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ID1820200000

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    Plenarprotokoll 18/202 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 202. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 23. November 2016 Inhalt: Tagesordnungspunkt I (Fortsetzung): a) Zweite Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haus- haltsjahr 2017 (Haushaltsgesetz 2017) Drucksachen 18/9200, 18/9202 . . . . . . . 20159 A b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Un- terrichtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2016 bis 2020 Drucksachen 18/9201, 18/9202, 18/9827 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20159 B I .9 Einzelplan 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzler- amt Drucksachen 18/9824, 18/9825 . . . . . . . 20159 B Dr . Sahra Wagenknecht (DIE LINKE) . . . . . . 20159 C Dr . Angela Merkel, Bundeskanzlerin . . . . . . . 20165 B Dr . Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20172 B Thomas Oppermann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 20175 D Volker Kauder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20179 C Thomas Jurk (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20182 B Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 20184 A Bettina Hagedorn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20186 D Antje Tillmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20188 C Dennis Rohde (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20190 A Rüdiger Kruse (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20192 A Sigrid Hupach (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 20193 D Marco Wanderwitz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 20194 D Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20196 B Martin Dörmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20197 D Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20199 B Hiltrud Lotze (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20200 B Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 20201 C Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20203 C I .10 Einzelplan 05 Auswärtiges Amt Drucksachen 18/9805, 18/9824 . . . . . . . 20201 D Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 20201 D Doris Barnett (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20206 A Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20208 A Alois Karl (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20209 A Dr . Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20211 B Stefan Liebich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 20213 C Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . . 20214 D Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20216 C Erika Steinbach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 20217 D Frank Schwabe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20218 D Dr . Bernd Fabritius (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 20219 D Karl-Heinz Wange (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 20221 B Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 202 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 23 . November 2016II I .11 Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Drucksachen 18/9813, 18/9824 . . . . . . . 20222 B Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 20222 C Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 20223 D Dr . Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20225 A Karin Evers-Meyer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 20226 D Dr . Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20228 C Christine Buchholz (DIE LINKE) . . . . . . . . . 20231 A Rainer Arnold (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20232 B Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20234 A Henning Otte (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 20234 D Gabi Weber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20237 A Ingo Gädechens (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 20238 A Heidtrud Henn (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20239 C I .12 Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftli- che Zusammenarbeit und Entwick- lung Drucksachen 18/9824, 18/9825 . . . . . . . 20240 B Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 20240 C Volkmar Klein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20241 D Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20243 B Axel Schäfer (Bochum) (SPD) . . . . . . . . . . . . 20244 C Dr . Gerd Müller, Bundesminister BMZ . . . . . 20245 D Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 20248 B Sonja Steffen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20249 C Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20250 D Jürgen Klimke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20252 A Gabi Weber (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20253 A Johannes Selle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20254 A Stefan Rebmann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20255 A Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20256 C Niema Movassat (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 20258 C Sibylle Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 20259 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20259 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 20261 A (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 202 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 23 . November 2016 20159 202. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 23. November 2016 Beginn: 9 .00 Uhr
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    Niema Movassat (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 202 . Sitzung . Berlin, Mittwoch, den 23 . November 2016 20261 Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Beck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 23 .11 .2016 Connemann, Gitta CDU/CSU 23 .11 .2016 De Ridder, Dr . Daniela SPD 23 .11 .2016 Gleicke, Iris SPD 23 .11 .2016 Gysi, Dr . Gregor DIE LINKE 23 .11 .2016 Heller, Uda CDU/CSU 23 .11 .2016 Hennrich, Michael CDU/CSU 23 .11 .2016 Hintze, Peter CDU/CSU 23 .11 .2016 Hirte, Dr . Heribert CDU/CSU 23 .11 .2016 Kofler, Dr. Bärbel SPD 23 .11 .2016 Kretschmer, Michael CDU/CSU 23 .11 .2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Marwitz, Hans-Georg von der CDU/CSU 23 .11 .2016 Möhring, Cornelia DIE LINKE 23 .11 .2016 Schimke, Jana CDU/CSU 23 .11 .2016 Schlecht, Michael DIE LINKE 23 .11 .2016 Schnieder, Patrick CDU/CSU 23 .11 .2016 Strebl, Matthäus CDU/CSU 23 .11 .2016 Tank, Azize DIE LINKE 23 .11 .2016 Timmermann-Fechter, Astrid CDU/CSU 23 .11 .2016 Wawzyniak, Halina DIE LINKE 23 .11 .2016 Zeulner, Emmi * CDU/CSU 23 .11 .2016 *aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 202. Sitzung Inhaltsverzeichnis EPL 04 Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt EPL 05 Auswärtiges Amt EPL 14 Verteidigung EPL 23 Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Anlage
Rede von Dr. Norbert Lammert
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

Die Sitzung ist eröffnet . Nehmen Sie bitte Platz .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie
herzlich . Wir setzen unsere Haushaltsberatungen – Ta-
gesordnungspunkt I – fort:

a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2017 (Haushaltsgesetz 2017)


Drucksachen 18/9200, 18/9202

b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus-
haltsausschusses (8 . Ausschuss) zu der Unter-
richtung durch die Bundesregierung

Finanzplan des Bundes 2016 bis 2020

Drucksachen 18/9201, 18/9202, 18/9827

Am Mittwoch der Haushaltswoche rufe ich wie immer
Tagesordnungspunkt I .9 auf:

Einzelplan 04
Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt

Drucksachen 18/9824, 18/9825

Berichterstatter sind die Abgeordneten Rüdiger Kruse,
Bernhard Schulte-Drüggelte, Johannes Kahrs, Gesine
Lötzsch, Tobias Lindner und Anja Hajduk .

Über diesen Einzelplan 04 werden wir später nament-
lich abstimmen .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 224 Minuten vorgesehen . Das sollte aus-
kömmlich sein, auch wenn dabei nicht jede Einzelheit des
Bundeshaushaltes vorgetragen werden kann und muss .
Ich bitte schon jetzt darum, dieses vereinbarte Zeitmaß
im Auge zu behalten . – Jedenfalls sehe ich gegen diese
Vereinbarung keinen Widerspruch . Also können wir so
verfahren .

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der
Kollegin Sahra Wagenknecht für die Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Sahra Wagenknecht


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DIE LINKE.)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)


    Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau

    Bundeskanzlerin! Es ist schon verblüffend, wie Politik
    manchmal funktioniert .


    (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)


    – Ich weiß gar nicht, was Sie daran so lustig finden. – In 
    Deutschland wachsen soziale Ungleichheit und Verunsi-
    cherung und mit ihnen die Zahl der Wählerstimmen der
    AfD .


    (Manfred Grund [CDU/CSU]: Gleich im ersten Satz! – Michael Grosse-Brömer [CDU/ CSU]: Kaufen Sie sich doch mal eine neue Platte! Die ist kaputt!)


    In Europa ist die deutsche Regierung so isoliert wie lange
    nicht mehr .


    (Manfred Grund [CDU/CSU]: Der zweite Satz ist auch nicht besser!)


    Als bevorzugten Partner hat sich die Kanzlerin ausge-
    rechnet einen türkischen Diktator ausgesucht, der Jour-
    nalisten und Oppositionelle ins Gefängnis werfen lässt
    und die Todesstrafe großartig findet.


    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


    Trotz allem scheint sich die CDU/CSU – das zeigt Ihre
    wunderbare Stimmung heute – auf ein Weiter-so mit die-
    ser Kanzlerin, mit Frau Merkel, allen Ernstes zu freuen .


    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)


    Ich kann nur sagen: Die Menschen in diesem Land kön-
    nen sich darauf nicht freuen . Ich sage Ihnen deswegen
    auch: Dazu wird es nicht kommen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Angesichts Ihres Verhaltens fällt einem wirklich nur
    noch der Satz von Albert Einstein ein:

    Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim
    Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich
    etwas ändert .






    (A) (C)



    (B) (D)


    Am Ende ändert sich dann doch meistens etwas, aber
    vielleicht anders als erhofft .


    (Volker Kauder [CDU/CSU]: Bei Ihnen ändert sich gar nichts! Sie sind knallrot von oben bis unten! – Gegenruf der Abg . Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ruhe da drüben!)


    In den USA hat die Führung der Demokraten den
    Hoffnungsträger Bernie Sanders verhindert,


    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


    um dann mit einer Kandidatin des Establishments, die im
    Grunde all das verkörpert,


    (Max Straubinger [CDU/CSU]: Wir sind in Deutschland!)


    was die Menschen an der Demokratie verzweifeln lässt,
    Donald Trump den Weg ins Weiße Haus zu ebnen . Das
    sollte nicht nur der SPD zu denken geben, sondern na-
    türlich auch der CDU, die immerhin auch schon Kanzler
    hatte, die den Unterschied zwischen einer Demokratie
    und einer Oligarchie, einer Reichtumsherrschaft, noch
    ganz gut kannten .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wohlstand für alle, Frau Merkel – es wäre nett, wenn
    Sie mir zuhören könnten –: Damit war anderes gemeint
    als die marktkonforme Verwaltung eines globalisierten
    Raubtierkapitalismus, der die Mittelschicht zerstört und
    diese Gesellschaft immer tiefer sozial spaltet .


    (Beifall bei der LINKEN)


    In der alten CDU übrigens wäre eine Situation, in der
    man sogar gemeinsam mit der SPD nicht einmal mehr
    die Hälfte der Wählerinnen und Wähler erreicht, noch
    komplett unvorstellbar gewesen .


    (Ulli Nissen [SPD]: Und was ist mit dem Wahlergebnis der Linken gewesen?)


    Aber damals wusste auch die SPD noch, dass Arbei-
    terparteien nicht dafür gegründet worden waren, ihre
    Minister an zahlungskräftige Wirtschaftslobbyisten zu
    vermieten und denen dann die Wünsche von den Augen
    abzulesen,


    (Beifall bei der LINKEN – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Das ist eine Blamage!)


    mögen sie nun Senkung der Lohnkosten oder CETA hei-
    ßen .

    Und Sie machen weiter, als wäre nichts passiert . Als
    untrügliches Signal des großkoalitionären Weiter-so
    schlagen Sie uns jetzt also gemeinsam Frank-Walter
    Steinmeier für das Amt des nächsten Bundespräsidenten
    vor .


    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


    Hätten  wir  mit  der  Kandidatur  des  profilierten  Agen-
    da-Kritikers Christoph Butterwegge nicht noch ein biss-
    chen  Frischluft  in  Ihren  muffigen  Konsens  gebracht, 

    dann hätten Sie die Bundesversammlung auch gleich
    ganz absagen können .


    (Beifall bei der LINKEN – Michael GrosseBrömer [CDU/CSU]: Frischluft? Der Sozialismus von gestern!)


    Es sind doch genau solche Wahlen, bei denen es nichts
    mehr zu entscheiden gibt, die die Menschen an der De-
    mokratie verzweifeln lassen und


    (Thomas Oppermann [SPD]: Glauben Sie nicht an Ihren eigenen Kandidaten?)


    die auch demokratische Entscheidungen zu einer Farce
    machen .

    Als die Briten im Juni für den Ausstieg aus der EU vo-
    tierten, waren Sie alle geschockt, um dann mit doppelter
    Energie das Konzernschutzabkommen CETA in der EU
    durchzuboxen . Klasse gemacht! Beim nächsten Exit-Re-
    ferendum haben die Befürworter ein Argument mehr auf
    ihrer Seite .


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    Als vor zwei Wochen die US-Bürger für Trump statt
    für Ihre gemeinsame Favoritin Clinton stimmten, waren
    Sie wieder alle geschockt .


    (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Für wen waren Sie denn?)


    Aber Ihre einzige Schlussfolgerung scheint zu sein, jetzt
    einen europäischen Hochrüstungswettlauf zu starten .
    Glauben Sie wirklich, das ist es, worauf die Millionen
    Abstiegsgefährdeten in Europa und die verlorene Gene-
    ration in den Krisenländern gewartet haben? Offenbar
    hat selbst ein Donald Trump wirtschaftspolitisch mehr
    drauf als Sie .


    (Lachen bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD – Zuruf von der SPD: Der neue Rassismus!)


    Denn immerhin hat der Mann begriffen,


    (Thomas Oppermann [SPD]: Neuer Bündnispartner!)


    dass staatliche Industriepolitik besser ist als billige
    Dienstleistungsjobs und dass gegen Krise und marode In-
    frastruktur nicht Kürzungspolitik hilft, sondern ein groß
    angelegtes öffentliches Investitionsprogramm .


    (Beifall bei der LINKEN – Thomas Jurk [SPD]: Vor 27 Jahren ist das in der DDR zusammengebrochen! – Thomas Oppermann [SPD]: Sie haben jetzt den richtigen Partner gefunden!)


    Weil schon die Ankündigung dieses Programms zu
    höheren Zinsen in den USA geführt hat, wird Europa un-
    ter Ihrer Führung wohl lieber mit seinem Geld neue Brü-
    cken und moderne Netze  in den USA finanzieren,  statt 
    den Niedergang der europäischen Infrastruktur endlich
    zu stoppen und Industriearbeitsplätze auch in Frankreich
    und Italien zu verteidigen und zu retten . Aber merken Sie
    denn gar nicht, dass es genau diese fatale Politik ist, die
    Europa spaltet und immer mehr kaputtgehen lässt?

    Dr. Sahra Wagenknecht






    (A) (C)



    (B) (D)


    Sollte im nächsten Jahr tatsächlich Marine Le Pen
    französische Präsidentin werden, dann werden Sie wie-
    der alle geschockt sein, und wahrscheinlich beklagen Sie
    dann wieder die Verführungsmacht geschickter Popu-
    listen und das Zeitalter des Postfaktischen . Aber wenn
    etwas postfaktisch ist, dann sind das nicht die Emotio-
    nen der Menschen, die sich von Ihrer Politik im Stich ge-
    lassen fühlen, sondern die Lügenmärchen, die Sie ihnen
    erzählen, um zu begründen, dass diese Politik angeblich
    alternativlos ist .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ist es denn wirklich so schwer zu verstehen? Die
    US-Bürger haben doch gar nicht in erster Linie den Mil-
    liardär Donald Trump gewählt .


    (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Was Sie alles wissen!)


    Sie haben das Weiter-so abgewählt, und dafür hatten sie
    in einem Land, wo die mittleren Löhne heute unter dem
    Niveau der 80er-Jahre liegen, natürlich allen Grund .


    (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau! Sie haben eine enge Beziehung zu den USA, oder?)


    Auch in Deutschland haben immer mehr Menschen gute
    Gründe, enttäuscht und wütend zu sein: über eine groß-
    koalitionäre Einheitspolitik, die sich für ihre elementaren
    Lebensinteressen und Zukunftsängste überhaupt nicht
    mehr interessiert,


    (Thomas Jurk [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! Das ist Quatsch!)


    sondern gleichgültig und emotionslos immer wieder Ent-
    scheidungen fällt, die die Reichen noch reicher, die Kon-
    zerne noch unverschämter und das Leben der arbeitenden
    Mitte und der Ärmeren noch unsicherer und prekärer ma-
    chen. Ich finde, eine solche Politik ist unglaublich und sie 
    ist verantwortungslos .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Gucken Sie sich doch an, wie sich dieses Land in den
    letzten 20 Jahren verändert hat! Trotz boomender Export-
    wirtschaft und trotz Wirtschaftswachstum lebt heute in
    Deutschland jeder sechste Rentner in Armut und muss
    sich um seine Lebensleistung betrogen fühlen .


    (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: 2,5 Prozent der Rentner kriegen Grundsicherung! Informieren Sie sich doch mal! So ein Unsinn, den Sie hier erzählen! – Volker Kauder [CDU/CSU]: So viel zu Rot-Rot-Grün!)


    Immer mehr Kinder beginnen ihr Leben mit der Grund-
    erfahrung, dass sie von der schönen bunten Welt ausge-
    schlossen sind und dass ihnen das Leben viel weniger
    bieten wird als anderen . Millionen Arbeitnehmer werden
    in Leiharbeit, Werkverträgen und Dauerbefristungen zu
    Beschäftigten zweiter Klasse degradiert . Diejenigen,
    deren Löhne kein Tarifvertrag mehr regelt – das ist in-
    zwischen jeder zweite –, verdienen heute 18 Prozent we-
    niger als im Jahr 2000 . Diesen Menschen erzählen Sie,
    Deutschland gehe es gut, und sie sollen sich freuen über

    Ihre erfolgreiche Politik . Das ist doch der blanke Hohn,
    was Sie da machen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Sie erzählen ihnen, die Agenda 2010 habe ein Jobwun-
    der ausgelöst . Ja, wir hatten in Deutschland einmal
    5 Millionen Arbeitslose . Heute bekommen nur noch
    800 000 Menschen Arbeitslosengeld . Aber dafür gibt es
    4,3 Millionen erwerbsfähige Hartz-IV-Empfänger, die
    alle arbeiten möchten, teilweise sogar Arbeit haben, teil-
    weise sogar Vollzeit arbeiten und trotzdem von staatli-
    chen Lohnersatzleistungen abhängig bleiben . Das macht
    in der Summe noch immer 5,1 Millionen Menschen . Was
    ist das denn für ein Fortschritt?


    (Beifall bei der LINKEN)


    Die CDU einschließlich der Kanzlerin sollte aufhö-
    ren, die Agenda 2010 als Erfolgsmodell zu preisen,
    und sollte endlich wieder ein humanes Arbeitsrecht
    in Deutschland durchsetzen, wenn sie einen deut-
    schen Donald Trump verhindern will .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Diesen weisen Satz hat Ihnen in der letzten Woche Ihr
    ehemaliger Generalsekretär Heiner Geißler zugerufen .
    Wenn diese Mahnung schon bei der CDU/CSU auf taube
    Ohren stößt: Müssen Sie, liebe Kolleginnen und Kolle-
    gen von der SPD, nicht zumindest in Ihren Stühlen ver-
    sinken, wenn Sie merken, dass ein ehemaliger CDU-Ge-
    neralsekretär, der sich treu geblieben ist, inzwischen weit
    links von Ihnen steht? Gleichen Lohn für gleiche Arbeit
    hat die SPD bei der letzten Wahl versprochen . Und was
    haben Sie gemacht? Ein Gesetz, das es Daimler, BMW
    und Co . in Zukunft sogar erleichtert, reguläre Jobs dauer-
    haft durch Leiharbeit zu ersetzen oder an Werkvertrags-
    unternehmen auszulagern . Das ist doch schäbig . Ihnen
    glaubt doch niemand irgendetwas, wenn Sie solche Po-
    litik machen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Wie viele selbst von denjenigen in Deutschland, die
    sich all das noch leisten können, was für andere bereits
    zum unerschwinglichen Luxus geworden ist – eine gute
    Ausbildung der Kinder, private Vorsorge für das Alter,
    Urlaubsreisen, Wohneigentum –, leben in der ständigen
    Angst, nach der nächsten Betriebsverlagerung auch zu
    den Verlierern zu gehören oder eiskalt aussortiert zu wer-
    den, wenn sie krank werden oder wenn sie nicht mehr
    ständig Höchstleistungen erbringen können? Der Ameri-
    can Dream ist längst auch bei uns ausgeträumt . Wer au-
    ßerhalb der Oberschicht glaubt denn heute noch, dass es
    den Kindern einmal besser gehen wird als ihren Eltern?
    Die meisten erleben das Gegenteil . Das ist nicht Ergeb-
    nis einer Naturgewalt namens Globalisierung, sondern
    Ergebnis politischer Entscheidungen .

    Auch Ihre Legende, rabiate Rentenkürzungen seien
    notwendig, um die junge Generation vor zu hohen Be-
    lastungen zu bewahren, passt bestens in das Zeitalter des
    Postfaktischen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Dr. Sahra Wagenknecht






    (A) (C)



    (B) (D)


    Rechnen wir doch einmal nach . Der aktuelle Beitrags-
    satz in der gesetzlichen Rentenversicherung liegt bei
    18,7 Prozent, hälftig gezahlt von Unternehmen und Be-
    schäftigten . Zusätzlich sollen die Beschäftigten 4 Prozent
    ihres Einkommens in einen jener sinnlosen Riester-Ver-
    träge versenken, von denen inzwischen jeder weiß, dass
    sie nur Banken und Versicherungen reich machen . Aber
    wer glaubte, die Maschmeyer-Kumpel Schröder und
    Riester seien schon der Tiefpunkt gewesen, dem beweist
    Frau Nahles, dass es noch schlimmer geht .


    (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Die Gewerkschaften  finden  das  gut! Reden Sie mal  mit denen!)


    Ich rede von ihren Plänen für eine sogenannte Betriebs-
    rente, die genauso wie die Riester-Rente allein von den
    Beschäftigten gezahlt werden soll und die sich von den
    unsäglichen Riester-Produkten eigentlich nur in einem
    einzigen Punkt unterscheidet: Bei Riester mussten die
    Anbieter zumindest noch den Erhalt der eingezahlten
    Beiträge garantieren . Die Betriebsrente subventioniert
    der Staat auch dann, wenn das volle Verlustrisiko auf den
    künftigen Rentner abgewälzt wird .

    Wenn wir zusammenzählen, dann laufen die Renten-
    pläne der Großen Koalition darauf hinaus, dass Arbeit-
    nehmer in Zukunft bis zu 20 Prozent ihres Einkommens
    für die Altersvorsorge aufwenden sollen, um damit Ren-
    tenansprüche zu erwerben, die sich, anders als die Um-
    lagerente, bei der nächsten großen Finanzkrise in heiße
    Luft  auflösen  können.  Das  dann  noch  als  Entlastung 
    der jungen Generation zu verkaufen – darauf muss man
    wirklich erst einmal kommen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Dabei brauchen Sie nur über die bayerischen Alpen
    hinauszuschauen, um zu sehen, wie es vielleicht besser
    geht und wie man eine Rentenreform vernünftig machen
    kann . Nachdem in Österreich Rentenkürzungen à la Ries-
    ter am Widerstand der Gewerkschaften gescheitert sind,


    (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


    hat man eben die gesetzliche Rente zukunftsfest ge-
    macht . Das heißt, es gibt heute einen einheitlichen Topf,
    in den alle einzahlen, auch Selbstständige und Beamte .
    Der Beitragssatz liegt bei 22,8 Prozent, allerdings zah-
    len die Unternehmen mehr als die Beschäftigten . Die-
    ses System finanziert  für  langjährig Versicherte Renten 
    von 1 800 Euro im Monat; die Mindestrente beträgt
    1 030 Euro .

    Und Sie muten Menschen, die ihr Leben lang hart ge-
    arbeitet haben, Armutsrenten von 1 000 Euro und weni-
    ger zu . Das sind 800 Euro weniger als in Österreich . Das
    ist doch unglaublich . Stoppen Sie endlich diese verant-
    wortungslose Rentenpolitik, die millionenfache Altersar-
    mut produziert!


    (Beifall bei der LINKEN)


    Bei der Krankenversicherung ist es genau das Glei-
    che . Seit Ende der hälftigen Finanzierung steigt der Zu-
    satzbeitrag der Arbeitnehmer . Er steigt auch deshalb,
    weil der Pauschalbeitrag, den der Bund an die Kassen
    für Hartz-IV-Bezieher überweist, die realen Kosten nicht

    deckt . Das heißt, je mehr Hartz-IV-Empfänger – Sie wis-
    sen, dass die meisten Flüchtlinge ab dem nächsten Jahr
    Hartz IV bekommen werden –, desto teurer wird es für
    den Postzusteller und die Aldi-Kassiererin, während der
    privat versicherte Chef von ihnen und natürlich auch die
    Konzerne, bei denen sie arbeiten, von der Finanzierung
    von solchen gesellschaftlichen Aufgaben komplett ver-
    schont werden . Das ist doch ein Skandal . Wenn man sich
    diese Politik anschaut, dann muss man fast schon den
    Verdacht haben, dass Sie einen geheimen Werbevertrag
    mit der AfD abgeschlossen haben . Es ist doch unglaub-
    lich, was Sie machen .


    (Beifall bei der LINKEN – Sören Bartol [SPD]: Postboten gegen Flüchtlinge ausspielen: Das ist doch widerlich!)


    Es ging also bei den Krankenkassen wie bei der Zer-
    schlagung der Rente nie um etwas anderes als um die
    Senkung der Lohnkosten und die Steigerung der Unter-
    nehmensgewinne . Von wegen, mit den Gewinnen stei-
    gen auch die Investitionen . Wissen Sie, wie hoch die
    Reinvestitionsquote deutscher Industrieunternehmen im
    Inland heute ist? 5 Prozent . Das heißt, 95 Prozent der
    Gewinne, die sie durch Ihre Politik so erfolgreich erhöht
    haben, werden an die Eigentümer ausgeschüttet, in Fi-
    nanzanlagen geparkt oder eben für Investitionen im Aus-
    land genutzt . Trotzdem verzichten Sie bis heute darauf,
    wieder einen größeren Teil der Unternehmensgewinne
    zur Finanzierung des Sozialstaates heranzuziehen . Wir
    halten das für völlig unverantwortlich .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Aus allen wichtigen Bereichen, in denen er früher dem
    Leben der Menschen Stabilität und Sicherheit gegeben
    hat, hat sich der Staat zurückgezogen . Nicht nur die So-
    zialversicherungen wurden demoliert, auch kommunale
    Wohnungen wurden privaten Renditejägern auf dem Sil-
    bertablett serviert, genau wie Krankenhäuser und Pflege-
    einrichtungen . Weil es sich nicht rechnet, fährt zu kleinen
    Orten kein Bus mehr, und der nächste Arzt ist meilenweit
    entfernt .

    Auch der jahrelange Personalabbau bei der Polizei
    hat ganze Wohnviertel zu nächtlichen No-go-Areas ge-
    macht . In den baufälligen Schulen dieser Viertel werden
    von überlasteten Lehrern auch nicht die hochqualifizier-
    ten Fachkräfte der Zukunft ausgebildet, sondern junge
    Menschen, von denen viele im Leben nie eine Chance
    bekommen werden, weil das chronisch unterfinanzierte 
    Bildungssystem dieses reichen Landes noch nicht einmal
    in der Lage ist, ihnen elementare Lese-, Schreib- und
    Rechenfähigkeiten beizubringen . 21 Milliarden Euro
    weniger als der Durchschnitt der OECD-Staaten gibt
    Deutschland jährlich für seine Schulen und Universitäten
    aus . Was für ein Armutszeugnis, Frau Merkel .


    (Beifall bei der LINKEN – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Unerträglich!)


    Sagen Sie jetzt nicht: Bildung ist doch Ländersa-
    che . – Es ist Ihr steuerpolitisches Wohlfühlprogramm für
    Konzerne und Superreiche, das die Verantwortung dafür
    trägt, dass viele Länder und Kommunen ihre Aufgaben
    überhaupt nicht mehr erfüllen können . Sie feiern sich

    Dr. Sahra Wagenknecht






    (A) (C)



    (B) (D)


    für Ihre schwarze Null . – Wissen Sie überhaupt, wie die
    Realität in vielen armen Städten und Gemeinden dieses
    Landes aussieht?


    (Max Straubinger [CDU/CSU]: Es wäre gut, wenn Sie die Realität mal aufnehmen würden!)


    Dort hat Ihre Kombination aus staatlicher Reichtumspfle-
    ge und „Wir schaffen das!“ dramatische Folgen . Wegen
    der zusätzlichen Aufgaben ist die Verschuldung vieler
    Städte und Gemeinden im letzten Jahr weiter gewachsen,
    gerade auch in Nordrhein-Westfalen .


    (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Nordrhein-Westfalen! Rot-Grün!)


    Überschuldete Gemeinden können ihren Bürgern immer
    weniger bieten: keine ordentlichen Kitas, keine Biblio-
    thek, kein Zuschuss zum Kulturverein oder auch zum
    Sportverein . In Gelsenkirchen, wo 40 Prozent aller Kin-
    der in Hartz-IV-Familien aufwachsen, werden gerade
    mehrere Schwimmbäder geschlossen . Im überschuldeten
    Duisburg muss in den nächsten Jahren jede achte Stel-
    le gestrichen werden, also noch weniger Erzieherinnen,
    noch weniger Personal an Krankenhäusern .

    Ihre tollkühnen Privatisierungspläne gehen immer
    weiter . Jetzt sollen sogar die Autobahnen, die die Men-
    schen mit ihren Steuern bezahlt haben, über sogenannte
    öffentlich-private Partnerschaften an Finanzinvestoren
    verscherbelt werden . Sind Sie denn von allen guten Geis-
    tern verlassen?


    (Beifall bei der LINKEN)


    „Der einfache Bürger kämpft um das Überleben,


    (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU und der SPD)


    während die Profiteure, die reiche Oberschicht, sich nicht 
    um uns kümmern“,


    (Thomas Oppermann [SPD]: Sagen Sie mal was über die Eliten!)


    schrieb mir vor kurzem eine 31-jährige Hochschulabsol-
    ventin, die heute bei Air Berlin als Flugbegleiterin arbei-
    tet und selbst um diesen Job jetzt bangen muss .


    (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Sie sollten aufhören, dieses Land schlechtzureden!)


    „Wo ist denn die Lebensqualität geblieben, die jedem
    Menschen zusteht?“, fragt sie in ihrer Mail . „Anstatt
    das Leben zu genießen, ist man ständig darauf bedacht,
    seine Arbeit nicht zu verlieren, denn in diesem heutigen
    Deutschland gibt es keine Garantien und keine Sicher-
    heiten mehr .“ So weit eine junge, 31-jährige Frau, die ein
    Hochschulstudium absolviert hat .

    Ein mittelständischer Unternehmer schildert mir in ei-
    ner Mail, wie ihm große Konzerne unter Ausnutzung ih-
    rer Marktmacht die Luft zum Atmen nehmen . Er schreibt:
    „Als Kind italienischer Einwanderer bin ich hier geboren
    und aufgewachsen, habe also Deutschland in einer Zeit

    erlebt, als noch alles möglich war mit ehrlicher Arbeit .
    Heute ist das anders .


    (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Mein Gott! Tante Sahras Märchenstunde!)


    In einem konzerngesteuerten Land, wie wir es heute ha-
    ben, gibt es keine Demokratie .“


    (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


    – Das ist das Zitat aus der Mail eines Bürgers . Ich muss
    sagen: Wie Sie reagieren, wenn man hier Stimmen von
    Bürgerinnen und Bürgern vorträgt, das zeigt die ganze
    Arroganz Ihrer Politik .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Da müssen Sie sich nicht wundern, dass Ihnen immer die
    Wähler weglaufen .

    Ich muss auch sagen: Wie erklären Sie einem ums
    Überleben kämpfenden Mittelständler, dass er für je-
    den Euro Gewinn mindestens 30 Prozent Steuern zahlen
    muss,


    (Max Straubinger [CDU/CSU]: Bei euch müsste er 50 Prozent Steuern zahlen!)


    während Konzerne wie Google, Apple und Facebook in
    Europa mit Steuersätzen von 0,005 Prozent verwöhnt
    werden? Oder wie erklären Sie einem hart arbeitenden
    Beschäftigten, dass schon ab einem Einkommen von
    1 140 Euro ein Steuersatz von 24 Prozent fällig wird,
    während es die schwerreichen Erben von Milliardenver-
    mögen nach Auffassung der Großen Koalition offenbar
    komplett überfordern würde, auch nur einen einzigen
    Euro Erbschaftsteuer zu zahlen?


    (Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Das stimmt doch alles gar nicht!)


    Oder wie erklären Sie es einem Kleinsparer, der sein
    mühsam Erspartes durch Bankgebühren und Niedrig-
    zinsen wegschmelzen sieht, dass das Vermögen der
    500 Reichsten in Deutschland jedes Jahr um 9 bis 10 Pro-
    zent steigt und inzwischen den irren Betrag von 723 Mil-
    liarden Euro erreicht hat? Oder wie erklären Sie einer al-
    leinerziehenden Hartz-IV-Empfängerin, dass von ihr bei
    sogenanntem sozialwidrigem Verhalten – das liegt schon
    vor, wenn sie ein kleines Geldgeschenk für ihr Kind nicht
    angemeldet hat – neuerdings drei Jahre rückwirkend alle
    Leistungen zurückgefordert werden können, während
    zum Beispiel das Management der Deutschen Bank, das
    allein seit 2009 Boni in Höhe von 24 Milliarden Euro
    eingestrichen hat, nie Gefahr läuft, auch nur einen Euro
    zurückgeben zu müssen, egal wie sozialwidrig oder auch
    kriminell das Geschäftsmodell dieser Bank ist oder ob sie
    dadurch irgendwann wieder in so viele Schwierigkeiten
    kommt, dass sie beim Staat wieder die Hand aufhalten
    muss? Sie können das alles gar nicht erklären, weil es
    dafür keine objektiven Gründe gibt . Die einzige Erklä-
    rung ist Ihr fehlender Mut, sich mit den wirtschaftlich
    Mächtigen anzulegen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Natürlich ist das alles nicht alternativlos . Natürlich
    kann man auch die Riesenvermögen der Multimillionäre

    Dr. Sahra Wagenknecht






    (A) (C)



    (B) (D)


    besteuern, statt Städte und Gemeinden am langen Arm
    verhungern zu lassen . Natürlich kann man Patent- und
    Lizenzgebühren, die nur dazu dienen, Konzerngewinne
    in Steueroasen zu verschieben, einfach nicht mehr als
    gewinnmindernd anerkennen, und dann sind die ganzen
    Steuertricks der Multis erledigt . Das können Sie hier in
    Deutschland beschließen . Dafür brauchen Sie noch nicht
    einmal die EU .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Natürlich kann man den Sozialstaat wiederherstel-
    len und ein ordentliches Arbeitsrecht schaffen, das die
    Beschäftigten schützt und die Verhandlungsmacht der
    Gewerkschaften stärkt . Natürlich kann man schlicht po-
    litisches Rückgrat haben und sich den eiskalten Rendite-
    kalkülen globaler Konzerne entgegenstellen, statt ihnen
    die Beschäftigten schutzlos und wehrlos auszuliefern .

    Aber wer das alles nicht tut, der sollte dann auch auf-
    hören, sich den Trumps und Le Pens dieser Welt mora-
    lisch überlegen zu fühlen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Das sind Sie nicht .


    (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ihre Rede fördert die! Unfassbar! Populisten unter sich!)


    Denn es ist Ihre gemeinsame Politik, die die Rechte in-
    zwischen auch in Deutschland stark gemacht hat .

    Sie, Frau Bundeskanzlerin, haben Herrn Trump nach
    seiner Wahl zur Anerkennung von Demokratie, Freiheit
    und Respekt vor dem Recht und der Würde des Men-
    schen aufgefordert . Ganz abgesehen davon, dass wir uns
    ähnlich deutliche Worte an die Adresse Ihres türkischen
    Freundes Erdogan auch einmal gewünscht hätten:


    (Beifall bei der LINKEN)


    Bedurfte es wirklich eines Donald Trump, um zu verste-
    hen, dass es um Demokratie, Freiheit und Menschenwür-
    de in der westlichen Welt nicht mehr gut bestellt ist?

    Der frühere US-Präsident Jimmy Carter hat die USA
    schon vor Jahren eine „Oligarchie mit unbegrenzter po-
    litischer Korruption“ genannt . Dass eine Supermacht,
    die mit ihren völkerrechtswidrigen Ölkriegen und ihren
    Drohnenmorden ganze Regionen dieser Welt chaotisiert
    und islamistische Terrorbanden damit so gestärkt hat,
    dass die als Vorkämpferin für Demokratie und Freiheit
    ausfällt, das hätte man, glaube ich, auch vor Trump schon
    begreifen können .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Aber der entfesselte Globalkapitalismus ist überall
    mit Demokratie und Menschenwürde unvereinbar, auch
    in Europa . Auch die Kriege, an denen sich europäische
    Staaten beteiligt haben, haben noch keinem Land De-
    mokratie und Freiheit gebracht . Im Gegenteil: Sie haben
    Hunderttausenden Zivilisten den Tod gebracht und Milli-
    onen aus ihrer Heimat vertrieben .

    Es war wirklich ein Fortschritt, als mit Blick auf die
    russischen Bombardements in Aleppo plötzlich sogar
    die  Bundesregierung  anfing,  von  den  Verbrechen  des 

    Krieges, von zerstörten Krankenhäusern und Schulen zu
    sprechen . Aber was ist mit all den zerstörten Kranken-
    häusern und Schulen dort, wo sich Deutschland und sei-
    ne Verbündeten an Kriegen beteiligt haben? Glauben Sie
    wirklich, dass es für das von einer Bombe zerfetzte Kind
    einen Unterschied macht, ob diese Bombe von einem
    russischen Flieger oder im Namen der westlichen Werte-
    gemeinschaft abgeworfen wurde? Wir glauben das nicht .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Deshalb fordern wir Sie auf: Geben Sie nicht noch
    mehr Geld für Rüstung aus . Bereiten Sie nicht noch mehr
    Krieg vor, sondern treten Sie aus der militärischen Infra-
    struktur der US-dominierten NATO aus, und holen Sie
    die Bundeswehr aus ihren Einsätzen zurück .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Deutschland wird nicht in Afghanistan, nicht in Syrien
    und auch nicht in Mali verteidigt . All diese Kriege ha-
    ben den islamistischen Terror doch nur gestärkt und ihn
    letztlich sogar nach Deutschland geholt . Ein Ende dieser
    Kriegsbeteiligungen wäre wirklich das Beste, was Sie
    für die Sicherheit der Menschen, auch hier im Land, tun
    könnten .


    (Beifall bei der LINKEN)


    Ein Wort noch zur CSU . Die CSU hat auf ihrem letz-
    ten Parteitag den erfrischenden Vorschlag gemacht, dass
    man den radikalisierten politischen Islam bekämpfen
    sollte. Auch wir finden es überfällig, dass dschihadisti-
    sche Rekrutierungsvereine in Deutschland endlich ver-
    boten werden . Aber wo hat denn der politische Islam
    seine wichtigste Basis? Das sind doch die islamistischen
    Kopf-ab-Diktaturen am Golf, die terroristische Mörder-
    banden weltweit finanzieren und hochrüsten. Es ist nach 
    eigenen Erkenntnissen der Bundesregierung auch die
    Türkei, die eine Schlüsselrolle bei der Organisierung und
    Bewaffnung von Terrormilizen  spielt. Da finden wir es 
    schon erstaunlich, dass es die christlich-sozialen Antiis-
    lamkämpfer aus Bayern offenbar überhaupt nicht stört,
    dass ausgerechnet die Türkei im ersten Halbjahr 2016
    von Platz 25 auf Platz 8 der Bestimmungsländer deut-
    scher Rüstungsexporte hochgerückt ist und dass auch
    Saudi-Arabien und Katar heute mit mehr deutschen Waf-
    fen beliefert werden als je zuvor . Was ist denn das für
    eine wahnwitzige Politik?


    (Beifall bei der LINKEN)


    Da muss ich Ihnen sagen: Wenn Sie den politischen Is-
    lam bekämpfen wollen – hier ist ein lohnendes Betäti-
    gungsfeld –, dann setzen Sie sich endlich gemeinsam mit
    uns dafür ein, Rüstungsexporte in islamistische Diktatu-
    ren sowie in Kriegs- und Spannungsgebiete zu verbieten .
    Das wäre überfällig . Damit würden Sie sich tatsächlich
    darum verdient machen .


    (Beifall bei der LINKEN)


    In seinem Buch Rückkehr nach Reims schreibt der
    französische Schriftsteller Didier Eribon über die Ursa-
    chen für den Aufstieg der französischen Rechten etwas,
    was sich meines Erachtens eins zu eins auf Deutschland
    übertragen lässt . Ich zitiere ihn:

    Dr. Sahra Wagenknecht






    (A) (C)



    (B) (D)


    So widersprüchlich es klingen mag, bin ich mir doch
    sicher, dass man die Zustimmung zum Front Natio-
    nal . . . als eine Art politische Notwehr der unteren
    Schichten interpretieren muss . Sie versuchten, ihre
    kollektive Identität zu verteidigen, oder jedenfalls
    eine Würde, die seit je mit Füßen getreten worden
    ist und . . . sogar von denen missachtet wurde, die sie
    zuvor repräsentiert und verteidigt hatten .


    (Dr . Peter Tauber [CDU/CSU]: Klingt wie einer von der AfD!)


    – Wenn Sie Eribon in die Nähe der AfD rücken, beweisen
    Sie damit wirklich Ihr Bildungsniveau; es tut mir leid .
    Das ist wirklich unglaublich .


    (Beifall bei der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Das, was Sie vorlesen! Schlecht vorgelesen!)


    Sehr geehrte Damen und Herren, auch bei uns wird die
    Demokratie nur eine Zukunft haben, wenn die Menschen
    wieder das Gefühl bekommen, dass ihre Würde und ihre
    elementaren Lebensbedürfnisse von der Politik geach-
    tet und anerkannt werden und sie wichtiger sind als die
    Wunschlisten irgendwelcher Wirtschaftslobbyisten . Neh-
    men Sie das endlich ernst, wenn Sie nicht irgendwann da-
    für verantwortlich sein wollen, einem deutschen Donald
    Trump den Weg ins Kanzleramt geebnet zu haben .


    (Lebhafter Beifall bei der LINKEN – Thomas Oppermann [SPD]: Da arbeiten Sie doch dran! – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Eigentlich fast traurig!)