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    Plenarprotokoll 18/209 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 209. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2016 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abgeord- neten Charles M. Huber . . . . . . . . . . . . . . . . 20815 A Begrüßung des neuen Abgeordneten Dr. Mathias Edwin Höschel . . . . . . . . . . . . . 20815 B Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20815 B Absetzung der Tagesordnungspunkte 15, 33 g, 34 a und 34 b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20817 A Tagesordnungspunkt 3: – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechni- schen Entsorgung Drucksache 18/10469 . . . . . . . . . . . . . . . . 20817 B – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Ver- antwortung in der kerntechnischen Ent- sorgung Drucksachen 18/10353, 18/10482, 18/10671 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20817 C – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/10672 . . . . . . . . . . . . . . . . 20817 C Dr . Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 20817 C Hubertus Zdebel (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 20819 C Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . 20820 D Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20822 A Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi . . . . . 20823 D Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 20825 C Dr . Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 20826 A Ute Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20827 C Steffen Kanitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20828 C Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 20830 B Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20832 C Tagesordnungspunkt 4: Antrag der Abgeordneten Norbert Müller (Potsdam), Sabine Zimmermann (Zwickau), Sigrid Hupach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kinder und Familien von Armut befreien – Aktionsplan gegen Kinderarmut Drucksache 18/10628 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20830 D Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20831 A Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . . 20835 A Dr . Rosemarie Hein (DIE LINKE) . . . . . . . . . 20837 B Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . . 20837 C Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20838 A Dr . Fritz Felgentreu (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 20839 A Eckhard Pols (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 20840 C Norbert Müller (Potsdam) (DIE LINKE) . . . . 20842 A Gülistan Yüksel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20843 C Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . 20844 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016II Dr . Silke Launert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 20845 D Ulrike Bahr (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20847 B Martin Patzelt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 20848 B Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20850 A Tagesordnungspunkt 5: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der von den Vereinten Nationen geführten Friedensmission in Südsudan (UNMISS) auf Grundlage der Resolution 1996 (2011) des Sicherheits- rates der Vereinten Nationen vom 8. Juli 2011 und Folgeresolutionen, zuletzt 2304 (2016) vom 12. August 2016 Drucksachen 18/10188, 18/10547 . . . . . . . 20851 B – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/10548 . . . . . . . . . . . . . . . . 20851 B Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 20851 C Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . 20852 D Christoph Strässer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 20853 C Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . 20853 D Elisabeth Motschmann (CDU/CSU) . . . . . . . . 20854 A Dr . Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20854 D Dr . Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 20855 D Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 20856 D Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20858 D Tagesordnungspunkt 6: – Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem An- trag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der AU/UN-Hybrid-Ope- ration in Darfur (UNAMID) auf Grund- lage der Resolution 1769 (2007) des Si- cherheitsrates der Vereinten Nationen vom 31. Juli 2007 und folgender Resolu- tionen, zuletzt 2296 (2016) vom 29. Juni 2016 Drucksachen 18/10189, 18/10549 . . . . . . . 20857 A – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/10550 . . . . . . . . . . . . . . . . 20857 A Jürgen Coße (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20857 A Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . 20861 B Volker Mosblech (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 20862 B Dr . Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20863 B Dr . Bernd Fabritius (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 20864 A Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 20864 D Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20869 A Tagesordnungspunkt 33: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr . Gesine Lötzsch, Caren Lay, Herbert Behrens, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Ent- wurfs eines ... Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung Drucksache 18/9125 . . . . . . . . . . . . . . . . . 20865 A b) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Drit- ten Gesetzes zur Änderung der Bun- des-Tierärzteordnung Drucksache 18/10606 . . . . . . . . . . . . . . . . 20865 B c) Erste Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zur Neuordnung der Aufbewahrung von Notariatsunterlagen und zur Ein- richtung des Elektronischen Urkunden- archivs bei der Bundesnotarkammer Drucksache 18/10607 . . . . . . . . . . . . . . . . 20865 B d) Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting- Uhl, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Brenn- stofflieferungen für belgische Atom- kraftwerke stoppen Drucksache 18/9676 . . . . . . . . . . . . . . . . . 20865 C e) Antrag der Abgeordneten Kerstin Kassner, Susanna Karawanskij, Caren Lay, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kommunen stärken – Kommu- nalisierung und Rekommunalisierung unterstützen Drucksache 18/10282 . . . . . . . . . . . . . . . . 20865 C f) Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Regionale Wirtschaftspolitik – Ein integriertes Fördersystem für struktur- schwache Regionen in ganz Deutschland schaffen Drucksache 18/10636 . . . . . . . . . . . . . . . . 20865 C Tagesordnungspunkt 34: c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 III dem Antrag der Abgeordneten Matthias W . Birkwald, Sabine Zimmermann (Zwickau), Katja Kipping, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE: Abschaffung der Zwangsverrentung von SGB-II-Leistungsberechtigten Drucksachen 18/589, 18/5434 . . . . . . . . . . 20866 B d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Meiwald, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu den Entwürfen der Kom- mission für zwei Rechtsakte zur Festle- gung wissenschaftlicher Kriterien für die Bestimmung endokrinschädigender Eigenschaften im Zusammenhang mit Pflanzenschutzmitteln und Biozidpro- dukten (C(2016) 3751, C(2016) 3752) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Arti- kel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Schutz vor Hormongiften verbes- sern – Die Kriterien für endokri- ne Disruptoren müssen dem Vor- sorgeprinzip entsprechen . . . . . . Drucksachen 18/10382, 18/10659 . . . . . . . 20866 C e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Verord- nung der Bundesregierung: Sechste Ver- ordnung zur Änderung der Elektro- und Elektronikgeräte-Stoff-Verordnung Drucksachen 18/10346, 18/10444 Nr . 2 .2, 18/10662 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20866 D f) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Recht und Verbraucher- schutz: Übersicht 9 – über die dem Deut- schen Bundestag zugeleiteten Streitsa- chen vor dem Bundesverfassungsgericht Drucksache 18/10652 . . . . . . . . . . . . . . . . 20866 D g) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbrau- cherschutz zu den Streitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht 2 BvR 1368/16, 2 BvR 1444/16, 2 BvR 1482/16, 2 BvE 3/16 und 2 BvR 1823/16 Drucksache 18/10653 . . . . . . . . . . . . . . . . 20867 A h)–m) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 388, 389, 390, 391, 392 und 393 zu Petitionen Drucksachen 18/10486, 18/10487, 18/10488, 18/10489, 18/10490, 18/10491 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20867 B Zusatztagesordnungspunkt 2: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit – zu dem Antrag der Abgeordneten Ralph Lenkert, Caren Lay, Jan Korte, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Ökologischen Hochwasser- schutz länderübergreifend sicher- stellen und sozial verankern – zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Meiwald, Dr. Valerie Wilms, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Ökologischen Hochwasser- schutz voranbringen Drucksachen 18/3277, 18/2879, 18/3481 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20867 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem An- trag der Abgeordneten Peter Meiwald, Christian Kühn (Tübingen), Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Feinstaubemissionen aus Baumaschinen reduzieren Drucksachen 18/3554, 18/4399 . . . . . . . . . 20868 A c) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses zu dem Antrag der Ab- geordneten Sylvia Kotting-Uhl, Lisa Paus, Dr . Julia Verlinden, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Atomkosten verursachergerecht anlasten – Kernbrennstoffsteuer beibe- halten und anheben Drucksachen 18/10034, 18/10545 . . . . . . . 20868 B d)–i) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 394, 395, 396, 397, 398 und 399 zu Pe- titionen Drucksachen 18/10644, 18/10645, 18/10646, 18/10647, 18/10648, 18/10649 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20868 B Zusatztagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE: Haltung der Bundesregierung zur deutschen Beteiligung am US-Drohnen- krieg über die Relaisstation Ramstein Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 20872 A Dr . Johann Wadephul (CDU/CSU) . . . . . . . . . 20873 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20874 C Thomas Hitschler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20875 C Michael Vietz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 20877 A Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016IV Alexander Ulrich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 20878 A Doris Barnett (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20879 C Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20880 C Anita Schäfer (Saalstadt) (CDU/CSU) . . . . . . 20881 C Dr . Karl-Heinz Brunner (SPD) . . . . . . . . . . . . 20882 D Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 20883 D Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . . 20885 A Tagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von den Frak- tionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Ände- rung des Conterganstiftungsgesetzes Drucksachen 18/10378, 18/10670 . . . . . . . . . 20885 D Caren Marks, Parl . Staatssekretärin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20886 A Katrin Werner (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 20886 C Maik Beermann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 20887 C Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20889 C Ursula Schulte (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20890 C Paul Lehrieder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20892 A Tagesordnungspunkt 8: a) Antrag der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Tabea Rößner, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Lehren aus den Ermittlungen hinsichtlich Lan- desverrats – Pressefreiheit und Journa- listinnen und Journalisten besser schüt- zen Drucksache 18/10036 . . . . . . . . . . . . . . . . 20894 B b) Antrag der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Katja Keul, Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Lehren aus den Ermittlungen hinsichtlich Lan- desverrats – Stellung des Generalbun- desanwaltes rechtsstaatlich reformieren Drucksache 18/10037 . . . . . . . . . . . . . . . . 20894 B c) Antrag der Abgeordneten Jan Korte, Halina Wawzyniak, Karin Binder, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion DIE LINKE: Journalistinnen und Journalisten sowie Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber vor Strafverfolgung schützen und Unab- hängigkeit der Justiz sicherstellen Drucksache 18/5839 . . . . . . . . . . . . . . . . . 20894 C Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20894 C Dr . Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . . . 20895 D Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . . 20897 D Dr . Patrick Sensburg (CDU/CSU) . . . . . . . 20898 D Dr . Johannes Fechner (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 20900 A Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20900 C Alexander Hoffmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . 20901 C Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20902 C Dr . Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 20903 C Tagesordnungspunkt 9: – Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Betei- ligung bewaffneter deutscher Streitkräf- te am NATO-geführten Einsatz Resolute Support für die Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen na- tionalen Verteidigungs- und Sicherheits- kräfte in Afghanistan Drucksachen 18/10347, 18/10638 (neu) . . . 20904 C – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung Drucksache 18/10657 . . . . . . . . . . . . . . . . 20904 C Niels Annen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20904 C Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 20906 A Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . . 20907 A Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20908 A Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20909 B Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20910 A Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20911 C Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . 20912 D Lars Klingbeil (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20913 B Thorsten Frei (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 20913 C Julia Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 20915 A Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 20915 D Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20917 D Tagesordnungspunkt 10: a) Antrag der Abgeordneten Pia Zimmermann, Harald Weinberg, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gute Arbeit in der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 V Pflege – Personalbemessung in der Al- tenpflege einführen Drucksache 18/9122 . . . . . . . . . . . . . . . . . 20916 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem An- trag der Abgeordneten Pia Zimmermann, Harald Weinberg, Sabine Zimmermann (Zwickau), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gute Arbeit – Gute Versorgung: Mehr Personal in Gesund- heit und Pflege Drucksachen 18/7568, 18/10664 . . . . . . . . 20916 B Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 20916 C Erwin Rüddel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 20920 B Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20921 D Marina Kermer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20922 D Lothar Riebsamen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 20924 A Pia Zimmermann (DIE LINKE) . . . . . . . . . 20924 C Mechthild Rawert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20925 D Erich Irlstorfer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20927 A Tagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung Drucksachen 18/9958, 18/10655 . . . . . . . . . . 20928 B Uwe Feiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20928 C Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 20930 A Ingrid Arndt-Brauer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 20931 A Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20932 B Dr . h . c . Hans Michelbach (CDU/CSU) . . . . . 20933 B Dr . Jens Zimmermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . 20934 C Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 20935 B Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20937 C Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Lisa Paus, Britta Haßelmann, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zu möglichen Gefährdungen des gleichberechtigten Ein- flusses aller Staatsbürgerinnen und Staats- bürger auf die politische Willensbildung und zu weiteren Punkten des Gemeinnüt- zigkeits- und Vereinsrechts Drucksachen 18/8331, 18/9573 . . . . . . . . . . . 20935 D Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 20935 D Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU) . . . 20940 A Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20940 D Ulla Jelpke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 20941 B Frank Junge (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20942 A Dr . Frank Steffel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 20942 D Svenja Stadler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20943 C Tagesordnungspunkt 13: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bun- deshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2016 (Nachtragshaushaltsgesetz 2016) Drucksache 18/10500 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20944 C Jens Spahn, Parl . Staatssekretär BMF . . . . . . . 20944 C Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 20945 C Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20946 C Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20947 C Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 20949 A Dr . Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 20950 B Alois Rainer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 20951 B Tagesordnungspunkt 14: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abge- ordneten Ralph Lenkert, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Längere Lebensdauer für technische Geräte Drucksachen 18/9179, 18/10666 . . . . . . . . . . 20952 A Michael Thews (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20952 B Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 20953 C Dr . Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 20954 B Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20955 A Josef Göppel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 20956 C Zusatztagesordnungspunkt 4: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz vor Mani- pulationen an digitalen Grundaufzeich- nungen Drucksachen 18/9535, 18/9957, 18/10102 Nr . 18, 18/10667 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20957 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016VI b) Beschlussempfehlung und Bericht des Fi- nanzausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Thomas Gambke, Kerstin Andreae, Britta Haßelmann, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Betrug mit manipu- lierten Registrierkassen gesetzlich verhindern – Zeitgleich Abschrei- bungsregeln für geringwertige Wirt- schaftsgüter verbessern – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr . Thomas Gambke, Britta Haßelmann, Lisa Paus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Umsatzsteuerbetrug bekämp- fen Drucksachen 18/7879, 18/1968, 18/10667 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20957 C Uwe Feiler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20957 D Richard Pitterle (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 20958 C Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) . . . . . . . . 20959 C Dr . Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20961 B Fritz Güntzler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 20962 A Tagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Dr . Gerhard Schick, Anja Hajduk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Staaten vor illegitimen Rückzahlungsansprüchen sogenannter Gei- erfonds wirksam schützen Drucksache 18/10639 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20964 A Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20964 B Johannes Selle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20965 A Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 20966 A Manfred Zöllmer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20966 D Dr . Heribert Hirte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 20968 B Zusatztagesordnungspunkt 5: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur verbesserten Durch- setzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung Drucksachen 18/8625, 18/10637 . . . . . . . . 20969 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucher- schutz – zu dem Antrag der Abgeordneten Tabea Rößner, Renate Künast, Dr . Konstantin von Notz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Urheberinnen und Urheber stärken – Urhebervertragsrecht re- formieren – zu dem Antrag der Abgeordne- ten Renate Künast, Kai Gehring, Dr . Konstantin von Notz, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt Zugang zu Wissen erleichtern – Urheber- recht bildungs- und wissenschafts- freundlich gestalten Drucksachen 18/7518, 18/8245, 18/10637 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20969 C Christian Flisek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20969 D Dr . Petra Sitte (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 20970 D Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20971 D Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20972 D Siegmund Ehrmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 20974 A Dr . Silke Launert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 20974 D Tagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Dr . Alexander S . Neu, Andrej Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Weichen für eine Europäische Union der Abrüstung und des Friedens stellen Drucksache 18/10629 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20976 B Zusatztagesordnungspunkt 6: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes ge- gen Nachstellungen Drucksachen 18/9946, 18/10654 . . . . . . . . . . 20976 C Zusatztagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bestimmun- gen zur Stromerzeugung aus Kraft-Wär- me-Kopplung und zur Eigenversorgung Drucksachen 18/10209, 18/10352, 18/10444 Nr . 1 .10, 18/10668 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20976 D Tagesordnungspunkt 17: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes Drucksachen 18/10009, 18/10542 . . . . . . . . . 20977 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 VII Tagesordnungspunkt 19: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundes- waldgesetzes Drucksachen 18/10456, 18/10661 . . . . . . . . . 20977 C Tagesordnungspunkt 20: Zweite und dritte Beratung des von der Bun- desregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Kreis- laufwirtschaftsgesetzes Drucksachen 18/10026, 18/10663 . . . . . . . . . 20977 D Tagesordnungspunkt 21: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung über die Be- wirtschaftung von gewerblichen Siedlungs- abfällen und von bestimmten Bau- und Ab- bruchabfällen (Gewerbeabfallverordnung – GewAbfV) Drucksachen 18/10345, 18/10444 Nr . 2 .1, 18/10656 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20978 A Tagesordnungspunkt 22: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Trilaterale Partnerschaften in der ASEAN-Region stärken – Deutsches Know- how nutzen Drucksache 18/10651 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20978 B Tagesordnungspunkt 23: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Wissenschaftskooperation mit Part- nern in Subsahara-Afrika stärken Drucksache 18/10632 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20978 C Tagesordnungspunkt 24: a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Hand- lungsfähigkeit der Selbstverwaltung der Spitzenorganisationen in der ge- setzlichen Krankenversicherung sowie zur Stärkung der über sie geführten Aufsicht (GKV-Selbstverwaltungsstär- kungsgesetz) Drucksache 18/10605 . . . . . . . . . . . . . . . . 20978 D b) Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Patientenver- tretung in der Gesundheitsversorgung stärken Drucksache 18/10630 . . . . . . . . . . . . . . . . 20978 D Tagesordnungspunkt 25: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Menschen mit Sprach- und Hörbehinderungen (Gesetz über die Erweiterung der Medienöffentlich- keit in Gerichtsverfahren – EMöGG) Drucksache 18/10144 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20979 A Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Sozialkas- senverfahren im Baugewerbe (Sozialkas- senverfahrensicherungsgesetz – SokaSiG) Drucksache 18/10631 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20979 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20979 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 20981 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordne- ten Dr . Nina Scheer, Ulrike Bahr, Lothar Binding (Heidelberg), Bernhard Daldrup, Dr . Ute Finckh-Krämer, Bettina Hagedorn, Frank Junge, Gabriele Katzmarek, Hiltrud Lotze, Dr . Matthias Miersch, Klaus Mindrup, Bettina Müller, Christian Petry, Susann Rüthrich, Johann Saathoff, Dr . Hans-Joachim Schabedoth, Ewald Schurer, Norbert Spinrath und Dagmar Ziegler (alle SPD) zu der nament- lichen Abstimmung über den von den Fraktio- nen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Geset- zes zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung (Tagesordnungspunkt 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20981 D Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Bärbel Höhn, Harald Ebner, Matthias Gastel, Oliver Krischer, Steffi Lemke und Tabea Rößner (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜND- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016VIII NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Verant- wortung in der kerntechnischen Entsorgung (Tagesordnungspunkt 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20982 D Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr . Julia Verlinden, Peter Meiwald und Sven- Christian Kindler (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrach- ten Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Ent- sorgung (Tagesordnungspunkt 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20983 C Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentli- chen Abstimmung über den von den Fraktio- nen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Geset- zes zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung (Tagesordnungspunkt 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20984 C Heike Baehrens (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20984 D Thomas Bareiß (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20985 B Marco Bülow (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20985 C Michael Donth (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20986 B Gabriele Hiller-Ohm (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 20986 B Ronja Kemmer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20987 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 20987 C Ulli Nissen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20988 A Josef Rief (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20989 A Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) . . . . . . . 20989 A Anlage 6 Erklärung der Abgeordneten Dr . Petra Sitte (DIE LINKE) zu der Abstimmung über die Entschließung unter Buchstabe c der Be- schlussempfehlung des Ausschusses für Wirt- schaft und Energie zu dem von den Fraktio- nen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Geset- zes zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung (Tagesordnungspunkt 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20989 B Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr . Frithjof Schmidt, Katja Dörner, Katja Keul und Claudia Roth (Augsburg) (alle BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Betei- ligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am NATO-geführten Einsatz Resolute Support für die Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Tagesordnungspunkt 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20989 C Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Annalena Baerbock und Luise Amtsberg (bei- de BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der na- mentlichen Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streit- kräfte am NATO-geführten Einsatz Resolute Support für die Ausbildung, Beratung und Un- terstützung der afghanischen nationalen Ver- teidigungs- und Sicherheitskräfte (Tagesordnungspunkt 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20990 A Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Kerstin Griese und Ute Vogt (beide SPD) zu der namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung des Auswärtigen Aus- schusses zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut- scher Streitkräfte am NATO-geführten Einsatz Resolute Support für die Ausbildung, Bera- tung und Unterstützung der afghanischen na- tionalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Tagesordnungspunkt 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20991 B Anlage 10 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentli- chen Abstimmung über die Beschlussemp- fehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am NATO-geführten Einsatz Resolute Support für die Ausbildung, Beratung und Unterstüt- zung der afghanischen nationalen Verteidi- gungs- und Sicherheitskräfte (Tagesordnungspunkt 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20991 C Dr . Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 20991 C Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20991 C Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 IX Anlage 11 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) zu der Abstimmung über den von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen (Zusatztagesordnungspunkt 4 a) . . . . . . . . . . . 20992 A Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Dr . Alexander S . Neu, Andrej Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Weichen für eine Europäische Union der Abrüstung und des Friedens stellen (Tagesordnungspunkt 18) . . . . . . . . . . . . . . . . 20993 D Robert Hochbaum (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 20993 D Dr . Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 20994 C Dr . Ute Finckh-Krämer (SPD) . . . . . . . . . . . . 20995 B Andrej Hunko (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 20996 A Dr . Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20996 D Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen (Zusatztagesordnungspunkt 6) . . . . . . . . . . . . 20997 C Kathrin Rösel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 20997 C Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 20998 B Dirk Wiese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20999 A Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 21000 A Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 21000 D Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bestimmungen zur Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung und zur Eigenversor- gung (Zusatztagesordnungspunkt 7) . . . . . . . . . . . . 21001 C Dr . Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 21001 C Florian Post (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21002 D Johann Saathoff (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21003 B Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 21004 A Dr . Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21004 D Anlage 15 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Barbara Lanzinger (CDU/CSU) zu der Ab- stimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bestimmungen zur Stromer- zeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung und zur Eigenversorgung (Zusatztagesordnungspunkt 7) . . . . . . . . . . . . 21005 C Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechzehnten Gesetzes zur Än- derung des Soldatengesetzes (Tagesordnungspunkt 17) . . . . . . . . . . . . . . . . 21006 A Julia Obermeier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 21006 A Bernd Siebert (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 21006 C Dr . Fritz Felgentreu (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 21007 C Dr . André Hahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 21008 A Doris Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21008 D Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundeswaldgesetzes (Tagesordnungspunkt 19) . . . . . . . . . . . . . . . . 21009 C Cajus Caesar (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 21009 C Alois Gerig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 21010 D Petra Crone (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21011 D Dr . Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . . 21012 C Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21013 B Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Ände- rung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (Tagesordnungspunkt 20) . . . . . . . . . . . . . . . . 21014 B Dr . Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 21014 B Michael Thews (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21015 A Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 21015 C Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21016 A Florian Pronold, Parl . Staatssekretär BMUB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21016 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016X Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung über die Be- wirtschaftung von gewerblichen Siedlungsab- fällen und von bestimmten Bau- und Abbruch- abfällen (Gewerbeabfallverordnung – GewAbfV) (Tagesordnungspunkt 21) . . . . . . . . . . . . . . . . 21017 C Artur Auernhammer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 21017 C Dr . Thomas Gebhart (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 21019 B Michael Thews (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21019 D Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 21021 A Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21021 C Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Trilaterale Partnerschaften in der ASEAN-Region stärken – Deutsches Know- how nutzen (Tagesordnungspunkt 22) . . . . . . . . . . . . . . . . 21022 B Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 21022 B Tobias Zech (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 21023 D Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21024 C Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 21025 A Dr . Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21025 D Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Wissenschaftskooperation mit Partnern in Subsahara-Afrika stärken (Tagesordnungspunkt 23) . . . . . . . . . . . . . . . . 21027 B Dr . Thomas Feist (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 21027 B Dr . Claudia Lücking-Michel (CDU/CSU) . . . . 21028 A Dr . Daniela De Ridder (SPD) . . . . . . . . . . . . . 21028 D Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 21030 A Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21030 C Anlage 22 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrach- ten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesse- rung der Handlungsfähigkeit der Selbstver- waltung der Spitzenorganisationen in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie zur Stärkung der über sie geführten Auf- sicht (GKV-Selbstverwaltungsstärkungs- gesetz) – des Antrags der Abgeordneten Harald Weinberg, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W . Birkwald, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion DIE LINKE: Pati- entenvertretung in der Gesundheitsversor- gung stärken (Tagesordnungspunkt 24 a und b) . . . . . . . . . . 21031 C Reiner Meier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 21031 C Hilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21032 B Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 21033 C Dr . Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21034 A Annette Widmann-Mauz, Parl . Staatssekretä- rin BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21035 A Anlage 23 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Menschen mit Sprach- und Hörbehinderun- gen (Gesetz über die Erweiterung der Medien- öffentlichkeit in Gerichtsverfahren – EMöGG) (Tagesordnungspunkt 25) . . . . . . . . . . . . . . . . 21036 B Detlef Seif (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21036 B Dr . Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 21038 A Dr . Matthias Bartke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 21038 D Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE) . . . 21039 B Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . 21040 B Christian Lange, Parl . Staatssekretär BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21041 A Anlage 24 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (Sozialkassenverfahrensiche- rungsgesetz – SokaSiG) (Tagesordnungspunkt 26) . . . . . . . . . . . . . . . . 21041 D Wilfried Oellers (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 21042 A Tobias Zech (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 21043 B Bernd Rützel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21043 D Jutta Krellmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 21044 C Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21045 A (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 20815 209. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 15. Dezember 2016 Beginn: 9 .01 Uhr
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    2) Anlage 24 Vizepräsidentin Ulla Schmidt (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 20981 Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Brandt, Helmut CDU/CSU 15 .12 .2016 Brugger, Agnieszka BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15 .12 .2016 Bülow, Marco SPD 15 .12 .2016 Deligöz, Ekin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15 .12 .2016 Ernstberger, Petra SPD 15 .12 .2016 Gunkel, Wolfgang SPD 15 .12 .2016 Gysi, Dr . Gregor DIE LINKE 15 .12 .2016 Heck, Dr . Stefan CDU/CSU 15 .12 .2016 Hübinger, Anette CDU/CSU 15 .12 .2016 Ilgen, Matthias SPD 15 .12 .2016 Kekeritz, Uwe BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15 .12 .2016 Lerchenfeld, Philipp Graf CDU/CSU 15 .12 .2016 Leyen, Dr . Ursula von der CDU/CSU 15 .12 .2016 Merkel, Dr . Angela CDU/CSU 15 .12 .2016 Mortler, Marlene CDU/CSU 15 .12 .2016 Müller (Chemnitz), Detlef SPD 15 .12 .2016 Nahles, Andrea SPD 15 .12 .2016 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15 .12 .2016 Schäuble, Dr . Wolfgang CDU/CSU 15 .12 .2016 Schlecht, Michael DIE LINKE 15 .12 .2016 Schmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 15 .12 .2016 Schwarz, Andreas SPD 15 .12 .2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Stein, Peter CDU/CSU 15 .12 .2016 Steinbach, Erika CDU/CSU 15 .12 .2016 Strebl, Matthäus CDU/CSU 15 .12 .2016 Uhl, Dr . Hans-Peter CDU/CSU 15 .12 .2016 Vries, Kees de CDU/CSU 15 .12 .2016 Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 15 .12 .2016 Weber, Gabi SPD 15 .12 .2016 Weinberg, Harald DIE LINKE 15 .12 .2016 Zeulner, Emmi * CDU/CSU 15 .12 .2016 *aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Nina Scheer, Ulrike Bahr, Lothar Binding (Heidelberg), Bernhard Daldrup, Dr. Ute Finckh-Krämer, Bettina Hagedorn, Frank Junge, Gabriele Katzmarek, Hiltrud Lotze, Dr. Matthias Miersch, Klaus Mindrup, Bettina Müller, Christian Petry, Susann Rüthrich, Johann Saathoff, Dr. Hans-Joachim Schabedoth, Ewald Schurer, Norbert Spinrath und Dagmar Ziegler (alle SPD) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- wurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Verant- wortung in der kerntechnischen Entsorgung (Ta- gesordnungspunkt 3) Mit der heutigen Entscheidung geht unser Parla- ment den historischen Schritt einer Neuordnung der Verantwortung und damit auch Finanzierung der Ato- menergie-Folgelasten . Zwar liegt im Sinne des Ver- ursacherprinzips die Verantwortung zur Abwicklung der Atomenergienutzung richtigerweise grundsätzlich bei den Betreibern von Atomkraftwerken und den be- treffenden Energiekonzernen . Letztlich wird aber die Allgemeinheit zur Verantwortung gezogen, wenn die Betreiber etwa durch Konzernaufspaltungen oder In- solvenzen nicht mehr zur Haftung herangezogen wer- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201620982 (A) (C) (B) (D) den können . Zugleich muss uns bewusst sein, dass über Jahrzehnte unterbliebene Vorsorge nachträglich kaum mehr erfüllbar ist . Während mit dem heute zu verabschiedenden Ge- setz die auch ökonomische Verantwortung von Still- legung, Rückbau und Verpackung beim Betreiber ver- bleibt, geht die Verantwortung für Zwischenlagerung und Endlagerung auf den Staat über, insofern die hier- für nun gesetzlich formulierten Voraussetzungen erfüllt werden . Die langfristig währende Verantwortung für die Zwischenlagerung und Endlagerung wird dabei über ei- nen öffentlich-rechtlichen Fonds getragen, der vonsei- ten der Betreiber mit einem Vermögen von insgesamt 23,556 Milliarden Euro auszustatten sein wird . Mit den Regelungen zur Nachhaftung verhindern wir die Enthaftung der Konzerne durch Betreiberinsolvenzen oder Konzernaufspaltungen . Die Verabschiedung eines Nachhaftungsgesetzes bereits im letzten Jahr war vonsei- ten unseres Koalitionspartners trotz erfolgten Kabinetts- beschlusses verhindert worden . Umso wichtiger ist es, dass eine Nachhaftungsregelung nun mitverabschiedet wird . Kritisch betrachten wir dabei, dass sich die Nach- haftung bei Konzernaufspaltung nur auf den Bereich der Zwischen- und Endlagerung, hingegen nicht auch auf die Phase der Stilllegung, des Rückbaus und der Verpackung bezieht . Eine umfassendere Nachhaftungsregelung konn- te leider nicht geeinigt werden . Mit den atomgesetzlichen Änderungen wird die Op- tion des sogenannten sicheren Einschlusses nahezu ab- geschafft . Die Ausschließlichkeit des Rückbaus hat die SPD seit langem gefordert . Erst in der vergangenen Woche hat das Bundesver- fassungsgericht den politisch in Abwägung mit Ge- sundheits- und Umweltschutzbedarfen entschiedenen Atomausstieg als im Wesentlichen verfassungskonform beschieden . Allein vor diesem Hintergrund erwarte ich von den Atomkonzernen die Rücknahme aller im Zusam- menhang mit Atomenergienutzung zusammenhängenden Klagen, auch solcher, die von den jüngsten Ankündigun- gen der Konzerne nicht erfasst sind . Es entspricht unse- rem parlamentarischen Selbstverständnis, dass im Fall eines Aufrechterhaltens von Klagen vonseiten der Kon- zerne und einer sich hierüber zulasten der Allgemeinheit verschlechternden Vermögenssituation eine Neuberech- nung der Kostenlasten vorzunehmen wäre . Es entspricht auch der mit einem Entschließungsantrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen – Aus- schussdrucksache 18(9)1073 – erklärten Erwartungshal- tung gegenüber der Bundesregierung, die Rücknahme aller Klagen zu erreichen . Der Entschließungsantrag bringt zudem die Erwar- tungshaltung zum Ausdruck, dass die Geldanlage des einzurichtenden Fonds nachhaltig erfolgt, dass die Mittel nicht in Projekten oder Anlagen Verwendung finden, die dem übergeordneten Willen des Gesetzgebers zuwider- laufen, die Nutzung der Atomenergie zu beenden . Hier- für hatte sich die SPD-Fraktion eingesetzt . Wir bedauern, dass unser Koalitionspartner diesbezüglich keiner ge- setzlichen Regelung zustimmen wollte . Während des parlamentarischen Verfahrens ist es ge- lungen, die Beteiligung des Parlaments für den weiteren Prozess, etwa in der Zusammensetzung des Kuratoriums zur Begleitung des Fonds und dessen Einrichtung, zu ge- währleisten . In Bezug auf die Einsetzung von Kommissionen im Vorfeld parlamentarischer Beratungen hat sich die Kom- mission zur Überprüfung der Finanzierung des Kern- energieausstiegs (KFK) als ein hilfreiches Instrument erwiesen, einen Rechtsfrieden auch im Sinne anderer zivilgesellschaftlicher Akteure herzustellen . Zugleich dürfen außerparlamentarische Kommissionen nicht zur faktischen Eingrenzung parlamentarischer Gestaltung führen, wenn etwa bereits ein Regierungsentwurf von Bindungswirkung in Bezug auf die Einstimmigkeit ei- nes Kommissionsbeschlusses gekennzeichnet ist . Dies wird dem parlamentarischen Beratungsprozess, den hie- sigen öffentlichen Anhörungen, aber auch den einzelnen Abgeordneten nicht gerecht und gefährdet nicht zuletzt die Bedeutung der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie . Nach unserer Überzeugung sollten Kom- missionen der hier eingesetzten Form nur in absoluten Ausnahmefällen eingesetzt werden, wenn der Fokus ein- zubeziehender Expertise dies über die Thematik und die Dauer sowie den Hergang einer öffentlichen Auseinan- dersetzung rechtfertigt . In einer Gesamtbetrachtung begrüßen wir, dass mit dem vorliegenden Gesetz ein Mehr an Rechtssicherheit für die Kostentragung im Zusammenhang der Abwick- lung der Atomenergienutzung geschaffen wird, und stim- men dem Gesetzentwurf von CDU/CSU, SPD und Bünd- nis 90/Die Grünen zu . Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Bärbel Höhn, Harald Ebner, Matthias Gastel, Oliver Krischer, Steffi Lemke und Tabea Rößner (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung (Tagesordnungs- punkt 3) Jahrzehntelang haben die vier großen Energiekonzer- ne in Deutschland mit der Produktion von Atomstrom Milliarden verdient und gleichzeitig Unmengen an radi- oaktivem Müll produziert, der nachfolgende Generatio- nen noch lange belasten wird . Der Gesetzentwurf zur Umsetzung der Empfehlungen der Kommission zur Finanzierung des AKW-Rückbaus und der Atommüllendlagerung (KFK) kommt zu spät, und er überträgt das Risiko der letztlich unabsehba- ren Kostensteigerungen im weiteren Umgang mit dem Atommüll an die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler . Der Gesetzentwurf zur Umsetzung der KFK-Empfehlun- gen stellt aber auch sicher, dass die Atomkonzerne für Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 20983 (A) (C) (B) (D) die Beseitigung des hochgefährlichen Atommülls zahlen . Für Stilllegung und Rückbau werden die Unternehmen bis 2040 rund 60 Milliarden Euro aufwenden müssen . Ihre Rückstellungen dafür werden sie künftig transparent mit liquiden Mitteln unterlegen müssen . Dies wird von Bundesregierung und Bundestag überprüft . Ihre Rück- stellungen von bisher gut 17 Milliarden für die Finan- zierung von Zwischen- und Endlagerung des Atommülls müssen die Konzerne an den Staat in bar übertragen . Hinzu kommt ein Risikoaufschlag von 35 Prozent, um künftige Risiken abzudecken; es wird also ein 24 Milli- arden Euro starker öffentlich-rechtlicher Fonds gebildet . Damit wird dem Risiko der Steuerzahlerinnen und Steu- erzahler, bei Insolvenz oder Unternehmensumbildung der Konzerne die gesamten anfallenden Atommüllkosten tragen zu müssen, begegnet . Im Zuge der Debatte um den Gesetzentwurf konn- ten die Atomkonzerne dazu bewegt werden, die meis- ten ihrer Klagen im Atomsektor zurückzuziehen . Die beiden Klagen mit dem tatsächlich relevanten Finanz- volumen bleiben allerdings bestehen, die Klage gegen die Brennelementesteuer und die Klage Vattenfalls vor dem Washingtoner Schiedsgericht ICSID . Sollten diese erfolgreich sein, könnten sich die Konzerne darüber bis zur Hälfte ihrer Einzahlungen in den Entsorgungsfonds wieder zurückholen . Mit dem Urteil der vergangenen Woche hat das Bun- desverfassungsgericht in höchstrichterlicher Instanz der Klage der EVU gegen den Atomausstiegsbeschluss von 2011 eine klare Absage erteilt . Das lässt vermuten, dass es sich auch bei der Klage gegen die Brennelemente- steuer nicht dem Rechtsverständnis der Atomkonzerne anschließt . Wir halten aber nicht nur die bisherige Er- hebung der Brennelementesteuer für rechtens, sondern auch ihre Fortführung, solange die AKWs laufen. Die fi- nanzielle Beteiligung der Atomkonzerne zum Beispiel an den Sanierungskosten der Asse wird über die Brennele- mentesteuer gewährleistet, und eine solche Beteiligung ist absolut sachgerecht . Die zweite finanzrelevante Klage ist die von Vattenfall vor dem Internationalen Schiedsgericht ICSID . Es ist un- wahrscheinlich, dass sich das Schiedsgericht in Washing- ton die Rechtsauffassung unseres Bundesverfassungsge- richts zu eigen macht, gelten doch vor Schiedsgerichten vor allem die Interessen und Investitionen von Unterneh- men als Leitlinien des Rechtsempfindens. Politisch hat Vattenfall keinerlei Begründung mehr, Klage vor diesem Internationalen Schiedsgericht zu führen, das für die Fäl- le installiert wurde, in denen nationale Gerichte einem Investor keine Gerechtigkeit widerfahren lassen . Das BVerfG hat Vattenfall mit seinem Urteil bereits Gerech- tigkeit widerfahren lassen . Der Auftrag an die Bundesregierung mit der Verab- schiedung des Gesetzes zur Neuordnung der Verantwor- tung in der kerntechnischen Entsorgung ist also klar: Sie muss dafür Sorge tragen, dass auch diese Klagen zu- rückgenommen werden . Das ist sie dem versprochenen Rechtsfrieden schuldig . Dabei kann sie auf unsere Unter- stützung zählen . Gerade als grüne Abgeordnete, die immer gegen die unverantwortliche Nutzung der Atomkraft gekämpft ha- ben, stehen wir auch für das Suchen nach verantwortli- chen Lösungen der Probleme, die uns nach Abschalten der Atomkraftwerke bleiben . Dieses Gesetz ist eine Not- operation, weil es zu spät kommt . Es rettet, was zu retten ist, und schützt damit die Steuerzahlerinnen und Steuer- zahler vor noch größeren Risiken . Deshalb stimmen wir ihm zu . Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Julia Verlinden, Peter Meiwald und Sven-Christian Kindler (alle BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Ab- stimmung über den von den Fraktionen CDU/ CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsor- gung (Tagesordnungspunkt 3) Wir begrüßen ausdrücklich die Einrichtung eines öf- fentlich-rechtlichen Fonds für die Zwischen- und End- lagerung des Atommülls als Umsetzung des Ergebnisses der „Kommission zur Finanzierung des AKW-Rückbaus und der Atommüllendlagerung“ (KFK) . Mit dem vorlie- genden Gesetz werden die finanziellen Rückstellungen der Atomkonzerne für die Zwischen- und Endlagerung des Atommülls endlich in einen öffentlich-rechtlichen Fonds übertragen . Bei Zahlung eines Risikozuschlags von 35 Prozent bis spätestens 2022 entfällt die Nach- haftung für die Unternehmen . Durch den Fonds wird das Geld langfristig für die vorgesehenen Aufgaben gesichert und vom wirtschaftlichen Schicksal der Ener- gieversorgungsunternehmen (EVU) RWE, Eon, Vatten- fall und EnBW entkoppelt . Dieser Fonds wird zukünftig von einem Kuratorium mit demokratisch legitimierten Vertretern aus dem Bundestag kontrolliert . Das ist eine klare Verbesserung im Vergleich zum ersten Entwurf des Gesetzes . Für die Stilllegung und den Rückbau der Atomkraft- werke (AKW) und die Verpackung des Atommülls blei- ben die Betreiber der Atomkraftwerke weiterhin voll- ständig finanziell verantwortlich und haften auch dann, wenn die Kosten zukünftig hierfür steigen . Die Verursacher des Atommülls, die Energieversorger, saßen in der KFK mit am Tisch . Sie haben den Vorschlag zur Neuregelung der Finanzierung der Atomaltlasten mit verhandelt . Die EVU haben nun angekündigt, einen Teil der Klagen gegen den Staat zurückzuziehen, wenn das Gesetz verabschiedet wird . Dazu gehört beispielsweise auch die Klage gegen Zahlungsbescheide im Zusammen- hang mit dem Erkundungsbergwerk Gorleben . Dieser Klageverzicht ist wichtig, aber reicht nicht aus . Denn zwei zentrale Rechtsstreitigkeiten, die den fi- nanziellen Großteil der Klagen mit mehreren Milliarden Euro ausmachen, wollen die EVU aber weiterhin auf- rechterhalten: die Auseinandersetzung um die Brenn- elementesteuer und die Klage von Vattenfall vor dem Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201620984 (A) (C) (B) (D) internationalen Schiedsgericht in Washington gegen den Atomausstieg – obwohl Vattenfall vom Bundesverfas- sungsgericht ausdrücklich Rechtsschutz gewährt wurde . Beides kann theoretisch zu Schadensersatzzahlungen führen, die die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu tragen haben, neben bereits heute entstandenen hohen Gerichts- und Anwaltskosten . Es zeugt aber vor allem davon, dass die Atomunternehmen – auch nach langer gesellschaftlicher Auseinandersetzung um die Atom- kraft – den großen gesellschaftlichen und politischen Willen nach Ausstieg aus dieser Hochrisikotechnologie und der Lastentragung nach dem Verursacherprinzip nicht vollständig akzeptieren wollen . Zu einem komplet- ten Rechtsfrieden bezüglich der Abwicklung der Atom- kraft ist die Atomwirtschaft nicht bereit, sondern sie will sich ihre Kosten über eingeklagte Schadensersatzzahlun- gen teilweise wieder zurückholen . Das ist für uns nicht akzeptabel . Zumal die Betreiber der AKW weitere Milli- arden Euro sparen werden, wenn die Bundesregierung an ihrer Positionierung festhält und die Brennelementesteu- er zum Ende des Jahres einfach auslaufen lässt . Die Bun- destagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen fordert, die Steuer nicht nur weiter zu erheben, bis das letzte AKW vom Netz geht, sondern die Steuer ab sofort auch um cir- ca 50 Prozent anzuheben . Heute kann noch niemand sagen, ob die Geldsumme, die in den öffentlich-rechtlichen Fonds eingezahlt wird, plus die angenommenen Zinsgewinne ausreichen, um den Atommüll eine Million Jahre sicher zu lagern . Erhebliche Kostensteigerungen bei einem Großprojekt aufgrund der außergewöhnlichen Dimensionen und der mangelnden konkreten Erfahrungswerte sind nicht auszuschließen . Nicht nur die Kosten des Baus eines Atommüllendlagers kann heute niemand genau berechnen . Auch bereits die wissenschaftliche, ergebnisoffene Standortsuche wird große Summen kosten, zumal die Suche nach einem si- cheren Endlager in Deutschland noch gar nicht richtig begonnen hat . Und wir brauchen unbedingt eine solche sorgfältige Suche . Denn sonst wird es hinterher noch teurer: Was es bedeutet, wenn ein ungeeigneter Standort für Atommüll ausgewählt wird, sehen wir in Niedersach- sen in der Asse, wo der schwach- und mittelradioaktive Atommüll nach der Havarie nun aufwendig geborgen werden muss: Dann kostet das Aufräumen sehr viel mehr als der Bau eines Endlagers . Die Rückstellungen plus Risikozuschlag müssen jetzt gesichert werden, denn wir haben angesichts des Insol- venzrisikos der EVU keine Zeit, abzuwarten, bis zu er- wartende Kosten genauer ermittelt werden können . Wir fordern, dass auch die Konzerne ehrlich ihre Verantwor- tung in dieser zentralen gesellschaftlichen Auseinander- setzung übernehmen – und dazu gehört die unverzügli- che Herstellung vollständigen Rechtsfriedens in allen Klageverfahren bezüglich des Atomausstiegs . Wir erwarten, dass die Anlagerichtlinien des Fonds en- keltauglich umgesetzt werden . Eine „nachhaltige Anla- ge“ der Gelder bedeutet für uns insbesondere, dass nicht nur eine Geldanlage in Unternehmen der Atomenergie ausgeschlossen wird, sondern auch in fossile Energie- träger und fossile Infrastrukturen . Denn die internatio- nale Divestment-Bewegung lässt annehmen, dass solche Geldanlagen, beispielsweise in Kohle oder Erdöl, nicht nur politisch kontraproduktiv wirken würden, sondern auch ökonomisch deutlich schneller an Wert verlieren werden als der Bau eines Atommülllagers in Deutschland dauern könnte . Nach Abwägung dieser Punkte werden wir nicht ge- gen das Gesetz stimmen, weil es einen ganz wichtigen Schritt, nämlich die Sicherung der Rückstellungen mit Risikozuschlag in einen öffentlich-rechtlichen Fonds, vollzieht . Wir können aber auch nicht für das Gesetz stimmen, weil die Atomunternehmen, für welche die Bundesre- publik Deutschland für den Bereich der Zwischen- und Endlagerung des Atommülls die Haftung und damit auch die finanziellen Risiken übernimmt, nicht zu einem voll- ständigen Rechtsfrieden bereit sind und Milliardenkla- gen gegen den Staat aufrechterhalten . Deswegen enthalten wir uns bei der Abstimmung . Anlage 5 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentlichen Abstimmung über den von den Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf ei- nes Gesetzes zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung (Tagesord- nungspunkt 3) Heike Baehrens (SPD): Mit der heutigen Entschei- dung wird die Neuordnung der Verantwortung und Fi- nanzierung der Atomenergie-Folgelasten geregelt . Während mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz die ökonomische Verantwortung von Stilllegung, Rück- bau und Verpackung beim Betreiber verbleibt, geht die Verantwortung für Zwischenlagerung und Endlagerung auf den Staat über, wenn die hierfür nun gesetzlich for- mulierten Voraussetzungen erfüllt werden . Die langfris- tig währende Verantwortung für die Zwischenlagerung und Endlagerung wird über einen öffentlich-rechtlichen Fonds getragen, der vonseiten der Betreiber mit einem Vermögen von insgesamt 23,556 Milliarden Euro auszu- statten ist . Mit den Regelungen zur Nachhaftung verhindern wir die Enthaftung der Konzerne durch Betreiberinsolvenzen oder Konzernaufspaltungen . Die Verabschiedung eines Nachhaftungsgesetzes bereits im letzten Jahr war vonsei- ten unseres Koalitionspartners trotz erfolgten Kabinetts- beschlusses verhindert worden . Umso wichtiger ist es, dass eine Nachhaftungsregelung nun mit verabschiedet wird . Kritisch betrachte ich dabei, dass sich die Nach- haftung bei Konzernaufspaltung nur auf den Bereich der Zwischen- und Endlagerung, hingegen nicht auch auf die Phase der Stilllegung, des Rückbaus und der Verpackung bezieht . Eine umfassendere Nachhaftungsregelung wird leider nicht von der CDU/CSU mitgetragen . Mit den atomgesetzlichen Änderungen wird die Op- tion des sogenannten sicheren Einschlusses nahezu ab- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 20985 (A) (C) (B) (D) geschafft . Die Ausschließlichkeit des Rückbaus hat die SPD seit langem gefordert . Gerade hat das Bundesverfassungsgericht den politisch in Abwägung mit Gesundheits- und Umweltschutzbe- darfen entschiedenen Atomausstieg als im Wesentlichen verfassungskonform beschieden . Allein vor diesem Hin- tergrund erwarte ich von den Atomkonzernen die Rück- nahme aller im Zusammenhang mit Atomenergienutzung zusammenhängenden Klagen, auch solcher, die von den jüngsten Ankündigungen der Konzerne nicht erfasst sind . Es entspricht meinem parlamentarischen Selbstverständ- nis, dass im Fall eines Aufrechterhaltens von Klagen vonseiten der Konzerne und einer sich hierüber zulasten der Allgemeinheit verschlechternden Vermögenssituati- on eine Neuberechnung der Kostenlasten vorzunehmen ist . Es entspricht auch der mit einem Entschließungsan- trag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen – Ausschussdrucksache 18(9)1073 – erklärten Erwartungshaltung gegenüber der Bundesregierung, die Rücknahme aller Klagen zu erreichen . Der Entschließungsantrag bringt zudem die Erwar- tungshaltung zum Ausdruck, dass die Geldanlage des einzurichtenden Fonds nachhaltig erfolgt, dass die Mittel nicht in Projekten oder Anlagen Verwendung finden, die dem übergeordneten Willen des Gesetzgebers zuwider- laufen, die Nutzung der Atomenergie zu beenden . Hier- für hatte sich die SPD-Fraktion eingesetzt . Ich bedaure, dass unser Koalitionspartner diesbezüglich keiner ge- setzlichen Regelung zustimmen wollte . Während des parlamentarischen Verfahrens ist es ge- lungen, die Beteiligung des Parlaments für den weiteren Prozess, etwa in der Zusammensetzung des Kuratoriums zur Begleitung des Fonds und dessen Einrichtung, zu ge- währleisten . In Bezug auf die Einsetzung von Kommissionen im Vorfeld parlamentarischer Beratungen hat sich die Kom- mission zur Überprüfung der Finanzierung des Kern- energieausstiegs (KFK) als ein hilfreiches Instrument erwiesen, einen Rechtsfrieden auch im Sinne anderer zivilgesellschaftlicher Akteure herzustellen . Zugleich dürfen außerparlamentarische Kommissionen nicht zur faktischen Eingrenzung parlamentarischer Gestaltung führen . Darum sehe ich die Bezugnahme im Gesetzent- wurf der Bundesregierung auf die Einstimmigkeit eines Kommissionsbeschlusses als kritisch an . Dies wird dem parlamentarischen Beratungsprozess, den öffentlichen Anhörungen, aber auch der Unabhängigkeit von uns Ab- geordneten nicht gerecht und gefährdet nicht zuletzt die Bedeutung der parlamentarisch-repräsentativen Demo- kratie . In einer Gesamtbetrachtung begrüße ich, dass mit dem vorliegenden Gesetz ein Mehr an Rechtssicherheit für die Kostentragung im Zusammenhang der Abwicklung der Atomenergienutzung geschaffen wird, und stimme dem Gesetzentwurf von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen zu . Thomas Bareiß (CDU/CSU): Ich begrüße aus- drücklich, dass mit dem KFK-Gesetz die operative und finanzielle Verantwortung für Zwischen- und Endlage- rung der kerntechnischen Anlagen zwischen Kernkraft- werksbetreibern und Bund neu geregelt wird . Wir setzen das Verursacherprinzip um, machen es zukunftsfest und schaffen Planungssicherheit . Auch das Ziel des Nach- haftungsgesetzes begrüße ich ausdrücklich . Energiever- sorger dürfen sich nicht durch Umstrukturierungen von der Haftung für die Kosten des Rückbaus, der Zwischen- und Endlagerung befreien . Allerdings erkläre ich hiermit ausdrücklich, dass ich die sich eventuell ergebende Haf- tungserweiterung im Falle der Energie Baden-Württem- berg AG auf die Anteilseigner, den Zweckverband Ober- schwäbische Elektrizitätswerke (OEW) und das Land Baden-Württemberg, ablehne . Ich halte diese Haftungs- erweiterung für nicht im Sinne des ursprünglichen Ge- setzesgedankens, da dadurch eine neue, bis dahin nicht vorhandene Haftung entsteht . Ich stimme deshalb mit Ja . Marco Bülow (SPD): Ich begrüße eine grundle- gende Neuregelung der Verantwortung der nuklearen Entsorgung . Der Übergang der Verantwortung einer so wichtigen, langfristigen Aufgabe von profitorientierten Privatunternehmen zu dem Gemeinwohl verpflichteten staatlichen Institutionen ist absolut nachvollziehbar . Die Sicherung der Rückstellungen der AKW-Betreiber für die Entsorgung des Atommülls ist eine Angelegenheit, die ich schon lange gefordert habe . Allerdings halte ich es im Grundsatz für falsch, das überhaupt noch nicht abzuschätzende finanzielle Risiko der Entsorgung komplett auf den Steuerzahler zu über- tragen und die eigentlichen Verursacher mit der einma- ligen Zahlung eines klar definierten Geldbetrags aus der Verantwortung zu entlassen – zumal der darin enthaltene Risikoaufschlag von 35,47 Prozent auf den Grundbetrag eines jeden AKW aus meiner Sicht zu gering ausfällt . Erfahrungen zeigen, dass die tatsächlichen Kosten bei Projekten im Bereich der Atomenergie vorherige Kos- tenabschätzungen eher um ein Vielfaches übertreffen als nur um ein Drittel . Zudem ergibt sich für die AKW-Betreiber im nächsten Jahr die Situation, dass die Kernbrennstoffsteuer nicht mehr gezahlt werden muss . Nach Schätzungen des Fo- rums ökologisch-soziale Marktwirtschaft (FÖS) würde eine Weiterführung der Steuer bis zum endgültigen Ab- schalten des letzten deutschen Atomkraftwerks 3,9 bis 5,8 Milliarden Euro Einnahmen sichern . Der Wegfall der Steuer dagegen bringt den Betreibern 2,9 bis 4,4 Milli- arden Euro zusätzliche Gewinne . Das bedeutet, dass ein Großteil des in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Risi- koaufschlags von insgesamt 6,167 Milliarden Euro durch den Wegfall der Kernbrennstoffsteuer gedeckt wird . Im Gegenzug hätte also wenigstens die Steuer verlängert werden müssen . Schließlich sind die Gründe, die zur Einführung der Steuer geführt haben, nach wie vor vor- handen . Aus meiner Sicht sind diese Entscheidungen im We- sentlichen dadurch motiviert, dass die betroffenen Unter- nehmen nicht in eine schwierigere ökonomische Situati- on gebracht werden sollen, durch die auch die Situation der Beschäftigten in Gefahr geriete . Dies ist zwar im Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201620986 (A) (C) (B) (D) ersten Moment nachvollziehbar, macht den Staat aber erpressbar . Es ist wichtig, sich immer wieder vor Augen zu füh- ren, dass die Atomenergie insgesamt und somit auch ihre kommerzielle Nutzung über ein halbes Jahrhundert lang massiv staatlich gefördert wurde . Berechnungen gehen allein für den Zeitraum 1970 bis 2014 von über 200 Mil- liarden Euro aus . Durch die Vergünstigungen haben die AKW-Betreiber mit ihren abgeschriebenen Atomreak- toren circa 1 Million Euro am Tag verdient . Diese Zahl bestätigte Vattenfall 2009 der Süddeutschen Zeitung . Deutschlands größter AKW-Betreiber Eon machte 2009 noch einen Gewinn von 5,3 Milliarden Euro . Die Ener- giewende haben die großen Energieversorger aber trotz Wissens über den Atomausstiegsbeschluss 2000 und die Einführung des EEG verschlafen, sodass in den letzten Jahren die Gewinne eingebrochen sind, zum Teil sogar hohe Verluste gemacht wurden . Statt rechtzeitig in er- neuerbare Energien zu investieren, haben die EVUs die- se viel zu lange bekämpft . Mangelnde Voraussicht bei unternehmerischen Entscheidungen hat zu der ökonomi- schen Lage geführt, in der sich die Unternehmen heute befinden. Der Staat, der den Unternehmen sehr lange er- möglicht hat, mit Atomenergie hohe Gewinne zu gene- rieren, soll aber nun das alleinige Risiko für die Folgen der Atomstromproduktion tragen, weil der erfolgreiche Fortbestand der EVUs nicht mehr gesichert sei . Dies kann nicht sein . Das Prinzip „Gewinne werden privati- siert, Verluste aber sozialisiert“ lehne ich entschieden ab . Akzeptabel wäre der Kompromiss aus meiner Sicht nur gewesen, wenn die AKW-Betreiber zuvor einen Rückzug ihrer Klagen versichert hätten und die Kern- brennstoffsteuer verlängert worden wäre . So kann ich diesem Gesetzentwurf leider nicht zu- stimmen . Michael Donth (CDU/CSU): Ich begrüße ausdrück- lich, dass mit dem KFK-Gesetz die operative und fi- nanzielle Verantwortung zwischen Kernkraftwerksbe- treibern und Bund für Zwischen- und Endlagerung der kerntechnischen Anlagen neu geregelt wird . Wir setzen das Verursacherprinzip um, machen es zukunftsfest und schaffen Planungssicherheit . Auch das Ziel des Nach- haftungsgesetzes begrüße ich ausdrücklich . Energiever- sorger dürfen sich nicht durch Umstrukturierungen von der Haftung für die Kosten des Rückbaus, der Zwischen- und Endlagerung befreien . Allerdings erkläre ich hier- mit ausdrücklich, dass ich die sich eventuell ergebende Haftungserweiterung im Falle der Energie Baden-Würt- temberg AG auf die Anteilseigner Zweckverband Ober- schwäbische Elektrizitätswerke (OEW) und damit zahl- reiche Landkreise, Städte und Gemeinden sowie das Land Baden-Württemberg ablehne . Ich halte diese Haf- tungserweiterung für nicht im Sinne des ursprünglichen Gesetzesgedankens, da dadurch eine neue potenzielle, bis dahin nicht vorhandene Haftung entsteht . Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Mit der heutigen Ent- scheidung geht unser Parlament den historischen Schritt einer Neuordnung der Verantwortung und damit auch Finanzierung der Atomenergie-Folgelasten . Zwar liegt im Sinne des Verursacherprinzips die Verantwortung zur Abwicklung der Atomenergienutzung richtigerweise grundsätzlich bei den Betreibern von Atomkraftwerken und den betreffenden Energiekonzernen . Letztlich wird aber die Allgemeinheit zur Verantwortung gezogen, wenn die Betreiber etwa durch Konzernaufspaltungen oder Insolvenzen nicht mehr zur Haftung herangezogen werden können . Zugleich muss uns bewusst sein, dass über Jahrzehnte unterbliebene Vorsorge nachträglich kaum mehr erfüllbar ist . Während mit dem heute zu verabschiedenden Ge- setz die auch ökonomische Verantwortung von Still- legung, Rückbau und Verpackung beim Betreiber ver- bleibt, geht die Verantwortung für Zwischenlagerung und Endlagerung auf den Staat über, insofern die hier- für nun gesetzlich formulierten Voraussetzungen erfüllt werden . Die langfristig währende Verantwortung für die Zwischenlagerung und Endlagerung wird dabei über ei- nen öffentlich-rechtlichen Fonds getragen, der vonsei- ten der Betreiber mit einem Vermögen von insgesamt 23,556 Milliarden Euro auszustatten sein wird . Mit den Regelungen zur Nachhaftung verhindern wir die Enthaftung der Konzerne durch Betreiberinsolvenzen oder Konzernaufspaltungen . Die Verabschiedung eines Nachhaftungsgesetzes bereits im letzten Jahr war vonsei- ten unseres Koalitionspartners trotz erfolgten Kabinetts- beschlusses verhindert worden . Umso wichtiger ist es, dass eine Nachhaftungsregelung nun mit verabschiedet wird . Kritisch betrachte ich dabei, dass sich die Nach- haftung bei Konzernaufspaltung nur auf den Bereich der Zwischen- und Endlagerung, hingegen nicht auch auf die Phase der Stilllegung, des Rückbaus und der Verpackung bezieht . Eine umfassendere Nachhaftungsregelung konn- te leider mit dem Koalitionspartner nicht vereinbart wer- den . Mit den atomgesetzlichen Änderungen wird die Op- tion des sogenannten sicheren Einschlusses nahezu ab- geschafft . Die Ausschließlichkeit des Rückbaus hat die SPD seit langem gefordert . Erst in der vergangenen Woche hat das Bundesver- fassungsgericht den politisch in Abwägung mit Ge- sundheits- und Umweltschutzbedarfen entschiedenen Atomausstieg als im Wesentlichen verfassungskonform beschieden . Allein vor diesem Hintergrund erwarte ich von den Atomkonzernen die Rücknahme aller im Zusam- menhang mit Atomenergienutzung zusammenhängenden Klagen, auch solcher, die von den jüngsten Ankündigun- gen der Konzerne nicht erfasst sind . Es entspricht mei- nem parlamentarischen Selbstverständnis, dass im Fall eines Aufrechterhaltens von Klagen vonseiten der Kon- zerne und einer sich hierüber zulasten der Allgemeinheit verschlechternden Vermögenssituation eine Neuberech- nung der Kostenlasten vorzunehmen wäre . Es entspricht auch der mit einem Entschließungsantrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen – Aus- schussdrucksache 18(9)1073 – erklärten Erwartungshal- tung gegenüber der Bundesregierung, die Rücknahme aller Klagen zu erreichen . Der Entschließungsantrag bringt zudem die Erwar- tungshaltung zum Ausdruck, dass die Geldanlage des Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 20987 (A) (C) (B) (D) einzurichtenden Fonds nachhaltig erfolgt, dass die Mittel nicht in Projekten oder Anlagen Verwendung finden, die dem übergeordneten Willen des Gesetzgebers zuwider- laufen, die Nutzung der Atomenergie zu beenden . Hier- für hatte sich die SPD-Fraktion eingesetzt . Ich bedaure, dass unser Koalitionspartner diesbezüglich keiner ge- setzlichen Regelung zustimmen wollte . Während des parlamentarischen Verfahrens ist es ge- lungen, die Beteiligung des Parlaments für den weiteren Prozess, etwa in der Zusammensetzung des Kuratoriums zur Begleitung des Fonds und dessen Einrichtung, zu ge- währleisten . In Bezug auf die Einsetzung von Kommissionen im Vorfeld parlamentarischer Beratungen hat sich die Kom- mission zur Überprüfung der Finanzierung des Kern- energieausstiegs (KFK) als ein hilfreiches Instrument erwiesen, einen Rechtsfrieden auch im Sinne anderer zivilgesellschaftlicher Akteure herzustellen . Zugleich dürfen außerparlamentarische Kommissionen nicht zur faktischen Eingrenzung parlamentarischer Gestaltung führen, wenn etwa bereits ein Regierungsentwurf von Bindungswirkung in Bezug auf die Einstimmigkeit eines Kommissionsbeschlusses gekennzeichnet ist . Dies wird dem parlamentarischen Beratungsprozess, den hiesigen öffentlichen Anhörungen, aber auch den einzelnen Ab- geordneten nicht gerecht und gefährdet nicht zuletzt die Bedeutung der parlamentarisch-repräsentativen Demo- kratie . Nach meiner Überzeugung sollten Kommissionen der hier eingesetzten Form nur in absoluten Ausnahme- fällen eingesetzt werden, wenn der Fokus einzubeziehen- der Expertise dies über die Thematik und die Dauer so- wie den Hergang einer öffentlichen Auseinandersetzung rechtfertigt . In einer Gesamtbetrachtung begrüße ich, dass mit dem vorliegenden Gesetz ein Mehr an Rechtssicherheit für die Kostentragung im Zusammenhang der Abwicklung der Atomenergienutzung geschaffen wird, und stimme dem Gesetzentwurf von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen zu . Ronja Kemmer (CDU/CSU): Ich begrüße aus- drücklich, dass mit dem KFK-Gesetz die operative und finanzielle Verantwortung für Zwischen- und Endlage- rung der kerntechnischen Anlagen zwischen Kernkraft- werksbetreibern und Bund neu geregelt wird . Wir setzen das Verursacherprinzip um, machen es zukunftsfest und schaffen Planungssicherheit . Auch das Ziel des Nach- haftungsgesetzes begrüße ich ausdrücklich . Energiever- sorger dürfen sich nicht durch Umstrukturierungen von der Haftung für die Kosten des Rückbaus, der Zwischen- und Endlagerung befreien . Allerdings erkläre ich hiermit ausdrücklich, dass ich die sich eventuell ergebende Haf- tungserweiterung im Falle der Energie Baden-Württem- berg AG auf die Anteilseigner, den Zweckverband Ober- schwäbische Elektrizitätswerke (OEW) und das Land Baden-Württemberg, ablehne . Ich halte diese Haftungs- erweiterung für nicht im Sinne des ursprünglichen Ge- setzesgedankens, da dadurch eine neue, bis dahin nicht vorhandene Haftung entsteht . Ich stimme dem Gesetzentwurf zu . Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute habe ich dem „Gesetz zur Neuregelung der Verantwor- tung in der kerntechnischen Entsorgung“ im Bundestag zugestimmt . Dieses neue Gesetz stellt sicher, dass die Atomkonzer- ne für die Beseitigung des hochgefährlichen Atommülls auch wirklich zahlen . Warum war dazu ein Gesetz nötig? Jahrelang haben die Konzerne steuerliche Rückstel- lungen für die Entsorgung und Lagerung des Atommülls in Höhe von 17 Milliarden Euro getätigt, die aber bislang nur in den Bilanzen, also auf dem Papier, stehen . Die Veränderungen am Energiemarkt haben die Kon- zerne inzwischen – selbstverschuldet – so geschwächt, dass große Umstrukturierungen anstehen . Sollte es hier zu Auslagerungen oder gar Insolvenzen kommen, wären die rückgestellten Beträge erheblich ge- fährdet, und am Ende drohen die Kosten am Steuerzahler hängen zu bleiben . Die Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs (KFK) war sich einig, dass die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Konzerne künftig noch in der Lage sind, die anfallenden Kosten tatsächlich zu tragen, bei bestenfalls 50 Prozent liegt . Ich bin der Meinung, dass man in so einer Situation handeln und das vorhandene Geld sichern muss . Das haben wir Grüne schon seit vielen Jahren gefordert . Tut man das nicht, läuft man Gefahr, das Verursacherprinzip dadurch auszuhebeln, dass beim Verursacher nichts mehr zu holen ist, weil er als juristische Person nicht mehr exis- tiert oder nicht mehr genug Substanz vorhanden ist . Ich halte deshalb den von der KFK vorgeschlagenen Weg für richtig, um die bisherigen Rückstellungen der Konzerne zu retten und unter öffentliche Kontrolle zu bringen . Für Stilllegung und Rückbau werden die Unterneh- men bis 2040 rund 60 Milliarden Euro aufwenden müs- sen . Ihre Rückstellungen dafür werden sie künftig trans- parent mit liquiden Mitteln unterlegen müssen . Dies wird von Bundesregierung und Bundestag überprüft . Ihre Rückstellungen von bisher gut 17 Milliarden für die Finanzierung von Zwischen- und Endlagerung des Atommülls müssen die Konzerne komplett an den Staat in bar übertragen . Dazu kommt ein zusätzlicher Risiko- aufschlag von 35 Prozent, um künftige Risiken abzude- cken . Es wird so ein fast 24 Milliarden starker öffent- lich-rechtlicher Fonds gebildet . Darüber hinaus wird eine neue gesetzliche Nach- haftung von herrschenden Unternehmen für von ihnen beherrschte Betreibergesellschaften eingeführt . Das bedeutet, dass hier der Mutterkonzern auch für die Ver- pflichtungen einer insolventen Tochterfirma haftet, was im deutschen Insolvenzrecht so sonst nicht vorgesehen ist . Das ist also ebenfalls wichtig, um das Risiko für den Steuerzahler möglichst gering zu halten . Diese Nachhaf- tung erfasst die Kosten von Stilllegung und Rückbau der Kernkraftwerke, die fachgerechte Verpackung der Ab- fälle und die Zahlungspflichten an den einzurichtenden Fonds . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201620988 (A) (C) (B) (D) Dass die finanziellen Risiken im Hinblick auf die Entsorgung des Atommülls niemals vollständig und in Gänze aus dem Weg geräumt werden können, versteht sich bei diesem unabsehbaren Risiko von selbst . Umso wichtiger ist es, zu verhindern, dass sich die Verursacher am Ende aus dem Staub machen und die Allgemeinheit mit den Kosten allein lassen . So wie das Gesetz heute beschlossen wurde, ist es eine gute Grundlage, um die Finanzierung der Atommüllend- lagerung soweit wie möglich zu sichern . Im Zuge der Debatte um den Gesetzentwurf konnten die Atomkonzerne außerdem dazu bewegt werden, 20 der verbliebenen 22 Klagen im Atomsektor zurückzuzie- hen, darunter auch die Klage gegen verschiedene Lan- desregierungen bezüglich des im Jahr 2011 verhängten Moratoriums für sechs besonders anfällige AKW . Über zwei verbleibende Klagen, die nicht unmittelbar mit der Entsorgungsfinanzierung zusammenhängen, wird weiter zu verhandeln sein . Ulli Nissen (SPD): Mit der heutigen Entscheidung geht unser Parlament den historischen Schritt einer Neu- ordnung der Verantwortung und damit auch Finanzie- rung der Atomenergie-Folgelasten . Zwar liegt im Sinne des Verursacherprinzips die Verantwortung zur Abwick- lung der Atomenergienutzung richtigerweise grundsätz- lich bei den Betreibern von Atomkraftwerken und den betreffenden Energiekonzernen . Letztlich wird aber die Allgemeinheit zur Verantwortung gezogen, wenn die Betreiber etwa durch Konzernaufspaltungen oder Insol- venzen nicht mehr zur Haftung herangezogen werden können . Zugleich muss uns bewusst sein, dass über Jahr- zehnte unterbliebene Vorsorge nachträglich kaum mehr erfüllbar ist . Während mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz die ökonomische Verantwortung von Stilllegung, Rück- bau und Verpackung beim Betreiber verbleibt, geht die Verantwortung für Zwischenlagerung und Endlagerung auf den Staat über, insofern die hierfür nun gesetzlich for- mulierten Voraussetzungen erfüllt werden . Die langfris- tig währende Verantwortung für die Zwischenlagerung und Endlagerung wird dabei über einen öffentlich-recht- lichen Fonds getragen, der vonseiten der Betreiber mit einem Vermögen von insgesamt 23,556 Milliarden Euro auszustatten sein wird . Mit den Regelungen zur Nachhaftung verhindern wir die Enthaftung der Konzerne durch Betreiberinsolvenzen oder Konzernaufspaltungen . Die Verabschiedung eines Nachhaftungsgesetzes bereits im letzten Jahr war von- seiten der CDU/CSU trotz erfolgten Kabinettsbeschlus- ses verhindert worden . Umso wichtiger ist es, dass eine Nachhaftungsregelung nun mit verabschiedet wird . Kri- tisch betrachte ich dabei, dass sich die Nachhaftung bei Konzernaufspaltung nur auf den Bereich der Zwischen- und Endlagerung, hingegen nicht auch auf die Phase der Stilllegung, des Rückbaus und der Verpackung bezieht . Auf eine umfassendere Nachhaftungsregelung konnte sich leider nicht geeinigt werden . Mit den atomgesetzlichen Änderungen wird die Op- tion des sogenannten sicheren Einschlusses nahezu ab- geschafft . Die Ausschließlichkeit des Rückbaus hat die SPD seit langem gefordert . Erst in der vergangenen Woche hat das Bundesver- fassungsgericht entschieden, dass der Atomausstieg im Wesentlichen verfassungskonform war . Allein vor die- sem Hintergrund erwarte ich von den Atomkonzernen die Rücknahme aller im Zusammenhang mit Atomener- gienutzung zusammenhängenden Klagen, auch solcher, die von den jüngsten Ankündigungen der Konzerne nicht erfasst sind . Es entspricht meinem parlamentarischen Selbstverständnis, dass im Fall eines Aufrechterhaltens von Klagen vonseiten der Konzerne und einer sich hie- rüber zulasten der Allgemeinheit verschlechternden Vermögenssituation eine Neuberechnung der Kosten- lasten vorzunehmen wäre . Es entspricht auch der mit einem Entschließungsantrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen – Ausschussdrucksa- che 18(9)1073 – erklärten Erwartungshaltung gegenüber der Bundesregierung, die Rücknahme aller Klagen zu erreichen . Der Entschließungsantrag bringt zudem die Erwar- tungshaltung zum Ausdruck, dass die Geldanlage des einzurichtenden Fonds nachhaltig erfolgt, dass die Mittel nicht in Projekten oder Anlagen Verwendung finden, die dem übergeordneten Willen des Gesetzgebers zuwider- laufen, die Nutzung der Atomenergie zu beenden . Hier- für hatte sich die SPD-Fraktion eingesetzt . Ich bedaure, dass unser Koalitionspartner diesbezüglich keiner ge- setzlichen Regelung zustimmen wollte . Während des parlamentarischen Verfahrens ist es ge- lungen, die Beteiligung des Parlaments für den weiteren Prozess, etwa in der Zusammensetzung des Kuratoriums zur Begleitung des Fonds und dessen Einrichtung, zu ge- währleisten . In Bezug auf die Einsetzung von Kommissionen im Vorfeld parlamentarischer Beratungen hat sich die Kom- mission zur Überprüfung der Finanzierung des Kern- energieausstiegs (KFK) als ein hilfreiches Instrument erwiesen, einen Rechtsfrieden auch im Sinne anderer zivilgesellschaftlicher Akteure herzustellen . Zugleich dürfen außerparlamentarische Kommissionen nicht zur Eingrenzung parlamentarischer Gestaltung führen, wenn etwa bereits ein Regierungsentwurf von Bin- dungswirkung in Bezug auf die Einstimmigkeit eines Kommissionsbeschlusses gekennzeichnet ist . Dies wird dem parlamentarischen Beratungsprozess, den hiesigen öffentlichen Anhörungen, aber auch den einzelnen Ab- geordneten nicht gerecht und gefährdet nicht zuletzt die Bedeutung der parlamentarisch-repräsentativen Demo- kratie . Nach meiner Überzeugung sollten Kommissionen der hier eingesetzten Form nur in absoluten Ausnahme- fällen eingesetzt werden, wenn der Fokus einzubeziehen- der Expertise dies über die Thematik und die Dauer so- wie den Hergang einer öffentlichen Auseinandersetzung rechtfertigt . In einer Gesamtbetrachtung begrüße ich, dass mit dem vorliegenden Gesetz ein Mehr an Rechtssicherheit für die Kostentragung im Zusammenhang der Abwicklung der Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 20989 (A) (C) (B) (D) Atomenergienutzung geschaffen wird, und stimme dem Gesetzentwurf von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen zu . Josef Rief (CDU/CSU): Ich begrüße ausdrücklich, dass mit dem KFK-Gesetz die operative und finanziel- le Verantwortung für Zwischen- und Endlagerung der kerntechnischen Anlagen zwischen Kernkraftwerksbe- treibern und Bund neu geregelt wird . Wir setzen das Ver- ursacherprinzip um, machen es zukunftsfest und schaffen Planungssicherheit . Auch das Ziel des Nachhaftungsge- setzes begrüße ich ausdrücklich . Energieversorger dürfen sich nicht durch Umstrukturierungen von der Haftung für die Kosten des Rückbaus, der Zwischen- und Endlage- rung befreien . Allerdings erkläre ich hiermit ausdrück- lich, dass ich die sich eventuell ergebende Haftungser- weiterung im Falle der Energie Baden-Württemberg AG auf die Anteilseigner Zweckverband Oberschwäbische Elektrizitätswerke (OEW) und das Land Baden-Würt- temberg ablehne . Ich halte diese Haftungserweiterung für nicht im Sinne des ursprünglichen Gesetzesgedan- kens, da dadurch eine neue, bis dahin nicht vorhandene Haftung entsteht . Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): Ich stim- me dem Gesetzentwurf zu und begrüße ausdrücklich, dass mit dem KFK-Gesetz die operative und finanziel- le Verantwortung für Zwischen- und Endlagerung der kerntechnischen Anlagen zwischen Kernkraftwerks- betreibern und Bund neu geregelt wird . Wir setzen das Verursacherprinzip um, machen es zukunftsfest und schaffen Planungssicherheit . Auch das Ziel des Nach- haftungsgesetzes begrüße ich ausdrücklich . Energie- versorger dürfen sich nicht durch Umstrukturierun- gen von der Haftung für die Kosten des Rückbaus, der Zwischen- und Endlagerung befreien . Allerdings erkläre ich hiermit ausdrücklich, dass ich die sich eventuell ergebende Haftungserweiterung im Falle der Energie Baden-Württemberg AG auf die Anteilseig- ner, den Zweckverband Oberschwäbische Elektrizi- tätswerke (OEW) und das Land Baden-Württemberg, ablehne . Ich halte diese Haftungserweiterung für nicht im Sinne des ursprünglichen Gesetzesgedankens, da dadurch eine neue, bis dahin nicht vorhandene Haf- tung entsteht . Anlage 6 Erklärung der Abgeordneten Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) zu der Abstimmung über die Entschließung un- ter Buchstabe c der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie zu dem von den Fraktionen CDU/CSU, SPD und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf ei- nes Gesetzes zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung (Tagesord- nungspunkt 3) Namens der Fraktion Die Linke erkläre ich: Unser Votum zu Buchstabe c der Beschlussempfehlung lautet Ablehnung . Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt, Katja Dörner, Katja Keul und Claudia Roth (Augsburg) (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der nament- lichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkräfte am NATO-geführ- ten Einsatz Resolute Support für die Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen na- tionalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Ta- gesordnungspunkt 9) Die Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundes- wehr gehört zu den schwierigsten Entscheidungen, die Abgeordnete des Deutschen Bundestages zu treffen ha- ben . Der Einsatz von Militär kann immer nur äußerstes Mittel zur Gewalteindämmung und Friedenssicherung sein . Militär kann bestenfalls ein Zeitfenster für Krisen- bewältigung schaffen, nicht aber den Frieden selbst . In Afghanistan gab es jahrelang eine Dominanz mili- tärischer Zielsetzungen gegenüber zivilen Lösungsansät- zen und ein fehlendes entwicklungspolitisches Konzept . Schon seit langem war klar, dass die Strategie, vorrangig mit militärischen Mitteln eine Friedenslösung erzwingen zu wollen, gescheitert ist . Ein stabiler und dauerhafter Frieden kann nur über den Verhandlungsweg erreicht werden . Die Capture-or-Kill-Operationen und die geziel- ten Tötungen durch Drohnenangriffe der USA forderten immer wieder zivile Opfer und haben das Vertrauen der afghanischen Bevölkerung in die internationale Präsenz untergraben . Eine politische Lösung wurde dadurch in den letzten Jahren enorm erschwert . Die Bundesregierung behauptet, dass es sich bei der seit 2015 eingesetzten NATO-Mission Resolute Support nicht um einen Kampfeinsatz handele, sondern um eine Ausbildungs- und Trainingsmission für die afghanischen Sicherheitskräfte . Tatsächlich ist jedoch das Verhältnis zwischen Ausbildung und Training sowie einer mög- lichen Beteiligung an der Aufstandsbekämpfung nicht eindeutig geklärt . Eine Begleitung von afghanischen Truppen in Kampfeinsätze wird im vorgelegten Mandat der Bundesregierung nicht ausdrücklich ausgeschlos- sen . Darüber hinaus dürfen seit Juni 2016 US-Truppen wieder an Kampfeinsätzen zur offensiven Aufstandsbe- kämpfung teilnehmen . Dies hatte US-Präsident Obama erlaubt, nachdem er Ende 2014 zunächst alle offensiven US-Kampfeinsätze in Afghanistan für beendet erklärt hatte . Da US-Soldatinnen und -Soldaten nun zwischen Counter-Insurgency-Operationen und Ausbildung ein- fach hin- und herwechseln können, ist eine klare Ab- grenzung zwischen Kampfeinsatz und Ausbildung in der Praxis nur noch schwer möglich . Eine Verstrickung deut- scher Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten in Operati- onen offensiver Aufstandsbekämpfung, die wir grund- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201620990 (A) (C) (B) (D) sätzlich ablehnen, kann somit nicht mehr ausgeschlossen werden . Nachdem die NATO zweimal die gesetzten Abzugs- termine, mit denen auch für Akzeptanz in der Bevölke- rung geworben wurde, nicht eingehalten hat, wurde auf dem NATO-Gipfel in Warschau im Juni 2016 vereinbart, den Afghanistan-Einsatz zeitlich nicht mehr zu befristen . Dadurch droht ein langjähriger, nicht absehbarer Einsatz in Afghanistan mit Verwicklung in Kämpfe und ohne eine Exit-Strategie . Ein solches zeitlich unbegrenztes NATO-Mandat halten wir für falsch . Gleichzeitig müssen aber auch die positiven Entwick- lungen in Afghanistan mit viel Geduld und ausreichend finanziellen Mitteln gesichert werden. Afghanistan wird auch noch in den nächsten Jahrzehnten auf internationale Unterstützung angewiesen sein . Deshalb dürfen wir nicht nachlassen, unsere humanitären und entwicklungspoliti- schen Verpflichtungen gegenüber Afghanistan weiter zu erfüllen . Darüber hinaus ist eine Fortführung der politi- schen Verhandlungen zwischen der afghanischen Regie- rung und den Taliban notwendig . Ein stabiler und dau- erhafter Frieden in Afghanistan kann letztlich nur über den Verhandlungsweg erreicht werden . Die Strategie, Af- ghanistan militärisch zu befrieden, ist bisher gescheitert und auch für die Zukunft nicht sinnvoll, sondern falsch . Deshalb lehnen wir dieses Mandat ab . Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Annalena Baerbock und Luise Amtsberg (beide BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Be- teiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am NATO-geführten Einsatz Resolute Support für die Ausbildung, Beratung und Unterstützung der af- ghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicher- heitskräfte (Tagesordnungspunkt 9) Knapp zwei Jahre nach Abzug der ISAF-Kampftrup- pen gibt es in Afghanistan kein sicheres Umfeld für die Bevölkerung, geschweige die Regierung, ihre Bedienste- ten und internationale Helfer . Die Sicherheitslage in Af- ghanistan hat sich in den vergangenen Monaten weiter massiv verschlechtert . Die Taliban und andere aufstän- dische Gruppen verüben weiter ohne jede Rücksicht auf die Zivilbevölkerung grausame Attentate und Attacken . Im Oktober 2016 gelang es den Taliban zum dritten Mal innerhalb der letzten zwei Jahre, strategische Punkte der Provinzhauptstadt Kunduz vorübergehend zu kon- trollieren . Am 10 . November 2016 forderten der schreck- liche Sprengstoffangriff auf das deutsche Generalkonsu- lat und die anschließenden Kämpfe mit den Angreifern in Masar-i-Scharif vier Todesopfer und 128 teilweise schwer Verletzte . Das Konsulatspersonal wird nun im Camp Marmal der Bundeswehr untergebracht . Das deut- sche Konsulat in Masar wird nach derzeitigem Stand nicht wiedereröffnet werden . Die Opferzahlen unter Zivilpersonen und afghani- schen Sicherheitskräften sind so hoch wie nie seit 2001 . Im ersten Halbjahr 2016 erreichte die Gesamtzahl der Zivilopfer im Kontext des bewaffneten Konflikts mit 5 166, davon 1 601 Tote und 3 565 Verletzte, einen neuen Höchstwert . Gerade die Anzahl von Kindern unter den Opfern steigt dramatisch an, nicht zuletzt auch durch komplexe und Suizidattacken – 62 Prozent davon in Ka- bul . Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die Frage, in- wieweit die Aufbau- und Entwicklungsunterstützung so weiterlaufen kann . Wir haben uns immer klar dazu be- kannt, dass Deutschland langfristig in Afghanistan enga- giert bleiben muss . Vor allem mit ziviler Hilfe und wirt- schaftlichem Engagement . Wenn diese ohnehin bereits massiv zurückgefahrene Hilfe weitergeführt werden soll und die afghanischen Sicherheitskräfte den Bürgerinnen und Bürgern – nach dem Abzug von ISAF, der rückbli- ckend vor allem an den eigenen Interessen und ohne jede Rücksicht auf die tatsächliche Lage, auf die Afgha- nen, ihre Bevölkerung und Sicherheitskräfte durchführt würde – überhaupt Schutz geben sollen, halten wir eine Beendigung der Ausbildungshilfe durch die Bundeswehr im Rahmen der Resolute Support Mission (RSM) in der jetzigen Situation für den falschen Weg . Die Bundeswehr kämpft nach den Vorgaben des jet- zigen Mandates nicht, sondern berät und unterstützt, wo es nötig ist . Wenn die afghanischen Sicherheitskräfte den Bürgerinnen und Bürgern wirksamen Schutz bieten sol- len, dann ist mehr notwendig als der Aufbau einer zah- lenmäßig großen Armee in kurzer Zeit . Für den Aufbau effektiver und legitimer Sicherheitskräfte braucht es ei- nen langen Atem und einen kurzen Draht zu ihnen . Dabei darf man sich keine Illusionen über die unmit- telbaren Auswirkungen der Mission auf die Sicherheits- lage machen . Der Hoffnung, Resolute Support könne einen kleinen und notwendigen Beitrag zum Schutz der Zivilbevölkerung und der Aufbauhilfe leisten, stehen die grundsätzlichen Bedenken über die Wirkungsmög- lichkeit der Ausbildungsmission unter den herrschenden politischen Rahmenbedingungen gegenüber: Trotz lang- jähriger intensiver Ausbildungsbemühungen gibt es im- mer wieder Hinweise – und zwar nicht allzu wenige – auf Korruption, Desertion und Gewalt innerhalb der afghani- schen Sicherheitskräfte . Zudem kommt es nach wie vor zu gravierenden militärischen Fehlentscheidungen . Die politische Führung des Landes ist zerrissen und hat mit ihrer inneren Konsensunfähigkeit, die tribalisti- sche Züge hat, das Vertrauen großer Bevölkerungsteile verloren . Ohne die Rahmenbedingungen einer guten politischen Führung kann jedoch die Ausbildung von Sicherheitskräften genauso wenig Erfolg haben wie die Entwicklung des Landes . Auf dieses Problem haben der- zeit weder die VN noch die EU eine Antwort . Dies beein- trächtigt die Arbeit von Resolute Support . Während die Bundesregierung betont, im Rahmen von RSM nur Ausbildung zu betreiben, machen andere Staa- ten wie die USA diese Festlegung explizit nicht . Die USA gehen im Rahmen dieses Mandates, aber auch außerhalb dessen mit Drohnenangriffen und Capture-or-Kill-Ope- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 20991 (A) (C) (B) (D) rationen weiter gegen die Taliban vor . Das deutsche En- gagement darf sich nicht von solchen Interpretationen leiten lassen . Nichtsdestotrotz kommen wir in der Abwägung zwi- schen diesen verheerenden Entwicklungen und dem Fakt, dass die Forderung nach dem Schutz der Zivilbevölke- rung, der Förderung des zivilen Aufbaus, der Unterstüt- zung der Zivilgesellschaft und der Frauenrechtsgruppen ohne Basissicherheit zum bloßen Lippenbekenntnis ver- kommt, zu dem Schluss, dass man die Mission nicht be- enden sollte . Allerdings können wir diesem Mandat der deutschen Bundesregierung zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht ein- fach zustimmen . Denn die Bundesregierung formuliert im Rahmen ihres Mandates klar, wie schwierig und ge- fährlich die Lage in Afghanistan ist und dass man des- halb den Militäreinsatz verlängern müsse . Zeitgleich er- klärt dieselbe Bundesregierung jedoch, dass große Teile des Landes so sicher seien, dass just in diesem Moment Männer, Frauen und Kinder in genau dieses Land abge- schoben werden . Dieser Widerspruch könnte nicht grö- ßer sein . Eine halbe Million neuer Binnenvertriebener ist gerade von den Vereinten Nationen in Afghanistan regis- triert worden . Das zeigt die Dramatik der Lage . Einerseits zu Recht zu erklären, wie dramatisch die Lage vor Ort sei, andererseits aber Abschiebungen und Rückführungen zu verfolgen und das obendrein dann noch daran zu koppeln, dass in Zukunft Entwicklungszu- sammenarbeit nur gibt, wenn Afghanistan mehr Flücht- linge zurücknimmt, das passt für mich nicht zusammen . Das ist zynisch . Vor diesem Hintergrund enthalten wir uns bei diesem deutschen Mandat . Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Kerstin Griese und Ute Vogt (beide SPD) zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am NATO-geführten Einsatz Reso- lute Support für die Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen nationalen Ver- teidigungs- und Sicherheitskräfte (Tagesordnungs- punkt 9) Den Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes unterstützen wir . Gleichzeitig kritisieren wir die derzeit stattfindenden Abschiebungen von Flüchtlingen nach Afghanistan. In Afghanistan fin- den in einigen Landesteilen weiterhin täglich Kämpfe statt . Der Deutsche Bundestag beschließt eine Fortset- zung des Einsatzes, mit dem Bundeswehr-Soldaten in das Land geschickt werden, um den Frieden zu sichern . Das Auswärtige Amt warnt vor Reisen nach Afghanistan, da sich Reisende der „Gefährdung durch terroristisch oder kriminell motivierte Gewaltakte“ bewusst sein müssten . Wir halten Abschiebungen nach Afghanistan in der aktu- ellen Situation für gefährlich und lehnen sie ab . Anlage 10 Erklärungen nach § 31 GO zu der namentlichen Abstimmung über die Be- schlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräf- te am NATO-geführten Einsatz Resolute Support für die Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (Tagesordnungspunkt 9) Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Ich stimme mit Nein, weil der Bundeswehreinsatz in Afghanistan nicht zum Frieden beigetragen hat . Er hat den Terror nicht bekämpfen können . Das Scheitern der NATO-Politik schlägt sich vor allem in der militärischen Lage nieder, die von steigenden Opferzahlen, Anschlägen und Kämp- fen geprägt ist . Darum werde ich aus den genannten Gründen gegen diesen Einsatz stimmen . Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bundeswehr befindet sich seit über einem Jahrzehnt im Einsatz in Afghanistan . So, wie sich die Lage in Afgha- nistan mehrfach geändert hat, hat sich auch der Charakter dieses Einsatzes immer wieder gewandelt . Die Beendi- gung des ISAF-Einsatzes und des Kampfauftrages der Bundeswehr in Afghanistan war daher richtig und bleibt ein wichtiger Schritt, um die afghanischen Sicherheits- kräfte selbst in Verantwortung für ihr Land zu bringen . Mit dem Folgemandat und dem Einsatz Resolute Support nimmt die Bundeswehr die Rolle einer Ausbilderin und Unterstützerin der afghanischen Sicherheitskräfte ein . Gerade weil die Sicherheitslage in Afghanistan nach wie vor fragil ist, erachte ich es als richtig und notwendig, dass eine solche Unterstützung auch weiterhin sicher- gestellt wird . Niemand weiß, wie sich die Situation im Land in den nächsten Jahren entwickeln wird und ob es gelingt, einen dauerhaften Frieden in Afghanistan – auch und gerade mit diplomatischen Mitteln – zu erreichen . Sollten die internationale Gemeinschaft und die Bundes- wehr die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte jetzt beenden, würden die Chancen für ziviles Engage- ment und eine langfristige friedvolle Entwicklung des Landes genommen werden . Es bedarf eines langfristigen Engagements der inter- nationalen Gemeinschaft, vor allem mit ziviler Hilfe und wirtschaftlichem Engagement, damit sich Afghanistan weiterentwickeln kann . Dies kann jedoch nur in einem sicheren Umfeld stattfinden. Die afghanischen Sicher- heitskräfte sind noch nicht in der Lage, alleine für Si- cherheit zu sorgen . Dies hat der Angriff auf das deutsche Generalkonsulat in Masar-i-Scharif am 10 . November 2016 erneut gezeigt . Mit dieser Erkenntnis schwindet leider auch die Hoff- nung, dass wir uns rasch aus der Beraterrolle heraus- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201620992 (A) (C) (B) (D) ziehen und den Militäreinsatz in Afghanistan vollends beenden können . Ich erachte es vor diesem Hintergrund als wichtig, Afghanistan durch Ausbildung weiter zu un- terstützen . Auch wenn wir die Militärintervention in Af- ghanistan in Gänze äußerst kritisch betrachten, wäre es in der heutigen konkreten Situation Afghanistans nicht dienlich, die Ausbildungsmission der Bundeswehr zu be- enden . Mit meiner Zustimmung will ich zum Ausdruck brin- gen, dass wir den Menschen in Afghanistan zur Seite stehen und verlässlich Unterstützung zukommen lassen wollen . Perspektivisch ist es mir ein wichtiges Anliegen, dass die afghanischen Kräfte in eigener Verantwortung für Sicherheit sorgen können, sodass die afghanische Be- völkerung in Frieden leben kann . Viele Menschen, die täglich aus dem Haus gehen in der Ungewissheit, ob sie am Abend ihre Familien wiedersehen, diese Menschen – insbesondere die junge Generation – wollen ihr Land aufbauen und haben die Hoffnung, dass Afghanistan eine bessere Zukunft haben kann . Dies ist auch eine Grundvo- raussetzung dafür, dass Menschen in Afghanistan bleiben können und nicht zur Flucht gezwungen werden . Ich stimme daher dem Antrag der Bundesregierung zu . Anlage 11 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) zu der Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Manipulationen an di- gitalen Grundaufzeichnungen (Zusatztagesord- nungspunkt 4 a) Entgegen allen Beteuerungen, Steuerbetrug in Deutschland bekämpfen zu wollen, wollten CDU und CSU zunächst kein Gesetz, jedenfalls kein Gesetz, das hilft, Kassenbetrug wirksam zu verhindern und zu ahn- den . Dabei geht es um zweistellige Milliardenbeträge pro Jahr, um Betrug gegenüber allen fair Steuern zah- lenden Bürgerinnen und Bürgern . Es waren die Finanz- minister der SPD-geführten Bundesländer, vornehmlich der Finanzminister aus NRW, Norbert Walter-Borjans, und Andreas Schwarz, SPD Bundestagskollege im Fi- nanzausschuss, die den Umsatzsteuerbetrug öffentlich gemacht und den Druck in Richtung Gesetzgebung stetig erhöht haben. Schließlich wurde im Bundesfinanzminis- terium (BMF) ein Referentenentwurf erarbeitet, ein Re- ferentenentwurf der besonderen Art: ein Gesetzentwurf mit leerem Anwendungsbereich, also ein Gesetzentwurf, der sicherstellt, dass der Betrug bis auf weiteres in al- tem Stil möglich ist . Obwohl es eine von der Physika- lisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) entwickelte Si- cherheitslösung (INSIKA) gibt, wurde im Gesetz – unter Ausschluss der existierenden Lösung – eine künftig noch von Unternehmen zu entwickelnde Softwarelösung vorgeschrieben – ohne zu wissen, bis wann die Indus- trie solche Lösungen entwickelt haben wird . Erst im Jahr 2020 besteht dann die Möglichkeit, die schon exis- tierende Technik einzusetzen, falls sich die Hoffnung auf eine künftige Lösung nicht erfüllt . Wie das Bundesministerium der Finanzen haben auch CDU/CSU die Einführung des INSIKA-Verfahrens blo- ckiert . Die Ablehnung des BMF konnte nicht fachlich be- gründet werden, sie scheint eher auf verwaltungsinternen Befindlichkeiten zu beruhen. So fehlt dem Gesetz nun ein definierter Anwendungsbereich. Das ist nicht zufrie- denstellend . Aus diesem Grund hat der Finanzausschuss, den Anregungen von Ralph Brinkhaus – stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU Bundestagsfrak- tion – und Andreas Schwarz als SPD-Berichterstatter folgend, die Ermächtigung des BMF, eine Rechtsver- ordnung zu erlassen, unter den Zustimmungsvorbehalt des Bundestages gestellt und in Artikel 1 Nummer 3 den §146a wie folgt geändert: „(2) Das Bundesministerium der Finanzen wird er- mächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates und im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern und dem Bun- desministerium für Wirtschaft und Energie Folgendes zu bestimmen: 1 . die elektronischen Aufzeichnungssysteme, die über eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung verfügen müssen, und 2 . die Anforderungen an a . das Sicherheitsmodul, b . das Speichermedium, c . die einheitliche digitale Schnittstelle, d . die elektronische Aufbewahrung der Aufzeich- nungen, e . die Protokollierung von digitalen Grundauf- zeichnungen zur Sicherstellung der Integrität und Authentizität sowie der Vollständigkeit der elektronischen Aufzeichnung, f . den Beleg, e. die Zertifizierung der technischen Sicherheits- einrichtung Die Erfüllung der Anforderungen nach Satz 1 Num- mer 2 Buchstabe a bis c ist durch eine Zertifizierung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik nachzuweisen, die fortlaufend aufrechtzuerhalten ist .“ INSIKA ist die Abkürzung von „Integrierte Sicher- heitslösung für messwertverarbeitende Kassensysteme“ . Es handelt sich um ein System zum Schutz der digitalen Aufzeichnungen von Bargeschäften gegen Manipulatio- nen auf der Basis von kryptografischen Verfahren, ins- besondere in Registrierkassen und Taxametern . INSIKA wird bereits erfolgreich im Taxigewerbe in Hamburg ein- gesetzt, die Wettbewerbsverzerrungen durch schwarze Schafe unter den Hamburger Taxiunternehmen sind wei- testgehend aufgehoben . Durch die Manipulationen elektronischer Aufzeich- nungen in Kassensystemen erleidet der Staat jedes Jahr einen immensen finanziellen Schaden. Der Bundesrech- nungshof schätzt die jährlichen Steuerausfälle auf bis zu Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 20993 (A) (C) (B) (D) 10 Milliarden Euro . Die Deutsche Steuergewerkschaft (DSTG) wie auch Länderfinanzministerien halten noch deutlich höhere Ausfälle für möglich . Bisher besteht kein gesetzlicher Rahmen, der die Korrektheit und Vollstän- digkeit dieser Kassendaten, genauer: der digitalen Grund- aufzeichnungen von steuerlich relevanten Geschäftsvor- fällen, sicherstellt . Daher ist es dringend notwendig, ein solches Gesetz zu schaffen . Aktuell existiert in Deutschland kein Registrierkas- senmodell, das nicht manipulierbar ist . Mithilfe von pas- sender Software ist es bisher möglich, eine vorgenom- mene Buchung in einem Kassensystem nachträglich zu verändern, sie zu löschen oder ihre Aufzeichnung von vornherein auszuschalten . So drückt beispielsweise der Besitzer einer Gaststätte am Abend eine Taste mit der Bezeichnung „Trainee“, und alle Umsätze eines Kellners sind auf immer vernichtet . Wenn in einem Betrieb gar keine Registrierkasse existiert, wird für den Betrug nicht einmal eine Soft- ware benötigt . Der Bundesrechnungshof gibt an, dass bei der Besteuerung von Bargeldgeschäften inzwischen ein strukturelles Vollzugsdefizit existiert. So kann zurzeit eine gleichmäßige Besteuerung bargeldintensiver Betrie- be nicht sichergestellt werden . Das schadet nicht nur dem Staat, allen Bürgerinnen und Bürgern, sondern vor allem auch den vielen einzel- nen steuerehrlichen Unternehmern, die dadurch unter massiven Wettbewerbsverzerrungen zu leiden haben . Gleichzeitig leiden steuerehrliche Unternehmen in bar- geldintensiven Branchen unter einem Generalverdacht, weil die Möglichkeiten der Finanzverwaltung, Betrug bei Bargeschäften aufzudecken, begrenzt sind und Prü- fungen deswegen lange dauern . Das führt zusätzlich zu einem hohen Bürokratieaufwand . Auch aus diesem Grund ist die Bundesregierung tätig geworden . Der vorliegende Gesetzentwurf ist dabei ein Schritt in die richtige Richtung . Er lässt jedoch weiter- hin Steuerschlupflöcher zu, weil sich unser Koalitions- partner CDU/CSU in den Verhandlungen gegen deren Schließung verwehrt hat . Das ist sehr ärgerlich, ist aber auch ein Beleg dafür, wie ernst es CDU und CSU mit der Bekämpfung von Kassenbetrug ist . Um den Steuerbetrug durch Kassenmanipulation ef- fektiv bekämpfen zu können, wäre ein wirksames Ge- samtkonzept notwendig, das die Finanzverwaltung in die Lage versetzte, Kassennachschauen und Prüfungen ohne großen Aufwand durchführen zu können . Dabei müssen die Bürokratiekosten für Unternehmen und Steu- erverwaltung niedrig gehalten werden . Deshalb hat die SPD-Fraktion folgende zusätzlichen Anforderungen an den Gesetzentwurf gestellt: Die Einführung einer Belegausgabepflicht, damit das Finanzamt schnell und einfach prüfen kann, ob Umsätze korrekt erfasst sind . Die Verwendung des sogenannten INSIKA-Verfah- rens als technische Lösung, da es bereits vorhanden, er- probt, sicher und kostengünstig ist . Die Einführung einer zentralen Kassenregistrierung, um das Risiko der Manipulation durch Zweitkassen zu minimieren . Die Einführung einer Kassenpflicht, mit Ausnahmen unter anderem für Kleinunternehmer, Sportfeste und Wo- chenmärkte . Und warum stimmen wir unter diesen Bedingungen zu? Weil es eine Belegausgabepflicht für elektronische Kassen ab dem Jahr 2020 – wichtig für die Gauner: nicht ab 2019, nicht ab 2018 und nicht ab 2017 – geben wird . Damit wird künftig ein wichtiges Instrument geschaffen, um Druck auf Steuerbetrüger aufzubauen . Das Entde- ckungsrisiko für den Betrüger erhöht sich . Ebenso wird es künftig möglich sein, elektronische Kassensysteme eindeutig zuordnen und mithilfe von Kassennachschauen oder Prüfungen Zweitkassen zu entdecken . Den Finanz- ämtern wird es ab 2018 möglich sein, unangemeldet Kas- sen zu prüfen – und damit immerhin zwei Jahre früher, als es im Gesetzentwurf des BMF vorgesehen war . Selbst hier war es nicht möglich, die unangemeldete Kassen- nachschau ab 2017 einzuführen . Auch die Einführung einer Kassenpflicht war leider aufgrund des Widerstands von CDU/CSU noch nicht möglich. Das hinterlässt ein Steuerschlupfloch. Die Ar- gumentation unseres Koalitionspartners, damit alle Un- ternehmer in bargeldintensiven Branchen unter Gene- ralverdacht zu stellen, ist falsch. Eine Kassenpflicht ist vielmehr ein Beitrag zur Unterstützung des ehrlichen Un- ternehmers, der aufgrund von betrügenden Konkurrenten Wettbewerbsnachteile erfährt . Ich verdächtige nur den Betrüger – der Ehrliche ist frei von Verdacht . Mit dem geplanten Gesetz gehen wir einen ersten und wichtigen Schritt und damit gegen Steuerbetrug bei Kassensystemen vor . Deshalb stimme ich dem Gesetz- entwurf zu . Ich möchte aber sehr deutlich machen, dass dieses Gesetz weiterentwickelt werden muss, damit die Steuerschlupflöcher, die nun offen bleiben, ebenfalls ge- schlossen werden können . Anlage 12 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Dr. Alexander S. Neu, Andrej Hunko, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Weichen für eine Europäische Union der Abrüstung und des Friedens stellen (Tagesord- nungspunkt 18) Robert Hochbaum (CDU/CSU): Deutschland hat es sich zur Aufgabe gemacht, international für den Frieden und die Menschenrechte einzustehen und gemeinsam mit unseren europäischen Partnern Verantwortung zu übernehmen . Dieser Kurs ist nicht nur das Produkt von Koalitionsverhandlungen . Denn auch in unserem Land mussten bereits andere Nationen für den Schutz unse- rer freiheitlichen, demokratischen Werte einstehen . Die jüngere Geschichte zeigt uns, dass der Friede in Euro- pa untrennbar mit einer vernünftigen Sicherheitspolitik Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201620994 (A) (C) (B) (D) verbunden ist . CDU und CSU werden die Sicherheit der deutschen Bevölkerung und jene unserer Partnerländer nicht auf Kosten einer bedingungslosen Friedenspolitik preisgeben . Unsere geltenden Rüstungskontrollverträge stehen natürlich nicht auf dem erträumten Fundament einer waf- fenfreien Welt, sondern basieren auf langjährigem zwi- schenstaatlichen Vertrauen . Mit Blick auf Russland muss ich sagen, dass dieses Vertrauen auf eine sehr harte Probe gestellt wird . Von rückwärtsgewandten Schuldzuweisungen profitiert je- doch keine Seite . Der stetige Dialog, das unermüdliche Ringen um den Konsens am Verhandlungstisch sind un- sere erklärten Ziele . Dem gehen wir seit geraumer Zeit in verschiedenen Gremien entschlossen nach, allen voran unsere Bundeskanzlerin und unser Außenminister . Als Unterausschussvorsitzender kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung berichten, dass man Bestrebungen zu umfangreicher Abrüstung und Rüstungskontrolle von russischer Seite derzeit abwartend gegenübersteht, auf keinen Fall jedoch ablehnend . Das lässt hoffen . Im Inte- resse des Friedens bleibt auch allen Parteien keine andere Wahl . Die bestehenden Rüstungskontrollverträge zu sichern, ist nur ein Teil unserer Aufgabe . Langfristig müssen wir im Rahmen der OSZE-Verhandlungen ein wirksames Derivat zum KSE-Vertrag finden, eines, das die souverä- nen Interessen aller OSZE-Mitglieder auf einen gemein- samen Nenner bringt . Bundesaußenminister Steinmeier hat mit seiner Rüstungskontrollinitiative einen wichtigen Schritt unternommen . Niemand am Verhandlungstisch hat die Absicht, die Situation weiter zu verschärfen . Ge- nau diesen erkennbaren Willen gilt es aufzugreifen . Er ist zugleich die Chance auf den Erfolg des Minsker Ab- kommens und die notwendige Erneuerung des Wiener Dokuments . Mit der OSZE haben wir das geeignete Fo- rum, um die Gespräche zu vertiefen und an Lösungen zu arbeiten . Die Verhandlungen werden uns allerdings einen langen Atem abverlangen . Meine Damen und Herren, eines gilt es hervorzuhe- ben: Es sind die internationalen Teams der OSZE, die in den Krisengebieten, insbesondere als Teil der Sonder- mission im Donbass, oft unter Lebensgefahr wichtige Arbeit für die Friedensbemühungen leisten . Ihnen gilt unser Dank, denn sie stützen damit, Tag für Tag, aktiv den Frieden in Europa . Unser Minister Frank-Walter Steinmeier hat natürlich recht, wenn er beim Ministerrat in Hamburg die zahlrei- chen neuen Gefahren nennt, auf die sich die OSZE-Län- der einstellen müssen . Cyberkrieg, hybride Kriegs- führung, politische und religiöse Radikalisierung – die globalen Bedrohungen entwickeln sich weiter . Wir müs- sen uns darauf einstellen . Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, jetzt vor- schnell überzogene Forderungen zu stellen nach einem Stopp der zwingend notwendigen Rüstungsmodernisie- rungen in Deutschland bzw . Europa, fördert in keiner Weise all unsere diplomatischen Bemühungen . Wir müs- sen beharrlich an realistischen Lösungen arbeiten . Frie- den und Sicherheitspolitik gehen dabei Hand in Hand . Gerade der gegenseitige, partnerschaftliche Schutz ist es doch, der zur Vertrauensbildung und Gemeinschaft in- nerhalb Europas ganz maßgeblich beiträgt . Deutschland wird auch weiterhin diesen Beitrag leis- ten . Die gemeinsame europäische Sicherheitspolitik ist es, die es vermag, der Friedenspolitik in Europa eine star- ke Stimme zu verleihen . Sie verhindert übrigens auch, dass einzelne Länder unserer Gemeinschaft zum militäri- schen Spielball der geostrategischen Interessen einer an- deren Nation werden . Wer wären wir denn, würden wir unsere kleineren und schwächeren Partner dem preisge- ben? – Insofern muss man sich auch für eine intensivere europäische Verteidigungskooperation aussprechen . Die Hand nach Russland bleibt jedoch immer ausge- streckt . Dabei wird eine wertegebundene Außen- und Si- cherheitspolitik unser Handeln in den kommenden Jah- ren weiterhin prägen . Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU): Die Unionsfrakti- on begrüßt, dass uns die Fraktion Die Linke Gelegenheit gibt, im Advent über den Frieden zu sprechen . In der Bibel, die ich in dieser Adventszeit besonders unbefan- gen zitieren darf, wird immer wieder die Hoffnung auf Frieden angesprochen, oft in Verbindung mit anderen ho- hen Begriffen: „Liebet Wahrheit und Frieden“ (Sachar- ja 8, 19), „Dein Name wird genannt werden Friede der Gerechtigkeit“ (Baruch 5, 4), „Lerne, wo es Glück und Frieden gibt“ (Baruch 3, 14) . Wir wissen – und Die Linke weiß dies aus ihrer Ge- schichte besonders gut –, dass Begriffe wie Frieden, Wahrheit, Gerechtigkeit und Glück im Leben der Men- schen und vor allem im Bereich der Politik immer be- sonders missbrauchsanfällig sind . Erinnern wir uns, dass die Deutsche Demokratische Republik ihre Mauer als „Friedenswall“ bezeichnete . In minder schweren Fällen wird der Sehnsuchtsbegriff Friede nicht zur Täuschung, sondern nur für Oberflächlichkeiten genutzt, wie im vor- liegenden Antrag . Wir alle wissen doch, dass nicht Waf- fen Krieg führen, sondern Menschen . Und wir wissen vor allem, um mit den Worten des Dalai Lamas zu sprechen: „Äußerer Frieden ist nur durch inneren Frieden möglich . Innerer Frieden ist der Schlüssel .“ Wenn ich mich aber auf die Argumentationsebene des Antrages einlasse, will ich Folgendes sagen: Erstens . Hätte sich die Fraktion Die Linke an ihr dia- lektisches Grundwissen erinnert, wäre ihr Folgendes klar gewesen: „Frieden schaffen ohne Waffen“ und „Frieden schaffen durch immer bessere Waffen“ – für beide Aus- sagen gibt es in der Geschichte gute Beispiele, für den zweiten Satz etwa das Ende der waffenstarrenden Kon- frontation zweier Staaten auf deutschem Boden, ja das Ende des Kalten Krieges insgesamt und auch kurz da- rauf die deutsche Wiedervereinigung . Letztlich war die Rüstungspolitik des amerikanischen Präsidenten Reagan dafür kausal . So erstaunlich ist das mit der Rüstung und dem Frieden . Aber wir wissen doch: „Einfache Dinge sind polar, höhere ambivalent und die höchsten paradox“ . Zweitens . Was uns auch nicht weiterführt, ist die selektive Wahrnehmung der Wirklichkeit, die diesen An- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 20995 (A) (C) (B) (D) trag kennzeichnet . Während bei NATO und EU nur Sä- belrasseln und Kriegsgeheul gesehen wird, ist die Proble- matik Ukraine/Krim/Russland keiner Erwähnung wert . Auch das Sicherheitsbedürfnis vieler Staaten des ehema- ligen sowjetischen Einflussgebietes wie etwa Polen und des sowjetisch okkupierten Baltikums, ein Sicherheitsbe- dürfnis nach Jahren der Unterdrückung und Unfreiheit, kann von den Antragstellern offensichtlich nicht gesehen werden . Drittens . Wir wissen nicht, in welchem Umfang sich die Vereinigten Staaten von Amerika künftig für die Si- cherheit Europas finanziell engagieren werden. Ebenso wissen wir nicht, ob ein gewaltbereiter Islamismus ein Problem der inneren Sicherheit bleibt oder auch noch zu einem Problem der äußeren Sicherheit wird . In einer solchen Lage ist es geboten, dass die Europäer innerhalb und außerhalb der EU verteidigungspolitisch enger zu- sammenrücken und auch im Bereich der Bewaffnung ar- beitsteiliger zusammenarbeiten . Abschließend will ich bemerken: Wir haben den Ver- fassungsauftrag, die Sicherheit unserer Bürger zu ge- währleisten . Die anstehenden Gespräche und Entschei- dungen im Europäischen Rat am heutigen 15 . Dezember helfen uns bei der Erfüllung dieses Auftrages . Für den Versuch des Antrages, dieses gemeinsame Bemühen in die Nähe der Kriegstreiberei zu rücken, fehlt mir jedes Verständnis . Es fällt mir auch nicht ganz leicht, bei al- ledem den inneren Frieden zu bewahren . Gerne will ich es aber versuchen . Der Fraktion der Linken rufe ich den Satz Mahatma Ghandis zu: „Sei selbst, was du ersehnst .“ Dr. Ute Finckh-Krämer (SPD): Unsere heutige De- batte befasst sich mit einer möglichen Friedensrolle der Europäischen Union . Ich halte dies für ein äußerst wich- tiges Thema und bin der Fraktion Die Linke daher dank- bar, dass sie den Punkt auf die Tagesordnung des Deut- schen Bundestages gesetzt hat . Ich kann verstehen, dass Sie das Thema nach den Beschlüssen von NATO und EU in der Tagesordnung diskutieren wollen . Umso mehr bedauere ich, dass wir nicht die Möglich- keit haben, über dieses wichtige Thema wirklich zu de- battieren, sondern nun unsere Reden zu Protokoll geben . Ich halte es für einen Vorteil der Europäischen Union, dass sie sich in der internationalen Politik vornehmlich zivil engagiert . Der Ausdruck „Zivilmacht Europa“ ist ja nicht zufällig entstanden . Mein Eindruck ist, dass sich eher eine Art Arbeitsteilung zwischen der Europäischen Union und der NATO entwickelt . Die NATO übernimmt militärische Einsätze, die EU sieht ihre Schwerpunkte in der zivilen Konfliktbearbeitung. Das Bild von der Euro- päischen Union, das die Kolleginnen und Kollegen von der Linken zeichnen, halte daher für überzogen, die Be- fürchtungen für alarmistisch . Die EU ist seit Jahren im zivilen Krisenmanagement aktiv . Sie verfügt über eine Reihe von Kapazitäten, die auch zum Einsatz kommen: Dazu gehören Polizei, Un- terstützung von Rechtsstaatlichkeit und Verwaltung und Monitoring . Sicher ist das alles ausbaufähig, aber das muss man dann auch konkret einfordern . Genau darüber hätten wir debattieren können . Beispiele für die zivile Arbeit der EU sind die Poli- zei- und Justizmission im Kosovo und die European Uni- on Border Assistance Mission to Moldova and Ukraine (EUBAM) . EUBAM ist auch ein Beispiel für die Ko- operation mit der OSZE . Manchmal gibt die Arbeit der EU sogar Anstöße für zivilgesellschaftliche Projekte und Initiativen . Es ist sicher kein Zufall, dass der ehemali- ge Hohe Repräsentant der EU in Bosnien-Herzegowina, Christian Schwarz-Schilling, nachdem er aus dem Amt ausgeschieden war, die Mediationsorganisation CSSP, Berlin Center for Integrative Mediation, gegründet hat . Das Instrument für Stabilität und Frieden der EU (ISF) wurde eingerichtet, um kurzfristiges Krisenmanagement mit langfristigen Maßnahmen der Friedensförderung besser miteinander verknüpfen zu können . Das ISF führt Projekte mit zivilgesellschaftlichen Partnern und interna- tionalen Organisationen in den Bereichen Vertrauensbil- dung, Mediation, Sicherheitssektorreform durch, um nur einige Beispiele zu nennen . Die EU gehört auch zu den Förderern des European Peacebuilding Liaison Office (EPLO), einem Netzwerk von zivilgesellschaftlichen friedenspolitischen Organisa- tionen . Dabei möchte ich aber betonen, dass EPLO und seine Mitglieder darauf achten, dass ihre Unabhängigkeit gewahrt bleibt . Die EU hat auch schon Projekte der Non- violent Peaceforce gefördert . Die EU hat 2011 mit dem Programm Europe’s New Training Initiative for Civilian Crisis Management (ENTRi) begonnen, das nach bisherigem Stand bis 2019 laufen soll . Das Zentrum für Internationale Friedensein- sätze – ZIF – leitet das Programm . Neben verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union beteiligt sich auch die Schweiz daran . ENTRi arbeitet mit elf Partner- institutionen und der OSZE zusammen . Das Ziel ist die Ausbildung von Zivilistinnen und Zivilisten, die bereits in Krisenmanagementmissionen tätig sind oder in solche entsandt werden sollen . An ENTRi kann man sehen, dass die EU ihre Kapazitäten weiterentwickelt . Dieser kurze Überblick zeigt, dass die EU in der zivi- len Konfliktbearbeitung sehr aktiv ist. Die Fokussierung auf die rein militärischen Aspekte in dem Antrag kann ich daher nicht nachvollziehen . Mein Plädoyer ist, dafür zu streiten, dass die zivilen Instrumente ausgebaut werden . Sie fordern eine Rüstungskontrollinitiative unter dem Dach der OSZE . Diese Initiative gibt es seit einigen Mo- naten, und Außenminister Steinmeier hat uns gestern im Unterausschuss „Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung“ über den aktuellen Stand informiert . Der Vorschlag von Frank-Walter Steinmeier, der Öf- fentlichkeit am 26 . August 2016 in der Frankfurter Allge- meinen Zeitung vorgestellt, beinhaltet folgende Punkte: Notwendig sind Vereinbarungen über regionale Ober- grenzen, Mindestabstände und Transparenzmaßnah- men – insbesondere in militärisch sensiblen Regionen, zum Beispiel im Baltikum –, die neuen militärischen Fä- higkeiten und Strategien Rechnung tragen – wir reden heute weniger von klassischen, schweren Armeen, son- dern mehr von kleineren, mobilen Einheiten, also sollten wir zum Beispiel Transportfähigkeit mitbeachten –, die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201620996 (A) (C) (B) (D) neue Waffensysteme einbeziehen – zum Beispiel Droh- nen –, die echte Verifikation erlauben – rasch einsetzbar, flexibel und in Krisenzeiten unabhängig, zum Beispiel durch die OSZE –, die auch in Gebieten anwendbar sind, deren territorialer Status umstritten ist . Bereits im November hat sich eine Freundesgruppe dieser Initiative gebildet, der 14 Staaten angehören . Die Liste der 14 Staaten ist deswegen erfreulich, weil es sich um Staaten mit unterschiedlichen Interessen und Positio- nen handelt: Neben Deutschland gehören Belgien, Finn- land, Frankreich, Italien, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Rumänien, Schweden, die Schweiz, die Slo- wakei, Spanien und die Tschechische Republik dazu . Die OSZE will nach der Außenministerkonferenz in der ver- gangenen Woche in Hamburg hierzu einen strukturierten Dialog entwickeln . Bei einigen Punkten rennen Sie offene Türen ein . Wir setzen uns bereits dafür ein, dass die Europäische Union unsere Dialogpolitik, die sich an dem Konzept der Ent- spannungspolitik anlehnt, unterstützt . Aber sollen wir warten, bis wir alle EU-Mitglieder überzeugt haben? Man könnte sicher noch mehr tun, um die zivilen Fä- higkeiten der EU zu stärken . Nicht nur technische Fähig- keiten müssen verstärkt werden . Auch die Bereitschaft, ein strategisches Potenzial für Krisenprävention und Konfliktbearbeitung zu entwickeln, ist nicht ausreichend. Darüber ist in Ihrem Antrag leider sehr wenig zu lesen . Andrej Hunko (DIE LINKE): Die Welt scheint aus den Fugen geraten, und auch die Europäische Union be- findet sich in einer tiefgreifenden Krise. Die schwelende Euro-Krise wurde nicht gelöst, sondern durch die maß- geblich durch die Bundesregierung erzwungene Auste- ritätspolitik verschärft – mit verheerenden unsozialen Folgen vor allem im Süden Europas . In vielen Mitgliedstaaten der EU haben rechte Partei- en und Bewegungen Zulauf . In Großbritannien hat sich eine Mehrheit der Menschen dafür entschieden, der EU den Rücken zu kehren, und auch sonst wächst die Skep- sis gegenüber dem europäischen Integrationsprozess . Zuletzt hat der Sieg von Donald Trump bei den Präsi- dentschaftswahlen in den USA für Aufsehen gesorgt . Die Reaktion in der EU auf diese Entwicklungen könnte falscher nicht sein . Ein Weiter-so in wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen soll nun ergänzt werden durch einen Militarisierungsschub in allen Mitgliedstaa- ten und auf EU-Ebene . Ich habe doch sehr den Eindruck, dass hier einige den Knall nicht gehört haben . Sie wol- len doch nicht ernsthaft Aufrüstung und Militarisierung als Kitt für die, wie es Kommissionspräsident Juncker genannt hat, „Polykrise“ der EU verwenden? Das wird nicht nur nicht funktionieren; es ist auch brandgefährlich . Seit dem Fall der Mauer war die Gefahr einer mili- tärischen Konfrontation mit Russland nicht so groß wie heute . Das ist zweifelsohne nicht die alleinige Verant- wortung der EU . Aber es war insbesondere der Erwei- terungsprozess von NATO und EU nach Osten, der die historische Chance der Neunzigerjahre zunichte gemacht hat, eine friedliche Neuordnung Europas nach dem Ende der Sowjetunion zu erreichen . Heute rüstet die NATO an den Grenzen zur Russischen Föderation auf, und auch Russland beteiligt sich an der Eskalationsspirale . Es scheint, als hätten einige aus den Verwüstungen des 20 . Jahrhunderts nichts gelernt . Nun soll im Rahmen der EU-Globalstrategie und der misslicherweise „Verteidigungsunion“ genannten Milita- risierungspläne die EU noch weiter für die Sicherheits-, Militär- und Rüstungspolitik eingespannt werden . Schon der Lissabon-Vertrag verpflichtet die Mitgliedstaaten be- kanntlich zur Aufrüstung . Doch was uns nun erwartet, stellt alles Dagewesene in den Schatten . Unter offenem Bruch von Artikel 41 des EU-Vertra- ges sollen nun sogar EU-Haushaltsmittel für die An- schaffung von Waffen und vor allem Drohnen verwendet werden . Ein Verteidigungsfonds soll weitere Milliarden für die Rüstungsindustrie mobilisieren, und der Aufbau einer EU-Armee soll den imperialen Anspruch der EU als „global Player“ untermauern . Durch das Zwei-Pro- zent-Ziel der NATO würden sich die Rüstungsausgaben in Deutschland nahezu verdoppeln . Ist das ernsthaft Ihre Antwort auf Trump, Brexit und Le Pen? Nicht nur werden diese Milliardensummen an allen Ecken und Enden für wesentlich sinnvollere Pro- jekte gebraucht – beispielsweise für ein so dringend nötiges sozial-ökologisches Investitionsprogramm zur Überwindung der Wirtschaftskrise in Europa . Sie spielen zugleich außenpolitisch mit dem Feuer . Wir brauchen eine grundlegend andere Antwort auf die Krisen unserer Zeit . Angesichts des Scherbenhaufens, den die Politik der Östlichen Partnerschaft in Osteuropa hinterlassen hat, ist eine neue Entspannungspolitik uner- lässlich . Die Frage von Krieg und Frieden ist nach Eu- ropa zurückgekehrt, und die falschen Weichenstellungen können fatale Folgen haben . Nutzen wir den Moment der Krise jedoch richtig, so können wir heute den Weg für eine friedliche und soziale Entwicklung ebnen . Wir brauchen ein Europa des Friedens und der Abrüs- tung, der Entspannung und der Kooperation . Die Alter- native dazu bekommen wir derzeit vorgeführt . Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wir beraten heute einen durchaus wichtigen An- trag: „Weichen für eine Europäische Union der Abrüs- tung und des Friedens stellen“ . Wer wäre mit diesem Vorsatz nicht einverstanden? Mit ihrem Antrag greift Die Linke einige richtige Punkte auf und stellt auch manch berechtigte Forderung . Aber da gibt es auch vieles, wo wir nicht mitgehen können . In Brüssel werden heute und morgen erstmals auf Ebene der Staats- und Regierungschefs weitreichende Vorschläge für einen EU-Verteidigungsfonds diskutiert . Darüber zu reden, ist nicht grundsätzlich verkehrt; denn ein Weiter-so – will heißen: jeder macht sein Ding, und „Europa“ setzt anschließend, wenn es gut läuft, oben noch was drauf – kann auch nicht die Lösung sein . Wir brauchen angesichts ja nicht abnehmender Krisen, die uns alle betreffen, eine gemeinsame Antwort . Allerdings gilt es jetzt, nicht die falschen Weichen zu stellen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 20997 (A) (C) (B) (D) Vor sechs Monaten hat die EU-Außenbeauftragte Mogherini ihren Vorschlag einer „global strategy“ der Union in der Außen- und Sicherheitspolitik vorgelegt . Verglichen mit der Verve, mit der jetzt einige Staaten – allen voran Deutschland und Frankreich – die Verteidi- gungs- und Rüstungsaspekte pushen, fand diese Strategie recht wenig Beachtung . Schade! Denn in diesem Papier wurden wichtige Punkte aufgegriffen . So ist es gut, dass die Strategie zum ersten Mal den Begriff des „Präven- tivfriedens“ einführt . Es ist gut, dass lokale Akteure, gerade auch Frauen, ausdrücklich als wichtige Akteure der Konfliktbeilegung genannt werden, dass die Notwen- digkeit eines ganzheitlichen, langfristigen Engagements für den Frieden betont wird . Leider sind diese positiven Elemente der Strategie offenbar der Linken nicht aufge- fallen . Was heute in Brüssel auf dem Verhandlungstisch liegt, müssen wir viel kritischer bewerten als einige Kapitel des Mogherini-Vorstoßes . Zwar ist es richtig, sich Gedanken über einen echten europäischen Rüstungsmarkt zu ma- chen; denn die Kommission räumt ja selbst ein, dass die EU als Ganzes locker zwischen 25 und 100 Milliarden einsparen könnte, wenn man klare Regeln und eine inten- sivere Zusammenarbeit hätte . Aber anstatt sich Gedan- ken über naheliegende und kostensparende Synergien zu machen, wollen die Befürworter des Verteidigungsfonds nun finanziell so richtig zulangen: 5 Milliarden Euro jährlich sollen die Mitgliedstaaten für die Beschaffung von Militärgerät bereitstellen – ohne dass klar ist, welche Fähigkeiten überhaupt benötigt werden . Und diese In- vestitionen sollen womöglich auch noch nicht als Schul- den im Sinne der Maastricht-Kriterien bewertet werden! 2020 sollen dann pro Jahr 500 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt für gemeinsame Rüstungsforschung ausge- geben werden . Wo bleibt da die schwarze Null, frage ich mich! Aber das ist nicht alles . Auch der Europäische Fonds für Strategische Investitionen, EFSI, soll zur Finanzie- rung von Rüstungsprojekten eingespannt werden . Un- fassbar! Und die Bundesregierung? Die zeigte sich in einer Antwort an meinen Kollegen Manuel Sarrazin, „aufgeschlossen“, den EFSI für „Projekte im Bereich des Sicherheits- und Verteidigungssektors“ zu öffnen . Noch so ein Tabubruch: Die Europäische Investitionsbank soll nach den Vorstellungen der Kommission Kredite für Rüs- tungsunternehmen ausgeben . Und dann gab es ja auch noch den Vorstoß vom vergangenen Sommer, EU-Gelder des Friedens- und Stabilitätsinstruments zur Anschaffung von Militärgütern einzusetzen – eine Zweckentfremdung von Mitteln in Milliardenhöhe, die zum Beispiel Ent- wicklungsprojekten in Afrika vorenthalten würden . Ja, mehr Gemeinsamkeit ist nötig und machbar . Was Rüstung betrifft, mangelt es uns nicht an Geld, wohl aber an Ideen, es vernünftig auszugeben . Wir brauchen kei- nen Transporthubschrauber, von dem es 27 verschiedene Versionen gibt . Es gäbe Hunderte sogar von den nationa- len Militärchefs schon identifizierte sogenannte Pooling- und Sharing-Projekte, die man nur umsetzen müsste . Lassen Sie mich kurz noch weiter auf den Antrag der Linken eingehen . Sie schreiben, „die Frage von Krieg und Frieden (sei) auf den europäischen Kontinent zu- rückgekehrt“ . Sie erwähnen die völkerrechtswidrige Annexion der Krim mit keinem Wort, plädieren aber für eine Aufhebung der Sanktionen gegen Russland . Damit machen Sie es sich doch etwas zu einfach . Anlage 13 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesse- rung des Schutzes gegen Nachstellungen (Zusatz- tagesordnungspunkt 6) Kathrin Rösel (CDU/CSU): Der Verehrer steht re- gelmäßig vor dem Fenster und spielt seiner Angebeteten ein Lied auf der Geige: In Filmen und Büchern wirkt das romantisch . Stellen wir uns die Situation im echten Leben vor, wirkt sie eher angsteinflößend, im Gegenteil: Stalker machen ihren Opfern oft das Leben zur Hölle . Nicht nur die Zahlen sprechen für sich: Mehr als 20 000 Anzeigen gehen jährlich bei den Polizeibehörden ein und nur ein, Bruchteil davon führt zu einer Anklage, in weniger als einem Prozent kommt es zur Verurteilung . Mit dem Nachstellungsgesetz 2007 hat der Deutsche Bundestag bereits ein Gesetz erlassen, das den Opfern verschiedenster Form der Nachstellung besseren Schutz bietet . Allerdings wurde damals die Messlatte sehr hoch gehängt: Erst wenn die Lebensgestaltung des Opfers „schwerwiegend beeinträchtigt“ war, konnte der Täter verurteilt werden . Klar, dass hier dringend Handlungs- bedarf bestand! Menschen, die gestalkt werden, erleben innere Unru- he, Ängste, viele entwickeln Schlafstörungen oder De- pressionen – je nach psychischer Stabilität des Opfers in unterschiedlicher Ausprägung . Die einen, die besonders taff damit umgehen (vielleicht auch nur nach außen), ziehen nicht gleich um oder wechseln den Arbeitsplatz . Andere wiederum können sich es finanziell schlichtweg nicht leisten oder die persönlichen oder familiären Le- bensumstände lassen es einfach nicht zu . Und überhaupt: Wieso muss bitteschön erst das Opfer seine Lebenssitua- tion ändern, bevor der Täter strafrechtlich verfolgt wird? Das hat doch zur Konsequenz, dass das Strafrecht in der heutigen Fassung bewirkt, was dem Täter nicht gelungen ist: nämlich den Willen des Opfers zu beugen . Für uns, für die Union, ein unhaltbarer Zustand! Wir können es nicht hinnehmen, wenn Recht und Ge- setz nicht den bestmöglichen Schutz für die Opfer bie- ten. Daher haben wir die Forderung nach Modifizierung des § 238 Strafgesetzbuch bereits im Koalitionsvertrag verankert . Stalking in jeder erdenklichen Form muss von einem Erfolgsdelikt zu einem Gefährdungsdelikt umge- wandelt werden . Und es bedurfte erst nachdrücklicher Forderungen der unionsgeführten Länder wie Bayern, Hessen und Sachsen, um das Haus von Justizminister Maas dazu zu bewegen, jetzt endlich den Gesetzentwurf vorzulegen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201620998 (A) (C) (B) (D) Aber, was uns jetzt vorliegt, kann ich zu hundert Pro- zent unterschreiben . Nicht nur, dass künftig die Hand- lung des Täters objektiv dazu geeignet sein muss, um zur Anklage oder Verurteilung zu führen . Nein, wir gehen sogar darüber hinaus: Wir streichen nun auch den Nach- stellungsparagrafen aus den Privatklagedelikten heraus . Wir verhindern damit, dass Stalking als ein leichteres Vergehen gilt, und ersparen es den Opfern, nach einem manchmal über Monate und Jahre dauernden Martyrium selbst den Strafanspruch durchzusetzen . Auch hier wird deutlich: Die Union stärkt die Opfer und das ist nur ge- recht . Stalking ist äußerst diffizil. Neben den Formen wie Auflauern, Belästigen durch SMS oder Telefonterror gibt es noch unzählige Möglichkeiten, dem Opfer das Leben zur Hölle zu machen . Daher ist es unmöglich, sämtliche Formen von Nachstellung abschließend im Gesetzestext aufzuführen . Justizminister Maas beabsichtigte, die in § 238 aufgeführte Generalklausel abzuschaffen . Aber wer weiß denn, was sich Täter so alles ausdenken, um ihr Opfer zu quälen? Glücklicherweise konnte sich auch hier die Union durchsetzen, und diese Streichung wieder zurücknehmen . Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Oppo- sition, stehen auf dem Standpunkt, dass die Neufassung des Nachstellungsparagrafen zu weit geht . Dann verra- ten Sie mir einmal bitte, wie Sie es den zahlreichen Op- fern dieser Straftat erklären wollen, dass diese weiterhin kaum eine Möglichkeit haben, zu einem normalen Leben zurückzukehren, ohne, dass sie, also die Opfer, dem Tä- ter nachgeben. Mir jedenfalls fiele an Ihrer Stelle kein einziges Argument ein . Ich bitte um Zustimmung zu unserer Gesetzesvorlage . Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Wir beschließen heu- te ein Gesetz, in das Stalkingopfer große Hoffnung set- zen . Leidtragende sind überwiegend Frauen . Zu 80 Pro- zent sind sie es, die ein anderer durch Telefonterror und Auflauern am Arbeitsplatz belästigt, die es mit der Angst zu tun bekommen, sich nicht mehr vor die Tür trauen und kaum mehr schlafen können, weil ihr Leben zu ei- nem Alptraum geworden ist . Übles Nachstellen kann so schwerwiegende Folgen wie Verbrennungen oder Kno- chenbrüche haben und im schlimmsten Fall zum Tod füh- ren . Es verstößt auf üble Weise gegen geltendes Recht . Das ändern wir . Stalking ist eine Straftat . Zu Recht wurde diese Lü- cke im Jahr 2007 im deutschen Strafrecht geschlossen . Vorher waren nur schwerwiegende Nachstellungen wie Hausfriedensbruch, Körperverletzung und sexuelle Nö- tigung strafbar . Allerdings fällt die Bilanz nach fast zehn Jahren nicht rosig aus: Anzeigen und Verurteilungen ste- hen in einem eklatanten Missverhältnis . In der Polizeili- chen Kriminalstatistik wurden zwischen 2008 und 2014 jährlich zwischen 205 und 561 Verurteilungen wegen Nachstellung erfasst . Diesen stehen bis zu 23 296 Straf- anzeigen wegen übler Nachstellung gegenüber . Hinzu kommt eine noch viel größere Dunkelziffer, weil Opfer aus Angst und Scham gar nicht erst Anzeige erstatten, oft auch mangels Aussicht auf Erfolg, dass der Täter auch tatsächlich zur Rechenschaft gezogen wird . Diese niedrige Quote ist auch dem Umstand geschuldet, dass bislang eine Verurteilung nicht vom Verhalten des Täters abhing, sondern das Opfer eine schwerwiegende Beein- trächtigung seiner Lebensweise etwa durch einen Umzug oder Arbeitsplatzwechsel vor Gericht nachweisen muss- te . Vom Opfer wird ein Verhalten verlangt, das ihm nicht länger zugemutet werden kann . Es soll gezwungen wer- den, sein Leben zu ändern, damit der Täter strafrechtlich verfolgt werden kann . Die aktuelle Gesetzeslage schützt Stalkingopfer un- zureichend . Deshalb brauchen wir Verbesserungen . Wir bauen den strafrechtlichen Schutz vor Stalking aus und senken die Hürden für eine Verurteilung . Wir wollen für einen besseren Schutz von Menschen sorgen, die unter üblen Nachstellungen von Expartnern oder Exge- liebten leiden . Das war auch Tenor einer öffentlichen Expertenanhörung im Bundestag . Es ist richtig, dass der Gesetzgeber nach fast zehn Jahren die Wirkung des Tatbestands der Nachstellung in § 238 Strafgesetzbuch überprüft hat . Die Reform des § 238 StGB ist notwen- dig . Lücken im Strafrecht müssen endlich geschlossen werden . Mit diesem Gesetz müssen Opfer nicht länger nachweisen, dass sie der Stalker durch sein Verhalten zu einem anderen Lebenswandel gezwungen hat . Das Opfer muss seine Telefonnummer nicht mehr wechseln oder in eine andere Stadt ziehen . Künftig ist der Straftatbestand des Stalkings erfüllt, wenn der Täter die Lebensgestal- tung des Opfers schwerwiegend beeinträchtigt . Diese Änderung im Strafrecht soll dafür sorgen, dass Täter leichter verurteilt werden . Aus einem Erfolgsdelikt wird ein Eignungsdelikt, weil bereits die Handlung, die ge- eignet ist, eine schwere Störung der Lebensverhältnisse herbeizuführen, die Strafbarkeit in sich trägt . Durch den Charakter des Eignungsdelikts können wir Opfer besser schützen . Außerdem haben wir zum Schutz der Opfer erreicht, dass die Generalklausel im Gesetz stehen bleibt . Bun- desjustizminister Heiko Maas wollte sie, für uns un- verständlich, ursprünglich rückgängig machen . Diese brauchen wir aber, damit künftig auch derjenige zu einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren verurteilt werden kann, der falsche Todes- oder Heiratsanzeigen aufgibt, soziale Medien manipuliert, indem er unter dem Namen des Op- fers auftritt, oder dem Opfer tote Tiere vor die Tür legt und Ekel erregt . Auch nachhaltige Lärmbeschallung und eine Überwachung des Familien- und Bekanntenkreises kann unter Strafe gestellt werden . All diese Handlungen können auch weiterhin als Stalking strafrechtlich ver- folgt werden . Das stärkt die Opfer noch einmal mehr . Der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war der Erhalt der Generalklausel besonders wichtig . Opferschutz hat für die Union Vorrang . Eine weitere gute Nachricht ist: Der Privatklageweg bei Nachstellungen hat ein Ende . Momentan werden Verfahren oft eingestellt, und Staatsanwälte verweisen auf Privatklagen . Jedoch darf unser Rechtsstaat keinem Opfer länger zumuten, selbst vor Gericht seine Rechte einfordern und auch noch das Risiko für die Kosten des Verfahrens tragen zu müssen . Die Situation wäre zu be- lastend: Auf dem Privatklageweg müsste das Opfer selbst Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 20999 (A) (C) (B) (D) prozessieren und dem Täter vor Gericht möglicherweise begegnen . Der Privatklageweg schützt die Opfer nicht . Seine Streichung ist richtig . Stalking ist eine schwerwie- gende Straftat, deren Akten beim Staatsanwalt landen müssen . Einstellungen von Verfahren bei Nachstellungen sind Vergangenheit . Die Reformen, die wir heute verabschieden, helfen den Opfern, weil sie besser geschützt werden . Mit dem Gesetz können wir bewirken, dass mehr Täter verurteilt werden und die Opfer zu einem normalen Leben zurück- finden können, in dem nicht jeder Schritt von Angst be- gleitet wird . Diese Hoffnung von circa 20 000 Stalking- opfern pro Jahr allein in Deutschland dürfen wir nicht enttäuschen . Für uns ist klar: Nicht das Opfer muss sein Verhalten ändern, sondern der Täter muss für sein Ver- halten zur Rechenschaft gezogen werden . Dirk Wiese (SPD): Heute ist wieder einmal ein guter Tag für den Opferschutz . Ich sage bewusst „wieder ein- mal“, denn der vorliegende Gesetzentwurf reiht sich ein in verschiedene Vorhaben dieser Legislaturperiode aus dem Hause von Bundesminister Maas, die allesamt eint, Opfer von Straftaten besser zu schützen: sei es durch die Reform des Sexualstrafrechts, die Einführung der bun- desweiten psychosozialen Prozessbegleitung oder durch das Opferrechtsreformgesetz . Kurzum: Wir Sozialdemo- kraten bewegen etwas, wir nehmen die Sorgen und Nöte der Menschen ernst und treffen die notwendigen gesetz- geberischen Konsequenzen . So auch hier; denn der Straftatbestand des Stalkings war bis jetzt durch verschiedene Regelungslücken ein recht stumpfes Schwert der Justiz . Obgleich die Fälle für den objektiven Betrachter oft eindeutig waren, waren die Hürden für eine Verurteilung der Täter viel zu hoch . Ich habe diese bereits in der ersten Lesung ausführlich dar- gestellt . Deshalb jetzt in aller Kürze die drei Kernpunkte der Reform: Erstens entfiel bis heute eine Bestrafung, wenn das Opfer dem enormen Druck nicht nachgab, sich nicht be- irren ließ, indem es den Wohnort wechselte und wegzog oder den Beruf aufgab . Ich möchte zu dieser Konstella- tion auch heute an den Fall aus meinem Wahlkreis erin- nern, wo ein Geistlicher seit nunmehr 15 Jahren gestalkt wird und eine Bestrafung der Täterin mangels schwer- wiegender Beeinträchtigung bei dem Pfarrer bislang aus- schied . Um solche nicht hinnehmbaren Missstände künf- tig zu beseitigen, wird der Straftatbestand des Stalkings deshalb nun als Eignungsdelikt ausgestaltet . Zukünftig reicht es völlig aus, wenn sich das Verhalten des Stalkers eignet, eine schwerwiegende Beeinträchtigung wie Job- verlust, Umzug oder eine schwere Erkrankung bei sei- nem Opfer herbeizuführen . Zweitens wird der Straftatbestand der Nachstellung aus dem Katalog der Privatklagedelikte gestrichen . Denn dieser erwies sich oftmals als eine weitere Hürde auf dem Weg zu einer Strafbarkeit, weil den meisten Klägern das Kostenrisiko des Prozesses, dass sie bei einer Privatklage tragen müssen, schlicht zu hoch war . Als dritten Punkt haben wir die effektive Durchset- zung von Vergleichen in Gewaltschutzverfahren ver- bessert . Zukünftig wird auch der Verstoß gegen eine in einem gerichtlichen Vergleich übernommene Verpflich- tung strafbar sein . Damit schließen wir eine weitere Re- gelungslücke . Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen sie mich kurz auf die wichtigste Änderung eingehen, die wir im par- lamentarischen Verfahren nach der Anhörung getroffen haben . Der Gesetzentwurf sah in seiner ursprünglichen Fassung vor, die Generalklausel des Absatzes 1 zu strei- chen, mit der auch „eine andere vergleichbare Handlung“ des Täters, die im Tatbestand nicht ausdrücklich aufge- führt wird, strafbar ist . Begründet wurde dies mit verfas- sungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich des Bestimmt- heitsgebotes . Die Anhörung hat aber genau das Gegenteil gezeigt . Fünf von sieben Sachverständigen sprachen sich für eine Beibehaltung der Generalklausel aus . Ich habe es noch einmal nachgeschaut, weil Sie, Frau Kollegin Keul, gestern im Rechtsausschuss sagten, dass die Mehr- heit gegen eine Beibehaltung der Klausel sei . Das ist also falsch . Die Mehrheit war ganz klar für eine Beibehaltung der Generalklausel . Vielleicht liegt Ihr Irrtum in der Sa- che aber auch daran, dass Sie, Frau Kollegin Keul, in der Anhörung gar nicht zugegen waren . Wo wir gerade bei der Sitzung des Ausschusses sind . Der Kollege Wunderlich ist auch vehement für eine Abschaffung der Generalklausel eingetreten . Auch hier muss ich sagen, dass ich mich sehr wundere . Denn Ihre Sachverständige, Frau Köhler, hat in der Anhörung doch deutlich dargelegt, dass dadurch die Opfer von Stalking wesentlich schlechter geschützt wären, und ist deshalb für eine Beibehaltung der Klausel eingetreten . Überhaupt wundert mich die Einstellung der Op- position in dieser Sache . Denn würde man die Klausel streichen, wären Frauen, die am häufigsten Opfer von Stalking werden, deutlich schlechter geschützt . Denn Personen würden dann zukünftig straffrei handeln, wenn sie beispielsweise unrichtige Todes- oder Hei- ratsanzeigen aufgeben, Manipulationen in den sozialen Netzwerken vornehmen oder ekelerregende Sachen wie tote Tiere vor die Tür des Opfers legen . Eine solche Re- gelungslücke zu schaffen, wäre fatal, ja, sie würde den Sinn konterkarieren, dass wir mit der Reform des Stal- kingtatbestands alle Regelungslücken schließen wollen . Und deshalb haben wir uns auch dafür entschieden, die Generalklausel beizubehalten . Denn das war die einzig richtige Entscheidung, um Opfer von Stalking umfassend zu schützen . Es geht eben nicht, diese Regelungslücken über die Ausformulierung weiterer Nachstellungsvarianten zu schließen . Jeder kann sich sicher vorstellen, dass dies aufgrund der Kreativität, mit der die Täter oft zugange sind, schlichtweg unmöglich ist und es immer wieder Fäll gäbe, die deshalb straflos wären, obwohl ein jeder erkennt, dass es sich um Stalking handelt . Sie sehen, wir haben als Koalitionsfraktionen gute Ar- beit gemacht . Das Struck’sche Gesetz kam wieder ein- mal zu Anwendung . Wir liefern ein effektives Mittel, um Stalking-Opfer besser zu schützen und eine Verurteilung der Täter zu erleichtern . An die Opposition möchte ich appellieren: Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf heute Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621000 (A) (C) (B) (D) hier zu . Dann können auch Sie sagen, dass Sie zu einem besseren Opferschutz beigetragen haben . Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Der Gesetzentwurf will den strafrechtlichen Schutz gegen Nachstellung ge- mäß § 238 StGB ausbauen . Der 2007 eingeführte Para- graf, wird danach dem Anspruch eines besseren Opfer- schutzes nur eingeschränkt gerecht . Als problematisch wird dabei in erster Linie angesehen, dass die Strafbarkeit von der Reaktion des Opfers abhängt . Sofern das Opfer mit besonnener Selbstbehauptung auftritt und nichts an seinen Lebensumständen ändert, entfällt auch eine Straf- barkeit des Täters gemäß § 238 StGB . Dies soll dadurch geändert werden dass das Delikt von einem Erfolgs- zu einem Eignungs- und Gefährdungsdelikt umgewandelt wird . Ein Erfolgseintritt ist damit nicht mehr nötig . Daneben soll die Einstufung als Privatklagedelikt ab- geschafft werden, damit das strafwürdige Verhalten auch immer zur Aburteilung gelangt . Nach § 4 Gewaltschutzgesetz – GewSchG – ist nur der Verstoß gegen eine gerichtliche Schutzanordnung nach § 1 GewSchG strafbewehrt, nicht aber der Verstoß gegen eine entsprechende Verpflichtung, die der Täter in einem Vergleich übernommen hat . Diese Strafbarkeitslücke soll geschlossen werden, und zwar durch die Einführung der gerichtlichen Bestätigung von in Gewaltschutzverfahren geschlossenen Vergleichen sowie durch die Erweiterung des § 4 GewSchG auf Verstöße gegen Verpflichtungen aus einem gerichtlich bestätigten Vergleich . Stalkingopfer müssen besser geschützt werden . In die- sem Punkt besteht Einigkeit . Jedoch ist der hier einge- schlagene Weg einer Verschärfung und Vorverlagerung der Strafbarkeit nicht der richtige . Problem dabei war offenbar, dass in so manchen Fällen von mutmaßlichem Stalking die Verfahren eingestellt worden sind, da der er- forderliche Erfolg, nämlich die Lebensgestaltung schwer beeinträchtigt zu haben, noch nicht eingetreten ist . Dies soll nun dadurch behoben werden, dass anstelle des eingetretenen Erfolges die Geeignetheit der Hand- lung unter Strafe gestellt werden soll . Die Strafbarkeit soll damit vorverlagert werden . Zu der Schwere des Eingriffs hat meine Kollegin Wawzyniak bereits in der ersten Lesung unter Bezugnah- me auf das entsprechende BGH-Urteil ausgeführt . Nach wie vor bleibt fraglich, wer die Geeignetheit der Handlung, welche zu der schweren Beeinträchtigung führen kann, feststellt . So wie nach geltender Rechtslage der Erfolg festgestellt werden muss, muss nun die Geeig- netheit festgestellt werden . Ob dies tatsächlich zu einem besseren Opferschutz führt, wurde auch in der Anhörung unterschiedlich gesehen . Ich persönlich vermag dies aus Sicht eines ehemaligen Staatsanwalts und Richters a . D . nicht zu bejahen . Um dennoch mehr Fälle zu erfassen, wäre es sinnvol- ler gewesen, das Wort „schwerwiegend“ in dem Tatbe- stand zu streichen . Doch dazu konnte sich die Koalition nicht hinreißen lassen . Warum einfach, wenn es auch kompliziert, schwieriger und wenig zielführend geht? Denn die Umwandlung des Straftatbestandes des Stal- king von einem Erfolgsdelikt zu einem Eignungs- und Gefährdungsdelikt, ist aus grundsätzlichen rechtsstaat- lichen Erwägungen heraus kritisch zu betrachten . Das geschützte Rechtsgut, den individuellen Lebensbereich in Form der Handlungs- und Entschließungsfreiheit zu schützen, muss unter Beachtung des Ultima-Ratio-Prin- zips des Strafrechts eine tatsächliche Beeinträchtigung derselben mit sich bringen . Dagegen wäre die zunächst geplante Streichung der Generalklausel im derzeitigen Stalkingparagrafen § 238 StGB konsequent und richtig gewesen . Sie stand zu Recht im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot in der Kritik . Die Generalklausel des § 238 Absatz 1 Nummer 5 StGB ist nun doch durch den Änderungsantrag der Ko- alition wieder eingeführt worden . Die Streichung wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot wäre aber sinn- voll gewesen . Einzig die Änderungen des Gewaltschutzgesetzes sind sinnvoll, da über diese tatsächlich ein wirksamer Schutz der Betroffenen erzielt werden kann . Zu Streichung des Privatklagedelikts muss ich noch Folgendes anmerken . Es besteht kein Handlungsbedarf, da die Staatsanwaltschaft nach Nummer 86 Absatz 2 RiStBV – Richtlinien des Straf- und Bußgeldverfahrens – das Verfahren nicht einstellen darf, wenn dem Verletzten die Privatklage wegen seiner Beziehung zum Täter nicht zugemutet werden kann . Diese Richtlinien sind zwar nicht Gesetz, aber gleichsam die Bibel des Staatsanwalts, wie es jeder Praktiker weiß . Von daher war ein Hand- lungsbedarf nicht gegeben, zumal ich davon ausgehen kann, dass die Staatsanwaltschaft als objektivste Behörde der Welt mit derartigen Einstellungen unter Verweisung auf den Privatklageweg sorgsam umgeht . Abschließend bleibt festzustellen, dass die Meinun- gen in der Anhörung zum Wandel vom Erfolgsdelikt zum Eignungs- und Gefährdungsdelikt wie auch die Erforder- lichkeit im Gewaltschutzgesetz unterschiedlich waren, jedoch die herrschende Meinung oftmals die Meinung der Herrschenden ist . Aus rechtsstaatlicher Sicht insbesondere wegen der nach wie vor vorhandenen Generalklausel und der damit einhergehenden Unbestimmtheit kann dem Gesetz alles in allem aus Sicht der Linken nicht zugestimmt werden . Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Für Opfer von Nachstellungen ist es häufig schwierig, wirkungsvol- len gerichtlichen Schutz zu erlangen . Ziel dieser Geset- zesänderung soll es sein – wie der Name des Gesetzes es schon sagt –, die Verbesserung des Schutzes gegen Nach- stellungen zu bewirken und den derzeitigen Missstand zu beenden . Diesem Ziel wird der vorliegende Gesetzent- wurf aber nicht gerecht . Den positiven Punkt, die Änderungen in § 4 Gewalt- schutzgesetz, habe ich ja bereits in der ersten Lesung genannt . Endlich ist auch der Verstoß gegen einen ge- richtlich bestätigten Vergleich strafbewehrt . Das ist eine Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21001 (A) (C) (B) (D) wichtige Verbesserung, denn die meisten Gewaltschutz- verfahren werden in der Praxis durch Vergleich beendet . Bedauerlicherweise haben Sie den anderen positi- ven Punkt mit Ihrem Änderungsantrag aber auch schon wieder revidiert . Die Handlungsgeneralklausel in § 238 Absatz 1 Nummer 5 StGB, deren Streichung wir schon 2006 gefordert haben, wurde im Gesetzentwurf zunächst gestrichen, durch den Änderungsantrag aber wieder in den Gesetzestext eingefügt . Der ursprüngliche Gesetz- entwurf wird damit verschlimmbessert . Jetzt haben wir tatsächlich die Strafbarkeit bei einer „vergleichbaren Handlung“, die „geeignet ist“, die Lebensgestaltung des Opfers zu beeinträchtigen . Noch unbestimmter ging es wohl nicht . Die verfassungsrechtlichen Bedenken, die bei der bisherigen Fassung schon bestanden haben wer- den durch die Wiedereinfügung der Handlungsgeneral- klausel nochmals erheblich ausgeweitet . Dabei war auch in der Anhörung der Bedarf nach einer Handlungsgeneralklausel ein umstrittener Punkt . Entge- gen der Begründung des Änderungsantrags war es nicht einhellige Meinung, dass sich durch eine Streichung des § 238 Absatz 1 Nummer 5 StGB Schutzlücken ergeben . Nach Ansicht der Sachverständigen mit Bezug zur Justiz wurde ein Bedürfnis nach einer solchen Generalklausel nicht gesehen . Vielmehr gaben die Praktiker an, dass die Generalklausel bislang in so gut wie keinem Fall zur An- wendung gekommen sei und die Nummern 1 bis 4 in der staatsanwaltlichen und justiziellen Praxis ausreichend seien . Die Beibehaltung der Nummer 5 ist weder zwin- gend noch nützlich . Im Strafrecht gilt eben nicht „Viel hilft viel“! Dabei war alleine schon der ursprüngliche Gesetz- entwurf, der die Eignung zu einer schwerwiegenden Le- bensbeeinträchtigung vorsah, bereits Grund genug, die- sen abzulehnen . Die Umgestaltung des Tatbestandes des § 238 StGB von einem Erfolgs- in ein abstraktes Gefähr- dungsdelikt halte ich für ungeeignet, den Stalkingopfern künftig effektiveren Rechtsschutz zu ermöglichen . Ich brauche es nicht im Detail zu wiederholen . Aber jegliche Objektivierung der Geeignetheit als Tatbestandsmerkmal ist schwierig . Deshalb wird die Geeignetheit einer Hand- lung voraussichtlich weiterhin anhand derselben Anfor- derungen gemessen wie bisher . Das Opfer muss eine nach außen hin wahrnehmbare Reaktion in irgendeiner Weise gezeigt haben . Im Ergebnis wird das Ziel, die Op- fer besser gegen Stalker zu schützen, verfehlt . Unsere alternativen Vorschläge zum Gesetzentwurf haben Sie leider auch nicht berücksichtigt . Dabei wäre gerade die Erfassung der psychischen Belastung als schwerwiegende Beeinträchtigung geeigneter gewesen, die Nachweisprobleme zu beseitigen . Der Vorschlag, den § 1 Gewaltschutzgesetz zu erwei- tern, um weitere Erscheinungsformen des Stalkings zu erfassen, wurde ebenfalls nicht in Betracht gezogen . Nun werden Sie argumentieren, dass Sie jeder noch so „kre- ativen“ Idee eines Stalkers durch die Generalklausel in Nummer 5 des StGB bereits begegnen . Dieses Ergebnis ließe sich aber viel besser durch eine Handlungsgeneral- klausel im Gewaltschutzgesetz realisieren . Der entschei- dende Vorteil wäre, dass wir nicht befürchten müssten, dass das Gesetz dem strafrechtlichen Bestimmtheits- grundsatz aus Artikel 103 Absatz 2 GG nicht genügt und damit verfassungswidrig ist . Opferschutz ist eben etwas anderes als symbolhafte Verschärfungen von Straftatbeständen, die am Ende nie- mandem – insbesondere den betroffenen Opfern – etwas bringen . Anlage 14 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung der Bestimmungen zur Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung und zur Eigenversorgung (Zusatztagesordnungspunkt 7) Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Der Leitgedanke der Energiewende muss sein: Mehr Markt, mehr Wett- bewerb, mehr Europa . Der Umbau der Energieversor- gung ist kein Sprint, sondern ein Marathon . Der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien ist ein wichtiger Bau- stein . Neben den erneuerbaren Energien gilt es jedoch, auch andere Handlungsfelder zu berücksichtigen . Die Energiewende muss technologieoffen ausgestaltet wer- den. Insbesondere die Steigerung der Energieeffizienz ist der Königsweg in der Energiepolitik . Sie schafft eine Win-win-Situation: Effizienzvorteile für die Verbraucher in Haushalten, Gewerbe und Industrie und gleichzei- tig Reduzierung des Energieverbrauchs und damit von CO2-Emissionen . Die beste Energie ist immer noch ein- gesparte Energie . Die Kraft-Wärme-Kopplung ist eine seit Jahrzehnten erfolgreiche Technologie zur Steigerung der Energieef- fizienz und ein zentraler Baustein für eine nachhaltige Energiepolitik . Durch die gekoppelte Erzeugung von Wärme und Strom werden erhebliche Mengen an Pri- märenergie und damit CO2 eingespart . Gegenüber unge- koppelten Systemen sind das derzeit 56 Millionen Ton- nen CO2 im Jahr . Fernwärme durch KWK kann allein in Großstädten wie Berlin, Hamburg, Köln und weiteren bis zu 20 Millionen Tonnen CO2 einsparen . Ein Block- heizkraftwerk mit Erdgas und KWK verursacht nur 120 Gramm CO2 pro Kilowattstunde . Ein herkömmli- ches Gaskraftwerk produziert dagegen das Dreifache an CO2 pro Kilowattstunde . Das Ausbaupotenzial für KWK wird auf zwischen 170 Terawattstunden pro Jahr und 240 Terawattstunden pro Jahr geschätzt . Davon liegt der Hauptteil mit rund 110 beziehungsweise 180 Terawattstunden im Bereich der Fernwärme und damit in der allgemeinen Versor- gung . Hinzu kommen 38 bis 59 Terawattstunden im In- dustriebereich . Die CDU/CSU bekennt sich zum Ausbau der KWK als einem zentralen Ziel der Energiewende . Mit der Novelle des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes von 2015 sollte die geltende Förderung der hocheffizienten und klimafreund- lichen KWK-Anlagen an die aktuellen Erfordernisse des Umbaus der Energieversorgung angepasst werden . Die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621002 (A) (C) (B) (D) CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat seinerzeit im Gesetz- gebungsprozess einige wichtige Änderungen des Gesetz- entwurfs des Bundeswirtschaftsministeriums durchge- setzt . Das Ausbauziel für KWK wurde von 108 Terawatt- stunden auf 120 Terawattstunden für das Jahr 2025 an- gehoben . Im Jahr 2017 soll entsprechend dem Grundsatz der Technologieoffenheit auch die Wirtschaftlichkeit der Kohle-KWK evaluiert werden . Zudem kann per Ver- ordnung eine Förderung von hocheffizienten und sonst unwirtschaftlich werdenden Kohle-KWKs eingeführt werden . Die Gesetzesnovelle des Jahres 2015 stand bisher unter dem Vorbehalt einer beihilferechtlichen Genehmi- gung durch die EU-Kommission . Im August 2016 hat die Bundesregierung unter Federführung des Bundeskanz- leramtes hierzu eine Einigung mit der Kommission er- reicht . Der heute zu beschließende Gesetzentwurf setzt diese Einigung um . Er schafft damit Planungssicherheit für viele private, gewerbliche und industrielle Anlagen- betreiber . Mit der Einführung einer Ausschreibung für KWK-Anlagen von 1 bis 50 Megawatt setzen wir auch bei der KWK-Förderung zukünftig auf mehr Wettbe- werb . Ebenso wie bei den erneuerbaren Energien gilt für KWK, dass in der Perspektive die Subventionierung auslaufen und die Technologie auf eigenen Füßen stehen sollte . Nur so können weiter steigende Energiepreise ver- mieden und die Akzeptanz für die Energiewende erhalten werden . Zusätzlich schließen die neuen Ausschreibungen auch innovative KWK-Systeme ein . Die Ausschreibungen für KWK-Anlagen von 1 bis 50 MW können zukünftig per Verordnung auch für In- dustrieprojekte geöffnet werden . Auch wurde die Vor- schrift aus dem Gesetzentwurf gestrichen, dass Anlagen, die an der Ausschreibung teilnehmen, eine technische Mindesterzeugung von null erreichen müssen . Das wäre für viele Industrieprojekte nicht erreichbar gewesen . Bei dem wichtigen Thema Bestandschutz für Eigen- stromerzeugungsanlagen haben wir ebenfalls Verbes- serungen erreicht . Eigenstrombestandsanlagen werden von der EEG-Umlage auch weiterhin dauerhaft entlas- tet . Bei bestehenden Anlagen wird dieses sogenannte Eigenstromprivileg zukünftig zudem „vererbbar“, bei- spielsweise für eine Biogasanlage auf einem Bauernhof . Im Falle von Umstrukturierungen und Rechtsnachfol- gen bis Ende 2016 kann das Eigenstromprivileg auf den Rechtsnachfolger übergehen . Bestandsschutz gilt auch für bestehende Eigenstrommodelle mit mehreren Kraft- werksschreiben . Im Speicherbereich wurde die geplante vierjährige Befristung der Umlagebefreiung ebenfalls gestrichen . Die CDU/CSU hat im Gesetzgebungsverfahren insbe- sondere darauf geachtet, dass keine neuen oder zumin- dest keine zu hohen Zusatzbelastungen für die Industrie entstehen . Denn die Energiewende wird nur dann zum Erfolg, wenn es gelingt, die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandortes zu sichern . Von zentraler Bedeutung ist insbesondere die Entlas- tung der energieintensiven Industrie von der KWK-Um- lage . Trotz intensiver Verhandlungen mit der EU-Kom- mission haben wir leider nicht alles erreicht, was wir wollten . Mit dem neuen Gesetz wird die Entlastungsregelung im KWKG an die besondere Ausgleichsregelung im EEG angepasst . Dies sichert die Wettbewerbsfähigkeit besonders der hoch energieintensiven Unternehmen . Wir als CDU/CSU haben uns darüber hinaus für eine Härtefallregelung im weitmöglichsten Umfang ausge- sprochen, und zwar für alle Unternehmen, die wegen der beihilferechtlichen Restriktionen die bisherigen Ent- lastungsregelungen des KWKG nicht mehr in Anspruch nehmen können . Nach intensiven Diskussionen mit dem Bundeswirtschaftsministerium und der Kommission wurde klar, dass hierfür beihilferechtlich kein Spielraum besteht . Daher wird es leider für viele Unternehmen zukünftig zu Mehrbelastungen kommen . Die Kommis- sion hat diese Mehrbelastungen überwiegend als nicht so weitgehend eingestuft, dass sie eine unbillige Härte darstellen . Ich halte das für unbefriedigend . Schon heute ist die Wettbewerbssituation der energieintensiven Industrie in Deutschland äußerst schwierig . Dies zeigt sich schon daran, dass in diesem Sektor nur 70 bis 80 Prozent der Abschreibungen noch reinvestiert werden . Die Strom- preise für große Industrieunternehmen in Deutschland liegen bei rund 15 ct/kWh, davon sind im Durchschnitt fast 50 Prozent Steuern und Abgaben . Der Großteil der Abgaben ist auf die EEG-Umlage zurückzuführen . Die energieintensive Industrie bildet jedoch die Basis der industriellen Wertschöpfungskette und gibt Hundert- tausenden Menschen in unserem Land Lohn und Brot . Die CDU/CSU kämpft um den Erhalt dieser Arbeitsplät- ze – leider oft allein auf weiter Flur . Im Ergebnis gilt es nun, die Auswirkungen der neuen Regelung auf die Industrie genau evaluieren . Gegebe- nenfalls werden wir in ein bis zwei Jahren einen neuen Anlauf bei der Kommission nehmen, um weitergehende Entlastungen für die Industrie zu erreichen . Es gilt, Deutschland als Industriestandort zu erhalten, denn dies ist die Garantie für Wohlstand und sozialen Frieden in unserem Land auch in den kommenden Jahr- zehnten . Florian Post (SPD): Wie schon im letzten Jahr ha- ben die Verhandlungen um das KWKG und Eigenver- sorgung erst kurz vor der jetzt anstehenden Abstimmung über das Gesetz ihren Abschluss gefunden . Das war nicht geplant, um Ihnen, geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, die Arbeit zu erschweren, sondern der Tatsache geschuldet, dass wir den EU-Bescheid erst im November erhielten und noch bis zum Schluss eine gute Lösung ausgehandelt haben . Meiner Meinung nach haben wir mit dem vorliegenden Artikelgesetz eine gute Grundlage geschaffen, um der KWK weiterhin eine si- chere Perspektive im deutschen Stromerzeugungsmix zu geben . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21003 (A) (C) (B) (D) Ich bin froh, dass es gelungen ist, den doch recht am- bitionierten Zeitplan einzuhalten, um das Gesetz noch in diesem Jahr zu verabschieden . Durch das heute im Bun- destag zu beschließende Gesetz schaffen wir zudem die Voraussetzungen, dass das KWKG von der EU-Kommis- sion beihilferechtlich genehmigt wird und somit im neu- en Jahr umfassend in Kraft treten kann . In Übereinstimmung mit den Zielen der EU Kom- mission werden künftig KWK-Anlagen zwischen 1 und 50 Megawatt gefördert, wenn sie erfolgreich an einer Ausschreibung teilnehmen . Damit wird die Förderhöhe auch für KWK-Anlagen – wie im EEG – über Ausschrei- bungen ermittelt . Dies ermöglicht eine bessere Mengen- steuerung, bedeutet Planbarkeit für alle Marktakteure und erhöht die Kosteneffizienz in der Förderung. Mit dem KWK-Gesetz hat die SPD sichergestellt, dass bei der KWK-Förderung der Fokus weiterhin auf der öffentlichen Versorgung liegt . Damit schaffen wir die gesetzliche Grundlage, weiter intensiv am Ausbau der KWK und am Klimaschutz in den Städten und Gemein- den zu arbeiten . Die KWK-Förderung kann zudem für Anlagen geöff- net werden, die ihren Strom in ein geschlossenes Ver- teilernetz einspeisen . Voraussetzung dafür ist aber, dass der in solchen Netzen verbrauchte Strom im Hinblick auf Umlagen, Entgelte und Abgaben genauso gestellt ist wie Strom im Netz der allgemeinen Versorgung . Mit diesem Kriterium stellen wir sicher, dass Anlagen in ei- nem geschlossenen Netz andere Anlagen, also vor allem KWK-Anlagen von Stadtwerken, nicht aus dem Markt drängen können . Gleichzeitig haben wir im KWKG auch für Strom- speicher eine gute Lösung gefunden, indem wir die Bestimmung zur Begrenzung der KWKG-Umlage bei Stromspeichern dahin gehend angepasst haben, dass die KWK Umlage entsprechend dem§ 61 k EEG 2017 erho- ben wird . Damit wird eine Doppelbelastung von Strom- speichern – wie etwa Pumpspeicherkraftwerken – bei der Erhebung der KWKG-Umlage ausgeschlossen . Mit diesen Regelungen fördern wir die dringend not- wendigen Flexibilisierungs- und Speichermöglichkeiten . Mit dem Gesetz sind wir insgesamt auf einem guten Weg, die Sektorkoppelung und Aufnahmefähigkeit für erneuerbare Energien auszubauen, und sorgen zudem da- für, dass das Ausbauziel von 110 TWh Strom aus KWK Anlagen bis 2020 erreicht werden kann . Johann Saathoff (SPD): Vor gut einem Jahr, am 3 . Dezember, haben wir hier das KWKG 2015 beschlos- sen . Richtig abschließen können wir dieses Gesetzesvor- haben eigentlich aber erst heute . Warum ist das so? Lange haben wir alle auf die Notifizierung des KWKG gewartet . Sehr spät, am 24 . Oktober dieses Jahres, hat die Europäische Kommission das Gesetz endlich notifiziert; leider aber unter Auflagen. Und diesen Auflagen kom- men wir nun mit der erneuten KWK-Änderung nach . Bei den Privilegierungen bei der KWK-Umlage hat das BMWi hart mit der Kommission gerungen und sich letztlich darauf geeinigt, dass künftig ein Begrenzungs- bescheid bei der Besonderen Ausgleichsregelung nach dem EEG auch für die Privilegierung bei der KWK-Um- lage maßgebend ist . Das ist ein gutes Ergebnis, denn an- fangs sah es danach aus, dass Unternehmen in Zukunft die volle Umlage zahlen müssen, was ganz sicher einige Härten zur Folge gehabt hätte, was, denke ich, niemand von uns gewollt hat – zumindest nicht mit Blick auf die damit verbundenen Arbeitsplätze . Dieses Gesetzespaket trägt aber nicht nur den notwen- digen Änderungen beim KWKG Rechnung . Gleichzeitig setzen wir auch ein für den Industriestandort Deutsch- land extrem wichtiges Anliegen aus dem Koalitionsver- trag um . Ich meine die Regelung zur Eigenstromerzeu- gung, über der ja bislang immer das Damoklesschwert der Befristung bis Ende nächsten Jahres schwebte . Im Koalitionsvertrag steht, dass alle neuen Eigenstromer- zeuger mit einer Mindestumlage zur Finanzierung des EEG-Kontos beitragen sollen und dass für bestehende Eigenerzeugung Vertrauensschutz gewährleistet werden soll . Und genauso steht es nun auch in dem Gesetz, das wir heute hier beschließen . Bestehende Eigenversor- gungsmodelle zahlen weiterhin null Prozent EEG-Um- lage . Das gilt solange, bis das Kraftwerk modernisiert wird, wobei es bei der Modernisierung nur um den Ge- nerator geht . Danach müssen auch sie einen Beitrag in Höhe von 20 Prozent zum EEG-Konto leisten . Neue Ei- genstromerzeugungsmodelle zahlen nunmehr 40 Prozent EEG-Umlage . Damit gelingt uns ein guter Kompromiss, um auch die Industrie angemessen an der Finanzierung des EEG zu beteiligen und gleichzeitig den Wirtschafts- standort Deutschland nicht zu schwächen und Carbon Leakage zu vermeiden . Darüber hinaus haben wir im EEG einige Punkte, die wir bereits vor der Sommerpause beschlossen haben, etwas nachgeschärft, zum Beispiel bei den Bürgerener- giegenossenschaften . Als wir die Sonderregeln für die Bürgerenergie beschlossen haben, habe ich mir nicht vorstellen können, welches Missbrauchspotenzial diese Regelungen in sich tragen könnten . Viel haben wir in den vergangenen zwei Monaten über Strohmann-Gesell- schaften gesprochen . Und da wir natürlich keinerlei Inte- resse daran haben, dass diese gut gemeinten Regelungen unterlaufen werden, haben wir nun bestimmte Hürden eingezogen, die dieses Unterlaufen unmöglich machen sollen . Diese Hürden machen den Missbrauch der be- vorzugten Regelungen für die Bürgerenergie unmöglich, behindern aber nicht die echte Bürgerenergie . Gleichzeitig haben wir bei der Offshorewindkraft da- für gesorgt, dass wir in den nächsten Jahrzehnten viel Geld sparen können . Genehmigungen für Offshorewind- kraftanlagen werden künftig für 25 Jahre erteilt . Dadurch wird es zu günstigeren Ergebnissen in den Ausschreibun- gen kommen, was das EEG-Konto entlasten wird . In den vergangenen Wochen haben wir in Dänemark und den Niederlanden erstaunlich günstige Gebotszuschläge für Offshorewindparks gesehen . Die Bedingungen lassen sich nicht ganz mit den Bedingungen in Deutschland ver- gleichen . Aber ich gehe trotzdem davon aus, dass wir in der ersten Ausschreibungsrunde für Offshorewindparks im kommenden Jahr Ergebnisse sehen werden, die wir Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621004 (A) (C) (B) (D) alle der Branche kaum zugetraut haben . Auf jeden Fall sollten wir in naher Zukunft unsere Beschlüsse zu den Ausbaumengen bei der Offshorewindkraft noch mal überdenken, denn hier liegt nach wie vor großes Potenzi- al – sowohl gesamtdeutsch industriepolitisch als auch als günstige, fast grundlastfähige erneuerbare Energiequelle . Insgesamt war es ein von großer Zeitnot geprägtes Verfahren, weil wir ja unbedingt noch in dieser Woche beschließen müssen . Ich möchte mich deshalb ganz besonders bei den Kolleginnen und Kollegen aus dem BMWi bedanken, die quasi Tag und Nacht durchgearbei- tet haben . In Ostfriesland würde man sagen: „wi hebben heel moi tausamen arbeid“ . Und nun wünsche ich Ihnen ein besinnliches Weih- nachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr . Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Damit die EU-Kommission bei den deutschen Industrieprivilegi- en zwei Augen zudrückt, verlangt sie, die KWK künf- tig über Ausschreibungen zu fördern . Das ist kompletter Unsinn, es gibt sachlich keinen Zusammenhang . Dies ist ein klassischer Deal, der nicht sachgemäß ist und der die ohnehin schon komplizierte Materie noch komplizierter macht . Wir halten es für verantwortungslos, nun auch die Förderhöhe der KWK über Ausschreibungen zu ermit- teln, nach dem Motto: billig gewinnt . Bei Photovoltaik und Windkraft haben wir das Instrument Ausschreibun- gen abgelehnt, weil es Bürgerenergie trotz Nachteils- ausgleich Steine in den Weg legt und voraussichtlich zu Marktkonzentration einiger weniger Projektierer führen wird . Bei der Kraft-Wärme-Kopplung haben wir für unse- re Ablehnung der Ausschreibungen, wie sie nun für An- lagen zwischen 1 und 50 Megawatt eingeführt werden, etwas andere Gründe: KWK-Anlagen sind sehr unter- schiedlich, und die Wirtschaftlichkeit einer Anlage ist abhängig von verschiedenen Größen, nicht nur auf der Stromseite, sondern auch bei der Wärmeproduktion . In dieser uneinheitlichen Welt sind Ausschreibungen wirk- lich widersinnig und schädlich für den weiteren Ausbau . Viele KWK-Anlagen produzieren auch Strom für den eigenen Verbrauch, sei es im Gebäudekomplex oder in einer Industrieanlage . Das sollen sie aber nicht mehr dürfen, wenn sie an Ausschreibungen teilnehmen . Ge- fördert werden dann nur noch Anlagen, die vollständig ins öffentliche Netz einspeisen. Auch das finden wir nicht sachgerecht . Es gibt zudem keinerlei Erfahrungen mit KWK-Ausschreibungen – weder hierzulande noch im Ausland, es existieren etliche offene Fragen . Aber wie genau die Bundesregierung dies nun gestal- ten will, denkt sie sich ja selbst erst aus . Hier gibt das Parlament ihr heute wieder einen Freifahrtschein über eine Verordnungsermächtigung . Wir bezweifeln, dass sich in dem Bereich von Anlagen zwischen 1 und 50 Me- gawatt eine faire Ausschreibungspraxis bewerkstelligen lässt . Betroffen sind hier vor allem Stadtwerke und In- dustrieanlagen, die effizienter werden sollen – deren Pla- nung wird aber unsicherer und verteuert . Wer vorhat, in die hocheffiziente KWK zu investieren, wird künftig ins kalte Wasser geworfen . Da überlegt man es sich zweimal, und dies, obwohl die Ausbauzahlen ohnehin hinter den Erwartungen zurückbleiben . Aufgrund der Umstellung des Fördersystems wird es vermutlich auch zu einem Fadenriss bei den Investitionen kommen . So warnten jedenfalls die Experten in der Anhörung . Es droht eine Investitionslücke von zwei Jahren . Mit dem Gesetzentwurf werden ferner Industrieprivi- legien im EEG und im KWK-G verlängert . Bravo, kann ich da nur sagen . Jedes Jahr werden der Industrie beim Eigenverbrauch Umlagen in Höhe von etwa 2 Milliar- den Euro erlassen . Dass dies bei Bestandsanlagen auch weiterhin so sein wird und diese Kosten letztlich auf die Stromrechnung der privaten Haushalte draufgeschlagen werden – das beschließen Sie heute . Das kann man auch nicht mit „Bestandsschutz“ begründen, denn der Gewinn aus dem Eigenstromprivileg wächst automatisch mit je- dem Anstieg der Preise für den Fremdstrombezug aus dem Netz . Hier wird unkontrolliert Geld verschenkt . Einige meinen, ohne diese Privilegien würden etliche KWK-Anlagen unwirtschaftlich . Wir halten dem entge- gen: Dann sollte man besser auskömmliche KWK-Zu- schläge zahlen, anstatt über das Eigenstromprivileg zweite Kassen aufzumachen, deren Füllung und Berech- tigung von niemanden mehr kontrolliert werden kann . Noch ein Wort zu den EEG-Regelungen aus dem Sommer, die heute bei der Bürgerenergie geheilt werden sollen . Wir als Linke hatten ja die Missbrauchsmöglich- keiten bei der Bürgerenergie thematisiert . Ich erkenne an, dass die Koalition nun eine Formulierung ins Gesetz aufnimmt, die versucht, Projekten, die nur unter dem Deckmantel Bürgerenergie auftreten und dann nach kur- zer Zeit verkauft werden sollen, einen Strich durch die Rechnung zu machen . Ich bin nicht sicher, ob das Erfolg hat, aber zunächst erscheint es mir stimmig . Nur damit hier keine Missverständnisse aufkommen, muss ich allerdings nochmal klarstellen: Das eigentliche Problem ist nicht der Nachteilsausgleich im EEG bei der Bürgerenergie . Das eigentliche Problem liegt in der Ein- führung von Ausschreibungen, die systematisch große finanzstarke Investoren bevorteilen, mittelfristig zu einer Marktkonzentration von wenigen Investoren führen und gegen den Charakter einer dezentralen Energiewende wirken . Dieses Problem wird grundsätzlich nicht geheilt, und ich kann nur hoffen, dass die Bürgerenergie sich nicht entmutigen lässt . Die Linke setzt sich weiterhin für eine dezentrale Energiewende in Bürgerhand ein . Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nun wissen wir ganz offiziell, dass die Bundesregierung ihre selbst gesteckten Klimaziele bis 2020 nicht errei- chen wird . Das sagt der Klimaschutzbericht 2016, den das Kabinett gestern beschlossen hat . Doch statt den Bericht als Ansporn zu nehmen und jetzt in allen Berei- chen nachzulegen, legt die Große Koalition die Hände in den Schoß . Oder noch schlimmer: Sie bremst die Kli- maschutzanstrengungen noch weiter aus . So wie bei der Kraft-Wärme-Kopplung, über die wir heute abstimmen . Mit dem jetzt vorgelegten Gesetz schafft die Regie- rung durch höchst bürokratische Ausschreibungsverfah- ren neue Hindernisse für die KWK, statt sie zu stärken . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21005 (A) (C) (B) (D) Wenn Sie jetzt sagen: „Das stimmt doch gar nicht“, darf ich Ihnen ein Zitat aus der Antwort der Bundesregierung auf unsere Kleine Anfrage zur Zukunft der KWK vorle- sen: „Grundsätzlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich insbesondere in den ersten Ausschreibungsrun- den der administrative Aufwand oder die Risikotragung leicht erhöhen .“ Zitat Ende . Nach der zweijährigen Hängepartie, die Sie der KWK-Branche bereits bis heute zugemutet haben, kommen nun also weitere Verzögerungen, Hürden und Hindernisse dazu . So werden Sie Ihr Ausbauziel für die effiziente Kraft-Wärme-Kopplung und den Klimaschutz- beitrag durch KWK ganz sicher nicht erreichen . Davon gehen auch die Sachverständigen aus, die in unserer An- hörung im Wirtschaftsausschuss dazu Stellung genom- men haben . Und es wäre ja noch nicht zu spät gewesen, wenigs- tens einige Verbesserungsvorschläge aufzugreifen, wie sie beispielsweise in der Anhörung thematisiert wurden oder die die Bundesländer gemacht haben . Ich nenne Ih- nen einige Beispiele: Erstens . Angesichts der neuen Hindernisse für die Errichtung von KWK-Anlagen und der ohnehin schon erfolgten Stilllegung vieler Anlagen hätten Sie wenigs- tens die Ausschreibungsmengen erhöhen müssen . Damit bestünde die Chance, die negative Entwicklung bei der KWK ein wenig zu kompensieren . Aber davon sehe ich in Ihrem Änderungsantrag nichts! Zweitens . Für die Energiewende im Wärmebereich brauchen wir auch die kleine und mittlere KWK in der dezentralen Versorgung . Daher hätten Sie unbedingt die KWK zur Versorgung von Mietshäusern stärken müssen . Doch von einer Ausdehnung der Verordnungsermächti- gung im EEG zur Förderung von Mieterstrommodellen auf KWK sehe ich ebenfalls nichts! Drittens . Besonders wichtig sind im Sinne des Klima- schutzes der schnellere Umstieg von Kohle auf erneu- erbare Energien oder die Nutzung von Abwärme auch in der Kraft-Wärme-Kopplung. Denn auch diese effizi- ente Technik soll perspektivisch vollständig klimaneu- tral betrieben werden . Doch auch hier haben Sie keine Verbesserungen geschaffen . So bleiben beispielsweise in den Ausschreibungen für innovative KWK-Anlagen ORC-Prozesse oder die Nutzung von Abwärme weiter- hin außen vor . Viertens . Und noch ein letzter Punkt, den ich für zen- tral halte: Nachdem seit Oktober endlich die Anträge bearbeitet werden, die seit Januar vorlagen, müssen alle Investoren für KWK-Anlagen in einer Größe von 1 bis 50 MW nun noch bis Herbst nächsten Jahres warten; denn vorher wird Ihre Verordnung für die neuen Aus- schreibungen nicht in Kraft treten . Planungssicherheit ist was anderes! Die Branche befürchtet eine große Investi- tionslücke . Ich habe schon bei der Einbringung des Gesetzent- wurfs davor gewarnt, dass die vorgesehenen Änderun- gen am Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz den Ausbau der KWK weiter erschweren werden und dass die Bundes- regierung ihre Klimaziele so nicht erreichen wird . Statt diese Warnung ernst zu nehmen, ignorieren Sie weiterhin die großen Probleme beim Ausbau der KWK und legen den Klimaschutz ad acta . Das ist der falsche Weg in der Energie- und Klimapolitik! Anlage 15 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Barbara Lanzinger (CDU/CSU) zu der Abstimmung über den von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bestimmungen zur Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung und zur Eigenversor- gung (Zusatztagesordnungspunkt 7) Aus den hier aufgeführten Gründen stimme ich heute gegen das oben genannte Gesetz . Das liegt nicht daran, dass ich mich gegen Kraft-Wär- me-Kopplung (KWK) ausspreche . Ganz im Gegenteil: KWK ist eine allseits anerkannte, hoch effiziente und klimafreundliche Technologie . KWK ist ein wichtiger Baustein der Energiewende und von herausragender Be- deutung für die Erreichung unserer Klimaziele . Aus diesem Grund haben wir bereits Ende 2015 das KWK-Gesetz im Bundestag und Bundesrat verabschie- det, mit dem Ziel, diese Technologie zu befördern . Da- mals signalisierte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), dass das im Deutschen Bundestag ausverhandelte Gesetz vonseiten der Europäischen Kom- mission zwar noch beihilferechtlich genehmigt werden müsse, jedoch keine beihilferechtlichen Bedenken her- vorrufe . Zu Beginn 2016 wurde uns mitgeteilt, dass es doch massive Bedenken gebe – und zwar gegen zentrale Punkte des Gesetzes . Nach Aussage des BMWi musste daher in 2016 in- tensiv zwischen BMWi und Europäischer Kommission nachverhandelt werden . Das Ergebnis, das uns im Rah- men eines Kabinettentwurfs am 19 . Oktober 2016 vor- gelegt wurde, entspricht in vielen Punkten nicht mehr den politischen Abstimmungsergebnissen des Deutschen Bundestages von Dezember 2015 . In den vergangenen Wochen mussten erneut intensive parlamentarische Beratungen zu dem eingangs genann- ten Änderungsgesetz stattfinden, um die vom BMWi an- geführten beihilferechtlichen Bedenken umzusetzen . Bei den parlamentarischen Verhandlungen hat das BMWi enormen zeitlichen Druck aufgebaut, obwohl das BMWi selber lange gebraucht hat, um ein bereits abgeschlos- senes Gesetz neu mit der Europäischen Kommission zu verhandeln . Mit diesem Prozedere bin ich als Abgeordnete des Deutschen Bundestages nicht einverstanden . Verhand- lungen dieser regulatorischen und technischen Kom- plexität brauchen Zeit, um vom Parlament tiefgehend geprüft werden zu können . Das gilt vor allem im Sinne der KWK und dementsprechend der KWK-Anlagenbe- treiber, die nachhaltig Rechtssicherheit für Investitionen und den Anlagebetrieb benötigen . Nur so kann auch der wiederholte Eindruck widerlegt werden, dass das BMWi Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621006 (A) (C) (B) (D) versuche, unter scheinbarem Bezug zum Beihilferecht der Europäischen Kommission, eigene politische An- sichten in der Energiepolitik durchzusetzen . Anlage 16 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes (Tagesordnungs- punkt 17) Julia Obermeier (CDU/CSU): Wir alle haben die Pariser Terrornacht vom 13 . November 2015 in Erinne- rung . 130 Menschen starben und 350 wurden zum Teil schwer verletzt . Diese schrecklichen Anschläge – verübt mit Sprengsätzen, Sturmgewehren und Handgranaten – trafen uns im Herzen Europas und offenbarten eine neue Dimension des Terrors . Auch Deutschland steht im Fadenkreuz des Terroris- mus: Dies zeigen die Anschläge von Ansbach, Würzburg, Essen und Hannover . Der islamistische Terrorismus be- droht unsere freie Gesellschaft . In islamistischen Kreisen gilt die professionelle mi- litärische Schieß- und Gefechtsausbildung der Bundes- wehr als besonders attraktiv, nicht nur für die Vorbe- reitung terroristischer Anschläge, sondern auch für den menschenverachtenden Dschihad in den von der IS-Ter- rormiliz kontrollierten Gebieten . Dass die Bundeswehr für gewaltbereite Extremisten attraktiv ist, belegen Zahlen des Militärischen Abschirm- dienstes, MAD: 30 ehemalige Soldaten sind nach Syrien oder in den Irak ausgereist . Es liegt nahe, dass sie sich dem IS angeschlossen haben und sich an barbarischen Gräueltaten beteiligen . Zudem wurden 20 Islamisten in der Bundeswehr vom MAD enttarnt, und aktuell werden mindestens 60 weite- re Verdachtsfälle verfolgt . Dies zeigt uns deutlich: Wir müssen die Gefahr des Missbrauchs der militärischen Bundeswehrausbildung eindämmen . Die bisherigen Maßnahmen reichen ange- sichts der Bedrohungslage nicht aus . Bislang müssen Bewerberinnen und Bewerber, die sich für den Soldatenberuf entschieden haben, ein poli- zeiliches Führungszeugnis vorlegen . Zudem werden sie über das Grundgesetz belehrt und müssen sich schriftlich zu Verfassungstreue und zur freiheitlichen demokrati- schen Grundordnung bekennen . Es wurde bisher nicht umfassend geprüft, ob ein Be- werber an anderer Stelle bereits als Extremist oder Ge- walttäter bekannt ist . Der vorliegende Gesetzentwurf soll dies nun ändern . Hat ein Bewerber das Auswahlverfahren erfolgreich durchlaufen, wird er einer einfachen Sicherheitsüberprü- fung unterzogen . Dieses bewährte Verfahren wird bereits bei anderen sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten innerhalb der Bun- deswehr angewendet – sowie auch im Luftverkehr oder hier im Bundestag . Hierzu werden insbesondere Infor- mationen der Polizei- und Sicherheitsbehörden sowie des Bundeszentralregisters eingeholt und geprüft . Bevor also jemand in der militärischen Grundausbil- dung lernen kann, wie man Kriegswaffen, zum Beispiel Sturmgewehre und Pistolen, gebraucht, schaut nun der MAD genau hin . Das ist wichtig und notwendig . Zukünftig müssen etwa 20 000 Sicherheitsüberprü- fungen zusätzlich durchgeführt werden . Um diese Arbeit stemmen zu können, brauchen der MAD und die ande- ren betroffenen Behörden mehr Personal . Das wird uns 8,2 Millionen Euro kosten . Doch das Geld ist eine klu- ge Investition . Potenzielle Terroristen und gewaltbereite Extremisten, egal welcher Prägung, haben keinen Platz in der Bundeswehr . Sie dürfen die Bundeswehr nicht als Ausbildungseinrichtung für ihre üblen Zwecke missbrau- chen . Bisher hat es in Deutschland noch keinen Anschlag gegeben, bei dem ein Terrorist den Umgang mit seiner Waffe in unseren Streitkräften erlernt und erprobt hat . Dies soll auch zukünftig so bleiben . Durch die Gesetzes- änderung tun wir unser Möglichstes, dies zu verhindern . Daher bitte ich Sie um Ihre Zustimmung . Bernd Siebert (CDU/CSU): Der Deutsche Bun- destag hat in seiner 199 . Sitzung am Donnerstag, dem 10 . November 2016, in erster Lesung über einen Ge- setzentwurf zur Änderung des Soldatengesetzes beraten . Dieser wurde in der Folge zur weiteren Beratung in den Verteidigungsausschuss überwiesen . Am 30 . November hat schließlich der Verteidigungs- ausschuss über die wichtige Thematik beraten und mit den Stimmen der Koalition aus CDU/CSU und SPD dem vorliegenden Gesetzentwurf zugestimmt . Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat sich enthalten, die Frak- tion Die Linke hat mit Nein gestimmt . Angesichts der im Verteidigungsausschuss geführ- ten Debatte möchte ich auch hier im Deutschen Bun- destag den Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere dem Militärischen Abschirmdienst, für ihren wertvollen und wichtigen Einsatz danken . Ohne die Arbeit des Militäri- schen Abschirmdienstes wäre manch radikalisierter Isla- mist noch unentdeckt und möglicherweise in der Lage, innerhalb unserer Streitkräfte oder an anderer Stelle Schlimmstes anzurichten . Es ist immer wieder in Erinne- rung zu rufen: 24 Islamisten wurden in der Bundeswehr enttarnt . 60 weitere Verdachtsfälle werden verfolgt . Wir hören, dass der Militärische Abschirmdienst der- zeit eine dreistellige Zahl extremistischer Verdachtsfälle überprüft . Darunter leider Rechts- und Linksextremisten sowie die genannten islamischen Extremisten . Von der Dunkelziffer ganz zu schweigen . Aus diesem Grund ist es folglich unerlässlich, eine gesetzliche Regelung her- beizuführen, die es erlaubt, Extremisten, Terroristen und weitere Kriminelle frühzeitig zu erkennen – idealerweise Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21007 (A) (C) (B) (D) natürlich, bevor sie in unsere Streitkräfte aufgenommen werden . Klar ist, dass angesichts der veränderten Sicherheits- lage auch das Sicherheitsbedürfnis der Bundeswehr und ihrer Angehörigen ein völliges anderes ist . Dem muss selbstverständlich Rechnung getragen werden . Somit beschreitet der vorliegende Gesetzentwurf den richtigen Weg . Danken möchte ich auch dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, der zu Recht darauf hingewie- sen hat, dass Extremisten und Islamisten die Bundeswehr nicht zur Ausbildung für den Dschihad missbrauchen dürfen . Diese reale Gefahr muss man ernst nehmen . Aus diesem Grund möchte ich mich mit aller Ent- schiedenheit den Vorwürfen gegen die Bundesregierung verwehren, hier werde nur billiger Aktionismus betrie- ben . Im Gegenteil: Der Zeitpunkt zur Verabschiedung der Gesetzesänderung ist hochaktuell . Insofern spreche ich der Bundesregierung und hier insbesondere Bundes- verteidigungsministerin Ursula von der Leyen für die Initiative zur Änderung des Soldatengesetzes mein aus- drückliches Lob aus . Zugleich ist dies auch keine Maßnahme zur Darstel- lung der Existenzberechtigung des Militärischen Ab- schirmdienstes . Die Notwendigkeit des Dienstes ergibt sich ohne jeden Zweifel aus den eben geschilderten Ent- tarnungserfolgen . Wer das in Zweifel zieht, legt Hand an die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten der Bundes- wehr und damit an die Bündnis-, Verteidigungs- und Ein- satzfähigkeit Deutschlands . Lassen Sie mich in Erinnerung rufen, worum es ei- gentlich geht: Die Gesetzesänderung sieht vor, dass sich Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr zukünf- tig vor dem Eintritt in die Streitkräfte einer einfachen Sicherheitsüberprüfung unterziehen sollen, und zwar Berufs- und Zeitsoldaten ebenso wie auch freiwillig Wehrdienstleistende . Bisher ist dies in der Regel nur bei Verwendungen in sicherheitsrelevanten Bereichen der Fall . Darüber hinaus wird von angehenden Soldaten le- diglich ein Führungszeugnis oder eine Auskunft aus dem Bundeszentralregister eingeholt sowie ein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung eingefor- dert . Staatssekretär Markus Grübel hat in erster Lesung korrekterweise darauf hingewiesen, dass alle Soldatin- nen und Soldaten im Rahmen der Grundausbildung in der Handhabung und dem Gebrauch von Kriegswaffen ausgebildet werden . Solch eine qualitativ hochwertige Ausbildung sei daher auch bei Menschen begehrt, die besser niemals lernen dürften, wie man ein Sturmgewehr bediene . Er wies sinnbildlich darauf hin, dass diese Men- schen ihre feindseligen Absichten eben nicht offen er- kennbar auf der Stirn tragen . Diese Menschen wird man nur leider kaum identifizieren können, wenn man ihnen ein Führungszeugnis sowie das Bekenntnis zur freiheit- lich demokratischen Grundordnung einfordert . Das wäre nicht mehr den heutigen Bedrohungsszena- rien entsprechend, und ich möchte mir darüber hinaus kein Anschlagsszenario vorstellen, in dessen Nachberei- tung sich herausstellt, dass der oder die Attentäter ihre Schusswaffenausbildung bei einer Einheit der Bundes- wehr erhalten haben . Somit kann es aus meiner Sicht nur einen Weg ge- ben, nämlich die nun vorgeschlagenen Maßnahmen so bald wie möglich umzusetzen . Ich bin der festen Über- zeugung, dass Extremisten, Terroristen und Kriminelle keinen Platz in der Bundeswehr haben dürfen . Deren frühzeitige Erkennung ist daher unumgänglich . Der vor- liegende Gesetzentwurf trägt dazu bei, die Bundeswehr und damit auch die Bundesrepublik Deutschland sicherer zu machen . Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Dass das vorliegende Änderungsgesetz ausschließlich in Form von zu Proto- koll gegebenen Reden im Plenum des Deutschen Bun- destages „beraten“ wird, ist ein unsinniger Vorgang . Ent- weder es besteht Beratungsbedarf; dann müssen wir auch den Raum für den parlamentarischen Schlagabtausch schaffen . Oder es besteht keiner; dann brauchen wir auch keine Besinnungsaufsätze zum Inhalt der Gesetze in den Parlamentsprotokollen zu beerdigen, sondern sollten es mit der Abstimmung bewenden lassen . Da es aber nun einmal so beschlossen ist, gehe ich kurz auf die Argumente der Grünen und der Linken ein, die dem Protokoll der ersten Lesung zu entnehmen sind . Inhalt des Gesetzes ist die Ausweitung der Befugnisse des MAD . Wir schaffen eine Rechtsgrundlage dafür, dass der MAD schon vor der Einstellung eine Sicherheits- überprüfung der Bewerberinnen und Bewerber bei der Bundeswehr durchführen kann . Ziel ist es, zu verhin- dern, dass Extremisten eine militärische Ausbildung für ihre möglicherweise terroristischen Absichten erhalten . Notwendig erscheint die Gesetzesänderung, nachdem der MAD in einem Zeitraum von zehn Jahren insgesamt 24 dschihadistische Extremisten unter den aktiven Sol- daten enttarnt hat . Für die Linken kritisiert Inge Höger pauschal, dass Soldatinnen und Soldaten überhaupt eine militärische Ausbildung erhalten, die auch andere als dschihadis- tische Extremisten und Söldner für ihre verwerflichen Ziele nutzen könnten und nachweislich bereits genutzt hätten . Da die SPD-Fraktion die Existenz leistungsfähi- ger Streitkräfte für notwendig hält, um die Sicherheit des Landes zu gewährleisten, können wir diese Kritik nur als im Ansatz verfehlt zurückweisen . Für Bündnis 90/Die Grünen zieht Agnieszka Brugger nicht das Schutzziel der Gesetzgebung an sich in Zwei- fel, sondern beanstandet die damit verbundene Stärkung des MAD, einer Behörde, die die Grünen für überflüssig halten, weil ihre Aufgaben auch von anderen Einrichtun- gen wahrgenommen werden könnten . Die SPD-Fraktion betrachtet es angesichts der zu lösenden Aufgabe – Ex- tremismusprävention in den Streitkräften – als nicht zielführend, bei dieser Gelegenheit eine grundsätzliche Strukturdebatte zu führen, zumal auch die Grünen nicht infrage stellen, dass die Aufgaben des MAD, unabhängig von der damit beauftragten Behörde, bestehen bleiben . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621008 (A) (C) (B) (D) Das Gesetz trägt dazu bei, eine objektiv bestehende Sicherheitslücke zu schließen . Die SPD-Fraktion stimmt daher zu . Dr. André Hahn (DIE LINKE): Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land haben zu Recht einen Anspruch darauf, dass der Staat sie bestmöglich vor Angriffen auf ihre körperliche Unversehrtheit und ihr Leben schützt . Dazu gehört auch, dass Personen, die in sicherheitsre- levanten Bereichen arbeiten, vor der Einstellung und gegebenenfalls auch während der Ausübung ihrer Tätig- keit auf ihre Zuverlässigkeit angemessen und auch re- gelmäßig überprüft werden . Das gilt beispielsweise für das Personal von Atomkraftwerken oder an Flughäfen . Zu diesen sicherheitsrelevanten Bereichen gehören aber auch Beschäftigte bei der Polizei, beim Zoll, bei den Ge- heimdiensten – solange es sie noch gibt – und andere Per- sonen, die an Waffen ausgebildet werden und regelmäßig Zugang zu Waffen haben, also letztlich auch Bewerberin- nen und Bewerber bei der Bundeswehr . Im vorliegenden Gesetzentwurf geht es nun auch aus- schließlich um die Sicherheitsüberprüfung von künftigen Soldatinnen und Soldaten . Dagegen lässt sich grundsätz- lich kaum etwas einwenden . Gleichwohl werden wir als Linke diesem Gesetz nicht zustimmen können, und zwar im Wesentlichen aus zwei Gründen . Ein Grund liegt in der wirklich mehr als einseitigen Begründung mit möglichen islamistischen Bedrohungen . In den vergangenen zehn Jahren wurden nach Berichten des Tagesspiegels insgesamt 24 Soldaten als Islamisten eingestuft . Aktuell werden wohl weitere circa 60 Ver- dachtsfälle durch den Militärischen Abschirmdienst überprüft . Dem gegenüber stehen allein die aktuell über 250 Verdachtsfälle, in denen sich Rechtsextremisten in die Truppe eingeschlichen haben sollen . Hier liegt das wirkliche Problem innerhalb der Bundeswehr, über das aber offenbar nicht so gern gesprochen wird . Gleichwohl wird im Gesetzentwurf der Bundesregie- rung zuallererst auf die Gefahren durch islamistischen Terror hingewiesen, bevor eher beiläufig auf die unrühm- liche Rolle der Bundeswehr und insbesondere des MAD im Zusammenhang mit dem rechtsterroristischen NSU eingegangen wird . Nur am Rande sei bemerkt, dass der MAD damals einige Rechtsterroristen sehr wohl kannte, immerhin sollte Uwe Mundlos sogar als V-Mann ange- heuert werden . Doch nicht die Neonazis, nicht die mögliche Unter- wanderung der Bundeswehr durch Rechtsextremisten, sondern erst die islamistisch motivierten Attentate in Pa- ris, Kopenhagen und Brüssel ließen bei der Bundesregie- rung die Idee keimen, man sollte vielleicht doch vorher mal genauer nachsehen, wen man da an Kriegswaffen ausbilden will . Mit dem vorliegenden Gesetz soll nun der lange beste- hende Wertungswiderspruch aufgelöst werden, wonach für Tätigkeiten in allen möglichen sicherheitsempfindli- chen Bereichen wie eben im Atombereich oder an Flug- häfen eine Sicherheitsüberprüfung notwendig ist, nicht aber für die Ausbildung an Kriegswaffen . Dass dies nun korrigiert werden soll, ist deshalb nachvollziehbar und begrüßenswert, wenngleich die Gesetzesbegründung, wie eben schon erwähnt, an der Realität vorbeigeht . Es gibt aber noch einen zweiten und für uns noch wichtigeren Grund, weshalb wir als Linke dem Gesetz- entwurf nicht zustimmen können, nämlich die Frage, wer denn diese Sicherheitsüberprüfungen künftig durchfüh- ren soll . Aus unserer Sicht sind weder der Militärische Ab- schirmdienst noch eventuell das Bundesamt für Verfas- sungsschutz dafür geeignet . Es ist ja bekannt, dass wir als Linke den Geheimdiensten aus guten Gründen und nach jahrelangen Erfahrungen mit Pannen und Skandalen sehr skeptisch gegenüberstehen und deren Agieren parlamen- tarisch sehr kritisch begleiten . Für uns ist es daher auch nicht akzeptabel, dass die beabsichtigten Sicherheitsüberprüfungen wieder durch einen Nachrichtendienst erfolgen sollen . Wir wollen die Geheimdienste perspektivisch überwinden und ihnen nicht noch immer neue Aufgaben übertragen . Wir meinen, es ist allerhöchste Zeit, das System der Sicherheitsüberprüfungen endlich mal grundlegend zu überdenken . Anstatt diese Aufgabe dem Verfassungs- schutz oder wie im vorliegenden Gesetzentwurf dem MAD zu übertragen, sollte geprüft werden, welche even- tuell bereits existierenden oder neu zu schaffenden In- stitutionen oder Behörden ohne nachrichtendienstlichen Hintergrund diese Aufgabe übernehmen und vielleicht sogar auch besser erfüllen könnten . Dass selbst eine bestandene Sicherheitsüberprüfung der Stufe 3, immerhin die höchste, die man im öffent- lichen Dienst erlangen kann, noch lange keine Garantie ist, zeigte nicht zuletzt der erst kürzlich aufgedeckte Fall eines Islamisten im Bundesamt für Verfassungsschutz . Und schließlich will ich auch noch mal darauf verwei- sen, was meine Kollegin Höger hier in der ersten Lesung zu Recht erwähnte: Eine der größten Radikalisierungsge- fahren für Soldatinnen und Soldaten ist der Kriegseinsatz selbst, weil es dabei oder danach allzu oft zu schweren Traumata kommt . Auch deshalb sollten wir deutsche Sol- datinnen und Soldaten nicht länger in immer neue und immer größere Kriege in die Krisenregionen dieser Welt schicken . Schlussendlich komme ich zu dem Ergebnis, dass es zwar sinnvoll erscheint, zu prüfen, wer zukünftig an Waf- fen ausgebildet wird . Keinesfalls sinnvoll ist es jedoch, diese Aufgabe einem Geheimdienst zu übertragen und hierfür dort über 40 neue Stellen zu schaffen . Problematisch ist zudem, dass die Koalition im Aus- schuss noch völlig sachfremde Punkte in das Gesetz auf- genommen und einfach mal so nebenbei eine Erhöhung der Reservistenbezüge für militärische Übungstage be- schlossen hat, die wir als Linke nicht mittragen können . Aus den genannten Gründen wird meine Fraktion den vorliegenden Gesetzentwurf ablehnen . Doris Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich glaube, ich trete niemandem hier zu nahe, wenn ich sage: Wir alle sind sehr beunruhigt . Anfang November wur- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21009 (A) (C) (B) (D) de bekannt, dass Menschen mit einer islamistischen Ge- sinnung in jüngster Zeit verstärkt versucht haben, in die Bundeswehr einzutreten . Ihr Ziel war dabei ganz offen- sichtlich, sich durch eine Ausbildung an der Waffe auf einen Kampfeinsatz im Nahen Osten vorzubereiten . Die Vorstellung, dass dieser Plan aufgehen könnte, ist natür- lich völlig unerträglich . Niemand, egal welcher extremis- tischen Gesinnung er oder sie auch sein mag, darf in der Bundeswehr an der Waffe ausgebildet werden! Die Frage ist nur, wie wir diesem Schreckensszenario vorbeugen können . Mit welchen Instrumenten können wir verhindern, dass Islamisten, Antisemiten, Links- oder Rechtsextreme in die Bundeswehr gelangen? Die Bundesregierung setzt mit der Änderung des Soldatenge- setzes auf eine Ausweitung der Überprüfung durch den Militärischen Abschirmdienst . Doch ich bin überzeugt: Das ist ganz definitiv der falsche Weg! Denn wenn wir uns einmal anschauen, was der MAD in den letzten Jahren und Jahrzehnten tatsächlich zustan- de gebracht hat, kann das Ergebnis nur lauten: nicht viel bis gar nichts . Der MAD wusste bereits in den 90er-Jahren von der rechten Gesinnung des späteren NSU-Protagonisten Uwe Mundlos . Ja, der Geheimdienst wollte Mundlos sogar als Informanten aus der rechten Szene anwerben . Welche Konsequenzen diese Erkenntnisse des MAD hatten, wis- sen wir alle: keine . Mundlos konnte im Verein mit den anderen Mitgliedern des NSU jahrelang völlig unbehel- ligt morden . Skandalös ist in diesem Zusammenhang auch die Art und Weise, in der der MAD mit den parlamentarischen Kontrollgremien zusammengearbeitet hat . So bedurfte es erst einer ganz gezielten Anfrage aus dem NSU-Untersu- chungsausschuss, bevor man sich beim MAD bequemte, überhaupt einmal im Archiv nach einer Akte Mundlos zu forschen! Eine derartige Geringschätzung der parlamen- tarischen Gremien darf ein demokratischer Rechtsstaat einfach nicht hinnehmen . Dass der MAD keinen guten Job macht – zu diesem Ergebnis kommt schließlich auch ein Bericht, den der Bundesrechnungshof 2014 veröffentlicht hat: Demnach spioniert der MAD ohne gesetzliche Grundlage auch in solchen Bereichen herum, die eigentlich dem BND zu- gewiesen sind . Das ist nicht nur gesetzeswidrig, sondern durch die entstehenden Doppelstrukturen auch unnötig teuer . Aus all dem kann es doch nur eine vernünftige Schluss- folgerung geben: Wir müssen unser gesamtes Geheim- dienstwesen auf den Prüfstand stellen und es neu orga- nisieren . Wir brauchen andere Strukturen – und für mich steht dabei fest: Der MAD kann dabei getrost in anderen Organisationsbereichen aufgehen . Wir brauchen keinen spezifisch militärischen Dienst. Was wir brauchen, sind professionell arbeitende, demokratisch kontrollierte und kosteneffiziente Strukturen. Solche Strukturen werden auch in der Lage sein, die Bundeswehr frei von Extre- misten aller Couleur zu halten . Leider hat die Bundesregierung die Chance zu einer solchen grundlegenden Reform der Geheimdienste Ende Oktober wieder einmal ungenutzt verstreichen lassen . Die Änderung des Soldatengesetzes, die die Bundes- regierung hier heute vorschlägt, fügt dem überteuerten Wirrwarr der Spionagedienste nur einen weiteren Knoten hinzu . Und deshalb wird meine Fraktion diesem Gesetz nicht zustimmen . Anlage 17 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Än- derung des Bundeswaldgesetzes (Tagesordnungs- punkt 19) Cajus Caesar (CDU/CSU): Wald, das ist für uns die Luft zum Atmen, also eine wichtige Lebensgrundlage . Der Wald filtert Luft und Wasser. Er produziert Sauer- stoff, schützt uns vor Lärm und gibt uns Platz für unsere Erholungsfunktion . Wald, das bedeutet Artenvielfalt, und dies vor allem im nachhaltig bewirtschafteten Wald und nicht im still- gelegten Wald . Wald bedeutet aber auch insbesondere Arbeitsplätze für den ländlichen Raum . In der Forst- und Holzindus- trie, mit einem Umsatz von über 180 Milliarden Euro, arbeiten nämlich mehr Beschäftigte als etwa in der Auto- mobilindustrie . Die rund 2 Millionen Waldbesitzer sowie die gesamte Wertschöpfungskette Wald und Holz halten unseren ländlichen Raum im Wesentlichen lebenswert und auch wirtschaftlich attraktiv . Deshalb wollen wir als Union alles dafür tun, um Wirtschaftskraft, Umwelt und Erholungsfunktion zu er- halten . Dies ist unser Anliegen . Dies ist ein wichtiges An- liegen der Union . Deshalb setzen wir uns mit aller Kraft dafür ein . Mit dem heute vorgelegten Entwurf zur Änderung des Bundeswaldgesetzes soll dem Rechnung getragen wer- den . So hat das Kartellamt festgelegt, die Vermarktung des Holzes, die derzeit auch vom Staatswald und von den Landesbetrieben mit dem Privatwald erfolgt, aus wettbe- werbsrechtlichen Gründen zu öffnen . Dies ist aus mei- ner Sicht richtig . Dies darf aber nicht dazu führen, dass Kleinprivatwaldbesitzer im Stich gelassen werden . Der Waldbesitzer muss das Recht erhalten, Wahlfreiheit zu haben – bei fairen und vergleichbaren Angeboten . Die jetzige Änderung des Bundeswaldgesetzes wird über Freistellung im § 2 des Gesetzes gegen Wettbe- werbsbeschränkungen erreichen, dass im vorgelagerten Bereich waldbauliche Maßnahmen vom Kartellrecht freigestellt werden . Dies sind Maßnahmen bei der Pla- nung und Ausführung, insbesondere waldbauliche Maß- nahmen, und dies soll auch für die Vorbereitung der Ernte gelten, etwa durch das Auszeichnen von zu entnehmen- den Bäumen . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621010 (A) (C) (B) (D) Waldbauliche Maßnahmen dienen der Pflege und der Gesunderhaltung des Waldes und sind deshalb, auch vor dem Hintergrund der Anforderungen unserer Gesell- schaft an einen gesunden, nachhaltig bewirtschafteten Wald, wichtig und sinnvoll . Da wir es in Deutschland in weiten Bereichen mit ei- nem ausgesprochen Kleinstprivatwaldbesitz zu tun ha- ben, sollen die Klein- und Kleinstwaldbesitzer nicht im Stich gelassen werden, sondern durch die Änderung des Bundeswaldgesetzes Beratung und Anleitung für diese Maßnahmen durch ausgebildetes Forstpersonal erhal- ten – und dies zu Preisen, die nicht einer Enteignung gleichkommen . Uns, der Union, ist es wichtig, diesen Kleinprivatwald nicht im Stich zu lassen und gleichfalls für eine ordnungs- gemäße, nachhaltige und gleichzeitig naturnahe Bewirt- schaftung zu sorgen . Wir wollen den engen Kontakt mit den Waldbesitzern pflegen. Wir wollen auch den Schutz des Eigentums, und wir wollen den umweltfreundlich er- zeugten Rohstoff weiterhin durch Nutzen schützen . Nun finden wir sehr unterschiedliche Strukturen in den deutschen Wäldern vor . Wir haben es zu tun mit pro- fessionell organisierten Forstbetriebsgemeinschaften im Privatwald, die durch eigenes ausgebildetes Forstperso- nal die Bewirtschaftung vornehmen oder Dienstleister in Anspruch nehmen . Wir haben es aber auch zu tun mit Kleinstwaldbesitz, der auf die Hilfe von außen angewie- sen ist . Ansonsten wird der Wald eben nicht mehr ord- nungsgemäß gepflegt und bewirtschaftet. Ich denke, es ist auch unser gemeinsames Anliegen, dass wir nicht zu mehr Stilllegungen von Waldflächen kommen. Dies wür- de der Bedeutung der umweltfreundlichen und nachhal- tig erzeugten Ressource Holz nicht gerecht . Es würde auf Dauer das Eigentum infrage gestellt . Der Deutsche Forstwirtschaftsrat (DFWR) unter Präsident Georg Schirmbeck hat die unterschiedlichen Waldbesitzerarten an einen Tisch geholt . Diese haben uns empfohlen, die jetzt vorgeschlagene Änderung des Bundeswaldgesetzes vorzunehmen . Wir als Union beziehen also die Waldbesitzer mit ein . Dies ist uns wichtig . Nicht Gesetze im stillen Kämmer- lein beraten, sondern mit den Betreffenden auf den Weg bringen . Das ist unsere Politik . Das ist die richtige Vor- gehensweise . Auf meine Frage zur Vereinbarkeit der Gesetzesän- derung mit europäischem Recht haben sich sowohl das Forstministerium als auch das Wirtschaftsministerium, insbesondere auch das Justizministerium, dahin gehend eingelassen und geantwortet: „Die Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträge wurde geprüft und ist gegeben .“ Wir als Union wollen durch unser Handeln der großen Bedeutung des Waldes auch für den Klimaschutz gerecht werden . So entlasten 126 Millionen Tonnen CO2, die durch den deutschen Wald gebunden werden, und seine nachhaltige Bewirtschaftung sowie die Verwendung von Holzprodukten die Atmosphäre . Die Bindungswirkung, die Substitutionswirkung des Waldes ist auch vor dem Hintergrund des Klimaschutzes von immenser Bedeu- tung . Wir haben es mit einem Rohstoff zu tun, der umwelt- freundlich erzeugt wird und von dem uns durch einen nachhaltigen Holzzuwachs von je 11,2 Kubikmeter pro Hektar 120 Millionen Kubikmeter jährlich wieder natür- lich zuwachsen . Dieses Umwelt- und Wirtschaftspoten- zial zu verschenken, wäre töricht . Deshalb haben wir als Union enorme Anstrengun- gen unternommen . Wir haben die nationale nachhaltige Waldwirtschaft durch die Förderung von bedeutsamen Projekten und die Bereitstellung entsprechender finanzi- eller und personeller Ressourcen in dieser Wahlperiode enorm gestärkt . Wir als Union wollen nachhaltig bewirtschafteten Wald, der gesund ist, der stabil ist, der artenreich ist und der produktiv ist . Wir als Union danken den Waldbesit- zern, den Forstleuten und den Verbänden sowie der Holz- industrie dafür, dass sie durch eine umweltfreundliche Vorgehensweise auf über einem Drittel unserer Landes- fläche so viel Umweltschutz und Artenreichtum ermög- lichen . Wir als Union wollen die Rahmenbedingungen für die Waldbesitzer richtig setzen und den Wald durch Nutzen schützen . Bereits frühzeitig hat die Union das Gespräch mit dem Waldbesitz, den Forst- und Holzverbänden wie auch mit den Vertretern aus der Wirtschaft gesucht, um gemein- sam Lösungen zu finden. Abschließend möchte ich mich noch bei allen Mit- wirkenden für das Zustandekommen dieser Gesetzes- änderung bedanken . Besonders hervorheben möchte ich hier unseren forstpolitischen Sprecher Alois Gerig, den Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesminis- terium für Ernährung und Landwirtschaft Peter Bleser, meinen Förster- und Abgeordnetenkollegen Josef Göppel und Franz-Josef Holzenkamp, Vorsitzenden der CDU/ CSU-Arbeitsgruppe „Ernährung und Landwirtschaft“ . Ein weiterer Dank gilt den Mitarbeitern der Ministe- rien, vornehmlich im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, welches sich stets kompetent, neu- tral, aber mit großem Einsatz für das Bundeswald- und Bundesjagdgesetz engagiert hat . Alois Gerig (CDU/CSU): Lange und kontrovers wurde über die Änderung des Bundeswaldgesetzes dis- kutiert – endlich liegt uns heute ein Gesetzentwurf zur finalen Abstimmung vor. Die Gesetzesänderung dient ei- nem wichtigen Ziel: Wir wollen ein breites Angebot an Forstdienstleistungen in Deutschland erhalten . Grund für das Gesetzgebungsverfahren ist, dass das Bundeskartellamt die gemeinsame Holzvermarktung aus dem Landes-, Kommunal- und Privatwald kritisch unter die Lupe nimmt . Das Bundeskartellamt sieht durch die Bündelung des Holzangebots den Markt beeinträchtigt und ist entschlossen, die Praxis der gemeinsamen Holz- vermarktung nicht länger zu dulden . Das Kartellverfah- ren gegen das Land Baden-Württemberg gibt Anlass zur Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21011 (A) (C) (B) (D) Sorge, dass die Landesforstverwaltungen forstwirtschaft- liche Dienstleistungen nicht mehr oder nur eingeschränkt anbieten dürfen . Aus Sicht des Bundeskartellamtes gehören zur Holz- vermarktung nicht nur der Holzverkauf, sondern auch weitere Forstdienstleistungen – beispielsweise Wald- bau, Holzauszeichnung und die Betreuung der Holzern- te . Untersagt das Bundeskartellamt den Forstbehörden der Länder die Holzvermarktung, entfallen auch diese Dienstleistungsangebote . Leidtragende wären kommu- nale und private Waldbesitzer, die durch Beratungs- und Betreuungsleistungen der Forstämter Zugang zum Holz- markt erhalten . Das Bundeskartellamt setzt sich gemäß seinem ge- setzlichen Auftrag für einen funktionierenden Wettbe- werb ein – das verdient grundsätzlich Respekt und An- erkennung . Parlament und Regierung steht es gleichwohl frei, die Auswirkungen von Kartellamtsentscheidungen zu prüfen und zu überlegen, ob gesetzliche Neuregelun- gen angebracht sind . Weniger Dienstleistungsangebote für Waldbesitzer sind meines Erachtens nicht akzeptabel . Die Bundesre- gierung schlägt in ihrem Gesetzentwurf eine vernünfti- ge Lösung vor: Planung und Ausführung waldbaulicher Maßnahmen sowie Markierung, Ernte, Bereitstellung und Registrierung von Rohholz werden vom Kartellrecht ausgenommen . Die Länder erhalten so die Möglichkeit, dass ihre Forstämter auch in Zukunft wichtige Forst- dienstleistungen anbieten dürfen – ohne mit dem Kartell- recht zu kollidieren . Die Neuregelung kommt besonders Kleinwaldbesit- zern zugute: Die Forstämter sollen auch in Zukunft durch ihre fachkundigen Beratungs- und Betreuungsangebote dafür sorgen, dass auch der Kleinprivatwald gemäß dem Grundsatz „Schützen durch Nützen“ bewirtschaftet und gepflegt wird. Viele Kleinwaldbesitzer sind weder mit der Waldbewirtschaftung noch mit der genauen Lage ih- rer Parzelle im Wald vertraut – deshalb ist es so wichtig, dass sich ein Förster vor Ort kümmert . Bürgernahe Forstdienstleistungen tragen dem Um- stand Rechnung, dass in vielen Regionen Deutschlands Waldeigentum breit gestreut ist – das sollte auch so blei- ben und durch den Erhalt bewährter Dienstleistungsange- bote der Forstämter flankiert werden. Ein enger Kontakt zwischen Forstamt und Waldbesitzern bietet zudem am ehesten Gewähr dafür, dass in Bundesländern mit klein- strukturierten Waldbesitzverhältnissen der Wald flächen- deckend bewirtschaftet und die vorhandenen Holzvorräte nutzbar gemacht werden . Holzmobilisierung ist wichtig, damit die Holzwirtschaft – eine bedeutende Branche im ländlichen Raum – mit ihrem nachwachsenden und kli- mafreundlichen Rohstoff aus heimischen Wäldern ver- sorgt wird . Natürlich dient der Wald nicht allein der Holzproduk- tion . Die vielfältigen Wälder in Deutschland haben eine überragende ökologische Bedeutung und sind auch für Erholungssuchende unverzichtbar . Forstdienstleistungen stellen sicher, dass der Wald auch seine ökologischen und sozialen Funktionen erfüllen kann . Da Forstdienstleis- tungen nicht nur wirtschaftlichen Zwecken dienen, halte ich es für gerechtfertigt, diese Dienstleistungen vom Kar- tellrecht freizustellen . Der Gemeinwohlnutzen unserer Wälder rechtfertigt es darüber hinaus, dass die Länder ihr Angebot an Forst- dienstleistungen aufrechterhalten . Der bei den Forstäm- tern gebündelte Sachverstand ist ganz sicher hilfreich, künftige Herausforderungen der Waldbewirtschaftung zu meistern – Beispiele hierfür sind der Klimawandel und der Artenschutz . Zum Abschluss möchte ich betonen: Wir in der CDU/ CSU sind nach wie vor der Auffassung, dass der Staat nicht für alles zuständig ist und alles besser kann . Das gilt auch für die Forstwirtschaft . Private Anbieter von Forstdienstleistungen gewährleisten ebenso eine natur- nahe und nachhaltige Waldbewirtschaftung wie staat- liche . Dies belegen die Bundesländer eindrucksvoll, in denen die Forstverwaltungen keine Dienstleistungen an- bieten und sich auf ihre hoheitlichen Aufgaben konzen- trieren. Die Verpflichtung staatlicher Forstdienstleister, ihre Leistungen zu marktkonformen Preisen zu erbrin- gen, wird mit diesem Gesetz nicht berührt . Mit dieser Bundeswaldgesetzänderung wird mitnich- ten eine staatliche Waldbewirtschaftung eingeführt . Die Inanspruchnahme staatlicher Forstdienstleistungen ist und bleibt fakultativ . Die Wahlfreiheit der Waldbesitzer, Forstarbeiten selbst vorzunehmen, sich in Forstbetriebs- gemeinschaften zusammenzuschließen oder private An- bieter zu beauftragen, wird durch die Gesetzesänderung in keiner Weise beeinträchtigt . Die marktwirtschaftliche Ausrichtung der Gesetzesän- derung wird auch an einer weiteren Tatsache deutlich: In- dem wir Forstdienstleistungen, die der Holzvermarktung vorgelagert sind, vom Kartellrecht ausnehmen, bekräfti- gen wir, dass die eigentliche Holzvermarktung voll und ganz dem Kartellrecht unterliegt . Marktbeherrschende Stellungen der Landesforstverwaltungen beim Holzver- kauf müssen der Vergangenheit angehören! Ich bin überzeugt, dass wir mit der Bundeswaldgeset- zänderung Erfolg haben werden: Der Wettbewerb bei der Holzvermarktung wird gestärkt und ein breites Angebot an Forstdienstleistungen für alle Waldbesitzer gesichert . Deshalb bitte ich Sie, dem Gesetzentwurf zuzustimmen . Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft hat gestern einstimmig für die Änderung des Bundeswald- gesetzes votiert . Auch im Bundesrat zeichnet sich ab, dass der Gesetzentwurf große Zustimmung findet. Petra Crone (SPD): Die Fraktion der SPD stimmt dem Gesetzentwurf trotz vorhandener Bedenken zu . So weit das Ergebnis, heute gleich zu Beginn . Die forstlichen Akteure und auch die Kolleginnen und Kollegen Forstpolitiker in den Ländern und im Bund kennen meine Position . Schon im März 2015, vor knapp zwei Jahren, habe ich an gleicher Stelle gesagt, dass sich unsere Fraktion nicht gegen eine Änderung des Bundes- waldgesetzes stellt . Voraussetzung: ein fachlich gutes und EU-rechtskonformes Gesetz . Das jahrelange Hin und Her, mit denen das BMEL versuchte, diesem ja doch Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621012 (A) (C) (B) (D) recht selbstverständlichen Anspruch gerecht zu werden, zeigt: So einfach war und ist es nicht! Ich habe – und das wird sicherlich nicht überraschen – weiterhin erhebliche Zweifel, ob diese Voraussetzungen mit der Novelle erfüllt sind . Die Änderung im BWaldG kann zwar die Anwendung des nationalen Wettbe- werbsrechts ausschließen . Dies gilt jedoch nicht für das EU-Kartellrecht . Wir hätten es daher für legitimer und besser befunden, wenn das vor dem OLG Düsseldorf an- hängige Beschwerdeverfahren von Baden-Württemberg gegen den Beschluss des Bundeskartellamts abgewartet worden wäre . Das Urteil wird Ende Januar 2017 erwartet . Unstrittig ist ja, dass der Holzverkauf eine wirtschaft- liche Tätigkeit ist . Das Gericht wird klären, ob die vorge- lagerten Tätigkeiten, die Dienstleistungen im Wald, ho- heitlichen oder wirtschaftlichen Charakter besitzen . Das ist eine offene Frage in der Rechtsprechung, und sie ist richtungsweisend für alle Bundesländer . Das hätten wir abwarten können, ja müssen . So bleibt ein Gschmäckle! Und ein Wagnis ist es obendrein! Gleichwohl benötigen einige wenige Bundesländer offensichtlich unsere gesetz- geberische Hilfe, um kartellrechtskonforme Forststruktu- ren aufstellen zu können . Diesen Wünschen konnten wir uns als SPD-Fraktion nicht verschließen . Zwei Fakten möchte ich betonen, die ich enorm wich- tig finde, um die Debatte zu verstehen: Erstens. Die Erhaltung und Pflege des Waldes hat im Interesse von heutigen und kommenden Generationen eine eigene Bedeutung – unabhängig von der Holzver- marktung . Und wir haben gute und sehr gute Landes- waldgesetze, die Pflichten beim Handeln mit Wald defi- nieren und diese überwachen . Zweitens . Die Holzvermarktung passiert wiederum nicht im Kielwasser von Erhaltung und Pflege, quasi so nebenbei, als Teil der Daseinsvorsorge im Wald . Diese Sichtweise ist doch mit dem besten Willen nicht zu hal- ten: Welchen Baum pflanze ich, welchen entnehme ich? Das sind doch nicht allein ökologisch-soziale Entschei- dungen! Schauen Sie sich doch bloß die enorme und be- eindruckende Leistungsfähigkeit der Holzwirtschaft in Deutschland an . Wer Holz verkauft, ist also Marktteilnehmer, so auch der Staat, und er kann keine Sonderrechte für sich in An- spruch nehmen . Im Koalitionsvertrag von Grün-Schwarz in Baden-Württemberg steht: „Wir schützen die Freiheit aller, die als Anbieter oder Nachfrager am Markt teilneh- men, und sorgen für faire Wettbewerbsbedingungen .“ Fairer Wettbewerb von Beginn an, das bedeutet dreier- lei: keine Verzerrung des Marktes durch staatliche, nicht kostendeckende Angebote, Marktzugang für private An- bieter ermöglichen, und eine direkte Förderung durch den Staat ist besser als eine indirekte . Und ich sehe, dass ebensolche Lösungen vor der Haustür liegen . Es braucht sicherlich Zeit, wettbewerbsrechtliche Strukturen im Forst herzustellen . Diese Zeit geben wir den betroffenen Bundesländern nun . Ich verbinde damit aber auch meinen herzlichen Ap- pell, dass die Länder ihre vielfältigen Gestaltungsmög- lichkeiten auf der Länderebene nutzen und verstanden wird, dass eine Neuaufstellung der Forststruktur durch- aus selbstbewusst angegangen werden kann . Keiner muss sich hier hinter rechtlich nicht tragfä- higen Strukturen verstecken, eben weil in den Forst- verwaltungen der Länder Forstwirte und Waldarbei- ter beschäftigt sind, die genau die guten Standards der Waldbewirtschaftung realisieren, Menschen, die vernetzt und ausgleichend denken. Die finden wir aber genauso in den forstwirtschaftlichen Zusammenschlüssen, ihren Vermarktungsorganisationen und im Privatwald . Und zu- dem: Junge Leute in den grünen Berufen brauchen auch jenseits staatlicher Strukturen Berufschancen . Ein Mono- pol auf Bequemlichkeit gibt es nicht! Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): In den Zen- tren deutscher Großstädte vergisst wohl der eine oder die andere, dass die Holzproduktion weder im Labor noch in Fabriken stattfindet, sondern immer noch im Wald, und der ist gleichzeitig Erholungs- und Lebensraum für Mensch und Tier sowie für den Klimaschutz mit- verantwortlich . Deshalb ist Holzproduktion eben keine Schraubenproduktion, wie der Bund Deutscher Forstleu- te vollkommen richtig sagt . Das sehen auch breite Teile der Gesellschaft so . Gerade aus Sicht einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung macht die Auffassung des Bun- deskartellamtes wenig Sinn, das Wettbewerbsrecht nicht nur auf die Vermarktung von Holz anzuwenden, sondern auch auf die waldbaulichen und pflegerischen Maß- nahmen auszuweiten . Damit würde Besitzerinnen und Besitzern von Klein- und Kleinstwäldern gleichzeitig die Möglichkeit genommen, Betreuungsaufgaben auch staatlichen Forstämtern zu übertragen, weil dies dann als Wettbewerbsvorteil gegenüber den privaten Forstdienst- leitern ausgelegt werden könnte . Der Sicht der Wettbewerbskontrolleure steht ein breites Bündnis gegenüber, dem die Sicherung des Ge- meinwohls bei der Waldnutzung wichtig ist und das den gesellschaftlichen Konsens für eine nachhaltige Forst- wirtschaft und den Erhalt einer breiten Eigentumsstreu- ung verteidigt . Viele Waldbesitzerinnen und -besitzer, Forstleute und deren Interessensvertretungen sowie alle Bundestagsfraktionen sind dabei . Und auch wenn die SPD-Fraktion sich weniger enthusiastisch einreiht, eint uns doch die Überzeugung, dass wir als Gesellschaft eine besondere Verantwortung für den Wald haben, die die staatlichen Forstbehörden umsetzen . Und weil die Holzproduktion im Ökosystem Wald stattfindet, ist sie von natürlichen Prozessen und Wachs- tumszyklen abhängig . Wettbewerbshüter sind aus Sicht der Linken deshalb frühestens dann gefragt, wenn das Holz den Wald verlassen hat . Und so wichtig die Kartell- behörde auch für uns im Grundsatz ist: In ihrer jetzigen Verfassung kann sie leider viele Erwartungen gar nicht erfüllen, weil wichtige gesellschaftliche Anforderungen wie Daseinsvorsorge oder Gemeinwohlorientierung bis- lang nicht zu ihren Prüfkriterien gehören . Wenn wir also das Kartellrecht stärken wollen – was die Linke seit Jah- ren fordert –, geht es um mehr als Kapazitätsaus- und Personalaufbau, sondern um eine Erweiterung der Kri- terien, anhand derer „Wettbewerb“ geregelt wird . Hier müssen noch dicke Bretter gebohrt werden, bis reale Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21013 (A) (C) (B) (D) Marktübermacht und unfaire Marktpraktiken wirklich wirksam verhindert werden können . Doch zurück zum Wald . Was nach den jahrelangen Diskussionen kaum mehr jemand für möglich gehalten hat, wird zumindest beim Bundeswaldgesetz doch noch wahr: Pünktlich zum Schmücken der Weihnachtsbäume kommt doch noch die lange angekündigte Bescherung . In der Novelle zum Bundeswaldgesetz wird nun unmiss- verständlich der gesetzgeberische Wille klargestellt, dass die Landesforstbetriebe auch weiterhin als Dienstleister für die Planung und Ausführung waldbaulicher Maßnah- men bis hin zur Bereitstellung des Rohholzes einschließ- lich seiner Registrierung vom Gesetz gegen Wettbe- werbsbeschränkungen freigestellt werden . Falls es daran jemals ernsthaften Zweifel gegeben haben sollte, werden sie heute mit den Stimmen aller Fraktionen beantwortet . Ich denke, damit muss man nicht auf ein Urteil vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf warten . Das sind wir übri- gens auch den Forstleuten schuldig, denn damit nehmen wir das Damoklesschwert weg, das nun einige Jahre über ihnen schwebte . Als Linke verweise ich aber auch auf ein besonders wichtiges Argument: Wir wollen, dass niemand seinen oder ihren Klein- oder Kleinstprivatwald verkaufen muss, weil eine forstliche Betreuung nicht verfüg- oder nicht bezahlbar ist . Und wir wollen eine Wahlfreiheit zwischen öffentlicher Betreuung und privaten Dienstleis- tern, die ja beide dazu beitragen, dass Holzreserven im Klein- und Kleinstprivatwald mobilisiert werden, was ja wichtig ist . Aber es geht nicht, die Kosten für hoheitliche Aufga- ben der öffentlichen Hand zu übertragen und die Einnah- men aus Betreuungsaufgaben ausschließlich zu privati- sieren . Deshalb stimmt die Linke dem Gesetzentwurf zu . Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nach zweieinhalb Jahren Hängepartie schafft es die Bundes- regierung jetzt doch noch, ein Bäumchen auf den Ga- bentisch zu legen . Das Kartellamt hat dagegen den Wald vor lauter Bäumen oder „Holzwachstumselementen“ gar nicht mehr gesehen . Hoffen wir, dass die heutige längst überfällige recht- liche Klarstellung den Blick aufs Wesentliche und das große Ganze schärft: den Wald als Ökosystem und Wirt- schaftsraum . Denn unsere Wälder sind keine Holzlager oder Plantagen, die nur der Produktion von Holz dienen, wie es offensichtlich das Bundeskartellamt sieht . Der Wald hat viele weitere Funktionen für das Ge- meinwohl – vom Artenerhalt über Luftreinhaltung bis hin zur Naherholung . Wir müssen unsere Wälder wider- standsfähiger gegen die Folgen des Klimawandels ma- chen . Die Markierung und Auszeichnung der Bäume ist zentraler Bestandteil des ökologischen Waldumbaus und damit Kernaufgabe der Forstämter . Die Auffassung, die Baumauszeichnung sei Teil der Holzvermarktung, geht an der Praxis der nachhaltigen Waldbewirtschaftung völ- lig vorbei . Das Bundeskartellamt hat einen Scheuklap- penblick eingenommen, der allein auf die maximale Holz ausbeute zielt und unvereinbar mit einer nachhal- tigen und gemeinwohlorientierten Waldbewirtschaftung ist . Dieser realitätsfremde Ansatz und zugleich die starr- köpfige Haltung der Wettbewerbsbehörde haben jeden Kompromiss mit dem Land Baden-Württemberg unmög- lich gemacht und zu einem unnötigen Gerichtsverfahren geführt . Die heutige Änderung des Bundeswaldgesetzes ist überfällig und wurde von vielen Akteuren der Holzwirt- schaft aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Nord- rhein-Westfalen, Hessen und anderen Bundesländern lange angemahnt und erwartet: Die Mitarbeiter der Forst- verwaltungen, waldbesitzende Kommunen, Menschen mit Kleinprivatbesitz, Umweltverbände, sie alle erwar- ten Planungssicherheit und dass bewährte Strukturen und Dienstleistungsangebote nicht ohne Not zerschlagen werden . Auch die Sägeindustrie hat ihre Mäkelei bereut und sich am Ende auf die Vorteile dieses Systems beson- nen, weil es eine effektive Holzmobilisierung auch aus dem Privat- und Kommunalwald sicherstellt . Nun hat die Zeit der Ungewissheit hoffentlich ein Ende . Wir alle mussten sehr lange auf die Lösung dieses Pro- blems warten . Bereits vor zwei Jahren lagen ein Gesetz- entwurf des Bundeslandwirtschaftsministeriums und ein Antrag meiner Fraktion zur Änderung des Bundeswald- gesetzes vor . Bei der Beratung unseres Antrages im Ple- num im März 2015 wurde seitens der Union so getan, als sei das Problem schon so gut wie gelöst, da man längst an der Gesetzesänderung arbeite und über konkrete For- mulierungsvorschläge dafür verfüge . Alle Informationen unseres Antrages seien bereits bekannt und „umfassend diskutiert“ worden . Unser Antrag sei daher „absolut überflüssig“, so Kollege Alois Rainer. Kollegin Kordula Kovac behauptete sogar, unser An- trag käme zu spät und man bräuchte keine „Nachhilfe von der Opposition“ . Jedes noch so schwache Argument war der Union damals recht, um trotz völliger inhaltli- cher Übereinstimmung in der Sache unseren Antrag ab- zulehnen . Die Verschleppung des Problems über zwei Jahre durch die Bundesregierung zeigt jedoch, wie ge- rechtfertigt unser Antrag war . Warum die Ressorteinigung so lange gedauert hat, ist weder für mich noch für die vielen Betroffenen nachvoll- ziehbar . Gerade bei der SPD-Kollegin Crone erstaunt mich doch, wie stark sie in dieser Frage immer wieder kartellrechtliche Bedenken betont hat, während SPD-Vi- zekanzler Gabriel sich bei seiner Ministererlaubnis für die Fusion von Edeka mit Kaiser’s Tengelmann ohne Skrupel über die Position der Kartellrechtsbehörden hin- weggesetzt hat und dies mit Arbeitsplatzsicherung be- gründet hat . Jeder Tag der letzten zwei Jahre, an dem nichts pas- siert ist, war ein verlorener Tag für die Wälder Deutsch- lands . Jetzt immerhin erfolgt die überfällige, notwen- dige und auch plausible rechtliche Klarstellung, dass die Entscheidung über die Struktur unserer Wälder, die Baumartzusammensetzung, Naturnähe und ökologische Funktion nicht der Holzvermarktung zugerechnet wer- den kann und sich daher kartellrechtlichen Erwägungen künftig entzieht . Leider gilt für die heute beschlossene Form der Geset- zesänderung noch nicht einmal der Spruch „Was lange Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621014 (A) (C) (B) (D) währt, wird endlich gut!“, denn es sind zwei Schwach- stellen in das Gesetz eingebaut . Erstens ist regelmäßige Überprüfung vorgeschrieben, welche die Berechtigung des Gesetzes alle paar Jahre neu in Zweifel zieht . Zwei- tens wird das Gesetz in Zukunft abhängig von der Gnade des Bundeswirtschaftsministeriums sein . Das heißt: Die heutige Änderung steht regelmäßig wieder auf der Kip- pe . Für eine Branche, die für ihre Ziele, Maßnahmen und Entscheidungen in Generationen statt Dreijahreszyklen denkt, sind das keine beruhigenden Aussichten . Echte Planungssicherheit sieht anders aus . Daher sollten wir die Überprüfung alle drei Jahre wieder aus dem Gesetz streichen . Unser Wald steht vor großen Herausforderungen: Die Klimakrise bringt mehr Trockenheit und neue Schädlin- ge . Stickstoffemissionen überdüngen nach wie vor den Waldboden . Der gestiegene Holzbedarf und zukünftig steigende Anforderungen für die stoffliche und energeti- sche Holznutzung bergen die Gefahr einer Übernutzung des Waldes – umso mehr, als Kriterien für eine gute fach- liche Praxis im Waldgesetz immer noch fehlen . Zugleich gibt es nur wenige Waldflächen mit sehr al- ten Bäumen und Totholzstämmen, auf die viele stark be- drohte heimische Tierarten zum Überleben angewiesen sind . Oft zu hohe Rotwildbestände verursachen starken Wildverbiss an Jungbäumen und gefährden den notwen- digen Waldumbau . Es warten also noch viele Baustellen auf eine Lösung . Daher sollten wir uns mittelfristig nicht mit der heutigen Miniänderung des Waldgesetzes zufriedengeben . Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (Tages- ordnungspunkt 20) Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU): Wir beraten heu- te abschließend das Zweite Gesetz zur Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes . Zum wesentlichen Inhalt: Bei der Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes geht es um die Streichung der sogenannten Heizwertklausel aus dem Gesetz . Was hat es mit dieser Klausel auf sich? Sie besagt, dass die Verbrennung eines Abfalles gleich- wertig mit seiner stofflichen Verwertung ist, wenn er ei- nen relativ hohen Heizwert hat, in dem Fall von mindes- tens 11 000 Kilojoule pro Kilo Abfall . Diese Klausel war bereits zu Beginn ihrer Einführung in das Kreislaufwirt- schaftsgesetz im Juli 2012 als Übergangslösung gedacht . Bis Ende 2016 sollte es eine Überprüfung geben . Hinter- grund dafür ist die im Gesetz formulierte EU-rechtlich vorgegebene Abfallhierarchie aus fünf Stufen . Darin ist geregelt, wie mit Abfällen grundsätzlich umgegangen werden soll, also von oben nach unten: Vermeidung, Wiederverwendung, Recycling usw . Zum Umsetzungskonzept der fünfstufigen Abfallhie- rarchie gehörte damals als Auffangregelung die Heizwert- klausel . Nach der Prüfung von Bundesumweltministe- rium und Umweltbundesamt ist klar: Der Heizwert ist nicht länger erforderlich für die effiziente Umsetzung der Abfallhierarchie . Um diese ordnungsgemäß umzusetzen, wird nun die Heizwertklausel aus dem Kreislaufwirt- schaftsgesetz gestrichen . Abschließend zu diesem Punkt möchte ich sagen: Mit der Streichung der Heizwertklausel setzen wir eine EU-Vorgabe um . Mit dem geänderten Kreislaufwirt- schaftsgesetz wird die fünfstufige Abfallhierarchie in Gang gesetzt und kann ihre Wirkung entfalten . Sie ist ein wesentlicher Baustein für einen gestärkten Kreislaufwirt- schaftsgedanken und für mehr Effizienz beim Ressour- cenverbrauch . Zum anderen beraten wir heute eine Änderung des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes . Wir wollen, dass möglichst viele Elektrogeräte, die nicht mehr gebraucht werden, getrennt gesammelt, wieder zurückgenommen und möglichst recycelt werden . Damit wollen wir errei- chen, dass möglichst viele Rohstoffe zurückgewonnen werden und Stoffkreisläufe geschlossen werden . Das Elektrogesetz regelt bestimmte Rücknahme- pflichten von alten Elektrogeräten für Händler. Seit Juli gilt: Es gibt eine Rücknahmepflicht von Händlern mit einer Verkaufsfläche von mehr als 400 Quadratmetern. Kauft jemand ein neues Gerät, kann er im Gegenzug sein altes artgleiches Gerät im Geschäft zurückgeben . Kleine Altgeräte mit weniger als 25 Zentimetern Kantenlänge müssen auch dann zurückgenommen werden, wenn kein neues Gerät gekauft wird, und zwar unabhängig davon, ob das entsprechende Gerät bei diesem Händler gekauft wurde . Ihren alten Toaster oder ihr altes Telefon, von dem Sie vielleicht gar nicht mehr wissen, wann und wo Sie es gekauft haben, können Sie also bei Saturn, Karstadt und anderen größeren Geschäften abgeben . Die Rücknahme- pflicht gilt auch für Versandhändler wie Amazon und Co. und auch Händler, die zusätzlich zum Ladengeschäft ei- nen Onlineversand betreiben wie Cyberport usw . Wir wollen heute bei diesem Gesetz nachjustieren, und zwar vor allem mit Blick auf den Vollzug des Ge- setzes . Wir wollen zum einen Klarheit . Im Sinne der Gerechtigkeit wird ein Ordnungswidrigkeitentatbestand aufgenommen . Ein Bußgeld soll all diejenigen Händ- ler schützen, die sich rechtstreu verhalten . Wir wollen vorbeugen, dass einige Marktteilnehmer benachteiligt werden, weil andere sich einen unrechtmäßigen Wettbe- werbsvorteil verschaffen . Es geht um faire Bedingungen im Wettbewerb . Zum anderen geht es darum, die Rücknahmepflicht zu konkretisieren . Künftig ist die Rücknahme in den Fällen, in denen kein neues Gerät gekauft wird, auf fünf Altge- räte pro Geräteart beschränkt . Dies soll die Umsetzung erleichtern und Rechtssicherheit schaffen . Am Ende soll das Elektrogesetz seine Wirkung voll entfalten können mit dem Ziel, mehr Elektroaltgeräte dem Recycling zuzuführen, ganz im Sinne einer gestärk- ten Kreislaufwirtschaft . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21015 (A) (C) (B) (D) Michael Thews (SPD): Zentrales Anliegen unserer Abfallpolitik ist es, Abfälle zu vermeiden, wiederzuver- wenden oder optimal zu verwerten, um unsere natürli- chen Ressourcen zu schonen. Dabei ist die fünfstufige Abfallhierarchie, das Kernelement der europäischen Abfallrahmenrichtlinie, einzuhalten, die der stofflichen grundsätzlichen Vorrang vor der energetischen Verwer- tung gibt . Nach bisherigem deutschem Recht galt je- doch für bestimmte Abfälle eine Gleichrangigkeit von stofflicher und energetischer Verwertung, und zwar bei einem Heizwert des Abfalls von 11 000 Kilojoule pro Kilogramm . Diese sogenannte Heizwertklausel wird nun durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Kreis- laufwirtschaftsgesetzes, das wir hier abschließend be- raten, gestrichen . Diese Klausel war von Anfang an ein deutscher Sonderweg, und sie war immer nur als Über- gangslösung gedacht . Es war also absehbar, dass eine Änderung des Gesetzes notwendig wird, zumal auch die Europäische Kommission in der Heizwertklausel eine nicht hinreichende Umsetzung der Abfallhierarchie kri- tisiert hat . Durch den Wegfall der Heizwertklausel wird die Kreislaufwirtschaft noch konsequenter auf das Recy- cling ausgerichtet . Die SPD hat sich immer für diesen Vorrang der stoffli- chen Verwertung ausgesprochen . Denn wir wissen, dass die Ressourcen auf unserer Erde begrenzt sind und ge- schützt werden müssen . Da jedoch auch die energetische Verwertung ihre Daseinsberechtigung hat, haben wir uns in Deutschland auch auf die technische Verbesserung moderner Anlagen mit einer leistungsfähigen Rauchgas- reinigung und Wärmenutzung konzentriert . Ich sage das deshalb, weil es immer noch viele Länder in Europa gibt, die weder energetisch noch stofflich verwerten, sondern einen großen Teil ihrer Abfälle deponieren . Das ist in je- dem Fall der schlechtere Weg . Auch wenn die Umsetzung des Gesetzes einen Um- stellungsaufwand verursacht, halte ich sie für unum- gänglich für die Umwelt, den Ressourcenschutz und die Konkurrenzfähigkeit unserer Recyclingwirtschaft . Neue Anforderungen an die Abfallwirtschaft führen nämlich auch zu technologischem Fortschritt, und das ist wichtig; denn wir wollen Technologieführer in der Kreislaufwirt- schaft bleiben . Wir nutzen die Änderung des Kreislaufwirtschaftsge- setzes außerdem für eine Nachschärfung des Elektroalt- gerätegesetzes, das wir 2015 novelliert haben . Seit dem Sommer dieses Jahres ist der Handel in bestimmten Fäl- len verpflichtet, Elektroaltgeräte von Verbraucherinnen und Verbrauchern zurückzunehmen . Damit haben wir die Rückgabe für die Verbraucherinnen und Verbraucher erleichtert und erhoffen uns zugleich, dass so auch die Rückgabequoten steigen . Denn wir haben in den nächs- ten Jahren hier ambitionierte Recyclingquoten zu erfül- len . Leider hat sich in den letzten Monaten gezeigt, dass einige Unternehmen ihrer Pflicht nicht nachgekommen sind . Um schwarzen Schafen, die sich dieser verbrau- cherfreundlichen und bürgernahen Lösung entziehen und sich dadurch womöglich noch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, beikommen zu können, haben die Koaliti- onsfraktionen einen entsprechenden Bußgeldtatbestand in das Gesetz aufgenommen . Die Streichung der Heizwertklausel und die Aufnah- me eines Bußgeldtatbestandes sind vielleicht nur kleine Bausteine im großen Themenbereich Abfallpolitik . Aber sie sind bedeutsam, um die unnötige Inanspruchnahme von Rohstoffen zu verringern und die Kreislaufwirtschaft immer effizienter zu machen. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Durch die sogenannte Heizwertklausel des Kreislaufwirtschaftsgesetzes konn- ten über Jahre hinweg hunderttausende Tonnen von Wert- stoffen verbrannt werden, die man viel besser stofflich recycelt hätte . Alles, was wir verbrennen, ist unwiderruf- lich als Stoff verloren und muss neu gefördert und herge- stellt werden . Lange war es zwar nicht möglich, Kunst- stoffe sinnvoll stofflich zu verwerten, aber die Technik hat da wesentliche Verbesserungen gemacht . Im Interes- se der Ressourceneffizienz stimmen wir deshalb diesem Gesetzentwurf zu, für den es – wieder einmal – erst eines Vertragsverletzungsverfahrens der EU bedurfte . Was die Bundesregierung leider weiterhin mit diesem Gesetzentwurf nicht bearbeitet, ist die Frage der Mit- verbrennung . Anders als bei Müllverbrennungsanlagen und trotz der Verlautbarungen der Anlagenbetreiber über größte Sicherheit bei hohen Verbrennungstemperaturen, langer Verweildauer der Abfälle in der Verbrennung und Ausfiltern von Schwermetallen und toxischen Gasen gibt es dafür keine Überwachung . Bei der Mitverbrennung werden die Temperaturen nicht verpflichtend überwacht, und ebenso fehlt es an Schadstoffüberwachungen . Das hätte man im Zuge der Gesetzesänderung gleich mit re- geln können . Dass das nicht gemacht wurde, ist schade . Da hier mit dem Gesetzentwurf aber zumindest keine Verschlechterung eintreten wird, stimmen wir trotzdem zu . Mit dem Änderungsantrag der Koalition soll nunmehr festgelegt werden, was eine haushaltsübliche Menge ist . Eine „haushaltsübliche Menge“ bei der Rücknahme von Elektrogeräten bis 25 Zentimetern in Einzelhandelsge- schäften ist demnach also konkret fünf Stück . Auch diese Klarstellung begrüßen wir wie die Einstufung einer nicht ordentlich durchgeführten Rücknahme als Ordnungswid- rigkeitstatbestand . Es gibt jedoch sicherlich eine Vielzahl elektrischer Geräte, die deutlich größer als 25 Zentimeter sind; viele Tablets haben beispielsweise längere Aus- maße als diese 25 Zentimeter, weshalb uns diese Rege- lung auch heute noch ein wenig willkürlich daherkommt . Gänzlich unbeantwortet bleibt dabei auch die Frage, ob die Längenangabe nun mit eingerolltem oder mit ausge- rolltem Kabel erfolgt . Die Linke hätte es als sinnvoller erachtet, hier Produktgruppen zu definieren. Im Übrigen könnte man sich derartige Konkretisierungen, auch die der haushaltsüblichen Mengen, sparen, wenn man ein vernünftiges Pfandsystem für Elektrogeräte etablieren würde, wie es Die Linke seit Jahren vorschlägt . Das wür- de dann in der Praxis nicht dazu führen, dass sich die elektrischen Altgeräte in den Haushalten stapeln, auch weil eines davon vielleicht 25,5 Zentimeter groß ist und zum Wertstoffhof anstatt ins Geschäft gebracht werden Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621016 (A) (C) (B) (D) muss, sondern dass die Geräte zeitnah dem Ressourcen- kreislauf zurückgeführt werden können . Sie sehen, dass das Elektrogerätegesetz weiter eine Baustelle ist, und wenn man dann schon einmal dabei ist, könnte man das Verbot von festverbauten Akkus gleich wieder in das ElektroG schreiben, wie es dort einmal drinstand, bevor es von der Koalition herausnovelliert wurde . Damit würden Bundesregierung und Koalition einen Schritt gegen vorzeitigen Geräteverschleiß gehen, und es fallen weniger Geräte an, die mit einem Maßband beim Händler auf Rücknahmepflicht geprüft werden müssen . Die Baustelle ElektroG bietet viel Potenzial für weitere, direkte Gesetzesinitiativen anstatt – wie jetzt – in Form eines Änderungsantrages kurz vor der Ausschuss- sitzung als Anhängsel an ein völlig anderes Gesetz . Die Linke unterstützt Sie dabei gern . Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die mit dem vorgelegten Gesetzentwurf angestrebten Än- derungen hinsichtlich der Heizwertklausel begrüße ich ausdrücklich . Angesichts des Trauerspiels um das Ver- packungsgesetz müssen wir ja froh sein, dass überhaupt noch Regierungshandeln im Bereich Abfallpolitik statt- findet. Denn bei der Umsetzung des Kreislaufwirtschaftsge- setzes in einem Wertstoffgesetz ist diese Bundesregie- rung krachend gescheitert . Nun soll es ein verballhorntes Verpackungsgesetz geben, das aber auch immer noch nicht vorliegt . Doch die Kritik an den Entwürfen kommt aus allen Ecken . Sogar das Bundeskartellamt teilt zum Beispiel unsere Position hinsichtlich der Zentralen Stel- le . So hat sich Kartellamtspräsident Andreas Mundt deut- lich gegen eine privatrechtliche Organisation und für ein staatliches Kontrollorgan ausgesprochen . Dies sollte der Bundesregierung zu denken geben . Man kann die Bundesregierung nur auffordern, endlich ihre eigenen Gesetze ernst zu nehmen, die Abfallhierar- chie zu befolgen und in den Entwurf für ein Verpackungs- gesetz auch die Mehrwegquote wieder aufzunehmen, die sie selbst ohne Not gestrichen hat . Ich fordere Sie auf, diesen Bärendienst für die Umwelt und die Kapitulation vor der Einweglobby rückgängig zu machen . Entwickeln Sie das Einwegpfand zu einer ökologischen Lenkungs- abgabe auf Einwegverpackungen weiter . Weiten Sie die Pfandpflicht auf die Getränkesegmente Fruchtsäfte, Fruchtnektare, Gemüsesäfte und Gemüsenektare aus . Le- gen Sie gesetzlich eine klare Unterscheidung von „Ein- weg“ und „Mehrweg“ auf der Getränkeverpackung fest . Handeln Sie im Sinne der Umwelt und der Verbraucher . Trotz der vorweihnachtlichen Stimmung in dieser Jahres- zeit: Verteilen sie keine Geschenke an die Einweglobby . Doch zurück zum Kreislaufwirtschaftsgesetz . Ich kann nur sagen, dass der vorliegende Entwurf mehr als überfällig ist, gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen bereits bei der Einführung des Kreislaufwirtschaftsge- setzes 2012 auf die nicht europarechtskonforme Kon- struktion bezüglich der sogenannten Heizwertklausel hingewiesen hat . Denn die damals im Kreislaufwirt- schaftsgesetz festgelegte Gleichrangigkeit von energe- tischer Verwertung und stofflichem Recycling steht der fünfstufigen Abfallhierarchie der Abfallrahmenrichtlinie der EU entgegen . Abfallvermeidung, Wiederverwendung und stoffliches Recycling sind der energetischen Verwer- tung mit gutem Grund vorgelagert . Dies sollte sich auch im Kreislaufwirtschaftsgesetz deutlich widerspiegeln . Ich begrüße daher die jetzt erfolgende rechtliche Klar- stellung . Auch der Änderungsantrag zum ElektroG, die Rück- nahme von alten Elektrogeräten nicht an den Kauf eines neuen Gerätes zu knüpfen, dient der rechtlichen Klarstel- lung . Leider legt der Wortlaut „auf Verlangen des Endnut- zers“ nahe, dass es für den Handel keine Verantwortung gibt, offensiv auf das Rücknahmeangebot hinzuweisen . Allerdings würden leicht sichtbare Informationen im Markt und auf der Website es den Kunden erleichtern, den Service der Rücknahme anzunehmen . Den Handel zu einem proaktiveren Verhalten anzuregen, wäre wün- schenswert gewesen . Dass manche Marktteilnehmer die im ElektroG fest- gelegte Rücknahme von Elektronikaltgeräten verweigern oder diese nur bei Kauf von Neuware zurücknehmen, ist nicht hinnehmbar und widerspricht der Kreislaufwirt- schaft und dem Konzept der Nachhaltigkeit . Auch macht die Art und Weise, wie bestimmte Markt- teilnehmer agieren, leider ein erhebliches Ordnungsgeld notwendig . Wir hätten uns gewünscht, dass dies nicht notwendig gewesen wäre . Dennoch stimmen wir dem Gesetzentwurf zu . Florian Pronold, Parl . Staatssekretär bei der Bun- desministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor- sicherheit: Der Ihnen vorliegende Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes betrifft die Aufhebung der Heizwertregelung und damit das Verhältnis zwischen der stofflichen und der energe- tischen Verwertung von Abfällen . Zwar enthält das Än- derungsgesetz nur eine einzige Regelung, deren Wirkung ist jedoch weitreichend . Mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz von 2012 und der Einführung der fünfstufigen Abfallhierarchie ist uns der Einstieg in eine stärker auf den Ressourcenschutz zuge- schnittene Kreislaufwirtschaft gelungen . Die bis dahin geltende Drei-Stufen-Hierarchie „Vermeiden, Verwerten und Beseitigen“ wurde auf der Stufe der Verwertung wei- ter ausdifferenziert. Die stoffliche Verwertung, insbeson- dere das Recycling, hat nun grundsätzlich Vorrang vor der bis dahin gleichrangigen energetischen Verwertung . Gerade hierdurch konnte die neue Abfallhierarchie wich- tige und nachhaltige Impulse für die Kreislaufwirtschaft setzen . Allerdings war eine solch weitreichende Umstellung der Abfallwirtschaft nicht ohne Übergangsregelungen zu erreichen . Dabei waren auch neue bürokratische Belastungen der Abfallerzeuger und Behörden zu be- achten . Hierfür bot die Heizwertregelung eine praktika- ble Übergangslösung . Sie legt für den Fall, dass keine verordnungsrechtliche Regelung existiert, fest, dass die energetische Verwertung als gleichrangig zur stofflichen Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21017 (A) (C) (B) (D) Verwertung anzusehen ist, wenn der Heizwert des ein- zelnen Abfalls besonders hoch ist, nämlich mindestens 11 000 Kilojoule pro Kilogramm beträgt . Die Bundesregierung hatte bis Ende dieses Jahres zu untersuchen, ob diese Übergangsregelung ökologisch und ökonomisch noch erforderlich ist . Wie Sie dem Ge- setzentwurf entnehmen können, ist die Bundesregierung auf der Grundlage eines breit angelegten Forschungs- vorhabens zu dem Ergebnis gekommen, dass die Auf- hebung der Heizwertreglung sachgerecht ist . Nach dem Forschungsvorhaben hat die Aufhebung der Heizwertre- gelung für 13 der 19 untersuchten Abfallströme keine Auswirkungen . Bei den übrigen sechs Abfallströmen, namentlich den Gewerbeabfällen, dem Sperrmüll, dem Klärschlamm, den Altreifen, den nicht mineralischen Bau- und Abbruchabfällen und den gefährlichen Abfäl- len aus der chemischen Industrie, werden Auswirkungen erwartet, die im Gesetzentwurf detailliert beschrieben sind . Bei den genannten Stoffströmen ist allerdings zu be- rücksichtigen, dass bereits im Rechtssetzungsverfahren befindliche Spezialverordnungen, wie die heute eben- falls zu beratende Gewerbeabfallverordnung oder die im nächsten Jahr zu verabschiedende Klärschlammverord- nung, die Vorgaben der Abfallhierarchie so konkretisie- ren, dass die Heizwertregelung ohnehin verdrängt würde . Zum anderen wird der Wegfall der Heizwertregelung in vielen Fällen, etwa bei Altreifen oder Sperrmüll, auch zur intendierten, stärkeren Lenkung der Abfälle in Richtung Recycling führen . Besonders betroffen von der Aufhebung der Heizwert- regelung ist allerdings die chemische Industrie mit ihren sehr heterogen gefährlichen Abfällen . Aufgrund der ho- hen Schadstoffrisiken gibt es bei Anwendung der Abfall- hierarchie jedoch wichtige ökologische Gründe, die die energetische Verwertung dieser Abfälle mit Blick auf den Schutz von Mensch und Umwelt weiterhin rechtfertigen . Die Umsetzung der Abfallhierarchie stellt alle Betrof- fenen vor große Herausforderungen . Wir werden daher gemeinsam mit den Ländern für die Anwendung der Ab- fallhierarchie, insbesondere für den Bereich der gefährli- chen Abfälle, Vollzugshinweise entwickeln . Die Arbeiten hierzu sind im Bundesumweltministerium bereits ange- laufen und werden rechtzeitig zum Inkrafttreten des Ge- setzes Mitte nächsten Jahres abgeschlossen sein . Lassen Sie mich abschließend noch ein Wort zu dem im Rahmen der Ausschussberatungen eingebrachten Änderungsantrag sagen . Dieser betrifft das Elektro- und Elektronikgerätegesetz und wird von der Bundesregie- rung unterstützt . Ziel des Änderungsantrages ist es, einen Bußgeldtatbestand gegen sich bei der Rücknahme von Elektroaltgeräten rechtswidrig verhaltende Vertreiber einzuführen . Damit sollen die Schaffung eines dichten Sammelnetzes vorangebracht und die sich rechtskonform verhaltenden Vertreiber geschützt werden . Die vorgelegte Novelle und auch der Änderungsan- trag zum ElektroG werden die ressourcenschutzorien- tierte Kreislaufwirtschaft weiter voranbringen . Ich bitte daher um Ihre Zustimmung zum Gesetzentwurf der Bun- desregierung in der vom Umweltausschuss geänderten Fassung . Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zu der Verordnung der Bundesregierung: Verordnung über die Bewirt- schaftung von gewerblichen Siedlungsabfällen und von bestimmten Bau- und Abbruchabfällen (Gewerbeabfallverordnung – GewAbfV) (Tages- ordnungspunkt 21) Artur Auernhammer (CDU/CSU): „Müll bleibt Müll, auch wenn man ihm immer wieder eine Abfuhr er- teilt . Es bleibt ein menschliches Problem“, erklärte schon der Anthropologe Aurelius de Montblanc . Man muss nicht Landwirt sein, um zu wissen, dass die Müllproduk- tion eine menschliche Erfindung ist. In Flora und Fauna gibt es diese Form des unbrauchbaren, unverwertbaren und zweckfreien Abfalls nicht . Dort herrscht ein perfekt geschlossener Kreislauf . Diesen Kreislauf haben wir in Deutschland – in beispielhafter Weise – für unseren an- fallenden Abfall versucht zu adaptieren . Abfalltrennung, Sortenreinheit, Recycling, Wiederverwertung, all das sind Begriffe, die das uns bekannte Abfallsystem prägen und über unseren reinen Sprachgebrauch in neue Verhal- tensweisen mündeten . Wie selbstverständlich wachsen heute unsere Kin- der auf und achten auf eine wertstoffgerechte Trennung des Abfalls . Doch das war – wir können uns alle daran erinnern – nicht immer der Fall . Recycling war einmal unpopulär . Heute ist es unspektakuläre Routine unseres Alltags . Viele Menschen aller Generationen in unserem Land leben den bekannten Grundsatz „Vermeidung vor Verwertung vor Beseitigung“, wobei immer der umwelt- verträglicheren Möglichkeit der Vorzug gegeben wird . Unser deutsches Abfallrecht normierte bislang einen relativen Gleichrang der stofflichen und energetischen Verwertung; dies ist nunmehr weggefallen . Inzwischen haben wir alle erkannt, dass Müll eben auch nicht nur eine energetische Komponente aufweist und die ökono- mische Bedeutung durch den zu erzielenden Heizwert bemessen wird . Abfälle sind längst von unbrauchbaren Stoffen oder Gegenständen, derer sich ihr Besitzer ent- ledigt, entledigen will oder entledigen muss – Abfall-Le- gal-Definition nach § 3 Kreislaufwirtschaftsgesetz –, zu einem „Wert-Stoff“ aufgewertet worden . Die Zukunft wird zeigen, dass zum Beispiel die erfolgreichen bayeri- schen Wertstoffhöfe und die vielerorts gelungenen kom- munal organisierten Abfallentsorgungssysteme die Roh- stoffquellen unseres Landes im 21 . Jahrhundert werden . Ich begrüße daher die gesellschaftlichen Zielvereinba- rungen im Umgang mit dem Abfall, die jüngst durch die neuere EU-Richtlinie 2008/98/EG modernisiert wurden, in dem sie den bekannten Dreiklang „Vermeidung vor Verwertung vor Beseitigung“ erweitert und präzisiert . https://de.wikipedia.org/wiki/Richtlinie_(EU) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621018 (A) (C) (B) (D) An erster Stelle der nunmehr fünfstufigen Abfallhierar- chie bleibt die Abfallvermeidung als rohstoffschonendste Form bestehen, gefolgt von der Vorbereitung zur Wieder- verwendung, dem Recycling und der sonstigen Verwer- tung, die in stofflicher und energetischer Form erfolgen kann . An letzter Stelle steht weiterhin die – in unserem Land im geringen Maße erforderliche, aber mitunter teil- weise unabweisliche – Abfallbeseitigung . Ein deutscher Durchschnittsbürger verursachte im Jahre 2014 618 Kilogramm Müll . Angesichts dieser im- mensen Masse ist es erfreulich, dass wir das Augenmerk auf Müllvermeidung lenken . Müllvermeidung ist die Kö- nigsdisziplin . Dazu gehört auch, dass wir uns neben der angemessenen Verpackungsart und Verpackungsgröße mit wichtigen Fragen der Haltbarkeit und Langlebigkeit von Gebrauchsgütern befassen . Ich will Ihnen das ganz einfach vorrechnen: Wenn ein Toaster nicht bereits nach fünf Jahren defekt geht, sondern erst nach 20 Jahren sei- ne Funktion einstellt, „entziehen“ wir dem Abfallkreis- lauf – in positiver Weise – Müll, weil es ihn nicht gibt, weil er nicht entsteht . Es gibt technische Grenzen der Haltbarkeit, und es gibt Gründe, die für eine Begrenzung der Funktionsdauer sprechen . Dafür kann man Verständnis aufbringen . Res- sourcenschonend ist es aber gerade nicht, wenn Geräte mit einer Software ausgestattet werden, welche die Le- bensdauer von – zumeist elektronischen – Geräten nach einer bestimmten Dauer automatisch und unbegründet ablaufen lassen . Das klassische Beispiel kennen Sie viel- leicht sogar aus eigenem Erleben – ein Drucker . Viele Drucker haben ein verstecktes Zählwerk eingebaut, das dem Gerät nach Druck einer bestimmten Anzahl von Blättern signalisiert, dauerhaft abzuschalten . Der Kunde erkennt dies am Display oftmals durch eine nicht über- windbare Error-Anzeige . Sie erkennen, dass dieser Weg der umfassenderen Müllvermeidung nicht ohne Industrie wird erfolgen kön- nen . Und es ist zu vermuten, dass wir auf lange Sicht ein- sehen, dass an dieser Stelle eine freiwillige Verpflichtung nicht ausreichen wird . Denn solange die Verpackungs- größen in keinem angemessenen Verhältnis zum befüll- ten Inhalt der Verpackung stehen und ausschließlich dem Marketinggedanken und der Umsatzzahlenoptimierung unterliegen, statt dem Umweltschutz durch Abfallver- meidung den Vorzug zu gegeben, entzieht sich ein großes Potenzial zur Müllvermeidung dem Einflussbereich der Verbraucherinnen und Verbraucher . Hier müssen Indus- trie und Handel mitarbeiten . Ein Beitrag, den die Verbraucher jedoch leisten kön- nen, ist die Reduzierung von Lebensmittelabfällen, in- dem zum einen bewusster eingekauft wird, zum anderen das Mindesthaltbarkeitsdatum als ein solches und nicht als Verfallsdatum verstanden wird . Auf Initiative der da- maligen Bundesministerin Ilse Aigner ist die Kampagne „Zu gut für die Tonne“ gestartet, die genau für diesen Aspekt wirbt . Es ist auch nötig; denn über 12 Prozent der von uns täglich, wöchentlich gekauften Lebensmittel lan- den immer noch im Müll . Hier kann Vermeidung Abhilfe leisten . Das oberste Ziel ist die Müllvermeidung . Doch der Müll, der nicht vermieden wurde, bedarf einer Trennung und Sortierung . Mit 47 Prozent weist Deutschland die höchste Recyclingquote aller EU-Mit- gliedstaaten auf; der EU-Durchschnitt liegt vergleichs- weise bei 28 Prozent . In Anerkennung dieses Erfolges gebührt vor allem den kommunalen Abfallwirtschaftsbe- trieben unser Dank . Sie sind es, die zuverlässig die Vo- raussetzungen für hochwertiges Recycling schaffen und unsere wertvollen Rohstoffe bergen . Die Lebenswirklichkeit der eben angerissenen Er- folgsgeschichte des Entsorgungswegs des Abfalls lässt uns aber wissen, dass im Bereich der Beseitigung nicht privater Siedlungsabfälle und von bestimmten Bau- und Abbruchabfällen nicht alle Entsorgungswege als ord- nungsgemäß eingestuft werden können; einige sind ge- meinwohlunverträglich und schadhaft . Ursächlich sind nicht die Entsorger, sondern die Abfallerzeuger . Das Problem ist, dass eine nicht bekannte Anzahl stofflich oder energetisch verwertbarer Abfälle und zu beseiti- gender Abfälle – Deponierung – in unzulässiger Weise entweder nicht getrennt oder nicht vollständig getrennt gelagert werden und im Ergebnis diese „gemischten Ab- fälle“ als „zur Verwertung“ deklarierte Abfälle dem Ent- sorgungskreislauf – energetische Verwertung oder Sor- tieranlage – zugeführt werden . Da landet Bauschutt mit Eisenträgern und Kunststoffpanelen in einem Container, wenngleich die Abfallerfassung getrennt erfolgte . Diese Vermischung der verwertbaren Materialien mit Störstof- fen schließt von vornherein eine hochwertige Verwertung aus . Die Sortieranlage kann dann nur in einem sehr ge- ringen Prozentsatz die Stoffe verwerten, und muss den größeren – ursprünglich zu beseitigenden Abfall – einer Deponie zuführen . Dies beeinträchtigt öffentlich-rechtli- che Entsorgungsträger . Diese sogenannte Scheinverwertung will die uns heu- te vorliegende Verordnung der Bundesregierung unter- binden . Ziel ist eine schadlose und umweltverträgliche Verwertung der gewerblichen Siedlungsabfälle und von bestimmten Bau- und Abbruchabfällen . Die Verordnung konkretisiert die Anforderungen für die Getrennthaltung von Abfällen, deren Vorbehandlung und die erforderliche Kontrolle . Gerade Letzteres ist eine gleichsam erforder- liche wie zu begrüßende Nachbesserung dieser Verord- nung. Wer gegen Umsetzungsdefizite vorgehen will – das gilt im Umweltbereich genauso wie in jeder anderen Branche –, ohne eine erhöhte Kontrolldichte festzulegen, kann sich nicht eines Erfolges sicher sein . Aber genau das ist unser Ziel . Das Kontrollnetz sieht neben einem zu führenden Be- triebstagebuch die behördliche Fremdkontrolle vor . Da- bei werden die Betriebsaufzeichnungen geprüft . Halb- jährlich erfolgt zudem die Kontrolle der Einhaltung der rechtlich normierten Verfahrensschritte, die unter ande- rem eine getrennte Störstofferfassung vorsieht . Im ersten Schritt werden auch regelmäßige Eigenkontrollen gefor- dert, deren Ergebnisse dokumentiert und behördlich kon- trolliert werden . Die Abfallerzeuger und Abfallbesitzer müssen künftig auch durch Maßnahmen für eine höhere Sortenreinheit im getrennten Erfassen sorgen . Dies ist zu begrüßen, da es die Recyclingquote steigert und die Ver- wertbarkeit erhöht . https://de.wikipedia.org/wiki/Abfallvermeidung https://de.wikipedia.org/wiki/Wiederverwendung https://de.wikipedia.org/wiki/Wiederverwendung https://de.wikipedia.org/wiki/Recycling https://de.wikipedia.org/wiki/Verwertung https://de.wikipedia.org/wiki/Verwertung https://de.wikipedia.org/wiki/Abfallbeseitigung Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21019 (A) (C) (B) (D) Die Verordnung wird insgesamt der steigenden Be- deutung von metallischen und mineralischen Abfällen und Abfällen aus Glas gerecht . Die Einbringung in die energetische Verwertung von gemischten gewerblichen Siedlungsabfällen, die diese Stoffe enthalten, ist för- derhin unzulässig . Zukünftig werden auch im Bau- und Abbruchgewerbe getrennt anfallende Abfälle getrennt gesammelt und gelagert . Besonders die Fraktionen Glas, Kunststoffe, Beton und Metalle sollen hierbei erfasst werden . Genau mit diesen Maßnahmen schützen wir un- sere „heimischen Rohstoffe“ und werden einen immer spürbarer werdenden Beitrag für die Rohstoffverfügbar- keit in unserem Land leisten . Ein wichtiger Punkt für mich setzt jedoch weit vor der erforderlichen Kontrollinstanz an . Denn Kontrollen wer- den erst ab dem Punkt notwendig, an dem Müll entsteht und dem Recyclingverfahren zugeführt werden muss . Der erste und bedeutendste Punkt bleibt auch bei nicht privaten (Sieglungs-)Abfällen die Müllvermeidung . So wichtig überprüfbare und gut durchdachte Mechanismen für die getrennte Erfassung von Materialen an den Ab- fall-Anfallstellen sind: Die Reduzierung des anfallenden gewerblichen Siedlungsmülls und von bestimmten Bau- und Abbruchabfällen muss oberstes Ziel sein . Es sind die Abfallerzeuger, die ich in der Plicht sehe, alle Maßnah- men, die ihnen zur Verfügung stehen, zu ergreifen, zur aktiven Abfallvermeidung beizutragen . Denn besser als gut getrennter und recycelter Abfall ist kein Abfall – das fordert uns Verbraucher wie die Industrie gleichermaßen . Diese Verordnung ist ein weiterer guter Schritt in der Erfolgsgeschichte der deutschen Abfallwirtschaft . Diese dient dem Abfall, der Kreislaufwirtschaft der Rohstoffe, uns Bürgern und der Umwelt . Dr. Thomas Gebhart (CDU/CSU): Wir beraten heu- te eine Novelle zur Gewerbeabfallverordnung . Worum geht es? Wie der Name bereits andeutet, geht es um alle Abfälle, die im Gewerbe anfallen und entsorgt werden müssen . Wir reden von großen Abfallmengen . Insofern ist es bemerkenswert, dass in den letzten Monaten in der Debatte die Gewerbeabfallverordnung eine vergleichs- weise geringe Rolle gespielt hat, obwohl es sich um große Abfallströme handelt . Hingegen gab es intensivste Debatten über ein Wertstoff- bzw . Verpackungsgesetz, obwohl die Abfallmengen, um die es dabei ging, wesent- lich geringer sind . Wir reden allein über 6 Millionen Tonnen gemischte gewerbliche Siedlungsabfälle, die jedes Jahr anfallen, und wir reden beispielsweise über 51 Millionen Tonnen Bauschutt . Die Herausforderung ist: Von diesen erhebli- chen Mengen könnten deutlich mehr stofflich wiederver- wertet, also recycelt werden . Beim gemischten Gewer- beabfall geht heute der größte Teil mehr oder weniger direkt in die Verbrennung . Anteilsmäßig sind das nach aktuelleren Untersuchungen rund 90 Prozent . Nur rund 7 Prozent wurden „stofflich verwertet“, also recycelt. Auch bei den Bau- und Abbruchabfällen, also den Bau- stellenabfällen, bestehen Potenziale . Wir wollen, dass möglichst viele Abfälle stofflich verwertet werden . Unser Ziel ist es, die Stoffkreisläufe zu schließen und die Kreislaufwirtschaft weiter voran- zubringen . Die Wertstoffe, die in den großen Mengen des Gewerbeabfalls liegen, müssen herausgetrennt und recycelt werden . Um diese Ziele zu erreichen, werden für das Gewerbe Regelungen zur Abfalltrennung geschaffen . Für die gemischten Abfälle gibt es eine Vorbehandlungs- pflicht. Dazu kommen anspruchsvollere Quoten bei der Vorbehandlung für Sortierung und Recycling . Bei den gewerblichen Siedlungsabfällen sieht das in der Praxis so aus, dass jeder Gewerbetreibende grundsätzlich ver- pflichtet ist, seinen Abfall zu trennen und einer Aufbe- reitung bzw . dem Recycling zuzuführen . Die Abfall- trennung betrifft zusätzlich zu Papier und Pappe, Glas, Kunststoffe und Metall im Wesentlichen nun auch Holz, Textilien sowie Bioabfälle . Klar ist, dass nicht jedes Unternehmen in der Lage ist, in so viele Fraktionen zu trennen . Darum begrüße ich sehr, dass gerade für Kleinunternehmen Ausnahmen ge- schaffen wurden . Wem es technisch nicht möglich oder wem es wirtschaftlich nicht zumutbar ist, seinen Abfall wie dargestellt zu trennen, der ist von der Trennpflicht befreit . Ähnliches gilt für den Architekten oder den Rechtsanwalt . Hier gilt eine entsprechende Kleinmen- genregelung, die ihn vom Trennen seiner Abfälle befreit . Gleichwohl: Auch der Kleinunternehmer und jeder, der nicht trennen muss, muss seinen Abfall grundsätzlich ei- ner Vorbehandlungsanlage zuführen . Ich begrüße zudem die Regelung, wonach einem Unternehmen mit einer Trennung von 90 Prozent seines Abfalls die Vorbehand- lungspflicht für die restlichen 10 Prozent erlassen wird. Mit der vorgelegten Novelle zur Gewerbeabfallver- ordnung machen wir einen wesentlichen Schritt in Rich- tung Nachhaltigkeit . Weniger Abfälle als bisher werden verbrannt, mehr Abfälle als bisher werden recycelt . Mehr Wertstoffe als bisher werden den Abfällen entnommen, mehr Ressourcen werden geschont . Stoffkreisläufe wer- den geschlossen . Unser Ziel war es, eine Gewerbeabfall- verordnung auf den Weg zu bringen, die aus Umwelt- schutzgesichtspunkten genauso wie aus ökonomischen Gesichtspunkten Sinn macht . Uns war es besonders wichtig, möglichst unbürokratische und praxisnahe Lö- sungen zu finden. Ich denke, dass uns dies gelungen ist. Michael Thews (SPD): Für die meisten Akteure der Kreislaufwirtschaft, auch für uns Berichterstatter, lag das Hauptaugenmerk in dieser Legislaturperiode auf der Ein- führung eines Wertstoffgesetzes . Um dieses Gesetz wur- de ausgesprochen kontrovers diskutiert, insbesondere um die Frage der Organisationsverantwortung . Letztlich ist es an der Unvereinbarkeit der Positionen gescheitert . Laut Gutachten für das Planspiel zur Einführung einer Wertstofftonne sollten durch eine gemeinsame Wertstoff- sammlung in den privaten Haushalten 570 000 Tonnen Abfall pro Jahr mehr gesammelt werden . Schaut man sich dagegen die weitaus größeren Sammelmengen aus gemischten gewerblichen Siedlungs- sowie Bau- und Abbruchabfällen an, wundert man sich etwas, dass dieser Abfallstrom und die dazugehörige Gewerbeabfallverord- nung bisher vergleichsweise leise in der Öffentlichkeit behandelt worden ist . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621020 (A) (C) (B) (D) In Deutschland fallen jährlich rund 6 Millionen Ton- nen gemischte Gewerbeabfälle an, und zwar in einem breiten Spektrum an Betrieben; denn die kleine Kneipe in der Altstadt ist von der Verordnung genauso betroffen wie der Industriebetrieb mit einer eigenen Stabsstelle für Abfall und 1 000 Mitarbeitern . Die Verordnung wird cir- ca 3,6 Millionen Betriebe in Deutschland betreffen, da- von 3,5 Millionen Klein- und Kleinstbetriebe . Die Erfolge der bisherigen Trennungs- und Recy- clingpraxis sind trotz jetzt schon geltendem Getrennthal- tungsgebot allerdings eher mau . Es wurden nur 45 Pro- zent der gemischten gewerblichen Siedlungsabfälle in Sortieranlagen aufbereitet; 50 Prozent gingen direkt in die Verbrennung . Andere Studien kommen in ihren Be- rechnungen sogar dazu, dass insgesamt 90 Prozent des gemischten gewerblichen Siedlungsabfalles entweder direkt oder nach Sortierung verbrannt bzw . energetisch verwertet werden . Letztendlich wurden nur rund 7 Pro- zent der insgesamt anfallenden gemischten Gewerbeab- fälle stofflich verwertet. Dieses brachliegende Potenzial müssen wir dringend nutzen! Angesichts endlicher natürlicher Rohstoffe können wir es uns als Gesellschaft nicht leisten, auf diese gro- ßen Mengen an Sekundärrohstoffen zu verzichten . Durch das Recycling von Abfällen lassen sich im Vergleich zur Gewinnung von primären Rohstoffen große Mengen an Energie, CO2 und Rohstoffen einsparen – besonders be- deutsam ist hier das Recycling von Metallen wie etwa Stahl oder Kupfer . Dazu kommt, dass die Gewinnung von Primärrohstoffen oft mit schwerwiegenden ökolo- gischen und manchmal auch sozialen Folgen verbunden ist . Darüber hinaus müssen wir uns als rohstoffarmes Land unabhängiger von Rohstoffimporten machen. Die Stärkung und der Ausbau der Kreislaufwirtschaft, um die Wirtschafts- und Produktionsweisen in Deutschland schrittweise von Primärrohstoffen unabhängiger zu ma- chen, finden sich auch als eine von vier Leitideen im Deutschen Ressourceneffizienzprogramm „ProgRess II“ wieder . Auch dürfen wir die Kreislaufwirtschaft als Job- motor nicht unterschätzen . Neue Arbeitsplätze entstehen in den Unternehmen der Kreislaufwirtschaft selbst, aber auch im deutschen Maschinenbau . Deutschland ist Vorreiter bei der Abfalltrennung und beim Recycling . Dies zeigt sich jährlich auf der welt- weit größten Messe für Kreislaufwirtschaft und Entsor- gung, der IFAT, in München . Deutschland ist aber auch Technologieführer bei den Verfahren für Trennung und Recycling. Wenn wir mehr stoffliches Recycling wollen, müssen wir auch sicherstellen, dass in entsprechende moderne Anlagentechnik investiert wird . Weltweit tun das inzwischen viele Länder; sie steigen aktiver in diese Bereiche ein, schauen nach Deutschland und orientieren sich an uns . Schon allein deswegen müssen wir hier vo- rangehen und dürfen uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen . Ich bin überzeugt, dass die in dieser Novelle vorgegebene Recyclingquote für Betreiber von Vorbe- handlungsanlagen von mindestens 30 Masseprozent bei den Gemischen, die in einer Vorbehandlungsanlage an- kommen, realistisch ist und gleichzeitig für einen Inves- titionsschub sorgen wird . Diese Quote wird spätestens Ende 2020 evaluiert und gegebenenfalls an den bis dahin weiterentwickelten Stand der Technik angepasst . Es geht bei der Gewerbeabfallverordnung nicht nur um die zu geringe Nutzung des Potenzials dieses gro- ßen Stoffstroms. Ausgehend von der fünfstufigen Ab- fallhierarchie der europäischen Abfallrahmenrichtlinie sind Änderungen des untergesetzlichen Regelwerks in Deutschland notwendig . Nach bisherigem Recht sollte vor allem die Ablagerung gemischter gewerblicher Sied- lungsabfälle sowie gemischter Bau- und Abbruchabfälle auf „Billigdeponien“ beendet und „Scheinverwertung“ verhindert werden . Die noch geltende Gewerbeabfall- verordnung aus dem Jahr 2002 ging noch von einem grundsätzlichen Gleichrang zwischen stofflicher und energetischer Verwertung aus . Ein großer Teil der ge- mischten Gewerbeabfälle und auch bestimmter Bau- und Abbruchabfälle ging, wie erwähnt, direkt – ohne Vorbe- handlung – in die energetische Verwertung . Vollzugs- probleme und ein hoher Kontrollaufwand bremsten die Verordnung bisher aus . Deshalb setzt die Novelle auch an der Vollziehbarkeit an . Sie sieht für die Gewerbebe- triebe vor, dass diese die Einhaltung ihrer Pflichten oder die Gründe für Ausnahmeregelungen dokumentieren und auf Verlangen der Behörde auch nachweisen müssen . Sie setzt aber gleichzeitig auf einen Anreiz für die Gewer- bebetriebe . Erfüllt ein Abfallerzeuger in einem Jahr eine Getrenntsammelquote von mindestens 90 Prozent, dann ist er im darauffolgenden Jahr von der Pflicht zur Vorbe- handlung seiner Gemische befreit . Eine aus meiner Sicht sehr sinnvolle Neuerung! Ich begrüße die neue Gewerbeabfallverordnung aus- drücklich . Scheinbar geht es vielen so; denn Kritik gab und gibt es zwar bei einzelnen Punkten, grundsätzliche Ablehnung jedoch nicht . Unsere Hauptforderungen nach Umsetzung der fünfstufigen Abfallhierarchie und der Beibehaltung der kommunalen Restmülltonne wurden erfüllt . Durch anspruchsvollere Vorgaben zur Sortierung und höhere Recyclingquoten können künftig deutlich mehr Abfälle dem Recycling zugeführt werden . Dass die Novelle zur Gewerbeabfallverordnung so breite Zustimmung findet, liegt sicherlich auch daran, dass das Bundesministerium für Umwelt und Bau bereits vor Kabinettsbefassung mit allen Beteiligten intensiv dis- kutiert und viele der Vorschläge und Änderungswünsche übernommen hat . So wurden zum Beispiel auf Anregung der Entsorgungswirtschaft die Mindestanforderungen an die Vorbehandlungsanlagen gesenkt . Des Weiteren wur- den Anregungen der Bauwirtschaft zur Getrennthaltung von Bauabfällen und der Bundesländer zur Präzisierung von Definitionen wie „technische Unmöglichkeit“ und „wirtschaftliche Unzumutbarkeit“, berücksichtigt . Sicherlich werden wir zukünftig prüfen müssen, ob wir noch mehr erreichen können . Ich bin aber davon überzeugt, dass die Novelle das Recycling im gewerbli- chen Bereich stärkt, somit die Kreislaufwirtschaft fördert und die Belange von Gewerbe und Industrie mit den Be- langen des Umwelt- und Ressourcenschutzes zu einem sachgerechten Ausgleich bringt . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21021 (A) (C) (B) (D) Ralph Lenkert (DIE LINKE): Fast 6 Millionen Ton- nen sogenannte gemischt anfallende – sprich: unsortier- te – Gewerbeabfälle werden jedes Jahr einfach verbrannt, obwohl in ihnen jede Menge recycelbare Wertstoffe ste- cken . Alles, was nicht recycelt wird, muss über den Pri- märrohstoffmarkt energie- und ressourcenaufwendig neu geschaffen werden . Zusätzlich zu den 6 Millionen Tonnen Gewerbeab- fällen kommen jährlich etwa 200 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle . Ein Viertel davon, also rund 50 Millionen Tonnen, ist Bauschutt . Würde man diesen vernünftig recyceln, könnte er fast komplett für neue Bauten verwendet werden . Müll zu sortieren, ist die Grundlage für Recycling . Wir freuen uns, dass die Bundesregierung das nun auch erkannt hat und nach 13 Jahren endlich die Gewerbeab- fallverordnung überarbeitet . Leider tut sie das nur halb- herzig . Müllsortierung beginnt beim Müllerzeuger, dem nunmehr zwar vorgeschrieben werden soll, dass er Müll zu trennen hat . Leider verpasst es die Bundesregierung, konkrete Quoten festzulegen . Beim normalen Haushalts- müll gibt es diese Quoten . Warum macht die Bundesre- gierung beim Gewerbemüll wieder nur halbe Sachen? Des Weiteren gibt es deutlich zu viele Ausnahmen von der Sortierpflicht. Die Erklärungen zu genutzten Ausnah- men sind nicht einmal verpflichtend vorzulegen, sondern nur auf Nachfrage der Behörde . Wir alle kennen die De- fizite im Vollzug des Umweltrechts, wegen des Personal- mangels . Die vielgepriesene schwarze Haushaltsnull hat über die Jahre dafür gesorgt, dass Vollzugsbehörden im Umweltrecht oft zu wenig Personal haben, um den Ge- setzesvollzug gewährleisten zu können . Die Linke for- dert deshalb, dass zu jeder Änderung im Umweltrecht ein Konzept vorgelegt wird, wie dies in der Praxis auch um- gesetzt und kontrolliert wird . Sonst ist Missbrauch Tür und Tor geöffnet . Wir fordern: Wenn ein Unternehmen Abfallfraktionen nicht getrennt sammeln kann, sind die Unterlagen der Behörde unaufgefordert vorzulegen . Die Verordnung war eine Chance, das aktuelle Pro- blem bei HBCD-haltigen Dämmstoffen bundeseinheit- lich zu lösen . Seitdem die mit dem Brandhemmer Hexabromcy- clododecan (HBCD) versehenen Dämmstoffplatten als Sondermüll deklariert wurden, stapeln sie sich in Zwi- schenlagern bei den Abfallentsorgern oder bei den Ab- bruchfirmen. Es gibt nur sehr wenige Verbrennungs- anlagen, in denen die Platten als reine Abfallfraktion verbrannt werden können . Die Sortierung ist aufwendig und der Transport teuer . Anstatt die Platten sortenrein von den gemischten Bauabfällen zu trennen und dann einen quasi nicht existierenden Entsorgungspfad zu wählen, sollten sie gemischten Bauabfällen einfach wie bisher beigemischt werden . Denn als Beimischung ist die Ver- brennung unproblematisch . So würde einerseits das ent- haltene HBCD unschädlich gemacht und außerdem we- niger Zusatzverbrennung nötig werden . Das thüringische Umweltministerium beispielsweise hat das erkannt und deswegen vorgeschlagen, alles beim Alten zu lassen . Die Bundesregierung hätte hier schleunigst Rechtssicherheit schaffen können . Mit einem Ausnahmetatbestand in der Gewerbeabfallverordnung wäre das möglich gewesen . Diese Chance hat die Bundesregierung in ihrem Entwurf leider verpasst . Die Linke regt an, den vorliegenden Verordnungsent- wurf weiter zu qualifizieren. Er geht zwar grundsätzlich in die richtige Richtung, bleibt aber hinter seinen Mög- lichkeiten zurück . Das ist schade, denn bei aller guten In- tention zur Einhaltung der europäischen Abfallhierarchie erwarten wir wesentlich mehr Konsequenz und vor allem mehr Kompetenz für die Vollzugsbehörden, ansonsten wird sich in puncto Ressourcenschutz in der Praxis nicht viel verändern . Peter Meiwald (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die bestehende Gewerbeabfallverordnung ist mittlerweile hoffnungslos veraltet und berücksichtigt kaum ökologi- sche Ziele . Mit der Einführung der Abfallrahmenrichtlinie und der Umsetzung im Kreislaufwirtschaftsgesetz 2012 entspricht die gültige Gewerbeabfallverordnung auch nur noch sehr bedingt der übergeordneten Rechtslage und der darin enthaltenen Abfallhierarchie . Die bisherige Gewer- beabfallverordnung lässt minderwertige Verwertung, also Verbrennung und Verfüllung, zu . So war es den Betrieben – anders als den Bürgerinnen und Bürgern in Privathaushalten – noch erlaubt, nicht getrennt zu sammeln, obwohl das die Voraussetzung für jegliche hochwertige werkstoffliche Verwertung ist. Die Rechtslage führt dazu, dass von den jährlich anfallenden gemischten Gewerbeabfällen mehr als 90 Prozent ver- brannt und nur knapp 7 Prozent werkstofflich recycelt werden . Mit der Verbrennung von Altpapier, Kunststof- fen und anderen werthaltigen Abfällen als Ersatzbrenn- stoff gehen wertvolle Ressourcen verloren, die an anderer Stelle aufwendig erzeugt werden müssen . Diese Situati- on widerspricht grundlegend dem Gedanken der Nach- haltigkeit und dem Konzept des Ressourcenschutzes . Laut einer Studie des Umweltbundesamtes fallen in Deutschland im Gewerbesektor pro Jahr 3,45 Millionen Tonnen gemischte gewerbliche Siedlungsabfälle und rund 2,39 Millionen Tonnen Verpackungsgemische an . Wir sprechen also über rund 6 Millionen Tonnen Gewer- beabfälle . Angesichts dieser Menge an Gewerbeabfällen ist es höchste Zeit, dass die Gewerbeabfallverordnung novelliert und den ökologischen Herausforderungen an- gepasst wird . Was bei den Bürgerinnen und Bürgern hinsichtlich Getrennthaltung und Sortierung seit Jahren üblich ist, kann doch für das Gewerbe nicht unmöglich sein . Es besteht kein logischer Grund, warum Gewerbebetriebe Bioabfälle, Plastik, Glas, Papier und Pappe, um nur ei- nige wenige Abfallfraktionen zu nennen, nicht getrennt sammeln könnten . Die Kreislaufwirtschaft ist daher auch im Bereich der Gewerbeabfälle weiterzuentwickeln und muss dazu das zusätzliche Recyclingpotenzial von 2,4 Millionen Tonnen pro Jahr aus den Gewerbeabfallsammlungen für werkstoffliches Recycling erschließen. Unserer Auffassung nach geht der Entwurf für die neue Gewerbeabfallverordnung zwar in die richtige Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621022 (A) (C) (B) (D) Richtung, allerdings fehlen in der Verordnung Aussagen, die der Vorbereitung zur Wiederverwendung und dem werkstofflichen Recycling einen deutlichen Vorrang ge- genüber der energetischen Verwertung einräumen . Zu- mindest die Ausnahmen bezüglich der Sortierquote hät- ten abgebaut und die Unterschreitung der Sortierquote auf bis zu 10 Prozent auf bis zu zwei Monaten des Kalen- derjahres beschränkt werden müssen . Auch eigenständi- ge und deutlich ambitioniertere Recyclingquoten für die verschiedenen Abfallfraktionen wären wünschenswert gewesen . Am besten wäre schon heute festzulegen, dass spätes- tens ab 2025 dynamische und selbstlernende Recycling- quoten gelten . Dann würde sich die Höhe der zu erfül- lenden Recyclingquoten für die Folgejahre automatisch an den besten Recyclingergebnissen der Vorjahre orien- tieren – Top-Runner-Mechanismus . Ohne politische In- tervention würden sich die Quoten selbstständig an den technischen Fortschritt in der Recyclingbranche anpas- sen und so noch zusätzlich als ein Förderprogramm für weitere Innovationen in der Recyclingbranche wirken . Zu all diesen konkreten Verbesserungsvorschlägen haben wir Grüne einen Entschließungsantrag in den Um- weltausschuss eingebracht, um aus einer notwendigen eine gute, angemessene Gewerbeabfallverordnung zu machen . Diesen Anspruch müssen wir als Parlamentarier an uns selber schon haben . Deswegen werden wir uns heute hier zu dem vorliegenden Entwurf enthalten . Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Trilaterale Partnerschaften in der ASEAN-Region stärken – Deutsches Know- how nutzen (Tagesordnungspunkt 22) Jürgen Klimke (CDU/CSU): Die hohen Flüchtlings- zahlen in Europa, unter anderem ausgelöst durch den syrischen Bürgerkrieg und den Migrationsdruck in vie- len afrikanischen Staaten, erfordern von der deutschen Entwicklungspolitik große Anstrengungen und gezieltes Handeln . Auch im Jahr 2017 wird das Bundesministe- rium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick- lung (BMZ) einen starken Fokus auf unseren Nachbar- kontinent Afrika legen . Bundesentwicklungsminister Dr . Gerd Müller sprach in diesem Zusammenhang bereits von einem „Marshallplan für Afrika“ . Der heute in erster Lesung vorliegende Antrag „Tri- laterale Partnerschaften in der ASEAN-Region stärken“ hat – wie man erkennen kann – mit Asien einen anderen regionalen Schwerpunkt . Dies ist kein Widerspruch zur aktuellen Strategie der Bundesregierung, sondern wie im Matthäus-Evangelium, Kapitel 23, Vers 23, ganzheitlich gedacht: „Man muss das eine tun, ohne das andere zu lassen .“ Die ASEAN-Region mit ihren zehn Mitgliedstaaten Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myan- mar, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam ist ein sehr heterogenes Gebilde mit großen Entwicklungsunter- schieden . Über 600 Millionen Menschen leben in diesen Ländern, die mehrheitlich Partnerländer der bilateralen deutschen Entwicklungszusammenarbeit sind . Damit Deutschland auch in den kommenden Jahren als entwicklungspolitischer Akteur in der ASEAN-Regi- on präsent sein kann – denn, wie eingangs von mir aus- geführt, wird der Fokus deutscher Entwicklungspolitik stärker auf dem Nahen Osten und auf Afrika liegen müs- sen –, ist es notwendig, dass wir unser Engagement in der ASEAN-Region auf ein breiteres Fundament stellen . Eine Möglichkeit, dieses Ziel zu verfolgen, ist der Aus- bau von Dreieckskooperationen . Lassen Sie mich dieses Entwicklungsmodell kurz einordnen: Trilaterale Kooperationen werden in der internationa- len Entwicklungszusammenarbeit als ein Bindeglied zwi- schen Entwicklungsländern, Schwellenländern und ent- wickelten Ländern genutzt . Sie eignen sich insbesondere für die projektbezogene Zusammenarbeit mehrerer Ak- teure . Die Evaluierung von Dreieckskooperationen zeigt aber auch, dass trilaterale Kooperationen in Abstimmung einen hohen Verwaltungsaufwand verursachen können . Dies sollte vor Nutzung des Instruments in die Erwägung Eingang finden. Bei der Situation in Südostasien, die der Antrag in erster Linie anspricht, liegen jedoch günstige Voraussetzungen für trilaterale Kooperation vor . Deutschland hat aktuell mit Thailand, Malaysia und Indonesien trilaterale Kooperationen vereinbart, die je- weils einen weiteren regionalen Partner einbeziehen . Diese Maßnahmen fördern nicht nur lokale Entwicklun- gen, sondern tragen auch zum Harmonisierungs- und In- tegrationsprozess innerhalb der ASEAN-Region bei . Und die Grundlagen für den Ausbau dieses Entwick- lungsmodells sind vorhanden; denn viele ASEAN-Staa- ten verfügen über entwicklungspolitische Institutionen, die sich im Wesentlichen auf die ärmeren Nachbarn aus- richten . Doch obwohl Dreieckskooperationen für alle Partner Vorteile hätten, wird dieses Instrument in der Praxis bis- her nur wenig eingesetzt . Mit dem vorliegenden Antrag wollen die Entwicklungspolitiker der Koalition darauf hinwirken, dass die richtigen entwicklungspolitischen Weichenstellungen vorgenommen werden . Von den positiven Effekten trilateraler Kooperationen konnte ich mich auf meinen Besuchen entwicklungspo- litischer Projekte in der ASEAN-Region mehrfach selbst überzeugen . Ich habe nach Gesprächen mit lokalen Pro- jektverantwortlichen den Eindruck mitgenommen, dass Schwellenländer sehr am Know-how über die Förderung von Grenzregionen interessiert sind . Das Beispiel Thailand zeigt: Mit Thailands wirtschaft- licher und gesellschaftlicher Entwicklung der vergange- nen Jahrzehnte wandelte es sich zu einem Schwellenland und damit auch die Zusammenarbeit mit Deutschland . Aus der bilateralen Zusammenarbeit entwickelten sich seit 2009 trilaterale Kooperationen, in denen Thailand und Deutschland in dritten Ländern Südostasiens ge- meinsam Projekte in der Entwicklungszusammenarbeit umsetzen . Dazu gehören Initiativen im Grenzgebiet zu Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21023 (A) (C) (B) (D) Laos oder Kambodscha, die positive Auswirkungen auf den Lebensstandard der Menschen vor Ort haben . Wünschenswert wäre es, wenn diese Erfolge zukünf- tig auch auf Regionen in der ASEAN-Region ausstrahlen könnten, die bisher noch nicht in trilateralen Projekten berücksichtigt sind . So sehe ich beispielsweise ähnliche Entwicklungsherausforderungen in der Grenzregion zwi- schen Thailand und Myanmar . Diese Region war lange Zeit stark vom Drogenanbau betroffen . Durch einen in- tensiven Strukturwandel konnte die Region in jüngerer Vergangenheit zu einem Teeanbaugebiet entwickelt und einige nachhaltige Ansätze im Bereich Tourismus etab- liert werden . Aber: Die Reduzierung des Drogenanbaus in den letzten Jahren konnte nicht verhindern, dass sich die Region in jüngerer Vergangenheit zu einem großen Handelsplatz für synthetische Drogen entwickelt hat, die von dort in ganz Südostasien verbreitet werden . Dies hat auch Auswirkungen auf die Drogenmärkte in Europa und Nordamerika . Neue trilaterale Projekte in dieser Region könnten aus meiner Sicht ein Beitrag Deutschlands sein, lokale und bilateral erzielte Verbesserungen aufzugreifen und mithilfe eines breiteren Bündnisses fortzuführen . Der Blick auf die Zahlen verdeutlicht es: Trilatera- le Kooperationen im Gebiet der ASEAN-Staaten sind durchaus ausbaufähig . Das vereinbarte Gesamtauftrags- volumen dieser Projekte zwischen Deutschland und Thailand beträgt 8,3 Millionen Euro und läuft bis De- zember 2017 . Thailand ist damit der wichtigste Partner bei dieser Art Umsetzungsvorhaben . Zum Vergleich: Mit Malaysia ist ein Gesamtvolumen von rund 3 Milli- onen Euro vereinbart, mit Indonesien ein Volumen von 700 000 Euro . Lassen Sie mich deshalb nochmals eine Lanze für die- ses Modell der Entwicklungszusammenarbeit brechen: Dreieckskooperationen sind in vielen Sektoren realisier- bar und stellen das deutsche Entwicklungsengagement auf ein breiteres Fundament . Der vorliegende Antrag soll dieses Ansinnen unterstützen und Deutschland in einer der dynamischsten Wirtschaftsregionen der Welt am Ball halten . Deshalb sollen folgende Aspekte im Fokus des politischen Handelns stehen: – Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von trilateralen Kooperation in der ASEAN-Region sollen geprüft und die Effizienz zukünftiger Maßnahmen gesteigert wer- den . – Bestehende Dreieckskooperationen sollen fortgesetzt werden, wenn dadurch Synergieeffekte zu erzielen sind . – Dreieckskooperationen sollen verstärkt als Instrument genutzt werden, um international anerkannte Stan- dards in Projekten der Entwicklungszusammenarbeit einzuhalten . – Neue Felder für trilaterale Kooperation sollen gefun- den werden, die insbesondere im Hinblick auf die Um- setzung der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDG) sinnvoll sind . – Die Privatwirtschaft soll bei zukünftigen Dreiecks- kooperationen verstärkt miteinbezogen werden . – Es sollen gezielt nachhaltige Projekte initiiert werden, die in Sektoren liegen, die bisher noch nicht im Be- reich der Dreieckskooperationen vertreten sind . Und: – Das gewonnene Fachwissen aus Dreieckskooperation soll für Dritte nutzbar und zugänglich sein . Das heißt: Evaluierung durch das DEval soll ein höherer Stellen- wert zukommen . Mit dem heute vorliegenden Antrag greift die Koaliti- on das 2015 vorgestellte Asien-Papier des BMZ auf und geht den darin vorgezeichneten Weg konsequent weiter . In dem Positionspapier mit dem Titel „Asiens Dynamik nutzen“ heißt es: Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Asien wird in den kommenden Jahren mit den Part- nerländern, in multilateralen Organisationen wie der Weltbank, der asiatischen Entwicklungsbank (ADB), der Europäischen Union … in der Zusam- menarbeit mit regionalen Zusammenschlüssen wie der … ASEAN … die folgenden Chancen und He- rausforderungen adressieren: den verstärkten Dialog mit den globalen Entwicklungs- partnern, die soziale und ökologische Gestaltung der asi- atischen Marktwirtschaften, den Schutz von Klima und Biodiversität sowie die Bekämpfung von Konflikt- und Fluchtursachen . Deshalb lassen Sie uns durch die Nutzung deutschen Know-hows bei der Umsetzung trilateraler Partnerschaf- ten die Vorhaben unserer Entwicklungszusammenarbeit in der ASEAN-Region zu einem Erfolg machen . Tobias Zech (CDU/CSU): Über die Länder der ASEAN-Region – Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thai- land und Vietnam – hören wir nicht jeden Tag in den Me- dien . Obwohl die Mitgliedstaaten seit der Gründung der ASEAN-Wirtschaftsgemeinschaft im Dezember 2015 starke wirtschaftliche und politische Partner der EU – und damit auch Deutschlands – sind . Zwar befindet sich die Region nicht in unserer direk- ten Nachbarschaft, trotzdem dürfen wir sie nicht ver- nachlässigen und ihre Rolle unterschätzen . Wir kümmern uns um die Auseinandersetzungen im Nahen Osten – das ist gut so –, aber gleichzeitig müssen wir in der Lage sein, andere Weltregionen nicht aus den Augen zu verlieren . Wir müssen alle größeren Krisen un- ter Beobachtung halten . Die Bemühungen der Bundesre- gierung in den letzten Jahren zeigen den politischen Wil- len zu einem verantwortungsvollen Krisenmanagement . Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist auf der ganzen Welt mittlerweile ein Begriff, eine Marke, gewor- den . Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten gezeigt, was deutsches Engagement bewirken kann . Das Instrument, das wir in unserem Antrag fordern, ist in der Entwicklungszusammenarbeit bereits seit den 1980er-Jahren bekannt . Die trilaterale Kooperation ist eine erfolgreiche und nachhaltige Methode, um Hilfe zur Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621024 (A) (C) (B) (D) Selbsthilfe zu fördern, in Bereichen wie der beruflichen Bildung, dem Klimaschutz, der ländlichen Entwicklung, der Corporate Social Responsibility – generell zur Unter- stützung der auf Hilfe angewiesenen Länder . Deutschland unterstützt zusammen mit einem wirt- schaftlich stärkeren Land in der Region einen Staat, der wirtschaftlich schwächer ist . Diese Zusammenarbeit beschleunigt zeitgleich die wirtschaftliche Entwicklung und die Integration in der Region . Die wirtschaftliche und politische Stabilität nutzt nicht nur den fortgeschrittenen Ländern der ASEAN-Region, sondern auch Europa . Es gibt bereits gute Beispiele der Kooperation die- ser Art: Deutschland und Malaysia führen seit 2011 mit Kambodscha und Timor-Leste gemeinsame Maßnahmen durch . Aber auch die indonesisch-deutsche trilaterale Zu- sammenarbeit mit Myanmar zeigte gute Ergebnisse . Die derzeitige Unsicherheit bezüglich des Transpa- zifischen Handelsabkommens (TPP) seitens der Verei- nigten Staaten schafft ein Vakuum, von dem vor allem China profitiert. Das Land nutzt die aktuelle Situation, sein Einfluss wird immer größer. Für fast alle Länder der ASEAN-Region ist China der wichtigste Handelspartner . Eine andere Partnerschaft, das Regional Compre- hensive Economic Partnership (RCEP), rückt so in den Vordergrund . Auch im Hinblick auf den Streit um Inseln im Südchinesischen Meer droht eine Eskalation mit Rüs- tungswettlauf und Veränderung des Status quo . Infolge dieser Ereignisse fürchtet die Mehrheit der asiatischen Länder ein zunehmendes strategisches Ungleichgewicht in der Region . Die Europäische Union muss sich ihrer Rolle bewusst sein . Sie muss sich mit den zur Verfügung stehenden Mit- teln dafür einsetzen, in der Region weiterhin präsent zu bleiben . Die Stabilität muss sichergestellt werden – wir können die Länder nicht in Unsicherheit lassen . Wir müs- sen sie unterstützen, damit sie sich selbst helfen können . Deutschland geht mit den Dreieckskooperationen mit einem guten Beispiel voran . Wir übernehmen mehr Ver- antwortung in der Welt . Aber wir müssen auch die ande- ren Mitgliedstaaten der EU einbeziehen . Die Europäische Union braucht eine gemeinsame Vi- sion, wir müssen uns neu aufstellen . Auf neue Herausfor- derungen müssen wir neue Antworten geben . Unsere gemeinsame Außenpolitik muss unter den Mitgliedsländern der EU abgestimmt werden . Wir dür- fen nicht so lange warten, bis in dem Vakuum, das die Vereinigten Staaten mit ihrer Außenpolitik in der Region hinterlassen, kein Platz mehr für Europa, für Deutschland bleibt . Wenn wir uns jetzt zurückziehen und die schwä- cheren Länder der Region nicht unterstützen, werden wir später nicht mehr die Möglichkeit haben, dies nachzu- holen . Die Entwicklung der Region muss vorangetrieben werden . Die strategische Partnerschaft mit den Ländern muss gewährleistet werden . Um nachhaltige Ergebnisse zu erreichen, lehrt diese Konstellation die Länder, eigene Verantwortung zu über- nehmen und ihr Schicksaal selber in die Hand zu nehmen . Deutschland leistet eine hervorragende Arbeit; die muss zukünftig unterstützt werden . Stefan Rebmann (SPD): Im vergangenen Jahr wur- de die Wirtschaftsgemeinschaft ASEAN Economic Com- munity (AEC) gegründet . Rund 630 Millionen Menschen leben in den Mitgliedstaaten der Association of South- East Asian Nations (ASEAN) . Mit rund 2,3 Billionen US-Dollar an erwirtschaftetem Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Jahr reichen die ASEAN-Mitgliedstaaten fast an die Wirtschaftsleistung Großbritanniens, der sechst- größten Volkswirtschaft der Welt, heran . Prognosen ge- hen davon aus, dass sich das Wirtschaftswachstum der ASEAN bis 2030 auf 10 Billionen US-Dollar vergrößert . Aber nicht nur das beeindruckende Wirtschaftswachs- tum macht die ASEAN zu einer wichtigen Partnerin im asiatischen Raum . Als Staatenbündnis hat sie sich den Menschenrechten sowie den Grundsätzen von Demo- kratie und Rechtsstaatlichkeit verschrieben (ASEAN Charta 2007) . Auch wenn sich die Integrationsprozesse sehr unterscheiden, wird die ASEAN oft mit der Europä- ischen Union verglichen . Unter ihrem Dach haben sich Staaten unterschiedli- cher Kulturen, Religionen und Sprachen, unterschiedli- cher Regierungsformen und unterschiedlicher Entwick- lungen zusammengeschlossen . Während beispielsweise Singapur im Index der menschlichen Entwicklung (HDI) auf Platz 11 liegt, liegt Kambodscha auf Platz 143 von 188 . Oder einfacher gesagt: Während Singapur boomt, leben beispielsweise in Laos immer noch 23,3 Prozent der Bevölkerung unterhalb der nationalen Armutsgrenze . Die ASEAN-Mitgliedstaaten haben ein großes Interesse, dieses Development Gap zu schließen, und sind daher an deutschen Erfahrungen in der Entwicklungszusammen- arbeit interessiert . Vermehrte trilaterale Kooperationen im südostasiatischen Raum können ein Mittel sein, Ent- wicklung zu fördern und die Unterschiede zwischen den Staaten zu verringern . Eine trilaterale Partnerschaft besteht aus einem tradi- tionellen Geberland, einem Schwellenland als weiterem Geberland und einem Entwicklungsland als Nehmerland . Aus dieser Konstellation ergibt sich eine besondere Form des Wissenstransfers, und zwar für alle Beteiligten . Die trilaterale Partnerschaft bricht somit die traditionellen Geber-Nehmer-Strukturen auf und ermöglicht ein ge- meinschaftliches Arbeiten auf Augenhöhe . Das Instru- ment wird in der deutschen Entwicklungszusammenar- beit bereits seit circa 30 Jahren eingesetzt und hat sich bewährt . Deshalb ist es wünschenswert, dass bestehen- de Dreieckskooperationen mit ASEAN-Mitgliedstaaten weiter ausgebaut werden und, wo noch nicht vorhanden, neue Kooperationen aufgebaut werden . Eine besondere Herausforderung, die unter anderem aufgrund der großen wirtschaftlichen Unterschiede zwi- schen den ASEAN-Mitgliedstaaten besteht, sind men- schenunwürdige Arbeitsbedingungen und Menschen- rechtsverletzungen . So werden immer wieder Fälle von Zwangsarbeit auf thailändischen Fischfangkuttern be- kannt . Daher ist bei Maßnahmen der trilateralen Partner- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21025 (A) (C) (B) (D) schaft darauf zu achten, dass Menschenrechts-, Sozial- und Umweltstandards eingehalten und gefördert werden . Durch den Ausbau der trilateralen Partnerschaften im südostasiatischen Raum werden Strukturen im Sinne des UN-Nachhaltigkeitsziels 17 – „global partnerships for sustainable development“ – geschaffen, die eine Ent- wicklungszusammenarbeit auf Augenhöhe fördern und die Nord-Süd- und Süd-Süd-Bindung stärken . Dieser Antrag ist ein erster Schritt dazu . Niema Movassat (DIE LINKE): In der deutschen Entwicklungszusammenarbeit finden trilaterale Partner- schaften bis heute zu wenig Beachtung . Dabei birgt die gezielte Zusammenarbeit zwischen einem etablierten Ge- berland, einem Schwellen- und einem Entwicklungsland großes Potenzial . Länder wie Indien oder China kämpfen bis heute trotz großer Entwicklungsschritte vor allem in ländlichen Regionen immer noch mit mangelnder Basis- infrastruktur . Oft fehlt es großen Teilen der Bevölkerung an Zugang zu Strom, fließendem Wasser und Verkehrs- wegen, aber auch zu Schulen und Krankenhäusern . Wo es im globalen Sünden am Gemeinwohl der ei- genen Bevölkerung interessierte Regierungen gibt, sammelt man die besten Erfahrungen in konkreter Ent- wicklungspolitik . In den Industriestaaten ausgebildete Top-Experten mögen hochqualifizierte Studienabschlüs- se vorweisen – haben aber in der Geschichte der Entwick- lungszusammenarbeit in zahllosen Projekten bewiesen, dass ihre Konzepte den harten Praxistest im Alltag vieler Entwicklungsländer nicht bestehen . Mit Entwicklungs- und Schwellenländern gemeinsam geplante, finanzierte und implementierte Kooperationsprojekte hingegen ha- ben den Vorteil, sich meist bereits in der Realität bewährt zu haben . Deshalb sind sie unter Umständen nicht nur wirkungsvoller als herkömmliche Entwicklungspartner- schaften, sondern tragen auch in besonderem Maße zu mehr „Augenhöhe“ in der Entwicklungspolitik bei, weil sie die eigenen Erfahrungen der Länder des Südens be- sonders berücksichtigen . Es ist deshalb richtig, dass der vorliegende Antrag der Regierungskoalition eine Evaluierung der bisheri- gen Dreieckskooperationen mit deutscher Beteiligung fordert . Es ist ebenso richtig, zu fordern, neue trilate- rale Partnerschaften in strategisch wichtigen Bereichen aufzunehmen, wenn sich dadurch entwicklungspoliti- sche Synergieeffekte erzielen lassen . Insgesamt wirkt der Antrag jedoch seltsam unausgegoren und beliebig zusammengestückelt . Der Abschnitt über Drogenanbau im Grenzgebiet zwischen Thailand, Laos und Myanmar etwa fügt sich nicht in den restlichen Text ein und lässt den Leser ratlos zurück, auch weil sich dieser Aspekt im Forderungsteil nirgends wiederfindet. Die ASEAN-Gruppe besteht heute aus Thailand, In- donesien, Malaysia, den Philippinen, Singapur, Brunei, Vietnam, Myanmar, Laos sowie Kambodscha und um- fasst rund 600 Millionen Einwohner . Ohne Zweifel sind die Unterschiede bei den Lebensbedingungen zwischen etwa Malaysia und Myanmar gewaltig, und das prädesti- niert die Region für trilaterale Partnerschaften . Dennoch stellt sich sehr die Frage, warum der vorliegende Antrag in weiten Teilen ausschließlich auf die ASEAN-Staaten fokussiert . Trilaterale Entwicklungszusammenarbeit kann auch in anderen Weltregionen sinnvoll sein . Besonders großes Potenzial hätte zum Beispiel ein trilaterales Abkommen im Gesundheitsbereich zwischen der Bundesrepublik, Kuba und den von Ebola heimge- suchten Ländern Afrikas . Die Notwendigkeit des Auf- baus kostenloser Basisgesundheitssysteme ist nach ein- helliger Expertenmeinung eine der Hauptlehren aus der Krise . Kein anderes Land weltweit hat größere Erfah- rungen darin, mit sehr bescheidenen finanziellen Mitteln so große gesundheitspolitische Erfolge zu erreichen, wie Kuba . 2015 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Kuba zum ersten Land der Welt, in dem es keine Übertragungen von HI- und Syphilisviren von Müttern auf Kinder mehr gibt . „Der Stopp der Übertragung ei- nes Virus ist einer der größten Schritte im Gesundheits- bereich“, erklärte WHO-Chefin Margaret Chan damals. Die Kindersterblichkeitsrate ist in Kuba niedriger, die Lebenserwartung höher als in den USA – obwohl in den Vereinigten Staaten pro Kopf im Durchschnitt rund 46-mal so hohe Gesundheitskosten entstehen wie auf der Karibikinsel . Kubanische Ärzte helfen bereits heute in aller Welt und sind besonders in Entwicklungsländern sehr erfolgreich . Angesichts der großen gesundheits- politischen Ziele der SDG-Agenda und der veränder- ten politischen Gesamtlage sollte die Bundesregierung dringend auf Kuba zugehen und die Möglichkeiten einer Dreieckskooperation mit Ländern ohne funktionierendes Basisgesundheitssystem eruieren . Kein anderes Land der Welt hat größere Erfahrung als Kuba darin, mit geringen finanziellen Mitteln für möglichst viele Menschen das Grundrecht auf Gesundheit zu realisieren . Es wird Zeit, dieses Potenzial auch anderen Ländern zur Verfügung zu stellen – Deutschland könnte hier eine internationa- le Vorreiterrolle einnehmen, was vorbildliche trilaterale Partnerschaften angeht . Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Wenn ich heute als Vorsitzender der ASEAN-Par- lamentariergruppe in die Debatte eingreifen darf, freut mich das besonders . Denn ich sehe es als meine vor- nehmste Aufgabe an, die traditionell guten Beziehungen zwischen Deutschland und den ASEAN-Staaten weiter zu fördern . Der vorliegende Entschließungsantrag „Tri- laterale Partnerschaften in der ASEAN-Region stärken – Deutsches Know-how nutzen“ dient diesem Ziel. Er fin- det deshalb die volle Unterstützung meiner Fraktion und auch durch mich persönlich . Der Antrag fordert die Bundesregierung auf, insbe- sondere durch trilaterale Partnerschaften das Entwick- lungsgefälle zwischen den weniger und den höher entwi- ckelten ASEAN-Mitgliedstaaten zu verringern . Sie soll dabei auf die guten und vertrauensvollen Beziehungen zu den einzelnen Partnerstaaten aufbauen . Dieses geschieht vor dem Hintergrund sehr enger und vertrauensvoller Beziehungen der Bundesregierung und vor allem der Deutschen Gesellschaft für Internationa- le Zusammenarbeit (GIZ) GmbH zu den Ländern der ASEAN-Region . Aber auch zu anderen Ländern der Re- gion und dortigen Institutionen wie zum Beispiel der Asi- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621026 (A) (C) (B) (D) an Development Bank (ADB) und der Asian Investment Infrastructure Bank (AIIB) bestehen gute Beziehungen . Erst gestern hatten wir einen der Direktoren der AIIB im Finanzausschuss . Er berichtete uns vom Fortschritt bzw . von dem Aufbau dieser noch sehr jungen Entwicklungs- bank . Mit Genugtuung haben wir zur Kenntnis genom- men, dass der Aufbau dieser Bank zu einer unabhängigen und souverän agierenden Förderbank planmäßig voran- schreitet und die chinesische Staatsführung die Unabhän- gigkeit dieser Bank respektiert . Damit ist die Vorausset- zung geschaffen, um mit einem weiteren unabhängigen und an westlichen Standards ausgerichteten Akteur die wichtige Finanzierung von Projekten in der Region zu stützen . Der Antrag fordert, Partnerschaften zwischen den ASEAN-Staaten zu initiieren und zu fördern . Zweifellos eine wichtige Aufgabe . Die Umsetzung muss dabei in die Initiativen und Maßnahmen der ASEAN Economic Com- munity (AEC) eingebettet werden, einer Initiative, die zwar mit viel Elan gestartet war, um einen gemeinsamen Binnenmarkt zu schaffen, aber in der Umsetzung doch noch sehr zögerlich voranschreitet . Eine Zusammenar- beit unter den ASEAN-Staaten kann nur dann erfolgen, wenn sehr pragmatisch gemeinsame Interessen herausge- arbeitet werden können . Das Ziel muss sein, sektorbezo- gen eine intensivere strategische und partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen einzelnen ASEAN-Staaten und Deutschland, aber auch mit Drittländern aus der Re- gion wie Japan, Australien oder auch Taiwan – es würde den Rahmen dieser Debatte sprengen, auf die Stellung Taiwans zwischen den beiden Großmächten USA und China einzugehen – zu organisieren . Es ist kritisch ange- merkt worden, dass Zusammenarbeit im Sinne von „joint programming“ nicht unbedingt die Stärke bisheriger von Deutschland getragener Projekte sei – umso mehr ist der vorliegende Antrag zu unterstützen . In der partnerschaftlichen Zusammenarbeit macht es Sinn, sich zu konzentrieren, Schwerpunkte zu setzen . Ich will hier drei Themen ansprechen, die besondere Auf- merksamkeit verdienen: Erstens . Bezüglich Rechtsstaatlichkeit muss und soll sich Deutschland eindeutig verhalten: Menschenrechts- verletzungen und fehlende Rechtsstaatlichkeit müssen klar benannt werden . Ob bei Menschenrechtsverletzun- gen gegenüber den Rohingha in Myanmar, der fehlenden Rechtsstaatlichkeit der Militärregierung in Thailand, der autoritären Führung durch Hun Sen in Kambodscha, der Korruption bis hin in die Regierungsspitze in Malaysia, der fehlenden Rechtstaatlichkeit des unsäglichen „war against drugs“ des Präsidenten Duterte in den Philippi- nen oder der nicht geregelten Anwendung der Scharia in der Region Aceh in Indonesien – diese Vorgänge müssen in den Gesprächen und in der Öffentlichkeit offen ange- sprochen werden . Dabei muss dies nicht mit der Drohung der Sanktionen verbunden werden, vielmehr muss den Regierenden in den einzelnen Staaten vermittelt werden, dass nur eine stabile, demokratische und von der Person unabhängige rechtsstaatliche Ordnung eine mittel- und langfristige Stabilität versprechen, die eine notwendige Basis für die Zusammenarbeit und am Ende auch für In- vestoren die entscheidende Voraussetzung für eine positi- ve Investitionsentscheidung ist . Die Bundesregierung ist aufgefordert, geeignete Projektangebote zur Förderung von Rechtsstaatlichkeit und Bekämpfung von Korrupti- on weiter zu entwickeln . Diese Angebote müssen sowohl Justiz, Behörden und Verwaltung, aber auch die Zivilge- sellschaft einbinden . Zweitens . Mit der Förderung von Bildung rennen wir mit Sicherheit offene Türen in allen Staaten der ASEAN-Region ein . Hier wird es nach meiner Einschät- zung auf drei Schwerpunkte ankommen: erstens die För- derung einer breiten schulischen Bildung in den am we- nigsten entwickelten Ländern . Das bedeutet schlicht eine Verbesserung der Einkommenssituation der Lehrer – und dazu bedarf es aber stabiler Einnahmen des Staates, also eine umfassende Aufgabe . Zweitens: die Förderung von beruflicher Bildung und da ganz besonders die Übertra- gung des entscheidenden Elementes der deutschen du- alen Ausbildung – daher ja der Name –: der parallelen Ausbildung in Schule und Unternehmen/Verwaltung . Drittens: der Studentenaustausch in der Region, das heißt nicht Förderung der akademischen Ausbildung in den westlichen Hochschulen, sondern Austausch unter- einander – also: indonesischer Student in Bangkok oder vietnamesischer Student in Manila usw . Das europäische ERASMUS-Programm liefert hier ein respektables Vor- bildprojekt . Drittens . Zentrales Entwicklungsthema ist eine ver- lässliche und klimaschonende Energieversorgung . Dabei ist entscheidend, die Nutzung fossiler Energieträger zu begrenzen . Der Öl- und Kohlereichtum der Region hat dazu geführt, dass fossile Energieträger nicht nur heu- te, sondern auch in den Planungen für die Zukunft eine bedeutende Rolle spielen . Weit mehr als 50 Prozent der Primärenergie stammt aus diesen Energieträgern, gera- de bei der Kohle mit einem erschreckenden Wachstum . Vor dem Hintergrund der Prognosen, dass die Erderwär- mung gerade in den ASEAN-Ländern verheerende Aus- wirkungen haben wird – ich erinnere an die schlimmen Folgen des El Niño in Indonesien im letzten Jahr –, ist dies ein fataler Irrweg . In Südostasien wird möglicher- weise das erste Mal ein „Kippmomentum“ eintreten, wie die Klimaforscher das nennen, mit nicht vorhersehbaren Auswirkungen: Für Indonesien wird ein vollkommen verändertes, trockenes Klima vorhergesagt – so wie es 2015 geschehen ist und zu dramatischen Ernteeinbußen geführt hat . Auch wenn man argumentieren kann, dass die Menschen in der Region sich darauf einstellen wer- den (müssen), so wird dies aber mit sehr hohen Kosten verbunden sein . Umso mehr muss es darauf ankommen, die in Paris beschlossenen Maßnahmen zur Reduktion von fossilen Energieträgern gerade auch in der Region der ASEAN-Staaten umzusetzen . Vor dem Hintergrund der weitgehend ungenutzten erneuerbaren Energiequel- len in der Region, sei es Windenergie, Sonnenenergie, Biomasse oder geothermische Energie, sollte ein umfas- sendes Programm „Renewable Energy for ASEAN“ auf- gelegt werden . Dies muss sowohl die Finanzierungsfrage als auch Anlagenbau, Fachausbildung und Infrastruktur umfassen . In vielen und regelmäßigen Gesprächen mit Vertretern aus der Region der ASEAN-Staaten ist deut- lich geworden, dass bei den erneuerbaren Energien hohe Erwartungen an Deutschland gestellt werden . Auch wenn Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21027 (A) (C) (B) (D) wir Grüne die schleppende und unambitionierte Umset- zung der Energiewende in Deutschland aus guten Grün- den kritisieren – wir haben immer noch einen hohen Ver- trauensvorschuss gerade auch der ASEAN-Staaten . Eine deutsche Unterstützung wird deshalb geradezu erwartet . Erfreulicherweise nehmen einzelne Akteure wie die AIIB die von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages vorgetragene Forderung nach Nichtförderung fossiler und nuklearer Energieträger ernst . Dies ist aber nicht bei allen Akteuren der Fall – wie ich als Vorsitzender der ASEAN-Parlamentariergruppe bei Gesprächen in Indo- nesien noch in diesem Oktober erfahren konnte . Hier ist ein Umdenken erforderlich . Eine veränderte Strategie mit einem dezentralen Ausbau der Energieversorgung auf der Basis erneuerbarer Energien würde im Übrigen Chancen für den deutschen Mittelstand eröffnen . Dieser ist aber in der Energiebranche in der Region noch nicht wirklich vertreten . Damit ließe sich noch deutlich stärker „deutsches Know-how nutzen“, wie es der Antrag der Koalition fordert . Hier noch stärker zu fördern, wird eine wichtige Aufgabe auch der deutschen Entwicklungszu- sammenarbeit sein . Ich würde mich freuen, wenn es der Bundesregierung gelingt, mit einer konzertierten Aktion bei den „erneuer- bare Energien für ASEAN“ in der Zusammenarbeit der Staaten und mit den entsprechenden Institutionen we- sentliche Entwicklungsimpulse in den ASEAN-Staaten zu setzten . Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird entsprechende Maßnahmen weiterhin mit voller Kraft und Überzeugung unterstützen . Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Wissenschaftskooperation mit Partnern in Subsahara-Afrika stärken (Tages- ordnungspunkt 23) Dr. Thomas Feist (CDU/CSU): Wenn heute im allgemeinen Sprachgebrauch von Europa die Rede ist, hat dies unter anderem damit zu tun, dass wir trotz al- ler Unterschiede und obwohl wir teilweise nicht in allen Belangen mit einer Stimme sprechen, in wirtschaftli- chen, politischen, rechtlichen und zunehmend auch ge- sellschaftlich-sozialen Bereichen die Einheit in Vielfalt leben . Die sprichwörtliche Vielfalt und die nationalen Eigenheiten sind dabei ein konstitutives Kontinuum un- seres Erfolges . Kommt die Rede hingegen auf Afrika, entsteht ge- danklich jedoch leider oft ein monolithischer Block, in dem nationale, regionale und auch kulturelle Besonder- heiten unterzugehen drohen . Dass wir im heute debattier- ten Antrag dagegen von „Partnern in Subsahara-Afrika“ sprechen, zeigt, dass wir uns beim Ausbau der Wissen- schaftskooperationen dieser Unterschiede durchaus be- wusst sind und individuelle Ansätze je nach den im je- weiligen Land vorzufindenden Bedingungen anwenden. Allein die Vielzahl der Ressorts, Akteure und Mittler- organisationen, die in die Umsetzung von Afrika-zent- rierten Strategien eingebunden sind, zeugt von unserem multidimensionalen und Multi-Ebenen-Ansatz . Hier gilt es, zukünftig die Aktivitäten von BMBF, BMZ, AA und BMEL sowie weiterer Ministerien auf der einen und die Programme und Projekte der Mittlerorganisationen wie dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, der Alexander-von-Humboldt-Stiftung, der Deutschen For- schungsgemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft, der Leibniz-Gemeinschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft noch stärker aufeinander und auf die Voraussetzungen vor Ort abzustimmen . Mit besonderem Nachdruck möchte ich einen Passus betonen, der für unsere gesamte auswärtige Bildungspo- litik gelten sollte: „Es geht dabei nicht um einen Nord- Süd-Transfer von wissenschaftlicher Erkenntnis, sondern darum, einen guten Rahmen für das gemeinsame Erar- beiten von Lösungen zu finden.“ Erfolgreiche Koopera- tionen, ob sie nun in der Wissenschaft, in der Wirtschaft oder auf gesellschafts- und entwicklungspolitischer Ebene stattfinden, müssen sich immer an der Realität orientieren . Diese von Deutschland und von Europa aus an Annahmen entlang zu entwerfen, ist ein Ansatz, den wir vor dem Ziel einer guten partnerschaftlichen Koope- ration nicht mehr leisten können, aber auch nicht mehr leisten wollen . Die Beispiele der erfolgreichen Fachzentren Afrika, die Kooperationen zwischen deutschen und Hochschulen unter anderem in Südafrika, Ghana, Namibia, Tansania und Kongo fördern, zeigen, dass Bereiche wie Mikro- finanzen, Ressourcenmanagement, Bildungsforschung und weitere aus den jeweiligen Gegebenheiten vor Ort anders gedacht werden müssen, ohne dabei überkomme- nen europäischen Entwicklungspfaden zu folgen . Von besonderer Bedeutung auch für die Nachhaltig- keit der entstandenen Kooperationen ist zudem der Trans- fer wissenschaftlicher Ergebnisse in die Praxis, also der Aufbau funktionierender Cluster aus Hochschulen, Wirt- schaft und gesellschaftlichen Akteuren . Auf Grundlage der Ergebnisse der afrikazentrierten Bildungsforschung kann beispielsweise mit wesentlich höherer Wahrschein- lichkeit entlang der Bedarfe der Bevölkerung und der Wirtschaft vor Ort an selbsttragenden Systemen guter beruflicher Bildung gebaut werden, als dies nur auf Basis europäischer Forschungsergebnisse möglich wäre . Ich begrüße es ausdrücklich, dass bereits 2013 eine Absichtserklärung zwischen BMBF und dem südafri- kanischen Ministerium für Hochschulwesen und Aus- bildung (DHET) zur Kooperation in der Berufsbildung unterzeichnet wurde, deren Ziel es unter anderem ist, die Ausbildung dort praxisnäher zu gestalten und in den kommenden Jahren mit dem South African Institute for Vocational and Continuing Education and Training (SAIVCET) ein Berufsbildungsinstitut aufzubauen . In diesem Rahmen ist es unumgänglich, mit allen na- tionalen und regionalen Partnern südlich der Sahara die Voraussetzungen für allgemeine, berufliche und hoch- schulische Bildung zu verbessern, um der wachsenden jungen Bevölkerungsschicht die Möglichkeit zu eröff- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621028 (A) (C) (B) (D) nen, die oft beschworenen Potenziale des Kontinents der Chancen auch wahrzunehmen . Letztlich können auch wir in Europa, in unserer ge- meinsamen Vielfalt aus den wissenschaftlichen Erkennt- nissen in und aus Afrika lernen – angefangen bei einer sinnvollen und nachhaltigen Ressourcennutzung bis hin zum gesellschaftlichen und politischen Umgang mit Transformationsprozessen . Dr. Claudia Lücking-Michel (CDU/CSU): Es wird oft gesagt, dass wir als Europäer und Deutsche ein sehr einseitiges Bild von Afrika pflegen. Erst einmal täuscht natürlich dieser Begriff „Afrika“, der eine solche Viel- zahl an Sprachen, Religionen und Kulturen dieses großen Kontinents in eins fasst, über die vielfältige Wirklichkeit hinweg . Und dann überwiegen doch in unserer Wahr- nehmung die Krisenmeldungen, die uns von dort errei- chen . Oft zitiert wird Henning Mankell: „Wenn wir uns am Bild der Massenmedien orientieren, lernen wir heute alles darüber, wie Afrikaner sterben, aber nichts darüber, wie sie leben .“ Das stimmt . Ich meine, wir sollten uns die Mühe machen, auch aus einer anderen Perspektive auf diesen Kontinent zu blicken . Ich will einige Versuche dazu machen, ein anderes Bild von Afrika zu zeigen . Erstens . Als Bildungspolitikerin sehe ich es natürlich so: Das größte Potenzial, das Afrika zu bieten hat, ist seine junge Generation . Schon heute ist die Hälfte der afrikanischen Bevölkerung jünger als 18 Jahre, und bis zum Jahr 2050 wird sich die Bevölkerung verdoppeln auf dann über 2 Milliarden Menschen . Sie alle brauchen eine gute Bildung als Voraussetzung, um dieses Potenzi- al auch zu entfalten . Das Hochschul- und Wissenschafts- system spielt dabei eine entscheidende Rolle: für Leh- rerbildung und damit für qualitätsvolle Schulbildung, für Hochschullehrernachwuchs und damit relevante Studien- angebote, die arbeitsmarktorientiert ausbilden und For- schungsleistungen ermöglichen, die neue Lösungen für die wirtschaftliche, aber auch die gesellschaftliche Ent- wicklung bringen . Außerdem bieten Hochschulen auch wissensbasierte Beratung für Politik und Verwaltung an . Zweitens . Als Forschungspolitikerin bin ich beein- druckt von Innovationen, die in Afrika erdacht wurden: zum Beispiel die Erfindung aus Kenia, „m-Pesa“, was auf Suaheli „mobiles Geld“ bedeutet . Per SMS können afrikanische Mobilfunkkunden – und ein Handy besit- zen die allermeisten Menschen dort – Geld überweisen, auch wenn sie kein Bankkonto besitzen . Das war die Ursprungsidee . Über die letzten Jahre wurde dies immer praktischer: Man kann im Supermarkt per Handy be- zahlen, seine Stromrechnung begleichen, sogar günstige Kleinkredite bei Banken anfragen . Oder eine Idee, die zurzeit in Ruanda erprobt wird: Um Medikamente und Blutkonserven trotz mangelnder Infrastrukturen dorthin zu bringen, wo sie gebraucht werden, verschickt man sie hier mit Drohnen . Da finden technologische Sprünge statt, in denen Zwi- schentechnologien, wie wir sie nutzen, einfach ausgelas- sen werden . Darüber sollten wir auch einmal reden, wenn wir von Afrika sprechen! Es zeigt ein anderes Bild von Afrika! Ich bin überzeugt, dass wir die Herausforderungen der Zukunft nur gemeinsam als Partner lösen können: aus dem globalen Norden und Süden, mit den jeweiligen He- rangehensweisen und Ideen . Spitzenforschung lebt vom Austausch der Ideen, von verschiedenen Blickwinkeln . Wissenschaft bietet sich hervorragend dazu an, gemein- same Lösungen zu finden für die großen globalen He- rausforderungen . Ob es um Folgen des Klimawandels oder die Behandlung global bedrohlicher Krankheiten geht – wir benötigen gemeinsam erarbeiteten Erkenntnis- gewinn . So hilft Wissenschaft, etwas zu tun, das von der Politik oft gefordert wird: nämlich, die Globalisierung aktiv und positiv zu gestalten . Darum fördert die Bun- desregierung internationale Kooperationen in Forschung und Wissenschaft . In unserem Antrag heute nehmen wir Subsahara-Af- rika in den Blick, eine Region, die uns nicht unbedingt einfällt, wenn wir an Spitzenforschung oder erstklassige Hochschulausbildung denken . Gemeint sind alle afrika- nischen Staaten außer den fünf arabisch geprägten Län- dern am Mittelmeer . Und es stimmt schon: Die Hoch- schulen dort, die Bildungs- und Wissenschaftssysteme sind an vielen Stellen dringend ausbaubedürftig . Ein Beispiel, wo wir bereits unterstützen: Mit 1 000 Stipen- dien fördern wir die qualitätsvolle Ausbildung von Hoch- schullehrern . Künftig wollen wir die Lehrqualität auch steigern, indem wir afrikanische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in aller Welt arbeiten, als soge- nannte „flying faculties“ für kurzzeitige Lehraufträge an Hochschulen in ihren Heimatländern gewinnen . Es gibt aber auch jetzt schon eine Reihe von erfolg- reichen Kooperationen deutscher Institutionen mit Part- nern aus Subsahara, auch in der Forschung . Zum Beispiel die Klimakompetenzzentren in West- und dem südlichen Afrika . Dort wird erforscht, wie die Landnutzung den Folgen des Klimawandels so angepasst werden kann, dass es trotz zunehmender Dürren noch Ernten geben kann und Artenvielfalt möglichst erhalten wird . Das Besondere ist, dass die Erkenntnisse der Wissenschaft gleich an die ansässigen Bauern und lokalen Verwaltun- gen so weitergegeben werden, dass sie sie nutzen kön- nen . Da entsteht Expertise bei afrikanischen Forschern, die von der lokalen Gesellschaft gleich angewandt wird . Und zum Schluss ein kühner Blick in die Zukunft: Stellen Sie sich vor, der nächste Einstein käme zum Bei- spiel aus dem Senegal . Es gibt schon eine Initiative, die mathematische Forschung in Subsahara-Afrika stärken will . Wir fördern den Aufbau neuer Lehrstühle, und viel- leicht studiert oder forscht der nächste Einstein bereits dort . Wir halten dieses Ziel für durchaus realistisch . Das eröffnet doch ein ganz anderes Bild von Afrika! Dr. Daniela De Ridder (SPD): Mit dem heute vorlie- genden Antrag zur Stärkung der Wissenschaftskoopera- tionen in Subsahara-Afrika bringen wir eine außen- und bildungspolitische Initiative voran und leisten einen ele- mentaren Beitrag zur Bekämpfung von Fluchtursachen . Wie unser Außenminister Dr . Frank-Walter Steinmeier stets betont, ist die Welt auf immer deutlichere und spür- bare Weise aus den Fugen geraten . Wer Krisen bewäl- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21029 (A) (C) (B) (D) tigen, Konflikte lösen und Frieden herstellen oder bei- behalten will, muss auf einen Soft-Power-Ansatz bauen . Internationale Solidarität und Zusammenarbeit, die durch militärische Bedrohungen, ökonomische Zwänge verhin- dert werden, lassen sich – so hat es der Politikwissen- schaftler Joseph Nye immer wieder betont – eben doch nur durch kulturelle und bildungspolitische Zusammen- arbeit herstellen oder erhalten . Dann bedarf es politischer Werte und einer intelligenten auswärtigen Politik, wie sie das Auswärtige Amt, AA, – allen Horrorszenarien zum Trotz – aktuell mit Bravour betreibt . Da steht es der Großen Koalition gut zu Gesicht, sich im Interesse der Friedenssicherung in den unterschiedli- chen Politikfeldern stärker zu vernetzen . Wissenschafts-, Bildungs- und Hochschulpolitik müssen in Anbetracht der weltweiten Verantwortung immer auch Wirtschafts-, Entwicklungs- und Außenpolitik in den Blick nehmen . Unser ressortübergreifender Antrag wird genau dieses Anliegen stärken . Mit diesem weit über die Bildungspo- litik hinausreichenden Bestreben wollen wir gerade die armen Länder stärken und ihnen durch Bildungs-, For- schungs- und Hochschulpolitik neue Chancen eröffnen . Das Auswärtige Amt, das Bundesministerium für Bil- dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, BMBF, und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusam- menarbeit und Entwicklung, BMZ, sowie die weiteren Ressorts stehen zu ihrer Verantwortung . Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass wir für eine verantwortungs- volle Außen- und Entwicklungspolitik mehr tun müssen, als ausschließlich auf Sicherheitskooperationen zu set- zen . Daher haben wir uns in der Großen Koalition ver- tiefend der Frage gewidmet, was wir für eine effektive Stabilisierung von Ländern und Regionen in Afrika tun können . Dieser Antrag macht unsere zukunftsweisenden Ant- worten deutlich: Eine nachhaltige und zugleich globale Strategie für die Schaffung von Versorgungssicherheit, ein funktionierendes Sozialsystem, eine starke Wirt- schaft und demokratische Strukturen müssen auf Bildung fußen . Reiche Länder wie Deutschland müssen ein Fun- dament schaffen und damit die Hilfe zur Selbsthilfe in den Ländern des Südens stärken . Daher setzen wir neben dem Austausch von Nachwuchskräften in Bildung, Wis- senschaft und Wirtschaft vor allem auf den institutionel- len Aufbau von internationalen Bildungsstrukturen . Der Deutsche Akademische Austauschdienst, DAAD, die Alexander-von-Humboldt-Stiftung, AvH, sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft, DFG, sind wichtige Mittler- und Partnerorganisationen für eine grenzüber- schreitende Bildungs- und Wissenschaftspolitik . Sie un- terstützen bereits seit längerem den Austausch von Wis- senschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die Stärkung von Forschung und Entwicklungsvorhaben sowie den Aufbau von Strukturen . Ihr Beitrag ist besonders wert- voll . Lassen Sie mich betonen, dass wir eine starke und ressortübergreifende Strategie für die Stärkung des Aus- tausches der zukünftigen Generationen durch den Auf- bau von transnationalen Bildungskooperationen auf den Weg gebracht haben . Dies wollen wir nun maßgeblich erweitern . Die Vereinten Nationen verfolgen mit der Umsetzung der Sustainable Development Goals, SDGs, einen ganz- heitlichen Ansatz für eine stabile und friedenspolitisch höchst wertvolle Zukunft auf unserem Planeten . Bildung nimmt dabei die zentrale Rolle ein, da nur sie zur Au- tonomie und Prosperität und damit zum Empowerment befähigen und es konsolidieren kann . Daher müssen zwei Aspekte besonders berücksichtigt werden: Erstens gilt es, die Abwanderung qualifizierten Perso- nals aus den Staaten der Subsahara zu vermeiden . Ein „Braindrain“ muss unbedingt vermieden werden . Daher gilt es, auf die richtigen Anreize für einen Verbleib von qualifizierten Fachkräften sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zum Aufbau lokaler Strukturen zu setzen . Fachkräfte müssen in den Ländern Subsaharas qualifiziert und mit Arbeitsplätzen in ihren Heimatlän- dern versorgt werden . Zweitens müssen sich transnationale Bildungskoope- rationen an den konkreten Bedarfen der heimischen Ge- sellschaften orientieren . Im hochschulischen Bereich ist es daher existenziell, dass das Augenmerk auf das Modell der angewandten Forschung und Lehre gelegt werden muss, wie es etwa unsere Fachhochschulen und Hochschulen für angewandte Wissenschaften auch in Kooperation mit den Ländern Afrikas anbieten können . Wenn es uns gelingt, neben den Institutionen und den Chancen zum Austausch die nötigen Rahmenbedin- gungen für eine nachhaltige Entwicklung zu etablieren, können wir eine stabile, friedliche und sozial gerechte Zukunft auch international verwirklichen . Für die Grund- lage einer auf Bildung und Wissenschaft aufbauenden Entwicklungspartnerschaft wollen wir daher ganz kon- krete Anliegen umsetzen . So heißt die primäre Devise: Erstens bestehende Stipendienprogramme weiterfüh- ren und ausbauen . Wir fördern bereits mit 1 000 zusätz- lichen Stipendien für angehende Hochschullehrerinnen und -lehrer die hochschulischen Bildungsstrukturen und schaffen mit den Programmen von DAAD und AvH die Chancen zum personellen Austausch . Mit unserem An- trag leiten wir den Ausbau und die Erweiterung der Pro- gramme ein . Zweitens wollen wir institutionelle Förderung nicht nur über die hervorragende Arbeit der Grünen Innova- tions- sowie Fachzentren in Afrika weiter voranbringen, sondern darüber hinaus eine Hochschule für angewand- te Wissenschaften in Kenia nach dem Beispiel der Ger- man-Jordanian-University etablieren . In diesem Sinne gilt es, akademische Bildung entlang der Bedarfe der Gesellschaft im Subsahara-Raum zu kreieren . Drittens bekennen wir uns zur Stärkung und Ent- wicklung von Partner- und Forschungsnetzwerken in Subsahara-Afrika und setzen auf einen transnationa- len Ansatz . Hierbei gilt es, verstärkt die Mittlerorgani- sationen wie DFG, Max-Planck-Gesellschaft, MPG, Helmholtz-Gemeinschaft, HGF, Leibniz-Gemeinschaft, Fraunhofer-Gesellschaft, FhG, sowie DAAD und AvH Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621030 (A) (C) (B) (D) mit einzubeziehen und eine kohärente ressortübergrei- fende Politik abzustimmen . Mit dem vorliegenden Antrag nehmen wir unsere Verantwortung wahr, eine Entwicklungspartnerschaft auf Augenhöhe weiterzuentwickeln und zu stärken . Wir kommen damit unserer globalen Verantwortung nach, einen nachhaltigen Beitrag für die Bekämpfung von Fluchtursachen zu leisten, auch wenn der vor uns liegen- de Weg noch sehr steinig sein mag . Ich bin guten Mutes, dass wir auch in Zeiten schwe- lender Krisen und unmenschlicher Kriege unserer Ver- antwortung gerecht werden können . Daher möchte ich mich bei allen beteiligten Kolleginnen und Kollegen und insbesondere bei der Kollegin Dr . Claudia Lücking- Michel sowie bei meinem Kollegen Dr . Karamba Diaby herzlich für die geleistete Arbeit bedanken und wünsche Ihnen eine friedvolle Weihnachtszeit, damit wir im kom- menden Jahr unsere wichtigen Aufgaben mit Bravour meistern können . Nicole Gohlke (DIE LINKE): Die Koalition hat hier einen ausführlichen Antrag zur Wissenschaftskooperati- on mit Partnern in Subsahara-Afrika vorgelegt, der lei- der einer ernsthaften Beschäftigung mit den Problemen dieser ärmsten Region der Welt überhaupt nicht gerecht wird: Im dritten Satz Ihres Antrages schreiben Sie: „Leis- tungsfähige Hochschulsysteme sind wesentliche Grund- lage für die Generierung von Wissen und Innovation .“ Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD, mit solchen Feststellungen zeigen Sie entweder Ignoranz gegenüber den grundlegenden Problemen in Südsaha- ra-Afrika oder völlige Unkenntnis . Die Realität ist, dass in Afrika südlich der Sahara die Zahl der Kinder ohne Grundschulzugang teilweise wie- der stark ansteigt . Die Alphabetisierungsrate in der De- mokratischen Republik Kongo liegt beispielsweise bei gerade einmal zwei Drittel und ist über die letzten Jahr- zehnte rückläufig. Infolge des Krieges ging der Anteil der kongolesischen Kinder, die eine Schule besuchen, von rund 70 Prozent auf nunmehr etwa 40 Prozent zurück . Die meisten Schulen erhalten keine staatliche Unterstüt- zung, sondern die Eltern müssen die Lehrer und Lehre- rinnen direkt bezahlen, was viele nicht können . Auf eine schriftliche Frage des Kollegen Movassat musste die Bundesregierung 2014 erklären, dass nur 2,25 Prozent der Gelder für die bilaterale Entwicklungs- zusammenarbeit in Grundbildung gehen . Das ist viel zu wenig . Auch die 7 Millionen Euro jährlich an die Globale Bildungspartnerschaft GPE sind viel zu wenig . Die Lin- ke forderte für den Haushalt 2017 einen Aufwuchs auf mindestens 40 Millionen Euro . Selbstverständlich unterstützt die Linke internationale Wissenschafts- und Forschungskooperation, insbesonde- re auch zu Fragen des Klimawandels und seinen Folgen in den verschiedenen Regionen . Aber die Bundesregie- rung hat wirklich kein Recht dazu, sich als Förderin von Bildung und Entwicklung in den ärmsten Ländern der Welt darzustellen . Mit Elite-Stipendienprogrammen, Ex- zellenzzentren und Leuchtturmprojekten leisten Sie eben keinen Beitrag dafür, das Bildungsniveau für die breite Mehrheit zu heben oder die Massenarbeitslosigkeit und die furchtbare Armut in der Region zu bekämpfen . Und natürlich ist auch an dieser Stelle die Verantwor- tung Deutschlands für die Kriege und Konflikte in der Region zu betonen: Als drittgrößter Waffenexporteur der Welt tragen Sie einen großen Teil der Verantwortung da- für, wenn die von deutschen Unternehmen produzierten Waffen im südlichen Afrika eingesetzt werden . Südaf- rika, einer der größten Abnehmer deutscher Waffen, ist nach Beendigung der Apartheid zum Dreh- und Angel- punkt des Waffenhandels avanciert . Wie gesagt, die Linke unterstützt selbstverständlich internationale Wissenschafts- und Forschungszusam- menarbeit . Aber den Problemen in Subsahara-Afrika werden Sie mit diesem Vorgehen in keinster Weise ge- recht . Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es keimt Hoffnung auf dem afrikanischen Kontinent . In vielen Ländern wächst die Wirtschaft – allerdings aus- gehend von einem niedrigen Niveau . Deshalb hat Afrika noch einen langen Weg vor sich, um zu anderen Regio- nen der Welt aufzuschließen . Die Risiken sind nach wie vor groß: Einzelnen Ländern und Regionen mangelt es an politischer Stabilität und Good Governance, rechts- staatlichen und demokratischen Strukturen sowie der tatsächlichen Sicherung von Grund- und Freiheitsrechten aller Menschen . Konflikte sind eine der Hauptbedrohungen für das Wirtschaftswachstum Afrikas . Afrika hat viele kluge Köpfe und Talente, immenses kulturelles und kreatives Potenzial. Zugleich fehlen aber qualifizierte Fachkräf- te, mit denen der wirtschaftliche Erfolg verstetigt und gesteigert werden kann . Deutschland muss aus meiner Sicht alles dafür tun, dass aus Hoffnung eine robuste Ent- wicklung zum Wohle aller Menschen auf dem afrikani- schen Kontinent wird . Deutschland muss ein verlässlicher Partner afrikani- scher Länder sein . Diese Absicht sehe ich auch bei der Bundesregierung und auch in dem Antrag „Wissen- schaftskooperation mit Partnern in Subsahara-Afrika stärken“ der Fraktionen von Union und SPD, den wir hier heute in erster Lesung diskutieren . Der Antrag ist stark in der gebündelten Leistungsschau bestehender Koope- rationen . Er fällt deutlich ab, wenn es um Ideen für die künftige Entwicklung nachhaltiger wissenschaftlicher Zusammenarbeit geht . Es hätte gutgetan, den Antrag mit der Expertise aller Bundestagsfraktionen zu erarbeiten . Diese Chance haben Union und SPD verpasst . Wissenschaft, Forschung und Innovation können wichtige Beiträge zur nachhaltigen, gesellschaftlichen, ökologischen und ökonomischen Entwicklung leisten . Aber es muss auch die Basis stimmen – also die Grund- bildung . Erfreulich ist, dass es neben Wirtschaftswachstum auch teilweise entwicklungspolitische Fortschritte im Sinne der Millennium Development Goals gibt . Acht von zehn Kindern aus Ländern Subsahara-Afrikas besuchten Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21031 (A) (C) (B) (D) 2015 eine Grundschule . 2000 waren es nur 60 Prozent . Das zeigt, dass das Entwicklungsziel 100 Prozent noch nicht erreicht ist und weitere Anstrengungen notwendig sind . Zugleich sagt die Beschulungsquote wenig aus über die Bildungsqualität . Das Bekenntnis zu Alphabetisie- rung, Bildung und Qualifizierung als Grundlage gesell- schaftlichen Erfolgs und wissenschaftlichen Fortschritts fehlt dem Antrag der Koalition leider . Durch den vermehrten Schulbesuch wächst die Zahl der Schülerinnen und Schüler in Ländern südlich der Sahara, die die Schule abschließen, exponentiell . Die Wirtschaft der Länder hat wachsenden Bedarf an Fach- kräften . Beides zieht neue Anforderungen und Heraus- forderungen für die afrikanische Hochschullandschaft und des Ausbildungssystems nach sich . Dafür sind aber nur wenige Staaten der Region gerüstet, zumal die Hoch- schulen in vielen Subsahara-Staaten geprägt sind von jahrzehntelanger Unterfinanzierung, maroder Infrastruk- tur, fehlendem wissenschaftlichen Nachwuchs oder auch der Zerstörung durch kriegerische Auseinandersetzun- gen . Allein schon, um die grundsätzlichen Voraussetzun- gen für Studieren, Lehren und Forschen zu schaffen, ist deutsche Unterstützung gefragt . Deutsche Investitionen in leistungsfähigere Hoch- schulen vor Ort sind sinnvoll, sofern politische Stabilität gegeben ist und ein Land nicht in bürgerkriegsähnliche Zustände abzusinken droht. Wissen schafft Konfliktprä- vention, Frieden, Freiheit und Sicherheit . Es fällt auf, dass sich das deutsche Engagement für engere Wissenschaftskooperation auf dem afrikanischen Kontinent auf einzelne Länder fokussiert, und – umge- kehrt – um einzelne andere einen Bogen macht . Sich „blinden Flecken“ zuzuwenden, halte ich für wichtig, um gleichwertige Lebensverhältnisse anzupeilen und herzu- stellen . Die Chancen, die sich aus Hochschulbildung und For- schung ergeben, werden von afrikanischer Seite wieder stärker hervorgehoben . Auch von deutscher Seite ist das Interesse an Kooperation traditionell hoch und weiter ge- wachsen . Schon jetzt bestehen laut Hochschulrektoren- konferenz über 400 offizielle Partnerschaften zwischen deutschen und afrikanischen Hochschulen . Über diese Partnerschaften sollte es gelingen, mehr Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Ländern Subsahara-Afrikas für einen zeitweisen Aufenthalt in Deutschland zu gewinnen – im Sinne einer Brain Cir- culation bzw . zirkulären Migration statt Braindrain und Abwerbung . Natürlich müssen die deutschen Hochschulen besser auf die afrikanischen Studierenden vorbereitet sein, da- mit studieren und echter Austausch gelingt . Wichtig ist mir aber auch, dass wir mehr Deutsche ermuntern, in Afrika zu forschen, zu lehren oder zu studieren . Konkre- te Ziele oder zukunftsgerechte Meilensteine vermisse ich dazu im Antrag der Regierungsfraktionen . Das Interesse an Wissenschaftskooperation ist groß, sowohl in Deutschland als auch in den Ländern südlich der Sahara . Darauf gilt es aufzubauen . Hinzu kommt, dass Deutschland ein angesehener Partner ist, weil es sich bemüht, so zu kooperieren, dass für alle Seiten Win-win-Situationen entstehen . Wissenschaftsfreiheit, kreatives neugiergetriebenes Forschen, herausragende Lehre sowie wissenschaftliche Lösungen für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen sind von beidseiti- gem elementaren Interesse . Diese günstige Konstellation sollten wir gemeinsam nutzen . Anlage 22 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: – des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung der Spitzenorganisationen in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie zur Stärkung der über sie geführten Aufsicht (GKV-Selbstver- waltungsstärkungsgesetz) – des Antrags der Abgeordneten Harald Weinberg, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Patientenvertre- tung in der Gesundheitsversorgung stärken (Tagesordnungspunkt 24 a und b) Reiner Meier (CDU/CSU): Schon im 19 . Jahrhundert hat die katholische Soziallehre den Grundsatz der Sub- sidiarität formuliert . Kerngedanke ist, dass die jeweils sachnähere Ebene alle Entscheidungen treffen sollte, die nicht unbedingt von einer höheren Ebene getroffen wer- den müssen . Das ist eine gute Maxime für die Aufteilung von Kompetenzen im Staatsaufbau und sorgt für praxis- nahe Entscheidungen . Nach diesem Prinzip der Subsidiarität funktioniert auch die Selbstverwaltung in Deutschland, die sich bei den Kommunen, an den Hochschulen und auch im Ge- sundheitswesen seit vielen Jahren bewährt hat . Klar ist, dass die Strukturen der Selbstverwaltung mit ihren wachsenden Aufgaben und ihrer Verantwortung gegenüber ihren Mitgliedern Schritt halten müssen . Dies gilt umso mehr, als ihr im Gesundheitswesen die Verwal- tung von Beitragsmitteln in erheblichem Umfang anver- traut ist . Wir haben das Gesetz deshalb das „Selbstverwal- tungsstärkungsgesetz“ getauft; denn das zeigt ganz ein- deutig die Richtung: Es geht primär darum, die Strukturen innerhalb der Selbstverwaltung im Sinne einer Good Governance zu optimieren und weiterzuentwickeln . Dazu stärken wir die Transparenz im Verwaltungshandeln und bauen die Informations- und Kontrollrechte der Vertreterversamm- lungen gegenüber den Vorständen deutlich aus . Etwaige Fehlentwicklungen können so frühzeitig erkannt, abgestellt und künftig vermieden werden . Im äußersten Falle erhalten die Vertreterversammlungen beziehungsweise die Verwaltungsräte das ausdrückliche Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621032 (A) (C) (B) (D) Recht, den Vorstand mithilfe eines konstruktiven Miss- trauensvotums abzuberufen . All dies sind wohlgemerkt interne Vorgänge der je- weiligen Selbstverwaltungskörperschaft . Das zeigt: Wir betonen mit diesem Gesetz das Prinzip der Eigenverant- wortung und der Selbstkontrolle . Ergänzend zur Selbstkontrolle werden wir aber auch die Befugnisse des Bundesministeriums für Gesundheit im Rahmen der Rechtsaufsicht weiterentwickeln . Hier haben wir uns aus guten Gründen gegen eine Fachauf- sicht ausgesprochen . Bei einer Fachaufsicht könnte letzt- lich in jede Einzelentscheidung hineinregiert werden . Das halte ich für unvereinbar mit dem Grundgedanken der Selbstverwaltung . Die Rechtsaufsicht bleibt deshalb der richtige Maßstab . Dabei muss jedoch eines ganz unmissverständlich klar sein: Verstöße gegen geltendes Recht werden auch im Rahmen der Rechtsaufsicht ge- ahndet . Die Selbstverwaltung ist Teil der mittelbaren Staatsverwaltung und damit gemäß Artikel 1 Absatz 3 des Grundgesetzes ausdrücklich an Recht und Gesetz gebunden! Ich will nicht verhehlen, dass ich vor diesem Hinter- grund manche Verhaltensweisen der vergangenen Jahre – sowohl aufseiten der Kostenträger wie auch aufseiten der Leistungserbringer – mit größtem Befremden zur Kennt- nis genommen habe . Wenn wir heute die parlamentarischen Beratungen des Selbstverwaltungsstärkungsgesetzes beginnen, dann tun wir das in dem Bewusstsein, dass die Selbstverwaltung als Institution ganz gewiss schon bessere Tage erlebt hat . Wir sollten uns aber auch den Wert eines Systems vor Augen halten, das über die Jahre immer wieder dazu bei- getragen hat, Sachverstand und Eigenverantwortung in der Krankenversicherung zu stärken, ein System, das die oft abstrakten Vorgaben des Gesetzgebers in eine voll- ziehbare Form konkretisiert und dabei insgesamt eine breite Akzeptanz der gefundenen Regelungen gewähr- leistet . In diesem Sinne glaube ich, dass der Gesetzentwurf eine gute Grundlage bietet, um die Selbstverwaltung für die nächsten Jahre fit zu machen, und ich freue mich auf gute Beratungen im Ausschuss . Hilde Mattheis (SPD): Wie beraten hier heute Abend in erster Lesung einen Gesetzentwurf der Bundesregie- rung, der sich mit nichts weniger als einem zentralen Gestaltungsmerkmal der gesetzlichen Krankenversi- cherungen befasst . Deshalb möchte ich zunächst einige grundsätzliche Bemerkungen machen, was uns Sozial- demokraten im Zusammenhang mit Selbstverwaltung bewegt . Selbstverwaltung hat in all ihren Ausprägungen maßgeblich zur Erfolgsgeschichte solidarischer Versi- cherungssysteme beigetragen . Dafür ist die gesetzliche Krankenversicherung nur ein Beispiel unter vielen . Be- reits mit der kaiserlichen Botschaft von 1881 wurde sie als tragendes Prinzip verankert und ausgenommen die Zeit des Nationalsozialismus war sie stets eine gestalte- rische Kraft, ohne die die Bundesrepublik heute völlig anderes aussähe . Und es ist auch nicht übertrieben, zu sagen, dass man uns für diese Institution international beneidet . Zwei Dinge sind für uns im Zusammenhang mit Selbstverwaltung entscheidend: Mitbestimmung und staatsferne Organisation in eige- ner Sache . Nun muss ich Ihnen unsere Leidenschaft und Überzeugung zur Frage der Mitbestimmung sicher nicht mehr erläutern . Deshalb will ich kurz darauf eingehen, welche Bedeutung der eigenverantwortlichen Organi- sation zukommt . Denn eigenverantwortliches Handeln von Akteuren im Rahmen der Selbstverwaltung bietet viele Vorteile . Auf der einen Seite werden sachdienliche Entscheidungen getroffen, die ohne das Wissen und die Kompetenz in der Sache nie zustande kämen . Gleichzei- tig binden diese eigenverantwortlichen Entscheidungen zu Detailfragen wiederum die Entscheidungsträger und machen sie zu einer aktiven gesellschaftlichen Kraft . Der Gewinn für uns alle in der Gesellschaft ist daher nicht zu unterschätzen . Und ein weiterer Punkt ist bedeutend . Denn für uns als Politik tragen diese Entscheidungen erheblich zur Entlastung staatlichen Handelns bei . Gute politische Ar- beit – und das betone ich ausdrücklich – wäre aus unserer Sicht ohne diesen Entlastungseffekt bei weitem nicht so effektiv möglich . Ich hebe das deshalb hervor, weil beide Aspekte für die hier zu führende Diskussion um die betroffenen Spit- zenorganisationen der gesetzlichen Krankenversiche- rung von zentraler Bedeutung sind . Und ich rede dabei nicht nur von historisch gewachsenen Charakteristika einer Institution . Vielmehr verknüpfen sich für uns Sozi- aldemokraten hiermit schon angedeutete normative wie funktionale Ansprüche, an denen sich jeder ordnungspo- litische Eingriff in Formen der Selbstverwaltung messen lassen muss . Demnach sind zwei Fragen von Bedeutung . Erstens: Welche Auswirkungen hat das hier vorliegende Gesetz auf die Formen der Mitbestimmung? Und zweitens: Ist in den betroffenen Organisationen auch zukünftig die staatsferne Organisation und mit ihr die Handlungsfähig- keit – natürlich unter staatlicher Aufsicht – sichergestellt? Würden wir uns diese Fragen nicht stellen, so würden wir schlicht der Bedeutung der Selbstverwaltung für die GKV nicht gerecht . Und hier ist es zunächst einmal egal, ob es sich um Organisationen mit sozialpartnerschaft- licher Struktur oder um Organisation mit berufsständi- scher Ausrichtung handelt . So viel zur grundsätzlichen Einordnung . Ich weise an dieser Stelle noch einmal darauf hin, dass es sich bei dem hier vorliegenden Gesetzentwurf explizit um einen Entwurf der Bundesregierung handelt . Trotz des ambitionierten Zeitplans wurde das Gesetz nicht pa- rallel durch die Fraktionen eingebracht, um das Gesetz- gebungsverfahren zu beschleunigen . Dies ist zwar durch- aus nichts Außergewöhnliches, nur ist es mir an dieser Stelle wichtig, dies zu betonen . Denn gerade beim hier Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21033 (A) (C) (B) (D) vorliegenden Gesetz sollten wir uns auch die Zeit neh- men und in Ruhe abwägen . Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen, wa- rum wir uns heute hiermit befassen . Ich will es uns allen aber gern noch einmal kurz in Erinnerung rufen . Die Vorgänge in der Kassenärztlichen Bundesvereinigung lassen mich persönlich – vielleicht spreche ich ja sogar für uns alle – nur mit dem Kopf schütteln . Lassen Sie mich eines klarstellen: Die Vorwür- fe müssen restlos aufgeklärt werden . Ich kann für die Fraktion der SPD sagen, dass wir den Aufarbeitungsprozess sehr genau beobachten, und wir werden dies auch weiterhin tun . Eines ist jetzt schon klar, einige wenige in der KBV haben dem Ansehen der Kas- senärzte enorm geschadet . Wer Mitgliedsbeiträge für eine Organisation zahlt, muss sich darauf verlassen können, dass die Mittel auch sachgerecht und regelkonform verwendet werden . Da kommt es auf die Vertrauenswürdigkeit des Hauptamtes genauso an wie darauf, dass die Aufsicht gegebenenfalls auftretende Unregelmäßigkeiten erkennt und sofort un- terbindet . Daher erwarte ich insbesondere vom im Frühjahr neu zu wählenden Vorstand der KBV nichts weniger als einen Wandel der Kultur . Denn – und das ist entscheidend – nicht nur die Kassenärzte leiden unter Ansehensverlust, sondern die Selbstverwaltung insgesamt . Das kann und werden wir Sozialdemokaten nicht akzeptieren . Nun dürfte meine Auffassung zur Sache kein Geheim- nis sein . Ich will es noch einmal so formulieren: „Du kannst nicht alle schlagen, wenn du einen treffen willst .“ Das ist für mich schlicht einen Frage guter und letztlich auch glaubwürdiger politischer Arbeit . Und das ist neben dem generellen Wert von Selbstver- waltung auch der Grund, dass explizit wir als SPD-Bun- destagfraktion bereits beim Zustandekommen des Ge- setzentwurfs der Bundesregierung für Korrekturen des politischen Vorhabens – insbesondere in Sachen der Auf- sicht – gesorgt haben . Nur ein paar Stichworte: Genehmigung des Haushalts, raus . Vorgaben der Aufsicht zu unbestimmten Rechtsbegrif- fen ohne Klagemöglichkeit ist raus . Eingriffe in Richtlinien des G-BA, auch raus . Unterm Strich bleibt es bei der Rechtsaufsicht des BMG über die Spitzenorganisationen der GKV . Einer Fachaufsicht erkläre ich hier erneut eine klare Absage . Ich muss allerdings an dieser Stelle auch einen Dank an die Union richten, ohne die das in einer Koalition bekanntlich nicht möglich gewesen wäre . Ich will nur sagen: Die Koalition hat in diesem Fall schon vor dem Beginn des eigentlichen Gesetzgebungsverfahrens gut zusammengearbeitet . Dank dafür! Nun wird es für uns als SPD im parlamentarischen Verfahren darauf ankommen, dass die Detailregelun- gen im Gesetz mit den Prinzipien und der Bedeutung der Selbstverwaltung vereinbar sind . Nur eine wirkliche Stärkung der Selbstverwaltung mit Blick auf Mitbestim- mung und Handlungsfähigkeit wird auch die Unterstüt- zung bei den Akteuren finden, die wir brauchen, um die Institution insgesamt zukunftsfähig zu machen . Denn wir brauchen uns keinen Illusionen hinzugeben . Ein solches Gesetz hat mit seinen Details auch immer eine gewisse Strahlkraft in andere Bereiche und die Zu- kunft . Das gilt besonders für die Selbstverwaltung . Klar ist, wir Sozialdemokraten halten an der Selbst- verwaltung fest und wollen und werden sie stärken . Eine Einschränkung oder gar eine Abwicklung ist mit uns nicht zu machen . Dafür ist sie zu essenziell für das Funk- tionieren unseres Gemeinwesens . Harald Weinberg (DIE LINKE): Wie so oft in der jüngeren Vergangenheit will die Bundesregierung et- was stärken . Neben dem sogenannten Arzneimittel-Ver- sorgungsstärkungsgesetz, dem Pflegestärkungsgesetz, dem Versorgungsstärkungsgesetz kommt nun also das GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz . Bei dem Thema bleibt festzuhalten: Die Menschen in Deutschland haben nicht das beste Bild von der Selbst- verwaltung im Gesundheitssystem . Schaut man ein we- nig hinter die Kulissen, muss man auch sagen: In der Selbstverwaltung liegt einiges im Argen: Krankenkassen verweigern unberechtigt Leistungen, Ärztinnen und Ärzte klagen darüber, dass wegen des Budgets Leistungen nicht verordnet werden können, ein aus Beitragsgeldern sehr gut bezahltes Spitzenpersonal der Kassenärztlichen Bundesvereinigung betreibt zwei- felhafte Geschäfte, die Aufsicht schaut dem viel zu lange zu, der Zahnarzt empfiehlt eine Leistung als notwendig, will aber privat abrechnen, Krankenkassen machen mit Ärzten gemeinsame Tricksereien bei Diagnosen, um möglichst viel Geld aus dem Gesundheitsfonds zu erhal- ten; die Liste lässt sich fortsetzen . Die wenigsten können das komplexe System auch nur teilweise durchschauen, die meisten müssen jedoch mit den Ergebnissen leben . Und am wenigsten haben die einen Nutzen, um die es eigentlich gehen sollte, die Patienten . Es ist die eigentliche Aufgabe der Selbstverwaltung, das Gemeinwohl zu stärken und die Versorgung der Pa- tientinnen und Patienten zu verbessern . Das ist eine gute Idee, die dem Wettbewerb geopfert wird . Seit Jahren wird das Gesundheitssystem immer weiter kommerzialisiert . Krankenkassen, Krankenhäuser, Arztpraxen, Apotheken werden einem immer stärkeren Wettbewerb ausgesetzt . Wer wie die Bundesregierung die Marktorientierung will, der darf sich dann nicht wundern, wenn jede und je- der nur ihren/seinen Nutzern sieht und eine gemeinsame Kooperation zum Nutzen aller weiter auf dem Rückzug ist . Das Eigeninteresse wird durchgesetzt, ein Ausgleich findet kaum noch statt. Mal wieder versucht die Bun- desregierung, die Konsequenzen ihrer eigenen Politik schönzureden, indem dann Gesetzesnamen wie eben das Selbstverwaltungsstärkungsgesetz kreiert werden . Die Marktorientierung zerfrisst die Kultur des Helfens, die medizinische Ethik und ersetzt sie durch Monetik . Das ist etwas, das wir nicht zulassen dürfen und unter dem Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621034 (A) (C) (B) (D) viele Beschäftigte, denen die Ethik noch nicht abhanden- gekommen ist, leiden . Da sich die negativen Auswirkungen des Wettbewerbs auf die Kultur im Gesundheitssystem kurz- oder mittel- fristig nicht ändern lassen, brauchen wir Veränderungen in der Selbstverwaltung . Patientenvertreterinnen und -vertreter müssen an entscheidender Stelle mitbestimmen können . Sie sollen Sitze und Stimmrecht in den Verwal- tungsräten der Kassen erhalten und auch im Gemeinsa- men Bundesausschuss das Zünglein an der Waage sein, wenn sich Kassen, Ärzte- und Zahnärzteschaft sowie Krankenhäuser nicht einigen können . Dem Grunde nach ist es richtig, die operative Steu- erung und Ausgestaltung des Versorgungssystems einer Selbstverwaltung zu überantworten . Diese muss dann aber auch im Sinne der Patienten allgemeinwohlorien- tiert funktionieren . Dazu bedarf es einer juristischen und einer fachlichen Aufsicht, die auch greift . In diesem Sin- ne befürworten wir eine bundeseinheitliche Aufsicht der Kassen . Die Selbstverwaltung muss wieder zurück zu ih- rem eigentlichen Ziel, der Stärkung des Gemeinwohls . Selbstverwaltung muss den Patientinnen und Patienten nutzen und darf nicht zweifelhaften betriebswirtschaft- lichen Benchmarks oder gar persönlichen Reichtumszie- len dienen . Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen ist eigent- lich ein bewährtes Prinzip, weil es sicherstellt, dass fach- liches Wissen und praktische Erfahrung derjenigen, die im Gesundheitswesen tätig sind, unmittelbar in die Re- gulierung dieses Bereiches einfließen. Umso wichtiger ist es allerdings, dass dies transparent und an der Sache orientiert geschieht . Alles andere gefährdet die Legitima- tion der Selbstverwaltung . Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzent- wurf zur Reform der Selbstverwaltung ist direkte Folge der Skandale um die Kassenärztliche Bundesvereini- gung, die uns in den letzten Jahren erschüttert haben . Jahrelang hatte deren früherer Vorstand an den gesetz- lichen und internen Vorgaben vorbei Gelder in eine defi- zitäre Immobiliengesellschaft investiert, sich selbst und anderen hohe Versorgungsbezüge gewährt und Rückla- gen in isländischen Schrottpapieren versenkt . Und das Bundesministerium für Gesundheit als Aufsichtsbehörde hat tatenlos zugesehen . Vermutlich läge auch dieser Ge- setzentwurf heute nicht vor, wenn wir Sie nicht mit unse- ren Nachfragen zum Handeln gezwungen hätten . Eines muss man Ihnen allerdings zugestehen: Im Hin- blick auf diese Vorgänge ist Ihr Vorschlag konsequent und größtenteils sinnvoll . Interne Kontrollmechanismen innerhalb der Spitzenverbände wie auch die aufsichts- rechtlichen Befugnisse des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) gegenüber diesen Körperschaften werden verschärft oder präzisiert . Den Vorschlag, den Vorstand der KBV zukünftig mit drei Mitgliedern zu be- setzen, begrüßen wir ausdrücklich – verbunden mit der Hoffnung, dass die im März 2017 anstehende Neuwahl des Vorstandes zu einem Neuanfang und Kulturwandel in dieser Institution führt . Auch Ihre Entscheidung, den noch im Referentenent- wurf geplanten massiven Eingriff in die Kompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses wieder zu strei- chen, ist gut . Die ursprünglich vom Ministerium vorgese- hene Möglichkeit, in die Richtlinienkompetenz des GBA einzugreifen, hätte die Rechtsaufsicht nicht verbessert, sondern eine Politisierung von fachlichen Entscheidun- gen über GKV-Leistungen zur Folge gehabt, die keiner von uns will . Der Gesetzentwurf zeigt also einige richtige Ansätze . In anderen Bereichen allerdings bleibt er merkwürdig lückenhaft und deutlich hinter dem zurück, was unsere Fraktion bereits vor Monaten an Reformvorschlägen vor- gelegt hat . Beispielsweise sollen in Ihrem Entwurf Be- teiligungen an Gesellschaften des Privatrechts zukünftig lediglich vom Lenkungsgremium der Körperschaft selbst abgenickt werden, nicht jedoch von der Aufsichtsbehör- de . Die noch im Referentenentwurf geplante ministeri- elle Aufsicht über diese Gesellschaften findet sich im Kabinettsentwurf ebenfalls nicht mehr . Das ist nach den Erfahrungen mit der Übernahme einer faktisch insolven- ten Immobiliengesellschaft durch die Kassenärztliche Bundesvereinigung nicht nachvollziehbar . Gleichzeitig wollen Sie die Geschäfts- und Rech- nungsprüfung der Körperschaften durch das Ministeri- um zugunsten einer selbst beauftragten Betriebsprüfung durch private Anbieter ersetzen . Auch wenn das Ministe- rium diese Prüfung in den letzten Jahren häufig einfach unterlassen hat und so einen Teil Mitverantwortung an den Entwicklungen bei der KBV trägt, sollten Sie jetzt zumindest sicherstellen, dass der Prüfbericht anschlie- ßend dem Ministerium vorgelegt werden muss . Aber auch hier: Fehlanzeige . Und es gibt weitere Lücken: Es soll keine Vorabkon- trolle der Haushaltspläne durch das BMG geben, so wie dies ursprünglich einmal selbst vom Ministerium ange- dacht war . Es soll keine Genehmigung für Geldanlagen oder Darlehen geben, obwohl die Kassenärztliche Bun- desvereinigung gerade durch solche Finanzgeschäfte er- hebliche Beträge vernichtet hat, die ursprünglich mal für die ärztliche Versorgung im Land gedacht waren . Es feh- len jegliche Regelungen zur Präzisierung der persönli- chen Haftung von Funktionären bei Pflichtverletzungen, obwohl gerade darüber momentan heftig vor Gericht gestritten wird . Die Offenlegung von Nebentätigkeiten der Vorstände bleibt auch zukünftig auf ein Minimum beschränkt, was eine echte Transparenz von Interessens- konflikten unmöglich macht. Außerdem gibt es weiterhin keine aufsichtsrechtliche Möglichkeit, diese Nebentätig- keiten im Bedarfsfall zu untersagen . Auch unsere Forde- rung nach einem besseren Schutz von Whistleblowern, beispielsweise durch eine Ombudsperson, wurde nicht aufgegriffen . Warum diese Zurückhaltung? Vielleicht weil man hofft, dass es sich bei den Vorgängen um die KBV um einmalige Ausfälle der Vergangenheit handelte? Sollte die Bundesregierung dies je geglaubt haben, wurden wir alle vor kurzem durch die Presseberichte über die Be- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21035 (A) (C) (B) (D) auftragung einer Politikberatungsagentur eines Besse- ren belehrt . Das Bundesministerium für Gesundheit als Aufsichtsbehörde sieht sich auf Anfrage allerdings noch nicht mal in der Lage, eine rechtliche Bewertung dieser Vorgänge abzugeben . Dies zeigt auch: Das beste Selbst- verwaltungsstärkungsgesetz wird wenig bringen, wenn nicht auch im Ministerium selbst ein Kulturwandel statt- findet. Eine Stärkung der Aufsichtsrechte auf dem Papier ändert nichts, solange nicht die Bereitschaft besteht, die- se Rechte im Ernstfall auch wahrzunehmen . Dies müssen Sie zukünftig beweisen . Annette Widmann-Mauz, Parl . Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Ich beginne mit einer guten Nachricht: Die Selbstverwaltungsgremien in unserem Gesundheitswesen ziehen wieder an einem Strang . Geeint rufen sie dazu auf, den vorliegenden Ge- setzentwurf zurückzunehmen . Dies wird unser Haus, das Bundesministerium für Ge- sundheit, BMG, jedoch nicht tun . Herr Bundesminister Hermann Gröhe wird an diesem Gesetzentwurf festhal- ten, gerade weil er – wie auch ich – ein Befürworter der Selbstverwaltung ist und weil wir auch künftig eine star- ke und unabhängige Selbstverwaltung für unser Gesund- heitswesen erhalten möchten . Schließlich ist die hohe Qualität der medizinischen Versorgung in unserem Gesundheitssystem untrennbar mit dem Engagement der Selbstverwaltung verbunden . Sie hat eine herausragende Rolle bei der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Versorgung . Und gerade deshalb werden wir an dem Prinzip der Selbstverwaltung auch nicht rütteln . Es ist ein modernes und zukunftswei- sendes Prinzip . Die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen hat ins- gesamt eine Vielzahl von verantwortungsvollen Aufga- ben zu erfüllen, um eine gute Gesundheitsversorgung für die Patientinnen und Patienten sicherzustellen . Auf diese Organisationsform, die sich von vielen rein staatlichen oder privaten Organisationsformen in anderen Staaten abhebt, sind wir in Deutschland zu Recht stolz . Sie hat sich bewährt . Die Vorfälle bei der Kassenärztlichen Bundesverei- nigung, KBV, die uns über Monate beschäftigt haben, haben aber auch gezeigt, dass es klarer Rahmenbedin- gungen für die Selbstverwaltung bedarf . Hier brauchen wir sowohl mehr Transparenz als auch strengere interne Kontrollmechanismen . Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir dafür sorgen, dass die Spitzenorganisationen der Selbstverwaltung sich künftig stärker ihrer Eigenverantwortung bewusst wer- den und zugleich vor Selbstblockaden geschützt sind . Bei allem inhaltlichen und mitunter auch persönlichen Streit darf in diesen Organisationen nicht vergessen wer- den, dass sie letztlich dem Zweck dienen sollen, die gute gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung zu sichern . Deshalb umfasst der Gesetzentwurf beispielsweise schlüssige Vorgaben für die staatliche Rechtsaufsicht, klare Vorgaben für die Haushalts- und Vermögensver- waltung sowie eine Stärkung der internen Transparenz- pflichten und Kontrollmechanismen. Auch die Sorgen, die Rechtsaufsicht könnte überdehnt werden, haben wir sehr ernst genommen . Daher bleibt unsere Rechtsaufsicht eine Rechtsaufsicht und wird nicht zur Fachaufsicht werden . Weiter bleiben auch die Gestaltungsspielräume der Partner in der Selbstverwaltung erhalten . Denn nur so können wir weiterhin auf praxisnahe und eigenverant- wortliche Entscheidungen bauen . Aber das setzt auch voraus, dass Körperschaften, die der Aufsicht unterliegen, intern transparente Strukturen haben und die hohen Standards einer Verwaltungsorga- nisation erfüllen . Aus diesem Grund brauchen wir klare Befugnisse der Rechtsaufsicht, um Rechtsverletzungen eindeutig und konsequent entgegentreten zu können . Diese Grundsätze gelten für alle Körperschaften glei- chermaßen – für die ärztliche Selbstverwaltung wie auch die Selbstverwaltung in der gesetzlichen Krankenversi- cherung . Ziel ist es daher, ein für alle diese Spitzenver- bände weitestgehend einheitliches Recht zu schaffen . Einzelne dieser Regelungen werden auch auf den Ge- meinsamen Bundesausschuss, G-BA, übertragen . Den Besonderheiten des G-BA aufgrund seiner Aufgabenstel- lung im Rahmen der Normsetzung und seiner von den anderen Selbstverwaltungskörperschaften abweichenden Organisationsstruktur wurde dabei Rechnung getragen . Der Gesetzentwurf sieht zur Stärkung der Kontroll- rechte der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane und zur Herstellung von mehr Transparenz im Verwaltungs- handeln der Institutionen folgende Maßnahmen vor . Dazu gehören die Stärkung der Einsichts- und Prüfrechte der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane, Vorgaben zu Informations-, Berichts- und Dokumentationspflich- ten über die Beratungen in Ausschüssen der Selbstver- waltungsorgane, die Präzisierung der Berichtspflichten des Vorstands sowie Regelungen zur Abwahlmöglichkeit der oder des Vorsitzenden der Selbstverwaltungsorgane . Bei der KBV bedarf es zudem struktureller Verände- rungen bei den Regelungen zum Vorstand: Es wird verpflichtend ein Vorstand mit drei Mitglie- dern geregelt, dessen Vorstandsvorsitzende bzw . -vorsit- zender mit einer qualifizierten Mehrheit gewählt werden muss . Nur für den Fall, dass ein letzter nach der Satzung vorgesehener Wahlgang erforderlich wird, soll die ein- fache Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreichend sein . Ein Mitglied des Vorstands darf weder dem haus- ärztlichen noch dem fachärztlichen Versorgungsbereich angehören . Mit diesen Vorgaben wird die notwendige versorgungsbereichsübergreifende Interessenvertretung im Vorstand sichergestellt sowie die Akzeptanz der oder des Vorsitzenden gestärkt . Wichtig ist dabei: Die Vorstände werden für die Dau- er von sechs Jahren gewählt . Im März 2017 stehen die Neuwahlen bei der KBV an . Mit den vorgesehenen struk- turellen Änderungen sollen die in der KBV bestehenden Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621036 (A) (C) (B) (D) Konflikte zwischen den Versorgungsbereichen und die damit einhergehenden Blockaden aufgehoben werden . Mit dem Gesetz wird insgesamt die staatliche Aufsicht als externe Kontrolle gestärkt . Die gesetzlichen Vorgaben zum Verwaltungshandeln werden klarer gefasst, damit ein rechtssicherer und eindeutiger Anknüpfungspunkt für das aufsichtsrechtliche Handeln besteht . Dies betrifft einheitliche und präzisere Vorgaben zu Rücklagen und Betriebsmitteln sowie die Pflicht zur Ausschüttung von Vermögen bzw . der Senkung der Umlage, soweit vor- handenes Vermögen nicht zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben erforderlich ist, die Erweiterung der Prüfungs- und Mitteilungspflichten in Bezug auf Beteiligungen an und die Gründung von Einrichtungen, die Etablierung einer regelmäßigen externen Prüfung der Geschäfts-, Rechnungs- und Betriebsführung anstelle der bisherigen Prüfung durch das Bundesministerium für Gesundheit bzw. das Bundesversicherungsamt und die Verpflichtung zur Einrichtung interner Kontrollmechanismen, insbe- sondere einer Innenrevision, die festgestellte Verstöße auch an die Aufsichtsbehörde zu berichten hat . Der Gesetzentwurf wird insgesamt dazu beitragen, die Selbstverwaltung in vielen wichtigen Punkten zu stärken . Eine so gestärkte Selbstverwaltung wird auch zukünftig ihren Teil dazu beitragen, im gewohnten Maße eine hohe Qualität der medizinischen Versorgung sicherzustellen . Und dieser Zirkelschluss lässt sich nur auf eine Art und Weise zusammenfassen: Er ist das richtige Ergebnis . Anlage 23 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Menschen mit Sprach- und Hörbehinderungen (Gesetz über die Erweiterung der Medienöffent- lichkeit in Gerichtsverfahren – EMöGG) (Tages- ordnungspunkt 25) Detlef Seif (CDU/CSU): Über den Gesetzentwurf zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsver- fahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Menschen mit Sprach- und Hörbehinderungen, den wir heute in erster Lesung beraten, war schon vor dem Beginn des parlamentarischen Verfahrens in den Medien zu lesen . Von „Gerichts-TVs“, „Recht im Zirkus“ oder sogar der „Revolution im Gerichtssaal“ war in diesem Zusammenhang die Rede . Schon der damalige Referent- enentwurf des Bundesjustizministeriums löste eine Welle des Protests aus, nicht nur bei Juristen und Journalisten, sondern auch und vor allem bei den Präsidentinnen und Präsidenten der obersten Bundesgerichte, die von den geplanten Neuregelungen in besonderem Maße betroffen sind . Mit dem Gesetzentwurf sollen zunächst die Leistun- gen hör- und sprachbehinderter Menschen im Hinblick auf die Beteiligung von Gebärdensprachdolmetschern und anderen geeigneten Kommunikationshilfen in ge- richtlichen Verfahren erweitert werden . Hör- und sprach- behinderte Menschen können nach geltendem Recht Gebärdensprachdolmetscher zwar im gesamten Strafver- fahren, in allen anderen Verfahren aber nur im Rahmen der mündlichen Verhandlung in Anspruch nehmen . Die Beiordnung einer Sprach- oder Übersetzungshilfe soll zukünftig im gesamten gerichtlichen Verfahren mög- lich sein . Die Änderung bewirkt, dass die Kosten für die Kommunikationshilfe in Zukunft nicht mehr nur für die mündliche Verhandlung erstattet werden, sondern alle Übersetzungsleistungen zu erstatten sind, die im Zusam- menhang mit dem gerichtlichen Verfahren stehen . Einzel- heiten, wie etwa der Umfang des Anspruchs, sollen durch Rechtsverordnung geregelt werden . Der Regelungsvor- schlag dürfte fraktionsübergreifend Zustimmung finden, da er den barrierefreien Zugang zu Gerichtsverfahren weiter verbessert . Im Gegensatz dazu sorgte aber die Absicht des Justiz- ministeriums, das seit 1964 geltende strikte gesetzliche Verbot von Bild- und Tonübertragungen in Gerichtsver- fahren zu lockern, schon im Vorfeld für Unmut . Das Jus- tizministerium begründet diesen Schritt damit, dass das generelle Übertragungsverbot angesichts der bisherigen technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen ins- besondere in der Medienlandschaft infrage zu stellen sei . Aktuell sind Ton- und Fernsehrundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffent- lichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts unzulässig . Das Verbot gilt während der gesamten Dauer der Hauptverhandlung einschließlich Entscheidungsver- kündung und steht nicht zur Disposition der Beteiligten . Es dient dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeits- rechts aller Prozessbeteiligten und der Sicherung der Wahrheitsfindung im Prozess. Konkret geht es um den Schutz des Rechts am eigenen Bild und gesprochenen Wort, das es dem Einzelnen überlässt, selbst und eigen- ständig über die Darstellung der eigenen Person anderen gegenüber und über die Aufnahme und das Abspielen der eigenen Stimme mittels eines Tonträgers zu bestimmen . Es geht daneben aber auch um das Recht auf ein faires Verfahren und um den Schutz einer geordneten Rechts- pflege. Nach den Plänen des Bundesjustizministers, die auf die Forderungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur „zeit- gemäßen Neufassung des § 169 Gerichtsverfassungsge- setz“ zurückgehen, soll zunächst die Tonübertragung der mündlichen Verhandlung sowie der Urteilsverkündung in einen Arbeitsraum für Medienvertreter gestattet werden . Medienvertreter sollen so die Möglichkeit erhalten, die mündliche Verhandlung im Sitzungssaal akustisch mit- zuverfolgen . Es handelt sich um eine Ermessensentschei- dung des zuständigen Gerichts, das die Tonübertragung zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter oder zur Wahrung eines ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs teilweise auch untersagen kann . Der Regelungsvorschlag ist nachvollziehbar und grundsätz- lich sinnvoll, weil – wie das Beispiel des NSU-Prozesses seit dem Jahr 2013 zeigt – es durchaus Gerichtsverfahren gibt, an denen Pressevertreter und Öffentlichkeit ein ge- steigertes Informationsinteresse haben, das Platzangebot Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21037 (A) (C) (B) (D) im Gerichtssaal im Vergleich zur Nachfrage aber nur auf einige wenige Zuschauer beschränkt ist . Unabhängig von grundsätzlichen Erwägungen erge- ben sich für mich aus einer Tonübertragung in einen Ne- benraum ganz praktische Probleme . Dem Vorsitzenden Richter obliegen die sitzungspolizeilichen Befugnisse, d . h . er muss Sorge dafür tragen, dass in der Sitzung die notwendige Ordnung herrscht . Diese Aufgabe hätte der Vorsitzende Richter nach einer Reform nicht nur in Be- zug auf die Saalöffentlichkeit im Gerichtssaal, sondern auch in Bezug auf die Öffentlichkeit im Nebenraum . Ist es aber einem einzelnen Menschen zumutbar, neben dem laufenden Verfahren, in dem auch zum Teil recht umfang- reiche Beweisaufnahmen durchzuführen und zu erfassen sind, und der Sitzungspolizei im Gerichtssaal auch noch die Geschehnisse im Medienarbeitsraum zu überblicken? Diese Frage lasse ich hier einmal im Raum stehen . Die Bereitstellung eines Medienarbeitsraumes wird notwendigerweise zu einer zusätzlichen Arbeitsbelas- tung der Gerichte führen, dessen sollten wir uns bereits jetzt bewusst sein . So muss ein Raum gefunden wer- den, der technisch entsprechend auszustatten ist, und es muss auch weiteres Personal bereitgestellt werden, das die zusätzlich anfallenden Aufgaben erledigt . Es muss insbesondere durch gründliche Personenkontrollen ge- währleistet sein, dass unbefugten Dritten der Zutritt zum Medienarbeitsraum untersagt wird, um zu verhindern, dass etwa Zeugen, die im Verfahren noch nicht ausge- sagt haben, sich vorab über das Geschehen informieren . Es muss darüber hinaus auch sitzungspolizeilich ge- währleistet sein, dass die Zuhörer im Nebenraum keine unbefugten Tonaufnahmen von der Hauptverhandlung fertigen . Der Gesetzentwurf schweigt leider zu diesen praktischen Punkten . Es ist aber notwendig, dass wir uns jetzt im parlamentarischen Verfahren auch über diese As- pekte Gedanken machen . Man könnte überlegen, neben den bereits bestehenden sitzungspolizeilichen Befugnis- sen des Vorsitzenden Richters eventuell einen Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestand zu schaffen, der den unerlaubten Zutritt zum Medienarbeitsraum und auch et- waige unbefugte Mitschnitte von der Hauptverhandlung im Arbeitsraum unter Strafe stellt . Darüber hinaus soll nach dem Gesetzentwurf in Zu- kunft die Aufnahme und Übertragung der Entscheidungs- verkündung der obersten Bundesgerichte zum Zwecke öffentlicher Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhaltes in Form von Ton- und Fernsehrundfunkaufnah- men sowie Ton- und Filmaufnahmen ermöglicht werden . Stehen dem wichtige Gründe entgegen, wie etwa die Wahrung schutzwürdiger Interessen der Verfahrensbetei- ligten oder Dritter, kann die Aufnahme oder Übertragung teilweise untersagt oder von Auflagen abhängig gemacht werden . Eine ähnliche Regelung existiert bereits für das Bundesverfassungsgericht . Das Bundesverfassungsge- richtsgesetz regelt seit 1998, dass entsprechende Aufnah- men in der mündlichen Verhandlung bis zur Feststellung der Anwesenheit der Beteiligten durch das Bundesver- fassungsgericht und bei der öffentlichen Verkündung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu- lässig sind . Insoweit stehe ich dem Regelungsvorschlag des Ministeriums durchaus offen gegenüber, wenngleich eine entsprechende Regelung für die obersten Bundes- gerichte nach meiner Einschätzung nicht zwingend not- wendig erscheint, jedenfalls nicht, wenn man sich einmal die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an- sieht, das das generelle Übertragungsverbot in Gerichts- verfahren aus gewichtigen Gründen nach wie vor für verfassungsgemäß hält . Bei einer Öffnung des Übertra- gungsverbots auch im Bereich der obersten Bundesge- richte muss sichergestellt sein, dass bei der Aufnahme allein das Gericht bei der Verkündung der Entscheidung sichtbar ist und dass die Medienöffentlichkeit dann be- schränkt wird, wenn das oberste Bundesgericht Bezug nimmt auf Feststellungen der Vorinstanzen, für die das Übertragungsverbot nach wie vor gilt . Schließlich soll es nach dem Gesetzentwurf künftig möglich sein, Ton- und Filmaufnahmen von der Ver- handlung einschließlich der Entscheidungsverkündung zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken bei Ver- fahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeu- tung für die Bundesrepublik Deutschland anzufertigen . Die Archivaufnahmen dürfen nicht zur Akte genommen werden, sie dürfen darüber hinaus auch nicht herausge- geben oder zu Verfahrenszwecken genutzt werden . Die Aufnahmen müssen nach Verfahrensabschluss dem zu- ständigen Bundes- oder Landesarchiv zur Übernahme angeboten werden . Dieses entscheidet, ob den Aufnah- men ein bleibender Wert zukommt oder sie vom Gericht zu löschen sind . Ich spreche mich bereits jetzt entschie- den gegen diesen Vorschlag aus . Er muss in jedem Fall im Gesetzentwurf gestrichen werden . Allein die Tatsa- che, dass die gesamte Verhandlung aufgezeichnet und damit für die Nachwelt festgehalten wird, würde dazu führen, dass künftig vor allem die Parteien, die Zeugen und auch die Sachverständigen ihr Verhalten oder ihre Aussagen wegen dieser Umstände ändern oder zumin- dest überdenken . Auch das Verhalten der Richter kann sich bei laufender Kamera verändern . Im Übrigen darf es nicht sein, dass politisch motivierte Kriminelle sich vor der Kamera inszenieren und die Gelegenheit nutzen, um ihre schrägen Botschaften zu verbreiten . Derartige Archiv aufnahmen würden Tat und Täter aufwerten . Hinweisen möchte ich in diesem Zusammenhang auch darauf, dass das Missbrauchspotential für Archivauf- nahmen sehr hoch ist, weil diese angesichts ihres Spei- chermediums abhandenkommen und verbreitet werden könnten . Entsprechende gesetzliche Vorgaben könnten dieses hohe Risiko allenfalls minimieren, nicht jedoch ausschließen . Unabhängig von diesen grundsätzlichen Erwägun- gen ist auch völlig unklar, nach welchen Kriterien das Gericht die herausragende zeitgeschichtliche Bedeutung des jeweiligen Verfahrens beurteilen soll . Regelbeispie- le sind im Gesetzentwurf nicht enthalten, und auch im Begründungsteil des Entwurfes fehlen jegliche Anhalts- punkte für die Entscheidung, die im Ermessen des Ge- richts steht . Zur Sicherung eines fairen Verfahrens und zur unge- störten Wahrheits- und Rechtsfindung sollten den Betei- ligten, insbesondere den Richtern, alle über die Prozess- situation hinausgehenden Belastungen und Ablenkungen erspart bleiben . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621038 (A) (C) (B) (D) Unsere Maßgabe im nun beginnenden parlamentari- schen Verfahren muss es sein, praktikable gesetzliche Vorgaben für die Gerichte zu schaffen, die einerseits die schutzwürdigen Interessen der Verfahrensbeteiligten und Dritter wahren und einen ordnungsgemäßen Verfah- rensablauf sicherstellen, andererseits den zusätzlichen technischen, organisatorischen und personellen Aufwand bei den Gerichten möglichst gering halten, damit diese sich weiterhin auf ihre Kernaufgabe, Recht zu sprechen, konzentrieren können . An diesem Maßstab sollte jeder der Regelungsvorschläge des Bundesjustizministeriums gemessen werden . Erlauben Sie mir abschließend noch die Bemerkung, dass sich nicht die Gerichte an die veränderten Medien- gewohnheiten der Gesellschaft anpassen müssen, son- dern vielmehr die Medien auf die prozessualen Beson- derheiten im Gerichtsverfahren Rücksicht zu nehmen haben . Im Mittelpunkt steht auch zukünftig nicht das technisch Machbare, sondern die professionelle Arbeit der Gerichte . Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Wir diskutieren heute den von der Bundesregierung eingebrachten Ge- setzentwurf zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung von Kommuni- kationshilfen für Menschen mit Sprach- und Hörbehin- derungen . In Zeiten von enormen technischen und gesellschaft- lichen Veränderungen und in der Verbreitung von Nach- richten in den Medien müssen wir hinterfragen, ob das bisherige strikte gesetzliche Verbot von Bild- und Ton- übertragungen insgesamt noch zeitgemäß ist . Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht eine moderate Lockerung vom Verbot von Ton- und Fern- sehrundfunkaufnahmen aus Gerichtsverhandlungen vor . Es ist darauf hinzuweisen, dass es im Grundsatz bei der Unzulässigkeit verbleibt . § 169 Satz 2 GVG wird ge- rade nicht gestrichen . Nach dem Zweck des Gesetzes werden einmalige und punktuelle Ausnahmeregelungen geschaffen . Es ist keinesfalls Ziel, Gerichtsverfahren zu kommerzialisieren . Einer unbegrenzten audio-visuellen Medienöffentlichkeit wird eine klare Absage erteilt . Im Mittelpunkt des Gesetzentwurfs steht das Span- nungsverhältnis zwischen dem Zugang von Medienver- tretern zu Gerichtsverhandlungen und den Persönlich- keitsrechten der Verfahrensbeteiligten . Der Angeklagte darf in keinem Fall zum Schauobjekt degradiert werden . Die Personenwürde des Angeklagten ist stets zu achten . Der Gesetzentwurf der Bundesregierung beinhaltet nun die Möglichkeit der Übertragung der mündlichen Verhandlung und der Urteilsverkündung in einen Ar- beitsraum für Medienvertreter (§ 169 Absatz 1 Satz 3-5 GVG-E) . Geplant sind hier ausschließlich Tonübertra- gungen . Ferner beinhaltet ist die Möglichkeit der au- dio-visuellen Dokumentation von Gerichtsverfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung (§ 169 Absatz 2 GVG-E) . Die Aufnahmen werden nicht Be- standteil der Gerichtsakte . Nach Abschluss des Verfah- rens sollen sie dem Bundes-/Landesarchiv zur Über- nahme angeboten werden . Beinhaltet ist außerdem die Übertragung von Verkündungen von Entscheidungen der Obersten Gerichtshöfe des Bundes in den Medien (§ 169 Absatz 3 GVG-E bzw . ArbGG) . Ein weiteres wichtiges Kernelement des Gesetzent- wurfes liegt in der Verbesserung für Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen zum barrierefreien Zugang im Gerichtsverfahren . Eine Kostenübernahme für die Ver- dolmetschung des gesamten gerichtlichen Verfahrens ist bisher nur für die Hauptverhandlung gegeben und bedarf einer Erweiterung . Hier setzen wir an . Die bestehende Regelungslücke hinsichtlich des Tragens dieser Kosten für das gerichtliche Verfahren außerhalb der mündlichen Verhandlung soll geschlossen werden . Dies hat Auswir- kungen darauf, wer die Kosten für eine Inanspruchnah- me außerhalb der mündlichen Verhandlung zu tragen hat . Für die Betroffenen treten Entlastungen in Höhe von 97 500 Euro ein, da die Kosten der Übersetzungsleistun- gen nunmehr von den Gerichten und nicht mehr von den betroffenen Personen selbst zu tragen sind . Dies ist ein gutes und richtiges Signal . Natürlich muss stets die Verhältnismäßigkeit zwischen dem Interesse der Öffentlichkeit und den Persönlich- keitsrechten der Verfahrensbeteiligten gewahrt werden . Der Gesetzentwurf plant moderate Lockerungen der be- stehenden Gesetzgebung, die das gerichtliche Verfahren nicht schwerwiegend beeinflussen und gleichzeitig einen gesetzlichen Rahmen für eine angemessene Medienöf- fentlichkeit schaffen . Dr. Matthias Bartke (SPD): Die Szenen aus Ge- richtsserien haben das Bild vieler Fernsehzuschauer von Gerichtsverhandlungen geprägt . Die Realität kann nur wenig dagegensetzen; denn Aufnahmen realer Gerichts- verhandlungen gibt es im Fernsehen keine zu sehen . Grund dafür ist das Verbot aus dem Jahr 1964 . Die- ses Verbot erklärt Ton-, Fernseh- und Rundfunkaufnah- men von Verhandlungen und Urteilsverkündungen zum Zweck der Veröffentlichung für unzulässig . Damit ist alles, was wir zu sehen bekommen: Angeklagte, Anwäl- te und Richter, die den Gerichtssaal betreten, sich setzen und wieder aufstehen . Die wirkliche Welt der Gerichts- verhandlungen bleibt damit für die meisten Fernsehzu- schauer verborgen . Das Verbot der Tonaufnahmen hat aber noch eine ganz andere Dimension . Es verhindert nämlich, dass die Gerichtsverhandlung in einen anderen Raum übertragen werden kann . Das hatte beim NSU-Prozessbeginn für riesige Probleme gesorgt . Zunächst sollte für die Vergabe der Plätze die Reihen- folge der Anmeldung entscheidend sein . Dabei kamen aber die türkischen Medien zu kurz . Das Bundesverfas- sungsgericht ordnete daher an, dass mindestens drei Plät- ze für ausländische Medien reserviert werden müssten . Der Senat entschied sich dann für eine komplette Neu- vergabe per Los . Nach der Auslosung der Presseplätze kam es zu einem neuen Sturm der Entrüstung . Während große Medien wie die FAZ, Die Zeit oder Die Welt kein Losglück hatten, Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21039 (A) (C) (B) (D) sollten kleine Regionalsender wie Radio LOTTE Weimar über den Prozess berichten . Die Gerichte entscheiden im Namen des Volkes . Was sie an Recht sprechen, wirkt sich auf unser aller Zusam- menleben aus . Es gibt daher ein berechtigtes Interesse daran, dass über einen Prozess entsprechend seiner Be- deutung berichtet werden kann . Wir wollen das Verbot von Ton- und Fernsehaufnahmen in Gerichten daher lo- ckern . In den vergangenen Monaten ist dieses Ansinnen be- reits verschiedentlich auf Kritik gestoßen . Wir nehmen diese Einwände sehr ernst . Durch die Lockerung des Ver- bots dürfen weder Persönlichkeitsrechte verletzt noch die Wahrheitsfindung im Strafverfahren gefährdet werden. Der vorliegende Gesetzentwurf ist daher ein sehr bedachter und abwägender Gesetzentwurf . Er baut die Brücke zwischen dem Informationsbedürfnis der Allge- meinheit und den Rahmenbedingungen für ein faires Ver- fahren und eine funktionstüchtige Rechtspflege. Entscheidungsverkündungen oberster Gerichtshöfe des Bundes sollen zukünftig grundsätzlich von Medien übertragen werden können . Für Fälle wie das NSU-Ver- fahren soll die Einrichtung von Arbeitsräumen für Me- dienvertreterinnen und -vertreter mit Tonübertragung ermöglicht werden . Darüber hinaus sehen wir für Ge- richtsverfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung eine audio-visuelle Dokumentation vor . Die Voraussetzungen für alle drei Möglichkeiten sind aber eng gesetzt . Zwischen Verhandlungen und Entschei- dungsverkündungen, zwischen Ton- und Videoaufnah- men wird wohlweislich unterschieden . Übertragungen und Aufzeichnungen liegen stets im Ermessen des Ge- richts . Von TV-Schlachten, Showbühnen und Satirebeiträgen sind wir damit weit entfernt . Zu Recht . Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE): Der uns vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, dass das seit 1964 bestehende Verbot von Ton-, Fernseh- und Rundfunkauf- nahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung moderat gelockert werden soll . Damit trägt der uns vorliegende Gesetzentwurf den gesell- schaftlichen und technischen Entwicklungen in Bezug auf moderne Kommunikationsmittel in der Gesellschaft Rechnung, der sich die Justiz nicht verschließen sollte . Nun steht zu befürchten, dass die von Justizminister Heiko Maas geplante Änderung des § 169 GVG dazu führt, dass der Gerichtssaal zur Showbühne verwandelt und die Unabhängigkeit der Justiz durch einen erhöh- ten medialen Druck gefährdet wird . Für meine Fraktion bleibt es ein Grundprinzip, dass Gerichtsverfahren IN der Öffentlichkeit, aber nicht FÜR die Öffentlichkeit stattfin- den . Die geplanten Änderungen des § 169 GVG tragen dem nach Auffassung meiner Fraktion Rechnung . Sie sind moderat und verfolgen lediglich das Ziel, die Ge- richtsverfahren IN der Öffentlichkeit besser wahrnehm- bar zu machen . Einer medialen Massenverwertung wird durch die geplanten Änderungen des § 169 GVG nicht Tür und Tor geöffnet . Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Menschen mit Sprach- und Hörbehinderungen – EMöGG – beinhal- tet im Wesentlichen Folgendes: Erstens Medienübertragung: Entscheidungsverkün- dungen oberster Bundesgerichte sollen grundsätzlich von Medien übertragen werden können . Zweitens gerichtsinterne Übertragung: Die Einrich- tung von Arbeitsräumen für Medienvertreterinnen und -vertreter mit Tonübertragung soll für Verfahren mit ei- nem erheblichen Medieninteresse gesetzlich geregelt werden . Drittens Verfahren von herausragender zeitgeschicht- licher Bedeutung: Eine audio-visuelle Dokumentation von Gerichtsverfahren, die eine herausragende zeitge- schichtliche Bedeutung besitzen, soll bei näherer Be- stimmung der Voraussetzungen und der Festlegung von Regelungen für eine begrenzte Verwendung ermöglicht werden . Gegen eine ausschließliche Übertragung von Urtei- len oberster Bundesgerichte durch die Medien ist aus Sicht meiner Fraktion Die Linke nichts einzuwenden . So werden auch Entscheidungen des Bundesverfassungsge- richts bereits jetzt von den Medien übertragen, ohne dass dies die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts bislang gefährdet hätte oder das Bundesverfassungsge- richt zu einer Showbühne verkommen wäre . Eine Über- tragung von Entscheidungen oberster Bundesgerichte ist auch deshalb gerechtfertigt, weil derartige Entscheidun- gen nur einen Bruchteil aller Gerichtsentscheidungen ausmachen, sie jedoch meist eine hohe gesellschaftliche Bedeutung haben und dadurch auf ein öffentliches Inte- resse stoßen . Die Übertragung von Entscheidungsver- kündungen oberster Bundesgerichte von den Medien stellt auch keinen erheblichen Eingriff in die Funktions- fähigkeit der Rechtspflege dar. Denn die eigentliche Ge- richtsverhandlung findet nach wie vor unter Ausschluss von Bild- und Tonaufnahmen statt . Ebenso sind nach wie vor keine Bild- und Tonaufzeichnungen für Gerichtsver- fahren unterhalb der Bundesgerichte vorgesehen . Sollte es die Bundesregierung zukünftig anstreben, eine Me- dienübertragung auf andere Gerichte oder das Gerichts- verfahren vor der Urteilsverkündung auszudehnen, wird sich meine Fraktion klar dagegen aussprechen . Auch gegen eine gerichtsinterne Übertragung von Ge- richtsverhandlungen bei erheblichem Medieninteresse, das heißt eine Einrichtung von Arbeitsräumen für Me- dienvertreterinnen und -vertreter in demselben Gerichts- gebäude, ist aus Sicht meiner Fraktion Die Linke nichts einzuwenden . Der NSU-Prozess in München hat ein- drucksvoll aufgezeigt, dass das Medieninteresse durch- aus – und berechtigterweise – beträchtlich sein kann . Um zu vermeiden, dass Teile der interessierten Öffentlichkeit ausgeschlossen werden – zum Beispiel bei Losverfahren, wie sie beim Landgericht München im NSU-Prozess praktiziert wurden –, ist die gerichtsinterne Übertragung von Gerichtsverhandlungen bei erheblichem Medienin- teresse ein legitimer Weg . Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621040 (A) (C) (B) (D) Der Ermöglichung von audiovisuellen Dokumenta- tionen von Gerichtsverfahren, die eine herausragende zeitgeschichtliche Bedeutung besitzen, kann aus Sicht meiner Fraktion Die Linke nur dann zugestimmt werden, wenn dies in engen Grenzen erfolgt . Denn eine audio- visuelle Aufzeichnung des gesamten Prozessverlaufes kann durchaus Auswirkungen auf das prozessuale Ver- halten von Verfahrensbeteiligten haben . Daher ist es unabdingbar, genau zu definieren, wann eine „herausra- gende geschichtliche Bedeutung“ zu bejahen ist und von wem sowie wofür genau die Aufzeichnungen verwendet werden dürfen . Meine Fraktion begrüßt, dass mit den geplanten Än- derungen und Ergänzungen ein wichtiger Schritt zur Um- setzung von Artikel 13 Absatz 1 UN-Behindertenrechts- konvention unternommen wird, was insbesondere durch die geplante Übernahme der Übersetzungskosten für das gesamte Verfahren – und nicht nur, wie bisher, für die Hauptverhandlung – zum Ausdruck kommt . Nichtsdesto- trotz sind die geplanten Regelungen im Hinblick auf hör- und sprachbehinderte Personen nicht weitreichend genug und hinsichtlich anderer Behinderungsarten lückenhaft . Das beabsichtigte Gesetz muss dazu genutzt werden, über die Kommunikationshilfen hinaus grundsätzlich Barrierefreiheit im Rahmen eines Gerichtsverfahrens stärker zu verankern . Nur so kann gewährleistet werden, dass Menschen mit Behinderungen einen gleichberech- tigten und wirksamen Zugang zur Justiz haben werden . Nach Auffassung meiner Fraktion kann trotz der ge- planten Änderungen des § 169 Absatz 2 GVG jeder Bür- ger darauf vertrauen, dass seine Angelegenheit in einer von störenden äußeren Einflüssen unbeeinträchtigten mündlichen Verhandlung sorgfältig und unvoreingenom- men erörtert wird . Sofern es Bestrebungen geben soll- te, § 169 GVG noch weiter zu lockern, wird sich meine Fraktion allerdings dagegen aussprechen . Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Ge- setzentwurf, den wir hier heute diskutieren, zielt darauf, Gerichtsverfahren transparent zu machen und moderne Kommunikationsformen einzuführen . Diesen Ansatz un- terstützen wir grundsätzlich . Zukünftig sollen Medien einen besseren Zugang zu den für ihre Berichterstattung notwendigen Informatio- nen bekommen, Urteile oberster Bundesgerichte sollen in Bild und Ton medial verkündet und historisch wichti- ge Prozesse dokumentiert werden – als Zeitzeugnis und um den Verlauf solcher Prozesse später aus erster Hand nachvollziehen zu können . Außerdem sollen die Kom- munikationshilfen für hör- und sprachbehinderte Perso- nen verbessert werden . Der Ansatz, den dieser Gesetzentwurf verfolgt, ist grundsätzlich richtig und sinnvoll . Justiz soll schließlich nicht hinter verschlossenen Türen stattfinden. Die Men- schen sollen die Möglichkeit haben, sich über die Verfah- ren und die Arbeit der Justiz zu informieren . Wenn Medienvertreter zukünftig einen gleichberech- tigten Zugang zu Prozessinformationen haben, dann kann das dazu dienen, dass die Berichterstattung über Gerichtsverfahren künftig noch vielfältiger und objekti- ver wird . Es kann auch dazu führen, dass die Öffentlich- keit mehr Interesse an oder Verständnis für die Arbeit der Justiz und für die Rechtsprechung entwickelt . Das ist erst einmal positiv zu werten . Eines muss in diesem Zusammenhang natürlich klar sein: Die Grenze von Transparenz und Medienöffentlich- keit muss immer dort gezogen werden, wo eine Beein- trächtigung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und der Rechte der Beteiligten droht! Das gilt insbesondere für Strafverfahren, in denen es um sensible Sachverhalte und den Schutz der Privatsphäre von Angeklagten oder Opferzeugen geht . Hier sollte niemand vorgeführt oder gar in seinen Verfahrensrechten beeinträchtigt werden . Niemand sollte sich unter Druck gesetzt fühlen . Ich halte es insofern für sinnvoll, dass die Entschei- dung über die Dokumentation des Verfahrens grundsätz- lich beim Gericht liegt . Denn das Gericht hat die Verfah- renshoheit und ist vertraut mit dem jeweiligen konkreten Fall . Da sich auch während des laufenden Verfahrens immer neue Umstände und Schutzinteressen ergeben können, ist es ausdrücklich zu begrüßen, dass dem Ge- richt zukünftig auch die Möglichkeit eingeräumt werden soll, Aufnahmen oder Tonübertragungen teilweise zu untersagen . So kann zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens sichergestellt werden, dass die Rechte der Verfahrensbe- teiligten und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens gewahrt werden . Ein paar kleine Kritikpunkte gibt es dann aber doch noch: Bei Film- und Fernsehaufnahmen zu Dokumentati- onszwecken wäre es zur Wahrung der schutzwürdigen Belange der Verfahrensbeteiligten wünschenswert, wenn das Gericht die Verteidigung bzw . Angeklagte und Zeu- gen in seine Entscheidung einbeziehen würde . Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass die Beschlüsse des Gerichts nach § 169 GVG über die Zulassung von Ton- und Filmaufnahmen bzw . von Tonübertragungen unanfechtbar sein sollen . Den Prozessparteien sollte es jedenfalls in irgendeiner Form möglich sein, auf die Ent- scheidung des Gerichts über die Medienöffnung des Ver- fahrens mit Einfluss zu nehmen. Und selbst, wenn ich in den im Gesetzentwurf vor- gesehenen Maßnahmen nicht per se eine Gefahr für die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und die Beteiligten- rechte sehe, stellt sich hier die Frage: Wie sinnvoll und praktikabel sind diese Vorschläge eigentlich? Ich sehe zum Beispiel nicht den konkreten Mehrwert davon, Entscheidungen von obersten Bundesgerichten in den Medien zu übertragen . Diese Gerichte leisten näm- lich schon jetzt eine gute Pressearbeit . Entscheidungen werden zeitnah für eine mediale Verwertung aufgearbei- tet, entsprechende Presseerklärungen werden unmittelbar ins Netz gestellt und von den Medien aufgegriffen . Es wird also kein Mehr an Information geben . Es handelt sich bei dieser Art der Verkündung über Funk und Fern- sehen lediglich um eine öffentlichkeitswirksamere Dar- stellungsform . Auch wenn es durchaus sinnvoll ist, bedeutende Ver- fahren für die Öffentlichkeit zu dokumentieren, so fehlt Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21041 (A) (C) (B) (D) es noch an einer Klarstellung, was unter einer „herausra- genden zeitgeschichtlichen Bedeutung“ genau zu verste- hen ist und wann Gerichtsverfahren diese Voraussetzung erfüllen . Insgesamt stehen wir aus den eingangs genannten Gründen den Neuerungen jedoch offen gegenüber und warten mit Interesse das weitere Verfahren ab . Christian Lange, Parl . Staatssekretär beim Bundes- minister der Justiz und für Verbraucherschutz: Heute be- fassen wir uns in erster Lesung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommuni- kationshilfen für Menschen mit Sprach- und Hörbehin- derungen – oder auch kurz EMöGG . Der Gesetzentwurf besteht aus zwei Teilen . Der erste befasst sich mit der Medienöffentlichkeit in Gerichtsver- fahren . Dieser Teil wurde in einer gemeinsamen Arbeitsgrup- pe meines Hauses und der Länder umfassend vorbereitet . Die Justizministerinnen und Justizminister der Länder haben dann das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und das Bundesministerium für Ar- beit und Soziales gebeten, auf der Grundlage der Ergeb- nisse der Arbeitsgruppe einen Gesetzentwurf vorzulegen . Das Verbot von Ton- und Bild- sowie Rundfunk- und Fernsehaufnahmen aus der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor den Gerichten gilt seit 1964 . Es wurde damals eingeführt, weil man der Ansicht war, dass bei- spielsweise noch nicht verurteilte Angeklagte durch an- wesende Filmkameras in einer oft unerträglichen Weise in das Scheinwerferlicht einer weiten Öffentlichkeit ge- zerrt würden . Seither hat sich viel geändert . Damals konnte man we- der die gerichtsinterne Übertragung in Echtzeit noch die zahlreichen Kommunikationswege im Bereich der mo- dernen Medien, wie sie sich seither entwickelt haben, im Blick haben . Das gewandelte Medienverständnis und der Umgang mit modernen Kommunikationsformen lassen ein generelles Verbot nicht mehr zeitgemäß erscheinen . Auch von der Justiz wird eine moderne Kommunikati- on erwartet . Durch die Gesetzesänderung erhält sie die- se Möglichkeit . Dort, wo der Verfahrensablauf und die Rechte der Beteiligten nicht in Mitleidenschaft gezogen werden, sollen moderne Medien stärker einbezogen wer- den können als bisher . So sieht der Entwurf vor, die Übertragung der Verkün- dung von Entscheidungen der Obersten Gerichtshöfe des Bundes in besonderen Fällen den Medien zu ermöglichen . Das Gericht soll die Übertragung zulassen können . Dabei muss es noch darüber entscheiden, in welcher Form und unter welchen Auflagen diese Übertragung stattzufinden hat . Die Zulassung ist nicht als Regelfall ausgestaltet, sondern in das Ermessen des Gerichts gestellt . Gerade zu dieser Regelung – das möchte ich hier nicht verbergen – habe ich im Laufe der Arbeiten an dem Gesetzentwurf viele Argumente gehört, weshalb diese Erweiterung nicht vorgenommen werden sollte . Sie vermögen mich allerdings nicht zu überzeugen . Per- sönlichkeitsrechte und die Wahrheitsfindung stehen bei der vorgeschlagenen Regelung ganz deutlich im Vorder- grund . Ein wie auch immer geartetes „Court TV“ wird nicht erlaubt und auch nicht für die Zukunft angestrebt . Bereits heute können die Pressevertreter an den Urteils- verkündungen der Gerichte teilnehmen und wörtlich mit- schreiben . Das gebietet der Grundsatz der Öffentlichkeit . Die Urteilsverkündungen der Obersten Bundesgerichte künftig von den Medien übertragen zu lassen, stellt nur eine kleine Erweiterung dar, die aber für die Wahrneh- mung der Justiz in der heutigen Medienlandschaft große Bedeutung hat . Ferner sieht der Entwurf vor, die audiovisuelle Do- kumentation von Gerichtsverfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen . Das Gericht kann künftig entscheiden, dass – bei Vorliegen dieser Voraussetzun- gen – die gesamte Gerichtsverhandlung in Ton und Bild aufgezeichnet werden soll . Diese Aufzeichnung darf al- lerdings nicht für Verfahrenszwecke verwendet werden, wie im Gesetz noch einmal ausdrücklich klargestellt wird . Die Aufnahmen sind vielmehr nach Abschluss des Verfahrens dem zuständigen Bundes- oder Landesarchiv anzubieten, um für wissenschaftliche Zwecke zur Verfü- gung zu stehen . Lehnt das Archiv die Annahme ab, sind die Aufnahmen zu löschen . Persönlichkeitsrechte der Be- troffenen hat das Gericht selbstverständlich zu wahren . Wir alle kennen historische Aufzeichnungen aus be- deutenden Verfahren aus der Zeit von vor dem Jahr 1964 . So wurde die mündliche Verhandlung im Frankfurter Auschwitz-Prozess Anfang der 60er-Jahre auf Tonträger aufgezeichnet . Für uns sind diese Aufzeichnungen heute gerade wegen der vielen Zeugenaussagen von unschätz- barem Wert . Nur für solche zeithistorisch herausragen- den Verfahren sollen Aufzeichnungen nach dem Entwurf wieder möglich werden . Schließlich soll künftig die Übertragung der mündli- chen Verhandlung und der Urteilsverkündung in einen Arbeitsraum für Medienvertreter durch das Gericht ange- ordnet werden können . Anlass für diese Regelung waren die Probleme bei der Sitzplatzvergabe für Pressevertreter am Anfang des Strafverfahrens gegen Mitglieder des so- genannten NSU . In einem zweiten Teil enthält der Gesetzentwurf Ver- besserungen für Menschen mit Hör- und Sprachbehin- derungen . Vorgesehen sind Erweiterungen hinsichtlich der Beteiligung von Gebärdendolmetschern und anderer Kommunikationshilfen für hör- und sprachbehinderte Personen . Sie sollen künftig die Kosten für die Verdol- metschung am gesamten gerichtlichen Verfahren nicht selbst tragen müssen . Das ist eine Verbesserung, die längst überfällig ist . Anlage 24 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von den Fraktionen der CDU/ CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621042 (A) (C) (B) (D) Baugewerbe (Sozialkassenverfahrensicherungsge- setz – SokaSiG) (Tagesordnungspunkt 26) Wilfried Oellers (CDU/CSU): Wir beraten heute den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Bau- gewerbe (SOKASiG) . Dieser Entwurf aus der Mitte des Parlaments beschäftigt uns, nachdem das Bundesarbeits- gericht am 21 . September 2016 in zwei Urteilen über die Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Bauhauptgewerbe der Jahre 2008, 2010 und 2014 be- schlossen hat . Die Rechtslage stellt sich wie folgt dar: Mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen, wie des sogenannten 50-Prozent-Quorums, und der persönli- chen Befassung der zuständigen Ministerin bzw . des zuständigen Ministers sind die vorher genannten Allge- meinverbindlicherklärungen unwirksam . Der Antrag auf Unwirksamkeit ist von Arbeitgebern gestellt worden, die nicht Mitglied einer Arbeitgebervereinigung sind, je- doch aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärungen zu Beitragszahlungen an die Sozialkasse des Baugewerbes, die SOKA-BAU, verpflichtet sind bzw. waren. Unter- stützung fanden diese Klagen auch von Betrieben, die sowohl bauliche als auch nichtbauliche Dienstleistungen erbringen . Hier besteht stets die Streitfrage, ob sie unter die hier in Rede stehende AVE fallen . Beklagt wurde die Sozialkasse der Bauwirtschaft, die sogenannte SOKA-BAU, eine gemeinsame Einrichtung der drei Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft, der Deutschen Bauindustrie, des Deutschen Baugewerbes und der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt . Diese blickt auf eine lange Tradition zurück, da sie schon 1949 als Urlaubskasse gegründet wurde . Im Jahr 1957 wurde sie um eine Zusatzversorgungskasse erweitert, später noch um die überbetriebliche Ausbildungskas- se . Ziel und Aufgaben der SOKA-BAU sind seit ihren Anfängen, Nachteile für die Beschäftigten der Bauwirt- schaft in den Bereichen Urlaub, Berufsausbildung und Altersversorgung auszugleichen . Nun ergibt sich nach den Beschlüssen des Bundesar- beitsgerichts eine für die SOKA-BAU unerwartete Situ- ation mit der Sorge um den weiteren Bestand der Sozi- alkassenverfahren des Baugewerbes und eine eventuell drohende Insolvenz . Dazu kommt auch die Unklarheit darüber, wie die Rechtsfolgen der gerichtlichen Feststel- lung einer Unwirksamkeit von Allgemeinverbindlicher- klärungen geregelt sind . Ohne Allgemeinverbindlicher- klärungen können gemeinsame Einrichtungen wie die SOKA-BAU nicht existieren. Die finanzielle Stabilität könnte aufgrund der ausstehenden Sozialkassenbeiträge sowie Rückforderungen ins Wanken geraten und die fi- nanzielle Tragfähigkeit der SOKA-BAU in Zukunft nicht mehr sicher sein . Unter den Betrieben des Baunebengewerbes wird die- se neue Situation etwas anders betrachtet . Dies ist in den Zuschriften, die mich und unsere Fraktion in den letzten Tagen erreichen, klar zu begreifen . Denn viele Betrof- fene, wie zum Beispiel Elektrohandwerk, Tischler und Schreiner, die nur bedingt mit baulichen Dienstleistun- gen zu tun haben, sahen sich in der Vergangenheit und sehen sich auch aktuell immer stärker im umfassenden Anspruch der SOKA-BAU aufgenommen . Sie möch- ten nicht in den stark ausgeweiteten Geltungsbereich der Sozialkasse einbezogen werden und verlangen eine deutlichere Abgrenzung der fachlichen und tariflichen Zuständigkeiten zwischen dem Baunebengewerbe und dem -hauptgewerbe . Die baugewerblichen Handwerke müssen, auch wenn sie tarifungebunden sind, wegen der Allgemeinverbindlichkeit in die Sozialkasse einzahlen . Die baunebengewerblichen Gewerke und ein Großteil der Mischbetriebe sehen dafür aber kein Bedürfnis und fordern schon lange, dass die SOKA-BAU sich auf deren Zuständigkeiten im Bauhauptgewerbe beschränkt . Wenn aber der Tarifvertrag nicht mehr für allgemeinverbindlich erklärt werden darf, müssen tarifungebundene Arbeitge- ber sowie Baunebengewerbe und Mischbetriebe keine Beiträge mehr einzahlen . Wir als Koalitionsfraktion erkennen die besondere Leistung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe an mit den spezifischen Lösungen, die den Beschäftigten der Baubranche mit der Gewährleistung einer Altersver- sorgung, dem Anspruch auf einen vollen Jahresurlaub und die Finanzierung der überbetrieblichen Ausbildung zugutekommen . Daher verstehen wir die Befürchtungen der SOKA-BAU, mit unzählbaren Rückforderungszah- lungen in Milliardenhöhe sowie mit dem Ausfall der laufenden Einzahlungen konfrontiert zu werden . Dass die SOKA-BAU jetzt nach den Beschlüssen des Bundes- arbeitsgerichtes Sorge vor Überschuldung hat und nach einer Klärung der Rechtsfolgen ruft, können wir nach- vollziehen . Zur Beseitigung dieser Rechtsunsicherheit, aber auch aufgrund des Wegfalls der Rechtsgrundlage durch die Unwirksamkeitserklärung der AVEs, wird nun eine Kor- rektur durch den Gesetzgeber gefordert . Wir müssen uns die Frage stellen, ob eine gesetzli- che Regelung hier angebracht ist, und dies mit äußerster Vorsicht angehen . Als Gesetzgeber müssen wir zunächst sorgfältig prüfen, ob die Sachlage und ihre Rechtsfolgen tatsächlich nach einer verbindlich durch ein Gesetz ange- ordneten Lösung rufen . Erforderlich erscheint mir daher, das Augenmerk auf die weiteren Betroffenen zu lenken, nämlich die Betriebe des baunahen Gewerbes und die Mischbetriebe . Für die tarifgebundenen Betriebe des Baugewerbes ändert sich nichts . Für die OT-Betriebe im Baugewerbe ändert sich jetzt zwar etwas, aber hier könnte man es noch am ehes- ten vertreten, dass sie dem Tarifvertrag zur SOKA-BAU zuzurechnen sind . Bei den baunahen Gewerken und bei den Mischbetrieben ist das jedoch eine äußerst kritische Frage . Die Loslösung von der SOKA-BAU war ja gerade das Ziel baunaher Gewerke und der Mischbetriebe, die sie mit den gerichtlichen Verfahren verfolgt haben . Hier nun als Gesetzgeber hinzugehen und diese gerichtlichen Entscheidungen, die aufgrund der bisherigen Rechtslage ergangen sind, nun rückwirkend für die Vergangenheit wieder aufzuheben und die Situation der Vergangenheit nachträglich als rechtens zu bewerten, erscheint mir äu- Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21043 (A) (C) (B) (D) ßerst fraglich . Dies muss einer intensiven verfassungs- rechtlichen Prüfung unterzogen werden . Es ist für mich nachvollziehbar, dass alle durch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts positiv betroffenen Un- ternehmen, Branchen und Bereiche eine nüchterne Wahr- nehmung der tariflichen Zuständigkeitsbereiche verlan- gen . Dies ist in meinen Augen auch ihr gutes Recht . In diesem Zusammenhang muss auch die vom BAG angesprochene „große Einschränkungsklausel“ in die Überlegungen einbezogen werden . Die im Moment befürchtete finanzielle Schieflage der SOKA-BAU bis hin zur befürchteten Insolvenz ist bisher noch nicht nachvollziehbar belegt . Daher muss auch dies auf den Prüfstand gestellt werden, da dies auch gerade als Grund eines gesetzgeberischen Handelns angeführt wird . Hier spielen gewiss auch die möglichen Rückforde- rungen eine große Rolle . Natürlich müssen wir diese im Rahmen des gesetzgeberischen Handelns berücksichti- gen, da wir grundsätzlich ein Interesse an dem Fortbe- stand der SOKA-BAU haben . Allerdings muss man dann redlicherweise auch die Frage stellen und beantworten, was mit möglichen Nach- zahlungen geschehen soll, die die SOKA-BAU aufgrund eines vom Gesetzgeber erlassenen Rettungsgesetzes ein- fordern könnte, die aber nach dem Urteil des Bundesar- beitsgerichtes nun nicht zu zahlen wären . Auch hier stel- len sich verfassungsrechtliche Fragen . Mit dieser Aufzählung von Fragen sollen nur einige aufgeworfen werden, obwohl noch weitere aufgeworfen werden müssen . Diese sind im Rahmen des weiteren Ge- setzgebungsverfahrens zu stellen und zu beantworten . Diese müssen zuerst vollumfänglich beantwortet wer- den, bevor das Verfahren beendet werden kann . Vor Beendigung des Verfahrens muss in meinen Au- gen auch geklärt sein, welche Betriebe zur SOKA-BAU zahlen müssen und welche nicht . Bevor dies nicht ge- klärt ist, ist eine Beendigung des Verfahrens schwierig . Schließlich wurde die Nichtzahlung durch das BAG bestätigt . Bevor diese Entscheidung quasi aufgehoben wird, müssen alle Beteiligten diese Frage geklärt und be- antwortet haben . Tobias Zech (CDU/CSU): Von den Leistungen der SOKA-BAU profitieren laut eigenen Auskünften mehr als 145 000 Betriebe, über 330 Millionen Euro gehen jedes Jahr an rund 370 000 Rentner, und für mehr als 35 000 Auszubildende werden Leistungen in Höhe von 300 Millionen Euro aufgebracht . Nicht zuletzt ist die zur SOKA-BAU gehörende ZVK-BAU AG (Zusatzversor- gungskasse des Baugewerbes AG) die größte Pensions- kasse Deutschlands . Die Zahlen sprechen für sich: Die Sicherung der Sozi- alkassenverfahren im Baugewerbe ist ein Thematik von nicht zu unterschätzender Bedeutung . Die SOKA-BAU ermöglicht Flexibilität und Si- cherheit in einer Branche, die ständig vor vielfältigen Herausforderungen steht . Von der Abhängigkeit von Witterungsbedingungen, einer großen Häufigkeit von Ar- beitgeberwechseln bis hin zu kleingewerblichen Unter- nehmsstrukturen . Die SOKA-BAU sorgt also dafür, dass trotz dieser schwierigen Verhältnisse für die Arbeitneh- mer keine Nachteile bei Rente, Urlaub und Ausbildung entstehen und gewährleistet darüber hinaus die Einhal- tung des branchenweiten Mindestlohns von Unterneh- men aus dem In- und Ausland . Diese wichtigen Leistungen verdanken wir in erster Linie der im Baugewerbe bestehenden Tarifpartner- schaft – wie sie natürlich in vielen anderen Branchen durch Tarifpartnerschaften ebenso ermöglicht wird . Die- ses System ist eine der Stützen unserer deutschen Wirt- schaftskraft . Es gilt, sie zu schützen . Und ich sage ganz deutlich: Für mich bedeutet der Schutz der Tarifpartnerschaft auch immer so wenig staat- licher Eingriff wie möglich . Wir haben ja auch nicht grundlos die Tarifautonomie in unserem Grundgesetz verankert . Trotzdem ist es unsere Aufgabe, sicherzustellen, dass eine, wie in diesem Fall seit 1949 funktionierende sozial- partnerschaftliche Stütze, die Vorteile sowohl für Arbeit- nehmer als auch für Arbeitgeber bietet, nicht ins Wanken gerät – vorausgesetzt, sie erfüllt die geltenden Regeln, und in diesem Einzelfall habe ich, ehrlich gesagt, noch viele offene Fragen . Ganz zu schweigen von der offenen Frage der juristischen Auswirkungen der Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen . Die Sicherung der Sozialkassenverfahren im Bauge- werbe ist ein komplexes Unterfangen . Schließlich geht es hier nicht nur um die SOKA-BAU, sondern vielmehr um eine Handvoll verschiedener Akteure beziehungsweise Faktoren, die offenbar zum Teil sehr verschiedene Inte- ressen und auch Einschätzungen der Situation vertreten bzw . nahelegen: Da wäre zum einen das Bundesarbeitsgericht, das im September einige Allgemeinverbindlicherklärungen un- ter anderem aufgrund der fehlenden Ministererklärung sowie in Teilen wegen der 50-Prozent-Quote für unwirk- sam erklärt hat – der Grund weshalb wir heute überhaupt über die SOKA-BAU sprechen . Des Weiteren ist da natürlich noch die SOKA-BAU, deren Zahlungsfähigkeit hier zur Debatte steht und die den vorliegenden Gesetzentwurf unterstützt . Der Gesetzentwurf, der die Allgemeinverbindlichkeit rückwirkend vorschreibt, ist ebenfalls ausgiebige Dis- kussionen wert . Und es gibt verschiedene Stimmen, die die Allge- meinverbindlicherklärung anzweifeln und/oder denen die fachlichen und tariflichen Zuständigkeitsbereiche nicht ausreichend definiert sind. Wie man sieht, ist bei diesem Gesetzesvorhaben also ein besonders kritischer Blick geboten . Bei diesem kriti- schen Blick bitte ich um Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen . Ich bin gespannt auf die Ergebnisse der kommenden Debatten . Bernd Rützel (SPD): Die zusätzlichen Sozialkassen in der Bauwirtschaft leisten einen wichtigen Beitrag zur Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201621044 (A) (C) (B) (D) Absicherung der Beschäftigten im Bauhauptgewerbe . Die gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragspar- teien schaffen einen Ausgleich für die strukturbeding- ten Nachteile der Bauarbeitnehmer . Sie haben eine lan- ge Tradition . Seit Jahrzehnten erbringen sie verlässlich Leistungen . Hiervon profitieren nicht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Auszubildende sowie Rentnerinnen und Rentner, sondern letztlich das gesamte Bauhauptgewer- be . Bauarbeitnehmer erhalten oft eine gesetzliche Rente, die nur knapp über der Grundsicherung liegt . Eine be- triebliche Altersversorgung gibt es – auch infolge häufi- ger Arbeitgeberwechsel – selten . Über die SOKA-BAU erhalten Bauarbeitnehmer Rentenbeihilfe . Das Ausbildungskassenverfahren garantiert eine qua- litativ hochwertige, überbetriebliche Berufsausbildung . Im Baugewerbe gibt es große saisonale Schwankungen und häufige Arbeitgeberwechsel. Daher gibt es häufig Probleme für Bauarbeitnehmer, ihren Urlaub zu nehmen . Im Urlaubskassenverfahren werden die Urlaubsansprü- che der Bauarbeitnehmer gesichert . Die SOKA-BAU organisiert für die Agentur für Ar- beit den Beitragseinzug im Rahmen der Winterbauför- derung . Die staatliche Winterbauförderung stellt sicher, dass Bauarbeitnehmer in der Schlechtwetterzeit nicht von Beschäftigungsverlusten bedroht werden . Von den Leistungen der Sozialkassen des Bauhaupt- gewerbes profitieren derzeit etwa 700 000 Bau-Arbeit- nehmer, 35 000 Auszubildende sowie 370 000 Rentner . Diese Menschen und ihre Ansprüche müssen wir schüt- zen . Auch das Bundesarbeitsgericht bestreitet nicht das öffentliche Interesse an den Sozialkassen des Bauhaupt- gewerbes . Daher ist es gut und wichtig, dass wir jetzt schnell handeln . Die besondere sozialpolitische Bedeutung der Sozialkassen haben wir hier im Haus zuletzt im Rahmen der AVE-Reform im Jahr 2014 ausdrücklich anerkannt . Wir können deshalb nicht zulassen, dass diesem wichti- gen Instrument durch die Entscheidungen des Bundesar- beitsgerichts nachträglich der Boden entzogen wird . Vor diesem Hintergrund steht außer Frage, dass wir zeitnah handeln müssen . Wir wollen im Verbund mit dem Bausozialpartnern und der SOKA-BAU eine gesetzliche Lösung, mit der die Verbindlichkeit der Sozialkassenverfahren für alle Arbeitgeber im Bauhauptgewerbe sichergestellt wird . In dem Gesetz sollen die bislang für allgemeinverbindlich erklärten Sozialkassentarifverträge für alle Arbeitgeber verbindlich angeordnet werden . Wir klären damit beste- hende Unklarheiten . Nur mit einem Gesetz kann rechts- sicher und belastbar den Bedenken des Bundesarbeitsge- richts entgegengetreten werden . Nur mit unserem Gesetz können wir garantieren, dass die Leistungen der SOKA-BAU von allen Arbeitgebern gemeinsam getragen werden . Dem entspricht, dass auch alle Arbeitnehmer – unabhängig von der Tarifbindung ih- rer Arbeitgeber – Anteil an den Leistungen haben sollen . Das Gesetz gilt für alle gleichermaßen: für im Ausland ansässige Arbeitgeber und ihre nach Deutschland ent- sandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer genauso wie für im Inland ansässige Arbeitgeber und deren Be- schäftigte . So sorgt die SOKA-BAU zudem für einen fai- ren Wettbewerb in der Branche . Damit sie branchenspe- zifische Nachteile weiterhin ausgleichen kann, müssen wir jetzt tätig werden . Jutta Krellmann (DIE LINKE): Den ersten großen politischen Konflikt, den ich Mitte der Siebzigerjahre als Jugend- und Auszubildendenvertreterin in meinem Betrieb erlebt habe, war die aufkommende Jugendar- beitslosigkeit . Damals war unsere Forderung: Wer nicht ausbildet, muss zahlen! Wenn Betriebe selbst nicht für Nachwuchs sorgen, müssen sie zumindest die Betriebe mitfinanzieren, die es tun. Diese Ausbildungsumlage ist bis heute leider nur in wenigen Branchen zu finden. Eine davon ist die Bauwirtschaft, und verwaltet wird die Umlage durch die Sozialkassen der Bauwirtschaft, die SOKA-BAU . Einst vor 68 Jahren als Urlaubs- und Lohn- ausgleichskasse der Bauwirtschaft gegründet, übernimmt sie heute weitere wichtige Aufgaben, wie die Sicherung von Arbeitszeitkonten, tariflichen Zusatzrenten oder eben die Ausbildungsumlage . Damit die SOKA-BAU diese Aufgaben erfüllen kann und alle Beschäftigten in der Branche von der sozialen Absicherung profitieren können, sind über die Allge- meinverbindlichkeitserklärung von geltenden Tarifver- träge der Bauwirtschaft und Baunebenbranchen alle Be- teiligten mit einbezogen – ob sie einen Tarifvertrag haben oder nicht, ob sie Arbeitgeber sind oder Arbeitnehmer . Dass da einige Arbeitgeber rumjammern, ist nicht ver- wunderlich . Dass sie sich mit ihrer Klage vor dem Bun- desarbeitsgericht gegenüber diesem System aber entso- lidarisiert haben, hat mich persönlich sehr empört . Die unabsehbaren Folgen des Urteils hat die SOKA-BAU in die Insolvenzberatung getrieben, und daher findet der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verhinde- rung einer Pleite unsere volle Zustimmung . Der radikale Schritt, den Frau Nahles mit diesem Gesetzentwurf zur Rettung der SOKA-BAU geht, wäre aber gar nicht nötig gewesen . Und ich erkläre Ihnen auch, warum . Es wäre jetzt nicht nötig, das Regierungshandeln seit 2006 nachträglich zu legitimieren, wenn die Bundesre- gierungen der vergangenen zwei Jahrzehnte die Tarifbin- dung nicht derart massiv geschwächt hätten – ich nenne hier nur einmal die kalte Aussperrung oder die Duldung der OT-Mitgliedschaften von Arbeitgebern als zwei von vielen Angriffen auf die Tarifbindung . Das Wirken von Franz Müntefering über Franz Josef Jung bis hin zu Ursula von der Leyen im Bundesarbeitsministerium lässt sich auch an der Statistik ablesen: Laut WSI waren 1998 über die Hälfte der Betriebe nicht tarifgebunden, sieb- zehn Jahre später waren es schon über 70 Prozent . Diese massive Tarifflucht wäre ohne das staatliche Eingreifen in die Tarifautonomie nie möglich gewesen . Und ohne diese aktive Parteinahme zugunsten von Arbeitgebern, das gehört auch zur Wahrheit, wäre die Situation bei den Sozialkassen der Bauwirtschaft heute sicher eine andere . Frau Nahles, Sie müssen hier den Mist aufräumen, den Ihre Vorgänger hinterlassen haben, und diesmal haben Sie auch unsere volle Unterstützung, weil es uns um die Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 21045 (A) (C) (B) (D) Beschäftigten geht . Auch Ihr Anliegen, die Tarifbindung staatlich wieder zu stärken, trifft auf meine Zustimmung . Ich kann Ihnen aber nur davon abraten, Tarifbindung mit- tels tariflicher Öffnungsklauseln oder „Experimentier- klauseln“, wie jetzt beim Arbeitszeitgesetz, in erster Linie nur wieder attraktiv für Arbeitgeber zu machen . Damit tun Sie weder Ihren Gewerkschaftsfreunden noch dem Handlungsspielraum Ihres eigenen Ministeriums einen Gefallen . Denn damit hintertreiben Sie die Kernfunktion von Tarifbindung und der ihr zugrundliegenden Tarifver- träge und hinterlassen Ihrem Nachfolger wiederum einen Misthaufen, den er oder sie dann künftig beseitigten darf . Die Situation der SOKA-BAU sollte uns allen eine Lehre sein, so schnell wie möglich mit dem konsequenten Wiederaufbau der Tarifbindung im Sinne der Beschäftig- ten zu beginnen . Ein sofortiges Verbot von OT-Mitglied- schaften wäre da ein guter Anfang . Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die Sozialkasse im Baugewerbe existiert seit über 60 Jahren . Sie vereint die Urlaubs- und Lohnausgleichs- kasse der Bauwirtschaft sowie die Zusatzversorgungs- kasse des Baugewerbes . Sie hat große Verdienste um bessere Arbeitsbedingungen in dieser Branche . Das ist auch dringend nötig, denn diese Branche ist, wie kaum eine andere, von wechselnden Beschäftigungen und sai- sonalen Schwankungen geprägt . Die Basis dieser Sozialkasse ist ein Tarifvertrag der Sozialpartner in der Baubranche . Dieser Tarifvertrag gilt für alle in der Branche, also auch für nichttarifgebundene Betriebe, und das ist im Fall einer solchen gemeinsamen Einrichtung eine absolute Notwendigkeit . Entsprechend war die Allgemeinverbindlichkeit der entsprechenden Tarifverträge in den letzten Jahrzehnten eine Selbstver- ständlichkeit . Jetzt hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Allgemeinverbindlichkeit dieses Tarifvertrags durch das Bundesarbeitsministerium seit 2006 unwirksam ist . Die Gründe sind vor allem formaler Natur . Zum einen fehlt die Unterschrift von den damaligen Arbeitsministern Olaf Scholz und Ursula von der Leyen . Zum anderen war das damals gesetzlich notwendige 50-Prozent-Quorum der Beschäftigten in tarifgebundenen Betrieben aus Sicht des Gerichts verfehlt . Ich halte das Urteil für bedauerlich und kann auch kaum nachvollziehen, dass eine bewährte und allgemein anerkannte Institution wie die SOKA-BAU auf dieser Grundlage in Existenznot gebracht wird . Immerhin erhal- ten mehr als 145 000 Betriebe für ihre gezahlten Beiträge Leistungen und Service von der SOKA-BAU . Mehr als 370 000 Rentnerinnen und Rentner erhalten Leistungen . Mehr als 825 000 Anwärtern werden jährlich Beiträge für die Altersversorgung gutgeschrieben . Und mehr als 35 000 Auszubildende profitieren von den Ausbildungs- betrieben und überbetrieblichen Ausbildungszentren . Zumindest hätte ich erwartet, dass das Gericht bei einer solchen Entscheidung in Erwägung zieht, dass die über- wiegende Zahl der Unternehmen und Beschäftigten seit Jahren auf den Bestand der Kasse vertraut haben . Zwei- fellos hat sich aber auch das Bundesarbeitsministerium nicht mit Ruhm bekleckert, denn es hat zugelassen, dass diese Allgemeinverbindlichkeit so angreifbar ist . Nun ist der Schaden da, und wir brauchen eine gute Lösung . Allerdings muss die Lösung juristisch sauber sein und den Unternehmen und Beschäftigten endlich Rechtssicherheit bringen . Ob der Gesetzentwurf der Bundesregierung – insbe- sondere die Auswirkung auf die Jahre ab 2006 – diesen Ansprüchen genügt, werden wir genau prüfen . Notwen- dig sind aus unserer Sicht eine absolute Transparenz des Verfahrens und ein offener Umgang mit den Argumen- ten, die dafür und dagegen sprechen . Wenn es gangbare Alternativen gibt, gehören sie auf den Tisch . Seien Sie versichert, wir werden den Prozess kon- struktiv begleiten . Denn für uns Grüne ist klar: Die SOKA-BAU ist wichtig, und ihre Existenz muss unbe- dingt gesichert werden . Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 209. Sitzung Inhaltsverzeichnis TOP 3 Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung TOP 4 Schutz von Kindern und Familien vor Armut TOP 5 Bundeswehreinsatz in Südsudan (UNMISS) TOP 6 Bundeswehreinsatz in Darfur (UNAMID) TOP 33 Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP 34, ZP 2 Abschließende Beratungen ohne Aussprache ZP 3 Aktuelle Stunde zur Beteiligung am US-Drohnenkrieg über die Relaisstation Ramstein TOP 7 Änderung des Conterganstiftungsgesetzes TOP 8 Schutz der Pressefreiheit TOP 9 Bundeswehreinsatz in Afghanistan TOP 10 Personalbemessung in der Altenpflege TOP 11 Bekämpfung der Schwarzarbeit TOP 12 Einflussmöglichkeiten auf politische Willensbildung TOP 13 Nachtragshaushaltsgesetz 2016 TOP 14 Lebensdauer technischer Geräte ZP 4 Manipulation an digitalen Grundaufzeichnungen TOP 16 Schutz zahlungsunfähiger Staaten vor Spekulanten ZP 5 Vergütungsanspruch von Urhebern und Künstlern TOP 18 Frieden und Abrüstung in Europa ZP 6 Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen ZP 7 Stromerzeugung aus Kraft-Wärme-Kopplung TOP 17 Änderung des Soldatengesetzes TOP 19 Änderung des Bundeswaldgesetzes TOP 20 Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes TOP 21 Gewerbeabfallverordnung TOP 22 Trilaterale Partnerschaften in der ASEAN-Region TOP 23 Wissenschaftskooperation in Subsahara-Afrika TOP 24 GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz TOP 25 Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren TOP 26 Fortbestand der Sozialkassen im Bauhauptgewerbe Anlagen Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3 Anlage 4 Anlage 5 Anlage 6 Anlage 7 Anlage 8 Anlage 9 Anlage 10 Anlage 11 Anlage 12 Anlage 13 Anlage 14 Anlage 15 Anlage 16 Anlage 17 Anlage 18 Anlage 19 Anlage 20 Anlage 21 Anlage 22 Anlage 23 Anlage 24
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ulrike Bahr


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)


    Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolle-

    ginnen und Kollegen! Es gibt einen Artikel zum Thema
    frühe Hilfen; er ist mit „Die drei K’s“ überschrieben . Es
    geht jetzt ganz bestimmt nicht um Kinder, Küche, Kir-
    che; vielmehr heißt der ganze Titel „Die drei K’s: Kin-
    derarmut – Kinderschutz – Kommunen“ . Wenn es um
    Kinderarmut geht, bleiben zwangsläufig Diskussionen zu
    Wirksamkeit oder Unwirksamkeit von monetären Leis-
    tungen nicht aus . Geld ist wichtig, um die Existenz zu
    sichern, keine Frage . Aber was ich für mindestens ebenso
    wichtig halte, ist die soziale Infrastruktur; denn sie ist die
    zentrale Grundlage . Sie kann Chancen und damit auch
    Wege aus der Armut eröffnen . Sie kann Chancen aber
    auch verwehren, nämlich dann, wenn sie fehlt oder zu
    wenig zielgerichtet ist .

    Die maßgebliche Infrastruktur, wenn Kinder, Jugend-
    liche und ihre Familien im Fokus stehen, ist für mich die
    Kinder- und Jugendhilfe, auch wenn die Kinder- und Ju-
    gendhilfe in Ihrem Antrag vielleicht nicht ganz so präsent
    ist wie Ihre Vorschläge zu konkreten Geldleistungen oder
    arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen .


    (Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Müssen Sie mal lesen! Das steht alles drin!)


    Mir ist es in dieser Debatte aber wichtig, auch noch
    einmal ganz genau auf die Kinder und Jugendlichen
    selbst zu schauen, für die Sie hier einen sehr umfangrei-
    chen Aktionsplan zur Armutsbekämpfung vorschlagen .
    Bei der Kinder- und Jugendhilfe scheinen Sie vor allem
    in Sonderprogrammen absolute Allheilmittel zu sehen .

    Das klingt für mich aber zu sehr nach der berühmt-be-
    rüchtigten Gießkanne .

    Wir alle wissen, dass Armut in der Kindheit ein großes
    Entwicklungsrisiko darstellt . Armut kann sich verfesti-
    gen und damit den Lebenslauf nachhaltig prägen . Armut
    kann sich damit auch vererben . Umso wichtiger ist es,
    präventive Ansätze in der Kinder- und Jugendhilfe weiter
    auszubauen – da gebe ich Ihnen recht –, aber eben ziel-
    gerichtet . Das wiederum geht nun einmal nur im engen
    Schulterschluss mit den Kommunen; denn die Kommu-
    nen sind es, die die Kinder- und Jugendhilfe verantwor-
    ten . Diese wichtige, weil zentrale, Rolle der Kommunen
    kommt mir in Ihrem Antrag zu kurz .

    Deshalb noch einmal zurück zu „Kinderarmut – Kin-
    derschutz – Kommunen“: Armut hat viele Gesichter, ent-
    täuschte, traurige, zornige, weinende; denn zur materiel-
    len Armut gesellen sich in vielen Fällen Bildungsferne,
    ein Mangel an Teilhabemöglichkeiten, beispielsweise
    in Sportvereinen oder im Musikunterricht, und leider
    oft auch gesundheitliche Probleme . Dass das alles vom
    Geldbeutel der Eltern abhängt, ist ungerecht; ich glaube,
    darin sind wir uns alle einig . Genau hier müssen wir han-
    deln; das ist keine Frage .

    Armut existiert aber nicht im luftleeren Raum, son-
    dern innerhalb von Wohnquartieren und Stadtvierteln –
    mal deutlicher, mal weniger offensichtlich . Deshalb
    brauchen wir auch ressortübergreifende Ansätze . Ein gu-
    tes Beispiel ist das Bundesprogramm „JUGEND STÄR-
    KEN im Quartier“, das die SPD-Ministerinnen Manuela
    Schwesig und Barbara Hendricks in dieser Legislaturpe-
    riode gemeinsam neu auf den Weg gebracht haben .


    (Beifall bei der SPD)


    In Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen, füh-
    ren Sie zu Recht diejenigen an, die von den Angeboten
    der Kinder- und Jugendhilfe nicht erreicht werden . Ge-
    nau hier setzt „JUGEND STÄRKEN im Quartier“ an: in
    der direkten Wohn- und Lebenswelt der Kinder und ihrer
    Familien . Dass wir das überaus erfolgreiche Städtebau-
    programm „Soziale Stadt“ mit niedrigschwelligen sozial-
    pädagogischen und gezielten Förderangeboten für junge
    Menschen hiermit zusammengeführt haben, halte ich für
    ganz zentral und wegweisend . In diesem Modellprojekt
    sind die Kommunen nicht nur mit im Boot, sondern sie,
    die Experten vor Ort, bestimmen auch, welche Angebote
    am besten zu den Gegebenheiten der jungen Menschen
    dort passen .

    Es gibt auch andere Beispiele . In meiner Heimatstadt
    Augsburg gibt es den Verein „Kinderchancen“ . Hier
    richtet sich die Förderung zunächst, im ersten Schritt,
    ganz gezielt an den Bedürfnissen der Kinder aus . Natür-
    lich gibt es auch Unterstützung für die Eltern, beispiels-
    weise wenn es um komplizierte Anträge geht; aber im
    Mittelpunkt steht das Kind . So ermöglichen wir Sport-
    oder Musikunterricht, organisieren Nachhilfe oder auch
    Sprachförderung, und das alles so unbürokratisch wie
    möglich und mit der Unterstützung eines breiten Netz-
    werks vor Ort . Dazu gehören Ämter, Kitas, Schulen, Eh-
    renamtliche, Sozialpartner usw .

    Dr. Silke Launert

    Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 201620848


    (A) (C)



    (B) (D)


    Unser Ansatz ist die Hilfe zur Selbsthilfe; denn das
    Ziel dieses Projekts besteht nicht nur darin, große und
    kleine Steine, die die gesellschaftliche Teilhabe behin-
    dern, aus dem Weg zu räumen – das kann zum Beispiel
    das erste Paar Sportschuhe sein –, sondern uns geht es
    auch darum, Kinder und Familien eine bestimmte Zeit zu
    begleiten, um sie im Hinblick auf ihre individuellen Fä-
    higkeiten zu stärken, damit dieses Wissen um die eigenen
    Stärken zum Fundament eines selbstbestimmten Lebens-
    wegs wird . Auch das ist Armutsprävention .


    (Beifall bei der SPD)


    Natürlich sind hier auch SGB-VIII-Leistungen wie die
    aufsuchenden Angebote Früher Hilfen, Erziehungsbe-
    ratung, Familienberatung und Jugendsozialarbeit ganz
    wichtige, wesentliche Elemente .

    Alle, die in der Kinder- und Jugendhilfe engagiert
    sind, wissen: Jeder Euro zählt . Umso wichtiger ist es,
    dass wir zielgerichtete Hilfsangebote schaffen und sie
    weiterentwickeln . Das funktioniert nicht starr mit Wei-
    sungen von oben nach unten, sondern nur gemeinsam mit
    den Kommunen und den Akteuren vor Ort .

    Ich danke Ihnen .


    (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)




Rede von Johannes Singhammer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Martin

Patzelt .


(Beifall bei der CDU/CSU)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Martin Patzelt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)


    Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste in un-

    serem Haus! Über die Relativität des Armutsbegriffes
    möchte ich mich nicht mehr äußern; das haben meine
    Vorredner zur Genüge getan .


    (Zuruf von der LINKEN: Aber nicht gut!)


    – Das ist Ihre Meinung . – Ich möchte auch nicht über
    die Armut an sich reden . Ich will aber bei all dem, was
    ich Ihnen jetzt sagen werde, betonen: Natürlich bin ich
    davon überzeugt, dass ein Minimum an materieller Aus-
    stattung nötig ist, um ein menschenwürdiges Leben zu
    führen – genau darüber entscheidet in Deutschland aber
    nicht nur der Bundestag, sondern auch das oberste Ge-
    richt –, und dieses Geld reicht nicht .

    Wenn Eltern im Rahmen ihrer persönlichen Möglich-
    keiten, der Angebote, die ihnen gemacht werden, und vor
    allen Dingen der Kompetenz, die sie haben, zusätzliche
    Hilfsangebote suchen und nutzen – ein Beispiel ist die
    Tafel –, dann geschieht das, weil sie die Grundleistun-
    gen, die sie bekommen, um leben zu können und das
    Frühstücksbrot für ihre Kinder finanzieren zu können,
    optimieren . Und wenn sie in Secondhandläden einkau-
    fen – auch einmal ein Paar teure Skier und Markenkla-
    motten –, dann tun sie das, weil sie ihr – zugegebenerma-
    ßen niedriges – Einkommen optimieren wollen . Daraus
    zu schließen, dass sie in lebensbedrohlicher Not sind, ist
    einfach falsch, sondern ihnen gelingt es, zu optimieren .

    Wissen Sie, wenn ich am Wochenende mal einkaufen
    gehe und an der Kasse im Supermarkt stehe und sehe,
    was mir bekannte Menschen – ich war einmal Bürger-
    meister der Stadt; man kennt sich – in ihren Einkaufskör-
    ben haben, dann überkommt mich bitter, dass sie das we-
    nige Geld, das sie haben, für Artikel ausgeben, die nicht
    nachhaltig sind, die bald kaputt sind und ihren Kindern
    nicht lange Freude machen werden .


    (Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Finden Sie das nicht zynisch?)


    Was will ich damit sagen? Ich will sagen, dass wir
    nicht nur eine Armut an materieller Ausstattung unserer
    Familien haben .


    (Dr . Rosemarie Hein [DIE LINKE]: Unglaublich!)


    Die haben wir; das ist unbestritten . Ich will nicht miss-
    verstanden werden . Meine Vorredner haben bereits da-
    rauf hingewiesen, was die Regierungskoalition und auch
    die CDU/CSU in den vergangenen Jahren, auch in den
    Jahren vor dieser Koalition, an wirklich entscheidenden
    und nachhaltigen finanziellen Förderungen auf den Weg
    gebracht haben . Finanzielle Förderung scheint immer
    das Einzige zu sein, was wir anzubieten haben, wenn es
    um Nöte in der Gesellschaft geht . Lassen Sie mich auf
    eine Armut hinweisen, die Kinder auch haben . Das ist
    die Armut an Selbstbewusstsein . Von Ihnen wird dann
    immer gleich gesagt: Ja, wenn sie mehr hätten, ein neues
    Handy oder eine bessere Schultasche und bessere Klei-
    dung, dann wäre ihr Selbstbewusstsein sofort aufgewer-
    tet . Aber, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das ist
    doch eine Spirale .


    (Zuruf der Abg . Katja Dörner [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


    In dem Moment, in dem sie das Neueste haben, haben
    die anderen schon wieder etwas Neueres . Das ist eine
    Spirale, die in die Irre führt, weil unsere Kinder diesem
    Trend – diesem Trend, dem wir alle mehr oder weniger
    folgen – immer nachlaufen werden .


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Es geht um das Glück von Kindern . Es geht nicht
    darum, immer mehr zu haben . Die Armutsgrenze wird
    sich doch ständig verändern . Warum haben wir wieder
    mehr Armut nach der Statistik? Weil das allgemeine
    Einkommen gestiegen ist . Immer wenn das allgemeine
    Einkommen steigt, wird natürlich sofort die Zahl der Ar-
    men größer, weil wir nicht schnell genug nachkommen,
    die entsprechenden Anpassungen der unterschiedlichen
    Leistungen im Parlament vorzunehmen .


    (Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt so nicht!)


    Dieser Zusammenhang ist von meinen Vorrednern deut-
    lich gemacht worden .

    Ich möchte den Kindern, für die ich auch als Mitglied
    des Familienausschusses Verantwortung habe – es sind
    die Kinder unseres Landes –, helfen, dass sie einen siche-
    ren Selbststand haben, einen Selbststand, der nicht nur
    davon abhängt, welche materielle Ausstattung sie haben .

    Ulrike Bahr

    Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 209 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 15 . Dezember 2016 20849


    (A) (C)



    (B) (D)


    Sie sollen Wissen erwerben können, sich kulturell enga-
    gieren können, konfliktfähig sein. Ich habe in den letz-
    ten Tagen in der Presse wieder gelesen, was auf unseren
    Schulhöfen los ist, dass immer mehr Sozialarbeiter und
    Psychologen eingestellt werden müssen, weil die Kinder
    in einer Weise miteinander umgehen, dass die Lehrer es
    nicht mehr schaffen, die Konflikte zu regeln.


    (Zuruf von der LINKEN: Warum ist das denn so?)


    Es geht um die Kompetenzen der Kinder, ihre Aus-
    stattung mit Empathie, die Erfahrungen, die sie in ihrem
    Leben machen, und ihre Lebensräume . Wie machen wir
    denn Urlaub? Wir packen sie in die Kiste und fahren
    Hunderte von Kilometern mit ihnen an einen Urlaubsort,
    statt den Nahraum um unseren Wohnort, unser Land zu
    erkunden . Ich kenne viele Kinder, die nicht einmal ihre
    nähere Heimat kennen . Wir glauben, wir müssen ihnen
    immer mehr und mehr geben, statt die Welt, in der sie
    leben, mit den Mitteln, die wir haben, auszugestalten .

    Ich sage das aus eigener Erfahrung . Ich habe mit Kol-
    legen im Vorgriff auf diese Debatte gesprochen . Ein Kol-
    lege sagte mir gestern: Ich war zwar arm; aber ich konnte
    mich wenigstens ausschlafen . – Ich komme jeden Tag mit
    der U-Bahn und sehe, wie die Mütter die Kinderwagen in
    die U- und S-Bahnen zwängen . Sie haben kaum Platz,
    auch wegen der vielen Fahrräder, und es ist kalt und nass .
    Dann denke ich: Ein reiches Land; aber die Kinder kön-
    nen nicht einmal ausschlafen . – Und wenn sich Frauen
    in dieser sensiblen Phase des Lebens entscheiden, die
    Infrastrukturangebote noch nicht wahrzunehmen und zu
    Hause zu bleiben, und die Fraktion von CDU/CSU sagt,
    diesen Frauen ein Betreuungsgeld zu zahlen, damit wir
    ihnen eine Anerkennung für diese gesellschaftliche Leis-
    tung geben, dann wird das ideologisch verfemt, dann ist
    das eine Herdprämie .


    (Zuruf von der LINKEN)


    – Ich sage das nicht aus parteipolitischen Gründen . Ich
    sage das, weil ich ernste Sorge habe, wenn wir weiter so
    mit unseren Kindern umgehen, wenn wir sie in einer sen-
    siblen Phase hemmungslos der öffentlichen Erziehung
    ausliefern, wenn wir sie nicht mehr ausstatten mit der
    Nähe von Eltern, die ihnen Märchen vorlesen, die noch
    nicht kaputt sind vom Karrierekampf und vom Kampf
    um noch mehr Geld, das sie verdienen können für ihre
    persönliche Entwicklung .

    Das alles ist wichtig und richtig; verstehen Sie mich
    nicht falsch . Aber wer sich für Kinder entscheidet, der
    muss wissen, dass diese Kinder die Eltern brauchen, dass
    sie Zeit mit ihnen brauchen, Empathie, Zuwendung und
    Zuhören .


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    Ich habe mich einmal damit beschäftigt, welche Jugend-
    lichen eigentlich in rechten und linken extremistischen
    Gruppen landen . Zum großen Teil sind das heimatlose
    junge Menschen, die eine Ersatzfamilie suchen und in
    dieser strengen und für uns alle fast unerträglichen wert-
    bildenden Gruppe dann ein Stück weit ein Ersatzzuhause
    finden. Warum ist das so? Weil sie dieses Zuhause in ih-
    rer Kindheit nicht erleben konnten, weil wir außenorien-

    tiert sind und sagen: Wir müssen mehr Knete machen!
    Wir müssen Karriere machen! – Wer sich für Kinder ent-
    scheidet, der sollte einberechnen, dass das für bestimmte
    Zeiten ein Stückchen Karriere kosten kann .

    Wir haben in unserem Parlament, in der Regierung
    und in der Wirtschaft viele Kinderreiche . Die Manage-
    rin der Berliner Verkehrsbetriebe hat, glaube ich, sieben
    Kinder .