Markus Paschke
(A) (C)
(B) (D)
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2016 20043
Anlagen zum Stenografischen Bericht
Anlage 1
Liste der entschuldigten Abgeordneten
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Amtsberg, Luise BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
11.11.2016
Andreae, Kerstin BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
11.11.2016
Auernhammer, Artur CDU/CSU 11.11.2016
Baerbock, Annalena BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
11.11.2016
Barthel, Klaus SPD 11.11.2016
Beck (Bremen),
Marieluise
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
11.11.2016
Brantner, Dr. Franziska BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
11.11.2016
Bülow, Marco SPD 11.11.2016
Crone, Petra SPD 11.11.2016
De Ridder, Dr. Daniela SPD 11.11.2016
Drobinski-Weiß, Elvira SPD 11.11.2016
Fuchs, Dr. Michael CDU/CSU 11.11.2016
Gohlke, Nicole DIE LINKE 11.11.2016
Groth, Annette DIE LINKE 11.11.2016
Hajduk, Anja BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
11.11.2016
Hellmich, Wolfgang SPD 11.11.2016
Hintze, Peter CDU/CSU 11.11.2016
Ilgen, Matthias SPD 11.11.2016
Janecek, Dieter BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
11.11.2016
Kurth, Markus BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
11.11.2016
Liebing, Ingbert CDU/CSU 11.11.2016
Malecha-Nissen, Dr.
Birgit
SPD 11.11.2016
Nahles, Andrea SPD 11.11.2016
Abgeordnete(r)
entschuldigt bis
einschließlich
Nissen, Ulli SPD 11.11.2016
Özdemir, Cem BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
11.11.2016
Paus, Lisa BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
11.11.2016
Petzold (Havelland),
Harald
DIE LINKE 11.11.2016
Pitterle, Richard DIE LINKE 11.11.2016
Riesenhuber, Dr. Heinz CDU/CSU 11.11.2016
Ripsam, Iris CDU/CSU 11.11.2016
Roth (Augsburg),
Claudia
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
11.11.2016
Sarrazin, Manuel BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
11.11.2016
Schmidt (Fürth),
Christian
CDU/CSU 11.11.2016
Schmidt, Dr. Frithjof BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
11.11.2016
Schön (St. Wendel),
Nadine
CDU/CSU 11.11.2016
Steinbach, Erika CDU/CSU 11.11.2016
Verlinden, Dr. Julia BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
11.11.2016
Wawzyniak, Halina DIE LINKE 11.11.2016
Zeulner, Emmi * CDU/CSU 11.11.2016
*aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes
Anlage 2
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Kerstin Griese und Dr. Eva Högl
(beide SPD) zu der namentlichen Abstimmung
über den von der Bundesregierung eingebrachten
Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung arz-
neimittelrechtlicher und anderer Vorschriften (Ta-
gesordnungspunkt 36)
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 201620044
(A) (C)
(B) (D)
Hinter dieser Abstimmung verbirgt sich eine brisan-
te ethische Frage. Der Gesetzentwurf will fremdnützige
Forschung an nicht einwilligungsfähigen Patient/innen
künftig erlauben. Die Unversehrtheit dieser besonders
schutzwürdigen Menschengruppe wäre mit diesem Ge-
setz nicht mehr gewährleistet. Das bedauern wir sehr.
Gegen diese Neuregelung richtet sich der Änderungs-
antrag Schummer/Schmidt, den ich mit voller Überzeu-
gung unterstützt habe. Wir möchten nicht, dass demenz-
kranke Menschen, denn um diese handelt es sich in der
Mehrzahl bei den „nicht einwilligungsfähigen Patient/
innen“, Proband/innen für eine Forschung werden, die
für sie nicht gut ist und von der sie selbst keine Verbesse-
rung haben. Hiermit würden wir einer Verzweckung von
Menschen in der Forschung Tür und Tor öffnen. Wir sind
besorgt, welche Entwicklung daraus folgen kann. Denn
es wird auch um weitere nichteinwilligungsfähige Men-
schen gehen.
Wir sind der Ansicht, dass auch künftig ausschließlich
einwilligungsfähige Menschen entscheiden, ob sie an kli-
nischen Studien teilnehmen wollen, und dass nicht ein-
willigungsfähige Menschen nur dann an Medikamenten-
tests teilnehmen können, wenn sie ihnen helfen können.
Ein zweiter wichtiger Grund ist für uns, dass es kei-
nen Bedarf aus der Forschung gibt, hier eine Änderung
vorzunehmen. Ohne Not wird eine ethische Hürde über-
schritten.
Dazu können wir unsere Zustimmung aus Gewissens-
gründen nicht geben.
Anlage 3
Erklärung nach § 31 GO
der Abgeordneten Michaela Noll und Sabine Weiss
(Wesel I) (beide CDU/CSU) zu der namentlichen
Abstimmung über den von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurf eines Vierten Gesetzes zur
Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer
Vorschriften (Tagesordnungspunkt 36)
Dem heute zur Beratung vorliegenden Antrag der
Bundesregierung stimme ich in der vorliegenden Form
zu. Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt: In
der 2. Lesung des Gesetzentwurfs am 9. November 2016
habe ich den Änderungsantrag Drucksache 18/10233 un-
terstützt. Darin heißt es:
Artikel 2 Nummer 11 wird wie folgt geändert:
1. § 40b Absatz 4 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
„Eine klinische Prüfung darf an einer nicht ein-
willigungsfähigen Person im Sinne des Artikel 2
Nummer 19 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014
nur durchgeführt werden, wenn wissenschaftli-
che Gründe vorliegen, die erwarten lassen, dass
die Teilnahme an der klinischen Prüfung einen
direkten Nutzen für die betroffene Person zur
Folge hat, der die Risiken und Belastungen einer
Teilnahme an der klinischen Prüfung überwiegt.“
2. In § 40b Absatz 4 Satz 3 wird das Wort „solche“
gestrichen.
Dieser Änderungsantrag wurde leider überstimmt und
somit nicht angenommen. Er hätte für die größtmögliche
Beibehaltung der bisherigen Rechtslage in Deutschland
gesorgt, nach der eine gruppennützige Forschung an
Nichteinwilligungsfähigen ohne potenziellen individu-
ellen Nutzen für die jeweiligen Studienteilnehmer aus-
geschlossen ist. Die hohen Schutzstandards, die es in
Deutschland diesbezüglich gegeben hat, insbesondere
hinsichtlich der Würde des Menschen und seiner körper-
lichen Unversehrtheit, wären erhalten geblieben.
Eine gruppennützige Forschung an Nichteinwilli-
gungsfähigen ohne potenziellen individuellen Nutzen
löst in mir erhebliche ethische und rechtliche Bedenken
aus. Eine gruppennützige Forschung stellt nicht das Wohl
des betroffenen Patienten, sondern das Wohl anderer in
den Vordergrund. Eine solche Bereitschaft muss ein Pa-
tient widerrufen können. Dafür muss er noch zu einer
eigenen Willensbildung in der Lage sein. Wenn diese Vo-
raussetzung nicht gegeben ist, und davon ist bei demenzi-
ell Erkrankten ab einem gewissen Zeitpunkt auszugehen,
darf keine Forschung stattfinden.
Hier vertrete ich eine andere Auffassung als die im
vorliegenden Gesetzentwurf. Gleichwohl stimme ich
diesem – wenn auch mit erheblichen Bedenken – zu, da
der Änderungsantrag Drucksache 18/10236 angenom-
men wurde. Dieser stellt sicher, dass eine Teilnahme an
klinischen Studien gegen den aktuellen, natürlichen Wil-
len eines Probanden verboten bleibt, unabhängig davon,
ob dieser Wille verbal oder nonverbal geäußert wird oder
ob die Person einwilligungsfähig ist.
Anlage 4
Erklärungen nach § 31 GO
zu der namentlichen Abstimmung über den von
der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines
Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrecht-
licher und anderer Vorschriften (Tagesordnungs-
punkt 36)
Heike Baehrens (SPD): Die heute zur Abstimmung
stehende AMG-Novelle setzt wichtige europäische arz-
neimittelrechtliche Vorschriften in nationales Recht um.
Darüber hinaus werden Änderungen in der Bundes-Apo-
thekerordnung, dem Arzneimittelgesetz, der Arzneimit-
tel- und Wirkstoffherstellungsverordnung und weiteren
Regelungswerken vorgenommen, denen ich zustimme.
Gleichzeitig wird eine EU-Richtlinie zu klinischen
Prüfungen in nationales Recht umgesetzt, die ich für
höchst problematisch halte. Künftig soll es möglich sein,
gruppennützige Forschung an volljährigen Personen
vorzunehmen, die nicht in der Lage sind, Wesen, Bedeu-
tung und Tragweite der klinischen Prüfung zu erkennen
und ihren Willen hiernach auszurichten. Vorausgesetzt,
die Betroffenen haben nach einer ärztlichen Beratung
im früheren Zustand der Einwilligungsfähigkeit mittels
Patientenverfügung nach § 1901a BGB einer Teilnahme
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(A) (C)
(B) (D)
zugestimmt, können sie an Studien beteiligt werden, die
ihnen keinen individuellen Nutzen bringen.
Es geht hier um Forschung an besonders verletzlichen
Menschen – vor allem an Demenzkranken. Bisher ist For-
schung an dieser Gruppe, wenn sie nicht zumindest mit
der Wahrscheinlichkeit eines individuellen Nutzens ver-
bunden ist, aus ethischen Gründen grundsätzlich verbo-
ten. Ich bin der Meinung, dass wir in Deutschland – nicht
zuletzt vor dem Hintergrund unserer Geschichte – gut
daran tun, diesen hohen Schutzstandard, insbesondere
hinsichtlich der Würde des Menschen und seiner körper-
lichen Unversehrtheit, aufrechtzuerhalten.
Auch praktisch besteht keine Notwendigkeit einer
Öffnung, da es bislang keine bekannt gewordenen Fälle
gibt, in denen ein Forschungsvorhaben am Fehlen einer
solchen Möglichkeit der gruppennützigen Forschung ge-
scheitert ist.
Deswegen habe ich im parlamentarischen Beratungs-
verfahren den Änderungsantrag unterstützt [Drucksa-
che 18(14)0214.1], der sichergestellt hätte, das vorhan-
dene Schutzniveau aufrechtzuerhalten. Leider hat dieser
keine Mehrheit erhalten.
Weil es also nicht möglich war, diese entscheidende
Änderung im Gesetzestext zu verankern, kann ich aus
ethischen Gründen dem vorliegenden Gesetzentwurf
nicht zustimmen.
Alexander Funk (CDU/CSU): Dem heute zur Bera-
tung vorliegenden Antrag der Bundesregierung stimme
ich in der vorliegenden Form zu. Meine Position in der
Sache erkläre ich wie folgt: In der 2. Lesung des Gesetz-
entwurfs am 9. November 2016 habe ich den Änderungs-
antrag Drucksache 18/10233 unterstützt. Darin heißt es
Artikel 2 Nummer 11 wird wie folgt geändert:
1. § 40b Absatz 4 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
„Eine klinische Prüfung darf an einer nicht ein-
willigungsfähigen Person im Sinne des Artikel 2
Nummer 19 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014
nur durchgeführt werden, wenn wissenschaftli-
che Gründe vorliegen, die erwarten lassen, dass
die Teilnahme an der klinischen Prüfung einen
direkten Nutzen für die betroffene Person zur
Folge hat, der die Risiken und Belastungen einer
Teilnahme an der klinischen Prüfung überwiegt.“
2. In § 40b Absatz 4 Satz 3 wird das Wort „solche“
gestrichen.
Dieser Änderungsantrag wurde leider überstimmt und
somit nicht angenommen.
Aus meiner Sicht müssen die hohen Schutzstandards,
die es in Deutschland bei klinischen Studien momentan
für nichteinwilligungsfähige Erwachsene gibt, insbeson-
dere hinsichtlich der Würde des Menschen und seiner
körperlichen Unversehrtheit, dringend erhalten bleiben.
Um diesen größtmöglichen Schutz zu gewähren, müs-
sen klinische Prüfungen daher einen direkten Nutzen für
den Betroffenen haben. Hier vertrete ich eine andere Auf-
fassung als die im vorliegenden Gesetzentwurf. Dennoch
stimme ich dem Gesamtgesetz zu.
Hubert Hüppe (CDU/CSU): Ich stimme heute in der
dritten Beratung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur
Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschrif-
ten auf Drucksache 18/8034 mit Nein, obwohl ich als
Berichterstatter den während des parlamentarischen Ver-
fahrens erarbeiteten Änderungen, die sich in Beschluss-
empfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit
auf Drucksache 18/10056 wiederfinden, zugestimmt habe.
Grund meiner Ablehnung ist die Einführung von
fremdnützigen klinischen Arzneimittelprüfungen an
nichteinwilligungsfähigen Menschen, die ausschließlich
einen Nutzen für die repräsentierte Bevölkerungsgrup-
pe, zu der die betroffene Person gehört, zur Folge ha-
ben wird, nicht jedoch für den nichteinwilligungsfähigen
Probanden selbst, sogenannte gruppennützige klinische
Prüfungen. Diese lehne ich aus ethischen Gründen ab
und bekenne mich zu dem vom Deutschen Bundestag am
31. Januar 2013 einstimmig gefassten Beschluss: „Bei
Forschung an nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen
und an Personen in Notfallsituationen ist ein direkter in-
dividueller Nutzen vorauszusetzen.“
Die erkennbare Praxisuntauglichkeit der vorgesehe-
nen schriftlichen Verfügung nach ärztlicher Aufklärung
wird absehbar zu der Forderung führen, die schriftliche
Verfügung einschließlich der ärztlichen Aufklärung als
zwingende Voraussetzung gruppennütziger klinischer
Prüfungsteilnahme nichteinwilligungsfähiger Personen zu
streichen. Dies ist umso naheliegender, als diese Forde-
rung von als vermeintlichen Befürwortern der jetzt getrof-
fenen Regelung vorgestellten Gruppen bereits während
der parlamentarischen Beratungen erhoben worden ist.
Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psy-
chotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DG-
PPN) hielt in ihrer Stellungnahme zur 4. AMG-Novelle
vom 28. August 2016 fest, dass die vorgesehene gesetz-
liche Regelung gruppennützige Forschung an Menschen,
die „nie einwilligungsfähig waren (wie bei Menschen
mit geistigen Behinderungen)“, unmöglich mache, und
stellte die rhetorische Frage: „Will also der deutsche Ge-
setzgeber gruppennützige Forschung – anders als die ent-
sprechende EU Richtlinie – wirklich so eng begrenzen?“
Das KKS-Netzwerk und der Medizinische Fakultäten-
tag schrieben am 18. Mai 2016 an den Gesundheitsaus-
schuss, dass sie eigentlich die schriftliche Verfügung –
und damit implizit auch die damit verknüpfte ärztliche
Aufklärung – ablehnen: „Auch wenn wir uns eine ge-
nerelle Regelung ohne Patientenverfügung wünschen
würden, so unterstützen wir den Vorschlag der Bundesre-
gierung, die gruppennützige Forschung bei einer Unter-
gruppe der nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen auf
der Basis einer Patientenverfügung zu erlauben.“
Der als Einzelsachverständiger zur Anhörung am
16. Oktober 2016 geladene Vorsitzende des Arbeits-
kreises Medizinischer Ethik-Kommissionen, Profes-
sor Dr. Joerg Hasford, empfahl in seiner schriftlichen
Stellungnahme, “den Artikel 31 der EU-Verordnung
Nr. 536/2014 nicht mit eigener Gesetzgebung zu ergän-
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 201620046
(A) (C)
(B) (D)
zen“, also gruppennützige Forschung gemäß Artikel 31
der EU-Verordnung an allen nichteinwilligungsfähigen
Erwachsenen und Kindern, einschließlich solchen mit
sogenannter geistiger Behinderung, in Deutschland zu
legalisieren.
Daher halte ich die Befürchtung für begründet, dass die
heutige begrenzte Zulassung fremdnütziger Forschung
an nichteinwilligungsfähigen Menschen der Türöffner
für die zukünftige Einbeziehung zusätzlicher besonders
vulnerabler Gruppen in fremdnützige Forschung ist.
Bernhard Kaster (CDU/CSU): Dem heute zur Bera-
tung vorliegenden Antrag der Bundesregierung stimme
ich in der vorliegenden Form zu. Meine Position in der
Sache erkläre ich wie folgt: In der zweiten Lesung des
Gesetzentwurfs am 9. November 2016 habe ich den Än-
derungsantrag Drucksache 18/10233 unterstützt. Darin
heißt es:
Artikel 2 Nummer 11 wird wie folgt geändert:
1. § 40b Absatz 4 Satz 2 wird wie folgt gefasst:
„Eine klinische Prüfung darf an einer nicht ein-
willigungsfähigen Person im Sinne des Artikel 2
Nummer 19 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014
nur durchgeführt werden, wenn wissenschaftli-
che Gründe vorliegen, die erwarten lassen, dass
die Teilnahme an der klinischen Prüfung einen
direkten Nutzen für die betroffene Person zur
Folge hat, der die Risiken und Belastungen ei-
ner Teilnahme an der klinischen Prüfung über-
wiegt.“
2. In § 40b Absatz 4 Satz 3 wird das Wort „solche“
gestrichen.
Dieser Änderungsantrag wurde leider überstimmt und
somit nicht angenommen. Aus eigener Erfahrung weiß
ich um die große Bedeutung des angemessenen Umgangs
mit schwerstkranken Familienangehörigen. Mir persön-
lich ist es daher ein großes Anliegen, Menschen, die auf-
grund ihres Alters und oder einer schweren Erkrankung,
welche ihre geistigen Fähigkeiten beeinträchtigt, den
größtmöglichen staatlichen Schutz zukommen zu lassen.
Klinische Prüfungen müssen für mich daher einen direk-
ten Nutzen für den Betroffenen haben. Hier vertrete ich
eine andere Auffassung als die im vorliegenden Gesetz-
entwurf. Dennoch stimme ich dem Gesamtgesetz zu.
Matern von Marschall (CDU/CSU): Entsprechend
dem üblichen Verfahren zeige ich Ihnen hiermit an, dass
ich bei der namentlichen Abstimmung am Freitag, 11. No-
vember 2016, gegen den Gesetzentwurf der Bundesregie-
rung zum Vierten Gesetz zur Änderung arzneimittelrecht-
licher und anderer Vorschriften stimmen werde.
Dieses Abstimmungsverhalten entspricht meiner Po-
sition in den vorangegangen Abstimmungen zu diesem
Gesetz, bei denen ich dem Änderungsvorschlag der Uni-
onskollegen Schummer et al. gefolgt bin.
Ich habe bei meinen intensiven Recherchen im Vorfeld
der Gesetzgebung niemanden in Klinik, Wissenschaft
oder Verbänden getroffen, der gefordert oder mir schlüs-
sig dargelegt hätte, dass gruppennützige Forschung an
nichteinwilligungsfähigen Patienten derzeit sinnvoll oder
gar erforderlich ist. Im Gegenteil ist die klare Auskunft,
dass solche Studien insbesondere an Alzheimer Patienten
im weit fortgeschrittenen Krankheitsstadium wegen der
dann irreversiblen Zerstörung des Gehirnes sinnlos sind
und dass vielmehr ganz andere Studien benötigt werden,
um Ursachen kennenzulernen und Prävention zu verbes-
sern. Allenfalls Studien an Patienten, bei denen gerade
die Diagnose gestellt wurde, könnten sinnvoll sein. Die-
se aber wären dann ja zu Beginn der Studien einwilli-
gungsfähig. Kurzum: Ein Gesetz, welches gruppennützi-
ge Forschung an nicht Einwilligungsfähigen ermöglicht,
ist derzeit erkennbar nicht sinnvoll oder gar erforderlich,
es öffnet aber die Tür zu einem ethisch sehr problema-
tischen Verfahren: Wehrlose Menschen sollen sich für
andere als Versuchspersonen zur Verfügung stellen, also
ohne mit den Studien auch nur eine Erwartung an die
Verbesserung ihrer eigenen Lage verbinden zu können.
Das ist übrigens auch der wesentliche Unterschied zu
den „klassischen“ Patientenverfügungen – Organentnah-
me, Abstellen lebenserhaltender Maschinen –, die sich
stets auf die eigene Person beziehen. Deshalb hatte ja der
Kollege Schummer einen Änderungsantrag gestellt, der
lediglich einen Punkt gegenüber der Regierungsvorlage
ändert, nämlich die Entscheidung zur Teilnahme freizu-
stellen, aber sie eben auf Eigennützigkeit, also auf die
eigene Person zu begrenzen. Dem hätte ich, wenngleich
immer noch mit erheblichen Bedenken, zustimmen kön-
nen. Der jetzige Gesetzentwurf widerspricht grundsätz-
lich meinen ethischen Vorstellungen, die ich aus christli-
chen Werten ableite.
Markus Paschke (SPD): Bisher ist eine sogenann-
te gruppennützige Forschung an Nichteinwilligungsfä-
higen nach dem Arzneimittelrecht ausgeschlossen. Der
vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung will
dieses Verbot nun insoweit aufweichen, dass zukünftig
eine Teilnahme volljähriger Nichteinwilligungsfähiger
auch ohne persönlichen Nutzen zulässig ist, wenn die
Betroffenen im früheren Zustand der Einwilligungsfä-
higkeit mittels Patientenverfügung nach § 1901a BGB
einer Teilnahme zugestimmt haben. Die Regelung wird
voraussichtlich vor allem Menschen mit neurodegene-
rativen, beispielsweise dementiellen Erkrankungen be-
treffen. Ich lehne diesen Vorschlag klar ab. Die hohen
Schutzstandards, die es in Deutschland bei klinischen
Studien momentan für nichteinwilligungsfähige Er-
wachsene gibt, insbesondere hinsichtlich der Würde des
Menschen und seiner körperlichen Unversehrtheit, müs-
sen erhalten bleiben. Bereits 2013 hat sich der Bundes-
tag – Drucksache 17/12183 – dazu ausgesprochen, dass
in solchen Fällen das Schutzniveau für diese Personen zu
erhalten ist. Von dieser Haltung darf nicht abgewichen
werden. Würde und Sicherheit der Probandinnen und
Probanden müssen immer im Vordergrund stehen. Dieser
Grundsatz ist gefährdet, wenn Menschen an Forschung
beteiligt werden, die nicht in der Lage sind, das Risi-
ko und den Nutzen ihrer Teilnahme zu beurteilen, ohne
selbst irgendeinen Nutzen aus der Teilnahme zu ziehen.
Das Schutzniveau für diese besonders schützenswerte
Patientengruppe muss in Deutschland weiterhin auf ho-
hem Standard erhalten bleiben.
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2016 20047
(A) (C)
(B) (D)
Zudem entbehrt eine solche Öffnung jeder Notwen-
digkeit. Artikel 31 Absatz 2 der hier umzusetzenden
Verordnung (EU) Nr. 536/2014 erklärt nationale Verbote
einer gruppennützigen Forschung an Nichteinwilligungs-
fähigen ausdrücklich für zulässig. Diese EU-Verordnung
erlaubt die Forschung an Nichteinwilligungsfähigen,
wenn die wissenschaftlich begründete Erwartung be-
steht, dass der oder die Betroffene einen direkten Nutzen
aus der Prüfung hat, der die Risiken und Belastungen der
Studienteilnahme überwiegt (Eigennutzen).
Auch praktisch besteht keine Notwendigkeit einer
Öffnung, da es bislang keine bekannt gewordenen Fälle
gibt, in denen ein Forschungsvorhaben am Fehlen einer
solchen Möglichkeit der gruppennützigen Forschung ge-
scheitert ist.
Aus den ausgeführten Gründen werde ich daher gegen
den vorliegenden Gesetzentwurf stimmen.
Mechthild Rawert (SPD): Es geht in den Plenarsit-
zungen am 9. und 11. November 2016 um den Gesetz-
entwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Vierten
Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und an-
derer Vorschriften“ (18/8034), mit dem eine EU-Ver-
ordnung (Nr. 536/2014) umgesetzt werden soll. In der
EU-Novelle wird die rein gruppennützige Forschung an
nichteinwilligungsfähigen Erwachsenen unter bestimm-
ten Voraussetzungen erlaubt. Zugleich bleibt es den
EU-Staaten vorbehalten, auf nationaler Ebene strengere
Regeln zu beschließen. Laut Gesetzentwurf der Bundes-
regierung soll die gruppennützige Forschung an nicht-
einwilligungsfähigen Menschen auch in Deutschland
erlaubt sein. Es liegen hierzu drei Änderungsanträge vor.
Zu diesen hat am 19. Oktober 2016 eine öffentliche An-
hörung des Ausschusses für Gesundheit stattgefunden.
Ich stimme für den Änderungsantrag der Abgeordneten
Hilde Mattheis und Sabine Dittmar.
Drei Änderungsanträge zur rein gruppennützigen For-
schung an nichteinwilligungsfähigen Menschen:
Erstens. Über den Änderungsantrag der Abgeordneten
Uwe Schummer, Ulla Schmidt, Kathrin Vogler, Kordula
Schulz-Asche wird zuerst namentlich abgestimmt. Er
sieht vor, es bei der restriktiven Regelung in Deutsch-
land zu belassen. Die unter Demenz leidenden Menschen
müssten besonders geschützt werden. Aus medizinischer
Sicht könnte diese Grundlagenforschung auch an ande-
ren PatientInnengruppen geleistet werden könne.
Zweitens. Der Änderungsantrag der Abgeordneten
Hilde Mattheis und Sabine Dittmar gestattet die rein
gruppennützige Forschung mit einer vorherigen Proban-
dInnenverfügung mit optionaler ärztlicher Beratung und
wird danach abgestimmt. Der Deutsche Bundestag soll
unter anderem beschließen, dass „die betroffene Person
als einwilligungsfähige volljährige Person für den Fall
ihrer Einwilligungsunfähigkeit schriftlich nach ärztli-
cher Aufklärung oder ausdrücklichem Aufklärungsver-
zicht nach Maßgabe des Paragrafen 630e Absatz 1 bis
3 des Bürgerlichen Gesetzbuches“ festlegt, „dass sie in
bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht un-
mittelbar bevorstehende gruppennützige klinische Prü-
fungen einwilligt. … Die Aufklärung umfasst sämtliche
für die Einwilligung wesentlichen Umstände. Dazu ge-
hören insbesondere die Aufklärung über das Wesen, die
Ziele, den Nutzen, die Folgen, die Risiken und die Nach-
teile klinischer Prüfungen.“
Drittens. Als Drittes wird über den Änderungsantrag
Dr. Georg Nüßlein, Professor Dr. Karl Lauterbach, Maria
Michalk, Hermann Gröhe, Ingrid Fischbach, Annette
Widmann-Mauz, Rudolf Henke, beschlossen, der eine
verpflichtende ärztliche Beratung vorsieht.
Gründe meines Abstimmungsverhaltens
Seit Monaten wird in der Politik und Öffentlichkeit
über die Forschung an Demenz erkrankten Menschen
gestritten. Im Mittelpunkt steht die Streitfrage, ob Arz-
neimittelstudien – also keine an nicht mehr einwilli-
gungsfähigen Erwachsenen – zum Beispiel an Demenz
Erkrankten – auch dann zulässig sein sollen, wenn sie
nur gruppennützig sind, den Betroffenen selbst also kei-
ne Vorteile bringen. Das ist bislang in Deutschland ver-
boten und soll nach dem Willen der Bundesregierung
nun mit dieser gesetzlichen Änderung künftig erlaubt
werden. Grundsätzlich dürfen Menschen, die nie einwil-
ligungsfähig gewesen sind, zum Beispiel Menschen mit
kognitiver Beeinträchtigung, an solchen gruppenbezo-
genen Forschungen nicht beteiligt werden. Sie sind als
Zielgruppe mit dieser Novelle nicht angesprochen. Jeg-
licher Bezug auf experimentelle Forschungen an geistig
behinderten Menschen während der Zeit des Nationalso-
zialismus geht also am Inhalt der angestrebten Regelung
völlig vorbei.
Ich unterstütze grundsätzlich die im vorliegenden Ge-
setzentwurf von Bundesgesundheitsminister Hermann
Gröhe geschaffene Möglichkeit zur Teilnahme von Men-
schen an Arzneimittelstudien, wenn sie dies vorab im
einwilligungsfähigen und gesunden Zustand in einer
Verfügung festgelegt haben. Es handelt sich hierbei um
die Erprobung von Medikamenten, nicht um invasivere
Studien. Nur auf Grundlage dieser Vorabverfügung für
Studien für eine optimale medikamentöse Therapie dür-
fen dann Messungen von Blutdruck, Puls oder Therapie
erfolgen. Invasivere Maßnahmen oder Studien würden
mit dieser Regelung nicht erlaubt.
Ich erkenne in der Möglichkeit für eine gruppennüt-
zige Forschung an nicht mehr einwilligungsfähigen Er-
wachsenen keinen „ethischen oder rechtlichen Freibrief
für eine Verzwecklichung der Forschung“. Sowohl bei
der optionalen als auch bei der verpflichtenden ärztlichen
Beratung – Änderungsantrag 2 bzw. 3 – trifft jeder Er-
wachsene noch im gesunden Zustand diese Entscheidung
als Vorausverfügung selbst.
Für Arzneimittelstudien dieser Art gibt es zahlreiche
Hürden: Bei der Beantragung einer Studie muss eine
obligate Beratung durch öffentlich-rechtliche Ethikkom-
missionen erfolgen. Die im gesunden Zustand getroffene
Einwilligung zur Teilnahme an einer gruppennützigen
Forschung muss schriftlich vorliegen. Es muss zum Zeit-
punkt der Teilnahme eine ärztliche Aufklärung der Pa-
tientInnen und der BetreuuerInnen erfolgen. Es besteht
zu jeder Zeit die Möglichkeit, die Studie auch wieder
abzubrechen – jede ablehnende verbale oder nonverbale
Äußerung der PatientInnen und StudienteilnehmerInnen
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 201620048
(A) (C)
(B) (D)
ist als entsprechender Wunsch zu werten. Zudem bin ich
also aufgrund der für klinische Studien in Deutschland
geltenden strengen Regelungen davon überzeugt, dass es
einen systematischen Missbrauch kaum geben kann.
Die rein gruppennützige Forschung bei Minderjähri-
gen ist seit der zwölften Novellierung des Arzneimittel-
gesetzes (AMG) im Jahre 2004 in Deutschland explizit
zugelassen. Es ist mir nicht einsichtig, weshalb eine Re-
gelung für Minderjährige erlaubt und für Erwachsene
verboten sein soll.
Die Entscheidung, später einmal in einem nicht mehr
einwilligungsfähigen Zustand, sei es wegen einer fort-
geschrittenen Demenz, sei es wegen eines schweren Ge-
hirnschadens, an einer rein gruppennützigen Forschung
teilzunehmen, ist für mich auch ein Ausdruck von in-
dividueller Selbstbestimmung, wie ich es mit Voraus-
verfügungen wie dem Organspendeausweis oder einer
Vorsorgevollmacht auch mache. Eine solch freiwillige
Entscheidung ist auch Ausdruck gelebter Solidarität mit
von der gleichen Krankheit betroffenen Menschen. Bei
PatientInnen mit schweren Erkrankungen ist die Bereit-
schaft, auch ohne unmittelbaren Eigennutzen an der me-
dizinischen Forschung zu ihrer Erkrankung mitzuwirken,
durchaus weit verbreitet.
Aktuell gibt es noch keine zufriedenstellende Medi-
kation für die unterschiedlichen Phasen der dementiellen
Erkrankungen. Aber auch Menschen in späteren Stadien
der Demenzerkrankung sollen am medizinischen Fort-
schritt teilnehmen können. Vielleicht gibt es in einigen
Jahr(zehnt)en Möglichkeiten der Linderung, der Heilung.
Diese Chancen auf wichtige Erkenntnisgewinne zur Be-
handlung der Erkrankung Demenz möchte ich ergreifen.
Deshalb stimme ich dem Änderungsantrag der Abge-
ordneten Hilde Mattheis und Sabine Dittmar zu.
Kathrin Vogler (DIE LINKE): Am Mittwoch haben
wir hier in einer sehr kontroversen Debatte quer durch
alle Fraktionen über drei Änderungsanträge zu dieser hier
vorliegenden Novelle des Arzneimittelgesetzes debattiert
und abgestimmt. Dabei ging es um die Frage, ob und unter
welchen Bedingungen nichteinwilligungsfähige Erwach-
sene als Versuchspersonen in klinische Arzneimittelstudi-
en einbezogen werden dürfen, auch wenn sie davon indi-
viduell keinen Nutzen zu erwarten haben. Ich habe hier für
die Annahme eines Änderungsantrags geworben, der dies
auch weiterhin verbieten und damit die bisher in Deutsch-
land geltenden Gesetzeslage bestätigen sollte.
Die Mehrheit des Parlaments hat sich aber dafür ent-
schieden, alle drei Änderungsanträge abzulehnen und mit
dem ursprünglichen Regierungsentwurf diejenige Rege-
lung zu wählen, die ich absolut für die schlechtestmögli-
che halte. Ehrlich gesagt, ich habe nicht damit gerechnet,
dass die intensive Beratung in den Parlamentsgremien
über ein so brisantes Thema an der absoluten Mehrheit
des Hauses so komplett vorbeigehen kann.
Deswegen kann ich das ganze Gesetz heute nur ableh-
nen, auch wenn sich meine Fraktion für eine Enthaltung
entschieden hat.
Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass die Erwei-
terung des Zugriffs der Pharmaforschung auf Menschen,
die Ziel, Wesen und Tragweite eines Arzneimittelver-
suchs nicht erfassen und ihren Willen nicht danach aus-
richten können, unethisch und unnötig ist.
Manche Debattenbeiträge der Befürworter am Mitt-
woch haben mich in meiner Position eher noch bestärkt.
Wenn etwa Versuche an lebenden und leidensfähigen
Menschen gleichgesetzt werden mit Organspenden
Verstorbener, dann sind wir nicht mehr weit entfernt
von der Philosophie eines Peter Singer, der den Wert
eines Menschen und sein Lebensrecht am Grad seiner
Bewusstseins entwicklung festmacht und zum Beispiel
postuliert, dass die Tötung eines behinderten Säuglings
sehr oft gar kein Unrecht sei. Einer solchen selektiven
Ethik kann ich, auch vor dem Hintergrund der deutschen
Geschichte, nur schärfstens widersprechen.
Dann wurde in der Debatte recht oft darauf hingewie-
sen, dass ja die Ethikkommissionen schon für ausreichen-
den Schutz der besonders verletzlichen Personen sorgen
würden. Dabei hebelt dieser Gesetzentwurf gerade die
Unabhängigkeit der Ethikkommissionen teilweise aus.
Dieselbe Behörde, die auch die Arzneimittelstudien ge-
nehmigt, soll künftig auch für die Registrierung der Lan-
desethikkommissionen zuständig sein. Und die Voten der
Ethikkommissionen sollen nicht mehr verbindlich, son-
dern nur noch maßgeblich berücksichtigt werden müssen.
In der Kombination erst werden diese beiden schein-
bar kleinen Änderungen zu einem potenziell kritischen
Einfallstor für unethische Forschung an menschlichen
Versuchsobjekten. Als Gesundheitspolitikerin muss ich
die Würde des Menschen und den Respekt vor seinen
individuellen und sozialen Rechten viel zu oft gegen die
Zumutungen eines kapitalistischen Wirtschaftssystems
verteidigen, das Krankheit als Rohstoff und Gesundheit
als Ware behandelt und in dem der Mensch als Patien-
tin oder Patient eben nur das Objekt widerstrebender
Geschäftsinteressen ist. Für mich sind Menschen, ganz
gleich wie schwer beeinträchtigt, erkrankt oder behindert
sie sind, niemals als Objekt zu behandeln, auch nicht für
einen vermeintlich guten Zweck.
Deswegen stimme ich heute gegen den Gesetzentwurf
der Bundesregierung.
Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Ich stimme
heute in der Dritten Beratung des Entwurfs eines Vierten
Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und ande-
rer Vorschriften auf Drucksache 18/8034 mit Nein.
Grund meiner Ablehnung ist die Einführung von
fremdnützigen klinischen Arzneimittelprüfungen an
nichteinwilligungsfähigen Menschen, die ausschließlich
einen Nutzen für die repräsentierte Bevölkerungsgrup-
pe, zu der die betroffene Person gehört, zur Folge ha-
ben wird, nicht jedoch für den nichteinwilligungsfähigen
Probanden selbst, sogenannte gruppennützige klinische
Prüfungen. Diese lehne ich aus ethischen Gründen ab
und bekenne mich zu dem vom Deutschen Bundestag am
31. Januar 2013 einstimmig gefassten Beschluss: „Bei
Forschung an nicht einwilligungsfähigen Erwachsenen
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2016 20049
(A) (C)
(B) (D)
und an Personen in Notfallsituationen ist ein direkter in-
dividueller Nutzen vorauszusetzen.“
Die erkennbare Praxisuntauglichkeit der vorgesehe-
nen schriftlichen Verfügung nach ärztlicher Aufklärung
wird absehbar zu der Forderung führen, die schriftliche
Verfügung einschließlich der ärztlichen Aufklärung als
zwingende Voraussetzung gruppennütziger klinischer
Prüfungsteilnahme nichteinwilligungsfähiger Personen zu
streichen. Dies ist umso naheliegender, als diese Forde-
rung von als vermeintlichen Befürwortern der jetzt getrof-
fenen Regelung vorgestellten Gruppen bereits während
der parlamentarischen Beratungen erhoben worden ist.
Daher halte ich die Befürchtung für begründet, dass die
heutige begrenzte Zulassung fremdnütziger Forschung an
nichteinwilligungsfähigen Menschen der Türöffner für die
zukünftige Einbeziehung zusätzlicher besonders vulnerab-
ler Gruppen in fremdnützige Forschung ist.
Katrin Werner (DIE LINKE): Der Deutsche Bun-
destag stimmt heute über einen Entwurf der Bundesre-
gierung eines Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimit-
telrechtlicher und anderer Vorschriften ab. Zu diesem
Gesetz wurden mehrere Gruppenänderungsanträge ein-
gebracht.
Bisher ist eine sogenannte gruppennützige Forschung
an Nichteinwilligungsfähigen nach dem Arzneimittel-
recht ausgeschlossen. Der vorliegende Gesetzentwurf der
Bundesregierung will dieses Verbot nun insoweit aufwei-
chen, dass zukünftig eine Teilnahme volljähriger Nicht-
einwilligungsfähiger auch ohne persönlichen Nutzen
zulässig ist, wenn die Betroffenen im früheren Zustand
der Einwilligungsfähigkeit mittels Patientenverfügung
nach § 1901a BGB einer Teilnahme zugestimmt haben.
Die Regelung wird voraussichtlich vor allem Menschen
mit neurodegenerativen, beispielsweise dementiellen Er-
krankungen betreffen.
Die Würde und Sicherheit der Probandinnen und Pro-
banden muss immer im Vordergrund stehen. Forschung
an nichteinwilligungsfähigen Personen muss mit einem
erwartbaren Eigennutzen verbunden sein. Ansonsten droht
eine Verzweckung von Menschen. Leider hat der Ände-
rungsantrag zur Erhaltung der derzeitigen hohen Schutz-
standards keine Mehrheit gefunden. Daher habe ich heute
gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung gestimmt.
Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Ich lehne die
nicht fremdnützige Forschung an nicht mehr einwilli-
gungsfähigen Patienten ab. Patienten müssen in der Lage
sein, eine einmal gegebene Einwilligung jederzeit wieder
zurückziehen zu können. Können sie dies nach dem Ver-
lust ihrer Einwilligungsfähigkeit nicht und werden Ob-
jekte fremdnütziger Forschung, werden sie als Mittel für
Zwecke anderer benutzt. Dies ist mit der Menschwürde
aus meiner Sicht nicht vereinbar.
Dagegen kann auch nicht argumentiert werden, dass
der Mensch sich altruistisch verhalten könne. Sosehr dies
zutrifft und etwa die freiwillige Teilnahme an fremdnüt-
ziger Forschung oder die Spende von Organen bei Le-
benden Beispiele eines solchen altruistischen Verhaltens
sind, beruhen sie auf der Möglichkeit des jederzeitigen
Rücktritts. Dies ist bei nicht mehr einwilligungsfähigen
Patienten nicht gegeben.
Darüber hinaus öffnet diese Möglichkeit der fremd-
nützigen Forschung an nichteinwilligungsfähigen – und
damit auch nicht rücktrittsfähigen – Patienten die Tür zu
einem Präferenzutilitarismus, wie ihn der australische
Philosoph Peter Singer vertritt. Dieser vertritt aber ein
Menschenbild, das mit der Würde des Menschen in ei-
nem christlichen Verständnis nicht mehr vereinbar ist
und zu Recht abgelehnt wird.
Anlage 5
Amtliche Mitteilung ohne Verlesung
Der Bundesrat hat in seiner 950. Sitzung am 4. No-
vember 2016 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen
zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Ab-
satz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen:
– Gesetz zur Änderung des Kommunalinvestitions-
förderungsgesetzes und zur Änderung weiterer Ge-
setze
– Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungs-
gesetz 2016/2017 (BBVAnpG 2016/2017)
– Gesetz zur weiteren Fortentwicklung der parla-
mentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste
des Bundes
– Gesetz zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklä-
rung des Bundesnachrichtendienstes
– Zweites Gesetz zur Änderung des Berufskraftfah-
rer-Qualifikations-Gesetzes
– Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit
von Betriebsmitteln (Elektromagnetische-Verträg-
lichkeit-Gesetz – EMVG)
– Gesetz zur Änderung der Artikel 8 und 39 des
Übereinkommens vom 8. November 1968 über den
Straßenverkehr
Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie
gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von
einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen
absehen:
Haushaltsausschuss
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Haushaltsführung 2016
Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaus-
haltsordnung über die Einwilligung in eine über-
planmäßige Ausgabe bei Kapitel 10 04 Titel 671
03 – Erstattung der Kosten für Maßnahmen im Fi-
schereisektor – bis zur Höhe von 8 Mio. Euro
Drucksachen 18/9224, 18/9596 Nr. 1.4
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 201620050
(A) (C)
(B) (D)
Sondergutachten der Monopolkommission gemäß
§ 62 Absatz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes
Energie 2015: Ein wettbewerbliches Marktdesign
für die Energiewende
Drucksachen 18/6432, 18/6605 Nr. 1.4
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpoli-
tik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2015
(Rüstungsexportbericht 2015)
Drucksachen 18/9160, 18/9595 Nr. 1.2
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Sondergutachten der Monopolkommission gemäß
§ 62 Absatz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes
Energie 2015: Ein wettbewerbliches Marktdesign
für die Energiewende
Drucksache 18/6432
hier: Stellungnahme der Bundesregierung
Drucksachen 18/9870, 10102 Nr. 1.6
Ausschuss für Arbeit und Soziales
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Zwölfter Bericht der Bundesregierung über die Er-
fahrungen bei der Anwendung des Arbeitnehmer-
überlassungsgesetzes
Drucksachen 18/673, 18/817 Nr. 4
Ausschuss für Kultur und Medien
– Unterrichtung durch die Bundesregierung
Weiterentwicklung der Konzeption zur Erfor-
schung, Bewahrung, Präsentation und Vermittlung
der Kultur und Geschichte der Deutschen im öst-
lichen Europa nach § 96 des Bundesvertriebenen-
gesetzes
Drucksache 18/7730
Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben
mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni-
onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer
Beratung abgesehen hat.
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Drucksache 18/419 Nr. A.49
Ratsdokument 17392/13
Drucksache 18/419 Nr. A.50
Ratsdokument 17618/13
Drucksache 18/419 Nr. A.51
Ratsdokument 17621/13
Drucksache 18/419 Nr. A.52
Ratsdokument 17633/13
Drucksache 18/419 Nr. C.9
Ratsdokument 8065/13
Drucksache 18/419 Nr. C.10
Ratsdokument 8066/13
Drucksache 18/419 Nr. C.11
Ratsdokument 8145/11
Drucksache 18/419 Nr. C.12
Ratsdokument 8160/11
Drucksache 18/419 Nr. C.13
Ratsdokument 8163/11
Drucksache 18/1393 Nr. A.24
Ratsdokument 7838/14
Finanzausschuss
Drucksache 18/9746 Nr. A.3
Ratsdokument 11583/16
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Drucksache 18/2677 Nr. A.10
Ratsdokument 12816/14
Drucksache 18/4857 Nr. A.6
Ratsdokument 7634/15
Drucksache 18/8140 Nr. A.13
EP P8_TA-PROV(2016)0064
Drucksache 18/8293 Nr. A.8
Ratsdokument 7614/16
Drucksache 18/8293 Nr. A.9
Ratsdokument 7616/16
Drucksache 18/8470 Nr. A.18
Ratsdokument 8100/16
Drucksache 18/8470 Nr. A.19
Ratsdokument 8104/16
Drucksache 18/8936 Nr. A.20
Ratsdokument 9610/16
Drucksache 18/8936 Nr. A.21
Ratsdokument 9611/16
Drucksache 18/8936 Nr. A.23
Ratsdokument 9727/16
Drucksache 18/9605 Nr. A.51
Ratsdokument 10847/16
Drucksache 18/9605 Nr. A.52
Ratsdokument 11120/16
Drucksache 18/9746 Nr. A.4
Ratsdokument 11772/16
Drucksache 18/10116 Nr. A.20
EP P8_TA-PROV(2016)0333
Drucksache 18/10116 Nr. A.21
Ratsdokument 12153/16
Drucksache 18/10116 Nr. A.22
Ratsdokument 12364/16
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz,
Bau und Reaktorsicherheit
Drucksache 18/9605 Nr. A.58
Ratsdokument 10864/16
Drucksache 18/9605 Nr. A.59
Ratsdokument 11482/16
Drucksache 18/9605 Nr. A.62
Ratsdokument 11522/16
Ausschuss für Bildung, Forschung und
Technikfolgenabschätzung
Drucksache 18/9141 Nr. A.35
Ratsdokument 10209/16
Drucksache 18/9605 Nr. A.67
Ratsdokument 10826/16
Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. November 2016
Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com
Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de
Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de
200. Sitzung
Inhaltsverzeichnis
TOP 36 Arzneimittelrechtliche Vorschriften (3. Lesung)
TOP 37 6. Bericht Bildung in Deutschland 2016
TOP 38, ZP 11 Große Anfrage zur Verbrechensserie des NSU
TOP 39 Grundsicherung für ausländische Personen
Anlagen
Anlage 1
Anlage 2
Anlage 3
Anlage 4
Anlage 5