Rede von
Ralph
Lenkert
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DIE LINKE.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen
und Kollegen! Mit diesem Beweihräucherungsantrag
versetzt uns die Koalition in weihnachtliche Stimmung .
Am Weihnachtsbaum Forschung und Innovation strah-
len helle Lichter. Das Programm „Horizon 2020“ stellt
80 Milliarden Euro für Forschung und Innovation bereit;
das begrüßen wir . Dass die Bundesregierung Forschungs-
förderung für Atomreaktoren ablehnt, das begrüßen wir .
Dass die Koalition mehr Chancengleichheit in Wissen-
schaft und Forschung und einen höheren Frauenanteil in
wissenschaftlichen Führungsgremien fordert, das unter-
stützt die Linke .
Dass kleinere und mittlere Unternehmen mehr Berück-
sichtigung in der europäischen Forschungspolitik finden
sollen, das unterstützt die Linke .
Dass im Bundeshaushalt die Forschungsmittel erhöht
wurden, auch das unterstützt die Linke .
Aber im Baumschatten versteckt liegen falsche Gaben:
die Schließung des Instituts für Gemüse- und Zierpflan-
zenbau in Erfurt . Die Beschäftigten bangen um ihren Job,
der Gartenbau verliert seine angewandte Forschung .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen Sie Ihren An-
trag zum Gartenbau ernst, und retten Sie zusammen mit
dem rot-rot-grün regierten Thüringen das IGZ in Erfurt .
Das wäre ein echtes Geschenk .
Die Zentralbibliothek Medizin in Köln wird abgewi-
ckelt .
Wie es mit den Datenbanken und Beständen nach 2019
weitergeht, ist ungeklärt . Sie können dies in den Kleinen
Anfragen nachlesen, die ich an die Bundesregierung ge-
stellt habe .
Medizinischer und pharmazeutischer Nachwuchs, die
Forscherinnen und Forscher sowie die Firmen bangen
um diese Datenbasis . Liebe Kolleginnen und Kollegen,
zwingen wir die Regierung per Beschluss, den Fortbe-
stand dieser weltweit größten Datenbanken zu Lebens-
wissenschaften zu erhalten und Pflege und Ausbau der
Bestände der ZB MED zu sichern . Das wäre ein echtes
Weihnachtsgeschenk .
Dann liegt da noch das Geschenk, dessen Annahme
die Rektoren und Rektorinnen der deutschen Universi-
täten und Hochschulen verweigerten . Liebe Kolleginnen
und Kollegen, was den Hochschulen von der Verwer-
tungsgesellschaft Wort, VG Wort, aufgezwungen werden
soll, ist dreist .
Parl. Staatssekretär Thomas Rachel
Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 210 . Sitzung . Berlin, Freitag, den 16 . Dezember 2016 21097
(C)
(D)
Zuerst forschen Wissenschaftlerinnen und Wissen-
schaftler mithilfe von öffentlichen Geldern, aber die For-
schungsresultate sind privat . Dann werden die Resultate
ihrer Forschung mit öffentlichen Mitteln publiziert. Aber
am Vertrieb, den Publikationen, verdient der Verlag .
Bibliotheken kaufen mit öffentlichen Mitteln die Pu-
blikationen, um sie für Studierende und Wissenschaftle-
rinnen und Wissenschaftler nutzbar zu machen . Dreimal
muss die Gesellschaft bezahlen, um das Ergebnis der
Forschung nutzen zu können .
Verwenden Professoren oder Lehrkräfte Ausschnitte
aus Büchern und kurzen Veröffentlichungen, dann zahlen
sie nochmals – an die VG Wort, die GEMA des Geschrie-
benen . Ab 2017 wird dann noch eins draufgesetzt . Statt
bisheriger Pauschalabrechnung sollen die Hochschulen
eine Einzelabrechnung vornehmen . Für jeden Artikel, für
jeden Ausschnitt, für jede einzelne Seite sollen je Unter-
richtskurs und Teilnehmenden 0,8 Cent bezahlt werden .
Ein Beispiel: Ein Germanistik-Professor verwen-
det in seiner Vorlesung 61 vergütungspflichtige Seiten.
723 Studierende sitzen im Hörsaal, und die Vorlesung
wird im Internet von x weiteren Studierenden verfolgt .
Hoffentlich hat sich der Professor nicht verzählt, und hof-
fentlich sind alle registriert, die via Internet zuhören . Die
Hochschule zahlt also für diese Vorlesung 352,82 Euro
plus x mal 61 mal 0,8 Cent fürs Internet an die VG Wort .
Der Professor verwies in den Übungen auf 70 vergü-
tungspflichtige Seiten. Damit zahlt jeder Studierende für
die Übung nochmals 56 Cent an die VG Wort .
Kein Problem, das geht alles online . Jede Seite wird je
Studierenden, je Nutzung, je Vorlesung einzeln abge-
rechnet . Was für ein Bürokratiemonster!
Das kostet die Hochschulen und Studierenden extra Geld
und vor allem eines: Unmengen an Zeit .
Die Hochschulrektorenkonferenz bewertete den Feld-
versuch zu diesem Einzelabrechnungssystem an der Uni-
versität Osnabrück vernichtend . Die Hochschulen haben
die Einzelabrechnung abgelehnt . Zurzeit wird gestritten,
wie es ab Januar 2017 weitergeht . Ohne Lösung dürfen
Professorinnen und Professoren nur noch auf Artikel ver-
weisen; Studierende kopieren oder drucken diese dann
in der Bibliothek aus . Das wäre noch zulässig, aber teuer
und umweltschädlich . Die Linke fordert, dass alle mit
Steuergeldern gewonnenen Forschungsergebnisse unent-
geltlich für öffentliche Forschung, für Ausbildung und
Lehre genutzt werden können .
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Forderung
werden Sie wohl leider nicht folgen . Ich bitte Sie jedoch:
Beschließen Sie die Pauschalabrechnung für die VG
Wort . Der Bundestag ist der Gesetzgeber . Wir dürfen das
Urheberrecht verändern .
Ich hoffe auf bessere Weihnachten 2017, dann mit
echten Anträgen statt mit Selbstbeweihräucherung .
Vielen Dank .