Markus Paschke
        (A) (C)
        (B) (D)
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2016 20043
        Anlagen zum Stenografischen Bericht
        Anlage 1
        Liste der entschuldigten Abgeordneten
        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        11.11.2016
        Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        11.11.2016
        Auernhammer, Artur CDU/CSU 11.11.2016
        Baerbock, Annalena BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        11.11.2016
        Barthel, Klaus SPD 11.11.2016
        Beck (Bremen),
        Marieluise
        BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        11.11.2016
        Brantner, Dr. Franziska BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        11.11.2016
        Bülow, Marco SPD 11.11.2016
        Crone, Petra SPD 11.11.2016
        De Ridder, Dr. Daniela SPD 11.11.2016
        Drobinski-Weiß, Elvira SPD 11.11.2016
        Fuchs, Dr. Michael CDU/CSU 11.11.2016
        Gohlke, Nicole DIE LINKE 11.11.2016
        Groth, Annette DIE LINKE 11.11.2016
        Hajduk, Anja BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        11.11.2016
        Hellmich, Wolfgang SPD 11.11.2016
        Hintze, Peter CDU/CSU 11.11.2016
        Ilgen, Matthias SPD 11.11.2016
        Janecek, Dieter BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        11.11.2016
        Kurth, Markus BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        11.11.2016
        Liebing, Ingbert CDU/CSU 11.11.2016
        Malecha-Nissen, Dr.
        Birgit
        SPD 11.11.2016
        Nahles, Andrea SPD 11.11.2016
        Abgeordnete(r)
        entschuldigt bis
        einschließlich
        Nissen, Ulli SPD 11.11.2016
        Özdemir, Cem BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        11.11.2016
        Paus, Lisa BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        11.11.2016
        Petzold (Havelland),
        Harald
        DIE LINKE 11.11.2016
        Pitterle, Richard DIE LINKE 11.11.2016
        Riesenhuber, Dr. Heinz CDU/CSU 11.11.2016
        Ripsam, Iris CDU/CSU 11.11.2016
        Roth (Augsburg),
        Claudia
        BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        11.11.2016
        Sarrazin, Manuel BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        11.11.2016
        Schmidt (Fürth),
        Christian
        CDU/CSU 11.11.2016
        Schmidt, Dr. Frithjof BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        11.11.2016
        Schön (St. Wendel),
        Nadine
        CDU/CSU 11.11.2016
        Steinbach, Erika CDU/CSU 11.11.2016
        Verlinden, Dr. Julia BÜNDNIS 90/
        DIE GRÜNEN
        11.11.2016
        Wawzyniak, Halina DIE LINKE 11.11.2016
        Zeulner, Emmi * CDU/CSU 11.11.2016
        *aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes
        Anlage 2
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Kerstin Griese und Dr. Eva Högl
        (beide SPD) zu der namentlichen Abstimmung
        über den von der Bundesregierung eingebrachten
        Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung arz-
        neimittelrechtlicher und anderer Vorschriften (Ta-
        gesordnungspunkt 36)
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 201620044
        (A) (C)
        (B) (D)
        Hinter dieser Abstimmung verbirgt sich eine brisan-
        te ethische Frage. Der Gesetzentwurf will fremdnützige
        Forschung an nicht einwilligungsfähigen Patient/innen
        künftig erlauben. Die Unversehrtheit dieser besonders
        schutzwürdigen Menschengruppe wäre mit diesem Ge-
        setz nicht mehr gewährleistet. Das bedauern wir sehr.
        Gegen diese Neuregelung richtet sich der Änderungs-
        antrag Schummer/Schmidt, den ich mit voller Überzeu-
        gung unterstützt habe. Wir möchten nicht, dass demenz-
        kranke Menschen, denn um diese handelt es sich in der
        Mehrzahl bei den „nicht einwilligungsfähigen Patient/
        innen“, Proband/innen für eine Forschung werden, die
        für sie nicht gut ist und von der sie selbst keine Verbesse-
        rung haben. Hiermit würden wir einer Verzweckung von
        Menschen in der Forschung Tür und Tor öffnen. Wir sind
        besorgt, welche Entwicklung daraus folgen kann. Denn
        es wird auch um weitere nichteinwilligungsfähige Men-
        schen gehen.
        Wir sind der Ansicht, dass auch künftig ausschließlich
        einwilligungsfähige Menschen entscheiden, ob sie an kli-
        nischen Studien teilnehmen wollen, und dass nicht ein-
        willigungsfähige Menschen nur dann an Medikamenten-
        tests teilnehmen können, wenn sie ihnen helfen können.
        Ein zweiter wichtiger Grund ist für uns, dass es kei-
        nen Bedarf aus der Forschung gibt, hier eine Änderung
        vorzunehmen. Ohne Not wird eine ethische Hürde über-
        schritten.
        Dazu können wir unsere Zustimmung aus Gewissens-
        gründen nicht geben.
        Anlage 3
        Erklärung nach § 31 GO
        der Abgeordneten Michaela Noll und Sabine Weiss
        (Wesel I) (beide CDU/CSU) zu der namentlichen
        Abstimmung über den von der Bundesregierung
        eingebrachten Entwurf eines Vierten Gesetzes zur
        Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer
        Vorschriften (Tagesordnungspunkt 36)
        Dem heute zur Beratung vorliegenden Antrag der
        Bundesregierung stimme ich in der vorliegenden Form
        zu. Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt: In
        der 2. Lesung des Gesetzentwurfs am 9. November 2016
        habe ich den Änderungsantrag Drucksache 18/10233 un-
        terstützt. Darin heißt es:
        Artikel 2 Nummer 11 wird wie folgt geändert:
        1. § 40b Absatz 4 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
        „Eine klinische Prüfung darf an einer nicht ein-
        willigungsfähigen Person im Sinne des Artikel 2
        Nummer 19 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014
        nur durchgeführt werden, wenn wissenschaftli-
        che Gründe vorliegen, die erwarten lassen, dass
        die Teilnahme an der klinischen Prüfung einen
        direkten Nutzen für die betroffene Person zur
        Folge hat, der die Risiken und Belastungen einer
        Teilnahme an der klinischen Prüfung überwiegt.“
        2. In § 40b Absatz 4 Satz 3 wird das Wort „solche“
        gestrichen.
        Dieser Änderungsantrag wurde leider überstimmt und
        somit nicht angenommen. Er hätte für die größtmögliche
        Beibehaltung der bisherigen Rechtslage in Deutschland
        gesorgt, nach der eine gruppennützige Forschung an
        Nichteinwilligungsfähigen ohne potenziellen individu-
        ellen Nutzen für die jeweiligen Studienteilnehmer aus-
        geschlossen ist. Die hohen Schutzstandards, die es in
        Deutschland diesbezüglich gegeben hat, insbesondere
        hinsichtlich der Würde des Menschen und seiner körper-
        lichen Unversehrtheit, wären erhalten geblieben.
        Eine gruppennützige Forschung an Nichteinwilli-
        gungsfähigen ohne potenziellen individuellen Nutzen
        löst in mir erhebliche ethische und rechtliche Bedenken
        aus. Eine gruppennützige Forschung stellt nicht das Wohl
        des betroffenen Patienten, sondern das Wohl anderer in
        den Vordergrund. Eine solche Bereitschaft muss ein Pa-
        tient widerrufen können. Dafür muss er noch zu einer
        eigenen Willensbildung in der Lage sein. Wenn diese Vo-
        raussetzung nicht gegeben ist, und davon ist bei demenzi-
        ell Erkrankten ab einem gewissen Zeitpunkt auszugehen,
        darf keine Forschung stattfinden. 
        Hier vertrete ich eine andere Auffassung als die im
        vorliegenden Gesetzentwurf. Gleichwohl stimme ich
        diesem – wenn auch mit erheblichen Bedenken – zu, da
        der Änderungsantrag Drucksache 18/10236 angenom-
        men wurde. Dieser stellt sicher, dass eine Teilnahme an
        klinischen Studien gegen den aktuellen, natürlichen Wil-
        len eines Probanden verboten bleibt, unabhängig davon,
        ob dieser Wille verbal oder nonverbal geäußert wird oder
        ob die Person einwilligungsfähig ist.
        Anlage 4
        Erklärungen nach § 31 GO
        zu der namentlichen Abstimmung über den von
        der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines
        Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrecht-
        licher und anderer Vorschriften (Tagesordnungs-
        punkt 36)
        Heike Baehrens (SPD): Die heute zur Abstimmung
        stehende AMG-Novelle setzt wichtige europäische arz-
        neimittelrechtliche Vorschriften in nationales Recht um.
        Darüber hinaus werden Änderungen in der Bundes-Apo-
        thekerordnung, dem Arzneimittelgesetz, der Arzneimit-
        tel- und Wirkstoffherstellungsverordnung und weiteren
        Regelungswerken vorgenommen, denen ich zustimme.
        Gleichzeitig wird eine EU-Richtlinie zu klinischen
        Prüfungen in nationales Recht umgesetzt, die ich für
        höchst problematisch halte. Künftig soll es möglich sein,
        gruppennützige Forschung an volljährigen Personen
        vorzunehmen, die nicht in der Lage sind, Wesen, Bedeu-
        tung und Tragweite der klinischen Prüfung zu erkennen
        und ihren Willen hiernach auszurichten. Vorausgesetzt,
        die Betroffenen haben nach einer ärztlichen Beratung
        im früheren Zustand der Einwilligungsfähigkeit mittels
        Patientenverfügung nach § 1901a BGB einer Teilnahme
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2016 20045
        (A) (C)
        (B) (D)
        zugestimmt, können sie an Studien beteiligt werden, die
        ihnen keinen individuellen Nutzen bringen.
        Es geht hier um Forschung an besonders verletzlichen
        Menschen – vor allem an Demenzkranken. Bisher ist For-
        schung an dieser Gruppe, wenn sie nicht zumindest mit
        der Wahrscheinlichkeit eines individuellen Nutzens ver-
        bunden ist, aus ethischen Gründen grundsätzlich verbo-
        ten. Ich bin der Meinung, dass wir in Deutschland – nicht
        zuletzt vor dem Hintergrund unserer Geschichte – gut
        daran tun, diesen hohen Schutzstandard, insbesondere
        hinsichtlich der Würde des Menschen und seiner körper-
        lichen Unversehrtheit, aufrechtzuerhalten.
        Auch praktisch besteht keine Notwendigkeit einer
        Öffnung, da es bislang keine bekannt gewordenen Fälle
        gibt, in denen ein Forschungsvorhaben am Fehlen einer
        solchen Möglichkeit der gruppennützigen Forschung ge-
        scheitert ist.
        Deswegen habe ich im parlamentarischen Beratungs-
        verfahren den Änderungsantrag unterstützt [Drucksa-
        che 18(14)0214.1], der sichergestellt hätte, das vorhan-
        dene Schutzniveau aufrechtzuerhalten. Leider hat dieser
        keine Mehrheit erhalten.
        Weil es also nicht möglich war, diese entscheidende
        Änderung im Gesetzestext zu verankern, kann ich aus
        ethischen Gründen dem vorliegenden Gesetzentwurf
        nicht zustimmen.
        Alexander Funk (CDU/CSU): Dem heute zur Bera-
        tung vorliegenden Antrag der Bundesregierung stimme
        ich in der vorliegenden Form zu. Meine Position in der
        Sache erkläre ich wie folgt: In der 2. Lesung des Gesetz-
        entwurfs am 9. November 2016 habe ich den Änderungs-
        antrag Drucksache 18/10233 unterstützt. Darin heißt es
        Artikel 2 Nummer 11 wird wie folgt geändert:
        1. § 40b Absatz 4 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
        „Eine klinische Prüfung darf an einer nicht ein-
        willigungsfähigen Person im Sinne des Artikel 2
        Nummer 19 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014
        nur durchgeführt werden, wenn wissenschaftli-
        che Gründe vorliegen, die erwarten lassen, dass
        die Teilnahme an der klinischen Prüfung einen
        direkten Nutzen für die betroffene Person zur
        Folge hat, der die Risiken und Belastungen einer
        Teilnahme an der klinischen Prüfung überwiegt.“
        2. In § 40b Absatz 4 Satz 3 wird das Wort „solche“
        gestrichen.
        Dieser Änderungsantrag wurde leider überstimmt und
        somit nicht angenommen.
        Aus meiner Sicht müssen die hohen Schutzstandards,
        die es in Deutschland bei klinischen Studien momentan
        für nichteinwilligungsfähige Erwachsene gibt, insbeson-
        dere hinsichtlich der Würde des Menschen und seiner
        körperlichen Unversehrtheit, dringend erhalten bleiben.
        Um diesen größtmöglichen Schutz zu gewähren, müs-
        sen klinische Prüfungen daher einen direkten Nutzen für
        den Betroffenen haben. Hier vertrete ich eine andere Auf-
        fassung als die im vorliegenden Gesetzentwurf. Dennoch
        stimme ich dem Gesamtgesetz zu.
        Hubert Hüppe (CDU/CSU): Ich stimme heute in der
        dritten Beratung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur
        Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschrif-
        ten auf Drucksache 18/8034 mit Nein, obwohl ich als
        Berichterstatter den während des parlamentarischen Ver-
        fahrens erarbeiteten Änderungen, die sich in Beschluss-
        empfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit
        auf Drucksache 18/10056 wiederfinden, zugestimmt habe.
        Grund meiner Ablehnung ist die Einführung von
        fremdnützigen klinischen Arzneimittelprüfungen an
        nichteinwilligungsfähigen Menschen, die ausschließlich
        einen Nutzen für die repräsentierte Bevölkerungsgrup-
        pe, zu der die betroffene Person gehört, zur Folge ha-
        ben wird, nicht jedoch für den nichteinwilligungsfähigen
        Probanden selbst, sogenannte gruppennützige klinische
        Prüfungen. Diese lehne ich aus ethischen Gründen ab
        und bekenne mich zu dem vom Deutschen Bundestag am
        31. Januar 2013 einstimmig gefassten Beschluss: „Bei
        Forschung an nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen
        und an Personen in Notfallsituationen ist ein direkter in-
        dividueller Nutzen vorauszusetzen.“
        Die erkennbare Praxisuntauglichkeit der vorgesehe-
        nen schriftlichen Verfügung nach ärztlicher Aufklärung
        wird absehbar zu der Forderung führen, die schriftliche
        Verfügung einschließlich der ärztlichen Aufklärung als
        zwingende Voraussetzung gruppennütziger klinischer
        Prüfungsteilnahme nichteinwilligungsfähiger Personen zu
        streichen. Dies ist umso naheliegender, als diese Forde-
        rung von als vermeintlichen Befürwortern der jetzt getrof-
        fenen Regelung vorgestellten Gruppen bereits während
        der parlamentarischen Beratungen erhoben worden ist.
        Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psy-
        chotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DG-
        PPN) hielt in ihrer Stellungnahme zur 4. AMG-Novelle
        vom 28. August 2016 fest, dass die vorgesehene gesetz-
        liche Regelung gruppennützige Forschung an Menschen,
        die „nie einwilligungsfähig waren (wie bei Menschen
        mit geistigen Behinderungen)“, unmöglich mache, und
        stellte die rhetorische Frage: „Will also der deutsche Ge-
        setzgeber gruppennützige Forschung – anders als die ent-
        sprechende EU Richtlinie – wirklich so eng begrenzen?“
        Das KKS-Netzwerk und der Medizinische Fakultäten-
        tag schrieben am 18. Mai 2016 an den Gesundheitsaus-
        schuss, dass sie eigentlich die schriftliche Verfügung –
        und damit implizit auch die damit verknüpfte ärztliche
        Aufklärung – ablehnen: „Auch wenn wir uns eine ge-
        nerelle Regelung ohne Patientenverfügung wünschen
        würden, so unterstützen wir den Vorschlag der Bundesre-
        gierung, die gruppennützige Forschung bei einer Unter-
        gruppe der nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen auf
        der Basis einer Patientenverfügung zu erlauben.“
        Der als Einzelsachverständiger zur Anhörung am
        16. Oktober 2016 geladene Vorsitzende des Arbeits-
        kreises Medizinischer Ethik-Kommissionen, Profes-
        sor Dr. Joerg Hasford, empfahl in seiner schriftlichen
        Stellungnahme, “den Artikel 31 der EU-Verordnung
        Nr. 536/2014 nicht mit eigener Gesetzgebung zu ergän-
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 201620046
        (A) (C)
        (B) (D)
        zen“, also gruppennützige Forschung gemäß Artikel 31
        der EU-Verordnung an allen nichteinwilligungsfähigen
        Erwachsenen und Kindern, einschließlich solchen mit
        sogenannter geistiger Behinderung, in Deutschland zu
        legalisieren.
        Daher halte ich die Befürchtung für begründet, dass die
        heutige begrenzte Zulassung fremdnütziger Forschung
        an nichteinwilligungsfähigen Menschen der Türöffner
        für die zukünftige Einbeziehung zusätzlicher besonders
        vulnerabler Gruppen in fremdnützige Forschung ist.
        Bernhard Kaster (CDU/CSU): Dem heute zur Bera-
        tung vorliegenden Antrag der Bundesregierung stimme
        ich in der vorliegenden Form zu. Meine Position in der
        Sache erkläre ich wie folgt: In der zweiten Lesung des
        Gesetzentwurfs am 9. November 2016 habe ich den Än-
        derungsantrag Drucksache 18/10233 unterstützt. Darin
        heißt es:
        Artikel 2 Nummer 11 wird wie folgt geändert:
        1. § 40b Absatz 4 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
        „Eine klinische Prüfung darf an einer nicht ein-
        willigungsfähigen Person im Sinne des Artikel 2
        Nummer 19 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014
        nur durchgeführt werden, wenn wissenschaftli-
        che Gründe vorliegen, die erwarten lassen, dass
        die Teilnahme an der klinischen Prüfung einen
        direkten Nutzen für die betroffene Person zur
        Folge hat, der die Risiken und Belastungen ei-
        ner Teilnahme an der klinischen Prüfung über-
        wiegt.“
        2. In § 40b Absatz 4 Satz 3 wird das Wort „solche“
        gestrichen.
        Dieser Änderungsantrag wurde leider überstimmt und
        somit nicht angenommen. Aus eigener Erfahrung weiß
        ich um die große Bedeutung des angemessenen Umgangs
        mit schwerstkranken Familienangehörigen. Mir persön-
        lich ist es daher ein großes Anliegen, Menschen, die auf-
        grund ihres Alters und oder einer schweren Erkrankung,
        welche ihre geistigen Fähigkeiten beeinträchtigt, den
        größtmöglichen staatlichen Schutz zukommen zu lassen.
        Klinische Prüfungen müssen für mich daher einen direk-
        ten Nutzen für den Betroffenen haben. Hier vertrete ich
        eine andere Auffassung als die im vorliegenden Gesetz-
        entwurf. Dennoch stimme ich dem Gesamtgesetz zu.
        Matern von Marschall (CDU/CSU): Entsprechend
        dem üblichen Verfahren zeige ich Ihnen hiermit an, dass
        ich bei der namentlichen Abstimmung am Freitag, 11. No-
        vember 2016, gegen den Gesetzentwurf der Bundesregie-
        rung zum Vierten Gesetz zur Änderung arzneimittelrecht-
        licher und anderer Vorschriften stimmen werde.
        Dieses Abstimmungsverhalten entspricht meiner Po-
        sition in den vorangegangen Abstimmungen zu diesem
        Gesetz, bei denen ich dem Änderungsvorschlag der Uni-
        onskollegen Schummer et al. gefolgt bin.
        Ich habe bei meinen intensiven Recherchen im Vorfeld
        der Gesetzgebung niemanden in Klinik, Wissenschaft
        oder Verbänden getroffen, der gefordert oder mir schlüs-
        sig dargelegt hätte, dass gruppennützige Forschung an
        nichteinwilligungsfähigen Patienten derzeit sinnvoll oder
        gar erforderlich ist. Im Gegenteil ist die klare Auskunft,
        dass solche Studien insbesondere an Alzheimer Patienten
        im weit fortgeschrittenen Krankheitsstadium wegen der
        dann irreversiblen Zerstörung des Gehirnes sinnlos sind
        und dass vielmehr ganz andere Studien benötigt werden,
        um Ursachen kennenzulernen und Prävention zu verbes-
        sern. Allenfalls Studien an Patienten, bei denen gerade
        die Diagnose gestellt wurde, könnten sinnvoll sein. Die-
        se aber wären dann ja zu Beginn der Studien einwilli-
        gungsfähig. Kurzum: Ein Gesetz, welches gruppennützi-
        ge Forschung an nicht Einwilligungsfähigen ermöglicht,
        ist derzeit erkennbar nicht sinnvoll oder gar erforderlich,
        es öffnet aber die Tür zu einem ethisch sehr problema-
        tischen Verfahren: Wehrlose Menschen sollen sich für
        andere als Versuchspersonen zur Verfügung stellen, also
        ohne mit den Studien auch nur eine Erwartung an die
        Verbesserung ihrer eigenen Lage verbinden zu können.
        Das ist übrigens auch der wesentliche Unterschied zu
        den „klassischen“ Patientenverfügungen – Organentnah-
        me, Abstellen lebenserhaltender Maschinen –, die sich
        stets auf die eigene Person beziehen. Deshalb hatte ja der
        Kollege Schummer einen Änderungsantrag gestellt, der
        lediglich einen Punkt gegenüber der Regierungsvorlage
        ändert, nämlich die Entscheidung zur Teilnahme freizu-
        stellen, aber sie eben auf Eigennützigkeit, also auf die
        eigene Person zu begrenzen. Dem hätte ich, wenngleich
        immer noch mit erheblichen Bedenken, zustimmen kön-
        nen. Der jetzige Gesetzentwurf widerspricht grundsätz-
        lich meinen ethischen Vorstellungen, die ich aus christli-
        chen Werten ableite.
        Markus Paschke (SPD): Bisher ist eine sogenann-
        te gruppennützige Forschung an Nichteinwilligungsfä-
        higen nach dem Arzneimittelrecht ausgeschlossen. Der
        vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung will
        dieses Verbot nun insoweit aufweichen, dass zukünftig
        eine Teilnahme volljähriger Nichteinwilligungsfähiger
        auch ohne persönlichen Nutzen zulässig ist, wenn die
        Betroffenen im früheren Zustand der Einwilligungsfä-
        higkeit mittels Patientenverfügung nach § 1901a BGB
        einer Teilnahme zugestimmt haben. Die Regelung wird
        voraussichtlich vor allem Menschen mit neurodegene-
        rativen, beispielsweise dementiellen Erkrankungen be-
        treffen. Ich lehne diesen Vorschlag klar ab. Die hohen
        Schutzstandards, die es in Deutschland bei klinischen
        Studien momentan für nichteinwilligungsfähige Er-
        wachsene gibt, insbesondere hinsichtlich der Würde des
        Menschen und seiner körperlichen Unversehrtheit, müs-
        sen erhalten bleiben. Bereits 2013 hat sich der Bundes-
        tag – Drucksache 17/12183 – dazu ausgesprochen, dass
        in solchen Fällen das Schutzniveau für diese Personen zu
        erhalten ist. Von dieser Haltung darf nicht abgewichen
        werden. Würde und Sicherheit der Probandinnen und
        Probanden müssen immer im Vordergrund stehen. Dieser
        Grundsatz ist gefährdet, wenn Menschen an Forschung
        beteiligt werden, die nicht in der Lage sind, das Risi-
        ko und den Nutzen ihrer Teilnahme zu beurteilen, ohne
        selbst irgendeinen Nutzen aus der Teilnahme zu ziehen.
        Das Schutzniveau für diese besonders schützenswerte
        Patientengruppe muss in Deutschland weiterhin auf ho-
        hem Standard erhalten bleiben.
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2016 20047
        (A) (C)
        (B) (D)
        Zudem entbehrt eine solche Öffnung jeder Notwen-
        digkeit. Artikel 31 Absatz 2 der hier umzusetzenden
        Verordnung (EU) Nr. 536/2014 erklärt nationale Verbote
        einer gruppennützigen Forschung an Nichteinwilligungs-
        fähigen ausdrücklich für zulässig. Diese EU-Verordnung
        erlaubt die Forschung an Nichteinwilligungsfähigen,
        wenn die wissenschaftlich begründete Erwartung be-
        steht, dass der oder die Betroffene einen direkten Nutzen
        aus der Prüfung hat, der die Risiken und Belastungen der
        Studienteilnahme überwiegt (Eigennutzen).
        Auch praktisch besteht keine Notwendigkeit einer
        Öffnung, da es bislang keine bekannt gewordenen Fälle
        gibt, in denen ein Forschungsvorhaben am Fehlen einer
        solchen Möglichkeit der gruppennützigen Forschung ge-
        scheitert ist.
        Aus den ausgeführten Gründen werde ich daher gegen
        den vorliegenden Gesetzentwurf stimmen.
        Mechthild Rawert (SPD): Es geht in den Plenarsit-
        zungen am 9. und 11. November 2016 um den Gesetz-
        entwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Vierten
        Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und an-
        derer Vorschriften“ (18/8034), mit dem eine EU-Ver-
        ordnung (Nr. 536/2014) umgesetzt werden soll. In der
        EU-Novelle wird die rein gruppennützige Forschung an
        nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen unter bestimm-
        ten Voraussetzungen erlaubt. Zugleich bleibt es den
        EU-Staaten vorbehalten, auf nationaler Ebene strengere
        Regeln zu beschließen. Laut Gesetzentwurf der Bundes-
        regierung soll die gruppennützige Forschung an nicht-
        einwilligungsfähigen Menschen auch in Deutschland
        erlaubt sein. Es liegen hierzu drei Änderungsanträge vor.
        Zu diesen hat am 19. Oktober 2016 eine öffentliche An-
        hörung des Ausschusses für Gesundheit stattgefunden.
        Ich stimme für den Änderungsantrag der Abgeordneten
        Hilde Mattheis und Sabine Dittmar.
        Drei Änderungsanträge zur rein gruppennützigen For-
        schung an nichteinwilligungsfähigen Menschen:
        Erstens. Über den Änderungsantrag der Abgeordneten
        Uwe Schummer, Ulla Schmidt, Kathrin Vogler, Kordula
        Schulz-Asche wird zuerst namentlich abgestimmt. Er
        sieht vor, es bei der restriktiven Regelung in Deutsch-
        land zu belassen. Die unter Demenz leidenden Menschen
        müssten besonders geschützt werden. Aus medizinischer
        Sicht könnte diese Grundlagenforschung auch an ande-
        ren PatientInnengruppen geleistet werden könne.
        Zweitens. Der Änderungsantrag der Abgeordneten
        Hilde Mattheis und Sabine Dittmar gestattet die rein
        gruppennützige Forschung mit einer vorherigen Proban-
        dInnenverfügung mit optionaler ärztlicher Beratung und
        wird danach abgestimmt. Der Deutsche Bundestag soll
        unter anderem beschließen, dass „die betroffene Person
        als einwilligungsfähige volljährige Person für den Fall
        ihrer Einwilligungsunfähigkeit schriftlich nach ärztli-
        cher Aufklärung oder ausdrücklichem Aufklärungsver-
        zicht nach Maßgabe des Paragrafen 630e Absatz 1 bis
        3 des Bürgerlichen Gesetzbuches“ festlegt, „dass sie in
        bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht un-
        mittelbar bevorstehende gruppennützige klinische Prü-
        fungen einwilligt. … Die Aufklärung umfasst sämtliche
        für die Einwilligung wesentlichen Umstände. Dazu ge-
        hören insbesondere die Aufklärung über das Wesen, die
        Ziele, den Nutzen, die Folgen, die Risiken und die Nach-
        teile klinischer Prüfungen.“
        Drittens. Als Drittes wird über den Änderungsantrag
        Dr. Georg Nüßlein, Professor Dr. Karl Lauterbach, Maria
        Michalk, Hermann Gröhe, Ingrid Fischbach, Annette
        Widmann-Mauz, Rudolf Henke, beschlossen, der eine
        verpflichtende ärztliche Beratung vorsieht.
        Gründe meines Abstimmungsverhaltens
        Seit Monaten wird in der Politik und Öffentlichkeit
        über die Forschung an Demenz erkrankten Menschen
        gestritten. Im Mittelpunkt steht die Streitfrage, ob Arz-
        neimittelstudien – also keine an nicht mehr einwilli-
        gungsfähigen Erwachsenen – zum Beispiel an Demenz
        Erkrankten – auch dann zulässig sein sollen, wenn sie
        nur gruppennützig sind, den Betroffenen selbst also kei-
        ne Vorteile bringen. Das ist bislang in Deutschland ver-
        boten und soll nach dem Willen der Bundesregierung
        nun mit dieser gesetzlichen Änderung künftig erlaubt
        werden. Grundsätzlich dürfen Menschen, die nie einwil-
        ligungsfähig gewesen sind, zum Beispiel Menschen mit
        kognitiver Beeinträchtigung, an solchen gruppenbezo-
        genen Forschungen nicht beteiligt werden. Sie sind als
        Zielgruppe mit dieser Novelle nicht angesprochen. Jeg-
        licher Bezug auf experimentelle Forschungen an geistig
        behinderten Menschen während der Zeit des Nationalso-
        zialismus geht also am Inhalt der angestrebten Regelung
        völlig vorbei.
        Ich unterstütze grundsätzlich die im vorliegenden Ge-
        setzentwurf von Bundesgesundheitsminister Hermann
        Gröhe geschaffene Möglichkeit zur Teilnahme von Men-
        schen an Arzneimittelstudien, wenn sie dies vorab im
        einwilligungsfähigen und gesunden Zustand in einer
        Verfügung festgelegt haben. Es handelt sich hierbei um
        die Erprobung von Medikamenten, nicht um invasivere
        Studien. Nur auf Grundlage dieser Vorabverfügung für
        Studien für eine optimale medikamentöse Therapie dür-
        fen dann Messungen von Blutdruck, Puls oder Therapie
        erfolgen. Invasivere Maßnahmen oder Studien würden
        mit dieser Regelung nicht erlaubt.
        Ich erkenne in der Möglichkeit für eine gruppennüt-
        zige Forschung an nicht mehr einwilligungsfähigen Er-
        wachsenen keinen „ethischen oder rechtlichen Freibrief
        für eine Verzwecklichung der Forschung“. Sowohl bei
        der optionalen als auch bei der verpflichtenden ärztlichen 
        Beratung – Änderungsantrag 2 bzw. 3 – trifft jeder Er-
        wachsene noch im gesunden Zustand diese Entscheidung
        als Vorausverfügung selbst.
        Für Arzneimittelstudien dieser Art gibt es zahlreiche
        Hürden: Bei der Beantragung einer Studie muss eine
        obligate Beratung durch öffentlich-rechtliche Ethikkom-
        missionen erfolgen. Die im gesunden Zustand getroffene
        Einwilligung zur Teilnahme an einer gruppennützigen
        Forschung muss schriftlich vorliegen. Es muss zum Zeit-
        punkt der Teilnahme eine ärztliche Aufklärung der Pa-
        tientInnen und der BetreuuerInnen erfolgen. Es besteht
        zu jeder Zeit die Möglichkeit, die Studie auch wieder
        abzubrechen – jede ablehnende verbale oder nonverbale
        Äußerung der PatientInnen und StudienteilnehmerInnen
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 201620048
        (A) (C)
        (B) (D)
        ist als entsprechender Wunsch zu werten. Zudem bin ich
        also aufgrund der für klinische Studien in Deutschland
        geltenden strengen Regelungen davon überzeugt, dass es
        einen systematischen Missbrauch kaum geben kann.
        Die rein gruppennützige Forschung bei Minderjähri-
        gen ist seit der zwölften Novellierung des Arzneimittel-
        gesetzes (AMG) im Jahre 2004 in Deutschland explizit
        zugelassen. Es ist mir nicht einsichtig, weshalb eine Re-
        gelung für Minderjährige erlaubt und für Erwachsene
        verboten sein soll.
        Die Entscheidung, später einmal in einem nicht mehr
        einwilligungsfähigen Zustand, sei es wegen einer fort-
        geschrittenen Demenz, sei es wegen eines schweren Ge-
        hirnschadens, an einer rein gruppennützigen Forschung
        teilzunehmen, ist für mich auch ein Ausdruck von in-
        dividueller Selbstbestimmung, wie ich es mit Voraus-
        verfügungen wie dem Organspendeausweis oder einer
        Vorsorgevollmacht auch mache. Eine solch freiwillige
        Entscheidung ist auch Ausdruck gelebter Solidarität mit
        von der gleichen Krankheit betroffenen Menschen. Bei
        PatientInnen mit schweren Erkrankungen ist die Bereit-
        schaft, auch ohne unmittelbaren Eigennutzen an der me-
        dizinischen Forschung zu ihrer Erkrankung mitzuwirken,
        durchaus weit verbreitet.
        Aktuell gibt es noch keine zufriedenstellende Medi-
        kation für die unterschiedlichen Phasen der dementiellen
        Erkrankungen. Aber auch Menschen in späteren Stadien
        der Demenzerkrankung sollen am medizinischen Fort-
        schritt teilnehmen können. Vielleicht gibt es in einigen
        Jahr(zehnt)en Möglichkeiten der Linderung, der Heilung.
        Diese Chancen auf wichtige Erkenntnisgewinne zur Be-
        handlung der Erkrankung Demenz möchte ich ergreifen.
        Deshalb stimme ich dem Änderungsantrag der Abge-
        ordneten Hilde Mattheis und Sabine Dittmar zu.
        Kathrin Vogler (DIE LINKE): Am Mittwoch haben
        wir hier in einer sehr kontroversen Debatte quer durch
        alle Fraktionen über drei Änderungsanträge zu dieser hier
        vorliegenden Novelle des Arzneimittelgesetzes debattiert
        und abgestimmt. Dabei ging es um die Frage, ob und unter
        welchen Bedingungen nichteinwilligungsfähige Erwach-
        sene als Versuchspersonen in klinische Arzneimittelstudi-
        en einbezogen werden dürfen, auch wenn sie davon indi-
        viduell keinen Nutzen zu erwarten haben. Ich habe hier für
        die Annahme eines Änderungsantrags geworben, der dies
        auch weiterhin verbieten und damit die bisher in Deutsch-
        land geltenden Gesetzeslage bestätigen sollte.
        Die Mehrheit des Parlaments hat sich aber dafür ent-
        schieden, alle drei Änderungsanträge abzulehnen und mit
        dem ursprünglichen Regierungsentwurf diejenige Rege-
        lung zu wählen, die ich absolut für die schlechtestmögli-
        che halte. Ehrlich gesagt, ich habe nicht damit gerechnet,
        dass die intensive Beratung in den Parlamentsgremien
        über ein so brisantes Thema an der absoluten Mehrheit
        des Hauses so komplett vorbeigehen kann.
        Deswegen kann ich das ganze Gesetz heute nur ableh-
        nen, auch wenn sich meine Fraktion für eine Enthaltung
        entschieden hat.
        Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass die Erwei-
        terung des Zugriffs der Pharmaforschung auf Menschen,
        die Ziel, Wesen und Tragweite eines Arzneimittelver-
        suchs nicht erfassen und ihren Willen nicht danach aus-
        richten können, unethisch und unnötig ist.
        Manche Debattenbeiträge der Befürworter am Mitt-
        woch haben mich in meiner Position eher noch bestärkt.
        Wenn etwa Versuche an lebenden und leidensfähigen
        Menschen gleichgesetzt werden mit Organspenden
        Verstorbener, dann sind wir nicht mehr weit entfernt
        von der Philosophie eines Peter Singer, der den Wert
        eines Menschen und sein Lebensrecht am Grad seiner
        Bewusstseins entwicklung festmacht und zum Beispiel
        postuliert, dass die Tötung eines behinderten Säuglings
        sehr oft gar kein Unrecht sei. Einer solchen selektiven
        Ethik kann ich, auch vor dem Hintergrund der deutschen
        Geschichte, nur schärfstens widersprechen.
        Dann wurde in der Debatte recht oft darauf hingewie-
        sen, dass ja die Ethikkommissionen schon für ausreichen-
        den Schutz der besonders verletzlichen Personen sorgen
        würden. Dabei hebelt dieser Gesetzentwurf gerade die
        Unabhängigkeit der Ethikkommissionen teilweise aus.
        Dieselbe Behörde, die auch die Arzneimittelstudien ge-
        nehmigt, soll künftig auch für die Registrierung der Lan-
        desethikkommissionen zuständig sein. Und die Voten der
        Ethikkommissionen sollen nicht mehr verbindlich, son-
        dern nur noch maßgeblich berücksichtigt werden müssen.
        In der Kombination erst werden diese beiden schein-
        bar kleinen Änderungen zu einem potenziell kritischen
        Einfallstor für unethische Forschung an menschlichen
        Versuchsobjekten. Als Gesundheitspolitikerin muss ich
        die Würde des Menschen und den Respekt vor seinen
        individuellen und sozialen Rechten viel zu oft gegen die
        Zumutungen eines kapitalistischen Wirtschaftssystems
        verteidigen, das Krankheit als Rohstoff und Gesundheit
        als Ware behandelt und in dem der Mensch als Patien-
        tin oder Patient eben nur das Objekt widerstrebender
        Geschäftsinteressen ist. Für mich sind Menschen, ganz
        gleich wie schwer beeinträchtigt, erkrankt oder behindert
        sie sind, niemals als Objekt zu behandeln, auch nicht für
        einen vermeintlich guten Zweck.
        Deswegen stimme ich heute gegen den Gesetzentwurf
        der Bundesregierung.
        Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Ich stimme
        heute in der Dritten Beratung des Entwurfs eines Vierten
        Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und ande-
        rer Vorschriften auf Drucksache 18/8034 mit Nein.
        Grund meiner Ablehnung ist die Einführung von
        fremdnützigen klinischen Arzneimittelprüfungen an
        nichteinwilligungsfähigen Menschen, die ausschließlich
        einen Nutzen für die repräsentierte Bevölkerungsgrup-
        pe, zu der die betroffene Person gehört, zur Folge ha-
        ben wird, nicht jedoch für den nichteinwilligungsfähigen
        Probanden selbst, sogenannte gruppennützige klinische
        Prüfungen. Diese lehne ich aus ethischen Gründen ab
        und bekenne mich zu dem vom Deutschen Bundestag am
        31. Januar 2013 einstimmig gefassten Beschluss: „Bei
        Forschung an nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2016 20049
        (A) (C)
        (B) (D)
        und an Personen in Notfallsituationen ist ein direkter in-
        dividueller Nutzen vorauszusetzen.“
        Die erkennbare Praxisuntauglichkeit der vorgesehe-
        nen schriftlichen Verfügung nach ärztlicher Aufklärung
        wird absehbar zu der Forderung führen, die schriftliche
        Verfügung einschließlich der ärztlichen Aufklärung als
        zwingende Voraussetzung gruppennütziger klinischer
        Prüfungsteilnahme nichteinwilligungsfähiger Personen zu
        streichen. Dies ist umso naheliegender, als diese Forde-
        rung von als vermeintlichen Befürwortern der jetzt getrof-
        fenen Regelung vorgestellten Gruppen bereits während
        der parlamentarischen Beratungen erhoben worden ist.
        Daher halte ich die Befürchtung für begründet, dass die
        heutige begrenzte Zulassung fremdnütziger Forschung an
        nichteinwilligungsfähigen Menschen der Türöffner für die
        zukünftige Einbeziehung zusätzlicher besonders vulnerab-
        ler Gruppen in fremdnützige Forschung ist.
        Katrin Werner (DIE LINKE): Der Deutsche Bun-
        destag stimmt heute über einen Entwurf der Bundesre-
        gierung eines Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimit-
        telrechtlicher und anderer Vorschriften ab. Zu diesem
        Gesetz wurden mehrere Gruppenänderungsanträge ein-
        gebracht.
        Bisher ist eine sogenannte gruppennützige Forschung
        an Nichteinwilligungsfähigen nach dem Arzneimittel-
        recht ausgeschlossen. Der vorliegende Gesetzentwurf der
        Bundesregierung will dieses Verbot nun insoweit aufwei-
        chen, dass zukünftig eine Teilnahme volljähriger Nicht-
        einwilligungsfähiger auch ohne persönlichen Nutzen
        zulässig ist, wenn die Betroffenen im früheren Zustand
        der Einwilligungsfähigkeit mittels Patientenverfügung
        nach § 1901a BGB einer Teilnahme zugestimmt haben.
        Die Regelung wird voraussichtlich vor allem Menschen
        mit neurodegenerativen, beispielsweise dementiellen Er-
        krankungen betreffen.
        Die Würde und Sicherheit der Probandinnen und Pro-
        banden muss immer im Vordergrund stehen. Forschung
        an nichteinwilligungsfähigen Personen muss mit einem
        erwartbaren Eigennutzen verbunden sein. Ansonsten droht
        eine Verzweckung von Menschen. Leider hat der Ände-
        rungsantrag zur Erhaltung der derzeitigen hohen Schutz-
        standards keine Mehrheit gefunden. Daher habe ich heute
        gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung gestimmt.
        Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Ich lehne die
        nicht fremdnützige Forschung an nicht mehr einwilli-
        gungsfähigen Patienten ab. Patienten müssen in der Lage
        sein, eine einmal gegebene Einwilligung jederzeit wieder
        zurückziehen zu können. Können sie dies nach dem Ver-
        lust ihrer Einwilligungsfähigkeit nicht und werden Ob-
        jekte fremdnütziger Forschung, werden sie als Mittel für
        Zwecke anderer benutzt. Dies ist mit der Menschwürde
        aus meiner Sicht nicht vereinbar.
        Dagegen kann auch nicht argumentiert werden, dass
        der Mensch sich altruistisch verhalten könne. Sosehr dies
        zutrifft und etwa die freiwillige Teilnahme an fremdnüt-
        ziger Forschung oder die Spende von Organen bei Le-
        benden Beispiele eines solchen altruistischen Verhaltens
        sind, beruhen sie auf der Möglichkeit des jederzeitigen
        Rücktritts. Dies ist bei nicht mehr einwilligungsfähigen
        Patienten nicht gegeben.
        Darüber hinaus öffnet diese Möglichkeit der fremd-
        nützigen Forschung an nichteinwilligungsfähigen – und
        damit auch nicht rücktrittsfähigen – Patienten die Tür zu
        einem Präferenzutilitarismus, wie ihn der australische
        Philosoph Peter Singer vertritt. Dieser vertritt aber ein
        Menschenbild, das mit der Würde des Menschen in ei-
        nem christlichen Verständnis nicht mehr vereinbar ist
        und zu Recht abgelehnt wird.
        Anlage 5
        Amtliche Mitteilung ohne Verlesung
        Der Bundesrat hat in seiner 950. Sitzung am 4. No-
        vember 2016 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen
        zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Ab-
        satz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen:
        – Gesetz zur Änderung des Kommunalinvestitions-
        förderungsgesetzes und zur Änderung weiterer Ge-
        setze
        – Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungs-
        gesetz 2016/2017 (BBVAnpG 2016/2017)
        – Gesetz zur weiteren Fortentwicklung der parla-
        mentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste
        des Bundes
        – Gesetz zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklä-
        rung des Bundesnachrichtendienstes
        – Zweites Gesetz zur Änderung des Berufskraftfah-
        rer-Qualifikations-Gesetzes
        – Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit
        von Betriebsmitteln (Elektromagnetische-Verträg-
        lichkeit-Gesetz – EMVG)
        – Gesetz zur Änderung der Artikel 8 und 39 des
        Übereinkommens vom 8. November 1968 über den
        Straßenverkehr
        Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie
        gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von
        einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen
        absehen:
        Haushaltsausschuss
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Haushaltsführung 2016
        Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaus-
        haltsordnung über die Einwilligung in eine über-
        planmäßige Ausgabe bei Kapitel 10 04 Titel 671
        03 – Erstattung der Kosten für Maßnahmen im Fi-
        schereisektor – bis zur Höhe von 8 Mio. Euro
        Drucksachen 18/9224, 18/9596 Nr. 1.4
        Ausschuss für Wirtschaft und Energie
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 201620050
        (A) (C)
        (B) (D)
        Sondergutachten der Monopolkommission gemäß
        § 62 Absatz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes
        Energie 2015: Ein wettbewerbliches Marktdesign
        für die Energiewende
        Drucksachen 18/6432, 18/6605 Nr. 1.4
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpoli-
        tik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2015
        (Rüstungsexportbericht 2015)
        Drucksachen 18/9160, 18/9595 Nr. 1.2
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Sondergutachten der Monopolkommission gemäß
        § 62 Absatz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes
        Energie 2015: Ein wettbewerbliches Marktdesign
        für die Energiewende
        Drucksache 18/6432
        hier: Stellungnahme der Bundesregierung
        Drucksachen 18/9870, 10102 Nr. 1.6
        Ausschuss für Arbeit und Soziales
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Zwölfter Bericht der Bundesregierung über die Er-
        fahrungen bei der Anwendung des Arbeitnehmer-
        überlassungsgesetzes
        Drucksachen 18/673, 18/817 Nr. 4
        Ausschuss für Kultur und Medien
        – Unterrichtung durch die Bundesregierung
        Weiterentwicklung der Konzeption zur Erfor-
        schung, Bewahrung, Präsentation und Vermittlung
        der Kultur und Geschichte der Deutschen im öst-
        lichen Europa nach § 96 des Bundesvertriebenen-
        gesetzes
        Drucksache 18/7730
        Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
        mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni-
        onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer
        Beratung abgesehen hat.
        Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
        Drucksache 18/419 Nr. A.49
        Ratsdokument 17392/13
        Drucksache 18/419 Nr. A.50
        Ratsdokument 17618/13
        Drucksache 18/419 Nr. A.51
        Ratsdokument 17621/13
        Drucksache 18/419 Nr. A.52
        Ratsdokument 17633/13
        Drucksache 18/419 Nr. C.9
        Ratsdokument 8065/13
        Drucksache 18/419 Nr. C.10
        Ratsdokument 8066/13
        Drucksache 18/419 Nr. C.11
        Ratsdokument 8145/11
        Drucksache 18/419 Nr. C.12
        Ratsdokument 8160/11
        Drucksache 18/419 Nr. C.13
        Ratsdokument 8163/11
        Drucksache 18/1393 Nr. A.24
        Ratsdokument 7838/14
        Finanzausschuss
        Drucksache 18/9746 Nr. A.3
        Ratsdokument 11583/16
        Ausschuss für Wirtschaft und Energie
        Drucksache 18/2677 Nr. A.10
        Ratsdokument 12816/14
        Drucksache 18/4857 Nr. A.6
        Ratsdokument 7634/15
        Drucksache 18/8140 Nr. A.13
        EP P8_TA-PROV(2016)0064
        Drucksache 18/8293 Nr. A.8
        Ratsdokument 7614/16
        Drucksache 18/8293 Nr. A.9
        Ratsdokument 7616/16
        Drucksache 18/8470 Nr. A.18
        Ratsdokument 8100/16
        Drucksache 18/8470 Nr. A.19
        Ratsdokument 8104/16
        Drucksache 18/8936 Nr. A.20
        Ratsdokument 9610/16
        Drucksache 18/8936 Nr. A.21
        Ratsdokument 9611/16
        Drucksache 18/8936 Nr. A.23
        Ratsdokument 9727/16
        Drucksache 18/9605 Nr. A.51
        Ratsdokument 10847/16
        Drucksache 18/9605 Nr. A.52
        Ratsdokument 11120/16
        Drucksache 18/9746 Nr. A.4
        Ratsdokument 11772/16
        Drucksache 18/10116 Nr. A.20
        EP P8_TA-PROV(2016)0333
        Drucksache 18/10116 Nr. A.21
        Ratsdokument 12153/16
        Drucksache 18/10116 Nr. A.22
        Ratsdokument 12364/16
        Ausschuss für Umwelt, Naturschutz,
        Bau und Reaktorsicherheit
        Drucksache 18/9605 Nr. A.58
        Ratsdokument 10864/16
        Drucksache 18/9605 Nr. A.59
        Ratsdokument 11482/16
        Drucksache 18/9605 Nr. A.62
        Ratsdokument 11522/16
        Ausschuss für Bildung, Forschung und
        Technikfolgenabschätzung
        Drucksache 18/9141 Nr. A.35
        Ratsdokument 10209/16
        Drucksache 18/9605 Nr. A.67
        Ratsdokument 10826/16
        Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2016
        Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
        Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de
        Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
        200. Sitzung
        Inhaltsverzeichnis
        TOP 36 Arzneimittelrechtliche Vorschriften (3. Lesung)
        TOP 37 6. Bericht Bildung in Deutschland 2016
        TOP 38, ZP 11 Große Anfrage zur Verbrechensserie des NSU
        TOP 39 Grundsicherung für ausländische Personen
        Anlagen
        Anlage 1
        Anlage 2
        Anlage 3
        Anlage 4
        Anlage 5