Rede von
Elisabeth
Winkelmeier-Becker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Liebe Zuhörer auf den Rängen und zu Hause!
Am 22 . Januar dieses Jahres postete die Berliner Polizei
auf Facebook folgenden Beitrag:
+++ In unseren Fahrzeugen befinden sich Men-
schen +++
Unbekannte haben vergangene Nacht mehrfach
Steine auf Polizeiautos geworfen . Das stellt einen
Angriff dar, zu dem wir den Tätern aber auch der
Öffentlichkeit etwas zu sagen haben . . .
Unsere Kolleginnen und Kollegen sind auf der Stra-
ße für jeden von Ihnen rund um die Uhr da . . . . sie
(C)
(D)
Meine lieben Zuhörer, das richtige Maß an Sicherheit
auf der einen Seite und Freiheit auf der anderen Seite
muss immer wieder neu austariert werden . Das ist wich-
tig, denn sonst geht das eine neben dem anderen unter .
Für unsere Demokratie, aber auch für unsere ganz per-
sönliche Lebensqualität muss beides gegeben sein . Si-
cherheit darf die Freiheit nicht ersticken, aber muss sie
schützen: die Freiheit, abends noch in den Park zu gehen,
die Freiheit, sein Zuhause für längere Zeit verlassen zu
können, ohne damit rechnen zu müssen, dass es einen
Einbruch gibt .
Bei alldem kann es nicht darum gehen, dass die po-
tenziellen Opfer ihr Verhalten ändern müssen, sondern es
muss klar sein, dass es weiterhin darum geht, dass die
Täter gestoppt werden müssen .
Es ist Sache des Staates, mit seinem Gewaltmonopol
genau dafür zu sorgen . In diesem Kontext sind eben die
Polizisten und Rettungskräfte diejenigen, die sich für
uns einsetzen, die sich für den Schutz unserer Freiheit,
unserer körperlichen Unversehrtheit, der Meinungsfrei-
heit, des Eigentums, die sich für Demokratie und damit
letztendlich für unseren Staat und unsere Gesellschaft in
Notlagen und Gefahr einsetzen .
Sie können sich nicht aussuchen, in welche Situation
sie kommen . Sie müssen mutig sein . Ihr Tun und Han-
deln sind keine Selbstverständlichkeit . Sie halten den
Kopf in gefährlichen Situationen hin, etwa dann, wenn
Clans, die unbedingt zusammenhalten, sich gegen Poli-
zisten im Einsatz zusammenrotten, oder wenn sie gegen
Einbrecherbanden vorgehen und nicht wissen, welche
Gefahr auf der anderen Seite auf sie wartet . Das müs-
sen wir respektieren . Das verdient Anerkennung, und das
verdient auch den nötigen Schutz .
In der Realität ist es anders – wir haben die Zahlen
schon gehört –: Die Angriffe richten sich nicht nur per-
sönlich gegen Polizisten, sondern diese werden auch als
Vertreter des Staates angegriffen .
Polizeibeamte und Rettungskräfte sind keine besseren
Menschen, im Gegenteil . Der Post der Berliner Polizei
geht genau damit weiter, dass betont wird: Es geht um
ganz normale Menschen mit ihren Familien, die sich zu
Hause Sorgen machen . Es geht um Menschen, die ihren
Angehörigen wieder erklären müssen, dass sie wegen ei-
nes Einsatzes nicht rechtzeitig zum Abendbrot zu Hause
sind und dass sie wieder einmal nicht mit auf die Ge-
burtstagsfeier im Freundeskreis gehen können . Dieser
persönliche Einsatz macht sie besonders schutzwürdig .
Dass sie aber auch für den Staat eintreten, dass sie auch
in gefährlichen Situationen ihren Kopf hinhalten, macht
sie auch besonders schutzbedürftig .
Ein weiterer Aspekt ist, dass es aus dem Blickwinkel
des Täters nicht damit getan ist, dass er bei einem Angriff
auf einen Polizisten eine Privatperson attackiert, sondern
der Täter bringt damit auch eine besondere Respektlosig-
keit gegenüber dem Staat zum Ausdruck .
Das alles zusammengenommen ist der Grund dafür,
dass wir hier eine besondere Norm brauchen, die die-
ses besondere Tatunrecht zum Ausdruck bringt, das sich
dann auch in der strafrechtlichen Bewertung im Einzel-
fall niederschlagen muss .
Meine Damen und Herren, wie folgenschwer und
belastend solche Übergriffe sind und dass das auch das
Funktionieren der Dienststellen vor Ort wirklich beein-
trächtigt, kann sich jeder anhören, der sich zu Hause im
Wahlkreis auch einmal mit Rettungskräften und Polizis-
ten unterhält . Es gibt aber auch eine Studie aus dem Jah-
re 2011 aus Nordrhein-Westfalen dazu . In dieser haben
43 Prozent der befragten Polizeivollzugsbeamten ange-
geben, in diesem einen Jahr – 2011 – mindestens einmal
einen tätlichen Übergriff erlebt zu haben . 2,1 Prozent der
Befragten gaben an, davon eine dauerhafte körperliche
Beeinträchtigung davongetragen zu haben . „2,1 Prozent“
hört sich wenig an, aber das bezieht sich auf ein Jahr .
Rechnen Sie das einmal auf die durchschnittliche Dienst-
zeit eines Polizistenlebens hoch .
Die Studie zeigt auch, was mit den Betroffenen dann
passiert . Eine Polizistin wird zitiert:
Ich glaube, dass unterschätzt wird, was ständige
anrichten können (z . B . ein Abstumpfen des Um-
gangs mit den Bürgern, Resignation, was Bemühun-
gen im Dienst angeht, und deutliche Verkürzung der
eigenen Geduld) .
Das zeigt auch auf, was auf dem Spiel steht; denn wir
wollen doch, dass sich unsere Polizisten motiviert, mutig,
unvoreingenommen in die Situationen hineinbegeben, in
die sie gerufen werden, dass sie mit Fingerspitzengefühl
und Verständnis agieren . Auch deshalb müssen wir etwas
tun, um die zunehmende Gewalt gegen Polizisten und
Rettungskräfte einzudämmen .
Wir sind der Auffassung, dass wir hier auch das Mit-
tel des Strafrechts heranziehen müssen . Das ist eine lang
gehegte, seit Beginn dieser Legislaturperiode seitens der
Union eingebrachte Forderung . Es ist auf unser Betrei-
ben in den Koalitionsvertrag hineingekommen .
Wir haben mit dem Koalitionspartner lange darüber ver-
handelt . Wir waren uns von Anfang an einig, dass es eine
bessere Ausstattung, dass es mehr Personal geben muss .
Aber wir waren von Anfang an uneinig darüber, ob wir
auch das Strafrecht anpassen .
Elisabeth Winkelmeier-Becker
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 219 . Sitzung . Berlin, Freitag den 17 . Februar 201721948
(C)
(D)
Darüber haben wir lange streitig verhandelt . Es war
durchgängig unsere Ansicht, dass wir auch an den § 113
StGB heranwollen, während das vom Koalitionspartner
nicht zugestanden wurde . Das lässt sich heute durchaus
noch nachlesen, zum Beispiel auf der Homepage vom
vorwärts, vorwaerts .de, oder auch – ganz zutreffend dar-
gestellt – in der FAZ vom letzten Sonntag . Jeder, der das
anders in Erinnerung hat, kann sich da noch einmal ver-
gewissern, ob seine Erinnerung stimmig ist .
Was ist nun neu an dem Paragrafen, den wir ändern
wollen? Wir wollen, wie gesagt, auch die allgemeinen
Diensthandlungen in den besonderen Schutz des § 113
hineinnehmen . Wir werden auch das Strafmaß erhöhen .
Es soll bei tätlichen Angriffen bei mindestens drei Mona-
ten Haftstrafe – im besonders schweren Fall wie bisher
bei sechs Monaten – beginnen und bis hin zu fünf Jahren
reichen . Dabei ist mir vor allem der untere Strafrahmen
noch einmal wichtig . Es wird zu Recht gesagt, dass der
Strafrahmen meist noch Luft nach oben lässt . Aber die
Erfahrung ist eben, dass dieser Strafrahmen nicht ausge-
reizt wird . Deshalb müssen wir als Gesetzgeber diesen
Strafrahmen neu justieren, damit in diesen Fällen auch
gleich zur Haftstrafe gegriffen werden kann und das
nicht im Ungefähren bleibt bzw . mit einer kleinen Geld-
strafe abgetan wird . Genau das ist das Ziel dieses Gesetz-
gebungsverfahrens .
Aber wir wollen natürlich nicht das eine tun, um das
andere zu lassen, sondern müssen es im Gesamtpaket
sehen . Wir stehen ja am Anfang der parlamentarischen
Beratungen und müssen uns noch verschiedene Dinge
überlegen, die teilweise auch schon angesprochen wur-
den . Wir müssen uns den Kreis der besonders geschütz-
ten Personen noch einmal ansehen . Von unserer Seite war
auch hier immer der Vorschlag, möglicherweise in § 46
StGB zum Ausdruck zu bringen, dass auch andere, die
für den Staat stehen – Angestellte in den Jobcentern zum
Beispiel, medizinische Helfer in den Ambulanzen und
dergleichen mehr –, besonders geschützt werden sollten .
Kontrolleure in S-Bahnen wären auch eine Gruppe, die
wir in den Blick nehmen müssen . Es gibt dazu, darf ich
sagen, einen Vorschlag des Landes Nordrhein-Westfalen,
im Dezember im Bundesrat eingegangen . Ich schaue ein-
mal, ob das Wirkung auf den Koalitionspartner und den
Justizminister hat .
Vielleicht können wir an dieser Stelle noch etwas nach-
bessern .
Zur nötigen Ausstattung ist schon etwas gesagt wor-
den . Ich möchte noch einmal an uns alle appellieren, dass
wir neben all den Forderungen – Ausstattung, Strafrecht
und dergleichen – vor allem gut über die Polizei reden
und auch in unseren Reden den Respekt und die Aner-
kennung gegenüber den Rettungskräften und Polizisten
zum Ausdruck bringen . Frau Peters Aussagen wurden
schon als Gegenbeispiel genannt . Ich nenne als positives
Beispiel den Antrag der CDU-Fraktion im Düsseldorfer
Landtag, der ausdrücklich den Dank an die Polizisten,
die in der letzten Silvesternacht im Einsatz waren, zum
Ausdruck bringt . Diesem Dank schließe ich mich aus-
drücklich an .
Danke für die Aufmerksamkeit .