zu einer Erfolgsgeschichte werden können: In Franken reden wir seit zehn Jahren nicht mehr überei- nander, sondern miteinander . Hier verbindet sich edler Genuss mit dem Tourismus . Dies wird im ganzheitlichen Weintourismuskonzept „Franken – Wein .Schöner .Land“ vereint und verdeutlicht . Die Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, die Tourismusverbände in Franken und die Gebietsweinwerbung Franken haben sich zusammengeschlossen und mit Zertifizierungskrite- rien Maßstäbe für Exzellenz und Genuss gesetzt . Wir Bayern, insbesondere wir Franken, wollen end- lich die offensichtlichen Vorteile von Branchenverbän- den nutzen und wettbewerbsbedingte Risiken für den einzelnen Betrieb reduzieren . Mit der Neuregelung des Weingesetzes legen wir die Grundlage für alle Beteiligten, damit sie zielgerichtet und vor allem effizient zusammenarbeiten können. Wir institutionalisieren ihre Kooperation und heben so bereits existierende Zusammenschlüsse im Weinsektor auf eine neue Ebene . Wein gehört zu unserer Kultur und ist identitätsstif- tend für Regionen wie mein Frankenland . Als Drogenbe- auftragte der Bundesregierung ist mir in diesem Zusam- menhang besonders wichtig: Ein Genuss ist Wein nur, wenn er in Maßen getrunken wird . – Es würde dem edlen Getränk und der Arbeit unserer Winzerinnen und Winzer nicht gerecht werden, wenn er achtlos und in ungesun- den Mengen missbräuchlich konsumiert wird . Und in der Schwangerschaft und Stillzeit, aber auch am Lenkrad und am Arbeitsplatz müssen grundsätzlich 0,0 Promille gelten . Ich werbe für einen verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol insgesamt und für die Wertschätzung derje- nigen, die unseren hervorragenden Wein in harter Hand- arbeit produzieren . Gustav Herzog (SPD): Passend zum Ende der Pro- Wein in Düsseldorf beraten wir heute abschließend die zehnte Änderung des Weingesetzes . Im Sommer 2015 haben wir die neunte Änderung beschlossen und schon damals war absehbar, dass wir 2017 die zehnte und vo- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22665 (A) (C) (B) (D) raussichtlich schon im kommenden Jahr die nächste Ge- setzesänderung haben werden . Gleich nach der Bundes- tagswahl im September werden wir uns also an die Arbeit für eine größere Reform machen . Ich bin in diesen Tagen ganz zuversichtlich, dass ich dann auch wieder in Regie- rungsverantwortung mit dabei sein werde . In gewohnter Manier konnten wir uns als Berichter- statter im Parlamentarischen Weinforum auf die wesent- lichen Dinge informell einigen . Ich bin immer wieder dankbar für dieses überfraktionelle Gremium, in dem wir uns seit mehreren Wahlperioden nicht nur im Vorfeld auf eine Gesetzesänderung verständigen können . An dieser Stelle meinen herzlichen Dank an die Kollegin und die Kollegen für die gute Zusammenarbeit in dieser Wahl- periode . Verständigt hatten wir uns zunächst einvernehmlich auf drei Punkte. Die Verlängerung des 0,3-Prozent-Zu- wachses bei den Neuanpflanzungen bis 2018, eine Aus- weitung der Höchstertragsregelung auf alle Anbauflächen und die Einrichtung einer institutionellen Organisation zur Betreuung der Lastenhefte für herkunftsgeschützte Weine, also Weine mit geschützter Ursprungsbezeich- nung und mit geografisch geschützten Angaben. Der Bundesrat hat darüber hinaus weitere Vorschläge gemacht, welche die Bundesregierung in ihrer Gegenäu- ßerung aufgegriffen hat. Nach intensiven, zum Teil kont- roversen Beratungen wollen wir diese nun mit umsetzen . Doch wie so oft gilt auch hier das Struck’sche Gesetz: Nichts verlässt das Parlament, wie es hineingekommen ist . – Daher freue ich mich auf die Zustimmung der Op- position zu dem Änderungsantrag der Koalition, der die Vorschläge von Bundesrat und Bundesregierung in mo- difizierter Form umsetzt. Dazu gehört die Ausweitung der 0,3-Prozent-Regel bis 2020, um mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten und mehr Ruhe bei der Antragstellung herzustellen . Weiterhin wollen bestimmte Anbaugebiete Branchen- verbände für den Wein einrichten . Wir ändern also auch das Marktstrukturgesetz und ermächtigen die Bundesre- gierung, den Landesregierungen zu erlauben, solche Ver- bände auch für die Weinbranche einzurichten . Als dritter Zusatzpunkt wird die Beitragserhebung für die Weinwerbung vereinfacht . Zum einen heben wir die Bagatellregelung von 5 auf 10 Ar an . Das bedeu- tet, dass gut 300 Hektar Klein- und Kleinstflächen aus der Beitragserhebung herausfallen . Dadurch entstehen dem Weinfonds Einnahmeverluste in Höhe von etwa 22 000 Euro . Gleichzeitig schränken wir die Beitrags- pflicht dahin gehend ein, dass nur bestockte Rebflächen erhoben werden . Das wiederum bedeutet Beitragsverlus- te für den Weinfonds in Höhe von etwa 125 000 Euro . In der Summe gehen also der Weinwerbung rund 150 000 Euro im Jahr verloren . Dieses spezielle Thema werden wir aber im Rahmen des elften Änderungsgeset- zes erneut aufgreifen und intensiv beraten müssen . Besonderen Beratungsbedarf benötigte die Frage nach der inneren Organisation der sogenannten Schutzge- meinschaften zur Verwaltung der Lastenhefte herkunfts- geschützter Weine . Wir sehen die unterschiedlichen Er- wartungshaltungen an dieser Regelung bei den Ländern, den Verbänden und den einzelnen Erzeugern bzw. Kelle- reien . Den meiner Meinung gut abgewogenen Kompro- miss werden wir in der gelebten Praxis genau beobachten und gegebenenfalls nachschärfen müssen . Die Gelegenheit dazu liegt, wie bereits erwähnt, mit dem elften Änderungsgesetz in greifbarer Nähe . Hierzu wird für die SPD-Bundestagsfraktion auch gehören, den Anteil der deutschen Weinwerbung an dem Stützungs- programm spürbar anzuheben, um damit insbesondere das Auslandsmarketing zu verstärken . Mit dieser Gesetzesänderung setzen wir den Weg ei- ner sehr praxisorientierten, behutsamen Weinbaupolitik fort . Die SPD-Fraktion wird daher gerne zustimmen . Roland Claus (DIE LINKE): Es gibt nicht viele poli- tische Sachverhalte hier im Hohen Hause, bei denen man sich so gut überfraktionell einigen kann wie beim Wein . Aus diesem Grunde wird die Fraktion Die Linke auch in diesem Jahr der Weingesetz-Novelle zustimmen . Als Vertreter der beiden ostdeutschen Weinbauregio- nen Saale/Unstrut in Sachsen-Anhalt und Thüringen und Meißen an der Elbe in Sachsen habe ich mich zunächst – das will ich hier nicht verhehlen – nach wie vor für eine Zuwachsmöglichkeit von 0,5 Prozent (gleich 500 Hek- tar) der Rebflächen eingesetzt. Nun ist es wieder bei den 0,3 Prozent geblieben . Entsprechend der Festlegung für die Jahre 2016 und 2017 sollen nun auch für die Jah- re 2018 und 2019 Neuanpflanzungen auf 0,3 Prozent der deutschen Rebflächen begrenzt werden. Die Anpassun- gen korrigieren redaktionelle Unsauberkeiten und aktua- lisieren die Quote, um den Preis für vor allem herkunfts- geschützte Weine zu stabilisieren . Gerade für uns Linke ist es spannend, wie die Bundesregierung beim Weinbau wacker verteidigt, was sie bei der Milch zum Leid der Er- zeugerinnen und Erzeuger aufgab: Eine staatliche Men- genregulierung zur Sicherung der regionalen Produktion und der Preisstabilität . Auch wenn wir die Schizophrenie nicht nachvollziehen können, teilen wir dennoch das Vor- haben dieses Gesetzentwurfs . Positiv daran zu bewerten ist, dass damit versucht werden soll, den Weinmarkt weiterhin dauerhaft zu sta- bilisieren . Des Weiteren wird somit auch der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie entsprochen – welches ebenso vom Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwick- lung des Deutschen Bundestages getragen wird . In Bezug auf die Festlegungen der Schutzgemein- schaften hoffen wir als Fraktion Die Linke, dass unserem Ansinnen nach Abbau von Bürokratie Rechnung getra- gen wird und nicht diesen unseren Forderungen zuwider- gelaufen wird . Nichtsdestotrotz freue ich mich, auch in meiner Funk- tion als Mitglied des Parlamentarischen Weinforums, dass wir auch in diesem Jahr wieder so lange verhandelt haben, bis ein einvernehmlicher Kompromiss zustande gekommen ist . Dafür möchte ich mich bei der Mit-Be- richterstatterin und den Mit-Berichterstattern wie auch bei den Mitgliedern im Parlamentarischen Weinforum herzlich bedanken . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722666 (A) (C) (B) (D) Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Weinbau ist für zahlreiche ländliche Regionen ein bedeu- tender Wirtschaftszweig . Er stärkt die regionale Wert- schöpfung und schafft Arbeitsplätze auf dem Land. So sind rund 17 000 Menschen insgesamt im Weinbau be- schäftigt, viele davon in Winzerfamilien-Betrieben . Wir sehen in den letzten Jahrzehnten gute Entwick- lungen, die dafür gesorgt haben oder dazu beitragen, dass unsere Winzerinnen und Winzer Preise erzielen, von de- nen sie auch leben können . Zum einen haben wir eine Qualitätsoffensive erlebt: Junge Winzerinnen und Winzer konzentrieren sich auf die Produktion von Qualitätswein und nehmen dafür we- niger Ertrag in Kauf; sie bauen weniger Wein besser aus, und nehmen ihre Standorte und Sorten ernst . Deutscher Wein wird deshalb inzwischen weltweit geschätzt – und erzielt entsprechend gute Preise . Zur Qualitätsoffensive zählt auch der boomende Ökoweinbau: Auch hier machen sich immer mehr Win- zerinnen und Winzer auf den Weg, konsequent ökolo- gisch und qualitätsorientiert zu wirtschaften . Und der Weinbau wird zunehmend zu einem bedeu- tenden Tourismusfaktor: Seit Jahren erfreut sich der Weintourismus wachsender Beliebtheit . Besucherinnen und Besucher schätzen die Kulturlandschaften mit ihren Weinbergen, Terrassen und Trockenmauern und genie- ßen die besondere Lebensqualität, die wir mit Wein ver- binden und die die Regionen seit Hunderten von Jahren prägen . Und auch das ist mit dem Qualitätsweinbau verbun- den: Die Steillagen und alten Wingerte lassen sich eben nicht mit Massenertrag erhalten, sondern erfordern – al- lein schon aufgrund ihrer Lage und geringen Größen – eine Fokussierung auf Qualität, die dann auch die ent- sprechend damit verbundene, oft noch manuelle Arbeit entlohnen kann . Die Qualität des Weins und seine Einbettung ist also der entscheidende Faktor für die regionale Wertschöp- fung . Unsere Aufgabe in der Politik ist es, die Rahmenbe- dingungen so zu setzen, dass der Weinbau auch weiterhin diese wichtigen Aufgaben in den Regionen erfüllen kann . Für uns gilt also der einfache Grundsatz: Klasse statt Masse . So können wir dazu beitragen, die Weinpreise stabil zu halten und unseren Winzerinnen und Winzern den Rücken zu stärken . Mit der heute vorliegenden zehnten Änderung des deutschen Weingesetzes gehen wir diesen Schritt ent- schlossen weiter . Denn auch für Landwein wird ein bun- deseinheitlicher Hektarhöchstertrag festgesetzt, sodass nicht mehr beliebig viel Wein auf einer bestimmten Flä- che produziert werden kann . Das ist ein wichtiger Schritt Richtung stabiler Weinpreise . Vor knapp zwei Jahren hat sich der Bundestag mit der Frage beschäftigt, wie wir mit dem Auslaufen des euro- paweiten Anbaustopps für Reben umgehen sollen . Hät- ten wir nicht eine bundeseinheitliche strengere Regelung gefunden, hätte die Rebfläche jährlich um 1 Prozent aus- geweitet werden dürfen. Nach längeren Verhandlungen hier im Bundestag und mit den weinbauenden Ländern haben wir einen guten Mittelweg gefunden: der Ein- schränkung der Neubepflanzungen auf 0,3 Prozent im Qualitätsweinbau . Heute steht die Fortschreibung dieser Einschränkung zur Abstimmung. Vor dem Hintergrund der niedrigen Fassweinpreise an einem sensiblen Markt ist es wichtig, dass wir hier eine Regelung treffen, die für unsere Win- zerbetriebe Klarheit und Planbarkeit bedeutet . Mit der Fortschreibung bis einschließlich 2020 schaffen wir das auch über den Wahlperiodenwechsel hinaus. Das findet unsere ausdrückliche Zustimmung . Wir müssen auch ein besonderes Augenmerk auf den Strukturwandel der Winzerbetriebe legen . Um die Vielfalt der Betriebe und ihrer Produkte zu erhalten und auch jungen Menschen eine Perspektive im Wein- bau zu geben, gilt es, kleinere Betriebe nicht zusätzlich zu belasten . Das bedeutet auch: weniger bürokratische Anforderungen für diejenigen, die den guten Wein an- bauen und produzieren . Die in der vorliegenden zehnten Änderung des Weingesetzes vorgesehene Anhebung der Bagatellgrenze für die abgabepflichtigen Betriebe stärkt kleinen Betrieben und Betrieben im Nebenerwerb den Rücken . Und das ist gut so . Wichtig ist jetzt ein starkes gemeinsames Signal in diese Richtung aus dem Bundestag . So erhalten wir un- seren Grundsatz „Klasse statt Masse“ unsere Kulturland- schaften und wirtschaftlichen Potenziale in ländlichen Regionen . Wir stimmen dem Gesetzentwurf zur Ände- rung des Weingesetzes deshalb zu . Über die heute beschlossenen Regelungen hinaus müssen wir aber auch an anderen Stellen dafür sorgen, dass unsere Weinbaubetriebe unter guten Rahmenbedin- gungen wirtschaften können . Insbesondere der Steillagen- und Terrassenweinbau prägt vielerorts in Deutschland die Kulturlandschaften und trägt wesentlich zur Schönheit der Regionen bei . Zwar bringen diese Lagen herausragende Weine hervor, aber der vielfache Bearbeitungsaufwand gegenüber fla- chen Lagen stellt den Fortbestand von Steillagen und Weinterrassen betriebswirtschaftlich trotz guter Preise zunehmend infrage . Oft wirtschaften auf den schwierigen Lagen auch Ne- benerwerbs- und Hobbywinzer, die zwar nicht auf hohe Erträge angewiesen sind . Aber es ist auch darauf zu ach- ten, dass noch ausreichend Haupterwerbsbetriebe vor Ort sind, die die nötigen Maschinen haben, um Lohnarbeiten in den Weinbergen auszuführen . Daher ist es von zen- traler Bedeutung, dass die Haupterwerbsbetriebe wirk- sam unterstützt werden und nötige Investitionen tätigen können . In den Ländern wurden dazu gute Programme eingerichtet, sowohl, was die Förderung der Steillagen- bewirtschaftung betrifft, wie auch die Schaffung von In- vestitionshilfen . Für die Erhaltung des Kulturerbes Weinbau braucht es aber auch weitere Ideen, die in die ländlichen Regionen eingebunden sind – und die nur finanziert werden kön- nen, wenn wir die Förderung für den ländlichen Raum und für Regionalmarketing und Zusammenarbeit in der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22667 (A) (C) (B) (D) Wertschöpfungskette von Anbau bis Tourismus und Gas- tronomie weiter stärken . Für die ökologisch wirtschaftenden Betriebe, die derzeit 8 Prozent der Anbaufläche ausmachen, und all diejenigen, die sich für eine Umstellung interessieren und die jahrelange Umstellung mit Mehraufwand ohne Mehrpreis auf sich nehmen wollen, braucht es planba- re Bewirtschaftungsbedingungen . Dazu zählt zuvörderst eine stabile EU-Rechtsgrundlage . Die Betriebe müssen sich darauf verlassen können, dass die Bundesregierung keiner Revision der Öko-Verordnung zustimmt, die den ökologischen Weinbau unmöglich macht . Und die Betriebe, die sich seit Jahren auf den Weg ge- macht haben, und mit sehr viel weniger oder keinem Ein- satz von Kupfer mehr arbeiten wollen, brauchen für den Übergangszeitraum, bis andere Methoden zur Verfügung stehen, die Rechtssicherheit, weiterhin Kaliumphospho- nat einsetzen zu können, ohne dass sie danach wieder in die Umstellung gehen müssen, und nicht eine chaotische Situation ohne Rechtssicherheit wie im letzten Jahr, das aufgrund der nassen Witterung fatal für den Ökoweinbau war . Da hat sich auf Kosten der Ökowinzer gerächt, dass Minister Schmidt die Forschung in alternativen Pflanzen- schutz sträflich vernachlässigt hat. Um den ökologischen Weinbau mittel- und langfristig zu unterstützen, braucht es endlich ernsthafte Anstren- gungen und entsprechende finanzielle Mittel für die For- schung an alternativen Pflanzenschutzmaßnahmen und die Züchtung von weiteren pilzresistenten Sorten . Solange es keine Alternativen gibt, fordern wir die Bundesregierung auf, sich bei der EU konsequent für die Prüfung einer zeitlich und mengenmäßig begrenzten Zulassung von Kaliumphosphonat im Ökoweinbau ein- zusetzen . Anlage 9 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisie- rung der Netzentgeltstruktur (Netzentgeltmoder- nisierungsgesetz) (Tagesordnungspunkt 23) Thomas Bareiß (CDU/CSU): Die Energiewende hat unsere Erzeugungslandschaft massiv gewandelt: Wo es früher einige wenige Hundert Erzeugungseinheiten nahe der großen Verbrauchszentren gab, gibt es heute bereits 1,5 Millionen dezentrale Anlagen weit verteilt über un- ser Land . Das hat Folgen: Mit zunehmendem Ausbau der erneuerbaren Energien ist ein Ausbau der Stromnetze dringend erforderlich . Der dezentral erzeugte Strom, vor allem aus dem Norden, muss in die Verbrauchszentren im Westen und Süden Deutschlands transportiert werden . Am Netzausbau führt kein Weg vorbei . Bis zum Jahr 2025 müssen daher fast 10 000 Kilo- meter Übertragungsnetz um- und ausgebaut werden . Investitionen von bis zu 50 Milliarden Euro sind erfor- derlich . Hinzu kommt ein enormer Investitionsbedarf in den Verteilernetzen. Das alles finanzieren die Stromver- braucher über die Netzentgelte, die durch den enormen Investitionsbedarf weiter ansteigen werden . Deshalb ist es richtig, dass wir die Netzentgeltstruktur modernisie- ren und auch die Verteilung der Kosten diskutieren. Das Netzentgeltmodernisierungsgesetz ist ein erster Schritt in diese Richtung . Kern des vorliegenden Gesetzes ist die Abschaffung der sogenannten vermiedenen Netzentgelte . Das sind Bonuszahlungen der Netzbetreiber an Erzeugungsan- lagen, die vermeintlich Netzausbau einsparen, weil sie sich nahe am Verbrauch befinden. Vermiedene Netzent- gelte werden sowohl an konventionelle und Kraft-Wär- me-Kopplungsanlagen (KWK) als auch an erneuerbare Erzeugungsanlagen gezahlt . Die Betreiber der erneuer- baren Energien erhalten den Bonus nicht direkt, sondern dieser fließt auf das allgemeine EEG-Konto. Die Betrei- ber von erneuerbaren Erzeugungsanlagen haben also durch das System der vermiedenen Netzentgelte weder Vor- noch Nachteile. Die von der Bundesregierung vorgesehene schrittwei- se Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte für alle Anlagen muss jedoch im Rahmen der Gesetzesberatun- gen gründlich geprüft werden . Hier sehen wir noch Än- derungsbedarf . Die Annahme, dass volatile erneuerbare Einspeiser Netzausbau vermeiden, ist längst überholt . Im Gegenteil: Sie verursachen den Netzausbau . Deshalb ist die Strei- chung der vermiedenen Netzentgelte für volatile erneuer- bare Energien richtig . Dadurch würden die Netzentgelte direkt um 500 Millionen Euro entlastet, ohne dabei die Finanzierung der erneuerbaren Anlagen zu gefährden . Bei den steuerbaren Anlagen hingegen bedarf es einer differenzierten Betrachtung. Denn steuerbare Anlagen, insbesondere KWK-Anlagen, können systemdienlich wirken und damit wirklich Netze entlasten. Vermiedene Netzentgelte sind zudem Teil der Wirtschaftlichkeitsbe- trachtung von KWK . Eine Streichung würde daher die Existenz vieler Anlagen bedrohen . Damit würden wir die Perspektive, die wir für die KWK in mühsamen Verhand- lungen bei der letzten Gesetzesnovelle errungen haben, zunichtemachen . Wir werden daher auf Änderungen im Sinne von steuerbaren Anlagen drängen . Das eigentliche Topthema dieses Gesetzesvorhabens ist die Vereinheitlichung der Übertragungsnetzentgelte, auch wenn sie nicht Bestandteil des Gesetzentwurfs ist . Hintergrund für die Forderung ist das Auseinanderfallen der Netzentgelte in den Regelzonen der vier Übertra- gungsnetzbetreiber . Ich will an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass dies kein Ost-West-Problem ist . Bayern oder Niedersachsen sind beispielsweise genauso von hö- heren Netzentgelten betroffen wie die neuen Bundeslän- der . Mit zunehmendem Ausbau der erneuerbaren Ener- gien steigen der Netzausbaubedarf sowie die Netzma- nagementmaßnahmen zum Erhalt der Stabilität im Über- tragungsnetz . Damit kommt es zu einer zunehmenden Spreizung der Netzentgelte zwischen den vier Übertra- gungsnetzbetreibern, auch wenn manche Bestandteile der Übertragungsnetzentgelte, wie Erdkabel und Offsho- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722668 (A) (C) (B) (D) re-Anbindung, bereits heute bundeseinheitlich gewälzt werden . Das spüren vor allem große Stromverbraucher wie zum Beispiel die Industrie . Eine Vereinheitlichung ist lediglich eine Kostenvertei- lung und keine Kostenbegrenzung . Ohne Kompromisse wird es immer Verlierer geben. Daher sollten wir sach- lich nach einem tragfähigen Kompromiss für alle Seiten suchen, auch wenn dies nicht einfach wird . Statt uns wieder einmal auf Verteilungsdebatten zu fokussieren, sollten wir an die Wurzeln des Problems gehen . Wir brauchen einen schnelleren Ausbau unserer Netze . Dieser muss dringend umgesetzt werden . Zu oft haben Länder wie Niedersachsen den Netzausbau in der Vergangenheit blockiert. Das muss ein Ende haben. Auch die erneuerbaren Energien müssen in Zukunft netzverträglicher ausgebaut werden . Dezentrale Stro- merzeugungsanlagen müssen zukünftig einen deutlich stärkeren Beitrag an den Kosten der Netzinfrastruktur tragen . Grundsätzlich muss gelten: Erneuerbare Energi- en können nur dann ausgebaut werden, wenn der Strom auch abtransportiert werden kann . Nur so kann die Ener- giewende wirklich gerechter werden . Jens Koeppen (CDU/CSU): Im Koalitionsvertrag haben sich die regierungstragenden Parteien auf eine faire Verteilung der energiewendebedingten Netzausbau- kosten verständigt . Ich zitiere aus dem Koalitionsver- trag: „Wir werden das System der Netzentgelte daraufhin überprüfen, ob es den Anforderungen der Energiewende gerecht wird . Die Koalition wird das System der Netzent- gelte auf eine faire Lastenverteilung bei der Finanzierung der Netzinfrastruktur überprüfen .“ Nun kann man sicherlich in Nuancen zu anderen Ein- schätzungen kommen, was eine faire Lastenverteilung ist . Man kann aber nicht, wie mit dem vorgelegten Ge- setzentwurf geschehen, ernsthaft zu der Einschätzung kommen, dass alles okay ist, wenn die Menschen in Ostdeutschland deutlich überproportional belastet sind und jede weitere Beteiligung an den Netzkosten im Be- reich der Übertragungsnetze den Stromkunden in Nord- rhein-Westfalen nicht zumutbar ist . Es gab einen anderen, früheren Gesetzentwurf aus dem BMWi, der die Problematik der Kostenverteilung ernsthaft aufgegriffen hat. Jetzt allerdings gibt es diesen Entwurf, für den Minister Gabriel noch zuständig war, der ganz klar dem SPD-Wahlkampf in NRW geschuldet ist und der keinen Lösungsansatz mehr beinhaltet . Die versprochene Festlegung auf bundeseinheitliche Über- tragungsnetzentgelte wurde diesem Wahlkampf skrupel- los geopfert . Wenn die Netzentgelte neu geordnet werden, gibt es unter den Stromkunden Gewinner und Verlierer. Es fin- det eine Umverteilung statt . Aber – das ist ganz wichtig festzuhalten – diese Umverteilung hat nicht das Ziel, den Menschen und den Unternehmern in Nordrhein-Westfa- len ungerechtfertigterweise zusätzliche Kosten aufzubür- den, sondern die Kosten endlich – nach 17 Jahren EEG – im gesamten Bundesgebiet fair zu verteilen und nicht hauptsächlich den Stromzahlern im Osten Deutschlands aufzubürden . Die Energiewende ist ein gesamtdeutsches Projekt, und damit sind die Kosten gesamtdeutsch zu tragen . Wer die Stromerzeugung umbauen will, muss auch in der Lage sein, die Kosten dafür zu tragen . Die Energiewende hat nun mal ihren Preis, und das ist auch lange bekannt . Man kann nicht immer ehrgeizigere Ziele zum Umbau der Energieversorgung formulieren und sich dann weg- ducken, wenn es darum geht, über die faire Finanzierung zu sprechen . Die Energiewende darf nicht nur ein politi- sches Projekt sein, sondern sie muss von der gesamten Gesellschaft getragen werden . Ich halte es für einen riesengroßen Fehler, dass man im Bereich der Energiewende seit nun fast zwei Jahr- zehnten versucht, alles schönzureden, was die erneuer- baren Energien betrifft. Die wirklichen Kosten der Ener- giewende, die Folgen der Eingriffe in die Natur und das Landschaftsbild, die Folgen auf die Versorgungssicher- heit – bei der zunehmenden Abhängigkeit von Gas aus unsicheren Drittstaaten –, die fehlende Akzeptanz und die Sorgen der Bürger mit den zu geringen Abständen von Windrädern zur Wohnbebauung und andere Frage- stellungen werden schlichtweg negiert, beschönigt, und jeder ernsthaften Debatte wird ausgewichen . Dass die Reaktion aus NRW auf den ursprüngli- chen Referentenentwurf dieses Gesetzes einem Hilferuf gleichkommt, sollte uns aber Anlass zum Innehalten sein . NRW argumentiert: Unseren Unternehmen können wir die zusätzlichen Kosten nicht zumuten, das vernichtet Arbeitsplätze bei uns in NRW . – Die Auswirkungen auf den Osten Deutschlands und auf die künftige Beschäf- tigungs- und Wettbewerbssituation sind gravierend, und man nimmt eine Deindustrialisierung Ostdeutschlands billigend in Kauf . Es trifft zu, dass in den neuen Bundesländern ein ge- ringerer Teil der Beschäftigten in der Industrie arbeitet . Aber diese Arbeitsplätze einfach aufs Spiel zu setzen, weil in NRW eine Wahl stattfindet, ist weder solidarisch noch zukunftsorientiert . Diese Entsolidarisierung dürfen wir nicht zulassen . Deshalb kämpfen die CDU-Bundestagsabgeordneten der ostdeutschen Landesgruppen auch konsequent dafür, dass die Kosten der Übertragungsnetze bundesweit um- gelegt werden . Sonst besteht die Gefahr, dass die Kosten- frage die Menschen zunehmend gegen die Energiewende aufbringt . Wenn wir uns die Kostenunterschiede für die Strom- netznutzung zwischen Ostdeutschland und Netzgebieten in Nordrhein-Westfalen anschauen, wird die schon heu- te bestehende Dramatik deutlich . Aus der Wissenschaft und der Praxis liegen uns klare Zahlen vor . Beispielswei- se zahlt eine Bäckerei in Brandenburg für ihren Strom Netzkosten in Höhe von 8 000 Euro, eine vergleichbare Backerei in NRW hat für die gleiche Strommenge Netz- kosten von weniger als 3 000 Euro . Diese Unterschiede sind energiewendebedingt, und diese Preisunterschiede sind insbesondere für energieintensive Unternehmen rui- nös und mittlerweile wettbewerbsverzerrend . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22669 (A) (C) (B) (D) Bei Erd- und Seekabeln – die eher weniger in Ost- deutschland vorgesehen sind – haben wir uns für eine bundesweite Wälzung der Kosten entschieden . Was hier vernünftig ist und was die Menschen in Ostdeutschland auch mittragen, soll für Freileitungen nicht gelten? Das ist in den neuen Bundesländern schwer zu erklären . Der Osten Deutschlands hat nicht nur deutlich höhere Netzkosten zu tragen, auch ein Großteil der Windräder steht dort . Die Akzeptanzprobleme werden stark unter- schätzt . Mitnichten ist es zudem so, dass durch die er- neuerbaren Energien enorme Wertschöpfungsketten entstanden sind und die Gewerbeeinnahmen in den Ost- kommunen sprudeln . Es sind Arbeitsplätze entstanden, aber diese sind in ganz Deutschland entstanden und nicht unbedingt dort, wo die erneuerbaren Anlagen hauptsäch- lich errichtet wurden . Wenn uns die Kosten der Energiewende zu hoch sind und wir sie den Stromkunden in Nordrhein-Westfalen nicht zumuten können, dann kann diese Einschätzung durchaus schlüssig sein . Aber dann können wir diese hohen Kosten auch den Stromkunden in anderen Teilen Deutschlands nicht zumuten . Dann führt uns die Analyse dorthin, dass wir für die Energiewende ein Moratorium brauchen, um die Vorhaben insgesamt neu zu bewerten. Ich hoffe, wir werden im Rahmen der nun anstehen- den Diskussionen uns auf eine faire Entgeltsystematik einigen und endlich die hohen finanziellen Lasten für die Stromkunden in Ostdeutschland auf Gesamtdeutschland aufteilen . Johann Saathoff (SPD): Für die heutige erste Le- sung des Netzentgeltmodernisierungsgesetzes möchte ich ein Bild nutzen, das ich schon mehrmals hier am Pult genutzt habe, wenn es um die Energiewende ging . Es ist das Bild des Balles, den man auf der Fingerspitze balanciert . Man muss stets nachjustieren, damit er nicht herunterfällt . Und so ist es auch bei der Energiewende . Seit der letzten Bundestagswahl gab es zwei EEG-No- vellen nebst kleineren Korrekturen, das Strommarktge- setz, das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende, eineinhalb KWK-Novellen und den Vorrang für Erdkabel bei Gleichstromleitungen . Immer wieder haben wir nach- gesteuert, weil es Bedarf dazu gab . Wat nich greit of bleiht, dat geiht torügg’ – Stillstand ist Rückschritt, ist hier das Motto . Und wir können schon heute absehen, dass uns viele dieser Themen in nicht all- zu ferner Zukunft wieder beschäftigen werden . Mit dem vorliegenden Gesetz, dem NEMOG, wie es abgekürzt so schön heißt, steuern wir wieder etwas nach . Zum einen geht es im NEMOG um die Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte . Ich gebe zu: Zu verstehen, was die vermiedenen Netzentgelte sind, hat bei mir etwas gedauert . Zu erklären, was die vermiedenen Netzentgel- te sind und was der Sinn dahinter ist, überlasse ich gern meinen Nachrednern . Klar ist aber: Die vermiedenen Netzentgelte dienen nicht mehr dem Zweck, mit dem sie geboren wurden . Und sie spielen bei erneuerbaren Anlagen eine unterge- ordnete Rolle; denn sie werden in der 20-jährigen Zeit der Vergütungszahlung nicht an die Betreiber ausgezahlt, sondern fließen direkt ins EEG-Konto. Deshalb hat ein Wegfallen der VNE hier überschaubare Folgen. Ganz anders ist das bei Erzeugern, die nicht auf Sonne oder Wind basieren. Hier sind die VNE ein wichtiger Teil der Vergütung. Und genau deshalb stellt sich für meine Fraktion an diesem Punkt im Kabinettsbeschluss noch eine ganze Reihe von Fragen, die wir in den parlamen- tarischen Beratungen klären wollen . Das gilt sowohl für das Abschmelzen wie auch für das Einfrieren der ver- miedenen Netzentgelte . Denn immerhin gestehen wir der KWK bei der Erreichung unserer Klimaziele eine wichti- ge Rolle zu, die wir gerade erst mit einer KWK-Novelle untermauert haben . Wenn wir jetzt über eine Abschaf- fung der VNE reden und keine überzeugende Alternative anbieten, sendet das in meinen Augen völlig falsche Si- gnale . Und da für dieses Jahr ohnehin eine große Evalu- ierung der KWK geplant ist, sollten wir an diesem Punkt besser nichts überstürzen . Auf der Stromrechnung eines Normalbürgers finden sich 6 bis 7 Cent an Netzentgelten pro Kilowattstunde . Das kann variieren, denn das hängt auch von den Ge- gebenheiten im örtlichen Verteilnetz ab. Durch eine Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte würden die Netzentgelte aber in jedem Fall sinken, weil die vermie- denen Netzentgelte über die Netzentgelte finanziert wer- den . Wenn wir über eine Vereinheitlichung der Netzentgel- te auf Übertragungsebene sprechen, geht es nicht um die gesamten 6 bis 7 Cent, sondern um nur rund ein Viertel davon, denn die Netzentgelte setzen sich aus den Kosten auf den unterschiedlichen Ebenen des Stromnetzes zu- sammen . Die Netzentgelte auf Übertragungsebene sind vor al- lem für industrielle Großverbraucher bedeutsam . Hier schlagen die zum Teil erheblichen Erhöhungen der Über- tragungsnetzbetreiber dieses Jahr voll durch . Die Kla- gen über Standortnachteile aufgrund hoher Netzentgelte gerade in den neuen Bundesländern kann ich schon ein Stück weit nachvollziehen . Deshalb hat sich ja auch der Bundesrat für eine Vereinheitlichung ausgesprochen. Wir werden also auch diesen Punkt noch zu beraten haben . Man muss sich eben immer vor Augen führen: Die Energiewende ist ein mindestens gesamtdeutsches Pro- jekt mit generationenübergreifender Bedeutung . Deshalb ist es auch folgerichtig, dass die Kosten der Energiewen- de auf möglichst viele Schultern verteilt werden . Im Fall der Netzentgelte auf Übertragungsebene ist das momentan eben noch nicht so . Der Zuschnitt der vier Regelzonen in Deutschland ist nun mal so, dass nur zwei der vier ÜNB Nord- und Ostsee abdecken . Der Strom der Offshorewindkraft wird aber ganz sicher in ganz Deutschland benötigt; es scheint also nicht ge- recht, dass nur Einwohner aus zwei Regelzonen für die Offshorenetz anschüsse zahlen. Im Agrarausschuss des Deutschen Bundestages ist ei- nes meiner Hauptthemen die Politik für die ländlichen Räume . Ländliche Räume sind da, wo wenig Menschen leben . Den existierenden Unterschied zwischen Stadt Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722670 (A) (C) (B) (D) und Land können Sie auch an Netzentgelten ablesen . Der Anteil der ländlichen Räume in den Regelzonen der Übertragungsnetzbetreiber ist ungleich verteilt . Die Energiewende findet in den ländlichen Räumen statt. Na- turgemäß sind die Netzentgelte dort höher . Aber es gibt auch Vorteile. Ich komme aus einem sol- chen ländlichen Raum . Die Energiewende hat der struk- turschwachen Region Ostfriesland enorm geholfen . Wir haben dadurch viel Wertschöpfung generiert . Ich bin stolz darauf, dass wir bei der weiteren Ausgestaltung der Energiewende voranschreiten . Die Kluft zwischen Ballungsgebieten und ländlichen Regionen wollen wir zum Beispiel dadurch verringern, dass wir es ermöglichen, dass die Energiewende ein Stück weit in den urbanen Zentren stattfinden kann. Wie Sie wissen, läuft innerhalb der Bundesregierung gerade der Abstimmungsprozess für ein Mieterstromgesetz . Wir wollen, dass auch Menschen ohne das eigene Dach über dem Kopf mehr Anteil an der Energiewende haben sol- len als über die Zahlung der EEG-Umlage . Durch die- se gerechtere Verteilung des Nutzens der Energiewende steuern wir ebenfalls nach, halten also den Ball auf der Fingerspitze . Und da ich gerade bei Gerechtigkeit bin: In der kom- menden Legislaturperiode werden wir auch über eine gerechtere Verteilung der Lasten der Energiewende spre- chen . Dieses Thema beschäftigt uns schon seit einigen Monaten, und ich bin mir sicher, dass sich in der nächs- ten Periode dort etwas bewegen wird . Das wird dann einhergehen mit einer Reform der Netzentgelte; denn die Finanzierungsfragen lassen sich kaum davon trennen . Wenn wir zum Beispiel an die Sektorkopplung denken, gibt es große Überschneidungen . Ich möchte aber noch auf einen anderen zentralen Punkt eingehen, der direkten Einfluss auf die Netzentgel- te hat . Ein wesentlicher Treiber der ausbaubegrenzenden Maßnahmen des EEG 2017 waren die Kosten des Netz- engpassmanagements . Durch den Netzausbau werden diese Kosten irgendwann nicht mehr anfallen . Der Netz- ausbau ist wichtig, und er muss zügig voranschreiten, obwohl ich gerade beim größten ÜNB noch ein gewisses Optimierungspotenzial sehe . Aber wir müssen auch über Maßnahmen sprechen, die uns in den nächsten zehn Jahren ein Entlastungspo- tenzial bieten . Es geht also um innovative Maßnahmen beim Netzbetrieb, durch die der geplante Netzausbau keinesfalls infrage gestellt werden soll, die aber alles in allem höhere Übertragungsraten liefern, um im digitalen Jargon eine Anleihe zu nehmen . Es gibt dort eine ganze Reihe vielversprechender Ansätze . Diese wollen wir uns in den nächsten Monaten genauer anschauen, auf ihr Po- tenzial prüfen und gegebenenfalls auch schnellstmöglich umsetzen . Jetzt beraten wir aber erst mal das NEMOG . Ich freue mich darauf . Ralph Lenkert (DIE LINKE): Das ist schon ein star- kes Stück, was sich die Koalition mit diesem Gesetzent- wurf leistet . Wir alle kennen den Referentenentwurf aus dem Ministerium, der war gar nicht so schlecht . Und dann streicht das Ministerium aus dem Entwurf den wichtigs- ten und auch noch vernünftigen Punkt der Angleichung der Netzentgelte für die Übertragungsnetze . Sie hätten konsequenterweise auch gleich den Titel des Gesetzes ändern sollen; denn das, was hier jetzt übrig ist, ist ein Gesetz zur Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte. Und nicht mal in dem kümmerlichen Rest nehmen Sie von der Koalition die Realitäten wahr und zeigen so, wie wenig Sie vom Umbau des Energiesystems für eine ech- te Energiewende mit 100 Prozent erneuerbarer Energie verstehen . Ich fange von vorn an . Erstens . Ich erinnere an die Plenardebatte zu unserem Antrag zu bundeseinheitlichen Netzentgelten . Da sprach der Kollege Dirk Becker von der SPD, bezogen auf das Problem der immer größeren Spanne bei den Netzentgel- ten, die zwischen 4 Cent in Düsseldorf und 10 Cent im Havelland betragen, ich zitiere: „Das Problem ist ange- kommen, es steht auf der Agenda der Großen Koalition, und wir werden es entsprechend lösen .“ Das war im No- vember 2014 . Mit Hinweis auf ihren Koalitionsvertrag hat die Große Koalition mehrfach angekündigt, das Pro- blem anzugehen . Jetzt sind zweieinhalb Jahre vergangen, ihre Regierungszeit läuft ab, und das Problem besteht noch immer . Die Koalition hat sich erpressen lassen oder will im Hinblick auf die Wahlen Rücksicht auf bestimmte Regionen nehmen, in denen die Angleichung der Netz- entgelte zu leichten Erhöhungen führen würde . Dabei ist ihr die unsoziale Benachteiligung der ländlichen Räume der Bundesrepublik wurscht . Die Koalition hat versagt . Zweitens. Mit der Abschaffung der vermiedenen Netz- entgelte meint die Koalition, einen großen Kostentreiber der Netzentgelte auszuschalten. Vermiedene Netzentgel- te sind eine Prämie für dezentrale Stromerzeugungsanla- gen, weil sie theoretisch den Strom dort erzeugen, wo er gebraucht wird, und damit die Netze entlasten . Dezen- trale Stromerzeugungsanlagen sind Solar- und Windan- lagen und auch Blockkraftwerke, die Heizwärme und Strom gleichzeitig erzeugen – KWK genannt . Doch statt zielgenau Wildwuchs bei den vermiedenen Netzentgel- ten zu entfernen, übt sich die Koalition im Kahlschlag . Einerseits erkennen wir natürlich an, dass die ver- miedenen Netzentgelte für Solar- und Windkraftanla- gen inzwischen nicht mehr zeitgemäß sind . In diesem Zusammenhang lohnt es sich auch, einmal darüber nachzudenken, die Netzentgeltabrechnung nicht mehr ausschließlich nach verbrauchten Kilowattstunden vor- zunehmen, sondern auch die bereitgestellte Anschluss- leistung einzubeziehen. Diese Vorschläge sind Ihnen von der Koalition seit Jahren bekannt, aber auf darauf möchte ich jetzt nicht näher eingehen . Denn mit ihrem Kahlschlag-Gesetzentwurf will die Koalition andererseits auch die vermiedenen Netzentgelte für die Kraft-Wärme-Kopplung aufheben . Das wiederum schadet der Energiewende . Ich will Ihnen das erläutern: Die KWK-Anlagen sind das Rückgrat der Energiewen- de . Ich muss Ihnen das so deutlich sagen, weil es ganz offensichtlich ist, dass ein großer Teil der Koalition das nicht verstanden hat oder nicht verstehen will . Denken Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22671 (A) (C) (B) (D) Sie einmal ein paar Jahre weiter . Dann stellen Sie sich die Frage, wodurch bei Ihrem geplanten 80-Prozent-Anteil von erneuerbarem Strom bei Dunkelheit und Windstil- le die notwendige Leistung, die gesicherte Leistung im Stromsystem bereitgestellt werden soll . Wollen Sie dann teure zentrale Ersatzkraftwerke vorhalten? Das ist volks- wirtschaftlich die teuerste Lösung; das lehnt die Linke ab . Denken Sie lieber wie wir an KWK-Anlagen . Die haben schon heute eine installierte Leistung von über 30 Gigawatt . Diese KWK können, wenn sie über Heizpa- tronen auch Überschussstrom im Wärmebereich nutzen und netzdienlich Strom erzeugen, Netze entlasten und Netzausbau reduzieren . Deshalb verdienen sie es auch weiterhin, für real vermiedene Netzkosten entschädigt zu werden und weiterhin vermiedene Netzentgelte zu erhal- ten . Aber die KWK wird von Ihnen allenthalben stief- mütterlich behandelt . Es ist nicht verwunderlich, dass insbesondere Stadtwerke mit mittleren KWK-Anlagen zu Recht beklagen, dass ihre KWKs am Rande der Un- wirtschaftlichkeit stehen . Die Förderpolitik der Großen Koalition, aber auch der vorherigen Bundesregierung aus Union und FDP ist durchweg darauf ausgerichtet, jegli- che Infrastruktur, die einer dezentralen Energiewende dienlich wäre, vielleicht sogar noch von kommunalen Unternehmen betrieben werden könnte, zu verhindern . Wir lehnen den Gesetzentwurf ab, und zwar nicht nur wegen der vom Ex-SPD-Wirtschaftsminister Gabriel aus dem Gesetzentwurf herausgestrichenen Vereinheitli- chung der Übertragungsnetzentgelte, sondern auch we- gen des Anschlags auf die KWK-Anlagen, die für die Energiewende unverzichtbar sind . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zu Netzentgelten trägt seinen Namen völlig zu Unrecht. Von wegen Netz- entgeltmodernisierung! Von den angekündigten tiefgrei- fenden Reformen bei den Netzentgelten ist nur ein Torso übrig geblieben . Das ist keine Reform und nicht einmal ein Reförmchen . Die Flexibilisierung der Stromabnahme bleibt auf der Strecke, und auch eine längst überfällige Regelung zu einheitlichen Übertragungsnetzentgelten ist aus dem Ge- setzentwurf wieder rausgeflogen. Geblieben ist nur die Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte – und das, ohne eine notwendige Kompensation für die Kraft-Wär- me-Kopplung (KWK) zu schaffen. Das bringt uns bei Netzentgelten und einer verursachergerechten Finan- zierung des Netzes kaum weiter und konterkariert alle Bemühungen, die KWK als Beitrag zum Klimaschutz endlich im notwendigen Umfang auszubauen . Und das ist schon irre, was Sie da mit der KWK ma- chen . Bei der letzten KWKG-Novelle war eine der Be- gründungen, warum Vergütungssätze gerade für die klei- ne, dezentrale KWK nicht angepasst werden, dass die über Einnahmen aus vermiedenen Netznutzungsentgel- ten verfügen . Genau die streichen Sie jetzt . Das passt zu Ihrem jahrelangen Kreuzzug gegen die dezentrale KWK, die zwar für Sonntagsreden beim Klimaschutz im Ener- giesektor gut ist, aber immer dann, wenn es konkret wird, ausgebremst wird . Eine Reform des Netzentgeltsystems müsste eine Flexibilisierung von Erzeugung und Verbrauch und eine gerechte Verteilung der Kosten bewirken. Das wäre Netz entgeltmodernisierung . Was wir brauchen, ist ein Netzentgeltsystem, das die richtigen Anreize für eine flexible Abnahme und Systemdienlichkeit setzt, um das Netz entscheidend zu entlasten . Nur so könnte Netzaus- bau vermieden und könnten unnötige Redispatchkosten eingespart werden . Das heutige System aber setzt keiner- lei Anreize für eine flexible Stromabnahme. Im Gegen- teil . Ungerechtfertigte Netzentgeltprivilegien müssen end- lich abgeschafft werden. Private Stromkunden haben über die Netzentgelte in den letzten vier Jahren Milliar- den Industriesubventionen bezahlt, ohne dass es dafür eine Gegenleistung gab . Im Gegenteil: Die Belastung und damit die Kosten des Stromnetzes wurden durch Netzentgeltermäßigungen zum Teil sogar noch höher . Mit rund 6 bis 8 Cent pro Kilowattstunde machen die Netzentgelte inzwischen ein Viertel des Strompreises für private Verbraucher aus. Große Teile der Industrie, aber auch Golfplätze und Ähnliches zahlen deutlich geringere Stromnetzentgelte als private Verbraucher. Seit der Ein- führung wird diese Subvention immer damit gerechtfer- tigt, dass die Unternehmen durch „atypisches Nutzungs- verhalten“ das Stromnetz entlasten . Das aber ist nicht richtig: Durch die Netzprivilegien wird das Stromnetz teilweise sogar be- statt entlastet . In der jetzigen Fassung nutzt das NEMOG niemanden . Es ist lediglich ein weiterer Knüppel, der den KWK-Be- treibern zwischen die Beine geworfen wird . Dem wird sich die grüne Bundestagsfraktion entgegenstellen und im Rahmen der Beratungen entsprechende grundlegende Änderungen einfordern . So sehen wir es als erforderlich an, dass der Gesetzentwurf grundlegend überarbeitet wird . Wir Grüne fordern, dass die Streichung der vermie- denen Netzentgelte zwingend an eine vollständige Kom- pensation für die KWK-Anlagen gekoppelt wird . Ungerechte Netzentgeltprivilegien müssen endlich abgeschafft werden. Die Netzentgelte müssen endlich so ausgestaltet wer- den, dass sie echte Flexibilitätsanreize für eine system- dienliche Abnahme schaffen, damit das Netz entlastet wird . Wir hoffen, dass sich die Große Koalition bei den Be- ratungen über dieses Gesetz noch einen Ruck gibt und das reinschreibt . Sonst können wir am Ende festhalten, dass diese Koalition im Hinblick auf die seit Jahren überfällige Reform der Netzentgelte nichts auf die Ket- te gebracht hat . Das aber ist ein weiterer Bremsklotz für eine erfolgreiche und kostengünstige Energiewende . Das hinterlassen Sie – wie so vieles – der nächsten Bundesre- gierung, und wir haben wertvolle Jahre durch die großko- alitionäre Selbstblockade verloren . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722672 (A) (C) (B) (D) Anlage 10 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Än- derung des Gesetzes über den Deutschen Wetter- dienst (Tagesordnungspunkt 24) Günter Lach (CDU/CSU): Der Blick der meisten Menschen am Morgen eines jeden Tages gilt dem Wet- ter . Denn es gibt kaum einen Bereich unseres Lebens, der nicht durch das Wetter und das Klima beeinflusst wird. Dies gilt für Nutzer aus Land- und Forstwirtschaft, Bau- wesen, Gesundheitswesen genauso wie für den Bereich Verkehr, Wasserwirtschaft mit Hochwasserschutz, Um- welt, Naturschutz und Wissenschaft . Mit diesen vielfältigen Informationen versorgt uns der Deutsche Wetterdienst (DWD) zuverlässig bereits seit 1952 . Neben dieser Kernaufgabe hält der DWD viele weitere meteorologische Dienstleistungen für uns bereit . Er ist als nationaler meteorologischer Dienst der Bundes- republik Deutschland mit seinen Wetter- und Klimain- formationen im Rahmen der Daseinsvorsorge tätig . Der DWD versorgt uns mit Wissenswertem rund um das Wet- ter und ist für die meteorologische Sicherung der Luft- und Seeschifffahrt zuständig. In seiner Verantwortlichkeit liegt auch eine der wich- tigsten Aufgaben des DWD: die Herausgabe von amt- lichen Warnung vor meteorologischen Ereignissen und Wettererscheinungen . Die extremen Wetterlagen der letz- ten Jahre machen deutlich, dass diese Arbeit des DWD von besonderer Bedeutung ist . Dies gilt insbesondere für unsere moderne Gesellschaft, in der die Verwundbarkeit weltweit vernetzter Verkehrswege und wichtiger Infra- strukturen durch Wettererscheinungen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen können. Nun hat die Bundesregierung eine Novelle des DWD-Gesetzes vorgelegt . Darin werden die Aufgaben des DWD modernisiert und die Verbreitung von meteo- rologischen Informationen zur Sicherung von Verkehrs- wegen und wichtigen Infrastrukturen ermöglicht . Wich- tige Umwelt- und Klimabeobachtungsaufgaben werden nun in den Aufgabenkatalog mit aufgenommen . Das Hauptziel des Gesetzentwurfes ist die Möglich- keit, eine Abgabe von meteorologischen Dienstleistungen und Produkten entgeltfrei zu ermöglichen . Als nationaler Wetterdienst erfasst, bewertet und überwacht der DWD die physikalischen und chemischen Prozesse in unserer Atmosphäre . Als meteorologischer Ansprechpartner in Deutschland für alle Fragen zum Wetter und Klima bietet er eine reichhaltige Palette von Dienstleistungen für die Allgemeinheit an und betreibt das nationale Klimaarchiv . Mit der Erfassung der wissenschaftlichen Daten und sei- ner Forschungsarbeit ist der DWD außerdem Teil eines weltumspannenden Netzes der Meteorologie und vertritt die Bundesrepublik Deutschland in zahlreichen nationa- len und internationalen Gremien . Mit hohem technischem Aufwand fließen verschie- denste Informationen vom Wettersatelliten und Wetter- ballon bis zur automatischen Messboje auf dem Atlantik zusammen und werden verarbeitet . Diese hochwertigen Geodaten und Leistungen sollen durch den Gesetzentwurf nun entgeltfrei im Geoportal bereitgestellt werden . Damit werden Informationen des Öffentlichen Dienstes einer breiten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzung zugeführt . Dienstleister können diese hochwertigen Daten für neue Geschäftsfel- der verwenden und entscheidende Zukunftstechnologien entwickeln . Für viele kleine und mittelständische Un- ternehmen werden neue Geschäftsmodelle so erst wirt- schaftlich, da keine Beschaffungskosten oder Nutzungs- lizenzen mehr zu beachten sind . Die bereits etablierten Geschäftsmodelle werden kostengünstiger und können beispielsweise durch die Kombination von klimatologi- schen und meteorologischen Daten mit anderen Informa- tionen auf neue Geschäftsfelder – auch mit internationa- ler Perspektive – weiterentwickelt werden . Damit folgt der Gesetzentwurf der Bundesregierung einer Forderung aus der Digitalen Agenda der Bundes- regierung, die Rahmenbedingungen für einen effektiven und dauerhaften Zugang zu öffentlich finanzierten Daten zu verbessern . Des Weiteren erfolgt mit der vorgesehenen Gesetzes- änderung auch eine Modernisierung des Aufgabenkata- logs des Deutschen Wetterdienstes . Der Aspekt der Kli- ma- und Umweltbeobachtung wird ausdrücklich genannt und somit auch beim DWD-Gesetz seiner gesellschaftli- chen Bedeutung gemäß dokumentiert . Die klimatologi- schen Dienste mit der langfristigen Wetterbeobachtungen unterstützen Wissenschaft, Forschung und Politik bei ih- ren Bemühungen, den Klimawandel aufzuhalten . Wichtigste Aufgabe des Deutschen Wetterdienstes ist und bleibt die Bereitstellung von Wetter- und Klimain- formationen für die Allgemeinheit im Sinne der Daseins- vorsorge . Wir wollen, dass die Daten und das Wissen der Behörde uneingeschränkt zum Schutz von Gesellschaft, Umwelt und Gesundheit eingesetzt werden können . Mit seinen detaillierten Wetterinformationen gibt der DWD rechtzeitig Warnungen vor bedrohlichen Wetterla- gen . Damit unterstützt er maßgeblich die Arbeit unserer Katastrophenschutzbehörden . Wie verletzlich unsere moderne Gesellschaft ist, in der Verkehrswege und auch die Infrastruktur für Kommuni- kation und Energie eng vernetzt sind, hat sich bereits in der Vergangenheit gezeigt. Denken wir zum Beispiel zurück an das Jahr 2007, in dem der Orkan Kyrill mit Windböen von fast 200 km/h Spitzengeschwindigkeit Deutschland traf . Hier hatte der DWD schon Tage vorher Warnungen vor dem schweren Orkantief herausgegeben und die Öffentlichkeit über die Medien informiert . Über die speziellen Wetterwarnsyste- me waren Katastrophenschützer, Polizei, Feuerwehr und Technisches Hilfswerk gut vorbereitet . Die schlimmsten Verwüstungen durch diese zerstörerische Kraft des Or- kans konnten so verhindert werden . Oder auch die Starkniederschlagsereignisse, die zu Hochwasser an Elbe und Donau im August 2002 und Mai/Juni 2013 führten, sowie die Sturzfluten im Mai/ Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22673 (A) (C) (B) (D) Juni 2016 . Die Bedeutung von Wetter- und Klimaereig- nissen hat sich auch bei Luftverfrachtungen wie durch den Vulkanausbruch des Eyjafjallajökull auf Island im April 2010 gezeigt . Umso wichtiger sind die frühzeitigen Warnungen des Deutschen Wetterdienstes . Dazu gehören auch beispiels- weise die hohen Schneefälle, Nassschneefälle und Stür- me, die zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen im Novem- ber 2005 zu Vereisung und Bruch von Stromleitungen mit tagelangem Stromausfall führten . Damit Bürgerinnen und Bürger die Warnungen des DWD besser verstehen und nachvollziehen können ist es unerlässlich, dass sie sich jederzeit ein qualifiziertes Bild von der Wetterlage machen können . Das ist nur möglich, wenn Karten, Radarfilme und Vorhersagen jederzeit ein- sehbar sind . Klar ist dabei eines: Der Deutsche Wetterdienst wird dabei selbst nicht zum Marktteilnehmer und steht auch nicht in Konkurrenz zu privaten Wetterdienstleistern . Das werden wir uns im laufenden Gesetzgebungsverfah- ren auch genau ansehen . Der Gesetzentwurf ist insgesamt zu begrüßen . Denn er modernisiert die Aufgaben des Deutschen Wetter- dienstes . So wird die Allgemeinheit mit wichtigen Wet- terwarnungen sowie umwelt- und klimaschutzrelevanten Informationen versorgt . Darüber hinaus erhält die Privat- wirtschaft nun entgeltfreien Zugriff auf Daten und Pro- dukten aus der Arbeit der Behörde . Mit seinen Leistun- gen sorgt der DWD jeden Tag dafür, dass unsere Städte und Gemeinden auf bestmögliche Weise über bevorste- hende mögliche Gefahrensituationen durch Wetterlagen vorbereitet sind . Daher brauchen wir die Arbeit des nati- onalen Wetterdienstes . Arno Klare (SPD): Das Wetter ist wichtig . Fast jeder hat eine oder mehrere Wetter-Apps auf seinem Smart- phone . Damit ist man jederzeit bestens informiert, ob man den Schirm mitnehmen sollte oder ihn zu Hause lassen kann, ob die dicke oder dünne Jacke vom Haken genommen wird oder die Grillparty am kommenden Wo- chenende stattfinden kann. Doch es geht um mehr: Je größer der Anteil volatiler Energie im Netz ist, desto exakter – ja, fast auf die Minu- te genau – müssen wir wissen, wo und vor allem in wel- cher Stärke der Wind weht . Man kann die Kraftwerke, die angesichts einer Flaute zugeschaltet werden müssen, nicht wie ein häusliches Elektrozusatzöfchen anknipsen; es braucht Vorlauf von Stunden, besser von einem Tag. Die meteorologischen Daten müssen exakt sein, re- gional spezifisch und valide. Das alles organisiert seit Jahrzehnten der Deutsche Wetterdienst, kurz DWD . Der DWD hat die gesetzliche Aufgabe, die Bevölkerung vor Unwettern zu warnen . Das gehört zweifelsohne zur Da- seinsvorsorge . Seit einiger Zeit gibt es beim DWD den Geschäftsbe- reich KU, gleich Klima – und Umwelt . Dazu gehören die wichtigen Unterabteilungen Klima- und Umweltbera- tung, Klimaüberwachung sowie die beiden Felder Agrar- und Hydrometeorologie . Insofern ist es konsequent, das DWD-Gesetz dem ohnehin vollzogenen erweiterten Aufgabenspektrum anzupassen . Das geschieht erkenn- bar: An vielen Stellen im Gesetz steht jetzt der Begriff „Klima“ . Dass die Aufgabenerweiterung im Gesetz kodi- fiziert wird, ist zu begrüßen. Strittig ist allein § 6 Absatz 2a . Hier haben sowohl die privatrechtlichen Wetterdienstleister als auch – in der Folge dieser Kritik – der Bundesrat Bedenken ange- meldet . In der Tat sollte der § 6 Absatz 2a noch einmal kritisch hinterfragt werden . Hier geht es, um es konkret zu machen, um die semantische Wirkungsreichweite des Begriffs „Leistungen“. Sind damit endnutzerfähige Pro- dukte gemeint oder lediglich Rohdaten? Der Minister hat auf eine so lautende Frage hier im Plenum geantwortet, dass der DWD nicht plane, endnutzerfähige Produkte auf den Markt zu bringen, die über die definierten Aufgaben hinausgingen . Es wird im parlamentarischen Diskurs da- rüber zu sprechen sein, wie diese richtige Position mit mehr Klarheit als bisher im Gesetz formuliert werden muss . Ralph Lenkert (DIE LINKE): Der Deutsche Wetter- dienst (DWD) ist als Dienstleister und Warndienst vor eventuell katastrophalen Wetterereignissen Teil der öf- fentlichen Daseinsvorsorge und deshalb eine zu Recht steuerfinanzierte Institution des Bundes. Der Wetterpro- gnosemarkt hat sich in den vergangenen Jahren vielfältig entwickelt, insbesondere was Onlinewetterdienstleister angeht . Somit unterzieht sich selbst die Wettervorhersa- ge heute häufig den Mechanismen der Marktwirtschaft. Fast alle der derzeit auf dem Markt tätigen Wetter- dienstleister haben eines gemeinsam: Sie beziehen Aus- gangsdaten für ihre Prognosen und Wetterprodukte vom DWD. Vor wenigen Jahren forderten private Wetterpro- gnostiker deshalb sehr häufig, der DWD solle seine Daten kostenfrei zur Verfügung stellen. Man argumentierte mit Wettbewerbsnachteilen der privaten Wetterprognoseer- steller . Mit dem Gesetz über den Deutschen Wetterdienst ist bislang klargestellt, dass der DWD als Institution des öffentlichen Rechts seine Daten nicht kostenlos an priva- te Firmen zur gewinnbringenden Verwertung weiterge- ben darf. Daten, die mit einer kostspieligen, steuerfinan- zierten Infrastruktur ermittelt wurden, werden zu Recht nicht kostenlos an private Wetterdienstleister abgegeben . Und trotzdem entwickelte sich ein erfolgreicher privater Wetterprognosemarkt in der heutigen Vielfalt. Dabei gibt es im umkämpften Markt der Wetterdienstleister nur eine Chance: mit Qualität und Genauigkeit zu bestehen . Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf stehen wir nun vor der Situation, dass dieselben Wetterunternehmen, die vor Jahren laut nach kostenlosen Daten riefen, heute die kostenlose Verfügbarkeit von Wetterdaten für die Allge- meinheit verhindern wollen, und zwar wiederum mit dem Argument der Wettbewerbsverzerrung . Das kann man nur als scheinheilig bezeichnen, und es ist ganz klar für die Linke, dass eine Institution des öffentlichen Rechts natürlich selbst als Wetterdienstleister mit einer kosten- losen Wetterapp für die Bevölkerung auf dem Markt erscheinen können muss . Erstens bezahlte die Bevölke- rung ja die Erhebung der Daten bereits . Das Angebot des DWD ist nicht kostenlos und wird es auch nach diesem Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722674 (A) (C) (B) (D) Gesetz nicht sein . Die Menschen zahlen dafür Steuern . Und zweitens ist der Schutz vor Wetterereignissen ein Bestandteil der Daseinsvorsorge . Die Linke begrüßt diesen Gesetzentwurf daher . Wir sehen das Argument der Wettbewerbsverzerrung nicht; denn letztendlich hat jedes Unternehmen, ob es privater oder öffentlich-rechtlicher Natur ist, sich weiterhin den Qualitätsansprüchen der Nutzerinnen und Nutzer der An- gebote zu stellen . Die meteorologische Prognostik liefert auch heute keine eineindeutigen Ergebnisse . Das liegt in der Natur der Sache, denn Wetter ist ein chaotischer Prozess und deterministisch niemals komplett zu erfassen . Prognosen werden sich immer unterscheiden, je nachdem, welche numerischen Verfahren und welche Gewichtung der Eingangsparameter vorgenommen werden . Letztendlich sind Wetterprognosen aber nicht nur eine Frage der zur Verfügung stehenden Rechnerkapazität, sondern auch eine Frage der Messnetzdichte, der Datenqualität, aber auch der Interpretation der numerischen Modellierung . Es gibt hier genügend Spielraum, mit denen private Wet- terdienstleister sich gegenüber dem DWD behaupten können . Und da kommen wir zu einem wesentlichen Aspekt, weshalb es ausdrücklich zu begrüßen ist, wenn der DWD selbst am Marktgeschehen der Wetterdienstleister teil- nimmt: Die Klima- und Wetterprognostik ist unentbehr- lich . Der Bundesrepublik steht im zivilen Bereich dafür nur der DWD verlässlich zur Verfügung. Als Wetter- dienstleister wird er nun dem Druck ausgesetzt, jenseits der klassischen Forschung seine eigene Vorhersageme- thodik noch intensiver als bisher immer wieder zu vali- dieren . Das wird letztendlich zu steigender Qualität der Prognosen führen, was wiederum allen zugutekommt . Die Voraussetzung ist allerdings, dass der DWD in Zu- kunft ausreichend finanziert wird und in die Lage ver- setzt wird, sein Messnetz weiter zu verdichten . Die Linke fordert, die Regierungspolitik des Stellenabbaus und der Stellenbefristungen auch beim DWD zu beenden, die derzeit in der öffentlich finanzierten Forschung leider gang und gäbe ist . Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): In Zeiten zunehmender Wetterextreme ist der Deutsche Wetterdienst eine wertvolle Einrichtung, um die Bevölkerung vor Gefahren durch Stürme, Über- schwemmungen oder Hitzewellen zu warnen und damit Menschenleben zu retten . Die klimatologischen Arbei- ten, die durch den Gesetzentwurf gestärkt werden sol- len, sind wichtige Grundlagen, um die Klimakatastrophe doch noch abzuwenden . Wir begrüßen deshalb grundsätzlich, dass die Bun- desregierung die längst überfällige Öffnung der Wetter- und Klimadaten des Deutschen Wetterdienstes angeht . Bislang zählt Deutschland nämlich zu den Schlusslich- tern bei der Öffnung der öffentlichen Datenbestände. Bis heute wurde das von der Bundesregierung angekündigte Open-Data-Gesetz nicht eingebracht . Auch der Beitritt zur Open Government Partnership ist immer noch nicht vollzogen . Beim Thema E-Government kommt die Bun- desregierung nicht voran . Die kostenfreie Bereitstellung von Daten, die im öf- fentlichen Sektor anfallen, kann innovative Geschäfts- modelle ermöglichen und die junge und dynamische Di- gitalwirtschaft antreiben . Das gilt auch für die Daten des Deutschen Wetterdienstes, die eine wertvolle Ressource für innovative Start-ups darstellen und zum Wachstum in der Digitalbranche beitragen können, auf das Deutsch- land nicht verzichten kann . Auch ehrenamtliche Projekte und solche mit sozialer, ökologischer oder gemeinwohl- orientierter Motivation profitieren von kostenfreien Da- ten und bereichern das Informationsangebot weiter . Doch obwohl der Gesetzentwurf eine Tür öffnet, um die digitale Wirtschaft zu stärken, droht er gleichzeitig andere Türen zuzuschlagen . Künftig soll es dem Deut- schen Wetterdienst erlaubt sein, eigene Apps anzubieten, die nicht alleine vor Unwettern und anderen Gefahren warnen, sondern alle Informationen, beispielsweise in Form von Wetterberichten, kostenlos und werbefrei zur Verfügung stellen. Was zunächst nach einer vernünftigen Initiative klingt, entpuppt sich jedoch als bedenklicher Eingriff in einen funktionierenden Markt von wetterba- sierten Dienstleistungen. Die Entwicklung und Verbes- serung privater Informationsangebote könnte erschwert werden oder gar gänzlich ausbleiben, wenn der App- Markt durch einen staatlichen Anbieter dominiert würde, der durch seine staatliche Finanzierung einen eindeuti- gen Wettbewerbsvorteil genießt . Private Anbieter, die sich durch Werbung oder andere Einnahmen selbst finan- zieren müssen, könnten ins Hintertreffen geraten. Deshalb sollte der Deutsche Wetterdienst nicht als Konkurrent zu den bestehenden Anbietern auftreten . Stattdessen sollte er die vorhandenen Wetterinformati- onen ausschließlich als Rohdaten allen Anbietern glei- chermaßen zur Verfügung stellen und somit die Qualität von Wetterinformationsangeboten insgesamt verbessern . Die Bereitstellung von Rohdaten entspräche auch viel eher den Grundsätzen von Open Data . Sein eigenes An- gebot sollte der Deutsche Wetterdienst wiederum auf die Leistungen beschränken, für die der Staat eine originäre Zuständigkeit besitzt – also beispielsweise die Warnung vor Unwettern und anderen Gefahren . Genau diese Be- schränkung wird der Aufgabe des Wetterdienstes gerecht, die öffentliche Sicherheit und den Katastrophenschutz zu stärken . Schon heute befindet sich der Deutsche Wetterdienst durch seine eigenen Angebote in einer rechtlichen Grau- zone . Die Bundesregierung hätte die Änderung des Ge- setzes über den Deutschen Wetterdienst zum Anlass neh- men müssen, um die bestehende Praxis prüfen zu lassen . Die Bundesregierung muss die von vielen Seiten vorge- tragenen Bedenken zur Vereinbarkeit des Gesetzentwurfs mit dem europäischen Wettbewerbsrecht ernst nehmen . Deshalb hätte die Bundesregierung den Gesetzentwurf bei der EU-Kommission notifizieren lassen müssen, um auf die schon heute bestehenden Bedenken gegenüber dem Aufgabenspektrum des Deutschen Wetterdienstes einzugehen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22675 (A) (C) (B) (D) Ich möchte die Beratung des Gesetzentwurfes zum Abschluss nutzen, um darüber hinaus auf die Erhebung der Wetter- und Klimadaten einzugehen: Heute beobach- ten an etlichen Wetterstationen hauptamtliche Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter das Wetter und sorgen damit für verlässliche Datengrundlagen . Bis 2021 plant der Deutsche Wetterdienst die Wetterbeobachtung vollstän- dig zu automatisieren . Wir haben Zweifel, ob durch die Automatisierung eine vergleichbare Messgenauigkeit insbesondere für die langfristigen Klimareihen gesichert werden kann . Diese sind ein wichtiger Beitrag zur inter- nationalen Klimaforschung . Der Deutsche Wetterdienst kann zum Beispiel Schneehöhen, Schnee-Wasser-Äqui- valent und Bedeckungsgrad derzeit technisch noch nicht vollautomatisiert erfassen . Aus unserer Sicht besteht hier erheblicher Gesprächs- und Klärungsbedarf hinsichtlich der Strategie des Deutschen Wetterdienstes . Dorothee Bär, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- minister für Verkehr und digitale Infrastruktur: Wir neh- men heute einen weiteren wichtigen Meilenstein zu mehr Open Data in Deutschland und machen den Weg frei für einen offenen Zugang zu Millionen an Wetter-Klimada- ten – mit dem ersten Änderungsgesetz unseres Gesetzes zum Deutschen Wetterdienst, kurz DWD-Gesetz . Das Gesetz ist in seiner jetzigen Fassung auf dem Stand von 1998 und bedarf daher dringend einer Anpas- sung an aktuelle Entwicklungen wie die Globalisierung, den Klimawandel und insbesondere die Digitalisierung . Fest steht: Daten sind der zentrale Rohstoff der Di- gitalisierung . Jede digitale Wertschöpfung braucht Da- ten . – Wir werben daher seit Beginn der Wahlperiode dafür, dass wir Big Data als Chance begreifen – und in Deutschland eine neue Datenkultur entwickeln: Weg von der Datensparsamkeit als Übermaßstab hin zum kreati- ven und sicheren Datenreichtum . Der Staat verfügt über einen enormen Datenschatz – und steht damit in einer besonderen Verantwortung. Un- ser Grundsatz muss deshalb lauten: Public data is open data . – Alle nicht personenbezogenen Daten, die der Staat erhebt, müssen offen zur Verfügung stehen, um di- gitale Wertschöpfung zu ermöglichen . Das ist übrigens auch ein Ziel unserer Digitalen Agen- da, wo wir uns vorgenommen haben, die Rahmenbedin- gungen für einen effektiven und dauerhaften Zugang zu öffentlich finanzierten Daten zu verbessern. Wir arbeiten dafür in allen Bereichen: – Wir haben eine Mobility Cloud, die mCLOUD, ge- startet, mit der wir Millionen an Mobilitäts-, Geo- und Wetterdaten offen zur Verfügung stellen. – Wir veranstalten Hackathons, unsere BMVI-Da- ta-Runs, bei denen Programmierer und Entwickler aus unseren Daten in 24 Stunden Innovationen ent- stehen lassen . – Und wir haben jetzt das DWD-Gesetz auf den Weg gebracht . Konkret regeln wir: Erstens. Wir schaffen die Voraussetzungen, damit der DWD in Zukunft Millionen an Klima- und Wetterdaten kostenfrei zur Verfügung stellen kann. Bislang durfte der DWD einen Teil seiner Daten, hochwertige Daten, per Gesetz nur gegen eine Gebühr zur Verfügung stel- len . Damit verbunden sind im Bundeshaushalt Minder- einnahmen von voraussichtlich 3,5 Millionen Euro pro Jahr, die durch Einsparungen bzw . Umschichtungen im Einzelplan 12 ausgeglichen werden . Zweitens . Wir modernisieren den Katalog der Aufga- ben des DWD und ergänzen ihn um die ausdrückliche Nennung der meteorologischen Sicherung der Verkehrs- wege und kritischen Infrastrukturen (bisher nur Luft- und Seefahrt) sowie der Klimatologie, deren Bedeutung ins- besondere im Zusammenhang mit dem Klimaschutz zu- genommen hat . Drittens . Wir stärken die Zusammenarbeit der Behör- den im Bereich Katastrophen-, Bevölkerungs- und Um- weltschutz und beziehen neben den Ländern erstmals auch die Gemeinden und Gemeindeverbände mit ein . Kurz: Mit diesem Gesetz öffnen wir einen wirklich einzigartigen Datenschatz . Der DWD verfügt heute über eines der größten Re- chenzentren Europas – und über Milliarden an histori- schen wie aktuellen Klima- und Wetterdaten mit einer unglaublichen Bandbreite . Ich nenne nur ein paar Bei- spiele: Luft- und Bodentemperatur, Niederschlagshöhe, Luftfeuchtigkeit und Luftdruck, Verdunstung, Boden- feuchte und Frosteindringungstiefe, Windgeschwindig- keit und Windrichtung, solare Sonneneinstrahlung, Sonnenscheindauer und Wolkenbedeckung, weitere zahl- reiche phänologische und geologische Daten . Diese Daten des DWD finden bereits heute Anwen- dung in den unterschiedlichsten Bereichen: von der Schifffahrt und Luftfahrt über die Land- und Forstwirt- schaft, bis hin zur Energiewirtschaft und Bauwirtschaft . Jeder Wirtschaftszweig und jeder Bürger ist von Wetter und Klima betroffen. Damit ist die offene Be- reitstellung dieser Daten im Zeitalter der intelligenten Vernetzung absolut unverzichtbar – und eine Grundvo- raussetzung für eine Vielzahl an digitalen Innovationen: – Automatisiertes und vernetztes Fahren: Fahrzeug kennt Wetterprognose, integriert diese Informati- onen in die Routenplanung, bekommt in Echtzeit Warnmeldungen und kann somit frühzeitig reagie- ren . – Smart Home: Haus stimmt sein Energiekonzept selbstständig auf Wetter und Klima ab und teilt sein Wissen mit den Bewohnern . – Digitales Planen und Bauen: Integration von me- teorologischen Daten in digitale Modelle und die Cloud, wodurch zahlreiche Risiken vermindert, Kosten reduziert, das Controlling optimiert und die Umsetzung effizient gestaltet werden kann. – Katastrophenschutz: Bevölkerung wird über digi- tale Anwendungen in Echtzeit über Gefahren und Gefährdungspotenziale informiert . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722676 (A) (C) (B) (D) Um es ganz klar zu sagen: Von diesem Gesetz profi- tieren alle: Bevölkerung, Wissenschaft und Wirtschaft – auch die bereits etablierten privaten Wetterdienste, die auf der Grundlage der vom DWD in Zukunft frei zur Verfügung gestellten Daten kostengünstig weitere Inno- vationen entwickeln können . Ich bitte daher um Zustimmung zu diesem Gesetzent- wurf . Anlage 11 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortschrei- bung der Vorschriften für Blut- und Gewebezube- reitungen und zur Änderung anderer Vorschriften (Tagesordnungspunkt 25) Dr. Roy Kühne (CDU/CSU): Mit dem Gesetz zur Fortschreibung der Vorschriften für Blut- und Gewebe- zubereitungen und zur Änderung anderer Vorschriften werden fachlich und rechtlich notwendige Änderungen der betroffenen Vorschriften vorgenommen. Wir möchten unter anderem die Möglichkeiten bieten, die Entwicklung und Herstellung von Arzneimitteln für neuartige The- rapien nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen ausrichten zu können . Aktuelle technische Entwicklun- gen müssen mindestens genauso in die Verfahrensweisen einfließen können. Durch die neuen Regelungen ermög- lichen wir diese notwendigen Anpassungen . Das Gesetz fokussiert sich unter anderem auf die Hä- moglobie- und Gewebevigilanzverfahren, die entspre- chenden Register und Forschungsbereiche . Hämophilie, auch als Bluterkrankheit bekannt, ist eine erbbedingte Er- krankung, bei der die Blutgerinnung gestört ist . Hierunter werden verschiedene Formen (unter anderem Hämophi- lie A, B und C, Willebrand-Syndrom) unterschieden . Seit 2009 werden therapierelevante Daten dieser Pa- tienten im deutschen Hämophilieregister gesammelt . In dieser Online-Datenbank werden die Krankheitsverläufe der Patienten sowie deren jährlicher Verbrauch von Ge- rinnungspräparaten registriert . Dies ermöglicht den be- handelnden Ärzten einen komfortablen Zugriff auf deren Daten und eine langfristige Dokumentation . Das Hämo- und Gewebevigilanzverfahren wurde von der Europäischen Union als Überwachungssystem der gesamten Bluttransfusionskette eingeführt . Dabei wer- den unerwünschte Folgen registriert, die bei der Ver- abreichung von Blutprodukten auftreten können . Diese Transfusionsreaktionen unterstehen der Meldepflicht gegenüber dem Paul-Ehrlich-Institut . An der Kette sind verschiedenste Berufsgruppen beteiligt: Der Hersteller garantiert nach den Qualitätsbestimmungen eine ein- wandfreie Produktauslieferung, der Lieferant berück- sichtigt eine produktspezifische Lieferung, der Arzt be- rücksichtigt die Indikation für die Transfusion, und das ärztliche Personal achtet auf die fehlerfreie Gabe des Blutproduktes . Fehler passieren, Fehler sind menschlich, aber Fehler dürfen sich eben nicht wiederholen: Deshalb unterliegen sie schon jetzt einem engen Meldungs- und Analyseprozess, an dem wir festhalten . Gleichzeitig erweitern wir aber die Vorschriften zur Gewebevigilanz um die Faktoren der Regelungen zur Gewebezubereitung . Durch diese und durch die recht- lichen und fachlichen Anpassungen schaffen wir eine deutliche Vereinfachung der Vorschriften zur Hämo- und Gewebevigilanz . Das Gesetz wird auch besonders im Bereich der Ge- nehmigungsverfahren für ATMPs (Advanced therapy medicinal products/Arzneimittel für neuartige Therapi- en) Neuerungen mit sich bringen, indem wir die Defini- tion des Begriffs der „nicht routinemäßigen Herstellung“ anpassen . Die bisherigen Erfahrungen machen diese Än- derungen notwendig . Der Bereich der Arzneimittel für neuartige Therapien verdient eine genauere Betrachtung: Deren Forschung und Entwicklung hat in den vergan- genen Jahren enorm an Fahrt aufgenommen . Im Bereich der regenerativen Medizin, aber auch zur Ausrottung von Erbkrankheiten und in der Bekämpfung von Krebs, die Hoffnungen, die in ATMPs gesteckt werden, sind groß. Um die anspruchsvolle Entwicklung solcher Arzneimit- tel ermöglichen zu können, sind optimale Zulassungsver- fahren und eine enge regulatorische Betreuung notwen- dig . Gentherapeutika, somatische Zelltherapeutika und biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte eröffnen neue Wege für die Behandlung von Funktionsstörungen und Krankheiten . Lassen Sie mich kurz darauf eingehen, worum es sich bei den einzelnen Produktgruppen der biologischen Arz- neimittel zur Anwendung im oder am Menschen handelt: Gentherapeutika kommen beispielsweise in der Be- handlung von kritischer Ischämie oder der unteren Ex- tremitäten zum Einsatz. Genetisch modifizierte Bak- terienstämme finden in der Behandlung von Morbus Parkinson Anwendung, Wachstumsfaktoren bei sekun- dären Lymphödemen nach der Behandlung von Brust- krebs . Der Einsatz von rekombinanten Nukleinsäuren ist vielfältig . Somatische Zelltherapeutika kommen zum Beispiel im Bereich der Leberzelltherapie, in der Therapie bei Ovarialkarzinomen oder zur Behandlung von Diabetes zum Einsatz . Sie bestehen teilweise aus Zellen oder Ge- weben, die substanziell bearbeitet worden sind bzw . ei- nen neuartigen oder gar anderweitigen Nutzen für den Empfänger aufweisen . Biotechnologisch bearbeitete Gewebeprodukte die- nen dem direkten Ersatz von Körperzellen, Knochen- mark und anderen Körperbestandteilen . Berichtet wird insbesondere über Hautersatzprodukte, die bei schweren oder umfangreichen Verbrennungen zum Einsatz kom- men . Auch der Einsatz im Bereich der Knochenmarkim- plantationen und Knorpelmasse ist hinlänglich bekannt . Biotechnologisch bearbeitete Zellen oder Gewebe sind umfangreich einsetzbar und – relativ betrachtet – weit- gehend erforscht . Biologische Arzneimittel, die zur Heilung von Krank- heiten beim Menschen eingesetzt werden, oder Krank- heiten bzw . den Ausbruch von Krankheiten verhüten, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22677 (A) (C) (B) (D) sind demnach biologische Arzneimittel, ebenso wie diese, die im oder am menschlichen Körper verwendet werden können und eine pharmakologische, immunolo- gische oder metabolische Wirkung erzielen . Der Schutz der öffentlichen Gesundheit findet im Bereich der For- schung, der Herstellung und des Vertriebs besondere Anwendung . Gleichzeitig muss gewährleistet sein, dass diese Arzneimittelprodukte, ebenso wie kombinierte ATMPs, die Vorteile des freien Warenverkehrs in der Eu- ropäischen Union und weitere Wettbewerbsvorteile auch im außereuropäischen Raum genießen können . Harmoni- sierte Vorschriften sind daher schon in der Vergangenheit implementiert worden, daran können wir nun anknüpfen . Deutschland steht, insbesondere mit dem Paul- Ehrlich-Institut, national wie international sehr gut da . Um die Wettbewerbsfähigkeit auch künftig zu erhalten, die Forschung voranzutreiben, wissenschaftliche Er- kenntnisse noch direkter in die Entwicklung einfließen zu lassen und damit die Versorgung zukünftig zu sichern, ist der aufgezeigte Weg notwendig . Bei diesem richtigen Schritt werden die Erfahrungen aus den Ländern und des Paul-Ehrlich-Instituts eingebunden und bestehende Hindernisse konkret abgebaut . Ich freue mich, dass die Kommunikation gut funktioniert . Wir alle sollten uns ein Beispiel an der guten Verzahnung zwischen Praxis und Gesetzgeber nehmen . Hier zeigt sich, welches Potenzial entsteht, wenn Akteure zusammenarbeiten . Ich danke dem Bundesministerium für Gesundheit für diesen Aufschlag und freue mich über die weitere Bera- tung in unserer Fraktion und mit dem Parlament . Emmi Zeulner (CDU/CSU): Wir beraten heute den Entwurf des Gesetzes zur Fortschreibung der Vorschrif- ten für Blut- und Gewebezubereitungen und zur Ände- rung anderer Vorschriften. Doch was versteht man überhaupt unter „Blut- und Gewebezubereitungen“ genau, und was sind die auf- geführten „Arzneimittel für neuartige Therapien“? Um die Änderungen und deren Notwendigkeit zu verstehen, muss man meiner Ansicht nach hier ansetzen . Erst da- nach möchte ich darauf eingehen, warum die Änderun- gen notwendig sind und wie genau die Verbesserungen aussehen . Lassen Sie mich gleich zu Beginn die Beispiele nen- nen, die den Inhalt des Gesetzes für alle greifbarer ma- chen: Augenhornhäutchen, Gefäße, Herzklappen, Haut und Knorpelgewebe – das alles sind klassische Gewe- bezubereitungen . Also Arzneimittel, die menschliches Gewebe im Sinne des Transplantationsgesetzes enthalten oder aus solchen hergestellt werden . Organe sind somit nicht erfasst . Neben den genannten klassischen Beispielen werden von dem Gesetz auch die sogenannten „Arzneimittel für neuartige Therapien“ erfasst, sofern als Ausgangsstoff menschliches Gewerbe verwendet wurde . Das sind bei- spielsweise Gen- und Zelltherapeutika und biotechno- logisch bearbeitete Gewebeprodukte . Etwas greifbarer wird dies, wenn man sich vorstellt, dass hier Therapi- en entwickelt werden, die es ermöglichen, mit einem Virus eine bestimmte Geninformation zur Heilung auf eine Zelle zu übertragen . Diese Entwicklungen bringen ganz neue Heilungschancen mit sich und unterliegen der dauernden Forschung und Weiterentwicklung, um eben irgendwann keine „neuartige“, sondern eine bewährte Therapie zu werden . Genau hier liegt auch die Notwendigkeit für die An- passung der gesetzlichen Vorschriften. Zum einen haben sich die wissenschaftlichen und technischen Erkenntnis- se so stark weiterentwickelt, dass eine Anpassung uner- lässlich ist, um die neuen Erkenntnisse in die Therapie mit aufzunehmen und dem Patienten die beste Versor- gung zukommen zu lassen . Denn wir sind uns alle einig, dass genau das das Ziel der Forschung sein muss: dem Patienten zu helfen und neue, wirksame Therapien zu entwickeln . Zum anderen – und das ist sehr wertvoll und zeichnet gerade das Handeln unseres Ministeriums aus – wurden die gesammelten Erfahrungen der mit dem Vollzug direkt betrauten Länder und des Paul-Ehrlich-Instituts ernst- und die Anregungen der Praxis mit in das Gesetz auf- genommen . Es wird nicht an den tatsächlichen Bedürf- nissen der Beteiligten vorbei gehandelt, sondern deren Erkenntnisse fließen unmittelbar mit in das Gesetz ein. Womit wir auch schon bei den drei großen Verbesse- rungen wären, die wir durch das Gesetz erreichen wollen: Erstens nehmen wir uns des dringenden Problems der Lieferengpässe bei den Gewebezubereitungen an: Wir sorgen dafür, dass die Versorgung der Patienten mit Ge- webe- und Stammzellenzubereitungen aus dem EU-Aus- land bei Versorgungsengpässen erleichtert wird. Indem wir in § 21a Absatz 9 Arzneimittelgesetz den § 73 Ab- satz 3a mit aufnehmen, bauen wir Hemmnisse in Notsitu- ationen ab, schaffen Abhilfe, wo sie dringend gebraucht wird, und erhalten dennoch unsere hohen Standards, in- dem wir die Rahmenbedingungen für eine Versorgung aus dem EU-Ausland genau im Gesetz festschreiben und die Standards auch hier hoch ansetzen . Diese Öffnung ist im Sinne der Betroffenen und ein wichtiger Schritt hin zu mehr Versorgungssicherheit in diesem Bereich . Zweitens sorgen wir auch gerade in dem komplizier- ten Genehmigungsverfahren für die Arzneimittel für neuartige Therapien für deutliche Erleichterungen . Denn durch die Befassung mit gentechnisch veränderten Or- ganismen musste nicht nur das Paul-Ehrlich-Institut als Bundesoberbehörde für Gewebezubereitungen, sondern auch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebens- mittelsicherheit miteinbezogen werden . Das heißt, die Antragsteller mussten zwei Genehmigungen bei zwei Behörden beantragen und zwei Verfahren koordinieren, die voneinander abhängig waren. Dieses Verfahren galt es zu entschlacken und effizienter zu gestalten. Die Kri- tik, die hier vor allem aus der Praxis kam, wird in dem vorliegenden Entwurf aufgenommen, und es wird eine Lösung geschaffen: Die Genehmigungen sollen nun al- leine vom Paul-Ehrlich-Institut erteilt werden können . Das entlastet die Antragsteller, ohne dass die Sicherheit des Inverkehrbringens hierdurch beeinträchtigt wird . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722678 (A) (C) (B) (D) Drittens stellen wir das Hämophilieregister, welches bisher nur ein rein klinisches Register war, nun auf rechtlich sichere Beine und verankern es im Transfu- sionsgesetz . In diesem Zusammenhang führen wir die Meldepflicht für die behandelnden Ärzte ein, sodass mit Einwilligung der Patienten die pseudonymisierten Behandlungs- und Diagnosedaten, unter Wahrung des hohen Datenschutzniveaus, an das Register übermittelt werden. Das sorgt für mehr Transparenz, schafft die Grundlagen für eine bessere Forschung und liefert letzt- lich eine detaillierte Entscheidungsgrundlage für die op- timale Behandlung und Versorgung von Patienten. Zusammenfassend führen die Verbesserungen zu einer besseren Versorgung durch den Einsatz neuer Therapien und vor allem zu einer besseren Versorgungssicherheit für die betroffenen Patienten. Gleichzeitig schaffen wir Erleichterungen im Verfahren und setzen mit dem Re- gister die rechtliche Grundlage für die so notwendige Grundlagenforschung in diesem Bereich . Vielen Dank an das Gesundheitsministerium für die gute Arbeit . Hilde Mattheis (SPD): Das Gesetz zur Fortschrei- bung der Vorschriften für Blut- und Gewebezubereitun- gen und zur Änderung anderer Vorschriften beinhaltet zum großen Teil technische und rechtlich notwendige Änderungen . Sie betreffen zum einen eine Verfahrensvereinfachung für die Zulassung von Arzneimitteln für neuartige Thera- pien, sogenannte ATMP . Es gibt auf dem deutschen Markt ATMP, die aus gentechnisch veränderten Organismen – GVO oder aus einer Kombination von GVO – bestehen bzw . solche enthalten . Derartige Arzneimittel mussten bisher an zwei Stellen beantragt werden, nämlich beim Paul-Ehrlich-Institut und zusätzlich aufgrund der GVO auch beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Le- bensmittelsicherheit (BVL). Dies wird nun vereinfacht, sodass nur noch ein Antrag beim Paul-Ehrlich-Institut nötig ist . Wenn hier eine Genehmigung erteilt wird, ge- schieht das im Benehmen mit dem Bundesamt für Ver- braucherschutz und Lebensmittelsicherheit . Wir werden zum anderen weitere Vorschriften im Arz- neimittelgesetz ändern und anpassen, die allesamt darauf zielen, ein stringenteres und vereinfachteres Verfahren zur Zulassung von ATMP zu ermöglichen . Dazu zählen unter anderem die Anpassung der Definition der „nicht routinemäßigen Herstellung“, die in § 4b Arzneimittel- gesetz aufgeführt wird, sowie eine genaue Aufstellung der Unterlagen, die für eine Genehmigung eingereicht werden müssen . Für die Zulassung von Arzneimitteln für neuartige Therapien werden wir zudem einen Ausnahmetatbestand in der Verordnung über radioaktive und mit ionisieren- den Strahlen behandelte Arzneimittel einfügen, da ATMP sehr häufig mit ionisierenden Strahlen behandelt werden, aber hierfür bisher ein Verkehrsverbot bestand. Hier gibt es keine sachlichen Gründe . Daher ändern wir das . Den zweiten Schwerpunkt im Gesetz bilden Maßnah- men zur besseren Behandlung von Hämophiliepatientin- nen und -patienten . Hämophilie ist eine Erbkrankheit, bei der das Blut nicht oder nur sehr langsam gerinnt und bei der bei besonders schweren Fällen spontane Blutungen auch ohne sichtbare Wunden auftreten können . Daher können auch einfache Unfälle für diese Menschen le- bensbedrohlich werden, da die Wunde nicht verheilen kann . Nach Angaben des Hämophiliezentrums in Mün- chen leiden circa 10 000 Menschen in Deutschland an Hämophilie . Ein Register für Hämophilie existiert seit 2008 und wird vom Paul-Ehrlich-Institut gemeinsam mit Patientenorganisationen und der Gesellschaft für Throm- bose- und Hämostaseforschung unterhalten und weiter- entwickelt . Im Deutschen Hämophilieregister sollten zunächst nur pseudonymisierte und medizinische Daten erfasst werden . Geplant sind auch Erfassungen von Ne- benwirkungen, Gelenkstatus, Komplikationen, Infek- tionen, Genotyp, Todesursache und anderem, um noch umfassendere wissenschaftliche Erkenntnisse zu gewin- nen . Im Blut- und Gewebegesetz wird nun geregelt, dass das Hämophilieregister als klinisches Register rechtlich im Transfusionsgesetz verankert wird . Zudem wird eine Verpflichtung zur Meldung von hämophiliebehandeln- den ärztlichen Personen an das Register geschaffen. Neben diesen Kerninhalten wollen wir als Gesetzge- ber weitere offene Punkte regeln, die sich im Laufe der Legislatur ergeben haben oder die in bisherigen Refor- men in der Wahlperiode nicht behandelt werden konnten . Von weiteren beabsichtigten Änderungen möchte ich hier die geplanten Qualitätskriterien erwähnen, die wir im Rahmen des Krankenhausstrukturgesetzes eingeführt haben . Hier braucht es Präzisierungen vonseiten des Bundesgesetzgebers, da sich die Bundesländer und der Gemeinsame Bundesausschuss nicht auf Qualitätsindi- katoren und die Frage von Stichprobenprüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkasse einigen konnten . Hier ist es wichtig, dass klare Anforderungen vonseiten des Bundesgesetzgebers an den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gerichtet werden, um die Qua- litätsindikatoren im Krankenhausbereich rechtssicher umzusetzen . Die Frage nach der Bewertung der Quali- tät von Krankenhausleistungen war einer der zentralen Bausteine in der Krankenhausreform 2015 . Es ist klar, dass wir Neuland betreten . Daher ist eine Präzisierung im Nachhinein richtig, um etwaige Fehler auszuschließen . Des Weiteren streben wir eine Vereinheitlichung der Regelungen zur Darlehensaufnahme bei Banken für den Unterhalt bzw . für Investitionen bei krankenkasseneige- nen Gesundheitseinrichtungen wie Krankenhäusern und Arztpraxen an . In Deutschland unterhalten einige Kran- kenkassen einige wenige Eigeneinrichtungen, das heißt ein Krankenhaus oder eine Praxis, welche direkt von der Kasse geführt werden . Da die gesetzlichen Krankenkas- sen zu Recht einer besonderen Finanzierungsordnung unterliegen, dürfen sie keine Darlehen aufnehmen . Kran- kenkassen müssen ihre gesetzlichen Aufgaben grund- sätzlich mit ihren Mitgliedsbeiträgen und sonstigen Ein- nahmen aus dem Gesundheitsfonds erfüllen . Daran soll auch nicht gerüttelt werden . Allerdings verbietet diese Regelung den Kassen als Betreibern eines Krankenhau- ses gleichzeitig, anfallende Investitionsmaßnahmen über ein Darlehen zu zahlen, was angesichts der oftmals ho- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22679 (A) (C) (B) (D) hen Summen für Investitionen nicht einfach ist . Alle an- deren Einrichtungen, egal ob von der öffentlichen Hand oder von privaten Betreibern geführt, haben diese Mög- lichkeit . Wir wollen die Darlehensaufnahme daher in diesem speziellen Bereich auf Antrag ermöglichen . Die Aufsichtsbehörden müssen die Darlehensaufnahme prü- fen und genehmigen und daher darauf achten, dass diese den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entspricht . Auch im Bereich Pflege wollen wir die beschlossenen Reformen, die Pflegestärkungsgesetze, mit diesem Gesetz genauer ausdefinieren. Wir haben im Pflegestärkungsge- setz II eine fachlich unabhängige Expertenkommission beauftragt, bis 2020 Personalbemessungsstandards so- wohl in stationären als auch in ambulanten Pflegeeinrich- tungen zu erarbeiten . Im Zuge der Einführung des neu- en Pflegebedürftigkeitsbegriffs kann es sinnvoll sein, in einzelnen Pflegeeinrichtungen modellhafte Erprobungen vorzunehmen . Diese können dabei helfen, den durch- schnittlichen Versorgungsaufwand, der bei pflegerischen Maßnahmen entsteht, zu dokumentieren und daraus ab- leitend den notwendigen Personalschlüssel zu errechnen . Für diese Fälle können die Pflegekassen Geld aus dem Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung nehmen, der speziell für die Durchführung wissenschaftlicher Exper- tisen und der Weiterentwicklung der Pflegeversicherung eingerichtet wurde. Von den Landesrahmenverträgen, die üblicherweise Personalbedarf, Vergütung und Ähnliches zwischen Kassen und Leistungserbringern regeln, kann in diesem Fall abgewichen werden . Ich möchte hier noch ein für uns als SPD sehr wichti- ges Thema ansprechen, welches wir im Gesetz anbringen wollen . Es handelt sich um die Stiftung Humanitäre Hil- fe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen. Diese Stiftung wurde infolge des sogenannten Blutspendeskan- dals eingerichtet. Während der 80er-Jahre infizierten sich weltweit mehrere Tausend Menschen aufgrund konta- minierter Blutprodukte mit HIV. In Deutschland waren es mehr als 1 500 Menschen . Dieser Skandal wurde erst 1993 mithilfe eines Untersuchungsausschusses des Deut- schen Bundestages aufgearbeitet und in Folge mit dem HIV-Hilfegesetz die erwähnte Stiftung Humanitäre Hilfe gegründet . Sie soll – so der Stiftungszweck – „aus huma- nitären und sozialen Gründen und unabhängig von bisher erbrachten Entschädigungs- und sozialen Leistungen an Personen, die durch Blutprodukte unmittelbar oder mit- telbar mit dem Human Immunodeficiency Virus (HIV) oder infolge davon an Aids erkrankt sind, und an deren unterhaltsberechtigte Angehörige finanzielle Hilfe“ leis- ten . Die Stifter sind der Bund, die Länder, das DRK und mehrere Pharmaunternehmen . Allerdings ist im HIV-Hilfegesetz unter § 14 gere- gelt: „Die Stiftung wird aufgehoben, wenn der Stiftungs- zweck erfüllt ist oder die Mittel für die finanzielle Hilfe erschöpft sind .“ Im Jahr 1994 dachten die Stiftungsgrün- der aufgrund des damaligen medizinischen Wissens nicht daran, dass HIV-Infizierte und AIDS-Kranke sehr viel länger leben als das damals angesetzte Vermögen. Glücklicherweise ist der medizinische Fortschritt in die- sem Bereich so rasant, dass diese Menschen heute eine ähnlich hohe Lebenserwartung wie jeder andere Mensch auch haben. Der letzte Halbsatz im HIV-Hilfegesetz führt aber dazu, dass inzwischen jährlich die Weiterführung der Stiftung im Bundeshaushalt durch zusätzliches Geld beschlossen werden muss und damit bei den Betroffenen jedes Jahr große Unsicherheit besteht, ob sie weiterhin Geld aus der Stiftung beziehen können . Die Briefe und Anrufe der Betroffenen werden einige Kolleginnen und Kollegen kennen . Ich halte es für unzumutbar, dass Patientinnen und Patienten und deren Familien in ständiger Unsicherheit leben müssen und von Jahr zu Jahr wieder darauf hof- fen, dass der Gesetzgeber sich abermals entschließt, die Stiftung weiterzuführen . Diese Unsicherheit müssen wir beenden . Schon bei den Haushaltsberatungen zum ver- gangenen Bundeshaushalt hatten wir als SPD-Fraktion angekündigt, dass möglichst noch in dieser Wahlperiode die dauerhafte Einrichtung der Stiftung beschlossen wer- den muss . Das heißt, die Stiftung wird erst dann aufge- hoben, wenn der Stiftungszweck erfüllt ist . Jede Patientin und jeder Patient soll bis zu seinem Lebensende Geld aus der Stiftung erhalten; denn der Schaden, der diesen Men- schen entstanden ist, verjährt nicht . Wir werden daher im anstehenden Gesetzgebungsverfahren diesen Punkt mit unserem Koalitionspartner und der Opposition diskutie- ren und hoffen, dass wir hier im Sinne der Patientinnen und Patienten zu einer geschlossenen Position kommen können . Sie sehen also, dass mit diesem Gesetz zwar sehr tech- nische, aber eben dennoch relevante Änderungen ange- strebt werden, die für betroffene Patientinnen und Pati- enten bzw . in dem relevanten Gesundheitssektor wichtig sind . Ich lade daher alle Kolleginnen und Kollegen ein, auch zum Abschluss der Wahlperiode konstruktiv und zielorientiert dieses Gesetz zu diskutieren . Kathrin Vogler (DIE LINKE): Mit dem hier vorlie- genden Gesetzentwurf will die Bundesregierung noch kurz vor Toresschluss gleich eine Reihe unterschiedli- cher Sachverhalte regeln . Das macht es natürlich schwie- rig, in vier Minuten die ganze Bandbreite anzusprechen . Aber man merkt schon, dass im Ministerium gerade unter Zeitdruck gearbeitet wird: Auf die Schnelle sind der Bundesregierung einige Schnitzer passiert, die im Beratungsverlauf noch korrigiert werden müssten . An mehreren Stellen finden sich unzulängliche Begriffsbe- stimmungen, fehlende Differenzierungen, uneinheitliche Sprachregelungen und zum Teil inkonsistente Regelun- gen zu Genehmigungsverfahren . Auch wundert es mich, warum die Bundesregierung Blutstammzellen in Deutschland anders als in der EU unterschiedlichen Qualitätsanforderungen unterwerfen will, je nachdem ob sie aus dem Knochenmark oder der Nabelschnur stammen . Kann mir da mal jemand den Sinn erklären? Eine wissenschaftliche Auswertung der zur Verfü- gung stehenden Daten für angeborene Blutungskrank- heiten ist sinnvoll und wird von uns unterstützt . Aber es bringt für die Betroffenen keinerlei Nutzen, wenn das bereits existierende Hämophilieregister künftig allein beim Paul-Ehrlich-Institut liegt und die Betroffenenor- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722680 (A) (C) (B) (D) ganisationen nicht mehr beteiligt sind . Stattdessen sollte die Bundesregierung ein schlüssiges Konzept für die Da- tengewinnung und vor allem für die Auswertung der im DHR gesammelten Daten vorlegen . Aber das leistet ihr Entwurf nicht . Insbesondere bereitet in der Praxis große Sorge, dass die Regelungen zu Blut- und Gewebezubereitungen über das Transplantationsgesetz, das Transfusionsgesetz und das Arzneimittelgesetz verteilt sind . Dass dies insbeson- dere bei Keimzellen zu einer großen Unübersichtlich- keit führt, beklagen Praktiker und Juristen . Sie sehen da große Probleme und rechtlichen Klärungsbedarf . Zu- dem gibt es gerade bei der Reproduktionsmedizin jede Menge offener Fragen. Bei Keimzellspenden und nicht zuletzt Embryonenspenden im Ausland kommt es auch für Kinder, die in Deutschland aufwachsen oder geboren werden, zu vielen ungeklärten familienrechtlichen Fra- gen . Einer Klärung geht die Bundesregierung wie beim Samenspenderegister auch mit diesem Gesetz wieder aus dem Weg – abermals eine vertane Chance . Kommen wir zu den Änderungen bei der Pflegebe- ratung: Im Gesetzentwurf erklärt die Bundesregierung, es sollen „technische Anpassungen und Änderungen der Regelungen zu den Modellvorhaben zur kommunalen Beratung im . . . SGB XI“ vorgenommen werden . Das klingt harmlos und irgendwie unspektakulär . Was Sie aber genau vorhaben, betrachten wir durchaus kritisch . Sie wollen die Möglichkeit schaffen, dass Kommu- nen, die Modellprojekte zur Pflegeberatung durchführen, besser auf lange gewachsene Strukturen und die Kompe- tenz der Pflegekassen zurückgreifen können. So sollen Kommunen künftig darauf verzichten können, die Pfle- geberatung in eigenen Beratungsstellen durchzuführen, wozu sie diese Bundesregierung erst im letzten Jahr mit dem Pflegestärkungsgesetz III verpflichtet hatte – und zwar unabhängig vom Vorhandensein anderer Möglich- keiten . Das hört sich ja zunächst mal vernünftig an . Aber was gar nicht geht, ist, dass Sie die Qualitätsstan- dards für die Pflegeberatung aufweichen wollen und dass die Kommunen das so eingesparte Geld behalten dürfen . Denn erstens brauchen Pflegebedürftige und ihre Ange- hörigen bestmögliche Beratung und nicht irgendwelche . Und zweitens gehört dieses Geld den Pflegeversicherten, nicht der öffentlichen Hand. Deswegen sage ich Ihnen: Lassen Sie die Finger von der Beratungsqualität, und sorgen Sie dafür, dass die Beiträge der Pflegeversicherten wirklich in der Pflege ankommen . Sonst werden wir diesem Gesetz nicht zu- stimmen können . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zum zweiten Mal in dieser Legislaturperiode legt die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vor, der die Transparenz und Qualitätssicherung im Bereich der Ge- webemedizin in Deutschland verbessern soll . Die vor- geschlagenen Gesetzesänderungen sind grundsätzlich sinnvoll und zu begrüßen . Leider wurde die noch im Referentenentwurf enthaltene Genehmigungspflicht der BÄK-Richtlinien zur Blutspende und Transfusion wieder gestrichen . Über die Gründe kann man nur spekulieren . Interessant wird der Gesetzentwurf aber erst, wenn man sich ansieht, was die Bundesregierung alles nicht regelt . Wie beim letzten Mal gehen die im Gesetz vorge- schlagenen Änderungen auf EU-Vorgaben zurück. Und wie beim letzten Mal lässt die Bundesregierung die Ge- legenheit verstreichen, die Mängel, die es in der Gewebe- medizin in Deutschland gibt, zu beheben . Es ist nämlich mitnichten alles im grünen Bereich, wie auch der zweite Bericht der Bundesregierung zur Versorgungssituation mit Gewebeprodukten in Deutschland gezeigt hat . Die Zahl der Gewebeeinrichtungen in Deutschland steigt kontinuierlich . Aber rund ein Fünftel der Einrichtungen kommt ihren gesetzlichen Meldepflichten nicht nach, trotz Nachfassens durch das Paul-Ehrlich-Institut und Verständigung der zuständigen Landesbehörden. Offen- sichtlich ist es um die Bereitschaft zur Transparenz und Kooperation bei manchen Einrichtungen ebenso schlecht bestellt wie um die wirksame Kontrolle durch die Be- hörden . Zudem sind viele der gemeldeten Zahlen, insbeson- dere im Bereich der muskuloskelettalen Gewebe und Hautgewebe, nach eigenen Aussagen der Bundesregie- rung unplausibel . Es werden viel mehr dieser Gewebe in Deutschland transplantiert und exportiert als entnom- men . Der Überschuss lässt sich nicht mit Restbeständen aus den Vorjahren erklären. Es bleibt also bei einem gro- ßen Fragezeichen, wo diese Gewebe eigentlich herkom- men . Hier muss das Ministerium Transparenz herstellen . Der Bericht der Bundesregierung hat zudem gezeigt, dass es in Deutschland – ähnlich wie bei Organspen- den – einen Mangel an bestimmten Geweben gibt, sodass manche Patientinnen und Patienten nicht oder nur mit erheblicher Verspätung ein Transplantat erhalten. In ers- ter Linie betrifft dies Augenhornhäute und Herzklappen. Transparenz gibt es bei der Verteilung aber weiterhin nicht. Es gibt weder – wie bei der Organspende – öffentli- che Vorgaben, nach welchen Kriterien diese sogenannten Mangelgewebe verteilt werden . Noch führen die Einrich- tungen und Kliniken (bis auf eine Ausnahme) Wartelis- ten . So bleibt es weiterhin dem Ermessen der Akteure überlassen, wer ein Transplantat erhält . Wir haben schon seinerzeit im Zuge der Erarbeitung des Gewebegesetzes transparente Verteilungskriterien und ein Wartelisten- system für solche Mangelgewebe gefordert . Die Bun- desärztekammer ebenfalls . Angesichts zu erwartender gerichtlicher Auseinandersetzungen muss hier dringend nachgebessert werden, Herr Bundesgesundheitsminister . Ich frage mich, warum die Bundesregierung in regel- mäßigen Abständen einen Bericht zur Analyse der Gewe- bemedizin in Deutschland erstellt, wenn dort aufgezeig- te Mängel stur ignoriert werden . Diese Berichte dienen doch dazu, im Bedarfsfall nachzusteuern . Die Bundes- regierung hingegen gibt an, sie sehe ihre Aufgabe vor- rangig darin, die Netzwerkbildung und Kommunikation der Gewebeeinrichtungen untereinander zu fördern . Das wird die eben dargestellten Probleme aber kaum behe- ben . Und noch in einem anderen Bereich bleibt die Koa- litionsregierung untätig: Der diskriminierende Pauschal- ausschluss von homo- und bisexuellen Männern von der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22681 (A) (C) (B) (D) Blutspende wird weiterhin nicht aufgehoben . – Noch im letzten Jahr hatte Minister Gröhe sich offen für eine Lockerung des pauschalen Verbots gezeigt, wenn durch geeignete Testverfahren eine Ansteckung der Empfänger mit Infektionskrankheiten ausgeschlossen werden kann . Danach kam – nichts . Und mit der Streichung der Geneh- migungsbedürftigkeit der Blutspende-Richtlinien würde sich das Ministerium zugleich jeglichen Einflusses da- rauf entledigen, dass dieser diskriminierende Ausschluss irgendwann entfällt . Die Koalition wird voraussichtlich als eine Art Kehr- aus der Gesundheitsgesetzgebung noch eine Menge fachfremder Änderungsanträge zu Gesundheitsthemen anhängen, die sie unbedingt auf den letzten Metern noch regeln will, wie beispielsweise zur Pflege im Kranken- haus . Sie haben also noch genug Zeit, auch im Bereich der Gewebemedizin im Interesse der Patientinnen und Patienten noch mal nachzubessern, genauso, wie Ände- rungsvorschläge einzubringen, die die Rolle der Kommu- nen in der Pflege stärken, beispielsweise durch wirkliche Steuerungs- und Planungskompetenzen in der Pflege – wenn schon nicht grundsätzlich, dann doch wenigstens in den spärlich wenigen Modellvorhaben, die die Koa- lition eingeführt hat . Nutzen Sie diese Chance endlich, damit es nicht nur bei den eher dürren pflegepolitischen Regelungen des Entwurfs bleibt . Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- zung gemäß § 56a der Geschäftsordnung: Technikfolgenabschätzung (TA) Synthetische Biologie – Die nächste Stufe der Bio- und Gentechnologie (Tagesordnungspunkt 26) Dr. Philipp Lengsfeld (CDU/CSU): Als „nächste Stufe der Gentechnologie“ wird die Synthetische Biolo- gie bezeichnet: Ihr Ansatz geht weiter, als dies bislang möglich war; ihre Methoden und Verfahren zielen auf ei- nen Umbau natürlicher Organismen ab, bis hin zur Schaf- fung kompletter künstlicher „biologischer“ Systeme . Die „Synbio“ ist in den letzten Jahren Gegenstand einer kaum überschaubaren Zahl von Studien und Stel- lungnahmen geworden. In der Öffentlichkeit und zivil- gesellschaftlichen Organisationen ist das Thema jedoch kaum präsent aufgrund der geringen praktischen, wenn- gleich hohen gesellschaftlichen Relevanz . Der Arbeitsbe- richt des Büros für Technikfolgenabschätzung (TAB) soll dies im Auftrag des Ausschusses für Bildung, Forschung und – eben auch – Technikfolgenabschätzung ändern . Er untersucht neben naturwissenschaftlich-technologischen Aspekten insbesondere Fragen der Ethik, der Sicherheit, des geistigen Eigentums, der Regulierung und der Risi- ken . Damit kommt das TAB seinem Auftrag nach, uns Abgeordnete wissenschaftlich eingehend zu beraten, Einschätzungen abzugeben und Handlungsempfehlun- gen aufzuzeigen . An dieser Stelle möchte ich mich als Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion für die gute Zu- sammenarbeit bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des TAB bedanken, insbesondere den Leitern des Ber- liner Büros, Herrn Dr . Revermann und Herrn Dr . Sauter, unter dessen Federführung auch der diskutierte Bericht entstand . In Anerkennung der Arbeit des TAB haben wir jüngst erstmals seit dessen Gründung 1990 die Mittel si- gnifikant erhöht. Der fraktionsübergreifend befürwortete Aufwuchs im Bundeshaushalt 2017 beträgt 25 Prozent, womit das gesamte Haus seine Anerkennung ausge- drückt hat . Welche Empfehlungen gibt uns nun der Bericht? Auf- grund der wachsenden Möglichkeiten von gezielten mo- lekularbiologischen Veränderungen an Organismen ist mit vielfältigen Anwendungen zu rechnen . Nach einer Konzentration auf Mikroorganismen für die industriel- le und medizinische Nutzung hat sich der Fokus jüngst auf Genveränderungen bei Pflanzen und Tieren verlagert. Dies verdeutlicht, dass öffentliche Debatten über die ver- antwortungsvolle Weiterentwicklung und auch rechtliche Regulierung der Gentechnik auf internationaler und nati- onaler Ebene notwendig werden . Potenziale und Risiken der Synbio gilt es abzuwägen und ergebnisoffene ethi- sche Debatten zu führen . Hierfür ist der federführende Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung prädestiniert . Ich plädiere für eine entsprechende Überweisung des TAB-Berichtes . René Röspel (SPD): Der Arbeitsbericht „Syntheti- sche Biologie – Die nächste Stufe der Bio- und Gentech- nologie“, den das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag bereits Ende 2015 vorlegte und um den es uns heute geht, hat nicht an Aktualität verloren. Neue Verfahren wie CRISPR-Cas9, die wohl bekannteste Methode des sogenannten Genome Editing, versprechen präzise Eingriffe zur kontrollierten Verände- rung im Erbgut, die effizienter als die bisher verfügba- ren Methoden seien . Dadurch werden unter Umständen ganz neue Dimensionen für die molekularbiologische Grundlagenforschung eröffnet. Als „Paradebeispiel“ für die Anwendungspotenziale der neuen Technologien wird die Züchtung mehltauresistenten Weizens angeführt – ein Unterfangen, das in Pre-CRISPR-Zeiten als beinahe aus- sichtslos galt . Mehltau, ein verbreiteter Pilz, war und ist ein großes Problem für die Landwirtschaft, da er in der Regel zu hohen Ertragsausfällen führt . Gehören solche Schwierigkeiten dank der Synthetischen Biologie nun bald gänzlich der Vergangenheit an? Ohne diese Frage abschließend beantworten zu können, mahne ich zur Vor- sicht und Zurückhaltung – noch stehen ganz andere und nicht minder wichtige Fragen im Zentrum der Debatte: (Sicherheits-)politische, rechtliche und ethische Fragen, die mit der Synthetischen Biologie verbunden sind, wer- den auf allen Ebenen kontrovers diskutiert . Besonders interessant an den geführten Debatten finde ich die Aus- gangsfragestellungen, die ihnen in der Regel zugrunde liegt und die ich wie folgt zusammenfassen würde: Syn- bio, was ist das eigentlich? Soll da „Leben“ zusammen- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722682 (A) (C) (B) (D) gebaut werden, wie einige das als Vision nennen? Han- delt es sich dabei um etwas strukturell so Neues, dass wir mit unseren bisherigen Kategorien und Fragestel- lungen nicht mehr weiterkommen, oder können wir an diese anknüpfen und müssen sie nur weiterentwickeln? Der TAB-Bericht nimmt eine Basisunterscheidung vor, die Synbio im engeren Sinne als „Herstellung von »am Reißbrett« entworfenen und de novo konstruierten Zel- len oder Organismen (oder auch von zellfreien biologi- schen bzw. biochemischen Systemen)“ definiert, und im weiteren Sinne als „Sammelbegriff aller aktuell verfolg- ten, zunehmend informationsbasierten und meist anwen- dungsorientierten Ansätze der molekularbiologischen Veränderung bekannter Organismen.“ Dass sich die Debatte zum Großteil auch nach wie vor auf einer solchen Metaebene befindet, zeigt zum einen, wie komplex das ist, was wir unter Synthetischer Biolo- gie verstehen, und zum anderen, dass wir einfach noch nicht genau wissen, was die neuen Technologien alles könnten und zu welchem Preis . Der vorliegende TAB-Bericht bestätigt dies in weiten Teilen . Ich halte eine zurückhaltend differenzierende Haltung in Zeiten reißerischer Schlagzeilen auch aus dem Wis- senschaftsbetrieb für angebracht . Während die ersten schon davon sprechen, den „Rotstift Gottes“ gefunden zu haben, und behaupten, dadurch gehörten Zika-Mü- cken eher morgen als übermorgen der Vergangenheit an, mahnen viele Forscherinnen und Forscher zur Vorsicht. All dies erinnert stark an all die „Heilsversprechen“ der Gentechnikdebatte, die leider bis heute in den meisten Fällen nicht eingelöst werden konnten . Ich möchte die Gelegenheit nutzen, das Büro für Tech- nikfolgenabschätzung wieder einmal ausdrücklich zu lo- ben und mich herzlich zu bedanken . Denn es reiht sich mit seiner Abhandlung nicht einfach in den wachsenden Hype ein, sondern nähert sich dem Thema nüchtern und analytisch . Nur so kann gute Technikfolgenabschätzung gelingen . Bei allen bestehenden Unklarheiten ist allerdings auch gewiss, dass sich die Forschungspolitik des The- mas annehmen muss . Die im Arbeitsbericht des TAB dargestellten Potenziale der Synthetischen Biologie sind beeindruckend . Unter anderem für die Landwirtschaft und Pflanzenzüchtung, die chemische Produktion und Energiegewinnung, die Umweltsensorik und -sanierung sowie die Medizin sind Anwendungsmöglichkeiten denkbar . Ohne jegliche Fortschrittsfeindlichkeit müssen wir uns nun fragen, zu welchem Preis diese Potenziale ausgehoben werden können . Erneut ergeben sich Parallelen zu vergangenen bzw . immer noch andauernden Debatten über die Gentechnik oder die Nanotechnologie . Wir sollten nun auf dem, was wir aus diesen großen Diskussionen – hoffentlich – gelernt haben, aufbauen. Das heißt in meinen Augen vor allem, dass wir anste- hende – ethische – Risikodebatten – denn diese sind in meinen Augen stets die relevantesten – von vornherein langfristig und ressortübergreifend gestalten und echte Beteiligungsmöglichkeiten für alle relevanten Akteure sicherstellen . Wie das funktionieren kann, deutete das Fachgespräch des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur Synthetischen Biolo- gie vom September 2016 an . Hier tauschten sich unter anderem Biologinnen, Philosophinnen, Unternehmerin- nen, Biohackerinnen und Behördenvertreterinnen kon- struktiv über die Thematik aus . Dabei wurde schnell deutlich, dass es bei der Synbio um mehr als eine po- tenzielle Schlüsseltechnologie der Bioökonomie geht . So wurden Dual-Use-Problematiken genauso problemati- siert, wie die Frage, ob unsere Gentechnikdefinition die Synbio überhaupt angemessen erfassen kann . Wir müs- sen uns ferner vom Gedanken trennen, dass es die Syn- thetische Biologie und das „genome editing“ gebe . Da- hinter verbirgt sich nämlich eine Vielzahl von Methoden, die jeweils einer eigenständigen Bewertung bedürfen . In einer großen und gut besuchten Diskussionsveran- staltung, die der deutsche Ethikrat gemeinsam mit der DFG und Leopoldina im Februar diesen Jahres ausrichte- te, fragten sich Landwirtinnen, Juristinnen, Ethikerinnen und andere ebenfalls, ob wir eine neue Gentechnikdefi- nition benötigen und, wenn ja, welche Anforderungen an eine solche zu stellen seien . Angesichts dieser interdisziplinären Ansätze und der fundierten Debatten, die aktuell in Deutschland geführt werden, bin ich zuversichtlich, dass wir auf einem guten Wege sind . Ich bin da ganz beim TAB, wenn es unter- streicht, dass sich gerade die Entwicklung von gesell- schaftlich potenziell umstrittenen Technologien, wie der Synbio, an der Lösung konkreter Probleme orientieren sollte . Am Ende dieses Prozesses muss eine kluge, nachhal- tige und ethisch verantwortbare Regulierung stehen . Das TAB führt uns hierzu einmal mehr auf den richtigen Pfad . Ganz unabhängig von diesen politischen Erwägungen finde ich die Entwicklungen im Bereich der syntheti- schen Biologie übrigens unglaublich spannend . Ich bin sicher nicht der einzige, der die Entdeckung der CRISPR/ Cas9-Methode durch die Emmanuelle Charpentier, die übrigens hier in Berlin forscht, sowie Jennifer Doudna aus dem Jahre 2013 für höchst nobelpreisverdächtig hält . Auch als Biologe freue ich mich auf anregende Debatten, die wir in diesem Hause dazu noch führen werden . Einen grundsätzlichen Unterschied zur bisherigen Gentech- nologie erkenne ich noch nicht, sodass ich politischen Handlungsbedarf derzeit nicht sehe. Aber wir befinden uns mitten in der Diskussion, und wir sollten die Ent- wicklung weiterhin aufmerksam verfolgen . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Frak- tionen der CDU/CSU und SPD: Innovativer Staat – Potenziale einer digitalen Verwaltung Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22683 (A) (C) (B) (D) nutzen und elektronische Verwaltungsdienst- leistungen ausbauen – zu dem Antrag der Abgeordneten Dieter Janecek, Dr. Konstantin von Notz, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Stillstand beim E-Government beheben – Für einen inno- vativen Staat und eine moderne Verwaltung (Tagesordnungspunkt 27) Michael Frieser (CDU/CSU): Die Digitalisierung ist eines der zentralen Themen unserer Zeit. Vor allem wird es derzeit im Hinblick auf den Arbeitsmarkt, Arbeitszeit- modelle sowie Möglichkeiten für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf diskutiert . Digitalisierung ist aber in besonderer Weise eine große Chance für den ländlichen Raum . In den letzten Jahren gab es einen verstärkten Zu- zug in die Städte. Es wurde von Landflucht und Entlee- rung der Räume gesprochen . Doch die Binnenmigration verändert sich . Der ländliche Raum ist durchaus mit posi- tiven Bildern verbunden, wie unter anderem auch die Er- folge von Magazinen, die sich dem Landleben widmen, zeigen . Und der ländliche Raum bietet bezahlbaren und verfügbaren Wohnraum, bietet also das, was in Städten zunehmend fehlt und besonders für junge Familien ein Problem darstellt . Abgesehen von den allgemeinen Chancen der Digi- talisierung durch neue Arbeitszeitmodelle, die Verein- barkeit von Beruf und Familie, ergeben sich wichtige Impulse für den ländlichen Raum durch die mögliche Vermeidung von Fahrtwegen. In einem entscheiden- den Punkt liegen wir jedoch noch zurück. Das betrifft Deutschland im Allgemeinen, stellt aber vor allem auf dem Land einen besonderen Nachteil dar: der schlep- pende Ausbau von E-Government-Angeboten in seiner Fülle . Und genau hier setzt der diskutierte Antrag der Regierungsfraktionen zu einem innovativen Staat an . Dass Deutschland hier allein dem Nachbarn Österreich zehn Jahre hinterherhinkt, ist bekannt, von Musterlän- dern wie Estland ganz zu schweigen . Doch es ist nichts verloren, und die ersten richtigen Schritte wurden bereits getan. Mit der Einführung der eID ist eine wichtige Vo- raussetzung erfüllt . Dies gilt es auszubauen, nicht nur für Bürger, sondern auch für Unternehmen, Verbände und Behörden, sodass eine einheitliche Authentifizierung über alle Ebenen hinweg möglich ist . Dies ist eine der Grundvoraussetzungen für die Nutzung der Potenziale, die in einem Ausbau der digitalen Verwaltung und der elektronischen Dienstleistungen bestehen . Genau dies sind die notwendigen Ergänzungen für das Attraktivitätsangebot im ländlichen Raum . Große Distanzen, beispielsweise zu Behörden, stellen für die Menschen vor Ort ein Hindernis dar . Das gilt nicht nur für den Weg, sondern auch den damit verbundenen zeit- lichen Zusatzaufwand, zumal die bereits heute mögli- chen Dienstleistungen zeigen, dass die Aufträge deutlich schneller ausgeführt werden können . Als Beispiel sei die Beantragung eines polizeilichen Führungszeugnisses ge- nannt . Gehen Sie wie gewohnt zum Amt, müssen Sie mit einer Bearbeitungsdauer von etwa zwei Wochen rechnen; lösen Sie den Auftrag online aus, haben Sie das Zeugnis in der Regel innerhalb der nächsten drei Werktage . Dies ist ein deutlicher Fortschritt und zeigt, welches Potenzi- al die digitale Verwaltung und elektronische Dienstleis- tungen bieten . Bauen wir dies aus, kann vor allem der ländliche Raum davon profitieren und das Lebens- und Wohnumfeld stabilisiert und attraktiver gestaltet werden . CDU und CSU haben das Potenzial erkannt und bringen den Ausbau des innovativen, digitalen Staates voran . Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU): Ich freue mich, dass wir heute den Antrag „Innovativer Staat“ der Koali- tionsfraktionen nach den Beratungen in den Ausschüssen endgültig verabschieden können . Denn die Zeit drängt: Wie ich schon in meiner ersten Rede zu diesem Thema ausgeführt habe, ist das Angebot von digitalen Verwal- tungsdienstleistungen in Deutschland erschreckend ge- ring. Dies trifft auch auf die Nutzerzahlen zu; denn wo kaum Leistungen angeboten werden, können auch keine Nutzer für das Angebot gewonnen werden . Deutschland liegt damit im europäischen Vergleich im unteren Mittelfeld . Gerade unsere Nachbarn Schweiz und Österreich sind hier deutlich besser aufgestellt . Die- sen Rückstand müssen wir unbedingt aufholen, denn es sollte unser Anspruch sein, auch im Bereich der Digita- lisierung von Verwaltungsdienstleistungen im europäi- schen Vergleich im Spitzenfeld zu stehen. Wie viel Nachholbedarf wir in Deutschland haben und welchen Nerv wir mit diesem Antrag getroffen haben, hat sich mir auch nach unserer letzten Plenardebatte gezeigt . Ich habe Anrufe und Zuschriften von einigen Bürgern und einer Reihe von Unternehmen erhalten, die sich da- rüber gefreut haben, dass wir das Thema der Digitalisie- rung unserer Verwaltung endlich angehen wollen. Nicht zuletzt deshalb meine ich, dass Bürger und Unternehmen bessere, nutzerfreundliche und deutlich ausgebaute digi- tale Verwaltungsangebote sehr begrüßen würden. Des- halb ist es unverzichtbar, dass der Bund nun das Tempo bei der Verwaltungsdigitalisierung erhöht. Erste Anzeichen für eine solche Tempoverschärfung sind bereits zu beobachten. Vor kurzem hat sich der Deut- sche Bundestag in erster Lesung mit dem Gesetz zur Neu- ordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen befasst . Teil dieses umfangreichen Gesetzespakets, das bekannt- lich auch mehrere Grundgesetzänderungen umfasst, ist auch das Onlinezugangsgesetz, das alle Behörden von Bund, Ländern und Kommunen dazu verpflichtet, ihre Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 auch elektronisch zur Verfügung zu stellen. Dazu sollen alle bestehenden Portale mit digitalen Verwaltungsdienstleistungen der verschiedenen Ebenen zu einem Portalverbund zusam- mengeführt und damit den Bürgern und Unternehmen zugänglich gemacht werden . Mithilfe eines einzurichten- den Nutzerkontos können Bürger und Unternehmen sich über Verwaltungsdienstleistungen informieren und dann die entsprechenden Angebote in Anspruch nehmen . Mich freut hierbei besonders, dass die Bundesregie- rung ein lebenslagengestütztes Verfahren anbietet, das heißt, die Verwaltungsdienstleistungen werden an den Bedürfnissen der Nutzer ausgerichtet und nicht an den Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722684 (A) (C) (B) (D) Strukturen der Verwaltung. Außerdem sollen alle Dienst- leistungen aus einer Hand angeboten werden – die Ver- waltungsstrukturen von Bund und Ländern sind im Hin- tergrund und für die Nutzer nicht zu erkennen. Ich finde, dass die Bundesregierung mit dem Vorschlag, einen Por- talverbund einzurichten, schon einen sehr großen Schritt in die Richtung gemacht hat, die wir mit unserem Antrag vorgeben wollen . Das Gesetz ist sicherlich ambitioniert, allerdings haben wir auch einen großen Rückstand aufzu- holen. Ich hoffe, dass die Bundesregierung, inspiriert von unserem Antrag, nun weitere Gesetzesvorhaben dieser Art folgen lassen wird. Denn der Bund muss Vorreiter für die übrigen Ebenen sein . Die deutsche Verwaltung gilt nach wie vor weltweit häufig als Vorbild. Damit das so bleiben kann, müssen wir unsere Verwaltungsstrukturen unbedingt an das 21 . Jahrhundert anpassen . Mit diesem Antrag hat der Bundestag seinen Beitrag dazu geleistet . Saskia Esken (SPD): Was macht eine moderne und effiziente öffentliche Verwaltung aus? Meines Erachtens entscheidet sich diese Frage beim alltäglichen Umgang der Verwaltung mit den Bürgerinnen und Bürgern. Eine moderne und effiziente öffentliche Verwaltung begreift sich als Dienstleister . Als Nutzer erwarten wir heute, dass wir unsere Behördengänge online und mobil erledigen können . Und wir wollen uns darauf verlassen können, dass die zum Teil sehr sensiblen Daten, die wir mit der Behörde teilen, nicht in unbefugte Hände geraten . Gemessen an diesen Erwartungen muss die deutsche Verwaltung noch einiges nachholen. Das sagen uns auch diverse Studien und internationale Vergleiche zum The- ma E-Government . Egal welche Studie wir heranziehen, sie alle kommen zu einem einhelligen Urteil: Die Ange- bote der digitalen Verwaltung in Deutschland sind dürf- tig – in Anzahl und Qualität, aber auch in ihrer Nutzung, also in der Akzeptanz . So belegt Deutschland zum Beispiel beim gerade er- schienenen „Digital Economy and Society Index 2017“ der Europäischen Kommission den elften Rang . Damit befinden wir uns im gesicherten Mittelfeld; nicht gerade eine Traumplatzierung! Die Autoren der Studie schreiben, die größte Heraus- forderung für die deutsche Verwaltung bestehe darin, die Online-Interaktion zwischen Behörden und Bürgern zu verbessern . Nur 19 Prozent der Deutschen nutzten der Studie nach E-Government-Dienste . Diese kurze Ausführung zeigt, dass die Politik im Be- reich E-Government noch viel zu tun hat . Zwar haben wir mit dem im Jahr 2013 in Kraft getretenen E-Govern- ment-Gesetz und mit dem in dieser Legislatur beschlos- senen Programm „Digitale Verwaltung 2020“ einige Schritte getan; deren Umsetzung geht jedoch quälend langsam und nicht konsequent genug voran . Ich bin deshalb dankbar, dass wir uns mit unserem Koalitions- partner auf den vorliegenden Antrag zum E-Government geeinigt haben . Ein wichtiger Bestandteil ist das Bürgerkonto, über das die Nutzer sicher mit der Verwaltung kommunizie- ren können. Als eindeutige Identifikation beim Zugriff auf das Bürgerkonto dient die elektronische ID des neuen Personalausweises . Bei allen neu ausgestellten Personal- ausweisen soll die eID deshalb – anders als bisher – vor- eingestellt sein und nur auf Wunsch abgeschaltet werden . Opt-out statt opt-in also . Ein weiteres wichtiges Anliegen unseres Antrags wird in der Fachwelt als Open Government und Open Data diskutiert. Hier geht es um die Offenheit und Transparenz staatlichen Handelns sowie um den freien Zugang zu den Daten der Verwaltung. Der zuvor zitierte „Digital Eco- nomy and Society Index“ stellt fest, dass in Deutschland im Bereich Open Data „kein Wachstum zu verzeichnen“ sei . Im Antrag fordern wir die Offenlegung von Verwal- tungsdaten, und zwar nicht auf Antrag, sondern proaktiv, in einheitlichen und maschinenlesbaren Formaten und unter freien Lizenzen . Es ist zu begrüßen, dass die Regie- rung noch in dieser Legislatur ein solches Open-Data-Ge- setz in Form einer Änderung des E-Government-Geset- zes vorlegen wird . Wie ich bereits erwähnte, ist das Vertrauen der Nutzer in die Sicherheit von Daten und Kommunikation von zen- traler Bedeutung bei der Frage, ob und in welchem Um- fang die E-Government-Angebote der Verwaltung von der Bevölkerung benutzt werden . Deshalb ist es wichtig, dass die Verwaltung den Bürgerinnen und Bürgern siche- re, durchgängig oder, wie man sagt: Ende-zu-Ende ver- schlüsselte Kommunikationswege zur Verfügung stellt. Nicht nur die Unternehmen der kritischen Infrastruk- tur, auch die digitale Verwaltung ist durch cyberkriminel- le Angriffe in ihrer Funktions- und Handlungsfähigkeit hoch gefährdet und muss sich deshalb besonders schüt- zen . Sie muss deshalb, auch das ist Gegenstand unseres Antrags, beim Umgang mit solchen Angriffen, beim Ein- satz von IT-Sicherheitstechnik und bei der Anwendung von IT-Sicherheitsverfahren eine Vorreiterrolle spielen. Vom digitalen Staat, von der digitalen Verwaltung sind wir in Deutschland noch weit entfernt . Mit dem vor- liegenden Antrag fordern wir die Bundesregierung auf, den eingeschlagenen Weg gemeinsam mit Ländern und Kommunen weiter zu beschreiten, damit Deutschland in Zukunft auch bei Rankings zum E-Government einen Spitzenplatz belegen kann . Mahmut Özdemir (Duisburg) (SPD): Informati- onstechnische Systeme haben das Verhältnis von Staat, Bürger und Wirtschaft grundlegend verändert . Daten sind die neue Währung der digitalisierten Welt . Unse- re Rechtsordnung ist davon nicht unberührt geblieben, denn wir haben auf das Dreiecksverhältnis zwischen Bürger, Staat und Wirtschaft reagiert und reagieren müs- sen . Zwischen Bürgern und Staat ist grundrechtlich im Sinne von Abwehrrechten des Bürgers gegen den Staat seit der Entscheidung des BVerfG mit der Kreation eines Grundrechts auf Schutz der Vertraulichkeit und Integri- tät informationstechnischer Systeme längst ein Anknüp- fungspunkt geschaffen. Zwischen Bürgern als Verbrau- chern und Wirtschaft scheint dies nicht zu gelten oder einfach mit dem Setzen eines digitalen Häkchens unter Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22685 (A) (C) (B) (D) eine – ausgedruckt zig Seiten umfassende – Erklärung erledigt zu sein . Man könnte fast sagen, der Bürger hätte es nicht erledigt, sondern sich einiger Schutzmechanis- men entledigt . In diesem System ein ganzheitliches Angebot von di- gitaler Verwaltungsdienstleistung anzulegen, ist eine He- rausforderung – und im Mindestmaß jedoch ein Werk, das mit kleinen Schritten voranzugehen scheint . Bund und Länder haben mit Artikel 91c GG eine not- wendige Grundlage für die Zusammenarbeit geschaffen, die in den Vertrag zur Errichtung des IT-Planungsrates mündete . Der große Wurf gelang damit jedoch nicht . Die Vergabe der öffentlichen Hand für IT-Ausstattung und interoperable Systeme sind immer noch weit weg von der Harmonisierung . Hier müssen wir dringend zu wirk- sameren Instrumenten greifen und mehr Verbindlichkeit herstellen . Die Zaghaftigkeit im IT-Bereich korrespon- diert mit einem Weniger an Staat in der digitalen Lebens- realität der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland . Ein Attest für gesetzgeberische Zaghaftigkeit war da- her, dass sich das BVerfG 2008 genötigt sah, ein Grund- recht zu entwickeln: „Schutz der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme“ . Und acht Jahre später, am 17 . August 2016, titelt die FAZ – immer noch – mit einem prominent platzierten ganzseitigen Ar- tikel: „Wir brauchen ein Digitalgesetz!“ Deshalb ist es richtig und wichtig, dass wir mit diesem Antrag die Strategie der Bundesregierung gesetzgebe- risch fordern . Die Wirtschaft hat es erkannt, den Komfort durch elektronische Dienste gewinnbringend einzuset- zen . Nutzerdaten, elektronische Zahlungsmethoden und in Algorithmen verschwindende Suchbegriffe der Nutzer werden zu einer Dienstleistung verschmolzen, die das Leben vereinfacht . Die Standardisierung dieser Prozesse führte zu einer Evolution, die das Nutzerverhalten antizi- pierte . Diese Lebenswirklichkeit der Menschen müssen wir als Staat aufnehmen . Staatliche Dienstleistungen müssen komfortabel, sicher und zeitgemäß werden – vom Personalausweis bis zur Verwaltungsdienstleistung. Dieser Gleichschritt aus Komfort, Sicherheit und Zeitgemäßheit ist aber vermutlich nicht weniger als der berühmte Versuch der Quadratur des Kreises. Wir bewe- gen uns stets auf dem schmalen Grad zwischen einem gesunden und tolerablen Verhältnis aus Praktikabilität, Datensicherheit und Datenschutz der Bürgerinnen und Bürger. Gänzlich auflösen werden wir diesen Antagonis- mus wohl nie, sodass wir hier stets und immer wieder aufs Neue mit wachem Auge und Fingerspitzengefühl rechtliche Rahmenbedingungen schaffen, aber auch – wo nötig – begrenzen müssen . Insgesamt besteht bei der Verbindung, Verschlüsselung und der Art und Weise der Übermittlung von Daten zwischen Verwaltung und Bürgern noch Handlungsbedarf . Allerdings hat hier die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der Vertraulichkeit und Integrität informations- technischer Systeme einen exzellenten Maßstab für den Gesetzgeber und die Verwaltung gesetzt, den es beim künftigen gesetzgeberischen Tätigwerden zu beachten gilt . Dennoch gilt für uns die Grundüberzeugung: Die Be- schleunigung der Entwicklung einer digitalen und mo- dernen Verwaltung ist notwendig und muss zügig voran- getrieben werden . Bei diesem Vorhaben konnten auch durchaus schon Erfolge erzielt werden . So ist mit Blick auf die Mittei- lung der Kommission zum EU-E-Government-Aktions- plan 2016-2020 bei der elektronischen Vergabe und in der elektronischen Rechnungsstellung im Binnenmarkt bereits sehr viel erreicht worden . Allerdings werden diese Erfolge andererseits wieder durch unzureichende Ausstattung mit technisch geeigneter EDV konterkariert, weil mit der aktuell verwendeten Technik eine rechtssi- chere Vergabe derzeit noch unmöglich ist. Ich glaube, der Schlüssel liegt hier in einem Vergaberecht, das die Interoperabilität der Systeme in Bund, Ländern und Ge- meinden sicherstellt, die derzeit durch die – grundsätz- lich richtige – Verwaltungs- und Organisationsautonomie verhindert wird . Notwendig ist daher auch ein Staatsvertrag, der Schnittstellen für den Abruf zentraler Datensätze bei gleichzeitiger Wahrung eines gemeinsam mit den Lan- desdatenschutzbeauftragten zu erarbeitenden Daten- schutzkodexes verbindlich festlegt, um wenigstens die 60 wichtigsten Verwaltungsdienstleistungen für Bund und Länder in einer einheitlichen Maske anbieten zu können . Der unter Beachtung des Datenschutzes not- wendige zentrale Zugriff auf Datensätze durch Bund und Länder hat sich beim Ende des letzten Jahres verabschie- deten Luftsicherheitsgesetz gezeigt, mit dem durch digi- tale Verwaltung die Effizienz, aber auch die Sicherheit erhöht worden ist . Allerdings ist die Digitalisierung kein Selbstzweck . Politische Vorhaben müssen sich stets am Wohle der Bür- gerinnen und Bürger ausrichten . Dieser Topos bedeutet für mich hier im Konkreten zweierlei: Einerseits soll das Vorantreiben der Digitalisierung in der Verwaltung nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden . Ein Mehr an Digitalisierung darf nicht zu einem Weniger an Beschäftigten und entsprechenden Einsparungen in der Verwaltung führen. Es mag sinnvoll erscheinen, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, um Pensionie- rungs- und Rentenwellen abzufedern . Es darf aber nicht passieren, dass wir als Staat in unserem Einflussbereich die Menschen massenhaft auf die Straße setzen . Und andererseits gilt: Um allen Menschen gleichen Zugang zu Verwaltungsdienstleistungen zu garantieren, muss auch auf diejenigen Rücksicht genommen werden, die aus ökonomischen oder technischen Gründen E-Go- vernment-Angebote nicht nutzen könnten . Denn eine di- gitale Verwaltung soll Vorteile für die Bürgerinnen und Bürger schaffen und den Komfort im Alltag erhöhen, aber niemanden ausgrenzen! Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Was E-Government und die Digitalisierung der Verwaltung angeht, ist Deutschland leider weit im Hintertreffen. Und daran hat sich in den vergangenen Jahren auch wenig geändert . Wie kommt das? Schaut man sich den Antrag der Koalition an, könnte man auf den Gedanken kommen, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 201722686 (A) (C) (B) (D) es müsse wohl daran liegen, dass bisher nicht genügend wohlklingende Zielvorstellungen aufgeschrieben wur- den . Allein, gerade daran fehlt es nicht . Bei den Zielen werden wir uns wohl alle schnell einig: die leicht zugängliche Möglichkeit für alle, Anliegen ge- genüber der Verwaltung auch elektronisch zu erledigen; eine leistungsfähige Verwaltung, die nicht mehr so viel Zeit mit dem Bewältigen von Medienbrüchen verbringt; ein hohes Niveau der IT-Sicherheit, insbesondere um persönliche Daten zu schützen; und mehr Transparenz staatlichen Handelns . Nur wenigen Dingen, die in dem vorliegenden Antrag stehen, lässt sich direkt widersprechen . Es fehlt ihm aber an Konzepten und an konkreten Vorgaben. Die erfolgreiche Einführung von E-Government er- fordert finanziellen und personellen Einsatz, wobei wir insbesondere die Kommunen nicht auf sich allein gestellt lassen können . Sie erfordert einen Ansatz, der die Per- spektive der Beschäftigten und ihre Mitbestimmungs- rechte ernst nimmt . Sie erfordert ganz allgemein die Be- reitschaft, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Und von alldem ist hier wenig zu lesen . Sie halten beispielsweise immer noch am gescheiter- ten Projekt De-Mail fest, statt auf existierende Standards der Verschlüsselung zu setzen. Überhaupt ist das Vorge- hen der Bundesregierung hier zwiespältig: Einerseits will man verschlüsselte Kommunikation stärken, andererseits wendet man beträchtliche Mittel auf, um Wege zu finden, sie zu umgehen . Sicherheitslücken sollen also sowohl ge- schlossen als auch ausgenutzt werden . Die Cybersicher- heitsstrategie der Bundesregierung adelt das zur „Kryp- to-Strategie“; strategisch ist daran aber nichts . Sie bekennen sich – mal wieder – zu Open Data . Sie hätten in den letzten Jahren jede Gelegenheit gehabt, hierfür den rechtlichen Rahmen zu schaffen. Während in immer mehr Bundesländern das Informationsfreiheits- recht hin zu Transparenzgesetzen weiterentwickelt wird, warten wir nun hier auf ein Open-Data-Gesetz, das ab- sehbar immer noch keine durchsetzbare Pflicht zur Ver- öffentlichung von Daten vorsehen wird. Sie wollen den IT-Planungsrat stärken . Aber gerade kürzlich erst hat die Bundesregierung den Entwurf eines Onlinezugangsgesetzes vorgelegt, das dem Bund neue Kompetenzen gibt und die Rolle des Planungsrats eher beschränken wird . Ihrem gesamten Antrag fehlt es an einer klaren Linie und an eigenen Konzepten . Ihn hier zu verabschieden, wird kein einziges E-Government-Projekt einen Schritt voranbringen . Der Antrag der Grünen benennt die Probleme weit deutlicher und stellt auch eine ganze Reihe richtiger Forderungen auf, denen wir zustimmen können . Auch er spart aber einen wichtigen Punkt aus . Es ist richtig, dass mit der Digitalisierung der Verwal- tung große Effizienzgewinne zu erwarten sind; Sie zitie- ren die 34 Prozent aus der Studie des Normenkontrollrats . Aber wem soll dieser Gewinn zugutekommen? Wenn Sie das als „ökonomisches Einsparpotential“ bezeichnen, zielen Sie am Ende womöglich auf Personalabbau . Bei der Digitalisierung der Verwaltung auf den soge- nannten „schlanken Staat“ zuzusteuern, vergibt aber ihre echten Chancen und gefährdet auch die bei diesem The- ma so notwendige Akzeptanz . Aus unserer Sicht müssen Effizienzgewinne in die Stärkung der öffentlichen Ver- waltung gehen, damit diese die ihr anvertrauten Aufga- ben im Sinne der Menschen gut erfüllen kann . Wenn wir das hinkriegen, können wir vielleicht in ei- nigen Jahren einmal über dieses Thema reden, ohne eine so schlechte Bilanz ziehen zu müssen . Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ob E-Perso, De-Mail und ELENA, ob die Gesundheitskarte oder das Informationstechnikzen- trum Bund – die Liste an chronisch problembehafteten IT-Großprojekten des Bundes ist schon lang, aber offen- bar immer noch verlängerbar: In unschöner Regelmä- ßigkeit wird erst großtrabend angekündigt, um dann bei den absehbaren Mühen der Ebene umso schmallippiger kommentiert ein Prestigevorhaben nach dem anderen in den Sand zu setzen . Denn meist ist man schlichtweg zu sehr am eigentli- chen Bedarf vorbei, bleibt ohne Koordination, Standards und Durchgängigkeit zu unpraktisch und unbekannt, wenn nicht gar unauffindbar. Bei fehlender Marktent- wicklung sind die Angebote auch noch zu teuer und tech- nisch anfällig sowie ohne effektiven Datenschutz wenig vertrauenswürdig . Akten werden nur selten vollständig und systematisch elektronisch geführt . Open Source und offene Standards spielen kaum eine Rolle, ja werden teils zurückgesetzt, während bei der Beschaffung proprietärer Produkte und Beratungsleistungen die Gefahr wächst, von kommerziellen Marktführern an der Nase herumge- führt zu werden . Entsprechend eindeutig fallen Vergleichsstatistiken aus: Die Bundesrepublik Deutschland verliert im EU-Di- gitalisierungsindex den Anschluss, der Normenkontroll- rat beklagt länger schon, dass es de facto kaum Angebo- te gibt – die daher auch nur von wenigen angenommen werden. Die Nutzungszahlen von Online-Verwaltungs- diensten in Deutschland bleiben weit hinter Ländern wie Österreich, Schweiz oder Schweden zurück, und es sieht eher noch nach einer weiteren Rückentwicklung denn ei- ner wirklichen Aufholjagd aus . In ihrem Antrag räumt die Große Koalition immerhin ungewohnt offenherzig die Bilanz des eigenen Scheiterns ein: Es drohe „der Verlust der technologischen Souve- ränität“ – nun das könnte damit zusammenhängen, wie unsouverän diese Bundesregierung digitalpolitisch seit Jahren unterwegs ist . Angesichts dieser Ausgangslage ziehen Sie in manchem – wie bei der Bedeutung von Open Data – sogar ansatzweise die richtigen Schlüsse, freilich nur auf dem Antragspapier . Denn wie so oft in den enttäuschenden Jahren Ihrer „Digitalen Agenda“ folgen den hehren Worten selten und nur unentschlos- sen die richtigen Taten . Wenn man nicht gar mit einer Verschlimmbesserung um die Ecke kommt, doch dazu später . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 225 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 23 . März 2017 22687 (A) (C) (B) (D) Dabei hat eine Enquete-Kommission dieses Hauses in der vergangenen Legislaturperiode fraktionsübergreifend in einer tiefgehenden Grundlagenarbeit umfangreiche und konkrete Handlungsempfehlungen vorgelegt, und auch in den vergangenen Jahren hat sich der Deutsche Bundestag intensiv mit diesen Fragen beschäftigt . Hier besteht ja eigentlich Konsens, dass die Digitalisierung unserer Verwaltung gerade mit Blick auf die demografi- sche Entwicklung sowie den ländlichen Raum, aber auch auf gestiegene Ansprüche an Beteiligung und Transpa- renz enorme Chancen bietet . Das großes Synergie- und Einsparpotenzial für unsere Verwaltung mitsamt entspre- chender Entwicklungsanreize für die Wirtschaft spielen also auch, aber keineswegs ausschließlich eine Rolle, wie manche Fehlfokussierung in dieser Diskussion glauben ließe . Doch Sie bekommen leider das Kunststück fertig, die Enquete-Empfehlungen entgegen Ihrer überraschend schonungslosen Problemerfassung auch nur mit einem Wort zu erwähnen – vielleicht weil es dann bei der fol- gerichtigen Problemlösung in eigener Regierungsverant- wortung allzu konkret würde . So warten wir weiterhin auf eine kohärente, entschlos- sen verfolgte Strategie, um die offensichtlichen Potenzia- le von Open- und E-Government endlich zu heben . Nach beinahe vier Jahren schwarz-roten Kompetenzgerangels bräuchte es eine ressortübergreifende Zusammenarbeit mitsamt einer zugstarken Koordinierung durch eine/n Beauftragte/n der Bundesregierung . Mit Beratungsbü- ros könnte der Bund frühzeitig Länder und Kommunen bei der Implementierung entsprechender Angebote un- terstützen. Für alle wesentlichen Verwaltungsverfahren bedarf es der engen Abstimmung im föderalen Gefüge mithilfe des IT-Planungsrats . Statt immer neuer, aber aussichtsloser Leucht- turm-Vorhaben, sollte man vielleicht erst einmal von un- abhängiger Seite beleuchten lassen, warum die eigenen IT-Projekte der vergangenen Jahren so spektakulär schei- terten, und dann fortlaufend die eigenen Reformbemü- hungen in Zweijahresschritten evaluieren . Doch schon jetzt sollte über einige, seit langem eta- blierte Grundsätze Einigkeit bestehen: Ein bisschen Schriftformverzicht wird es kaum richten: Vielmehr brauchen wir umfassend eine Vorrangigkeit digitaler Verfahren und Verwaltungsleistungen, wobei konsequent auf die Barrierefreiheit zu achten ist und zugleich immer auch eine gleichwertige Alternative bestehen muss, zu- mal solange diese Bundesregierung ebenso wenig eine wirkliche Strategie für eine flächendeckende Breitband- versorgung hat wie für die digitale Partizipation margina- lisierter Gesellschaftsgruppen . Ohne das Benutzervertrauen, dass ein Angebot tech- nisch sicher und dabei der Datenschutz gewährleistet ist, werden IT-Projekte wieder so ruhmlos enden wie De- Mail, E-Perso oder ELENA. Hier bedarf es effektiver Methoden wie der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sowie den neuesten Standards bei der Daten- und IT-Sicherheit . Dass die Bundesregierung bei der aktuellen Umsetzung der europäischen NIS-Richtlinie weiterhin die eigene Verwaltung pauschal von den Sicherheitsanforderungen an kritische Infrastrukturen ausnehmen will, dürfte da eher nicht als vertrauensbildende Maßnahme durchge- hen . Nicht zuletzt müssen Best-Practice-Beispiele Schule machen können. So zersplittert die öffentliche IT-Land- schaft auch ist und so viele Probleme auf allen Ebenen zweifelsohne bestehen: Immer wieder gibt es im Kleinen und gerade auch in den Kommunen erfreuliche Vorrei- ter . Der IT-Planungsrat hat in seiner langjährigen Bot- tom-up-Strategie immer wieder eine bessere Koordinie- rung angemahnt . Angesichts der vielen gescheiterten Bundesprojekte verwundert es da nun umso mehr, wie schnell, stark und von oben herab mit einer weiteren Grundgesetzände- rung und dem Onlinezugangsgesetz zentralisiert werden soll . Anstatt endlich mal wenigstens ein IT-Projekt auf Bundesebene zu wuppen, haben Sie nichts Besseres zu tun, als ans Grundgesetz zu gehen . So sinnvoll hier eine stärkere Koordinierung auch ist, solange Sie sich nicht endlich an die ja seit langem bekannten Problemursachen und entsprechenden Lösungsansätze machen, wird es mit dem E-Government unter dieser Großen Koalition nichts mehr werden . Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 225. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 3 Fortentwicklung des Standortauswahlgesetzes TOP 4 Arbeit 4.0 – Arbeitswelt von morgen TOP 5 Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht TOP 34, ZP 1 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 35, ZP 2 Abschließende Beratungen ohne Aussprache ZP 3 Aktuelle Stunde „60 Jahre Römische Verträge“ TOP 32 Unternehmungen aus bürgerschaftlichem Engagement TOP 7 Arbeitslosenversicherung TOP 8 Umsetzung der EU-Geldwäscherichtlinie TOP 9, ZP 4 Europaweiter Atomausstieg TOP 10 Ausbau der Kindertagesbetreuung TOP 11 Prekäre Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft TOP 12 Umsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie TOP 13 Rechte indigener Völker TOP 14 Fluggastdatengesetz ZP 5 Verhandlungen über einen Atomwaffenverbotsvertrag TOP 16 Änderung des Europolgesetzes TOP 17 Änderung des Energie- und des Stromsteuergesetzes TOP 18 Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung TOP 19 Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie TOP 20 Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht TOP 21 Änderung des Weingesetzes TOP 22 Stärkung der Innovationskraft von Unternehmen TOP 23 Netzentgeltmodernisierungsgesetz TOP 24 Gesetz über den Deutschen Wetterdienst TOP 25 Vorschriften über Blut- und Gewebezubereitungen TOP 26 Technikfolgenabschätzung – Synthetische Biologie TOP 27 Digitale Verwaltung Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Sönke Rix


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

    Zunächst einmal will ich an den von uns vereinbarten
    Dreiklang erinnern, der deutlich macht, was wir für die
    Familien erreichen wollen. Wir wollten erstens die fi-
    nanzielle Entlastung – das haben wir in mehreren Schrit-
    ten geschafft, insbesondere für Alleinerziehende –, wir
    wollten zweitens mehr Zeit für Eltern – das haben wir
    geschafft, indem wir das Programm Elterngeld Plus ge-
    schaffen haben, mit dem wir insbesondere die Partner-
    schaftlichkeit fördern –, und wir wollten drittens mehr
    Infrastruktur für eine bessere Vereinbarkeit von Familie
    und Beruf . Mittlerweile legen wir mit einem neuen Pro-
    gramm mehrere Milliarden Euro auf den Tisch, damit
    Länder und Kommunen ihrer Aufgabe, die wir ihnen
    aufgegeben haben, nachkommen können . Wir haben ver-
    sprochen, entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen,
    und wir halten uns an das, was wir versprochen haben .


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Die Kita ist nicht nur für die Vereinbarkeit von Fa-
    milie und Beruf wichtig – Kollege Weinberg hat darauf
    hingewiesen –, sondern sie ist auch deshalb wichtig, weil
    sie ein Ort der frühkindlichen Bildung ist und kein Auf-
    bewahrungsort . Über die Jahre haben sich die Kitas her-
    vorragend entwickelt . Den Erzieherinnen und Erziehern,
    die diese Entwicklung so positiv begleitet haben, gebührt
    unser aller Dank . Sie sind diejenigen, die vor Ort die Ar-
    beit leisten, die wir ihnen mit auf den Weg geben .

    Auch der qualitative Ausbau der Kindertagesbetreu-
    ung gehört dazu . Wir haben im Rahmen des Investitions-
    programms vereinbart, Geld speziell für Bewegungsför-
    derung und für Gesundheitsvorsorge zur Verfügung zu
    stellen . Wir stellen also auch Mittel für die Steigerung
    der Qualität bereit .


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    Ich komme auf das Thema Qualitätsgesetz zu spre-
    chen. Ich bin schon etwas erstaunt, dass meine Vorredne-
    rin die Bundesministerin dafür kritisiert hat, dass es kein
    Qualitätsgesetz auf Bundesebene gibt, und gefragt hat,
    was Frau Schwesig da bitte gemacht habe . Dabei gibt es
    mehr als eine Arbeitsgruppe: Es gibt eine Vereinbarung
    zwischen allen zuständigen Landesministerinnen und
    Landesministern und der Bundesregierung . Ein Land ist
    allerdings nicht dabei . Das ist ein von Schwarz-Grün re-
    giertes Land, nämlich Hessen .


    (Petra Crone [SPD]: Ehrlich? Hört! Hört!)


    Mit dem Finger nur auf die Ministerin zu zeigen, aber
    nicht auf die eigenen Kollegen im Land, so geht das
    nicht, Frau Brantner .


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg . Dr . Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


    Dr. Franziska Brantner






    (A) (C)



    (B) (D)


    Lieber Herr Kollege Weinberg und liebe Kollegin
    Brantner, im Rahmen der Anhörung haben wir auch da-
    rüber diskutiert, wie sinnvoll es wäre, den Kitabesuch
    beitragsfrei zu stellen und dadurch die Eltern zu entlas-
    ten . Sie stellen das immer als Gegensatz dar und spielen
    das in der Diskussion gegeneinander aus .


    (Harald Weinberg [DIE LINKE]: Geld ist endlich!)


    – Hören Sie ruhig zu . – Sie sagen immer: Wir wollen
    erst einmal Mittel in den Ausbau, dann in die Qualität
    und dann eventuell auch in die Beitragsfreiheit stecken .
    Natürlich kann man das gegeneinander ausspielen . Wir
    spielen das auch gegeneinander aus, aber anders: Wir
    spielen das zum Beispiel gegen Ausgaben aus, die Ih-
    rer Programmatik entsprechen, zum Beispiel gegen die
    Steuerentlastung, die Sie versprechen . Wieso wollen Sie
    eigentlich mit der Gießkanne übers Feld ziehen und Steu-
    erentlastungen verteilen, anstatt vor allen Dingen Fami-
    lien zu entlasten? Beitragsfreiheit ist eine Entlastung von
    Familien, liebe Kolleginnen und Kollegen . Das kann
    man auch gerne einmal gegeneinander ausspielen .


    (Beifall bei der SPD – Dr . Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie haben ja nur so geringe Beträge! Sie kriegen ja noch nicht einmal die Qualität finanziert!)


    Das wäre eine Entlastung. Vielleicht betrachten Sie das
    einmal vor diesem Hintergrund und handeln dann ent-
    sprechend .

    Es gibt einen weiteren Posten, gegen den man das
    ausspielen könnte . Ich weiß gar nicht mehr, wie groß die
    Summe war, die Ihr Staatssekretär im Finanzministerium
    genannt hat, als es um zusätzliche Mittel für die Bundes-
    wehr ging. Von solchen Summen können wir bei unse-
    rem Haushalt nur träumen . Wenn man andere Prioritäten
    setzen würde, könnte man sagen: Nein, wir brauchen das
    Geld zusätzlich zur Entlastung von Familien .


    (Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Es wäre schön, wenn ihr im Parlament mal Nein sagen würdet!)


    Man sollte lieber mehr Geld konkret für die Entlastung
    von Familien ausgeben, als es mit der Gießkanne zu ver-
    teilen . – Sie haben danach gefragt, Herr Weinberg . Ich
    wollte Ihnen nur die Antwort geben .


    (Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Ihr regiert zusammen! Dann müsst ihr das mal klären!)


    – Ja, das liegt aber auch an anderen, warum wir noch
    zusammen regieren .


    (Heiterkeit bei der SPD)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir bringen ein gu-
    tes Programm auf den Weg . Das, was wir hier machen,
    ist wirklich ein Erfolgsprogramm – und das nach den
    zahlreichen Entlastungen, die wir den Kommunen ins-
    gesamt schon gewährt haben. Ich erinnere an die Verab-
    redungen im Zusammenhang mit dem Bund-Länder-Fi-
    nanzausgleich, aber auch an die mehreren Milliarden, die
    wir insgesamt in dieser Wahlperiode zur Entlastung der

    Kommunen bereitgestellt haben . Das ist jetzt das vierte
    Investitionsprogramm . Wir leisten unseren Beitrag zum
    Kitaausbau . Darauf können wir stolz sein .

    Danke schön .


    (Beifall bei der SPD)




Rede von Petra Pau
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)

Für die CDU/CSU-Fraktion hat die Kollegin Ingrid

Pahlmann das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Stell das mal richtig!)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ingrid Pahlmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

    Liebe Kollegen! Ich denke, trotz aller Diskussionen ist
    heute ein richtig guter Tag . Wir beraten in erster Lesung
    den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum weite-
    ren quantitativen und qualitativen Ausbau der Kinder-
    tagesbetreuung. Ich finde, dieser Gesetzentwurf sollte
    spätestens am Ende der Beratungen auf eine ganz breite
    Zustimmung bei allen stoßen .

    Seit der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen
    Betreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren durch die
    damalige Familienministerin Ursula von der Leyen hat
    sich die Betreuungsquote in diesem Bereich fast ver-
    doppelt: rund 720 000 betreute Kinder im U-3-Bereich .
    Diese Leistung nicht nur des Bundes, sondern auch eini-
    ger Länder und vor allem der Kommunen vor Ort muss
    man einmal anerkennen . Mit der Zurverfügungstellung
    von zusätzlich 1,126 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020
    wollen wir, wie bereits mehrfach gesagt, 100 000 neue
    Betreuungsplätze schaffen.


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Ich möchte deutlich machen, dass wir zum ersten Mal
    auch die Förderung neuer Plätze für über dreijährige Kin-
    der ermöglichen . Trotz der bereits seit langem hohen Be-
    treuungsquote bei über Dreijährigen stellen wir auch in
    diesem Bereich einen wachsenden Bedarf fest . Das freut
    uns, und dem wollen wir Rechnung tragen . Das unter-
    streicht: Der Bund steht weiterhin zu seiner Verantwor-
    tung . Er steht an der Seite der Familien und an der Seite
    der Alleinerziehenden .


    (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


    Aber der Bund ist nicht alleine verantwortlich . Es ist
    weiterhin eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund,
    Ländern und Kommunen notwendig . Aus dem Rat mei-
    ner Heimatstadt Gifhorn weiß ich, wie sehr sich Kommu-
    nen oftmals strecken müssen . Sie sind es, die vor Ort den
    Spagat zwischen den berechtigten Forderungen der El-
    tern nach einem ausreichenden und qualitativ guten Be-
    treuungsangebot für die Kinder auf der einen Seite und
    den Bedürfnissen einer zukunftsfähigen Haushaltsfüh-
    rung auf der anderen Seite schaffen müssen. Sie spüren
    den steigenden Bedarf am allerdeutlichsten und sind dem
    daraus resultierenden Druck am stärksten ausgesetzt .

    Sönke Rix






    (A) (C)



    (B) (D)


    Wir als Bund machen uns dafür stark, diesen Druck zu
    lindern . Als Große Koalition haben wir die Kommunen
    in den letzten Jahren in Milliardenhöhe entlastet . Wir als
    Union haben unsere Politik für starke Kommunen fortge-
    setzt; sie liegen uns ganz besonders am Herzen . Man darf
    ebenso nicht vergessen: Auch die Bundesländer haben in
    unserer Regierungszeit ungemein davon profitiert.


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Da verwundert es umso mehr, was ich nun aus mei-
    nem Heimatland Niedersachsen hören muss . Angeblich
    möchte die rot-grüne Landesregierung die Förderhöhe
    beim Ausbau der Kinderbetreuung senken . So sollen
    Krippenplätze statt mit 12 000 nun nur noch mit ma-
    ximal 9 500 Euro und Plätze in der Kindertagespflege
    mit nur noch 2 500 Euro statt der bisherigen maximal
    4 000 Euro gefördert werden . Diese Befürchtung hat der
    Niedersächsische Städte- und Gemeindebund in einem
    Schreiben Anfang März formuliert, und ich muss sagen:
    Die Landesregierung hat diese Sorge bisher leider noch
    nicht zerstreuen können . Ich sage Ihnen: Das sorgt für
    Unverständnis und vor allem für Unruhe in den Kom-
    munen . Und bei mir persönlich stärkt es doch einmal
    mehr die Sorge, dass erneut mit Bundesgeldern nicht so
    umgegangen wird, wie wir uns das wünschen . Deshalb
    habe ich auch Bedenken, zwei der drei Forderungen in
    der Stellungnahme des Bundesrates zu folgen .

    So wird erstens vonseiten der Bundesländer gefordert,
    Steigerungen in der Qualität losgelöst von der Schaffung
    zusätzlicher Betreuungsplätze über dieses Investitions-
    programm zu fördern . Aber dies widerspricht schlichtweg
    dem primären Ziel dieses Gesetzes . Es geht hier zunächst
    einmal um die Schaffung zusätzlicher Betreuungsplätze.
    Sie haben es angemahnt . Wir brauchen zusätzliche Plät-
    ze . Trotzdem wollen wir, wie es ja im Titel des Geset-
    zes zu lesen ist, qualitätssteigernden Maßnahmen nicht
    im Wege stehen und sie auch fördern, besonders dann,
    wenn die Alternative der Wegfall der Betreuungsplätze
    sein würde .

    Die Anforderungen und Auflagen an die Einrichtun-
    gen sind gestiegen, und zwar beispielsweise bei der Es-
    sensversorgung, nicht nur bei der Bewegung . Wenn in
    diesem Zusammenhang Küchen in den Einrichtungen
    den neuen Bedingungen angepasst werden müssen, so
    soll das durchaus möglich sein .


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Darüber hinaus haben wir auch schon eine Vielzahl
    von Förderprogrammen auf den Weg gebracht, die ge-
    zielt die Qualität in den Kinderbetreuungseinrichtungen
    fördern . Ich möchte hier nur kurz das KitaPlus-Programm
    für erweiterte Öffnungszeiten, das neue Programm zum
    Kitaeinstieg und die Sprachkitas, für die allein insgesamt
    rund 1 Milliarde Euro zur Verfügung gestellt wurden,
    nennen .

    Grundsätzlich aber sollten wir die bestehende Qua-
    lität in unseren Kindertageseinrichtungen auch nicht
    schlechter darstellen, als sie ist . Wir wissen, dass das
    Fachkräfteniveau und der Betreuungsschlüssel in den
    Einrichtungen trotz des massiven Ausbaus des Angebo-
    tes mindestens auf dem gleichen Niveau geblieben sind .

    Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich finde die Aus-
    weitung der Qualität in der Kinderbetreuung sehr gut,
    wichtig und richtig . Wir sollten aber hier und heute nicht
    den zweiten vor dem ersten Schritt machen, sondern uns
    vielmehr bei gleichbleibend gutem Qualitätsniveau zu-
    nächst einmal auf die Deckung des Bedarfs fokussieren,
    der eindeutig und unbestritten vorhanden ist .

    Ähnliches gilt in meinen Augen übrigens auch für die
    Beitragsfreiheit von Kinderbetreuung . Da bin ich bei
    meinen Kollegen Weinberg und Brantner . Auch ich stehe
    einer pauschalen Abschaffung der Elternbeiträge kritisch
    gegenüber, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt, da wir uns
    immer noch darum bemühen, für eine weiter steigende
    Nachfrage ausreichend Betreuungsplätze zur Verfügung
    zu stellen, und erst am Anfang des weiten Weges zu bei-
    spielsweise flexibleren Öffnungszeiten, mehr Fachkräf-
    ten und kleineren Gruppen in unseren Betreuungsein-
    richtungen stehen .

    Ich halte derzeit Elternbeiträge für eine wichtige Säule
    der Finanzierung des Angebots, solange sie nicht Einzel-
    ne vom Angebot ausschließen . Und um das zu verhin-
    dern, Herr Rix, halte ich eine gut durchdachte Sozialstaf-
    felung der Beiträge für zielführend und, wie der Name
    sagt, im Übrigen auch für deutlich sozial gerechter als
    eine pauschale Beitragsbefreiung .


    (Beifall bei der CDU/CSU – Sönke Rix [SPD]: Im ersten Schritt eine bundesweite wäre schon gut!)


    Wenn es dann aber schon jetzt kostenfreie Kitas geben
    soll, dann bitte nicht zulasten der Qualität, und das ge-
    schieht leider viel zu oft . Wenn es auf dem Rücken
    der Kommunen ausgetragen wird, trifft es immer die
    Schwächsten .

    Aber kurz zurück zu den Forderungen des Bundesra-
    tes . Zweitens wünschen sich die Bundesländer, dass eine
    Bagatellgrenze eingezogen wird . So soll bei einer För-
    derung bis 1 000 Euro diese vom Bund in voller Höhe
    getragen werden . Ich bin nun keine Juristin und möchte
    daher die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit dieser
    Forderung den Experten überlassen. Ich empfinde aber
    eine mögliche Kostenteilung bei Einzelmaßnahmen von
    90 Prozent für den Bund und 10 Prozent für alle anderen
    Beteiligten als äußerst fair . Wenn es gelingen kann, mit
    einem so geringen Beitrag von unter 1 000 Euro einen
    Platz zu erhalten, sollte es doch nicht an den 1 000 Euro
    Unterstützung durch das Bundesland scheitern .

    Über eine Verlängerung der Fristen, wie auch von den
    Bundesländern gefordert, sollten wir alle im Sinne der
    Kommunen noch einmal intensiv beraten . Wir wissen um
    die Herausforderungen, vor denen die kommunalen Ver-
    waltungen zurzeit stehen .

    Es ist erst drei Bundesländern gelungen, aus dem lau-
    fenden Programm Mittel in voller Höhe zu bewilligen,
    darunter Niedersachsen; jetzt lobe ich einmal mein Hei-
    matland .


    (Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: 47 Prozent in Bayern!)


    Ingrid Pahlmann






    (A) (C)



    (B) (D)


    Lieber Paul Lehrieder – ich hoffe, du wirst die Nachricht
    überstehen –, diesmal war es nicht der Freistaat ganz im
    Süden unseres Landes .


    (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Ja, ja!)


    Insgesamt liegt uns hier meines Erachtens ein bereits
    sehr, sehr guter Gesetzentwurf vor . Ich bin auf die An-
    hörung in der kommenden Woche und auf die weiteren
    Beratungen gespannt. Ich hoffe, dass wir uns im Sinne
    unserer Familien, unserer Kinder einigen werden und
    dieses gute Gesetz auf den Weg bringen .

    Ich danke Ihnen .


    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)